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German Pages 1808 Year 2009
Geimer
Internationales Zivilprozeßrecht
Internationales Zivilprozessrecht von
Prof. Dr. Reinhold Geimer Notar a.D. in München unter Mitarbeit von
Dr. Ewald Geimer Notar in Boppard und
Dr. Gregor Geimer LL.M. (John Marshall Chicago) Rechtsanwalt und Steuerberater in München Attorney at Law (New York)
6. neu bearbeitete Auflage
2009
Für Rolf A. Schütze in Freundschaft
Vorwort Auf die „Europäisierung“ des internationalen Zivilverfahrensrechts und die daraus resultierende Verlagerung der völkerrechtlichen Außenkompetenz auf die Europäische Gemeinschaft (künftig: Europäische Union) – mit enormen Auswirkungen z.B. auf die Arbeiten der Haager Konferenz – wurde schon im letzten Vorwort hingewiesen. Viele neue Verordnungen sind hinzugekommen, wie die Europäische Mahnverfahrensverordnung, die Verordnung zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen und die Unterhaltsverordnung. Brüssel III und IV zur weiteren Ausfüllung des in Art. 1 II (a) EuGVVO stipulierten Vorbehalts kommen bald auf die Agenda. Weiter ist ein Rechtsinstrument für die grenzüberschreitende Kontenpfändung in Vorbereitung. Schließlich steht demnächst auch die „Modernisierung“ des Brüssel I-Systems (Art. 74 EuGVVO) an. Die Marschrichtung des europäischen Gesetzgebers ist klar und unverrückbar: Umsetzung der Beschlüsse der Staats- und Regierungschefs von Tampere aus dem Jahr 1999 auf möglichst breiter Front. Diese verlangen europaweite Vollstreckbarkeit der (nationalen) Vollstreckungstitel. Die Notwendigkeit der (vorherigen) Durchführung eines Exequaturverfahrens im jeweiligen Vollstreckungsstaat entfällt und damit auch die Möglichkeit, den ordre public-Vorbehalt als äußerste Notbremse einzusetzen. Der Druck auf den Beklagten bzw. Antragsgegner, sich bereits im Erststaat umfassend zu verteidigen, wird immer größer. Seine Gerichtspflichtigkeit quer durch die weite große Europäische Union wächst ins schier Grenzenlose. Das 11. Buch der ZPO mit der Überschrift „Justizielle Zusammenarbeit in der Europäischen Union“ wird immer „länger“ und umfangreicher; das Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz (AVAG) sowie das Gesetz zur Aus- und Durchführung bestimmter Rechtsinstrumente auf dem Gebiet des internationalen Familienrechts – Internationales Familienrechtsverfahrensgesetz (IntFamRVG) werden immer häufiger ergänzt und novelliert. Mittlerweile wurde auch das Lugano-Übereinkommen revidiert und der EuGVVO weitgehend angepasst durch das Übereinkommen vom 30. Oktober 2007 (LugÜ II). Selbst der „Weltgesetzgeber“ blieb nicht tatenlos; die Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete am 2. Dezember 2004 nach langwierigen Vorarbeiten das Übereinkommen über die Staatenimmunität. Die Haager Konferenz für Internationales Recht scheiterte zwar bei dem Versuch, ein „WeltGVÜ“ zu kreieren, brachte aber immerhin das Übereinkommen vom 30. Juni 2005 über Gerichtsstandsvereinbarungen zustande. Einen Meilenstein in der Gesetzgebungsgeschichte des deutschen internationalen Verfahrensrechts stellt Abschnitt 9 des Buchs 1 des am 1. September 2009 in Kraft tretenden Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) dar: Hier wird unter der Überschrift „Verfahren mit Auslandsbezug“ ein wichtiger (wenn auch nicht erschöpfender) Beitrag zur Kodifizierung der Materie geleistet. So wird die Doppelfunktionslehre ohne Abstriche für die Bereiche festgeschrieben, für welche die internationale Zuständigkeit nicht ausdrücklich separat normiert ist. Die örtVII
Vorwort liche Zuständigkeit indiziert nicht nur, sondern begründet ohne Wenn und Aber die internationale Zuständigkeit Deutschlands (§ 105 FamFG). Damit ist insbesondere der sog. Gleichlauftheorie der Todesstoß versetzt, die vor allem in Nachlasssachen praeter legem bis jetzt fröhliche Urständ feiern konnte. Große Freude herrscht in der Wissenschaft und hoffentlich auch beim Bundesgerichtshof, weil der Rechtsausschuss des Bundestags während des Gesetzgebungsverfahrens zum FamFG § 545 Abs. 1 ZPO so geändert und § 72 Abs. 1 FamFG so formuliert hat, dass nun auch ausländisches Recht in vollem Umfang revisibel ist. Auch bei dieser Neuauflage haben mich meine Söhne Ewald und Gregor tatkräftig unterstützt. 17. Juni 2009
VIII
Reinhold Geimer
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Vorwort . . . . . . . . . . . Inhaltsverzeichnis . . . . Abkürzungsverzeichnis Literaturverzeichnis. . .
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Erster Teil: Grundlegung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kapitel: Gegenstand und Begriff des internationalen Zivilprozessrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kapitel: Verhältnis des internationalen Zivilprozessrechts zum internationalen Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kapitel: Entscheidungsharmonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kapitel: Internationales Zivilprozessrecht als Teil des internationalen Verfahrensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kapitel: Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Kapitel: Internationales Zivilprozessrecht und Grundgesetz . . . 7. Kapitel: Anknüpfungspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Kapitel: Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zweiter Teil:
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. VII . XIII . LXXI .LXXXV
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40 46 120 147 156
Lex fori-Prinzip oder System der kollisionsrechtlichen Verweisung auch im Prozessrecht? . . . . . . . . . . . . . . .
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kapitel: Begriff und Grenzen der Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . 2. Kapitel: Befreiung von der Gerichtsbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . 3. Kapitel: Staatenimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kapitel: Immunität der Organe des völkerrechtlichen Verkehrs 5. Kapitel: Immunität von Truppen fremder Staaten. . . . . . . . . . 6. Kapitel: Einschränkungen der deutschen Gerichtsbarkeit im Hinblick auf deutsches Auslandsvermögen . . . . . . . . 7. Kapitel: Immunität internationaler Organisationen. . . . . . . . . 8. Kapitel: Prüfung der Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland in jeder Lage des Verfahrens . . . . . . . . .
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kapitel: Generalia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kapitel: Ausschließliche internationale Zuständigkeiten . . . . . . . . . .
337 338 350
IX
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3. Kapitel: Regelung der internationalen Zuständigkeit in der deutschen Zivilprozessordnung . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kapitel: Internationale Notzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kapitel: Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht . 6. Kapitel: Forum non conveniens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Kapitel: Forum shopping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Kapitel: Grundlinien der internationalen Zuständigkeitsordnung des autonomen deutschen Rechts . . . . . . . . 9. Kapitel: Anknüpfungen für die internationale Zuständigkeit . . 10. Kapitel: Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit 11. Kapitel: Prüfung der internationalen Zuständigkeit . . . . . . . . 12. Kapitel: Regelung der internationalen Entscheidungszuständigkeit durch sekundäres Gemeinschaftsrecht . 13. Kapitel: Regelung der internationalen Entscheidungszuständigkeit in völkerrechtlichen Vereinbarungen . . Fünfter Teil:
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373 397 402 411 423
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433 467 565 633
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Justizgewährungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Sechster Teil: Internationales Zustellungsrecht . . . . . . . . . . . . . . 1. Kapitel: Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kapitel: Zustellungen für deutsche Gerichtsverfahren. . . . . . . . . . . 3. Kapitel: Zustellungen für ausländische Gerichtsverfahren in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kapitel: Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke in Deutschland Siebenter Teil:
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707 710 722
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Parteien und ihre Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht 1. Kapitel: Internationales Beweisrecht im Spannungsfeld zwischen lex causae und lex fori. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kapitel: Internationales Beweisverfahrensrecht – Grundfragen . . . . 3. Kapitel: Beweisaufnahmen mit Auslandsbezug in Zusammenhang mit vor deutschen Gerichten anhängigen Verfahren . . . . . . 4. Kapitel: Beweisaufnahmen auf deutschem Territorium für im Ausland anhängige Verfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kapitel: Ladung von Zeugen ins Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Kapitel: Kein Verbot der freiwilligen Mitwirkung an einer vom ausländischen Gericht – ohne Einschaltung deutscher Rechtshilfeorgane – veranlassten Beweisaufnahme, die (angeblich) die Souveränität Deutschlands verletzt . . . . 7. Kapitel: Nichtanerkennung ausländischer Entscheidungen, die auf einem völkerrechtswidrigen Beweisverfahren beruhen? . . . X
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851 880
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8. Kapitel: Beweisaufnahme für schiedsgerichtliche Verfahren . . . . . . . . 9. Kapitel: Beweissicherung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Neunter Teil:
884 884
Anwendung ausländischen Rechts durch die deutschen Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Durchführung in Deutschland anhängiger Verfahren mit Auslandsberührung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
908
Bedeutung eines im Ausland anhängigen Verfahrens bei Identität oder Konnexität des Streitgegenstands . . .
924
Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kapitel: Anerkennung ausländischer Entscheidungen . . . . . . . . . . . . 2. Kapitel: Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel . . . . . . . . . . . . . .
952 958 1086
Dreizehnter Teil: Internationales Zwangsvollstreckungsrecht . . . . . . . .
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Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht . . . . . . . . . . . . . . 1. Kapitel: Grundfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kapitel: Deutsche Insolvenzverfahren mit Auslandsberührung . . 3. Kapitel: Anerkennung der Wirkungen ausländischer Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kapitel: Insolvenzkollisionsrecht und insolvenzrechtliche Sachnormen für Fälle mit Auslandsberührung . . . . . . . . . . .
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1171 1176 1208
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Fünfzehnter Teil: Internationale Rechtshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Sechzehnter Teil: Internationale Schiedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . 1. Kapitel: Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kapitel: Grundfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kapitel: Die Schiedsvereinbarung als Basis für die „Zuständigkeit“ des Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kapitel: Das Verfahren vor dem Schiedsgericht . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kapitel: Das Schiedsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Kapitel: Durchführung des Schiedsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Kapitel: Schiedsgericht und internationales Privatrecht . . . . . . . . . 8. Kapitel: Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Zehnter Teil:
Elfter Teil:
Zwölfter Teil:
XI
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Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verzeichnis der Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vorwiegend zum EuGVÜ . . II. Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen . . III. Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen . V. Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten („Zustellung von Schriftstücken“) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates . VI. Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen . VIII. Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen . . . . . . . . . X. Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Haager Übereinkommen vom 30. Juni 2005 über Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XII. United Nations Convention on Jurisdictional Immunities of States and Their Property on 2 December 2004 . . . . . . . . . . . . . XIII. Haager Übereinkommen vom 23. November 2007 über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1355
Sachverzeichnis
1643
XII
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1355
1369
1408
1445
1469 1481
1508
1519
1533
1546 1579 1594
1605
Inhaltsverzeichnis Seite
Vorwort . . . . . . . . . . . Inhaltsübersicht . . . . . Abkürzungsverzeichnis Literaturverzeichnis. . .
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. VII . IX . LXXI .LXXXV
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Erster Teil: Grundlegung 1. Kapitel: Gegenstand und Begriff des internationalen Zivilprozessrechts I. II. III. IV. V. VI. VII.
Überblick . . . . . . . . . . . . . Definitionsversuche . . . . . . Auslandsbezogenheit . . . . . Kein internationales Recht . Öffentliches Recht . . . . . . . Regelungsinhalte . . . . . . . . Kollisionsrecht . . . . . . . . .
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2. Kapitel: Verhältnis des internationalen Zivilprozessrechts zum internationalen Privatrecht I. II. III. IV.
V. VI. VII. VIII. IX.
Gegenstand der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lex fori-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keine Beschränkung auf bloße Rechtsanwendung . . . . . . . . . . . . Unterschiede zwischen dem ordre public-Vorbehalt im internationalen Privatrecht und im internationalen Zivilverfahrensrecht 1. Strukturelle Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kollisionsrechtlicher ordre public (Art. 6 EGBGB) . . . . . . . . . 3. Anerkennungsrechtlicher ordre public (§ 328 I Nr. 4 ZPO, § 109 I Nr. 4 FamFG, § 343 I 2 Nr. 2 InsO) . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtshilferechtlicher ordre public . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keine (räumliche) Fixierung auf eine Rechtsordnung . . . . . . . . . . Unterschiede bei den Anknüpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gegenseitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergeltungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internationale Fungibilität der Gerichte – eine Fiktion ebenso wie die (grundsätzliche) Austauschbarkeit der Rechtsordnungen. .
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XIII
Inhaltsverzeichnis Seite
X. Selbständigkeit des internationalen Zivilverfahrensrechts gegenüber dem internationalen Privatrecht . . . . . . . . . . . . . . 1. Kompetenzrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anerkennungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Reichweite der Verweisung der IPR-Kollisionsnorm . . . . . . . . 1. Keine Verweisung auf das Gerichtsverfassungs- und Verfahrensrecht der lex causae . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine Verweisung auf das Kompetenzrecht der lex causae . 3. Eigenständiges Verfahrenskollisionsrecht? . . . . . . . . . . . . 4. Grenze zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht . XII. Priorität des internationalen Zivilverfahrensrechts? . . . . . . . .
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3. Kapitel: Entscheidungsharmonie I. Kompetenzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anerkennungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Beachtung ausländischer Rechtsvorstellungen im inländischen Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Bedeutung des Forums für den Ausgang des Prozesses . . . . . . . 1. Gerichtsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfahrensablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ermittlung ausländischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Durchsetzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Rechtsklima. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Judizielles Gesamtsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Prozessbeendigung ohne Sachurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Einebnung der Unterschiede durch das Anerkennungsrecht . . . VI. Formeller Entscheidungseinklang bei mehreren (widersprüchlichen) Entscheidungen über den gleichen Streitgegenstand . . .
4. Kapitel: Internationales Zivilprozessrecht als Teil des internationalen Verfahrensrechts I. Bereiche des internationalen Verfahrensrechts . . . . . . . . . . . . . . . II. Verhältnis zum internationalen Strafverfahrensrecht . . . . . . . . . . 1. Adhäsionsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bindung des Zivilrichters an Feststellungen des Strafrichters . 3. Vollstreckung ausländischer Strafurteile . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anwendung des § 190 StGB auch auf ausländische Strafurteile 5. Keine Beachtung des Prinzips „le criminel tient le civil en l’etat“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verhältnis zum Verwaltungsstreitverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kompetenzrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anerkennungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIV
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5. Kapitel: Rechtsquellen I. Völkergewohnheitsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Achtung der Souveränität fremder Staaten – Gebietshoheit . . 2. Immunitätsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fehlen einer internationalen Zuständigkeitsordnung . . . . . . 4. Fremdenrechtlicher Mindeststandard . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Menschenrechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Völkerrechtliche Anerkennungs- und Vollstreckungsverbote . 7. Kein Verbot der Durchsetzung ausländischer öffentlichrechtlicher Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Völkerrechtliche Schranken für Hoheitsakte mit extraterritorialer Wirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Extraterritoriale Wirkung fremder Hoheitsakte – Pflicht zur Beachtung (Anerkennung)? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Völkerrechtliche Voraussetzungen für die Anwendung eigenen Rechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Völkerrechtliche Verpflichtung zur Ermittlung ausländischen Rechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Völkerrechtliche Zulässigkeit der Verurteilung zum Handeln oder Unterlassen im Ausland, wenn der Aufenthalts- bzw. Heimatstaat (gegensätzliche) Verhaltensnormen aufgestellt hat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Durchgriffshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Zuständigkeitsdurchgriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15. Gewaltverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16. Gerichtsverfahren gegen völkerrechtswidrig Entführte. . . . . . 17. Gegenstände, die völkerrechtswidrig ins Inland gebracht wurden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18. Amtshaftungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19. Comitas gentium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20. Völkerrechtliche Haftung für Gerichtsurteile . . . . . . . . . . . . 21. Haftungsrechtlicher Durchgriff auf die Mitgliedstaaten internationaler Organisationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22. Keine Übertragbarkeit der International Dispute Settlement Rule auf Verfahren vor nationalen Gerichten . . . . . . . . . . . . 23. Reaktionsmöglichkeiten nicht (unmittelbar) betroffener Staaten auf Völkerrechtsverletzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 24. Fehlende Rechte der Individuen: Können diese die Völkerrechtswidrigkeit staatlichen Handelns geltend machen? . . . . 25. Aufhebung und Abänderung von gerichtlichen Entscheidungen und sonstigen Hoheitsakten ausländischer Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26. Aufhebung ausländischer Schiedssprüche . . . . . . . . . . . . . . 27. Kriegs- und Besatzungsschäden. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28. Zahlungsmoratorien wegen Staatsnotstands . . . . . . . . . . . . .
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II. Völkervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorbehalte zu völkerrechtlichen Verträgen . . . . . . . . . . . . . . 3. Inhalt der Staatsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Haager Konventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Völkerrechtliche Verträge der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Recht der Europäischen Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Säulenwechsel“ durch den Vertrag von Amsterdam. . . . . . . 2. Brüsseler Übereinkommen vom 27.9.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen . . . . . . . . . . . . . . 3. Zuständigkeiten des Europäischen Gerichtshofs und des Gerichts erster Instanz mit dem Sitz in Luxemburg . . . . . . . . 4. Zuständigkeitsbereich der nationalen Gerichte . . . . . . . . . . . 5. Vorlagepflicht der nationalen Gerichte an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV/Art. 12 EGV und Garantie des gleichen Zugangs zu allen öffentlichen Dienstleistungen (Art. 56 AEUV/Art. 49 EGV) im internationalen Zivilverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Nichtanwendbarkeit nationaler Präklusionsvorschriften . . . . 8. Zurückdrängung des lex fori-Prinzips im Interesse der Gewährleistung der Marktgrundfreiheiten . . . . . . . . . . . . . . IV. Europäischer Wirtschaftsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Kommission für ein europäisches Zivilprozessrecht . . . . . . . . . . VI. Unidroit-Entwurf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Autonomes Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6. Kapitel: Internationales Zivilprozessrecht und Grundgesetz I. Prinzip der offenen Staatlichkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Eröffnung internationaler Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . 1. Justizgewährungsanspruch des Klägers . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtspflichtigkeit des Beklagten . . . . . . . . . . . . . . . a) No right not to be sued abroad . . . . . . . . . . . . . . . . b) Minimum contacts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtliches Gehör . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Unterschiedliche Behandlung von In- und Ausländern . III. Klagezustellungen aus dem Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Pflicht zur Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Versagungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anforderungen an den Begriff „Gericht“ . . . . . . . . . . .
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V. Prärogative der Bundesregierung als Trägerin der auswärtigen Gewalt (Art. 32 I GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Verhältnis von Verwaltung und Rechtsprechung in internationalrechtlichen Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verkehr mit ausländischen Behörden zum Zwecke der Rechtshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsstellung der Konsularbeamten bei Vernehmung von Zeugen und Erhebung sonstiger Beweise . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beweisaufnahmen für im Ausland anhängige Gerichtsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtshilfe als Aufgabe des Bundes gemäß Art. 32 I GG. . . . . . 5. Entscheidungsmonopol der Landesjustizverwaltung bzw. des Oberlandesgerichtspräsidenten in Ehesachen . . . . . . . . . . VII. Innerstaatliche Geltung der Normen des Völkerrechts in der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Allgemeine Regeln des Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonstige Regeln des Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Völkerrechtliche Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Pflicht zur Anwendung ausländischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . IX. Keine Bindung der Gerichte an die Rechtsmeinung der Regierung zu völkerrechtlichen Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Feststellungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts zu Fragen des Völkerrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Kein Anspruch auf diplomatischen Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . XII. Grundrechtsschutz gegen nichtdeutsche Rechtsprechungsakte . . .
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7. Kapitel: Anknüpfungspunkte I. Staatsangehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit . . . . . 3. Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit . . . . . 4. Gleichgestellte Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wohnsitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gewöhnlicher Aufenthalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. In- bzw. Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Parteiautonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kompetenzrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zustellungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anerkennungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Disponibilität des Verfahrens- und Beweisrechts.
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8. Kapitel: Qualifikation I. Keine eigenständigen Qualifikationsmethoden. . . . . . . . . . . . . . . II. Abgrenzung zwischen Prozessrecht und Sachrecht. . . . . . . . . . . . III. Auslegung der Begriffe in Staatsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Zweiter Teil: Lex fori-Prinzip oder System der kollisionsrechtlichen Verweisung auch im Prozessrecht? I. II. III. IV. V.
Standpunkt der herrschenden Meinung: „forum regit processum“ . Dogmatische Begründung des lex fori-Prinzips. . . . . . . . . . . . . . . Nichtanwendung deutscher Verfahrensnormen . . . . . . . . . . . . . . Anwendung ausländischen Prozessrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beurteilung ausländischer Verfahrensakte nach ausländischem Verfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Eigenes Verfahrenskollisionsrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Selbsthilfeverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Justizgewährungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Klagbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Richtet sich die Zulässigkeit der Klage auf Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung nach der ausländischen lex causae oder der deutschen lex fori? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verjährung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Fristwahrung nach § 167 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Prozesszinsen und Inflationsausgleich während des Prozesses. 9. Direktklage (action directe) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Defences nach common law . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Geständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Geständnisfiktion im Versäumnisfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Lex fori und contempt of court . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Rechtshilfe für ausländische Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit 1. Kapitel: Begriff und Grenzen der Gerichtsbarkeit I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Stand der völkerrechtlichen Diskussion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fehlen einer völkerrechtlichen Zuständigkeitsordnung. . . . . . . . .
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IV. Verbot der Justizverweigerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Völkervertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Minimalbezug zum Gerichtsstaat als Voraussetzung für die Bejahung der internationalen Zuständigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Keine Garantie bestimmter international gebräuchlicher Zuständigkeitsanknüpfungen durch das Völkergewohnheitsrecht – auch kein Verbot sog. exorbitanter Gerichtsstände . . . . . . . . . . . . VII. Völkerrechtliche Grenzen für gerichtliche Anordnungen, Maßnahmen und Entscheidungen mit (faktischen) Auswirkungen auf das Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verurteilung zur Leistung bzw. Unterlassung im Ausland . . . . 2. Erzwingung eines Handelns im Ausland durch Zwang im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zustellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ladungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Telefonische Befragung von Auskunftspersonen (Parteien/ Zeugen), die sich im Ausland aufhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Schriftliche Befragung von Zeugen, die sich im Ausland aufhalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Anordnung der Vorlage von Urkunden. . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Beauftragung von Sachverständigen, die sich im Ausland aufhalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Beweiserhebung im Ausland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Beweisbeschaffung aus dem Ausland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Tätigwerden eines vom deutschen Gericht beauftragten Sachverständigen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Anwesenheit deutscher Richter bei Erledigung eines (deutschen) Rechtshilfeersuchens durch das ausländische Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Ausübung mittelbaren Zwangs im Forumstaat, um Beweispersonen im Ausland zur Aussage vor (ausländischem) Rechtshilfegericht zu bewegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15. Beweisaufnahme durch diplomatische oder konsularische Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16. Beweisaufnahme durch Beauftragte des Gerichts (Commissioners) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17. Sachverhaltsaufklärung im Ausland durch die Parteien bzw. deren Anwälte ohne Auftrag des Gerichts . . . . . . . . . . . . 18. Informelle Stoffsammlung durch Anwälte (informal investigations) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19. Freiwillige Mitwirkung der Partei(en) an der pre-trial discovery auf deutschem Boden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VIII. Ausländisches öffentliches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausländische Hoheitsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Öffentlich-rechtliche Streitgegenstände . . . . . . . . . . . . . 3. Gewerblicher Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anweisungen an ausländische Standesbeamte . . . . . . . . 5. Versorgungsansprüche, die bei einem ausländischen Versorgungsträger entstanden sind. . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Innerstaatliche Wirksamkeit völkerrechtswidriger Justizakte .
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2. Kapitel: Befreiung von der Gerichtsbarkeit I. Staatenimmunität als Ausgangspunkt der Immunitätslehre . . . II. Immunitätsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Organe des Völkerrechtsverkehrs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Staatsorgane ohne besonderen völkerrechtlichen Status . . 3. Erosion der Abgrenzungsmerkmale Immunität ratione personae – ratione materiae. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Klagezustellung und Ladung von ausländischen Staaten bzw. Immunitätsträgern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verschiedene Ausgestaltung der Immunitätsbereiche . . . . . . . V. Keine Relativität der Immunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Befreiung von der Zeugnispflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Immunität internationaler Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . IX. Kein Ausschluss der Immunität bei völkerrechtswidrigem Verhalten, auch bei schweren Völkerrechtsverstößen . . . . . . . X. Drittwirkung der Immunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Verzicht auf Immunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einseitige Erklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Völkervertraglicher Verzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Umfang des Verzichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Form. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Schlüssiges Verhalten (implied waiver) . . . . . . . . . . . . . . 9. Widerruflichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Immunitätsverzicht gegenüber Privaten . . . . . . . . . . . . . . 11. Justizgewährungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Verzicht auf Vollstreckungsimmunität . . . . . . . . . . . . . . . XII. Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes. . . . . . . . . . . . . . . . XIII. Feststellungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts . . . . .
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XIV. Gerichtsbarkeit als Prozessvoraussetzung – Prüfung von Amts wegen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV. Beweislast. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVI. Prozessabweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII. Innerstaatliche Wirksamkeit einer das Immunitätsrecht verletzenden deutschen Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVIII. Versagung der Anerkennung eines ausländischen Urteils bei Überschreitung der Gerichtsbarkeit des Urteilsstaates . . . . . . . . . . XIX. Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Urteile zu Lasten eines ausländischen Staates oder sonstigen Immunitätsträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zulässigkeit der Erstreckung der Wirkungen des ausländischen (anerkennungsfähigen) Urteils kraft Gesetzes ohne Durchführung eines Anerkennungsverfahrens . . . . . . . . . . . . 3. Unzulässigkeit der Durchführung eines Anerkennungsoder Vollstreckbarerklärungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Feststellungsverfahren nach Art. 21 des Europäischen Übereinkommens über die Staatenimmunität . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Anerkennungs- bzw. Vollstreckbarerklärungsvoraussetzungen . XX. Abgrenzungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verhältnis zur ausschließlichen Zuständigkeit des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) bzw. des Europäischen Gerichts erster Instanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Völkerrechtliche Verträge über die internationale Entscheidungszuständigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXI. Beurkundung eines Prozessvergleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Kapitel: Staatenimmunität I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Immunitätstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine Deckungsgleichheit zwischen Immunität für Erkenntnis- und für Vollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Völkerrechtliche Anerkennung des fremden Staates . . . . . . 4. Anerkennung der fremden Regierung. . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gliedstaaten und kommunale Gebietskörperschaften . . . . . 6. Kodifikationen und Kodifikationsentwürfe. . . . . . . . . . . . . 7. VN-Übereinkommen über die Staatenimmunität – United Nations Convention on Jurisdictional Immunities of States and their Property . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Zurückdrängung des Grundsatzes der Mediatisierung des Menschen im Völkerrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Reziprozität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Rechtshistorisches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Staatenimmunität nach allgemeinem Völkergewohnheitsrecht . . . 1. Erkenntnisverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Arrest- und einstweilige Verfügungsverfahren (einstweiliger Rechtsschutz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Insolvenzverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Klagen gegen Amtsträger (Beamte) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Staatsunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zentralbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Rundfunkanstalten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Deliktsklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inlandsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auslandsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Klagen in Zusammenhang mit schweren Völkerrechtsdelikten . 11. Dingliche Klagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Erbschaftsklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Klagen betreffend geistiges Eigentum und gewerbliche Schutzrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Verzicht auf Immunität (Unterwerfung) . . . . . . . . . . . . . . . . . 15. Ausländischer Staat als Kläger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16. Ausländischer Staat als Widerkläger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17. Ausländischer Staat als Widerbeklagter . . . . . . . . . . . . . . . . . 18. Aufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19. Streitverkündung an ausländischen Staat. . . . . . . . . . . . . . . . 20. Nebenintervention des ausländischen Staates. . . . . . . . . . . . . 21. Verfahrensablauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22. Rechtlosstellung des Klägers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23. Diplomatischer Schutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24. Internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25. Repressalie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26. Zustellung von Klagen gegen fremde Staaten . . . . . . . . . . . . . 27. Säumnis des beklagten Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28. Keine Befreiung von der materiellen Rechtsordnung des Forumstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29. Anhang: Haftungsrechtlicher Durchgriff auf die Mitgliedstaaten für Verbindlichkeiten internationaler Organisationen . . III. VN-Übereinkommen über die Staatenimmunität . . . . . . . . . . . . . IV. Europäisches Übereinkommen über die Staatenimmunität . . . . . . 1. Vertragsstaaten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Vom Übereinkommen akzeptierte Zuständigkeitsanknüpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vom Übereinkommen verpönte beziehungsarme Gerichtsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Mindeststandard für Prozesse gegen Vertragsstaaten . . . . . . . . XXII
262 262 268 277 278 278 278 280 281 281 281 282 283 283 283 284 284 285 286 286 287 287 287 288 288 289 289 290 290 292 293 294 294 295 295 295 296 297 297
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6. Vollstreckungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Anerkennungs- und Erfüllungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . 8. Unterwerfung unter die Jurisdiktion des Gerichtsstaates . . 9. Fehlen der Immunität auch ohne Unterwerfung . . . . . . . . 10. Vereinbarung der schiedsgerichtlichen Streiterledigung . . 11. Gerichtliche Vermögensverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Immunität der Staatsschiffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die Sicherungsbeschlagnahme von Luftfahrzeugen vom 29.5.1933
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4. Kapitel: Immunität der Organe des völkerrechtlichen Verkehrs I. Staatsoberhäupter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Regierungsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ständige Missionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Diplomaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Familienmitglieder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verwaltungs- und technisches Personal . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Dienstpersonal der Mission. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Private Hausangestellte von Mitgliedern der Mission . . . . . . 6. Aufhebung der Immunität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Unterschied zwischen der Immunität des Personals diplomatischer Missionen und der Immunität des Personals internationaler Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Ne impediatur legatio . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Archive und Schriftstücke der Mission . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Kuriere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Rechtsstellung der Diplomaten in dritten Staaten: Keine erga omnes-Wirkung der diplomatischen Immunität . . . . . . . . . . 12. Ende der Immunität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Nichtvertragsstaaten des Wiener Übereinkommens . . . . . . . . 14. Verletzung der diplomatischen Vorrechte . . . . . . . . . . . . . . . 15. Rechtsschutz durch den Entsendestaat. . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Spezialmissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Konsularische Vertretungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Immunität nur für dienstliches Handeln . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zeugnispflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Urkundenvorlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Immunitätsverzicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Abgrenzung zwischen konsularischen (dienstlichen) und privaten (nichtdienstlichen) Tätigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . 6. Wahrnehmung diplomatischer Aufgaben durch Konsularbeamte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Wahrnehmung konsularischer Aufgaben durch diplomatischen Vertreter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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8. Honorar- und Wahlkonsuln. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Unverletzlichkeit der Konsulatsräume und Archive . . . . . . 10. Beschränkung der persönlichen Freiheit des Konsularbeamten in Ausführung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Nichtvertragsstaaten des Wiener Übereinkommens . . . . . . .
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I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. NATO-Truppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Deutsch-sowjetischer (bzw. nunmehr -russischer) Vertrag vom 12.10.1990 über den befristeten Aufenthalt und den planmäßigen Abzug der sowjetischen Truppen aus Deutschland . . . . . . . . . . . .
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6. Kapitel: Einschränkungen der deutschen Gerichtsbarkeit im Hinblick auf deutsches Auslandsvermögen . . . . . . . . . . . . .
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5. Kapitel: Immunität von Truppen fremder Staaten
7. Kapitel: Immunität internationaler Organisationen I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X.
Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vereinte Nationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beamte der Vereinten Nationen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderorganisationen der Vereinten Nationen . . . . . . . . . . . . Sonstige internationale Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . Missionen und Delegationen bei universellen internationalen Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internationaler Gerichtshof. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internationaler Strafgerichtshof. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Europäische Union . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nicht staatliche (private) internationale Organisationen (International Non Governmental Organisations – INGOs). . . .
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8. Kapitel: Prüfung der Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland in jeder Lage des Verfahrens I. Prüfung nach der Inquisitionsmaxime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Keine perpetuatio iurisdictionis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 1. Kapitel: Generalia I. Begriff der internationalen Zuständigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verhältnis zur Gerichtsbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verhältnis zur örtlichen Zuständigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Fehlen einer völkerrechtlichen Zuständigkeitsordnung. . . . . . . . V. Gegenstand der Normen über die internationale Zuständigkeit . . VI. Unterschied zwischen internationaler Entscheidungs- und Anerkennungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Spiegelbildprinzip: Kongruenzregel des § 328 I Nr. 1 ZPO . . . 2. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Konkurrierende internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Ausschließliche internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . IX. Keine Beschränkung der Kognitionsbefugnis in territorialer Sicht X. Keine Kognitionsbeschränkung bezüglich Vorfragen . . . . . . . . . . XI. Neutralität der Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Europäisches Gemeinschaftsrecht und völkerrechtliches Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Autonomes deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Unmittelbare staatliche Interessen erzwingen nicht die Inanspruchnahme der ausschließlichen internationalen Zuständigkeit für die eigenen Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsanwendungsinteresse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besondere Eignung der inländischen Gerichte? . . . . . . . . . . . 4. Anwendung „schwierigen“ Rechts nur durch inländische Richter?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Keine Kohärenz von Rechtsgang (Verfahrensrecht) und Rechtsanwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Souveränitätsinteressen des Inlandes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Abwehr ausländischer Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Theorie von der Nichtanwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Beweis- und Rechtsnähe. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Parteiinteressen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Kein Schutz des Jurisdiktionsinteresses dritter Staaten . . . . . . . . .
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2. Kapitel: Ausschließliche internationale Zuständigkeiten
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V. Völkervertragliche Bindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Alle beteiligten Staaten sind Vertragspartner einer Konvention 3. Der Erststaat ist gegenüber dem Zweitstaat völkervertraglich nicht gebunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Beeinträchtigung der Justizgewährung im Inland durch Beachtung ausschließlicher internationaler Zuständigkeiten fremder Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unbeachtlichkeit des ausschließlichen Jurisdiktionsanspruchs fremder Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuweisung ausschließlicher internationaler Zuständigkeiten an fremde Staaten durch das deutsche Recht?. . . . . . . . . . . . . VII. Durchbrechung der Kongruenzregel des § 328 I Nr. 1 ZPO? . . . . . .
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3. Kapitel: Regelung der internationalen Zuständigkeit in der deutschen Zivilprozessordnung I. Gesetzestechnik. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Doppelfunktion der Gerichtsstandsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die örtliche Zuständigkeit indiziert die internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuständigkeitsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Arbeitsgerichtsbarkeit und freiwillige Gerichtsbarkeit . . . . . . . 4. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Örtliche Ersatzzuständigkeit, wenn die internationale Zuständigkeit Deutschlands zu bejahen ist, obwohl nach §§ 12 ff. ZPO kein örtlich zuständiges Gericht zur Verfügung steht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ausschließliche internationale Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . 7. Zwangsvollstreckung und Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Verbreitung der Doppelfunktionstheorie in anderen Rechtsordnungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Internationale Zuständigkeit zur Durchführung eines Mahnverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die (unergiebige) Diskussion über das (angebliche) Fehlen der internationalen Zuständigkeit Deutschlands, obwohl ein Gerichtsstand nach §§ 12 ff. ZPO gegeben ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausgrenzung von Scheinproblemen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vermögenslosigkeit des Beklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Feststellungsinteresse im Inland? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Keine Beachtung der Beanspruchung der ausschließlichen internationalen Zuständigkeit durch einen fremden Staat . . . . 5. Deutsche internationale Zuständigkeit ohne Rücksicht auf die Anerkennung des deutschen Urteils im Ausland . . . . . . . .
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383 383 383 385 386 387
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V.
VI.
VII. VIII. IX. X. XI. XII. XIII. XIV.
6. Deutsche internationale Zuständigkeit, obwohl sich (alle) Beweismittel im Ausland befinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internationale Unzuständigkeit wegen Eigenart des Streitgegenstandes? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Riezlers Lehre von der sachlichen internationalen Unzuständigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausschließliche internationale Zuständigkeit des Auslands . 3. Beispiel: Klagen aus ausländischen Patenten, Marken, Warenzeichen und ähnlichen Schutzrechten . . . . . . . . . . . . Internationale Zuständigkeit im Gefüge der Prozessvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Internationale Zuständigkeit als selbständige, von der örtlichen Zuständigkeit zu unterscheidende Prozessvoraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prozessabweisung bei internationaler Unzuständigkeit Deutschlands – keine Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Heilung des Mangels der internationalen Zuständigkeit mit Rechtskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kein Verbot, ausländische Gerichte anzurufen . . . . . . . . . . . . . . Arglistiges Herbeiführen des Kompetenztatbestandes durch den Kläger – Erschleichen der internationalen Zuständigkeit. . . . . . . Internationale Zuständigkeit wegen schikanösen Verhaltens des Beklagten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keine internationale Zuständigkeit aufgrund Zuständigkeitsverweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keine internationale Zuständigkeit Deutschlands aufgrund deutscher Staatsangehörigkeit des Klägers . . . . . . . . . . . . . . . . . Keine internationale Zuständigkeit Deutschlands aufgrund deutscher Staatsangehörigkeit des Beklagten . . . . . . . . . . . . . . . Keine internationale Zuständigkeit Deutschlands aufgrund „Ordination“ durch den Bundesgerichtshof . . . . . . . . . . . . . . . . Keine internationale Zuständigkeit Deutschlands kraft Sachzusammenhangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4. Kapitel: Internationale Notzuständigkeit I. II. III. IV. V. VI. VII.
Die verschiedenen Hypothesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eröffnung eines inländischen Forums . . . . . . . . . . . . . . . . Zuständigkeitsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nichtanwendung des § 328 I Nr. 5 ZPO? . . . . . . . . . . . . . . Art. 6 I der Europäischen Menschenrechtskonvention . . . . Die „heilsamen Wirkungen“ des Vermögensgerichtsstandes Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VIII. Familienverfahren und freiwillige Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . IX. Internationale Anerkennungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Rechtsvergleichendes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5. Kapitel: Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht I. Internationale Entscheidungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . 1. Kein positiver Gleichlauf: Keine internationale Zuständigkeit Deutschlands nur aufgrund Maßgeblichkeit deutschen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kein negativer Gleichlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Internationale Anerkennungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . .
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Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Thesen Wahls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Auch keine executio non conveniens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internationale Anerkennungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . Familienverfahren und Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zuständigkeitsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Staatsangehörigkeitszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wohnsitz-/Sitzzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beschleunigtes Verfahren im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Durchführung eines Beweissicherungsverfahrens im Inland . . 6. Scheitern der Auslandszustellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Adoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Andere Familiensachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Rechtsvergleichendes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Unanwendbarkeit der forum (non) conveniens-Doktrin im Anwendungsbereich des Brüssel I und II-Systems . . . . . . . . . . . .
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6. Kapitel: Forum non conveniens I. II. III. IV. V. VI. VII.
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7. Kapitel: Forum shopping I. Wahl des für den Prozesssieg günstigsten Forums . . . . . . . II. Abschaffung aller konkurrierenden Spezialgerichtsstände – ein unrealistischer Vorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Streitgegenstandsbezogene ausschließliche internationale Zuständigkeiten – eine Utopie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Wahlrecht des Klägers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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V. Steuerungsmöglichkeiten des Beklagten . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rüge der internationalen Unzuständigkeit . . . . . . . . . . . . 2. Vorbehaltlose Einlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Abwehrstrategien des Beklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Präventive negative Feststellungsklage. . . . . . . . . . . . . . . 2. Klage auf Unterlassung der Klageerhebung in einem international unzuständigen Staat?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schadensersatzklage wegen ungerechtfertigter Verfahrenseinleitung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Forum fixing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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8. Kapitel: Grundlinien der internationalen Zuständigkeitsordnung des autonomen deutschen Rechts I. Bewertung der Zuständigkeitsinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bedeutung der internationalen Urteilsanerkennung für eine vernünftige und ausgewogene Zuständigkeitspolitik. . . . . . . . . . 1. Das Ideal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die raue Wirklichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Wohnsitz/Sitz des Beklagten als Ausgangspunkt der deutschen Zuständigkeitsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahme: Ehe-, Kindschafts-, Abstammungs- und Lebenspartnerschaftssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Allzuständigkeit des Wohnsitzstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Personenbezogene und sachliche (streitgegenstandsbezogene) Zuständigkeitsanknüpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Maßgebliche Zuständigkeitsanknüpfungen. . . . . . . . . . . . . . 2. Beklagten- und Klägergerichtsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsnachfolger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Keine internationale Streitgenossenzuständigkeit . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Internationale Zuständigkeit Deutschlands für reine Ausländerprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Hauptsäulen für die internationale Zuständigkeit Deutschlands, wenn der Beklagte keinen inländischen Wohnsitz/Sitz hat . . . . . IX. Arbeitsrechtsstreitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Versicherungssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Verbrauchersachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XII. Wettbewerbssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII. Kartellsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIV. Gerichtspflichtigkeit des Beklagten/Antragsgegners . . . . . . . . . .
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XV. XVI. XVII. XVIII. XIX. XX. XXI. XXII. XXIII.
XXIV. XXV. XXVI. XXVII.
Gerichtspflichtigkeit des Klägers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beteiligung Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erlass von Arresten, einstweiligen Verfügungen und einstweiligen Anordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prozessvergleiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollstreckbare Urkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zwangsvollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Feststellung, dass die Wirkungen einer ausländischen Entscheidung im Inland anzuerkennen sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Automatische Wirkungserstreckung (= Anerkennung kraft Gesetzes) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Feststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausschließlichkeit der internationalen Zuständigkeit? . . . . . . 4. Anerkennungsverfahren vor der Landesjustizverwaltung bzw. vor dem Präsidenten des Oberlandesgerichts . . . . . . . . . Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Titels im Inland . . . . . Beweiserhebungen außerhalb eines Rechtsstreits . . . . . . . . . . . . . Freiwillige Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tätigkeiten der staatlichen Gerichte auf dem Gebiet der Schiedsgerichtsbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Inländische Schiedsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausländische Schiedsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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9. Kapitel: Anknüpfungen für die internationale Zuständigkeit I. Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wohnsitz- bzw. Aufenthaltszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Universalistischer Ansatz der deutschen Zuständigkeitsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ersatzanknüpfungen bei wohnsitzlosen Personen . . . . . . . . . 3. Internationale Zuständigkeit trotz Wohnsitzes im Ausland für vermögensrechtliche Streitigkeiten aufgrund Aufenthalts im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Qualifikationsfragen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Wohnsitzfiktion des § 15 ZPO und des § 9 BGB . . . . . . . . . . 6. Sitz als Zuständigkeitsanknüpfung bei juristischen Personen und parteifähigen Personenvereinigungen . . . . . . . 7. Vorrang der Brüssel I-Verordnung und des Luganer Übereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Statusverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Streitgegenstandsferne der Wohnsitzzuständigkeit . . . . . . . .
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10. Einschränkung der Allzuständigkeit des Wohnsitzstaates durch ausschließliche internationale Zuständigkeiten fremder Staaten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Keine Erweiterung der internationalen Zuständigkeit des Wohnsitzstaates im Falle passiver Streitgenossenschaft . . . . . . 12. Derogierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Klägergerichtsstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Erbrechtliche Streitigkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15. Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16. Exkurs: Internationale Anerkennungszuständigkeit. . . . . . . . . 17. Faires Verfahren vor den Gerichten im Wohnsitzstaat nur einer Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18. Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19. Freiwillige Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20. Rechtsvergleichendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21. Insolvenzverwalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22. Rechtshistorisches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Staatsangehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine Ausschließlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nicht effektive deutsche Staatsangehörigkeit . . . . . . . . . . . . . 4. Deutschen Staatsbürgern gleichgestellte Personen. . . . . . . . . . 5. Kein Gleichlauf zwischen forum und ius . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Irrelevanz der Parteirolle: Keine Beschränkung der Anknüpfung auf die Staatsangehörigkeit des Antragsgegners . . 7. Frühere deutsche Staatsangehörigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Erbstreitigkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Vormundschafts-, Pflegschafts-, Betreuungs- und familiengerichtliche Verrichtungen in Bezug auf Deutsche. . . . . . . . . . 10. Keine Derogierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Internationale Anerkennungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . 12. Neutralität der Gerichte im Heimatstaat nur einer Partei . . . . . 13. Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Exkurs: Ehe-Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 vom 27.11.2003 . . IV. Gerichtsstand des Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Klageart. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kein Zusammenhang mit dem Streitgegenstand . . . . . . . . . . . 4. Kritik der herrschenden Meinung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Legitimität der Belegenheitszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 6. Ratio legis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Klarheit und Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Notzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Selbstregulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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10. Keine Relation zwischen dem Wert des inländischen Vermögens und dem Wert des Streitgegenstandes . . . . . . . . . . . . 11. Keine Beschränkung auf Kläger mit Wohnsitz/Sitz im Inland. . 12. Keine Subsidiarität des Vermögensgerichtsstandes . . . . . . . . . 13. Kein Arrestgerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Teleologische Reduktion des Vermögensbegriffs . . . . . . . . . . . 15. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16. Geschmacksmuster- und Markenrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17. Irrelevanz der Nichtanerkennung des deutschen Urteils im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18. Klagen gegen ausländische Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19. Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20. Derogierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21. Anwendbarkeit des § 23 ZPO außerhalb des Erkenntnisverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22. Auswirkungen des Brüsseler und des Luganer Übereinkommens bzw. der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 auf § 23 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23. Staatsverträge über die internationale Entscheidungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24. Internationale Anerkennungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . 25. Rechtsvergleichendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26. Vermögensgerichtsstand im internationalen Insolvenzrecht . . . V. Unterwerfung des Beklagten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ausdrückliche Unterwerfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konkludente Unterwerfung durch Unterlassen der Rüge der internationalen Unzuständigkeit in limine litis. . . . . . . . . . . . 3. Prozesshandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ausschließliche internationale Zuständigkeit fremder Staaten . 6. Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Keine Prüfung der internationalen Zuständigkeit von Amts wegen bei Teilnahme des Beklagten am Rechtsstreit . . . . . . . . 8. Rüge nur der örtlichen Zuständigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Mehrere Streitgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Passive Streitgenossenschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Hilfsweise Einlassung zur Hauptsache . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Widerklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Notwendigkeit des Festhaltens an der Rüge der internationalen Unzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Rechtsmittelinstanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15. Präklusion nach §§ 296 III, 532, 565 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . 16. Klage am forum derogatum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17. Vorrang des Art. 18 des Brüsseler und des Luganer Übereinkommens und des Art. 24 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 XXXII
491 491 492 492 493 496 496 496 496 497 497 497
498 499 500 501 502 502 502 502 503 503 503 503 504 504 504 505 505 505 506 506 507 508 508
Inhaltsverzeichnis Seite
VI.
VII.
VIII.
IX.
18. Bedingte Einlassung für den Fall des Obsiegens . . . . . . . . . . . 19. Exkurs: Internationale Anerkennungszuständigkeit. . . . . . . . . Belegenheitszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Streitigkeiten über Mobilien, Forderungen und sonstige Rechte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Streitigkeiten über inländischen Grundbesitz . . . . . . . . . . . . . 4. Mietstreitigkeiten bezüglich im Inland gelegenen Wohnraums . 5. Nachbarrechtliche Abwehrklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Besitzschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Ausschließlichkeit des forum rei sitae . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Völkerrechtliches Vertragsrecht und EG-Recht . . . . . . . . . . . . 9. Freiwillige Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Haushaltssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Internationale Anerkennungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . Gerichtsstand der Mitgliedschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Internationale Entscheidungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . 2. Internationale Anerkennungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . Zweigniederlassung im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ratio legis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Klagegrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Selbständige Leitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Scheinniederlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kein Gerichtsstand des Abschlussortes . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Kein Aktivgerichtsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Gerichtsstand der Niederlassung eines ausländischen Kreditinstituts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Gerichtsstand des inländischen Repräsentanten für Klagen gegen eine ausländische Investmentgesellschaft, eine Verwaltungsgesellschaft oder eine Vertriebsgesellschaft im Zusammenhang mit dem öffentlichen Vertrieb von Investmentanteilen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Gerichtsstand der inländischen Geschäftsstelle . . . . . . . . . . . 10. Gerichtsstand des inländischen Heimathafens bzw. des inländischen Heimatortes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Mahnverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Derogierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Ausschließlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15. Internationale Anerkennungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . Fora für Klagen aus Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abschlussort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ort der Übernahme des Gutes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Abgangs- und Bestimmungsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ablieferungsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
508 509 510 510 511 511 511 511 511 511 512 513 513 513 513 513 514 514 514 516 516 516 516 517 517
518 518 519 519 519 519 519 519 520 520 521 521 521 XXXIII
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5. Erfüllungsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zahlungsort für Wechsel- und Scheckklagen . . . . . . . . . . . . 7. Ort der tatsächlichen Erfüllungsleistung . . . . . . . . . . . . . . . 8. Ort der Vermögensverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Ort des Mietobjekts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Wohnsitz, ersatzweise gewöhnlicher Aufenthalt des Kunden. 11. Betriebsort bzw. Sitz des Unternehmens. . . . . . . . . . . . . . . . 12. Abänderungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Gebührenklagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Internationale Anerkennungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . X. Insbesondere: Gerichtsstand des inländischen Erfüllungsortes . . 1. Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis . . . . . . . . . . . . . 2. Bestimmung des Erfüllungsorts nach der lex causae . . . . . . . 3. Maßgeblicher Erfüllungsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Klagen, welche das gesamte Vertragsverhältnis betreffen . . . . 5. Streit über Bestehen/Nichtbestehen des Vertragsverhältnisses 6. Culpa in contrahendo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Besonderheit des Art. 57 des Wiener VN-Übereinkommens über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11.4.1980 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Vertraglich vereinbarter Erfüllungsort . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Anspruchskonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Internationale Anerkennungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . 13. Europarats-Konventionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Ort der unerlaubten Handlung – Forum delicti commissi . . . . . . 1. Ratio legis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Alternative Anknüpfung an den Handlungs- und den Erfolgsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Irrelevanz des Schadensortes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Heranziehung des maßgeblichen Deliktsrechts bei der Abgrenzung des Erfolgsortes von dem kompetenzrechtlich unbeachtlichen Schadensort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. . . . . . . . . 7. Verletzung des Namensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Unlauterer Wettbewerb. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Verletzung von Urheber- und Markenrechten sowie sonstigen Immaterialgüterrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Verletzung gewerblicher Schutzrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Kartellsachen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Umweltschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge . . . . . . . . . . 14. Fehlerhafte Kapitalmarktinformationen . . . . . . . . . . . . . . . . XXXIV
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522 522 522 522 522 523 523 523 523 524 524 525 525 526 527 527 528
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15. 16. 17. 18. 19. 20. 21.
XII.
XIII.
XIV.
XV.
Vorbeugender Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anspruchskonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kognitionsbefugnis der deutschen Gerichte . . . . . . . . . . . . . Sondergesetzliche Ausprägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Darlegungs- und Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kein Gleichlauf zwischen forum und ius . . . . . . . . . . . . . . . Amtshaftungsansprüche: Deliktische Haftung für hoheitliches Handeln auswärtiger Staaten bzw. auswärtiger Amtsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22. Exkurs: Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstandes für Schädiger und Kfz-Pflichtversicherer. . . . . . . . . . . . . . . . . . 23. Delikt auf deutschem Schiff oder in deutschem Luftfahrzeug . 24. Keine Ausschließlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25. Derogationsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26. Internationale Anerkennungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . 27. Rechtsvergleichendes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28. Staatsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inländischer Wohnsitz bzw. Aufenthalt des Klägers . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliche kompetenzrechtliche Irrelevanz des Klägerwohnsitzes/-aufenthalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ehe-, Kindschafts-, Abstammungs- und Lebenspartnerschaftssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausnahmsweise Anknüpfung an den Klägerwohnsitz bzw. -aufenthalt im Anwendungsbereich des allgemeinen Zuständigkeitsrechts der §§ 12 ff. ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . Internationale Annexzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gebührenklage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abänderungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Unterhaltsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Scheidungsfolgesachen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Fortsetzung des Prozesses wegen (prozessualer) Unwirksamkeit/Nichtigkeit des Prozessvergleichs . . . . . . . . . . . . . . 6. Wiederaufnahmeverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Rechtsmittelzuständigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Rückforderungsklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Übergang vom Erfüllungsanspruch zum Schadensersatz . . . . 10. Entschädigungsrechtliche Rückzahlungsansprüche. . . . . . . . 11. Kostenerstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Überweisungsbeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abänderungsklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abänderung deutscher Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abänderung ausländischer Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . Widerklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Widerklage gegen Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Derogierbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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548 548 549 549 549 550 550 551
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3. Internationale Anerkennungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . XVI. Vom deutschen Recht nicht rezipierte Zuständigkeitsanknüpfungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Streitgenossenzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gerichtsstand des Sachzusammenhangs. . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gerichtsstand der Gewährleistungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gerichtsstand am Ort des Entstehens der Verbindlichkeit (forum obligationis) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Gerichtsstand am Ort der Eheschließung (Zelebrationskompetenz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Gerichtsstand des Zustellungsortes: Internationale Zuständigkeit nur aufgrund Zustellung während vorübergehender Anwesenheit – „tag jurisdiction“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Gerichtsstand der Gegenseitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Forum arresti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Internationale Zuständigkeit für Klagen von Inländern . . . . . . 10. Internationale Zuständigkeit für Klagen gegen Inländer . . . . . . 11. Forum legis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Exkurs: Internationale Anerkennungszuständigkeit. . . . . . . . .
560 560 560 560 561 561 561
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10.Kapitel: Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit I. Einigung der Parteien als bestes Mittel für die Feinsteuerung der Zuständigkeitsinteressen für den Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . II. Missbrauchskontrolle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anwendungsbereich des deutschen autonomen Rechts. . . . . . . . 1. Reichweite des Art. 23 EuGVVO/LugÜ. . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Völkerrechtliche Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gerichtsstandsnovelle 1974 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 38 ZPO erfasst alle Zuständigkeitsvereinbarungen . . . . . . . 2. Kaufleute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nichtkaufleute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Form. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zuständigkeitsvereinbarung zwischen einem Kaufmann und einem Nicht-Kaufmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zuständigkeitsvereinbarungen, an denen mehr als zwei Parteien beteiligt sind. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zuständigkeitsvereinbarungen in Zusammenhang mit Bürgschaften und Garantieversprechen . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Kritik der lex lata . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Keine Anpassung des § 38 ZPO an die Neufassungen des Art. 17 EuGVÜ/LugÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Doppelfunktionstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VI. Unterschiedliche Zulässigkeitsvoraussetzungen für Prorogationsund Derogationsverträge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Ausschließliche internationale Zuständigkeiten . . . . . . . . . . . . . VIII. Vorrang der europäischen Zuständigkeitsordnung . . . . . . . . . . . IX. Möglicher Inhalt einer Zuständigkeitsvereinbarung . . . . . . . . . . 1. Prorogation und Derogation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertragsfreiheit der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine Gleichberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Mehrere Fora . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Maßgeblichkeit der Parteirolle (reziproke Gerichtsstandsklauseln) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Begünstigung Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Keine Zuständigkeitsvereinbarung zu Lasten Dritter . . . . . . . X. Bestimmung des forum prorogatum durch einen Dritten . . . . . . . XI. Internationaler Bezug der Zuständigkeitsvereinbarung . . . . . . . . XII. Maßgeblicher Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Internationale Zuständigkeitsvereinbarung (§ 38 II ZPO) . . . . 2. Abgrenzung zwischen Kaufleuten und Nichtkaufleuten . . . . 3. Anwendungsbereich der europäischen Zuständigkeitsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII. Gerichtswahl und Rechtswahl (Zuständigkeitsvereinbarungen und Vereinbarungen über das anwendbare Recht) . . . . . . . . . . . XIV. Selbständigkeit der Zuständigkeitsvereinbarung gegenüber materiell-rechtlichem Hauptvertrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV. Lex fori. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVI. Zustandekommen einer internationalen Zuständigkeitsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prorogations- bzw. Derogationsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertragsschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Konkretisierung des Streitgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Insbesondere: Zuständigkeitsvereinbarungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Unsicherheiten bei der Bestimmung der Vertragspartei . . . . . 6. Geschäfts- und Vertragssprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zeitschranke des § 38 III Nr. 1 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Stellvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Darlegungs- und Beweislast für das Zustandekommen einer Zuständigkeitsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Beweismittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Klage auf Feststellung der Wirksamkeit bzw. der Wirkungen einer Zuständigkeitsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Teilunwirksamkeit einer Zuständigkeitsvereinbarung . . . . . . XVII. Wirkungen einer Zuständigkeitsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . 1. Kompetenzverschiebung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XVIII.
XIX.
XX. XXI. XXII. XXIII.
XXIV.
2. Prüfungspflicht des Gerichts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Pflichten der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Objektive Grenzen des Umfangs einer Zuständigkeitsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Maßgebend ist der Wille der Parteien. . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Konnossemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Subjektive Grenzen der Wirkungen einer Zuständigkeitsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz: Wirkung nur inter partes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahme: Zuständigkeitsvereinbarungen zugunsten Dritter. 3. Keine Zuständigkeitsvereinbarung zu Lasten Dritter . . . . . . . 4. Wirksamkeit der Zuständigkeitsvereinbarung gegenüber dem falsus procurator . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Beitritt zu einer Zuständigkeitsvereinbarung? . . . . . . . . . . . . Aufhebung oder Änderung der Zuständigkeitsvereinbarung . . . . Unterschiedliche Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausschließlichkeit des forum prorogatum? . . . . . . . . . . . . . . . . Prorogation: Begründung der internationalen Zuständigkeit Deutschlands durch Zuständigkeitsvereinbarung . . . . . . . . . . . . 1. Anspruch auf Justizgewährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erweiterung der Gerichtspflichtigkeit des Beklagten . . . . . . . 3. Maßgeblichkeit deutschen Rechts für die Begründung der internationalen Zuständigkeit Deutschlands durch Parteivereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Inlandsbezug nicht erforderlich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vollstreckungsmöglichkeit im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Annahme der Prorogation ohne Rücksicht auf Anerkennung der deutschen Entscheidung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . 7. Nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . 8. Örtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Kein Gleichlauf zwischen forum und ius . . . . . . . . . . . . . . . 10. Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Selbständige Beweisverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Derogation: Ausschluss der an sich gegebenen internationalen Zuständigkeit Deutschlands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine forum non conveniens-Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . 3. Auslandsbezug nicht erforderlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Derogation der internationalen Zuständigkeit Deutschlands zum Zweck der Ausschaltung international zwingenden Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Nichtannahme der Prorogation durch ausländische Gerichte . 6. Fehlen eines rechtsstaatlichen Mindeststandards am forum prorogatum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XXV. XXVI. XXVII.
XXVIII. XXIX. XXX. XXXI. XXXII. XXXIII.
7. Nichtanerkennung des im forum prorogatum erlassenen Urteils in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Einstweiliger Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Wechsel- und Scheckansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Derogationseffekt der Prorogation eines ausländischen Gerichts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Derogationsverbote. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Wahl einer ausländischen Rechtsordnung als lex causae . . . . . 13. Widerklage am forum derogatum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Aufrechnung am forum derogatum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15. Streitverkündung am forum derogatum . . . . . . . . . . . . . . . . . 16. Beweissicherung am forum derogatum. . . . . . . . . . . . . . . . . . 17. Derogationseffekt der Vereinbarung der schiedsgerichtlichen Erledigung des Rechtsstreits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18. Wirksamkeit der Derogation trotz Fehlens eines Prozesskostenhilfesystems bzw. trotz fehlender Kostenerstattung am forum prorogatum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerichtsstandsbestimmung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerichtsstandsklauseln in Satzungen und Gesellschaftsverträgen . Kompetenzkonflikt im Zusammenhang mit der unterschiedlichen Beurteilung der Wirksamkeit einer ausschließlichen Zuständigkeitsvereinbarung durch das forum prorogatum und das forum derogatum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Negativer Kompetenzkonflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Positiver Kompetenzkonflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Arbeitssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Freiwillige Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schiedsgerichtliche Erledigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erfüllungsortvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Staatsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Internationale Anerkennungszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prorogation des Erststaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Derogation der internationalen Zuständigkeit des Erststaates . .
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11.Kapitel: Prüfung der internationalen Zuständigkeit I. Zweck der Zuständigkeitsprüfung. . . . . . . . II. Terminanberaumung . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Prüfung von Amts wegen . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. In Betracht kommende Hypothesen . . . . 3. Regelungsbereich des Brüssel I-Systems. 4. Doppelrelevante Tatsachen . . . . . . . . . .
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IV. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Zuständigkeitstatsachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Eintritt der Zuständigkeitsvoraussetzungen erst während des Rechtsstreits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fortfall der Zuständigkeitsvoraussetzungen während des Rechtsstreits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Perpetuatio competentiae internationalis in der freiwilligen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Internationale Insolvenzzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Reihenfolge der Prüfung der internationalen Zuständigkeit im Gefüge der einzelnen Prozessvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . VI. Entscheidung über die internationale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . 1. Endurteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwischenurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine Verweisung ins Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Keine Feststellung, welche(r) Staat(en) international zuständig wäre(n) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Bindungswirkung gemäß § 281 II ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Bindungswirkung gemäß § 36 I Nr. 6 ZPO und § 5 FamFG . . . . 7. Prozessvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Vollstreckbare Urkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Nachprüfung der Entscheidung über die internationale Zuständigkeit durch die Rechtsmittelgerichte . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unanwendbarkeit von § 513 II und § 545 II ZPO . . . . . . . . . . . 2. Bedeutung des § 39 ZPO und des Art. 24 EuGVVO/LugÜ . . . . 3. Entscheidung des Rechtsmittelgerichts, wenn es in der Zuständigkeitsfrage zu einem anderen Ergebnis kommt als die Vorinstanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anspruchskonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Klage auf Feststellung, dass Deutschland für einen bestimmten Rechtsstreit international zuständig ist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Keine Bindung an die Zuständigkeitsentscheidung eines ausländischen Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Heilung des Mangels der internationalen Zuständigkeit . . . . . . . . XI. Exkurs I: Prüfung der internationalen Anerkennungszuständigkeit XII. Exkurs II: Prüfung der internationalen Zuständigkeit im Zwangsvollstreckungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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12.Kapitel: Regelung der internationalen Entscheidungszuständigkeit durch sekundäres Gemeinschaftsrecht I. Die europäische Zuständigkeitsordnung der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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II. Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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13.Kapitel: Regelung der internationalen Entscheidungszuständigkeit in völkerrechtlichen Vereinbarungen I. II. III. IV. V.
Vorrang vor §§ 12 ff. ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Normierung der internationalen Entscheidungszuständigkeit . . . . Brüsseler Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lugano-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Völkerrechtliche Verträge, die Vorrang vor der europäischen Zuständigkeitsordnung haben gemäß Art. 57 EuGVÜ/LugÜ I bzw. nach Art. 71 I EuGVVO bzw. Art. 67 LugÜ II . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Örtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Fünfter Teil: Justizgewährungsanspruch I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Liberalismus der deutschen Zivilprozessordnung . . . . . . . . . . 2. Ehedem: Das Gegenkonzept der Art. 14 und 15 Code civil . . . . 3. Verbürgung der Gegenseitigkeit nicht erforderlich. . . . . . . . . . II. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verflochtenheit eines effektiven Rechtsschutzes mit nahezu allen Bereichen des internationalen Verfahrensrechts . . . . . . . . . . . . . . 1. Regeln für die internationale Entscheidungszuständigkeit . . . . 2. Zustellungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beachtlichkeit ausländischer Rechtshängigkeit auf der Grundlage des Prioritätsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Immunitätsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Parteifähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Verfahrensbeschleunigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Anerkennungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Justizgewährungsanspruch und Kompetenzrecht . . . . . . . . . . . . . 1. Zuständigkeitsanknüpfungspunkte in der Sphäre des Beklagten als Hemmschuh für den Justizgewährungsanspruch. 2. Zuständigkeitsanknüpfungen in der Sphäre des Klägers/ Antragstellers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausschließliche internationale Zuständigkeit ausländischer Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Intertemporales Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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V. Keine Beachtung von Verboten ausländischer Gerichte, im Inland zu klagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Verbot individuellen Rechtsschutzes durch Anerkennung eines ausländischen Insolvenzverfahrens – vis attractiva concursus . . . . VII. Blockade individuellen Rechtsschutzes in Deutschland durch deutsches Insolvenzverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Justizgewährung ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Staatsangehörigkeitszuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Justizgewährung für Ausländer in Statussachen . . . . . . . . . . . IX. Keine Justizgewährung aufgrund Maßgeblichkeit deutschen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Keine Rechtsschutzverweigerung bei fremder lex causae. . . . . . . . XI. Forum non conveniens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XII. Justizgewährung am forum prorogatum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII. Ausschluss des Rechtsschutzes im Inland . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIV. Zugang zu den deutschen Gerichten auch für ausländische Staaten und juristische Personen des öffentlichen Rechts . . . . . . . XV. Ausschluss öffentlich-rechtlicher Ansprüche für Ausländer . . . . . XVI. Einstweiliger Rechtsschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII. Rechtsschutzbedürfnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVIII. Wesenseigene Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX. Anspruch auf Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XX. Justizgewährung nach Maßgabe der Ausgestaltung des deutschen Zivilprozessrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gerichtsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Notwendigkeit der Einreichung einer Klageschrift . . . . . . . . . 3. Verhandlungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Präklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Beweisverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Versäumnisverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Instanzenzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXI. Dispositionsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXII. Pflicht zur Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIII. Sicherheitsleistung für Prozesskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIV. Prozess- und Verfahrenskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXV. Beratungshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVI. Einreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVII. Sicheres Geleit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVIII. Rechtshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XLII
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Sechster Teil: Internationales Zustellungsrecht 1. Kapitel: Rechtsquellen I. Völkerrechtliche Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Haager Übereinkommen vom 1.3.1954 über den Zivilprozess. 2. Haager Übereinkommen vom 15.11.1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bilaterale Rechtshilfeverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Europäische Menschenrechtskonvention . . . . . . . . . . . . . . . II. EG-Zustellungsverordnung vom 13.11.2007 . . . . . . . . . . . . . . . . III. Autonomes deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verhältnis des völkerrechtlichen Vertragsrechts zum autonomen deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Völkerrechtliche Schranken für Mitteilungen an Adressaten im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Verfassungsrechtlicher Anspruch auf rechtliches Gehör . . . . . . . VII. Völkerrechtlicher Anspruch auf rechtliches Gehör . . . . . . . . . . . VIII. Gefährdung bzw. Vereitelung des Justizgewährungsanspruchs durch überlange Verzögerung der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Art. 16 HZÜ . . . . . X. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Art. 19 IV und V der EG-Zustellungsverordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Rechtsvergleichende Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Kapitel: Zustellungen für deutsche Gerichtsverfahren I. Das deutsche Konzept: Grundsätzlich keine Zustellungsfiktion, sondern tatsächlich ausgeführte förmliche Zustellung im Ausland 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sonderregelung im deutsch-tunesischen und im deutschmarokkanischen Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zustellungsreformgesetz vom 25.6.2001 . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfahren nach § 183 I 2 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vereinbarungen über die Modalitäten der Zustellung . . . . . . . . . . IV. Heilung von Zustellungsmängeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Mahnverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Vereitelung der Zustellung durch den Zustellungsadressaten . . . . VII. Öffentliche Zustellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Zustellung an Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Maßgeblichkeit der lex fori für Zustellungsverfahren . . . . . . . . . .
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X. Notwendigkeit der Auslandszustellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Fiktive Inlandszustellung gemäß § 184 I 2 ZPO . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausführung der Zustellung durch Aufgabe zur Post . . . . . . 3. Drohende internationale Entscheidungsdisharmonie wegen der Gefahr der Nichtanerkennung der deutschen Entscheidung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ermessensspielraum des Gerichts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Familienverfahren und Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XII. Verhältnis zwischen Judikative und Exekutive . . . . . . . . . . . . . XIII. Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Rechtshilfebehörde . . XIV. Durchführung der Auslandszustellung nach § 183 I 2 ZPO . . . . XV. Zustellung durch die deutschen Auslandsvertretungen . . . . . . XVI. Fristwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII. Forderungspfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVIII. Zustellung und Immunitätsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zustellung an ausländische Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zustellung an Personen, die Immunität genießen . . . . . . . . XIX. Freiwillige Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Kapitel: Zustellungen für ausländische Gerichtsverfahren in Deutschland I. Aktive Rechtshilfe für ausländische Staaten: Zustellung von Schriftstücken im Rahmen eines vor ausländischen Gerichten anhängigen Verfahrens in Deutschland durch deutsche Rechtshilfebehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ablehnung von ausländischen Zustellungsersuchen . . . . . . . 3. Keine Nachforschungen nach dem Aufenthaltsort des Zustellungsempfängers. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zustellungszeugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Passive Rechtshilfe: Dulden von Zustellungen durch ausländische Stellen (ohne Einschaltung deutscher Rechtshilfebehörden) auf deutschem Territorium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zustellung durch konsularische oder diplomatische Vertreter a) an eigene Staatsangehörige des Entsendestaates . . . . . . . . b) an Deutsche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) an Staatsangehörige dritter Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . d) an Staatenlose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
XLIV
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2. Zustellung aus dem Ausland durch die Post. . . . . . . . . . a) Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Haager Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Deutsch-britisches Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . d) EG-Zustellungsverordnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Direkte Beauftragung von Zustellungsorganen im Aufenthaltsstaat des Zustellungsadressaten . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zustellung durch Private . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Sanktionen bei Verletzung der deutschen Justizhoheit. . . a) Keine automatische Nichtanerkennung der ausländischen Sachentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine strafbare Amtsanmaßung . . . . . . . . . . . . . . . .
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4. Kapitel: Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke. . . . . . . . . . . . .
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Siebenter Teil: Parteien und ihre Vertreter I. Parteibegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Parteiänderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Parteifähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verweisung auf das materielle und/oder prozessuale Personalstatut? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Schutz des inländischen Rechtsverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . 3. Bestimmung des Personalstatuts juristischer Personen und Personenvereinigungen nach der Sitztheorie außerhalb des Anwendungsbereichs der Niederlassungsfreiheit des EG-Vertrages und des EWR-Abkommens . . . . . . . . . . . . . . . 4. Völkerrechtssubjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Juristische Personen des öffentlichen Rechts . . . . . . . . . . . . 6. Inländische Niederlassungen ausländischer Gesellschaften . . 7. Spaltgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Deutsch-amerikanischer Freundschaftsvertrag und deutsch-spanisches Investitionsschutzabkommen. . . . . . . . . 9. Bedeutung von Art. 43, 48 EG-Vertrag und Art. 31, 34 EWR-Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Bedeutung von Art. XXVIII des General Agreement on Trade in Services. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Relevanz der Gründungstheorie aufgrund von Art. 6 und Art. 14 EMRK? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Parteifähigkeit der Insolvenzmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13. Parteifähigkeit der hereditas iacens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Parteifähigkeit der Europäischen Wirtschaftlichen Vereinigung und der Europäischen Aktiengesellschaft . . . . . 15. Exkurs: Anerkennungsstadium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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IV. Prozessfähigkeit und gesetzliche Vertretung . . . . . . . . . . . . . . 1. Prozessuales Personalstatut. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzliche Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Staatsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Familienverfahren und Freiwillige Gerichtsbarkeit . . . . . . 5. Exkurs: Anerkennungsstadium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Postulationsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwaltszwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anwendung des § 79 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Auftreten ausländischer Anwälte bei Beweisaufnahme vor deutschem Rechtshilfegericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Exkurs: Anerkennungsstadium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Prozessvollmacht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Inländischer Zustellungsbevollmächtigter für im Ausland domizilierte Partei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Prozessstandschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Lex fori-Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Prozessführungsbefugnis aufgrund materiellen Rechts . . . 3. Prozessführungsbefugnis aufgrund Prozessrechts . . . . . . . 4. Versicherungsgeschäft der bei Lloyd’s vereinigten Einzelversicherer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Auslandsinsolvenz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Exkurs: Anerkennungsstadium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Beteiligung Dritter am Rechtsstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht 1. Kapitel: Internationales Beweisrecht im Spannungsfeld zwischen lex causae und lex fori I. Abgrenzungsproblematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beweisverfahren als Domäne der lex fori . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kein Kreuzverhör. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beweisbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einführung einer Urkunde in den Prozess . . . . . . . . . . . . 4. Verhandlungsmaxime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Indizienbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Zurückweisung verspäteter Angriffs- und Verteidigungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Beweisverfahrensarten (Strengbeweis, Freibeweis, Glaubhaftmachung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Beweiserleichterung nach § 287 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Geständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XLVI
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III. IV. V. VI. VII.
VIII. IX. X.
XI. XII. XIII. XIV.
XV. XVI. XVII.
XVIII. XIX.
Beweisfrage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweiserheblichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweisbedürftigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Offenkundige Tatsachen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweisvermutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzliche Vermutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tatsächliche Vermutungen, insbesondere der Beweis des ersten Anscheins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweis ausländischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweisthemenverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweisverbote des Estoppel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vollmachtsmangel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Estoppel by record . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unsichere Beweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweishindernisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweisverwertungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweismittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zeugen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sachverständige. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Parteivernehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Urkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Richterlicher Augenschein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Numerus clausus der Beweismittel . . . . . . . . . . . . . . . . Beweismaß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweiswürdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweislast. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz: Maßgeblichkeit der lex causae . . . . . . . . . . . 2. Ausnahme: Maßgeblichkeit der lex fori . . . . . . . . . . . . . 3. Besonderheiten der angelsächsischen Rechtsordnungen: Aufgabenteilung zwischen Richter und Jury . . . . . . . . . . Beweisvereitelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Pflicht zur Sachentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Kapitel: Internationales Beweisverfahrensrecht – Grundfragen I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsquellen . . . . . . . . . . . 1. Staatsverträge . . . . . . . . 2. Völkergewohnheitsrecht .
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3. Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28.5.2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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3. Kapitel: Beweisaufnahmen mit Auslandsbezug in Zusammenhang mit vor deutschen Gerichten anhängigen Verfahren I. Beschaffung von Beweismitteln aus dem Ausland . . . . . . . . . . . 1. Die verschiedenen in Betracht kommenden Rechtsebenen . . . 2. Entscheidungsfreiheit des deutschen Gerichts . . . . . . . . . . . 3. Befugnisse des deutschen Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schriftliche Befragung (§ 377 III ZPO) von im Ausland sich aufhaltenden Beweispersonen (Parteien, Zeugen, Sachverständigen) durch das deutsche Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Telefonische Vernehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Audiovisuelle Vernehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Anordnung der Vorlage von Urkunden, die sich im Ausland befinden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Beauftragung von Sachverständigen, die sich im Ausland aufhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Ladung von Beweispersonen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verwertungsverbot bei völkerrechtswidriger Beweisbeschaffung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beweisaufnahme für deutsche Zivilprozesse im Ausland . . . . . . 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beschlussfassung über die im Ausland durchzuführende Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verständigung der Parteien von dem Beweistermin im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kosten für die Teilnahme am ausländischen Beweistermin . . 5. Verfahren des deutschen Prozessgerichts nach Durchführung der Beweisaufnahme im Ausland. . . . . . . . . . 6. Verwertung der Ergebnisse der ausländischen Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Nichterledigung des deutschen Beweisaufnahmeersuchens im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Absehen von einer Beweisaufnahme analog § 244 III StPO? . . III. Beweisaufnahme durch deutsche Konsularbeamte . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Befugnisse der deutschen konsularischen Vertreter . . . . . . . . 3. Überwachung der Beweisaufnahme des deutschen Konsularbeamten durch Organe des Beweisaufnahmestaates . 4. Teilnahmerecht der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XLVIII
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IV. Beweisaufnahme durch ausländische Rechtshilfebehörden . . 1. Notwendigkeit der Inanspruchnahme ausländischer Rechtshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Form und Inhalt des Ersuchens des deutschen Gerichts . 3. Zuständiger Funktionsträger für die Beweisaufnahme im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beweisaufnahme nach dem Recht des ersuchten Staates . 5. Teilnahme der Beteiligten an der ausländischen Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Teilnahme deutscher Richter an der ausländischen Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Weigerungsrechte der Beweispersonen . . . . . . . . . . . . . 8. US-amerikanische pre-trial discovery für deutsche Prozesse?. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Anwendung deutschen Strafrechts für Eides- und sonstige Aussagedelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4. Kapitel: Beweisaufnahmen auf deutschem Territorium für im Ausland anhängige Verfahren I. Grundfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beweisaufnahme ohne Einschaltung deutscher Stellen (Direktmethode) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Überwachung durch deutsches Amtsgericht . . . . . . . . . . 3. Verbot der Vernehmung deutscher Staatsangehöriger. . . . 4. Keine Anwendung von Zwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Befugnisse der Konsuln und Gerichtsbeauftragten . . . . . 6. Schutz der Beweispersonen bei Beweisaufnahmen durch nichtdeutsche Stellen (Konsuln oder Beauftragte) . . . . . . III. Aktive Rechtshilfe: Erledigung ausländischer Ersuchen um Beweisaufnahme durch deutsche Stellen . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Innerstaatliche Ebene. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. In Betracht kommende Rechtshilfehandlungen . . . . . . . . 3. Rechtshilfe als Aufgabe des Bundes gemäß Art. 32 I GG. . 4. Überblick über die fünf Abschnitte der internationalen Rechtshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erster Abschnitt: Das ausländische Gericht ersucht um Rechtshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zweiter Abschnitt: Entscheidung über die Gewährung deutscher Rechtshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Dritter Abschnitt: Durchführung der Beweisaufnahme
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d) Vierter Abschnitt: Rückgabe der Akten nach der Erledigung durch das Amtsgericht an die Rechtshilfebehörde (Prüfungsstelle bzw. Zentrale Behörde) . . e) Fünfter Abschnitt: Rückleitung der Akten durch die Rechtshilfebehörde an den ersuchenden Staat . . . . . . . Ablehnung des ausländischen Ersuchens durch die Justizverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Ordre public“-Vorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Grundrechtsschranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Staatliche Wirtschaftsinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verhältnis zu § 328 ZPO und § 109 FamFG . . . . . . . . . f) Pre-trial discovery of documents. . . . . . . . . . . . . . . . . g) Ablehnung des ausländischen Ersuchens um Beweisaufnahme mit der Begründung, das deutsche Rechtshilfegericht dürfe keine Beweisaufnahme durchführen, die es im eigenen Zivilprozess nicht anberaumen dürfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Ablehnung des ausländischen Ersuchens im unmittelbaren Staatsinteresse, ohne dass die subjektiven Rechte Einzelner betroffen sind . . . . . . . . . . . . . . . . . i) Verfahren bei Ablehnung der erbetenen Rechtshilfe . . . Innerstaatliche Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Justizverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) gegen die Ablehnung der vom ausländischen Gericht erbetenen Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) gegen die Bewilligung der Rechtshilfe der vom ausländischen Gericht erbetenen Beweisaufnahme . . . . . . Verfahren vor dem deutschen Rechtshilfegericht. . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bei der Beweisaufnahme vom deutschen Rechtshilfegericht anzuwendendes Recht . . . . . . . . . . . . . . . c) Vernehmung in der erleichterten Form der schriftlichen Befragung (§ 377 III ZPO) . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Eidesabnahme durch das deutsche Rechtshilfegericht . e) Weigerungsrechte der Beweispersonen . . . . . . . . . . . . f) Teilnahmerechte der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Anwesenheit des ausländischen Prozessgerichts . . . . . Zwangsmittel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Androhung und Anwendung von Zwangsmitteln nur nach der deutschen lex fori . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vergleich der Zwangsmittel nach deutschem und US-Bundesrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vernehmung von Aussagepersonen . . . . . . . . . . . . bb) Duldung des Augenscheins. . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vorlage von Urkunden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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c) Rechtsvergleichendes Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5. Kapitel: Ladung von Zeugen ins Ausland I. Ladung ohne Einschaltung deutscher Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . II. Übermittlung der Ladung des ausländischen Gerichts durch die deutschen Rechtshilfeinstanzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Freies Geleit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Kapitel: Kein Verbot der freiwilligen Mitwirkung an einer vom ausländischen Gericht – ohne Einschaltung deutscher Rechtshilfeorgane – veranlassten Beweisaufnahme, die (angeblich) die Souveränität Deutschlands verletzt . . . . . . . . . . . . . . . .
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7. Kapitel: Nichtanerkennung ausländischer Entscheidungen, die auf einem völkerrechtswidrigen Beweisverfahren beruhen? I. Verletzung der Justizhoheit Deutschlands . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verletzung der Justizhoheit dritter Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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8. Kapitel: Beweisaufnahme für schiedsgerichtliche Verfahren . . . . . . .
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9. Kapitel: Beweissicherung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Neunter Teil: Anwendung ausländischen Rechts durch die deutschen Gerichte I. Pflicht zur kollisionsrechtlichen Entscheidung . . . . . . . . . . II. Pflicht, den Inhalt des vom deutschen internationalen Privatrecht berufenen ausländischen Rechts zu ermitteln . . . 1. Rechtsnormqualität ausländischen Rechts . . . . . . . . . . . 2. „Beweis“ ausländischen Rechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Versäumnisverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Vorläufiger Rechtsschutz – Notwendigkeit einer Eilentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. § 293 ZPO als Ausnahme vom Grundsatz „iura novit curia“ . IV. Anwendung ausländischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Ersatzrecht, wenn der Inhalt des ausländischen Rechts nicht festgestellt werden kann. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Revisibilität ausländischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Neues Recht seit 1. September 2009. . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bisheriges Recht: Irrevisibilität ausländischen Rechts . . . 3. Unrichtige Anwendung des deutschen Internationalen Privatrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VII. VIII. IX. X. XI. XII. XIII. XIV.
4. Nachprüfung des ausländischen Rechts auf seine Vereinbarkeit mit dem deutschen ordre public – „Eviction de la loi normalement compétente par l’ordre public“ . . . . . . . . . . . . 5. Nachprüfung des § 293 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Recht der Europäischen Gemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . Keine Kostenvorschusspflicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtstatsächliches – Foralpraxis praeter legem . . . . . . . . . . . . . Europäisches Übereinkommen vom 7.6.1968 betreffend Auskünfte über ausländisches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Völkerrechtliche Verpflichtung zur Anwendung ausländischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs I: Internationale Gerichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Exkurs II: Vorlage der Auslegungsfrage zum ausländischen Recht an das jeweilige ausländische Höchstgericht . . . . . . . . . . . . . . .
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Zehnter Teil: Durchführung in Deutschland anhängiger Verfahren mit Auslandsberührung I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X. XI. XII. XIII. XIV. XV. XVI. XVII.
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Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsschutzgewährung durch die Gerichte. . . . . . . . . . . . Aufteilung unter die verschiedenen Gerichtsbarkeiten . . . . Besondere Formen des Zivilprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . Klagearten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Klagefristen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Präklusionsvorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Streitgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Urteilsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gerichtssprache. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abänderungsverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prozessvergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abfassung deutscher Entscheidungen im Hinblick auf ihre Verwendung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Folgen der Fehlerhaftigkeit eines Gerichtsurteils . . . . . . . . Klagebefugnis von Verbänden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gruppen- und sonstige Stellvertreterklagen . . . . . . . . . . . . Kostenerstattungspflicht der unterlegenen Partei . . . . . . . .
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Elfter Teil: Bedeutung eines im Ausland anhängigen Verfahrens bei Identität oder Konnexität des Streitgegenstands I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Berücksichtigung der ausländischen Rechtshängigkeit nur bei positiver Anerkennungsprognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Autonomes deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Identität des Streitgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Identität der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Konnexität beider Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Prioritätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Seerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Kein Gegenseitigkeitserfordernis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Beachtung von Amts wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Ehesachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Zwischenurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XII. Aussetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIII. Präjudizialität des ausländischen Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . XIV. Relevanz der Beweisaufnahme in einem im Ausland schwebenden Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV. Positive Anerkennungsprognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVI. Abgrenzung zur Anerkennung der res iudicata- und der Gestaltungswirkung der bereits im Ausland ergangenen Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII. Justizverweigerung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVIII. Negative Feststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIX. Ausländisches Schlichtungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XX. Aufrechnung trotz Rechtshängigkeit im Ausland . . . . . . . . . . . XXI. Verjährungshemmung aufgrund der Klageerhebung im Ausland XXII. Familienverfahren und (sonstige) Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIII. Ausländische Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIV. Gleichzeitige Zwangsvollstreckung im In- und Ausland . . . . . . XXV. Eingeschränkte Durchsetzung des Prioritätsprinzips im Anerkennungsstadium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVI. Bilanzierungspflicht hinsichtlich des Prozessrisikos. . . . . . . . .
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen 1. Kapitel: Anerkennung ausländischer Entscheidungen I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Europäisches sekundäres Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . 2. Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Autonomes deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verhältnis des anerkennungsfreundlicheren autonomen Rechts zum (strengeren) Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 5. Verhältnis des anerkennungsfreundlicheren nationalen Rechts zum (strengeren) europäischen Gemeinschaftsrecht III. Anerkennungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Recht der Europäischen Gemeinschaften . . . . . . . . . . . . . 3. Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Anerkennung bedeutet Wirkungserstreckung . . . . . . . . . . . . . 1. Gegenstand der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grenzen der Wirkungserstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Materiell-rechtliche Urteilswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . 4. Entscheidungen in der Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ausländische Vollstreckungsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Durchführung eines Anerkennungsverfahrens nicht erforderlich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zeitpunkt der Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Anerkennungsfähige Urteilswirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Materielle Rechtskraft (Feststellungswirkung) . . . . . . . . . 3. Präklusionswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Gestaltungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Streitverkündungs- und Interventionswirkung . . . . . . . . . VI. Nicht anerkennungsfähige Urteilswirkungen . . . . . . . . . . . . . VII. Tatbestandswirkungen ausländischer gerichtlicher Entscheidungen aus deutscher Sicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Anerkennung in dritten Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Anwendungsbereich des § 328 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Urteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zivilrechtliche Streitgegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Streitige Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Insolvenzrechtliche Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Schiedssprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . LIV
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X. XI. XII. XIII.
XIV.
XV.
XVI.
7. Entscheidungen der Gerichte der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Entscheidungen völkerrechtlicher Gerichte . . . . . . . . . . . . . Verbürgung der Gegenseitigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anerkennung gemäß § 109 FamFG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anerkennung gemäß § 343 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anerkennungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirksamkeit der anzuerkennenden ausländischen Entscheidung nach dem Recht des Erststaates . . . . . . . . . . . . . . 2. Festlegung des Vorrangs bei Kollision mehrerer Entscheidungen über die gleiche Sache . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit des Erststaates (= der Befugnis des Erststaates zur Entscheidung über den Streitgegenstand aus der Sicht des Zweitstaates) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Beschränkte Überprüfung der Sachentscheidung . . . . . . . . . a) Überprüfung des ausländischen Verfahrens . . . . . . . . . . . aa) Einleitung des Prozesses im Erststaat . . . . . . . . . . . . . bb) Ablauf des Verfahrens im Erststaat. . . . . . . . . . . . . . . b) Überprüfung der ausländischen Entscheidungsfindung . . c) Skandalöses Verhalten einer Partei im Erstverfahren. . . . . d) Prüfungsmaximen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Wirksamkeit der Fehlentscheidung des Zweitrichters zur Frage der ordre public-Widrigkeit . . . . . . . . . . . . . . . Anerkennung unmittelbar kraft Gesetzes ohne Durchführung eines Anerkennungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausnahme: Ehesachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedürfnis nach rechtskraftfähiger Klärung der Anerkennungsbzw. Nichtanerkennungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Feststellungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Feststellungsverfahren nach Art. 33 II EuGVVO/LugÜ II und nach Art. 21 III EuEheVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verhältnis zwischen Feststellung der Anerkennungsvoraussetzungen und Vollstreckbarerklärung . . . . . . . . . . . . Anerkennungsfeststellungsverfahren für Entscheidungen in Ehesachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Monopolisierung der Entscheidung über das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen der Anerkennungsvoraussetzungen bei der Justizverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aussetzungspflicht für die Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nebenentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Feststellungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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6. Anerkennungsprognose im Zusammenhang mit der Beachtung ausländischer Rechtshängigkeit . . . . . . . . . . . . 7. Einstweilige Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Wirksamkeit der ausländischen Entscheidung nach dem Recht des Erststaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Antragsberechtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Deutsche Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Nichtigkeit (= Unwirksamkeit) der Entscheidung der Justizverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Benachrichtigung des Standesbeamten . . . . . . . . . . . . . . . 13. Verwaltungsverfahren im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . 14. Entscheidung der Justizverwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15. Antrag auf gerichtliche Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . 16. Wiederaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17. Abänderung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anerkennungsfestellungsverfahren für ausländische Adoptionen im Anwendungsbereich des Haager Adoptionsübereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anerkennungsfestellungsverfahren für ausländische Maßnahmen im Anwendungsbereich des Haager Erwachsenenschutzübereinkommens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Folgen der Versagung der Anerkennung. . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nichtbeachtung der ausländischen Entscheidung . . . . . . . . 2. Rückforderung des aufgrund des ausländischen Urteils Geleisteten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Beweiskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Parteivereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Internationale Ersatzzuständigkeit zur Wiederholung des Rechtsstreits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Internationale Zuständigkeit zur Aufhebung bigamischer Ehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teilanerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufhebung der ausländischen Entscheidung im Erststaat . . . . . Anerkennung von Entscheidungen der Gerichte der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Europäischer Vollstreckungstitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Nichtanerkennung der erststaatlichen Vollstreckbarkeit . . . . . . . . II. Streitgegenstand des deutschen Vollstreckbarerklärungsverfahrens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Vollstreckbarerklärungsfähige Urteile und sonstige Titel . . . . . . . .
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XX. XXI. XXII. XXIII.
2. Kapitel: Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel
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IV. Vollstreckungstitel, für die eine Vollstreckbarerklärung nicht in Betracht kommt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Exequaturentscheidungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Leistungsurteile, die aufgrund einer actio iudicati ergangen sind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schiedssprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Vollstreckbarerklärungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Vollstreckung aus vorläufig vollstreckbaren Titeln . . . . . . . . . . . . VII. Insolvenz im Erststaat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Notwendigkeit der Vollstreckbarerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Vollstreckbarerklärungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die verschiedenen Verfahrensarten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Durchführung des Verfahrens nach § 722 ZPO . . . . . . . . . . . . 4. Vollstreckbarerklärungsverfahren nach Art. 38 ff. EuGVVO/LugÜ II. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vollstreckbarerklärungsverfahren nach Art. 28 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 vom 27.11.2003 . . . . . . . . . . . 6. Vollstreckbarerklärungsverfahren nach Art. 26 ff. der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 vom 18.12.2008 . . . . . . . . . . . . . 7. Vollstreckbarerklärungsverfahren auf Grund der deutschen Ausführungsgesetze zu den völkerrechtlichen Verträgen . . . . . 8. Vollstreckbarerklärungsverfahren nach § 110 II FamFG . . . . . . X. Einwendungen gegen den dem Vollstreckungstitel zugrundeliegenden Anspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine Verweisung des Schuldners auf die ihm offen stehenden Rechtsbehelfsmöglichkeiten im Erststaat . . . . . . . . 2. Keine Verletzung des Verbots der révision au fond . . . . . . . . . 3. Berücksichtigung im Vollstreckbarerklärungsverfahren . . . . . . 4. Gemeinschaftsrechtskonforme Reduktion der §§ 12, 14 AVAG . 5. Parallele Problematik bei § 36 des Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetzes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Berücksichtigung nach Abschluss des Vollstreckbarerklärungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Passivlegitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XII. Grundlage für die Zwangsvollstreckung im Inland . . . . . . . . . . . . XIII. Ergänzungen des erststaatlichen Vollstreckungstitels . . . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwangsgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Festsetzung von Zinsen und Mehrwertsteuer . . . . . . . . . . . . . 4. Dynamisierte Unterhaltstitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Keine Umrechnung des auf ausländische Valuta lautenden Vollstreckungstitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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XIV. Gleichstellung des für vollstreckbar erklärten erststaatlichen Vollstreckungstitels mit zweitstaatlichen Titeln . . . . . . . . . . . . XV. Res iudicata-Wirkung der Entscheidung über den Vollstreckbarerklärungsantrag. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVI. Teilexequatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVII. Leistungsklage aus ausländischem Urteil. . . . . . . . . . . . . . . . . XVIII. Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . XIX. Eventualleistungs- und Abänderungsklage aus materiellem Rechtsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XX. Vollstreckungsgegenklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXI. Rechtshängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXII. Vollstreckung von Anordnungen und Beschlüssen aus dem Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIII. Einstweilige Sicherungen vor deutscher Vollstreckbarerklärung XXIV. Verordnung (EG) Nr. 805/2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXV. Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 vom 12.12.2006 zur Einführung eines europäischen Mahnverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVI. Verordnung (EG) Nr. 861/2007 vom 11.7.2007 zur Einführung eines Europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen . . XXVII. Verordnung (EG) Nr. 4/2009 vom 18.12.2008 des Rates über die Zuständigkeit und das anwendbare Recht in Unterhaltssachen, die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen und die Zusammenarbeit im Bereich der Unterhaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVIII. Internationales Familienrechtsverfahrensgesetz . . . . . . . . . . . .
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Dreizehnter Teil: Internationales Zwangsvollstreckungsrecht I. Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Völkerrechtliche Grenzen im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . a) Bewegliche Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte . . . . . . . . c) Forderungspfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Pfändung sonstiger Rechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Herausgabe von Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Ersatzvornahme von Handlungen und Unterlassungen . g) Zwangsgeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . h) Worldwide Freezing (Mareva) Injunctions – Allgemeine Verfügungsverbote mit globalem Geltungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . LVIII
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II. Internationale Zuständigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen . . . . . . . . . . . a) Pfändung von beweglichen Sachen einschließlich Wertpapieren, Forderungen aus Wechseln und anderen indossablen Papieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pfändung von Forderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen und zur Erwirkung von Handlungen oder Unterlassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anspruch auf Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwangsvollstreckung nach deutschem Recht . . . . . . . . . . . . . . . V. Vollstreckungstitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Executio non conveniens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Enforcement shopping . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Gläubigeranfechtung außerhalb des Insolvenzverfahrens. . . . . . . X. Zustellung als Voraussetzung des Beginns der Zwangsvollstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Pfändung von Forderungen und sonstigen Rechten . . . . . . . . . . 1. Zustellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zustellung an den Vollstreckungsschuldner. . . . . . . . . . . b) Fehlen eines Drittschuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zustellung an den Drittschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Voraussetzungen für den Erlass eines Pfändungsbeschlusses . 3. Zahlung des Drittschuldners an Vollstreckungsschuldner trotz (wirksamer) Pfändung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtsstellung des Gläubigers gegenüber dem Drittschuldner a) Vor Erlass des Überweisungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . b) Nach Erlass des Überweisungsbeschlusses. . . . . . . . . . . . c) Maßgebliches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Internationale Zuständigkeit für Klage des Gläubigers gegen den Drittschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Klagen vor inländischen Gerichten . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Internationale Zuständigkeit für Klagen gegen den Pfändungspfandgläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Zustellung der Klage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Klage im Ausland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XII. Pfändbarkeit, Pfändungsbeschränkungen und -erweiterungen . . . XIII. Schadensersatz wegen unberechtigter Vollstreckung. . . . . . . . . . XIV. Anerkennung ausländischer Vollstreckungsakte. . . . . . . . . . . . . XV. Eidesstattliche Versicherung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVI. Haftbefehl (§ 901 ZPO). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht 1. Kapitel: Grundfragen I. Rechtsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Völkerrechtliche Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Völkergewohnheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Istanbuler Übereinkommen des Europarates vom 5.6.1990 über bestimmte internationale Aspekte des Konkurses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. UNCITRAL-Modellbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Autonomes deutsches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Qualifikationsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Gegenstand des internationalen Insolvenzrechts . . . . . . . . . . 1. Internationales Insolvenzverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . 2. Internationales Insolvenzkollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . IV. Gleichbehandlung in- und ausländischer Gläubiger . . . . . . . . V. Universalitätsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anerkennung der insolvenztypischen Wirkungen ausländischer Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Partikularinsolvenzverfahren über das Inlandsvermögen . . 4. Gefährdung des Anspruchs auf effiziente Gesamtvollstreckung durch einen utopischen Universalismus . . . . . . 5. Pflicht zur Herausgabe von Massegegenständen an den Verwalter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Pflichten des Gemeinschuldners. . . . . . . . . . . . . . . . . b) Herausgabepflichten der Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . VI. Internationale Zuständigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gleiche Anknüpfungspunkte für internationale Anerkennungszuständigkeit fremder Staaten wie für internationale Entscheidungszuständigkeit Deutschlands nach dem Spiegelbildprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anknüpfungspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Masseprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anfechtungsklagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Priorität des deutschen Universalinsolvenzverfahrens?. . . . . . 1. Problemstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine Relevanz ausländischer Insolvenzanhängigkeit . . . . 3. Deutsches Partikularinsolvenzverfahren. . . . . . . . . . . . . . VIII. Koordination mehrerer Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Befugnisse der Verwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . LX
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3. Teilnahmerechte der Gläubiger 4. Insolvenzverwaltungsverträge . IX. Kein Vergeltungsrecht . . . . . . . . . X. Hilfs- und Rechtshilfeverfahren . .
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2. Kapitel: Deutsche Insolvenzverfahren mit Auslandsberührung I. Umfang der Insolvenzmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Deutsche Insolvenzverfahren, welche das gesamte (insolvenzfähige) Vermögen des Schuldners weltweit erfassen wollen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Deutsche Insolvenzverfahren, die sich auf das in Deutschland belegene Schuldnervermögen beschränken . 3. Freiwillige Beschränkung des deutschen Insolvenzverfahrens? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Fehlentscheidung des deutschen Insolvenzgerichts . . . . II. Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Internationale Zuständigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anknüpfungspunkte für die Verfahrenseröffnung . . . . . . a) Universalinsolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Partikularinsolvenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Örtliche Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine Zuständigkeitsvereinbarungen und keine kompetenzbegründende Einlassung. . . . . . . . . . . . . . . . 4. Keine kompetenzrechtliche vis attractiva concursus . . . . 5. Keine forum non conveniens-Prüfung . . . . . . . . . . . . . . 6. Prüfung von Amts wegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Perpetuatio fori . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Heilung von Zuständigkeitsmängeln . . . . . . . . . . . . . . . 9. Keine internationale Ausschließlichkeit. . . . . . . . . . . . . IV. Insolvenzfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Parteifähigkeit der Insolvenzmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Abwicklung des deutschen Verfahrens nach der deutschen lex fori . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Vollstreckungsverbot während der Dauer des deutschen Insolvenzverfahrens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Zugriff auf das außerhalb Deutschlands gelegene Vermögen des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Bestätigter Insolvenzplan – Zwangsvergleich . . . . . . . . . . . .
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3. Kapitel: Anerkennung der Wirkungen ausländischer Insolvenzverfahren I. II. III. IV.
V. VI.
VII. VIII. IX. X. XI. XII. XIII.
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Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einordnung als Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verwaltungsbehördliche Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . Hauptwirkung der Anerkennung eines ausländischen Insolvenzverfahrens: Anerkennung der ausländischen Insolvenzverwaltung und deren Handlungsbefugnisse nach der lex fori concursus auch in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . Anerkennung ohne Verbürgung der Gegenseitigkeit . . . . . . . . . . . Voraussetzungen für die Anerkennung der Verfahrenseröffnung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Wirksamkeit der ausländischen Insolvenzentscheidung nach dem Recht des Eröffnungsstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Extraterritorialer Geltungsanspruch aus der Sicht des Eröffnungsstaates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gerichtsbarkeit des Insolvenzeröffnungsstaates. . . . . . . . . . . . 4. Internationale Zuständigkeit des Insolvenzeröffnungsstaates . . 5. Vorbehalt des ordre public . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Vergleich mit den Anerkennungsvoraussetzungen des § 328 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Vorrang eines deutschen Universal- oder Partikularinsolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Teilanerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entscheidungen im Verlaufe des ausländischen Insolvenzverfahrens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Notwendigkeit der Vollstreckbarerklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kein besonderes (konstitutives) Anerkennungsverfahren . . . . . . . Öffentliche Bekanntmachung der Verfahrenseröffnung im Inland und Eintragung der Eröffnung im deutschen Grundbuch. . . . . . . . Unterbrechung eines im Inland anhängigen (die Insolvenzmasse betreffenden) Rechtsstreits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einschränkung des Grundsatzes der Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren durch Zulassung der Einzel- oder Gesamtvollstreckung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einzelzwangsvollstreckung während des ausländischen Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesamtzwangsvollstreckung aufgrund eines deutschen Partikularverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anhang: Einzelzwangsvollstreckung nach Beendigung des ausländischen Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Feststellungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vollstreckbarerklärungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4. Kapitel: Insolvenzkollisionsrecht und insolvenzrechtliche Sachnormen für Fälle mit Auslandsberührung I. Reichweite der lex fori concursus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anerkennungsfähigkeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Schwebende Geschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sachnormen zum Schutz des inländischen Rechtsverkehrs . . a) Schutz dinglicher Rechte Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Leistung an den Schuldner. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Verfügungen über unbewegliche Gegenstände, die im Inland belegen sind. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verfügungen über bewegliche Gegenstände, die im Inland belegen sind. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ausnahmen zugunsten der „normalen“ IPR-Anknüpfung . . . a) Miet-, Pacht- und sonstige Nutzungsverhältnisse . . . . . . . b) Kaufverträge, Mietkauf- und Leasingverträge über unbewegliche Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Arbeitsverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Aussonderungs-, Absonderungs- und sonstige besondere Rechte . III. Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Insolvenzaufrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Insolvenzbedingtes Erlöschen von Forderungen und sonstigen Rechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Insolvenzplan (Zwangsvergleich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Restschuldbefreiung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Organisierte Märkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VII. Pensionsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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VII. Schutz des Zahlungsverkehrs in einem System nach § 1 XVI des Kreditwesengesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Fünfzehnter Teil: Internationale Rechtshilfe I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Völkerrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Europäisches (sekundäres) Gemeinschaftsrecht . . 3. Nationales Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Entscheidung über den Rechtshilfeantrag . . . . . . . . . IV. Ausführung des ausländischen Rechtshilfeersuchens . 1. Staatsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vertragslose Rechtshilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Sechzehnter Teil: Internationale Schiedsgerichtsbarkeit 1. Kapitel: Rechtsquellen I. Völkerrechtliche Abkommen und Konventionen auf dem Gebiet der privaten Schiedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 1. VN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10.6.1958 . . . . 2. Europäisches (Genfer) Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21.4.1961 . 3. Übereinkommen auf Spezialgebieten . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Übernahme des UNCITRAL-Modellgesetzes im neuen autonomen deutschen Recht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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2. Kapitel: Grundfragen I. Abgrenzung zur völkerrechtlichen Schiedsgerichtsbarkeit. . . . . . II. Problem der „Anbindung“ eines internationalen Schiedsverfahrens. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Unterscheidung zwischen dem Statut des Schiedsverfahrens, der Schiedsvereinbarung und des Streitgegenstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Perspektive des staatlichen Richters in Deutschland. . . . . . . . . . 1. Einwand der „Derogation“ der Zuständigkeit des staatlichen Gerichts durch Vereinbarung der schiedsgerichtlichen Erledigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Mithilfe des staatlichen Gerichts bei der Konstituierung des ausländischen Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Hilfstätigkeiten der deutschen staatlichen Gerichte für ausländische Schiedsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zustellungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Beweisaufnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruches eines ausländischen Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . V. Unterschiede zwischen der „Behandlung“ in- und ausländischer Schiedssprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Internationale Schiedssprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Kapitel: Die Schiedsvereinbarung als Basis für die „Zuständigkeit“ des Schiedsgerichts I. Prinzip der Freiwilligkeit der Schiedsgerichtsbarkeit . . . . II. Auf die Schiedsvereinbarung anzuwendendes Recht (Statut der Schiedsvereinbarung) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Notwendigkeit der kollisionsrechtlichen Fragestellung 2. Parteiautonomie als maßgebliche Anknüpfung . . . . . . LXIV
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3. 4. 5. 6.
III.
IV. V. VI. VII. VIII. IX. X. XI. XII. XIII. XIV. XV. XVI.
Internationaler Bezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fehlen einer ausdrücklichen Rechtswahl . . . . . . . . . . . . Reichweite des Statuts der Schiedsvereinbarung. . . . . . . Selbständige Anknüpfung des Statuts der Vollmacht zum Abschluss der Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . 7. Form. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Favor validitatis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wirkungen der Vereinbarung eines ausländischen Schiedsgerichts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Prozessrechtliche Wirkung: Ausschluss des Zugangs zu den an sich zuständigen deutschen Gerichten . . . . . . . . a) Fortbestehen der internationalen Zuständigkeit Deutschlands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Anwendung des § 1032 ZPO auch bei Maßgeblichkeit ausländischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Materiell-rechtliche Wirkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verfahrensvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Umfang des Statuts der Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . Objektive Schiedsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausschließliche Zuständigkeit für das (hypothetische) Verfahren vor dem staatlichen Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . Subjektive Schiedsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Subjektive Grenzen der Schiedsvereinbarung. . . . . . . . . . . . Aufrechnung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unwirksamkeit der „abgenötigten“ Schiedsvereinbarung . . . Einstweiliger Rechtsschutz. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kompetenz-Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abgesonderte Entscheidung des Schiedsgerichts über seine „Zuständigkeit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verbot des venire contra factum proprium . . . . . . . . . . . . . . Schiedsorganisationsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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4. Kapitel: Das Verfahren vor dem Schiedsgericht I. Schiedsverfahrensstatut: Das auf das Schiedsverfahren anwendbare Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vereinbarung der Parteien über das maßgebliche Schiedsverfahrensrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auseinanderfallen von Schiedsvereinbarungs- und Schiedsverfahrensstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Aufspaltung des Schiedsverfahrensstatuts auf einzelne Aspekte des Schiedsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Rechtswahl während des Schiedsverfahrens . . . . . . . .
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5. Formfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Fehlen einer Rechtswahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Wirkungen der Schiedsanhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . 1. Prozessrechtliche Wirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Materiell-rechtliche Wirkungen. . . . . . . . . . . . . . . III. Keine Beachtung des Prinzips „le criminel tient le civil en l’etat“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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I. Staatsangehörigkeit der Schiedsrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Befangenheit der Schiedsrichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schiedsrichtervertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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5. Kapitel: Das Schiedsgericht
6. Kapitel: Durchführung des Schiedsverfahrens I. II. III. IV. V. VI. VII.
Gerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Partei- und Prozessfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Prozesskostenhilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ausländersicherheit (aktorische Kaution) . . . . . . . . . . . . . Zustellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beweiserhebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kognitionsbeschränkungen bezüglich Vorfragen. . . . . . . . . 1. Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aussetzungspflicht nach § 107 FamFG. . . . . . . . . . . . . VIII. Keine Vorlagebefugnis zum Bundesverfassungsgericht und zum Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH)
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I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Amiable compositeur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Feststellung ausländischen Rechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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7. Kapitel: Schiedsgericht und internationales Privatrecht
8. Kapitel: Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche I. Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Staatsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine Rückgriffsmöglichkeit mehr auf anerkennungsfreundlicheres autonomes Recht nach Reform des deutschen Schiedsverfahrensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Anerkennung auch ohne Verbürgung der Gegenseitigkeit . . . . . .
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IV. Anwendungsvoraussetzungen des § 1061 ZPO unter Weiterverweis auf das VN-Übereinkommen vom 10.6.1958. . . . . . . . . V. Exequaturentscheidungen ausländischer staatlicher Gerichte . . VI. Verurteilungen zur Kostenerstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Anerkennung und Vollstreckbarerklärung trotz Aufhebung des Schiedsspruchs im Ausland? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Anerkennungs- bzw. Vollstreckbarerklärungshindernisse . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Präklusion der Versagungsgründe, wenn von der Möglichkeit, die Aufhebungsklage im Ausland zu erheben, kein Gebrauch gemacht wurde? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Fehlen bzw. Unwirksamkeit einer Schiedsvereinbarung . . . 4. Verstoß gegen die öffentliche Ordnung der Bundesrepublik Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ordre public-Widrigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ordre public-Widrigkeit des Schiedsspruchs . . . . . . . . . 5. § 826 BGB als ultimative Anerkennungsbremse?. . . . . . . . . IX. Vollstreckbarerklärungsverfahren in mehreren Staaten wegen desselben Schiedsspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X. Staatenimmunität oder aus dieser abgeleitete Immunität als Einwand gegen die Anerkennung und Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruchs oder nur gegen die Zwangsvollstreckung als solche? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Erfüllungsklage aus Schiedsspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XII. Gerichtliche Feststellung, dass der Schiedsspruch im Inland wegen Nichtanerkennung keine Wirkung entfaltet . . . . . . . . . . XIII. Materiell-rechtliche Einwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XIV. Anerkennung von Entscheidungen staatlicher Gerichte auf dem Gebiet der Schiedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hilfstätigkeiten im Sinne des § 1050 ZPO. . . . . . . . . . . . . . 2. Ernennung und Ablehnung bzw. Abberufung von Schiedsrichtern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Festlegung des Schiedsortes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verlängerung der für die Fällung des Schiedsspruchs bestehenden Frist. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vorabentscheidung materiell-rechtlicher Fragen (statement of special case). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Feststellung der Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung und deshalb Verbot an die Parteien, das Schiedsverfahren (weiter) zu betreiben. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Feststellung der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung und damit der Zuständigkeit des Schiedsgerichts für einen bestimmten Rechtsstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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8. Aufhebung des Schiedsspruchs. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufhebung in seinem „Heimatland“ . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufhebung in einem dritten Staat . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aufhebung der deutschen Vollstreckbarerklärung nach (im Inland anerkennungsfähiger) Aufhebung im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sachentscheidung eines ausländischen staatlichen Gerichts nach Aufhebung des Schiedsspruchs im Ausland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Abweisung der Aufhebungsklage als unbegründet . . . . . . . . 10. Konstitutive Bestätigung eines Schiedsspruchs durch ein ausländisches Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Versagung der konstitutiven Bestätigung durch das ausländische Gericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Vollstreckbarerklärung des ausländischen Schiedsspruchs . . 13. Abweisung der Vollstreckbarerklärung als unbegründet. . . . . 14. Verurteilung der Partei(en) zur Zahlung des Schiedsrichterhonorars . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15. Nichtanerkennung der Sachentscheidung eines ausländischen staatlichen Gerichts, welches die Schiedsklausel glatt ignoriert hat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XV. Nichtvertragliche Schiedsgerichte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XVI. Schiedsvergleiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Verzeichnis der Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vorwiegend zum EuGVÜ . II. Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen . III. Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen
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V. Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. November 2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Ziviloder Handelssachen in den Mitgliedstaaten („Zustellung von Schriftstücken“) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28. Mai 2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Verordnung (EG) Nr. 861/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen . . . . . . . . . X. Verordnung (EG) Nr. 4/2009 des Rates vom 18. Dezember 2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Haager Übereinkommen vom 30. Juni 2005 über Gerichtsstandsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XII. United Nations Convention on Jurisdictional Immunities of States and Their Property on 2 December 2004 . . . . . . . . . . . . . XIII. Haager Übereinkommen vom 23. November 2007 über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen . . . . . . . . . . . . . . . . . Sachverzeichnis
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1469 1481
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1546 1579 1594
1605 1643
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Abkürzungsverzeichnis a.A. AAA A.A.A. a.a.O. Abk. ABl. abl. ABlAHK Abs. abw. AC AbzG AcP ADSp a.E. AEUV
a.F. AG AGB AGBG AGBGB AGGVG AHKG AktG All E. R. allg. allg. M a. M. AmJIntL amtl. Anh. Anm. AnwBl. AnwZ AöR AO AP App.
anderer Ansicht oder: am Anfang American Arbitration Association Association des Auditeurs et anciens Auditeurs de l’Académie de droit international de La Haye am angegebenen Ort Abkommen Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften ablehnend Amtsblatt der Alliierten Hohen Kommission in Deutschland Absatz abweichend Law Reports, Appeal Cases Abzahlungsgesetz Archiv für civilistische Praxis Allgemeine Deutsche Spediteurbedingungen am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (früher Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft – EGV) alte Fassung Amtsgericht; Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Allgemeine Geschäftsbedingungen Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Ausführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Ausführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz der Alliierten Hohen Kommission Aktiengesetz All England Law Reports allgemein allgemeine Meinung anderer Meinung American Journal of International Law amtlich Anhang Anmerkung Anwaltsblatt Anwaltszeitung Archiv des öffentlichen Rechts Abgabenordnung Nachschlagewerk des Bundesarbeitsgerichts Corte di appello oder: Cour d’appel LXXI
Abkürzungsverzeichnis ArbG ArbGG Arb. Int. ArchVR Art. art. AS Aufl. AUG AuR AusfG AusfVO ausl. AuslG AuslInvestmG
AußStrG AVAG AVR AWD AWG BAG BAGE BAnz. bay. BayObLG BayObLGZ BB BBG Bd. BEG begr. belg. BerDGVR Beschl. bestr. betr. BFH BfJ BG BGB BGBl. LXXII
Arbeitsgericht Arbeitsgerichtsgesetz Arbitration International Archiv des Völkerrechts Artikel article Amtliche Sammlung der Bundesgesetze und Verordnungen (Schweiz) Auflage Auslandsunterhaltsgesetz Arbeit und Recht Ausführungsgesetz Ausführungsverordnung ausländisch Ausländergesetz Gesetz über den Vertrieb ausländischer Investmentanteile und über die Besteuerung der Erträge aus ausländischen Investmentanteilen, siehe nunmehr das Investmentgesetz (InvG) vom 15.12.2003, BGBl. I 2676 Außerstreitgesetz Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz Archiv des Völkerrechts Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters Außenwirtschaftsgesetz Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Bundesanzeiger bayerisch Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Zivilsachen, Amtliche Sammlung Der Betriebsberater Bundesbeamtengesetz Band Bundesentschädigungsgesetz begründet belgisch Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht Beschluss bestritten betreffend Bundesfinanzhof Bundesamt für Justiz Bundesgericht Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt
Abkürzungsverzeichnis BGE BGH BGHSt BGHZ BinnSchG BJM BNotO BörsG BR BRAGO BRAK-Mitt. BRAO brit. BSG BSGE BT BtG Buchst. BUrlG BV BVerfG BVerfGE BYIL BZRG bzw. CA Can StIA Cass. Cc (cc) CIEC CIM CISG CIV Clunet CMLR CMR
Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichts Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Binnenschifffahrtssachen Bundesjustizministerium Bundesnotarordnung Börsengesetz Bundesrat Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung BRAK [Bundesrechtsanwaltskammer] Mitteilungen Bundesrechtsanwaltsordnung britisch Bundessozialgericht Entscheidungen des Bundessozialgerichts Bundestag Betreuungsgesetz Buchstabe Bundesurlaubsgesetz Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts The British Yearbook of International Law Gesetz über das Zentralregister und das Erziehungsregister beziehungsweise Court of Appeal Act to provide for State immunity in Canadian courts (State Immunity Act) Arrêt de la cour de cassation (Frankreich oder Belgien) Code civil (Frankreich, Belgien oder Luxemburg) oder Codice civile (Italien) Commission internationale de l’état civil Internationales Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr (United Nations) Convention on Contracts for the International Sale of Goods Internationales Übereinkommen über den EisenbahnPersonen- und -Gepäckverkehr Journal de droit international privé (auch zitiert Journal Clunet) Common Market Law Review Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßenverkehr LXXIII
Abkürzungsverzeichnis COTIF CPC (cpc) CPO CPR CR DAG DAR DAVorm DDR DEuFamR DGVZ d.h. D.i.p. DIS Diss. DJ DJT DNotI DNotZ doc. DR DRiZ Drucks. D. S. dt. DtZ DVBl. DVO DZWIR EAGV EBOR EG EGBGB EGGVG EGInsO EGKSV EGV EGMR EUV LXXIV
Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr vom 9. Mai 1980, BGBl. 1985 II 130 Codice di procedura civile oder: Code de procédure civile Civilprozessordnung Civil Procedure Rules Computer und Recht Deutsches Auslieferungsgesetz Deutsche Außenwirtschafts-Rundschau; Deutsches Autorecht Der Amtsvormund Deutsche Demokratische Republik Deutsches und Europäisches Familien-Recht Deutsche Gerichtsvollzieher-Zeitung das heißt Droit international privé Deutsches Institut für Schiedsgerichtswesen e.V. Dissertation Deutsche Justiz Deutscher Juristentag Deutsches Notarinstitut Deutsche Notar-Zeitschrift document Deutsches Recht Deutsche Richterzeitung Drucksache Recueil Dalloz/Sirey deutsch Deutsch-Deutsche Rechtszeitschrift Deutsches Verwaltungsblatt Durchführungsverordnung Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Vertrag über die Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft European Business Organisation Law Review (T.M.C. Asser Press) Einführungsgesetz Einführungsgesetz zum BGB Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Vertrag über die Europäische Union
Abkürzungsverzeichnis EheG Einf. EinigungsV
Einl. EInsO EKG EMRK ENA EPIL Erl. ERPL ErwSÜ ErwSÜAG
EÜ
EU EuGH EuGHE EuGRZ EuGVÜ
EuLF EuR EuRAG EuÜStI EuZPR EuZW EvBl. EVÜ EWG
Ehegesetz Einführung Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands Einleitung Entwurf einer Insolvenzordnung Einheitliches Gesetz über den internationalen Kauf beweglicher Sachen Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten Europäisches Niederlassungsabkommen vom 13. Dezember 1955, BGBl. 1959 II 998 Encyclopedia of Public International Law Erläuterung European Review of Private Law, Europäische Zeitschrift für Privatrecht Haager Übereinkommen vom 13.1.2000 über den internationalen Schutz von Erwachsenen, BGBl. 2007 II 323 Gesetz zur Umsetzung des Haager Übereinkommens vom 13.1.2000 über den internationalen Schutz von Erwachsenen, BGBl. 2007 I 314 Europäisches (Genfer) Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21. Mai 1961, BGBl. 1965 II 107 Europäische Union Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (nunmehr Gerichtshof, Art. 19 EUV) Sammlung der Entscheidungen des Gerichtshofs (vormals: der Europäischen Gemeinschaften) Europäische Grundrechtezeitschrift Brüsseler Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen European Legal Forum Europarecht Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland Europäisches Übereinkommen über Staatenimmunität Europäisches Zivilprozessrecht Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen (in der Österr. Juristenzeitung) Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 16. Juni 1980 Europäische Wirtschaftsgemeinschaft LXXV
Abkürzungsverzeichnis EWGV EWiR EWR EWS f. FamFG FamRÄndG FamRZ FernUSG FG FGB FGG FGO FMFG Fragistas-Bericht
franz. FRCP FRES FS FSIA G g. E. GebrMG gem. GenG GesVO GG GmbHG GmbHR GPR Gruchot GRUR GS GSZ GVBl. LXXVI
Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- & Steuerrecht folgend; für Familienverfahrensgesetz Familienrechtsänderungsgesetz Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Fernunterrichtsschutzgesetz Festgabe; Finanzgericht; Freiwillige Gerichtsbarkeit Familiengesetzbuch der ehemaligen DDR Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Finanzgerichtsordnung Finanzmarktförderungsgesetz Rapport explicatif: Convention sur la reconnaissance et l’exécution des jugements étrangers en matière civile et commerciale, in Conférence de la Haye de droit international privé, Actes et documents de la session extraordinaire 13 au 26 avril 1966: Exécution des jugements, 1969, 360 ff. französisch Federal Rules of Civil Procedure Entscheidungssammlung zum gesamten Bereich von Ehe und Familie Festschrift (United States) Foreign Sovereign Immunities Act Gesetz gegen Ende Gebrauchsmustergesetz gemäß Genossenschaftsgesetz Gesamtvollstreckungsordnung Grundgesetz Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Zeitschrift für Gemeinschaftsprivatrecht Beiträge zur Erläuterung des Deutschen Rechts, begr. von Gruchot Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht Gedächtnisschrift Großer Senat in Zivilsachen Gesetz- und Verordnungsblatt
Abkürzungsverzeichnis GVG GVGA GVO GVÜ
GWB Handb. (Hb.) HansRGZ HausTWG HBÜ
Hb. IZVR HGB HGÜ HKO h. L. h.M. HRR HS HZPÜ HZÜ
IAEA ICC ICCA ICJ Rep. ICLQ i.d.F. i.d.R. i. e. S. IGH IHR ILA ILC ILM ILR
Gerichtsverfassungsgesetz Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher Gerichtsvollzieherordnung Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Handbuch Hanseatische Rechts- und Gerichtszeitschrift Gesetz über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen Geschäften Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 18.3.1970, BGBl. 1977 II 1472 Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, 1982/84 Handelsgesetzbuch Haager Übereinkommen vom 30. Juni 2005 über Gerichtsstandsvereinbarungen Haager Landkriegsordnung herrschende Lehre herrschende Meinung Höchstrichterliche Rechtsprechung Halbsatz Haager Übereinkommen über den Zivilprozess vom 1.3.1954, BGBl. 1958 II 576 Haager Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen vom 15.11.1965, BGBl. 1977 II 1452 International Atomic Energy Agency International Chamber of Commerce International Council of Commercial Arbitration International Court of Justice, Reports of Judgments, Advisory Opinions and Orders The International and Comparative Law Quarterly in der Fassung in der Regel im engeren Sinne Internationaler Gerichtshof Internationales Handelsrecht International Law Association International Law Commission International Legal Materials International Law Reports LXXVII
Abkürzungsverzeichnis insbes. InsO IntFamRVG IntGesR InvG IPG IPR IPRax IPR-Gesetz IPR-ReformG IPRspr. IRG IRV i.S. i.V.m. IWB IWF i. w. S. IZPR IzRspr. i. Zw. J. A. M. JbIntR JBl. JdT Jenard-Bericht
JFG JMBl. JN Journal Clunet JPS JR JuS JW JZ LXXVIII
insbesondere Insolvenzordnung Internationales Familienrechtsverfahrensgesetz (im Gesetzgebungsverfahren) Internationales Gesellschaftsrecht Investmentgesetz vom 15.12.2003, BGBl. I 2676 Gutachten zum internationalen und ausländischen Privatrecht Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts Schweizer Bundesgesetz vom 18.12.1987 über das internationale Privatrecht (SR 291) Gesetz zur Neuregelung des IPR, BGBl. 1986 I 1142 Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiete des Internationalen Privatrechts Gesetz über die internationale Rechtshilfe Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen im Sinne in Verbindung mit Internationale Wirtschaftsbriefe Internationaler Währungsfonds im weiteren Sinne internationales Zivilprozessrecht Sammlung der deutschen Entscheidungen zum interzonalen Privatrecht im Zweifel Juge aux affaires matrimoniales Jahrbuch für internationales Recht (österr.) Juristische Blätter Journal de Tribuneaux Bericht zu dem Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, unterzeichnet in Brüssel am 27.9.1968, Bundestagsdrucksache VI/1973 S. 52 ff. (danach zitiert) = ABl. EG C 59/79, 1 ff. Jahrbuch für Entscheidungen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und des Grundbuchrechts Justizministerialblatt (österr.) Jurisdiktionsnorm Journal de droit international privé (auch zitiert Clunet) Jahrbuch für die Praxis der Schiedsgerichtsbarkeit Juristische Rundschau Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung
Abkürzungsverzeichnis KG KGBl. KO KonsularG KSÜ KTS KUG KWG KWKG LAG LG lit. Lit. LJ LJV LM LMK LPartG LugÜ lux. LZ m. a. W. MDR MittBayNot
Kammergericht Blätter für Rechtspflege im Bezirke des KG Konkursordnung Konsulargesetz Kinderschutzübereinkommen Konkurs-, Treuhand- und Schiedsgerichtswesen Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie Kreditwesengesetz Kriegswaffenkontrollgesetz Landesarbeitsgericht Landgericht Buchstabe Literatur The Law Journal Landesjustizverwaltung Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, herausgegeben von Lindenmaier und Möhring Kommentierte BGH-Rechtsprechung Lebenspartnerschaftsgesetz Lugano-Übereinkommen luxemburgisch Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht
MittRhNotK MSA MüKo
mit anderen Worten Monatsschrift für Deutsches Recht Mitteilungen des Bayerischen Notarvereins, der Notarkasse und der Landesnotarkammer Bayern Mitteilungen der Rheinischen Notarkammer Haager Minderjährigenschutzabkommen Münchener Kommentar
Nachw. n.F. NILR NIPR NJW NJW-RR Nr. NTIR NTS NZA
Nachweis neue Fassung oder: neue Folge Netherlands International Law Review Nederlands Internationaal Privaatrecht Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Nummer Nederlands Tijdschrift voor International Recht NATO-Truppenstatut Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht
öffentl. öGZ ÖJZ
öffentlich (österr.) Gerichts-Zeitung Österreichische Juristenzeitung LXXIX
Abkürzungsverzeichnis ÖRZ OGH OGHZ OLG OLGE OLGZ OR OVG
Österreichische Richterzeitung (österr.) Oberster Gerichtshof Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs für die britische Zone Oberlandesgericht Sammlung der Entscheidungen der Oberlandesgerichte Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen Obligationenrecht Oberverwaltungsgericht
PatAnwO PatG Prot. PStG
Patentanwaltsordnung Patentgesetz Protokoll Personenstandsgesetz
RabelsZ
Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht RADG Rechtsanwaltsdienstleistungsgesetz RCDIP Revue critique de droit international privé RdA Recht der Arbeit RdC Académie de droit international, Recueil des Cours Recht Das Recht, Rundschau für den deutschen Juristenstand RPflG Rechtspflegergesetz Rev. crit. d. i. p. Revue critique de droit international privé RG Reichsgericht RGBl. Reichsgesetzblatt RGRK Reichsgerichtsrätekommentar RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RHE Rechtshilfeerlass Riv. dir. int. priv. proc. Rivista di diritto internazionale privato e processuale RIW Recht der Internationalen Wirtschaft/Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters Rn. Randnummer ROW Recht in Ost und West Rpfleger Der Deutsche Rechtspfleger R. S. C. Rules of the Supreme Court Rspr. Rechtsprechung RuStAG Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz Rz. Randziffer RzW Rechtsprechung zum Wiedergutmachungsrecht S. s. s.a. SA SAE LXXX
Seite siehe siehe auch Seufferts Archiv für Entscheidungen der Obersten Gerichte in den deutschen Staaten Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen
Abkürzungsverzeichnis Schengen II SchG SchiedsVZ SchKG SchlHA Schlosser-Bericht
sect. Sess. SGB SJZ Slg. s. o. sog. Sp. SR StAG StAZ StGB StIA StIGH str. StVG Suppl. SZZP TGI TranspR TRIPS
TzWrG
Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14.6.1985, BGBl. 1993 II 1013 Scheckgesetz Zeitschrift für Schiedsverfahren Schweizer Bundesgesetz vom 11.4.1989 über Schuldbetreibung und Konkurs (SR 281.81) Schleswig-Holsteinische Anzeigen Bericht zu dem Übereinkommen vom 9.10.1978 (BGBl. 1983 II 802) über den Beitritt des Königreichs Dänemark, Irlands und des Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland zum Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie zum Protokoll betreffend die Auslegung dieses Übereinkommens durch den Gerichtshof, unterzeichnet in Luxemburg am 9.10.1978, ABl. EG Nr. C 59/79, 71 ff. = Bundestagsdrucksache 10/61 = Bundesratsdrucksache 373/82 section Session Sozialgesetzbuch Schweizerische Juristen-Zeitung Sammlung siehe oben so genannt Spalte Systematische Sammlung des Schweizerischen Bundesrechts Staatsangehörigkeitsgesetz Zeitschrift für Standesamtswesen (jetzt: Das Standesamt) Strafgesetzbuch (United Kingdom) State Immunity Act Ständiger Internationaler Gerichtshof streitig Straßenverkehrsgesetz Supplement Schweizerische Zeitschrift für Zivilprozessrecht Tribunale de Grande Instance Transportrecht Trade-Related Aspects of Intellectual Property – Übereinkommen über die handelsbezogenen Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums vom 15.4.1994, BGBl 1994 II 1730 Teilzeitwohnrechtegesetz
LXXXI
Abkürzungsverzeichnis u.a. Ü Überbl. Übers. UmwG UN UNCITRAL UNCITRAL-InsModG UNIDROIT unstr. UNTS UrheberG U.S. USC u.U. UVÜ
UWG v. VAG VerbrKrG VerglO VerschG VersR Vertr. vgl. VN VNÜ
VO Vorb. VuR VVG VwGO WA WahrnG Warneyer WBÜ WEG
LXXXII
unter anderem Übereinkommen Überblick Übersicht Umwandlungsgesetz United Nations United Nations Commission on International Trade Law UNCITRAL-Modellgesetz für grenzüberschreitende Insolvenzen vom 15.12.1997 (unten Rz. 3357d) Institut international pour l’unification du droit privé unstreitig United Nations Treaty Series Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte United States Supreme Court Reports United States Code unter Umständen Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973, BGBl. 1986 II 826 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb versus Versicherungsaufsichtsgesetz Verbraucherkreditgesetz Vergleichsordnung Verschollenheitsgesetz Versicherungsrecht Vertrag vergleiche Vereinte Nationen VN-Übereinkommen zur Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen vom 10.6.1958, BGBl. 1961 II 122 Verordnung Vorbemerkung Verbraucher und Recht Versicherungsvertragsgesetz Verwaltungsgerichtsordnung Warschauer Abkommen Wahrnehmungsgesetz Die Rechtsprechung des Reichsgerichts auf dem Gebiete des Zivilrechts Washingtoner Weltbankübereinkommen für Investitionsstreitigkeiten vom 18.3.1965, BGBl. 1969 II 371 Gesetz über das Wohnungseigentum und das Dauerwohnrecht
Abkürzungsverzeichnis WG WGO
W.L.R. WM WRP WuB WÜD WÜK WuW WVRK
Wechselgesetz Die wichtigsten Gesetzgebungsakte in den Ländern Ost-, Südosteuropas und in den ostasiatischen Volksdemokratien Weekly Law Reports Wertpapier-Mitteilungen Wettbewerb in Recht und Praxis Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18.4.1961, BGBl. 1964 II 957 Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen vom 24.4.1963, BGBl. 1969 II 1585 Wirtschaft und Wettbewerb Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge vom 23.5.1969, BGBl. 1985 II 926
Yb YbILC
Yearbook Yearbook of the International Law Commission
ZBlJR ZAkDR ZaöRV
Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Arbeitsrecht Zentralblatt für Jugendrecht (österr.) Zeitschrift für Rechtsvergleichung (schweiz.) Zivilgesetzbuch Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Niemeyers Zeitschrift für internationales Recht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Luftrecht und Weltraumrechtsfragen Zeitschrift für Luft- und Weltraumrecht Zeitschrift für die Notarpraxis Zeitschrift für öffentliches Recht Zeitschrift für Osteuropäisches Recht Zivilprozessordnung Rechtshilfeordnung in Zivilsachen Zeitschrift für Rechtspolitik Zivilsenat Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen Zeitschrift für schweizerisches Recht
ZEuP ZEV ZfA ZfJ ZfRV ZGB Ziff. ZIP ZIR ZHR ZLR ZLW ZNotP ZöffR ZOR ZPO ZRHO ZRP ZS ZSEG ZSR
LXXXIII
Abkürzungsverzeichnis z. T. ZUM ZustDG ZVersWiss ZVglRWiss ZZP ZZPInt
LXXXIV
zum Teil Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht EG-Zustellungsdurchführungsgesetz (ersetzt durch §§ 1067 ff. ZPO) Zeitung für die gesamte Versicherungswissenschaft Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft Zeitschrift für Zivilprozess Zeitschrift für Zivilprozess International
Literaturverzeichnis Abegg, Die zwingenden Inhaltsnormen des Schuldvertragsrechts, 2004 Acocella, Internationale Zuständigkeit und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivilsachen im schweizerisch-italienischen Rechtsverkehr, 1989 Adam, Internationaler Versorgungsausgleich, 1985 Adam Mun˜oz, El Proceso Civil con elemento extranjero y la cooperación judicial international, 1995 Adamczyk, Die Überprüfung der Anwendung ausländischen Rechts durch den Bundesgerichtshof und das schweizerische Bundesgericht im Zivilprozess, (Diss. Freiburg/Br. 1997) 1999 Adelmann-Péntek, Das Prozesskostenrecht der ZPO im Vergleich mit den entsprechenden Regelungen in Österreich, in der Schweiz, in Frankreich, Spanien, England, Schweden und in der ehemaligen DDR, Diss. Erlangen-Nürnberg 2001 Aden, Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit2, 2002 Aderhold, Auslandskonkurs im Inland, 1992 Adloff, Vorlagepflichten und Beweisvereitelung im deutschen und französischen Zivilprozess, 2007 Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, 2003 Adolphsen, Europäisches und internationales Zivilprozessrecht in Patentsachen2, 2009 Affaki, Faillite internationale et conflits de juridictions, 2007 Ahrens, Die Klagebefugnis von Verbänden im Europäischen Gemeinschaftsrecht, Diss. Rostock 2002 Ahrens, Hans-Jürgen (ed.), Der Wettbewerbsprozess5, 2005 Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, Diss. Berlin 1984 Albicker, Der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft, 1996 Alsina Naudi, Die Umsetzung des europäischen Zivilprozessrechts in Spanien: Zuständigkeit, einstweiliger Rechtsschutz, Anerkennung und Vollstreckung, 2005 Ambos, Internationales Strafrecht – Strafanwendungsrecht, Völkerstrafrecht, Europäisches Strafrecht, 2006 Amschewitz, Die Durchsetzungsrichtlinie und ihre Umsetzung im deutschen Recht, 2008 Andenas/Heß/Oberhammer (ed.), Enforcement Agency Practice in Europe, 2005 Anders, Die Zwangsvollstreckung in Gesellschaftsanteile und die materiellrechtlichen und prozessualen Mittel zu ihrer Durchsetzung – eine rechtsvergleichende Studie zum deutschen und US-amerikanischen Recht, 2001 Andrae, Internationales Familienrecht2, 2006 Angst, Kommentar zur Exekutionsordnung, 2000
LXXXV
Literaturverzeichnis Appelbaum, Einschränkungen der Staatenimmunität in Fällen schwerer Menschenrechtsverletzungen – Klagen von Bürgern gegen einen fremden Staat oder ausländische staatliche Funktionsträger vor nationalen Gerichten, 2007 Arnold, Lex fori als versteckte Anknüpfung, 2009 Assmann/Bungert, Handbuch des US-amerikanischen Handels-, Gesellschaftsund Wirtschaftsrechts, Bd. I, 2001 Aston, Sekundärgesetzgebung internationaler Organisationen zwischen mitgliedstaatlicher Souveränität und Gemeinschaftsdisziplin, 2005 Atali, Internationale Zuständigkeit im deutsch-türkischen Rechtsverkehr, 2001 Atteslander-Dürrenmatt, Der Prozessvergleich im internationalen Verhältnis: Unter besonderer Berücksichtigung anerkennungs- und vollstreckungsrechtlicher Fragen im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr der Schweiz, Diss. Bern, 2006 Audit, Droit international privé4, 2006 Auer, Die internationale Zuständigkeit des Sachzusammenhangs im erweiterten EuGVÜ-System nach Artikel 6 EuGVÜ (Diss. Regensburg 1996), 1999 Auer, Christian, Deutsches internationales Deliktsrecht im Spannungsfeld zwischen Rechtssicherheit und Gerechtigkeit, Diss. Augsburg 2002 Aull, Der Geltungsanspruch des EuGVÜ: „Binnensachverhalte“ und Internationales Zivilverfahrensrecht in der Europäischen Union – Zur Auslegung des Art. 17 Abs. 1 S. 1 EuGVÜ, 1996 Bach, Grenzüberchreitende Vollstreckung in Europa, 2008 Bachler, Situs-Regel, innerdeutsche und inneramerikanische Nachlassspaltung, 2007 Bachmann, Fremdwährungsschulden in der Zwangsvollstreckung, 1994 Badelt, Aufrechnung und internationale Zuständigkeit unter besonderer Berücksichtigung des deutsch-spanischen Rechtsverkehrs, 2005 Bäumer, Die ausländische Rechtshängigkeit und ihre Auswirkungen auf das internationale Zivilverfahrensrecht, 1999 Baier, Europäische Verbraucherverträge und missbräuchliche Klauseln: Die Umsetzung der Richtlinie 93/13/EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen in Deutschland, Italien, England und Frankreich, Diss. Bielefeld 2004 Bajons, Zivilverfahren, 1991 Ballon, Einführung in das österreichische Zivilprozessrecht – Streitiges Verfahren12, 2009 Bandel, Einstweiliger Rechtsschutz im Schiedsverfahren, Diss. München 2002 Bankas, The State Immunity Controversy in International Law: Private Suits Against Sovereign States in Domestic Courts, 2005 Banniza von Bazan, Der Gerichtsstand des Sachzusammenhangs im EuGVÜ, dem Lugano-Abkommen und im deutschen Recht, 1995 von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht I2, 2003 Barmeyer, Die Anerkennung ausländischer, insbesondere englischer Beurkundungen auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts in Deutschland, 1996 Basak, Die Zuständigkeitsregeln internationaler Strafgerichte und Art. 101 GG: Zum Verhältnis der deutschen Strafgerichtsbarkeit zu den Internationalen TriLXXXVI
Literaturverzeichnis bunalen für Jugoslawien und Ruanda sowie zum Ständigen Internationalen Strafgerichtshof, Diss. Frankfurt/Main 2004 Batiffol/Lagarde, Traité de Droit international privé, tome I8, 1993; tome II7, 1983 Bauer, Hubert, Compétence judiciaire internationale des tribunaux civils francais et allemands, 1965 Bauer, Gertraud Maria, Das sichere Geleit unter besonderer Berücksichtigung des Zivilprozessrechts, 2006 Bauer, Philipp, Die internationale Zuständigkeit bei gesellschaftsrechtlichen Klagen unter besonderer Berücksichtigung des EuGVÜ, 2000 Bauerreis, Das französische Rechtsinstitut der action directe und seine Bedeutung in internationalen Vertragsketten, 2002 Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in Unterhaltssachen, 1989 Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozessordnung67, 2009 Baumgarten, Der richtige Kläger im deutschen, französischen und englischen Zivilprozess. Ein Beitrag zur Prozessführungsbefugnis und funktionsverwandten Instituten, Diss. Potsdam 2001 Baumgartner, The Proposed Hague Convention on Jurisdiction and Foreign Judgments: trans-atlantic lawmaking for transnational litigation, 2003 Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht II12, 1990 Becker, Grundrechtsschutz bei Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, 2004 Beissenhirtz, Die Insolvenzanfechtung in Deutschland und England: Eine rechtsvergleichende Betrachtung, Diss. Halle 2003 Beljin, Staatshaftung im Europarecht: Konturen des Haftungsinstituts, mitgliedstaatliche Pflichten und subjektive Gemeinschaftsrechte, innerstaatliche Durchführung, 2000 Belling, Die Jurisdiktion ratione materiae der ICSID-Schiedsgerichte – Unter besonderer Berücksichtigung des Investitionsbegriffes des Weltbankübereinkommens vom 18.3.1965, 2007 Berger, International Economic Arbitration, 1993 Berger, Internationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, 1992 Berger/Kellerhals, Internationale und interne Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz, 2006 Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998 Berther, Die internationale Erbschaftsverwaltung bei schweizerisch-deutschen, -österreichischen und -englischen Erbfällen, 2001 Besse, Die Vergemeinschaftung des EuGVÜ, Diss. TU Dresden 2001 Beulker, Die Eingriffsnormenproblematik in internationalen Schiedsverfahren: Parallelen und Besonderheiten im Vergleich zur staatlichen Gerichtsbarkeit, 2005 Bicker, Gläubigerschutz in der grenzüberschreitenden Konzerngesellschaft – Eine international-privatrechtliche Untersuchung am Beispiel der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft mit Verwaltungsssitz in Deutschland, 2007
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CXXVIII
Erster Teil: Grundlegung 1. Kapitel: Gegenstand und Begriff des internationalen Zivilprozessrechts I. Überblick Schwerpunkte des internationalen Zivilprozessrechts sind die Jurisdiktion (Ge- 1 richtsbarkeit und internationale Zuständigkeit) auf der einen und die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Entscheidungen auf der anderen Seite. Die Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen (Entscheidungs-)Zuständigkeit fokussiert die Frage, ob die Gerichte eines bestimmten Staates zur Entscheidung in der Sache berufen sind. Aus der Sicht des Klägers geht es um die Justizgewährung in dem betreffenden Staat,1 aus der Sicht des Beklagten um seine (internationale) Gerichtspflichtigkeit. Das internationale Anerkennungsrecht gibt Antwort auf die Frage, ob die Wirkungen einer ausländischen Entscheidung (res iudicata-, Gestaltungswirkung etc.) für die inländischen Staatsorgane verbindlich sind.2 Gewissermaßen in der Mitte zwischen diesen beiden großen Themenkreisen des 2 internationalen Zivilverfahrensrechts steht die Frage der Beachtung ausländischer Rechtshängigkeit.3 Diese hat zu beiden vorgenannten Themen Berührungspunkte. Ist nämlich ein (früher anhängig gemachtes) ausländisches Verfahren im Inland zu beachten, so führt dies im Ergebnis zu einer Blockade der Sachentscheidung durch die inländischen Gerichte. Obwohl Deutschland sich für international zuständig hält, dürfen deutsche Gerichte im Hinblick auf die ausländische Litispendenz eine Sachentscheidung nicht erlassen. Andererseits hat die Frage der Beachtung ausländischer Rechtshängigkeit auch zum Anerkennungsrecht starke Bezüge, weil in der Regel4 die ausländische Rechtshängigkeit nur dann beachtet wird, wenn mit einer Anerkennung im Inland zu rechnen ist, Rz. 2688. Von großer Wichtigkeit (insbesondere für den Ausgang des Prozesses) ist das in- 3 ternationale Beweis- und Beweisverfahrensrecht.5 Kann z.B. bei ausländischer lex causae nach ausländischem Beweisrecht verfahren werden oder ist immer das Beweisrecht des Gerichtsstaates anzuwenden? Stellt der Umstand, dass das Recht, nach dem das ausländische Gericht bei der Beweiserhebung zu verfahren hat, vom inländischen wesentlich abweicht, einen Grund dar, weswegen die Anerkennung des auf dem ausländischen Beweisrecht beruhenden ausländischen Urteils zu versagen ist? Diese Frage ist zu verneinen, Rz. 2962. 1 2 3 4
Näher unten Fünfter Teil, Rz. 1906 ff. Hierzu unten Zwölfter Teil, Rz. 2751 ff. Hierzu unten Elfter Teil, Rz. 2685 ff. Ausnahme: Art. 21 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 27 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 sowie Art. 19 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 (EuEheVO, Rz. 245c). 5 Hierzu unten Achter Teil, Rz. 2260 ff.
1
Erster Teil: Grundlegung 3a
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Erkenntnis, dass materielles Recht und Verfahrensrecht austauschbar sind. Idem est non esse aut non probari. Wenn der jeweilige Gesetzgeber den Nachweis von Tatsachen verbietet, erschwert oder erleichtert, kann er im Ergebnis das Gleiche erreichen, wie wenn er für ein Rechtsverhältnis ausgefeilte Normen aufstellt, Rz. 57.
4 Sehr bedeutsam ist weiter die Frage der prozessualen Behandlung ausländischen Rechts.6 Wie ermittelt der Richter des Forumstaates den Inhalt der ausländischen Rechtssätze? Muss er von Amts wegen vorgehen oder kann er es den Parteien überlassen, entsprechende Ermittlungen anzustellen? Hat ein ausländischer Rechtssatz überhaupt Rechtsnormqualität für den (inländischen) Richter (weil das inländische internationale Privatrecht auf das ausländische Recht verweist) oder ist aus inländischer Sicht die ausländische Rechtsnorm (nur) ein Faktum, das Gegenstand des Beweises ist? 5 Hinzu kommt das prozessuale Fremdenrecht (das viele Autoren nicht zum internationalen Zivilverfahrensrecht im engeren Sinne rechnen):7 Wie wirkt sich der Umstand, dass ein Kläger oder Beklagter, ein Zeuge, ein Sachverständiger oder sonst ein am Verfahren Beteiligter einem ausländischen Staat angehört, auf seine Rechtsstellung im inländischen Prozess aus? Insbesondere geht es um die Partei- bzw. Prozessfähigkeit von Ausländern8 und den Zeugniszwang gegen Ausländer bzw. die Zeugnispflicht von Ausländern,9 aber auch um die Frage, ob und in welchem Umfang Ausländer hinsichtlich des Zugangs zu den deutschen inländischen Gerichten Inländern gleichgestellt sind.10 6 Gegenstand des internationalen Zivilverfahrensrechts ist auch die internationale Rechtshilfe (Rz. 2013, 2151, 2420, 3630), also die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang inländische Gerichte und sonstige Justizorgane bereitgestellt werden, um Verfahrenshandlungen, die im Rahmen eines ausländischen Prozesses notwendig werden, im Inland vorzunehmen (z.B. Zustellungen, Zeugenvernehmungen, Rz. 2151, 2440), und vice versa um die Frage, wann inländische Gerichte verpflichtet sind, ausländische Rechtshilfe in Anspruch zu nehmen.11 7 Schließlich wird auch das Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit zum internationalen Zivilverfahrensrecht gerechnet. Dieses hat sich mittlerweile zu einer eigenen Disziplin entwickelt, die hier nur in Grundzügen (Rz. 3700) dargestellt werden kann. 8 Vor allem im internationalen Handelsverkehr weichen die Parteien auf die Schiedsgerichtsbarkeit aus. Grund sind das Misstrauen gegenüber den nationalen Heimat- bzw. Wohnsitzgerichten (Rz. 868i), mithin das größere Vertrauen in
6Hierzu unten Neunter Teil, Rz. 2570. 7Nachweise bei Furtak, Die Parteifähigkeit in Zivilverfahren mit Auslandsberührung, 1995, 72 ff. 8Hierzu unten Siebenter Teil, Rz. 2200. 9E. Geimer, Internationale Beweisaufnahme, 1998, 249. 10 Hierzu unten Fünfter Teil, Rz. 1906. 11 Hierzu unten Fünfzehnter Teil, Rz. 3630.
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Gegenstand und Begriff des IZPR die Neutralität des Schiedsgerichts,12 die Möglichkeit, einen Spruchkörper mit besonderer Sachkunde zu wählen13 und die größere internationale Durchsetzbarkeit von Schiedssprüchen (z.B. §§ 1060 ff. ZPO) im Vergleich zu den Entscheidungen staatlicher Gerichte (z.B. § 328 I Nr. 5 ZPO).
II. Definitionsversuche Alles in allem handelt es sich um einen bunten Strauß von internationalrecht- 9 lichen (verfahrensbezogenen) Fragen, die den Gegenstand des internationalen Verfahrensrechts bilden. Sie stehen auch untereinander in einer gewissen Beziehung; gleichwohl fällt es schwer, eine ausdrucksstarke allgemeine Formel zu finden, um das Gebiet des internationalen Zivilverfahrensrechts randscharf abzugrenzen. Stimmig sind etwa folgende Formulierungen: – Gesamtheit der zivilverfahrensrechtlichen Normen, soweit sie Auslandsbeziehungen betreffen,14 – alle verfahrensrechtlich bedeutsamen Tatbestände mit internationaler Beziehung,15 – alle prozessualen Regeln für auslandsbezogene Sachverhalte,16 – Summe der Einzelbestimmungen, die bei Fällen mit Auslandsberührung zum Tragen kommen,17 – Gesamtheit aller inländischen Normen, die sich auf Prozessrechtsverhältnisse mit ausländischen Momenten beziehen,18 – alle verfahrensrechtlichen Vorschriften, die internationale Sachverhalte, bzw. die Beziehungen der inländischen Gerichtsbarkeit zum Ausland betreffen: Verfahrenskollisionsrecht, nationale Verfahrensregeln für Sachverhalte mit Auslandsbezug (und zwar sowohl in Bezug auf Verfahren im Inland – sog. Befolgungsregeln, als auch für die Anerkennung ausländischer Verfahrensakte und Entscheidungen – sog. Beurteilungsregeln), internationales völkervertragliches Verfahrensrecht (ebenfalls für Verfahren im Inland und Anerkennung ausländischer Entscheidungen), inländische Rechtshilfe im Rahmen ausländischer Verfahren und umgekehrt.19
12 OLG Frankfurt vom 24.9.1985, NJW 1986, 2202 = RIW 1986, 379 = IPRspr. 1985 Nr. 199. 13 Schütze/Tscherning/Wais, Handbuch des Schiedsgerichtsverfahrens2, 1990, Rz. 1. 14 Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 2. 15 Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 1. 16 Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 1 Rz. 2. So nun auch Walter, Internationales Zivilprozessrecht der Schweiz4, 2007, § 1 I 1a. 17 Staudinger/Firsching, BGB10/11, 1978, Rz. 609 vor Art. 12 EGBGB. 18 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 10. 19 Sonnenberger in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Einl. Rz. 443.
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Erster Teil: Grundlegung – Gesamtheit der innerstaatlichen prozessualen Regeln, welche verfahrensrechtliche Tatbestände mit internationalem Bezug betreffen.20
III. Auslandsbezogenheit 10
Die Auslandsbezogenheit kann begründet werden durch die Staatsangehörigkeit, den Wohnsitz bzw. Sitz, den gewöhnlichen oder einfachen Aufenthalt einer oder beider Parteien, durch die prozessuale Ermittlung ausländischen Rechts, durch Probleme der internationalen Rechtshilfe, durch die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile, durch ausländische Rechtshängigkeit, durch Prorogation eines ausländischen Gerichts, durch die Belegenheit des Streitgegenstands, durch den Erfüllungsort für vertragliche Verpflichtungen und den Tatort einer unerlaubten Handlung etc.
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Aber auch der Begriff der Auslandsbezogenheit hat fließende Grenzen. „Präzise Formeln . . . konnte man bisher nicht finden“. So kann sich ein „reiner Inlandsfall“ über Nacht in einen Fall mit Auslandsberührung entwickeln:21 der Beklagte zieht ins Ausland, erwirbt eine ausländische Staatsangehörigkeit, verschiebt sein Vermögen ins Ausland oder tritt in einen Vertrag ein, der eine ausschließliche Prorogation auf ein ausländisches Gericht enthält.22 Beispiel A:23 Eine deutsche GmbH hat gegen eine andere deutsche GmbH einen Titel erwirkt. Die Schuldnerin ist jedoch dadurch zahlungsunfähig geworden, dass wesentliche Teile des Gesellschaftsvermögens auf einen Gesellschafter im Ausland (Frankreich) transferiert wurden. Auch umgekehrt kann ein Fall mit Auslandsberührung sich auf einen reinen Inlandsfall „zurückentwickeln“. Beispiel B: Ein Straßburger und ein Münchener vereinbaren die internationale Zuständigkeit Deutschlands und die örtliche Zuständigkeit des LG München I. Nunmehr zieht der Straßburger auch nach München. Erst danach kommt es zum Prozess. Beispiel C: Zuständigkeitsvereinbarung zwischen zwei in Deutschland domizilierten Parteien. Rechtsnachfolger der einen wird eine Person mit Wohnsitz im
20 Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, Einl. Rz. 117. 21 Ähnlich auch Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 74 Fußn. 3, 438. 22 So der Fall des OLG Koblenz vom 8.2.1996, NJW-RR 1997, 638 = RIW 1997, 328 = IPRspr. 1996 Nr. 139. 23 EuGH vom 4.7.1985, Rs 220/84 – AS Autoteile/Malhé Slg. 1985, 2267 = NJW 1985, 2892 = IPRax 1986, 232 (R. Geimer 208). Hierzu auch Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr. Einwendungen gegen einen titulierten Anspruch im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht; mit Vergleichen zum englischen, französischen, schweizerischen und US-amerikanischen Recht, 2000, 367 ff.
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Gegenstand und Begriff des IZPR Ausland, so dass aus der rein internen Zuständigkeitsvereinbarung nun eine „internationale Prorogation“ wird.24 Diese Beispiele zeigen, dass das Moment der Auslandsberührung einer zeitli- 12 chen Fixierung bedarf. Dieser Zeitpunkt lässt sich nicht allgemein für alle Bereiche des internationalen Zivilprozessrechts bestimmen. Die vorgenannten allgemeinen Formeln haben deshalb in der Regel nur geringen heuristischen Wert.
IV. Kein internationales Recht Das Wort „international“ im internationalen Zivilverfahrensrecht soll lediglich 13 die Auslandsberührung im vorbeschriebenen Sinne andeuten, jedoch nicht die Rechtsquelle. Das internationale Zivilverfahrensrecht ist – ebenso wie das internationale Privatrecht – nicht Völkerrecht und auch sonst kein überstaatliches Recht. Die Rechtsquelle ist also vielmehr nationales Recht. Hinzu kommt allerdings in immer stärkerem Maße das sekundäre Gemeinschafts- bzw. nun Unionsrecht, Rz. 246a.
V. Öffentliches Recht Das internationale Prozessrecht ist Teil des Zivilprozessrechts und damit öffentliches Recht.25
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VI. Regelungsinhalte Das internationale Zivilverfahrensrecht – schreibt dem inländischen Richter vor, wie er in Fällen mit Auslandsberüh- 15 rung zu verfahren hat. Es regelt insbesondere, ob der Umstand, dass eine Auslandsberührung vorliegt, aus inländischer Sicht überhaupt Relevanz hat, und stellt bejahendenfalls Regeln auf, nach denen der inländische Richter zu verfahren hat. Hält sich der Zustellungsadressat z.B. im Ausland auf, so gilt nicht das allgemeine Zustellungsrecht, vielmehr verlangt § 183 I 2. Alternative ZPO (grundsätzlich) die Einschaltung ausländischer Rechtshilfe. Hat der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb der Europäischen Union bzw. außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums, so kann von ihm unter den Voraussetzungen des § 110 ZPO Prozesskostensicherheit verlangt werden, Rz. 2002; – regelt, unter welchen Voraussetzungen ausländische Verfahren, genauer, in- 16 wieweit die Wirkungen im Ausland anhängiger Verfahren bzw. die Wirkungen abgeschlossener ausländischer Verfahren (Urteilswirkungen, Rechtskraft, Gestaltungswirkung etc.) im Inland zu beachten sind, und 24 Vgl. den Fall des OLG Koblenz vom 8.2.1996, NJW-RR 1997, 638 = RIW 1997, 328 = IPRspr. 1996 Nr. 139. 25 Anders Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 12: weder Zivil- noch öffentliches Recht, sondern „selbständige Rechtsmaterie“.
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Erster Teil: Grundlegung 17
– schreibt schließlich vor, ob und unter welchen Voraussetzungen inländische Gerichte Hilfestellung für ausländische Gerichte zu leisten haben (Rechtshilfe).
VII. Kollisionsrecht 18
Das internationale Zivilverfahrensrecht ist (auch) Kollisionsrecht in dem Sinne, dass es bestimmt, in welchen Fällen die Vorschriften der (in der Regel für Inlandsfälle konzipierten) deutschen Zivilprozessordnung zur Anwendung kommen und wann nicht. In den Fällen, in denen dies nach dem Willen des Gesetzgebers nicht sein soll, verweist das internationale Zivilverfahrensrecht jedoch – anders als grundsätzlich das internationale Privatrecht – nicht auf ausländische Prozessgesetze, sondern stellt eigene Regeln (inländische Sachnormen für Verfahren mit Auslandsbezug) auf, Rz. 65. Gleichwohl gibt es aber auch Konstellationen, in denen das inländische Recht auf ausländisches Recht verweist, z.B. bei der Partei- und Prozessfähigkeit (Rz. 2202), bei Zustellungen und Beweisaufnahmen (im Rahmen der Rechtshilfe) für ausländische Gerichte auf deren Wunsch nach ausländischem Verfahrensrecht (Rz. 2153, 2466) oder bei der Berücksichtigung von Zeugnisverweigerungsrechten nach ausländischem Recht (Rz. 2509);26 hinzu kommen die Fälle, in denen die Wirksamkeit eines ausländischen Verfahrensaktes nach dem Recht seines Ursprungsstaates zu beurteilen ist, Rz. 329.
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Das internationale Zivilverfahrensrecht ist als Teil des Prozessrechts vorwiegend Tätigkeitsrecht für die nationalen Gerichte. Es schreibt diesen vor, wie sie in Rechtsstreitigkeiten mit Auslandsberührung zu verfahren haben. Da nach allgemeinem Völkerrecht der inländische Gesetzgeber ausländischen Staatsorganen keine Handlungsdirektiven geben darf (dies wäre eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines ausländischen Staates und damit eine Souveränitätsverletzung), kann der inländische Gesetzgeber nur inländischen Gerichten und Rechtsanwendungsorganen und dem inländischen Recht Unterworfenen (kraft seiner Personal- bzw. Gebietshoheit) Anweisungen geben.
2. Kapitel: Verhältnis des internationalen Zivilprozessrechts zum internationalen Privatrecht I. Gegenstand der Regelung 19
Im Gegenstand der Regelung ist also das internationale Zivilverfahrensrecht limitierter als das internationale Privatrecht. Zwar beansprucht das internationale Privatrecht – als staatliches Recht – auch nur Geltung für die inländischen
26 Vgl. auch Furtak, Die Parteifähigkeit in Zivilverfahren mit Auslandsberührung, 1995, 71.
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Verhältnis des IZPR zum IPR Rechtsanwendungsorgane. Insofern ist die Situation gleich der im internationalen Zivilverfahrensrecht. Jedoch hat das internationale Privatrecht vom Gegenstand und Inhalt seiner Regelung her einen universalistischen Ansatz: Für alle auf dieser Welt auftretenden Rechtsverhältnisse bietet es durch das System der allseitigen Kollisionsnormen eine Lösung (aus inländischer Sicht) an. Anders das internationale Verfahrensrecht: Es will von vornherein nur für die inländischen Gerichte und Rechtsanwendungsorgane Vorschriften (für ihr Verfahren) geben. Regelungsgegenstand sind also lediglich die im Inland anhängigen Verfahren einschließlich der Wirkungen ausländischer Verfahren und deren Verfahrensergebnisse (Urteilswirkungen) aus inländischer Sicht.27
II. Lex fori-Prinzip Hinzu kommt das lex fori-Prinzip, das hartnäckig von der herrschenden Mei- 20 nung verteidigt wird: Auf Verfahren vor inländischen Gerichten sei grundsätzlich nur die inländische Verfahrensordnung zur Anwendung zu bringen. Von abgrenzbaren Randbereichen abgesehen, erübrigt sich aus dieser Sicht die Ausbildung eines kollisionsrechtlichen Systems, Rz. 319. Die Theorie diskutiert dagegen über die Notwendigkeit eines kollisionsrecht- 21 lichen Systems im internationalen Verfahrensrecht. Die Diskussion nahm ihren Ausgang bei § 55 ZPO, Rz. 2202. Nach Pagenstecher28 verweist diese Vorschrift grundsätzlich auf ausländisches Prozessrecht. § 55 ZPO enthalte also eine echte verfahrensrechtliche Kollisionsnorm.29
III. Keine Beschränkung auf bloße Rechtsanwendung Beim internationalen Privatrecht geht es lediglich um Rechtsanwendung, näm- 22 lich um die Frage, welche Rechtsordnung beim Subsumtionsvorgang zum Zuge kommt. Dabei wird der Sachverhalt als feststehend vorausgesetzt. Anders ist es im internationalen Verfahrensrecht. Dieses schafft gewissermaßen erst die Voraussetzungen für die Ermittlung des Sachverhalts, insbesondere durch die Regeln des internationalen Beweisrechts einschließlich des Beweisverfahrensrechts.
27 Zu den Unterschieden zwischen internationalem Zivilverfahrensrecht und internationalem Privatrecht siehe auch Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 1 Rz. 38 ff. sowie aus schweizerischer Sicht Jametti Greiner, Der Begriff der Entscheidung im schweizerischen internationalen Zivilverfahrensrecht, 1998, 5. 28 Pagenstecher ZZP 64 (1950/51), 249. 29 Weitere Beispiele bei Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 4.
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Erster Teil: Grundlegung
IV. Unterschiede zwischen dem ordre public-Vorbehalt im internationalen Privatrecht und im internationalen Zivilverfahrensrecht 1. Strukturelle Unterschiede 23
Der anerkennungsrechtliche ordre public (§ 328 I Nr. 4 ZPO, § 109 I Nr. 4 FamFG, § 343 I 2 Nr. 2 InsO30) hat ein weiteres Anwendungsfeld als der kollisionsrechtliche ordre public (Art. 6 EGBGB):31 Durch den anerkennungsrechtlichen ordre public wird auch das dem ausländischen Urteil vorausgegangene Verfahren auf seine Vereinbarkeit mit fundamentalen (aus inländischer Sicht unverzichtbaren) Grundsätzen der inländischen Rechtsordnung geprüft. Aber auch bei der Prüfung der ausländischen Urteilsfindung ist der Wirkungsbereich des ordre public größer und weiter als beim kollisionsrechtlichen.32 2. Kollisionsrechtlicher ordre public (Art. 6 EGBGB)
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Der kollisionsrechtliche ordre public kommt nur dann zum Zuge, wenn vom inländischen Richter ausländisches Recht anzuwenden ist.33 Er hat eine ausschließlich negative Funktion.34 So ist nach Art. 6 EGBGB die Anwendung eines ausländischen Gesetzes ausgeschlossen, wenn sie zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, insbesondere mit den Grundrechten unvereinbar ist. Der ordre public schaltet die gemäß der inländischen Kollisionsnorm anwendbare Rechtsordnung aus. Er eliminiert nach inländischem internationalen Privatrecht an sich anwendbare, aber in concreto als anstößig empfundene ausländische Rechtssätze. Der ordre public kann also im internationalen Privatrecht nur dann eingreifen, wenn der Richter nach seinem Kollisionsrecht an sich ausländisches Recht anzuwenden hätte.
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Der kollisionsrechtliche ordre public ist nicht identisch mit dem unantastbaren Teil der eigenen Rechtsordnung. Wenn der Gesetzgeber eine Norm für so wichtig hält, dass diese unbedingt, also auch bei noch so starker Auslandsbeziehung anzuwenden ist, so wird er die Anwendung dieser Norm im Wege der Sonderanknüpfung auch bei ausländischem Sachstatut vorschreiben, so z.B. Art. 34 30 Nachweise zu ausländischen Rechtsordnungen bei Bruns JZ 1999, 278. Zur schweizerischen Optik Girsberger/Mráz IPRax 2003, 545, 549. Siehe auch Thoma, Die Europäisierung und die Vergemeinschaftung des nationalen ordre public, Diss. Hamburg 2007; Regen, Prozessbetrug als Anerkennungshindernis – Ein Beitrag zur Konkretisierung des ordre public-Vorbehaltes, Diss. Passau 2008, Rz. 187. 31 Hierzu auch R. Geimer, Der anerkennungsrechtliche ordre public, in Festschrift 150 Jahre Areopag, 2007, 107 ff. 32 Die hier akzentuierte Unterscheidung zwischen kollisionsrechtlichem und anerkennungsrechtlichem ordre public wird von anderen Autoren weniger deutlich hervorgehoben. Vgl. z.B. aus neuerer Zeit die Beiträge von Basedow, Martiny und Sandrock in Festschrift Sonnenberger, 2004, 291, 523, 615; Eckstein-Puhl, Prozessbetrug im Schiedsverfahren: Eine Studie zu den vom erschlichenen Schiedsspruch aufgeworfenen Fragen des Aufhebungsverfahrens gemäß § 1059 ZPO, Diss. Saarbrücken 2005, 90 ff. 33 Vgl. auch Kreuzer IPRax 1990, 366. 34 Anders die Lehre von der positiven Funktion des ordre public; diese geht zurück auf die romanische Doktrin von den lois d’ordre public international.
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Verhältnis des IZPR zum IPR EGBGB (= Art. 7 II EVÜ) bzw. nunmehr Art. 9 II Rom I-Verordnung35 im internationalen Vertragsrecht.36 Der Grund für die Anwendung der für so wichtig erachteten inländischen Norm ist nicht der ordre public, sondern die auf das Inlandsrecht verweisende Kollisionsnorm. Nur auf den Gebieten, auf denen ein Staat sein Recht nicht als international zwingend betrachtet und daher nicht im Wege der Sonderanknüpfung auf seiner unbedingten und vorbehaltlosen Anwendung besteht, eröffnet er die Möglichkeit der Anwendung ausländischen Rechts. Erst dann ergibt sich ein Feld für den Einsatz des kollisionsrechtlichen ordre public: Er korrigiert die an sich gegebene kollisionsrechtliche Verweisung auf das ausländische Recht, indem er die Anwendung des berufenen ausländischen Rechts verbietet, wenn dieses zu Ergebnissen führt, die vom Standpunkt der inländischen Rechtsordnung aus schlechterdings unerträglich sind. Durchgesetzt werden mit dem kollisionsrechtlichen ordre public nicht bestimmte inländische Rechtsnormen des positiven Rechts – denn wären diese anzuwenden, so gäbe es eine Sonderanknüpfung –, sondern die hinter der positiven Rechtsordnung stehenden elementaren Rechtsprinzipien und staatspolitischen Ordnungsvorstellungen, auf deren Wahrung nicht verzichtet werden kann. 3. Anerkennungsrechtlicher ordre public (§ 328 I Nr. 4 ZPO, § 109 I Nr. 4 FamFG, § 343 I 2 Nr. 2 InsO) Weiteres Anwendungsfeld: Demgegenüber ist der Anwendungsbereich des aner- 26 kennungsrechtlichen ordre public viel weiter. Der Anerkennungsstaat setzt über diese Klausel auch sein international zwingendes Recht durch, also jene Normen, die der inländische Richter – hätte er den Prozess anstelle des Erstrichters entscheiden müssen – kraft dessen Geltungsanspruchs angewandt hätte, ohne den kollisionsrechtlichen ordre public zu bemühen. Aus dem Geltungsanspruch des in Deutschland geltenden Devisenrechts folgert z.B. der Bundesgerichtshof,37 dass die Anerkennung eines gegen die deutsche Devisengesetzgebung (im Ergebnis) verstoßenden ausländischen Urteils grundsätzlich am ordre public scheitert. Der Bundesgerichtshof wendet richtigerweise § 328 I Nr. 4 ZPO an, obwohl die Anwendung deutschen Devisenrechts durch deutsche Gerichte nicht über die Vorbehaltsklausel des Art. 6 EGBGB, sondern mittels besonderer Kollisionsnormen (Sonderanknüpfungen) erfolgt. Dieser kardinale Unterschied zwischen kollisionsrechtlichem und anerkennungsrechtlichem ordre public ist deutlich hervorzuheben, nicht zuletzt auch deswegen, weil er in den Kommentaren zu Art. 6 EGBGB und zu § 328 ZPO meist übergangen wird.38 35 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. EU Nr. L 177 vom 4.7.2008, S. 6. 36 Hierzu Hentzen RIW 1988, 508; von Hoffmann IPRax 1989, 264. Zur Phänomenologie der Eingriffsnormen ausführlich Schnyder, Wirtschaftskollisionsrecht, 1990, 11 Rz. 11, 26 Rz. 29. 37 BGH vom 11.10.1956, BGHZ 22, 24 = NJW 1957, 61 = WM 1956, 1504 = IPRspr. 1956–1957 Nr. 191. 38 Nicht überzeugend z.B. Kegel/Schurig, IPR9, 2004, § 2 IV, wo man außerhalb des § 328 I Nr. 4 ZPO „eine prozessuale Kollisionsnorm bilden“ will; ebenso wenig aufschlussreich Spellenberg in Stoll (ed.), Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deut-
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Erster Teil: Grundlegung Beispiel: Einem dänischen Urteil verweigerte das Reichsgericht39 unter Berufung auf den ordre public die Anerkennung, weil das dänische Gericht deutsches Devisen-, konkret deutsches Aufwertungsrecht, nicht berücksichtigt hatte. Hier handelt es sich um international zwingendes Recht, welches der deutsche Richter im Erkenntnisverfahren nicht aufgrund der kollisionsrechtlichen ordre public-Klausel, sondern aufgrund seines Geltungsanspruchs – eventuell via Sonderanknüpfung neben der ausländischen lex causae – angewandt hätte. 27
Geringere Angriffsintensität: Andererseits ist die „Angriffsintensität“ des anerkennungsrechtlichen ordre public geringer als die des kollisionsrechtlichen (Theorie vom ordre public atténué de réconnaissance):40 Die elementaren Rechtsgrundsätze, denen der Zweitrichter bei der eigenen Rechtsanwendung über seinen kollisionsrechtlichen ordre public Geltung verschaffen würde, wenn er anstelle des Erstrichters den Rechtsstreit zu entscheiden hätte, werden zwar auch gegenüber ausländischen Entscheidungen durchgesetzt, allerdings mit geringerer Intensität.41 Die Versagung der Anerkennung folgt nicht zwingend aus dem Umstand, dass der Zweitrichter die Anwendung der die ausländische Entscheidung tragenden ausländischen Norm abgelehnt hätte. Es sind vielmehr Fälschen Internationalen Insolvenzrechts, 1992, 186; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 462; Borges, Das Doppelexequatur von Schiedssprüchen. Die Anerkennung ausländischer Schiedssprüche und Exequaturentscheidungen, 1997, 53; Schulze IPRax 1999, 342, 344; Wagner, Prozessverträge, 1998, 66. Zur BGH-Rechtsprechung Stürner in BGH-Festschrift der Wissenschaft III, 2000, 677. Vgl. auch die Theorie vom ordre public international, welche der BGH vor allem für den Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit entwickelt hat, BGH vom 1.2.2001, NJW-RR 2001, 1059 = RIW 2001, 458 = MDR 2001, 645 = EWiR 2001, 395 (Kröll) = IPRax 2001, 580 (Sandrock 550, 556) = IPRspr. 2001 Nr. 202. BGH vom 29.1.2009, SchiedsVZ 2009, 176 Rz. 27. 39 RGZ 114, 172. 40 Zusammenfassung des Diskussionsstandes bei Völker, Zur Dogmatik des ordre public – Die Vorbehaltsklauseln bei der Anerkennung fremder gerichtlicher Entscheidungen und ihr Verhältnis zum ordre public des Kollisionsrechts, 1998, 51 ff.; Eckstein-Puhl, Prozessbetrug im Schiedsverfahren: Eine Studie zu den vom erschlichenen Schiedsspruch aufgeworfenen Fragen des Aufhebungsverfahrens gemäß § 1059 ZPO, Diss. Saarbrücken 2005, 105 ff., 130 ff.; Nachweise auch bei Othenin-Girard, La réserve d’ordre public en droit international privé suisse, 1999, 101, 195; Looschelders IPRax 2005, 28; Mankowski ZZP 114 (2001), 37, 55; Regen, Prozessbetrug als Anerkennungshindernis, Diss. Passau 2008, Rz. 242; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 445; Calvo Caravaca/Carrascosa González, Derecho Internacional Privado I, 2002, 299. 41 Zustimmend z.B. Böcker, Das neue Recht der objektiven Schiedsfähigkeit – Deutschland, Österreich, Spanien, 1998, 25. Ablehnend Becker RabelsZ 60 (1996), 691, 705 ff.; Brockmeier, Punitive damages, multiple damages und deutscher ordre public, 1999, 93; Merkt, Abwehr der Zustellung von „punitive damages“-Klagen, 1995, 141. Wie hier nun auch BGH vom 24.2.1999, BGHZ 140, 395 = NJW 1999, 2372 = RIW 1999, 457 und 536 = EuZW 1996, 732 = IPRax 1999, 371 (G. Schulze 342) = JR 1999, 841 (A. Staudinger) = JZ 1999, 1117 (H. Roth) = MDR 1999, 757 = ZIP 1999, 483, 484 = IPRspr. 1999 Nr. 154: „Soweit es . . . um die Handlungsfreiheit des Schuldners geht, darf . . . nicht mehr nach dem Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB geprüft werden, ob gemäß deutschen Vorstellungen ein Leistungsurteil des vorliegenden Inhalts zu erlassen wäre.“
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Verhältnis des IZPR zum IPR le denkbar, in denen die Entscheidung des ausländischen Gerichts hingenommen werden kann, obwohl ceteris paribus der Zweitrichter im Erkenntnisverfahren den kollisionsrechtlichen ordre public bemüht hätte.42 Nicht der gesamte Normenbestand, den der Zweitrichter als international zwin- 28 gend – auch bei ausländischem Sachstatut – kraft Sonderanknüpfung anwenden würde, wenn er im Erkenntnisverfahren mit der Entscheidung des (tatsächlich vom ausländischen Richter entschiedenen) Falles befasst wäre, wird auch gegenüber ausländischen Urteilen (im Wege der Verweigerung der Anerkennung mittelbar) durchgesetzt. Es ist vielmehr eine Auswahl vorzunehmen, Rz. 2912: Nur dann greift der Versagungsgrund des ordre public ein, wenn die Nichtbeachtung des für den zweitstaatlichen Richter im Erkenntnisverfahren international zwingenden Rechts durch die ausländische Entscheidung aus der Sicht des Zweitstaates unerträglich und daher nicht hinnehmbar ist, also die grundlegenden Gerechtigkeitsvorstellungen und die elementaren Machtinteressen des Zweitstaates die Verweigerung der Anerkennung notwendig machen. Erforderlich ist „a solicitous analysis of the extraterritorial value of state policy in relation to interstate and international needs.“43 So sieht es auch der Bundesgerichtshof:44 „Abzustellen ist dabei nicht auf den nationalen ordre public, den die deutschen Gerichte bei eigener Anwendung ausländischen Rechts zu beachten haben, sondern auf den großzügigeren anerkennungsrechtlichen ordre public international. Mit diesem ist ein ausländisches Urteil nicht schon dann unvereinbar, wenn der deutsche Richter – hätte er den Prozess entschieden – aufgrund zwingenden deutschen Rechts zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Maßgeblich ist vielmehr, ob das Ergebnis der Anwendung ausländischen Rechts im konkreten Fall zu den Grundgedanken der deutschen Regelungen und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch steht, dass es nach deutscher Vorstellung untragbar erscheint.“ Anwendung auch gegenüber deutschem Recht: Schließlich ist noch auf ein 29 (scheinbares) Paradoxon hinzuweisen: Der anerkennungsrechtliche ordre public kann auch dann eingreifen, wenn der ausländische Richter inländisches Recht angewandt hat. Hierfür gibt es im internationalen Privatrecht keine Parallele.45 42 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1588; Stiefel/Stürner VersR 1987, 830. Vgl. auch BGH vom 15.5.1986, BGHZ 98, 70 = NJW 1986, 3027 = RIW 1986, 816 = MDR 1986, 917 = JZ 1987, 154 (Walter) = WM 1986, 982 = EWiR 1986, 835 (Schütze) = IPRspr. 1986 Nr. 198 sowie BGH vom 21.4.1998, BGHZ 138, 331 = NJW 1998, 2358 = RIW 1998, 626, 628 = ZIP 1998, 1024 = IPRax 1999, 466 (Gerfried Fischer 450, 452) = IPRspr. 1998 Nr. 185. Ähnlich aus schweizerischer Sicht Dörig, Anerkennung und Vollstreckung US-amerikanischer Entscheidungen in der Schweiz, 1998, 353 sowie Jametti Greiner, Der Begriff der Entscheidung im schweizerischen internationalen Zivilverfahrensrecht, 1998, 49. 43 So in anderem Zusammenhang Rabel, Conflict II2, 1960, 431. 44 BGH vom 21.4.1998, BGHZ 138, 331 = NJW 1998, 2358 = RIW 1998, 626, 628 = ZIP 1998, 1024 = IPRax 1999, 466 (Gerfried Fischer 450) = IPRspr. 1998 Nr. 185. 45 Der kollisionsrechtliche ordre public (Art. 6 EGBGB) setzt voraus, dass ausländisches Recht zur Anwendung berufen ist, BGH vom 26.3.1998, WM 1998, 1637 = VIZ 1998, 526 = IPRspr. 1998 Nr. 6.
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Erster Teil: Grundlegung Hat z.B. der Erstrichter – bei Maßgeblichkeit deutschen Rechts aus seiner Sicht – § 134 BGB oder § 138 BGB nicht angewandt, so ist der deutsche Zweitrichter durchaus befugt nachzuprüfen, ob das ausländische Urteil dem deutschen ordre public zuwiderläuft, und zwar auch dann, wenn der Erstrichter die genannten Generalklauseln zwar herangezogen hatte, aber zu dem Schluss gekommen war, in concreto kämen sie nicht zum Zuge. Jedoch führt nicht jede unrichtige Rechtsanwendung zur Anwendung der ordre public-Klausel. Vielmehr muss hinzukommen, dass das Abweichen von der deutschen Rechtsordnung schlechthin unerträglich ist, Rz. 2912. 29a
Maßgebend ist der Zeitpunkt der Anerkennung,46 nicht der der Entscheidung des inländischen Richters, wie dies die herrschende Meinung47 behauptet: Lag zum Zeitpunkt der Wirkungserstreckung auf das Inland kein Verstoß gegen den ordre public vor, dann kann die bereits eingetretene Anerkennung nicht rückwirkend beseitigt werden. Anders ist es bei der Vollstreckbarerklärung, da diese ex nunc durch richterlichen Gestaltungsakt für den deutschen Hoheitsbereich verliehen wird. Dies gilt auch bei einer Verbesserung der Anerkennungsmöglichkeiten: Dass die Vollstreckbarerklärung vor einer Änderung der Gesetzgebung oder der höchstrichterlichen Rechtsprechung an §§ 723 II 2, 328 I Nr. 4 ZPO bzw. § 109 I Nr. 4 FamFG gescheitert wäre, schließt nunmehr die Vollstreckbarerklärung der ausländischen Entscheidung nicht aus; denn ein Ergebnis, das dem geltenden deutschen Recht entspricht, kann nicht mehr gegen den deutschen ordre public verstoßen, jedenfalls insoweit, als es um die Vollstreckbarerklärung ex nunc geht.48 Schwierig ist es jedoch, in solchen Fällen eine Anerkennung ex nunc oder ex tunc zu begründen, da das Vertrauen der Parteien, insbesondere der unterlegenen, zu schützen ist.49 Auf der anderen Seite wäre als Ergebnis auch nicht stimmig, dass eine Vollstreckbarerklärung möglich sein
46 R. Geimer NJW 1974, 420; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1603; Frankenstein, Internationales Privatrecht I, 1926, 237; Pollinger, Intertemporales Zivilprozessrecht, Diss. München 1988, 235; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 483. 47 BGH vom 21.4.1998, BGHZ 138, 331, 335 = NJW 1998, 2358 = RIW 1998, 626, 628 = ZIP 1998, 1024 = IPRax 1999, 466 (Gerfried Fischer 450) = IPRspr. 1998 Nr. 185; BGH vom 25.1.2005, NJW-RR 2005, 1071 = RIW 2005, 463 = EWiR 2005, 823 (Balzer) = ZIP 2005, 478, 480 = IPRspr. 2005 Nr. 12; OLG Hamm FamRZ 1987, 506 zu § 16a Nr. 4 FGG (§109 I Nr. 4 FamFG): Zeitpunkt, in dem über Anerkennung befunden wird; Gerfried Fischer IPRax 1999, 450, 453. Weitere Nachweise bei Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 485; Völker, Zur Dogmatik des ordre public – Die Vorbehaltsklauseln bei der Anerkennung fremder gerichtlicher Entscheidungen und ihr Verhältnis zum ordre public des Kollisionsrechts, 1998, 246 ff. Siehe auch unten Rz. 2798, 2988. 48 BGH vom 26.2.1991, NJW-RR 1991, 757 = RIW 1991, 420 = IPRax 1992, 380 (Samtleben 362) = EWiR 1991, 559 (Koller) = WuB VII B 3 § 1044 ZPO 1.91 (Schütze) = IPRspr. 1991 Nr. 222; BGH vom 21.4.1998, BGHZ 138, 331 = NJW 1998, 2358 = RIW 1998, 626, 628 = ZIP 1998, 1024 = IPRax 1999, 466 (Gerfried Fischer 450) = IPRspr. 1998 Nr. 185. 49 Siehe auch Geimer NJW 1988, 651.
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Verhältnis des IZPR zum IPR soll, obwohl die Anerkennung der res iudicata- oder Gestaltungswirkung am deutschen ordre public scheitert.50 4. Rechtshilferechtlicher ordre public Rechtshilfe für ausländische Gerichtsverfahren, z.B. Zustellungen oder Beweis- 29b aufnahmen, ist auch dann zu gewähren, wenn die Anerkennungsprognose negativ ist, d.h. wenn mit der Anerkennung der ausländischen Entscheidung nicht zu rechnen ist, die in dem Verfahren voraussichtlich ergehen wird, für welches die deutsche Rechtshilfe begehrt wird.51 Diese ist nur dann abzulehnen, wenn sie Beihilfe52 wäre zu einem völkerrechtswidrigen oder einem absolut unmoralischen Verfahren, das jeden – wie auch immer gearteten – Bezugs zur Rechtsidee ermangelt, Rz. 2158, 2488. Der rechtshilferechtliche ordre public ist also schwächer als der anerkennungsrechtliche.53
V. Keine (räumliche) Fixierung auf eine Rechtsordnung Die internationalprivatrechtliche Fragestellung zielt darauf ab, die räumlich 30 nächste Rechtsordnung zu bestimmen. Anders verhält es sich beim internationalen Zivilverfahrensrecht. Hier lässt sich eine einheitliche Antwort nicht geben, sondern nur jeweils für die in Betracht gezogene Materie, z.B. das Kompetenzrecht. Während es das Anliegen des internationalen Privatrechts ist, für ein Rechtsverhältnis eine (= die räumlich nächste) Rechtsordnung festzulegen, also aus der Sicht eines bestimmten IPR-Systems in thesi immer nur eine konkrete lex causae in Betracht kommt, sind im internationalen Verfahrensrecht die Fälle selten, in denen nur ein Staat für die Beurteilung eines bestimmten Rechtsverhältnisses international zuständig ist. Gang und gäbe sind vielmehr konkurrierende internationale Zuständigkeiten, Rz. 861. Dies hat auch Rückwirkungen im Anerkennungsrecht. So lässt sich z.B. nicht 31 voraussagen, dass für einen bestimmten Rechtsstreit immer nur das Urteil eines bestimmten Staates zur Anerkennung anstehen wird. Aus der Akzeptierung konkurrierender internationaler Zuständigkeiten ergibt sich, dass möglicherweise Urteile aus verschiedenen Staaten für den gleichen Streitgegenstand sich um die
50 Zu einfach in der Begründung Samtleben IPRax 1992, 363, der hier den „allgemeinen kollisionsrechtlichen Grundsatz“ bestätigt sieht, es komme stets auf den Zeitpunkt der letztinstanziellen Entscheidung an. 51 BVerfG vom 7.12.1994, BVerfGE 91, 335, 340, 344 = IPRspr. 1994 Nr. 160b (S. 369). Hierzu umfangreiche Nachweise bei Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 84, 125. 52 Zum völkerrechtlichen Beihilfebegriff siehe Art. 16 der Resolution 56/83 vom 12.12.2001 der Generalversammlung der Vereinten Nationen zur Staatenverantwortlichkeit, angenommen durch die Resolution des Generalversammlung, in deutscher Sprache abgedruckt bei Neuhold/Hummer/Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. II D 325, 511. 53 Kritisch jedoch Brockmeier, Punitive damages, multiple damages und deutscher ordre public, 1999, 99.
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Erster Teil: Grundlegung Anerkennung im Inland „bewerben“. Dann müssen Regeln entwickelt werden, wie die Kollision zu lösen ist. Die Suche nach einem archimedischen Punkt ist also – anders als im internationalen Privatrecht – im internationalen Verfahrensrecht bereits im Ansatz verfehlt.54
VI. Unterschiede bei den Anknüpfungen 32
Differenzen bestehen schließlich auch bezüglich der Anknüpfungspunkte. Die Staatsangehörigkeit ist aus der Sicht des internationalen Privatrechts die stabilste Anknüpfung. Sie ist daher auch vom deutschen IPR-Reformgesetz vom 18.8.198655 – soweit wie verfassungsrechtlich möglich – beibehalten worden. Im internationalen Privatrecht ist sie die nach wie vor dominierende Anknüpfung. Ganz anders ist es im internationalen Verfahrensrecht. Im Kompetenzrecht ist die Staatsangehörigkeit der Parteien – anders als nach Art. 14, 15 Code civil und den vom französischen Recht beeinflussten romanischen Rechtsordnungen56 – grundsätzlich kein Anknüpfungspunkt.57 Auch im Anerkennungsrecht spielt die Staatsangehörigkeit im Grundsatz keine Rolle. Es ist denkbar, dass der Zweitstaat ausländische Urteile nur anerkennt, bzw. ausländische Titel nur dann vollstreckt, wenn diese einem eigenen Staatsangehörigen zum Vorteil gereichen. Ein solcher chauvinistischer Standpunkt wird aber von den meisten Rechtsordnungen abgelehnt. Insbesondere das deutsche autonome Recht (§§ 328, 722, 723 ZPO; § 109 FamFG) hat nie zwischen In- und Ausländern unterschieden. Das gleiche gilt für die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen58, welche das Brüsseler Übereinkommen vom 27.9.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) ersetzt, die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (EuEheVO)59 sowie für das Luganer Übereinkommen ebenso wie für die überwiegende Zahl der sonstigen Staatsverträge.60 Allerdings
54 R. Geimer IPRax 1986, 87; R. Geimer in Festschrift Sonnenberger, 2004, 357. 55 BGBl. I 1142. 56 Rechtshistorische Nachweise zur Verbreitung des Code civil bei Dölemeyer/Mohnhaupt/Somma (ed.), Richterliche Anwendung des Code civil in seinen europäischen Geltungsbereichen außerhalb Frankreichs, 2006. 57 Zu den Ausnahmen siehe unten Rz. 1323. 58 ABl. EG Nr. L 12 vom 16.1.2001, S. 1. 59 ABl. EU Nr. L 338 vom 27.11.2003. Bis 28.2.2005 galt die Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten, ABl. EG Nr. L 160 vom 30.6.2000, S. 19. 60 Vgl. z.B. Art. 1 des nach Maßgabe von Art. 56 LugÜ fortgeltenden deutsch-schweizerischen Abkommens vom 2.11.1929 (RGBl. 1930 II 1006): Danach besteht Anerkennungspflicht „. . . ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit der Parteien . . .“ Näher R. Gei-
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Verhältnis des IZPR zum IPR differenzieren die EG-Verordnungen sowie die Brüsseler und die Luganer Konvention zwischen Personen mit Wohnsitz/Sitz innerhalb der Europäischen Union und solchen „draußen vor der Tür.“ Dies gilt auch für die Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren.61 Die stärksten Berührungspunkte zwischen internationalem Privatrecht und in- 33 ternationalem Zivilverfahrensrecht zeigen sich bei der praktischen Rechtsanwendung, besonders bei der Bestimmung der Anknüpfungsbegriffe: z.B. wird der Erfüllungsort im Sinne von § 29 ZPO bzw. Art. 5 Nr. 1 EuGVVO/EuGVÜ/ LugÜ nach der lex causae bestimmt.62 Ein eigener prozessualer Erfüllungsortsbegriff ist – außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 5 Nr. 1(b) EuGVVO – abzulehnen, Rz. 1482. Das Internationale Verfahrensrecht kennt auch keinen eigenen Wohnsitzbegriff. Lebhaft umstritten ist, nach welchen Regeln Zuständigkeits- und Schiedsgerichtsvereinbarungen63 kollisionsrechtlich zu behandeln sind. Die Mehrzahl der Senate des Bundesgerichtshofs64 spricht von einem materiell-rechtlichen Vertrag mit prozessualen Wirkungen und unterstellt deshalb die prozessrechtliche Vereinbarung dem Statut des Hauptvertrages. Dem ist jedoch nicht zu folgen, Rz. 1677, 3786. Das Gleiche gilt für den Prozessvergleich und für die vollstreckbare Urkunde, Rz. 1854b und c. Die enge Verbundenheit zwischen internationalem Privatrecht und internationa- 34 lem Zivilverfahrensrecht wird schließlich deutlich bei den Regeln über die Ermittlung ausländischen Rechts (§ 293 ZPO).65 Das internationale Privatrecht bestimmt die für die Beurteilung des Streitgegenstandes maßgebliche Rechtsordnung; dessen (inhaltliche) Feststellung fällt aber in den Bereich des internationalen Zivilverfahrensrechts. Gelingt es in concreto nicht, Gewissheit über die ausländischen Normen zu erlangen, kommt wieder das internationale Privatrecht zum Zuge, um das maßgebliche Ersatzrecht zu bestimmen, Rz. 2598. Dieses zu ermitteln, ist erneut Aufgabe des internationalen Zivilverfahrensrechts (sofern nicht in concreto die lex fori anzuwenden ist). Hier tritt die Verzahnung von internationalem Privatrecht und internationalem Zivilverfahrensrecht in der praktischen Rechtsanwendung deutlich zu Tage; die dogmatische Trennungslinie zwischen beiden Bereichen ist aber klar zu erkennen, sieht man von konturenarmen Randzonen ab, wie z.B. der Frage, ob bzw. wie in Säumnis- oder in Eilverfahren der Inhalt ausländischer Normen zu erforschen ist, Rz. 2592.
61 62 63
64 65
mer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1503. Siehe auch Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 115. ABl. EG Nr. L 160 vom 30.6.2000, S. 1. Kritisch Kropholler/von Hinden in Gedächtnisschrift Lüderitz, 2000, 401. Diese haben für die Rechtsschutzgewährung große Bedeutung, sei es, dass sie eine an sich gegebene internationale Zuständigkeit derogieren oder eine an sich nicht gegebene Rechtsschutzmöglichkeit im Inland erst ermöglichen. Anders aber BGHZ 99, 143, 147 = ZZP 100, 452 (Schwab). Hierzu unten Neunter Teil, Rz. 2570 ff.
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Erster Teil: Grundlegung
VII. Gegenseitigkeit 35
Im Gegensatz zum internationalen Privatrecht spielt die Verbürgung der Gegenseitigkeit im positiven internationalen Zivilverfahrensrecht66 eine nicht unbeachtliche Rolle, zwar nicht im Kompetenzrecht (Rz. 1908) – das deutsche Recht kennt nicht den Gerichtsstand der Gegenseitigkeit (Rz. 1587) –, jedoch im Anerkennungsrecht (§ 328 I Nr. 5 ZPO; § 109 IV FamFG) und bis 30.9.1998 auch bezüglich der Befreiung von Sicherheitsleistungen für Prozesskosten für ausländische Kläger, § 110 II Nr. 1 ZPO, Rz. 2005. Vgl. auch § 3 ZRHO, wonach Rechtshilfe „auf Grund gegenseitigen Entgegenkommens“ durchgeführt wird, Rz. 2447.67
35a
Das Gegenseitigkeitsprinzip hat die IPR-Reform68 und auch die FGG-Reform69 überstanden, obwohl es von der Wissenschaft scharf kritisiert wird; es trifft immer den Falschen.70 Dagegen verzichtet § 343 I 2 InsO auf das Erfordernis der Verbürgung der Gegenseitigkeit als Voraussetzung für die Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren. Hierzu führt die amtliche Begründung der Bundesregierung aus:71 „Dies entspricht der internationalen Gerechtigkeit. Die Anerkennung ausländischer Verfahren wird es erleichtern, den Wirkungsanspruch eines deutschen Verfahrens in ausländischen Staaten durchzusetzen.“ Dies ist auch „internationalpädagogisch“ richtig: Man geht mit gutem Beispiel voran, anstatt – wie bei § 328 I Nr. 5 ZPO und § 109 IV FamFG – (meist erfolglos) darauf zu warten, dass die anderen den ersten Schritt tun.
VIII. Vergeltungsrecht 36
Im deutschen Recht wurden alle Retorsionsvorschriften ausgemerzt. Anlässlich der IPR-Reform 1986 wurde Art. 31 EGBGB gestrichen.72 Zwölf Jahre später wurde § 24 EGZPO aufgehoben.73 Auch früher konnte das Vergeltungsrecht nicht durch die Gerichte ausgeübt werden. Es bedurfte vielmehr einer Rechtsverord-
66 Zu den Grundtendenzen des historischen Gesetzgebers Knöfel, Bismarcks Blaustift und das gesetzliche Internationale Zivilverfahrensrecht, ZfRV 2008, 273. – Zur Zurückdrängung des Gegenseitigkeitsprinzips im österreichischen Zivilverfahrensrecht Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, Einl. Rz. 125. 67 Siehe auch § 917 II ZPO: Ein Arrestgrund ist zu bejahen, wenn das Urteil im Ausland vollstreckt werden müsste und die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist. 68 Bundestagsdrucksache 10/504 zu § 328 ZPO. 69 Siehe § 109 IV FamFG. 70 Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 1 Rz. 32; von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht I2, 2003, § 5 Rz. 60; Geimer in Festschrift Ferid 80, 1988, 89; Stellungnahme des Max-Planck-Instituts zur IPR-Reform RabelsZ 47 (1983), 674. 71 Bundestagsdrucksache 12/2443 S. 236. 72 Mit Wirkung zum 1.9.1986 durch Gesetz vom 25.7.1986, BGBl. I 1142. Hierzu z.B. Siehr, Internationales Privatrecht – Deutsches und europäisches Kollisionsrecht, 2001, 497. 73 Mit Wirkung zum 1.10.1998 durch Gesetz vom 6.8.1998, BGBl. I 2030, 2033. Hierzu Bericht des Rechtsausschusses, Bundestagsdrucksache 13/10871, S. 16.
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Verhältnis des IZPR zum IPR nung auf der Grundlage des § 24 EGZPO,74 Rz. 502, 648. Vergeltungsmaßnahmen wurden jedoch auch nach altem Recht nicht ergriffen. Die InsO verzichtet auf ein Vergeltungsrecht im Gegensatz zu § 5 II KO.75
IX. Internationale Fungibilität der Gerichte – eine Fiktion ebenso wie die (grundsätzliche) Austauschbarkeit der Rechtsordnungen Die Anwendung des Verfahrensrechts ist nach herrschender Meinung wertneu- 37 tral und erfolgsunabhängig. Gerichtsverfahren seien austauschbar.76 Die Verschiedenheiten der Verfahrensordnungen seien angeblich nur rechtstechnisch bedingt.77 Dies ist allerdings nur eine Unterstellung, Rz. 2751; denn jeder weiß, dass es z.B. einen Unterschied macht, ob man einen Schadensersatzprozess vor einer Jury78 anhängig macht oder vor einem kontinentaleuropäischen Spruchkörper mit Berufsrichtern, ob die Beweiserhebung in einer cross examination erfolgt oder nach den Regeln des kontinentaleuropäischen Zivilprozesses.79 Die Austauschbarkeit der Verfahrensordnungen ist eine Fiktion, Rz. 99, 868c, 883.80 Hinzu kommt das geistige und soziale Umfeld, in welches das jeweilige nationale Zivilprozessrecht implantiert ist.81 Vgl. auch Rz. 1049. Eine Parallele findet sich im Internationalen Privatrecht. Dort wird auch von der 38 (grundsätzlichen) Austauschbarkeit der Rechtsordnungen ausgegangen. Auf dieser Annahme basiert das klassische Internationale Privatrecht. Man beruft sich auf das Postulat der räumlichen, nicht der sachlichen Gerechtigkeit des Internationalen Privatrechts, das alle Wertunterschiede zwischen in- und ausländischem Privatrecht ignoriert und prinzipiell alle nationalen Privatrechtsordnungen gleich behandelt. 74 Zur übergeleiteten Zuständigkeit Kegel/Schurig, IPR9, 2004, § 16 XVI; Blumenwitz in Festschrift Ferid 80, 1988, 46 Fußn. 8; Paal, Bundesrat und Außenpolitik, Diss. Würzburg 1983, 210. 75 Bundestagsdrucksache 12/2443 S. 236. 76 Z.B. Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Anh zu § 606a ZPO Rz. 5. 77 Hierauf stützt sich auch innerhalb der Europäischen Union das Postulat des (vorbehaltlosen) gegenseitigen Vertrauens in die Justizsysteme der anderen Mitgliedstaaten. 78 Zum US-amerikanischen Jurysystem in Zivilsachen Herrmann, Die Anerkennung USamerikanischer Urteile in Deutschland unter Berücksichtigung des ordre public – Eine rechtsvergleichende Untersuchung zum „Justizkonflikt“ zwischen Deutschland und den USA, 2000, 202 ff. sowie Göpfert/Berger, Jury-Ausschlussklauseln in Verträgen mit amerikanischen Unternehmen, ZIP 2005, 1540. Das jury trial ist im Amendment VII zur US-Verfassung verankert: „In suits at common law, where the value in controversy shall exceed twenty dollars, the right of trial by jury shall be preserved, and no fact tried by a jury, shall be otherwise reexamined in any other court of the United States, than according to the rules of the common law.“ Ähnliche Formulierungen finden sich in den Verfassungen der US-Bundesstaaten. 79 Zustimmend McGuire, Verfahrenskoordination und Verjährungsunterbrechung im Europäischen Prozessrecht, 2004, 19. 80 Nachweise bei Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 140. 81 Dies hat z.B. Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 74, 81 eindrucksvoll für den amerikanischen Zivilprozess gezeigt.
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Erster Teil: Grundlegung
X. Selbständigkeit des internationalen Zivilverfahrensrechts gegenüber dem internationalen Privatrecht 1. Kompetenzrecht 39
Es gibt keinen Gleichlauf zwischen anwendbarem Recht und internationaler Zuständigkeit. Aus dem Umstand, dass nach deutschem internationalem Privatrecht in der Sache deutsches Recht zur Anwendung kommt, folgt nicht automatisch die internationale Zuständigkeit Deutschlands. Dies gilt auch dann, wenn die Parteien die Anwendung des deutschen Rechts ausdrücklich vereinbart hatten. Umgekehrt folgt die internationale Unzuständigkeit nicht daraus, dass in der Sache ausländisches Recht zur Anwendung kommt. Haben die Parteien z.B. die Anwendung schweizerischen Rechts vereinbart, so heißt dies nicht, dass sie die sich aus Art. 2 ff. LugÜ bzw. §§ 12 ff. ZPO ergebende internationale Zuständigkeit Deutschlands derogiert haben. Fazit: Die Frage, ob die internationale Zuständigkeit Deutschlands zu bejahen oder zu verneinen ist, ist selbständig und nach ganz anderen Kriterien zu beantworten als die Frage, welches Recht aus der Sicht des deutschen internationalen Privatrechts in der Sache Anwendung findet, sofern der Rechtsstreit vor einem deutschen Gericht zu entscheiden ist, Rz. 1041 ff., 1674. 2. Anerkennungsrecht
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Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen hat zur Folge, dass die Ergebnisse der Subsumtionstätigkeit des ausländischen Gerichts im Inland beachtet werden.82 Der Erstrichter entscheidet aber auf der Grundlage seines eigenen Rechts, insbesondere seines eigenen IPR. Da die Kollisionsnormen – von wenigen Ausnahmen abgesehen – international nicht vereinheitlicht sind und deshalb die einzelnen IPR-Systeme voneinander abweichen, ist es nicht selten, dass der Erstrichter auf der Grundlage einer anderen Rechtsordnung über die Hauptsache entschieden hat, als der Zweitrichter es getan hätte, wenn er mit dem gleichen Fall befasst gewesen wäre. Aber auch wenn in beiden Staaten (Erst- und Zweitstaat) das Kollisionsrecht übereinstimmt, besteht die Möglichkeit unterschiedlicher Interpretationen. Dies gilt insbesondere für die Formelkompromisse des Römischen Übereinkommens über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anwendbare Recht vom 19.6.1980, das in Art. 27 ff. EGBGB in das deutsche Recht transformiert wurde83, und nunmehr die Rom I-Verordnung.84
82 Nachweise zu den verschiedenen Anerkennungsbegriffen z.B. bei Philipp K. Wagner, Abstimmungsfragen zwischen Internationalem Insolvenzrecht und Internationaler Schiedsgerichtsbarkeit unter besonderer Berücksichtigung der Anerkennung grenzüberschreitender Insolvenzen durch Schiedsgerichte, Diss. Rostock 2007, 22 ff. 83 Allerdings besteht eine Auslegungszuständigkeit des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) aufgrund des Ersten und Zweiten Protokolls vom 19.12.1988, BGBl. 1995 II 916, 923 (unten Rz. 246j). 84 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. EU Nr. L 177 vom 17.6.2008, S. 6.
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Verhältnis des IZPR zum IPR Es kommt nun darauf an, welchen Rang der Zweitstaat seinem internationalen 41 Privatrecht zuweisen will. Misst er diesem eine so große Bedeutung bei, dass er seine eigenen Kollisionsregeln auch international durchsetzen will, dann muss er ausländischen Entscheidungen die Anerkennung verweigern, wenn sie im Ergebnis die Regeln des zweitstaatlichen internationalen Privatrechts nicht beachten. Das Anerkennungsrecht wird also dem internationalen Privatrecht untergeordnet. Diesen Grundsatz hielt z.B. das französische Recht lange hoch. Man verlangte „conformité de la décision étrangère au système français de conflit des lois“.85 Den gegensätzlichen Standpunkt vertritt das deutsche Recht; es geht von der 41a Selbständigkeit des internationalen Anerkennungsrechts gegenüber dem internationalen Privatrecht aus, Rz. 46, 2965. Spannungen und Brüche werden bewusst in Kauf genommen. Der Geltungsanspruch des eigenen internationalen Privatrechts wird auf ein realistisches Maß zurückgenommen. Es gibt nur dem Richter Anknüpfungsregeln, wenn er im Erkenntnisverfahren über einen bestimmten Rechtsstreit entscheiden muss, also nur „Normen für die eigene Entscheidung“.86 Es will aber kein Maßstab sein für die Beurteilung des Syllogismus ausländischer Richter. Angesichts der tief greifenden Unterschiede der einzelnen nationalen Kollisionsrechte erachtet man es als selbstverständlich (und daher keineswegs als Grund für die Versagung der Anerkennung), wenn der Erstrichter von einer anderen lex causae ausgegangen ist als (hypothetisch) der Zweitrichter.87 Für die Anerkennung eines ausländischen Urteils ist es ohne Bedeutung, ob 42 nach dem inländischen internationalen Privatrecht die Rechtsordnung des Urteilsstaates für die Beurteilung des Streitgegenstandes maßgeblich war oder nicht. Liegen die Anerkennungsvoraussetzungen nicht vor, so kann das ausländische Urteil auch dann nicht anerkannt werden, wenn auf den Streitfall das Recht des Erststaates nach dem internationalen Privatrecht des Zweitstaates anzuwenden wäre und wenn nach dem Recht des Erststaates die materiell-rechtliche Rechtskrafttheorie gilt, wenn also durch das ausländische Urteil neues 85 Holleaux/Foyer/de la Pradelle, Droit international privé, 1987, Nr. 967 S. 441; siehe auch Mayer/Heuzé, Droit international privé9, 2007, Nr. 385; Fricke IPRax 1989, 205. 86 von Bar, Internationales Privatrecht I1, 1987, Rz. 399. Übereinstimmend im Ergebnis auch von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht I2, 2003, § 5 Rz. 139; Ludwig, Neuregelungen des deutschen Internationalen Insolvenzverfahrensrechts, Diss. Köln 2004, 67. 87 Dies hat der deutsche Gesetzgeber anlässlich der IPR-Reform 1986 durch Streichung des § 328 I Nr. 3 ZPO a.F. verdeutlicht. Diese Vorschrift zählte einige Normen des deutschen internationalen Privatrechts auf, von denen „zum Nachteil einer deutschen Partei“ nicht abgewichen werden durfte, ohne dass die Anerkennung in Gefahr geraten wäre. Auch nach altem Recht wollte nach richtiger Ansicht nicht etwa der deutsche Gesetzgeber sein kollisionsrechtliches Konzept (mittelbar) durchsetzen; es ging ihm vielmehr um die Beachtung bestimmter materiell-rechtlicher Grundsätze zugunsten einer deutschen Partei. § 328 I Nr. 3 ZPO a.F. war ein Unterfall der allgemeinen ordre publicKlausel, R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1394. Auch § 109 FamFG und § 343 I 2 InsO (vgl. Bundestagsdrucksache 12/2443 S. 241) verzichten auf eine Kontrolle, Rz. 2965, 3515, 3923.
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Erster Teil: Grundlegung Recht geschaffen worden ist. Hier zeigt sich klar die Trennungslinie zwischen dem internationalen Privatrecht und dem internationalen Verfahrensrecht: Liegen die Anerkennungsvoraussetzungen nicht vor, so darf der Zweitrichter die durch das ausländische Urteil nach dem Recht des Urteilsstaates geschaffene Rechtslage nicht anerkennen, ohne Rücksicht darauf, welche Qualifikation das Recht des Erststaates vorsieht, Rz. 2809.88 43
Ist nach deutschem internationalem Privatrecht das Recht eines dritten Staates anzuwenden, ist also das Recht des Erststaates nicht zur Beurteilung des Streitfalls berufen, so hat dies für die Frage der Anerkennung oder Nichtanerkennung des erststaatlichen Urteils keine Bedeutung. Auf den Standpunkt des dritten Staates, dessen Recht nach deutschem internationalem Privatrecht zur Anwendung käme, wenn ein deutscher Richter über den Streitgegenstand zu entscheiden hätte, kommt es nicht an. Deshalb spielen auch die Gründe, weshalb der dritte Staat die Anerkennung verweigert, keine Rolle. Dass die nach deutschem internationalem Privatrecht ermittelte lex causae die Wirkungen eines ausländischen (erststaatlichen) Urteils nicht anerkennt, ist kein Grund, die Anerkennung im Inland zu verweigern, wenn die Voraussetzungen für die Anerkennung gegeben sind. Aber auch umgekehrt gilt: Wenn dem erststaatlichen Urteil nach deutschem Anerkennungsrecht die Anerkennung zu verweigern ist, dann bleibt es bei diesem Ergebnis auch dann, wenn die lex causae das ausländische Urteil anerkennt. Dass das inländische internationale Privatrecht auf die Rechtsordnung eines dritten Staates verweist, heißt nur, dass die deutschen Gerichte – wären sie mit der Entscheidung des Rechtsstreits befasst gewesen – nach dem Recht des dritten Staates geurteilt hätten. Zur Frage der Anerkennung trifft das internationale Privatrecht keine Aussage, Rz. 2814, 2848.89
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Es gibt also keine kollisionsrechtliche Relativität der Wirkungen eines ausländischen Urteils.90 Dies gilt sowohl für die res iudicata-Wirkung (materielle Rechtskraft; Feststellungswirkung) als auch für die Gestaltungswirkung. Allerdings ist dieser Punkt lebhaft umstritten. Die Anhänger der Lehre von der kollisionsrechtlichen Relativität (Rz. 2647) wollen die Anerkennung der Gestaltungswirkung eines ausländischen Urteils von der Anerkennung durch die vom deutschen internationalen Privatrecht berufene lex causae abhängig machen. Maßgeblich sei diejenige Rechtsordnung, die auf das zu gestaltende Rechtsver88 Anderer Auffassung Hausmann, Kollisionsrechtliche Schranken von Scheidungsurteilen, 1980, 274. Umfangreiche Nachweise z.B. bei Spieker genannt Döhmann, Die Anerkennung von Rechtskraftwirkungen ausländischer Urteile – eine Untersuchung zur Fortgeltung des ne-bis-idem, Diss Bonn 2002, 43. 89 Anders z.B. Hausmann a.a.O. 139 ff.: Um das „Gleichgewicht von internationalem Privatrecht und internationalem Zivilverfahrensrecht zu wahren“, will er das prozessuale Anerkennungsrecht zugunsten der Beachtung des Standpunktes der vom deutschen internationalen Privatrecht berufenen lex causae zurückdrängen. 90 Zustimmend z.B. Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts6, 2006, § 32 V, § 60 VI 2e; Otte, Umfassende Streitentscheidung durch Beachtung von Sachzusammenhängen – Gerechtigkeit durch Verfahrensabstimmung?, 1998, 164; Rolf Wagner, Anerkennung und Wirksamkeit ausländischer familienrechtlicher Rechtsakte nach autonomem deutschem Recht, FamRZ 2006, 744, 745.
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Verhältnis des IZPR zum IPR hältnis nach dem deutschen internationalen Privatrecht Anwendung findet. Diese Ansicht führt zu einer ganz erheblichen Einschränkung des internationalen Zivilverfahrensrechts: Für die Anerkennung der Gestaltungswirkung eines ausländischen Urteils wäre § 328 ZPO bzw. § 109 FamFG nur dann maßgeblich, wenn nach deutschem internationalem Privatrecht auf das zu gestaltende Rechtsverhältnis deutsches Recht anzuwenden wäre. In allen anderen Fällen wäre § 328 ZPO bzw. § 109 FamFG ausgeschaltet. Über die Anerkennung würde das ausländische Sachstatut entscheiden. Dies würde bedeuten: Urteile des Staates des Sachstatuts, also des Staates, dessen Rechtsordnung auf das Rechtsverhältnis nach deutschem internationalem Privatrecht Anwendung findet, wären in Deutschland immer anzuerkennen, ohne Rücksicht auf die Voraussetzungen des § 328 ZPO bzw. des § 109 FamFG, vorbehaltlich der Anwendung des ordre public. Urteile von dritten Staaten könnten in Deutschland nur dann anerkannt werden, wenn der Staat des Sachstatuts das Urteil des dritten Entscheidungsstaates anerkennt. Allerdings werden auch Modifikationen vertreten. Nach der gemischten Theorie 45 sind zunächst die Voraussetzungen des deutschen Anerkennungsrechts maßgebend, auch wenn auf das zu gestaltende Rechtsverhältnis ausländisches Recht (nach deutschem IPR) zur Anwendung kommt. Es ist jedoch zusätzlich zu prüfen, ob nach dem Recht desjenigen Staates, dessen Rechtsordnung nach deutschem internationalem Privatrecht zur Anwendung kommt, die Gestaltungswirkung des ausländischen Urteils anzuerkennen ist. Nach dieser Ansicht beinhaltet also § 328 ZPO bzw. § 109 FamFG keinen numerus clausus der Versagungsgründe. Neben den Voraussetzungen des § 328 ZPO bzw. des § 109 FamFG setzt die Anerkennung voraus, dass auch die (vom deutschen internationalen Privatrecht bestimmte) lex causae der ausländischen Entscheidung Gestaltungswirkung zuerkennt. Dies bedeutet praktisch, dass Urteile von dritten Staaten, also von Staaten, deren Rechtsordnung nach deutschem internationalem Privatrecht nicht anzuwenden ist, in Deutschland nur anzuerkennen sind, wenn der Staat des Sachstatuts sie anerkennt. Nach richtiger Ansicht kommt es jedoch nur auf das prozessuale Anerken- 46 nungsrecht an.91 Dieses ist gegenüber dem internationalen Privatrecht selbständig und regelt abschließend die Frage, unter welchen Umständen die Wirkungen ausländischer Urteile im Inland anzuerkennen sind, Rz. 41a. Ob der Staat des nach deutschem internationalen Privatrecht ermittelten Sachstatuts das ausländische Urteil anerkennt, ist ohne Bedeutung. Auch vor Streichung des alten § 328 I Nr. 3 ZPO92 war klar, dass die materiell-rechtlichen Theorien (Anerkennung nur bei Billigung durch die lex causae) dem geltenden Recht widersprechen. Wie auch sonst im internationalen Zivilverfahrensrecht gibt es keinen Gleichlauf zwischen internationaler Zuständigkeit und materiellem Recht. Aus dem Fehlen dieses Gleichlaufs folgt die selbständige Anerkennungsfähigkeit 91 Zustimmend z.B. Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit – Zur Bedeutung nationaler Rechtsordnungen und der Entscheidungen nationaler Gerichte für die Wirksamkeit internationaler Schiedssprüche, 2007, 546. 92 Oben Rz. 41a.
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Erster Teil: Grundlegung von Urteilen aus dritten Staaten ohne Rücksicht auf die Haltung desjenigen Staates, dessen Recht nach deutschem internationalem Privatrecht anwendbar wäre. Ist nach deutschem Recht der dritte Staat international zuständig, so bedeutet dies, dass er aus deutscher Sicht befugt ist, in der Sache zu entscheiden. Der Vorbehalt, dass er ein Urteil fällt, das auch im Staate des Sachstatuts Anerkennung findet, wird dabei nicht gemacht.93 47
Die Selbständigkeit des Anerkennungsrechts ist auch eine logische Folge der Anerkennung konkurrierender internationaler Zuständigkeiten. Während das internationale Privatrecht immer für die Beurteilung eines Sachverhalts (aus inländischer Sicht) jeweils nur eine maßgebliche Rechtsordnung festlegt, erachtet es für die Entscheidung in der Sache meist mehrere Staaten als international zuständig. Bejaht man jedoch konkurrierende internationale Zuständigkeiten, so wäre es inkonsequent, die Anerkennung der in den maßgeblichen Foren erlassenen Urteile mit der Begründung zu verweigern, sie entsprächen nicht den Vorstellungen der lex causae.94
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Das prozessuale Anerkennungsrecht sagt jedoch nichts über die materiell-rechtlichen Wirkungen eines ausländischen Urteils. Die Beurteilung der sog. Tatbestandswirkungen ist eine Domäne des Internationalen Privatrechts.95 Durch die (bloße) Existenz des Urteils ausgelöste Rechtsfolgen der materiellen Rechtsnorm nennt man Tatbestandswirkung. Die Tatbestandswirkung wird ebenso wie die Gestaltungswirkung vom materiellen Recht hervorgerufen. Der Unterschied zur Gestaltungswirkung besteht jedoch darin, dass das Urteil nicht auf die Tatbestandswirkung abzielt. Sie wird daher auch nicht vom Gericht im Tenor des Urteils ausgesprochen. Z.B. verlängert sich nach § 197 I Nr. 3 BGB durch die rechtskräftige Feststellung des materiell-rechtlichen Anspruchs die Verjährungsfrist um dreißig Jahre. Einer Entscheidung hierüber im Tenor oder in Gründen des Urteils bedarf es nicht. Sie wird vielmehr automatisch vom materiellen Recht ausgelöst. Welche materiell-rechtlichen Folgen (Tatbestandswirkungen) ein (ausländisches) Urteil hat, entscheidet die vom internationalen Privatrecht bestimmte Rechtsordnung (lex causae), Rz. 2826.
XI. Reichweite der Verweisung der IPR-Kollisionsnorm 1. Keine Verweisung auf das Gerichtsverfassungs- und Verfahrensrecht der lex causae 49
Die IPR-Norm legt nur das in der Sache anwendbare (materielle) Recht fest. Die Verweisung der IPR-Norm umfasst nicht das Gerichtsverfassungs- und Verfahrensrecht, Rz. 319. 93 Ausnahme: § 98 I Nr. 4 FamFG, vormals § 606a I 1 Nr. 4 ZPO (Rz. 78, 987, 1067, 1954). Diese Sondervorschrift ist jedoch nicht verallgemeinerungsfähig. 94 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1401. Zustimmend z.B. Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit – Zur Bedeutung nationaler Rechtsordnungen und der Entscheidungen nationaler Gerichte für die Wirksamkeit internationaler Schiedssprüche, 2007, 546. 95 R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 42.
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Verhältnis des IZPR zum IPR Beispiel: Die Parteien haben für ihren Kaufvertrag das Recht von New York vereinbart. Dies bedeutet nicht, dass eine Jury gebildet werden (Rz. 79, 322) oder dass das Verfahren nach New Yorker Recht abgewickelt werden müsste.
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Dem stimmt Kegel96 zu: „Das internationale Prozessrecht beruht auf dem Gedan- 50a ken, dass der ausländische Prozess dem inländischen gleichwertig ist. Das heißt aber auch, dass der inländische Prozess dem ausländischen gleichwertig ist. Soweit ein ausländisches Recht Scheidung durch Gestaltungsurteil verlangt, ist daher, selbst wenn internationalprivatrechtlich sein Scheidungsrecht anzuwenden ist, der ausländische Prozess durch den inländischen ersetzbar, und, ob er zu ersetzen ist, bestimmt das internationale Prozessrecht, nicht mehr das internationale Privatrecht.“ Kegel meint weiter: „Die Bindung der internationalen inländischen Zuständigkeit an die Anerkennung des Urteils durch den Staat, dessen Recht anwendbar ist, engt das internationale Prozessrecht über die gewöhnliche Grenzlinie hinaus zugunsten des internationalen Privatrechts ein“. Dagegen hat Neuhaus97 eingewandt, die so genannte Eigenständigkeit des internationalen Privatverfahrensrechts höhle angestammte Bereiche des internationalen Privatrechts aus. Schröder98 spricht zutreffend von einem logischen Patt, das nur teleologisch einer Lösung zugeführt werden könnte. 2. Keine Verweisung auf das Kompetenzrecht der lex causae Die Verweisung des Internationalen Privatrechts erfasst auch nicht das Kompetenzrecht der lex causae. Aus dem Umstand, dass im vorigen Beispiel New Yorker Recht (in der Sache) zur Anwendung kommt, folgt nicht (Rz. 1041 ff.),
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– dass aus deutscher Sicht New York international zuständig ist, – dass die Kompetenzfrage nach New Yorker Kompetenzrecht zu entscheiden ist, wenn ein deutsches Gericht angerufen wird. 3. Eigenständiges Verfahrenskollisionsrecht? Aus dem Umstand, dass die IPR-Norm nicht das Gerichtsverfassungs- und Verfahrensrecht (mit)umfasst, folgt nicht zwingend das lex fori-Prinzip. Denkbar wäre ein eigenes Verfahrenskollisionsrecht, das auf andere Anknüpfungspunkte abstellt als das internationale Privatrecht.
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Beispiel: Das Zustandekommen einer Zuständigkeitsvereinbarung wird nach dem Prorogationsstatut beurteilt, das (möglicherweise) divergiert vom Schuldstatut des Hauptvertrages, Rz. 1677. 4. Grenze zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht Die Trennung zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht ist von eminen- 53 ter kollisionsrechtlicher Bedeutung. Sachrechtliche Fragen fallen in die „Zu96 Kegel, Reform des deutschen internationalen Ehescheidungsrechts, Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Eherechts, 1962, 131. 97 Neuhaus JZ 1962, 417. 98 Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 546.
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Erster Teil: Grundlegung ständigkeit“ des internationalen Privatrechts, dagegen gilt für das Verfahren nach herrschender Meinung das lex fori-Prinzip (forum regit processum), nach einer im Vordringen befindlichen Meinung ein eigenes Verfahrenskollisionsrecht, Rz. 331. Die Diskussion der herrschenden Meinung kreist um die Frage, wo die Trennung zwischen Sach- und Verfahrensrecht verläuft. Wenn diese Trennlinie erkannt ist, werden nach herrschender Meinung alle verfahrensrechtlich eingeordneten Punkte ohne weiteres dem Recht des Gerichtsortes unterworfen.99 54
Die Unterscheidung zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht ist fließend geworden.100 Einig ist man sich, dass der Standort einer Vorschrift nicht entscheidend ist. So sind z.B. Schadensersatzregelungen in der ZPO materiellrechtlich zu qualifizieren.
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In der deutschen Diskussion101 betont man vor allem, dass die mit dem materiellen Recht in enger Beziehung stehenden Regelungen des Verfahrensrechts dem anwendbaren ausländischen Recht (lex causae) entnommen und vom deutschen Richter beachtet werden sollen. Dies diene der internationalen Entscheidungsharmonie und fördere die Anerkennung inländischer Urteile im Ausland. Zusammengehöriges soll nicht auseinander gerissen werden. Deshalb erscheint es sinnvoll, die materiell-rechtliche Verflochtenheit verfahrensrechtlicher Regelungen zu beachten.
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Bei dieser Erkenntnis ist man jedoch nicht stehen geblieben. Hinzu kommt noch ein ganz wesentlicher Punkt: nämlich die grundsätzliche (rechtstechnische) Austauschbarkeit von materiellem Recht und Verfahrensrecht. Der (nationale) Gesetzgeber kann seine rechtspolitischen Ziele in verschiedener Weise verwirklichen. Er ist nicht darauf beschränkt, die Rechtsbeziehungen der Parteien nur im rein materiell-rechtlichen Bereich zu normieren; er kann das gleiche Ergebnis auch durch verfahrensrechtliche Vorschriften erreichen, Rz. 77, 315, 355, 2293.
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Wenn der Gesetzgeber den Nachweis einzelner Tatsachen erschwert, verbietet, erleichtert oder überflüssig macht, kann er damit Einfluss nehmen auf die Gestaltung der (materiell-rechtlichen) Rechtsbeziehungen der Parteien.102 Idem est non esse aut non probari. Dies bedeutet, dass dann, wenn das internationale Privatrecht die Maßgeblichkeit einer bestimmten ausländischen Rechtsordnung zur Regelung bestimmter Rechtsbeziehungen anordnet, alle zur Sachmaterie gehörenden Normen angewendet werden müssen, auch wenn sie systematisch dem Verfahrensrecht zuzurechnen sind.103 Damit wird aber auch und vor allem die kollisionsrechtliche Bedeutung der Unterscheidung zwischen materiellem Recht 99 Nachweise bei Buciek, Beweislast und Anscheinsbeweis im internationalen Recht, Diss. Bonn 1984, 12; siehe z.B. auch Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008, Rz. 31 ff. vor §§ 335 ff. 100 Z.B. Grunsky ZZP 89 (1976), 246; Dölle RabelsZ 27 (1962/63), 228; Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, 1966, 304; Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 54. 101 Rechtsvergleichend Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 85. 102 Dies hat vor allem Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 132, 170 (für das internationale Beweisrecht) dargelegt. 103 Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, 20.
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Verhältnis des IZPR zum IPR und Verfahrensrecht erheblich relativiert. Denn es muss die funktionale Einheit einer rechtlichen Institution gesehen werden, ganz gleich, ob diese (positivrechtlich) mehr materiell-rechtlich oder verfahrensrechtlich ausgestaltet ist. Anpassungsfragen ergeben sich auch bei der Sachverhaltsaufklärung. Das (bis- 57a herige) deutsche Recht104 favorisiert materiell-rechtliche Auskunftsansprüche.105 Eine allgemeine prozessuale Aufklärungspflicht der nicht risikobelaste104 Siehe aber § 142 ZPO und § 258 HGB. Hierzu z.B. Stefan Huber, Europäische Beweisaufnahmeverordnung in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, Kap. 29 Rz. 39. Materiell-rechtliche Auskunfts- und Vorlageansprüche haben strukturell die Besonderheit, dass ihrer Durchsetzung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes das Verbot der Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache entgegensteht, McGuire GRURInt 2005, 15, 16. Art. 6 der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des Geistigen Eigentums, ABl. EU Nr. L 195 vom 2.6.2004, S. 16 ff. (hierzu McGuire GRURInt 2005, 15) zur Umsetzung von Art. 43 TRIPS-Übereinkommens (Frist: 29.4.2006) verpflichtet die Mitgliedstaaten, im Verletzungsverfahren Vorlagepflichten für den Prozessgegner hinsichtlich von Beweismitteln einzuführen. Hierbei handelt es sich um prozessuale Vorlagepflichten, ohne Rücksicht auf das Bestehen materiell-rechtlicher Vorlage- und Auskunftsansprüche. Einen solchen Auskunftsanspruch hat der Schutzrechtsinhaber gegen den Verletzer u gegen Dritte, welche die rechtsverletzende Ware in ihrem Besitz hatten oder die entsprechende Dienstleistung in Anspruch genommen haben, Art. 8 RL, Adolphsen, Europäisches und internationales Zivilprozessrecht in Patentsachen2, 2009, Rz. 91 ff.; Heß in Gottwald, Effektivität des Rechtsschutzes vor staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten, 2005, 121, 160. Zur weiten Auslegung des § 809 BGB durch den BGH im Lichte des Art. 43 TRIPSÜbereinkommen BGH vom 2.5.2002, GRUR Int. 2002, 1046. Hierzu Ibbeken, Das TRIPS-Übereinkommen und die vorgerichtliche Beweishilfe im gewerblichen Rechtsschutz, 2004, 15 ff. Zwar kann auch die nicht beweisbelastete Partei vom Gericht von Amts wegen zur Herausgabe von Urkunden etc. verpflichtet werden, BGH vom 26.6.2007, MDR 2007, 1333 = BGHReport 2007, 982 (Laumen). Allerdings setzt § 142 I ZPO voraus, dass eine Partei sich tatsächlich auf eine konkrete Urkunde bezogen hat. Durch dieses Erfordernis soll der Beibringungsgrundsatz gewahrt und eine Ausforschung von Amts wegen ohne entsprechenden Tatsachenvortrag einer Partei vermieden werden. Im Falle der Weigerung der Partei sieht § 142 I ZPO keine Beugemittel vor; vielmehr ist das Verhalten der sich weigernden Partei nach § 286 I ZPO frei zu würdigen. Weigert sich die beweisbelastete Partei, bleibt sie in der Regel beweisfällig. Weigert sich dagegen die nicht beweisbelastete Partei, so können wegen Beweisvereitelung die gegnerischen Behauptungen zum Inhalt der Urkunde als bewiesen angesehen werden, Zekoll/Bolt NJW 2002, 3129, 3130; Laumen BGHReport 2007, 984; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, vor § 415 Rz. 15. 105 Nachweise z.B. bei Adloff, Vorlagepflichten und Beweisvereitelung im deutschen und französischen Zivilprozess, 2007; Krapfl, Die Dokumentenvorlage im internationalen Schiedsverfahren, Diss. Köln 2007, 10 ff.; Schlosser JZ 1991, 599; Isaak Meier in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 72 ff.; ähnlich das österreichische Recht, hierzu Bienert-Nießl, Materiellrechtliche Auskunftspflichten im Zivilprozess: Zugleich eine Untersuchung der prozessualen Mitwirkungspflichten der Parteien, 2003. Siehe auch Osterloh-Konrad, Der allgemeine vorbereitende Informationsanspruch – Zivilrechtliche Auskunftsansprüche und ihre Funktion im Zivilprozess, Diss. München 2006; Kapoor, Die neuen Vorlagepflichten für Urkunden und Augenscheinsgegenstände in der Zivilprozessordnung, Diss. München 2008.
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Erster Teil: Grundlegung ten Partei und damit eine Abkehr vom Grundsatz nemo contra se edere tenetur lehnt die herrschende Meinung ab;106 dies sei eine Frage des materiellen Rechts.107 Dagegen postuliert das US-Zivilprozessrecht vorwiegend prozessuale Aufklärungs- und Informationsrechte bzw. (Mitwirkungs-)Pflichten.108 Auch kann der materiell-rechtliche Auskunftsanspruch im ausländischen Zivilprozess der Amtsermittlungsmethode entsprechen.109 57b Da das common law „Auskunftsansprüche“ prozessual qualifiziert, ist zu fragen, wie der Normenmangel zu beheben ist. Anders als bei der Verjährung, die vom common law (bisher) ebenfalls als Institut des Prozessrechts (Rz. 351) gesehen wird, lässt sich – aus Gründen der praktischen Ineffizienz – die Qualifikationsentscheidung der deutschen lex fori nicht durchhalten. Danach müsste man das ausländische materielle Recht und das Verfahrensrecht als Einheit sehen und den vom deutschen internationalen Privatrecht „angesprochenen“ Teil der Regelung des ausländischen Rechts „herauspicken“, mithin „den gedachten materiell-rechtlichen Kern der prozessualen Auskunftspflicht der lex causae anwenden“. Voraussetzungen, Umfang und Sanktionen prozessualer Aufklärungspflichten, vor allem nach FRCP 26–37, werfen aber so viele komplizierte Angleichungsprobleme auf, dass der inländische Richter bei einer solchen Methode „hoffnungslos überfordert wäre“, worauf Schack110 treffend hinweist: „In sol-
106 Umfangreiche Nachweise z.B. bei Krapfl, Die Dokumentenvorlage im internationalen Schiedsverfahren, Diss. Köln 2007, 6; Prütting in Festschrift Németh, 2003, 701, 704 ff. 107 Es sei nicht Aufgabe des Prozessrechts, einen solchen Anspruch praeter legem zu schaffen; denn keine Partei sei verpflichtet, ihrem Gegner erst die Mittel zum Prozesssieg zu verschaffen, BGH NJW 1990, 3151; BGH NJW 2000, 1108, 1109. Zurückhaltender aber im Ergebnis BGH vom 17.2.2004 BGHR 2004, 786 = MDR 2004, 898 = NJW-RR 2004, 989. Dagegen fordern eine generelle Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung des Sachverhalts immer mehr Stimmen in der Literatur im Anschluss an Stürner, Die Aufklärungspflichten der Parteien im Zivilprozess, 1976, 92 ff.; Nachweise bei Varga, Beweiserhebung in transatlantischen Schiedsverfahren – Eine Suche nach Kompromissen zwischen deutscher und US-amerikanischer Beweisrechtstradition, Diss. Saarbrücken 2006, 49, 106; Waterstraat ZZP 118 (2005), 459, 468. Nach diesem Ansatz wäre auch die nicht risikobelastete Partei – ohne Rücksicht auf das Bestehen eines materiell-rechtlichen Auskunftsanspruchs – zur Urkundenvorlage verpflichtet. Allerdings kann die Vorlage auch nach dieser Meinung nicht unmittelbar erzwungen werden, sondern nur mittelbar dadurch, dass der unsubstantiierte Tatsachenvortrag der darlegungs- u beweisbelasteten Partei widerlegbar als wahr fingiert wird. 108 Zur funktionalen Vergleichbarkeit von pretrial discovery (FRCP 2637) mit dem materiellen Auskunftsanspruch Schack IPRax 1991, 350 Fußn. 41; speziell für den deutschen Unterhaltsprozess Morweiser IPRax 1992, 65. Vgl. auch Herrmann, Die Anerkennung US-amerikanischer Urteile in Deutschland unter Berücksichtigung des ordre public – Eine rechtsvergleichende Untersuchung zum „Justizkonflikt“ zwischen Deutschland und den USA, 2000, 185 ff. 109 Basedow bei Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 152; OLG Frankfurt IPRax 1992, 49. 110 Schack IPRax 1991, 350.
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Verhältnis des IZPR zum IPR chen Fällen wählt man besser den einfacheren Weg, der über die geänderte Weichenstellung bei der Qualifikationsrückverweisung in die vertraute lex fori führt“. Man postuliert also „eine (hypothetische und versteckte) Qualifikationsrückverweisung der lex causae (= hier: common law) auf die lex fori und bricht diese im inländischen Recht ab“. So kommt man zu einem Auskunftsanspruch nach deutschem materiellen Recht auf einem dogmatisch anspruchsvollen Weg.111
XII. Priorität des internationalen Zivilverfahrensrechts? Müßig sind alle Versuche, eine Rangordnung zwischen internationalem Privat- 58 recht und internationalem Zivilverfahrensrecht aufzustellen. Gewiss hat das Verfahrensrecht – und damit auch das Verfahrenskollisionsrecht – eine „dienende“ Funktion, denn es ist (nur) Mittel zum Zweck einer möglichst vollständigen und exakten Anwendung und Durchsetzung der Normen des internationalen Privatrechts. Dies wird z.B. deutlich bei den Normen, die sich mit der Feststellung des Inhalts des (von der IPR-Norm berufenen) ausländischen Rechts befassen (vgl. § 293 ZPO). Andererseits tritt die Priorität, ja vielleicht sogar die Superiorität des internationalen Zivilverfahrensrechts klar zu Tage, wenn man erwägt, dass – das Kompetenzrecht (Eröffnung der internationalen Zuständigkeit) faktisch darüber entscheidet, welches internationale Privatrecht in concreto zum Zuge kommt, Rz. 94, 1924. Das internationale Kompetenzrecht ist also das Rechtsanwendungsrecht für das Internationale Privatrecht;112 – durch die Regeln über die Beachtung der ausländischen Rechtshängigkeit der Zugang zu den inländischen Gerichten versperrt und damit die Anwendung des (inländischen) internationalen Privatrechts unmöglich gemacht wird, Rz. 1930; – schließlich durch das Anerkennungsrecht das (inländische) internationale Privatrecht überlagert wird, Rz. 43 ff.113
111 Mit Recht stellt Schack a.a.O. Fußn. 44 die rhetorische Frage: „Kann es für einen Kollisionsrechtler etwas Schöneres geben als dieses kunstvoll konstruierte Gebilde (das im Ergebnis nichts anderes als die Geltung der lex fori bedeutet)?“. Ähnlich Morweiser IPRax 1992, 66. Methodisch anders Eidenmüller IPRax 1992, 356: Er wendet das materielle deutsche Auskunftsrecht an, weil es mit § 254 ZPO „verzahnt“ sei. Siehe auch Rz. 2524. 112 Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 83. 113 Zum „Eigenwert des Prozesses“ auch Basedow in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 139 und Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 23. Zur „Aushöhlung“ des IPR durch das IZVR Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts6, 2006, § 56 II.
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Erster Teil: Grundlegung
3. Kapitel: Entscheidungsharmonie I. Kompetenzrecht 59
Die Bejahung der internationalen Zuständigkeit Deutschlands ist nicht von der Billigung durch andere Staaten, die (auch) eine Beziehung zum Streitgegenstand haben, abhängig, Rz. 987. Ausnahme: § 98 I Nr. 4 FamFG (früher § 606a I 1 Nr. 4 ZPO, Rz. 78).
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Das Gleiche gilt auch umgekehrt. Der ausländische Rechtsstandpunkt wird auch dann nicht beachtet, wenn es um die Verneinung der internationalen Zuständigkeit geht. Ist ein Kompetenzanknüpfungspunkt nach inländischem Recht nicht gegeben, so ist es ohne Bedeutung, dass nach Auffassung anderer Staaten Deutschland international zuständig wäre. Eine Zuständigkeitsverweisung wird nicht angenommen, Rz. 1018. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob Deutschland eine Notzuständigkeit eröffnet, wenn Rechtsschutz im Ausland nicht zu erlangen ist, hierzu Rz. 1030.
II. Anerkennungsrecht 61
Den äußeren Entscheidungseinklang könnte man am effektivsten durch möglichst vorbehaltlose Anerkennung ausländischer Urteile erreichen. Die Versagung der Anerkennung ausländischer Urteile führt zur Gefahr widersprechender Entscheidungen.114
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Dies gilt besonders für Gestaltungsurteile. Wird einem ausländischen Gestaltungsurteil die Anerkennung verweigert, so ist ein hinkendes Rechtsverhältnis unvermeidlich; während bei Leistungs- bzw. Feststellungsurteilen noch die Möglichkeit besteht, das durch die Nichtanerkennung entstandene Vakuum durch ein gleichlautendes inländisches Urteil auszufüllen, könnte ein neues Gestaltungsurteil nur dann den Entscheidungsmissklang vermeiden, wenn eine Gestaltung mit rückwirkender Kraft ab dem Zeitpunkt des ersten (nicht anerkannten ausländischen) Urteils möglich ist. Eine solche Rückwirkung ist jedoch de lege lata nicht vorgesehen.
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In den vorgenannten Fällen wurde vorausgesetzt, dass die inländischen Richter genauso entscheiden wie die ausländischen. Dies ist jedoch in vielen Fällen nicht so. Divergenzen ergeben sich insbesondere durch Unterschiede des internationalen Beweisrechts und des IPR. Dies führt in nicht wenigen Fällen dazu, dass das inländische Gericht anders judiziert als das ausländische, Rz. 94, 1925.
114 R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 2.
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Entscheidungsharmonie
III. Beachtung ausländischer Rechtsvorstellungen im inländischen Verfahren Wenn auch die inländischen Gerichte grundsätzlich ihr eigenes inländisches 64 Verfahrensrecht anwenden (lex fori-Prinzip115), so wird doch üblicherweise das inländische Verfahren so gestaltet, dass die Anerkennungs- bzw. Vollstreckungsfähigkeit der inländischen Entscheidung im Ausland möglichst gesichert ist. Es handelt sich dabei um echte Kollisionsregeln, die auf ausländisches Recht verweisen,116 oder (häufiger) um inländische Sachnormen für Verfahren mit Auslandsbezug.117 Hierzu gehören z.B.
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§§ 274 III 3, 276 I 2, 339 II ZPO: individuelle Fristbestimmung durch den Rich- 66 ter für Einlassungs- bzw. Einspruchsfrist, wenn der Zustellungsadressat sich im Ausland aufhält; hierzu § 33 I ZRHO. Vgl. auch Art. 12 des schweizer. IPR-Gesetzes: Fristen sollen so angesetzt werden, dass die im Ausland wohnhaften Personen ihre Rechte auch wahrnehmen können. Die deutsche Rechtsprechung ist aber nicht besonders „internationalistisch“ eingestellt: Sie plädiert für Nichtanwendung des § 339 II ZPO, wenn Zustellung nach § 184 ZPO erfolgt ist, Rz. 2116.118 Ein weiteres Beispiel für eine Sachnorm, die einen Sachverhalt mit Auslandsberührung regelt, ist § 185 GVG, der die Zuziehung eines Dolmetschers vorschreibt, wenn eine Person die Amtssprache nicht beherrscht, Rz. 2652.
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Hierher gehört auch § 183 ZPO: Zustellung an Adressaten im Ausland, Rz. 2132. 68 Die siegreiche Partei kann trotz § 184 ZPO Zustellung des deutschen Urteils unter Einschaltung ausländischer Rechtshilfe verlangen, um die Anerkennungschancen im Ausland zu steigern.119 Das Gericht muss aber im Interesse der Verfahrensbeschleunigung daneben auch nach § 184 ZPO verfahren, wenn eine Partei dies beantragt, Rz. 1929, 1937, 2122. 69–73 Der deutsche Richter kann die Chancen für die Anerkennungsfähigkeit seiner 74 Entscheidung im Ausland dadurch steigern, dass er besonders sorgfältig Einzelheiten des durchgeführten Verfahrens im Tatbestand festhält, insbesondere bezüglich der Gewährung rechtlichen Gehörs für den Beklagten.120 Durch mög115 Hierzu unten Zweiter Teil, Rz. 319 ff. 116 Hierzu Furtak, Die Parteifähigkeit in Zivilverfahren mit Auslandsberührung, 1995, 70. 117 Diese Alternative ist die häufigere, Rz. 18. Parallele im Internationalen Privatrecht: Sachrecht für internationale Sachverhalte, Nachweise bei Keller/Siehr, Allgemeine Lehren des IPR, 1986, 93. 118 Einlassungsfristen sind auch in den Fällen der §§ 521 II, 523 II, 553 II ZPO zu bestimmen. In diesen Prozessstadien ist allerdings eine Zustellung im Ausland im Hinblick auf § 184 ZPO in der Regel nicht (mehr) erforderlich. 119 Anderer Auffassung OLG München vom 30.12.1986, RIW 1987, 153 = NJW 1987, 3086 = IPRax 1988, 163 (Hausmann 140) = IPRspr. 1986 Nr. 165; hierzu kritisch Schlosser in Festschrift Stiefel, 1987, 692: „bedauerliche Enge“. 120 Vgl. auch §§ 30, 31 AVAG: Vervollständigung des Tatbestands und der Entscheidungsgründe eines nach § 313b ZPO in verkürzter Form abgefassten Versäumnis- oder Anerkenntnisurteils bzw. eines Vollstreckungsbescheids, eines Arrestbefehls oder einer
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Erster Teil: Grundlegung lichst klare Schilderung der Prozessgeschichte wird dem böswilligen Beklagten die Möglichkeit genommen, die Anerkennung im Ausland zu verschleppen bzw. zu verhindern.121 75
Zur zweiten Kategorie (Sachnormen für Auslandsfälle) zählen auch Vorschriften, welche dem im Ausland domizilierten Beklagten einen prozessualen Mindeststandard sichern, so Art. 15 I, 16 Haager Zustellungsübereinkommen (Rz. 229), Art. 19 EuZustellungs-Verordnung, Art. 20 II EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 26 II EuGVVO.
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Besondere Probleme ergeben sich im Beweisrecht. Verbietet das ausländische Recht in Ehesachen eine Zeugenaussage unter Verwandten, so ist zur Vermeidung der Nichtanerkennung eine Rücksichtnahme darauf angebracht.122 Auch ist mit der Nichtanerkennung deutscher Vaterschaftsurteile in Frankreich zu rechnen, wenn sie sich allein auf die Zeugenaussage der (nichtehelichen) Mutter stützen.123
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Die Bereitschaft deutscher Gerichte, ausländisches Verfahrensrecht anzuwenden, ist vor allem durch die steigende Zahl der vor deutschen Gerichten anhängigen familien- und erbrechtlichen Streitigkeiten gewachsen, verursacht durch den wachsenden Ausländeranteil der Bevölkerung in Deutschland. Insbesondere bei der Ehescheidung und in erbrechtlichen Verfahren (die allerdings vorwiegend zum Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit gehören) ist die Verflechtung von materiellem Recht und Verfahrensrecht und die Austauschbarkeit der beiden Materien besonders deutlich. So kann z.B. der Gesetzgeber eheerhaltende Maßnahmen entweder durch materiell-rechtliche Vorschriften oder verfahrensrechtliche Sicherungen treffen.124
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Die Notwendigkeit zur Beachtung verfahrensrechtlicher Regelungen des Auslandes ergibt sich positivrechtlich aus § 98 I Nr. 4 FamFG (früher § 606a I 1 Nr. 4 ZPO).125 Diese Vorschrift (Rz. 1067, 1954) fördert (mittelbar) die Anwendung ausländischen Verfahrensrechts: Wenn nämlich ein deutsches Gericht nicht bereit ist, auch die materiell-rechtlich verflochtenen Verfahrensregeln des ausländischen Rechts mit anzuwenden, ist u.U. mit der Nichtanerkennung des deutschen Urteils im Heimatstaat zu rechnen. Dann entfällt aber auch die deutsche
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einstweiligen Verfügung. Hierzu OLG Frankfurt vom 27.4.2000, IPRax 2002, 35 (Rinne/Sejas). Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 143. Grasmann ZZP 83 (1970), 217. – Allerdings setzt das Abweichen von der deutschen lex fori den Verzicht der beweisbelasteten Partei auf das Beweismittel voraus, wenn das Urteil im Instanzenzug Bestand haben soll. Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 145, II Rz. 304. Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 151; R. Geimer in Symposion Außerstreitreform, 1992, 93 ff. (Veröffentlichungen des Ludwig Boltzmann-Institutes für Rechtsvorsorge und Urkundenwesen, Bd. XI). Noch früher § 606b Nr. 1 a.F.; Vorläufer: § 606 IV = § 568 IV CPO; hierzu Hahn/Mugdan VIII 119, abgedruckt z.B. auch bei Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, 190 Fußn. 54.
Entscheidungsharmonie internationale Entscheidungszuständigkeit. Im Ergebnis würde dann vielen Ausländern der Zugang zu den deutschen Gerichten versperrt. Um dieses Ergebnis zu vermeiden, befürwortet man die Anwendung ausländischen Verfahrensrechts.126
IV. Bedeutung des Forums für den Ausgang des Prozesses Die Wahl des Forums entscheidet – angesichts der unterschiedlichen Gerichts- 78a und Verfahrensarchitekturen127 – in mehrfacher Weise über den Ausgang des Prozesses.128 1. Gerichtsverfassung So wird z.B. der anglo-amerikanische Prozess geprägt durch die Institution der 79 Jury (Rz. 37, 50): Den Laienrichtern ist die Feststellung des Sachverhalts und die Rechtsanwendung129 übertragen. In England ist seit 1933 die Jury im Zivilprozess nur mehr selten tätig,130 und auch in den USA setzt die Beiziehung von Laienrichtern in der Regel einen entsprechenden Parteiantrag voraus, FRCP 38 (b). Gleichwohl ist diese Einrichtung prägend für die Konzeption des US-Zivilprozesses.131 126 Nachweise bei Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 151 Fußn. 157; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 606a Rz. 12, 16. Enger Stein/Jonas/Schlosser, ZPO21, 1994, vor § 606 Rz. 17. Wie hier BGH vom 6.10.2004, BGHZ 160, 322 = FamRZ 2004, 1952 (Henrich) = IPRax 2005, 346 (Rauscher 313) = NJW-RR 2005, 81 = LMK 2005, 8 (Finger) = IPRspr. 2004 Nr. 135. Siehe auch IPG 2000/2001 Nr. 26 Rz. 30 (Köln): Durchführung eines Sühneversuchs nach den Vorstellungen des tunesischen Rechts (Art. 32 II CSP). 127 Hierzu ausführlich Stadler, Vielfalt der Gerichte – Einheit des Prozessrechts?, BerDGVR 42 (2007), 177, 180 ff. 128 Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 488; Walter, Internationales Zivilprozessrecht der Schweiz4, 2007, § 3 II 3a (aa) (6) S. 98. 129 Dies gilt auch für die Anwendung ausländischen Rechts. Zu den daraus resultierenden Absurditäten in der praktischen Handhabung Göpfert/Berger, Jury-Ausschlussklauseln in Verträgen mit amerikanischen Unternehmen, ZIP 2005, 1540, 1541. 130 Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht3, 2003, 62; Knapp, Die US-amerikanische Produkthaftung in der Praxis der deutschen Automobilindustrie, 1997, 113; Herrmann, Die Anerkennung US-amerikanischer Urteile in Deutschland unter Berücksichtigung des ordre public – Eine rechtsvergleichende Untersuchung zum „Justizkonflikt“ zwischen Deutschland und den USA, 2000, 202 ff. Ebenso in Kanada, Wittuhn RIW 1989, 427 Fußn. 61. 131 Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 74, 94; Fleming, The American Tort Process, 1988, 101 ff.; Ebbing RIW 1996, 993, 997; Rosengarten, Punitive damages und ihre Anerkennung und Vollstreckung in der Bundesrepublik Deutschland, 1994, 55 ff.; Brockmeier, Punitive damages, multiple damages und deutscher ordre public, 1999, 7 ff.; Mörsdorf-Schulte, Funktion und Dogmatik US-amerikanischer punitive damages, 1999, 116 ff., 234; Göpfert/Berger, Jury-Ausschlussklauseln in Verträgen mit amerikanischen Unternehmen, ZIP 2005, 1540. Siehe dagegen die vergleichenden Bemerkungen zur Rechtsstellung des Richters in Europa von Heß in Oberhammer (ed.), Richterbild und Rechtsreform in Mitteleuropa, 2001, 1.
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Erster Teil: Grundlegung 80
Aus der Bipolarität des Gerichts im common law-Bereich erklären sich viele Abweichungen, insbesondere im Beweisrecht. So gilt zwar auch dort der Grundsatz der freien Beweiswürdigung, andererseits wird die Beweiserhebung und die Zulässigkeit von Beweisen restriktiv gehandhabt, wegen der Befürchtung, die Laienrichter wären zur richtigen Würdigung nicht in der Lage.132
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Große praktische Bedeutung für den Ausgang des Prozesses hat die Einschaltung der Jury auch für die Bemessung der Höhe des Schadensersatzes.133 2. Verfahrensablauf
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Die Verfahren in verschiedenen Staaten unterscheiden sich erheblich vor allem im Hinblick auf Schnelligkeit, Kosten,134 Kostenerstattungspflicht und Qualifikation der Richter. Ganz entscheidend für den Ausgang des Prozesses ist das Beweisverfahrensrecht, z.B. die Frage, inwieweit die Parteieinvernahme zulässig ist.135 Auch kann es für einen Kläger von großer Bedeutung sein, durch pre-trial discovery136 einen Ausforschungsbeweis zu führen, der im deutschen Prozess trotz § 142 ZPO n.F. nicht zulässig ist.137 Auf der anderen Seite kann er bei Wahl des US-amerikanischen Gerichts – anders als nach §§ 91 ff. ZPO (Rz. 2664)138 –
132 Beispiele bei Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 23 Fußn. 64. 133 Hoechst, Die US-amerikanische Produzentenhaftung, 1986; Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 75, 96; Stiefel/Stürner VersR 1987, 834; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht3, 2003, 62. 134 Z.B. zur „gratuité“ (Kostenfreiheit) des französischen Zivilprozesses Fischer, Die Beschleunigungsmechanismen des französischen Zivilprozesses, 1990, 21. Allgemein Adelmann-Péntek, Das Prozesskostenrecht der ZPO im Vergleich mit den entsprechenden Regelungen in Österreich, in der Schweiz, in Frankreich, Spanien, England, Schweden und in der ehemaligen DDR, Diss. Erlangen-Nürnberg 2001. 135 Siehe auch Maesch, Vitamine für Kartellopfer – Forum shopping im europäischen Kartelldeliktsrecht, IPRax 2006, 509, 510. 136 Es handelt sich um ein Beweisermittlungs- und Beweiserhebungsverfahren zwischen Klageerhebung und Hauptverhandlung: Der Prozessgegner und Dritte können zur Vorlegung von Urkunden und sonstigen Beweismitteln gezwungen werden. Hierzu z.B. Herrmann, Die Anerkennung US-amerikanischer Urteile in Deutschland unter Berücksichtigung des ordre public – Eine rechtsvergleichende Untersuchung zum „Justizkonflikt“ zwischen Deutschland und den USA, 2000, 185 ff., 198; Trittmann/Leitzen IPRax 2003, 7; Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 92; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, RIW 2007, 801, 805. 137 Krapfl, Die Dokumentenvorlage im internationalen Schiedsverfahren, Diss. Köln 2007, 24 ff. Zwar kann auch die nicht beweisbelastete Partei vom Gericht von Amts wegen zur Herausgabe verpflichtet werden, BGH vom 26.6.2007, MDR 2007, 1333 = BGHReport 2007, 982 (Laumen). Allerdings setzt § 142 I ZPO voraus, dass eine Partei sich tatsächlich auf eine konkrete Urkunde bezogen hat. Weitere Nachweise z.B. bei Drenckhan, Urkundsvorlagepflichten im Zivilprozess und im arbeitsgerichtlichen Verfahren nach der ZPO-Reform unter besonderer Berücksichtigung der Neufassung des § 142 ZPO, 2007; Ahrens in Wieczorek/Schütze, ZPO3, 2008, Rz. 10 ff. vor § 284. 138 Hierzu z.B. Mankowski NJW 2005, 2346.
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Entscheidungsharmonie keine Erstattung der von ihm aufgewandten Anwaltskosten verlangen, auch wenn er voll obsiegt.139 Wichtig für den Prozessausgang ist auch die Handhabung der Dispositions- und 83 Verhandlungsmaxime (party presentation, autonomy, party prosecution).140 Dass die Parteien über den Streitgegenstand verfügen können, ist im Grundsatz in den meisten Prozessordnungen gleichermaßen anerkannt. Unterschiede ergeben sich aber vor allem im Ehe- und Kindschaftsrecht. Am stärksten können die Parteien im US-amerikanischen Recht Einfluss auf die 84 Sachverhaltsfeststellung und den Gang des Verfahrens nehmen. Wegen der strikt kontradiktorischen Gestaltung des Zivilprozesses (adversary-system141) bestimmen die Parteien, was Verhandlungsgegenstand ist, welche Beweismittel benutzt werden und wie der Gang des Verfahrens sich entwickelt. Die Parteien haben auch die Beweismittel beizubringen und für die Anwesenheit der Zeugen und Sachverständigen (und deren Bezahlung)142 zu sorgen. Oft führen sie die Vernehmung selbst durch, Rz. 88. Die Rolle des Richters ist weitgehend passiv.143 Vgl. auch Rz. 2266. Demgegenüber ist im deutschen und französischen Prozessrecht die Rolle des 85 Richters erheblich gestärkt worden.144 Vorstellungen, dass das Verfahren ein Duell der Parteien darstelle, in dem der Richter nur eine Schiedsrichterrolle habe oder in dem die Parteien die eigentlichen „maîtresses du procès“ seien, sind in den Hintergrund getreten. Die Befugnisse des Richters, von Amts wegen das Verfahren zu gestalten und auch von Amts wegen Beweise zu erheben, sind gewachsen.145 In England versucht man seit den Civil Procedure Rules 1999 eine
139 Zur „American rule of costs“ siehe unten Rz. 2954; Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 21. Allerdings wird die fehlende Kostenerstattung für den Käger durch die großzügigen pauschalierten Schadensersatzsummen kompensiert, welche die US-Gerichte zuzusprechen pflegen; diese übersteigen die realen Schadenshöhen um ein Mehrfaches. Evidente Nachteile bringt die American rule of costs dem siegreichen Beklagten. 140 Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 79; Hartwieg JZ 1997, 381, 389. 141 Junker a.a.O. 75, 79, 86 – sporting theory of justice; Braun, Die Rolle des Federal District Court Judge im Verhältnis zu den Parteien, 1986, 25; hierzu Schack ZZP 100 (1987), 347; Sobich JZ 1999, 775, 776; Varga, Beweiserhebung in transatlantischen Schiedsverfahren – Eine Suche nach Kompromissen zwischen deutscher und USamerikanischer Beweisrechtstradition, Diss. Saarbrücken 2006, 82 ff. 142 Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht3, 2003, 64; Junker a.a.O. 134. 143 Nachweise bei Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 31; Junker a.a.O. 67, 78; Stürner in Festschrift Stiefel, 1987, 769. 144 Umfangreiche rechtsvergleichende Hinweise z.B. bei Stadler, Vielfalt der Gerichte – Einheit des Prozessrechts?, BerDGVR 42 (2007), 177, 182 ff. 145 Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 32 Fußn. 106, Junker a.a.O. 83, Fußn. 79; Schlosser JZ 1991, 599. Umfangreiche Nachweise bei Lang, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses vor dem Hintergrund der europäischen Rechtsvereinheitlichung, 1999, 99 ff. Siehe auch den rechtsvergleichenden Überblick von Rechberger in Gottwald
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Erster Teil: Grundlegung Abschwächung des traditionellen adversary procedure hin zum case management.146 86
Eine Schranke besteht im deutschen Zivilprozess nur für den Zeugenbeweis.147 Ansonsten hat der Richter darauf hinzuwirken, dass die Parteien sich über alle erheblichen materiellen und prozessualen Tatsachen vollständig erklären. Im französischen Recht darf er sein Urteil sogar auf Tatsachen stützen, die nicht von den Parteien vorgetragen wurden, aber sich parmi les éléments des débats ergeben, Art. 7 II Nouveau Code de procédure civile.148
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Besonders deutlich werden die Auswirkungen des Verfahrensablaufs auf den Ausgang des Prozesses, wenn man sich die Unterschiede zwischen kontinentaleuropäischem und US-amerikanischem Zivilprozessverständnis149 vor Augen hält:
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Bis zum trial vor dem Richter ist die Sachverhaltsaufklärung (pre-trial discovery) allein Sache der Parteien, FRCP 26 ff.:150 Discovery does not need judicial attention. Ausnahme: FRCP 16; F.R.Ev. 614. Ein substantiierter und schlüssiger Sachverhaltsvortrag des Klägers ist nicht erforderlich, vielmehr können der klagebegründende Sachverhalt ebenso wie zur Verteidigung geeignete Tatsachen im pretrial erst erforscht werden, Rz. 1994.151 Anders die kontinentaleuropäi-
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(ed.), Aktuelle Entwicklungen des europäischen und internationalen Zivilverfahrensrechts, 2002, 1, 10. Hierzu Andrews ZZPInt 4 (1999), 3; Sobich JZ 1999, 775, 776. Allgemein zur Rollenverteilung zwischen Gericht und Parteien in den verschiedenen Rechtssystemen innerhalb der Europäischen Union Stürner in Festschrift Walter Gerhardt, 2004, 967. Rückschluss aus §§ 144, 273 II, 287, 448 ZPO, § 128 I 3 FamFG. Gleichwohl wird sowohl im deutschen wie auch im französischen Recht im Grundsatz an der Verhandlungsmaxime als Ausgangspunkt festgehalten. Siehe auch allgemein Schilling, Die „principes directeurs“ des französischen Zivilprozesses, 2002, sowie Sarbach, Die richterliche Aufklärungs- und Fragepflicht im schweizerischen Zivilprozessrecht, 2002. Hierzu z.B. Krapfl, Die Dokumentenvorlage im internationalen Schiedsverfahren, Diss. Köln 2007, 75 ff.; Subrin/Woo, Litigation in America, 2006; Heß AG, 2006, 809, 810; Stürner JZ 2006, 60, 62. Siehe auch Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, RIW 2007, 801, 805. Der Text der FRCP 26 n.F. wurde übersetzt von Junker ZZPInt 1 (1996), 235, 261. Zur US discovery z.B. Haydock/Herr/Stempel, Fundamentals of pre-trial discovery, 1985; Knapp, Die US-amerikanische Produkthaftung in der Praxis der deutschen Automobilindustrie, 1997, 159, 286; Herrmann, Die Anerkennung US-amerikanischer Urteile in Deutschland unter Berücksichtigung des ordre public – Eine rechtsvergleichende Untersuchung zum „Justizkonflikt“ zwischen Deutschland und den USA, 2000, 185 ff.; Reufels RIW 1999, 667; Trittmann/Leitzen IPRax 2003, 7; Hopt/Kulms/ von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 92; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, RIW 2007, 801, 805. Nachweise bei Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 101, 119; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht3, 2003, 45. Vgl. auch Herrmann, Die Anerkennung US-amerikanischer Urteile in Deutschland unter Berücksichtigung des ordre public – Eine rechtsvergleichende Untersuchung zum „Justizkonflikt“ zwischen Deutschland und den USA, 2000, 185 ff.; Reinhard, Klageer-
Entscheidungsharmonie sche Konzeption vom Zivilprozess, die einen konkreten Sachvortrag und einen möglichst bestimmten Beweisantritt verlangt, bevor man mit der Wahrheitsermittlung beginnt; auch im englischen Prozess setzt pre-trial discovery regelmäßig „particulars“ der betreibenden Partei voraus: „fishing expeditions“ sind grundsätzlich verboten.152 Nach kontinentalem Verständnis braucht eine Partei – unbeschadet der prozessualen Wahrheitspflicht – ihrem Gegner nicht das für dessen Prozesssieg relevante Material liefern, über welches dieser nicht schon verfügt. Anders die US-amerikanische Sicht der Dinge: Danach ist es Zweck der pre-trial discovery „to make a trial less a game of blind man’s buff and more a fair contest with the basic issues and facts disclosed to the fullest practical extent.“153 Im Rahmen des US-pre-trial muss die Gegenpartei nach FRCP 33, 34 Fragenkataloge beantworten („written interrogatories“, FRCP 33), Dokumente vorlegen („production of documents“, FRCP 34), Augenscheinsgegenstände besichtigen lassen und die Durchsuchung von Räumen und Gebäuden nach Beweismitteln dulden.154 Siehe auch Rz. 2515.
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Bei der Vernehmung von Auskunftspersonen wird nicht – wie im deutschen Zi- 90 vilprozess – zwischen Partei und Dritten unterschieden. Parteien und Dritte können schriftlich oder mündlich (im Kreuzverhör)155 vernommen werden (depositions). Es gibt zwei Formen: Mündliche Antworten auf mündliche Fragen (depositions upon oral examination, FRCP 30) und mündliche Antworten auf schriftliche, vom Protokollführer verlesene Fragen (depositions upon written questions, FRCP 31). Der Richter wirkt nicht mit. Die Parteien können über die Förmlichkeiten der Vernehmung Vereinbarungen (stipulations) treffen, FRCP 29. Auch Dritte können nicht nur zur mündlichen Aussage (depositions, FRCP 30, 91 31), sondern auch zur Urkundenvorlage veranlasst werden (production of docu-
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hebung und Beklagtenschutz nach US-amerikanischem und deutschem Zivilprozessrecht: Eine Untersuchung anhand der US-amerikanischen Federal Rules of Civil Procedure und der ZPO am Beispiel ausgewählter Rechtsfragen, Diss. Freiburg 2006. Junker a.a.O. 62, 298 Fußn. 56; Stürner in Walther J. Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 12; Schaaf, Discovery und andere Mittel der Sachverhaltsaufklärung im englischen pretrial-Verfahren im Vergleich zum deutschen Prozess, 1983, 51 f., 103 ff.; Weigand RIW 1992, 362. United States v. Procter & Gamble Co., 356 U.S. 677, 682 (1958). Umfangreiche Nachweise z.B. bei Krapfl, Die Dokumentenvorlage im internationalen Schiedsverfahren, Diss. Köln 2007, 75 ff. Martens RIW 1981, 725, 726; Reufels RIW 1999, 667, 668; Stürner in Habscheid a.a.O. 12; Junker a.a.O. 145, 165, 175. Ausführlich Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland und ihre Verwertung im inländischen Zivilprozess. Zur Bedeutung des US-amerikanischen Discovery-Verfahrens für das deutsche Erkenntnisverfahren, Diss. Heidelberg 2000, 2002, 41 ff.; Eschenfelder IPRax 2006, 89, 90 ff.; Eschenfelder RIW 2006, 443; Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses, 1989, 66 ff. Zur Reform von 1993 Junker ZZPInt 1 (1996), 235 und Rempp/Lienemeyer ZVglRWiss 1994, 383. Siehe auch Stefan Huber, Entwicklung transnationaler Modellregeln für Zivilverfahren am Beispiel der Dokumentenvorlage, 2008, 97. FRCP 28(a), 30(c).
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Erster Teil: Grundlegung ments, FRCP 34)156. Im Übrigen besteht die prozessuale Pflicht zur Urkundenvorlage bereits ab tatsächlicher Verfügungsgewalt (custody or control); Muttergesellschaften haben Urkunden ihrer Töchter vorzulegen und auch nicht selten – z.B. bei Verflechtung der Organe (interlocking structure) – die Tochter Urkunden der Mutter.157 Dagegen richten sich nur gegen die Parteien (nicht Dritte) – Ortsbesichtigung (entry upon land), FRCP 34, – Fragebögen (written interrogatories), FRCP 33, – medizinische Untersuchungen, FRCP 35, und – Aufforderung(en) zum Geständnis, FRCP 36.158 92
Das Geschäfts- und Bankgeheimnis der Parteien oder von Dritten wird gering geachtet.159 Im pre-trial sind zwar „protective orders“160 möglich, im trial werden aber die Schutzmaßnahmen noch zurückhaltender gehandhabt.161 Anders dagegen das deutsche Recht, welches das Geschäfts- und Bankgeheimnis Dritter schützt, §§ 383 Nr. 6, 384 Nr. 3 ZPO. Die beweisbelastete Partei muss aber auch im deutschen Zivilprozess – will sie obsiegen – das Geschäfts- und Bank156 Wesentlich moderater ist die deutsche Parallelnorm in § 142 II ZPO in Verbindung mit § 273 III ZPO. Allerdings kann nach §§ 142 II 2, 390 ZPO auch in Deutschland Zwang gegen Dritte angewandt werden, jedoch nicht gegen die betroffene Partei. Die Nichtbefolgung durch die Partei ist nach § 286 ZPO frei zu würdigen. Im Zweifel geht die Beweiswürdigung gegen die betroffene Partei: Verweigert die beweisbelastete Partei die Vorlage, so ist sie beweisfällig. Richtet sich die Vorlageanordnung des Gerichts an die Gegenpartei (die nicht die Beweislast trägt), so wird in vielen Fällen das Gericht in entsprechender Anwendung von § 427 ZPO wegen Beweisvereitelung die Behauptung der beweisbelasteten Partei als bewiesen betrachten, Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 9 Rz. 142; Zekoll/Bolt NJW 2002, 3129, 3130; Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, 2003, 346; Stadler in Festschrift Beys, 2003, 1625, 1631; zum Vergleich mit dem US-amerikanischen discovery-Verfahren Zekoll/ Bolt NJW 2002, 3129, 3133 sowie Varga, Beweiserhebung in transatlantischen Schiedsverfahren – Eine Suche nach Kompromissen zwischen deutscher und USamerikanischer Beweisrechtstradition, Diss. Saarbrücken 2006, 106 ff., 113 ff. Weitere Nachweise zu den Vorlagepflichten der §§ 142 ff. ZPO nach der Reform 2002 bei Gruber/Kießling ZZP 116 (2003), 305; Krapfl, Die Dokumentenvorlage im internationalen Schiedsverfahren, Diss. Köln, 2007, 9 ff.; Schlosser in Festschrift Sonnenberger, 2004, 135; Becker MDR 2008, 1329. Siehe auch Adloff, Vorlagepflichten und Beweisvereitelung im deutschen und französischen Zivilprozess, 2007; Kapoor, Die neuen Vorlagepflichten für Urkunden und Augenscheinsgegenstände in der Zivilprozessordnung, Diss. München 2008; Ahrens in Wieczorek/Schütze, ZPO3, 2008, Rz. 10 vor § 284. 157 Junker a.a.O. 170, 390. 158 Junker a.a.O. 146, 175, 183. 159 Schlosser ZZP 94 (1981), 401; Stürner ZVglRWiss 81 (1982), 203; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht3, 2003, 49; Junker a.a.O. 124, 129, 304. 160 Z.B. Mitteilung nur an einen Gerichtsbeauftragten; versiegelte Umschläge, über deren Eröffnung das Gericht entscheidet; Befreiung von discovery. Nachweise z.B. bei Varga, Beweiserhebung in transatlantischen Schiedsverfahren – Eine Suche nach Kompromissen zwischen deutscher und US-amerikanischer Beweisrechtstradition, Diss Saarbrücken 2006, 122. 161 Nachweise bei Stürner in Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 15; Junker a.a.O. 126, 136; Schack a.a.O. 49.
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Entscheidungsharmonie geheimnis lüften; die nicht beweisbelastete Partei schuldet häufig Entbindung von der Schweigepflicht, Mitteilung an neutralen Dritten etc.162 Verweigert die Partei oder der Dritte die Mitwirkung, so führt dies zu einer Be- 93 strafung wegen contempt of court, FRCP 37 (b) (1) (2) D.163 Darüber hinaus haben die Prozessparteien Prozessnachteile zu gewärtigen (Geständniswirkung, Präklusion, Klageabweisung, Versäumnisurteil).164 Die Prozesspartei „haftet“ für ihr Führungspersonal (officer, director, managing agent): Wenn es die Mitwirkung verweigert, treffen die Prozesspartei selbst die Sanktionen, FRCP 30 (b) (6).165 3. Anwendbares Recht Maßgebend ist das internationale Privatrecht des Gerichtsstaates. Die Wahl des 94 Forums entscheidet somit mittelbar über das in der Sache anwendbare Recht, Rz. 1924. Dies hat z.B. Bedeutung für die Höhe des Schadensersatzes. So sind die Schadensersatzsummen, die aus dem Gesichtspunkt der product liability von US-Gerichten zugesprochen werden, um ein Vielfaches höher als in Deutschland. Aber auch im „täglichen Leben“ der Menschen ergeben sich von Gerichtsstaat zu Gerichtsstaat nicht unerhebliche Diskrepanzen, wie etwa beim Pflichtteils- bzw. Noterbrecht.166 4. Ermittlung ausländischen Rechts Für den Ausgang eines Prozesses ganz entscheidend kann auch sein, nach wel- 94a chen Methoden das angerufene Gericht nach seiner lex fori ausländisches Recht ermittelt, auf welches sein internationales Privatrecht verweist. Atavistisch ist es, ausländisches Recht als Tatsache zu betrachten167 und daher dem Kläger die Darlegungs- und Beweislast für den Inhalt ausländischen Rechts aufzuerlegen; dieser ist – sofern er vom Gegner nicht zugestanden wird – im normalen Beweisverfahren zu ergründen. Dies ist aber oft mit unerschwinglichem Zeit- und Kostenaufwand verbunden, so dass der Justizgewährungsanspruch des Klägers auf der Strecke bleibt.168
162 Ausführlich Stürner a.a.O. 15; Stürmer JZ 1985, 454; Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses, 1989, 117. 163 Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 190; Krapfl, Die Dokumentenvorlage im internationalen Schiedsverfahren, Diss. Köln 2007, 119; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht3, 2003, 50. 164 Junker a.a.O. 127. 165 Stürner in Walther J. Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 13; Junker a.a.O. 193, 390. Allgemein zu den aus kontinentaleuropäischer Sicht horrenden Sanktionen bei Nichtbefolgung von Auskunftsverlangen Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 149; Kindler ZZP 105 (1992), 377. 166 Beispiel z.B. bei Siehr, Internationales Privatrecht – Deutsches und europäisches Kollisionsrecht, 2001, 481. 167 Vgl. unten Rz. 2577. 168 Sehr deutlich Kessel RIW 1996, 293 und Schütze RIW 2007, 801, 806.
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Erster Teil: Grundlegung 5. Durchsetzbarkeit 95
Eine große Rolle spielt auch die Frage der Durchsetzbarkeit der zu erwartenden Entscheidung. Was hilft es dem Kläger, wenn er einen Titel erhält, den er nicht im Wege der Zwangsvollstreckung realisieren kann?169 6. Rechtsklima
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Unabhängig von allen Unterschieden in der (positivrechtlichen) Ausgestaltung der Gerichtsverfassung und des Verfahrens ist für den Ausgang eines Prozesses ganz entscheidend das „Rechtsklima“ im Forumstaat, Rz. 1102, 1927. Dieses wird u.a. nachhaltig beeinflusst von der dort vorherrschenden Rechtskultur, den Denkmodellen der Juristen im Allgemeinen und der Richter und Anwälte im Besonderen.170 So sind z.B. in den common law-Ländern die Strukturen des Zivilprozesses – stärker als im kontinentalen Europa – geprägt durch jahrhundertealte Traditionen. Institutionen, die zwar positivrechtlich weitgehend (seit dem 19. Jahrhundert) abgeschafft sind, beeinflussen das Rechtsdenken bis auf den heutigen Tag nachhaltig: „The forms of action we have buried, but they still rule us from their graves.“171 7. Judizielles Gesamtsystem
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Der Justizkonflikt zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Europa hat die Erkenntnis zu Tage gefördert, dass das Gesamtsystem des Justizapparates zu unterschiedlichen Ergebnissen sowohl bei der Verfahrensgestaltung als auch bei der Rechtsanwendung und -durchsetzung führt.172 169 Schütze WM 1983, 1978. 170 Zum „Auswärtsspiel“ in einer fremden Rechtskultur nunmehr von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht I2, 2003, § 3 Rz. 65. Siehe auch Maesch, Vitamine für Kartellopfer – Forum shopping im europäischen Kartelldeliktsrecht, IPRax 2006, 509, 510. 171 Maitland, The Forms of Action at Common Law, reprint 1936, 65. Zum aktionenrechtlichen Denken englischer Juristen Schnitzer, Vergleichende Rechtslehre, II2, 1961, 427; Schwarz-Liebermann von Wahlendorf, The Forms of action at international law, 1981; Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006, 296. 172 Gegenüberstellung des US-Systems mit dem deutschen z.B. bei Stiefel/Petzinger RIW 1983, 244 und bei Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht3, 2003, 46. Prägnant formuliert Stürner in Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 13: „Viele – wenn auch nicht alle – Aufklärungsmittel sind dem europäischen und kontinentalen Verfahren durchaus nicht unbekannt; so etwa umfassendere Vorlage- und Einsichtsrechte gegenüber Parteien und Dritten, die im deutschen Prozess ungleich enger als bei europäischen Nachbarn geregelt sind; ferner das Kreuzverhör, das sogar im deutschen Strafverfahren zwar kaum praktiziert, aber möglich ist; endlich die Sanktionierung, die z.B. in Frankreich neben Prozessnachteilen neuerdings auch die astreinte mitbeinhaltet. Selbst die prozessuale Haftung für Mitarbeiter ist – allerdings sehr eingeschränkt – als prozessuale Beweisvereitelung denkbar, wenn z.B. eine Partei ihren Einfluss gegen eine Mitwirkung geltend macht. Der Unterschied zu den USA liegt oft wiederum weniger im isolierten Einzelphänomen als in dem geballten Rigorismus, mit dem alle Erforschungsquellen
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Entscheidungsharmonie 8. Prozessbeendigung ohne Sachurteil Ein handgreifliches Beispiel für die Auswirkungen des judiziellen Gesamtsys- 98 tems auf die Prozessbeendigung bietet das US-Recht: Das pre-trial discovery-Verfahren (Rz. 88) übt einen starken Druck auf die Parteien aus, sich zu einigen. Dies ist sogar ein Hauptziel der discovery. So enden in den Vereinigten Staaten von Amerika die meisten Zivilprozesse durch Vergleich.173
V. Einebnung der Unterschiede durch das Anerkennungsrecht All diese Unterschiede, die den Prozessausgang (faktisch) beeinflussen, wer- 99 den durch die Fiktion von der internationalen Fungibilität der Gerichtsverfahren (Rz. 37, 883) dialektisch übersprungen und praktisch amalgamisiert durch das Anerkennungsrecht. Der Umstand, dass der inländische Richter, der über die Anerkennung zu befinden hat (Zweitrichter), den Rechtsstreit anders entschieden hätte als der Erstrichter, ist – solange nicht die Toleranzgrenze des ordre public174 überschritten wird – kein Grund, die Anerkennung zu verweigern. Dies gilt aber nur, soweit die Rechtskraftwirkung reicht; also in der Regel nur, soweit Identität des Streitgegenstandes und der Parteien gegeben ist. Das Dilemma tritt dagegen voll zu Tage, wenn in Nachfolgeverfahren über einen anderen Streitgegenstand zwischen den gleichen Parteien oder über die gleiche Sache zwischen anderen Parteien zu entscheiden ist, Rz. 2754. Anders ist es aber nach Art. 18 IV EGBGB.175 Hier wird für die Abänderung von Unterhaltsentscheidungen das Prinzip der „perpetuatio juris“ eingeführt; maßgebend ist für die Abänderung von Unterhaltsentscheidungen das tatsächlich vom ausländischen Gericht auf die Scheidung angewandte Recht.176
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ausgenützt werden ohne jede Mäßigung im Aufklärungsanlass und ohne Rücksicht auf verbleibende prozessfreie Sphären.“ Siehe auch Baumgartner, The Proposed Hague Convention on Jurisdiction and Foreign Judgments: Trans-Atlantic Lawmaking for Transnational Litigation, 2003, 81 ff., 95. Zu der „demokratischen Errungenschaft“ des jury trial Göpfert/Berger, Jury-Ausschlussklauseln in Verträgen mit amerikanischen Unternehmen, ZIP 2005, 1540, 1541. Zum Vergleichsdruck Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 37, 108; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht3, 2003, 59; Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 20, 55 mit weiteren Nachweisen. Rz. 26, 2910 ff. Art. 18 IV EGBGB ist die innerstaatliche Umsetzung von Art. 8 I Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht, BGBl. 1986 II 837. Kartzke NJW 1988, 105 Fußn. 18. Anders aber bei Statutenwechsel (Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes) OLG Köln vom 20.7.2004, NJW-RR 2005, 876 = FamRZ 2005, 534 = IPRspr. 2004 Nr. 175. Nachweise auch bei Riegner, Probleme der internationalen Zuständigkeit und des anwendbaren Rechts bei der Abänderung deutscher Unterhaltstitel nach dem Wegzug des Unterhaltsberechtigten ins EU-Ausland, FamRZ 2005, 1799.
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Erster Teil: Grundlegung
VI. Formeller Entscheidungseinklang bei mehreren (widersprüchlichen) Entscheidungen über den gleichen Streitgegenstand 101 Werden in der gleichen Sache (über den gleichen Streitgegenstand) zwei oder noch mehr Entscheidungen erlassen, z.B. im Inland und im Staat A oder im Staat A und im Staat B, so muss aus der Sicht einer bestimmten Rechtsordnung (z.B. der deutschen) im Interesse des „formellen“ Entscheidungseinklangs festgelegt werden, welches Urteil zu beachten ist. Dies regeln die Normen über die Beachtung der internationalen Rechtshängigkeit bzw. die Normen über die Kollision von mehreren (in- bzw. ausländischen) Urteilen über den gleichen Streitgegenstand, Rz. 2685.
4. Kapitel: Internationales Zivilprozessrecht als Teil des internationalen Verfahrensrechts I. Bereiche des internationalen Verfahrensrechts 102 Das internationale Zivilprozessrecht gehört systematisch zum internationalen Verfahrensrecht. Es ist sein wissenschaftlich am besten erforschter Teil. Zum internationalen Verfahrensrecht zählt man u.a. noch – das Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit (juridiction gracieuse), §§ 97 ff. FamFG, – das internationale Strafprozessrecht, – das internationale Verwaltungsprozessrecht. Im weiteren Sinne gehört hierzu auch das Verfahrensrecht der internationalen Gerichtshöfe, insbesondere des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag und des Gerichtshofs der Europäischen Union in Luxemburg.177 103–106
II. Verhältnis zum internationalen Strafverfahrensrecht 1. Adhäsionsverfahren 107 Die engsten Berührungspunkte mit dem Strafverfahren hat der Zivilprozess in Adhäsionsverfahren.178 Hier entscheidet der Strafrichter (auch) über die zivil177 Hierzu Herrmann in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I 1982, Kap. I. 178 Auch der Internationale Strafgerichtshof kann nach Art. 75 seines Statuts „den Umfang und das Ausmaß des Schadens, Verlustes oder Nachteils feststellen, der den Opfern … entstanden ist.“ Nach Art. 24 III seines Statuts kann der Strafgerichtshof für Jugoslawien die Rückgabe entzogener Vermögenswerte an die Geschädigten anordnen. Hierzu Heß BerDGVR 40 (2003), 107, 166; Wilhelmi, Das Weltrechtsprinzip im internationalen Privat- und Strafrecht, Diss. Trier 2007, 371.
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IZPR als Teil des internationalen Verfahrensrechts rechtlichen Ansprüche (des Opfers gegen den Täter), vgl. §§ 403 ff. StPO.179 Die internationale Zuständigkeit180 ergibt sich in diesen Fällen nicht aus §§ 12 ff., 32 ZPO, sondern aus §§ 403 ff. i.V.m. §§ 7 ff. StPO.181 Auch Art. 5 Nr. 4 EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ verweist auf das nationale strafprozessuale Kompetenzrecht.182 Adhäsionsurteile ausländischer Gerichte können nicht nur nach autonomem Recht, sondern auch nach den meisten Staatsverträgen anerkannt und vollstreckt werden, Rz. 2871.183
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2. Bindung des Zivilrichters an Feststellungen des Strafrichters a) Keine Bindung im deutschen Erkenntnisverfahren: Bei der Bindung des Zi- 109 vilrichters an die tatsächlichen Feststellungen des Strafrichters handelt es sich um ein Beweismittelverbot, das in Deutschland durch § 14 II Nr. 1 EGZPO184 bereits im 19. Jahrhundert abgeschafft worden ist.185 Solche Bindungen kennt man jedoch noch in Frankreich, Italien und Luxemburg, nicht mehr jedoch in Österreich (§ 268 österr. ZPO wurde vom österr. Verfassungsgerichtshof kassiert).186 Auch in Deutschland wird derzeit über die Wiedereinführung einer solchen Bin-
179 Hierzu z.B. Büscher in Wieczorek/Schütze, ZPO und Nebengesetze3, 2007, § 322 Rz. 93 ff.; Wilhelmi, Das Weltrechtsprinzip im internationalen Privat- und Strafrecht, Diss. Trier 2007, 355 ff. 180 Der Begriff „internationale Zuständigkeit“ wird in der internationalstrafrechtlichen Literatur nur von wenigen verwendet, Nachweise z.B. bei Wilhelmi, Das Weltrechtsprinzip im internationalen Privat- und Strafrecht, Diss. Trier 2007, 7, 42. Gegen diese Abstinenz nunmehr aber mit überzeugenden Argumenten Mankowski/Bock, Die internationale Zuständigkeit der deutschen Strafgerichte als eigene Kategorie des internationalen Strafverfahrensrechts, JZ 2008, 555. 181 Z.B. zum Gerichtsstand des Erscheinungsortes siehe BGH vom 27.6.1997 NJW 1997, 2828. 182 Hierzu kritisch R. Geimer ZIP 2000, 863. Siehe aber auch Mankowski/Bock, Die internationale Zuständigkeit der deutschen Strafgerichte als eigene Kategorie des internationalen Strafverfahrensrechts, JZ 2008, 555, 556. 183 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1425. Zur besseren Unrechts-Bewältigung durch den Zivilprozess vgl. aber Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, Diss. Konstanz 1997, 303. 184 Hierzu z.B. OLG München vom 7.2.2007, OLGR 2007, 496. 185 Hierzu Knauer/Wolf, 2. Hannoveraner ZPO-Symposion 20. September 2003, NJW-Sonderheft 2004, 33, 34; umfassende Nachweise bei Völzmann, Die Bindungswirkung von Strafurteilen im Zivilprozess, 2006. 186 Österr. BGBl. 1990/706; zur Rechtslage nach Aufhebung des § 268 österr. ZPO Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, Einl. Rz. 42; Rechberger/Simotta, Grundriss des österreichischen Zivilprozessrechts – Erkenntnisverfahren7, 2009, Rz. 903. Rechtsvergleichende Hinweise bei Perrot, Le droit à la preuve, in Walther J. Habscheid, Effektiver Rechtsschutz und verfassungsmäßige Ordnung, 1983, 91. Zum französischen Modell der „Action civile“ im Kontrast zum „kränkelnden“ deutschen Adhäsionsverfahren Prinz von Sachsen Gessaphe ZZP 112 (1999), 3 ff.
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Erster Teil: Grundlegung dung des Zivilrichters an die Erkenntnisse des Strafrichters über § 406 III StPO hinaus nachgedacht.187 110 Ganz gleich, wie man dieses Beweismittelverbot dogmatisch einordnet, in keinem Fall ist der deutsche Richter an die tatsächlichen Feststellungen des Strafrichters gebunden. Unterstellt man diesen Komplex der lex fori, ist die Nichtbeachtung klar, Rz. 319. Auch wenn man auf die lex causae abstellt, war bisher das Ergebnis gleich, weil der deutsche ordre public zum Zuge kommt. Der in § 14 II Nr. 1 EGZPO manifestierte Rechtsgedanke ist für die deutsche Rechtsordnung von so grundlegender Bedeutung, dass er auch international durchzusetzen ist. Anders wird es allerdings werden, wenn sich der deutsche „Reform“gesetzgeber für eine Wiedereinführung der Bindung des Zivilrichters an die Erkenntnisse des Strafrichters entschließen sollte.188 111 Historisch ist die Bindung des Zivilrichters an die Feststellungen des Strafrichters ein Überbleibsel polizeistaatlichen Denkens. Ein dem Gerechtigkeitsideal verpflichteter Zivilprozess ist nur denkbar, wenn der Zivilrichter nicht an strafrichterliche „Vor-Urteile“ gebunden ist.189 Eine solche Bindung ist auch verfassungsrechtlich untragbar, wie Walther J. Habscheid überzeugend dargelegt hat.190 112 b) Anerkennung ausländischer Urteile: Ist nun eine Bindung des Zivilrichters an die Feststellungen des Strafrichters aus deutscher Sicht so verpönt, dass sie auch im Anerkennungsstadium durchzusetzen ist? Wie ist zu entscheiden, wenn der ausländische Zivilrichter sich an die Feststellungen des Strafrichters gebunden gehalten und deswegen keine eigenen Beweise erhoben hat? Diese Konstellation ist klar zu trennen von der „direkten“ Anerkennung der (zivilrechtlich relevanten) Wirkungen eines ausländischen Adhäsionsurteils (Rz. 116, 2871). 113 Aus dem Umstand, dass der deutsche Richter – wenn er den gleichen Rechtsstreit als Erkenntnisverfahren zu entscheiden gehabt hätte – den deutschen ordre public zur Anwendung gebracht hätte, folgt nicht mit logischer Notwendigkeit, dass auch die Anerkennung eines ausländischen Urteils am ordre public
187 Siehe § 415a ZPO-E (Art. 1 Nr. 5 des Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung der Justiz, Bundestagsdrucksache 15/1508, [noch] nicht rezipiert vom 1. Justizmodernisierungsgesetz vom 24.8.2004, BGBl. I 2198): § 415a Beweiskraft rechtskräftiger Strafurteile (1) Rechtskräftige Urteile über Straftaten und Ordnungswidrigkeiten begründen vollen Beweis der darin für erwiesen gehaltenen Tatsachen. (2) Auf begründeten Antrag einer Partei ist über diese Tatsachen erneut Beweis zu erheben. 188 De lege ferenda für Bindung an die Feststellungen der Strafurteile Völzmann, Die Bindungswirkung von Strafurteilen im Zivilprozess, 2006. De lege lata hat selbst ein Geständnis im Strafverfahren nur Indizwirkung im Zivilprozess, BGH vom 15.3.2004, BB 2004, 1248. 189 Walther J. Habscheid ZfRV 1985, 309; Walther J. Habscheid, Droit judiciaire privé suisse2, 1981, 91. 190 Walther J. Habscheid, Das Recht auf den Beweis und der Grundsatz der Effektivität der Rechtspflege, SJZ 1984, 381; Walther J. Habscheid in Gilles, Effektivität des Rechtsschutzes und verfassungsmäßige Ordnung – Deutsche Landesreferate zum VII. Internationalen Kongress für Prozessrecht 1983, 25.
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IZPR als Teil des internationalen Verfahrensrechts scheitert; denn es gibt keine völlige Kongruenz zwischen kollisionsrechtlichem und anerkennungsrechtlichem ordre public (Theorie vom ordre public atténué de réconnaissance), Rz. 27. Die Versagung der Anerkennung folgt nicht zwingend aus dem Umstand, dass der Zweitrichter die Anwendung der die ausländische Entscheidung tragenden ausländischen Normen abgelehnt hätte. Es sind Fälle denkbar, in denen die Entscheidung des ausländischen Gerichts hingenommen werden kann, obwohl ceteris paribus der Zweitrichter den kollisionsrechtlichen ordre public bemüht hätte.191 Gleichwohl ist das deutsche Verbot der Bindung des Zivilrichters an die Fest- 114 stellungen des Strafrichters auch gegenüber ausländischen Urteilen durchzusetzen und deshalb die Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung unter Berufung auf den anerkennungsrechtlichen ordre public zu versagen. Man kann nämlich die Tatsachenfeststellung nicht losgelöst vom Verfahrensziel sehen. Es gibt keine abstrakte und isolierte „Wahrheitsermittlung“. Der Strafprozess verfolgt ganz andere Ziele als der Zivilprozess. Auch die Rechtsschutzgarantien sind nicht identisch, ebenso nicht die Parteien. Das ganze „Prozessklima“ ist ein anderes.192 Deshalb ist eine Verurteilung (zu Schadensersatz), die nicht auf eigener Beweiserhebung des Erstrichters beruht, sondern auf den als bindend erachteten tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts, nicht anzuerkennen.193 Das Gleiche muss vice versa gelten bei Klageabweisung, die sich darauf stützt, dass der Strafrichter bereits die fehlende Kausalität, die Nichttäterschaft oder das mangelnde Verschulden etc. festgestellt habe.
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Hiervon zu unterscheiden, jedoch im Ergebnis gleich zu behandeln (Nichtaner- 115a kennung) sind die Fälle, in denen die Entscheidung des Strafrichters Rechtskraftwirkung entfaltet, z.B. kann nach Art. 28 Codice di procedura penale eine Zivilklage vor einem Zivilgericht weder erhoben noch erneut eingereicht werden, wenn durch ein Strafurteil geklärt wurde, dass der Beweis für das Vorliegen einer Straftat nicht ausreicht. Hierzu gehört auch ein Einstellungsurteil (Einstellung des Verfahrens; Ablehnung der Eröffnung des Verfahrens). Dadurch werden zivilrechtliche Ansprüche nach italienischer Auffassung rechtskräftig aberkannt. Nur Ansprüche, die zeitlich nach Erlass des Strafurteils entstanden sind, können noch geltend gemacht werden.194 Die Rechtskraftwirkung dieser italienischen Entscheidung ist vom deutschen Richter nicht zu beachten, Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ bzw. Art. 34 Nr. 1 EuGVVO.195
191 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1588; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 1014. 192 Walther J. Habscheid ZfRV 1985, 309. 193 Anderer Auffassung Völker, Zur Dogmatik des ordre public – Die Vorbehaltsklauseln bei der Anerkennung fremder gerichtlicher Entscheidungen und ihr Verhältnis zum ordre public des Kollisionsrechts, 1998, 229. 194 Art. 26 Codice di procedura penale. 195 Anderer Auffassung LG Frankfurt/M. vom 12.2.1976, VersR 1977, 67 = IPRspr. 1976 Nr. 159, hierzu auch Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 438.
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Erster Teil: Grundlegung 3. Vollstreckung ausländischer Strafurteile 116 Die Vollstreckung ausländischer Strafurteile richtet sich nach §§ 48 ff. des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen vom 23.12.1982.196 Wenn das Strafgericht jedoch im Adhäsionsprozess über zivilrechtliche Ansprüche (des Verletzten) entschieden hat, sind die zivilrechtlichen Wirkungen dieses Urteils nach § 328 ZPO bzw. dem einschlägigen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag anerkennungsfähig, Rz. 2871. Zur Frage, ob die Ordnungsmäßigkeit der Prozesseröffnung an § 328 I Nr. 2 ZPO zu messen ist, Rz. 2077, 2927. Anders als in Deutschland, wo das Adhäsionsverfahren (§§ 403 ff. StPO) in der Praxis nur eine marginale Rolle spielt, wird vor allem in den romanischen Ländern in weitem Umfang von Strafgerichten auch über zivilrechtliche Ansprüche mitentschieden.197 So sind z.B. in Spanien Schadensersatzansprüche, die auf strafbaren unerlaubten Handlungen beruhen, gemäß Art. 1092 CC grundsätzlich im Strafprozess mit geltend zu machen. Solange der Strafprozess anhängig ist, darf die „acción civil“ nicht getrennt davon in einem Zivilverfahren verfolgt werden. Vielmehr ist die Rechtskraft des Strafurteils abzuwarten (Art. 111 LECr), Rz. 116 b.198 4. Anwendung des § 190 StGB auch auf ausländische Strafurteile 116a In der Regel hat derjenige, der seine Behauptungen an den Feststellungen eines rechtskräftigen Strafurteils ausrichtet, seiner Recherchierungspflicht genügt, es sei denn, er weiß oder muss aufgrund der ihm bekannt gewordenen besonderen
196 BGBl. I 2071; siehe auch §§ 54, 55 BZRG. Hierzu BVerfG vom 21.5.1987, NJW 1988, 1462. In der Europäischen Union soll das Übereinkommen vom 13.11.1991 (BGBl. 1997 II 1350) die Zusammenarbeit der Vertragsstaaten erleichtern. Hierzu Borchmann NJW 1998, 19, 26. Siehe auch das Europaratsübereinkommen vom 21.3.1983 (BGBl. 1991 II 1006) über die Überstellung verurteilter Personen (Überstellungsübereinkommen). Auf der Basis des Art. 31 lit. (a) EUV strebt die Kommission die Ausarbeitung eines Übereinkommens über die gegenseitige Anerkennung von Endentscheidungen in Strafsachen an. Nachweise z.B. bei Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006, 130 ff., 247 ff. Kritisch hierzu Schünemann ZRP 2003, 185 aus der deutschen Grundrechtsperspektive zur „Kumulation der jeweils niedrigsten Eingriffsschwelle mit der geringsten Kautel“: „Nivellierung der Bürgerrechte auf das jeweils niedrigste Niveau im Querschnitt aller Mtgliedstaaten, was die Redeweise vom ‚Raum der Freiheit‘ zur Farce stempelt. Denn wenn in jedem Mitgliedstaat vollstreckbar und anzuerkennen ist, was irgendein Mitgliedstaat in Strafsachen vorsieht, so ergibt sich ganz von selbst auf europäischer Ebene das Prinzip der maximalen Punitiviät.“ Kritisch auch Gazeas, Die Europäische Beweisanordnung – Ein weiterer Schritt in die falsche Richtung?, ZRP 2005, 18, 21. 197 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1983, 833. 198 Font Serra, La acción civil en el proceso penal. Su tratamiento procesal, 1991, 9 ff.; Lobedanz, Schadensausgleich bei Straftaten in Spanien und Lateinamerika, 1972, 27 ff.; Karl in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 663.45 ff. Art. 1 Anm. VII Fußn. 101. Zur französischen action civile im Strafverfahren Prinz von Sachsen Gessaphe ZZP 112 (1999), 3, 20 sowie ZZPInt 5 (2000), 225.
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IZPR als Teil des internationalen Verfahrensrechts Umstände wissen, dass diese Feststellungen unrichtig sind. Dies gilt auch für ausländische Urteile.199 5. Keine Beachtung des Prinzips „le criminel tient le civil en l’etat“ In den romanischen Ländern gilt als Grundsatz „le criminel tient le civil en 116b l’etat“.200 Dies bedeutet: Der Strafprozess hat Vorrang vor dem (den gleichen Sachverhalt betreffenden) Zivilprozess. Die Anordnung einer solchen Blockade des Zivilprozesses ist nach der lex fori-Regel (Rz. 319) für den Richter im deutschen Erkenntnisverfahren ohne Bedeutung, und zwar auch dann, wenn nach deutschen Internationalen Privatrecht in der Sache z.B. französisches Recht zur Anwendung kommt. Wesentlich zurückhaltender ist dagegen das deutsche Recht, das in § 149 ZPO nur eine Aussetzungsmöglichkeit vorsieht. Vgl. Rz. 116.
III. Verhältnis zum Verwaltungsstreitverfahren 1. Kompetenzrecht Die Frage der internationalen Zuständigkeit umfasst (einheitlich) alle staatlichen 117 Tätigkeiten; denn Normadressat ist der Staat als Ganzes, nicht einzelne Staatsorgane, auch nicht die Gerichte (Zivilgerichte) in ihrer Gesamtheit. Die Zuweisung der Rechtsprechungsaufgaben an die Gerichte erfolgt normlogisch nicht durch die Normen über die internationale Zuständigkeit, sondern durch die (innerstaatlichen) Organisationsnormen. So ergibt sich in Deutschland die Trennung zwischen Verwaltungsangelegenheiten und Rechtsprechungsaufgaben durch das Prinzip der Gewaltenteilung, Art. 20, 92 GG; hinzu kommen die Normen über die Aufteilung in einzelne Gerichtsbarkeiten (Zivilgerichte, Verwaltungsgerichte etc.), die unter dem Stichwort „Zulässigkeit des Rechtswegs“ diskutiert werden. 2. Anerkennungsrecht Wenn ein ausländisches Verwaltungsgericht über einen zivilrechtlichen An- 118 spruch entscheidet, ist dessen Entscheidung nach § 328 ZPO bzw. dem einschlägigen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag anerkennungs- und vollstreckungsfähig, Rz. 2871.
199 So für Urteile der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik BGH vom 9.7.1985, BGHZ 95, 212. 200 Hierzu ausführliche Nachweise bei Wilhelmi, Vom Vorrang der Strafjustiz gegenüber der Zivilrechtspflege im französischen Recht und seiner Bedeutung für das internationale Schiedsverfahren, IPRax 2007, 348.
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Erster Teil: Grundlegung
5. Kapitel: Rechtsquellen I. Völkergewohnheitsrecht 1. Achtung der Souveränität fremder Staaten – Gebietshoheit 119 Eine der fundamentalen Säulen des Völkergewohnheitsrechts201 ist der Grundsatz der Gleichheit aller Staaten.202 Aus der territorialen Souveränität über sein Gebiet folgt das Recht, eigene Staatstätigkeit in diesem Gebiet zu entfalten (Gebietshoheit). Dieses Recht ist ausschließlicher Natur. Daraus resultiert die Verpflichtung, die Souveränität anderer Staaten zu achten. Jeder Staat hat somit das Recht, von jedem anderen Staat die Achtung seiner Gebietshoheit zu verlangen, Rz. 371.203 120 Daraus folgt das Verbot der Vornahme von Hoheitsakten auf fremdem Staatsgebiet;204 dieses bedeutet aus der spezifischen Sicht des internationalen Zivilprozessrechts, dass deutsche Gerichte in dem Hoheitsgebiet fremder Staaten – ohne deren Zustimmung bzw. ohne ausdrückliche völkerrechtliche Ermächtigung (Rz. 372a) – nicht tätig werden dürfen,205 d.h. sie dürfen keine Hoheitsakte (Rechtsprechungsakte) setzen.206 Verboten ist z.B. die Vernehmung von Zeugen,
201 Ausführlich zum Geltungsgrund des Völkergewohnheitsrechts z.B. Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 21 ff. 202 Siehe z.B. Bertele a.a.O. 113. 203 Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 310, 365; Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 336. Zur Kritik Mann RdC 111 (1964-I) 9, 51; 186 (1984-I) 13, 20. 204 Hierzu z.B. BGH vom 15.9.1999, JZ 2000, 471 (Vassilaki); Bajons in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 38 JN Rz. 4; Dormann Bessenich, Der ausländische Staat als Kläger, 1993, 49; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 78; Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006, 154 ff.; Eschenfelder, Möglichkeiten deutscher Unternehmen, US-amerikanische Discovery auch vor deutschen Gerichten zu nutzen, IPRax 2006, 89, 95; Eschenfelder, Verwertbarkeit von Discovery-Ergebnissen in deutschen Zivilverfahren, RIW 2006, 443; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 130; Kälin/Epiney/Heim, Völkerrecht, 2003, 148; Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, Einleitung Rz. 9 vor Art. IX EGJN; Seidl-Hohenveldern/ Hummer in Neuhold/Hummer/Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. I Rz. 877 ff. 205 Auch nicht in den Räumen der deutschen Auslandsvertretungen; denn diese sind nicht „extraterritorial“ in dem Sinne, dass sie nicht zum Staatsgebiet des Empfangsstaates gehörten, geschweige denn dem Entsendestaat Deutschland zuzuordnen wären, Rz. 780; Bajons in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 38 JN Rz. 5; großzügiger wohl Matscher in Fasching a.a.O. Einleitung Rz. 11 vor Art. IX EGJN. 206 Heß a.a.O. 367 Fußn. 320; Dormann Bessenich, Der ausländische Staat als Kläger, 1993, 6; Roloff, Die Geltendmachung ausländischer öffentlichrechtlicher Ansprüche im Inland, 1994, 135; Schnyder, Wirtschaftskollisionsrecht, 1990, 106 Rz. 151. Umfas-
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Rechtsquellen die Einnahme von Augenschein und jede sonstige amtliche Tätigkeit im Ausland, Rz. 442.207 Reist z.B. ein deutsches Gericht (oder ein von diesem beauftragter Einzelrichter) in die Türkei, um dort – ohne Einschaltung der türkischen Behörden – in seiner Eigenschaft als Richter Augenschein zu nehmen, so liegt darin eine Verletzung der territorialen Souveränität der Türkei. Daran würde sich nichts ändern, wenn der Richter als „Privatmann“ den betreffenden Gegenstand besichtigte. Dies wäre – wenn es in „Umgehungsabsicht“ geschähe – gleichwohl ein Völkerrechtsdelikt. Fraglich ist allerdings, ob das Völkerrecht (davon zu unterscheiden ist die Frage der Zulässigkeit nach deutschem Verfahrensrecht) es verbietet, dass der Richter seine als Tourist zufällig gemachten Wahrnehmungen später in amtlicher Eigenschaft verwertet, Rz. 444. Beispiel: Der Richter wird aus purem Zufall Zeuge eines Autounfalls (zwischen zwei Deutschen) in Istanbul. Dass (deutsche) Gerichte im Ausland ohne die erforderliche Zustimmung (Rz. 442) Gerichtssitzungen abhalten oder dass (deutsche) Gerichtsvollzieher „Streifzüge“ in das benachbarte Ausland unternehmen, um dort (bewegliche) Sachen zu pfänden und in Besitz zu nehmen (§§ 808, 809 ZPO), ist – nach Abschaffung der Konsulargerichtsbarkeit208 – unwahrscheinlich.209 Von aktuellem Interesse ist jedoch die Frage, inwieweit deutsche Gerichte sich unmittelbar an Parteien, Zeugen, Sachverständige oder sonstige Beteiligte im Ausland – ohne Einschaltung ausländischer Rechtshilfe – wenden dürfen, hierzu Rz. 425 ff. So wird z.B. die Auffassung vertreten, die an einen im Ausland befindlichen Zeugen gerichtete Ladung zu einem Gerichtstermin im Inland oder die an diesen Zeugen gerichtete Aufforderung, dem Gericht bestimmte Urkunden vorzulegen, sei völkerrechtswidrig. Das Einverständnis des Zeugen zu diesem Verfahren sei unerheblich, weil er über die staatliche Gerichtshoheit nicht verfügen könne.210 Hierzu Rz. 437.
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Dabei ist zu beachten, dass aufgrund der fortschreitenden internationalen Ver- 122 flochtenheit der privatrechtlichen Beziehungen (verursacht vor allem durch die internationale Mobilität) viele Verfahren ohne Beteiligung von Personen, die sich im Ausland aufhalten, sinnvoll nicht abgewickelt werden können. Dem kann man nicht entgegenhalten, das jeweilige Gericht möge sich der Rechtshilfe
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sende Nachweise zur Staatenpraxis bei H. E. Folz, Die unmittelbaren Rechte der Staaten, in Festschrift Verdross, 1980, 403, 417; Geck, Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet, in Wörterbuch des Völkerrechts2, 1960, 795; Mann, The doctrine of Jurisdiction after 20 years, in Further Studies in International Law, 1990, 34; Müller/Wildhaber, Praxis des Völkerrechts3, 2001, 415; Siegrist, Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet, 1987, 169. Kälin/Epiney/Heim, Völkerrecht, 2003, 148; Roloff a.a.O. 136; Seidl-Hohenveldern/ Stein, Völkerrecht10, 2000, Rz. 1506; Ewald Geimer, Internationale Beweisaufnahme, 1998, 111; Stefan Huber, Europäische Beweisaufnahmeverordnung in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, Kapitel 29 Rz. 37. Dahm/Delbrück/Wolfrum,Völkerrecht2 I 1, 1989, 327. Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 25; vgl. aber auch Nachweise bei Siegrist a.a.O. 153 (ein Richter des LG Bonn vernimmt Zeugen in Wien ohne Wissen der österreichischen Justiz). Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht mit Europarecht4, 2009, § 61 II 2c.
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Erster Teil: Grundlegung in dem betroffenen Staat bedienen. Dieses Verfahren ist zu schwerfällig und in vielen Fällen auch erfolglos. 123 Es ist folgendermaßen zu differenzieren:211 Eine bloße Mitteilung an Personen, die sich im Ausland aufhalten (Parteien, Zeugen, Gutachter, Sachverständige etc.), ist völkerrechtlich unbedenklich, Rz. 424 ff.212 Dies gilt nicht nur für eigene Staatsangehörige (hier dürfte es wohl unbestritten sein, dass der Heimatstaat seine eigenen Staatsbürger von dem im Inland laufenden Verfahren unterrichten darf), sondern auch für Ausländer und Staatenlose. Etwas anderes gilt möglicherweise dann, wenn die im Ausland sich aufhaltende Person nicht nur von dem im Inland laufenden Verfahren informiert wird und sie auf mögliche (nach der inländischen Rechtsordnung eintretende) Rechtsnachteile hingewiesen wird, sondern wenn ihr ein Verhalten im Ausland (Heimatstaat, Aufenthaltsstaat) befohlen wird. Dies ist gegenüber eigenen Staatsangehörigen zulässig,213 nicht jedoch gegenüber Ausländern. 124 So ist es völkerrechtskonform, wenn ein deutsches Gericht einen deutschen Staatsbürger auffordert, vor einem deutschen Gericht als Partei oder Zeuge zu erscheinen. Denn die Personalhoheit (Rz. 128b, 427, 2388) erstreckt sich auch auf die im Ausland sich aufhaltenden eigenen Staatsbürger.214 124a Die Frage, in welchem Umfang die Staaten die Zustellung bzw. Mitteilung von Schriftstücken im Zusammenhang mit einem im Ausland anhängigen Rechtsstreit/Verfahren dulden müssen (passive Rechtshilfe), ist lebhaft umstritten, Rz. 414, 2169. Man arbeitet daher mit der Fiktion einer Inlandszustellung, wenn Zustellungen nicht im Ausland möglich sind (§ 184 ZPO bzw. remise au parquet), Rz. 2087.215 Damit wird oft die Gewährung rechtlichen Gehörs unmöglich gemacht und das kontradiktorische Prinzip ad absurdum geführt.
211 Enger die herrschende Meinung, Nachweise bei Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 94 ff.; Gregor Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 129 ff. Siehe auch Dannemann, Die ungewollte Diskriminierung in der internationalen Rechtsanwendung – Zur Anwendung, Berücksichtigung und Anpassung von Normen aus unterschiedlichen Rechtsordnungen, 2004, 61 ff. 212 Siehe auch österr. OGH vom 20.4.1961, EvBl. 1961/448; Leitsatz auch abgedruckt bei Neuhold/Hummer/Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. II D 93 S. 167. 213 Allgemein zur Befugnis der Staaten, ihren eigenen Staatsbürgern Weisungen für das Verhalten im Ausland zu geben, Seidl-Hohenveldern/Hummer in Neuhold/Hummer/ Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. I Rz. 750. 214 Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, 87; Nordmann, Die Beschaffung von Beweismitteln aus dem Ausland durch staatliche Stellen, 1979, 104 Fußn. 117; Schabenberger, Der Zeuge im Ausland im deutschen Zivilprozess, Diss. Freiburg/Br. 1996, 33. 215 Im Anwendungsbereich des Art. IV des EuGVÜ-Protokolls und der EuZustellungsVO ist die remise au parquet nicht mehr zulässig, EuGH vom 13.10.2005, Rs C-522/03 – Scania NJW 2005, 3627 = RIW 2005, 940 = IPRax 2006, 157 (Stadler 116). Unter Hinweis auf dieses Urteil wird nunmehr auch die weitere Anwendbarkeit von § 184 ZPO im Anwendungsbereich des europäischen Gemeinschaftsrechts verneint, Heiderhoff
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Rechtsquellen Die strikte Handhabung der Souveränität behindert den internationalen Rechts- 124b verkehr ganz erheblich. Beweisaufnahmen, die für den Prozessausgang von eminenter Bedeutung sein können, unterbleiben oder finden nur mit erheblicher Verzögerung statt, Rz. 2351. Der Rechtsstreit wird daher oft nicht aufgrund des wahren Sachverhalts entschieden, sondern anhand eines fingierten. 2. Immunitätsrecht Ein fester Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts seit Jahrhunderten ist die 125 Befreiung bestimmter Amtsträger von der Gerichtsbarkeit fremder Staaten. Die Grundsätze sind – was die Staatenimmunität sowie die Immunität der Botschafter, Gesandten und Konsuln anbetrifft – inzwischen kodifiziert. Näher Rz. 471 ff. 3. Fehlen einer internationalen Zuständigkeitsordnung Dagegen fehlt eine völkerrechtliche Zuständigkeitsordnung. Man streitet darü- 126 ber, ob Minimalkontakte erforderlich sind, um von Völkerrechts wegen eine internationale Zuständigkeit eröffnen zu können, Rz. 373 ff.216 Nach herrschender Meinung verbietet das Völkerrecht, dass ein Staat für alle Rechtsstreitigkeiten auf dieser Welt internationale Zuständigkeit beansprucht. Ein Minimalbezug zum Inland ist Voraussetzung hierfür.217 EuZW 2006, 235, 237; Sharma, Zustellungen im Europäischen Binnenmarkt, 2003, 73. Siehe auch Heckel, Die fiktive Inlandszustellung auf dem Rückzug – Rückwirkungen des europäischen Zustellungsrechts auf das nationale Recht, IPRax 2008, 218. 216 Nachweise auch bei Escher/Reichert SchiedsVZ 2007, 71, 73. 217 Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 221 ff.; Kofmel Ehrenzeller, Der vorläufige Rechtsschutz im internationalen Verhältnis, 2005, 314 ff.; Gottwald in Festschrift Habscheid, 1989, 130; siehe auch Restatement Third Foreign Relations Law (1987) § 421 (1). Anderer Auffassung (gegen jegliche völkerrechtliche Begrenzung) Kralik ZZP 74 (1961), 2, 12; Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I. 1982, Kap. III Rz. 336; Matscher in Festschrift Schwind, 1978, 186; Matscher in Festschrift Verosta, 1980, 221; Matscher JBl. 1996, 277; Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, Einl. Rz. 6 vor Art. IX EGJN (beschränkt nur durch den internationalen Menschenrechtsschutz); Rechberger in Festschrift Nagel, 1986, 312; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 186; Schack JZ 1992, 54, 55. Zum Meinungsstand siehe auch Bajons in Festschrift Kralik, 1986, 11; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 324; Shaw, International Law6, 2008, 645, 651. R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 67, 104; R. Geimer ZZP 85 (1972), 201; R. Geimer ZfRV 1992, 333; Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, 81, 141; Heini Schweizer JbIntR 41 (1985) 93; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 370; Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 766; Otto, Der prozessuale Durchgriff – die Nutzung forumansässiger Tochtergesellschaften in Verfahren gegen ihre auswärtigen Muttergesellschaften im Recht der USA, der Europäischen Gemeinschaften und der Bundesrepublik Deutschland, zugleich ein Beitrag im Justizkonflikt mit den USA, 1993, 126 ff.; Seber ZfRV 24 (1983) 271 Fußn. 5; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 161; Schütze,
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Erster Teil: Grundlegung 127a Dezidiert geht der theoretische Streit darum, ob die Gerichtsbarkeit der Staaten grundsätzlich unbeschränkt ist218 oder ob ein „positiver Titel“ erforderlich ist, d.h. dass ein Staat Jurisdiktion bezüglich einer Person oder Sache nur ausüben darf, wenn ihm der Nachweis gelingt, dass zumindest ein „anerkanntes Anknüpfungsmerkmal“ gegeben ist.219 Das Bundesverfassungsgericht220 verlangt ein „Mindestmaß an Einsichtigkeit“. 128 Die vom Völkerrecht aufgestellten Grenzen sind nach Auffassung vieler Internationalverfahrensrechtler von nur theoretischer Bedeutung. „Sie verlaufen irgendwo im Nebel praktischer Unbrauchbarkeit.“221 Z.B. reicht die Anrufung eines deutschen Gerichts und das damit zum Ausdruck gebrachte Vertrauen in die deutsche Rechtspflege völkerrechtlich aus, um einen Minimalkontakt zum Inland zu bejahen.222 Allenfalls verboten ist die Inanspruchnahme internationaler
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Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 103; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 1186; Mann RdC 111 (1964 I), 1; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 63; Schack in Festschrift Nakamura, 1996, 506; Kleinstück, Due Process-Beschränkungen des Vermögensgerichtsstandes durch hinreichenden Inlandsbezug und Minimum Contacts, 1994, 130 ff.; Rau RIW 2000, 761, 772. Nachweise bei Nordmann, Die Beschaffung von Beweismitteln aus dem Ausland durch staatliche Stellen, 1979, 80 Fußn. 49 und 50; Dormann Bessenich, Der ausländische Staat als Kläger, 1993, 6. Nachweise bei Georgieff, Kollisionen durch extraterritoriale staatliche Regelungen im internationalen Wirtschaftsrecht, 1989, 24; Kramp, Die Begründung und Ausübung staatlicher Zuständigkeit für das Verbot länderübergreifender Fusionen nach dem geltenden Völkerrecht, 1993, 28; Kuhmann, Das Ermittlungsverfahren im internationalen Kartellrecht der USA, 1988, 347 Fußn. 357; Nordmann a.a.O. 80 Fußn. 51; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung, 1992, 219; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1995, 151. BVerfGE 63, 343, 369; BVerfGE 77, 137, 153; BVerfGE 92, 277, 320; BVerfG vom 12.12.2000, NJW 2001, 1848 = NStZ 2001, 240 = JZ 2001, 975 (Kadelbach). Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 766. Hierzu Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 325: „Die oft zitierte Behauptung Schröders . . . ist nach den hier gefundenen Ergebnissen richtig und falsch zugleich. Falsch ist sie, weil bei Anwendung des allgemeinen völkerrechtlichen Genuine Link Erfordernisses schon einige Gerichtsstände oder zumindest deren Anwendung im Einzelfall den Anforderungen nicht genügen und damit potentiell völkerrechtswidrig sind. Richtig ist die Aussage, weil die Völkerrechtswidrigkeit von den betroffenen Staaten nicht geltend gemacht wird. Die Duldung verhindert die Völkerrechtswidrigkeit.“ Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 186; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 370; Nachweise auch bei Remien, Rechtsverwirklichung durch Zwangsgeld, 1992, 304 und Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 41. Anderer Auffassung Walchshöfer ZZP 80 (1967), 171 Fußn. 21 und 219 f. bei Fußn. 239: Das Völkerrecht verbiete, dass deutsche Gerichte Klagen ausländischer Staatsangehöriger, die sich weder in Deutschland aufhalten noch Vermögen im Inland besitzen, annehmen. Schlosser, ZZP 79 (1966), 176 bejaht eine Völkerrechtsverletzung, „wenn es überhaupt an einem vernünftigen Anknüpfungspunkt für die nationalen Gerichte fehlt“.
Rechtsquellen Zuständigkeit in Ehesachen, „die auf ein Taschentuch des Beklagten im Inland“ begründet würde223 oder die Eröffnung der internationalen Insolvenzzuständigkeit aufgrund früherer physischer Präsenz des Gemeinschuldners im Eröffnungsstaat oder der Staatsangehörigkeit eines Gläubigers.224 Völkerrechtlich unbedenklich ist die kompetenzrechtliche Einbeziehung Dritter (für die eine „normale“ Zuständigkeitsanknüpfung fehlt) in den Prozess aus Gründen des Sachzusammenhangs. Dies gilt insbesondere für die internationale Streitgenossenzuständigkeit (Rz. 188a, 1160, 1292, 1578)225 und die Garantieklage (Rz. 1199, 2820).226 Die Befürworter (engerer) völkerrechtlicher Schranken für die Eröffnung einer 128a internationalen Zuständigkeit haben die „Staatenpraxis“ gegen sich. Eine Liste der verpönten exorbitanten Zuständigkeiten findet sich z.B. in Art. 3 II EuGVÜ/ LugÜ (sie wird jeweils nach Beitritt neuer EG-Staaten verlängert, Rz. 1383) und in der Anlage zu Art. 3 II EuGVVO bzw. zu Art. 20 des Europäischen Übereinkommens über die Staatenimmunität (Rz. 682).227 Gegen keinen dieser Gerichtsstände wurde jemals protestiert. Ihre Wirkung wurde sogar durch Art. 4 II, Art. 25 ff. EuGVÜ/LugÜ bzw. nunmehr Art. 4 II, Art. 32 ff. EuGVVO verstärkt.228 Auch wird oft nicht deutlich genug herausgestellt, dass – wenn überhaupt – die 128b Frage völkerrechtlicher Grenzen zulässiger Jurisdiktion nur bei reinen Ausländerprozessen auftauchen kann. Die Personalhoheit des Gerichtsstaats gestattet es nämlich nicht nur, alle Prozesse gegen einen eigenen Staatsangehörigen zur Sachentscheidung anzunehmen, sondern auch solche, in denen dieser Kläger ist (aktives und passives Personalitätsprinzip, Rz. 169).229 Zur Trennung der Gerichtszuständigkeit (= Befugnis, ein Verfahren zu eröffnen 128c und zu führen) von der „Beweiszuständigkeit“ unten Rz. 1206, 2382.
223 So zutreffend Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 766 Fußn. 3451. Weitergehend Wengler, Völkerrecht II, 1964, 947 und RGRK-IPR § 3b, § 14a. Vgl. auch Bosch IPRax 1984, 132 Fußn. 46; Rathke RIW 1984, 273; Karen Ilka Mössle a.a.O. 42. 224 Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, 21. 225 Hierzu z.B. Geier, Die Streitgenossenschaft im internationalen Verhältnis, Diss. St. Gallen 2005. 226 Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 241. 227 Ebenso Art. 18 des Entwurfs zu einer Haager Konvention über die gerichtliche Zuständigkeit und die Wirkungen von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen; http://hcch.net/e/conventions/draft 36e.html. 228 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1983, 310, 1036. Gleichwohl stellt Bertele, a.a.O. 224 ff. die Völkerrechtskonformität z.B. des § 23 ZPO in Frage. 229 Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht10, 2000, Rz. 1373; Bertele, a.a.O. 235. Siehe auch Wilhelmi, Das Weltrechtsprinzip im internationalen Privat- und Strafrecht, Diss. Trier 2007, 9, 65 ff.
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Erster Teil: Grundlegung 4. Fremdenrechtlicher Mindeststandard 129 a) Justizgewährung: Das Völkergewohnheitsrecht gewährleistet einen fremdenrechtlichen Mindeststandard, insbesondere was den Zugang zu den Gerichten und die Durchführung des Verfahrens zum Zwecke einer Entscheidung in der Sache (meritorischen Entscheidung) betrifft. Deni de justice ist verboten, Rz. 384, 1909. Das Völkergewohnheitsrecht gebietet jedoch nicht, Ausländer den Inländern hinsichtlich des Zugangs zu den Gerichten gleichzustellen.230 Es schreibt nur ein Mindestmaß an Justizgewährung vor, welches die Staaten Fremden zubilligen müssen. Das Maß, in dem das Völkerrecht Gerichtsschutz für Fremde fordert, muss dem Standard der zivilisierten Staaten in Zivil- und Handelssachen entsprechen.231 Vgl. Rz. 385. 130 Im Übrigen sind die nationalen Gesetzgeber frei, zwischen In- und Ausländern zu differenzieren, soweit nicht Handels-, Freundschafts- und Niederlassungsverträge Inländergleichbehandlung vorschreiben; verboten sind nur unsachliche und willkürliche Differenzierungen, die mit dem Fremdenstatus nicht ausreichend begründet werden können, Rz. 1915.232 So war z.B. die (inzwischen überholte) Praxis der französischen Gerichte, aus Art. 14, 15 Code civil ein generelles Verbot von reinen Ausländerprozessen abzuleiten, völkerrechtswidrig, Rz. 1907, 1953. Zulässig ist auch die unterschiedliche Behandlung von Ausländern oberhalb des fremdenrechtlichen Mindeststandards, Rz. 1915. 130a Das forum rei sitae ist völkerrechtlich nicht geboten, Rz. 394. Der Belegenheitsstaat ist daher völkerrechtlich nicht verpflichtet, Rechtsschutz zu gewähren. 131 b) Recht auf angemessene Verteidigung: Macht ein Gericht von einer völkerrechtlich zugelassenen Zuständigkeit (Rz. 128) zur Durchführung des Zivilprozesses Gebrauch, so gebietet das Völkerrecht, den Beklagten von der Klage (oder der Absicht des Gerichts, von Amts wegen ein Verfahren einzuleiten) zu benachrichtigen. Wenn der Beklagte eine Vertrauensperson oder eine geschäftliche Niederlassung im Prozessstaat hat, muss der Versuch einer (unter Umständen nur symbolischen) Zustellung der Klage gemacht werden. Ist der Beklagte im Forumstaat persönlich nicht anwesend und hat er dort auch keine Wohnung oder geschäftliche Niederlassung oder einen zur Entgegennahme von Zustellungen ermächtigten Vertreter, so ist nach Völkerrecht auch eine öffentliche Zustellung233 der Klage im Gerichtsstaat genügend, und zwar auch dann, wenn eine persönliche Benachrichtigung des Beklagten, etwa durch Vermittlung von Behörden seines Aufenthalts- oder Wohnsitzstaates oder durch eine bloße Mitteilung über
230 Gottwald in Habscheid/Beys, Grundfragen des Zivilprozessrechts – die internationale Dimension, 1991, 13; R. Geimer RabelsZ 60 (1996), 368. 231 Urbanek österr. ZöffR 11 (1961), 262. 232 Doehring, Die allgemeinen Regeln des völkerrechtlichen Fremdenrechts und das deutsche Verfassungsrecht, 1963, 101; Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, 144. 233 Grundlegend BGH vom 19.12.2001, NJW 2002, 827 sowie BGH vom 11.12.2002, NJW 2003, 1326.
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Rechtsquellen die Post durchführbar wäre. Doch muss neben der öffentlichen Zustellung eine Mitteilung durch die Post, wenn sie möglich ist, versucht werden.234 c) Mediatisierung des Menschen im klassischen Völkerrecht: Nach klassischem 132 Völkerrecht ist der einzelne Mensch nicht Völkerrechtssubjekt.235 Er hat – auf völkerrechtlicher Ebene – keine Rechte.236 Vielmehr hat der Heimatstaat Anspruch, dass seine Staatsangehörigen völkerrechtsgemäß behandelt werden.237 Verletzt der Aufenthaltsstaat den fremdenrechtlichen Mindeststandard, dann 133 ist aus dieser Sicht der Heimatstaat betroffen. Dieser hat Anspruch auf Schadensersatz, da unterstellt wird, dass die Beeinträchtigung bzw. der Schaden diesem zugefügt worden ist.238 Der einzelne Mensch wird also nicht als Objekt völkerrechtlichen Unrechts anerkannt. Zwar beziehen sich viele völkerrechtliche Unrechtstatbestände auf Schädigungen oder Beeinträchtigungen, die einem Menschen zugefügt werden, jedoch wird fingiert, dass dessen Heimatstaat (bzw. die internationale Organisation, in deren Dienst er handelte) geschädigt wurde. Daher steht dem tatsächlich geschädigten Menschen in der Regel nicht das 134 Recht zu, völkerrechtliche Schritte zur Ahndung oder Beseitigung der Folgen eines völkerrechtlichen Unrechts zu unternehmen, durch das er unmittelbar geschädigt worden ist.239 Da bei völkerrechtswidriger Behandlung eines Menschen nicht dieser, sondern sein Heimatstaat in der Person eines seiner Angehörigen als verletzt gilt,240 entscheidet dieser Staat (nicht die verletzte Person) über die Gewährung diplomatischen Schutzes sowie gegebenenfalls über die Geltendmachung von Wiedergutmachungsansprüchen.241
234 Wengler, Internationales Privatrecht in RGR-Kommentar12, VI, 1981, § 3b. Vgl. auch Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr, 1995, 191. – Siehe auch unten Rz. 252, 418, 2087. 235 Nachweise z.B. bei Randelzhofer, The Legal Position of the Individual under Present International Law, in Randelzhofer/Tomuschat, State Responsibility and the Individual, 1999, 231; Zemanek/Hafner/Wittich in Neuhold/Hummer/Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. I Rz. 2797 ff. 236 Zur Erosion dieses rigiden Standpunkts in Richtung partielle Völkerrechtsfähigkeit des Menschen Marauhn, Die Rechtsstellung des Menschen im Völkerrecht, Entwicklungen und Perspektiven, 2003; Schwarzmann, Private im Wirtschaftsvölkerrecht, 2005, 148 ff.; Dörr, „Privatisierung“ des Völkerrechts, JZ 2005, 905. Siehe auch BVerfG vom 28.6.2004 NJW 2004, 3257, 3258: Das Grundprinzip des diplomatischen Schutzes schließt nicht aus, dass das nationale Recht des verletzenden Staates dem Verletzten einen individuellen Anspruch gewährt, der neben die völkerrechtlichen Ansprüche des Heimatstaates tritt. Hierfür besteht jedoch keine Vermutung. 237 R. Geimer ZfRV 1992, 339; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 340; Schack BerDGVR 32 (1992), 317. 238 Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht10, 2000, Rz. 1639. 239 AG Bonn vom 29.9.1987, NJW 1988, 1393 = IPRax 1988, 351 (Gündling 338) = ROW 1988, 305 = IPRspr. 1987 Nr. 26 (Tschernobyl-Fall). 240 BVerfG vom 13.5.1996, BVerfGE 94, 315; Tomuschat IPRax 1999, 237, 238. 241 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, §§ 47, 1226 ff., 1300.
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Erster Teil: Grundlegung Die Fiktion, dass der Heimatstaat in der Gestalt seines Staatsangehörigen geschädigt ist, hat zur Folge, dass ein Staat keine völkerrechtlichen Ansprüche zugunsten einer Person geltend machen kann, die im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses noch nicht sein Staatsangehöriger war.242 Umstritten ist jedoch, ob ein Staat Entschädigungsansprüche zugunsten einer Person nicht mehr geltend machen kann, die zwar im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses sein Staatsangehöriger war, die aber zwischen diesem Zeitpunkt und der Zuerkennung der Entschädigungssumme dessen Staatsangehörigkeit verloren hat.243 135 d) Diplomatischer Schutz: Die geschädigte Person kann einen Schadensersatzanspruch für völkerrechtswidriges Verhalten im zwischenstaatlichen Verkehr mithin nur mittelbar geltend machen, nämlich dann, wenn ihr Heimatstaat244 diesen Schadensersatzanspruch aufgrund seiner Personalhoheit zu dem seinigen macht. Eine förmliche Abtretung (espousal of claim)245 an ihn ist nicht erforderlich, wird aber nicht selten durchgeführt.246 Es handelt sich um eine „völkerrechtliche Prozessstandschaft.“247 Doppelstaater können nicht gegen den Staat ihrer zweiten (bzw. weiteren) Staatsangehörigkeit geschützt werden.248 Staatenlose bleiben überhaupt ohne diplomatischen Schutz.249 136 Der Heimatstaat des Geschädigten kann den Antrag, Schritte zur Wiedergutmachung des völkerrechtlichen Unrechts zu unternehmen, mit der Begründung ab-
242 Verdross/Simma a.a.O. § 1302. 243 Seidl-Hohenveldern/Stein a.a.O. Rz. 1705; Dahm, Völkerrecht III, 1961, 255. 244 Zur nationality rule Kokott in Ress/Stein, Der diplomatische Schutz im Völker- und Europarecht – Aktuelle Probleme und Entwicklungstendenzen, 1996, 45. Siehe auch Amerasinghe, Diplomatic Protection, 2008. 245 Hierzu z.B. Oschmann, Calvo-Doktrin und Calvo-Klauseln – Wechselnde Realitäten im Internationalen Wirtschaftsrecht Lateinamerikas, 1993, 139; Seidl-Hohenveldern/ Hummer in Neuhold/Hummer/Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. I Rz. 708. 246 Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 342 Fußn. 163. 247 Heß a.a.O. 346 Fußn. 195; Ipsen, Völkerrecht6, 2009, § 24 Rz. 41; BGH ArchVR 11 (1963/64), 331. Anderer Auffassung Doehring in Ress/Stein, Der diplomatische Schutz im Völker- und Europarecht – Aktuelle Probleme und Entwicklungstendenzen, 1996, 13: „Prozessstandschaft setze voraus, dass ein Anspruch des Verletzten bestehe; einen solchen Anspruch auf der Ebene des Völkerrechts könne aber nur ein Völkerrechtssubjekt innehaben und das sei der Einzelmensch eben nicht, jedenfalls nicht im Hinblick auf alle möglichen Missachtungen des völkerrechtlichen Fremdenrechts.“ Er bejaht allerdings für den einzelnen Menschen als partielles Völkerrechtssubjekt einen eigenen im Völkergewohnheitsrecht wurzelnden Anspruch auf Unterlassung bzw. Wiedergutmachung, wenn es um ein absolutes völkerrechtliches Menschenrecht geht. 248 Mansel, Personalstatut, Staatsangehörigkeit und Effektivität, 1988, Rz. 158, 169. Zum diplomatischen Schutz bei mehrfacher Staatsangehörigkeit Hailbronner in Ress/Stein, Der diplomatische Schutz im Völker- und Europarecht – Aktuelle Probleme und Entwicklungstendenzen, 1996, 27. 249 Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht10, 2000, Rz. 1299. Zum diplomatischen Schutz für Gesellschaften/juristische Personen und deren Anteilseigner Seidl-Hohenveldern in Ress/Stein, Der diplomatische Schutz im Völker- und Europarecht – Aktuelle Probleme und Entwicklungstendenzen, 1996, 115; Wildhaber BerDGVR 18 (1978) 43.
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Rechtsquellen lehnen, dass außenpolitische Interessen das nicht opportun erscheinen lassen. Sein Handlungsermessen ist im Falle Deutschlands zwar grundsätzlich nach Art. 19 IV GG gerichtlich überprüfbar. Die Gerichte lassen aber zu Recht der Bundesregierung bei der Ausübung der auswärtigen Gewalt einen sehr weiten Spielraum, Rz. 144.250 Der Heimatstaat kann auch später jederzeit ohne Zustimmung des Geschädigten einen Vergleich schließen, der vom Geschädigten als unbefriedigend betrachtet wird. Innerstaatlich wird hierfür meist nicht einmal ein Aufopferungsanspruch zuerkannt.251 Da der Wiedergutmachungsanspruch als eigener Anspruch des Heimatstaates 137 betrachtet wird,252 könnte dieser theoretisch eine Entschädigungssumme, die er zur Wiedergutmachung eines Unrechts erhalten hat, das einem seiner Staatsangehörigen zugefügt worden ist, für andere Zwecke als für die Entschädigung dieses Staatsangehörigen verwenden.253 Doch weist Seidl-Hohenveldern254 überzeugend darauf hin, dass bereits von Völkerrechts wegen – also nicht nur aus innerstaatlicher Perspektive – hiergegen Bedenken bestehen; denn der die Entschädigung zahlende Staat will mit dieser Entschädigungssumme die Wiedergutmachung des effektiven Schadens, der bei dem Privaten entstanden ist, bewirken. Da Privatpersonen bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen für 138 völkerrechtliches Unrecht vor unüberwindliche Hindernisse gestellt sind, nimmt die Organisation der Vereinten Nationen (UNO) für sich das Recht in Anspruch, für ihre Beamten, die in Ausübung ihres Dienstes Schaden erlitten haben, Entschädigungsansprüche gegen den Schuld tragenden Staat stellen zu können.255 e) Unionsbürger der Europäischen Union: Nach Art. 23 AEUV/Art. 20 EGV 138a genießt jeder Unionsbürger im Hoheitsgebiet eines dritten Landes, in dem der Mitgliedstaat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt, nicht vertreten ist, den diplomatischen und konsularischen Schutz eines jeden Mitgliedstaates unter denselben Bedingungen wie Staatsangehörige dieses Staates.256
250 R. Geimer ZfRV 1992, 414; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 362. Zum Anspruch auf diplomatischen Schutz Doehring, Die Pflicht des Staates auf Gewährung diplomatischen Schutzes, 1959; Klein in Ress/Stein, Der diplomatische Schutz im Völker- und Europarecht – Aktuelle Probleme und Entwicklungstendenzen, 1996, 125. Siehe auch die Nachweise bei Yousif, Die extraterritoriale Geltung der Grundrechte bei der Ausübung deutscher Staatsgewalt im Ausland, 2007. 251 Seidl-Hohenveldern/Stein a.a.O. Rz. 1697. Die Frage ist jedoch, ob dies auch unter der Herrschaft des Grundgesetzes gilt, Rz. 142. Nachweise bei Hagelberg, Die völkerrechtliche Verfügungsbefugnis der Staaten über Rechtsansprüche von Privatpersonen, Diss. Humboldt-Universität Berlin 2006. 252 BVerfG vom 13.5.1996, BVerfGE 94, 315; Tomuschat IPRax 1999, 237, 238. 253 Nachweise bei Heß a.a.O. 342 Fußn. 164. 254 Seidl-Hohenveldern/Stein a.a.O. Rz. 1698. 255 Gutachten des Internationalen Gerichtshofs vom 11.4.1949 (Bernadotte-Fall), SeidlHohenveldern/Stein a.a.O. Rz. 1699. 256 Hierzu Stein in Ress/Stein, Der diplomatische Schutz im Völker- und Europarecht – Aktuelle Probleme und Entwicklungstendenzen, 1996, 96.
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Erster Teil: Grundlegung 139 f) Parallelität zum Gerichtsschutz nach innerstaatlichem Recht: Wenn auch die durch völkerrechtswidriges Verhalten eines fremden Staates geschädigte Privatperson (Mensch oder juristische Person des Privatrechts) mangels Völkerrechtssubjektivität keinen unmittelbaren völkerrechtlichen Anspruch gegen den Schädigerstaat und auch gegen den eigenen Staat keinen Anspruch auf (effektiven) diplomatischen Schutz hat (Rz. 135, 574), so bleibt es ihr gleichwohl unbenommen, – entweder den innerstaatlichen Rechtsweg im Schädigerstaat zu beschreiten – oder im eigenen Heimat- bzw. Aufenthaltsstaat oder in einem dritten Staat (der sich für international zuständig hält) den fremden Staat gerichtlich zu belangen. Dies ist grundsätzlich möglich, soweit es sich um acta iure gestionis handelt, Rz. 575, 578.257 Zur völkerrechtlichen Ebene bestehen folgende Zusammenhänge:258 140 Der völkerrechtliche Schadensersatzanspruch setzt grundsätzlich voraus, dass der innerstaatliche Rechtsweg im Schädigerstaat (= Staat, der völkerrechtlich zur Verantwortung gezogen werden soll) erfolglos ausgeschöpft worden ist (local remedy rule).259 Dabei ist bestritten, ob es sich nur um eine Verfahrensvoraussetzung handelt oder ein materiell-rechtliches Element des völkerrechtlichen Schadensersatzanspruchs, Rz. 199. 141 Jeder Staat kann nicht nur auf eigene, sondern kraft seiner Personalhoheit auch auf Rechte seiner Angehörigen gegenüber anderen Staaten und sonstigen Völkerrechtssubjekten verzichten.260 Er kann sich daher auch vergleichen. So kann der Heimatstaat des Geschädigten sich mit dem Schädigerstaat auf völkerrechtlicher Ebene verständigen, Rz. 136. Dann ist der Schädigerstaat auch innerstaatlich weder im Schädigerstaat noch im Heimatstaat des Geschädigten nach Erfüllung des Vergleichs regresspflichtig.261 Es ist vielmehr Sache des Heimatstaates, den Geschädigten zufrieden zu stellen. Insofern kann die Verständigung auf völkerrechtlicher Ebene den innerstaatlichen Rechtsschutz überrunden.262 Solange jedoch auf völkerrechtlicher Ebene keine Regelung gefunden worden ist, steht der
257 Zu eng Hoffmann NJW 1988, 589 sub II 3a. 258 Vgl. auch Gündling IPRax 1988, 339; Rest NJW 1989, 2154; R. Geimer ZfRV 1992, 338; Schack BerDGVR 32 (1992), 317. 259 Nachweise z.B. bei Dutta, Amtshaftung wegen Völkerrechtsverstößen bei bewaffneten Auslandseinsätzen deutscher Streitkräfte, AöR 133 (2008), 191, 204. 260 R. Geimer ZfRV 1992, 339; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 380 Fußn. 1209. Zu Globalentschädigungsabkommen (lump-sum-agreements) siehe Oschmann, CalvoDoktrin und Calvo-Klauseln – Wechselnde Realitäten im Internationalen Wirtschaftsrecht Lateinamerikas, 1993, 82 ff. 261 BGH ArchVR 11 (1963/64), 331, 335; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 354. 262 R. Geimer ZfRV 1992, 339; Ress in Ress/Stein, Der diplomatische Schutz im Völkerund Europarecht – Aktuelle Probleme und Entwicklungstendenzen, 1996, 83, 85 stellt allerdings die Frage, ob der völkervertragliche Ausschluss von Rechtsschutz menschenrechtliche „Mindestansprüche“ verletzt.
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Rechtsquellen Geltendmachung privatrechtlicher Ansprüche auf der Basis des (mitunter schwer feststellbaren ausländischen) Zivilrechts nichts entgegen.263 g) Der Verzicht Deutschlands auf private Ansprüche kann innerstaatlich einen 142 „Aufopferungsanspruch“ des Betroffenen auslösen.264 h) Änderung des Kreises der Normadressaten durch Art. 25 GG: Art. 25 GG gibt innerstaatlich den „Bewohnern des Bundesgebiets“, d.h. auch den Ausländern mit Wohnsitz bzw. gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland,265 ein subjektives Recht auf Einhaltung der Normen des völkerrechtlichen Fremdenrechts.266
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i) Kein innerstaatlicher Anspruch Deutscher auf diplomatischen Schutz: Ob 144 die Bundesregierung tätig wird, steht in „ihrem Ermessen, das nur bei extremem Fehlgebrauch gerichtlich zu überprüfen ist“, Rz. 136.267 j) Einzelne völkerrechtliche Verträge überwinden die Mediatisierung des Einzelnen im Völkerrecht, indem sie ihm auf völkerrechtlicher Ebene268 ein Klagerecht vor internationalen Gerichten oder Schlichtungsinstanzen einräumen.269 Siehe auch Rz. 521 und Rz. 3715.
263 BGH vom 22.10.1996, NJW 1997, 324 = RIW 1997, 152 = IPRax 1997, 257 (R. Geimer 236) = LM § 23 ZPO Nr. 10 = IstR 1997, 127 (Goette) = IPRspr. 1996 Nr. 158. Unrichtig OLG Frankfurt vom 27.9.1995, NJW-RR 1996, 186 = RIW 1996, 1041 = IPRax 1997, 255 (R. Geimer 236) = IPRspr. 1995 Nr. 153. 264 Heß a.a.O. 157, 361. Einen solchen Anspruch hat der Bundesgerichtshof im belgischen Truppenübungsplatz-Fall bejaht, BGHZ 87, 321. Umfassende Nachweise bei Hagelberg, Die völkerrechtliche Verfügungsbefugnis der Staaten über Rechtsansprüche von Privatpersonen, Diss. Humboldt-Universität Berlin 2006. 265 Hofmann NJW 1988, 589. 266 BVerfG vom 21.5.1987, NJW 1988, 1462. 267 BVerfG vom 16.12.1980, BVerfGE 55, 349, 364, 367 = NJW 1981, 1499; BVerwG vom 24.1.1989, NJW 1989, 2208; OVG Münster vom 21.12.1988, NJW 1989, 2209, 2211; Oberthür, Der Anspruch des deutschen Staatsangehörigen auf diplomatischen und konsularischen Schutz, Diss. Köln 1965; Klein in Ress/Stein, Der diplomatische Schutz im Völker- und Europarecht – Aktuelle Probleme und Entwicklungstendenzen, 1996, 63. 268 Rensmann, Anationale Schiedssprüche – Eine Untersuchung zu den Wirkungen anationaler Schiedssprüche im nationalen Recht, 1997, 120; Oschmann, Calvo-Doktrin und Calvo-Klauseln – Wechselnde Realitäten im Internationalen Wirtschaftsrecht Lateinamerikas, 1993, 169 ff. 269 Geck EPIL 10 (1987), 110. Beispiele: Art. 25 des Weltbankübereinkommens vom 18.3.1965, BGBl. 1969 II 371 (betreffend Investitionsstreitigkeiten zwischen Staat und Investor, hierzu Oschmann a.a.O. 324 ff.; Schlosser, Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit2, 1989, Rz. 94, 99; Schütze/Tscherning/Wais, Handbuch des Schiedsgerichtsverfahrens2, 1990, Rz. 623) und die Deklaration von Algier, nach der vor dem Iran – United States Claims Tribunal in Den Haag private Gläubiger Forderungen über 250 000 US-Dollar einklagen dürfen (geringere Ansprüche werden vom Heimatstaat geltend gemacht), 20 I.L.M. 230 (1981); Heß a.a.O. 346; Oschmann a.a.O. 340 ff. Allerdings wird dadurch meist der Rechtsschutz vor den nationalen Gerichten ausgeschlossen, Heß a.a.O. 358. Siehe auch die Nachweise bei MacLaren, Rechte, Rechtsmittel und Rechtfertigungen im Völkerrecht – Eine Studie über den Zugang Privater zu internationalen Streitbeilegungsmechanismen, 2009.
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Erster Teil: Grundlegung 5. Menschenrechte 146 a) Überblick: Auch im modernen Völkerrecht270 gilt nach wie vor der bereits oben Rz. 132 erörterte Grundsatz der Mediatisierung des Menschen. Doch wurde in vielen Teilbereichen der Einzelmensch zum Träger von völkerrechtlichen Rechten gemacht, die auch gegenüber dem eigenen Staat reklamiert und – dies ist für die Effektivität wichtig – durch Anrufung supranationaler Instanzen durchgesetzt werden können.271 147 Das wirkungsvollste Menschenrechtsschutzsystem kennt die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4.11.1950.272 Alle Menschen und nichtstaatliche Organisationen sowie Personenvereinigungen haben das Recht, wegen der Verletzung eines in der Konvention samt Zusatzprotokollen anerkannten Rechts durch einen Vertragsstaat beim Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg Beschwerde einzulegen, sofern der belangte Staat die Zuständigkeit des Gerichtshofs für Individualbeschwerden anerkannt hat.273 148 Das Gleiche gilt nach den Fakultativprotokollen zu dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.1966.274 Danach können Einzelpersonen Mitteilungen (communications) über behauptete Verletzungen ihrer im Pakt anerkannten Menschenrechte durch die Vertragsstaaten des Fakultativprotokolls an einen Ausschuss für Menschenrechte (human rights committee) richten. Doch kann dieser Ausschuss darüber keine für den belangten Staat völkerrechtlich verbindliche Entscheidung treffen.275
270 Gegen Menschenrechte nach allgemeinem Völkergewohnheitsrecht aber Gusy ZfVR 1989, 3; Randelzhofer in Randelzhofer/Tomuschat, State Responsibility and the Individual, 1999, 231, 235. Dafür aber z.B. Dörr JZ 2005, 905, 907; Stein/v. Buttlar, Völkerrecht11 2005, Rz. 1000. Allgemein zur Entwicklung der Menschenrechte im Völkerrecht Hummer/Kriebaum in Neuhold/Hummer/Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd I Rz. 1341 ff. 271 Z.B. nach dem WTO-Regelwerk; hierzu Schwartmann, Private im Wirtschaftsvölkerrecht, 2005, 148. Weitere Nachweise bei Dörr, „Privatisierung“ des Völkerrechts, JZ 2005, 905, 910. 272 BGBl. 1952 II 685, 953. Neufassung in der Bekanntmachung vom 17.5.2002, BGBl. II 1054. Hierzu ausführlich Matscher RdC 270 (1997), 237 sowie Villiger, Handbuch der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)2, 1999 mit weiteren Nachweisen. Vgl. auch aus der EG-Sicht Grzybek, Prozessuale Grundrechte im Europäischen Gemeinschaftsrecht, 1993. Zum geographischen bzw. persönlichen Anwendungsbereich der EMRK Dutta, Amtshaftung wegen Völkerrechtsverstößen bei bewaffneten Auslandseinsätzen deutscher Streitkräfte, AöR 133 (2008), 191, 200. Nachweise zu den anderen Menschenrechtspakten bei Dörr, „Privatisierung“ des Völkerrechts, JZ 2005, 905. 273 Art. 34 EMRK. 274 BGBl. 1973 II 1533. Hierzu Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, Einl. Rz. 140. 275 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 426; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 93 Fußn. 32; Pappa, Das Individualbeschwerdeverfahren des Fakultativprotokolls zum Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, 1996; Weissbrodt, The Right to a Fair Trial under the Universal Declaration of Human Rights and the International Covenant on Civil and Political Rights, 2001.
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Rechtsquellen Bei aller Euphorie über den Durchbruch zu völkerrechtlich anerkannten Men- 149 schenrechten darf nicht übersehen werden, dass diese zur Disposition der Staaten stehen; diese können die von ihnen geschlossenen Menschenrechtskonventionen aufheben oder ändern. Hinzu kommt, dass die Eigentumsgarantie nicht in den Menschenrechtskatalog des Menschenrechts-Paktes der Vereinten Nationen aufgenommen worden ist.276 b) Effektiver Rechtsschutz: Zu den Menschenrechten gehört auch der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz (Art. 6 I EMRK).277 Dieser erzwingt in bestimmten Situationen die Eröffnung einer internationalen Zuständigkeit278, Rz. 1922.
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c) Pflicht zur Anerkennung: Aus menschenrechtlicher Sicht ergibt sich auch ei- 151 ne Pflicht zur Anerkennung ausländischer Urteile.279 Nach Völkergewohnheitsrecht ist kein Staat verpflichtet, Entscheidungen, die von Gerichten anderer Staaten erlassen wurden, anzuerkennen und in seinem Territorium zu vollstrecken. So handelte ein Staat, der es prinzipiell ablehnen würde, ausländische Urteile anzuerkennen und zu vollstrecken, nicht völkerrechtswidrig, Rz. 165, 2757.280 Auch die comitas gentium (international comity) begründet keine völkerrechtliche Pflicht zur Anerkennung und Vollstreckung. Etwas anderes gilt jedoch aus der Perspektive der Menschenrechte für gerichtliche Entscheidungen, die den Status einer Person betreffen. Bejaht man z.B. ein im allgemeinen Völkerrecht wurzelndes Menschenrecht auf 152 Eheschließung, so kann es nicht der Willkür der Staaten überlassen bleiben, ob sie ein Statusurteil anerkennen. Sie müssen das Scheidungsurteil akzeptieren und die Geschiedenen wieder heiraten lassen, wenn das Urteil dem internationalen Standard für gerichtliche Verfahren entspricht: ausreichender kompetenzrechtlicher Bezug zum Entscheidungsstaat, ordnungsgemäßes Verfahren und kein Verstoß gegen den ordre public des Anerkennungsstaates. Gleiches gilt für die Anerkennung einer Geschlechtsumwandlung.281 6. Völkerrechtliche Anerkennungs- und Vollstreckungsverbote Das Völkergewohnheitsrecht282 verbietet allen Staaten, gerichtliche Entscheidungen anzuerkennen und zu vollstrecken, die unter Verletzung der Regeln über 276 Zum Eigentumsschutz nach der EMRK und nach allgemeinem Völkerrecht Seidl-Hohenveldern in Festschrift Ermacora, 1988, 191 und in Ress/Stein, Der diplomatische Schutz im Völker- und Europarecht, 1996, 115. 277 Künftig bedeutsam auch Art. 47 II EuGrundrechtecharta. 278 R. Geimer BerDGVR 33 (1994), 224; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 203 ff. 279 Zurückhaltender jedoch z.B. Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 5. 280 Großfeld BerDGVR 18 (1978), 144; Dormann Bessenich, Der ausländische Staat als Kläger, 1993, 191. 281 R. Geimer in Festschrift Ferid 80, 1988, 89. 282 Zu den aus Art. 6 I EMRK abgeleiteten Anerkennungsverboten siehe unten Rz. 2772; R. Geimer BerDGVR 33 (1994), 213; R. Geimer IPRax 2006, 233; Kofmel Ehrenzeller, Der vorläufige Rechtsschutz im internationalen Verhältnis, 2005, 466 ff. So nun auch
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Erster Teil: Grundlegung die Immunitäten, Exemtionen und sonstige Befreiungen von der Gerichtsbarkeit erlassen worden sind, Rz. 534. Hier stehen Souveränitätsinteressen auf dem Spiel. Die Einhaltung der Regeln über die Abgrenzung der Souveränitätsbereiche der einzelnen Staaten ist nicht nur ein Anliegen des im konkreten Fall betroffenen Staates, sondern der Gemeinschaft aller zivilisierten Staaten.283 154 Dies gilt jedoch nicht, wenn einzelne Verfahrenshandlungen in dem Verfahren, das zu dem anzuerkennenden ausländischen Urteil geführt hat, (möglicherweise) als Eingriff in die Souveränität eines anderen Staates zu bewerten sind, wie z.B. Zeugenladungen, unmittelbare Zustellung etc., Rz. 2768. 155 Kontrovers wird im völkerrechtlichen Schrifttum die Frage behandelt, inwieweit Urteilen die Anerkennung zu verweigern ist, wenn der Urteilsinhalt zwingendes Völkerrecht außer Acht lässt bzw. (bewusst) verletzt.284 Vgl. Rz. 537. 156 Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge begründen im Zweifel keine Verpflichtung zur Verweigerung der Anerkennung, sie verpflichten die Vertragspartner nur zur Anerkennung (wenn kein Versagungsgrund vorliegt). Auch wenn ein Versagungsgrund vorliegt, besteht im Zweifel kein Anerkennungsverbot. Jeder Staat hat ein Interesse daran, dass seine Urteile möglichst überall, also auch außerhalb seiner Grenzen anerkannt werden, Rz. 915, 918, 2766. 7. Kein Verbot der Durchsetzung ausländischer öffentlich-rechtlicher Forderungen 156a Nahezu weltweit verbreitet ist derzeit (noch) der sog. „Nichtdurchsetzungsgrundsatz“ hinsichtlich öffentlich-rechtlicher Forderungen, Rz. 1975. Dieser beruht jedoch nicht auf einem völkerrechtlichen Verbot.285
EGMR vom 20.7.2001 Pellegrini/Italien Report of Judgments and Decisions VIII 355, 369. Hierzu Schlosser in Festschrift Heldrich, 2005, 1007, 1010 und Kinsch, The Impact of Human Rights on the Application of Foreign Law and on the Recognition of Foreign Judgments – A Survey of the Cases decided by the European Human Rights Institutions, in Essays in Memory of Peter E Nygh, 2004, 197. 283 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1361. – Aus Art. 6 I EMRK lässt sich keine Pflicht zur Anerkennung und Vollstreckbarerklärung herleiten, R. Geimer BerDGVR 33 (1994), 213, 220; Winkel, Grenzüberschreitendes Sorge- und Umgangsrecht und dessen Vollstreckung, Diss. Regensburg 2001, 75. 284 Für völkerrechtliche Pflicht, völkerrechtswidrige ausländische Staatsakte als nichtig zu behandeln: Mann NJW 1961, 708; dagegen Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht10, 2000, Rz. 1491 (die jedoch auf innerstaatlicher Ebene den ordre public in Betracht ziehen wollen). 285 BVerfG vom 22.3.1983, BVerfGE 63, 343, 362: „Auch im Abgabenbeitreibungsrecht lehnen sie [die Staaten] es in der Regel ab, den ausländischen Abgabentitel im eigenen Hoheitsbereich zu vollstrecken – von Völkerrechts wegen verwehrt ist es ihnen freilich nicht.“ Weitere Nachweise bei Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006, 144.
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Rechtsquellen 8. Völkerrechtliche Schranken für Hoheitsakte mit extraterritorialer Wirkung Hier geht es nicht um das Verbot, Hoheitsakte auf dem Territorium eines anderen Staates vorzunehmen (Rz. 120), sondern darum, inwieweit ein Staat auf seinem eigenen Territorium Maßnahmen treffen darf, die sich auf das Territorium bzw. auf die Souveränitätssphäre eines oder mehrerer anderer Staaten auswirken.286 Diese Fragestellung ist – wie für andere Rechtsgebiete (Kartellrecht, gewerblicher Rechtsschutz, Steuerrecht, Strafrecht,287 Enteignungsrecht288) – auch für das (zivilgerichtliche) Verfahrensrecht einschließlich des Zwangsvollstreckungs- und Insolvenzrechts bedeutsam.289
156b
9. Extraterritoriale Wirkung fremder Hoheitsakte – Pflicht zur Beachtung (Anerkennung)? Kein Staat ist nach allgemeinem Völkerrecht verpflichtet, die Vornahme und 157 Durchführung von Hoheitsakten eines anderen Staates auf seinem Hoheitsgebiet zu dulden, Rz. 120. Erst recht ist er nicht verpflichtet, fremde Hoheitsakte selbst zu vollziehen, solange er sich nicht hierzu vertraglich verpflichtet hat. Vollstreckt ein Staat im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit einen fremden Hoheitsakt auch ohne vertragliche Grundlage, so handelt er nicht in Erfüllung einer völkerrechtlichen Pflicht, sondern aufgrund zwischenstaatlicher courtoisie (comitas gentium).290 Neben der Frage der völkerrechtlichen Verpflichtung zur Vollstreckung im enge- 158 ren Sinne (die klar zu verneinen ist) erhebt sich die Frage, inwieweit die Staaten fremde Hoheitsakte respektieren müssen, also ob die Feststellungs- bzw. Gestaltungswirkung, die der ausländische Akt nach seinem Recht entfaltet, zu beachten ist, wenn sie bei der rechtlichen Beurteilung grenzüberschreitender Sachverhalte im zweiten Staat als Vorfrage erheblich ist. Darauf konzentriert sich die Diskussion über die extraterritoriale Wirkung fremder Hoheitsakte im Völkerrecht.
286 Zu dieser Unterscheidung sehr klar Dormann Bessenich, Der ausländische Staat als Kläger, 1993, 49; Ipsen, Völkerrecht6, 2009, § 23 Rz. 93 ff.; Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, Einl. Rz. 12 vor Art. IX EGJN; Adolphsen, Das Territorialprinzip im europäischen Patentrecht, ZZPInt 11 (2006), 137, 139. 287 Nachweise z.B. bei Gärditz, Weltrechtspflege – Eine Untersuchung über die Eingrenzung staatlicher Strafgewalt, 2006. 288 Zur völkerrechtlichen Zulässigkeit der Enteigung von Fremden z.B. Seidl-Hohenveldern/Hummer/Kriebaum in Neuhold/Hummer/Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. I Rz. 1303 ff. Zur Entschädigungsproblematik z.B. Hammes, Die Bemessung der Entschädigung enteigneter Investoren im Rahmen von Investitionsschutzabkommen, SchiedsVZ 2007, 169. Siehe auch die Nachweise bei Happ, Rechtsprechung der ICSID-Schiedsgerichte 2005–2007, SchiedsVZ 2008, 19, 21. 289 Nachweise bei Adam, Internationaler Versorgungsausgleich, 1985, 368 sowie bei Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung, 1992, 101 ff. 290 Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht mit Europarecht4; 2009, § 63 I; Dahm/Delbrück/ Wolfrum, Völkerrecht2, I 1, 1989, 484.
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Erster Teil: Grundlegung 159 Beispiel A: Darf die im Ausland vorgenommene Ehescheidung oder Regelung der elterlichen Sorge über ein Kind oder eine Volljährigkeitserklärung291 von deutschen Behörden als nicht existent behandelt werden, wenn nur Ausländer betroffen sind? 160 Beispiel B: Im US Patent and Trademark Office ist zugunsten eines deutschen Unternehmens ein Warenzeichen eingetragen. Das OLG Hamm292 weigert sich (zu Unrecht, Rz. 465) als Vorfrage zu prüfen, ob dieses nach US-Recht formell und materiell wirksam ist: „Es besteht die völkerrechtlich allgemein anerkannte Pflicht zur Achtung fremder Hoheitsakte, die ihrerseits die Begrenzung in der Territorialität der Staatsgewalt finden.“ 161 Zwei völkerrechtliche Prinzipien stehen im Widerstreit zueinander, nämlich – das Recht auf Achtung der souveränen Gleichheit (Rz. 119)293 des handelnden Erststaates; dessen völkerrechtliche Zuständigkeit für seine „inneren Angelegenheiten“ darf nicht dadurch ausgehöhlt werden, dass seine Hoheitsakte als nicht existent behandelt werden; – andererseits folgt aus dem Prinzip der souveränen Gleichheit für den Zweitstaat, dass er nicht nur nicht zum Vollzug des fremden Hoheitsaktes im Sinne der Vollstreckung im engeren Sinne verpflichtet ist, sondern auch eine Beeinträchtigung seiner eigenen Regelungsbefugnis für denselben Sachverhalt nicht hinzunehmen braucht. 162 Der bisherige Stand der völkerrechtlichen Diskussion lässt sich wie folgt zusammenfassen:294 Die Pflicht zur Achtung des fremden Souveränitätsbereiches durch alle anderen Staaten der Staatengemeinschaft gebietet, dass die Wirkungen eines fremden Hoheitsaktes nicht in Frage gestellt werden, wenn der fremde Staat völkerrechtlich zur Vornahme des Hoheitsakts ausschließlich zuständig war, also nur er einen sinnvollen Anknüpfungspunkt aufzuweisen hatte.295 Als Beispiel wird die im Heimatstaat (beider Eheleute) vorgenommene Ehescheidung angeführt. 163 Kritik: In Scheidungssachen besteht nicht nur zum Heimatstaat eine sinnvolle Anknüpfung, sondern vor allem auch zum Aufenthaltsstaat,296 möglicherweise auch zu dem Staat, in dem die Ehe geschlossen worden ist (Zelebrationskompetenz, Rz. 1583). Das Beispiel muss also auf die Fälle verengt werden, in denen nur zum Heimatstaat Kontakte bestehen, also kein Aufenthalt im Ausland und 291 Hierzu Erman/Hohloch, BGB12, 2008, Art. 7 EGBGB Rz. 27. 292 OLG Hamm vom 20.6.1985, NJW-RR 1986, 1047 = IPRspr. 1985 Nr. 141. 293 D.h. auf Unterlassung von Einmischungen. Hierzu z.B. mit weiteren Nachweisen Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 113. 294 Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht mit Europarecht4, 2009, § 63. Siehe auch Dormann Bessenich, Der ausländische Staat als Kläger, 1993, 85 ff.; Seidl-Hohenveldern/ Hummer in Neuhold/Hummer/Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. I Rz. 879 ff. 295 Vgl. auch Herdegen RIW 1989, 335. 296 R. Geimer NJW 1986, 658.
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Rechtsquellen keine Eheschließung im Ausland vorliegen. Auch in diesen Fällen muss es dem Zweitstaat (Anerkennungsstaat) gestattet sein, seine Vorstellungen von Verfahrensgerechtigkeit und von materiell-rechtlicher Gerechtigkeit sowie seine grundlegenden staats- und wirtschaftspolitischen Ordnungsvorstellungen durchzusetzen. Er darf z.B. dem ausländischen Scheidungsurteil die Anerkennung verweigern, wenn dem Antragsgegner das rechtliche Gehör verweigert worden ist oder wenn die Ehe aus Gründen geschieden worden ist, die mit den grundlegenden Wertungen seiner Rechtsordnung nicht zu vereinbaren sind. Dies wird in der völkerrechtlichen Diskussion auch anerkannt: Kein Staat brauche die wesentlichen Grundsätze seiner eigenen Rechtsordnung gegenüber dem fremden (erststaatlichen) Hoheitsakt zurücktreten zu lassen. Dies folge wiederum aus dem Grundsatz der souveränen Gleichheit der Staaten.297 Eine völkerrechtliche Pflicht zur Achtung fremder Hoheitsakte wird von den 164 Völkerrechtlern immer dann verneint, wenn die erststaatliche Kompetenz zur Vornahme des Hoheitsaktes mit einer zweitstaatlichen Kompetenz konkurriert, weil der zu entscheidende Sachverhalt auch zum Inland eine genügend enge Beziehung hat. Die Pflicht zur Achtung des fremden Hoheitsaktes würde nämlich sonst zu einer faktischen Beeinträchtigung der inländischen Regelungskompetenz führen.298 Fazit: Die völkerrechtliche Diskussion zum Thema „extraterritoriale Wirkung 165 fremder Hoheitsakte“ ändert nichts an der in Rz. 151 getroffenen Feststellung, dass eine allgemeine Pflicht zur Anerkennung nach Völkergewohnheitsrecht nicht besteht.299 Ausnahmen bestehen nur aus menschenrechtlicher Perspektive, Rz. 151. 10. Völkerrechtliche Voraussetzungen für die Anwendung eigenen Rechts a) Notwendigkeit intensiverer Verknüpfung als für die Bejahung der internatio- 166 nalen Zuständigkeit: Intensivere Verknüpfungen als sie zur Begründung der internationalen Zuständigkeit der Gerichte eines Staates zur Entscheidung über privatrechtliche Streitigkeiten genügen, sind nach Völkerrecht erforderlich, damit ein Staat auf einen Sachverhalt, der sich auf fremdem Staatsgebiet ereignet hat, sein Inlandsrecht oder ein von ihm gebildetes Spezialrecht anwenden kann, Rz. 374.300 297 Geiger, a.a.O. § 63 II 2d. 298 Geiger a.a.O. § 63 II 3; KG vom 1.7.1983, WuW 1984, 223 = IPRspr. 1985 Nr. 124. Siehe hierzu auch Merkt in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 923. 299 Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 156; Kreuzer IPRax 1990, 366 Fußn. 15. Vgl. auch von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht I2, 2003, § 4 Rz. 141. 300 Dormann Bessenich, Der ausländische Staat als Kläger, 1993, 50. Nachweise bei Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 117 ff.; de Vareilles-Sommières, La compétence internationale d’Etat en matière de droit privé: droit international public et droit international privé, 1997; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung, 1992, 103.
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Erster Teil: Grundlegung 167 Beispiel A: Die Tatsache, dass dem Beklagten die Klage bei einem zufälligen Inlandsaufenthalt persönlich zugestellt worden ist (transient rule des common law, Rz. 1584), genügt zwar, um eine internationale Zuständigkeit zu eröffnen, reicht aber nicht aus, dass der Gerichtsstaat sein Inlandsrecht oder ein von ihm gebildetes Spezialrecht für Auslandssachverhalte gegen den Willen des Beklagten durch seine Gerichte anwenden lassen darf. 168 Beispiel B:301 Selbst wenn die Ehefrau ihren Unterhaltsanspruch gegen ihren Mann in dem Staat geltend machen kann, in dem dieser Vermögen hat, darf der Gerichtsstaat seine Gerichte nicht anweisen, auf den Unterhaltsanspruch oder gar auf die Vorfrage des Bestehens der Ehe einfach sein eigenes Recht anzuwenden, falls nicht noch andere Verknüpfungen vorhanden sind, die das rechtfertigen können. 169 b) Beschaffenheit dieser Verknüpfungen: Wie eng muss der Sachverhalt mit dem Forumstaat verknüpft sein, damit dieser die Anwendung seines eigenen Rechts durch seine Gerichte anordnen darf? Die Grenzen zieht das Völkergewohnheitsrecht sehr weit, aber leider auch sehr unscharf.302 Unbestritten darf jeder Staat kraft seiner Gebietshoheit das Verhalten irgendwelcher Menschen auf seinem Staatsgebiet durch Ge- oder Verbote reglementieren, solange sie sich dort befinden, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit und ohne Anknüpfung an den inländischen Handlungsort.303 Darüber hinaus darf jeder Staat auch das Verhalten von Menschen außerhalb seines Staatsgebiets durch eigene Privatrechtssätze „zu steuern“ versuchen, wenn – eine persönliche Verknüpfung durch die Staatsangehörigkeit oder den Wohnsitz/gewöhnlichen Aufenthalt natürlicher Personen bzw. den Register- oder Verwaltungssitz juristischer Personen und Gesellschaften304 gegeben ist (Nationalitätsprinzip)305 oder 301 Wengler, Internationales Privatrecht in RGR-Kommentar12, VI, 1981, § 3c. 302 Nachweise bei Wengler, Internationales Privatrecht in RGR-Kommentar12, VI, 1981, § 3c; von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht I2, 2003, § 3 Rz. 8; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 33 Fußn. 25, 321; Forwick, Extraterritoriale USamerikanische Exportkontrollen, 1993, 68; Gränicher, Die kollisionsrechtliche Anknüpfung ausländischer Devisenmaßnahmen, 1984, 29 ff.; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 369 Fußn. 326; Ipsen, Völkerrecht6, 2009, 2 § 23 Rz. 101; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994; Meng EuZW 1997, 423; Schmitz, Das aktive Personalitätsprinzip im internationalen Strafrecht. Zugleich ein kritischer Beitrag zur Legitimation der Ausdehnung der Strafgewalt auf Auslandstaten Deutscher, Diss. Frankfurt/Main 2002; Schnyder, Wirtschaftskollisionsrecht, 1990, 62 Rz. 81, 101 Rz. 145 ff.; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 1183; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung, 1992, 219. 303 Zur Inanspruchnahme von Beweispersonen E. Geimer, Internationale Beweisaufnahme, 1998, 38. 304 Zum internationalen Geltungsanspruch des deutschen Übernahmerechts (§ 1 in Verbindung mit § 2 III und VII WpÜG) z.B. Hahn RIW 2002, 741. 305 Forwick, Extraterritoriale US-amerikanische Exportkontrollen, 1993, 73; Nordmann, Die Beschaffung von Beweismitteln aus dem Ausland durch staatliche Stellen, 1979, 104; Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht10, 2000, Rz. 1364; Witte, Der US-amerikanische RICO-Act und deutsche Unternehmen, 1998, 158. Zur Anordnung des per-
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Rechtsquellen – eine sachliche Verknüpfung zum eigenen Staatsgebiet vorliegt.306 Beispiele: Tat- oder Wirkungsort einer unerlaubten Handlung oder Abschlussort eines obligatorischen Vertrages.307 Die USA gehen besonders weit; sie stellen auch Verhaltensgebote für die ausländischen Tochtergesellschaften amerikanischer Konzerne auf, wenn die Tochtergesellschaft „is controlled in fact by [a] domestic concern“.308 Neben das traditionelle Territorialitäts- und Nationalitätsprinzip tritt mithin das 169a Auswirkungsprinzip. Dieses gestattet eine auslandsbezogene Rechtssetzung, wenn der zu regelnde, im Ausland zu lokalisierende Sachverhalt Auswirkungen im Inland (effects doctrine)309 hat, Rz. 375. Hinzu kommen das Schutzprinzip
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sönlichen Erscheinens OLG Hamm vom 8.2.1989, NJW 1989, 2203 (R. Geimer) = FamRZ 1989, 991 = IPRspr. 1989 Nr. 202. Der Walsh Act stellte in den Vereinigten Staaten von Amerika die Einwohner (residents) den eigenen Staatsangehörigen gleich, Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 388. Hierzu der US Supreme Court in Blackner v. U.S., 284 U.S. 421, 436–437 (1932). Auch im Ausland habe jeder Bürger Pflichten gegenüber seinem Staat, der ihn heimrufen dürfe, wenn das öffentliche Interesse dies verlangt (aktiver Personalitätsgrundsatz). Ob allerdings die Einbeziehung der residents völkerrechtskonform ist, hat der US Supreme Court nicht entschieden, Junker a.a.O. 388. Vgl. auch OLG Stuttgart vom 5.4.1937, IPRspr. 1935–1944 Nr. 115 zur Anerkennung eines österreichischen Verwaltungsaktes, durch den die Übertragung des österreichischen Versicherungsbestandes von einem deutschen auf einen österreichischen Versicherer genehmigt worden war: Es müsse „der österreichische Gesetzgeber seine Staatsangehörigen zwingen können, einer solchen Totalübertragung zuzustimmen.“ Anders wäre es möglicherweise, wenn es sich um einen deutschen Versicherungsnehmer gehandelt hätte. Hierzu Schnyder, Wirtschaftskollisionsrecht, 1990, 233 Rz. 289. Zu zurückhaltend OLG Dresden vom 6.7.1999, IStR 2000, 189 = DStRE 2000, 328 = IPRspr. 1999 Nr. 120: Gebot des deutschen Gerichts beschränke sich auf das deutsche Territorium. Nachweise bei Adam, Internationaler Versorgungsausgleich, 1985, 367. Beispiel: Art. 88 brasilianische C.proc.civ. Hierzu BGH vom 25.4.1996, RIW 1996, 966 = WM 1996, 2037 = IPRspr. 1996 Nr. 177. 50. U.S.C App. § 2415 Export Administration Act; vgl. Equal Employment Opportunity Commission v. Arabian American Oil Co., 499 U.S. 244 mit einer Liste von Gesetzen, die extraterritoriale Wirkung beanspruchen; siehe auch Foreign Corrupt Practices Act. Ausführlich KG vom 1.7.1983, WuW 1984, 233 (Kunig 700) = WM 1984, 1195 = AG 1984, 130 = IPRspr. 1985 Nr. 124; dazu Ebenroth DB 1984, 597: Der Zusammenschluss zweier ausländischer Unternehmen darf vom Bundeskartellamt (WuW 1982, 483) nur hinsichtlich seiner Inlandswirkungen untersagt werden (Der Zusammenschluss durch Anteilserwerb von Philip Morris Inc. an Rothmans Tobacco [Holdings] Ltd. [näher Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung, 1992, 127] durfte daher nur in Bezug auf die Verschlechterung der Struktur des inländischen Zigarettenmarktes verboten werden, nicht jedoch insgesamt). Vgl. auch KG vom 16.11.1995, WuW 1996, 650 = IPRspr. 1995 Nr. 129 sowie BGH vom 7.10.1997, IPRax 1999, 106 (Zimmer/Rudo 89). Weitere Nachweise z.B. bei Immenga in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, IntWettbR/IntKartR (Bd. 11), Rz. 33; Kramp, Die Begründung und Ausübung staatlicher Zuständigkeit für das Verbot länderübergreifender Fusionen nach geltendem Völkerrecht, 1993; 60 ff., 178 ff., 194 ff.; Kress/Herbst RIW 1997, 630,
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Erster Teil: Grundlegung und das Universalitätsprinzip.310 Das Schutzprinzip dient dem Schutz eigener Bürger oder inländischer Institutionen vor schweren Beeinträchtigungen durch Vorgänge aus dem Ausland. Hierauf darf sich der betroffene Staat nur in Extremsituationen berufen. Es muss eine „echte Bedrohung“ gegeben sein und die Regelung des sich auf das Schutzprinzip berufenden Staates muss das einzig verfügbare Mittel zur Abwehr sein.311 Nach dem Universalitätsprinzip kann jeder Staat tätig werden zur Abwehr, Vereitelung und Bestrafung besonders schwerer Straftaten, die von allen zivilisierten Staaten gebrandmarkt werden (z.B. Völkermord,312 Frauen-, Sklaven- oder Drogenhandel).313 169b In dem berühmten Lotus-Fall hat der Ständige Internationale Gerichtshof314 bereits 1927 hervorgehoben, dass die sachliche Regelungsbefugnis der Staaten sich
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634. Weiter Schnyder, Wirtschaftskollisionsrecht, 1990, 107 Rz. 152: „Das völkerrechtliche Erfordernis eines sinnvollen Anknüpfungspunktes verlangt von den Staaten nicht, dass sie bei Vorliegen eines solchen ihre Zuständigkeit auf den Inlandssachverhalt beschränken. Letzteres würde nämlich bedeuten, im Ausland befindliche Veranlasser von Marktstörungen nur soweit ins Recht zu nehmen, als sie – persönlich oder durch Vermögen – im Forumstaat vertreten sind. Eine solche Regel müsste zu unabsehbaren Vollzugsdefiziten führen.“ Er beruft sich auf das Schweizer Bundesgericht, BGE 108 Ib 286, 292: Völkerrechtlich nicht zu beanstanden sei es, wenn die schweizerische Versicherungsaufsicht „zum Schutz der schweizerischen Versicherten . . . auch eine gewisse Kontrolle über das Auslandsgeschäft der in der Schweiz tätigen ausländischen Versicherungseinrichtungen ausübt.“ Siehe auch Schnyder, a.a.O. 363 Rz. 450 und Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 159. Zum Geltungsanspruch des deutschen UWG a.F. Schnyder a.a.O. 402 Rz. 504; OLG Stuttgart vom 18.5.1990 RIW 1991, 588; BGH vom 15.11.1990, IPRax 1992, 45 (Sack 24); Mankowski IPRax 1991, 305. Die praktische Bedeutung der sog. Gran-Canaria-Fälle (Steuerung des Marktverhaltens im Ausland durch deutsches UWG a.F.) ist mit der spanischen Umsetzung der EG-Richtlinie 85/77 über den Schutz der Verbraucher bei außerhalb der Geschäftsräume geschlossenen Verträgen geschwunden, Jayme IPRax 1992, 203. Zu den völkerrechtlichen Grenzen der extraterritorialen Anwendung des eigenen Devisenrechts (Beschränkungen des [laufenden] internationalen Zahlungsverkehrs und des internationalen Kapitalverkehrs) siehe u.a. auch Restatement (Third) of the Foreign Relations Law § 822; hierzu Ebke RIW 1991, 1 Fußn. 9, 7 Fußn. 104. Zum folgenden Forwick, Extraterritoriale US-amerikanische Exportkontrollen, 1993, 69 ff. Forwick a.a.O. 78. Zur Völkerrechtskonformität des § 220a I StGB BVerfG vom 12.12.2000, NJW 2001, 1848 = NStZ 2001, 240 = JZ 2001, 975 (Kadelbach); BGH vom 30.4.1999, BGHSt 45, 64 = JZ 1999, 1176 (Werle) = NStZ 1999, 396 (Ambos) und BGH vom 21.2.2001, NJW 2001, 2728. Hierzu z.B. Wilhelmi, Das Weltrechtsprinzip im internationalen Privat- und Strafrecht, Diss. Trier 2007, 7, 70 ff., 114 ff. StIGH vom 7.9.1927 PCIJ Series A Nr. 9 (1927), 18. Hierzu Bertele a.a.O. 54, 79; Herndl EPIL 2 (1981), 173; Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze im internationalen Kartellrecht, 1975, 74; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 368; Forwick a.a.O. 79; Kress/Herbst RIW 1997, 630, 633; Schnyder, Wirtschaftskollisionsrecht, 1990, 102 Rn 146. Der Lotus-Fall betraf ein strafrechtliches Verfahren. Im internationalen Strafrecht werden die völkerrechtlichen Grenzen für die Anwendung eigenen Strafrechts
Rechtsquellen keineswegs auf den Bereich ihrer Gebietshoheit beschränkt. Das Völkerrecht lässt vielmehr den Staaten in dieser Hinsicht große Freiheit, die allenfalls in bestimmten Fällen durch besondere Verbote eingeschränkt sein kann.315 Diese Entscheidung wird vor allem in den Vereinigten Staaten von Amerika sehr weit ausgelegt.316 Man glaubt daraus ableiten zu können, dass ein Staat über die Territorialitätsanknüpfung hinaus seine Jurisdiktion nahezu beliebig ausdehnen dürfe, solange die unmittelbare Gewaltanwendung317 und sonstige Sanktionierung zur Durchsetzung des eigenen Rechts auf das eigene Staatsgebiet beschränkt bleibe.318 Aber auch in Europa wird angesichts der immer dichteren internationalen Wirtschaftsverflechtungen ein „neues Völkerrecht“ postuliert. Die neuen Grenzen für die Regelungsbefugnis der Staaten bleibt aber nebulös.319 Das Restatement (Third) Foreign Relations Law hält folgende alternativen Anknüpfungen für völkerrechtskonform:320 – objektives Territorialitätsprinzip – Auswirkungsprinzip321 – Aktives Personalitätsprinzip – Passives Personalitätsprinzip
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(vgl. § 5 StGB), d.h. die Steuerung des Verhaltens von Menschen und juristischen Personen im Ausland durch strafrechtliche Sanktionen im Inland, seit jeher intensiv diskutiert, Oehler, Internationales Strafrecht2, 1983, Rz. 111 ff., z.B. auch aus Anlass der Verschärfung der Strafvorschriften des (deutschen) Außenwirtschafts- und des Kriegswaffenkontrollgesetzes, Epping RIW 1991, 461. So bestimmt § 35 des Außenwirtschaftsgesetzes in der Fassung vom 26.6.2006 (BGBl. I 1385) lapidar: „§ 34 [betrifft die Strafttaten] gilt unabhängig vom Recht des Tatorts, auch im Ausland, wenn der Täter Deutscher ist.“ Siehe auch die Nachweise bei Gärditz, Weltrechtspflege – Eine Untersuchung über die Eingrenzung staatlicher Strafgewalt, 2006; Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 51; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 26 Fußn. 83; Schmitz, Das aktive Personalitätsprinzip im internationalen Strafrecht. Zugleich ein kritischer Beitrag zur Legitimation der Ausdehnung der Strafgewalt auf Auslandstaten Deutscher, Diss. Frankfurt/Main 2002; Schwarze, Jurisdiktionsabgrenzung im Völkerrecht: neuere Entwicklungen im internationalen Wirtschaftsrecht, 1994; Wilhelmi, Das Weltrechtsprinzip im internationalen Privat- und Strafrecht, Diss. Trier 2007, 86 ff. Nachweise in KG vom 1.7.1983, WuW 1984, 233 (Kunig 700) = WM 1984, 1195 = AG 1984, 130 = IPRspr. 1985 Nr. 124; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 483; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung, 1992, 28. Zur „erosion of territorial limits on judicial jurisdiction“ Born/Rutledge, International Civil Litigation in the United States Courts4, 2006, 91. Unten Rz. 400. Forwick, Extraterritoriale US-amerikanische Exportkontrollen, 1993, 79. Nachweise bei Forwick a.a.O. 81; Spothelfer, Völkerrechtliche Zuständigkeiten und das Pipeline-Embargo, 1990, 31. Hierzu z.B. Schnyder, Wirtschaftskollisionsrecht, 1990, 104 Rz. 150, 138 Rz. 174 ff. Z.B. Gruson RIW 2006, 241, 249.
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Erster Teil: Grundlegung – Staatsschutzprinzip – Weltrechts- oder Universalitätsprinzip322 – Flaggenprinzip. Diese Anknüpfungen werden von den Vereinigten Staaten von Amerika besonders extensiv gehandhabt, z.B. durch den Helms-Burton-Act: Die von der kubanischen Regierung nach dem 1.1.1959 enteigneten US-Bürger haben einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch gegen alle, die mit dem konfiszierten Eigentum Handel treiben, auch wenn dieses „trafficking“ zwischen Drittstaatsangehörigen auf Drittstaatenterritorien stattfindet.323 170 c) Konkurrierende Zuständigkeiten: Da bei Sachverhalten mit Auslandsberührung meist zu mehr als einem Staat eine sinnvolle Anknüpfung vorhanden ist, sind mehrere Staaten für die Regelung des Sachverhaltes völkerrechtlich zuständig (z.B. bei der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit einerseits und an den gewöhnlichen Aufenthalt oder an den Ort der Handlung andererseits).324 Eine Hierarchie der Kompetenzanknüpfungen kennt das Völkerrecht nicht. Keine hat Vorrang. So kann z.B. der Aufenthaltsstaat kraft Gebietshoheit den Namen von Ausländern ändern.325 171 Gleichwohl werden im modernen Völkerrecht Schranken für die Ausübung der einen oder anderen Kompetenz erörtert.326 Die Diskussion ist besonders weit
322 Hierzu z.B. auch Wilhelmi, Das Weltrechtsprinzip im internationalen Privat- und Strafrecht, Diss. Trier 2007, 70, 114. 323 Zu den völkerrechtlichen Argumenten gegen diese weite Ausdehnung des US-Rechts das Gutachten des Interamerikanischen Juristenausschusses vom 23.8.1996 sub 9a: „A prescribing State does not have the right to exercise jurisdiction over acts of ‚trafficking‘ abroad by aliens unless specific conditions are fulfilled which do not appear to be satisfied in this situation.“ und unter 9b wird allgemein konstatiert: „A prescribing State does not have the right to exercise jurisdiction over ‚trafficking‘ abroad by aliens under circumstances where neither the alien nor the conduct in question has any connection with its territory and where no apparant connection exists between such acts and the protection of its essential sovereign interests.“ Hierzu Kress/Herbst RIW 1997, 630, 635; Reinmuth, Das US-Embargo gegen Kuba und internationales Recht, 2001. Die Europäische Union hat Gegenmaßnahmen ergriffen. Zur EG-Verordnung vom 22.11.1996 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebender Maßnahmen (ABl. EG Nr. L 309 vom 29.11.1996) Jayme/Kohler IPRax 1997, 391. 324 Adam, Internationaler Versorgungsausgleich, 1985, 367. 325 Unklar OVG Hamburg vom 21.3.1984, StAZ 1985, 45 = IPRspr. 1984 Nr. 12. – Siehe auch Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung, 1992, 41 ff. 326 Nachweise bei Dlouhy, Extraterritoriale Anwendung des Kartellrechts im europäischen und US-amerikanischen Recht, 2003; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 365, 372, Schnyder, Wirtschaftskollisionsrecht, 1990, 153 ff. Rz. 192 ff., 190 ff. Rz. 241 f. sowie in den Kommentaren zu §§ 402 ff. Restatement Third Foreign Relations Law of the United States.
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Rechtsquellen fortgeschritten auf dem Gebiet des Kartellrechts. Meessen327 stipuliert eine völkerrechtliche Pflicht zur Interessenabwägung.328 Diese folge aus dem Grundsatz der Nichteinmischung in die Angelegenheiten eines anderen Staates. Eine solche liege aber vor, wenn kartellrechtliche Hoheitsakte die Ausübung staatlicher Funktionen durch einen völkerrechtlich zuständigen Staat in erheblichem Umfang stören. Der handelnde Staat müsse eine Interessenabwägung vornehmen. Er dürfe seine Kompetenz nicht ausüben, wenn die Interessen des betroffenen Staates an dem Ausbleiben der Störung sein Interesse am Erlass des kartellrechtlichen Hoheitsaktes überwiegen.329 Da aber eine völkerrechtliche Interessenabwägung häufig am Fehlen gemeinsamer Wertmaßstäbe scheitere, bleibe im Ergebnis nur der Ausweg einer Interessenausgleichung durch diplomatische Verhandlungen.330 Aufschlussreich z.B. Art. 7 der New Yorker Regeln der International Law Asso- 172 ciation (1972):331 „Falls bei konkurrierender Zuständigkeit zweier oder mehrerer Staaten ein Konflikt hinsichtlich des Verhaltens irgendeiner Person auftritt, – darf kein Staat ein Verhalten im Gebiet eines anderen Staates, das dem Recht dieses Staates widerspricht, verlangen, – ist jeder Staat verpflichtet, bei der Anwendung seines eigenen Rechts auf das Verhalten in einem anderen Staat die bedeutenderen Interessen und die Wirtschaftspolitik dieses anderen Staates angemessen zu berücksichtigen.“332 In Deutschland ergibt sich die verfassungsrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme aus der Entscheidung des Grundgesetzes333 für eine internationale Zusammenarbeit.334
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Eine Konkretisierung vorstehender Maximen für das internationale Verfahrensrecht, insbesondere das internationale Zivilverfahrensrecht, fehlt im völker-
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327 Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze des internationalen Kartellrechts, 1975, 198 ff.; Meessen, Kollisionsrecht der Zusammenschlusskontrolle, 1984, 26. 328 Nachweise z.B. bei Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 119 ff.; Immenga in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, IntWettbR/IntKartR (Bd. 11), Rz. 38. 329 Zum Postulat eines wirtschaftskollisionsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprinzips Schnyder, Wirtschaftskollisionsrecht, 1990, 209 Rz. 260. 330 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 1198. Vgl. Rz. 376 sowie Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 429 zur Vermeidung von Zuständigkeitskonflikten auf dem Gebiet der „Beweiszuständigkeit“. 331 Übersetzung von Meessen AWD 1972, 562 Fußn. 22. 332 Siehe Wildhaber BerDGVR 18 (1978) 50 sowie Mozet, Internationale Zusammenarbeit der Kartellbehörden, 1991 (besprochen von Fuchs RabelsZ 58 [1994], 170). 333 Präambel, Art. 23, 24 und 26 GG. Siehe auch die Nachweise bei Dutta, Amtshaftung wegen Völkerrechtsverstößen bei bewaffneten Auslandseinsätzen deutscher Streitkräfte, AöR 133 (2008), 191, 211; Röben, Außenverfassungsrecht – Eine Untersuchung zur auswärtigen Gewalt des offenen Staates, 2007. 334 Klaus Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, 1965, 413; Tomuschat IPRax 1966, 83, 84; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 237.
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Erster Teil: Grundlegung rechtlichen Schrifttum.335 Auch ist höchst zweifelhaft, ob sie bereits geltendes Völkergewohnheitsrecht sind; denn in der Staatenpraxis (noch) dominierend ist der Satz, dass ein Staat auf Gebote oder Verbote eines anderen Staates (grundsätzlich) nicht Rücksicht nehmen muss, Rz. 176 ff. 174a d) Die Einwirkung auf Rechtsverhältnisse, auf die nach allgemeinem Völkerrecht ausländisches Recht anzuwenden ist, durch inländische (zwingende) Spezialgesetze ist völkerrechtlich nicht verboten.336 11. Völkerrechtliche Verpflichtung zur Ermittlung ausländischen Rechts? 175 Es ist völkerrechtlich unbedenklich, wenn ein Staat die (gerichtliche) Anwendung337 eines anderen als seines eigenen Rechts davon abhängig macht, dass eine interessierte Partei dies verlangt oder dass sie den Inhalt des ausländischen Rechts dem Gericht nachweist.338 Es gibt keine völkerrechtlich fundierte Pflicht (Art. 25 GG) zur „Gleichbehandlung ausländischer Rechtsordnungen“.339 12. Völkerrechtliche Zulässigkeit der Verurteilung zum Handeln oder Unterlassen im Ausland, wenn der Aufenthalts- bzw. Heimatstaat (gegensätzliche) Verhaltensnormen aufgestellt hat 176 Es ist völkerrechtlich zulässig, dass zu einem Handeln bzw. Unterlassen im Ausland verurteilt wird bzw. Rechtsverhältnisse, die zu einem anderen Staat eine (engere) Beziehung haben, rechtskräftig festgestellt werden, Rz. 396. Dieser Satz des allgemeinen Völkergewohnheitsrechts gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Aufenthalts- bzw. Heimatstaat der betroffenen Partei andere Verhaltensregeln aufgestellt hat, also das vom Forumstaat verlangte Handeln verbietet, Rz. 404, oder die zu unterlassende Handlung erlaubt.340 Eine solche Kollision von Verhaltenspflichten ist z.B. der eigentliche Grund für den „Justizkonflikt“ zwischen den USA und Europa,341 vor allem dann, wenn der europäischen Pro335 Vgl. z.B. Schnyder, Wirtschaftskollisionsrecht, 1990, 103 Rz. 149 ff.; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung, 1992, 197. 336 Beitzke in Festschrift Smend, 1952, 15. 337 Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 446. 338 Wengler, Internationales Privatrecht in RGR-Kommentar12, VI, 1981, § 3c. Zu weitgehend Schnorr v. Carolsfeld in Festschrift Beitzke, 1979, 701 Fußn. 18. 339 Mansel, Personalstatut, Staatsangehörigkeit und Effektivität, 1988, Rz. 38. Siehe auch unten Rz. 271a, 2625. 340 Nordmann, Die Beschaffung von Beweismitteln aus dem Ausland durch staatliche Stellen, 1979, 176. Anderer Auffassung Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 1189. Vgl. auch Kuhmann, Das Ermittlungsverfahren im internationalen Kartellrecht der USA, 1988; Remien, Rechtsverwirklichung durch Zwangsgeld, 1992, 304; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 377. Zu eng OLG Dresden vom 6.7.1999, IStR 2000, 189 = DStRE 2000, 328 = IPRspr. 1999 Nr. 120: Das Gebot des deutschen Gerichts beschränke sich auf das deutsche Territorium. 341 Nachweise bei Forwick, Extraterritoriale US-amerikanische Exportkontrollen, 1993, 100; Schlosser, Der Justizkonflikt zwischen den USA und Europa, 1985, 10; Stürner in Walther J. Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 28.
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Rechtsquellen zesspartei durch ein sog. „blocking statute“342 unter Strafandrohung verboten ist, der discovery-Anordnung nachzukommen.343 Beispiele: a) Verfahren gegen die Deutsche Bank AG: Gegen einen deutschen Hersteller 177 von Dieselmotoren, der seine Produkte auch in den Vereinigten Staaten von Amerika vertreibt, wurde wegen Verdachts eines Wirtschaftsdelikts ermittelt. Im Rahmen dieses Verfahrens hat das Distriktgericht in Michigan,344 bestätigt vom Court of Appeals,345 die Deutsche Bank über ihre (unselbständige) Niederlassung in New York aufgefordert, umfassend über ihre bankmäßigen Verbindungen mit dem Hersteller Auskunft zu erteilen und die entsprechenden Unterlagen herauszugeben. Diese befanden sich vorwiegend bei der Hauptniederlassung in Frankfurt und der Niederlassung in Kiel. Der Bankkunde erwirkte eine einstweilige Verfügung des LG Kiel gegen die Deutsche Bank; dieser wurde verboten, der amerikanischen Verfügung nachzukommen.346 Der US-amerikanische Richter beharrte auf seiner Anordnung. Auch das LG Kiel 178 blieb unbeirrt und gab der Klage in der Hauptsache statt.347 Dass das Verweigern der erbetenen Auskünfte und der Vorlage der verlangten Unterlagen vom amerikanischen Gericht als contempt of court angesehen und mit Strafen belegt werden könne, sei nicht erheblich.348 Das Recht der Europäischen Gemeinschaft und nunmehr der Europäischen Uni- 178a on stipuliert sporadisch blocking statutes. Ein solches sieht z.B. die gegen den Helms-Burton-Act gerichtete EG-Verordnung vom 22.11.1996 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebender Maßnahmen vor.349 342 Übersicht bei Heidenberger RIW 1986, 489 Rn. 5; Kuhmann, Das Ermittlungsverfahren im internationalen Kartellrecht der USA, 1988, 363. 343 Das deutsche Recht sieht ein solches generelles Verbot nicht vor. Zum Für und Wider de lege ferenda Heidenberger RIW 1986, 493. Lediglich in Schifffahrtssachen kann nach § 11 SeeaufgabenG (in der Fassung der Bekanntmachung vom 18.9.1998, BGBl. 1998 I 2986) das Bundesministerium für Verkehr durch Rechtsverordnung die Übermittlung von Unterlagen, die sich auf das Schifffahrtsgeschäft beziehen (insbesondere Verträge, Protokolle, Briefe, Studien, Marktberichte, Statistiken, Gutachten) und die Erteilung von Auskünften hierüber an Behörden und sonstige Stellen des Auslandes verbieten oder von einer Genehmigung abhängig machen, soweit dies erforderlich ist, um die deutsche Seeschifffahrt in der Freiheit ihrer wirtschaftlichen Betätigung zu schützen. Vgl. Nordmann, Die Beschaffung von Beweismitteln aus dem Ausland durch staatliche Stellen, 1979, 129; von Hülsen RIW 1982, 537. 344 In re Grand Jury 812, 550 F. Supp. 24 (W. D. Michigan 1982). 345 754 Fed. 2d 602 (5th Cir 1985). 346 Hierzu z.B. Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, RIW 2007, 801, 807. 347 LG Kiel vom 30.6.1982, RIW 1983, 206 (Stiefel/Petzinger 242, 247) = IPRax 1984, 146 (U. Bosch 127) = ILM 1983, 740 = IPRspr. 1982 Nr. 131. Hierzu Schlosser, Der Justizkonflikt zwischen den USA und Europa, 1985, 11; Stürner in Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 8, 31. 348 Nachweise auch bei Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 1189. 349 ABl. EG Nr. L 309 vom 29.11.1996; hierzu Jayme/Kohler IPRax 1997, 391.
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Erster Teil: Grundlegung 179 b) Extraterritoriale Weisungen des Heimat- und Wohnsitzstaates: Im Rahmen seiner völkerrechtlichen Befugnis zur Begründung von Verhaltenspflichten durch eigenes Recht aufgrund der Personalhoheit bzw. aufgrund der Anknüpfung an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt kann ein Staat Privatrechtssubjekten auch Vorschriften über die Ausübung oder Nichtausübung von subjektiven Rechten im Ausland machen, selbst wenn diese nach ausländischem Recht zu beurteilen sind.350 So kann der Heimatstaat eigene Staatsangehörige unter Androhung von Strafen im weiteren Sinn (z.B. Zwangsgeld, § 888 ZPO) verpflichten, bewegliche Sachen im Ausland (die ihm nach dem Recht des Lagestaats gehören) in den Heimatstaat zu bringen. Der Heimatstaat des Eigentümers darf zu dessen Lasten die Verursachung einer Störung, die von der im Ausland belegenen Sache ausgeht, nach seinem Deliktsrecht als unerlaubte Handlung bewerten, auch wenn es sich hier nach dem Lagerecht der Sache um erlaubte Ausübung (z.B. eines Monopolrechts) handelt. Vgl. auch Rz. 426, 1521. 180 Der Sitzstaat einer Gesellschaft bzw. einer juristischen Person darf deren Organe verpflichten, von ihrem Stimmrecht oder von Weisungsrechten in Bezug auf eine ausländische Tochtergesellschaft einen bestimmten Gebrauch zu machen. Umgekehrt versuchen auch US-amerikanische Gerichte vor allem bei der Beschaffung von Beweismitteln den Durchgriff von der Tochter auf die Mutter. Die in den Vereinigten Staaten von Amerika ansässige Tochtergesellschaft wird unter Androhung von Beugestrafen aufgefordert, von ihrer in Deutschland ansässigen Muttergesellschaft Beweismittel zu beschaffen, Rz. 91.351 181 Ist das vom Heimatstaat gebotene Verhalten nach dem Recht des anderen Staates nicht verboten, so entstehen völkerrechtlich keine Verwicklungen. Anders ist es jedoch, wenn der andere Staat dem Inhaber des Rechts ausdrücklich unter Strafandrohung verbietet, Weisungen aus einem anderen Staat nachzukommen. So kann die Vorlage von Geschäftsbüchern eines Unternehmens an die Behörden/ Gerichte außerhalb des Sitzstaates vom Sitzstaat verboten werden, gerade dann, wenn der fremde Staat das Unternehmen zur Vorlage verpflichtet. 182 c) Exportverbote: Der Heimatstaat darf vom Eigentümer die Entfernung einer Sache aus dem fremden Lagestaat auch dann verlangen, wenn dieser den Export solcher Sachen ohne seine Genehmigung verbietet.352 Eine (mittelbare) Erzwingung durch die Gerichte des Heimatstaates (Rz. 400) ist also völkerrechtlich nicht zu beanstanden. 183 d) Devisenrechtliche Anordnungen: Wohnsitzstaat des Eigentümers und Lagestaat von Devisenwerten können gegensätzliche devisenrechtliche Weisungen geben, ohne dass die eine oder die andere deshalb völkerrechtswidrig wäre. 184 e) Sonstige öffentlich-rechtliche Verbote: Auch außerhalb des Bereichs des Außenwirtschaftsrechts erhebt sich die Frage, ob der Beklagte im Inland zu einer Leistung verurteilt werden darf, die am ausländischen Leistungsort durch das dortige öffentliche Recht verboten ist. Das Völkerrecht verbietet nach Wengler353 350 351 352 353
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Wengler, Internationales Privatrecht in RGR-Kommentar12, VI, 1981, § 3c S. 21. Schlosser, Der Justizkonflikt zwischen den USA und Europa, 1985, 13 ff. Wengler, Internationales Privatrecht in RGR-Kommentar12, VI, 1981, § 3c S. 21. Wengler a.a.O. § 3c S. 21.
Rechtsquellen Maßnahmen einschließlich gerichtlicher Urteile, die in Widerspruch stehen zu Bestimmungen, die der Aufenthaltsstaat von Menschen und der Lagestaat von Sachen zur Wahrung der öffentlichen Ordnung in diesem Staat erlässt. Vgl. aber Rz. 176, 404. Der Gerichtsstaat kann aber Bestimmungen erlassen und durch seine Gerichte 185 durchsetzen, wonach die Verursachung der Unmöglichkeit der Leistung im Ausland durch „Anstiftung“ des fremden Gesetzgebers zum Erlass eines solchen Verbots als Verschulden zu gelten hat und der Beklagte mit seinem inländischen Vermögen für einen Schadensersatzanspruch haftet.354 Siehe auch Rz. 584. 13. Durchgriffshaftung Im US-Recht ist – bisher völkerrechtlich unbeanstandet355 – der Gedanke der 186 Durchgriffshaftung von Muttergesellschaften für Verbindlichkeiten abhängiger Unternehmen viel stärker betont als im deutschen Recht.356 14. Zuständigkeitsdurchgriff Dieser materiell-rechtliche Ansatz führt auf der Ebene des Verfahrensrechts u.a. 187 zu einem sog. Zuständigkeitsdurchgriff. Es fragt sich, ob es hierfür völkerrechtliche Grenzen gibt.357 Aktuell ist die Frage angesichts der Rechtsprechung der US-amerikanischen Ge- 188 richte: Diese weiten die internationale Zuständigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika bzw. des jeweiligen Gliedstaates wie folgt aus: Die Präsenz einer amerikanischen Tochter führt zur jurisdiction über die ausländische Mutter, wenn „interlocking structure“ zwischen Tochter und ausländischer Mutter besteht oder sonst kein selbständiger Geschäftsbetrieb gegeben ist. Die ausländische Mutter bzw. ihre Organe können Beklagte bzw. Auskunftspersonen in den USA sein.358 354 Wengler a.a.O. § 3c S. 21. 355 Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 356. 356 Drobnig, Haftungsdurchgriff bei Kapitalgesellschaften, 1959; Bruhns, Das Verfahrensrecht der internationalen Konzernhaftung – Durchsetzung von Konzernhaftungsansprüchen bei grenzüberschreitenden Unternehmensverbindungen im Rahmen der EuGVVO unter besonderer Berücksichtigung des deutschen und französischen Rechts, 2006. Zur Durchgriffshaftung im Verhältnis Staat und rechtlich selbständiger Staatsbetrieb Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 72. 357 Verneinend Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 237 f. 358 Marc Rich v. U.S., 707 F. 2d 663 (2d Cir. 1983), at 668; FTC v. Compagnie de Saint-Gobain-Pont-à-Mousson, 636 F. 2d 1300, 1324 (D. C. Cir. 1980); SEC v. Banca Della Svizzera Italiana, 92 F.R. 111 (S.D.N.Y. 1981) 112; Herrmann, Die Anerkennung US-amerikanischer Urteile in Deutschland unter Berücksichtigung des ordre public – Eine rechtsvergleichende Untersuchung zum „Justizkonflikt“ zwischen Deutschland und den USA, 2000, 152; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 3 Rz. 530; Otto, Der prozessuale Durchgriff – die Nutzung forumansässiger Tochterge-
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Erster Teil: Grundlegung 188a Im Anwendungsbereich des EuGVÜ/LugÜ bzw. der EuGVVO gibt Art. 6 Nr. 1 (Rz. 1160)359 eine Kompetenzanknüpfung am Sitz der inländischen Tochter auch für die Klage gegen die im Ausland domizilierte Mutter und umgekehrt, sofern sie nur gemeinsam als Streitgenossen verklagt werden.360 Ausnahmen gelten aber für die in Art. 16 Nr. 2 EuGVÜ bzw. Art. 22 Nr. 2 EuGVVO aufgeführten Streitgegenstände. Außerhalb des EuGVÜ/LugÜ bzw. der EuGVVO kommt § 23 ZPO zum Zuge; denn die Gesellschaftsanteile der Mutter an der Tochtergesellschaft sind im Inland belegen.361 In Betracht kommt auch § 21 ZPO (Kontrolltheorie) Rz. 1445.362 188b Für das deutsche autonome Recht verneint auf der innerstaatlichen Ebene der Bundesgerichtshof363 einen Zuständigkeitsdurchgriff364 mangels gesetzlicher Grundlage, nicht jedoch wegen Überschreitung völkerrechtlicher Grenzen: Für den Gerichtsstand des Vermögens (§ 23 ZPO) könne das Vermögen einer Kapitalgesellschaft nicht mit dem ihres Alleingesellschafters gleichgesetzt werden.365 15. Gewaltverbot 189 Gewaltanwendung nach außen: Das Gewaltverbot des Art. 2 Nr. 4 der Satzung der Vereinten Nationen366 betrifft Aktionen gegen fremde Staaten. So wäre z.B.
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sellschaften in Verfahren gegen ihre auswärtigen Muttergesellschaften im Recht der USA, der Europäischen Gemeinschaften und der Bundesrepublik Deutschland, zugleich ein Beitrag im Justizkonflikt mit den USA, 1993, 50 ff.; Welp, Internationale Zuständigkeit über auswärtige Gesellschaften mit Inlandstöchtern im US-amerikanischen Zivilprozess, 1982, 86 ff.; Stürner in Walther J. Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 20 Fußn. 90; zu New York C.P.L.R. 301 Vorpeil RIW 1991, 997. Vgl. auch Grothe RabelsZ 58 (1994), 701. Hierzu z.B. Geier, Die Streitgenossenschaft im internationalen Verhältnis, Diss. St. Gallen, 2005. Staudinger/Ebke/Großfeld, Internationales Gesellschafts- und Unternehmensrecht, Neubearbeitung 2008, Rz. 263. Staudinger/Ebke/Großfeld Rz. 401. Zum Zuständigkeitsdurchgriff im Verhältnis Staat und Staatsbetrieb Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 14 Fußn. 63, 73 Fußn. 294. BGH vom 20.4.1993, NJW 1993, 2683 = RIW 1993, 670 = IPRax 1995, 98 (Harald Koch 71) = EuZW 1993, 517 (R. Geimer 564) = EWiR 1993, 927 (R. Geimer) = LM Nr. 8 zu § 23 ZPO (Pfeiffer) = IPRspr. 1993 Nr. 138; BGH vom 12.6.2007, RIW 2007, 873, 875. Rechtsvergleichend zum Zuständigkeitsdurchgriff Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 3 Rz. 530. BGH vom 12.6.2007, RIW 2007, 873, 875. Siehe auch Otto, Der prozessuale Durchgriff – die Nutzung forumansässiger Tochtergesellschaften in Verfahren gegen ihre auswärtigen Muttergesellschaften im Recht der USA, der Europäischen Gemeinschaften und der Bundesrepublik Deutschland, zugleich ein Beitrag im Justizkonflikt mit den USA, 1993, 146. Nachweise bei Wengler NJW 1986, 2995; Münchau, Terrorismus auf See aus völkerrechtlicher Sicht, 1994, 124; Ipsen, Völkerrecht6, 2009, § 59; Neuhold in Neuhold/ Hummer/Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. I Rz. 1798 ff. Das Gewaltverbot ist der Kerngedanke im System des Westfälischen Friedens von 1648; dessen Grundlage ist die Nichteinmischung fremder Mächte in die inneren An-
Rechtsquellen die Eintreibung von Vertragsschulden mit Waffengewalt verboten. Vor dem Ersten Weltkrieg führte der Schutz des Eigentums von Fremden insbesondere in Lateinamerika mitunter zu bewaffneten Interventionen durch deren Heimatstaaten. So haben z.B. 1904 Deutschland, Großbritannien und Italien die Küste Venezuelas blockiert, um Ansprüche ihrer Staatsangehörigen durchzusetzen.367 Diese „Kanonenboot-Diplomatie“ wurde teilweise schon durch die Drago-Porter-Konvention vom 18.10.1907368 verboten.369 Gewaltanwendung innerhalb des eigenen Staatsgebiets (Hoheitsgebiets) fällt 190 nicht in den Anwendungsbereich des Gewaltverbots des Art. 2 der Satzung der Vereinten Nationen, Rz. 189. Die Staaten haben innerhalb ihres Territoriums freie Hand. Vollstreckungsbeschränkungen (speziell) gegen fremde Staaten haben ihre Wurzel woanders, nämlich im Immunitätsrecht, Rz. 589. 16. Gerichtsverfahren gegen völkerrechtswidrig Entführte Es besteht nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts370 keine Regel des 191 allgemeinen Völkergewohnheitsrechts, derzufolge die Durchführung des Gerichtsverfahrens gegen eine Person völkerrechtlich verboten ist, die unter Verletzung der Gebietshoheit eines fremden Staates371 in den Gerichtsstaat verbracht worden ist. Auf diesen Punkt kommt es zwar vorwiegend in Strafverfahren an, jedoch sind auch Zivilprozesse denkbar, in denen diese Frage entscheidungserheblich ist. Beispiel: Dem deutschen Gerichtsvollzieher in Schleswig „entkommt“ in letzter 191a Minute der Schuldner mit seiner pfändbaren Habe ins benachbarte Dänemark. Der Gerichtsvollzieher fährt ihm völkerrechtswidrig als „Privatmann“ nach (Rz. 120) und überredet ihn mit einer List zur Rückkehr. Anschließend Pfändung in Deutschland. Vgl. auch Rz. 3204. Eine andere (für die Eröffnung einer internationalen Zuständigkeit im Entführerstaat bedeutsame) Frage ist, ob der völker-
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gelegenheiten der anderen souveränen Staaten. Der Einsatz von Waffengewalt ist ausschließlich zur Selbstverteidigung erlaubt gegen eine tatsächliche, nicht gegen eine (vermutete) potenzielle Bedrohung. Ein Präventivschlag ist daher nach klassischem Völkerrecht nicht zu rechtfertigen. Anders die US-amerikanische Politik, die Präventivmaßnahmen gegen „Schurkenstaaten“ mitunter für gerechtfertigt hält. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 235. Siehe auch Oschmann, CalvoDoktrin und Calvo-Klauseln – Wechselnde Realitäten im Internationalen Wirtschaftsrecht Lateinamerikas, 1993, 134 ff. sowie Paulsson, Denial of Jusitice in International Law, 2005, 13 ff., 228 ff. RGBl. 1910, 59. Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht10, 2000, Rz. 1600. BVerfG vom 17.7.1985, NJW 1986, 1427, BVerfG vom 3.6.1986, NJW 1986, 3021 sowie BVerfG vom 19.10.1994, NJW 1995, 651; zustimmend Herdegen NJW 1988, 595; kritisch Mann NJW 1986, 2167; R. Geimer ZfRV 1992, 337 Fußn. 159. Ausführlich z.B. Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 82 ff. Allgemein Wilske, Die völkerrechtswidrige Entführung und ihre Rechtsfolgen, 2000.
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Erster Teil: Grundlegung rechtlich Entführte dort Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt hat. Diese ist zu bejahen. 17. Gegenstände, die völkerrechtswidrig ins Inland gebracht wurden 192 Was für völkerrechtswidrig entführte Personen gilt, gilt umso mehr für Sachen, die unter Verletzung des Völkerrechts in den Gerichtsstaat verbracht worden sind. Dies kann z.B. im Zusammenhang mit dem Gerichtsstand der Belegenheit (§ 23 S. 1 zweite Alternative ZPO, Rz. 1427) eine Rolle spielen. 18. Amtshaftungsansprüche 192a Eine Regelung, die Amtshaftungsansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland bzw. ein Bundesland bzw. gegen den Beamten von der Verbürgung der Gegenseitigkeit abhängig macht, ist völkerrechtskonform. Sie ist Ausdruck des völkerrechtlichen Gegenseitigkeitsprinzips, das der Wahrnehmung eigener staatlicher Belange gegenüber anderen Staaten dient.372 19. Comitas gentium 192b Die comitas gentium (international comity, courtoisie internationale) erzeugt keine völkerrechtlich relevanten Pflichten,373 insbesondere nicht zur Duldung ausländischer Justizakte auf eigenem Territorium (Zustellungen, Beweisaufnahme, „passive Rechtshilfe“, siehe aber Rz. 2174), auch nicht zur aktiven Hilfe (Gewährung aktiver Rechtshilfe, z.B. Zustellungen, Beweisaufnahme),374 des Weiteren nicht zur gegenseitigen Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen.375 Ein Staat kann auch nicht durch eine einseitige Erklärung, er verbürge die Gegenseitigkeit, den anderen zu einem bestimmten Verhalten zwingen. Denn die berühmte Frage von Lord Ellenborough:376 „Can the Island of Tobago pass a law to bind the rights of the world?“ ist mit einem eindeutigen Nein zu beantworten.377
372 BGH vom 28.2.1980, BGHZ 77, 11 = NJW 1980, 1513 = MDR 1980, 560 = IPRspr. 1980 Nr. 34; OLG Frankfurt vom 9.5.1985, VersR 1985, 1191 = IPRspr. 1985 Nr. 38. Nachweise bei Harald Mueller, Das Internationale Amtshaftungsrecht, 1991, 181 ff. 373 Nagel, Nationale und internationale Rechtshilfe, 1971, 71; Wengler, Völkerrecht I, 1964, 176. 374 E. Geimer, Internationale Beweisaufnahme, 1998, 52, 146; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 158. 375 Sie ist nur „the old woman’s fable of a sort of international civility“, Read, Recognition and Enforcement of Foreign Judgements in the Common Law Units of the British Commonwealth, 1938, 52. 376 Zitiert bei Nagel a.a.O. 68. 377 Anderer Auffassung Szászy, International Civil Procedure, 1967, 649, vgl. auch Dahm, Völkerrecht II, 1961, 435: Ein Staat könne bei Verletzung/Nichteinhaltung der comitas gentium die Retorsion als Antwort auf eine unbillige Härte anwenden. – Weitere Nachweise bei Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 127.
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Rechtsquellen 20. Völkerrechtliche Haftung für Gerichtsurteile a) Verstoß gegen Völkerrechtsnormen: Die Staaten haften für Handlungen aller 193 ihrer Staatsorgane, also auch für völkerrechtswidrige Gerichtsurteile.378 Dies gilt insbesondere bei déni de justice (Rz. 129, 384, 1909) oder bei Nichtbeachtung eines Staatsvertrages. Die subjektiven Intentionen des Gerichts sind ohne Bedeutung. Auch eine auf entschuldbarem Rechtsirrtum beruhende Nichtbeachtung einer völkerrechtlichen Norm ist ein Völkerrechtsdelikt. Die Staaten können sich auch nicht auf die (innerstaatlich angeordnete) sachliche Unabhängigkeit ihrer Gerichte berufen; sie dürfen auch nicht unter Hinweis darauf Naturalrestitution (Beseitigung des Gerichtsurteils) ablehnen.379 Die deutsche ZPO eröffnet eine Wiederaufnahmemöglichkeit in § 580 Nr. 8 ZPO,380 Rz. 217. b) Weitere Fälle völkerrechtlicher Haftung. aa) Fehlurteile, die keine konkrete Völkerrechtsnorm verletzen bzw. ignorieren: Nicht jedes innerstaatlich rechtskraftfähige Fehlurteil, das gegen einen Ausländer ergeht, erfüllt den Tatbestand eines völkerrechtlichen Delikts. Hierzu gehört vielmehr die Absicht des betreffenden Richters, dem Ausländer wegen dessen Ausländereigenschaft schaden zu wollen.381 378 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 1272; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 328; Meinhard Schröder in Graf Vitzthum, Völkerrecht3, 2004, 530 ff. jeweils mit Nachweisen; Paulsson, Denial of Jusitice in International Law, 2005, 38 ff. Siehe auch die Kodifikation des Völkergewohnheitsrechts durch die Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen (ILC) zum Thema Staatenverantwortlichkeit, angenommen durch die Resolution des Generalversammlung 56/83 vom 12.12.2001, in deutscher Sprache abgedruckt bei Neuhold/Hummer/Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. II D 325 S. 511. 379 Verdross/Simma §§ 1272, 1295; Schlosser ZZP 79 (1966), 182; Seidl-Hohenveldern/ Stein, Völkerrecht10, 2000, Rz. 1666; Ress in J. Maier, Europäischer Menschenrechtsschutz, 1982, 240; Stiefel/Stürner VersR 1987, 830. Anderer Auffassung Urbanek österr. ZöffR 11 (1961), 75. Offen gelassen in BVerfG vom 11.10.1985 NJW 1986, 1426. 380 Anders (vor Inkrafttreten des § 580 Nr. 8 ZPO) OLG Naumburg vom 17.5.2005, OLGReport 2005, 877: Keine Wiederaufnahme, wenn EGMR einen Verstoß gegen EMRK festgestellt hat. 381 Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht10, 2000, Rz. 1638. Plastisch Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 1272: „Willkürliche Verletzungen des innerstaatlichen Rechts, die sich hinter der Maske eines Richterspruchs verbergen.“ Vgl. auch Nordmann, Die Beschaffung von Beweismitteln aus dem Ausland durch staatliche Stellen, 1979, 183 (Absicht des Gerichts, dem Ausländer Beweismöglichkeiten abzuschneiden). Zu den weniger scharfen Konturen des Völkergewohnheitsrechts Dolzer IPRax 1992, 137 (Besprechung der ELSI-Entscheidung des Internationalen Gerichtshofs, ICJ Rep. 1989, 14). Zur Haftung der EU-Mitgliedstaaten bei Verletzung des Gemeinschaftsrechts durch ihre (obersten) Gerichte EuGH vom 30.9.2003, Rs C-224/01 – Köbler/Republik Österreich JZ 2004, 295 (von Danwitz) = ZfRV 2003, 228 (Schwarzenegger 236); EuGH vom 13.6.2006, Rs C-173/03 – Traghetti del Mediterraneo SpA/Repubblica Italiana Slg. 2006, I-5177 = NJW 2006, 3337 = EuZW 2006, 561 (Seegers 564) = JZ 2006, 1173 (Haratsch). Hierzu siehe auch Rauscher/Mankowski Vorbem. Art. 2 Rz. 24; Tsikrikas ZZP Int 9 (2004), 123, 132. Viel dichter ist die Kontrolle des EGMR, vgl. z.B. EGMR vom 24.6.2004 – Caroline von Hannover, geb. Monaco/Bundesrepublik Deutschland, FamRZ 2004, 1455 = NJW
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Erster Teil: Grundlegung 195 Ein Völkerrechtsdelikt wäre es, wenn sich die Gerichte weigern würden, Angriffe auf die Person oder das Eigentum von Ausländern durch Erlass der beantragten Unterlassungs- bzw. Schadensersatzurteile zu ahnden, und zwar nur deswegen, weil Ausländer klagen bzw. der Schaden/die Beeinträchtigung durch Inländer zugefügt worden ist, Rz. 197.382 196 bb) Nichthoheitliches Handeln: Es besteht keine direkte völkerrechtliche Haftung für nichthoheitliches Handeln eines Staates.383 Beispiel: Ein staatseigener Betrieb weigert sich grundlos, einen ausländischen Lieferanten zu bezahlen. Der Tatbestand der völkerrechtlich verbotenen entschädigungslosen Enteignung ausländischen Eigentums ist nicht gegeben.384 Es liegt aber eine völkerrechtlich verbotene „schleichende Verstaatlichung“ vor, wenn sich (alle) Gerichte dieses Staates weigern, ein nach dessen Rechtsordnung unrechtmäßiges nichthoheitliches Handeln abzustellen. Geben sie der offensichtlich begründeten Klage des Lieferanten nicht statt, dann liegt darin ein völkerrechtliches Unrecht eines Organs des Staates (eine durch dessen Gerichte begangene Rechtsverweigerung).385 197 Der Staat haftet also insoweit für die Handlungen von Privatpersonen, als er von Völkerrechts wegen verpflichtet ist, deren Handlungen zu verhindern.386 Haftungsgrund ist hier, dass die staatlichen Organe ihrer Pflicht zur Sicherung des völkerrechtsmäßigen Verhaltens ihres Staates gegenüber Störungen durch Privatpersonen (durch Eingriffe in die Person oder das Eigentum des Ausländers)
382 383 384
385 386
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2004, 2674 (Heldrich 2634) = JZ 2004, 1015 (Stürner): Eigene (vom BGH und BVerfG abweichende) Abwägung von Persönlichkeitsschutz (Art. 8 EMRK) gegen Meinungsund Pressefreiheit unter Betonung des Persönlichkeitsschutzes auch für Prominente. Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht10, 2000, Rz. 1639. Gusy RIW 1986, 585. Art. 17 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10.12.1948 spricht den Schutz des Eigentums an, jedoch nur sehr verschwommen (Schutz vor willkürlichen Eingriffen). Die VN-Menschenrechtspakte von 1966 schützen das Recht auf Eigentum nicht als Menschenrecht, sondern betonen das Recht aller Völker, für ihre eigenen Zwecke frei über ihre natürlichen Reichtümer zu verfügen, m.a.W. das Recht auf Verstaatlichungen. Hierzu Hefti, La protection de la propriété étrangère en droit international public, 1989, 48 ff.; Neuhold in Neuhold/Hummer/Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. I Rz. 28. – Neuere Nachweise zum völkerrechtlichen Enteignungsrecht bei Hefti a.a.O. 71 ff.; Oschmann, Calvo-Doktrin und Calvo-Klauseln – Wechselnde Realitäten im Internationalen Wirtschaftsrecht Lateinamerikas, 1993, 62 ff.; Martin Schäfer, Entschädigungsstandard und Unternehmensbewertung bei Enteignungen im allgemeinen Völkerrecht unter besonderer Berücksichtigung der jüngeren schiedsgerichtlichen Spruchpraxis, 1997; Martin Schäfer RIW 1998, 199; Schill RIW 2005, 330, 332; Seidl-Hohenveldern/Hummer/Kriebaum in Neuhold/Hummer/Schreuer a.a.O. Rz. 1303 ff.; Wendehorst in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, nach Art. 46 Anh. Rz. 9. Siehe auch die Nachweise bei Happ, Rechtsprechung der ICSID-Schiedsgerichte 2005–2007, SchiedsVZ 2008, 19, 21. Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht10, 2000, Rz. 1660; Herdegen RIW 1989, 334 Fußn. 66; enger Gusy RIW 1986, 588. Vgl. auch Engel RabelsZ 49 (1985), 108. Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 330 Fußn. 63; Wolf ZaöRV 45 (1985), 250.
Rechtsquellen nicht nachkommen, z.B. können die Gerichte ihre Pflicht zum Schutz von Leben und Eigentum von Ausländern dadurch verletzen, dass sie keine Unterlassungsurteile oder Schadensersatzurteile erlassen, obwohl dies nach dem innerstaatlichen Recht (offensichtlich) möglich wäre. Die indirekte Haftung des Staates ist aber auf die Höhe des zu schätzenden Scha- 198 dens beschränkt, der durch das Untätigbleiben der Staatsorgane (Gerichte) entstanden ist. Sie umfasst also nicht den Schaden, der gegebenenfalls auch dann eingetreten wäre, wenn die Staatsorgane ihre Pflichten einwandfrei erfüllt hätten.387 c) Local remedy rule (Rule of the exhaustion of local remedies): Die völkerrecht- 199 liche Haftung des Gerichtsstaates setzt die erfolglose Ausschöpfung des innerstaatlichen (ordentlichen) Rechtsmittelzuges voraus,388 Rz. 1909. Umstritten ist, ob die local remedy rule eine Prozessvoraussetzung für internationale Verfahren ist oder ob sie dem materiellen Völkerrecht zuzuordnen ist.389 Nach letzterer Auffassung würde überhaupt kein völkerrechtliches Unrecht vorliegen, da der Verletzte die Beeinträchtigung durch Inanspruchnahme des innerstaatlichen Rechtsweges hätte abwenden bzw. korrigieren können.390 Die local remedy rule gilt nur für „private individuals“, also nicht, wenn der 200 den Anspruch stellende Staat selbst oder eines seiner völkerrechtlichen Organe (Staatsoberhaupt, Regierungsmitglieder, Diplomaten, Konsuln oder ähnliche Amtsträger) verletzt wurden.391
387 Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht10, 2000, Rz. 1672; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, §§ 1281, 1297. 388 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 1306; Herdegen in Ress/Stein, Der diplomatische Schutz im Völker- und Europarecht – Aktuelle Probleme und Entwicklungstendenzen, 1996, 63; Sandrock IPRax 2001, 550, 551 Fußn. 11 mit weiteren Nachweisen. Vgl. Art. 29 des Europäischen Übereinkommens zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten vom 29.4.1957, BGBl. 1961 II 81, 1026; Art. 3 I 2 des deutschschweizerischen Schiedsgerichts- und Vergleichsvertrages vom 3.12.1921, RGBl. 1922 II 104, geändert durch Protokoll vom 29.8.1929, RGBl. II 506. Vgl. auch Art. 35 I EMRK; Schumann, Endlich nach 50 Jahren: Die Feststellung der Menschenrechtsverletzung durch den EGMR wird in Deutschland zum zivilprozessualen Restitutionsgrund, in Festschrift zum 80. Geburtstag von Rudolf Machacek und Franz Matscher, 2008, 901, 903. 389 Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 348 Fußn. 207; Schack BerDGVR 32 (1992), 318; Wengler, Völkerrecht I, 1964, 656. 390 Vgl. Doehring, Die allgemeinen Regeln des völkerrechtlichen Fremdenrechts und das deutsche Verfassungsrecht, 1963, 247; Urbanek österr. ZöffR 11 (1961), 71; Verdross/ Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 1306 Fußn. 42. Der materiell-rechtlichen Deutung schließt sich Art. 22 des ILC-Entwurfs zur Staatenimmunität an. Anders dagegen der Internationale Gerichtshof in Ellettronica Sicula S.p.A., 20.7.1989, ICJ Rep. 1989, 42: die Rechtswegerschöpfung sei Zulässigkeitsschranke („objection to the admissibility of the [present] claim“). 391 Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 333 Fußn. 89, 349 Fußn. 215; Herdegen in Ress/Stein, Der diplomatische Schutz im Völker- und Europarecht – Aktuelle Probleme und Entwicklungstendenzen, 1996, 63.
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Erster Teil: Grundlegung Beispiel: Wurde die Immunität eines ausländischen Staates bzw. eines seiner Amtsträger durch ein deutsches Gericht verletzt, so kann ihm nicht die local remedy rule entgegengehalten werden, d.h. der völkerrechtliche Anspruch auf Aufhebung des Urteils entfällt nicht deswegen, weil der verletzte Staat es unterlassen hat, das deutsche Urteil durch Einlegung von Rechtsmitteln zu beseitigen. 201 Dies gilt nicht für nichthoheitliches Handeln. Hier wird der fremde Staat wie eine Privatperson behandelt. Eine völkerrechtliche Haftung kommt also nur dann in Betracht, wenn der betroffene Staat alle innerstaatlichen Rechtsbehelfe ausgeschöpft hat.392 202 Die Ausschöpfung des innerstaatlichen Instanzenzuges ist ferner per definitionem unmöglich im Falle der totalen Rechtsschutzverweigerung. 203 Die local remedy rule gilt nur bei Verletzung des Völkerrechts (Fremdenrechts) im Gebiet des Verletzerstaates.393 204 d) Völkerrechtlicher Anspruch auf Aufhebung des völkerrechtswidrigen Urteils: Der verletzte Staat (Rz. 134) hat Anspruch auf Naturalrestitution,394 somit auf Aufhebung des völkerrechtswidrigen Urteils.395 Vgl. Rz. 470a. Diesen Grundsatz stipulieren auch Art. 31 ff. der Resolution 56/83 vom 12.12.2001 der Generalversammlung der Vereinten Nationen zur Staatenverantwortlichkeit.396 205 Dagegen kann der betroffene Staat sich nicht auf die (möglicherweise) auch vom Völkerrecht geforderte Unabhängigkeit der staatlichen Gerichte berufen.397
392 Doehring EPIL 1 (1981), 138. Anderer Auffassung Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 1308; Heß a.a.O. 349 Fußn. 215. 393 Heß a.a.O. 351: „Nur in diesem Fall kann es den Geschädigten zugemutet werden, die Gerichte vor Ort um Rechtsschutz zu ersuchen; angesichts des territorialen Bezugs der Rechtsverletzung ist es dem Heimatstaat auch zuzumuten, erst nach dem Fehlschlagen innerstaatlicher Abhilfe Ansprüche zu stellen.“ 394 Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 215. 395 Schlosser ZZP 79 (1966), 181. 396 In deutscher Sprache abgedruckt bei Neuhold/Hummer/Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. II D 325 S. 511. 397 Art. 32 der Resolution 56/83 vom 12.12.2001 der Generalversammlung der Vereinten Nationen zur Staatenverantwortlichkeit. Anderer Auffassung, aber überholt Urbanek österr. ZöffR 11 (1961), 76: Bei völkerrechtsverletzenden Gerichtsentscheidungen könne nicht Naturalrestitution durch Aufhebung der Entscheidung als Unrechtsfolge verlangt werden, weil die Staaten einer solchen Pflicht – wenn sie bestünde – im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Gerichte und das in allen Kulturstaaten zu findende Institut der Rechtskraft nicht nachkommen können. Dagegen überzeugend Schlosser ZZP 79 (1966), 182 ff. Wie hier auch für den Bereich des europäischen Gemeinschaftsrechts, d.h. Haftung der EU-Mitgliedstaaten bei Verletzung des Gemeinschaftsrechts durch ihre (obersten) Gerichte EuGH vom 30.9.2003, Rs C-224/01 – Köbler/Republik Österreich JZ 2004, 295 (von Danwitz) = ZfRV 2003, 228 (Schwarzenegger 236); EuGH vom 13.6.2006, Rs C-173/03 – Traghetti del Mediterraneo SpA/Repubblica Italiana Slg. 2006, I-5177 = NJW 2006, 3337 = EuZW 2006, 561 (Seegers 564) = JZ 2006, 1173 (Haratsch).
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Rechtsquellen e) Einschaltung internationaler Gerichte. aa) Kassatorische Urteile: Denkbar 206 sind kassatorische Urteile internationaler Gerichte. Hier bestimmt das internationale Gericht nicht nur, welche Wiedergutmachungsleistungen der wegen des völkerrechtlichen Delikts verantwortliche Staat zu erbringen hat, sondern sein Spruch selbst bewirkt den Wiedergutmachungsakt: Das internationale Gericht hebt den für völkerrechtswidrig erkannten staatlichen Akt auf (völkerrechtliches Gestaltungsurteil). Solche kassatorischen Befugnisse sind jedoch selten. Entsprechende Urteile können nur dann ergehen, wenn dem internationalen Gericht ausdrücklich die Aufhebungsbefugnis zugesprochen worden ist.398 Beispiel: Art. 11 II der Anlage 4 zum Londoner Schuldenabkommen vom 207 27.2.1953399: Kommen Gläubiger und Schuldner nicht zu einer Einigung, so entscheidet das zuständige deutsche Gericht. Gegen die erstinstanzliche Entscheidung des deutschen Gerichts kann der Gläubiger nach seiner Wahl entweder die ihm nach deutschem Recht zustehenden Rechtsmittel einlegen oder innerhalb einer Frist von dreißig Tagen nach der Zustellung der erstinstanzlichen Entscheidung das gemäß Art. 17 gebildete Schiedsgericht anrufen. Die Entscheidung des Schiedsgerichts ist bindend.400 bb) Feststellungsurteil: Wenn ein internationales Gericht401 als zuständig verein- 208 bart wurde, darf dieses im Zweifel nur ein Feststellungsurteil erlassen: Es stellt die Völkerrechtswidrigkeit des nationalen Gerichtsurteils fest. Dies gilt z.B. auch für die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg. Dieser hat keine kassatorischen Befugnisse.402 cc) Leistungsurteil: Möglich ist auch, dass dem internationalen Gericht die Be- 209 fugnis zuerkannt wird, ein „Leistungsurteil“ zu erlassen. Es verurteilt den Verletzerstaat zu einer bestimmten Wiedergutmachungsleistung. Denkbar ist die Verurteilung zur Aufhebung des Urteils, doch kommt dies selten vor; häufiger sind die Fälle, in denen das internationale Gericht auf Ersatz in Geld erkennen darf. Ob die Kompetenz für ein Leistungsurteil besteht oder nur die Völkerrechtsverletzung festgestellt werden darf, muss der jeweiligen völkerrechtlichen Vereinbarung entnommen werden, auf welcher die Jurisdiktion des internationalen Gerichts beruht. Der (praktische) Unterschied zwischen völkerrechtlichen Feststellungs- und 210 Leistungsurteilen ist jedoch gering. Vollstreckungsmöglichkeiten für das Leis398 Zemanek/Hafner/Wittich in Neuhold/Hummer/Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. I Rz. 2755. 399 BGBl. 1953 II 331. 400 Vgl. Doehring, Die allgemeinen Regeln des völkerrechtlichen Fremdenrechts und das deutsche Verfassungsrecht, 1963, 247; Urbanek österr. ZöffR 11 (1961), 112. Vgl. auch Art. 37 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte, Urbanek a.a.O. 105, sowie zum EMRKSystem Matscher in Festschrift Kohlegger, 2000, 351. 401 Z.B. der Internationale Gerichtshof oder ein (völkerrechtliches) Schiedsgericht. 402 Karl in Neuhold/Hummer/Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. I Rz. 1539; Schumann, Endlich nach 50 Jahren: Die Feststellung der Menschenrechtsverletzung durch den EGMR wird in Deutschland zum zivilprozessualen Restitutionsgrund, in Festschrift zum 80. Geburtstag von Rudolf Machacek und Franz Matscher, 2008, 901, 904.
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Erster Teil: Grundlegung tungsurteil sind – im Gegensatz zum innerstaatlichen Leistungsurteil – kaum gegeben. Das Leistungsurteil des internationalen Gerichts kann nur mit den primitiven Mitteln der Völkerrechtsordnung, notfalls durch Repressalien (die jedoch die Menschenrechte nicht antasten dürfen) durchgesetzt werden.403 211 f) Schadensersatz bei (innerstaatlichem) Fortbestand des völkerrechtswidrigen Urteils: Die Fälle der Beseitigung des völkerrechtswidrigen nationalen Gerichtsurteils durch Kassation des internationalen Gerichts (Rz. 205) sind in der Staatenpraxis selten. Aber auch die Fälle, in denen der verantwortliche Staat zur Aufhebung (Naturalrestitution) verurteilt wird, bilden die Ausnahme. 212 Angesichts des Fehlens einer obligatorischen internationalen Gerichtsbarkeit und der fehlenden Bereitschaft der Staaten, innerstaatlich eine Wiederaufnahme gegen völkerrechtswidrige Urteile zuzulassen, ist der völkerrechtliche Anspruch auf Naturalrestitution in den meisten Fällen nicht durchsetzbar.404 Der verletzte Staat begnügt sich meist mit Geldersatz.405 Nach Art. 46 EMRK sind die Vertragsstaaten verpflichtet, das (endgültige) Urteil des Gerichtshofs zu befolgen. Die herrschende Meinung in Deutschland lehnte vor Einführung des § 580 Nr. 8 ZPO (Rz. 217) entgegen der hier vertretenen Meinung eine Wiederaufnahme des Verfahrens ab.406 213 Doch ist festzuhalten, dass er sich nach dem durch die Staatenpraxis gesicherten Völkergewohnheitsrecht nicht damit begnügen muss. Wenn auch der verantwortliche Staat sich im Hinblick auf seine innerstaatliche Gesetzgebung zur Aufhebung des völkerrechtswidrigen Urteils außerstande sieht, so bedeutet dies nicht, dass der Verletzerstaat nur mit einer Geldzahlung „davonkommt“. Er ist 403 Hierauf weist vor allem Urbanek österr. ZöffR 11 (1961), 71 hin. Der einzige Unterschied liegt nach Urbanek darin, dass das völkerrechtliche Leistungsurteil nicht nur den Tatbestand der Völkerrechtsverletzung (Völkerrechtsdelikt) feststellt, sondern auch noch die völkerrechtliche Unrechtsfolge verbindlich feststellt (sozusagen ein doppeltes Feststellungsurteil), während bei einer bloßen Feststellung des Verletzungstatbestandes die Wiedergutmachungsfrage offen bleibt. 404 Die Verweigerung einer Wiederaufnahmemöglichkeit vor Inkrafttreten des § 580 Nr. 8 ZPO (Rz. 217) ließ das Bundesverfassungsgericht (leider) unbeanstandet, BVerfG NJW 1986, 1425. Ebenso BVerwG NJW 1999, 1649 (kritisch Bausback 2483). Auch sonst will BVerfG vom 14.10.2004 – 2 BVR 1481/04 FamRZ 2004, 1857 (Rixe 1863) = JZ 2004, 1171 (Eckart Klein 1176) = NJW 2004, 3407 EGMR-Urteil nicht „schematisch“ umsetzen, da EMRK innerstaatlich nur einfachen Gesetzesrang hat. Dies ist aber aus völkerrechtlicher Sicht keine ausreichende Rechtfertigung. Daher ist diese Entscheidung starker Kritik ausgesetzt, Pernice EuZW 2004, 705; Meyer-Ladewig/Petzold NJW 2005, 15. 405 Allerdings wird die „angemessene Entschädigung“ nach Art. 41 EMRK nicht dem betroffenen Staat, sondern dem geschädigten Individuum zuerkannt. Siehe die Nachweise bei Polakiewicz, Die Verpflichtungen der Staaten aus den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, 1993, 188; Kadelbach BerDGVR 40 (2003), 63, 83; Karl in Neuhold/Hummer/Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. I Rz. 1540; Ladewig/Petzold NJW 2005, 15, 18; Dörr JZ 2005, 905, 910; Dörr in Grote/Mahrauhn (ed.), Konkordanzkommentar zum europäischen und deutschen Grundrechtsschutz, 2005, Kap. 33 Rz. 105. 406 OLG Naumburg vom 17.5.2005 OLG-Report 2005, 877: Keine Wiederaufnahme, wenn EGMR einen Verstoß gegen EMRK festgestellt hat.
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Rechtsquellen vielmehr zur Wiederherstellung des früheren Zustandes verpflichtet, soweit dies ohne Beeinträchtigung der Gerichtsentscheidung möglich ist. Wenn z.B. ein Zivilrichter die begründete Eigentumsherausgabeklage eines Ausländers aus offensichtlichem Übelwollen (Rz. 194) abgewiesen hat, dann muss der verantwortliche Staat sein Möglichstes tun, um dem Ausländer sein Eigentum zurückzugeben. Er muss dann versuchen, den fraglichen Gegenstand zu erwerben, wobei er auch höhere Aufwendungen nicht scheuen darf. Es wird sogar die Auffassung vertreten, dass er sich die Gegenstände notfalls im Wege der Enteignung beschaffen muss.407 Nur soweit eine (mittelbare) Naturalrestitution überhaupt nicht in Betracht 214 kommt, ist Schadensersatz in Geld zu leisten. Dieser ist stets an den verletzten Staat (Rz. 134, 137) zu entrichten, niemals an eine Privatperson,408 mag diese durch das völkerrechtswidrige Urteil auch zunächst geschädigt sein.409 g) Innerstaatliche Wirkung völkerrechtswidriger Urteile: Das Völkergewohn- 215 heitsrecht nimmt zur Frage der innerstaatlichen Wirksamkeit völkerrechtswidriger Urteile nicht Stellung. Das jeweilige nationale Recht bestimmt, ob solche Urteile wirksam sind oder nicht, Rz. 470a. Für das deutsche Recht gilt: Ein Gerichtsurteil ist nicht deshalb unwirksam, weil es gegen eine (allgemeine) Regel des Völkerrechts verstoßen hat. Für völkerrechtswidrige Urteile gelten nach deutschem Staats- und Prozessrecht die gleichen Regeln wie für sonstige fehlerhafte Urteile. Im Interesse der Rechtssicherheit (jeder Rechtsstreit muss einmal endgültig entschieden sein) nimmt die deutsche Rechtsordnung die Existenz fehlerhafter Gerichtsurteile in Kauf und verleiht ihnen trotz ihrer Mängel Rechtsverbindlichkeit, wenn sie unanfechtbar sind. Vgl. auch Rz. 2661. Eine Ausnahme macht entgegen der hier vertretenen Auffassung die herrschen- 216 de Lehre (Rz. 528) für Urteile, die unter Verletzung der Immunität fremder Staaten bzw. deren sonstiger Immunitätsträger ergangen sind. Dadurch wird aber die Rechtssicherheit auf das Schwerste gefährdet, Rz. 529. h) Wiederaufnahmemöglichkeit nach deutschem Recht: Eine solche gibt es nun- 217 mehr nach Maßgabe von § 580 Nr. 8 ZPO.410 Die ZPO kennt sie verbis expressis
407 Urbanek österr. ZöffR 11 (1961), 81. 408 BVerfGE 94, 315. 409 Urbanek a.a.O. 83 (Ausnahme: anderweitige völkervertragsrechtliche Vereinbarungen, z.B. Art. 41 EMRK, hierzu z.B. Karl in Neuhold/Hummer/Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. I Rz. 1540; Tomuschat IPRax 1999, 237, 238; Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, Diss. Konstanz 1997, 212; Habscheid in Festschrift Beys, 2003, 473, 483; Ladewig/Petzold NJW 2005, 15, 17). Vgl. auch Art. 30 des Europäischen Übereinkommens zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten vom 29.4.1957 (BGBl. 1961 II 82), Nachweise bei Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 1323; zu Art. 10 II des deutsch-schweizerischen Schiedsgerichts- und Vergleichsvertrages vom 3.12.1921 (RGBl. 1922, 217) siehe Peter, Umweltschutz am Hochrhein, 1987, 211. 410 Hierzu z.B. Schumann, Endlich nach 50 Jahren: Die Feststellung der Menschenrechtsverletzung durch den EGMR wird in Deutschland zum zivilprozessualen Restitutionsgrund, in Festschrift zum 80. Geburtstag von Rudolf Machacek und Franz Matscher, 2008, 901.
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Erster Teil: Grundlegung allerdings erst seit dem 31. Dezember 2006. Doch war sie schon vorher mit Schumann411 und Schlosser412 zu bejahen, wenn die Völkerrechtswidrigkeit des Gerichtsurteils ihren Grund darin hat, dass der Richter bei seinen Entscheidungen eine einschlägige Regel des Völkerrechts übersehen hat. Hat das Gericht die einschlägige Völkerrechtsregel geprüft und darüber entschieden, dann muss es mit dem Urteil sein Bewenden haben. Ist dagegen die Völkerrechtswidrigkeit eines deutschen Urteils durch eine internationale Instanz verbindlich festgestellt (Rz. 208 ff.), dann ist und war413 die Wiederaufnahme auch dann zulässig, wenn das deutsche Gericht die mit dem gerügten Mangel zusammenhängenden Fragen bereits geprüft hat.414 218 Zur Erhebung der Wiederaufnahmeklage oder zur Stellung des Wiederaufnahmeantrags sind befugt: der verletzte Staat selbst, und zwar unabhängig davon, ob er Partei des Ausgangsverfahrens war, sowie als Partei kraft Amtes der Bundespräsident und der Außenminister, Rz. 531. 219 Beruht das völkerrechtswidrige Urteil auf einem völkerrechtswidrigen Gesetz, so kann das Gericht im Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 100 II GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einholen, wenn die verletzte Norm eine Regel des allgemeinen Völkerrechts im Sinne von Art. 25 GG ist, Rz. 266, 274. Eine solche Möglichkeit besteht aber nicht, wenn die verletzte Völkerrechtsregel (nur) im partikulären Völkerrecht oder im Völkervertragsrecht415 wurzelt. 219a i) (Strafrechtliche) Verantwortlichkeit des handelnden Staatsorgans: Dass das (die völkerrechtliche Haftung auslösende) Staatsorgan bereits im Anspruch stellenden Staat mit Zustimmung des haftenden Staates (soweit es sich um acta iure imperii handelt) strafrechtlich zur Verantwortung gezogen worden ist,416 lässt die völkerrechtliche Haftung des verantwortlichen Staates unberührt.417
411 Schumann NJW 1964, 753; Stein/Jonas/Schumann20, 1979, Einl. XIV D Rz. 684. 412 Schlosser ZZP 79 (1966), 198. 413 Anders vor Einfügung des § 580 Nr. 8 ZPO die herrschende Meinung, z.B. Heldrich NJW 2004, 2634, 2636. Die Verweigerung einer Wiederaufnahmemöglichkeit ließ das Bundesverfassungsgericht, NJW 1986, 1425, (leider) unbeanstandet. Ebenso BVerwG NJW 1999, 1649 (kritisch Bausback 2483). Auch sonst will das BVerfG EGMR-Urteile nicht „schematisch“ umsetzen, da EMRK innerstaatlich nur einfachen Gesetzesrang hat, BVerfG FamRZ 2004, 1857 (Rixe 1863) = JZ 2004, 1171 (Eckart Klein 1176) = NJW 2004, 3407; BVerfG NJW 2005, 1105 = FamRZ 2005, 785 (Rixe); BVerfG NJW 2005, 1765. Dies ist aber aus völkerrechtlicher Sicht keine ausreichende Rechtfertigung. Daher ist diese Entscheidung starker Kritik ausgesetzt, Pernice EuZW 2004, 705; MeyerLadewig/Petzold NJW 2005, 15. 414 R. Geimer FamRZ 2004, 812; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 389 Fußn. 470. 415 BVerfG vom 12.12.2000, NJW 2001, 1848 = NStZ 2001, 240 = JZ 2001, 975 (Kadelbach). 416 Z.B. ein Richter wegen Rechtsbeugung. 417 Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 311.
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Rechtsquellen 21. Haftungsrechtlicher Durchgriff auf die Mitgliedstaaten internationaler Organisationen Alle Mitgliedstaaten einer (eigennützigen) internationalen Organisation haften 219b im Fall der Zahlungsunfähigkeit dieser Organisation einem außenstehenden, mit Völkerrechtssubjektivität ausgestatteten Gläubiger (Rz. 133) für seinen Ausfall subsidiär, gesamtschuldnerisch und uneingeschränkt, sofern ihre Haftung nicht gegenüber dem Gläubiger rechtswirksam eingeschränkt worden ist.418 Aufgrund der Transformationsnorm des Art. 25 GG haben die „Bewohner des Bundesgebietes“ (Rz. 144) sowie die juristischen Personen des deutschen Rechts gegen die Bundesrepublik Deutschland (nicht andere Staaten) einen Ersatzanspruch. 22. Keine Übertragbarkeit der International Dispute Settlement Rule auf Verfahren vor nationalen Gerichten Die International Dispute Settlement Rule besagt, dass kein Staat ohne seine aus- 219c drückliche Zustimmung vor einem völkerrechtlichen Gericht gerichtspflichtig ist. Es gibt auf der völkerrechtlichen Ebene keine obligatorische Gerichtsunterworfenheit, also keine obligatorische Jurisdiktion des IGH, sondern nur eine Schiedsgerichtsbarkeit, die auf dem Konsens der betroffenen Staaten, vor allem dem des Beklagten, beruht, Art. 36 I IGH-Statut.419 Diese Regel strahlt nicht auf das Verfahren vor nationalen Gerichten dergestalt aus, dass in einem Zivilprozess zwischen Privaten (bei Verfahren gegen den betroffenen Staat kann sich dieser – was seine acta iure imperii anbelangt – ohnehin hinter seiner Immunität verschanzen) es von Völkerrechts wegen verboten wäre, vorfragenweise das Verhalten eines (am Rechtsstreit nicht beteiligten) Staates zu beurteilen.420 Beispiel: Ein privater Galerist wird auf Herausgabe von Gemälden verklagt, die ihm ein ausländischer Staat als Leihgabe für seine Galerie überlassen hat. Der Kläger begründet seine rei vindicatio mit völkerrechtswidriger Enteignung. Es geht hier nach richtiger Ansicht nicht um die Zulässigkeit der Klage, sondern (allenfalls) um die Vorfragenkompetenz der nationalen Gerichte zu Fragen des Völkerrechts421 bzw. um die Frage der Anerkennung des Enteignungsaktes durch das Recht des Forumstaates.
418 Hoffmann NJW 1988, 585 mit Nachweisen. 419 BGBl. 1973 II 503. Nachweise bei Heß a.a.O. 320; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 187. Text des IGH-Statuts ist abgedruckt z.B. bei Neuhold/Hummer/ Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. II D 261 S. 405 ff. 420 R. Geimer ZfRV 1992, 333. Anders Heß a.a.O. 326, wenn es „in der Sache um die Feststellung einer Völkerrechtsverletzung des nicht beteiligten fremden Staates“ geht. Dann sei die Klage als unzulässig abzuweisen. 421 Diese ist nicht nur in dem in Art. 25 GG angesprochenen Umfang zu bejahen, Heß a.a.O. 325 Fußn. 33.
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Erster Teil: Grundlegung 23. Reaktionsmöglichkeiten nicht (unmittelbar) betroffener Staaten auf Völkerrechtsverletzungen 220 Keine Popularklage: Das allgemeine Völkergewohnheitsrecht kennt keine Popularklage, die ein nicht unmittelbar betroffener Staat zur Wahrung der völkerrechtlichen Legalität erheben könnte.422 Es ist vielmehr grundsätzlich Sache des betroffenen Staates, der sich durch eine völkerrechtswidrige Maßnahme eines anderen Staates unmittelbar oder in der Person eines seiner Staatsangehörigen (Mediatisierung des Menschen, Rz. 132) geschädigt betrachtet, Schritte zur Beseitigung der Folgen des Unrechts zu unternehmen. 221 Überprüfung ausländischer Hoheitsakte auf ihre Völkerrechtskonformität: Andere durch das betreffende Unrecht nicht verletzte Staaten haben die Möglichkeit, dagegen zu protestieren und den durch das Unrecht geschaffenen Tatbestand nicht anzuerkennen, Rz. 465.423 222 Eine Pflicht zur Nichtanerkennung völkerrechtswidriger Akte wird überwiegend abgelehnt, Rz. 153 ff. Siehe aber auch Rz. 535. 24. Fehlende Rechte der Individuen: Können diese die Völkerrechtswidrigkeit staatlichen Handelns geltend machen? 222a Den einzelnen Individuen fehlt die allgemeine völkerrechtliche Rechtsfähigkeit, Rz. 132. Sie können die Völkerrechtswidrigkeit nicht unmittelbar auf völkerrechtlicher Ebene geltend machen.424 25. Aufhebung und Abänderung von gerichtlichen Entscheidungen und sonstigen Hoheitsakten ausländischer Staaten 222b Eine Aufhebung und Abänderung von gerichtlichen Entscheidungen und sonstigen Hoheitsakten ausländischer Staaten mit Wirkung für die eigene Jurisdiktionssphäre ist völkerrechtlich unbedenklich. Völkerrechtswidrig wäre es nur, wenn die inländischen Gerichte auch mit Wirkung für die Rechtsanwendungsorgane des Ursprungsstaates oder dritter Staaten die Unverbindlichkeit (Wirkungslosigkeit) bzw. Änderung des betreffenden Urteils bzw. Hoheitsaktes vorschreiben wollten. Die Aufhebung bzw. Abänderung erfolgt aber nur für die eigene inländische Rechtssphäre ohne Anspruch darauf, dass sie auch im Ursprungsstaat oder in dritten Staaten Beachtung findet. Ob das Aufhebungsurteil im Ursprungsstaat oder in dritten Staaten anerkannt wird, entscheidet die jeweils betroffene ausländische Rechtsordnung.425
422 Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht10, 2000, Rz. 1692. Ausnahme: Rz. 800a. 423 Allgemein Breutz, Der Protest im Völkerrecht, 1997. 424 Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 216 ff.; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 173 f. 425 R. Geimer RIW/AWD 1975, 84, 85.
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Rechtsquellen 26. Aufhebung ausländischer Schiedssprüche Erst recht ist es völkerrechtlich nicht verboten, ausländische Schiedssprüche 222c aufzuheben. Es besteht keine ausschließliche internationale Zuständigkeit des Sitzstaates bzw. des Staates des maßgeblichen Schiedsverfahrensstatuts zur Aufhebung von Schiedssprüchen, auch wenn in der Staatenpraxis üblicherweise nur der Sitzstaat eine internationale Zuständigkeit zur Aufhebung seiner Schiedssprüche eröffnet, Rz. 1262a.426 27. Kriegs- und Besatzungsschäden Das Völkerrecht gebietet nicht, die betroffenen Einzelnen für Kriegs- und Besat- 222d zungsschäden zu entschädigen.427 Dies gilt auch für völkerrechtswidrige Handlungen jeder Art. Eine Verletzung des Kriegsvölkerrechts begründet nach Art. 3 der Haager Landkriegsordnung keine Schadensersatzansprüche des betroffenen Einzelnen, sondern nur solche seines Heimatstaates bzw. der anderen kriegsführenden Partei.428 Dies gilt auch für eklatante Menschenrechtsverletzungen und sonstige Verstöße gegen das völkerrechtliche ius cogens.429 Auch auf innerstaatlicher Ebene verneint der BGH430 eine Amtshaftung nach § 839 BGB; der Krieg als völkerrechtlicher Ausnahmezustand suspendiere die im Frieden geltende Rechtsordnung weitgehend.431 426 Rensmann, Anationale Schiedssprüche – Eine Untersuchung zu den Wirkungen anationaler Schiedssprüche im nationalen Recht, 1997, 184. 427 Nachweise bei Heß BerDGVR 40 (2003), 107, 188. 428 Es handelt sich um ein klassisches Beispiel der Mediatisierung des Menschen im Völkerrecht, Rz. 132 ff. 429 BGH vom 26.6.2003, BGHZ 155, 279 = NJW 2003, 3488 = VersR 2004, 1312 = LMK 2003, 215 (Geimer) = IPRspr. 2003 Nr. 116; bestätigt durch BVerfG vom 15.2.2006, NJW 2006, 2542 = EuGRZ 2006, 105 = IPRspr. 2006 Nr. 103, allerdings nur für Kriegsexzesse im Zweiten Weltkrieg (Distomo-Massaker), die heutige Rechtslage offen lassend. Hierzu Siehr in Festschrift Kerameus, 2009, 1293. Generell gegen eine Immunitätsausnahme bei schweren Völkerrechtsverstößen Dörr ArchVR 41 (2003), 201, 210 ff., 218; Dörr JZ 2005, 905, 910; Geimer, Los Desastres de la Guerra und das Brüssel I-System, IPRax 2008, 225; Dutta, Amtshaftung wegen Völkerrechtsverstößen bei bewaffneten Auslandseinsätzen deutscher Streitkräfte, AöR 133 (2008), 191, 196; weitere Nachweise bei Appelbaum, Einschränkungen der Staatenimmunität in Fällen schwerer Menschenrechtsverletzungen, 2007; Bankas, The State Immunity Controversy in International Law: Private Suits Against Sovereign States in Domestic Courts, 2005; Heß BerDGVR 40 (2003), 107, 127; Kadelbach BerDGVR 40 (2003), 63, 93; M. Lüke, Die Immunität staatlicher Funktionsträger, Diss. Berlin (Humboldt) 2000, 292 ff.; Meierhöfer, Der EGMR als „Modernisierer“ des Völkerrechts? Staatenimmunität und ius cogens auf dem Prüfstand, EuGRZ 2002, 391; Paulus, Die internationale Gemeinschaft im Völkerrecht, 2001, 270 ff.; R. Stürner in Festschrift Georgiades, 2005, 1299, 1307; Tomuschat RGDIP 109 (2005), 51; Voyiakis, Access to Court v State Immunity, ICLQ 52 (2003), 297; Weiß, Völkerstrafrecht zwischen Weltprinzip und Immunität, JZ 2002, 696. 430 BGH a.a.O. 431 Für Anwendung des deutschen Amtshaftungsrechts (Art. 34 GG, § 839 BGB) mit eingehender Begründung aber Dutta, Amtshaftung wegen Völkerrechtsverstößen bei bewaffneten Auslandseinsätzen deutscher Streitkräfte, AöR 133 (2008), 191, 208.
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Erster Teil: Grundlegung 222e Beispiel: Klage gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen Beihilfe432 zu NATO-Bombardierungen während des Kosovo-Krieges.433 Ob jemals der Einzelne ihm durch militärische Aktionen zugefügte Schäden in einem justizförmigen Verfahren gegen den Verletzerstaat vor dessen Gerichten mit Aussicht auf Erfolg wird geltend machen können, ist derzeit noch völlig offen; erst recht lässt sich nicht absehen, ob es in diesem Zusammenhang irgendwann einmal zu einer Erosion des Immunitätsschutzes (Rz. 626c) der Staaten kommen wird mit der Folge, dass die geschädigten Individuen auch vor den Gerichten ihres eigenen Heimatstaates bzw. loco delicti klagen können.434 222f
Bis auf weiteres bleibt es bei der seit Jahrhunderten befolgten und bisher nie ernsthaft in Frage gestellten Regel, dass die grausamen und ungerechten Folgen von Krieg und Besatzung nur auf völkerrechtlicher Ebene, also in Verhandlungen von Staat zu Staat bzw. mit sonstigen Mitteln der völkerrechtlichen Streiterledigung, einer Regelung zugeführt werden können.
222g Vorstehendes gilt für alle Kriegshandlungen und sonstigen militärischen Aktionen sowie für alle der Besatzungsmacht zuzurechnenden Maßnahmen im weitesten Sinne während der Okkupation.435 Deshalb kann man nicht zwischen den Kampf- und den Besatzungstruppen unterscheiden. 28. Zahlungsmoratorien wegen Staatsnotstands 222h Für das derzeit geltende Völkergewohnheitsrecht verneint das Bundesverfassungsgericht436 die Existenz einer Regel, wonach ein Staat gegenüber Privatpersonen berechtigt sei, die Erfüllung fälliger privatrechtlicher Zahlungsansprüche unter Berufung auf den wegen Zahlungsunfähigkeit erklärten Staatsnotstand zeitweise zu verweigern. Auch nach Art. 25 des Entwurfs der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen kann ein Staat Notstand als Rechtfertigung für eine Verletzung bzw. Nichterfüllung einer internationalen Verpflichtung grundsätzlich nicht geltend machen. Eine Ausnahme gilt aber nach diesem Entwurf dann, wenn die Handlung, die mit einer internationalen Verpflichtung dieses Staates nicht in Einklang steht, „das einzige Mittel zum Schutz eines essentiellen Staatsinteresses gegenüber einer schwerwiegenden und unmittelbar drohenden Gefahr ist“.437 Dies ist nicht schon dann der Fall, wenn der Staat zahlungs432 Zum völkerrechtlichen Beihilfebegriff siehe Art. 16 der Resolution 56/83 vom 12.12.2001 der Generalversammlung der Vereinten Nationen zur Staatenverantwortlichkeit, angenommen durch die Resolution des Generalversammlung, in deutscher Sprache abgedruckt bei Neuhold/Hummer/Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. II D 325 S. 511. 433 LG Bonn vom 10.12.2003 NJW 2004, 525 = JZ 2004, 572 (Dörr). Hierzu auch Dörr, „Privatisierung“ des Völkerrechts, JZ 2005, 905, 910. 434 Zur Erosion des Immunitätsschutzes Kadelbach BerDGVR 40 (2003), 63, 93; M. Lüke, Die Immunität staatlicher Funktionsträger, Diss. Berlin (Humboldt) 2000, 292 ff. 435 Nachweise bei R. Geimer Dike international 33 (2002), 882. Siehe auch R. Geimer, Los Desastres de la Guerra und das Brüssel I-System, IPRax 2008, 225. 436 BVerfG vom 8.5.2007, IPRax 2008, 427 (Stadler 405). 437 Näher hierzu Pfeiffer ZVglRWiss 2003, 141, 171; Pfeiffer, Handbuch der Handelsgeschäfte, 1999, § 21 Rz. 107.
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Rechtsquellen unfähig ist. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten, z.B. dass wegen des Schuldendienstes (Erfüllung der Zahlungsverpflichtungen aus Staatsanleihen einschließlich der Zinsverpflichtungen) grundlegende staatliche Funktionen (Gesundheitsvorsorge, Rechtspflege, Schul- und Bildungssystem) auch nicht mehr notdürftig aufrechterhalten werden können.438 Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Der Staatsnotstand führt nicht zur Unklagbarkeit der iure gestionis eingegangenen Verbindlichkeit; es entfällt weder die an sich gegebene Gerichtsbarkeit (Rz. 558, 616) noch die nach Art. 5 ff. EuGVVO bzw. §§ 21 ff. ZPO zu bejahende internationale Zuständigkeit Deutschlands; es geht nur um die materiell-rechtliche Frage, ob die Nichterfüllung der Verbindlichkeit rechtswidrig ist und welche Rechtsfolgen sich gegebenenfalls aus dem Verzug ergeben.
222i
II. Völkervertragsrecht 1. Überblick Die Zahl der völkerrechtlichen Verträge auf dem Gebiet des internationalen Verfahrensrechts nimmt ständig zu.439 Davon sind manche Übereinkommen (insbesondere aus neuerer Zeit) self executing, d.h. sie sind so eindeutig formuliert, dass sie (nach ihrer innerstaatlichen Inkraftsetzung) von den Gerichten und Behörden unmittelbar angewandt werden können. Es bedarf keiner Ausführungsgesetze. Hauptbeispiele sind das EuGVÜ und das Lugano-Übereinkommen.440
223
Grundsätzlich gilt: Die Art und Weise der innerstaatlichen Inkraftsetzung be- 224 stimmt der innerstaatliche Gesetzgeber.441 So ist z.B. das Römische Schuldvertragsübereinkommen so formuliert, dass es – in weiten Bereichen – keines Ausführungsgesetzes bedarf. Gleichwohl hat der deutsche Gesetzgeber den Inhalt dieser Konvention in ein nationales Gesetz umgegossen (Art. 27 ff. EGBGB) und die innerstaatliche Anwendung der Konvention ausgeschlossen. Ganz dezidiert bestimmt Art. 1 II des deutschen Zustimmungsgesetzes:442 „Die Zustimmung erfolgt mit der Maßgabe, dass die in den Art. 1 bis 21 des Übereinkommens enthaltenen Vorschriften innerstaatlich keine unmittelbare Anwendung finden.“443 Ebenso wurde bei der Inkraftsetzung des – auch verfahrensrechtlich wichtigen – 225 Seehaftungsrechts, vgl. §§ 738 ff. HGB (Rz. 1794), sowie des TRIPS-Übereinkom438 OLG Frankfurt vom 13.6.2006, NJW 2006, 2931, 2932. 439 Zusammenstellung der wichtigsten Übereinkommen z.B. bei Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 54. 440 R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – EuGVVO – Einleitung Rz. 49. 441 Vgl. die Kommentare zu Art. 59 II GG (z.B. Maunz/Dürig/Herzog/Scholz Art. 59 Rz. 25) und Ullmann FamRZ 1987, 434; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 102, 104. Ausführlich Wenckstern in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. II/1, 1994, Kap. I Rz. 133 (S. 42). 442 BGBl. 1986 II 801. 443 Einzelheiten bei Helene Boriths Müller, Die Umsetzung der europäischen Übereinkommen von Rom und Brüssel in das Recht der Mitgliedstaaten, Diss. Trier 1995, 1997, 45, 101.
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Erster Teil: Grundlegung mens verfahren, das in Teil III detaillierte verfahrensrechtliche Regelungen (Art. 41 ff.) enthält.444 226 Viele Staatsverträge enthalten lediglich die Verpflichtung, das nationale Recht nach bestimmten Grundsätzen und Regeln zu gestalten. Dann sind die Vertragsstaaten verpflichtet, (nationale) Ausführungsgesetze zu erlassen, Rz. 265. 2. Vorbehalte zu völkerrechtlichen Verträgen 226a a) Völkerrechtliche Ebene: Ein Vertragsstaat, der einen Vorbehalt zu einer bestimmten Vorschrift eines völkerrechtlichen Vertrages gemacht hat, kann ihre Anwendung nur insoweit verlangen, als er selbst die Vorschrift angenommen hat.445 Der oder die anderen Vertragsstaaten, die keinen Vorbehalt erklärt haben, sind zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet, sich auf den Vorbehalt zu berufen. Es steht ihnen frei, den Vorbehalt zu ignorieren und das Übereinkommen in der Fassung ohne den Vorbehalt anzuwenden.446 226b b) Innerstaatliche Ebene: Nach der „Transformationslehre“ ist nur das deutsche Zustimmungsgesetz (Art. 59 II GG) gegebenenfalls in Verbindung mit dem im deutschen Bundesgesetzblatt veröffentlichten Wortlaut des völkerrechtlichen Vertrages maßgebend; nach der „Vollzugstheorie“ stellt das deutsche Zustimmungsgesetz lediglich den „Vollzugsbefehl“ dar, der den (unveränderten) völkerrechtlichen Normen im Inland Geltung verschafft.447 Hat ein fremder Vertragsstaat einen Vorbehalt gemacht, kann Deutschland sich auf die Reziprozitätsklausel berufen, muss es aber nicht. Auf dem Hintergrund der Vollzugslehre wäre es zumindest ratsam, dass sich – auf innerstaatlicher Ebene – Deutschland erklärt, ob es, trotz des Vorbehalts, das Übereinkommen ohne Abstriche anwendet oder nicht.
444 Der deutsche Gesetzgeber geht davon aus, dass das Übereinkommen innerstaatlich nicht unmittelbar anzuwenden ist. Er sah auch keine Veranlassung, die Zivilprozessordnung anzupassen, da kein Handlungsbedarf bestehe, Bundestagsdrucksache 12/7675 S. 347. Doch ist sehr umstritten, ob das deutsche Beweisverfahrensrecht den Anforderungen des Art. 43 TRIPS genügt, Nachweise bei Ibbeken, Das TRIPS-Übereinkommen und die vorgerichtliche Beweishilfe im gewerblichen Rechtsschutz, 2004, 330; Adolphsen, Europäisches und internationales Zivilprozessrecht in Patentsachen, 2005, Rz. 77. Siehe auch die Nachweise bei Drexl in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, IntImmR (Bd. 11), Rz. 20. Nunmehr ist aber Deutschland zumindest über den Umweg des Art. 6 der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des Geistigen Eigentums, ABl. EU Nr. L 195 vom 2.6.2004, S. 16 ff., zur Umsetzung von Art. 43 TRIPS-Übereinkommens verpflichtet. Hierzu McGuire GRURInt 2005, 15. 445 Art. 27 Europäisches Niederlassungsabkommen vom 13.12.1955 (BGBl. 1959 II 998); Art. 21 I Wiener Vertragsrechtskonvention. 446 Beispiel unten Rz. 418. 447 Nachweise bei Kaum IPRax 1992, 19.
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Rechtsquellen 3. Inhalt der Staatsverträge Zu unterscheiden ist zwischen kollisionsrechtlichen und materiell-rechtlichen 227 Regelungen (Normen für Sachverhalte mit Auslandsberührung). Meist werden nur Sachverhalte geregelt, die Berührung zum Ausland haben; für reine Inlandskonstellationen fehlt ein Regelungsbedarf. Hierbei ist wieder zu unterscheiden: a) Festschreiben eines internationalen Mindeststandards: Häufig wird zum 228 Schutz des Beklagten oder der schwächeren Partei ein Mindeststandard international festgeschrieben. Dem nationalen Gesetzgeber bleibt es jedoch überlassen, diesen Schutz noch zu verbessern. Beispiel: Der Schutz des säumigen Beklagten nach Art. 15, 16 des Haager Zustellungsübereinkommens 1965.448 Art. 15 HZÜ will den Schutz des säumigen Beklagten gegenüber dem nationalen Zustellungsrecht (remise au parquet,449 öffentliche Zustellung, § 185 Nr. 2 ZPO)450 verbessern.451
229
Art. 15 I HZÜ verlangt entweder Zustellung nach dem Recht des Aufenthalts- 230 staates des Beklagten (= der um Rechtshilfe ersuchte Staat) oder eine direkte Übergabe an den Beklagten oder eine Ersatzperson in seiner Wohnung. Der Begriff „Wohnung“ ist bei juristischen Personen im Sinne von Geschäftsräumen zu interpretieren.452 Art. 15 I HZÜ soll sicherstellen, dass der Beklagte von der Einleitung des Verfahrens tatsächlich und rechtzeitig Kenntnis erhält; er erfasst daher nur prozesseinleitende Schriftstücke. Nach diesem Zeitpunkt (Benachrichtigung des Beklagten vom Verfahrensbeginn) ist ein weiterer (völkervertraglicher) Schutz des Beklagten während des laufenden Verfahrens nicht vorgesehen.453
448 BGBl. 1977 II 1375. Das Haager Übereinkommen diente als Vorbild für Art. 19 der EuZustellungsverordnung (Rz. 245c). 449 Das OLG Karlsruhe vom 12.3.1999, RIW 1999, 538 = IPRspr. 1999 Nr. 157 sieht sogar einen Verstoß gegen Art. 12 EGV, da von der Auslandszustellungsnorm typischerweise Ausländer betroffen seien. Hierzu Stadler IPRax 2006, 116, 117 mit weiteren Nachweisen. Im Anwendungsbereich des Art. IV des EuGVÜ-Protokolls und der EuZustellungsVO ist die remise au parquet nicht mehr zulässig, EuGH vom 13.10.2005, Rs C-522/03 – Scania NJW 2005, 3627 = RIW 2005, 940 = IPRax 2006, 157 (Stadler 116). Unter Hinweis auf dieses Urteil wird nunmehr auch die weitere Anwendbarkeit von § 184 ZPO im Anwendungsbereich des europäischen Gemeinschaftsrechts verneint, Heiderhoff EuZW 2006, 235, 237; Sharma, Zustellungen im Europäischen Binnenmarkt, 2003, 73. Siehe auch Heckel, Die fiktive Inlandszustellung auf dem Rückzug – Rückwirkungen des europäischen Zustellungsrechts auf das nationale Recht, IPRax 2008, 218. 450 Grundlegend BGH vom 19.12.2001, NJW 2002, 827 sowie BGH vom 11.12.2002, NJW 2003, 1326. 451 Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr, 1995, 137 ff. 452 Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 151 Fußn. 15. 453 Actes et Documents III (1965), 74, 93; Pfeil-Kammerer a.a.O. 152.
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Erster Teil: Grundlegung 231 Ein Versäumnisurteil darf erst ergehen, wenn die Kautelen des Art. 15 I HZÜ gewahrt sind.454 Ist gleichwohl ein Versäumnisurteil ergangen, so gibt Art. 16 HZÜ einen besonderen, durch die Konvention in das nationale Prozessrecht implantierten außerordentlichen Rechtsbehelf, Rz. 2091. 232 Allerdings kann jeder Vertragsstaat diese Wartefrist auf sechs Monate begrenzen, Art. 15 II HZÜ.455 Auch Deutschland hat nach langem Zögern am 19.11.1992 einen solchen Vorbehalt erklärt.456 Siehe auch Rz. 2090. 233 Der deutsch-tunesische Rechtshilfevertrag (Art. 17),457 der deutsch-marokkanische Rechtshilfevertrag (Art. 9 I) sowie Art. 20 II EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 26 II EuGVVO enthalten Parallelvorschriften, Rz. 2097. 234 b) Schaffung von Einheitsrecht: Hier soll (für einen Teilbereich) eine für die Vertragsstaaten einheitliche Regelung stipuliert werden. Beispiel: Klageverbot nach Art. VIII des Internationalen Währungsfonds-Abkommens.458 235 Nach Art. VIII Abschn. 2 (b) Satz 1 des Abkommens über den Internationalen Währungsfonds, geschlossen in Bretton Woods zwischen dem 1. und 22.7.1944,459 kann aus Devisenkontrakten, welche die Währung eines Mitglieds berühren und die in Gegensatz stehen zu den von dem Mitglied in Übereinstimmung mit diesem Abkommen aufrechterhaltenen oder eingeführten Devisenkontrollbestimmungen, nicht geklagt werden. Daraus folgt, dass ein Mitgliedstaat devisenrechtliche Eingriffe eines anderen Mitgliedstaates in privatrechtliche Verträge grundsätzlich anerkennen muss, und zwar in dem Umfang, in dem der andere Mitgliedstaat im Rahmen dieses Abkommens selbst den Schutz seines Devisenbestandes durch Devisenkontrollbestimmungen in Anspruch nimmt.460 Das Übereinkommen erfasst aber nur Geschäfte des laufenden Zahlungsverkehrs; es gilt nicht für Kreditverträge im internationalen Kapitaltransfer461, ins-
454 BGH vom 24.9.1986, BGHZ 98, 263 = NJW 1987, 592 = MDR 1987, 228 = RIW 1986, 991 = JR 1987, 157 (Schlosser) = IPRax 2000, 159 (Hausmann 140) = MDR 1987, 228 = LM Nr. 9 zu § 175 ZPO = EWiR 1987, 93 (R. Geimer) = Rpfleger 1987, 26 = WM 1986, 1444 = EWiR 1987, 93 (R. Geimer) = IPRspr. 1986 Nr. 144. 455 Dies ist das Ergebnis des „Haager Kompromisses“, G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 34. 456 BGBl. 1993 II 704. 457 Arnold NJW 1970, 1478; Nagel, Nationale und internationale Rechtshilfe, 1971, 87. 458 Hierzu Ebke, Internationales Devisenrecht, 1991, 173, 176 Fußn. 113, 192 Fußn. 210; Ebke RIW 1991, 1; Ebke JZ 1991, 335; Ehricke RIW 1991, 365; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 501 ff.; Martiny in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Art. 34 EGBGB Anh. II Rz. 9 ff.; Marty, Ausländische Devisenkontrollregulierungen gemäß Art. VIII Abschn. 2 lit. b IMF-Abkommen und die „unenforceability“ der Verträge nach schweizerischem Recht, Diss. Zürich 2009. 459 BGBl. 1952 II 637, 728, 1954 I 240, 1968 II 1225, 1978 II 13, 2000 II 799. 460 BGH vom 17.2.1971, BGHZ 55, 334, 337 = IPRspr. 1971 Nr. 116b. Siehe auch Gränicher, Die kollisionsrechtliche Anknüpfung ausländischer Devisenmaßnahmen, 1984, 111 ff. 461 BGH vom 28.1.1997, NJW-RR 1997, 686 = RIW 1997, 426 = WM 1997, 560 = IPRspr. 1997 Nr. 27.
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Rechtsquellen besondere nicht für Forderungen aus Staatsanleihen einschließlich der in den Anleihebedingungen versprochenen Zinsen.462 Keine exchange contracts sind Kapitalübertragungen, z.B. zum Zwecke der Investition in eine Gesellschaftsbeteiligung.463 Im Übrigen ist der Begriff „Devisenkontrakt“ in den vorstehend dargelegten Grenzen weit auszulegen.464 Exchange contracts im Sinne des Art. VIII Abschn. 2 (b) des IWF-Abkommens sind nicht nur Devisengeschäfte im engeren Sinn, sondern alle vertraglichen Verpflichtungen, deren Erfüllung sich auf die Zahlungsbilanz eines IWF-Mitgliedstaates auswirken können.465 Entscheidend ist also die Möglichkeit einer Auswirkung auf die Zahlungsbilanz eines IWFMitgliedstaates.466 Zweck des IWF-Abkommens ist es, durch Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten 236 die Stabilität ihrer Währungen zu fördern, geordnete Währungsbeziehungen aufrechtzuerhalten und in diesem Rahmen auch beim Schutz von Devisenbeständen gegenseitig mitzuwirken.467 Jedenfalls die gerichtliche Durchsetzung von verbotenen Devisenkontrakten ist untersagt (völkerrechtliches Verbot des Rechtsschutzes), möglicherweise sind die Vertragsstaaten auch verpflichtet, die betreffenden Verträge und sonstigen Rechtsvorgänge materiell-rechtlich als unwirksam zu behandeln.468 Die Pflicht zur Beachtung der (öffentlich-rechtlichen) Devisenvorschriften der 237 Mitgliedstaaten des Internationalen Währungsfonds besteht unabhängig von dem privatrechtlichen Vertragsstatut;469 sie wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass die Vertragsparteien die Anwendung deutschen Rechts vereinbart haben. 462 BGH vom 8.11.1993, NJW 1994, 390 = RIW 1994, 151 (Ebenroth/Müller 269) = WM 1994, 54 (Ebke 1357) = IPRax 1994, 298 (Ebenroth/Woggon) = ZGR 23 (1994) 665 (Karsten Schmidt) = IPRspr. 1993 Nr. 127; OLG Frankfurt vom 13.6.2006, NJW 2006, 2931; Pfeiffer ZVglRWiss 2003, 141, 171; Pfeiffer, Handbuch der Handelsgeschäfte, 1999, § 21 Rz. 107. 463 BGH vom 8.11.1993, NJW 1994, 390. 464 Kohl IPRax 1986, 286; Ebke RIW 1991, 3; Ebenroth/Neiss RIW 1991, 619. 465 So BGH vom 27.4.1970, AWD 1970, 272 = MDR 1970, 913 = NJW 1970, 1507 = WM 1970, 785, 786 = IPRspr. 1970 Nr. 101 für die Eingehung von Wechselverpflichtungen; BGH vom 19.4.1962, LM Nr. 1 zu IWF = AWD 1962, 146 = MDR 1962, 563 = IPRspr. 1962–1963 Nr. 163 für Provisionen eines Handelsvertreters; OLG Bamberg vom 5.7.1978, IPRspr. 1978 Nr. 127 für alle Geschäfte des grenzüberschreitenden Warenund Dienstleistungsverkehrs, wie z.B. Lizenzverträge. 466 Gold RabelsZ 1954, 621; Mann JZ 1953, 442 ff.; Coing WM 1972, 841; BGH vom 27.4.1970, AWD 1970, 272 = MDR 1970, 913 = NJW 1970, 1507 = WM 1970, 785 = IPRspr. 1970 Nr. 101; OLG Frankfurt vom 27.2.1969, WM 1969, 508 f. = IPRspr. 1971 Nr. 116a; LG Hamburg vom 24.2.1978, IPRspr. 1978 Nr. 126. Offen gelassen von BGH vom 14.11.1991, BGHZ 116, 77, 84 = NJW 1993, 1070 = EWiR 1992, 203 (R. Geimer) = IPRspr. 1991 Nr. 181. 467 BGH vom 27.4.1970, AWD 1970, 272 = MDR 1970, 913 = NJW 1970, 1507 = WM 1970, 785 = IPRspr. 1970 Nr. 101; Kohl IPRax 1986, 285. 468 Unten Rz. 239. Siehe auch Siehr, Internationales Privatrecht – Deutsches und europäisches Kollisionsrecht, 2001, 333. 469 BGH vom 27.4.1970, AWD 1970, 272 = MDR 1970, 913 = NJW 1970, 1507 = WM 1970, 785, 786 = IPRspr. 1970 Nr. 101.
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Erster Teil: Grundlegung Der Verstoß gegen die Devisenbestimmungen eines Mitgliedstaates ist von Amts wegen zu beachten (dies bedeutet aber keine Amtsermittlung)470 und führt – wenn es nicht nur um eine Vorfrage geht471 – wegen Fehlens einer Sachurteilsvoraussetzung zur Abweisung der Klage als unzulässig bzw. zur Nichtbeachtung der Aufrechnung,472 lässt aber die Rechtswirksamkeit des Vertrages unberührt.473 Nach der Gegenmeinung ist das Tatbestandsmerkmal „unenforceable“ der völkerrechtlich allein verbindlichen englischen Fassung materiell-rechtlich zu qualifizieren: Mit Devisenbestimmungen nicht in Einklang stehende Devisenkontrakte seien unvollkommene Verbindlichkeiten, die keine durchsetzbaren Ansprüche begründen.474 238 Nach der prozessrechtlichen Theorie kann z.B. gegen Angehörige eines Vertragsstaates in diesem auf Leistung in der Währung dieses Staates geklagt werden, wenn nach der lex causae Leistung auch in dieser Währung verlangt werden kann.475 Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage gehen zu Lasten der Klagepartei, welche die Prozessvoraussetzungen für das erstrebte Sachurteil darzulegen hat. Ist nur ein Teil der Klageforderung durch eine Devisengenehmigung des beteiligten Staates gedeckt, ist die Forderung im Umfang der erteilten Devisengenehmigung klagbar. Damit lockert der BGH476 seine bisher gläubigerfeindliche Haltung auf. 239 Auch die Bereicherungsklage ist nach Art. VIII Abschn. 2 (b) Satz 1 des Abkommens über den Internationalen Währungsfonds unzulässig. Der Klagbarkeit eines Bereicherungsanspruchs, der in Betracht käme, wenn die Vereinbarung wegen Devisenverstoßes nichtig ist, aber bereits erfüllt wurde, steht Art. VIII Abschn. 2 (b) entgegen.477 Zweck der Bestimmung ist nämlich auch, vom Abschluss von Verträgen abzuschrecken, welche die Devisenkontrollbestimmungen verletzen. „Die Parteien würden ermutigt, häufiger zu versuchen, ihr Ziel durch solche Verträge zu erreichen, wenn die Risiken geringer wären, und das beste
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BGH RIW 1991, 513. OLG Hamburg vom 4.9.1992, IPRspr. 1992 Nr. 171b. LG Karlsruhe vom 24.8.1984 RIW 1986, 385. BGH vom 27.4.1970, AWD 1970, 272 = MDR 1970, 913 = NJW 1970, 1507 = WM 1970, 785 = IPRspr. 1970 Nr. 101; OLG Bamberg vom 5.7.1978, IPRspr. 1978 Nr. 127; LG Hamburg vom 24.2.1978, IPRspr. 1978 Nr. 126; OLG München vom 25.1.1989, NJW-RR 1989, 1139 = RIW 1990, 323 = JZ 1991, 370 (Ebke 335) = IPRspr. 1989 Nr. 169; OLG Düsseldorf vom 28.8.1989, NJW 1990, 1424 = RIW 1989, 987 = IPRspr. 1989 Nr. 171. So in Übereinstimmung mit der Auslegung durch die common law-Gerichte Ebke, Internationales Devisenrecht 1991, 281 ff., 293; Thode RabelsZ 56 (1992), 382, 385; Vischer/Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht2, 2000, Rz. 999. Offen gelassen in BGH vom 14.11.1991, BGHZ 116, 77, 84 = NJW 1993, 1070 = EWiR 1992, 203 (R. Geimer) = IPRspr. 1991 Nr. 181 und BGH vom 8.11.1993, NJW 1994, 390 = RIW 1994, 151 (Ebenroth/Müller 269) = WM 1994, 54 (Ebke 1357) = IPRax 1994, 298 (Ebenroth/Woggon) = ZGR 23 (1994) 665 (Karsten Schmidt) = IPRspr. 1993 Nr. 127. BGH IPRspr. 1979 Nr. 139; LG Karlsruhe vom 24.8.1986, RIW 1986, 385 (Löber) = IPRspr. 1984 Nr. 118A. BGH vom 14.11.1991, RIW 1992, 144 = IPRax 1992, 377 (Fuchs 361). KG vom 8.7.1974, IPRspr. 1974 Nr. 138; OLG Bamberg vom 5.7.1978, IPRspr. 1978 Nr. 127; LG Hamburg vom 24.2.1978, IPRspr. 1978 Nr. 26.
Rechtsquellen Mittel, das Risiko zu beschränken, wäre es, die Gewissheit der Parteien zu stärken, dass sie den zur Erfüllung des Vertrages gezahlten Betrag zurückerhalten, wenn der Vertrag deshalb nicht erfüllt wird, weil er wegen der Verletzung der Devisenkontrollbestimmungen nicht durchsetzbar ist.“478 In der Regel liegt – da nach Ansicht des BGH (Rz. 237) der Verstoß gegen Art. VIII Abschnitt 2 (b) IWFÜbereinkommen nur zur Unklagbarkeit, nicht aber zur materiell-rechtlichen Unwirksamkeit führt – keine Leistung sine causa vor.479 Auch aus unerlaubter Handlung kann ein klagbarer Anspruch nicht hergeleitet 240 werden, jedenfalls dann nicht, wenn die unerlaubte Handlung im engen Zusammenhang mit einem Devisenkontrakt im Sinne des Abkommens steht. Wollte man die Klagbarkeit eines solchen Anspruchs aus § 823 II BGB in Verbindung mit § 263 oder § 266 StGB zulassen, würde letztlich doch die von den Vertragsparteien gewollte Umgehung von Devisenbestimmungen entgegen dem Schutzzweck des Abkommens anerkannt.480 Beispiel: Ein indischer Staatsbürger mit ständigem Aufenthalt in Kenia vereinbarte mit einem Schiffsunternehmer in Hamburg, dieser solle größere Geldbeträge von Kenia nach Deutschland verbringen und hier treuhänderisch für ihn verwahren. Der Inder verlangte Rückzahlung der Beträge.
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Das LG Hamburg481 hat die Klage abgewiesen, da der Vereinbarung auf Verbringung von Geldbeträgen aus Kenia ins Ausland die Devisenkontrollbestimmungen Kenias entgegenstanden. Nach kenianischem Recht war es keinem Gebietsansässigen in Kenia gestattet, eigene oder fremde Währung ohne besondere Genehmigung der Devisenbehörden ins Ausland zu verbringen.482 Das LG Hamburg hat den Einwand nicht zugelassen, die Devisenbestimmungen Kenias führten zu dem unbilligen Ergebnis, dass die in Kenia lebenden, ständig von Ausweisung bedrohten indischen Staatsangehörigen bei Ausweisung ihr Vermögen nicht mitnehmen dürften. Eine Wertung der Devisenbestimmungen Kenias am Maßstab des Art. 6 EGBGB sei verboten, weil die Frage der Übereinstimmung der nationalen Devisenbestimmungen mit dem Abkommen nicht von den nationalen Gerichten, sondern vom Internationalen Währungsfonds selbst zu prüfen ist (dies war in concreto geschehen).483
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Auch dem Einwand, der Beklagte verstoße mit dieser Verteidigung gegen Treu 243 und Glauben, kommt keine Bedeutung zu. Denn es stehen staatliche Interessen 478 Hongkong Supreme Court vom 3.11.1949, zitiert nach Gold RabelsZ 1962/63, 606, 619. 479 Ebenroth/Neiss RIW 1991, 624. Differenzierend Rauscher in Festschrift Lorenz, 1991, 471. 480 LG Hamburg vom 24.2.1978, IPRspr. 1978 Nr. 126. Anderer Auffassung Mann JZ 1970, 711. 481 LG Hamburg vom 24.2.1978, IPRspr. 1978 Nr. 126. 482 Nunmehr wären auch die Vorschriften zur Verhinderung der Geldwäsche in Betracht zu ziehen. 483 Kohl IPRax 1986, 286. Differenzierend Martiny in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Art. 34 EGBGB Anh. II Rz. 10: „Der ordre public kann nur bei diskriminierenden und eindeutig völkerrechtswidrigen Bestimmungen eingreifen.“
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Erster Teil: Grundlegung auf dem Spiel (Schutz der Zahlungsbilanzstabilität), über welche die Parteien nicht disponieren können.484 244 Aus der Unklagbarkeit des Hauptanspruchs folgt auch die Unklagbarkeit des Anspruchs gegen den Bürgen.485 4. Haager Konventionen 244a Die Haager Konferenz für Internationales Privatrecht486 hat sich auf fast allen ihren Sitzungen mit Fragen des internationalen Verfahrensrechts beschäftigt und eine große Zahl von Konventionen ausgearbeitet;487 zu erwähnen sind vor allem die Übereinkommen – über den Zivilprozess vom 1.3.1954 (Rz. 2071; = Neufassung des Abkommens vom 17.7.1905), – über die Zustellung im Ausland von gerichtlichen und außergerichtlichen Schriftstücken vom 15.11.1965 (Rz. 2072), – über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Handelssachen vom 18.3.1970 (Rz. 2354), – über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes der Minderjährigen vom 5.10.1961 (Rz. 2760);488 dieses Übereinkommen wird ergänzt durch das Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980,489 – über die Zuständigkeit der Behörden, das anwendbare Recht und die Anerkennung von Entscheidungen auf dem Gebiet der Adoption vom 5.11.1965,490 – über die Anerkennung von Scheidungen sowie Trennungen von Tisch und Bett vom 1.7.1970,491 – über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in Zivil- und Handelssachen vom 24.4.1966 samt Zusatzprotokoll vom 1.2.1971,492 – über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973 (UVÜ, Rz. 2760), 484 OLG Bamberg vom 5.7.1978, IPRspr. 1978 Nr. 127. 485 OLG Düsseldorf vom 16.2.1983, RIW 1984, 397 = IPRspr. 1983 Nr. 124; OLG München vom 17.10.1986, RIW 1986, 998 = IPRax 1987, 307 (Rehbinder 289) = IPRspr. 1986 Nr. 145. 486 Hierzu z.B. Kreuzer/Wagner, Europäisches Internationales Zivilverfahrensrecht in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Stand: Juni 2007 (19. Ergänzungslieferung) sub Q Rz. 3 ff. 487 Zusammengestellt bei Kegel/Schurig, IPR9, 2004, § 4 II 2; Schack RabelsZ 57 (1993), 224 und Coester-Waltjen RabelsZ 57 (1993), 263. Überblick auf der Internetseite der Haager Konferenz unter www.hcch.net. 488 Dieses Übereinkommen soll ersetzt werden durch das Übereinkommen vom 19.10.1996 – Kinderschutzübereinkommen (KSÜ), BGBl. 2009 I, 603. 489 BGBl. 1990 II 206. 490 Von Deutschland nicht in Kraft gesetzt. 491 Von Deutschland nicht ratifiziert. 492 Deutschland hat dieses Übereinkommen nicht in Kraft gesetzt, Rz. 2763.
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Rechtsquellen – über einheitliche Regeln über die Gültigkeit und die Wirkungen der Gerichtsstandsvereinbarungen vom 25.11.1965 (Rz. 1795),493 – über die Erleichterung des internationalen Zugangs zu den Gerichten vom 25.10.1980,494 – über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern – Kinderschutzübereinkommen (KSÜ) – vom 19.10.1996. Dieses Übereinkommen soll das Minderjährigenschutzübereinkommen vom 5.10.1961 ersetzen,495 – über den internationalen Schutz Erwachsener vom 13.1.2000 – Erwachsenenschutzübereinkommen (ErwSÜ).496 – über die Vereinbarung gerichtlicher Zuständigkeiten vom 30.6.2005.497 Die Arbeiten an einem weltweiten Zuständigkeits- und Vollstreckungsübereinkommen („Welt-GVÜ“) begannen mit viel Verve,498 wurden aber nach einiger Ernüchterung auf der Arbeitssitzung vom 21.-27.4.2004 reduziert auf ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarungen.499 Das Ergebnis ist das Übereinkommen vom 30.6.2005.500
493 Von Deutschland nicht ratifiziert. 494 Von Deutschland wurde dieses Übereinkommen noch nicht in Kraft gesetzt, Rz. 2005a, 2761. 495 Von Deutschland noch nicht ratifiziert. Text: RabelsZ 62 (1998), 502. Hierzu Siehr RabelsZ 62 (1998), 464. 496 BGBl. 2007 II 323. Hierzu Gesetz zur Umsetzung des Haager Übereinkommens vom 13.1.2000 über den internationalen Schutz von Erwachsenen (ErwSÜAG), BGBl. 2007 I 314. Füllemann, Das internationale Privat- und Zivilprozessrecht des Erwachsenenschutzes, Diss. St. Gallen 2008; Helms, Reform des internationalen Betreuungsrechts durch das Haager Erwachsenenschutzabkommen, FamRZ 2008, 1995; Guttenberger, Das Haager Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen, Diss. Regensburg 2003. 497 Convention on Choice of Court Agreements – Convention sur les accords d’élections de for (abrufbar unter http://www.hcch.net). Hierzu z.B. Fricke, Das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen unter besonderer Berücksichtigung seiner Bedeutung für die Versicherungswirtschaft, VersR 2006, 476; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 3 Rz. 505 ff.; Rühl IPRax 2005, 410; Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln im deutsch-amerikanischen Handelsverkehr, 2007. 498 Hierzu z.B. Benett in Essays in Memory of Peter E. Nygh, 2004, 19; Philip in Essays in Memory of Peter E. Nygh, 2004, 299; Baumgartner, The Proposed Hague Convention on Jurisdiction and Foreign Judgments: Trans-Atlantic Lawmaking for Transnational Litigation, 2003; siehe auch de Miguel Asensio, Pluralidad de jurisdicciones y unificación de las reglas de competencia: Una visión transatlántica, Revista Española de Derecho Internacional, Vol. LVIII (2006), 19. Weitere Nachweise bei Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 111a. 499 Arbeitsdokument Nr. 110 E, abrufbar auf der Web-Site der Haager Konferenz. Nachweise zur Vorgeschichte bei Heß IPRax 2000, 342; von Mehren IPRax 2000, 465; Wagner IPRax 2001, 533; Jayme/Kohler IPRax 2001, 501, 506, Mayr/Czernich, Europäisches Zivilprozessrecht2, 2006, Rz. 14. 500 Hierzu R. Wagner RabelsZ 73 (2009), 100.
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Erster Teil: Grundlegung 5. Völkerrechtliche Verträge der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik 244b Der Vertrag über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8.1990501 regelt in den Art. 11 und 12 die Behandlung der völkerrechtlichen Verträge beider Vertragspartner. Art. 11 EinigungsV geht mit der überwiegenden völkerrechtlichen Auffassung davon aus, dass die Staatsverträge der Bundesrepublik Deutschland grundsätzlich mit Wirkung für das gesamte deutsche Staatsgebiet, einschließlich des Beitrittsgebietes, fortgelten, da die Bundesrepublik Deutschland als Völkerrechtssubjekt fortbesteht und insoweit der Grundsatz der beweglichen Vertragsgrenzen gilt. So hat sich z.B. der geographische Anwendungsbereich des EuGVÜ am 3.10.1990 ohne weiteres auf das Beitrittsgebiet ausgedehnt. Weniger eindeutig ist Art. 12 Einigungsvertrag, welcher die Verträge der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik502 anspricht. Er konnte angesichts der diffusen Völkerrechtslage keine endgültige Rechtsklarheit ohne Mitwirkung der betroffenen dritten Staaten (Vertragspartner der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik) schaffen, da es auch im Völkerrecht Verträge zu Lasten Dritter nicht gibt. 244c Die einschlägigen Regeln des Völkergewohnheitsrechts sind strittig. Übereinstimmung besteht nur in zwei Punkten. Einerseits geht man vom Erlöschen sog. politischer Verträge aus, andererseits aber von der Weitergeltung territorial verwurzelter Verträge (sog. radizierter Verträge wie etwa Grenzverträge). Im Übrigen reicht das Meinungsspektrum von der grundsätzlichen Fortgeltung der Staatsverträge der Deutschen Demokratischen Republik über ihre Suspendierung bis zum Erlöschen.503 Die Vertragsparteien des Einigungsvertrages waren sich jedenfalls darüber einig, dass mit dem Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik deren völkerrechtliche Verträge und Vereinbarungen nicht automatisch erlöschen, sondern mit den Vertragspartnern der Deutschen Demokratischen Republik über ihre Fortgeltung, Anpassung oder ihr Erlöschen zu verhandeln ist. Dabei sollten u.a. neben dem Vertrauensschutz und der Interessenlage der Beteiligten auch die völkervertraglichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland berücksichtigt werden. Daraus ergibt sich, dass in den Fällen, in denen die Bundesrepublik Deutschland und die Deutsche Demokratische Republik mit dem gleichen Vertragspartner über den gleichen Gegenstand einen Vertrag geschlossen haben, der mit der Bundesrepublik Deutschland geschlossene
501 BGBl. 1990 II 885. 502 Zusammengestellt z.B. bei Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 75. 503 Drobnig DtZ 1991, 79; Mansel JR 1990, 442; von Hoffmann IPRax 1991, 6; Dannemann DtZ 1991, 131. Nachweise bei Börner, Die Anerkennung ausländischer Titel in den arabischen Staaten, 1996, 423 ff.; Silagi, Staatsuntergang und Staatennachfolge mit besonderer Berücksichtigung des Endes der Deutschen Demokratischen Republik, 1996. Siehe auch BVerfG vom 10.6.1997, BVerfGE 96, 68 = NJW 1998, 50, 54: Es besteht keine völkerrechtliche Verpflichtung für die Bundesrepublik Deutschland, die nach Art. 39 II 2 WÜD fortwirkende Immunität eines ehemals in der Deutschen Demokratischen Republik akkreditierten Botschafters zu beachten.
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Rechtsquellen Vertrag vorgeht und der Vertrag mit der Deutschen Demokratischen Republik über den gleichen Gegenstand suspendiert ist.504 Die Bundesregierung stellt laufend im BGBl. Teil II – nach Konsultation der je- 244d weiligen Vertragspartner – das Erlöschen bestimmter von der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik geschlossener Verträge fest. Diese Feststellungen sind – trotz Rz. 272 – für die Gerichte bindend.
III. Recht der Europäischen Union 1. „Säulenwechsel“ durch den Vertrag von Amsterdam Die Rechtsvereinheitlichung und Regelungsdichte ist besonders stark im Recht 245 der Europäischen Gemeinschaften505, welche nach Art. 1 III EUV die „Grundlage“ der Europäischen Union bilden.506 Der Vertrag von Amsterdam vom 2.10.1997507 brachte einen “Säulenwechsel“:508 Die ursprünglich in Art. K des Vertrages über die Europäische Union vom 7.2.1992 (Maastrichter Vertrag)509 in der dritten Säule vereinbarte justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen wurde in die erste Säule transferiert.510 Früher konnte dieser Komplex nur durch Übereinkommen bzw. Rahmenbeschlüsse der Mitgliedstaaten geregelt werden, inzwischen gibt Art. 61 lit. c in Verbindung mit Art. 65 EGV (nunmehr Art. 81 AEUV) die Rechtsgrundlage zur einheitlichen Normierung als sekundäres Gemeinschafts- bzw. künftig Unionsrecht.511 504 Karl in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 663.45 ff. Einl. VII 4 Fußn. 97. 505 Nachweise bei Heinze, Europäisches Primärrecht und Zivilprozess, EuR 2008, 654. 506 Zu den Wechselwirkungen zwischen europäischem und nationalem Zivilprozessrecht Schack ZZP 107 (1994), 279. 507 BGBl. 1998 II 387, in Kraft seit 1.5.1999, BGBl. 1999 II 296. 508 Hierzu ausführliche Nachweise bei Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 – Vergemeinschaftung, Anwendungsbereich und insbesondere die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, Diss. Köln 2004, Rz. 31 ff. 509 BGBl. 1992 II 1253. 510 Vom (supranationalen) Gemeinschaftsrecht der ersten Säule ist das im Rahmen der dritten Säule erlassene Unionsrecht zu unterscheiden, das angesichts Art 65 EGV für das Internationale Zivilverfahrensrecht (allenfalls) marginal von Bedeutung ist. Dessen Rechtsnatur ist umstritten. Das Meinungsspektrum reicht von der Qualifikation als rein völkerrechtliches Instrument, das zwingend der Transformation in das nationale Recht bedarf und daher vorher für die deutschen Gerichte unbeachtlich ist (so BVerfG vom 18.7.2005, NJW 2005, 2289), bis hin zur unmittelbaren Geltung für die innerstaatlichen Organe der Mitgliedstaaten ohne Transformationsnotwendigkeit ähnlich den EG-Richtlinien, so EuGH vom 16.6.2005, Rs. C-105/03 – Maria Pupino EuZW 2005, 433 (Herrmann). Zur Zuständigkeit des EuGH zur Auslegung von Rahmenbeschlüssen auf dem Gebiet der Polizeilichen und Justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS) siehe Art 35, 46 (b) EUV. 511 Zur Europäisierung des internationalen Zivilprozessrechts Heß JZ 2000, 23 Heß JZ 2001, 573; Micklitz/Rott EuZW 2001, 325. Zur Tragfähigkeit der Art. 61, 65 EGV als Ermächtigungsgrundlage für Rechtsakte der Gemeinschaft Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 – Ver-
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Erster Teil: Grundlegung 245a In Betracht kommen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen mit grenzüberschreitenden Bezügen nach Maßgabe des Art. 81 AEUV (a) die Verbesserung und Vereinfachung des Systems für die grenzüberschreitende Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke; (b) der Zusammenarbeit bei der Erhebung von Beweismitteln; (c) der Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher und außergerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen; (d) die Förderung der Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen und Vorschriften zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten; (e) die Beseitigung der Hindernisse für eine reibungslose Abwicklung von Zivilverfahren, erforderlichenfalls durch Förderung der in den Mitgliedstaaten geltenden zivilrechtlichen Verfahrensvorschriften. 245b Daneben bleibt Art. 293 (früher 220) EGV bis zum Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon vom 13.12.2007 unberührt. Der Trend läuft aber schon in Richtung „Vergemeinschaftung“ der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen durch Rechtsakte der Gemeinschaft. 245c Es wurden bereits neun wichtige Verordnungen erlassen:512 (1) Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivilund Handelssachen,513 welche das Brüsseler Übereinkommen vom 27.9.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ) ersetzen soll; die Verordnung vom 22.12.2000 wird ergänzt und flankiert durch die (2) Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (EuEheVO)514 zur partiellen Ausfüllung des Art. 1 II lit. a Verordnung (EG) Nr. 44/2001 auf dem Gebiet der Scheidung („Brüssel II“),
gemeinschaftung, Anwendungsbereich und insbesondere die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, Diss. Köln 2004, Rz. 53 ff. mit weiteren Nachweisen. 512 Zu deren Auslegung Kropholler in Festschrift 75 Jahre Max-Planck-Institut für Privatrecht, 2001, 583. Siehe auch Drappatz, Die Überführung des internationalen Zivilverfahrensrechts in eine Gemeinschaftskompetenz nach Art. 65 EGV, 2002; R. Wagner NJW 2004, 1835. 513 ABl. EG Nr. L 12 vom 16.1.2001, S. 1; Abdruck im Anhang auf S. 1396 ff. 514 ABl. EU Nr. L 338 vom 27.11.2003; Abdruck im Anhang auf S. 1408 ff. Hierzu umfassend Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 – Vergemeinschaftung, Anwendungsbereich und insbesondere die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, Diss. Köln 2004. Bis 28.2.2005 galt die Vorgänger-Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten, ABl. EG Nr. L 160 vom 30.6.2000, S. 19.
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Rechtsquellen (3) Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 vom 13.11.2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten515 sowie (4) Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren,516 (5) Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 vom 28.5.2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen,517 (6) Verordnung (EG) Nr. 805/2004 vom 21.4.2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen,518 Rz. 3174. (7) Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 vom 12.12.2006 zur Einführung eines europäischen Mahnverfahrens,519 Rz. 3198c. (8) Verordnung (EG) Nr. 861/2007 vom 11.7.2007 zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen,520 Rz. 3198u. (9) Verordnung (EG) Nr. 4/2009 vom 18.12.2008 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen,521 Rz. 3199.
515 ABl. EU Nr. L 324 vom 10.12.2007, S. 79. Abdruck im Anhang auf S. 1469 ff. Hierzu G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 208 ff.; Gsell EWS 2002, 115; Jastrow NJW 2002, 3382; Jastrow IPRax 2004, 11; Heß NJW 2001, 15; Lindacher ZZP 114 (2001), 179. 516 ABl. EG Nr. L 160 vom 30.6.2000, S. 1. Abdruck im Anhang auf S. 1481 ff. Hierzu Eidenmüller IPRax 2001, 2; Ehricke EWS 2002, 101; Peter Huber ZZP 114 (2001), 133. 517 ABl. EG Nr. L 174 vom 27.6.2001, S. 1. Abdruck im Anhang auf S. 1508 ff. 518 ABl. EU Nr. L 143 vom 30.4.2004, S. 15. Abdruck im Anhang auf S. 1445 ff. Hierzu z.B. Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, 2004; Gerling, Die Gleichstellung ausländischer mit inländischen Vollstreckungstiteln durch die Verordnung zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen: Im Vergleich zum bisherigen Recht und zur Rechtslage in den USA, Diss. Köln 2006. 519 ABl. EU Nr. L 399 vom 30.12.2006, S. 1. Abdruck im Anhang auf S. 1519 ff. Hierzu z.B. Einhaus, Qual der Wahl: Europäisches oder internationales deutsches Mahnverfahren?, IPRax 2008, 323; Freitag, Rechtsschutz des Schuldners gegen den Europäischen Zahlungsbefehl, IPRax 2007, 509; Gundlach, Europäische Prozessrechtsangleichung: Gegenstand – Struktur – Methode dargestellt am Beispiel des Mahnverfahrens, 2005; Kodek in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen35, 2008, 570, 39 ff.; Kormann, Das neue Europäische Mahnverfahren im Vergleich zu den Mahnverfahren in Deutschland und Österreich, Diss. Passau, 2007; Hess/Bittmann, Die Verordnungen zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens und eines Europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen – ein substanzieller Integrationsschritt im Europäischen Zivilprozessrecht, IPRax 2008, 305; Kreuzer/Wagner in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Stand: Juni 2007 (19. Ergänzungslieferung), Rz. 792 ff.; Pérez-Ragone, Europäisches Mahnverfahren, 2005. 520 ABl. EU Nr. L 199 vom 31.7.2007, S. 1. Abdruck im Anhang auf S. 1534 ff. Hierzu z.B. Brokamp, Das Europäische Verfahren für geringfügige Forderungen, 2008; Hess/Bittmann, Die Verordnungen zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens und eines Europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen – ein substanzieller Integrationsschritt im Europäischen Zivilprozessrecht, IPRax 2008, 305. 521 ABl. EU Nr. L 7 vom 10.1.2009, S. 1. Abdruck im Anhang auf S. 1547 ff.
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Erster Teil: Grundlegung Geplant sind weitere europäische Rechtsakte zur Ausfüllung der durch Art. 1 II EuGVVO gelassenen Lücken, so insbesondere für den Bereich des Ehegüterrechts und des Erbrechts.522 Als erste Richtlinie im Rahmen der justiziellen Zusammenarbeit wurde die Richtlinie 2003/8/EG vom 27.1.2003 zur Verbesserung des Zugangs zum Recht bei Streitsachen mit grenzüberschreitendem Bezug durch Festlegung gemeinsamer Mindestvorschriften für die Prozesskostenhilfe in derartigen Streitsachen523 – Prozesskostenrichtlinie – verabschiedet. Diese wurde in Deutschland in §§ 1076 ff. ZPO umgesetzt. Des Weiteren gibt es Spezialregelungen in anderen Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft bzw. künftig der Europäischen Union, die vorrangig bzw. ergänzend anzuwenden sind, wie z.B. Art. 93 ff. der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20.12.1993 über die Gemeinschaftsmarke.524 Zu erwähnen sind z.B. auch Art. 6 der Richtlinie (EG) Nr. 97/95 vom 16.12.1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen525 (Pflicht zur Bereitstellung eines Forums im Empfangsstaat) sowie Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 2271/96 des Rates vom 22.11.1996 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von in einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebenden Maßnahmen,526 der ein Anerkennungsverbot etabliert (aus Anlass des als „Helms Burton Act“ bekannten Cuban Liberty and Democratic Solidarity Act von 1996 sowie des Iran and Libya Sanctions Act 1996), Rz. 537. Art. 6 der Richtlinie 2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des Geistigen Eigentums527 zur Umsetzung von Art. 43 des TRIPS-Übereinkommens verpflichtet die Mitgliedstaaten, im Verletzungsverfahren Vorlagepflichten für den Prozessgegner hinsichtlich von Beweismitteln einzuführen. Einen Auskunftsanspruch hat der Schutzrechtsinhaber gegen den Verletzer und gegen Dritte, welche die rechtsverletzende Ware in ihrem Besitz hatten oder die entsprechende Dienstleistung in Anspruch genommen haben, Art. 8 RL.528 Die Umsetzung erfolgte in
522 Vgl. Bundestagsdrucksache 14/4591 S. 19. 523 ABl. EG Nr. L 26 vom 31.1.2003, S. 41, berichtigt ABl. EU Nr. L 32 vom 7.2.2003, S. 15. Hierzu Jastrow MDR 2004, 75. 524 ABl. EG Nr. L 11 vom 14.1.1994, S. 1. 525 ABl. EG Nr. L 18 vom 21.1.1997, S. 1. 526 ABl. EG Nr. L 309 vom 29.11.1996, S. 1. Hierzu Stürner JZ 2006, 60, 67. 527 ABl. EG Nr. L 195 vom 2.6.2007, S. 16 ff.; hierzu McGuire GRURInt 2005, 15; Linden, Die Enforcement-Richtlinie 2004/48/EG und ihre nationale Umsetzung in Deutschland, Diss. München 2006; Heinze, Einstweiliger Rechtsschutz im europäischen Immaterialgüterrecht, 2007. Siehe auch Adloff, Vorlagepflichten und Beweisvereitelung im deutschen und französischen Zivilprozess, 2007; Kapoor, Die neuen Vorlagepflichten für Urkunden und Augenscheinsgegenstände in der Zivilprozessordnung, Diss. München 2008. 528 Adolphsen, Europäisches und internationales Zivilprozessrecht in Patentsachen2, 2009, Rz. 87 ff.; Heß in Gottwald, Effektivität des Rechtsschutzes vor staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten, 2005, 121, 160; Mahlmann, Schaden und Bereicherung durch die Verletzung „geistigen Eigentums„: Die Anspruchshöhe bei Verletzungen gewerblicher Schutzrechte, bei Urheber-, Persönlichkeits- und Wettbewerbsrechtsverletzungen. Eine vergleichende Untersuchung des deutschen, französischen und eng-
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Rechtsquellen Deutschland in § 140c PatG, § 24c GebrMG, §§ 19a, 128, 135 MarkenG, § 9 II HalbleiterschutzG, § 101a UrhG, § 46a GeschmMG, § 37c SortenschutzG. Dies steht in einem gewissen Kontrast zum überkommenen deutschen Zivilprozessrecht, das eine allgemeine prozessuale Aufklärungspflicht der nicht risikobelasteten Partei und damit eine Abkehr vom Grundsatz nemo contra se edere tenetur forderte; dies lehnt die herrschende Meinung ab.529 Der Umsetzung harrt noch die Richtlinie 2008/52/EG vom 21.5.2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen.530 Für die Auslegung der EG-Verordnungen und Richtlinien hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) – da es sich um sekundäres Gemeinschafts- bzw. künftig Unionsrecht handelt – eine genuine Zuständigkeit nach Art. 267 AEUV, früher nach Art. 68 in Verbindung mit Art. 234 EGV.531
lischen Rechts unter Berücksichtigung der RL 2004/48/EG, 2005; siehe auch Heinze, Einstweiliger Rechtsschutz im europäischen Immaterialgüterrecht, 2007. 529 Es sei nicht Aufgabe des Prozessrechts, einen solchen Anspruch praeter legem zu schaffen; denn keine Partei sei verpflichtet, ihrem Gegner erst die Mittel zum Prozesssieg zu verschaffen, BGH NJW 1990, 3151; BGH NJW 2000, 1108, 1109. Zurückhaltender aber im Ergebnis BGH vom 17.2.2004 BGHR 2004, 786 = MDR 2004, 898 = NJW-RR 2004, 989. Nachweise bei Krapfl, Die Dokumentenvorlage im internationalen Schiedsverfahren, Diss. Köln, 2007, 6; Prütting in Festschrift Németh, 2003, 701, 704 ff.; Kapoor, Die neuen Vorlagepflichten für Urkunden und Augenscheinsgegenstände in der Zivilprozessordnung, Diss. München 2008. Dagegen fordern eine generelle Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung des Sachverhalts immer mehr Stimmen in der Literatur im Anschluss an Stürner, Die Aufklärungspflichten der Parteien im Zivilprozess, 1976, 92 ff.; Nachweise bei Waterstraat, ZZP 118 (2005), 459, 468. Nach diesem Ansatz wäre auch die nicht risikobelastete Partei – ohne Rücksicht auf das Bestehen eines materiell-rechtlichen Auskunftsanspruchs – zur Urkundenvorlage verpflichtet. Allerdings kann die Vorlage auch nach dieser Meinung nicht unmittelbar erzwungen werden, sondern nur mittelbar dadurch, dass der unsubstantiierte Tatsachenvortrag der darlegungs- u beweisbelasteten Partei widerlegbar als wahr fingiert wird. 530 ABl. EU Nr. L 136 vom 24.5.2008, S. 3. Hierzu Eidenmüller/Prause, Die europäische Mediationsrichtlinie – Perspektiven für eine gesetzliche Regelung der Mediation in Deutschland, NJW 2008, 2737. 531 Art. 68 I EGV engt die Vorlagebefugnisse des Art. 234 EGV (Rz. 246h) ein. Vorlageberechtigt sind nur Gerichte, deren Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können. Desweiteren begrenzt Art. 68 II EGV die Zuständigkeit des EuGH; hierzu Bundestagsdrucksache 13/9339 S. 152; Geiger, EUV/EGV3, 2000, Art. 68 Rz. 2; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 1 Rz. 67. Gegen die Einschränkung der Vorlagebefugnis durch Art. 68 I EGV wurde teilweise überzogene Kritik laut, Nachweise bei Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 – Vergemeinschaftung, Anwendungsbereich und insbesondere die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, Diss. Köln 2004, Rz. 38. Art. 68 III EGV ermöglicht ein abstraktes, d.h. von einem konkreten Rechtsstreit losgelöstes Vorlageverfahren, das vom Rat, von der Kommission und von den Mitgliedstaaten in Gang gesetzt werden kann, hierzu Ludwig, Die Rolle des Europäischen Gerichtshofes im Bereich Justiz und Inneres nach dem Amsterdamer Vertrag, (Diss. Bochum) 2002, 178, 337.
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245d
Erster Teil: Grundlegung Unglücklicherweise wurde die justizielle Zusammenarbeit nicht als eigener Titel in den EG-Vertrag eingestellt, sondern im Titel IV „untergebracht“ mit der Bezeichnung „Visa, Asyl, Einwanderung und andere Politiken betreffend den freien Personenverkehr“. Daher gelten die Ausnahmeregelungen aufgrund des Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands sowie des Protokolls über die Position Dänemarks auch für die in Art. 65 EGV genannten Materien, Art. 69 EGV. Nach diesen Protokollen sind die drei Staaten nicht verpflichtet, sich an der in Titel IV vorgesehenen Zusammenarbeit zu beteiligen. Sie können sich jedoch „freiwillig“ anschließen.532 Dies haben das Vereinigte Königreich und Irland bei Erlass der vorgenannten Verordnungen getan, nicht jedoch Dänemark. 245e Der Säulenwechsel von Amsterdam hatte gravierende Auswirkungen für die Kompetenz zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge mit dritten Staaten. Der EG-Vertrag kennt keine dem Art. 32 I GG vergleichbare allgemeine Norm hinsichtlich der Wahrnehmung der Beziehungen zu dritten Staaten. Es herrscht vielmehr das Prinzip der Einzelermächtigung (vgl. Art. 300 I 1 EGV). Eine ausdrückliche Kompetenzzuweisung fehlt aber für den Bereich der internationalen justiziellen Zusammenarbeit; eine solche kann sich nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH auch aus anderen Bestimmungen des EGV und aus in deren Rahmen ergangenen Rechtsakten ergeben. Der EuGH postuliert das Prinzip der Parallelität von Innen- und Außenkompetenz: Hat die Europäische Gemeinschaft bzw. künftig die Europäische Union nach EGV bzw. AEUV eine Innenkompetenz, von der sie Gebrauch gemacht hat, so korrespondiert mit dieser eine entsprechende Außenkompetenz zum Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen mit Nicht-Mitgliedstaaten.533 245f
Nach Erlass der in Rz. 245c aufgeführten Verordnungen steht der Europäischen Gemeinschaft bzw. künftig der Europäische Union die ausschließliche Kompetenz zum Abschluss von völkerrechtlichen Vereinbarungen zu, allerdings nur in dem Umfang, in dem sie von ihrer Innenkompetenz Gebrauch gemacht hat.534 Dies bedeutet z.B., dass die Mitgliedstaaten im Bereich der ihnen nach Art. 4 I EuGVVO und Art. 7 EuEheVO verbliebenen „Restzuständigkeiten“ noch völkerrechtliche Verträge schließen dürfen.
245g Auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen aus anderen Mitgliedstaaten verbietet Art. 72 EuGVVO den Abschluss völkerrechtlicher Verträge mit Drittstaaten in bewusster Abkehr von Art. 59 EuGVÜ. Für die
532 Geiger, EUV/EGV3, 2000, Art. 69 Rz. 4 f. Ausführlich mit weiteren Nachweisen Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 – Vergemeinschaftung, Anwendungsbereich und insbesondere die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, Diss. Köln 2004, Rz. 46 ff. 533 EuGH vom 31.3.1971, Rs 22/70 – ATER Slg. 1971, 263. 534 Ausführlich Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 – Vergemeinschaftung, Anwendungsbereich und insbesondere die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, 2004, Rz. 79 ff.; Wilderspin/ Rouchard-Joët Rev. crit. d.i.p. 93 (2004), 1.
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Rechtsquellen EuEheVO Nr. 2201/2003 dürfte jedoch das Gleiche gelten wie für Art. 72 EuGVVO.535 Die Anerkennung und Vollstreckung drittstaatlicher Entscheidungen regeln die 245h in Rz. 245c aufgeführten Verordnungen nicht. Dieser Komplex wird jedoch von der Ermächtigungsgrundlage des Art. 81 I (a) dritter Spiegelstrich AEUV/Art. 65 I (a) dritter Spiegelstrich EGV umfasst. Da die Gemeinschaft bzw. künftig die Union von ihrer Regelungsbefugnis (bisher) keinen Gebrauch gemacht hat, wird überwiegend eine konkurrierende Zuständigkeit von Gemeinschaft/Union und Mitgliedstaaten angenommen.536 Die Einzelheiten sind streitig.537 2. Brüsseler Übereinkommen vom 27.9.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Vor dem Säulenwechsel war besonders wichtig Art. 220 (jetzt 293) EGV (Ver- 246 pflichtung zur Anerkennung und Vollstreckung der Entscheidungen aus den EGStaaten)538 und das zu seiner Ausführung geschlossene Brüsseler Übereinkommen vom 27.9.1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen, Rz. 1877. Es ist durch das 4. Beitrittsübereinkommen vom 29.11.1996539 auch auf Österreich, Finnland und Schweden ausgedehnt worden, für Deutschland mit Wirkung vom 1.1.1999.540 Es trat am 1.3.2002 nach Maßgabe von Art. 68 EuGVVO außer Kraft, behält aber seine Gültigkeit in den in Art. 299 EGV (nun Art. 349 AEUV) ausgeklammerten Territorien sowie im Verhältnis zu Dänemark, Erwägungsgrund 23. Allerdings gilt nunmehr seit 1.7.2007 die EuGVVO aufgrund des mit der Europäischen Gemeinschaft geschlossen Abkommens vom 19.10.2005.541 Das EuGVÜ und auch die EuGVVO strahlen auch auf die Anwendung und Auslegung des nationalen Rechts aus. Dieses ist konventions- bzw. verordnungskonform zu handhaben. Beispiel: Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes steht es nach §§ 921 II, 936, 938 ZPO im Ermessen des Gerichts, Sicherheitsleistung anzuordnen. Soweit das Gericht des einstweiligen Rechtsschutzes seine internationale Zuständigkeit nicht auf das Übereinkommen bzw. die Verordnung, sondern allein auf das (über das Übereinkommen bzw. die Verordnung Nr. 44/2001 hinausgehende) 535 Hierzu Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 – Vergemeinschaftung, Anwendungsbereich und insbesondere die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, 2004, Rz. 80 ff. 536 Für „geteilte Zuständigkeit“ zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten Dilger a.a.O. Rz. 91. 537 Für alleinige Zuständigkeit der Mitgliedstaaten Leisle, Dependenzen auf dem Weg vom EuGVÜ, über die EuGVVO, zur EuZPO, Diss. Konstanz 2002, 187; Leisle ZEuP 2002, 316. 538 Art. 293 EGV wird durch den Vertrag von Lissabon vom 13.12.2007 aufgehoben. Eine Parallelnorm im AEUV fehlt. 539 BGBl. 1998 II 1411; BGBl. 1998 II 1411. 540 BGBl. 1999 II 419. 541 ABl. EU Nr. L 299 vom 16.11.2005, S. 62.
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Erster Teil: Grundlegung nationale Recht stützt, muss es nach Auffassung des EuGH Sicherheitsleistung für Leistungs- bzw. Befriedigungsverfügungen anordnen.542 3. Zuständigkeiten des Europäischen Gerichtshofs und des Gerichts erster Instanz mit dem Sitz in Luxemburg 246a Die Kompetenzen des Europäischen Gerichtshofs (Art. 19 EUV) beruhen nicht auf einer Generalklausel, sondern ergeben sich aus einem Mosaik von einzelnen Zuständigkeitszuweisungen.543 Der Zugang des Einzelnen zum EuGH ist stark limitiert. Zu seiner Entlastung ist dem Gerichtshof ein Gericht erster Instanz beigeordnet,544 gegen dessen Entscheidungen ein auf Rechtsfragen beschränktes Rechtsmittel zum Gerichtshof statthaft ist.545 Diesem Gericht können wiederum nach Maßgabe des Art. 257 AEUV (bisher Art. 225a EGV) „gerichtliche Kammern“ (künftig Fachgerichte) vorgeschaltet werden, gegen deren Entscheidungen ein Rechtsmittel zum Gericht erster Instanz statthaft ist. Das Gericht (erster Instanz) entscheidet über Ansprüche gegen die Gemeinschaften bzw. künftig die Europäische Union auf Ersatz des im Bereich der außervertraglichen Haftung verursachten Schadens.546 Diese ausschließliche Zuständigkeit ist nicht auf die Amtshaftung bei hoheitlicher Tätigkeit beschränkt; erforderlich ist nur eine unmittelbare innere Beziehung der schadenstiftenden Handlung zu den Aufgaben der Organe.547 246b Für die Beurteilung der Schadensersatzklage aus dem Gesichtspunkt der vertraglichen Haftung (Art. 340 I AEUV/Art. 288 I EGV) sind die nationalen Gerichte zuständig.548 Für den gleichen Streitgegenstand (Klage auf Schadensersatz) können also zwei Gerichte zuständig sein: das Europäische Gericht erster Instanz auf der einen Seite und das nationale Gericht auf der anderen. Um Entscheidungsdisharmonien bzw. Verdoppelung von Vollstreckungstiteln zu vermeiden, sollte der deutsche Richter sein Verfahren aussetzen, § 148 ZPO.549 Der 542 EuGH vom 17.11.1998, Rs C-391/95 – van Uden Maritime BV/Deco-Line u.a. Slg. 1998, I – 7091 = EuZW 1999, 413, 415 Rz. 34 = IPRax 1999, 240 (Heß/G. Vollkommer 220) = RIW 1999, 776. Siehe auch Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 15 Rz. 50. 543 Zum Verfahren vor dem EuGH Koenig/Sander, Einführung in das EG-Prozessrecht, 1997. 544 Hierzu Kirschner/Klüpfel, Das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften, 1998. 545 Art. 225 EGV, Art. 140a EAGV. 546 Art. 225 II, 235, 288 II und III EGV, Art. 151, 188 II EAGV. 547 EuGH vom 10.7.1969, Rs 9/69 – Sayag u.a./Leduc u.a. Slg. 1969, 329/336. Zu Art. 215 EGV Ewert, Die Funktion der allgemeinen Rechtsgrundsätze im Schadensersatzrecht der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, 1991; Gilsdorf EuR 1975, 73; EuGH vom 2.6.1976, Rs 56-60/74 – Kampffmeyer/Kommission und Rat Slg. 1976, 711 = NJW 1976, 2072 (Nr. 7) und EuGH vom 4.10.1979, Rs 238/78 – Ireks Arkady/Rat und Kommission Slg. 1979, 2955 = NJW 1979, 1098 = RIW 1979, 849 (Gündisch). 548 Nachweise bei Vesting, Die vertragliche und außervertragliche Haftung der EG nach Art. 288 EGV: Unter Berücksichtigung der prozessualen Durchsetzungsmöglichkeiten, Diss. Marburg 2003. 549 Schumann ZZP 78 (1965), 88.
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Rechtsquellen andere Ausweg, dass das Europäische Gericht (erster Instanz) die Zuständigkeit des nationalen Gerichts aufgrund Zuständigkeitsvereinbarung oder Einlassung übernimmt und dadurch eine auf Anspruchsgrundlagen beschränkte Rechtskraft550 vermeidet, ist nicht gangbar, da eine Erweiterung der Entscheidungskompetenz des Europäischen Gerichts bzw. des Gerichtshofs durch Parteiverhalten nicht zugelassen ist.551 Arbeitsrechtliche Streitigkeiten: Das Europäische Gericht (erster Instanz) ist für 246c alle Streitsachen zwischen der Gemeinschaft und deren Bediensteten innerhalb der Grenzen und nach Maßgabe der Bedingungen zuständig, die im Statut der Beamten festgelegt sind oder sich aus den Beschäftigungsbedingungen für die Bediensteten ergeben („Beamtenklagen“).552 Begründung der Zuständigkeit des Europäischen Gerichts durch Schiedsvereinbarung: Es muss sich um Streitigkeiten aus Verträgen handeln, die von einer der Gemeinschaften bzw. künftig der Europäische Union oder für ihre Rechnung abgeschlossen wurden.553
246d
Kompetenzkonflikte: Dem Gericht (erster Instanz) bzw. dem Europäischen Ge- 246e richtshof (EuGH) steht die Kompetenz-Kompetenz zu. Sie können ihre ausschließliche Zuständigkeit bindend gegenüber den nationalen Gerichten bejahen. Durch die Entscheidung nationaler Gerichte kann die Kompetenz des Europäischen Gerichts erster Instanz bzw. des Gerichtshofs nicht unterlaufen werden. Ihre Entscheidung, es liege keine ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts (erster Instanz) bzw. des Europäischen Gerichtshofs vor, die Streitigkeit falle daher in ihren Jurisdiktionsbereich, ist für die Luxemburger Richter nicht bindend. Erlässt das nationale Gericht in einer Streitigkeit, für die eine ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts (erster Instanz) bzw. des Gerichtshofs besteht, ein Sachurteil, so ist dieses gleichwohl wirksam. Dies ist nicht unbestritten, da in den Fällen der ausschließlichen Zuständigkeit des EuGH behauptet wird, dem nationalen Gericht fehle die Gerichtsbarkeit.554 Im Falle eines negativen Kompetenzkonflikts soll Art. 19 IV GG weiterhelfen.555 Das nationale Gericht556 kann Zweifel über die ausschließliche Kompetenz des 246f EuGH im Wege des Vorlageverfahrens nach Art. 267 AEUV/Art. 234 EGV, Art. 150 EAGV klären lassen. Eine Verweisung des Rechtsstreits an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) findet nicht statt; vielmehr erfolgt Prozessabweisung durch das nationale Gericht.557 550 Allgemein R. Geimer NJW 1974, 1045; R. Geimer IPRax 1986, 80. 551 Schumann a.a.O. und Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht16, 2004, § 18 Rz. 18 ff. 552 Art. 225 II, 236 EGV, Art. 152 EAGV. 553 Art. 225 II. 238 EGV, Art. 153 EAGV. 554 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht16, 2004, § 18 Rz. 17. 555 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht16, 2004, § 18 Rz. 21. 556 Der EuGH fasst den Gerichtsbegriff sehr weit. Auch Vergabeüberwachungsausschüsse nach §§ 57a ff. Haushaltsgrundsätzegesetz fallen hierunter, EuGH vom 17.9.1997, Rs. C-54/96 – Dorsch Consult Immobiliengesellschaft mbH/Bundesbaugesellschaft Berlin NJW 1997, 3365 (Boesen 3350). 557 Riegel NJW 1975, 1049.
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Erster Teil: Grundlegung 4. Zuständigkeitsbereich der nationalen Gerichte 246g Soweit keine Zuständigkeit des Gerichtshofs aufgrund des betreffenden Vertrages besteht, sind Streitsachen, bei denen die Gemeinschaft bzw. künftig die Europäische Union Partei ist, der Zuständigkeit der einzelstaatlichen Gerichte nicht entzogen“.558 Dies bedeutet: Soweit keine ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts (erster Instanz) bzw. des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) besteht, bleibt die Jurisdiktion der nationalen Gerichte nach Maßgabe des nationalen Rechts unberührt; in der Bundesrepublik Deutschland ist mithin deren Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit nach den allgemeinen Regeln festzustellen. Auch Streitfälle, bei denen die Gemeinschaften Partei sind, unterliegen der nationalen Gerichtsbarkeit. Es bleibt kein rechtsschutzfreier Raum.559 So sind Streitigkeiten über die vertragliche Haftung der Gemeinschaften bzw. künftig der Europäischen Union von den nationalen Gerichten zu entscheiden.560 5. Vorlagepflicht der nationalen Gerichte an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) 246h a) EG-Vertrag:561 Art. 267 AEUV (vormals Art. 234 EGV)562 bestimmt:563 Der Gerichtshof entscheidet im Wege der Vorabentscheidung a) über die Auslegung dieses Vertrages, b) über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe der Gemeinschaft bzw. künftig die Europäische Union und der EZB, c) über die Auslegung der Satzungen der durch den Rat geschaffenen Einrichtungen, soweit diese Satzungen dies vorsehen. Wird eine derartige Frage einem Gericht eines Mitgliedstaates gestellt und hält dieses Gericht eine Entscheidung darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich, so kann es diese Frage dem Gerichtshof zur Entscheidung vorlegen. Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit 558 Art. 240 EGV, Art. 155 EAGV. 559 Schumann ZZP 78 (1965), 85. 560 Die Gemeinschaften sind parteifähig. Sie können vor den nationalen Gerichten klagen und verklagt werden, Art. 282 EGV; Art. 185 EAGV. 561 Zu den Einwirkungen des Vorabentscheidungsverfahrens auf das deutsche Zivilprozessrecht Heß ZZP 108 (1995), 59; Kohler ZEuP 4 (1996), 379; Kohler NIPR Special 1996, 1; Rechberger/Simotta, Grundriss des österreichischen Zivilprozessrechts – Erkenntnisverfahren6, 2003, Rz. 715/1. 562 Nach früherer Nummerierung Art. 177 EGV. 563 Zur Zuständigkeit des EuGH zur Auslegung von Rahmenbeschlüssen auf dem Gebiet der Polizeilichen und Justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS) nach Art 35, 46 (b) EUV EuGH vom 16.6.2005, Rs. C-105/03 – Maria Pupino EuZW 2005, 433 (Herrmann) sowie deutsches Gesetz betreffend die Anrufung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens auf dem Gebiet der polizeilichen Zusammenarbeit und der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen nach Art. 35 des EU-Vertrages (EuGH-Gesetz) vom 6.8.1998, BGBl. I 2035 i.V.m. Bekanntmachung vom 19.4.1999, BGBl. I 728.
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Rechtsquellen Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, so ist dieses Gericht zur Anrufung des Gerichtshofs verpflichtet. b) Euratom-Vertrag: Art. 150 EAGV ist textgleich mit Art. 267 AEUV (vormals Art. 234 EGV).
246i
c) Auslegungsprotokoll vom 3.6.1971 zum EuGVÜ. Der Europäische Gerichtshof 246j hat mit seiner Rechtsprechung zur Auslegung des EuGVÜ einen ganz bedeutenden Beitrag zu vielen Fragen des internationalen Kompetenzrechts und des Anerkennungsrechts sowie zur internationalen Beachtung der Litispendenz geleistet.564 Der EuGH agiert hierbei nicht als Organ der Europäischen Gemeinschaften bzw. künftig der Europäische Union, sondern als ein von den Vertragsstaaten eingesetztes (völkerrechtliches) Gericht. Anders ist es nun aber nach Inkrafttreten der auf Art. 65 EGV (nunmehr Art. 81 AEUV) basierenden Verordnungen, nämlich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen,565 die seit 1.3.2002 das EuGVÜ ersetzt, der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (EuEheVO),566 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 vom 13.11.2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten,567 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren,568 sowie nunmehr auch der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 vom 21.4.2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen569 und der sonstigen in Rz. 245c aufgeführten europäischen Rechtsakte. Denn es handelt sich um sekundäres Gemeinschafts- bzw. künftig Unionsrecht, für dessen Auslegung der Europäische Gerichtshof eine genuine Zuständigkeit hat. Art. 68 I EGV engte allerdings die Vorlagebefugnisse des Art. 234 EGV ein. Vorlageberechtigt sind nur Gerichte, deren Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können. Des Weiteren begrenzt Art. 68 II EGV die Zuständigkeit des EuGH.570 Diese Begrenzung wird mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon vom 13.12.2007 entfallen.
564 Näher R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – EuGVVO – Einl. Rz. 161 ff. Chronologisches Verzeichnis der Urteile unten S. 1191 ff. 565 ABl. EG Nr. L 12 vom 16.1.2001, S. 1. 566 ABl. EU Nr. L 338 vom 27.11.2003. Bis 28.2.2005 galt die Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten, ABl. EG Nr. L 160 vom 30.6.2000, S. 19. 567 ABl. EU Nr. L 324 vom 10.12.2007, S. 79. Hierzu G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 208 ff.; Heß NJW 2001, 15. 568 ABl. EG Nr. L 160 vom 30.6.2000, S. 1. 569 ABl. EU Nr. L 143 vom 30.4.2004, S. 15. 570 Hierzu BT-Drucksache 13/9339 S. 152; Geiger, EUV/EGV3, 2000, Art. 68 Rz. 2.
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Erster Teil: Grundlegung d) Auslegungsprotokoll vom 19.12.1988 zum Römischen Übereinkommen vom 19.6.1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (EVÜ).571 246k Kohler572 weist treffend darauf hin, die Richtervorlagen aus Deutschland ermöglichten „einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Orientierung der EuGH-Rechtsprechung auszuüben“. Legt ein nationales Gericht dem EuGH nicht vor, obwohl es hierzu nach Art. 267 AEUV (vormals Art. 68 bzw. Art. 234 EGV) verpflichtet wäre, liegt eine Vertragsverletzung vor, die wiederum zu einem (Vertragsverletzungs-)Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) nach Art. 258 AEUV/Art. 226 ff. EGV führen kann.573 Anders ist es jedoch außerhalb des Anwendungsbereichs des AEUV/EGV; so kennt das Auslegungsprotokoll zum EuGVÜ kein Vertragsverletzungsverfahren.574 246l
Vorlagevoraussetzungen nach Art. 267 AEUV/Art. 234 EGV (partiell modifiziert durch Art. 68 EGV): – Berechtigte Zweifel, – Entscheidungserheblichkeit; – Nichteingreifen des Art. 100 GG. Soweit die Voraussetzungen des Art. 100 GG vorliegen, hat das deutsche Gericht das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Denn durch dessen Entscheidung kann Vorlage an den EuGH entbehrlich werden.575 In summarischen Verfahren (Arrest und einstweiliges Verfügungsverfahren) ist das nationale Gericht zur Vorlage nach Art. 267 III AEUV/Art. 234 III EGV nicht verpflichtet.576 Die Vorlagepflicht entfällt auch, wenn der EuGH die entscheidungserhebliche Frage bei Auslegung einer anderen Vorschrift bereits beantwortet hat.577 Die Auslegungszuständigkeit erstreckt sich auch auf „gemischte“ Assoziierungsabkommen mit Drittstaaten.578
246m Vorlageberechtigung: Private Schiedsgerichte sind nicht vorlageberechtigt, Rz. 3868.579 Verfahrensgegenstand: Es ist ausschließlich Sache der mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichte, welche die Verantwortung für die abschließende 571 In Kraft seit 1.7.2004. Hierzu Kohler in Jayme, Ein internationales Zivilverfahrensrecht für Gesamteuropa, 1992, 11; Jayme/Kohler IPRax 1992, 355. 572 Kohler IPRax 1991, 302 sub 8. 573 Meier EuZW 1991, 11. 574 Daher skeptisch hinsichtlich der Justiziabilität der Verletzung des Auslegungsprotokolls Kohler a.a.O. Hierzu auch Heß IPRax 1992, 360. 575 Schumann ZZP 78 (1965), 116. 576 EuGH vom 24.5.1977, Rs 107/76 – Hoffmann – La Roche/Centrafarm Slg. 1977, 957 = NJW 1977, 1585 = RIW/AWD 78, 189. 577 BGH vom 18.9.1985 NJW 1986, 659. 578 EuGH vom 30.9.1987, Rs 12/86 – Demirel/Stadt Schwäbisch Gmünd Slg. 1987, 3719 = NJW 1988, 1442. 579 EuGH vom 23.2.1982, Rs 102/81 – Nordsee/Nordstern Slg. 1982, 1095 = NJW 1982, 1207 = RIW 1982, 519 = IPRax 1983, 116 (Hepting 101); Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 1034 Rz. 38.
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Rechtsquellen richterliche Entscheidung tragen, die Notwendigkeit einer Vorlage und gegebenenfalls den Gegenstand der dem EuGH vorzulegenden Fragen festzulegen. Damit fixieren sie auch den Verfahrensgegenstand des EuGH.580 Vorlagepflicht:581 Ein Instanzgericht, dessen Entscheidungen mit Rechtsmitteln angegriffen werden können, ist zur Vorlage berechtigt, aber nicht verpflichtet, arg. Art. 267 III AEUV/Art. 234 III EGV.582 Aussetzung und Vorlagebeschluss: Das deutsche Gericht hat das Verfahren von 246n Amts wegen auszusetzen und den Europäischen Gerichtshof um Vorabentscheidung zu ersuchen. Der Vorlagebeschluss kann von den Parteien des Ausgangsrechtsstreits mit der Beschwerde nicht (selbständig) angefochten werden. Das vorlegende Gericht kann seinen Vorlagebeschluss von sich aus aber aufheben oder ändern. Auch die Ablehnung ihres Vorlageantrags kann die Partei nicht mit einem selbständigen Rechtsmittel anfechten. Sie kann allerdings mit dem gegen die Endentscheidung statthaften Rechtsmittel die Verletzung des Art. 267 AEUV/Art. 234 EGV bzw. der einschlägigen Parallelnorm rügen. Aussetzungspflicht des nationalen Gerichts bis zur EuGH-Vorabentscheidung: Das vorlegende Gericht muss die Entscheidung des EuGH abwarten und so lange sein Verfahren in der Hauptsache aussetzen. Gleichwohl darf es Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes erlassen.583 Prüfungsbefugnis des Europäischen Gerichtshofs: Der EuGH darf die Gültigkeit 246o des EUV sowie des AEUV/EGV und der sonstigen Verträge selbst nicht prüfen. Er befindet nur über den Inhalt einer Norm des Gemeinschafts- bzw. künftig des Unionsrechts (auch über ungeschriebene Regeln) oder einer Handlung der Organe der Gemeinschaften/Europäischen Union, nicht jedoch über die Anwendung des Gemeinschaftsrechts/Unionsrechts auf den konkreten Fall. Erst recht ist er nicht zur Auslegung oder Anwendung nationalen Rechts befugt.584 Verfahrensmissbrauch: Wird dem Europäischen Gerichtshof missbräuchlich eine Auslegungsfrage vorgelegt, so ist die Vorlage unzulässig.585
580 EuGH vom 16.3.1999, Rs C-159/97 Trasporti Castelletti Spedizioni Internationali SpA/ Hugo Trumpy SpA, Slg. 1999 I 1597 = EuZW 1999, 441. 581 EuGH vom 6.10.1982, Rs 283/81 – C.I.L.F.I.T. u.a./Ministero della sanità Slg. 1982, 3415 = NJW 1983, 1257 = RIW 1983, 281; EuGH vom 6.10.1981, Rs 246/80 – Broekmeulen/Huisarts Slg. 1981, 2311 = NJW 1982, 502; EuGH vom 23.2.1982, Rs 102/81 – Nordsee/Nordstern Slg. 1982, 1095 = NJW 1982, 1207; BFH RIW 1986, 311. 582 BVerwG RIW 1986, 310 = NJW 1986, 1448. Hierzu Schiller RIW 1986, 915. 583 Kühn, Grundzüge des neuen Eilverfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Rahmen von Vorabentscheidungsersuchen, EuZW 2008, 263, 264. 584 Geiger, EUV/EGV3, 2000, Art. 234 Rz. 5. 585 EuGH vom 11.3.1980, Rs 104/79 – Foglia/Novello Slg. 1980, 745 = NJW 1980, 2640 (Nr. 10). Die Parteien hatten das Ausgangsverfahren einverständlich nur zu dem Zweck in Gang gesetzt, um eine Vorlage an den EuGH zu provozieren. Siehe auch EuGH vom 16.7.1992, Rs C-83/91 – Meilicke/ORGA Slg. 1992 I 4919 = EWiR 1992, 991 (Schroeder) = ZIP 1992, 1076 (Frey). Ausführliche Nachweise bei Malferrari, Zurückweisung von Vorabentscheidungsersuchen durch den EuGH – Systematisierung der Zulässigkeitsvoraussetzungen und Reformvorschläge zu Art. 234 EG-Vertrag, 2003.
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246p
Erster Teil: Grundlegung Eilverfahren: Neben dem so genannten beschleunigten Verfahren nach Art. 104a VerfO-EuGH gibt es seit 1.3.2008 ein besonderes Eilverfahren nach Art. 104b VerfO-EuGH, um die für den Individualrechtsschutz als zu lang empfundene Verfahrensdauer (durchschnittlich eineinhalb bis zwei Jahre) abzukürzen.586 Ob dies gelingen wird, ist derzeit noch völlig offen. 246q Tragweite der Auslegungsurteile des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften bzw. künftig der Europäische Union: Die nationalen Gerichte müssen die Auslegung des EuGH ihren Entscheidungen auch dann zugrunde legen, wenn ein Rechtsverhältnis zu beurteilen ist, das vor Erlass des EuGH-Auslegungsurteils entstanden ist.587 Hat der Europäische Gerichtshof nach Art. 267 AEUV/Art. 234 EGV die Ungültigkeit der Handlung eines Organs, insbesondere einer Verordnung des Rates oder der Kommission, festgestellt, so ist dies für jedes andere Gericht ein ausreichender Grund dafür, diese Handlung bei den von ihm zu erlassenden Entscheidungen als ungültig anzusehen. Der EuGH hält sich für befugt, die Wirkungen der Ungültigkeitserklärung einer Verordnung im Rahmen des Verfahrens gemäß Art. 267 AEUV/Art. 234 I (b) EGV zeitlich zu begrenzen.588 246r
Die nationalen Gerichte sind nicht befugt, selbst die Unwirksamkeit von Handlungen der Gemeinschafts- bzw. Unionsorgane festzustellen.589
246s
Verletzung der Vorlagepflicht: lässt das letztinstanzliche Gericht seine Verpflichtung zur Vorlage willkürlich außer Acht, ist die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht wegen Verstoßes gegen Art. 101 I 2 GG begründet,590 Rz. 281. Aber auch das Bundesverfassungsgericht ist zur Vorlage verpflichtet. Allerdings hat dieses bisher in keinem Fall sich zu einer Vorlage veranlasst gesehen.591
586 Hierzu Kühn, Grundzüge des neuen Eilverfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im Rahmen von Vorabentscheidungsersuchen, EuZW 2008, 263. 587 EuGH vom 27.3.1980, Rs 66/79 – Amministrazione delle Finanze dello Stato/Meridionale Industria Salumni Slg. 1980, 1237 = RIW 1980, 644; EuGH 14.12.1982 Rs 314–316/81 und 83/82 – Procureur de la République u.a./Waterkeyn, Cayard, Joël u.a. Slg. 1982, 4337 = RIW 1983, 788. 588 EuGH vom 30.6.1983, Rs 122/83 – de Compte/Europ. Parlament Slg. 1983, 2151, hierzu Sedemund NJW 1986, 633. Vgl. auch BGH NJW 1986, 659. 589 Ausnahme: Einstweiliger Rechtsschutz, EuGH vom 22.10.1987, Rs 314/85 – FotoFrost/Hauptzollamt Lübeck-Ost Slg. 1987, 4199 = NJW 1988, 1451 = RIW 1988, 144. 590 BVerfG vom 9.11.1987, NJW 1988, 1456; BVerfG vom 13.6.1997, ZIP 1997, 1801; BVerfG vom 9.1.2001, ZIP 2001, 350; R. Geimer ZfRV 1992, 328. Siehe auch Rz. 281a. 591 Diese auffällige (spätestens seit dem Urt. vom 30.6.2009 zum Vertrag von Lissabon) Zurückhaltung untersuchen kritisch Warnke, Die Vorlagepflicht nach Art. 234 Abs. 3 EGV in der Rechtsprechungspraxis des BVerfG im Vergleich zu den Verfassungsgerichtsbarkeiten der EG-Mitgliedstaaten, 2004, sowie Fastenrath, BVerfG verweigert willkürlich die Kooperation mit dem EuGH, NJW 2009, 272.
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Rechtsquellen 6. Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV/Art. 12 EGV und Garantie des gleichen Zugangs zu allen öffentlichen Dienstleistungen (Art. 56 AEUV/ Art. 49 EGV) im internationalen Zivilverfahrensrecht In seinen Auswirkungen auch auf das internationale Zivilverfahrensrecht sehr bedeutsam sind das Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV/Art. 12 EGV592 und das Recht auf gleichen Zugang zu allen öffentlichen Dienstleistungen (Art. 56 AEUV/Art. 49 EGV).593 § 688 III ZPO a.F. (der die Geltendmachung von Fremdwährungsforderungen einschränkte) wurde im Ergebnis nicht beanstandet, aber nur, weil ein normales Klageverfahren zumutbar sei.594
246t
Eine nach der Staatsangehörigkeit des Klägers differenzierende, mithin nur für 246u Ausländer und Staatenlose ohne gewöhnlichen Aufenthalt im Gerichtsstaat obligatorische aktorische Kaution595 darf Angehörigen von EU-Staaten im Hinblick auf Art. 18 AEUV/Art. 12 EGV nicht auferlegt werden,596 auch wenn sie zusätzlich noch Angehörige eines Nicht EU-Staates sind und außerhalb der EU ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt haben.597 Das Gleiche gilt für Gesellschaften und juristische Personen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der EU bzw. des EWR. Art. 18 AEUV/Art. 12 EGV verbietet es, einem Mitgliedstaat oder einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft oder juristischen Person, die bei einem seiner Gerichte eine Klage gegen einen seiner Staatsangehörigen oder eine dort ansässige Gesellschaft oder juristische Person erhoben hat, die Leistung einer Sicherheit wegen der Prozesskosten zu verlangen, wenn eine derartige Forderung an Angehörige bzw. Gesellschaften bzw. juristische Personen dieses Staates nicht gestellt werden kann und
592 Nachweise bei Heinze EuR 2008, 654, 683; Zimmermann RIW 1992, 711; Jayme/Kohler IPRax 1992, 349; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 680; Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 – Vergemeinschaftung, Anwendungsbereich und insbesondere die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, 2004, Rz. 410 ff. 593 Nach früherer Nummerierung Art. 59 EGV. 594 EuGH vom 29.10.1980, Rs 22/80 – Boussac Saint-Frères/Gerstenmeier Slg. 1980, 3427 = RIW 1981, 486. 595 So §§ 110 ff. ZPO a.F., hierzu Rz. 2003 ff. 596 EuGH vom 1.7.1993, Rs C 20/92 – Hubbard/Hamburger Slg. 1993, 3777 = NJW 1993, 2431 = EuZW 1993, 514 (Schlosser 659) = RIW 1993, 855 (Wolf 797) = IPRax 1994, 203 (Kaum 180); EuGH vom 20.3.1997, Rs C-323/95 – Hayes/Kronenberger GmbH i.L. NJW 1998, 2127; EuGH vom 2.10.1997, Rs C-122/96 – Saldanha u.a./Hiross Holding AG Slg. 1997 I 5325 Rz. 15 ff. Hierzu Bork/Schmidt-Parzefall JZ 1994, 18; Brenn, Europäischer Zivilprozess – Leitfaden für das grenzüberschreitende Verfahren in Österreich, 2005, Rz. 207 ff.; Brödermann MDR 1992, 95; Bungert IStR 1993, 481; Kampf NJW 1990, 3054; Kaum IPRax 1992, 18; Rohlfs NJW 1995, 2211; Schack ZZP 107 (1994), 279, 287; Schlosser EuZW 1993, 659; Zimmermann RIW 1992, 707; LG Münster vom 2.2.1995, NJW 1995, 2860 = RIW 1996, 965 = IPRspr. 1995 Nr. 130. Ausführlich Bajons, Aktorische Kaution und gemeinschaftsrechtliches Diskriminierungsverbot, österr. JZ 2002, 581. 597 EuGH vom 2.10.1997, Rs C-122/96 – Stephen Austin Saldanha und MTS Securities Corporation/Hiross Holding AG NJW 1997, 3299 = ZIP 1997, 2056 = EWiR 1997, 1081 (Walker) = IPRax 1999, 358 (Ehricke 311).
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Erster Teil: Grundlegung es sich um eine Klage handelt, die mit der Ausübung der vom Gemeinschaftsbzw. künftig Unionsrecht gewährleisteten Grundfreiheiten zusammenhängt. Nicht erforderlich ist ein Zusammenhang mit den besonderen Vorschriften der Art. 24, 36, 56, 62 AEUV/Art. 28, 30, 49 und 55 EGV. Art. 18 AEUV/Art. 12 EGV verdrängt die auf die Staatsangehörigkeit des Klägers abstellenden nationalen zivilprozessualen Vorschriften, soweit sie eine – wenn auch nur mittelbare – Auswirkung auf den innergemeinschaftlichen Austausch von Gütern und Dienstleistungen haben.598 Diese EuGH-Rechtsprechung führte zur Neufassung des § 110 ZPO.599 Im Hinblick auf die Parallelnorm des Art. 4 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum wurde die Befreiung von der aktorischen Kaution auch auf alle in den EFTA-Staaten ansässigen Kläger ausgedehnt.600 Vorstehendes gilt entsprechend für eine Prozesskostenhilfe, Rz. 2009. 246v Soweit das deutsche Kompetenzrecht – ausnahmsweise (Rz. 1323, 1947) – auf die deutsche Staatsangehörigkeit abstellt, erhebt sich die Frage, ob der AEUV/ EGV eine Öffnung des Zugangs zu den deutschen Gerichten für alle Marktbürger erzwingt.601 Jedenfalls dürfte die Gleichlauftheorie (Rz. 1065) mit Art. 18 AEUV/Art. 12 EGV und Art. 4 EWR-Abkommen nicht zu vereinbaren sein.602 Sie wurde in Deutschland spätestens mit Inkrafttreten des FamFG603 am 1.9.2009 zu Grabe getragen, Rz. 1044, 1065. 246w
Die Notwendigkeit der Vollstreckung in einem anderen EuGVVO-Mitgliedstaat bzw. EuGVÜ/LugÜ-Vertragsstaat ist für sich allein kein Arrestgrund; § 917 II ZPO a.F. war daher nicht mehr anzuwenden, Rz. 1214. Der EuGH bejahte sogar einen Verstoß gegen Art. 18 AEUV/Art. 12 EGV.604 Dies veranlasste den deut598 EuGH vom 26.9.1996, Rs C 43/95 – Data Delecta Aktiebolag & Ronny Forsberg/MSL Dynamics Ltd. NJW 1996, 3407 = EuZW 1996, 698 = EWS 1996, 399 = EWiR 1996, 1151 (Mankowski). Hierzu Jäger NJW 1997, 1220; H. Roth in Müller-Graff/H. Roth, Recht und Rechtwissenschaft – Signaturen und Herausforderungen zum Jahrtausendbeginn, 2000, 351, 353. 599 Art. 2c Nr. 1 des Gesetzes vom 6.8.1998, BGBl. I 2030, 2033. 600 Bundestagsdrucksache 13/10871 S. 16 spricht ungenau von den „Staatsangehörigen anderer EWR-Staaten“. 601 von Wilmosky ZaöRV 50 (1990), 276; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, Anh. I Art. 4 EuGVVO Rz. 4. 602 Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 683; Ultsch MittBayNot 1995, 6. 603 Siehe hierzu die amtliche Begründung zu § 105 FamFG. 604 EuGH vom 10.2.1994, Rs C 398 – Mund & Fester/Hatrex Slg. 1994 I 467 = NJW 1994, 1271 (Mankowski 1995, 306) = WM 1994, 956 = JZ 1994, 1165 (Chr. Wolf 1151) = IPRax 1994, 439 (Geiger 415) = EuZW 1994, 216 (Thümmel 242) = EWS 1994, 95 (Gieseke 149) = RIW 1994, 329 = MDR 1994, 300 = ZZP 108 (1995), 109 (sehr kritisch Schack 47) = Rev. crit. 1994, 388 (Gaudemet-Tallon); Vorlage: OLG Hamburg vom 16.11.1992, IPRax 1993, 398 (Ehricke 380) = TranspR 1993, 136 (Mankowski 182) = EuZW 1993, 264 = IPRspr. 1992 Nr. 241. Siehe auch Thümmel NJW 1996, 1930; Kropholler/Hartmann in Festschrift Drobnig, 1998, 337; H. Roth in Müller-Graff/H. Roth, Recht und Rechtswissenschaft – Signaturen und Herausforderungen zum Jahrtausendbeginn, 2000, 351, 357 sowie OLG Frankfurt RIW 1996, 965 = IPRspr. 1995 Nr. 179.
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Rechtsquellen schen Gesetzgeber, § 917 II ZPO entsprechend neu zu fassen.605 Ein gleichwohl erlassener Arrest ist nicht nichtig, sondern nur anfechtbar.606 Auch im Zustellungsrecht kann Art. 18 AEUV/Art. 12 EGV unter Umständen relevant werden. Zu weit geht aber das OLG Karlsruhe,607 das in der remise au parquet (Rz. 2093) eine Diskriminierung sieht, da typischerweise Ausländer betroffen seien.608 – Vgl. auch Rz. 3779. Weiter sollen die Irrevisibilität ausländischen Rechts (Rz. 2601) im Europäischen Binnenmarkt und die durch § 293 ZPO aufgerichteten Hürden für die Anwendung des Rechts der europäischen Mitgliedstaaten im Zivilprozess gegen Art. 12 EGV verstoßen.609 Auch sekundäres Gemeinschafts- bzw. künftig Unionsrecht muss auf den Prüf- 246x stand des Art. 18 AEUV/Art. 12 EGV. So verstoßen Art. 65 EuGVVO (Nichtanwendung von Art. 6 Nr. 2 EuGVVO in Deutschland, Österreich und Ungarn) sowie die auf die Staatsangehörigkeit beider Ehegatten gestützte bzw. durch die Staatsangehörigkeit eines Ehegatten privilegierte internationale Zuständigkeit nach Art. 3 I (b) bzw. (a) Spiegelstrich 6 EuEheVO gegen das Diskriminierungsverbot.610 605 Art. 2c Nr. 2 des Gesetzes vom 6.8.1998, BGBl. I, 2030, 2033, wieder geändert durch Gesetz vom 4.11.2003, BGBl. I 2166. Hierzu zu Recht kritisch Mankowski RIW 2004, 587, 590. 606 OLG München vom 17.3.1995, IPRax 1996, 339 (Herbert Roth 324) = IPRspr. 1995 Nr. 177. 607 OLG Karlsruhe vom 12.3.1999, RIW 1999, 538 = IPRspr. 1999 Nr. 157. Zustimmend Bajons in Festschrift Schütze, 1999, 60; Roth IPRax 2000, 497; Schack in Festschrift Geimer, 2002, 932. Ablehnend wie hier Schlosser, EU-Zivilprozessrecht2, 2003, Art. 15 HZÜ Rz. 1. 608 Im Anwendungsbereich des Art. IV des EuGVÜ-Protokolls und der EuZustellungsVO ist die remise au parquet nicht mehr zulässig, EuGH vom 13.10.2005, Rs C-522/03 – Scania NJW 2005, 3627 = RIW 2005, 940 = IPRax 2006, 157 (Stadler 116). Unter Hinweis auf dieses Urteil wird nunmehr auch die weitere Anwendbarkeit von § 184 ZPO im Anwendungsbereich des europäischen Gemeinschaftsrechts verneint, Heiderhoff EuZW 2006, 235, 237; Sharma, Zustellungen im Europäischen Binnenmarkt, 2003, 73. Siehe auch Heckel, Die fiktive Inlandszustellung auf dem Rückzug – Rückwirkungen des europäischen Zustellungsrechts auf das nationale Recht, IPRax 2008, 218. 609 Das Unions- und das Gemeinschaftsrecht verbiete, „dass Rechtsverhältnisse gerade dann mit Sonderrecht belegt werden, wenn sie, den Binnenmarkt verwirklichend, die Binnengrenzen übergreifen“; „Rechtliche Nachteile, die wegen der Überschreitung der Binnengrenzen auferlegt werden, sind per se verboten“, Flessner ZEuP 2006, 737, 740. Siehe auch Remien, Aufbruch nach Europa – 75 Jahre Max-Planck-Institut, 2001, 617. 610 R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 6 EuGVVO Rz. 39 sowie A 2 – Art. 2 EuEheVO Rz. 14; Hau FamRZ 2000, 1333, 1336. Anderer Auffassung für Art. 3 I (b) EuEheVO Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 – Vergemeinschaftung, Anwendungsbereich und insbesondere die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, 2004, Rz. 458, 464; Spellenberg in Festschrift Geimer, 2002, 1257, 1271; Spellenberg in Festschrift Sonnenberger, 2004, 677, 681; Schack RabelsZ 65 (2001), 615, 623; Simotta in Festschrift Geimer, 2002, 1115, 1154; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 3 EuEheVO
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Erster Teil: Grundlegung Dagegen verteidigt Schlosser611 die lex lata: Da es noch keine europäische Staatsbürgerschaft gebe, könne die Zuständigkeit der EU für die justizielle Zusammenarbeit nicht dazu führen, „dass mit der Staatsangehörigkeit einer Person keinerlei Sonderstellung mehr verbunden sein dürfte. Im höchstpersönlichen Bereich wie der Ehe ist eine Unterscheidung nach Staatsangehörigkeit nach wie vor zulässig.“612 7. Nichtanwendbarkeit nationaler Präklusionsvorschriften 246y Nationale Präklusionsvorschriften, die im Ergebnis dazu führen, dass das nationale Gericht Unionsrecht nicht mehr von Amts wegen anwenden kann, sind mit dem Gemeinschafts- bzw. künftig Unionsrecht nicht vereinbar.613 8. Zurückdrängung des lex fori-Prinzips im Interesse der Gewährleistung der Marktgrundfreiheiten 246z Die Anwendung des eigenen Rechts auf der Basis des lex fori-Prinzips (Rz. 319 ff.) darf nicht dazu führen, dass die Durchsetzung in einem anderen EUStaat erworbener materieller Rechte in einem Maß erschwert wird, das mit den Grundfreiheiten des freien Personen-, Waren-, Kapital- und Dienstleistungsverkehrs nicht mehr vereinbar ist. Außerhalb des Anwendungsbereiches des Art. 34 AEUV/Art. 28 EGV kann daher theoretisch sogar die Anwendung ausländischen Prozessrechts gemeinschafts – bzw. künftig unionsrechtlich geboten sein.614 Solche Konstellationen sind aber extreme Ausnahmefälle, die bisher in der Praxis nicht aufgetaucht sind.615 Auch das Subsidiaritätsprinzip (Art. 2 EUV, vormals Art. 3 lit. b EGV) darf nicht außer Betracht gelassen werden.616
IV. Europäischer Wirtschaftsraum 247 Das Näherrücken der EG- und der EFTA-Staaten im „Europäischen Wirtschaftsraum“617 machte auf dem Sektor des internationalen Zivilverfahrensrechts die Ausweitung der Regeln des GVÜ auf die EFTA-Staaten erforderlich. Am
611 612 613 614
615 616 617
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Rz. 29. A.A. Mankowski in Rengeling/Middeke/Gellermann, Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union2, 2003, § 37 Rz. 39. Schlosser Art. 2 Rz. 4. Im Ergebnis übereinstimmend Dilger, Stille Wasser gründen tief – die Cour de cassation zur EheGVO a.F., IPRax 2006, 617, 619. EuGH vom 14.12.1995, Rs C 312/93 – Peterbroeck, van Campenhout & Cie. SCS/Belgien Slg. 1995 I 4599 = EuZW 1996, 636. Manfred Wolf, Abbau prozessualer Schranken im europäischen Binnenmarkt in Grunsky/Stürner/Walter/Wolf, Wege zu einem europäischen Zivilprozessrecht, 1992, 42 ff.; Furtak, Die Parteifähigkeit in Zivilverfahren mit Auslandsberührung, 1995, 71, 111 ff. Herbert Roth in Festschrift Stree & Wessels, 1993, 1050; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, IZPR Rz. 3a. Herbert Roth ZZP 109 (1996), 277. BGBl. 1993 II 266.
Rechtsquellen 16.9.1988 wurde in Lugano das sog. „Parallelübereinkommen“ zwischen den EG- und EFTA-Staaten unterzeichnet. Es ist für Deutschland am 1.3.1995 in Kraft getreten und gilt mittlerweile im 247a Verhältnis zu Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Italien, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, Schweiz, Spanien und dem Vereinigten Königreich.618 Auch NichtEWR-Staaten können zum Beitritt nach Maßgabe von Art. 62 I (b) eingeladen werden. So konnte Polen mit Wirkung vom 1.2.2000 beitreten.619 Das Lugano-Übereinkommen weicht in einigen Punkten von dem Text der Brüs- 247b seler Konvention ab. Das Brüsseler Übereinkommen gilt im Verhältnis der EGStaaten untereinander, das Luganer Übereinkommen im Verhältnis der EFTAStaaten untereinander und im Verhältnis zwischen den EG- und den EFTA-Staaten, Art. 54b I und II LugÜ. Die Konkordanz in der Artikelfolge war durch die EuGVVO beseitigt.620 Um wieder einen Parallellauf mit der EuGVVO zu erreichen,621 wurde das neue (revidierte) Lugano-Übereinkommen vom 30.10.2007 (LugÜ II) geschlossen.622 Das Verhältnis zur EuGVVO regelt Art. 64 LugÜ II. Eine Gerichtsinstanz zur einheitlichen Auslegung der textgleichen Passagen 247c des LugÜ und des EuGVÜ bzw. der EuGVVO existiert nicht. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (künftig der Europäischen Union) ist nur für die Auslegung des EuGVÜ und der EuGVVO zuständig; auch gibt es kein internationales Gericht zur Auslegung des LugÜ, was im Ergebnis dazu führt, dass der Rechtsprechung des EuGH zum EuGVÜ auch für das LugÜ „Modellcharakter“ zukommt.623 Protokoll Nr. 2 über die einheitliche Auslegung des Übereinkommens vom 247d 16.9.1988 bzw. vom 30.10.2007: Den Verhandlungen, die zum Abschluss des Luganer Übereinkommens geführt haben, wurde das Brüsseler Übereinkommen in der Interpretation der bis dahin erlassenen Entscheidungen des EuGH zugrunde gelegt. Die Vertragsstaaten waren bestrebt, bei voller Wahrung der Unabhängigkeit der Gerichte voneinander abweichende Auslegungen zu vermeiden und zu
618 Ausführliche Darstellung bei R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A1 – EuGVVO Einl.Rz. 37; Trunk, Die Erweiterung des EuGVÜ-Systems am Vorabend des Europäischen Binnenmarktes, 1991; Jayme, Ein internationales Zivilverfahrensrecht für Gesamteuropa, 1992. – Siehe auch den Bericht von Jenard/ Möller, ABl. EG Nr. C 189 vom 28.7.1990, 57122 sowie die Botschaft des Schweizerischen Bundesrates vom 21.2.1990, schweizerisches BBl. 1990 II 335; Jayme/Kohler IPRax 1996, 386. 619 BGBl. 2000 II 1246. Hierzu Sawczuk in Festschrift Schütze, 1999, 733; Wagner WiRO 2000, 47; Martiny/Ernst IPRax 2001, 29. 620 Zu den Vorschlägen zur Revision des EuGVÜ und LugÜ Jayme/Kohler IPRax 2000, 454, 458. Siehe auch Gottwald, Revision des EuGVÜ – Neues Schiedsverfahrensrecht, 2000; dort Beiträge von Kohler (1 ff.), Stadler (37 ff.) und Kerameus (75 ff.). 621 Nachweise bei Wagner NJW 2003, 2344 sowie NJW 2004, 1835. 622 ABl. EU Nr. L 339 vom 21.12.2007, S. 1. 623 Jayme/Kohler IPRax 1992, 356. Ausführlich Schmidt-Parzefall, Die Auslegung des Parallelübereinkommens von Lugano, 1995.
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Erster Teil: Grundlegung einer möglichst einheitlichen Auslegung der Bestimmungen des Luganer Übereinkommens einerseits und der Parallelbestimmungen des Brüsseler Übereinkommens andererseits zu gelangen. Als Kompromisslösung wurde vereinbart: Die Gerichte jedes Vertragsstaats tragen bei der Anwendung und Auslegung der Bestimmungen des Luganer Übereinkommens den Grundsätzen gebührend Rechnung, die in maßgeblichen Entscheidungen von Gerichten der anderen Vertragsstaaten entwickelt worden sind (Art. 1). 247e Auch wird ein System für den Austausch von Informationen über die in Anwendung des Luganer Übereinkommens ergangenen Entscheidungen sowie über die in Anwendung des Brüsseler Übereinkommens ergangenen maßgeblichen Entscheidungen eingerichtet (Art. 2). Dieses umfasst – die von den zuständigen Behörden vorzunehmende Übermittlung der Entscheidungen letztinstanzlicher Gerichte und des EuGH sowie anderer besonders wichtiger, rechtskräftig gewordener Entscheidungen, die in Anwendung des Luganer oder des Brüsseler Übereinkommens ergangen sind, an den Kanzler des EuGH als Zentralstelle; – die Klassifizierung dieser Entscheidungen durch die Zentralstelle, erforderlichenfalls einschließlich der Erstellung und Veröffentlichung von Übersetzungen und Zusammenfassungen; – die von der Zentralstelle vorzunehmende Übermittlung der einschlägigen Dokumente an die zuständigen nationalen Behörden aller Vertragsstaaten sowie an die EG-Kommission. 247f
Indirekt hat jedoch die Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung des EuGVÜ großen Einfluss auf die Auslegung des LugÜ.624 Auch können die Gerichte der EG-Staaten den EuGH nach dem Auslegungsprotokoll zum EuGVÜ vom 3.6.1971 (Rz. 246j) bzw. nach Art. 68 EGV in einem Lugano-Fall anrufen, wenn sie darlegen, sie wollten eine Bestimmung des Luganer Übereinkommens genauso auslegen wie die Parallelbestimmung im EuGVÜ bzw. in der EuGVVO. Deshalb sei die Auslegung des EuGVÜ bzw. der Verordnung entscheidungserheblich.625 Es wäre sinnvoll, wenn das nationale Gericht die Rechtsansicht des EuGH erfragen könnte, auch wenn die Entscheidung des EuGH in concreto nicht bindend ist. Denn das vorlegende Gericht bringt zum Ausdruck, dass es in dem Sinne des EuGH entscheiden möchte. Zudem wäre die Entscheidung des EuGH für alle Ge-
624 Kohler in Jayme, Ein internationales Zivilverfahrensrecht für Gesamteuropa, 1992, 17. 625 Kohler a.a.O. 24; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, Anh. I Art. 1 EuGVVO, Rz. 2. Anders wohl EuGH vom 28.3.1995, Rs C-346/93 – Kleinwort Benson Ltd/City of Glasgow District Council Slg. 1995 I 615 = EWS 1995, 197 = IPRax 1996, 190 (Holl 178). Hierzu Dietze/Schnichels EuZW 1996, 455. Der EuGH hält sich für unzuständig, wenn das vorlegende Gericht die erbetene Antwort zur Auslegung des EuGVÜ bzw. der EuGVVO nicht für die Anwendung des EuGVÜ bzw. der EuGVVO benötigt, sondern für eine dem EuGVÜ bzw. der EuGVVO nachempfundene Vorschrift des nationalen Rechts. Die Entscheidung erging zum Civil Jurisdiction and Judgments Act 1982, das in Schedule 4 das EuGVÜ „as modified for allocation of Jurisdiction within the U.K.“ für anwendbar erklärt, Text z.B. auch bei Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 1322.
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Rechtsquellen richte in den Vertragsstaaten verbindlich, sofern sich diesen die entschiedene Auslegungsfrage bei der Anwendung des EuGVÜ bzw. der EuGVVO stellt.626 Leider verhielt sich der EuGH bisher ablehnend.627 Er wird wohl auch in Zukunft keine Auslegungsfragen zum Lugano-Übereinkommen annehmen. Dies wäre aber durchaus sinnvoll, um ein Auseinanderdriften der Auslegung der textgleichen Vorschriften beider Übereinkommen zu verhindern.628 Anders ist die Rechtslage, was die Auslegung des Lugano-Übereinkommens 247g vom 30.10.2007 (LugÜ II) anbelangt. Dieses ist bzw. wird aus der Sicht der Europäischen Gemeinschaft Bestandteil des Gemeinschaftsrechts. Daher müssen die Gerichte in den EG-Mitgliedstaaten nach Art. 234 EGV (Art. 68 EGV kommt nicht zur Anwendung) bzw. künftig Art. 267 AEUV Fragen zur Auslegung des LugÜ II dem EuGH vorlegen.629
V. Kommission für ein europäisches Zivilprozessrecht Die Kommission dient nur der wissenschaftlichen Vorbereitung einer Vereinheitlichung oder Harmonisierung des europäischen Zivilprozessrechts eines fernen Tages. Sie hat keinen offiziellen Auftrag; sie wird lediglich von der EG-Kommission unterstützt. Sie hat einen viel diskutierten Entwurf für eine Richtlinie erarbeitet.630 Umstritten ist, ob Art. 34 AEUV/Art. 28 EGV (Freiheit des Warenverkehrs) eine ausreichende Grundlage für eine solche Richtlinie wäre.
248
VI. Unidroit-Entwurf Unidroit hat einen detaillierten Entwurf ausgearbeitet. Die Principles of Transnational Civil Procedure werden die Bemühungen um Rechtsvereinheitlichung nachhaltig fördern, zumal diese in Zusammenarbeit mit dem American Law Institut entstanden sind.631
248a
VII. Autonomes Recht Soweit kein Völkergewohnheitsrecht und auch kein Völkervertragsrecht eingreift, gilt ausschließlich das autonome Recht des Forumstaates. 626 Kohler in Jayme, Ein internationales Verfahrensrecht für Gesamteuropa, 1992, 11, 24; Jayme/Kohler IPRax 1995, 347; Mansel JZ 1991, 529, 532. 627 EuGH vom 28.3.1995, Fußn. 625. 628 Anderer Auffassung Schmidt-Parzefall, Die Auslegung des Parallelübereinkommens von Lugano, 1995, 92. 629 Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, A1 – EuGVVO Einl. Rz. 195. 630 Storme (ed.), Rapprochement du Droit Judiciaire de l’Union européenne, 1994. Hierzu H. Roth und Schilken ZZP 109 (1996), 271, 315. Zur Arbeitsweise Storme RabelsZ 56 (1992), 298. Siehe auch Stadler, Vielfalt der Gerichte – Einheit des Prozessrechts?, BerDGVR 42 (2007), 177, 179. 631 Materialien (auch abrufbar im Internet auf der Unidroit-Website) in RabelsZ 69 (2005), 341; hierzu umfassend Stürner RabelsZ 69 (2005), 201; Stadler in Festschrift Kerameus, 2009, 1355.
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248b
Erster Teil: Grundlegung
6. Kapitel: Internationales Zivilprozessrecht und Grundgesetz 249 Die Ausstrahlungen der Verfassung auf das internationale Zivilverfahrensrecht sind noch nicht ausreichend untersucht.632 Insbesondere geht es – abgesehen von dem Prinzip der Gleichbehandlung von Mann und Frau633 – um folgende Themen:634
I. Prinzip der offenen Staatlichkeit 249a Die Grundhaltung des Grundgesetzes ist völkerrechtsfreundlich. Dieses hat sich für eine internationale Zusammenarbeit entschieden (Präambel, Art. 9 II, Art. 23–26 GG).635
II. Eröffnung internationaler Zuständigkeit 1. Justizgewährungsanspruch des Klägers 250 In allen Fällen, in denen ein ausreichender Inlandsbezug besteht und daher ein Rechtspflegebedürfnis zu bejahen ist, muss eine internationale Zuständigkeit eröffnet werden. Dies folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip.636 Es bedarf nicht der Anknüpfung an ein konkretes Grundrecht. Der verfassungsrechtlich garantierte Justizgewährungsanspruch (Rz. 1923) besteht – unter den vorgenannten Voraussetzungen – allgemein für alle Rechtsstreitigkeiten, also nicht nur zur Durchsetzung der Grundrechte.637 632 Zum bisherigen Stand R. Geimer ZfRV 1992, 321; R. Geimer in Festschrift Matscher, 1993, 147 und in Festschrift Schwind, 1993, 17; Schlosser in Festschrift Matscher 1993, 387; Schlosser IPRax 1992, 140; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 435; Gontinella, Drittstaatenproblematik des europäischen Zivilverfahrensrechts, 2000, Rz. 628 ff. 633 BVerfG vom 3.12.1985, BVerfGE 71, 224 = NJW 1986, 648 (Geimer) = IPRspr. 1985 Nr. 155. 634 Allgemein zum Thema „Deutsches Verfassungsrecht und internationale Sachverhalte“ Dannemann, Die ungewollte Diskriminierung in der internationalen Rechtsanwendung – Zur Anwendung, Berücksichtigung und Anpassung von Normen aus unterschiedlichen Rechtsordnungen, 2004, 353 ff. 635 Nachweise bei K. Vogel, Die Verfassungsentscheidung des Grundgesetzes für eine internationale Zusammenarbeit, 1964; Dutta, Vollstreckung in öffentlichrechtliche Forderungen ausländischer Staaten, IPRax 2007, 109, 117; Dutta Amtshaftung wegen Völkerrechtsverstößen bei bewaffneten Auslandseinsätzen deutscher Streitkräfte, AöR 133 (2008), 191, 211; Großfeld BerDGVR 18 (1978), 146; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 237; Tomuschat in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts Bd. VII, 1992, § 172 Rz. 8, 57; Röben, Außenverfassungsrecht – Eine Untersuchung zur auswärtigen Gewalt des offenen Staates, 2007. Siehe auch Rz. 271a. 636 R. Geimer NJW 1986, 658; R. Geimer in Festschrift Schwind, 1993, 31; Furtak, Die Parteifähigkeit in Zivilverfahren mit Auslandsberührung, 1995, 109. 637 BVerfG vom 13.3.1990, NJW 1991, 413; LG München I vom 29.2.2000, IPRspr. 2000 Nr. 182a sowie OLG München vom 26.10.2000, Zeitschrift für Sport und Recht 2001,
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IZPR und Grundgesetz Bei der Auslotung des verfassungsrechtlichen Spielraums des Gesetzgebers ist 250a der Justizgewährungsanspruch des Klägers abzuwägen gegen die verfassungsrechtlich geschützten Positionen des Beklagten. Dessen verfassungsmäßiges Recht auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren hat Auswirkungen auf die Ausgestaltung der Kompetenznormen durch den Gesetzgeber. Die internationale Gerichtspflichtigkeit des Beklagten ist auf zumutbare Gerichtsstände zu begrenzen, damit dieser eine reale Chance auf effektive Verteidigung hat.638 Beide verfassungsrechtlich geschützten Positionen, also die des Klägers und die 250b des Beklagten, sind gegeneinander auszutarieren.639 Dies bedeutet: – Es gibt einen Bereich, in dem – im Interesse einer effizienten Justizgewährung – der Zugang zu den inländischen Gerichten von der Verfassung erzwungen wird. Der Gesetzgeber hat hier keinen Spielraum. Umgekehrt gibt es Konstellationen, in denen weder die Partei noch der Streitgegenstand irgendeine Beziehung zum Inland haben und deshalb möglicherweise schon das Völkerrecht die Inanspruchnahme einer Jurisdiktion verbietet, Rz. 377. Dieses Verbot ist auch innerstaatlich zu beachten, weil Art. 25 GG die Einhaltung der allgemeinen Regeln des Völkerrechts verlangt. Darüber hinaus sind aber auch Konstellationen denkbar, in denen – jenseits der völkerrechtlichen Grenzen – die Verfassung die Eröffnung einer internationalen Entscheidungszuständigkeit verbietet, weil der Beklagte keinerlei Chance auf eine effiziente Verteidigung hat. Dabei spielt die Staatsangehörigkeit des Beklagten keine Rolle, weil auch Ausländer und Staatenlose Anspruch auf einen fairen Prozess haben. – Dazwischen gibt es ein weites Feld, das aus verfassungsrechtlicher Sicht gewissermaßen „Niemandsland“ ist, wo also weder der Justizgewährungsanspruch des Klägers die Eröffnung einer internationalen Entscheidungszuständigkeit im Inland erzwingt, noch der Anspruch des Beklagten auf ein faires Verfahren solches von Verfassungs wegen verbietet. Hier hat der Gesetzgeber sein ureigenstes Betätigungsfeld. Er kann nach seinem Ermessen festlegen, welche Kompetenzen er für sinnvoll und besonders geeignet hält. Beispiel: § 34 ZPO, der ein Spezialforum für Klagen der Prozess- und Zustel- 250c lungsbevollmächtigten beim Gericht des Hauptprozesses stipuliert,640 ist sicher sinnvoll. Gleichwohl ist der Gesetzgeber frei, ob er ein solches Forum auch international eröffnen will. Daher ist es verfassungsrechtlich unproblematisch, dass
64 = IPRspr. 2000 Nr. 182b; R. Geimer ZfRV 1992, 325; Nachweise bei Schwab/Gottwald in Walther J. Habscheid, Effektiver Rechtsschutz und verfassungsmäßige Ordnung, 1983, 38 Fußn. 225; v. Schönfeld NJW 1986, 2981 Fußn. 21. Wenig überzeugend die Kriterien von Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 37. 638 Schlosser Rivista di diritto internazionale 74 (1991), 13; Schlosser IPRax 1992, 140; Pfeifer LM § 23 ZPO Nr. 7 sub 2; Taupitz IPRax 1996, 143. 639 R. Geimer in Festschrift Schwind, 1993, 21; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 474. 640 Hierzu Otte, Umfassende Streitentscheidung durch Beachtung von Sachzusammenhängen – Gerechtigkeit durch Verfahrensabstimmung?, 1998, 763.
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Erster Teil: Grundlegung sowohl das Brüsseler als auch das Luganer Übereinkommen diese Kompetenzanknüpfung nicht kennen.641 Aber auch eine so weltweit verbreitete und in manch naturrechtliche Mystik gehüllte Zuständigkeitsregel wie der Satz „actor sequitur forum rei“ (Rz. 1138) ist verfassungsrechtlich nicht garantiert. Schließlich hat der Gesetzgeber von Verfassungs wegen einen weiten Spielraum, ob er Zuständigkeitsvereinbarungen pro- bzw. derogierende Kraft zuerkennen will.642 Die Einschränkung der actor sequitur forum rei-Regel durch die angeblich ausschließlichen internationalen Zuständigkeiten fremder Staaten (hierzu kritisch Rz. 878 ff.) blockiert jeden Rechtsschutz im Inland. Dies ist aus der Perspektive der verfassungsrechtlichen Garantie des Justizgewährungsanspruchs bedenklich und bedarf zumindest der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung für jeden einzelnen Typ einer ausschließlichen internationalen Zuständigkeit. Andererseits wäre eine lupenreine Allzuständigkeit des Wohnsitzstaates des Beklagten verfassungsrechtlich nicht angreifbar.643 2. Gerichtspflichtigkeit des Beklagten a) No right not to be sued abroad 250d Dem (durchschnittlichen) Beklagten wäre es am liebsten, wenn er nur innerhalb seines Wohnsitz- bzw. Sitzstaates in ein gerichtliches Verfahren verwickelt werden könnte. Ein solches right not to be sued abroad gibt es aber nicht.644 Die Verfassung garantiert ihm nicht das Privileg, nicht außerhalb seines Wohnsitzstaates verklagt zu werden, sondern verbürgt nur, dass er nicht „all over the world“ sein Recht nehmen muss, sondern bloß in solchen ausländischen Staaten, die einen (noch) sinnvollen Bezug zum Rechtsstreit haben.645 Diese These soll an einigen Beispielen illustriert werden: Es ist kompetenzrechtlich sicher sachgemäß, am Ort der gemieteten Sache dem Vermieter eine Klagemöglichkeit zu eröffnen, Rz. 1432. Problematisch ist nur die
641 Die EuGVVO hat als europäisches (sekundäres) Gemeinschaftsrecht ohnehin Vorrang vor dem nationalen Verfassungsrecht. Das BVerfG hat allerdings in seiner „SolangeRechtsprechung“ gewisse Vorbehalte aufgebaut, BVerfG vom 22.10.1986, BVerfGE 73, 339, 387 = NJW 1987, 577, 582, nunmehr verschärft durch das Urteil vom 30.6.2009 zum Vertrag von Lissabon. Diese dürften jedoch auf dem Gebiet des internationalen Zivilverfahrensrechts nicht oder allenfalls nur in extremen Ausnahmesituationen relevant werden. Ausführlich zum Verhältnis des sekundären europäischen Gemeinschaftsrechts zum deutschen Grundgesetz Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 – Vergemeinschaftung, Anwendungsbereich und insbesondere die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, Diss. Köln 2004, Rz. 385 ff. 642 R. Geimer ZfRV 1992, 330 Fußn. 85. 643 Zur Verfassungswidrigkeit des § 606a I 1 Nr. 4 ZPO bzw. nunmehr des § 98 I Nr. 4 FamFG siehe unten Rz. 1954; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 606a Rz. 53. Zustimmend Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 497. 644 Enger Schröder in Festschrift Kegel, 1987, 523 und Pfeiffer a.a.O. 592. 645 Restriktiver Pfeiffer a.a.O. 593.
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IZPR und Grundgesetz Ausschließlichkeit, die den Gang zum Wohnsitzgericht versperrt. Die rei sitaeAnknüpfung im Sinne eines fakultativen Forums ist aber geboten im Interesse des Klägers unter dem Blickwinkel des effektiven Rechtsschutzes. Allerdings kann man nicht so weit gehen, dieses Forum (für den Kläger) als verfassungsrechtlich gewährleistet anzusehen. Ein weiteres Beispiel ist der Verkehrsunfall im Ausland. Der Schädiger ist am forum delicti gerichtspflichtig, Rz. 1497. Er kann sich nicht auf den „juge naturel“ in seinem Wohnsitzstaat zurückziehen. Dies ist dem Opfer nicht zuzumuten. Hätten wir in Deutschland nicht schon seit eh und je das allgemeine forum delicti (Rz. 1497), müssten wir sogar die Frage aufwerfen, ob es die Verfassung erlaubt, das Opfer nach der actor sequitur forum rei-Regel an die Gerichte im Wohnsitzstaat des Schädigers zu verweisen. Die Liste der Beispiele dafür, dass der Beklagte sogar von Verfassungs wegen au- 250e ßerhalb seines Wohnsitzstaates gerichtspflichtig zu machen ist, lässt sich noch fortführen. Hier sei nur noch eine typische Konstellation erwähnt, nämlich doing business in Germany. Wo kämen wir hin, wenn wir den international tätigen Konzernen gestatten würden, im Inland ihre Geschäftstätigkeit zu entfalten, aber – wenn es darum geht, die Rechtmäßigkeit ihres Tuns gerichtlich zu beurteilen – die Vertragspartner der Konzerne an deren Sitz im fernen Amerika oder Japan zu verweisen? Hier haben Art. 5 Nr. 2 EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ sowie § 21 ZPO vorgesorgt: Für alle Aktivitäten vom inländischen Stützpunkt aus ist die ausländische Gesellschaft im Inland gerichtspflichtig.646 Trunk möchte generell Kläger mit geringen Forderungen kompetenzrechtlich begünstigen:647 „Steht nur ein Forum in Übersee zur Verfügung, bleibt dem Anspruchsteller bei wirtschaftlicher Betrachtung kaum etwas anderes übrig als auf die Geltendmachung zu verzichten.“ Angesichts der Möglichkeit von Teilklagen ließe sich ein solches Zuständigkeitsprivileg leicht missbrauchen. Anders das Konzept der EuGVVO bzw. des EuGVÜ/LugÜ: Die Klägergerichtsstände der Art. 8 ff. und Art. 16 I EuGVVO bzw. der Art. 7 ff. und Art. 14 I EuGVÜ/LugÜ648 knüpfen – ohne summenmäßige Begrenzung – an die Versicherungsnehmer- etc. bzw. Verbrauchereigenschaft des Klägers an. Das Gleiche gilt gemäß Art. 5 Nr. 2 EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ bzw. künftig Art. 3 (b) EuUnterhaltsVO für denjenigen, der sich eines Unterhaltsanspruchs berühmt. All diese Ausweitungen der Gerichtspflichtigkeit des Beklagten sind verfassungsrechtlich unbedenklich. Ebenso verhält es sich mit der kompetenzrechtlichen Privilegierung des Arbeitnehmers in Art. 19 Nr. 2 EuGVVO.
646 R. Geimer RIW 1988, 220. Weitergehend das US-amerikanische Recht, Nachweise bei Harald Müller, Die Gerichtspflichtigkeit wegen „doing business“, 1992 (besprochen von Hay ZZP 107 [1994], 259). Siehe auch Scoles/Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws4, 2004, § 6.7. 647 Trunk, Die Erweiterung des EuGVÜ-Systems am Vorabend des Europäischen Binnenmarktes, 1991, 140 Fußn. 6. 648 Hierzu R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 8 EuGVVO Rz. 2; Schaltinat, Internationale Verbraucherstreitigkeiten: unter besonderer Berücksichtigung des EuGVÜ, 1998.
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Erster Teil: Grundlegung b) Minimum contacts 250f
Andererseits bleibt aber zum verfassungsrechtlich gebotenen Schutz des Beklagten festzuhalten: Nur bei Vorliegen von minimum contacts des Rechtsstreits zum Inland kann in Deutschland ein Forum gegen einen sich im Ausland aufhaltenden Beklagten ohne Verletzung der „traditional notions of fairplay and substantial justice“ eröffnet werden.649 Solche sind aber nicht nur in der Sphäre des Beklagten oder des Streitgegenstandes zu suchen.650 Der verfassungsrechtliche Anspruch auf Justizgewährung in Deutschland kann sich auch aufgrund von Anknüpfungen in der Person des Klägers ergeben.651 Die Verfassung gebietet nicht, die Zuständigkeitsinteressen des Klägers und des Beklagten für jeden konkreten Einzelfall gegeneinander abzuwägen und auszutarieren. Eine forum non conveniens-Prüfung nach dem Modell des common law (Rz. 1073) schreibt sie nicht vor; ganz im Gegenteil wäre eine solche im Hinblick auf die Notwendigkeit der im Voraus bestimmten bzw. bestimmbaren gesetzlichen Richter (Rz. 1105) mit der Verfassung (Art. 101 I 2 GG)652 nicht zu vereinbaren, Rz. 1075. Fazit: Das System der generell-abstrakten Normen, mit denen nach der EuGVVO bzw. nach dem EuGVÜ/LugÜ und nach dem autonomen deutschen Kompetenzrecht die internationale Zuständigkeit Deutschlands festgelegt wird, ist verfassungskonform.653 3. Rechtliches Gehör
251 Zwar ist der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 I GG) auch international – soweit möglich – zu sichern.654 Die Verfassung schreibt vor, dass dem Beklagten Gelegenheit gegeben wird, zu der/dem gegen ihn erhobenen Klage/Antrag Stellung zu nehmen. Doch führt dies bei Schwierigkeiten tatsächlicher Art nicht zu einer Verneinung der an sich gegebenen internationalen Zuständigkeit. Ist die Zustellung durch Inanspruchnahme ausländischer Rechtshilfe (§ 185 I 2 649 International Shoe Co. v. Washington 326 US 310, 316 (1945). Zu den constitutional limitations on the exercise of . . . jurisdiction Casad/Richman, Jurisdiction in Civil Actions, Territorial Basis and Process Limitations on Jurisdiction of State and Federal Courts3, vol. 1, 1999, 61 ff., 135 ff.; Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 203; Rau RIW 2000, 761, 764; Baumgartner, The Proposed Hague Convention on Jurisdiction and Foreign Judgments: Trans-Atlantic Lawmaking for Transnational Litigation, 2003, 133 ff.; Göpfert/Berger, Jury-Ausschlussklauseln in Verträgen mit amerikanischen Unternehmen, ZIP 2005, 1540, 1542. 650 So aber aus US-amerikanischer Sicht Hay ZZP 107 (1994), 261 Fußn. 9. 651 R. Geimer in Festschrift Schwind, 1993, 30. 652 Anders der US-amerikanische Ansatz. Hierzu Scoles/Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws4, 2004, § 11.10; Hay ZZP 107 (1994), 263. Siehe auch Casad/Richman, Jurisdiction in Civil Actions, Territorial Basis and Process Limitations on Jurisdiction of State and Federal Courts3, vol. 1, 1999, 21 ff. 653 R. Geimer in Festschrift Schwind, 1993, 23. 654 Hierzu z.B. Mankowski, Crossing the Rhine – On the Enforceability of U.S. Class Action Judgments and Settlements in Germany, Contratto e impresa/Europa XII (2007), 613, 624.
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IZPR und Grundgesetz ZPO) nicht möglich, so scheitert nicht die Justizgewährung im Inland.655 Vielmehr erfolgt die (fiktive) Zustellung nach § 185 ZPO („öffentliche Zustellung“).656 Das Gleiche gilt, wenn der Beklagte unbekannten Aufenthalts ist, wobei es nicht darauf ankommt, ob er „bewusst abgetaucht“ ist, Rz. 2104. Art. 103 I GG gebietet jedoch zum Schutze des Zustellungsadressaten (Beklagten 252 bzw. Antragsgegners), es nicht bei der öffentlichen Zustellung zu belassen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör muss unter Wahrung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf effiziente Justizgewährung (Rz. 1929) – soweit irgendwie möglich – auch praktisch sichergestellt werden. Deshalb ist nach herrschender Meinung (Rz. 2087) das Gericht bei bekanntem Wohnsitz/Aufenthalt des Beklagten in einem Land, mit dem zwar kein Rechtshilfeverkehr möglich ist oder das in concreto dem Zustellungsersuchen der deutschen Behörden nicht nachkommt, mit dem aber Postverkehr besteht, verpflichtet, das Schriftstück durch Brief per Einschreiben mit Rückschein zu versenden657 oder dem Beklagten per E-Mail von der Klage Kenntnis zu geben. Dabei ist das Schreiben „in neutraler Aufmachung“ zu versenden, wenn zu befürchten ist, dass es sonst nicht weitergeleitet wird. Ist die Übersendung durch das Gericht undurchführbar, weil die ausländische Post das Schreiben nicht weiterleitet, hat die antragstellende Partei es dem Gegner durch Einschreiben mit Rückschein zu übermitteln, dem Gericht den Rückschein vorzulegen und anwaltschaftlich versichern zu lassen, dass das übersandte Schreiben die Klage/Antragsschrift nebst Ladung zum Inhalt hatte. Nur wenn auch dieser Versuch zur Realisierung des rechtlichen Gehörs scheitert, reicht die öffentliche Zustellung aus.658 Darüber hinaus fordert Art. 103 I GG die Aufstellung eines Verfahrenspflegers, wenn auch die Übersendung der 655 G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 10. 656 Grundlegend zur öffentlichen Zustellung BGH vom 19.12.2001, NJW 2002, 827 sowie BGH vom 11.12.2002, NJW 2003, 1326. Anschaulich z.B. der Fall des AG Köln vom 9.10.2003, FamRZ 2004, 468. Siehe auch OLG Köln vom 26.5.2008, MDR 2008, 1061: Die Voraussetzungen des § 185 I Nr. 3 ZPO liegen in einer gewöhnlichen vermögensrechtlichen Streitigkeit – kein Eilverfahren – (noch) nicht vor, wenn eine Auslandszustellung innerhalb eines Jahres (voraussichtlich) erfolgreich durchgeführt werden kann. Siehe aber Rz. 1929. Bei öffentlicher Zustellung (§ 185 ZPO) sollte man im Anwendungsbereich der Europäischen Vollstreckungstitel-Verordnung Nr. 805/2004 vom 21.4.2004 das zuzustellende Schriftstück parallel per e-mail versenden, wenn zwar eine „normale“ Zustellung nicht möglich ist, aber eine E-Mail-Adresse des Beklagten existiert. Sendet der Beklagte eine Empfangsbestätigung im Sinne von Art. 13 I (d) der genannten Verordnung, so kann auch in den Fällen des § 185 ZPO eine Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel erfolgen, Rauscher/Pabst in Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht2, 2006, Art. 13 Rz. 17. Allerdings ist nach Rauscher/Pabst a.a.O. Rz. 16 für die Empfangsbescheinigung per e-mail eine digitale Signatur erforderlich. 657 Zustimmend Schlosser in Festschrift Stiefel, 1987, 693; Rohe in Wieczorek/Schütze, ZPO3, 2007, § 185 Rz. 35; OLG Frankfurt vom 22.9.1987, RIW 1988, 133, 134; OLG Hamm vom 15.4.1998, IPRspr. 1998 Nr. 180. Allerdings ist die Zustimmung der Justizverwaltung (§ 9 ZRHO) im Hinblick auf Art. 32 I GG (Rz. 256b) erforderlich, Zöller/ Geimer, ZPO27, 2009, § 183 Rz. 35. 658 OLG Köln vom 30.10.1985, FamRZ 1985, 278 = EWiR 1986, 205 (R. Geimer) = IPRspr. 1985 Nr. 171.
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Erster Teil: Grundlegung Klage- und Antragsschrift durch Einschreiben mit Rückschein scheitert.659 Vgl. Rz. 418, 1929. 252a Die fiktive Inlandszustellung an Adressaten, die sich im Ausland befinden, durch Aufgabe zur Post (§ 184 ZPO) ist als solche verfassungsgemäß.660 4. Unterschiedliche Behandlung von In- und Ausländern 253 Der Gleichheitssatz des Art. 3 I GG ist ein Menschenrecht. Er gilt gleichermaßen für Inländer, Ausländer und Staatenlose. Er verbietet aber nur, dass wesentlich Gleiches ohne zureichenden Grund ungleich behandelt wird. Der deutsche Gesetzgeber kann sehr wohl die Staatsangehörigkeit als Unterscheidungsmerkmal verwenden.661 659 R. Geimer NJW 1974, 1631. Siehe auch in anderem Zusammenhang OLG Bremen vom 15.5.2003, BB 2003, 1525: Pfleger im Rahmen einer Umwandlung für einen unbekannten GmbH-Gesellschafter. 660 BVerfG vom 19.2.1997, NJW 1997, 1772; BGH vom 10.11.1998, NJW 1999, 1187 = LM § 174 ZPO Nr. 8 (R. Geimer) = MDR 1999, 311 = RIW 1999, 295 (Kiethe/Groeschke 249 = IPRax 2000, 23 (Fleischhauer 13) = JZ 1999, 414 (H. Roth) = IPRspr. 1998 Nr. 171; Fleischhauer, Inlandszustellung an Ausländer, 1996, 67, 236, 308; Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 96. Rechtsstaatliche Bedenken gegen diese „legislatio in fraudem legis internationalis“ jedoch bei Schlosser in Festschrift Stiefel, 1987, 683, 688. Ähnlich Gottwald in Habscheid/Beys, Grundfragen des Zivilprozessrechts – die internationale Dimension, 1991, 28: „Unbefriedigend hieran ist vor allem, dass durch diesen Kniff ein tatsächlicher Auslandsprozess fiktiv zum Inlandsprozess erklärt wird.“ Besonders kritisch der Diskussionsentwurf vom 30.1.1997 des Bundesjustizministeriums eines Gesetzes zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellreformgesetz), S. 49 f. „Die bisher vorgesehene Zustellungsfiktion beinhaltet praktisch zumindest eine erhebliche Gefährdung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Dies ist [. . .] nicht länger hinnehmbar.“ Man darf aber nicht nur die Beklagtenperspektive fokussieren. Vielmehr muss auch der Justizgewährungsanspruch des Klägers in die Gewichtung mit einbezogen werden. Zum „Ausbalancieren“ der Verfahrensgrundrechte von Kläger und Beklagtem G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 9. § 174 II ZPO a.F. bestimmte schlicht und einfach: „Wohnt die Partei nicht im Inland, so ist sie auch ohne Anordnung des Gerichts zur Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten verpflichtet, falls sie nicht einen in dem durch den ersten Absatz bezeichneten Ort oder Bezirk wohnhaften Prozessbevollmächtigten bestellt hat.“ Diese Vorschrift musste entgegen der herrschenden Meinung im Lichte des Art. 103 I GG verfassungskonform interpretiert werden. Sie legte nach ordnungsgemäßer Verfahrenseröffnung (§ 199 ZPO a.F.) allen Beklagten im Ausland die Last auf, in Deutschland einen Zustellungsvertreter zu bestellen. Anderenfalls erfolgt die Zustellung durch Aufgabe zur Post, d.h. durch Einwurf in den deutschen Briefkasten, § 175 I ZPO a.F. Ein Hinweis auf diese schwerwiegende Sanktion sah das Gesetz nicht vor. Gleichwohl gebietet Art. 103 I GG einen solchen Hinweis, Rz. 2113. § 184 ZPO n.F. hat diesen legislatorischen Mangel behoben. Hierzu Fleischhauer a.a.O. 270, 309; G. Geimer a.a.O. 41; Hausmann IPRax 1988, 140, 143. 661 Zu beachten ist jedoch das Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV, Rz. 246v. Vgl. auch Art. 4 II EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ sowie Art. 7 II EuEheVO.
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IZPR und Grundgesetz Auch Art. 3 III GG steht nicht entgegen. Es ist daher verfassungskonform, wenn die deutsche Staatsangehörigkeit als Merkmal für die Eröffnung einer internationalen Zuständigkeit verwendet, also nur Deutschen eine „Heimatzuflucht“ (= Zugang zu deutschen Gerichten) gewährt wird, Rz. 1323, 1947.662
III. Klagezustellungen aus dem Ausland Die Mitwirkung deutscher Rechtshilfebehörden bei der Zustellung US-ame- 254 rikanischer Class Actions663 ist von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht zu beanstanden.664 Eine Verletzung des Art. 12 I GG scheidet aus, weil eine Klagezustellung als solche keine (unmittelbar) berufsregelnde Maßnahme ist, auch wenn die weit gespannte Gerichtspflichtigkeit im Ausland (z.B. im Zusammenhang mit Class Actions) für Aktivitäten deutscher Unternehmen (vor allem auf dem US-Markt) de facto ein massives Handikap darstellt. Auch der Schutzbereich des Art. 14 I GG ist mangels einer gegenwärtigen und unmittelbaren Betroffenheit der Vermögenssphäre des Beklagten (= Zustellungsempfänger) allein durch den Akt der Klagezustellung nicht tangiert. Als Prüfungsmaßstab kommt allein das „Auffanggrundrecht“ des Art. 2 I GG i.V. mit dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 III GG) in Betracht: Der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit des Zustellungsadressaten ist durch Gemeinwohlinteressen (Förderung des internationalen Rechtsverkehrs) gerechtfertigt. Denn das Grundgesetz hat sich für die „offene Staatlichkeit“ entschieden, Präambel, Art. 23, 24 und 26 GG, Rz. 173, 249a.665 Eine Grenze – mit der Folge der (zumindest möglichen) Versagung der deut- 254a schen Mitwirkung bei der Zustellung – wird allerdings dann erreicht, wenn das mit der (im Ausland erhobenen) Klage verfolgte Ziel „offensichtlich gegen unverzichtbare Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaats verstößt“.666 Diese Einschränkung handhabt das Bundesverfassungsgericht aber neuerdings mit Recht nur sehr zurückhaltend: Dass die Verteidigungsmöglichkeiten des Beklagten in Class Actions erheblich beeinträchtigt sind,667 reicht nicht aus, um die erbetene 662 Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, 134, 146. Zur Frage der unterschiedlichen Behandlung verschiedener Ausländergruppen siehe auch Rz. 390 und OVG Koblenz vom 3.2.1988, NJW 1988, 1477. 663 Zur amerikanischen Sicht z.B. Buxbaum, Defining the Function and Scope of Group Litigation: The Role of Class Actions for Monetary Damages in the United States, in Gottwald (ed.), Europäisches Insolvenzrecht – Kollektiver Rechtsschutz, 2008, 215, 220 ff. 664 BVerfG vom 14.6.2007 – 2 BvR 2247, 2248, 2249/06, WM 2007, 1392 = WuB VII C. § 13 HZÜ (R. Geimer) mit weiteren Nachweisen. 665 Klaus Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, 1965, 413; Tomuschat IPRax 1966, 83, 84; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 237. Nachweise auch bei Röben, Außenverfassungsrecht – Eine Untersuchung zur auswärtigen Gewalt des offenen Staates, 2007; R. Geimer ZfRV 1999, 321 ff.; R. Geimer EWiR 1995, 161; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 183 Rz. 120. 666 Das BVerG lässt weiter offen, ob die Verweigerung der deutschen Zustellungshilfe obligatorisch oder nur fakultativ ist. 667 Hierzu sehr deutlich z.B. Röhm/Schütze RIW 2007, 241.
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Erster Teil: Grundlegung Zustellung zu verweigern. Allerdings sieht das Bundesverfassungsgericht Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen, wenn die Klageforderung „auch in ihrer Höhe offensichtlich keine Grundlage hat“, wenn des Beklagte „mit dem angegriffenen Verhalten offensichtlich nichts zu tun hat“ oder „erheblicher, auch publizistischer Druck aufgebaut wird, um den Beklagten in einen an sich ungerechtfertigten Vergleich zu zwingen“. 254b Es fehlt nach wie vor eine klare Trennlinie. Wann die Durchführung eines ausländischen Zustellungsersuchens die Hoheitsrechte und die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland im Sinne von Art. 13 HZÜ gefährdet, konnte und kann bisher niemand klar definieren, Rz. 2159.668 Auch dem Bundesverfassungsgericht ist eine randscharfe Abgrenzungsformel aus dem Blickwinkel der Verfassung nicht eingefallen.669 Man bewegt sich in einer Grauzone, der lediglich durch Kasuistik gewisse Konturen gegeben werden können.670 Dabei ist in Betracht zu ziehen, dass auch im deutschen Zivilprozess kein Zustellungsverbot für schikanöse, missbräuchliche oder sonstige exorbitante Klagen besteht. Das deutsche System ist deshalb in diesem Punkt dem US-System nicht überlegen. Hinzu kommt, dass im Zustellungsstadium eine wirksame präventive Missbrauchsbekämpfung nicht stattfinden kann; denn auch die Zustellungsverweigerung schützt nicht vor Verurteilung und Vollstreckung im Ausland.671 668 R. Geimer ZZP 103 (1990), 489; Rasmussen-Bonne in Festschrift Hay, 2005, 323; Hopt/ Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 135 ff. 669 R. Geimer WuB VII C. § 13 HZÜ. 670 So sieht R. Stürner JZ 2006, 60, 61 ein Anwendungsfeld z.B. bei Klagen auf Eingehung einer Ehe oder auf Unterlassung jedweder beruflichen Tätigkeit. Weiteres Beispiel bei Hopt/Kulms/von Hein a.a.O. 152: Klage auf Verurteilung zur Schuldknechtschaft im Sinne von Art. 1 (a) des Zusatzübereinkommens über die Abschaffung der Sklaverei, des Sklavenhandels und sklavenähnlicher Einrichtungen und Praktiken vom 7.9.1956, BGBl. 1958 II 203. Stürner a.a.O. empfiehlt in Übereinstimmung mit den meisten Stellungnahmen in der Literatur äußerste Zurückhaltung in kritischer Auseinadersetzung mit der Entscheidung des Zweiten Senats des BVerfG vom 25.7.2003, BVerfGE 108, 238 = NJW 2003, 2598 (Zekoll 2885) = JZ 2003, 956 (Heß 923) = IPRax 2004, 61 = IPRspr 2003/176 (es handelte sich um eine einstweilige Anordnung, mit der die deutsche Zustellungshilfe gestoppt worden war. Es kam wegen der Erledigungserklärung der Zustellungsadressatin nicht zur Entscheidung in der Hauptsache; hierzu Oberhammer IPRax 2004, 40; Braun ZIP 2003, 2225; Heß AG, 2006, 809, 815; Koch/Horlach/Thiel RIW 2006, 356; Prütting in Festschrift Jayme, 2004, 709, 715; Schack AG, 2006, 823; Zeidler IDR 2005, 40). 671 Wesentlich zurückhaltender mit Tendenz zu der hier vertretenen Auffassung BVerfG vom 24.1.2007, WM 2007, 374 = RIW 2007, 211 sowie die Entscheidung vom 14.6.2007, WM 2007, 1392 = WuB VII C. § 13 HZÜ (R. Geimer). Hierzu auch Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, RIW 2007, 801, 803. Im Anwendungsbereich der völkerrechtlichen Verträge darf Deutschland von Völkerrechts wegen die Durchführung der Zustellung nur verweigern, wenn seine Hoheitsrechte (Souveränität) oder seine Sicherheit gefährdet würden, Art. 4 HZPÜ, Art. 13 HZÜ, § 59 III ZRHO, sowie die Parallelnormen in den bilateralen Verträgen, G. Geimer a.a.O. 68 ff. und aus österreichischer Sicht Bajons in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 38 JN Rz. 35 ff. Seine zurückhaltende Stellungnah-
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IZPR und Grundgesetz Auch die Zulassung der Direktzustellung aus dem Ausland (ohne Einschaltung der deutschen Rechtshilfekanäle und damit ohne Möglichkeit der „Kontrolle“) ist durch das GG nicht verboten.672
254c
IV. Anerkennung 1. Pflicht zur Anerkennung Aus der Grundrechtsperspektive ergeben sich die gleichen Möglichkeiten für die Bejahung einer Anerkennungspflicht wie oben Rz. 151.673
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2. Versagungsgründe Art. 103 I GG strahlt auch auf das Anerkennungsrecht aus: Voraussetzung für die 256 Anerkennung ist, dass dem Beklagten rechtliches Gehör gewährt worden ist. Dabei ist jedoch zu beachten, dass er alles in seiner Macht Stehende unternehmen muss, um sich auch rechtliches Gehör zu verschaffen.674 Sollen Hoheitsakte eines ausländischen Staates im Inland durchgesetzt werden, die eine entschädigungslose Enteignung bedeuten, so verbieten Art. 14, 15 GG me begründet das BVerfG im Beschluss vom 14.6.2007, WM 2007, 1392 = WuB VII C. § 13 HZÜ (R. Geimer) auch mit dem „verfassungsrechtlichen Ziel, Völkerrechtsverstöße der Bundesrepublik Deutschland so weit wie möglich zu vermeiden“ (BVerfGE 111, 307, 317; 112, 1, 25 = WM 2004, 2497). Dieses Argument entfällt allerdings im vertragslosen Verkehr, d.h. außerhalb des Anwendungsbereichs der völkerrechtlichen Verträge und Übereinkommen, die zur gegenseitigen Zustellungshilfe verpflichten. Hier ist Deutschland völkerrechtlich frei, Rechtshilfe zu gewähren oder abzulehnen. Innerstaatlich ist die Justizverwaltung jedoch – im Rahmen des Art. 3 I GG – an ihre Verwaltungspraxis gebunden. Gleichwohl wäre eine Differenzierung verfassungsrechtlich nicht verboten. Eine solche ist aber nicht zu empfehlen. Keinerlei Weigerungsrecht besteht gegenüber Zustellungsersuchen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union; denn in der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 vom 13.11.2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten (Rz. 245c) fehlt ein entsprechender Vorbehalt, hierzu G. Geimer, a.a.O. 213; de Lind van Wijngarden-Maack IPRax 2003, 153, 154 Fußn. 13; Krause RIW 2004, 533, 535 Fußn. 19; Hopt/Kulms/von Hein a.a.O. 129. Daran wird das BVerfG sicher nicht rütteln, weil die internationale Zustellungshilfe kein geeignetes Terrain bietet, in Abkehr von seiner „Solange-Rechtsprechung“ gegen Brüssel und Luxemburg schweres Geschütz in Stellung zu bringen oder sogar abzufeuern, R. Geimer WuB VII C. § 13 HZÜ. 672 Näher hierzu G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 239. 673 R. Geimer ZfRV 1992, 405. 674 Die Auslegung des § 328 I Nr. 2 ZPO und § 109 I Nr. 2 FamFG, wie unten Rz. 2922, ist also verfassungskonform. Das BVerfG vom 21.5.1987, NJW 1988, 1462 verlangt sogar (in einer Strafsache), dass der Betroffene alles ihm Zumutbare im Erstverfahren unternimmt, um Verfahrensmängel gegebenenfalls im Rechtsmittelweg zu beseitigen, R. Geimer ZfRV 1992, 407; Völker, Zur Dogmatik des ordre public – Die Vorbehaltsklauseln bei der Anerkennung fremder gerichtlicher Entscheidungen und ihr Verhältnis zum ordre public des Kollisionsrechts, 1998, 119.
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Erster Teil: Grundlegung allen deutschen Staatsorganen, somit auch den Gerichten, dabei mitzuwirken. Allerdings verbietet das Grundgesetz nach bisher herrschender Meinung nicht, (völkerrechtswidrige) im Ausland vollzogene Enteignungen675 anzuerkennen.676 3. Anforderungen an den Begriff „Gericht“ 256a Die strengen Maßstäbe, die nach Art. 92 GG an den Begriff „Gericht“ anzulegen sind, gelten nicht für ausländische Gerichte.677 Das Urteil eines ausländischen Gerichts, welches den Anforderungen des Art. 92 GG nicht genügt, ist – von Extremfällen abgesehen – gleichwohl grundsätzlich anerkennungsfähig, sofern nicht (sonst) ein Versagungsgrund (§ 328 ZPO bzw. § 109 FamFG) vorliegt.678
V. Prärogative der Bundesregierung als Trägerin der auswärtigen Gewalt (Art. 32 I GG) 256b Die den Gerichten übertragene Rechtsprechungsgewalt steht in international eingefärbten Fällen in einem gewissen Spannungsverhältnis zur „äußeren Gewalt“, die von der Bundesregierung wahrzunehmen ist.679 Die balance of power ist zwischen Judikative und Exekutive bisher nicht konturenscharf herausgearbeitet worden.680 Fest steht, dass durch Gerichtsverfahren und vor allem gerichtliche Entscheidungen die Pflege der auswärtigen Beziehungen ganz erheblich beeinflusst werden kann.681 Hier müssen die Gerichte einen „high standard of statesmanship“ beweisen, was ihnen nicht immer mühelos gelingt.682 Wenig 675 Nachweise zum völkerrechtlichen Enteignungsrecht bei Seidl-Hohenveldern/Hummer/Kriebaum in Neuhold/Hummer/Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. I Rz. 1303 ff.; Schäfer RIW 1998, 199. Siehe auch EGMR vom 22.1.2004 – Jahn u.a. vs. Bundesrepublik Deutschland, EuGRZ 2004, 57 (Cremer 134) sowie EGMR vom 30.6.2005 – 45036/98 – Bosphorus Hava Turizm ve Ticaret Anomim Sirketi vs. Irland NJW 2006, 197. 676 Zur Reichweite des Art. 14 GG im Anerkennungsstadium R. Geimer ZfRV 1992, 408, 409. 677 BGH vom 15.5.1986, BGHZ 98, 70 = NJW 1986, 3027 = RIW 1986, 816 = MDR 1986, 917 = JZ 1987, 154 (Walter) = WM 1986, 982 = EWiR 1986, 835 (Schütze) = IPRspr. 1986 Nr. 198. 678 Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 328 Rz. 82; vgl. auch unten Rz. 1764, 2870. 679 Hierzu z.B. Dutta, Amtshaftung wegen Völkerrechtsverstößen bei bewaffneten Auslandseinsätzen deutscher Streitkräfte, AöR 133 (2008), 191, 214. 680 Zum Stand der Diskussion Biehler, Auswärtige Gewalt – Auswirkungen auswärtiger Interessen im innerstaatlichen Recht, 2005, 214 ff.; Röben, Außenverfassungsrecht – Eine Untersuchung zur auswärtigen Gewalt des offenen Staates, 2007. 681 R. Geimer ZfRV 1992, 414. 682 Beispiele für richtig dosierte Zurückhaltung der Gerichte bei Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 54 Fußn. 179, 131. In den Vereinigten Staaten von Amerika beachten grundsätzlich die Gerichte die von der US-Regierung abgegebenen statements of interest, wonach die Abweisung der näher bezeichneten Klage(n) dem außenpolitischen Interesse der USA diene. Jedoch besteht keine Bindung im strikten Sinn.
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IZPR und Grundgesetz rücksichtsvoll verhielt sich z.B. der Bundesgerichtshof683 im Nigerianischen Masken-Fall: Er legte seinem auf § 138 BGB gestützten Verdikt die Wertungen des UNESCO-Kulturgüterschutzübereinkommens vom 14.11.2007684 zugrunde, obwohl dieses zum Zeitpunkt der Entscheidung von Deutschland weder gezeichnet geschweige denn ratifiziert worden war.685 Auch darf die Ausübung der auswärtigen Gewalt gemäß Art. 19 IV GG nur sehr zurückhaltend gerichtlich überprüft werden, um den außenpolitischen Handlungsspielraum der Exekutive nicht einzuschränken; andernfalls läge ein verfassungswidriger Übergriff der Judikative vor, Rz. 136, 3637. Der judicial self restraint in Verfahren, die political questions aufwerfen, ist mithin nicht nur ein nobile officium, sondern vom Grundgesetz gebotene Pflicht des Gerichts.686
VI. Verhältnis von Verwaltung und Rechtsprechung in internationalrechtlichen Angelegenheiten 1. Verkehr mit ausländischen Behörden zum Zwecke der Rechtshilfe Der Verkehr mit ausländischen Behörden zum Zwecke der Rechtshilfe ist Ver- 257 waltungsangelegenheit. Er fällt nicht in den Bereich der rechtsprechenden Gewalt (Art. 92 GG).687 Zwar stellt die Beschlussfassung über die Einholung eines Rechtshilfeersuchens eine richterliche, von der Unabhängigkeitsgarantie des Grundgesetzes geschützte Handlung dar.688 Die richterliche Tätigkeit kann als hoheitliche Tätigkeit jedoch grundsätzlich nur im eigenen Hoheitsbereich des Staates, zu dessen Organen das Gericht gehört, ausgeübt werden, Rz. 120. Diese Schranke kann zwar mit Zustimmung des jeweils in Betracht kommenden ausländischen Staates durchbrochen werden. Die Frage, ob eine solche Zustimmung herbeigeführt oder von einer etwa bereits 258 erteilten Zustimmung Gebrauch gemacht werden soll, fällt jedoch in den Bereich der Beziehungen zu auswärtigen Staaten, deren Pflege nach Art. 32 I GG allein der Bundesregierung zugewiesen ist.689 Deshalb hat diese – außerhalb des Anwendungsbereichs der EG-Beweisaufnahmeverordnung (Rz. 245c) – das Recht, einer richterlichen Tätigkeit im Ausland, auch wenn es sich um eine An683 BGH vom 22.6.1972, BGHZ 59, 82. 684 BGBl. 2007 II 627. 685 Kritisch hierzu Dutta, Amtshaftung wegen Völkerrechtsverstößen bei bewaffneten Auslandseinsätzen deutscher Streitkräfte, AöR 133 (2008), 191, 215. 686 Siehe auch die Nachweise bei Yousif, Die extraterritoriale Geltung der Grundrechte bei der Ausübung deutscher Staatsgewalt im Ausland, 2007. 687 R. Geimer NJW 1989, 645, 2177, 2205; ausführlich Schabenberger, Der Zeuge im Ausland im deutschen Zivilprozess, Diss. Freiburg/Br. 1996, 71. Kritisch Rellermeyer Rpfleger 2000, 479 und Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 562), Art. 2 EuBeweisaufnahmeVO Rz. 5. 688 Unten Rz. 2396. 689 BGH vom 27.1.1978, BGHZ 71, 95 = NJW 1978, 1425; BGH vom 14.6.1983, BGHZ 78, 385 = NJW 1983, 2769; BGH vom 16.4.1985, NJW 1986, 664. Siehe auch die Nachweise bei Röben, Außenverfassungsrecht – Eine Untersuchung zur auswärtigen Gewalt des offenen Staates, 2007.
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Erster Teil: Grundlegung wesenheit bei einer Zeugenvernehmung handelt, außenpolitische Bedenken entgegenzusetzen. Die zuständige Behörde ist auch befugt und verpflichtet, die Weiterleitung von Rechtshilfeersuchen an ausländische Staaten, in denen die Vernehmung von Parteien oder von Zeugen in Anwesenheit deutscher Richter stattfinden soll, abzulehnen und die Bewilligung von Dienstreisen oder Zahlung von Reisekosten zu verweigern. In diesen Fällen nimmt die Landesjustizverwaltung Aufgaben der Bundesregierung wahr, Rz. 263 ff.690 Eine ablehnende Entscheidung kann nach §§ 23 ff. EGGVG von den Verfahrensbeteiligten mit der Begründung angefochten werden, die Justizverwaltung habe von ihrem Ermessen keinen sachgemäßen Gebrauch gemacht.691 Hierzu Rz. 2168, 2495. 259 Auch wenn im europäischen Gemeinschafts- bzw. Unionsrecht oder in einem völkerrechtlichen Vertrag der unmittelbare Verkehr zwischen den Gerichten zugelassen ist, so bedeutet dies nicht, dass die Gerichte von dem von ihnen einzuhaltenden Geschäftsweg freigestellt werden oder ihnen die alleinige Entscheidungsbefugnis für die Ausführung des beschlossenen Rechtshilfeersuchens übertragen ist.692 Aus der Sicht der Parteien bedeutet dies u.U. die tatsächliche Verkürzung ihrer Verfahrensgrundrechte. Leitet die Exekutive die vom deutschen Gericht beschlossenen Zustellungs- bzw. Beweisaufnahmeersuchen nicht an den ausländischen Staat weiter, so kann dies dazu führen, dass dem Beklagten im Ausland das rechtliche Gehör verkürzt wird (öffentliche Zustellung)693 oder dass aufgrund eines fiktiven Sachverhalts entschieden wird, weil die im Ausland befindlichen Beweismittel nicht herangezogen werden konnten. Insofern besteht ein Spannungsverhältnis zwischen Art. 32 GG und den Verfahrensgrundrechten des Grundgesetzes.694 2. Rechtsstellung der Konsularbeamten bei Vernehmung von Zeugen und Erhebung sonstiger Beweise 260 Der Konsularbeamte ist bei Vernehmungen und Vereidigungen gemäß § 15 KonsularG nicht Richter, sondern Beamter außerhalb der rechtsprechenden Gewalt; er nimmt aber Aufgaben wahr, die im „Normalfall“ des inländischen Zivilprozesses dem Richter obliegen.695 Seine Vernehmungen und Vereidigungen sowie die hierüber aufgenommenen Niederschriften stehen gemäß § 15 IV KonsularG gerichtlichen Vernehmungen, Vereidigungen und diesbezüglichen Niederschrif690 Näher Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 436 sowie Junker DRiZ 1985, 161. 691 BGH vom 31.1.1984, BGHZ 90, 41 = NJW 1984, 2531; BVerwG DRiZ 1983, 412. Zu den Möglichkeiten der gerichtlichen Überprüfung auf Antrag des Richters, der sich in seiner Unabhängigkeit tangiert fühlt, nach § 26 II DRiG OLG Hamm (Dienstgerichtshof) vom 8.3.1993, DZWir 1994, 426 (R. Geimer) = IPRspr. 1993 Nr. 166. 692 BGH vom 14.6.1983, BGHZ 87, 390 = NJW 1983, 2769. 693 Grundlegend zum Spannungsverhältnis mit Art. 103 I GG BGH vom 19.12.2001, NJW 2002, 827 sowie BGH vom 11.12.2002, NJW 2003, 1326. 694 Nachweise bei Röben, Außenverfassungsrecht – Eine Untersuchung zur auswärtigen Gewalt des offenen Staates, 2007. 695 R. Geimer in Festschrift Matscher, 1993, 135.
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IZPR und Grundgesetz ten gleich. Dienstliche Aufgaben (hierzu gehören auch Vernehmungen/Anhörungen) sind „unparteiisch und gerecht“ zu erfüllen.696 Liegen bei einem Konsularbeamten die in § 59 BBG oder § 41 ZPO genannten Gründe vor, so soll er die Amtshandlung nicht vornehmen. Konsularbeamte können aber wegen Besorgnis der Befangenheit nicht abgelehnt werden, § 42 ZPO. Es bestehen keine prozessualen Rechtsbehelfe gegen ihre Entscheidungen, möglich ist nur die Dienstaufsichtsbeschwerde mit dem Antrag, einen anderen Konsularbeamten mit der Vornahme der Vernehmung zu beauftragen. Diese Regelung ist mit dem Grundgesetz gerade noch zu vereinbaren, weil der Konsularbeamte keine richterliche Entscheidung (in der Sache) fällt, sondern nur bei der Beschaffung der Entscheidungsgrundlagen behilflich ist.697 Die Teilnahme des ersuchenden Gerichts oder eines beauftragten Richters bei 261 der Vernehmung/Anhörung durch den Konsularbeamten ist ohne Zustimmung der ausländischen Regierung nach Völkerrecht nicht zulässig. Wenn diese erteilt ist, muss der Richter nach § 38a ZRHO für seine Teilnahme an der Beweisaufnahme im Ausland außerhalb der Europäischen Union698 noch die Genehmigung der Bundesregierung auf dem Dienstweg einholen, und zwar auch dann, wenn aufgrund einer Erklärung nach Art. 8 des Haager Beweisaufnahmeübereinkommens vom 18.3.1970699 eine Genehmigung des ausländischen Staates für die Teilnahme von Richtern an der Beweisaufnahme generell erteilt, d.h. in concreto nicht erforderlich ist, Rz. 446.700 Auch dies verstößt nicht gegen Art. 92 GG. Die Beweisaufnahme im Ausland leitet der Konsularbeamte, nicht der angereiste 262 Richter. Der Konsularbeamte kann dem Richter das Fragerecht einräumen, dieses jedoch jederzeit wieder an sich ziehen. Der Konsularbeamte hat das Verfahren zu eröffnen, den Zeugen/Sachverständigen zur Wahrheit zu ermahnen (§§ 395, 402 ZPO), auf die Strafbarkeit einer uneidlichen falschen Aussage (§ 153 StGB) und – falls Beeidigung erfolgen soll – auf die Strafbarkeit des Meineides oder einer eidesgleichen Bekräftigung oder eines fahrlässigen Falscheides (nach §§ 154, 155, 163 StGB) hinzuweisen, den Zeugen zur Person zu befragen (§§ 395, 402 ZPO), über das Zeugnis- und Aussageverweigerungsrecht (§§ 383–385, 408 ZPO) zu entscheiden, Eide abzunehmen und das Protokoll zum Schluss gemäß § 162 ZPO zu verlesen sowie zu unterschreiben, § 163 ZPO. Über die Zurückweisung von Fragen und sonstige Zusatzanträge (§ 400 ZPO)
696 § 52 I 2 BBG. 697 Zustimmend Stein/Jonas/Berger, ZPO22, 2006, § 363 Rz. 39. 698 Die Genehmigung der Bundesregierung ist nicht mehr erforderlich, soweit die Beweisaufnahme in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union durchgeführt werden soll, § 38a ZRHO. Seit 1.1.2004 gilt Art. 12 der EG-Beweisaufnahmeverordnung (Rz. 245c). 699 BGBl. 1977 II 1472. Aus schwer nachvollziehbaren Gründen wurde die konsularische Beweisaufnahme in der EG-Beweisaufnahme-Verordnung nicht geregelt; dies hat zur Folge, dass trotz Art. 21 I das Haager Übereinkommen über die Beweisaufnahme auch im Anwendungsbereich der Verordnung weiter gilt, Jastrow IPRax 2004, 11, 12. 700 Hecker/Müller-Chorus/Bindseil, Handbuch der konsularischen Praxis2, Stand: August 2007 (3. Ergänzungslieferung), § 5 Rz. 36. Siehe auch Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 376), Art. 8 HBÜ Rz. 3.
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Erster Teil: Grundlegung entscheidet der Konsularbeamte, wenn er auch nach Möglichkeit das Einvernehmen mit dem Gerichtsvorsitzenden bzw. dem beauftragten Richter herbeiführen soll.701 Herr des Verfahrens ist also der Konsularbeamte und nicht der Richter. Hiergegen wurden (bisher) durchgreifende verfassungsrechtliche Einwendungen nicht erhoben. 3. Beweisaufnahmen für im Ausland anhängige Gerichtsverfahren 262a Nicht die Judikative, sondern die Exekutive hat über die Zulässigkeit und die Art der Durchführung der internationalen Rechtshilfe (Gewährung von Rechtshilfe für ausländische Gerichtsverfahren) zu entscheiden, Rz. 2459, 2462. Der BGH als oberstes Richterdienstgericht (§§ 61 ff. DRiG) interpretiert Art. 97 GG auf dem Gebiet der internationalen Rechtshilfe sehr restriktiv.702 Fraglich ist, ob Beweisaufnahmen für ausländische Gerichtsverfahren unter Art. 97 GG fallen.703 262b Auch der schweizerische Bundesrat704 ordnet die Erledigung der Rechtshilfebegehren „in das Gebiet der internationalen Verwaltungstätigkeit“ ein. „Die einzelnen Rechtshilfeakte bestehen in der stellvertretenden Vornahme prozessualer Handlungen für einen fremden Staat. Sie werden zweckmäßigerweise in den Formen vorgenommen, die das Prozessrecht des ersuchten Staates für derartige Maßnahmen im Rahmen eines vor seinen Gerichten hängigen Prozesses vorsieht . . . Es darf aber nicht übersehen werden, dass es sich bei solcher Anwendung der eigenen Zivil- oder Strafprozessordnung für den ersuchten Staat nicht . . . um einen Zivilprozess handelt, sondern um ein Verwaltungsverfahren.“ Der schweizerische Bundesrat betrachtet daher die Erledigung eines ausländischen Rechtshilfeersuchens durch den kantonalen Richter als ein „Verfahren zur 701 Hecker/Müller-Chorus/Bindseil a.a.O. Vgl. auch Schulze IPRax 2001, 527, 531. 702 BGH vom 27.1.1978, BGHZ 71, 95 = NJW 1978, 1425; BGH vom 14.6.1983, BGHZ 78, 385 = NJW 1983, 2769; BGH vom 16.4.1985, NJW 1986, 664; Nagel IPRax 1984, 140 sowie die Kommentare zu § 26 DRiG. 703 R. Geimer NJW 1989, 2177, 2205; bejahend wohl Schlosser in Gedächtnisschrift Constantinesco, 1983, 653 unter Hinweis auf die lex lata (Rz. 2461); Linke, Internationales Zivilprozessrecht4, 2006, Rz. 459; Puttfarken NJW 1988, 2156. Vogler/Wilkitzki, IRGKommentar, 1992, § 12 Rz. 37: „Die Unabhängigkeit des vernehmenden Richters setzt erst dort ein, wo es um die Anwendung deutschen Verfahrensrechts bei der Vornahme der Rechtshilfehandlung geht. Nur bei der Vornahme des Rechtshilfegeschäfts, etwa der Vernehmung, kommt den Gerichten ihre verfassungsmäßige Sonderstellung zu . . . In der Frage, ob Rechtshilfe geleistet werden soll oder nicht, ist der Richter dagegen nicht unabhängig, sondern weisungsgebundenes Verwaltungsorgan. Nur für die Vernehmung als solche gilt die Verweisung des § 77 [IRG] auf die StPO und das GVG einschließlich der Garantien des § 1 GVG, Art. 97 Abs. 1 GG, § 25 DRiG.“ Da bleibt aber die Frage offen, ob der Gesetzgeber auch eine andere Lösung hätte vorziehen dürfen. – Dezidiert Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 339: „Rechtshilfe ist kein ‚gerichtliches Verfahren‘, sondern Angelegenheit der Justizverwaltung.“ Vgl. auch a.a.O. 406 Fußn. 11. 704 VEB 1957 Nr. 3 S. 14 = Hauser/Hauser, GVG des Kantons Zürich3, 1978, §§ 126/127 Rz. 2 S. 439. Weniger deutlich nunmehr Hauser/Schweri, GVG Kommentar zum zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetz, 2002, § 114 Rz. 9.
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IZPR und Grundgesetz Durchführung einer Aufgabe der Besorgung der auswärtigen Angelegenheiten“ und widerspricht ausdrücklich der Qualifikation als „Verfahren der Rechtsprechung in Straf- oder Zivilsachen“.705 4. Rechtshilfe als Aufgabe des Bundes gemäß Art. 32 I GG Nach Auffassung der Bundesregierung handelt es sich allein um eine Bundesangelegenheit, da es um die Pflege der auswärtigen Beziehungen geht und zwar auch dann, wenn unmittelbarer Rechtshilfeverkehr mit dem betreffenden Staat besteht.706 Dieser Standpunkt ist in § 74 des Gesetzes über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) vom 23.12.1982707 festgeschrieben.708 Soweit
705 Für Ermessensspielraum des Gesetzgebers R. Geimer in Festschrift Matscher, 1993, 137. 706 Siehe auch die Fundamental-Nachweise zu Art. 32 I GG bei Röben, Außenverfassungsrecht – Eine Untersuchung zur auswärtigen Gewalt des offenen Staates, 2007. 707 BGBl. I 2071, zuletzt geändert durch Gesetz vom 21.7.2004, BGBl. I 1748. 708 Besonders deutlich die amtliche Begründung zu § 73 IRG-E (= § 74 IRG), Bundestagsdrucksache 9/1338 S. 94: „Die Stellung von Ersuchen um Rechtshilfe an ausländische Staaten und die Entscheidung über ausländische Rechtshilfeersuchen gehören nach Auffassung der Bundesregierung in allen Fällen zur Pflege der Beziehungen zu ausländischen Staaten, die gemäß Art. 32 I GG in die Zuständigkeit des Bundes fällt. . . Die Zuständigkeit des Bundes umfasst auch diejenigen Bereiche, die mangels eines Bedürfnisses für eine innerstaatliche Rechtsgrundlage im Entwurf nicht ausdrücklich geregelt sind, etwa die Teilnahme ausländischer Verfahrensbeteiligter an Verfahrenshandlungen. . . Nach der von der Bundesregierung vertretenen Auffassung ist der Grundsatz der Zuständigkeit des Bundes für die Entscheidungen im Rechtshilfeverkehr . . . unabhängig von der Art der geleisteten Rechtshilfe und [er besteht] auch dann, wenn unmittelbarer Rechtshilfeverkehr mit dem betreffenden Staat besteht. Dieser Auffassung liegt neben dogmatischen Erwägungen die Erfahrung zugrunde, dass der strafrechtliche Rechtshilfeverkehr nach seiner Zielsetzung und Struktur in stärkerem Maße als die Rechtshilfe in Zivilsachen außenpolitische Relevanz besitzt, und zwar oft auch in Einzelfällen, die zunächst als Routineangelegenheit erscheinen. Als Beispiel für die im strafrechtlichen Rechtshilfeverkehr typischerweise zu berücksichtigenden Gesichtspunkte seien genannt: die Einheitlichkeit und Gleichbehandlung von Ersuchen, die außenpolitisch tragbare Abfassung von Ersuchen und Erledigungsstücken und die Frage der Einhaltung rechtsstaatlicher Garantien in dem ausländischen Staat. . . Allerdings vertreten die süddeutschen Bundesländer seit jeher den Standpunkt, die Wahrnehmung der Aufgaben im strafrechtlichen Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland sei der Strafrechtspflege zuzuordnen und daher grundsätzlich Sache der Länder. Demgegenüber hat die Bundesregierung . . . bei der parlamentarischen Beratung über die Zustimmungsbedürftigkeit von Gesetzesentwürfen zu Verträgen über die Auslieferung und die Rechtshilfe in Strafsachen (vgl. etwa S. 32 der Bundestagsdrucks. 8/3107) den Standpunkt vertreten, dass derartige Verträge von den Ländern nicht als eigene Angelegenheit, sondern in Wahrnehmung von Befugnissen des Bundes (Art. 32 GG) ausgeführt werden. Wiederum in erster Linie aus praktischen Gründen ist es allerdings wünschenswert, dass die Masse von Rechtshilfefällen von anderen Behörden – für den Bund – entschieden werden kann, ohne dass der Bund die Möglichkeit verliert, beim Auftreten von Besonderheiten im Hinblick auf die Pflege seiner auswärtigen Beziehungen seine Befugnisse im Einzelfall selbst auszuüben. § 44 II DAG sah deshalb – vor Inkrafttreten
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Erster Teil: Grundlegung den Ländern durch eine „Zuständigkeitsvereinbarung“709 die Erledigung von Aufgaben des Bundes übertragen ist, handeln sie im Wege der „Organleihe“ für den Bund. Nach Auffassung der Bundesregierung hat sie durch die Vereinbarung „den Landesregierungen nur die Ausübung ihrer Befugnisse, nicht aber die Befugnisse selbst übertragen.“710
des Grundgesetzes – vor, dass die Reichsregierung die Ausübung ihrer Befugnisse nach § 44 I den Landesregierungen übertragen konnte. Soweit danach eine Übertragung erfolgte, wurde zwischen der Reichsregierung und den Landesregierungen ein Verhältnis der „Auftragsverwaltung“ hergestellt. Diese Möglichkeit ist nach Inkrafttreten des Grundgesetzes nicht mehr gegeben, da Auftragsverwaltung der Länder für den Bund nur in den im Grundgesetz ausdrücklich genannten Bereichen möglich ist und die internationale Rechtshilfe in Strafsachen nicht zu diesen gehört. Es musste daher ein anderer Weg gefunden werden, auf dem der Bund seine Befugnisse im Rechtshilfeverkehr zur Ausübung auch an Landesbehörden übertragen konnte. Hierfür bot sich nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes und nach dem Übergang der Befugnisse im Rechtshilfeverkehr von den Besatzungsbehörden auf die deutschen Behörden der Abschluss einer Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Landesregierungen an, der zufolge die Befugnis des Bundes zur Entscheidung über ausländische Rechtshilfeersuchen in Teilbereichen ausdrücklich den Landesregierungen übertragen wurde. . . Der Entwurf knüpft in Absatz 2 an den bestehenden Zustand an, soweit er bestimmt, dass die Bundesregierung die Ausübung der in Absatz 1 umschriebenen Befugnisse (nicht die Befugnisse selbst) im Wege einer Vereinbarung auf die Landesregierungen übertragen kann (Satz 1). Da es sich hierbei nicht um eine Auftragsverwaltung handeln kann, andererseits aber der Bund im Hinblick auf seine Kompetenz nach Art. 32 GG in der Lage sein muss, in jedem einzelnen Rechtshilfefall die Ausübung seiner Befugnisse wieder an sich zu ziehen, stützt sich der Entwurf zur Begründung dieser Übertragung auf die vom BVerfG anerkannte ‚Organleihe‘. Vgl. hierzu die Zusammenstellung in der Bundestagsdrucksache VI/2886 S. 25 . . . Satz 2 bestimmt schließlich in Anknüpfung an den bisherigen Rechtszustand . . ., dass die Landesregierungen das Recht haben, die ihnen übertragene Ausübung der Befugnisse des Bundes ihrerseits auf nachgeordnete Landesbehörden weiter zu übertragen. Die letzteren sind dann gewissermaßen mittelbar vom Bund beliehene Organe; sie nehmen folglich nach wie vor Aufgaben des Bundes wahr.“ Im gleichen Sinne die Stellungnahme der Bundesregierung zum Übereinkommen vom 29.5.2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, samt Protokoll vom 16.10.2001, Bundestagsdrucksache 15/4230 S. 17 sowie 15/4233 S. 31: Dort wird festgestellt, dass die Länder Rechtshilfehandlungen für ausländische Gerichte und Behörden nicht als eigene Angelegenheit im Sinne von Art. 83, 84 I GG vornehmen. Vgl. auch Lagodny in Schomburg, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen4, 2005, § 74 IRG Rz. 6. 709 In der Fassung vom 28.4.2004 („Zuständigkeitsvereinbarung 2004“), BayGVBl. 2004, 257. Die Gegenposition findet sich z.B. in der Bundesratsdrucksache 377/1/03: „nach ständig vertretener Auffassung des Bundesrats sind Bestimmungen, die das Verfahren von Landesbehörden in Angelegenheiten der internationalen Rechtshilfe regeln, soweit sie nicht das gerichtliche Verfahren betreffen, Regelungen des Verwaltungsverfahrens im Sinne von Artikel 84 Abs. 1 GG.“ Diesen Standpunkt hat der Bundesrat z.B. in Bundestagsdrucksache 15/4230 S. 17 und 15/4233 S. 30 wieder einmal bekräftigt. 710 Bundestagsdrucksache 15/4230, 16 und 15/4233, 31.
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IZPR und Grundgesetz Wenn dieser für Strafsachen kodifizierte Standpunkt des Bundes richtig ist, kann für die Rechtshilfe in Zivilsachen nichts anderes gelten. Hier fehlt aber eine ausdrückliche Übertragung der Befugnisse des Bundes auf die Länder durch eine „Zuständigkeitsvereinbarung“.711 Man bevorzugte die „sanfte“ Lösung einer gemeinsamen Verwaltungsvorschrift des Bundes und der Länder, nämlich der ZRHO.
263a
Die Aufgaben der in dem Haager Zustellungs-712 und in dem Haager Beweis- 263b übereinkommen713 vorgesehenen Zentralen Behörden sind gemäß § 7 des deutschen Ausführungsgesetzes vom 22.12.1977714 den Ländern übertragen. Ebenso ist es im Anwendungsbereich der EG-Zustellungs- und der EG-Beweisaufnahmeverordnung.715 Danach genehmigen und überwachen die Länder die passive Rechtshilfe,716 und befinden darüber, ob Mitglieder des ersuchenden ausländischen Gerichts bei der Erledigung des Rechtshilfeersuchens durch das deutsche Amtsgericht (aktive Rechtshilfe, Rz. 2440, 2461) anwesend sein dürfen.717 Im Hinblick auf Art. 32 GG bleiben allerdings Fragen offen: Hätte der Gesetzgeber z.B. die Genehmigung einer Beweisaufnahme durch einen diplomatischen oder konsularischen Vertreter in Deutschland (Rz. 447, 2427) nicht auch dem Bundesjustizministerium übertragen können? Ist das Bundesministerium der Justiz gegenüber der Landesjustizverwaltung weisungsbefugt?718 Die gleichen 711 712 713 714 715 716 717 718
Vgl. § 74 II IRG. Art. 2, 18 III HZÜ. Art. 2, 24 II HBÜ. BGBl. I 3105. §§ 1069, 1074 ZPO. §§ 11 ff. AusfG zum HZÜ und HBÜ. § 10 AusfG zum HZÜ und HBÜ. Zur Verfassungslage in der Schweiz Hauser/Schweri, GVG Kommentar zum zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetz, 2002, § 114 Rz. 9 sowie Hauser/Hauser, GVG des Kantons Zürich3, 1978, §§ 126/127 Rz. 3 S. 447: „Das Verfahren in Angelegenheiten der internationalen Rechtshilfe ist bisher bundesrechtlich nicht geregelt. Da es sich bei der Rechtshilfe . . . um eine dem Bunde übertragene internationale Verwaltungsaufgabe handelt, kann er entscheiden, ob und allenfalls wie weit er deren Durchführung eigenen Organen oder den Kantonen übertragen will. In der Praxis ist die Durchführung seit jeher den Kantonen überlassen worden, wobei diese aber der Aufsicht der eidgenössischen Polizeiabteilung unterstehen, der gemäß rev. Art. 31 III Z 2 des BG über die Organisation der Bundesverwaltung . . . Geschäfte der, Vermittlung und Überwachung sowie Behandlung von Fragen des Rechtshilfeverkehrs mit dem Ausland’ zur selbständigen Erledigung übertragen wird. Die kantonalen Behörden erfüllen somit, wenn sie in der internationalen Rechtshilfe tätig werden, eine Bundesaufgabe. Diese wurden ihnen aber bisher nicht durch gesetzliche Delegation formell übertragen, sondern einfach übungsmäßig überlassen.“Auch Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht3, 1979, 633, bezeichnet die Frage, ob einem ausländischen Staat Rechtshilfe gewährt werden muss oder ob sie gewährt werden kann, als eine auswärtige Angelegenheit, die an sich Sache des Bundes ist. „Der Bund hat aber die Kantone zur Gewährung der Rechtshilfe gegenüber dem Ausland nicht allgemein verpflichtet . . . Die [eidgenössische] Polizeiabteilung ist . . . in der Lage, das Gesuch zurückzuweisen, wenn die Rechtshilfe schweizerisches Recht oder schweizerische Interessen verletzen würde. Wird das Ersuchen an ein kantonales Gericht weitergeleitet, so bedeutet das dagegen nicht, es sei zur Gewährung der Rechtshilfe verpflichtet. Das ist vielmehr
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Erster Teil: Grundlegung Fragen kann man auch im Anwendungsbereich der EG-Zustellungs- und der EGBeweisaufnahme-Verordnung stellen; denn auch hier wurden den Ländern in §§ 1069, 1074 ZPO parallel zu dem vorgenannten Ausführungsgesetz eine Reihe von Aufgaben übertragen. Siehe auch Rz. 2126. 5. Entscheidungsmonopol der Landesjustizverwaltung bzw. des Oberlandesgerichtspräsidenten in Ehesachen 264 Bei der Frage, ob eine ausländische Ehescheidung im Inland anzuerkennen ist, geht es (im Grunde) um die Frage, ob die Ehe (aus inländischer Sicht) noch besteht oder nicht. Die Entscheidung eines solchen Rechtsstreits gehört zum Kernbereich der rechtsprechenden Gewalt. Er fällt unter den Bestandsschutz des Art. 92 GG. Deshalb ist das Feststellungsmonopol der Landesjustizverwaltung bzw. des Oberlandesgerichtspräsidenten nach § 107 FamFG (früher Art. 7 FamRÄndG) verfassungswidrig.719
VII. Innerstaatliche Geltung der Normen des Völkerrechts in der Bundesrepublik Deutschland 1. Überblick 265 Die Art und Weise der Umsetzung der völkerrechtlichen Verträge und des Völkergewohnheitsrechts in den innerstaatlichen Rechtsbereich überlässt das Völkerrecht dem innerstaatlichen Recht. Dort ist sie eine Frage des Verfassungsrechts.720 2. Allgemeine Regeln des Völkerrechts 266 Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts sind Bestandteil des Bundesrechts. Sie gehen den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebiets, Art. 25 GG (Rz. 143). Allgemeine Regeln des Völkerrechts sind das universell geltende Völkergewohnheitsrecht sowie die allgemeinen Rechtsgrundsätze (general principles of law recognized by civilized nations).721 Zur Entstehung von Völkergewohnheitsrecht ist grundsätzlich eine ausreichende Staatenpraxis (usus), d.h. eine dauernde und einheitliche Übung eine Frage des kantonalen Rechts, soweit kein Staatsvertrag des Bundes oder andere bundesrechtliche Bestimmungen anwendbar sind.“ 719 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1729. Anders jedoch die herrschende Meinung, BGH vom 14.10.1981, BGHZ 82, 34 = NJW 1982, 517 = FamRZ 1982, 44 = MDR 1982, 126 = IPRax 1983, 37 (Kegel 22) = IPRspr. 1981 Nr. 192; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 7 § 1 Fam RÄnG Rz. 9; Stein/Jonas/Roth, ZPO22, 2006, § 328 Rz. 153. 720 Näher Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, §§ 858, 863. Siehe auch z.B. Dörr JZ 2004, 574, 575. 721 Art. 38 I (c) des IGH-Statuts vom 26.6.1945, BGBl. 1973 II 505. Hierzu z.B. Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006, 147.
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IZPR und Grundgesetz unter weitgestreuter und repräsentativer Beteiligung erforderlich. Diese Praxis muss von der opinio iuris sive necessitatis getragen sein; d.h. erforderlich ist die Auffassung, im Rahmen des völkerrechtlich Gebotenen und Erlaubten oder des Notwendigen zu handeln.722 Wenn auch die Völkerrechtsnorm sich an den Staat (Völkerrechtssubjekt: Bundesrepublik Deutschland) als Adressaten wendet, so wird sie doch aufgrund Art. 25 GG Bestandteil des innerstaatlichen objektiven Rechts und daher im Zivilprozess wie in sonstigen Verfahren entscheidungserheblich. Ihre unmittelbaren Auswirkungen können sich u.U. noch steigern, wenn einer Privatperson aus ihr ein subjektives Recht erwächst, sie also aufgrund der transformierten völkerrechtlichen Norm einen Anspruch gegenüber einer anderen Privatperson oder gegenüber dem Staat geltend machen kann (unmittelbare Anwendbarkeit i.e.S.).723
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Mit dieser Differenzierung hat sich das Bundesverfassungsgericht im Botschafts- 268 konten-Fall ausführlich auseinander gesetzt.724 Die (von ihm festgestellte) allgemeine Regel des Völkerrechts (über die Grenzen der Zwangsvollstreckung gegen fremde Staaten) begründe ausschließlich Rechte und Pflichten im Verhältnis der Staaten untereinander, nicht jedoch subjektive Rechte oder Pflichten (privater) Einzelner. Gleichzeitig sei aber die allgemeine Regel kraft Art. 25 Satz 1 GG als solche mit ihrer jeweiligen Tragweite Bestandteil des objektiven (in Deutschland geltenden) Rechts; sie könne je nach Sachlage Rechtswirkungen für oder gegen (private) Einzelne haben. So könne im Hinblick auf das Bestehen oder Nichtbestehen der deutschen Gerichtsbarkeit ein von ihnen initiiertes Vollstreckungsverfahren oder die Art und Weise einer Vollstreckungsmaßnahme zulässig oder unzulässig sein. Weiter führt das Bundesverfassungsgericht aus: „. . . Vorlagen nach Art. 100 II 269 GG sind auch dann zulässig, wenn die völkerrechtliche Regel ihrem Inhalt nach nicht geeignet ist, unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen zu erzeugen, sondern sich nur an Staaten oder ihre Organe als Normadressaten wendet . . . Wenn Art. 25 S. 2, 100 II GG davon sprechen, dass die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Rechte und Pflichten unmittelbar für den Einzelnen erzeugen, so sind damit einmal jene Fälle gemeint, in denen eine allgemeine Regel des Völkerrechts selbst nach ihrem Inhalt und Adressatenkreis unmittelbar, d.h. ohne einen weiteren normativen Akt etwa des innerstaatlichen Gesetzes- oder Verordnungsrechts, mithin bereits auf der Ebene des allgemeinen Völkerrechts subjektive Rechte oder Pflichten des privaten Einzelnen begründet. Aus Ziel und Zweck der Art. 25, 100 II GG ergibt sich indes, dass über diese Art allgemeiner 722 Nachweise bei BVerfG vom 10.6.1997, BVerfGE 96, 68 = NJW 1998, 50, 53 sowie bei BVerfG vom 6.12.2006, RIW 2007, 206, 208 Rz. 33 = NJW 2007, 2605 = IPRax 2007, 438 (von Hein 399) = IPRspr. 2006 Nr. 106. 723 Verdross/Simma a.a.O. § 864. 724 BVerfG vom 13.12.1977, BVerfGE 46, 362 = NJW 1978, 485 (Bleckmann 1092) = ZaöRV 38 (1978), 245 = RIW 1978, 122 (Seidl-Hohenveldern) = IPRspr. 1977 Nr. 117. Siehe auch den parallelen österreichischen Botschaftskontenfall: österr. OGH vom 30.4.1986 JBl. 1986, 733; Leitsatz auch abgedruckt bei Neuhold/Hummer/Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. II D 92 S. 169.
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Erster Teil: Grundlegung Regeln hinaus für ein Vorlageverfahren auch jene allgemeinen Regeln des Völkerrechts in Betracht kommen, die nach ihrem Regelungsgehalt und Adressatenkreis subjektive Rechte oder Pflichten des privaten Einzelnen auf der Ebene des Völkerrechts nicht begründen oder verändern, sondern sich dort ausschließlich an Staaten oder sonstige Völkerrechtssubjekte richten. Kraft des generellen Rechtsanwendungsbefehls, den Art. 25 S. 1 GG erteilt hat, sind auch diese Art allgemeiner Regeln des Völkerrechts in ihrer jeweiligen Tragweite als Bestandteil des Bundesrechts mit Vorrang vor den Gesetzen von allen rechtsetzenden und rechtsanwendenden Organen der Bundesrepublik Deutschland als Normen objektiven Rechts zu beachten und je nach Maßgabe ihres Tatbestands und Regelungsgehalts anzuwenden. Der private Einzelne – wie der fremde Staat – kann sich im Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen des jeweiligen Verfahrensrechts auch auf diese allgemeinen Regeln des Völkerrechts ebenso ‚berufen‘ wie auf sonstiges objektives Recht, wiewohl sie in diesem Rahmen auch ohne solche Berufung von Amts wegen zu beachten sind. Sie können sich – je nach ihrem Inhalt und in der Regel als Vorfrage – auf das rechtliche Begehren des Einzelnen als objektives Recht auswirken und damit entscheidungserheblich sein. In diesem Sinne können auch sie Rechtswirkungen für und gegen den Einzelnen erzeugen . . .“725 3. Sonstige Regeln des Völkerrechts 270 Regionales und partikuläres Völkergewohnheitsrecht fällt nicht unter Art. 25 GG. 4. Völkerrechtliche Verträge 271 Für Staatsverträge kann Art. 25 GG anwendbar sein, wenn sie allgemeine Regeln des Völkergewohnheitsrechts kodifizieren. Im Übrigen siehe Rz. 223.726
VIII. Pflicht zur Anwendung ausländischen Rechts 271a Soweit das allgemeine Völkergewohnheitsrecht die Anwendung ausländischen Rechts vorschreibt (Rz. 168, 175), ist diese Verpflichtung gemäß Art. 25 GG transformiert. Sowohl die Präambel und die Art. 1 II, 24 und 25 GG als auch die das Verfassungssystem insgesamt kennzeichnenden Prinzipien des Pluralismus und der Toleranz lassen erkennen, dass die Verfassung andere Staaten als gleichberechtigte Glieder der Völkerrechtsgemeinschaft anerkennt und deren eigenständige Rechtsordnung respektiert, Rz. 249a. Aus dieser Grundeinstellung folgt aber noch keine Verpflichtung zur uneingeschränkten Anwendung fremden
725 Vgl. auch KG vom 1.7.1983, WuW 1984, 233 = WM 1984, 1195 = IPRspr. 1985 Nr. 124b; KG vom 26.6.2002, KG-Report Berlin 2002, 356; Hoffmann NJW 1988, 588; Herdegen NJW 1988, 596. 726 Siehe auch BVerfG vom 13.5.1996, BVerfGE 94, 315, 328; Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 96.
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IZPR und Grundgesetz Rechts auf Sachverhalte mit Auslandsbeziehung; insbesondere müssen die Grundrechte nicht zurücktreten.727
IX. Keine Bindung der Gerichte an die Rechtsmeinung der Regierung zu völkerrechtlichen Fragen Die Gerichte sind an die Rechtsmeinung der Regierung zu völkerrechtlichen Fragen nicht gebunden, Rz. 522. Siehe aber auch Rz. 244d.728
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Dies geht sogar so weit, dass die Gerichte von der Existenz eines fremden Staates 273 vor dessen Anerkennung durch die eigene Regierung ausgehen können. Sie sind – anders als etwa die britischen Gerichte und die US-Gerichte729 – nicht verpflichtet, der Anerkennungspraxis der Regierung zu folgen; sie können vielmehr in freier Beweiswürdigung darüber entscheiden, ob ein noch nicht anerkanntes Gebilde bereits ein Staat ist.730
X. Feststellungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts zu Fragen des Völkerrechts Ist in einem Rechtsstreit zweifelhaft, ob eine allgemeine Regel des Völker- 274 rechts731 Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt (Art. 25 GG), so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, Art. 100 II GG; Rz. 523.732 Dies gilt nicht für das Verfahren zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe, da hier nur
727 BVerfG vom 4.5.1971, BVerfGE 31, 58 (Spanier-Beschluss) = NJW 1971, 1500 = RabelsZ 36 (1972), 145 = IPRspr. 1971 Nr. 39; KG vom 1.7.1983, WuW 1984, 233 = WM 1984, 1195 = IPRspr. 1985 Nr. 124b (Rz. 169a). 728 R. Geimer ZfRV 1992, 414. 729 Nachweise bei Wengler, Internationales Privatrecht in RGR-Kommentar12, VI, 1981, § 7 Anm. 40, 722 und 1291; Sturm JR 1987, 493; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 284. 730 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 968. Zur Problematik, wenn ein Staat „mit zwei Zungen spricht“, von Mangoldt BerDGVR 29 (1988) 51 Fußn. 48. 731 Anders, wenn es um partikulares Völkerrecht oder Völkervertragsrecht geht, BVerfG vom 12.12.2000, NJW 2001, 1848 = NStZ 2001, 240 = JZ 2001, 975 (Kadelbach). Zu den für eine allgemeine Regel des Völkerrechts relevanten Kriterien (usus et opinio juris sive necessitatis) BVerfG vom 6.12.2006, RIW 2007, 206, 208 Rz. 31 = NJW 2007, 2605 = IPRax 2007, 438 (von Hein 399) = IPRspr. 2006 Nr. 106. 732 Hervorzuheben sind z.B. aus der bisherigen Rechtsprechung die Entscheidungen zur Frage der Staatenimmunität: vom 30.10.1962 (BVerfGE 15, 25 „Gesandtschaftsgrundstück“), vom 30.4.1963 (BVerfGE 16, 27 „Heizungsreparatur“ = NJW 1963, 1732 = IPRspr. 1962/63 Nr. 171), vom 13.12.1977 (BVerfGE 46, 342 „Botschaftskonto“), vom 12.4.1983 (BVerfGE 64, 1 „Nationale Iranische Ölgesellschaft“) sowie vom 10.6.1997 (BVerfGE 96, 68 = NJW 1998, 50 „keine erga omnes-Wirkung der fortdauernden Diplomatenimmunität für dienstliches Handeln außerhalb des Empfangsstaates“).
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Erster Teil: Grundlegung über hinreichende Aussicht auf Erfolg der Klage/des Antrags zu entscheiden ist.733 275 Auch Beweisbeschlüsse sind Entscheidungen, für welche die Vorlagefrage entscheidungserheblich ist, wenn die vorgesehene Beweiserhebung die Gefahr einer Völkerrechtsverletzung (z.B. Immunitätsfragen) gegenüber dem fremden Staat in sich birgt.734 276 Eine Vorlagepflicht nach Art. 100 II GG besteht bei – objektiv gesehen – ernstzunehmenden Zweifeln, ob es eine Völkerrechtsregel gibt, ob sie „allgemein“ ist und welchen konkreten Inhalt oder welche Tragweite sie hat.735 Dies gilt nicht schon, wenn unter den Prozessparteien gegenteilige Auffassungen vertreten werden und eine von ihnen Zweifel an der Verbindlichkeit völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts äußert.736 Das Fachgericht muss jedoch nur dann vorlegen, wenn die (zweifelhaften) völkerrechtlichen Fragen entscheidungserheblich sind.737 Der Prüfungsumfang des Bundesverfassungsgerichts erfasst Existenz, Rechtscharakter, Tragweite und Bindungskraft einer allgemeinen Regel des Völkerrechts, nicht jedoch die Feststellung der Tatsachen und deren Bewertung im konkreten Einzelfall. Letzteres ist Aufgabe des Fachgerichts.738 277 Liegen die Voraussetzungen des Art. 100 II GG vor, muss das Gericht an das Bundesverfassungsgericht vorlegen, auch wenn zu derselben Frage bereits eine Verfassungsbeschwerde anhängig ist.739 278 Das Unterlassen der Anrufung des Bundesverfassungsgerichts stellt einen Verstoß gegen Art. 101 I 2 GG dar, wenn es auf Willkür beruhte.740 Ein Gericht, das
733 OLG Hamburg vom 6.9.1985, IPRax 1986, 153 = IPRspr. 1985 Nr. 152. Vgl. auch die restriktive Handhabung des Art. 100 II GG durch das LG Frankfurt/Main vom 22.7.1999, IPRspr. 2000 Nr. 107 sowie LG Frankfurt/Main vom 23.5.2000, RIW 2001, 308 = IPRspr. 2000 Nr. 107; KG vom 26.6.2002, KGReport Berlin 2002, 356. 734 BVerfG vom 13.12.1977, BVerfGE 45, 342 = AWD 1978, 122 (Seidl-Hohenveldern) = NJW 1978, 485 = ZaöRV 38 (1978), 245 = IPRspr. 1977 Nr. 117. 735 BVerfG vom 12.12.2000, NJW 2001, 1848 = NStZ 2001, 240 = JZ 2001, 975 (Kadelbach); Bockslaff NJW 1984, 2742; zu eng LAG Hamburg vom 30.1.1978, IPRspr. 1978 Nr. 132; KG vom 1.7.1983, WuW 1984, 233 = WM 1984, 1195 = IPRspr. 1985 Nr. 124b (Rz. 169a). 736 BGH vom 26.9.1978, NJW 1979, 1101 = WM 1979, 856 = MDR 1979, 483 = IPRspr. 1978 Nr. 133. 737 BVerfG vom 2.2.1999, BVerfGE 100, 209, 210 = NJW 1999, 2106. Zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen des Art. 100 II GG siehe auch Stadler, Pacta sunt servanda – auch im Falle argentinischer Staatsanleihen, IPRax 2008, 405, 407. 738 BVerfG vom 8.2.2006, NJW 2006, 2907, 2908; OLG Frankfurt vom 13.6.2006, NJW 2006, 2931, 2933 mit weiteren Nachweisen. 739 Anderer Auffassung OLG Frankfurt vom 4.5.1982, RIW 1982, 440 = IPRax 1983, 68 (Albert 55). Vgl. auch Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, Einl. Rz. 108. 740 BVerfG vom 12.4.1983, BVerfGE 64, 1, 12 = NJW 1983, 2766 = RIW 1983, 613 (SeidlHohenveldern) = IPRax 1984, 196 (Stein 179) = IPRspr. 1983 Nr. 127; BVerfG vom 17.7.1985, NJW 1986, 1427; BVerfG vom 16.6.1987, NJW 1988, 1015; BVerfG vom 9.11.1987, NJW 1988, 1456; BVerfG vom 10.6.1997, BVerfGE 96, 68 = NJW 1998, 50;
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IZPR und Grundgesetz die Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts unterlässt, obwohl hinsichtlich des Bestehens oder der Tragweite einer allgemeinen Regel des Völkerrechts – objektiv gesehen – ernstzunehmende Zweifel bestehen, verletzt das Recht auf den gesetzlichen Richter.741 Art. 100 II GG will im Interesse der Rechtssicherheit divergierende Entscheidungen von Gerichten verhindern und Verstößen deutscher Gerichte gegen allgemeine Regeln des Völkerrechts vorbeugen. Daher ist in allen Rechtsstreitigkeiten, in denen Geltung oder Tragweite einer allgemeinen Regel des Völkerrechts zweifelhaft sind, eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Für lediglich rechtsirrtümliche Verstöße gegen die Vorlagepflicht, die nicht Art. 101 I GG verletzen, bleibt hiernach nur ein geringer Raum.742 Die fachgerichtliche Feststellung zum entscheidungserheblichen Sachverhalt 279 (zur Frage, ob das Fachgericht hätte vorlegen müssen) wird im Allgemeinen vom Bundesverfassungsgericht nur darauf überprüft, ob sie sachlich vertretbar und damit frei von Willkür erscheint. Angesichts seiner Aufgabe, Verletzungen des Völkerrechts nach Möglichkeit zu verhindern oder zu beseitigen,743 prüft es jedoch gerichtliche Tatsachenfeststellungen und -würdigungen, die zur Nichtanwendung einer allgemeinen Regel des Völkerrechts und einer hieraus folgenden völkerrechtlichen Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland führen könnten (Rz. 193 ff.), besonders streng.744 Das Bundesverfassungsgericht ist – aus völkerrechtlicher Sicht – (nur) ein innerstaatliches Gericht. Auch eine Völkerrechtsfehlinterpretation des Bundesverfassungsgerichts wäre ein Völkerrechtsdelikt und führte zur völkerrechtlichen Haftung der Bundesrepublik Deutschland, Rz. 193.745
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Exkurs: Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) ist gesetzlicher Richter im 281 Sinne von Art. 101 I 2 GG. Verletzt ein deutsches Gericht seine Vorlagepflicht gemäß Art. 267 AEUV/Art. 68, 234 EGV bzw. dem Auslegungsprotokoll zum EuGVÜ, so ist unter den in Rz. 278 genannten Voraussetzungen eine Verfassungsbeschwerde erfolgreich, Rz. 246s.746
741 742
743 744 745 746
BVerfG vom 12.12.2000, NJW 2001, 1848 = NStZ 2001, 240 = JZ 2001, 975 (Kadelbach). Art. 101 I 2 GG. BVerfGE 64, 1, 12 = NJW 1983, 2766; BVerfG vom 17.7.1985, NJW 1986, 1427; BVerfG vom 16.6.1987, NJW 1988, 1015. Zur Frage, ob die Verletzung der Pflicht zur Vorlage nach Art 234 EGV (auch) im Rahmen des Anhörungsrüge (§ 321a ZPO) geltend gemacht werden kann, BGH vom 19.1.2006, BGH-Report 2006, 671. BVerfG vom 23.6.1981, BVerfGE 58, 34 = NJW 1982, 507. BVerfG vom 17.7.1985, NJW 1986, 1427. Schlosser ZZP 79 (1966), 182. BVerfG vom 27.8.1991, BVerfG RIW 1991, 957; BVerfG vom 9.1.2001, ZIP 2001, 350. Siehe auch Fastenrath, Der Europäische Gerichtshof als gesetzlicher Richter, in Festschrift Ress, 2005, 461 sowie oben Rz. 246k.
143
Erster Teil: Grundlegung
XI. Kein Anspruch auf diplomatischen Schutz 281a Das Grundgesetz kennt keinen Anspruch (des Einzelnen gegen den Staat) auf diplomatischen Schutz (Rz. 135). Der Einzelne hat jedoch Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, Art. 3 I GG.747
XII. Grundrechtsschutz gegen nichtdeutsche Rechtsprechungsakte 281b Beschwerdegegenstand im Verfahren der Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht sind grundsätzlich nur Hoheitsakte deutscher öffentlicher Gewalt. Jedoch können auch Akte nichtdeutscher Hoheitsgewalt, d.h. ausländischer oder internationaler bzw. europäischer Gerichte, die Grundrechtsberechtigten in Deutschland betreffen. Auch gegenüber solchen Rechtsprechungsakten gewährt das Bundesverfassungsgericht Grundrechtsschutz via Verfassungsbeschwerde. 281c Dieser Grundsatz wurde zunächst in Bezug auf EG-Sekundärrechtsakte748 entwickelt, sodann auf Rechtsakte internationaler Organisationen ausgedehnt, die Grundrechtsberechtigte betreffen können.749 Dies gilt aber nur in den Fällen des Art. 24 GG, d.h. wenn eine Übertragung von Hoheitsrechten mit Durchgriffswirkung gegenüber den Bürgern und Bewohnern der Mitgliedstaaten stattgefunden hat; eine mittelbare und lediglich tatsächliche Betroffenheit genügt nicht.750 281d Bisher ist kein Fall bekannt, in dem eine Verfassungsbeschwerde gegen einen nichtdeutschen Rechtsprechungsakt erfolgreich war. Aktuell wird die Fragestellung jedoch, falls das Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde gegen einen europäischen Vollstreckungstitel751 zulassen sollte, weil es die Grenzen seiner Solange-Rechtsprechung als überschritten ansieht. Allerdings wird das Bundesverfassungsgericht – um einen offenen Konflikt mit dem EuGH zu vermeiden – wohl diese Frage offen lassen, weil es die (drohende) deutsche Vollstreckungsmaßnahme (§ 1082 ZPO) als (alleinigen) Beschwerdegegenstand deklarieren könnte. Jedoch dürfte auch eine solche mittelbare Kontrolle des europäischen Vollstreckungsbefehls gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen, weil dieses eine Kontrolle des europäischen Vollstreckungstitels ausschließlich in seinem Ursprungsstaat vorsieht. Daraus resultiert das sekundärrechtliche Verbot der Kontrolle in den anderen Mitgliedstaaten (Art 5, 20 ff. EuVTVO).752
747 Doehring, Die Pflicht des Staates zur Gewährung diplomatischen Schutzes, 1959, 25, 89, 126; Ress ZaöRV 32 (1972), 450; Peter, Umweltschutz am Hochrhein, 1987, 208; R. Geimer ZfRV 1992, 401. 748 BVerfGE 89, 155, 175 = NJW 93, 3047. 749 BVerfG NJW 2001, 2705. 750 BVerfG NJW 2006, 2908, 2909. 751 Das Gleiche gilt für den Europäischen Mahnbescheid und die sonstigen ohne Exequatur (Art. 38 ff. EuGVVO, Art. 28 ff. EuEheVO) europaweit vollstreckbaren Titel, Rz. 3198c ff. 752 Anderer Auffassung wohl Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht2, 2006, – Einl. EG-VollstrTitelVO Rz. 33 ff.
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IZPR und Grundgesetz Derzeit gibt es aber schon Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, die 281e sich mit der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Verlagerung und damit der (behaupteten) Beeinträchtigung von Klage- und Rechtsschutzmöglichkeiten befassen.753 Es ging dabei z.B. um Konstellationen im Zusammenhang mit der gerichtlichen Überprüfung von durch EUROCONTROL in Rechnung gestellten Gebühren für die Inanspruchnahme von Flugsicherungsdiensten. Die Europäische Organisation zur Sicherung der Luftfahrt in Brüssel ist eine von mehreren europäischen Staaten gegründete völkerrechtlich rechtsfähige internationale Organisation.754 Für Streitigkeiten über die von ihr festgesetzten Gebühren755 sollte Belgien756 ausschließlich international zuständig sein.757 Das Bundesverfassungsgericht758 stellte auf die Umstände des Einzelfalls ab. 281f Der Rechtsschutz durch die belgischen Handelsgerichte funktioniere prächtig. Die Rechtsstaatlichkeit der belgischen Justiz sei über jeden Zweifel erhaben. Deshalb sei gegen den Ausschluss der Rechtsschutzmöglichkeiten in Deutschland von Verfassungs wegen nichts einzuwenden. Jedoch ließ es keinen Zweifel daran, dass es sich vorbehält, die Qualität des von dem ausländischen Staat759 bzw. der internationalen Organisation angebotenen Rechtsschutzes zu überprüfen. Art. 24 I GG, der die Übertragung von Hoheitsbefugnissen auf zwischenstaatliche Einrichtungen ausdrücklich760 vorsieht, sei kein Freibrief und keine 753 Zum Folgenden R. Geimer ZfRV 1992, 333. 754 Deutsches Zustimmungsgesetz vom 14. Dezember 1962, BGBl. II 2273. 755 Diese wurden vom EuGH (Urteil vom 14.10.1976 – Rs 29/76 – LTU./.Eurocontrol, Slg.1976, 1541 = NJW 1977, 489) als öffentlich-rechtlich qualifiziert mit der Folge, dass das EuGVÜ nicht zur Anwendung kommt, Art. 1 I EuGVÜ. Vgl. auch BGH NJW 1978, 1113 = RIW 1978, 56 = IPRspr. 1977 Nr. 153.- Diese öffentlich-rechtliche Einordnung ist irrelevant; denn die Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts sind auch für den Verzicht auf zivilgerichtlichen Rechtsschutz übertragbar. 756 Konkret: Handelsgericht Brüssel. 757 BVerwGE 54, 291 [300 ff.] = NJW 1978, 1759 = IPRspr. 1977 Nr. 129. 758 BVerfGE 58, 1 = NJW 1982, 507 = JZ 1982, 145 mit Anm. (Gramlich) = ZaöRV 1982, 601 (Stein 596). Vgl. auch BVerfGE 59, 63 = NJW 1982, 512 = DVBl. 1982, 189 (Busch) 578 = DÖV 1982, 404 (Gramlich), wonach die Ausgestaltung des Rechtsschutzes für die Bediensteten der Eurocontrol und die Begründung der Gerichtsbarkeit des Verwaltungsgerichts der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden seien. Der VGH Mannheim (ESVGH 30, 20 = DVBl. 1980, 127 [Gramlich 459] = IPRspr. 1979 Nr. 150) hatte die internationale Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland verneint. Dagegen erhob der Betroffene Verfassungsbeschwerde; er vertrat die Auffassung, ihm müsse von Verfassungs wegen die Möglichkeit eingeräumt werden, den Rechtsweg zu den deutschen Gerichten zu beschreiten. 759 BVerfGE 63, 343 [378] zum österr.-deutschen Rechtshilfevertrag. Die Ausführungen zu Art. 19 IV GG sind auch auf die zivilgerichtliche Justizgewährungsgarantie übertragbar. 760 Dagegen gibt es keine spezielle Verfassungsnorm, die die Übertragung von Hoheitsrechten an einen fremden Staat regelt. Deren Zulässigkeit und Grenzen müssen aus den allgemeinen Verfassungsprinzipien abgeleitet werden. Wie Rauser (Die Übertragung von Hoheitsrechten auf ausländische Staaten, 1991, 55 ff.) überzeugend darlegt, folgt aus dem im Völkerrecht (souveräne Gleichhheit der Staaten) verankerten Prinzip der ausschließlichen Ausübung der staatlichen Hoheitsgewalt im Hoheitsgebiet eines jeden
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Erster Teil: Grundlegung Blankoermächtigung. Er eröffne nicht den Weg, „das Grundgefüge der Verfassung anzutasten.“ Hierzu gehöre auch ausreichender Rechtschutz. Dazu zählt das Bundesverfassungsgericht761 in seiner Entscheidung zum österreichischdeutschen Rechtshilfevertrag vom 11.9.1970: die Gewährleistung der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Gerichte, ein Mindestmaß an gehörigem Verfahren, insbesondere die Gewährleistung rechtlichen Gehörs und rechtskundigen Beistands, und eine angemessene Prüfungs- und Entscheidungsmacht der Gerichte in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Diese Postulate für die normative Ausgestaltung des ausländischen bzw. supranationalen Rechtsschutzes gehören zum rechtsstaatlichen Mindeststandard, der trotz aller Offenheit des Grundgesetzes für die zwischenstaatliche und supranationale Zusammenarbeit nicht geopfert werden darf.762 Insofern ist der völkerrechtliche Handlungsspielraum der Bundesrepublik Deutschland durch die Verfassung eingeengt. Dies bedeutet aber nicht, dass die Bundesregierung bei ihren Verhandlungen den in Deutschland üblichen „Rechtsprechungskomfort“ mit in der Regel dreistufigem Instanzenweg durchsetzen muss. 281g Fraglich ist vor allem, welche Abstriche von den in der Verfassung und in Art. 6 I EMRK enthaltenen Garantien für ein ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren gemacht werden dürfen. Unter den Standard des Art. 6 I EMRK zu gehen, erscheint schwer vorstellbar, ausgenommen Extremsituationen. Unverzichtbar ist demnach die Entscheidung der zivilrechtlichen Ansprüche durch ein unabhängiges und unparteiisches Gericht, innerhalb einer angemessenen Frist und unter Gewährung eines öffentlichen und fairen Verfahrens. Insbesondere darf der Grundsatz der Unparteilichkeit und des rechtlichen Gehörs nicht diplomatischen Rücksichten geopfert werden. Soweit die nationale Verfassung mehr verlangt als Art. 6 I EMRK, erscheint ein Verhandlungsspielraum eher möglich. So ist das strikte Gewaltenteilungsprinzip der deutschen Verfassung763 mitunter bei internationalen Verträgen lupenrein nicht durchzusetzen. Es ist nicht auszuschließen, dass das Bundesverfassungsgericht von seiner strengen Rechtsprechung zur Garantie des gesetzlichen Richters764 im internationalen Kontext Abstriche machen wird. Die mittlerweile stark reduzierte „Solange“- Rechtsprechung, mit der das Bundesverfassungsgericht seine Vorbehalte gegenüber dem Grundrechtsdefizit des europäischen Gemeinschaftsrechts zum Ausdruck brachte,765 ist hierbei nur bedingt heranzuziehen, weil sie für die europarechtliche Problematik zu speziell ist und sich daher auch schon zu stark verselbständigt hat.
761 762
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146
Staates innerstaatlich kein verfassungsrechtliches Gebot der Ausschließlichkeit oder „Einzigkeit“ der staatlichen Gewalt. Das GG hat sich vielmehr für die „offene Staatlichkeit“ entschieden. Einengend jedoch BVerfG vom 30.6.2009 (Vertrag von Lissabon). BVerfGE 63, 343 [378]. Sind sie in concreto – wie z.B. im österreichisch-deutschen Verhältnis – gegeben, dann bedarf es darüber hinaus keines ordre public-Vorbehalts für den konkreten Einzelfall, BVerfGE 63, 343 [378]. Art. 20 II, Art. 92 ff. GG. Art. 101 I 2 GG. BVerfE 37, 271 [280 ff.] – Solange I; BVerfGE 73, 339 – Solange II.
Anknüpfungspunkte
7. Kapitel: Anknüpfungspunkte I. Staatsangehörigkeit 1. Überblick Die Staatsangehörigkeit spielt als Anknüpfung im internationalen Verfahrensrecht eine viel geringere Rolle als im internationalen Privatrecht, Rz. 32.
282
Da, wo sie als Anknüpfung verwandt wurde/wird, war/ist sie oft deplatziert, so 283 z.B. in § 328 I Nr. 2 a.F. ZPO (weshalb soll das rechtliche Gehör nur für inländische Beklagte geschützt werden? Es handelt sich doch um ein Menschenrecht).766 Auch das Abstellen auf die Staatsangehörigkeit in § 110 ZPO a.F. (Ausländersicherheit) war rechtspolitisch verfehlt. Eine Bevorzugung deutscher Staatsangehöriger ist nicht gerechtfertigt, Rz. 2004.
284
Im Anerkennungsrecht spielt die Staatsangehörigkeit nur – wenn überhaupt – 285 eine marginale Rolle, im Kompetenzrecht ist sie nur in Statussachen (§§ 98 ff. FamFG) und in Erbschaftsprozessen (competentia de cujus, § 27 II ZPO)767 von Bedeutung. Zur Behandlung von Doppelstaatern siehe unten Rz. 1327.
286
2. Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit Maßgebend ist das Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG).768 Entscheidend ist die jeweilige Gesetzeslage zum Zeitpunkt der Erfüllung des jeweiligen Tatbestandes, z.B. Geburt, Heirat oder Adoption. Deshalb ist vielfach auch auf ältere Fassungen des Gesetzes zurückzugreifen.
287
Derzeit wird die deutsche Staatsangehörigkeit erworben:
288
a) durch Geburt erwirbt das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn zu diesem Zeitpunkt ein Elternteil Deutscher ist, § 4 I StAG. Auf die Effektivität der deutschen Staatsangehörigkeit des deutschen Elternteils kommt es nicht an.769 Bei nicht mit einander verheirateten Eltern gilt: Ist bei Geburt des Kindes nur der Vater Deutscher und ist zur Begründung der Abstammung nach § 1592 BGB 766 R. Geimer NJW 1973, 2143. 767 Birk in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Art. 25 EGBGB Rz. 308; Staudinger/Dörner, Internationales Erbrecht – Art. 25, 26 EGBGB, Neubearbeitung 2007, Art. 25 Rz. 778; LG Hamburg vom 28.10.1993, FamRZ 1994, 403 = IPRspr. 1994 Nr. 135a; LG Hamburg vom 28.4.1994, NJW-RR 1994, 1098 = FamRZ 1994, 1490 = IPRspr. 1994 Nr. 135b. Zur Erweiterung des Gerichtsstands der Erbschaft durch § 28 ZPO OLG Schleswig vom 12.4.2007, MDR 2007, 1200. 768 In der Fassung des StAG-Reformgesetzes vom 15.7.1999 (BGBl. I 1618). Umfangreiche Nachweise zum deutschen Staatsangehörigkeitsrecht z.B. bei Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 606a ZPO Rz. 54. 769 BVerwG vom 2.5.1988, NJW 1988, 2196.
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Erster Teil: Grundlegung die Anerkennung bzw. Feststellung der Vaterschaft erforderlich, so ist für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit die Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft erforderlich, § 4 I 2 StAG.770 288a Bei Geburt im Ausland wird anders als früher die deutsche Staatsangehörigkeit durch den deutschen Elternteil, der nach dem 31.12.1999 im Ausland geboren wurde und dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt (nicht unbedingt im Geburtsstaat) hat, nur noch vermittelt, wenn der deutsche Elternteil die Geburt innerhalb eines Jahres der zuständigen deutschen Auslandsvertretung anzeigt, es sei denn, das Kind würde sonst staatenlos, § 4 IV StAG. Sind beide Eltern deutsche Staatsangehörige, so gilt dies nur dann, wenn beide die vorgenannten Voraussetzungen (Geburt im Ausland und gewöhnlicher Aufenthalt außerhalb Deutschlands) erfüllen. 288b Durch die Geburt im Inland erwirbt seit 1.1.2000 ein Kind ausländischer Eltern die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und eine Aufenthaltsberechtigung oder seit drei Jahren eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis besitzt, § 4 III StAG.771 Bei dadurch eintretender Doppelstaatsangehörigkeit muss nach Erreichen der Volljährigkeit für eine Staatsangehörigkeit optiert werden, § 29 StAG. 288c Vor dem 1.4.1953 (d.h. vor Inkrafttreten des Art. 3 II GG) geborene eheliche Kinder können nach damals geltendem Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz (RuStAG) mit der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit nur vom Vater erworben haben.772 288d Für die in der Zeit vom 1.4.1953 bis zum 31.12.1974 geborenen ehelichen Kinder deutscher Mütter bestand nach Art. 3 des RuStAG-Änderungsgesetzes vom 20.12.1974773 die Möglichkeit, die deutsche Staatsangehörigkeit durch Erklärung zu erwerben.774 Minderjährige Kinder wurden bei der Abgabe der Erklärung durch den Inhaber der Personensorge vertreten. Unter Ausschaltung des internationalen Privatrechts waren hierfür die Vorschriften des BGB maßgebend, Art. 3 V RuStAG-ÄndG. Ein nicht vertretungsberechtigter Elternteil bedurfte zur Abgabe der Erklärung der Genehmigung des Vormundschaftsgerichts; Versagung war nur dann zulässig, wenn das Wohl des Kindes es gebot.775 Die Erklärungsfrist endete am 31.12.1977, Art. 3 VI RuStAG-ÄndG. Bei unverschuldeter Verhinderung ist nachträgliche Abgabe noch zulässig, Art. 3 VII RuStAG-ÄndG.776
770 Vor dem 1.7.1993 geborene Kinder eines deutschen Vaters und einer ausländischen Mutter können vor Vollendung des 23. Lebensjahres nach Maßgabe von § 5 StAG die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben. 771 Bis zum 31.12.2000 konnten Kinder unter zehn Jahren die deutsche Staatsangehörigkeit unter den Voraussetzungen des § 4 III StAG durch Erklärung erwerben, § 40b StAG. 772 BVerwG vom 21.5.1985, BVerwGE 71, 301 = IPRspr. 1985 Nr. 82. 773 BGBl. I 3714. 774 Hierzu OVG Berlin vom 19.7.1979, FamRZ 1980, 1056. 775 BayObLG vom 25.4.1978, BayObLGZ 1978, 97. 776 Fuchs FamRZ 1981, 422.
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Anknüpfungspunkte b) durch Erklärung: Vor dem 1.7.1993 geborene Kinder eines deutschen Vaters und einer ausländischen Mutter können vor Vollendung des 23. Lebensjahres nach § 5 StAG durch die Erklärung, deutscher Staatsangehöriger werden zu wollen, die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben, wenn eine nach deutschen Gesetzen wirksame Anerkennung oder Feststellung der Vaterschaft erfolgt ist und das Kind seit drei Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat.777 c) durch Annahme als Kind durch einen Deutschen, sofern das angenommene Kind zum Zeitpunkt des Annahmeantrags das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, § 6 StAG.778 Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit erstreckt sich auf die Abkömmlinge des angenommenen Kindes. d) durch Einbürgerung, § 7 ff. StAG, §§ 85 ff. AusländerG, auch durch Behörden der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik.779 Ab 3.10.1990 gilt Art. 19 des Einigungsvertrages. Kein Erwerbsgrund ist Heirat eines bzw. einer Deutschen, jedoch erleichtert sie die Einbürgerung, § 9 StAG.
289
Die für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit relevanten Vorfragen 290 (Abstammung, Annahme als Kind) sind nach der vom deutschen internationalen Privatrecht bestimmten Rechtsordnung zu entscheiden.780 3. Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit a) Entlassung, §§ 18 ff. StAG;
291
b) Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit auf Antrag durch einen Deutschen ohne inländischen Wohnsitz (einschließlich ehemaliger Deutscher Demokratischen Republik),781 § 25 StAG. Jedoch kann Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit erteilt werden, § 25 II StAG. Bei Minderjährigen kommt es darauf an, ob sie nach dem (aus deutscher IPR-Sicht) maßgeblichen Recht wirksam vertreten waren. Daher kein Verlust der deutschen 777 Früher kam es auf die Legitimation durch einen Deutschen an, § 5 RuStAG. Umstritten war, wie die zivilrechtliche Vorfrage der Legitimation anzuknüpfen war, hierzu Mansel, Personalstatut, Staatsangehörigkeit und Effektivität, 1988, Rz. 248 ff., Sonnenberger BerDGVR 29 (1988), 15. 778 Maßgebend ist der Zeitpunkt der Antragsstellung, BVerwG vom 14.10.2003, NJW 2004, 1401. Nach altem Recht wurde die Frage der Minderjährigkeit nach dem Heimatrecht des Ausländers (Art. 7 I 1 EGBGB), nicht nach deutschem Recht (Art. 22 EGBGB) beurteilt, Hess. VGH vom 13.11.1984, StAZ 1985, 312 = IPRspr. 1984 Nr. 6; zur Kontroverse, ob auch „schwache“ ausländische Adoptionen die deutsche Staatsangehörigkeit vermitteln, von Mangoldt/Jayme BerDGVR 29 (1988), 104. 779 BVerfG NJW 1988, 1313 (Gussek 1304). 780 Herrschende Meinung, Nachweise bei Mansel, Personalstatut, Staatsangehörigkeit und Effektivität, 1988, Rz. 248, 253, 268 Fußn. 99, 109. Anderer Auffassung Rauscher StAZ 1986, 100. Vgl. auch BVerwG vom 6.12.1983, BVerwG IPRspr. 1983 Nr. 79 a.E.; BVerwG vom 17.12.1985, BVerwGE 72, 291 = NJW 1986, 1506 = JZ 1986, 1002 (von Mangoldt) = IPRspr. 1985 Nr. 5; hierzu Klein Jus 1987, 279. 781 KG vom 11.2.1983, NJW 1983, 2324 = IPRspr. 1983 Nr. 167. Zur Verfassungsmäßigkeit BVerfG vom 22.6.1990, NJW 1990, 2193.
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Erster Teil: Grundlegung Staatsangehörigkeit, wenn der Vater ausländische Staatsangehörigkeit beantragt hat, die Ehe jedoch – wegen fehlender Trauung vor dem Standesbeamten – nicht existent ist (Nichtehe);782 c) Verzicht bei Mehrstaatern, § 26 StAG; d) durch Annahme als Kind durch einen Ausländer, § 27 StAG; e) durch Eintritt in die Streitkräfte oder einen vergleichbaren bewaffneten Verband eines ausländischen Staates, § 28 StAG; f) durch Entscheidung für die ausländische Staatsangehörigkeit nach Erreichen der Volljährigkeit, § 29 StAG. Die Eheschließung mit einem Ausländer führt nicht zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit, auch wenn die Eheschließung nach dem ausländischen Staatsangehörigkeitsrecht die fremde Staatsangehörigkeit kraft Gesetzes vermittelt. Erwirbt der deutsche Ehegatte auf seinen Antrag die fremde Staatsangehörigkeit, so verliert er die deutsche unter den Voraussetzungen des § 25 StAG, d.h. bei fehlendem Wohnsitz im Inland. 4. Gleichgestellte Personen 292 a) Deutsche (Art. 116 GG): Soweit im deutschen Verfahrensrecht die Staatsangehörigkeit einer Person maßgebend ist, stehen deutschen Staatsangehörigen Deutsche im Sinne des Art. 116 I GG gleich („Statusdeutsche“), Art. 9 II Nr. 5 FamRÄndG.783 Jedoch dürften in der Praxis nur noch Übergangsprobleme auftauchen, weil nach § 40a StAG alle Deutschen im Sinne des Art. 116 GG am 1.8.1999 die deutsche Staatsangehörigkeit erworben haben. Für Spätaussiedler, deren nichtdeutsche Ehegatten und Abkömmlinge im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes gilt dies nur dann, wenn ihnen vor diesem Zeitpunkt eine Bescheinigung gemäß § 15 I oder II des Bundesvertriebenengesetzes erteilt worden ist. Nach dem 1.8.1999 erwirbt ein Deutscher die deutsche Staatsangehörigkeit mit der Ausstellung dieser Bescheinigung für sich und seine Kinder, § 7 StAG. 293 b) Verschleppte Personen und Flüchtlinge nach Maßgabe des AHK-Gesetzes 23 vom 17.3.1950, AHKBl. 140 in der Fassung des ÄndG vom 1.3.1951, AHKBl. 808.784 294 c) Heimatlose Ausländer nach dem Gesetz über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet vom 25.4.1951.785 782 BVerwG vom 21.5.1985, StAZ 1986, 139 = IPRspr. 1985 Nr. 57. 783 Vgl. auch BVerwG vom 21.5.1985, BVerwGE 71, 301 = IPRspr. 1985 Nr. 82 sowie die Nachweise bei Lass, Der Flüchtling im deutschen IPR, 1995, 30, 146; Erman/Hohloch, BGB12, 2008, Art. 5 EGBGB Rz. 39; Soergel/Kegel, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 5 EGBGB Anh Rz. 117. 784 Hierzu BGH vom 12.12.1984, NJW 1985, 1283 = IPRax 1985, 292 (von Bar 272) = IPRspr. 1984 Nr. 72; Erman/Hohloch, BGB12, 2008, Art. 5 EGBGB Rz. 69; Soergel/Kegel, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 5 EGBGB Anh Rz. 1. 785 BGBl. 269; West-Berliner (Parallel-) Gesetz vom 25.2.1952, GVBl. 926. Nachweise z.B. bei Erman/Hohloch, BGB12, 2008, Art. 5 EGBGB Rz. 73; Soergel/Kegel, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 5 EGBGB Anh Rz. 14.
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Anknüpfungspunkte d) Flüchtlinge im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) vom 28.7.1951.786
295
e) Asylberechtigte genießen nach § 2 des Asylverfahrensgesetzes787 die Rechtsstellung von Flüchtlingen nach der Genfer Flüchtlingskonvention (Rz. 295).788 Unberührt bleiben die Vorschriften, die dem Asylberechtigten eine günstigere Rechtsstellung einräumen.789
296
f) Kontingentflüchtlinge: Auf der Grundlage des (am 31.12.2004 außer Kraft ge- 297 tretenen) Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommener Flüchtlinge vom 22.7.1980790 hat Deutschland Flüchtlinge aufgrund Sichtvermerks der deutschen Auslandsvertretungen und aufgrund der Übernahmeerklärung des Bundesinnenministeriums aufgenommen. Damit ist eine Asylberechtigung nicht anerkannt. Um ihre Eingliederung zu erleichtern, wurde ihnen in § 1 des genannten Gesetzes die Rechtsstellung von Flüchtlingen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (Rz. 295) verliehen. Daran hat sich für die am 31.12.2004 in Deutschland lebenden Personen nichts geändert.791
786 BGBl. 1953 II 559, Erweiterungsprotokoll vom 31.1.1967, BGBl. 1969 II 1294, hierzu Erman/Hohloch, BGB12, 2008, Art. 5 EGBGB Rz. 75; OLG Hamm vom 20.2.1985, StAZ 1986, 134 = IPRspr. 1985 Nr. 72; Soergel/Kegel, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 5 EGBGB Anh Rz. 26 und 77; Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht10, 2000, Rz. 1306; Moser ÖJZ 1957, 58; Mansel, Personalstatut, Staatsangehörigkeit und Effektivität, 1988, Rz. 83, 284. Weitere Nachweise bei Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 – Vergemeinschaftung, Anwendungsbereich und insbesondere die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, 2004, Rz. 499. 787 BGBl. 1993 I 1361; 1997 I 1690. 788 Die Gerichte sind nach Maßgabe von § 4 AsylVfG an den (unanfechtbaren) positiven Feststellungsbescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge gebunden, nicht jedoch an einen ablehnenden Bescheid, Palandt/Thorn, BGB69, 2009, Anh 5 zu Art. 5 EGBGB Rz. 28. Hat ein Gericht begründete Zweifel an der Flüchtlingseigenschaft der in Betracht kommenden Person, so kann es lediglich nach § 148 ZPO sein Verfahren aussetzen und beim Bundesamt die Rücknahme bzw. den Widerruf der Anerkennung gemäß § 73 AsylVfG anregen, Wendehorst IPRax 1999, 276, 277. Anders ist die Rechtslage nach österreichischem Flüchtlingsrecht, österr. OGH vom 16.7.1998, IPRax 1999, 260. Hier können die Gerichte die Vorfrage der Flüchtlingseigenschaft bzw. Asylberechtigung incidenter prüfen und selbständig entscheiden. In Deutschland können die Gerichte nur ausnahmsweise eine solche Incidenzprüfung vornehmen, nämlich nur dann, wenn über Anerkennung der Asylberechtigung im deutschen Verwaltungsverfahren noch nicht endgültig entschieden ist, OLG Hamm vom 29.7.1991, NJW-RR 1992, 391 = FamRZ 1992, 551 = IPRspr. 1991 Nr. 74. 789 Nachweise bei Mansel, Personalstatut, Staatsangehörigkeit und Effektivität, 1988, Rz. 288. 790 BGBl. I 1057; geändert durch Gesetz vom 9.7.1990, BGBl. I 1354; hierzu Lass, Der Flüchtling im deutschen IPR, 1995, 64; Mansel, Personalstatut, Staatsangehörigkeit und Effektivität, 1988, Rz. 83, 289. 791 Art. 1 § 103 des Zuwanderungsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl. I 1950; siehe auch Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 606a ZPO Rz. 96.
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Erster Teil: Grundlegung
II. Wohnsitz 298 Die Anknüpfung an den Wohnsitz spielt vor allem im Kompetenzrecht eine überragende Rolle, Rz. 1138, 1265. Der Satz actor sequitur forum rei ist der Ausgangspunkt der deutschen internationalen Zuständigkeitsordnung und auch der meisten ausländischen.792
III. Gewöhnlicher Aufenthalt 299 Gewöhnlicher Aufenthalt ist das Land oder der Ort, in dem jemand längere Zeit den tatsächlichen Mittelpunkt seines Daseins und den Schwerpunkt seiner sozialen Bindungen hat, Rz. 1038a. Notwendig ist – im Gegensatz zum schlichten Aufenthalt – eine gewisse Regelmäßigkeit und Dauer sowie eine Beziehung zum jeweiligen Aufenthaltsort.793 Die bloße Eintragung in eine Einwohnerliste (zur Erlangung einer Ehescheidung z.B. in Mexiko oder Uruguay) begründet noch keinen gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des deutschen Rechts. Ein kurzfristiger Aufenthalt im Scheidungsstaat (um dort das Verfahren einzuleiten) reicht nicht aus. Vielmehr muss dort der Schwerpunkt der Bindungen der betreffenden Person liegen, z.B. Berufsausübung oder das Unterhalten einer Wohnung von einiger Bedeutung. Der Wille, den Aufenthaltsort zum Mittelpunkt der Lebensverhältnisse zu machen, ist nicht entscheidend.794 Es kommt vielmehr auf die objektiven Umstände an.795 Einen gewöhnlichen Aufenthalt können Minderjäh-
792 Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 120. Übertrieben Milleker, Der negative internationale Kompetenzkonflikt, 1975, 21, der von einem „Universalprinzip“ spricht und den Beklagtenwohnsitz/-aufenthalt für das „zentrale Anknüpfungselement des IZPR“ erklärt. 793 BGH vom 29.10.1980, BGHZ 78, 293 = NJW 1981, 520 = IPRspr. 1980 Nr. 94; OLG Hamburg vom 1.11.1985, IPRax 1986, 386 (Henrich 364) = IPRspr. 1985 Nr. 91. Nachweise z.B. bei Baetge, Der gewöhnliche Aufenthalt im IPR, 1994; Ploeckl, Umgangsrechtsstreitigkeiten im deutsch-französischen Rechtsverkehr. Bestehende internationale und nationale Regelungen und der geplante europäische Besuchstitel, Diss. Köln 2003, 179 ff. Ausführlich zum Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts nach europäischem Zivilverfahrensrecht Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 – Vergemeinschaftung, Anwendungsbereich und insbesondere die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, Diss. Köln 2004, Rz. 185 ff.; Dilger in Geimer/Schütze, Der internationale Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen (Nr. 545) Art. 3 EuEheVO Rz. 8 ff. sowie bei Staudinger/ Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 3 EheGVO Rz. 38 ff. 794 Fehlende Rückkehrmöglichkeit wegen fortbestehenden Haftbefehls im Staat des bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts kann diesen verdrängen, LG Karlsruhe vom 2.10.2003 IPRax 2005, 145 (Wilske/Kordts). 795 Vgl. auch § 9 der Abgabenordnung: „Den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Als gewöhnlicher Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes ist stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen; kurzfristige Unterbrechungen bleiben unberücksichtigt. Satz 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt aus-
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Anknüpfungspunkte rige auch gegen den Willen der Eltern bzw. des Personensorgeberechtigten haben.796 Bei Kindesentführung bleibt der bisherige Aufenthaltsort solange der gewöhnliche Aufenthalt, bis das Kind am neuen „sozial eingebunden“ ist. Bei Entführung ins Ausland werden strenge Anforderungen gestellt.797 Dagegen ist man sehr großzügig, wenn der sorgeberechtigte Elternteil den Wegzug ins Ausland veranlasst hat. Dann soll der neue gewöhnliche Aufenthalt grundsätzlich schon dann begründet sein, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Aufenthalt (im Ausland) auf eine längere Dauer angelegt ist und der neue Aufenthalt künftig anstelle des bisherigen Daseinsmittelpunkts sein soll.798 Die Rechtswidrigkeit des Aufenthaltes steht der Annahme eines gewöhnlichen 299a Aufenthaltes im Inland nicht entgegen, auch wenn eine Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung durch die Ausländerbehörde (§ 7 V AuslG) ergangen ist.799 Dies gilt erst recht für aus humanitären Gründen in Deutschland geduldete Flüchtlinge.800 Ein gewöhnlicher Aufenthalt an mehreren Orten ist denkbar, jedoch selten. Bei- 300 de Orte müssen über einen längeren Zeitraum regelmäßig aufgesucht werden und den Daseinsmittelpunkt bilden.801
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schließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur-, oder ähnlichen Zwecken genommen wird und nicht länger als ein Jahr dauert.“ BayObLG vom 19.7.1984, BayObLGZ 1984, 178 = FamRZ 1984, 1259 = IPRspr. 1984 Nr. 85. OLG Hamm vom 6.5.1985, IPRax 1986, 45 = IPRspr. 1985 Nr. 90; OLG Bamberg vom 28.3.1996, FamRZ 1996, 1224 = IPRspr. 1996 Nr. 92; OLG Stuttgart vom 30.4.1996, FamRZ 1997, 51 = IPRspr. 1996 Nr. 93; OLG Hamm vom 24.6.1996, NJW-RR 1997, 5 = IPRspr. 1996 Nr. 98; ausführlich zum gewöhnlichen Aufenthalt im Sinne des Haager Kindesentführungsübereinkommens (HKiEntfÜ) OLG Frankfurt FamRZ 2006, 883; BGH vom 14.8.2008, FamRZ 2008, 2223. Weitere Nachweise bei Mansel, Personalstatut, Staatsangehörigkeit und Effektivität, 1988, Rz. 310 und bei Holl, Funktion und Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts bei internationalen Kindesentführungen, 2000 sowie bei Graul, Die Tendenz zur Aufenthaltsanknüpfung im internationalen Kindschaftsrecht: Untersuchung der rechtspraktischen Konsequenzen einer Abkehr vom Staatsangehörigkeitsprinzip in den Art. 19 ff. EGBGB und im Haager Kinderschutzübereinkommen, Habil.-Schrift Leipzig 2002. KG vom 5.11.1997, NJW 1998, 1565 = IPRax 1998, 274, 275 (Henrich 247). Damit wird der Justizgewährungsanspruch im Inland massiv eingeschränkt, vor allem dann, wenn man auch noch eine perpetuatio fori verneint. Dies ist verfassungsrechtlich bedenklich. VGH Baden Württemberg vom 13.3.1985, FamRZ 1985, 1158 = IPRspr. 1985 Nr. 112. Anderer Auffassung AG Landstuhl vom 6.9.2001, FamRZ 2002, 1343 (kritisch Gottwald). Vgl. auch die Nachweise bei Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 3 EheGVO Rz. 80 sowie bei Zöller/ Geimer, ZPO27, 2009, § 606a Rz. 48. OLG Stuttgart vom 5.2.1996, IPRspr. 1996 Nr. 164. BayObLG vom 5.2.1980, BayObLGZ 1980, 52, 56 = FamRZ 1980, 883, 885 = IPRspr. 1980 Nr. 172; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 220. Weitere Nachweise bei Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 – Vergemeinschaftung, Anwendungsbereich und insbesondere die Anknüpfung an die Staats-
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Erster Teil: Grundlegung 301 Der Anknüpfungsbegriff „gewöhnlicher Aufenthaltsort“802 gewinnt mehr und mehr Bedeutung, insbesondere ist er in den Staatsverträgen und im europäischen Gemeinschaftsrecht im Vormarsch.803 So geht z.B. das Minderjährigenschutzabkommen vom Aufenthaltsprinzip aus ebenso die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 (EuEheVO, Rz. 245c). Anders jedoch die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 (EuGVVO) bzw. das EuGVÜ/LugÜ.804
IV. In- bzw. Ausland 302 Die Abgrenzung erfolgt nicht nach völker- bzw. staatsrechtlichen Gesichtspunkten, sondern danach, in welchem Gebiet die inländische Rechtsordnung (de facto) gilt.805 303 Deshalb konnte – mit gewissen Modifikationen – das internationale Verfahrensrecht auch interlokal (gegenüber der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik) angewandt werden. 304 Ob eine richterliche Entscheidung eine inländische oder ausländische ist, hängt davon ab, ob sie der inländischen oder ausländischen Staatsgewalt zuzurechnen ist. Maßgeblich ist nicht der Sitz des Gerichts (Territorialitätstheorie), sondern die funktionale Zuordnung der Ausübung von Staatsgewalt (Hoheitsgewaltstheorie). So sind die von deutschen Gerichten während der deutschen Okkupation in Polen erlassenen Urteile aus deutscher Sicht deutsche Urteile.806
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angehörigkeit, 2004, Rz. 496 ff. sowie bei Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 3 EheGVO Rz. 44. Hierzu z.B. Mörsdorf-Schulte in Schröder/Bergschneider (ed.), Familienvermögensrecht2, 2007, Rz. 11.65. Allerdings findet sich weder in Art. 8 ff. EuEheVO noch in den internationalen Verträgen (MSA, KSÜ, HKiEntfÜ) eine Definition des gewöhnlichen Aufenthalt. Man ist sich lediglich darüber einig, dass dieser zentrale Anknüpfungsbegriff nicht nach der lex fori, sondern autonom zu bestimmen ist. Jedoch dürfte eine solche autonome Qualifikation nur im Anwendungsbereich der EuEheVO praktisch realisierbar sein, da hier der EuGH als verbindliche Auslegungsinstanz fungiert. Im Anwendungsbereich der völkerrechtlichen Übereinkommen fehlt eine solche zentrale Institution mit der Folge, dass die nationalen Gerichte den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts verschieden abgrenzen. Während der deutsche Bundesgerichtshof ausschließlich tatsächliche Umstände (Schwerpunkt der Bindungen der betreffenden Person, Daseinsmittelpunkt) zur Auslegung heranzieht, ohne dass es auf den Willen, den Aufenthaltsort zum Mittelpunkt bzw. Schwerpunkt der Lebensverhältnisse zu machen, ankommt, wird in einer Vielzahl von Entscheidungen aus dem common law-Bereich mehr auf Willenselemente (settled intention) abgestellt. Dabei handelt es sich nicht – wie bei den Merkmalen der dauernden und sozialen Integration – um ein objektives, sondern um ein subjektives Merkmal, Nachweise bei OLG Frankfurt vom 15.2.2006, OLGR 2006, 878, 879; Ehrle, Anwendungsprobleme des HKÜ in der Rechtsprechung, Diss. Konstanz 2000; Holl, Funktion und Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts bei internationalen Kindesentführungen, Diss. Heidelberg 2001. R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 2 EuGVVO Rz. 17 ff. Hierzu Schütze JZ 1982, 636. OLG München vom 6.7.1970, RzW 1970, 496 = IPRspr. 1970 Nr. 108; anders Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 528.
Anknüpfungspunkte
V. Parteiautonomie Die Parteiautonomie spielt im internationalen Verfahrensrecht eine bedeutsame Rolle, insbesondere im Kompetenz- und Anerkennungsrecht, aber auch bei den Verfahrensmaximen bzw. der Verfahrensgestaltung.
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1. Kompetenzrecht Zuständigkeitsvereinbarungen sind zulässig. Auch das einseitige Verhalten des 306 Beklagten hat kompetenzrechtliche Bedeutung: Er kann sich der Jurisdiktion des an sich international unzuständigen Staates unterwerfen, § 39 ZPO, Art. 24 EuGVVO, Art. 18 EuGVÜ/LugÜ. 2. Zustellungsrecht Über die Modalitäten der Zustellung, insbesondere ins Ausland, können die Parteien Vereinbarungen treffen, Rz. 2101.
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3. Anerkennungsrecht Die Zuständigkeitsvereinbarung begründet auch die internationale Anerkennungszuständigkeit (§§ 328 I Nr. 1, 38 ZPO), Rz. 1805.
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Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Parteien vereinbaren können, Versagungsgründe, die nur dem Schutz einer Partei und nicht dem Schutz unmittelbarer Staatsinteressen dienen, nicht geltend zu machen.807
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4. Disponibilität des Verfahrens- und Beweisrechts Der Umstand, dass das Zivilprozessrecht zum öffentlichen Recht gehört, schließt 310 die Parteiautonomie nicht aus. So werden Verträge über die Verteilung der Beweislast, die Beweisvermutung, die Einschränkung der freien richterlichen Beweiswürdigung und über Beweismittelbeschränkungen für möglich gehalten.808 Daher können die Parteien grundsätzlich auch an die Stelle der inländischen Regelung die ausländische setzen.809 Allerdings gilt dies nicht grenzenlos: Beweismittel, die das deutsche Recht nicht kennt, können durch die Wahl ausländischen Rechts nicht eingeführt werden. Vgl. Art. 32 III 2 EGBGB bzw. nunmehr Art. 18 der Rom I-Verordnung810 (Rz. 2303). Als Rechtfertigung für die Anerkennung der Parteiautonomie dient das Bedürf- 311 nis der Parteien nach Sicherheit,811 speziell nach Vorhersehbarkeit des Prozessausgangs, sowie die (generelle) Verfügungsbefugnis über den Streitgegenstand. 807 Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 328 Rz. 270, § 1059 Rz. 80. 808 Schlosser, Einverständliches Parteihandeln im Zivilprozess, 1968, 24. 809 Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 43; Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 34. 810 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. EU Nr. L 177 vom 4.7.2008, S. 6. 811 Zum „forum planning“ siehe unten Rz. 1597.
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Erster Teil: Grundlegung Auch über den (im Einzelfall) zum Zuge kommenden Amtsermittlungsgrundsatz sollen die Parteien Dispositionsfreiheit haben, wenn die Amtsermittlung nicht einem unmittelbaren Staatsinteresse dient, sondern der Unterstützung der Parteien (von denen vermutet wird, den günstigen Tatsachenstoff nicht zügig vortragen zu können).812
8. Kapitel: Qualifikation I. Keine eigenständigen Qualifikationsmethoden 312 Das internationale Zivilverfahrensrecht hat keine eigenständigen Qualifikationsmethoden entwickelt. Diese werden herkömmlicherweise im Allgemeinen Teil des internationalen Privatrechts diskutiert. Im Wesentlichen geht es um die Frage, ob die in den Kollisionsnormen verwendeten Rahmenbegriffe für Normengruppen nach dem Auslegungskanon der lex fori, der lex causae oder auf rechtsvergleichender Grundlage zu interpretieren sind.813 313 Im Vordringen ist die funktionale Auslegung. Danach sind die in den Kollisionsnormen verwendeten Begriffe in der Weise auszulegen, dass sich die Interpretation auch auf ausländische Institutionen und Normenkomplexe erstreckt, die ein vergleichbares Ordnungsziel verfolgen. Nicht entscheidend ist die Ähnlichkeit mit einem deutschen Rechtsinstitut. Man muss sich aber darüber im Klaren sein, dass auch diese Qualifikationsmethode keine randscharfen Abgrenzungen ermöglicht. Die funktionale Auslegung erleichtert den Qualifikationsprozess, soweit es sich um den Kernbereich des betreffenden Ordnungszieles handelt.814 Es gibt aber Randzonen, die nicht eindeutig eingeordnet werden können. Z.B. kann man die Pflicht zum Prozesskostenvorschuss unter Eheleuten zwar klar aus dem Anwendungsbereich des Verfahrensrechts ausgrenzen,815 jedoch ist nicht eindeutig, ob sie dem Statut für die persönlichen Ehewirkungen, dem Güterrechtsstatut oder dem Unterhaltsstatut zuzurechnen ist.816 812 Schlosser, Einverständliches Parteihandeln im Zivilprozess, 1968, 23; Nachweise für Frankreich und England bei Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 36. 813 Nachweise bei Kegel/Schurig, IPR9, 2004, § 7 III 3; Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, Einl. Rz. 95 vor Art. IX EGJN; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 57; Winkel, Grenzüberschreitendes Sorge- und Umgangsrecht und dessen Vollstreckung, Diss. Regensburg 2001, 166. Ausführlich zu den methodischen Grundlagen der IPR-Qualifikation Basedow in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 131. 814 Sonnenberger in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Einl. Rz. 515. 815 Anderer Auffassung OLG Karlsruhe vom 19.11.1985, IPRax 1987, 38. 816 Für Art. 18 EGBGB plädiert die herrschende Meinung, z.B. OLG Köln vom 17.5.1994, FamRZ 1995, 680 = IPRspr. 1994 Nr. 93; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007 § 4 Rz. 127; Soergel/Schurig, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 14 EGBGB Rz. 52.
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Qualifikation
II. Abgrenzung zwischen Prozessrecht und Sachrecht Da die IPR-Norm nicht auch auf das Prozessrecht verweist, kommt der Abgren- 314 zung zwischen Prozessrecht und Sachrecht im internationalen Zivilverfahrensrecht erhebliche Bedeutung zu. Über die Einordnung einer Norm als materiellrechtlich oder prozessual entscheidet das deutsche Recht (Qualifikation lege fori).817 Davon zu unterscheiden ist die Frage nach der Qualifikationsmethode des deutschen Rechts: Einige qualifizieren nach den von der deutschen Rechtsordnung für Inlandsfälle verwendeten Begriffen.818 Nach der funktionalen Qualifikationsmethode (Rz. 313) ist der Auslegungskanon der lex fori allenfalls ein Ausgangspunkt. Entscheidend ist vielmehr die Funktion des jeweiligen Rechtsinstituts.819 Im Übrigen sind in letzter Zeit die Zweifel an einer klaren Trennbarkeit zwi- 315 schen materiellem Recht und Verfahrensrecht erheblich gewachsen, weil das gleiche Ordnungsziel sowohl mit materiell rechtlichen als auch mit verfahrensrechtlichen Mitteln erreicht werden kann, Rz. 56.
III. Auslegung der Begriffe in Staatsverträgen Bei Auslegung der Rahmenbegriffe in staatsvertraglichen bzw. einheitsrecht- 316 lichen Normenkomplexen geht es vorwiegend um die Frage, ob der jeweilige Staatsvertrag einen eigenen (vertragsimmanenten) Begriff geschaffen hat, der aus dem Sinn und Wesen des Übereinkommens autonom, d.h. losgelöst von nationalen Rechtsordnungen und Vorbildern zu interpretieren ist oder ob der Staatsvertrag auf eine nationale Rechtsordnung verweist. Denkbar ist auch eine Doppelqualifikation, um die Gleichgewichtigkeit eines 317 Vertragswerkes zu gewährleisten. So wird z.B. die Auffassung vertreten, der Begriff „Zivil- und Handelssachen“ sei nicht vertragsimmanent auszulegen. Es sei auch nicht die lex causae maßgebend. Es komme vielmehr darauf an, dass sowohl nach dem Recht des Erststaates als auch nach dem Recht des Zweitstaates eine Zivil- bzw. Handelssache gegeben sei. Eine solche Auslegungsmethode kommt aber nur bei bi- oder trilateralen Vertragswerken in Betracht. Denn bei einer multilateralen Konvention wäre sie erstens zu umständlich und zeitaufwendig und würde zweitens auf eine Verständigung auf den Level des kleinsten gemeinsamen Nenners hinauslaufen.820
817 Schack IPRax 1991, 350. Siehe z.B. auch Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd. 2008, Rz. 31 ff. vor §§ 335 ff. 818 Z.B. Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 193. 819 Sonnenberger in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Einl. Rz. 515 ff. 820 Siehe auch Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 – Vergemeinschaftung, Anwendungsbereich und insbesondere die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, Diss. Köln 2004, Rz. 40.
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Erster Teil: Grundlegung 318 Deshalb hat sich zu Recht der EuGH für eine autonome Qualifikation des Art. 1 I EuGVÜ ausgesprochen.821 Eine solche autonome Qualifikation ist aber nur dann durchsetzbar, wenn es – wie beim EuGVÜ und auch bei der EuGVVO, EuEheVO, EuZustellVO, EuBeweisaufnahmeVO sowie EuInsolvenzVO – eine supranationale Auslegungsinstanz gibt. Sehr bedauerlich ist es daher, dass es den Vertragsstaaten des Luganer Übereinkommens nicht gelungen ist, einen wirksamen Mechanismus zur einheitlichen Auslegung der Lugano-Konvention zu installieren, Rz. 247c. 318a Nach Art. 1 I ist das Brüsseler Übereinkommen bzw. die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000822 anzuwenden, ohne dass es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt; daraus folgt, dass der Begriff „Zivil- und Handelssachen“ nicht einfach nach Maßgabe der (nationalen) Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den verschiedenen Zweigen der Gerichtsbarkeit ausgelegt werden darf. 318b Der EuGH betont zu Recht, dass nur eine autonome Qualifikation die einheitliche Anwendung des Gemeinschaftsrechts und der sonstigen europäischen Rechtsakte (insbesondere des EuGVÜ) gewährleistet. Würde man auf das Recht des Erststaates oder des Zweitstaates abstellen, so hätten es die einzelnen Mitglied- bzw. Vertragsstaaten in der Hand, nach eigenem Ermessen den Anwendungsbereich der Verordnung etc. zu erweitern oder einzuengen. Sie könnten „umqualifizieren“, d.h. im Wege der Änderung ihres nationalen Rechts den 821 EuGH vom 14.10.1976, Rs 29/76 – LTU/Eurocontrol Slg. 1976, 1541 = NJW 1977, 489 (R. Geimer) = RIW 1977, 40 (Linke); EuGH vom 21.4.1993, Rs C-172/91 – Sonntag/ Waidmann Slg. 1993, I 1963 = NJW 1993, 2091 Nr. 18 = IPRax 1994, 37 (Heß 10). Die Begründung des EuGH ist einleuchtend: Da Art. 1 I den Anwendungsbereich des Übereinkommens abgrenzen soll und sichergestellt werden muss, dass sich aus dem Übereinkommen für die Vertragsstaaten und die betroffenen Personen soweit wie möglich gleiche und einheitliche Rechte und Pflichten ergeben, können die in ihm verwendeten Ausdrücke nicht als bloße Verweisung auf das innerstaatliche Recht des einen oder anderen beteiligten Staates verstanden werden. Die Einordnung als zivilrechtlich im Sinne des Art. 1 I setzt nicht voraus, dass der Streitgegenstand nach den Rechtsordnungen aller Vertragsstaaten privatrechtlich zu qualifizieren ist. Andernfalls würde der Anwendungsbereich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner reduziert. Insbesondere die Sonntag-Entscheidung des EuGH bedeutet eine enorme Ausweitung des sachlichen Anwendungsbereichs des Übereinkommens, EuGH vom 21.4.1993, Rs C-172/91 – Sonntag/Waidmann Slg. 1993 I 1963 Nr. 22 = NJW 1993, 2091 = IPRax 1994, 37 (Heß 10, 12). Schlichthoheitliches Handeln ordnet der EuGH als zivilrechtlich ein. Ausführlich R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 1 EuGVVO Rz. 7 ff.; Scholz, Das Problem der autonomen Auslegung des EuGVÜ, 1998, 6 ff. Zum Streit, wie die „Zivil- und Handelssachen“ im Sinne von Art. 1 des Haager Zustellungs- bzw. Beweisübereinkommens auszulegen sind, Rz. 2441; Junker IPRax 1986, 205; Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 254, 407; Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr, 1995, 116; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht3, 2009, Art. 1 EuGVVO Rz. 1; siehe auch Basedow in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht 1992, 142. 822 Hier geht es nicht um die Auslegung eines völkerrechtlichen Vertrages, sondern um die Interpretation von sekundärem Gemeinschaftsrecht, Rz. 245d.
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Qualifikation sachlichen Anwendungsbereich verändern und damit den Umfang der sie treffenden Pflichten selbst bestimmen.823 Verfahren, in denen eine Behörde und eine Privatperson sich gegenüberstehen, 318c können unter Art. 1 I EuGVVO fallen, wenn die Behörde auf der Ebene der Gleichordnung mit der Privatperson Verträge geschlossen hat.824 Jedoch handelt es sich um eine in Art. 1 I ausgeklammerte öffentlich-rechtliche Streitigkeit, wenn die Behörde in Ausübung hoheitlicher Befugnisse gehandelt hat.825 So fallen Verfahren im Zusammenhang mit Enteignungen nicht unter Art. 1 I EuGVVO. Es genügt, wenn der streitgegenständliche Anspruch – nicht bloß ein Präjudizialpunkt826 – seinen Ursprung in einer hoheitlichen Tätigkeit hat.827 Deshalb wurden als öffentlich-rechtlich eingeordnet: – Gebühren, die eine Privatperson einer öffentlichen (staatlichen oder internationalen) Stelle schuldet, insbesondere wenn die Heranziehung zur Kostenzahlung zwingend und ausschließlich ist und die Gebührensätze, die Art ihrer Berechnung und Erhebung einseitig gegenüber den Benutzern festgesetzt sind (öffentlich-rechtliches Benutzungsverhältnis),828 823 R. Geimer NJW 1977, 492; R. Geimer EuR 1977, 346. Ebenso z.B. Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 – Vergemeinschaftung, Anwendungsbereich und insbesondere die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, Diss. Köln 2004, Rz. 40 ff. 824 Schlosser-Bericht Nr. 27; R. Geimer EuR 1977, 350. 825 EuGH vom 14.10.1976, Rs 29/76 – LTU/Eurocontrol Slg. 1976, 1541 = NJW 1977, 489 (R. Geimer); EuGH vom 21.4.1993, Rs C-172/91 – Sonntag/Waidmann Slg. 1993, I 1963 = NJW 1993, 2091 Nr. 18 = IPRax 1994, 37 (Heß 10). 826 Entscheidend ist also die Einordnung des Streitgegenstandes. Wie präjudizielle Rechtsverhältnisse zu qualifizieren sind, ist unerheblich. 827 R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 1 EuGVVO Rz. 12. 828 EuGH vom 14.10.1976, Rs 29/76 – LTU/Eurocontrol Slg. 1976, 1541 = NJW 1977, 489 (R. Geimer). Anders soll es jedoch sein, wenn ein Hoheitsträger einen Bürgen aufgrund einer Bürgschaft für Zölle und andere öffentliche Abgaben in Anspruch nimmt, OLG Frankfurt vom 17.11.1999, OLGR 2000, 71 = IPRspr. 1999 Nr. 133. Ebenso EuGH vom 15.5.2003, Rs C-266/01 – Préservatrice foncière TIARD SA/Staat der Nederlanden IPRax 2003, 528 (R. Geimer 512): Nach Art. 6 I des Genfer TIR-Übereinkommens vom 14.11.1975 können privatrechtliche Verbände als beliehene Unternehmer mit der Ausstellung von Carnets TIR ermächtigt werden. Schuldner der Zölle bzw. Eingangs- oder Ausgangsabgaben ist der Beförderer (Spediteur) als Inhaber des Carnets. Daneben haftet gemäß Art. 8 I TIR-Übereinkommen der das Carnet ausstellende beliehene Unternehmer. Um die Befugnis zur Ausstellung von Carnets zu erhalten, verlangte der niederländische Staat in Übereinstimmung mit Art. 6 I TIR-Übereinkommen vom beliehenen Verband einen Bürgen für dessen Zahlungsverpflichtungen (Art. 8 I TIR-Übereinkommen). Dieser präsentierte die selbstschuldnerische Bürgschaft einer Versicherung mit Sitz in Frankreich. Als diese als Bürgin vom niederländischen Staat aus dem Bürgschaftsvertrag vor den niederländischen Gerichten in Anspruch genommen wurde, berief sie sich auf die internationale Unzuständigkeit der Niederlande nach Art. 5 ff. EuGVÜ/EuGVVO. Die Instanzgerichte und auch der Generalanwalt beim EuGH qualifizierten den Streitgegen-
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Erster Teil: Grundlegung – Kostenerstattungsansprüche, wenn eine Behörde im Wege der Ersatzvornahme Erhaltungs- oder Bergungsmaßnahmen ergreift,829 – Baugenehmigungsgebühren,830 – Amtshaftungsansprüche bei hoheitlichem Handeln.831 318e Jedoch betrachtet der EuGH nur solches Handeln von Beamten bzw. öffentlich Bediensteten als nicht zivilrechtlich, das Private nicht vornehmen können. Daher fällt die Verurteilung eines Lehrers wegen Verletzung seiner Aufsichtspflicht bei einem Schulausflug unter Art. 1 I, obwohl nach deutschem Recht (Art. 34 GG, § 839 BGB) eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt. Andernfalls käme es doch zu einer (verdeckten) Verweisung auf das jeweilige Verwaltungsrecht der staatlichen Partei und damit zu einer unerwünschten Beeinflussung des Anwendungsbereichs des Übereinkommens bzw. der Verordnung (EG) Nr. 44/2001.832 318f
Eine Rückgriffsklage, mit der ein öffentlicher Sozialhilfeträger von Ehegatten oder Verwandten die Rückzahlung von Sozialhilfezahlungen fordert, ist als Zivilsache zu qualifizieren, wenn sie auf die allgemein geltenden Vorschriften über Unterhaltsverpflichtungen gestützt ist (cessio legis).833 Die Anwendbarkeit der EuGVVO bzw. des EuGVÜ bedeutet noch nicht automatisch, dass der Sozialhilfeträger sich auch auf den klägerfreundlichen Art. 5 Nr. 2 bzw. künftig Art. 3 (b) EuUnterhaltsVO (Rz. 245c) berufen kann.834
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stand öffentlich-rechtlich mit der Folge, dass gemäß Art. 1 I das EuGVÜ/EuGVVO nicht zur Anwendung kommen konnte. Dagegen entschied der EuGH, dass eine solche Klage als Zivilsache im Sinne des Art. 1 I EuGVÜ/EuGVVO einzuordnen sei, „sofern die Rechtsbeziehung zwischen dem Gläubiger und dem Bürgen, wie sie sich aus dem Bürgschaftsvertrag ergibt, keine Ausübung von Befugnissen durch den Staat darstellt, die von den im Verhältnis zwischen Privatpersonen geltenden Regeln abweichen.“ Beispiel: Bergung eines Schiffswracks durch die für die Verwaltung der betreffenden Wasserstraße zuständige öffentliche Behörde, EuGH vom 16.12.1980, Rs 814/79 – Niederlande/Rüffer Slg. 1980, 3819. VG Schleswig vom 30.10.1990, NJW 1991, 1129 = IPRspr. 1990 Nr. 179. R. Geimer NJW 1977, 492. Anders Schwarz, Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach deutschem und europäischem Zivilprozessrecht, 1991, 139, 149. EuGH vom 21.4.1993, Rs C-172/91 – Sonntag/Waidmann Slg. 1993 I 1963 Rz. 22 = NJW 1993, 2091 Nr. 18 = IPRax 1994, 37 (Heß 10). Abschlussentscheidung BGH vom 16.9.1993, BGHZ 123, 268 = NJW 1993, 3269 = WM 1993, 2252 = EuZW 1994, 29 = IPRax 1994, 118 (Basedow 85) = JZ 1994, 254 (Eichenhofer) = ZZP 108 (1995), 241 (Haas 219) = EWiR 1994, 51 (Heß) = LM Nr. 4245 zu EGÜbk. (Kronke) = IPRspr. 1993 Nr. 178. EuGH vom 14.11.2002, Rs C-271/00 Gemeente Steenbergen/Luc Baten Slg. 2002, I-10527 Rz. 35 ff. = EuZW 2003, 30 = FamRZ 2003, 85; hierzu Elisabetta Lamarque, Corriere Giuridico 2003, 65 ff.; Santiago Álvarez González, La Ley Nr. 5750 (31.3.2003), S. 1 ff.; Jayme/Kohler IPRax 2003, 485, 489. R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 5 EuGVVO Rz. 159 ff. Die dem Art. 5 Nr. 2 EuGVVO (künftig Art. 3 [b] EuUnterhaltsVO) zugrunde liegende Interessenbewertung ist wohl nur im Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern stimmig. Sonst ist es eine offene Frage, wer wirtschaftlich stärker ist. Art. 5 Nr. 2 kennt nicht die Tatbestandsvoraussetzung, dass der Unterhaltsberechtigte wirtschaftlich schwächer ist als der Beklagte. Auch in den Fällen, in
Qualifikation Dies gilt jedoch nicht für (unter Art. 1 I EuGVVO/EuGVÜ fallende) Ersatz- 318g ansprüche der öffentlichen Hand, die selbständig neben dem Unterhaltsanspruch stehen. Aber auch, wenn der Sozialhilfeträger bzw. die Fürsorgebehörde den ursprünglichen übergeleiteten Unterhaltsanspruch geltend macht, sollte man einer teleologischen Reduktion des Art. 5 Nr. 2 das Wort reden, da solche Fälle von dem Normzweck nicht gedeckt werden. Anderer Auffassung war allerdings der BGH835 in seiner EuGH-Vorlage: Der gesetzliche Forderungsübergang auf öffentliche Einrichtungen oder Verwandte (§ 1607 BGB), die anstelle des in erster Linie verpflichteten Schuldners Zahlungen leisten, diene dazu, die Bereitschaft der Leistenden zu fördern, den Unterhalt vorzuschießen. Wenn diese aber infolge des Forderungsübergangs die Möglichkeit verlören, ihre Regressansprüche am Wohnsitz bzw. Ort des gewöhnlichen Aufenthalts des Unterhaltsberechtigten geltend zu machen, minderte dies, zum Nachteil des Unterhaltsberechtigten, ihre Bereitschaft, solche Vorschüsse zu erbringen. Daher diene es auch dem Schutz des Unterhaltsberechtigten, wenn Regressansprüche der öffentlichen Hand unter Art. 5 Nr. 2 fallen, auch wenn diese selbst des kompetenzrechtlichen Schutzes offensichtlich nicht bedürfen. Daher wolle die Verordnung auch den Rechtsnachfolger des Unterhaltsberechtigten kompetenzrechtlich privilegieren. Nr. 2 setze also nicht voraus, dass der Unterhaltsberechtigte den Unterhaltsanspruch selbst einklagt. Dieser Argumentation ist aber der EuGH nicht gefolgt. Schwierig ist nur die Grenzziehung. Am klarsten wäre es, jedem Zessionar des 318h Unterhaltsanspruchs den Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 2 zu verweigern. In diese Richtung tendiert Schlosser.836 Auf Art. 5 Nr. 2 könnten sich dann nur Erben und sonstige Gesamtrechtsnachfolger berufen. Diese Lösung wäre aber zu radikal. Als Kompromiss ist zu befürworten, Rechtsnachfolgern dann die Klagemöglichkeit im Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 2 nicht zu geben, wenn sie die Forderungseintreibung gewerblich oder sonst beruflich oder als öffentlicher Leistungsträger vornehmen.837 Auch einer privaten Versicherung, erst recht einem Forderungseinziehungsbüro, ist dann der Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 2 versperrt. Sie müssten den Unterhaltsschuldner in dessen Wohnsitzstaat verklagen, Art. 2 I, sofern nicht im konkreten Einzelfall Art. 5 Nr. 1 oder Art. 5 Nr. 3 eingreift. Relevantes Kriterium ist also nicht die cessio legis. Bei Maßgeblichkeit deutschen Rechts kann z.B. in den Fällen des § 1615b BGB oder des § 1584 S. 3 BGB der Legalzessionar im Gerichtsstand des Art. 5 Nr. 2 klagen.838 Anders ist es aber, wenn der Gesetzgeber der öffentlichen Stelle eine eigene, besondere Befug-
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838
denen dies eindeutig nicht der Fall ist, kommt Art. 5 Nr. 2 nach seinem Wortlaut zum Zuge. BGH vom 26.9.2001, FamRZ 2002, 21. Schlosser, EU-Zivilprozessrecht3, 2009, Art. 5 Rz. 13. Im gleichen Sinne zu Art. 16 (früher: Art. 14) EuGH vom 19.1.1993, Rs C-89/91 – Shearson Lehman Hutton Inc./TVB Slg. 1993 I 139 Nr. 13 = NJW 1993, 1251 = EuZW 1993, 224 = ZIP 1993, 1215. Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983 443; zustimmend z.B. Brückner, Unterhaltsregress im internationalen Privat- und Verfahrensrecht, 1994, 137.
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318i
Erster Teil: Grundlegung nis verliehen hat. Deshalb hat der EuGH die Anwendbarkeit des EuGVÜ und damit auch der EuGVVO in einem Fall verneint, in dem auf Grund einer Sondernorm (Art. 94 des niederländischen Allgemeinen Sozialhilfegesetzes) ein zwischen Ehegatten vereinbarter Unterverzicht nicht zu beachten war und deshalb der Rückforderung von als Sozialhilfe gezahlten Beträgen nicht entgegenstand.839 Ausgeklammert sind also (Rück-)Zahlungsansprüche wegen geleisteter Sozialhilfe eines Sozialhilfeträgers, wenn für den Rückgriffsanspruch und die Modalitäten seiner Erhebung nicht die allgemeinen Unterhaltsnormen des Zivilrechts (z.B. auf Grund cessio legis), sondern besondere Bestimmungen gelten, mit denen der Gesetzgeber der öffentlichen Stelle eine eigene, besondere Befugnis verliehen hat.840 318j
Wenn es nicht um die Durchsetzung staatlicher Ansprüche gegen Privatpersonen, sondern umgekehrt um die Klage Privater aus Anlass staatlichen Unrechts geht, neigt der EuGH zu einer großzügigen Bejahung des Art. 1 I.841 Damit stärkt er die Rechtsstellung privater Kläger gegenüber staatlichen Beklagten. Dies ist vor allem bei grenzüberschreitenden staatlichen Maßnahmen relevant.842
318k Persönlichkeitsverletzungen durch staatliche Rundfunkanstalten sind – ohne Rücksicht auf die Qualifikation durch das jeweilige nationale Recht – als zivilrechtlich im Sinne von Art. 1 I einzuordnen.843 Der (gegen den Staat gerichtete) Honoraranspruch eines Pflichtverteidigers fällt ebenfalls unter Art. 1 I.844 318l
Das Gleiche gilt für eine von einem privatrechtlich organisierten Verbraucherschutzverein erhobene Klage auf Unterlassung der Verwendung missbräuchlicher Klauseln in Verbraucherverträgen. Der EuGH845 verwarf das Argument des Vereinigten Königreichs, eine Verbraucherschutzorganisation sei als Behörde anzusehen.846 839 Ferner stellte der EuGH klar, dass der Ausschluss des Bereichs der „sozialen Sicherheit“ in Art. 1 II Nr. 3 EuGVVO/EuGVÜ nicht auch eine Rückgriffsklage der Sozialhilfestelle umfasst. 840 R. Geimer IPRax 2003, 512. 841 EuGH vom 21.4.1993, Rs C-172/91 Sonntag/Waidmann Slg. 1993 I 1963 Nr. 22 = NJW 1993, 2091 = IPRax 1994, 37. 842 Heß IPRax 1994, 10, 12. 843 Kubis, Internationale Zuständigkeit bei Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechtsverletzungen, 1999, 23 f. 844 LG Paderborn vom 22.12.1994, EWS 1995, 248 = IPRspr. 1994 Nr. 183. 845 EuGH vom 1.10.2002, Rs C-167/00 – Verein für Konsumenteninformation/Karl Heinz Henkel Slg. 2002, I-8111 = NJW 2002, 3617 = EuZW 2002, 657 = EWiR 2002, 1047 (Mankowski) = IPRax 2003, 341 (Michailidou 223). Hierzu Harold Kobina Gaba, Rec. Dalloz 2002, Jur. 3200 ff.; M.B.M. Loos, Ned. Tijdschr. Europ. recht 2003, 68 ff. 846 Eine solche Organisation erfülle nämlich eine im Allgemeininteresse liegende Aufgabe, die im Schutz der Gesamtheit der Verbraucher bestehe; ihre Befugnis zur Erhebung von Klagen auf Unterlassung rechtswidriger Verhaltensweisen von Gewerbetreibenden folge allein aus dem Gesetz und nicht aus privatrechtlichen Beziehungen im Zusammenhang mit Verträgen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern. Dem ist der EuGH mit überzeugenden Argumenten entgegengetreten: Zum einen handelt es sich bei einem Verbraucherschutzverein um eine Einrichtung des Privatrechts; zum
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Qualifikation Die Einordnung als zivilrechtlich im Sinne des Art. 1 I 1 EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ 318m wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Beklagte gegen den Klageanspruch Einwendungen aus dem Bereich des öffentlichen Rechts erhebt. Bei der Prüfung, ob ein Rechtsstreit in den Anwendungsbereich der Verordnung bzw. des EuGVÜ/LugÜ fällt, ist nämlich nur dessen Streitgegenstand zu berücksichtigen; dieser wird allein durch den Antrag und Vortrag des Klägers/Antragstellers fixiert. Es würde – wie der EuGH847 treffend betont – gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, eines der fundamentalen Ziele der Verordnung bzw. des Brüssel I-Übereinkommens, verstoßen, wenn deren Anwendbarkeit von der Qualifikation einer Vorfrage abhinge, die von jeder der Parteien im Laufe des Verfahrens jederzeit aufgeworfen werden kann. Beispiel: Privatrechtliche Bürgschaft für eine öffentlich-rechtliche Schuld. Die Möglichkeit, dass der Bürge Verteidigungsmittel geltend machen kann, die eine Prüfung erforderlich machen, ob die durch die Bürgschaft gesicherte Zollschuld besteht bzw. eingefordert werden kann, hindert die Anwendung des Art. 1 I 1 EuGVVO hinsichtlich der Klage aus der Bürgschaft nicht.848 Die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 (Rz. 245c) erwähnt ebenso wie schon das EuGVÜ/LugÜ – scheinbar gleichberechtigt – die Handelssachen neben den Zivilsachen. Diese sind aber nur ein Unterfall der Zivilsachen, verstanden als die Summe aller privatrechtlichen Streitigkeiten. Auch in Frankreich, wo die Lehre von der autonomie du droit commerciale sehr betont wurde, ist die Einordnung des Handelsrechtes als ein Teilgebiet des Zivilrechts nunmehr anerkannt. Die Erwähnung der Handelssachen dient nur der Klarstellung und kommt der französischen Doktrin entgegen.849
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Nicht alle Zivilsachen werden vom EuGVÜ/LugÜ bzw. von der EuGVVO erfasst. 318o Art. 1 II stipuliert eine Liste von ausgeschlossenen Materien.850 Der EuGH neigt zu einer restriktiven Auslegung des Ausnahmekatalogs.851 Um eine einheitliche Anwendung des Übereinkommens bzw. nunmehr der Verordnung (EG)
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anderen steht – auch wenn der Verband öffentlich-rechtlich organisiert ist – dessen Tätigkeit nicht mit der Ausübung öffentlicher Gewalt in Zusammenhang, da er nicht die Wahrnehmung von Befugnissen betrifft, die von den im Verhältnis zwischen Privatpersonen geltenden allgemeinen Rechtsvorschriften abweichen. EuGH vom 15.5.2003, Rs C 266/01 Rz. 42 unter Hinweis auf die Urteile vom 25. Juli 1991, Rs C-190/89 – Rich, Slg. 1991, I-3855, Rz. 26, und vom 20.1.1994, Rs C-129/92 – Owens Bank Slg. 1994, I-117, Rz. 34. EuGH vom 15.5.2003, Rs C-266/01 – Préservatrice foncière TIARD SA/Staat der Nederlanden, Slg. 2003, I-4867 = IPRax 2003, 528 (R. Geimer 512). Näher R. Geimer EuR 1977, 350. Zu den Vorschlägen, wie die durch Art. 1 II (a) bzw. Nr. 1 EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ ausgeklammerten Materien auf dem Gebiet des Güter- und Erbrechts de lege ferenda normiert werden könnten, siehe die Beiträge von Lagarde, Haas und Lipp in Gottwald, Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Europäischen Union, 2004. EuGH vom 6.3.1980, Rs 120/79 – de Cavel/de Cavel II Slg. 1980, 731, 739 Nr. 4 = IPRax 1981, 19 (Hausmann 5); EuGH vom 27.2.1997, Rs C-220/95 – van den Boogaard/Laumen Slg. 1997, I-1147 = EuZW 1997, 242 = IPRax 1999, 35 (Weller) = Clunet 1998, 568, 579 (Huet).
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Erster Teil: Grundlegung Nr. 44/2001 vom 22.1.2000 sicherzustellen, sind auch die Ausnahmetatbestände des Art. 1 II (möglichst) autonom auszulegen.852 Der Rekurs auf die Begriffsinhalte der jeweils maßgeblichen lex causae ist daher grundsätzlich unzulässig.853 Für die im Ausnahmekatalog des Art. 1 II verwendeten Begriffe sind vielmehr europaweit einheitliche Definitionen zu erarbeiten auf der Grundlage der Zielsetzung und Systematik der europäischen Rechtsinstrumente unter Berücksichtigung der allgemeinen Rechtsgrundsätze, die sich aus der Gesamtheit der innerstaatlichen Rechtsordnungen der einzelnen Mitglied- bzw. Vertragsstaaten ergeben.854
852 EuGH vom 22.2.1979, Rs 133/78 – Gourdain/Nadler – Slg. 1979, 733, 743 Nr. 3 = RIW 79, 273 = KTS 1979, 268 = Rev. crit. 1979, 657 (Lemontey). 853 R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 1 EuGVVO Rz. 49 ff. 854 So zu Art. 1 II Nr. 2 EuGVÜ (Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren) EuGH vom 22.2.1979, Rs 133/78 – Gourdain/Nadler Slg. 1979, 733, 743 Nr. 3 = RIW 1979, 273. Auch die Begriffe „Personenstand“ und „eheliche Güterstände“ in Art. 1 II Nr. 1 EuGVÜ qualifizierte der EuGH autonom, EuGH vom 27.3.1979, Rs 143/78 – de Cavel/de Cavel I Slg. 1979, 1055 = Rev. crit. 1980, 614 (Droz). Allerdings bereitet hier die konventionsimmanente Definition große Schwierigkeiten, weil diese Begriffe schon in den Texten des Übereinkommens unterschiedlich formuliert sind. Besonders weit ist die englische Fassung des Art. 1 II Nr. 1, wo die „ehelichen Güterstände“ mit „rights in property arising out of a matrimonial relationship“ übersetzt sind.
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Zweiter Teil: Lex fori-Prinzip oder System der kollisionsrechtlichen Verweisung auch im Prozessrecht? Literatur: von Craushaar, Die internationalrechtliche Anwendbarkeit deutscher Prozessnormen, 1961; Furtak, Die Parteifähigkeit in Zivilverfahren mit Auslandsberührung, 1995; Herfarth, Die Scheidung nach jüdischem Recht im internationalen Zivilverfahrensrecht, Diss. Heidelberg 2000; Jaeckel, Die Reichweite der lex fori im IZPR, 1995; Koberg, Zivilprozessuale Besonderheiten bei Sachverhalten mit Auslandsberührung, 1992; Koch, Internationaler Unterlassungsrechtsschutz zwischen materiellem Recht und Prozessrecht, in Festschrift Siehr, 2000, 341; Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts6, 2006, § 56 IV; Leipold, Lex fori, Souveränität, Discovery: Grundfragen des Internationalen Zivilprozessrechts, 1989; Neufang, Erfüllungszwang als „remedy“ bei Nichterfüllung: eine Untersuchung zu Voraussetzungen und Grenzen der zwangsweisen Durchsetzung vertragsgemäßen Verhaltens im US-amerikanischen Recht im Vergleich mit der Rechtslage in Deutschland, 1998; Neumann, Der vertragliche Ausschluss der Klagbarkeit eines privatrechtlichen Anspruchs im deutschen und im deutschen internationalen Recht, Diss. München 1967; Radtke, Der Grundsatz der lex fori und die Anwendbarkeit ausländischen Verfahrensrechts, Diss. München 1982; Rixen, Die Anwendung ausländischen Verfahrensrechts im deutschen Zivilprozess, Diss. Regensburg 1999; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 51 ff.; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Anh zu § 606a ZPO Rz. 66 ff.
I. Standpunkt der herrschenden Meinung: „forum regit processum“ Weltweit dominiert die Regel: Das Verfahren wird nach eigenem Recht (lex fori) 319 abgewickelt, auch wenn in der Sache nach den Regeln des internationalen Privatrechts ausländisches Recht anzuwenden ist. Anders ausgedrückt: Die kollisionsrechtliche Verweisung erfasst nicht (auch) das Verfahren. Das lex fori-Prinzip sei angeblich „eine der ältesten und am wenigsten bestrittenen Regeln des internationalen Privatrechts.“1 Es wird als „unquestionable“2 bzw. als „nahezu
1 Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, 14; Radtke, Der Grundsatz der lex fori und die Anwendbarkeit ausländischen Verfahrensrechts, Diss. München 1982, 1; Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses, 1989, 263. Siehe auch Spieker genannt Döhmann, Die Anerkennung von Rechtskraftwirkungen ausländischer Urteile – eine Untersuchung zur Fortgeltung des ne-bis-idem, Diss Bonn 2002, 47. 2 Rabel, Conflict of Laws III, 1952, 493.
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Zweiter Teil: Lex fori-Prinzip selbstverständlich“ betrachtet3 und deshalb nicht hinterfragt.4 Die Diskussion dreht sich vielmehr um die Frage, wo die Trennungslinie zwischen Sache (substance) und Verfahren (procedure) verläuft. Ist aber diese gezogen, so werden alle als verfahrensrechtlich eingestuften Komplexe nach dem Recht des Gerichtsstaates behandelt. Die von der Frage nach der Reichweite der IPR-Norm (Rz. 49) logisch zu trennende Frage nach einem eigenen Verfahrenskollisionsrecht wird nicht gestellt. Merkwürdigerweise ist das lex fori-Prinzip nur in sehr wenigen Rechtsordnungen kodifiziert.5
II. Dogmatische Begründung des lex fori-Prinzips 320 Es wimmelt an Erklärungen für die Maßgeblichkeit des inländischen Verfahrensrechts, die sich aber bei näherer Betrachtung als nicht tragfähig erweisen.6 321 Das lex fori-Prinzip findet seine innere Rechtfertigung weder in dem Grundsatz locus regit formam actus (so aber Dumoulin), noch in dem öffentlich-rechtlichen Charakter des Prozessrechts7 – denn es besteht kein Verbot der Anwendung ausländischen öffentlichen Rechts8 –, noch im deutschen ordre public – denn viele Verfahrensnormen behandeln nur „technisches Recht“, auf dessen Durchsetzung wir nicht bestehen, noch im Territorialitätsprinzip.9 3 Nachweise bei Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, 17; Buciek, Beweislast und Anscheinsbeweis im internationalen Recht, Diss. Bonn 1984, 11; Rixen, Die Anwendung ausländischen Verfahrensrechts im deutschen Zivilprozess, Diss. Regensburg 1999, 24. 4 Zur Anwendung im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit siehe die Nachweise bei Oelkers, Internationales Betreuungsrecht, 1996, 211. 5 So lautete z.B. die wohlgelungene Formel des Art. 27 der Dispozioni preliminari zum Codice civile: „La competenza e la forma del processo sono regolate dalla legge del luogo in cui il processo si svolge.“ Weniger prägnant nun Art. 12 ital. IPR-Gesetz vom 31.5.1995. Vgl. auch Art. 8 Nr. 2 span. Código civil; § 48 tschechisches IPR-Gesetz; § 63 ungarisches IPR-Gesetz. In Deutschland fehlt – abgesehen von dem am 3.10.1990 außer Kraft getretenen § 181 III DDR-ZPO – eine lex scripta; zur Geltung des lex fori-Prinzips lapidar BGH vom 14.10.1992, NJW-RR 1993, 130 = FamRZ 1993, 307 = IPRspr. 1992 Nr. 202: „. . . Auch in Fällen mit Auslandsberührung ist . . . das deutsche Recht als lex fori maßgebend.“ 6 Gerhard Wagner, Prozessverträge, 1998, 348, 353: „Für das Kollisionsrecht ist die Differenzierung zwischen Prozessrecht und materiellem Recht und die damit verbundene Qualifikationsaufgabe fundamental.“ . . . „Der zur Begründung der lex fori getriebene Aufwand ist wesentlich geringer als die praktische Bedeutung dieses Grundsatzes vermuten lässt; zum Teil wird auf ihre Legitimation gänzlich verzichtet.“ 7 v. Craushaar, Die internationalrechtliche Anwendbarkeit deutscher Prozessnormen, 1961, 21; Neumeyer RabelsZ 43 (1979), 228; Neumeyer Internationales Verwaltungsrecht IV, 1936, 94. 8 Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 528; Vogel, Räumlicher Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, 1965, 142 ff. 9 Weitere Nachweise bei Furtak, Die Parteifähigkeit in Zivilverfahren mit Auslandsberührung, 1995, 68; Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 269; Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses, 1989, 263.
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oder System der kollisionsrechtlichen Verweisung? Die Anwendung deutschen Prozessrechts trotz Maßgeblichkeit ausländischen 322 Sachrechts ist in weiten Bereichen ein Gebot der praktischen Vernunft:10 So im Bereich des Gerichtsverfassungsrechts; niemand wird auf die Idee verfallen, die Zusammenstellung einer Jury11 zu verlangen, nur weil Schuldstatut das Recht eines US-Bundesstaates ist. Auch das Prozedieren nach ausländischem Verfahrensrecht, welches der inländische Richter nicht aufgrund seiner Ausbildung kennt, sondern mehr oder weniger mühsam nach § 293 ZPO (Rz. 2577) ermitteln muss, ist schwer vorstellbar. Jedenfalls litte die Effizienz des inländischen Verfahrens ganz gewaltig, wenn ausländisches Recht zur Verfahrenssteuerung maßgeblich wäre.12 Auch das Postulat der Rechtssicherheit erheischt unter mancherlei Aspekten 323 die Anwendung des eigenen Verfahrensrechts: So wäre es unsinnig, die Arten der statthaften Rechtsmittel oder die Rechtsmittelfristen der ausländischen lex causae entnehmen zu wollen. Fazit: Auf weiten Strecken ist die Anwendung der lex fori nur eine Frage der Zweckmäßigkeit. Deshalb ist das lex fori-Prinzip kein unerschütterliches Dogma.
III. Nichtanwendung deutscher Verfahrensnormen Recht und Rechtsgang (Gerichtsschutz) sind zwar begrifflich klar zu trennen, zwischen beiden Komplexen bestehen jedoch Zusammenhänge.13 Es gibt Verfahrensnormen, die auf das deutsche materielle Recht abgestimmt sind (sachrechtsbezogene Verfahrensnormen). So sind § 1958 BGB, §§ 239 V, 778 ZPO, §§ 316, 319 InsO auf das deutsche Erbrecht abgestellt, das eine hereditas iacens nicht kennt: Der Nachlass geht auf den Erben im Zeitpunkt des Todes des Erblassers kraft Universalsukzession über, vorbehaltlich der Möglichkeit der Ausschlagung. Die genannten Vorschriften berücksichtigen den im deutschen Erbrechtssystem bestehenden Schwebezustand zwischen Erbfall und ausdrücklicher oder fingierter Erbschaftsannahme. Ist nun nach deutschem internationalen Privatrecht ausländisches Erbrecht anzuwenden und kennt dieses keine dem deutschen Erbrecht vergleichbare vorläufige Erbenstellung – weil etwa der Nachlass von einem Kurator, administrator, executor oder trustee verwaltet wird, dann sind die vorgenannten deutschen Verfahrensnormen unanwendbar. Grund hierfür ist die andersartige Struktur der lex causae.14
10 Zustimmend Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, Einl. Rz. 111 sowie Rz. 120. 11 Hierzu Heidenberger RIW 1982, 872; Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 23; Koch/Zekoll RIW 1985, 840; Göpfert/Berger, Jury-Ausschlussklauseln in Verträgen mit amerikanischen Unternehmen, ZIP 2005, 1540. 12 Basedow in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 138, 140; von Bar/ Mankowski, Internationales Privatrecht I2, 2003, § 5 Rz. 78. 13 Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 526. 14 v. Craushaar, Die internationalrechtliche Anwendbarkeit deutscher Prozessnormen, 1961, 12 ff.; Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 225; Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, 209. Vgl. auch Berenbrok, Internationale Nachlassabwicklung, 1989, 130, 135; R. Geimer in Symposion Außerstreit-
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IV. Anwendung ausländischen Prozessrechts 325 Die Verzahnung zwischen Sachrecht und Prozessrecht ist mitunter so stark, dass der deutsche Richter ausländisches Verfahrensrecht gewissermaßen als Annex des ausländischen Sachrechts mit anzuwenden hat.15 Fraglich sind nur die Grenzen und die rechtstechnische Begründung. Die herrschende Meinung16 betrachtet nach wie vor das lex fori-Prinzip als Grundnorm, an der nur einige Randberichtigungen vorzunehmen seien. Rechtstechnisch geschieht dies durch eine großzügige Qualifikation: Was innerstaatlich als Verfahrensnorm betrachtet wird, wird internationalrechtlich als materielles Recht qualifiziert und damit der kollisionsrechtlichen Verweisung zugänglich gemacht. Man spricht vom Postulat der materiellrechtsfreundlichen Qualifikation.17 326 Am weitesten ging dabei Niederländer; er stellt die Frage:18 „Wie weit kann das inländische Gericht in der Anerkennung fremden Rechts gehen, ohne das Funktionieren des Prozessapparates zu gefährden?“ und postuliert im Anschluss an die Unterscheidung Balduins zwischen decisoria litis und ordinatoria litis:19 „Keine streitentscheidende Frage darf in den Anwendungsbereich der lex fori fallen“.20 Sonst würde der internationale Entscheidungseinklang gestört. Er zählt zum materiellen Recht „alle Rechtsschutznormen, von deren Anwendbarkeit der Ausgang eines Rechtsstreits objektiv abhängen kann“.21 Daher will Niederländer22 nicht nur die Partei- und Prozessfähigkeit sowie die Fragen der Prozessführungsbefugnis und der Aktiv- und Passivlegitimation nach der ausländischen lex causae beurteilen, sondern auch die Voraussetzungen der verschiedenen Rechtsschutzformen des ordentlichen Verfahrens, wie Rechtsschutzbedürfnis, Feststellungsinteresse, Zulässigkeit einer Widerklage und Prozessaufrechnung. Das Gleiche gelte für das Beweisrecht, soweit es streitentscheidend ist. 327 Auch Neuhaus23 verwendet die autonome Qualifikationsmethode. Während aber Niederländer den internationalen Entscheidungseinklang zum Abgrenzungskriterium erhebt, arbeitet Neuhaus mit dem Begriff des funktionalen Zusammenhangs. Als „Zubehör des materiellen Rechts“ betrachtet Neuhaus: Partei- und Prozessfähigkeit, Prozessführungsrecht und -pflicht, Klagbarkeit und
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reform, 1992, 94 (Veröffentlichungen des Ludwig Boltzmann-Institutes für Rechtsvorsorge und Urkundenwesen, Bd. XI). Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 223 ff. Nachweise bei Furtak, Die Parteifähigkeit in Zivilverfahren mit Auslandsberührung, 1995, 70. So charakterisiert Grunsky ZZP 89 (1976), 247 treffend den Ansatz der herrschenden Lehre. Niederländer RabelsZ 20 (1955), 1, 45. Hierzu auch Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 98, 239 und Furtak, Die Parteifähigkeit in Zivilverfahren mit Auslandsberührung, 1995, 85. Niederländer a.a.O. 19. Niederländer a.a.O. 42. Niederländer a.a.O. 51. Neuhaus RabelsZ 20 (1955), 237 ff. Ebenso in Grundbegriffe des IPR2, 1977, 130 bei Fußn. 375, 396.
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oder System der kollisionsrechtlichen Verweisung? Zulässigkeit von Unterlassungsklagen24, Klageausschlussfristen, Verjährung, Beschränkung der zulässigen Beweismittel, Beweislast und Umfang der Rechtskraft.25 Ein weiterer Grund für die großzügige Anwendung ausländischen Verfahrens- 328 rechts in Ehesachen ergibt sich aus § 98 I Nr. 4 FamFG, früher § 606a I 1 Nr. 4 ZPO.26 Ist ein deutsches Gericht nicht bereit, die materiell-rechtlich verflochtene Verfahrensregel des Heimatstaates anzuwenden und wird deshalb das deutsche Urteil in den Heimatstaaten beider Eheleute offensichtlich nicht anerkannt, so fehlt es an der deutschen internationalen Entscheidungszuständigkeit. Auf diese Weise würde vielen Ausländern praktisch der Zugang zu den deutschen Gerichten verwehrt.27
V. Beurteilung ausländischer Verfahrensakte nach ausländischem Verfahrensrecht Von der (direkten) Anwendung ausländischen Verfahrensrechts durch den in- 329 ländischen Richter zu unterscheiden ist die Beurteilung ausländischer Verfahrensakte nach dem Prozessrecht des jeweiligen ausländischen Staates. Dass etwa die Wirksamkeit einer Zustellung im Ausland durch die dortigen Zustellungsorgane nach der ausländischen lex fori zu beurteilen ist, ist unbestritten.28 Das Gleiche gilt für die Wirksamkeit einer Klageerhebung im Ausland oder die Aufnahme von Beweisen sowie für die Beantwortung der Frage, ob ein ausländisches Urteil existent ist und im Erststaat Wirkungen entfaltet.29 Davon zu unterscheiden ist die Frage, welche Wirkungen diese im Ausland vorgenommenen Akte im Inland haben. Dabei geht es um die Frage der Anerkennung. Darüber entscheidet deutsches Recht.30
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VI. Eigenes Verfahrenskollisionsrecht? Szászy und Grunsky stellen das lex fori-Prinzip als solches in Frage.31 Sie for- 331 dern ein Kollisionsrecht des internationalen Verfahrensrechts. Szászy32 will jeweils dasjenige Prozessrecht anwenden, das mit dem Prozessakt bzw. dem Pro-
24 Nachweise bei Fricke, Der Unterlassungsanspruch gegen Presseunternehmen zum Schutz des Persönlichkeitsrechts im IPR, Diss. München 2003. 25 Vgl. auch IPG 76, 43 (Köln). 26 Anders jedoch § 103 I Nr. 2 FamFG, früher § 661 III Nr. 1a ZPO. 27 Nachweise bei Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 151 Fußn. 557. 28 Vgl. unten Rz. 2914 ff. 29 Siehe auch Basedow in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 147; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 4. 30 Soweit nicht europäisches Gemeinschaftsrecht (Rz. 245c, 2756a) zur Anwendung kommt. 31 Ebenso Isaak Meier in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 42. Weitere Nachweise bei Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 7 Fußn. 13, 76, 152, 159. 32 Szászy, International Civil Procedure, 1967, 225.
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Zweiter Teil: Lex fori-Prinzip zessrechtsverhältnis am engsten verbunden ist. Grunsky33 stellt die Frage, „ob nicht im Interesse einer möglichst weitgehenden Verwirklichung des materiellen Rechts das jeweils dazugehörende Verfahrensrecht mit anzuwenden ist“. Im bewussten Gegensatz zur herrschenden Meinung, die nur Randberichtigungen des lex fori-Prinzips befürwortet, fragt er, „was es eigentlich rechtfertigt, im Verfahrensrecht eine andere Rechtsordnung als im materiellen Recht anzuwenden“. Sein Kriterium ist die Transparenz und Vorausschaubarkeit des Verfahrensrechts: „Soweit es der ausländischen Partei möglich ist und ihr auch zugemutet werden kann, ihr prozessuales Verhalten am deutschen Verfahrensrecht auszurichten, sind allein die inländischen Bestimmungen anzuwenden. Insoweit ist es gerechtfertigt, auf die Übersichtlichkeit einer einheitlich geordneten Verfahrensgestaltung sowie darauf abzustellen, dass sich das Gericht bei der Anwendung ausländischen Verfahrensrechts schwer tut und die Gefahr von Missverständnissen nicht ausgeschlossen werden kann. Soweit dagegen auch das Verfahrensrecht an nicht mehr einseitig abänderbare Umstände anknüpft, erfordert der Zusammenhang zwischen materiellem Recht und Verfahrensrecht, dass in beiden Bereichen die gleiche Rechtsordnung angewandt wird“ (vorbehaltlich des inländischen ordre public).34 332 Um zu verhindern, dass das durchzusetzende materielle Recht „an prozessualen Schranken scheitern kann“, unterstellt Grunsky35 der ausländischen lex causae: Partei- und Prozessfähigkeit, Prozessführungsbefugnis, Fragen der Streitgenossenschaft, Nebenintervention und Streitverkündung. Ausländisches Recht sei auch maßgeblich für die Form des Rechtsschutzes: Die Voraussetzungen der Feststellungsklage und des einstweiligen Rechtsschutzes bestimme die lex causae.36 Das gelte auch für den „möglichen Inhalt und die Wirkung gerichtlicher Entscheidungen“. Vor allem der Umfang der Urteilswirkungen stehe „in engstem Zusammenhang mit dem geltend gemachten subjektiven materiellen Recht und könne deshalb nicht nach einer anderen Rechtsordnung als dieses beurteilt werden“. Auch bei den Voraussetzungen und dem Umfang der Vollstreckungsmöglichkeit müsse aus denselben Erwägungen ausländisches Recht eingreifen.37
VII. Stellungnahme 333 Die materiell-rechtliche Qualifikation führt zu einer vermehrten Fremdrechtsanwendung und reduziert zwangsläufig die Leistungsfähigkeit der Justiz.38 So
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Grunsky ZZP 89 (1976), 249. Grunsky ZZP 89 (1976), 255 Fußn. 49; dagegen bereits Neuhaus RabelsZ 20 (1955), 242. Grunsky ZZP 89 (1976), 257 ff. Tendenziell auch für einen matierell-rechtlichen approach Matthias Jacobs, Der Gegenstand des Feststellungsverfahrens – Rechtsverhältnis und rechtliches Interesse bei Feststellungsstreitigkeiten vor Zivil- und Arbeitsgerichten, 2005. 37 Zu Recht kritisch Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 252. Vgl. aber auch Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 18, der einen mittleren Kurs zwischen nationalem Beharren auf der lex fori und der „Anknüpfungsakrobatik des IPR“ befürwortet. 38 Basedow in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 138.
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oder System der kollisionsrechtlichen Verweisung? schießt z.B. Grunsky39 weit über das Ziel hinaus. Es geht – um ein Beispiel zu nennen – nicht an, den Umfang der Wirkungen deutscher Urteile lege causae zu beurteilen. Andererseits ist die herrschende Meinung, die nur Randberichtigungen des lex fori-Prinzips zulässt, zu zaghaft. Eine allgemeine, aber gleichzeitig präzise und daher für die Praxis verwendbare Abgrenzungsformel wurde noch nicht gefunden. Eine einheitliche, alle Felder des internationalen Verfahrensrechts abdeckende Theorie mit noch einigermaßen heuristischem Wert wird sich auch in Zukunft nicht formulieren lassen. Mehr Erfolg verspricht eine Untersuchung für einzelne Bereiche des internationalen Zivilverfahrensrechts, z.B. für das Beweisrecht (Rz. 2261). Im Folgenden werden deshalb für die Praxis wichtige Abgrenzungsfragen punktuell behandelt.40 Dabei muss klar sein, dass im Rechtsstaat die Trennungslinie zwischen der lex fori und dem (nach kollisionsrechtlichen Regeln) zur Anwendung berufenen ausländischen Recht generell-abstrakt im Voraus festgelegt sein muss. Für eine Ermessensentscheidung des Richters, etwa nach dem Motto „Wenn das ausländische Recht zu schwierig anzuwenden ist, bevorzugen wir die lex fori“, bleibt kein Raum.41 1. Selbsthilfeverbot Selbsthilfe ist in Deutschland unabhängig davon verboten, ob deutsches oder 334 ausländisches Recht zur Anwendung kommt. Selbst wenn die ausländische lex causae eine Selbsthilfe in größerem Umfang als das deutsche Recht zulässt, ist dies kein Rechtfertigungsgrund. Im Rechtsstaat (Art. 20 III GG) ist die Selbsthilfe grundsätzlich verboten: Nicht die Gewalt soll triumphieren, sondern das Recht soll herrschen. An die Stelle der Partei, die auf eigene Faust sich anschickt, ihr Recht durchzusetzen, ist der Richter getreten.42 Er hat den Konflikt zu entscheiden; nur in den engen Grenzen der Notwehr (§ 227 BGB, § 32 StGB), des Notstands (§§ 228, 904 BGB, § 34 StGB) und der Selbsthilfe (§§ 229 f. BGB, §§ 562b, 581 II, 859 f., 865, 867, 962, 1029 BGB, § 127 I StPO) ist der Gang zum Richter nicht erforderlich. Hier kann der Einzelne selbst Gewalt anwenden, um seine Rechte durchzusetzen bzw. zu verteidigen. Diese durch die deutsche lex fori vorgegebenen Grenzen43 gelten auch bei Maßgeblichkeit einer ausländischen lex causae (jedoch beschränkt auf das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland).44
39 Grunsky ZZP 89 (1976), 257 ff. 40 Siehe auch Spieker genannt Döhmann, Die Anerkennung von Rechtskraftwirkungen ausländischer Urteile – eine Untersuchung zur Fortgeltung des ne-bis-idem, Diss Bonn 2002, 48 ff. 41 Basedow in Schlosser a.a.O. 138 gegen Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 658, die einer Überforderung der Justiz mit dem Vorschlag vorbeugen will, man solle den Richter ermächtigen, im Interesse der Entscheidungseffizienz im konkreten Einzelfall einfach die lex fori anzuwenden. 42 Stein/Jonas/Schumann ZPO20, 1979, Einl. Rz. 201. 43 Rechtsvergleichend Diurni, Notstand und Nothilfe. Eine dogmatische Untersuchung auf der Grundlage des deutschen und italienischen Zivilrechts, 1998. 44 Zustimmend Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 48.
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Zweiter Teil: Lex fori-Prinzip 335 Welche Selbsthilfehandlungen ein Beteiligter im Ausland vornehmen darf, entscheidet die dortige lex fori, nicht die (drittstaatliche) lex causae. 2. Justizgewährungsanspruch 336 Da der Staat Selbsthilfe verbietet, muss er Rechtsschutz gewähren. Daher korrespondiert dem Selbsthilfeverbot der Anspruch des Einzelnen gegen den Staat, dass die Gerichte Justiz gewähren (Justizgewährungsanspruch, Rz. 1906). Da das Verbot der Selbsthilfe in gleicher Weise für In- wie für Ausländer gilt, muss dieser Justizgewährungsanspruch jedermann, also auch Ausländern, zustehen. 337 Dies ist zwar unbestritten der Stand der deutschen Zivilprozessrechtsdogmatik seit dem 19. Jahrhundert, aber keineswegs Gemeingut aller Prozessordnungen. So haben die französischen Gerichte noch nach dem Zweiten Weltkrieg aus Art. 14 und 15 Code civil den Schluss gezogen, dass sie bei reinen Ausländerprozessen zur Justizgewährung nicht verpflichtet seien, obwohl sie andererseits die Auffassung vertraten, dass Selbsthilfe auch unter Ausländern verboten sei.45 Einen ähnlichen Standpunkt nehmen hie und da auch die US-Gerichte für Klagen von und gegen non-residents ein.46 338 Über Art und Umfang der Justizgewährung in Deutschland entscheidet ausschließlich die deutsche lex fori;47 eine kollisionsrechtliche Verweisung auf ausländische Rechtsordnungen bzw. -vorstellung ist abzulehnen. 339 Dies gilt auch für den vorläufigen Rechtsschutz:48 Vor deutschen Gerichten ist grundsätzlich nach deutschem Prozessrecht zu verfahren, gleichgültig, welcher Staatsangehörigkeit die Parteien sind und welches materielle Recht anzuwenden ist. Damit sind auch die §§ 935, 940 ZPO, §§ 49 ff., 119, 248 FamFG sowie § 1615o BGB immer – ohne Rücksicht auf die lex causae – anzuwenden.49 340 Ob und wie ein Anspruch im Wechselprozess geltend gemacht werden kann, entscheidet die lex fori, auch wenn für den Wechselanspruch ausländisches Recht gilt.50 341 Die lex fori befindet auch bei ausländischem Sachstatut über die Zulässigkeit des Rechtsweges, insbesondere darüber, ob eine bestimmte Rechtssache vor das Streitgericht, das nach den Regeln der ZPO entscheidet, oder vor das Gericht der 45 Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 177; Friederike E. Sandrock, Die Vereinbarung eines „neutralen“ internationalen Gerichtsstandes, 1997, 134. 46 Scoles/Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws4, 2004, § 11.11; Schütze in Festschrift Jayme, 2004, 849. 47 Zustimmend Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, Einl. Rz. 127. 48 OLG Düsseldorf vom 13.2.1978, WM 1978, 359 = IPRspr. 1978 Nr. 138; OLG Zweibrücken vom 20.4.1988, = FamRZ 1988, 1073 = IPRspr. 1988 Nr. 208. 49 Grundsätzlich anders Grunsky ZZP 89 (1976), 258 nach Fußn. 58: Voraussetzungen und Wirkungen des einstweiligen Rechtsschutzes seien nach der lex causae zu beurteilen, insbesondere die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen durch einstweilige Verfügung zur Erfüllung eines angeblichen Anspruchs verurteilt werden kann. 50 LG Mainz vom 13.12.1974, WM 1975, 149 = IPRspr. 1974 Nr. 27. Ebenso ohne nähere Begründung BGH vom 7.12.1981, IPRax 1982, 189 (Firsching 175).
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oder System der kollisionsrechtlichen Verweisung? freiwilligen Gerichtsbarkeit, das nach den Regeln des FamFG judiziert, zu bringen ist.51 So war – auch wenn für den geltend gemachten Unterhaltsanspruch österreichisches Recht gemäß Art. 18 EGBGB maßgeblich ist – vor Inkrafttreten des FamFG am 1.9.2009 im Zivilprozess zu entscheiden, obwohl in Österreich hierfür das Verfahren außer Streitsachen zur Verfügung steht.52 Nunmehr gilt vice versa das Gleiche: Sieht die lex causae den „normalen“ Zivilprozess vor, ist gleichwohl in Deutschland im Familienverfahren nach dem FamFG zu prozedieren. Auch die Klagebefugnis von Verbänden (§ 8 III Nr. 2–3 UWG,53 §§ 3, 4 Unterlas- 341a sungsklagengesetz) auf Unterlassung wettbewerbswidrigen Verhaltens bzw. auf Nichtverwendung unwirksamer AGB richtet sich nach der lex fori.54 Eine class action55 oder sonstige von der lex causae vorgesehene Massenverfahren zur 51 BGH vom 17.9.1980, BGHZ 78, 108 = NJW 1981, 127 = IPRspr. 1980 Nr. 185; Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 215; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 640a Rn. 14. 52 Musger IPRax 1992, 110 Fußn. 12; R. Geimer in Symposion Außerstreitreform, 1992, 112 (Veröffentlichungen des Ludwig Boltzmann-Institutes für Rechtsvorsorge und Urkundenwesen, Bd. XI); R. Geimer in Festschrift Jayme, 2004, 241. 53 Zur Prozessführungsbefugnis der deutschen Verbraucherschutzvereine, Missstände im Ausland in Deutschland geltend zu machen, siehe Rz. 2240. Weitere Nachweise bei Gerhard Wagner, Neue Perspektiven im Schadensersatzrecht – Kommerzialisierung, Strafschadensersatz, in Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentags, Bd. I, 2006, Gutachten A 111. 54 Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007 § 5 Rz. 32; Micklitz a.a.O. § 13 AGBG Rz. 140. Die dogmatische Einordnung im deutschen Recht ist umstritten, Nachweise bei Zöller/Vollkommer, ZPO27, 2009, vor § 50 Rz. 58. 55 Zur US-amerikanischen class action Nachweise z.B. bei Baumgartner, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile in der Schweiz: Neuere Entwicklungen in Stiftung für die Weiterbildung schweizerischer Richterinnen und Richter, Bd. 5, herausgegeben von Leuenberger/Guy, 2004, 111; Buxbaum, Defining the Function and Scope of Group Litigation: The Role of Class Actions for Monetary Damages in the United States, in Gottwald (ed.), Europäisches Insolvenzrecht – Kollektiver Rechtsschutz, 2008, 215, 220 ff.; Hohl, Die US-amerikanische Sammelklage im Wandel, 2008; Hoppe, Die Einbeziehung ausländischer Beteiligter in US-amerikanische class actions: Unter Berücksichtigung des Class Action Fairness Act 2005, Diss. Köln 2005; Scoles/Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws4, 2004, § 10.9; Klonoff, Class actions and other multiparty litigation, 2000; Dörig, Anerkennung und Vollstreckung US-amerikanischer Entscheidungen in der Schweiz, 1998, 439; Greiner, Die Class Action im amerikanischen Recht und deutscher Ordre Public, 1998; Herrmann, Die Anerkennung US-amerikanischer Urteile in Deutschland unter Berücksichtigung des ordre public – Eine rechtsvergleichende Untersuchung zum „Justizkonflikt“ zwischen Deutschland und den USA, 2000, 171 ff.; Heß JZ 2000, 373, 377; Homburger/Kötz, Klagen Privater im öffentlichen Interesse, 1975; Knapp, Die US-amerikanische Produkthaftung in der Praxis der deutschen Automobilindustrie, 1997, 155; H. Koch, Kollektiver Rechtsschutz im Zivilprozess, 1976; Mark EuZW 1994, 238; Perucchi, Anerkennung und Vollstreckung von US class action-Urteilen und -Vergleichen in der Schweiz, 2008; Schlurmann, Die Class action im Recht der USA, 1968; Spindler, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Prozessvergleiche unter besonderer Berücksichtigung der U.S.-amerikanischen Class Action Settlements, Diss. Heidelberg 2001, 98; Eichholtz, Die US-amerikanische Class Action und ihre deutschen Funktionsäquivalente, 2002. Vgl. auch
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Zweiter Teil: Lex fori-Prinzip „Bündelung“ individueller Interessen kommen derzeit56 für das deutsche Gericht nicht in Betracht, erst recht nicht eine nach der lex causae zulässige Popularklage.57 342 Das Gleiche gilt für die Abgrenzung zwischen Zivil- und Verwaltungsgerichten.58 342a Welche Wirkungen ein ausländisches Insolvenzverfahren auf die Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung in Deutschland hat, bestimmt – außerhalb des Anwendungsbereichs der EuInsVO (Rz. 245c) – allein das deutsche Recht. Welche Vorstellungen hierzu die lex fori concursus hat, ist einerlei. So wird z.B. die „Konsumierung“ der internationalen Zuständigkeit Deutschlands aufgrund der vis attractiva einer (in Deutschland anzuerkennenden) ausländischen Insolvenz nicht akzeptiert.59
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Rz. 2245 (Anerkennungsstadium); Mankowski, Crossing the Rhine – On the Enforceability of U.S. Class Action Judgments and Settlements in Germany, Contratto e impresa/ Europa XII (2007), 613, 624 ff. Siehe aber §§ 1 ff. UKlaG; § 8 III Nr. 2–4 UWG. Die EG-Richtlinie vom 19.5.1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen verpflichtet die Mitgliedstaaten der Europäischen Union, ihr Recht der Verbandsklage zu ändern. Aus diesem Anlass entstand die rechtsvergleichende Studie von Hopt/Basedow/Kötz/Baetge, Die Bündelung gleichgerichteter Interessen im Prozess, 1999. Ausführlich Micklitz in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2001, § 13 AGBG Rz. 144 ff. Siehe auch Ahrens, Die Klagebefugnis von Verbänden im Europäischen Gemeinschaftsrecht, Diss. Rostock 2002 sowie Franke, Die Verbandsklagen der Verbraucherverbände nach dem französischen Code de consommation im Vergleich zum deutschen Recht, Diss. Hamburg 2002; Maurer, Grenzüberschreitende Unterlassungsklagen von Verbraucherschutzverbänden, (Diss. Berlin) 2001; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 5 Rz. 32 ff. Zur österreichischen Perspektive Rechberger in Festschrift Beys, 2003, 1309, 1325; Gerhard Wagner, Neue Perspektiven im Schadensersatzrecht – Kommerzialisierung, Strafschadensersatz, in Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentags, Bd. I, 2006, Gutachten A 68 ff., 106 ff.; zur italienischen Sicht der Dinge Julia Müller, Verbandsklagebefugnisse im italienischen Recht, Diss. Konstanz 2006. Zu Gesetzesinitiativen auf europäischer Ebene Mattil/Desoutter, Die europäische Sammelklage – Rechtsvergleichende und EU-rechtliche Betrachtungen, WM 2008, 521. Siehe auch Einhaus, Kollektiver Rechtsschutz im englischen und deutschen Zivilprozessrecht, 2008. Zum Gesetz zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren (KapMuG) vom 16.6.2005, BGBl. 2005 I 2437. Hierzu Begründung des Regierungsentwurfs 37, abrufbar unter www.bmj.bund.de/media/arcive/798.pdf.; Reuschle WM 2004, 966; von Hein RIW 2004, 602; Haß/Zerr RIW 2005, 721; Schneider BB 2005, 2249, 2250; Gerhard Wagner, Neue Perspektiven im Schadensersatzrecht a.a.O. Gutachten A 120 ff. Umfassend rechtsvergleichend Michailidou, Prozessuale Fragen des Kollektivrechtsschutzes, Diss. Heidelberg 2007. Schack BerDGVR 32 (1992) 337. LAG München vom 22.8.1990, IPRax 1992, 97 (Däubler 82) = IPRspr. 1991 Nr. 62 betr. Kündigungsschutzprozess eines Angestellten einer Körperschaft des öffentlichen Rechts Italiens. Edgar Habscheid, Grenzüberschreitendes (internationales) Insolvenzrecht der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland – Systeme und Wechselwirkungen rechtsvergleichend auch zu anderen Rechtsordnungen, insbesondere der
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oder System der kollisionsrechtlichen Verweisung? 3. Klagbarkeit Trennung zwischen materiell-rechtlichem Anspruch und Klagerecht: Die Tren- 343 nung zwischen Recht (Anspruch) und Rechtsschutz ist vor allem eine Leistung der deutschen Pandektisten des 19. Jahrhunderts (Windscheid). Sie wird deshalb besonders von der deutschen Prozessrechtswissenschaft hervorgehoben. Demgegenüber ist die Befreiung vom aktionenrechtlichen Denken in Frankreich und Italien noch nicht so weit fortgeschritten. Das Gleiche gilt für den angloamerikanischen Rechtskreis. Dort gibt es zwar seit alters die Unterscheidung zwischen „right“ und „remedy“, aber „die Entwicklung zu einer völligen Freilegung des materiellen, vorprozessualen Rechts aus den verbliebenen Resten der prozessualen Verschalung“ ist dort noch im Gange.60 Für Juristen des civil law erstaunlich weit ist der Begriff des remedy (im Gegensatz zum right). Dies hängt mit der (ursprünglich) umfassenden Bedeutung des Verfahrensrechts zusammen. Lange Zeit war im anglo-amerikanischen Prozess die Verfahrensart die alles dominierende Frage. Es gab einen numerus clausus der Klageformeln. Wenn kein passender writ (claim form) vorhanden war, konnte auch kein Unrecht geschehen und daher kein Anspruch entstanden sein.61 Ist die Unklagbarkeit eines Anspruchs lege causae oder lege fori zu beurtei- 344 len?62 Ist der Anspruch nach dem Schuldstatut klagbar, jedoch nicht nach deutschem Recht, z.B. Ansprüche aus Spiel und Wette, so ist jeweils zu prüfen, ob der deutsche ordre public (Art. 6 EGBGB) eine Verurteilung verbietet. Es handelt sich mithin um eine Frage des materiellen Rechts. Im Falle der ordre publicWidrigkeit erfolgt die Abweisung der Klage nicht etwa als unzulässig, sondern als unbegründet. Dagegen entscheidet über die Zulässigkeit einer positiven oder negativen Feststellungsklage bezüglich einer Naturalobligation die deutsche lex fori.63 4. Richtet sich die Zulässigkeit der Klage auf Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung nach der ausländischen lex causae oder der deutschen lex fori? Im deutschen Recht ist – vorbehaltlich abweichender Parteivereinbarungen64 – 345 lückenlos sichergestellt, dass der Gläubiger die Erfüllung der Verbindlichkeit erzwingen kann. Dass der Gläubiger den Schuldner auf Erfüllung verklagen kann und das Gericht dem Schuldner die Leistung befiehlt, erschien dem deutschen Gesetzgeber so selbstverständlich, dass ihm eine entsprechende geschriebene
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Schweiz, 1998, 373; Edgar Habscheid ZIP 1999, 1113; Edgar Habscheid NZI 2003, 238, 240. Niederländer RabelsZ 20 (1955), 17; Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 85. If there is no writ, there is no remedy and where is no remedy, there is no wrong. Für lex causae Riezler, Internationales Zivilprozeßrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 126; Neumann, Der vertragliche Ausschluss der Klagbarkeit, 1967, 64 ff. mit weiteren Nachweisen. Für lex fori Kralik ZZP 74 (1961) 12. Rechtsvergleichend zur Einklagbarkeit von Spielschulden Roquette/Nordemann-Schiffel ZvglRWiss 99 (2000), 444. Zum „Dickicht“ möglicher Anspruchsverkürzungen (Naturalobligation, Stundung und pactum de non petendo) Wagner, Prozessverträge, 1998, 413 ff.
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Zweiter Teil: Lex fori-Prinzip Regel überflüssig erschien. Leistet der Schuldner trotz Verurteilung nicht, so sorgt ein ausgefeiltes Zwangsvollstreckungsrecht dafür, dass der Schuldner zur Leistung gezwungen wird. 346 In diesem Punkt ist das französische Recht bereits schwächer. Es fehlt eine dem § 888 ZPO entsprechende Norm. Aber im Grundsatz stimmen die romanischen Rechtsordnungen mit dem deutschen System überein: Die Klage auf Erfüllung des Vertrages ist ebenso anerkannt wie im deutschen Recht, vgl. Art. 1184, 1610 Code civil und Art. 1453 ital. Codice civile.65 347 Völlig anders ist der Ausgangspunkt des englischen Rechts und der von diesem beeinflussten Rechtsordnungen: Leistet der Schuldner nicht, so kann der Gläubiger nur eine Klage auf Schadensersatz in Geld wegen „breach of contract“ erheben. Fremd ist dem common law die Vorstellung, dass durch den Vertrag eine gerichtlich erzwingbare, auf Erfüllung gerichtete Verpflichtung entsteht.66 Nur in Ausnahmefällen wird eine Erfüllungsklage (specific performance) zugelassen, nämlich wenn bloßer Schadensersatz „inadequate“ ist oder wenn „a decree of the court which compels the defendant personally to do what he promised to do (is) more perfect and complete justice than an award of damages“. Die Gewährung der specific performance steht im Ermessen des Gerichts, das „according to fixed and settled rules“ auszuüben ist.67 Eine order for specific performance wird nach contempt of court-Regeln durchgesetzt.68 348 Untersteht der Klageanspruch nach den Regeln des deutschen internationalen Privatrechts englischem Recht und lässt dieses im konkreten Fall eine „specific performance“ nicht zu, so kann das deutsche Gericht nach Ansicht des Reichsgerichts gleichwohl zur Erfüllung verurteilen. Dieses qualifizierte den Ausschluss der Klagbarkeit prozessrechtlich und wandte daher insoweit das ausländische Recht nicht an. Für den deutschen Richter bestehe „kein Anlass, diese Grundsätze des englischen Aktionensystems in einem vor ihm geführten Prozess deswegen zur Anwendung zu bringen, weil die Verpflichtung an sich dem englischen Recht untersteht. Es ist zu unterscheiden zwischen dem Inhalt der Rechte und ihrer gerichtlichen Geltendmachung. Die Regeln, die in letzterer Beziehung im Auslande bestehen, sind für den deutschen Richter, der nur sein heimisches Prozessrecht anzuwenden hat, nicht maßgebend.“69 65 Zur Zwangsvollstreckung Remien, Rechtsverwirklichung durch Zwangsgeld, 1992, 41 ff.; Remien RabelsZ 51 (1987), 247 Fußn. 4, 249 Fußn. 15. 66 Rheinstein, Die Struktur der vertraglichen Schuldverhältnisse im anglo-amerikanischen Recht, 1932; Schobert, Die Realerfüllung, insbesondere nach anglo-amerikanischem Recht, 1952, 121 ff.; Neufang, Erfüllungszwang als „remedy“ bei Nichterfüllung: eine Untersuchung zu Voraussetzungen und Grenzen der zwangsweisen Durchsetzung vertragsgemäßen Verhaltens in US-amerikanischem Recht im Vergleich mit der Rechtslage in Deutschland, 1998. Nachweise bei Burrows, Remedies for torts and breach of contract3, 2004. 67 Nachweise bei Remien, Rechtsverwirklichung durch Zwangsgeld, 1992, 102, 136. Siehe auch Hay, US-Amerikanisches Recht4, 2008, Rz. 152. 68 Remien a.a.O. 105. Jones/Goodhart, Specific performance, 1986 (bespr. von Remien RabelsZ 51 [1987], 245); Kornilakis in Festschrift Kerameus, 2009, 605. 69 RG vom 28.4.1900, RGZ 46, 193 199. Dagegen Schoch, Klagbarkeit, Prozessanspruch und Beweis im Lichte des internationalen Rechts, 1934, 110.
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oder System der kollisionsrechtlichen Verweisung? Die Argumentation des Reichsgerichts ist nicht zwingend. Man kann ebenso ei- 349 ne materiell-rechtliche Qualifikation vertreten: Nach dem maßgeblich englischen Recht sei gar kein (materiell-rechtlicher) Erfüllungsanspruch gegeben. Daher erübrigt sich die Frage, ob für die Klagbarkeit des englischen Erfüllungsanspruchs deutsches oder englisches Recht gelte. Der materiell-rechtlichen Qualifikation ist im Interesse des internationalen Entscheidungseinklangs der Vorzug zu geben.70 Für den Bereich des einheitlichen Kaufrechts bestimmt Art. 28 des Wiener VNÜbereinkommens über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11.4.1980:71
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Ist eine Partei nach diesem Übereinkommen berechtigt, von der anderen Partei die Erfüllung einer Verpflichtung zu verlangen, so braucht ein Gericht eine Entscheidung auf Erfüllung in Natur nur zu fällen, wenn es dies auch nach seinem eigenen Recht bei gleichartigen Verträgen täte, die nicht unter dieses Übereinkommen fallen. 5. Verjährung Nach common law ist die Verjährung ein Institut des Prozessrechts („limitation of action“).72 Die prozessrechtliche Qualifikation des common law ist für uns unbeachtlich. Aus deutscher Sicht handelt es sich bei der Verjährung um eine materiell-rechtliche Frage. Dies bestimmt ausdrücklich Art. 32 I Nr. 4 EGBGB bzw. nunmehr Art. 12 I (d) der Rom I-Verordnung73 für die vertraglichen Schuldverhältnisse. Aber auch sonst sind die einschlägigen Normen des englischen bzw. US-amerikanischen Rechts als lex causae anzuwenden.74 – Siehe auch Rz. 3804. 70 Siehe auch Remien, Rechtsverwirklichung durch Zwangsgeld, 1992, 296. 71 BGBl. 1989 II 588. Hierzu Remien RabelsZ 51 (1987), 247. 72 Anders nunmehr im Vereinigten Königreich sec. 1 Foreign Limitations Periods Act 1984, und die neueren Uniform Conflict of Laws Limitation Acts, Ebenroth/Eyles IPRax 1989, 2 Fußn. 7; Hay IPRax 1989, 199. Zu borrowing statutes 1988 siehe Restatement of the Law Second, Conflict of Laws (1988 revisions) § 142 Statute of Limitation of forum: Grundsätzlich gilt die Verjährungsfrist der lex fori; jedoch haben kürzere Fristen „of the state having a more significant relationship to the parties and the occurence“ Vorrang. Zum US-Recht siehe auch Knapp, Die US-amerikanische Produkthaftung in der Praxis der deutschen Automobilindustrie, 1997, 95; Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts6, 2006, § 41 II; Otto, Der prozessuale Durchgriff – die Nutzung forumansässiger Tochtergesellschaften in Verfahren gegen ihre auswärtigen Muttergesellschaften im Recht der USA, der Europäischen Gemeinschaften und der Bundesrepublik Deutschland, zugleich ein Beitrag im Justizkonflikt mit den USA, 1993, 120. 73 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. EU Nr. L 177 vom 4.7.2008, S. 6. 74 RG vom 6.7.1934, RGZ 145, 121, 131; OLG München vom 27.3.1974, IPRspr. 1974 Nr. 26; OLG Hamburg vom 4.1.1973, AWD 1974, 562 = IPRspr. 1973 Nr. 27; BGH vom 9.6.1960, NJW 1960, 1720, 1721 = IPRspr. 1960–1961 Nr. 23; IPG 1974 Nr. 2 (Köln); Kegel IPRax 1983, 23; Linke, Internationales Zivilprozessrecht4, 2006, Rz. 50; Basedow in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 136.
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Zweiter Teil: Lex fori-Prinzip 6. Aufrechnung 352 Nach common law handelt es sich um ein Institut des Prozessrechts: Die Aufrechnung kann – ebenso wie die Verjährung (Rz. 351) – nicht außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens eingewandt werden. Es muss vielmehr der Richter eingeschaltet werden.75 Aus deutscher Sicht gehört die Aufrechnung aber – wie die Verjährung – zum materiellen Recht.76 7. Fristwahrung nach § 167 ZPO 353 § 167 ZPO ist eine verfahrensrechtliche Norm, die auch dann anzuwenden ist, wenn in der Sache ausländisches Recht zur Anwendung kommt.77 8. Prozesszinsen und Inflationsausgleich während des Prozesses 354 Ob und wie eine Schuld nach Rechtshängigkeit zu verzinsen ist, beurteilt sich nicht lege fori,78 sondern nach der lex causae.79 Deshalb ist auch der Inflationsausgleich nach Art. 459 III des codice di procedura civile materiell-rechtlich einzuordnen.80 9. Direktklage (action directe) 354a Maßgebend ist nicht die deutsche lex fori, sondern die lex causae.81 Nach Art. 40 IV EGBGB bzw. nunmehr Art. 18 der Rom II-Verordnung82 kann der Ver75 Kegel IPRax 1983, 23; Walther J. Habscheid ZfRV 1985, 308; R. Geimer IPRax 1986, 210; Wagner IPRax 1999, 65, 69. 76 Zum maßgeblichen Aufrechnungsstatut Rz. 868b. 77 Ebenso für § 270 III ZPO a.F. Däubler IPRax 1992, 83 gegen LAG München vom 22.8.1990, IPRax 1992, 97 = IPRspr. 1991 Nr. 62. Vgl. auch Art. 9 II der EG-Zustellungsverordnung (Rz. 245c). 78 Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007 § 5 Rz. 16; Königer, Die Bestimmung der gesetzlichen Zinshöhe nach dem deutschen Internationalen Privatrecht – Eine Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung der Artt. 78 und 84 I UNKaufrecht (CISG), 1997, 53. Anders LG Frankfurt/M. vom 12.1.1994, RIW 1994, 778 = IPRspr. 1994 Nr. 22. 79 Martiny in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 278. 80 LAG München vom 22.8.1990, IPRax 1992, 97, 100 (Däubler 82) = IPRspr. 1991 Nr. 62. Anderer Auffassung LG Frankfurt/M. vom 12.1.1994, RIW 1994, 778 = IPRspr. 1994 Nr. 22. Zu den gesetzlichen Zinsen nach englischem Recht IPG 2000/2001 Nr. 10 Rz. 87 ff. (Hamburg). 81 Enger zum alten Recht (nur Deliktsstatut) BGH vom 4.7.1989, BGHZ 108, 200 = NJW 1989, 3095 = RIW 1989, 820 = IPRax 1990, 180 (Spickhoff 164) = IPRspr. 1989 Nr. 56; OLG München vom 24.2.1995, NJW-RR 1996, 1179 = IPRspr. 1995 Nr. 45; Mansel, Direktansprüche gegen den Haftpflichtversicherer: Anwendbares Recht und internationale Zuständigkeit, 1986; Wandt IPRax 1992, 260. Zur französischen action directe Schulz, Die französische action directe: Ein Modell für einen Gewährleistungsdurchgriff im deutschen Kaufrecht?, 1999; Gebauer IPRax 2001, 471, 472. 82 Verordnung (EG) Nr. 864/2007 vom 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. EU Nr. L 199, S. 40.
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oder System der kollisionsrechtlichen Verweisung? letzte seinen Anspruch unmittelbar gegen einen Versicherer des Ersatzpflichtigen geltend machen, wenn das auf die unerlaubte Handlung anzuwendende Recht oder das Recht, dem der Versicherungsvertrag unterliegt, dies vorsieht.83 10. Defences nach common law Defences nach common law sind prozessuale Gestaltungsrechte, die funktional 354b am ehesten den Prozesshindernissen des deutschen Zivilprozesses vergleichbar sind und vom Gericht nur auf Einrede zu beachten sind.84 Die Einordnung ist schwierig. Sie ist für jede einzelne „defence“ gesondert vorzunehmen. Im Zweifel dürfte eine Berücksichtigung auch durch den deutschen Richter als lex causae sinnvoll sein. 11. Geständnis Zusammengehöriges soll nicht auseinander gerissen werden. Eine funktionale 355 Betrachtungsweise ist daher geboten: Die rechtliche Situation muss in toto gesehen werden, unabhängig von der systematischen Stellung der Regelung im materiellen Recht oder im Verfahrensrecht.85 Dabei ist im Auge zu behalten, dass der nationale Gesetzgeber mehrere Gestaltungsmöglichkeiten hat. Er kann seine rechtspolitischen Ziele – im Rahmen der Einheit seiner Rechtsordnung – durch eine rein materiell-rechtliche Regelung erreichen, er kann aber auch verfahrensrechtliche Vorschriften einsetzen, Rz. 56, 77, 315, 2277, 2293. Grunsky86 will der Partei die ungünstigen Wirkungen eines Geständnisses nach 356 der deutschen lex fori (§ 288 ZPO) auch bei ausländischer lex causae zurechnen. Kollisionsrechtlich ist aber nicht nur relevant, ob die Partei, die ein Geständnis ablegt, sich die nach der lex fori damit verbundenen Folgen zurechnen lassen muss. Vielmehr ist auch die lex causae in Betracht zu ziehen und zu fragen, ob diese Rechtsfolgen mit dem anwendbaren materiellen Recht vereinbar sind.87 Beispiel: Beschränkung oder Ausschluss des Geständnisses in eherechtlichen 357 Streitigkeiten: Unabhängig davon, ob es den Parteien zumutbar ist oder nicht, sich auf die Rechtsfolgen (im Sinne Grunskys) einzustellen, müsse die Wirkung des Geständnisses nach der lex causae beurteilt werden, weil ansonsten eine materiell-rechtlich verflochtene Vorschrift unbeachtet bliebe. Dem ist für Statusverfahren, wo die materiell-rechtliche Verflochtenheit beson- 358 ders eng ist, zu folgen. Für den „normalen Zivilprozess“ gilt aber die deutsche lex fori, Rz. 2276, 2280.
83 Hierzu Junker in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Art. 40 EGBGB Rz. 21, 221. 84 Ebke RIW 1991, 6. 85 Nachweise bei Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 170; Hartwieg JZ 1997, 381, 388. 86 Grunsky ZZP 89 (1976), 256. 87 Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 253.
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Zweiter Teil: Lex fori-Prinzip 12. Geständnisfiktion im Versäumnisfall 359 Daher ist die Geständnisfiktion des § 331 I ZPO ohne Rücksicht auf die lex causae anzuwenden. Eine solche ist vielen Rechtsordnungen nicht bekannt, so z.B. nicht der französischen (Art. 472 II Nouveau Code de procédure civile).88 360 In Statusverfahren ist im deutschen Recht ein Versäumnisverfahren gegen den Antragsgegner ausgeschlossen.89 Inhaltlich abweichende Normen sind nicht relevant, wenn sie weniger „streng“ sind. Soweit die lex causae strenger ist, hat diese Vorrang, Rz. 358, 2281. 13. Lex fori und contempt of court 361 Kann das Gericht nach der lex causae (dem deutschen Recht unbekannte) Zwangs- oder Strafmaßnahmen verhängen, z.B. wenn eine Partei es ablehnt oder unterlässt, Beweismittel beizubringen (contempt of court), so ist dies für den deutschen Richter unbeachtlich. Die Frage der Sanktion bestimmt sich nach der deutschen lex fori. Selbst wenn man die Gegenansicht vertreten wollte, so wäre wohl der ordre public einzusetzen. 14. Rechtshilfe für ausländische Gerichte 362 Grundsätzlich werden Zustellungen, Beweisaufnahmen und andere gerichtliche Handlungen (Art. 1 I HBÜ) nach der deutschen lex fori ausgeführt. Eine Ausnahme gilt jedoch, wenn das ausländische Gericht darum ersucht, nach seiner lex fori oder in besonderen Formen zu verfahren, Rz. 2153, 2505.90 363–370
88 Rechtsvergleichendes bei Hartwieg JZ 1997, 381, 388. 89 § 130 II FamFG, früher §§ 612 IV, 640 I, 661 III ZPO. 90 Zur Kumulierung und „Optimierung“ der Weigerungsrechte nach allen in Betracht kommenden Rechtsordnungen in Art. 11 HBÜ siehe Rz. 2509 sowie Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses im deutschen und im US-amerikanischen Zivilprozess und im Rechtshilfeverfahren, 1989, 265.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit Literatur: Appelbaum, Einschränkungen der Staatenimmunität in Fällen schwerer Menschenrechtsverletzungen, 2007; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998; Busl, Ausländische Staatsunternehmen im deutschen Vollstreckungsverfahren, Diss. München 1991; Calvo Caravaca/Carrascosa González, Derecho Internacional Privado I, 2002, 88; Cremer, Entschädigungsklagen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen und Staatenimmunität vor nationaler Zivilgerichtsbarkeit, ArchVR 41 (2003), 137; Dörr, Staatliche Immunität auf dem Rückzug, ArchVR 41 (2003), 201; R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966; Georgieff, Kollisionen durch extraterritoriale staatliche Regelungen im internationalen Wirtschaftsrecht, 1989; von Hein, Voraussetzungen und Umfang des Immunitätsverzichts in Staatsanleihen, IPRax 2007, 399; Herz, Die Immunität ausländischer Staatsunternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit, Diss. Tübingen 1992; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992; Krauskopf/Steven, Immunität ausländischer Zentralbanken im deutschen Recht, WM 2000, 269; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998; Kreß, Der Internationale Gerichtshof im Spannungsfeld von Völkerstrafrecht und Immunitätsschutz, GA 2003, 25; Kuhmann, Das Ermittlungsverfahren im internationalen Kartellrecht der USA, 1988; Langkeit, Staatenimmunität und Schiedsgerichtsbarkeit, 1989; Meierhöfer, Der EGMR als „Modernisierer“ des Völkerrechts? Staatenimmunität und ius cogens auf dem Prüfstand, EuGRZ 2002, 391; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994; Müller/Wildhaber, Praxis des Völkerrechts3, 2001, 414 f.; M. Lüke, Die Immunität staatlicher Funktionsträger, 2000; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2006, § 2 Rz. 4 ff.; Orahelashvili, State Immunity and International Public Order, GYIL 45 (2002), 227; Paulus, Die internationale Gemeinschaft im Völkerrecht, 2001, 270 ff.; Rauser, Die Übertragung von Hoheitsrechten auf ausländische Staaten, 1991; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 67 ff.; Siegrist, Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet, 1987; Stadler, Pacta sunt servanda – auch im Falle argentinischer Staatsanleihen, IPRax 2008, 405; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Bearbeitung 2005, Vorbem §§ 606a, 328 ZPO Rz. 14; Stoffel, Die völkervertraglichen Gleichbehandlungsverpflichtungen der Schweiz gegenüber Ausländern – Eine Untersuchung über die Bedeutung der Gleichbehandlungsklauseln in den Niederlassungsverträgen, 1979; Voyiakis, Access to Court v. State Immunity, ICLQ 52 (2003), 297; Watts, The Legal Position of Heads of States, Heads of Governments and Foreign Ministers, RdC 247 (1994 III), 9, 56 ff.; Weigel, Gerichtsbarkeit, internationale Zuständigkeit und Territorialitätsprinzip im deutschen gewerblichen Rechtsschutz, 1973; Weiß, Völkerstrafrecht zwischen Weltprinzip und Immunität, JZ 2002, 696; Zeichen/Hebenstreit, Kongo v. Belgien. Sind Au181
Dritter Teil: Gerichtsbarkeit ßenminister vor Strafverfolgung wegen völkerstrafrechtlicher Verbrechen immun?, ArchVR 41 (2003), 182; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung und die Bedeutung des Genuine-Link-Erfordernisses, 1992; Zuppi, Die Immunität ausländischer Staaten vor argentinischen Gerichten, RIW 2007, 340.
1. Kapitel: Begriff und Grenzen der Gerichtsbarkeit I. Überblick 371 Gerichtsbarkeit bedeutet facultas iurisdictionis; damit meint man die aus der Souveränität bzw. Gebietshoheit1 fließende Befugnis2 eines jeden Staates, Recht zu sprechen. Sie wird auch als Gerichtshoheit bezeichnet.3 Die Grenzen der Gerichtsbarkeit ergeben sich aus dem Völkerrecht. Kein Staat darf auf dem Gebiet eines anderen Hoheitsakte setzen; er darf deshalb dort auch seine Rechtspflegeorgane nicht tätig werden lassen, es sei denn, dieser gestattet es ausdrücklich, Rz. 119.4 Dieses Verbot gilt jedoch nicht auf staatsfreiem Gebiet, Rz. 409, sofern nicht das Völkerrecht Schranken errichtet, wie z.B. für Hoheitsakte gegen fremde Schiffe auf hoher See.5 372 Von den persönlichen Befreiungen von der Gerichtsbarkeit (Rz. 471) abgesehen, ist die Gerichtshoheit eines jeden Staates innerhalb seines Territoriums grundsätzlich unbeschränkt: Jeder Staat besitzt auf seinem Staatsgebiet, d.h. mit Wirkung für seine Hoheitssphäre, Gerichtsbarkeit für die Entscheidung eines jeden bürgerlich-rechtlichen Rechtsstreits, sofern zu den beteiligten Parteien oder zu dem Streitgegenstand eine ausreichende Inlandsbeziehung besteht, Rz. 127, 166.6 1 Zu dieser Unterscheidung Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, §§ 1038 ff. 2 Kritisch Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 221: Durch die Wahl des Wortes „Befugnis“ werde suggeriert, das Völkerrecht weise den Staaten Kompetenzen zu. Angesichts der völkerrechtlichen Vermutung für die Freiheit der Staaten (Bertele 51 ff.) sei die Gerichtsbarkeit aber eher als die „Begrenzung der ursprünglich unbegrenzten Freiheit durch gewisse rechtliche Anforderungen an das Tätigwerden der nationalen Gerichte“ zu sehen. 3 Näher R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 40, 67, 69; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 104. 4 Zur Duldung des Handelns fremder Staaten auf eigenem Territorium Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 85 ff.; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 131. 5 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 328; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 1144. Siehe auch LG Hamburg vom 23.8.1994, NJW-RR 1995, 183 = RIW 1995, 244 = IPRspr. 1994 Nr. 142. 6 BVerfGE vom 22.3.1983, 63, 343, 369; BVerfG vom 21.10.1987, BVerfGE 77, 137, 153; BVerfG vom 15.5.1995, BVerfGE 92, 277, 320; BVerfG vom 12.12.2000, NJW 2001, 1848 = NStZ 2001, 240 = JZ 2001, 975 (Kadelbach); R. Geimer ZfRV 1992, 333; Remien, Rechts-
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Begriff und Grenzen Das Verbot, Hoheitsakte auf dem Gebiet eines anderen Staates zu setzen, gilt 372a nicht, sofern eine völkervertragliche oder völkergewohnheitsrechtliche Regel besteht, die dies ausdrücklich erlaubt.7 So dürfen z.B. Diplomaten und Konsuln Zustellungen und Beweisaufnahmen vornehmen, Rz. 447, 2169, 2426. Auch gestattet das Völkerrecht dem Flaggenstaat, Hoheitsakte an Bord von Schiffen und Flugzeugen in bzw. über dem fremden Gebiet zu erlassen.8
II. Stand der völkerrechtlichen Diskussion Von der Frage, in welchem räumlichen Bereich ein Staat Hoheitsakte vornehmen 373 und durchsetzen darf (= räumliche Kompetenz zur Setzung von Hoheitsakten, jurisdiction to enforce9), ist die Frage zu unterscheiden, ob ein Staat durch seine Rechtsordnung nur inländische Sachverhalte regeln darf oder auch Sachverhalte mit Auslandsberührung und wie gegebenenfalls die Grenzen seiner Regelungsbefugnis zu ziehen sind (jurisdiction to prescribe), Rz. 166. Zur Terminologie Restatement of the Law Third, The Foreign Relations Law of 373a the U.S. (ed. The American Law Institute, 14.5.1986), 1987: § 401 Categories of Jurisdiction Under international law, a state is subject to limitations on (a) jurisdiction to prescribe, i.e., to make its law applicable to the activities, relations, or status of persons, or the interests of persons in things, whether by legislation, by executive act or order, by administrative rule or regulation, or by determination of a court; (b) jurisdiction to adjudicate, i.e., to subject persons or things to the process of its courts or administrative tribunals, whether in civil or in criminal proceedings, whether or not the state is a party to the proceedings; (c) jurisdiction to enforce, i.e., to induce or compel compliance or to punish noncompliance with its laws or regulations, whether through the courts or by use of executive, administrative, police, or other nonjudicial action10. 1. Anwendung eigenen Rechts (jurisdiction to prescribe = legislative jurisdiction = compétence législative): Die Reichweite der staatlichen Gesetzgebung, die nach herrschender Meinung nicht auf Völkerrecht beruht, sondern von diesem nur anerkannt wird,11 ist durch die Gebietshoheit der anderen Staaten verwirklichung durch Zwangsgeld, 1992, 304. Siehe auch Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006, 24, 171. Weitere Nachweise bei Escher/Reichert SchiedsVZ 2007, 71, 73. 7StIGH vom 7.9.1927 PCIJ Series A 10 (1927) 18 (Lotus-Fall). 8Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 326, 328. 9Hierzu Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 99 ff. 10 Hierzu Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung im internationalen Wirtschaftsrecht, 1990, 198. 11 Rudolf BerDGesVR 11 (1973), 17. Anderer Auffassung Kelsen, Allgemeine Staatslehre, 1925, 141.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit (Rz. 119) limitiert. Das heißt aber nicht, dass sich die Gesetzgebung eines Staates nur auf Sachverhalte bezieht, die auf eigenem Gebiet zu lokalisieren sind, Rz. 169. Die Freiheit, Sachverhalte zu normieren, die sich außerhalb des Bereichs der eigenen Gebietshoheit ereignen, setzt nach Völkergewohnheitsrecht allerdings voraus, dass zwischen dem normierenden Staat und dem normierten Sachverhalt eine „sinnvolle Anknüpfung“ (genuine link, close connection with the facts, sufficiently strong interest) besteht, Rz. 166.12 Fehlt es an einer sinnvollen Anknüpfung, so macht ein Staat von einer Befugnis Gebrauch, die nicht ihm, sondern einem anderen Staat zusteht. Er erfüllt damit den Tatbestand einer verbotenen Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates.13 375 Völkerrechtlich konfliktträchtig ist die Wirkungstheorie, auf die vor allem die Vereinigten Staaten von Amerika den weiten Geltungsanspruch ihres Rechts stützen (Auswirkungsprinzip, Rz. 169). Auf Auslandssachverhalte, die auf amerikanischem Gebiet wesentliche Wirkungen erzeugen („substantial effect“) oder sich gegen amerikanische Interessen richten, wird US-Recht angewandt.14 Dies gilt vor allem für das Wettbewerbs-, Kartell- und Kapitalanlegerschutzrecht sowie für Wirtschaftsboykottgesetze, die auch gegenüber den ausländischen (europäischen) Töchtern der US-Gesellschaften durchgesetzt werden sollen.15 Die eigentliche Durchschlagskraft bekommt die Wirkungstheorie durch den Machtanspruch der amerikanischen Ziviljustiz. Stichwort: discovery abroad. „Der Umfang, in welchem amerikanische Gerichte eine Mitwirkungspflicht postulieren, ist wahrhaft erregend . . . Was beklagten Parteien alles angesonnen wird, ist für uns im Grunde unvorstellbar“.16 12 BVerfG vom 22.3.1983, BVerfGE 63, 343, 369; BVerfG vom 21.10.1987, BVerfGE 77, 137, 153; BVerfG vom 15.5.1995, BVerfGE 92, 277, 320; BVerfG vom 12.12.2000, NJW 2001, 1848 = NStZ 2001, 240 = JZ 2001, 975 (Kadelbach); Mann RdC 111 (1964 I), 46; Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 393; Dahm/Delbrück/Wolfrum,Völkerrecht2 I 1, 1989, 321 Fußn. 21, 323; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 183 ff.; de Vareilles-Sommières, La compétence internationale d’Etat en matière de droit privé: droit international public et droit international privé, 1997. Siehe auch Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006, 24, 171. 13 BVerfG 22.3.1983, BVerfGE 63, 343, 369; ähnlich BVerfG vom 21.10.1987, BVerfGE 77, 137, 153; BVerfG vom 15.5.1995, BVerfGE 92, 277, 320; BVerfG vom 12.12.2000, NJW 2001, 1848 = NStZ 2001, 240 = JZ 2001, 975 (Kadelbach); Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 310; Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht10, 2000, Rz. 1366, 1376; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 1183. 14 Born/Rutledge, International Civil Litigation in the United States Courts4, 2006, 632 ff. Siehe auch Gruson RIW 2006, 241, 249. 15 Hierzu Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 375; Forwick, Extraterritoriale US-amerikanische Exportkontrollen, 1993, 72. 16 Schlosser, Der Justizkonflikt zwischen den USA und Europa, 1985, 7, 13, 15. Die Verzahnung von materiellem Recht und Prozessrecht und deren Ausstrahlung via discovery abroad hat vor allem Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, a.a.O. deutlich gemacht: „Discovery ist von dem materiellen Kartellrecht, das sie durchsetzen soll, gar nicht zu trennen.“ – „The heart of any American antitrust
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Begriff und Grenzen Eine Parallele im Geltungsanspruch des materiellen Kartellrechts – jedoch ohne die verfahrensrechtliche Flankierung durch discovery – findet sich bei uns in Art. 101 AEUV/Art. 81 EGV und § 130 II GWB, Rz. 169, 171.17
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§ 402 des Restatement (Third) of Foreign Relations Law (1987) führt insgesamt vier bases of jurisdiction to prescribe an:
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– nationality principle (aktives Personalitätsprinzip), – passive personality principle (passives Personalitätsprinzip),18 – protective principle (Schutzprinzip), – universality principle (Universalitätsprinzip). § 402 Bases of Jurisdiction to Prescibe Subject to § 403, a state has jurisdiction to prescribe law with respect to (1) (a) conduct that, wholly or in substantial part, takes place within its territory; (1) (b) the status of persons, or interests in things, present within its territory; (1) (c) conduct outside its territory that has or is intended to have substantial effect within its territory; (2) the activities, interests, status, or relations of its nationals outside as well as within its territory; and (3) certain conduct outside its territory by persons not its nationals that is directed against the security of the state or against a limited class of other state interests. § 403 Limitations on Jurisdiction to Prescribe (1) Even when one of the bases for jurisdiction under § 402 is present, a state may not exercise jurisdiction to prescribe law with respect to a person or activity having connections with another state when the exercise of such jurisdiction is unreasonable.
case is the discovery of business documents. Without them there is virtually no case“, Timothy G. Smith 14 Va. J. Int. L. 747 (1974). „Wenn die Europäer schon nicht verhindern können, dass die USA nach dem Auswirkungsprinzip ihr Antitrust-Recht auf europäische Unternehmen anwenden, so wollen sie wenigstens verhüten, dass die USA für diesen Frevel auch noch Beweise sammeln.“ Wildhaber BerDGVR 18 (1978), 48. Zum Geltungsanspruch von US-Exportkontrollen Basedow RabelsZ 47 (1983), 147; Hentzen, US-amerikanische Exportkontrollen, 1988; Hentzen RIW 1988, 508. Vgl. auch Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 374, 391. – Ob die Entscheidung Boureslan v. Aramco des US Supreme Court (111 S. Ct. 1227–1246 [1991]; hierzu Born/Hausmaninger IPRax 1992, 192) eine Wende bedeutet, bleibt abzuwarten. 17 Hierzu z.B. Hilbig, Das gemeinschaftsrechtliche Kartellverbot im internationalen Handelsschiedsverfahren – Anwendung und gerichtliche Kontrolle, Diss. München 2006, 74 ff. 18 Hierzu z.B. Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 77; Münchau, Terrorismus auf See aus völkerrechtlicher Sicht, 1994, 142; siehe auch BGH vom 7.10.1997, IPRax 1999, 106 (Zimmer/Rudo 89).
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit (2) Whether exercise of jurisdiction over a person or activity is unreasonable is determined by evaluating all relevant factors, including, where appropriate: (a) the link of the activity to the territory of the regulating state, i.e., the extent to which the activity takes place within the territory, or has substantial, direct, and foreseeable effect upon or in the territory; (b) the connections, such as nationality, residence, or economic activity, between the regulating state and the person principally responsible for the activity to be regulated, or between that state and those whom the regulation is designed to protect; (c) the character of the activity to be regulated, the importance of regulation to the regulating state, the extent to which other states regulate such activities, and the degree to which the desirability of such regulation is generally accepted; (d) the existence of justified expectations that might be protected or hurt by the regulation; (e) the importance of the regulation to the international political, legal, or economic system; (f) the extent to which the regulation is consistent with the traditions of the international system; (g) the extent to which another state may have an interest in regulating the activity; and (h) the likelihood of conflict with regulation by another state. (3) When it would not be unreasonable for each of two states to exercise jurisdiction over a person or activity, but the prescriptions by the two states are in conflict, each state has an obligation to evaluate its own as well as the other state’s interest in exercising jurisdiction, in light of all the relevant factors, Subsection (2); a state should defer to the other state if that state’s interest is clearly greater. 377 2. Tätigwerden der eigenen Gerichte (jurisdiction to adjudicate; compétence judiciaire): Noch weiter als für die Gesetzgebungskompetenz der Staaten zieht das Völkerrecht die Grenzen für die Rechtsprechung.19 Es genügt jeder sinnvolle (wie auch immer geartete) Inlandsbezug. Dieser ist bei (kontradiktorisch angelegten) Klage-/Antragsverfahren bereits dann zu bejahen, wenn sich eine Partei
19 Nachweise z.B. bei Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 136 ff.; Harold G. Maier, Jurisdictional Rules in Customary International Law in Meessen (ed.), Extraterritorial Jurisdiction in Theory and Practice, 1996, 64 ff.; von Mehren, Theory and Practice of Adjudicatory Authority in Private International Law: A Comparative Study of the Doctrine, Policies and Practices of Common- and Civil-Law-Systems, RdC 295 (2002), 9; Meng, Extraterritoriale Jurisdiktion im öffentlichen Wirtschaftsrecht, 1994; Schwarze, Die Jurisdiktionsabgrenzung im Völkerrecht: Neuere Entwicklungen im internationalen Wirtschaftsrecht, 1994.
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Begriff und Grenzen (Kläger/Antragsteller) an die inländischen Gerichte wendet.20 Dieses besonders weite Jurisdiktionsverständnis liegt z.B. dem U.S.-amerikanische Alien Tort Claims Act21 zugrunde: „The district courts shall have original jurisdiction of any civil action by an alien for a tort only, committed in violation of the law of nations or a treaty of the United States.“ Etwas anderes gilt in Amtsverfahren, also dann, wenn das Gericht von Amts we- 377a gen ein Verfahren einleitet. Solche Fälle kommen in der streitigen Gerichtsbarkeit wohl nicht vor, aber häufig in der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Auch hier ist zu beachten, dass der Inlandsbezug bereits dann hergestellt ist, wenn sich ein Beteiligter an das Gericht wendet und dieses zum Einschreiten von Amts wegen auffordert. Nach einem (objektiven) sonstigen Inlandsbezug muss mithin nur dann gesucht werden, wenn das Gericht die Initiative ergreift und von Amts wegen ohne Anregung eines Dritten tätig wird. Ein solcher Inlandsbezug ist bereits dann gegeben, wenn inländische Interessen berührt werden. Beispiel: Alle Beteiligten haben eine ausländische Staatsangehörigkeit und halten sich im Ausland auf; sie haben jedoch Vermögen im Inland. Es muss zu einem im Inland vorgenommenen Rechtsgeschäft die vormundschaftsgerichtliche Genehmigung erteilt werden.22
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Das Restatement of the Law Third (The Foreign Relations Law of the U.S. 1987) 378a bringt folgende Abgrenzung: § 421 Jurisdiction to Adjudicate (1) A state may exercise jurisdiction through its courts to adjudicate with respect to a person or thing if the relationship of the state to the person or thing is such as to make the exercise of jurisdiction reasonable. (2) In general, a state’s exercise of jurisdiction to adjudicate with respect to a person or thing is reasonable if, at the time jurisdiction is asserted: (a) the person or thing is present in the territory of the state, other than transitorily; 20 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 1186; Rz. 127, 166, 383. Dies wird in der völkerrechtlichen Literatur (z.B. Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung, 1992, 219 ff.; Pataut, Principe de souverainté et conflits de juridictions, 1999) nicht deutlich genug gesehen. Klar aber BGHZ 30, 3: „Mangels allgemeingültiger internationaler Normen bestimmt jeder Staat selbst, in welchem Umfang er die Gerichtsbarkeit für sich in Anspruch nimmt . . .“ Vgl. auch Akehurst 46 (1972/73), Brit. Yb. Int. L. 177 (es sei „hard to resist the conclusion that [apart from the well-known rules of immunity . . .] customary international law imposes no limits on the jurisdiction of municipal courts in civil trials“). Siehe auch Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz im Recht der internationalen Zuständigkeit, 1998, 67 f. 21 28 U.S.C. 1350. Nachweise hierzu z.B. bei Born/Rutledge, International Civil Litigation in the United States Courts4, 2006, 31 ff.; Posch, Eine österreichische Katastrophe vor amerikanischen Gerichten – Betrachtungen aus Anlass des Urteils des US-Bezirksgerichts New York Süd vom 19. Juni 2007 „in re Ski Train Fire in Kaprun“ in Festschrift zum 80. Geburtstag von Rudolf Machacek und Franz Matscher, 2008, 831; Wilhelmi, Das Weltrechtsprinzip im internationalen Privat- und Strafrecht, Diss. Trier, 2007, 305. Zu Reformvorhaben Dolzer/Valen RIW 2006, 252, 256. 22 Jansen, Freiwillige Gerichtsbarkeit2, 1969, § 3 Rz. 15.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit (b) the person, if a natural person, is domiciled in the state; (c) the person, if a natural person, is resident in the state; (d) the person, if a natural person, is a national of the state; (e) the person, if a corporation or comparable juridical person, is organized pursuant to the law of the state; (f) a ship, aircraft or other vehicle to which the adjudication relates is registered under the laws of the state; (g) the person, whether natural or juridical, has consented to the exercise of jurisdiction; (h) the person, whether natural or juridical, regularly carries on business in the state; (i) the person, whether natural or juridical, had carried on activity in the state, but only in respect of such activity; (j) the person, whether natural or juridical, had carried on outside the state an activity having a substantial, direct, and foreseeable effect within the state, but only in respect of such activity; or (k) the thing that is the subject of adjudication is owned, possessed, or used in the state, but only in respect of a claim reasonably connected with that thing. (3) A defense of lack of jurisdiction is generally waived by any appearance by or on behalf of a person or thing (whether as plaintiff, defendant, or third party), if the appearance is for a purpose that does not include a challenge to the exercise of jurisdiction. 379 Die Frage der Gerichtsbarkeit taucht nicht nur im Verhältnis zu den Parteien (insbesondere zum Beklagten), sondern auch im Verhältnis zu Dritten (Zeugen, Sachverständigen) auf. Vor allem die Vereinigten Staaten von Amerika gehen hier sehr weit.23 Die Mitwirkungspflicht wird durch Beugestrafen (contempt of court)24 erzwungen. Dies ist sicher völkerrechtswidrig, wenn der Zeuge, die Auskunftsperson oder der Sachverständige keinerlei Kontakte zum Gerichtsstaat hat, Rz. 426. Die von den US-Gerichten bejahte, aber derzeit umstrittene Frage ist, ob minimum contacts, wie z.B. doing business,25 activity outside having a
23 Siehe den Fall der Deutschen Bank (Rz. 177); Nachweise bei Stürner in Walther J. Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 19 Fußn. 86. 24 Hierzu z.B. Krapfl, Die Dokumentenvorlage im internationalen Schiedsverfahren, Diss. Köln 2007, 135. 25 Hierzu z.B. Casad/Richman, Jurisdiction in Civil Actions, Territorial Basis and Process Limitations on Jurisdiction of State and Federal Courts3, vol. 1, 1999, 341 ff., 398 ff.; Otto, Der prozessuale Durchgriff – die Nutzung forumansässiger Tochtergesellschaften in Verfahren gegen ihre auswärtigen Muttergesellschaften im Recht der USA, der Europäischen Gemeinschaften und der Bundesrepublik Deutschland, zugleich ein Beitrag im Justizkonflikt mit den USA, 1993, 43 ff.; Rau RIW 2000, 761; Schütze, Die Allzuständigkeit amerikanischer Gerichte, 2003, 14. Zu den long arm statutes auch Lejeune RIW 1998, 8, 11; Fuchs RIW 2004, 41, 44; Göpfert/Berger, Jury-Ausschlussklauseln in Verträgen mit amerikanischen Unternehmen, ZIP 2005, 1540, 1542.
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Begriff und Grenzen substantial, direct or foreseeable effect etc.,26 ausreichen, um nicht nur die Gerichtspflichtigkeit als Beklagter zu bejahen,27 sondern auch die Pflicht zur Mitwirkung in Verfahren zwischen anderen Parteien. Die Frage ist also, ob die Anforderungen des Völkerrechts strenger sind, wenn die als Zeuge, Auskunftsperson, Urkundenbesitzer, Sachverständiger in Anspruch genommene Person formell nicht Partei (einschließlich Streitverkündungsempfänger, third party), sondern Dritte ist. Diese Unterscheidung wird von den US-Gerichten nicht vorgenommen.28 Dagegen ist in Deutschland unbestritten, dass Zeugnispflicht nur besteht für diejenigen, die der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen sind, Rz. 2381, 2388.
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Stellungnahme: Es ist zwischen In- und Ausländern zu unterscheiden. Die Aus- 381 dehnung der Zeugnispflicht auf Inländer, die sich im Ausland aufhalten, ist völkerrechtlich nicht zu beanstanden (Personalhoheit), Rz. 179, 427. Kraft Gebietshoheit kann auch gegenüber einem Ausländer, der sich im Inland aufhält, Zeugniszwang ausgeübt werden. Ausnahme: Immune und völkerrechtswidrig Entführte. Dabei spielt die Dauer des Aufenthalts keine Rolle. Es gilt vielmehr kraft Gebietshoheit der Bundesrepublik Deutschland das Gleiche, was von der Praxis der US-amerikanischen Justiz berichtet wird:29 FRCP 45 (d) „macht USA-Reisen von Personen, die als Zeugen in Frage kommen, spannend. Sie müssen damit rechnen, dass ihnen irgendwo eine Ladung (subpoena) in die Hand gedrückt oder unter der Hotelzimmertür durchgeschoben wird.“30
26 Hierzu Harald Müller, Die Gerichtspflichtigkeit wegen „doing business“, 1992 (besprochen von Hay ZZP 107 [1994], 259). 27 Zur völkerrechtlichen Problematik der kalifornischen Holocaust-Gesetze Gebauer/ Schulze IPRax 1999, 478, 482; Schütze ZVglRWiss 102 (2003), 574; Schütze, Prozessführung und -risiken im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 2004, 223. 28 Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 342. 29 Anderer Auffassung Stürner in Walther J. Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 19: „Der Geschäftsmann, der seine Waren nach U.S.A. laufend verkauft und dort z.B. eine Niederlassung hat, unterliegt auch als Zeuge amerikanischer Gerichtshoheit, muss also in allen Verfahren depositions geben und Urkunden vorlegen, soweit er für U.S.-Gerichte kraft U.S.-Aufenthaltes greifbar wird. Ob die Europäer so weit gehen, erscheint zumindest zweifelhaft; m.E. würde z.B. kein deutsches Gericht einen Schweizer oder Franzosen anläßlich seines Ferienaufenthaltes oder einer Durchreise zur Aussage zwingen, nur weil er sonst laufende Geschäftskontakte zu Deutschland hat, vielmehr würde man Rechtshilfe beanspruchen. Man muss aber zugestehen, dass der stärker bürokratisierte europäische Verfahrensbetrieb schon wegen seiner Langsamkeit solche Probleme kaum aufkommen lässt und deshalb Vergleiche schwer anzustellen sind.“ Zum „Zugriff“ auf Ausländer im Ausland siehe Rz. 430. Zur jurisdiction to enforce Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 393. 30 von Hülsen RIW 1982, 549; Junker a.a.O. 158.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit
III. Fehlen einer völkerrechtlichen Zuständigkeitsordnung 383 Die Verteilung aller auf dieser Welt auftretenden Rechtsprechungsaufgaben auf die einzelnen Staaten und damit die Regelung der internationalen Zuständigkeit wäre an sich Aufgabe des Völkerrechts. Normen des Völkergewohnheitsrechts über die internationale Zuständigkeit sind jedoch nicht feststellbar, Rz. 377.31 Damit haben die nationalen Gesetzgeber bei der Regelung der internationalen Zuständigkeit weitgehend freie Hand, Rz. 127, 166, 372.32
IV. Verbot der Justizverweigerung 384 Mag auch der Regelungsspielraum sehr groß sein, jeglicher Rechtsprechungstätigkeit darf sich kein Staat enthalten.33 1. Völkergewohnheitsrecht 385 Das Völkergewohnheitsrecht verbietet déni de justice (denial of justice).34 Nach klassischem Völkerrechtsverständnis handelt es sich um ein Problem des Fremdenrechts, aus neuerer Sicht geht es jedoch (auch) um eine menschenrechtliche Frage, denn auch gegenüber eigenen Staatsangehörigen ist Rechtsschutzverweigerung verboten, Rz. 1909.35 Dieser menschenrechtliche Ansatz ermöglicht eine Überwindung der Mediatisierung des Menschen durch das klassische Völkerrecht, Rz. 132, 203, 1911. Im Falle der völkerrechtswidrigen Behandlung eines Menschen gilt nicht dieser, sondern sein Heimatstaat als verletzt. Der Heimatstaat, nicht die betroffene Person, hat darüber zu entscheiden, ob und wie Wiedergutmachungsansprüche geltend zu machen sind.36 Nach klassischem Völkerrecht berechtigt déni de justice den Heimatstaat der verletzten Person zu Sanktionen: Er darf Staatsangehörigen des Gerichtsstaates, dem das Völkerrechtsdelikt seiner Gerichte zuzurechnen ist, ebenfalls Gerichtsschutz verwei31 R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 104 bei Fußn. 43; Grothe RabelsZ 58 (1994), 691; Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 83, 766; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 21. 32 Soweit sie nicht durch europäisches Gemeinschaftsrecht (Rz. 245c) oder völkerrechtliche Verträge gebunden sind. 33 Siehe auch Matscher, Zur prozessualen Behandlung der inländischen Gerichtsbarkeit (der inländischen Zuständigkeit) in Festschrift Schlosser, 2005, 561, 575. 34 Verosta EPIL I, 1992; Seidl-Hohenveldern/Hummer/Kriebaum in Neuhold/Hummer/ Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. I Rz. 1300. Umfangreiche Nachweise z.B. bei Paulsson, Denial of Jusitice in International Law, 2005, sowie bei Kofmel Ehrenzeller, Der vorläufige Rechtsschutz im internationalen Verhältnis, 2005, 370 Fußn. 138. 35 R. Geimer in Festschrift Nagel, 1987, 36; Doehring in Rechtsschutz gegen die Exekutive (Hrsg. Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht), 1971, 244; Pfeiffer a.a.O. 22; Kofmel Ehrenzeller, Der vorläufige Rechtsschutz im internationalen Verhältnis, 2005, 403. 36 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, §§ 47, 1226 ff., 1300; Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht10, 2000, Rz. 547, 927, 1602, 1656, 1684, 1691.
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Begriff und Grenzen gern. Doch ist diese Waffe durch die menschenrechtliche Entwicklung stumpf geworden; denn Repressalien dürfen die Menschenrechte nicht antasten.37 Déni de justice liegt vor, wenn – in Friedenszeiten – dem Fremden der Zugang zu bestehenden Gerichten verwehrt wird, sei es aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen.38 Dabei ist jedoch nicht ganz klar, inwieweit Prozesserschwerungen für Fremde zulässig sind.39 Darüber hinaus gebietet das Völkerrecht aber auch einen Mindeststandard an Gerichtsorganisation: Ein Staat muss – sowohl für seine eigenen Staatsangehörigen als auch für Fremde (vgl. Rz. 1912) – Gerichte einrichten. Es ist völkerrechtswidrig, wenn ein Staat schlechthin keine unabhängigen Gerichte zur Verfügung stellt.40
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Wo jedoch die Grenzen für diesen menschenrechtlichen Mindeststandard verlaufen, ist nicht klar. Als völkergewohnheitsrechtlich gesichert kann nach heutigem Verhältnis gelten: Liegt eine ausreichende Inlandsbeziehung vor, so muss ein Forum und ein zur Sachentscheidung bereites Gericht bereitgestellt werden.
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2. Völkervertragsrecht Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention vom 4.11.195041 und Art. 14 I 2 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.196642 gewährleisten den Zugang zu den Gerichten und damit auch einen (menschenrechtlichen) Mindeststandard für Justizgewährung: Es muss aber zwischen dem Gerichtsstaat und einer der Parteien bzw. dem Verfahrensgegenstand eine ausreichend enge Beziehung bestehen.43
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Die Einzelheiten sind noch nicht ausreichend geklärt; denn in der bisherigen Spruchpraxis steht nicht der déni de justice im Vordergrund, sondern im Gegenteil die Frage der „ausreichenden Binnenbeziehung.“44
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37 Doehring, Die allgemeinen Regeln des völkerrechtlichen Fremdenrechts und das deutsche Verfassungsrecht, 1963, 244. 38 Dahm, Völkerrecht I, 1958, 509; Verdross/Verosta/Zemanek, Völkerrecht4, 1964, 384. 39 § 110 ZPO a.F. war jedoch völkerrechtskonform, Rz. 1909. Siehe aber auch Rz. 246u. 40 Nachweise bei Doehring in Gerichtsschutz gegen die Exekutive 242 Fußn. 39; Dahm, Völkerrecht I, 1958, 509; Wengler, Völkerrecht I, 1964, 655; Nagel ZZP 75 (1962), 422 ff.; Milleker, Der negative internationale Kompetenzkonflikt, 1975, 60 Fußn. 2, 68; R. Geimer WM 1976, 836 Fußn. 43; Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 43. 41 BGBl. 1952 II 685; Neufassung in der Bekanntmachung vom 17.5.2002, BGBl. II 1054. Hierzu Matscher RdC 270 (1997), 237. Art. 6 I EMRK wurde in Art. 47 II EuGrundrechtecharta wiederholt. 42 BGBl. 1973 II 1533. 43 R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 56 Fußn. 142; R. Geimer in Festschrift Nagel, 1987, 36; R. Geimer BerDGVR 33 (1994), 234. 44 Nachweise bei Matscher, IPR und IZVR vor den Organen der EMRK, in Festschrift Neumayer, 1986, 466 und in RdC 270 (1997), 237 ff.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit 390 Eine Reihe von Übereinkommen/Abkommen sieht eine Gleichbehandlung mit Inländern vor.45 Diese Gleichstellungsklauseln spielten im deutschen internationalen Verfahrensrecht bis 30.9.1998 bezüglich der Sicherheitsleistung für Prozesskosten (§ 110 ZPO) eine Rolle (solange dieses auf die Staatsangehörigkeit des Klägers abstellte, Rz. 2004), sie sind jedoch nicht relevant im allgemeinen Kompetenzrecht, da das deutsche Recht bei der Regelung der internationalen Zuständigkeit grundsätzlich nicht zwischen In- und Ausländern unterscheidet. Soweit diese Verträge inhaltlich divergieren, führt dies zu einer unterschiedlichen Behandlung von Ausländern, d.h. zu verschiedenen Gruppen von Ausländern. Dies ist sowohl völkerrechtlich46 als auch verfassungsrechtlich unbedenklich, vgl. auch Rz. 1952a und 2012. 391 Anders ist es jedoch in Statusverfahren (Rz. 1323, 1947). Hier wird auch im deutschen Recht an die Staatsangehörigkeit (kompetenzrechtlich) angeknüpft. Ausländern (z.B. Flüchtlingen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention) ist in Statussachen aufgrund der Gleichstellungsklausel Rechtsschutz in jedem Falle sicherzustellen. Es kommen aber nicht die Vorschriften über die internationale Staatsangehörigkeitszuständigkeit (§ 98 I Nr. 1 FamFG, früher § 606a I 1 Nr. 1 ZPO) zur Anwendung, insbesondere nicht die über die internationale Antrittszuständigkeit, Rz. 1087. Vielmehr genießen diese Personengruppen nur während ihres Aufenthalts im Inland Sonderstatus. Daher ist es besser, die Vorschriften über die internationale Aufenthaltszuständigkeit (§ 98 I Nr. 2–4 FamFG) heranzuziehen, jedoch mit der Modifikation, dass das Anerkennungserfordernis des § 98 I Nr. 4 FamFG entfällt und der einfache Aufenthalt genügt, sofern das einschlägige Übereinkommen die Privilegierung des Ausländers (mit Sonderstatus) an den schlichten Aufenthalt knüpft.47
V. Minimalbezug zum Gerichtsstaat als Voraussetzung für die Bejahung der internationalen Zuständigkeit 392 Das andere Extrem zum déni de justice wäre, wenn ein Staat für alle auf dieser Welt auftretenden Rechtsstreitigkeiten seine Gerichte für international zuständig erklären würde. Auch dies verbietet das Völkerrecht. Ein Minimalbezug zum Gerichtsstaat (minimum contact) ist Voraussetzung für die Inanspruchnahme von
45 Z.B. Art. 16 II der Genfer Flüchtlingskonvention, BGBl. 1953 II 559, sowie Protokoll vom 31.1.1967, BGBl. 1969 II 1293; Art. 16 II des VN-Übereinkommens über die Rechtsstellung von Staatenlosen vom 28.9.1954, BGBl. 1976 II 474 – hierzu Erman/Hohloch, BGB12, 2008, Art. 5 EGBGB Rz. 61; Art. VI (1) 1 des deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrages vom 29.10.1954, BGBl. 1956 II 488; Art. 1 II des deutsch-türkischen Rechtshilfeabkommens, RGBl. 1930 II 6; Art. 6 des deutschgriechischen Niederlassungs- und Schiffahrtsvertrages vom 18.3.1960, BGBl. 1962 II 1506. 46 Dahm/Delbrück/Wolfrum,Völkerrecht2 I 1, 1989, 235. 47 Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 606a Rz. 77; Lass, Der Flüchtling im deutschen IPR, 1995, 178.
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Begriff und Grenzen Jurisdiktion (Eröffnung einer internationalen Zuständigkeit). Dabei zieht aber das Völkergewohnheitsrecht die Grenzen sehr weit, Rz. 127. Auch die frühere Staatsangehörigkeit48 reicht aus für die Eröffnung internationaler Zuständigkeit in Ehesachen, Rz. 1087, 1950.49
VI. Keine Garantie bestimmter international gebräuchlicher Zuständigkeitsanknüpfungen durch das Völkergewohnheitsrecht – auch kein Verbot sog. exorbitanter Gerichtsstände Wie ein Staat seiner Pflicht zur Justizgewährung nachkommt, bestimmt er autonom durch sein innerstaatliches Recht. Das Völkergewohnheitsrecht schreibt ihm die rechtstechnische Ausgestaltung nicht vor. Umgekehrt verbietet es nicht die Rezeption sog. beziehungsarmer (exorbitanter) Gerichtsstände, sofern die in Rz. 126, 377 beschriebene äußerste Grenze eingehalten ist.
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Es gibt keine völkerrechtliche Regel, wonach für Immobiliarklagen der Bele- 394 genheitsstaat ausschließlich zuständig sei.50 Es ist nicht völkerrechtswidrig, Immobiliarklagen bezüglich ausländischer Grundstücke durch inländische Gerichte entscheiden zu lassen.51 Vgl. Rz. 911. Umgekehrt gebietet auch nicht das Völkergewohnheitsrecht, dass der Belegenheitsstaat Rechtsschutz gewährt.52 Ebenso wenig ist die Zuständigkeitsregel actor sequitur forum rei ein Gebot des 395 Völkergewohnheitsrechts.53 Mit diesem ist es vereinbar, die internationale Zuständigkeit an die Belegenheit von Vermögen im Inland zu knüpfen; so ist z.B.
48 Zum Zeitpunkt der Eheschließung, vgl. § 98 I Nr. 1 2. Alternative FamFG, früher § 606a I 1 Nr. 1, 2. Alternative ZPO. 49 Zustimmend Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 58. 50 Das Gleiche gilt für Klagen, die den Bestand von territorial beschränkten Rechten, wie Patenten, Marken oder sonstigen gewerblichen Schutzrechten (Rz. 1002) betreffen, Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Einl. Rz. 59 vor Art. IX EGJN. 51 R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 67 Fußn. 13; R. Geimer NJW 1974, 2189; R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 22 EuGVVO Rz. 1; Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Einl. Rz. 61 vor Art. IX EGJN; Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 368, Fußn. 1580, 770; Kralik ZZP 74 (1961), 14; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 251; Wenner in Festschrift Jagenburg, 2002, 1013, 1014. Anderer Auffassung Kallmann, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile und gerichtlicher Vergleiche, 1946, 29 f., Fußn. 21 und Schnitzer, Handbuch des internationalen Privatrechts II4, 1958, 801. 52 Zustimmend Mankowski EuZW 1996, 178. 53 Zustimmend Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz im Recht der internationalen Zuständigkeit, 1998, 71.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit der deutsche Vermögensgerichtsstand (§ 23 ZPO)54 oder das französische forum actoris des Art. 14 Code civil55 mit dem Völkerrecht zu vereinbaren.56
VII. Völkerrechtliche Grenzen für gerichtliche Anordnungen, Maßnahmen und Entscheidungen mit (faktischen) Auswirkungen auf das Ausland 1. Verurteilung zur Leistung bzw. Unterlassung im Ausland 396 Inländische Gerichte dürfen zur Leistung im Ausland57 bzw. Unterlassung im Ausland verurteilen.58 Zulässig ist auch die Verurteilung zur Übereignung eines ausländischen Grundstücks oder Belastung desselben mit einem Recht sowie die Verurteilung zur Übertragung eines im Ausland registrierten gewerblichen Schutzrechts.59 Damit wird nicht in fremde Hoheitsrechte eingegriffen;60 denn die Anerkennung und Durchsetzung des Urteils im Ausland steht allein im Belieben des ausländischen Staates.61 Vgl. auch Rz. 935. 54 BVerfG vom 12.4.1983, BVerfGE 64, 1 = NJW 1983, 2766 = RIW 1983, 613 (Seidl-Hohenveldern) = IPRax 1984, 196 (Stein 179)= IPRspr. 1983 Nr. 127. 55 Nachweise hierzu z.B. bei Wilhelmi, Das Weltrechtsprinzip im internationalen Privatund Strafrecht, Diss. Trier 2007, 288. 56 Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 234, 403 Fußn. 1763, 769 Fußn. 3457; R. Geimer AWD 1975, 86 Fußn. 44. Zweifel bei Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 12, 381. 57 Beispiele: OLG Stuttgart vom 26.9.1983, ZZP 97 (1984), 487 (Münzberg)= IPRspr. 1983 Nr. 189: Verurteilung zum Anbringen eines Gitters auf spanischem Feriengrundstück bzw. zur Stellung eines Antrags auf Löschung eines Warenzeichens in den USA, OLG Hamm vom 20.6.1985, NJW-RR 1986, 1047 = IPRspr. 1985 Nr. 141. Siehe auch OLG Frankfurt vom 14.12.2000, RIW 2001, 379 = EWiR 1991, 243 (Schuske) = IPRspr. 2000 Nr. 172, OLG Frankfurt vom 31.1.2002, InVo 2002, 518 = IPRspr. 2002 Nr. 208 sowie LG München I vom 24.8.2001, IPRspr. 2001 Nr. 113. 58 BGH vom 2.10.1956, BGHZ 22, 1 = NJW 1957, 140 = GRUR 1957, 215 = GRUR Int. 1957, 182 = IPRspr. 1956–1957 Nr. 163; Raape, Internationales Privatrecht5, 1961, 640; Riezler, Internationales Zivilprozeßrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 243; Birk, Schadensersatz und sonstige Restitutionsformen im internationalen Privatrecht, 1969, 188, 224; Kofmel Ehrenzeller, Der vorläufige Rechtsschutz im internationalen Verhältnis, 2005, 126; Schack IPRax 2005, 262, 266; Weigel, Gerichtsbarkeit, internationale Zuständigkeit und Territorialitätsprinzip im deutschen gewerblichen Rechtsschutz, 1973, 121; Steindorff, Sachnormen im internationalen Privatrecht, 1958, 138 Fußn. 1. Enger Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 456. 59 Nachweise auch bei Remien, Rechtsverwirklichung durch Zwangsgeld, 1992, 297 Fußn. 37, 301; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 367 Fußn. 325. 60 Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Einl. Rz. 13 vor Art. IX EGJN. 61 Riezler, Internationales Zivilprozeßrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 243; Raape, Internationales Privatrecht5, 1961, 640; Remien, Rechtsverwirklichung durch Zwangsgeld, 1992, 297; Weigel, Gerichtsbarkeit, internationale Zuständigkeit und Territorialitätsprinzip im deutschen gewerblichen Rechtsschutz, 1973, 121; Stauder GRUR Int. 1976, 474; Reu, Die staatliche Zuständigkeit im IPR, 1938, 78 bei Fußn. 176; Birk, Schadensersatz und sonstige Restitutionsformen im internationalen Privatrecht, 1969, 190; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 712, 968; Schlosser, Der
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Begriff und Grenzen Den ausländischen Erfüllungsort einer Leistung hat noch niemand als Hinder- 397 nis für eine Erfüllungs- oder Schadensersatzklage in Deutschland betrachtet, Rz. 935.62 Inländische Gerichte können auch verurteilen wegen einer Verletzung eines im 398 Ausland belegenen Rechtsguts, etwa eines Patents63 oder eines Warenzeichens;64 auch können sie z.B. zu einem bestimmten Abstimmungsverhalten auf einer im Ausland stattfindenden Gesellschafterversammlung einer ausländischen Gesellschaft verurteilen.65 Das Gleiche gilt für die Verteilung des im Ausland belegenen ehelichen Vermögens (Hausrats) durch das Scheidungsgericht.66 Bestritten ist, ob besondere völkerrechtliche Grenzen bei Unterlassungsklagen gegen fremde Staaten hinsichtlich acta iure gestionis bestehen.67
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Justizkonflikt zwischen den USA und Europa, 1985, 17; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 27; BGH vom 2.10.1956, BGHZ 22, 1, 13: „Da das vom deutschen Gericht erwirkte Urteil nur Wirkung im Inland erzeugt, bleibt die ausländische Souveränität unangetastet.“ Unklar OLG Nürnberg vom 5.4.1974, IPRspr. 1974 Nr. 188. Bedenken bei LG Düsseldorf vom 27.10.1966, GRUR Int. 1968, 101 = IPRspr. 1966–1967 Nr. 185. Wie hier OLG Nürnberg vom 16.9.1980, OLGZ 1981, 115 = VersR 1982, 51 = IPRspr. 1980 Nr. 144. KG vom 5.12.1921, JW 1922, 400; OLG Nürnberg vom 16.9.1980, IPRspr. 1980 Nr. 144 (Lieferung einer aus dem Ausland herbeizuschaffenden Sache, ja sogar Lieferung einer Sache von einem ausländischen Ort an einen anderen außerhalb Deutschlands); Remien a.a.O. 300 Fußn. 54; Schlosser, Der Justizkonflikt zwischen den USA und Europa, 1985, 18; Mühlhausen WM 1986, 388. OLG Düsseldorf vom 25.3.1966, OLGZ 1967, 61 = GRUR 1968, 100 = IPRspr. 1966–1967 Nr. 183. BGH vom 2.10.1956, BGHZ 22, 1, 13 = NJW 1957, 140 = GRUR 1957, 215 = GRUR Int. 1957, 182 = IPRspr. 1956–1957 Nr. 163. Das OLG Nürnberg vom 16.9.1980, IPRspr. 1980 Nr. 144 hat einen im Ausland wohnenden Erbschaftsbesitzer zur Auskunft und Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verurteilt; das LG Nürnberg-Fürth 14.11.1973 hatte einen italienischen Beklagten zur Überlassung eines Buchauszuges und zur Abrechnung in Rom verurteilt und für den Fall der Nichterfüllung Geld-, ersatzweise Haftstrafe angedroht sowie den Kläger ermächtigt, den Ausdruck durch einen Wirtschaftsprüfer in Rom erstellen zu lassen (hinsichtlich des letzten Punktes hob das OLG Nürnberg vom 5.4.1974, IPRspr. 1974 Nr. 188, das Urteil gemäß Art. 16 Nr. 5 EuGVÜ (nunmehr Art. 22 Nr. 5 EuGVVO) auf, aber nicht wegen Fehlens der Gerichtsbarkeit nach Völkergewohnheitsrecht, sondern wegen internationaler Unzuständigkeit nach EuGVÜ. – Zur Rückführung der (vom nicht sorgeberechtigten Elternteil) entführten Kinder aus dem Ausland nach Deutschland zum sorgeberechtigten Elternteil siehe die Anordnung des italienischen Gerichts in dem Fall des OLG Bamberg vom 23.7.1986, FamRZ 1987, 185 = IPRspr. 1986 Nr. 89. RG vom 17.6.1939, RGZ 111, 296 = IPRspr. 1935–1944 Nr. 41. Österr. OGH vom 8.9.2005 ZfRV 2006, 37. Der 5. Senat des österreichischen OGH JBl. 1988, 459 (dazu Heß JBl. 1989, 285) verurteilte die (frühere) C˘SSR aufgrund einer privaten Bauverbotsklage (§ 364 II ABGB) dazu, den Bau des Atomkraftwerkes Mochovce zu unterlassen. Daraufhin wurde auch auf Verbot der Errichtung der Atomkraftwerke in Temelin geklagt. Der 6. Senat des OGH (Urt. vom 13.4.1989 – unveröffentlicht, teilweise zitiert bei Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 27) wies dagegen aus völkerrechtlichen Gründen die Klage als unzulässig ab, Rz. 583. Siehe auch (die Gerichtsbarkeit bejahend) österr. OGH (Urt. vom 1.8.2003) IPRax 2005, 256 (Schack 262; Hager/Hartmann 266).
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit 399a Ob der Befehl des inländischen Richters zu einem Tun oder Unterlassen in einem „Endurteil“ im normalen Zivilprozess ergeht oder in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes durch eine einstweilige Anordnung oder Verfügung, spielt keine Rolle. Denn auch das auf einstweiligen Rechtsschutz gerichtete Verfahren ist kein Vollstreckungsverfahren, sondern Erkenntnisverfahren sui generis.68 Daher bestehen z.B. gegen worldwide (Mareva) freezing injunctions69 keine völkerrechtlichen Bedenken, mit denen dem Schuldner (hinsichtlich dessen eine völkerrechtlich ausreichende Anknüpfung für die internationale Zuständigkeit [jurisdiction] vorliegt) verboten wird, sein Vermögen im Ausland dem Zugriff des Gläubigers zu entziehen bzw. befohlen wird, Auskunft über sein Auslandsvermögen zu erteilen oder dieses in ein anderes Land zu übertragen, damit dort die Zwangsvollstreckung für den Gläubiger erleichtert wird.70 – Siehe auch Rz. 2162. 399b Soweit durch solche worldwide injunctions auch Dritten Befehle erteilt werden, kommt es darauf an, ob es sich nur um Hinweise auf eine aus der Sicht des Forumstaates eingetretene Änderung der materiellen Rechtslage (z.B. keine schuldbefreiende Wirkung einer Zahlung an den Schuldner Rz. 408) handelt, die völkerrechtlich zulässig sind, oder ob dem Dritten ein Tun oder Unterlassen direkt befohlen wird, das gegebenenfalls durch Zwang im Forumstaat durchgesetzt wird, Rz. 400. In diesem Fall muss auch in Richtung gegen den Dritten ein „genuine link“ in dem oben Rz. 377 erörterten Sinne gegeben sein.71
68 Zustimmend Koch in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 178; Leitzen, Die Anordnung vorläufiger oder sichernder Maßnahmen durch Schiedsgerichte nach § 1041 ZPO, 2002, 245; Schlosser in Festschrift Odersky, 1996, 669, 676. Anders Kofmel Ehrenzeller, Der vorläufige Rechtsschutz im internationalen Verhältnis, 2005, 326. Rechtsvergleichend zu den verschiedenen nationalen Systemen für den einstweiligen Rechtsschutz Schlosser, Jurisdiction and International Judicial and Administrative CoOperation, RdC 284 (2000), 9, 157 ff.; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht2, 2003, Art. 31 EuGVVO Rz. 32 f. 69 Zu diesem Rechtsinstitut Nachweise z.B. bei Kofmel Ehrenzeller, Der vorläufige Rechtsschutz im internationalen Verhältnis, 2005, 153 ff. und bei J. Krause, Anti-suit injunctions als Mittel der Jurisdiktionsabgrenzung, Diss. Hamburg 2005. 70 Zur worldwide Mareva injunction Albrecht IPRax 1992, 185; Dohmann 160 und Koch 193 in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992; Hartwieg JZ 1997, 381, 383; Grunert, Die „world-wide“ Mareva Injunction, 1998, 47 ff.; Heß IPRax 1992, 201; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 427. Zur internationalen Zuständigkeit Grunert a.a.O. 134 ff. und zur Vollstreckbarerklärung englischer Freezing (früher: Mareva) Injunctions nach Art. 31 ff. EuGVÜ bzw. nunmehr Art. 38 EuGVVO OLG Karlsruhe vom 19.12.1996, ZZPInt 1 (1996), 91 (Zuckermann/Grundert) = IPRspr. 1995 Nr. 166; Baumgartner, Die Anerkennung un Vollstreckung ausländischer Zivilurteile in der Schweiz: Neuere Entwicklungen in Stiftung für die Weiterbildung schweizerischer Richterinnen und Richter, Bd. 5, herausgegeben von Leuenberger/Guy, 2004, 111, 123 ff.; Grunert a.a.O. 159 ff. – Vgl. Rz. 3230. 71 Ähnlich auch die englische Rechtsprechung, die jurisdiction über den Dritten voraussetzt, Heß IPRax 1992, 201; vgl. auch Gottwald IPRax 1991, 290 bei Fußn. 72.
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Begriff und Grenzen Gerichtliche Gebote, die Prozessführung vor einem ausländischen Gericht zu 399c unterlassen bzw. durch Klagerücknahme zu beenden (anti-suit injunctions)72 sind – jedenfalls im Prinzip – kein Übergriff auf fremde Souveränität und daher völkerrechtskonform. Denn sie richten sich ausschließlich an die Parteien.73 Anders wäre es, wenn ein deutsches Gericht einem ausländischen verbieten wollte, eine Klage zur sachlichen Entscheidung anzunehmen bzw. gebieten wollte, bestimmte Handlungen vorzunehmen bzw. in einem bestimmten Sinne zu entscheiden.74 Vollkommen unkompliziert ist insoweit die Judikatur des Bundesgerichtshofs75 399d zur universellen Wirkung des deutschen Insolvenzverfahrens (Rz. 3382, 3431) und des ihm gegebenenfalls vorausgehenden allgemeinen Verfügungsverbots (§ 21 II Nr. 2 InsO): Die weltweite Inanspruchnahme des Vermögens des Schuldners durch das deutsche Insolvenzverfahren sei völkerrechtlich unbedenklich, da ja die „Anerkennung“ der Wirkungen der vom deutschen Insolvenzgericht angeordneten Maßnahmen (Insolvenzbeschlag bzw. allgemeines Veräußerungsverbot) im Belieben der betroffenen fremden Staaten stehe, Rz. 408, 3451.76 72 Hierzu z.B. Bermann, The Use of Anti-Suit Injunctions in International Litigation, Col. J. Trans.L. 28 (1990), 589; Berti, Englische anitsuit injunctions im europäischen Zivilprozessrecht in Festschrift Siehr, 2000, 33; Hartley, Comity and the Use of Anti-Suit Injunctions in International Litigations, Am J. Comp. L. 35 (1987), 487; Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozeßrecht – Überlegungen zur Bewältigung von multi-fora disputes, 1996, 191; Jegher, Abwehrmassnahmen gegen ausländische Prozesse, Diss. Basel 2003, 91 ff.; J. Krause, Anti-suit injunctions als Mittel der Jurisdiktionsabgrenzung, Diss. Hamburg 2005; Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten, 1989; Maack, Englische antisuit injunctions im europäischen Zivilrechtsverkehr, 1999; Mansel EuZW 1996, 335; Graf von Praschma, Die Einwirkung auf ausländische Prozesse in Unterlassungs- und Schadensersatzklagen, Diss. Saarbrücken 1971; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 769; Stürner ZZP 109 (1996), 224.; Thiele RIW 2002, 383. Instruktiv der „LakerFall“. Hierzu Lange, Der Justizkonflikt zwischen den USA und Europa, dargestellt am Beispiel des Falles „Laker“ in Habscheid (ed.), Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 65. Siehe auch die weiteren Nachweise bei Schlosser, Antisuit injunctions zur Unterstützung von internationalen Schiedsverfahren, RIW 2006, 486, und bei C. Schmidt, Anti-suit injunctions im Wettbewerb der Rechtssysteme, RIW 2006, 492. 73 Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 529. 74 R. Geimer ZfRV 1992, 338; Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozeßrecht – Überlegungen zur Bewältigung von multi-fora disputes, 1996, 214 mit weiteren Nachweisen. Anders wohl OLG Düsseldorf vom 10.1.1996, RIW 1996, 237 = IPRax 1997, 260 (Hau 245) = ZZP 109 (1996), 221 (kritisch Stürner) = EuZW 1996, 351 (Mansel 335) = EWiR 1996, 321 (Mankowski) = IPRspr. 1996 Nr. 167. 75 BGH vom 30.4.1992, BGHZ 118, 151, 159 = NJW 1992, 2026 = MDR 1992, 765 = RIW 1992, 761 = IPRax 1993, 87 (Hanisch) = LM § 106 KO Nr. 9 (R. Geimer) = IPRspr. 1992 Nr. 265. 76 Ähnlich die Argumentation Kochs in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 178 bei Fußn. 15 sowie die von Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 44, 116. Tiefergehend Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, 22 ff.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit 2. Erzwingung eines Handelns im Ausland durch Zwang im Inland 400 Dies ist – ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit des Betroffenen – völkerrechtlich zulässig.77 Beispiel: Durchsetzung einer im Ausland zu erfüllenden Handlungs- oder Unterlassungsverpflichtung gemäß §§ 888, 890 ZPO78 oder einer Auskunftspflicht.79 Siehe auch Rz. 182, 1221, 3226. 401 Ein Eingriff in die Souveränität des Heimat- bzw. des Wohnsitz-/Aufenthaltsstaates des Ausländers ist auch dann zu verneinen, wenn das Urteil bzw. die
77 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 814 Fußn. 6; Soergel/Kronke, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 38 EGBGB Anh. IV Rz. 216; Remien, Rechtsverwirklichung durch Zwangsgeld, 1992, 299, 303, 304: „Dass ein Staat in seinem Gebiet auch Ausländer zu Handlungen oder Unterlassungen zwingen darf, steht außer Zweifel.“ Siehe auch die Stellungnahme der Bundesregierung DB 1983, 1086. Zum Diskussionsstand Matscher in Festschrift Verosta, 1980; Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Einl. Rz. 15 vor Art. IX EGJN; Bosch IPRax 1984, 132 sub IV 2; Großfeld BerDGVR 18 (1978) 123. Zur grenzüberschreitenden Handlungsvollstreckung siehe auch OLG Köln vom 3.6.2002, IPRax 2003, 446; Stadler IPRax 2003, 430, 432; Schlosser, Grenzüberschreitende Vollstreckbarkeit von Nicht-Geldleistungsurteilen, in Festschrift Leipold, 2009, 435. Zum Zwang gegen Beweispersonen siehe unten Rz. 2381 sowie Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Anh zu § 606a ZPO Rz. 164. 78 OLG Frankfurt vom 14.12.2000, RIW 2001, 379 = EWiR 1991, 243 (Schuske) = IPRspr. 2000 Nr. 172; OLG Frankfurt vom 31.1.2002, InVo 2002, 518 = IPRspr. 2002 Nr. 208; Roßbach NJW 1988, 592; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 17 Rz. 41 ff. Anderer Auffassung Mann RdC 111 (1964), 145; 186 (1984), 35, der die indirekte Erzwingung der jurisdiction to enforce zuordnet, die nur dem Aufenthaltsstaat bzw. Belegenheitsstaat zustehe. Hierzu Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 367. 79 OLG Köln vom 3.6.2002, RIW 2003, 71, 72 = IPRax 2003, 446 (Stadler 430) = IHR 2003, 86 = InVo 2003, 38 = IPRspr. 2002 Nr. 210; OLG München vom 21.9.2006, IPRax 2007, 531 (Rosenkranz 524); siehe auch OLG Köln vom 2.12.2005, OLG-Report 2006, 208, 209 = InVo 2006, 332 = IPRspr. 2005 Nr. 179: Art. 49 EuGVVO will nur gewährleisten, dass der mit der Vollstreckbarerklärung (Art. 38 EuGVVO) im Zweitstaat befaßte Richter (Art. 39 EuGVVO), der mit dem Recht des Erststaats nicht vertraut ist, aus der erststaatlichen Entscheidung selbst ersehen können soll, wozu der Schuldner verurteilt worden ist. Nicht ausgeschlossen wird indes die Möglichkeit, dass im Zweitstaat nach dem dort geltenden Recht ein Zwangsgeld festgesetzt wird. Der Gläubiger hat also bei der Handlungsvollstreckung ein Wahlrecht, ob er im Erststaat die nach dem dortigen Recht möglichen Zwangsmaßnahmen erwirkt, oder ob er nach Vollstreckbarerklärung des erststaatlichen Ausgangstitels (der Grundlage der Zwangsvollstreckung sein soll) im Vollstreckungsstaat die dort möglichen Zwangsmittel beantragt, also in Deutschland solche nach §§ 887, 888 ZPO, OLG Köln vom 2.12.2005, OLGR 2006, 208, 209 = InVo 2006, 332 = IPRspr. 2005 Nr. 179; Bruns ZZP 118 (2005), 3, 14. Funktionell zuständig ist als „Prozessgericht“ der Vorsitzende der Zivilkammer (Art. 39 EuGVVO), der den Ausgangstitel für vollstreckbar erklärt hat. Aber auch wenn der Ausgangstitel vom Notar (§ 55 III AVAG) für vollstreckbar erklärt worden ist, ist der für Maßnahmen nach §§ 887, 888 ZPO der Vorsitzende der Zivilkammer zuständig. – Siehe auch OLG Hamburg vom 11.5.2005, NJOZ 2005, 2956 = IPRspr. 2005 Nr. 177.
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Begriff und Grenzen einstweilige Verfügung – wie bei Verurteilung zur Unterlassung üblich (§ 890 II ZPO) – Ordnungsgeld oder Haft für den Fall der Zuwiderhandlung androht.80 Denn die deutsche Entscheidung beansprucht – vorbehaltlich einer Anerkennung im Ausland aufgrund des dortigen Anerkennungsrechts – Geltung und Beachtung nur für die Hoheitssphäre der Bundesrepublik Deutschland.81 Dabei spielt es keine Rolle, dass sich die Zwangsmaßnahme gegen einen Ausländer richtet.82 Die Übermittlung der Androhung auf dem Postweg in den Wohnsitz-/Sitzstaat 402 des Zustellungsadressaten ist kein Eingriff in die fremde Souveränität. Es handelt sich lediglich um die Mitteilung, dass in der Hoheitssphäre der Bundesrepublik Deutschland Zwangsmaßnahmen ergriffen werden. Deshalb haben die Landesjustizverwaltungen deutsche gerichtliche Entscheidungen, welche die Androhung von Zwangsgeld oder Haft enthalten, weiterzuleiten.83 Auch die Erledigung von Zustellungsersuchen ausländischer Gerichte darf vice versa von den deutschen Justizverwaltungen als Rechtshilfebehörden nicht abgelehnt werden, wenn es sich um sub poena-Anordnungen von US-Gerichten nach FRCP 37, 45 handelt.84
80 Sehr deutlich OLG Köln vom 3.6.2002, RIW 2003, 71, 72 = IPRax 2003, 446 (Stadler 430) = IHR 2003, 86 = InVo 2003, 38 = IPRspr. 2002 Nr. 210. Siehe auch OLG Hamburg vom 11.5.2005, NJOZ 2005, 2956 = IPRspr. 2005 Nr. 177 sowie OLG München vom 21.9.2006, IPRax 2007, 531 (Rosenkranz 524). Anders (aber überholt) noch Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 386, 375; Shingleton/Wilmer RIW 1991, 800 Fußn. 59. 81 Koch in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 178, 196. Zur Zustellung Rz. 408. Zu Zwangsmitteln Junker a.a.O. 326. Die worldwide Mareva injunctions werden in England durch contempt of court orders vollstreckt. Vgl. auch Gottwald IPRax 1991, 291 Fußn. 90. Zur Vollstreckbarerklärung nach Art. 31 ff. EuGVÜ bzw. nunmehr Art. 38 ff. EuGVVO OLG Karlsruhe vom 19.12.1995, ZZPInt 1 (1996), 91 (Zuckermann/ Grundert) = IPRspr. 1995 Nr. 166. 82 OLG Köln vom 2.11.2001, OLGR 2002, 67 = JMBl. NRW 2002, 100; OLG Köln vom 3.6.2002, RIW 2003, 71, 72 = IPRax 2003, 446 (Stadler 430) = IHR 2003, 86 = InVo 2003, 38 = IPRspr. 2002 Nr. 210. Siehe auch OLG Hamburg vom 11.5.2005, NJOZ 2005, 2956 = IPRspr. 2005 Nr. 177; Achim Müller, Grenzüberschreitende Beweisaufnahme im Europäischen Justizraum, 2004, 151. Art. 22 Nr. 5 EuGVVO ist nicht Niederschlag geltenden Völkergewohnheitsrechts, Rz. 435. Deshalb bedarf es in diesem Zusammenhang hier nicht der Klärung der Frage, ob diese Vorschriften äußerste Abmarkungen für die Abgrenzung zwischen Erkenntnisund Vollstreckungsverfahren bringen. Diese ist bedeutsam bei der Personalexekution. Nach herrschender Meinung können Zwangsgelder (astreinte) in allen Mitgliedstaaten im Wege der Geldvollstreckung durchgesetzt werden. Dagegen plädiert Bruns ZZP 118 (2005), 3, 15 für eine restriktive Auslegung, weil Art. 22 Nr. 5 EuGVVO den Grundsatz der souveränitätswahrenden Augabenteilung zwischen Entscheidungs- und Vollstreckungsstaat festschreibe. Dem Gerichtsstaat sei im Hinblick auf Art. 22 Nr. 5 EuGVVO nicht erlaubt, durch Zwangsgeld (astreinte) ein Verhalten im Zweitstaat zu erzwingen. 83 OLG Köln vom 3.6.2002, RIW 2003, 71, 72 = IPRax 2003, 446 (Stadler 430) = IHR 2003, 86 = InVo 2003, 38 = IPRspr. 2002 Nr. 210. 84 Enger Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 65.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit 403 Das OLG Stuttgart85 hält die Ermächtigung zur Ersatzvornahme durch Erlaubnis des Betretens eines im Ausland gelegenen Grundstücks für unzulässig, weil nur der Belegenheitsstaat die Erlaubnis zum Betreten eines Grundstücks gegen den Willen des Eigentümers aussprechen könne, Rz. 3226. Dies trifft nicht zu; denn die deutsche Ermächtigung bindet nur die deutschen Rechtsanwendungsorgane.86 Was der Gläubiger mit dieser Ermächtigung im Ausland anfangen kann, ist seine Sache.87 Dagegen will auch das OLG Stuttgart88 unmittelbaren Zwang (Anordnung eines Zwangsgeldes nach § 888 ZPO) zulassen, weil der Zwang nur in den Grenzen der inländischen Staatsgewalt gegen den Schuldner ausgeübt werde.89 404 Das Völkergewohnheitsrecht verbietet nicht, von einem Ausländer zu verlangen, dass er in seinem Heimat- oder Wohnsitzstaat gegen dort geltende Gesetze verstößt, Rz. 176.90 Dieses Thema ist besonders aktuell im Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika.91 3. Zwangsvollstreckung 405 Das Zugriffsrecht des Vollstreckungsstaates ist nach allgemeinem Völkergewohnheitsrecht auf die in seinem Hoheitsgebiet oder in staatsfreien Gebieten gelegenen Gegenstände beschränkt, Rz. 3200. Vollstreckungsmaßnahmen in Gegen-
85 OLG Stuttgart vom 26.9.1983, ZZP 97 (1984), 487 (Münzberg) = IPRspr. 1983 Nr. 189, Rz. 3226; zustimmend Mühlhausen WM 1986, 989. Vgl. auch OLG Frankfurt vom 14.12.2000, RIW 2001, 379 = EWiR 1991, 243 (Schuske) = IPRspr. 2000 Nr. 172 sowie OLG vom 31.1.2002, InVo 2002, 518 = IPRspr. 2002 Nr. 208. 86 Münzberg ZZP 97 (1984), 490. 87 Im Ergebnis ebenso OLG Düsseldorf vom 21.1.2004, InVo 2004, 385 = IPRspr. 2004 Nr. 183. 88 Im Anschluß an KG vom 5.12.1921, JW 1922, 400. 89 Ebenso OLG Hamm vom 20.6.1985, NJW-RR 1986, 1047 = IPRspr. 1985 Nr. 141; OLG Frankfurt vom 14.12.2000, RIW 2001, 379 = EWiR 1991, 243 (Schuske) = IPRspr. 2000 Nr. 172; OLG vom 31.1.2002, InVo 2002, 518 = IPRspr. 2002 Nr. 208; Gottwald in Festschrift Habscheid, 1989, 119, 121; Gottwald IPRax 1991, 291 Fußn. 990; Leitzen, Die Anordnung vorläufiger oder sichernder Maßnahmen durch Schiedsgerichte nach § 1041 ZPO, 2002, 245. Enger Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses, 1989, 302. 90 Anderer Auffassung Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 1189: „Die Herbeiführung einer unentrinnbaren Konfliktsituation für den unschuldigen Einzelnen durch einander widersprechende Gebote verstößt aber gegen den Grundgedanken des (völkerrechtlichen) Fremdenrechts, wonach die Staaten untereinander verpflichtet sind, in der Person der Ausländer die Menschenwürde zu achten.“ Ebenso Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 493 Fußn. 59; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 377, 389. Weitere Nachweise bei Kuhmann, Das Ermittlungsverfahren im internationalen Kartellrecht der USA, 1988, 349 ff. 91 Das deutsche Recht kennt keine massiven blocking statutes, sondern nur die moderate Regelung in §§ 11, 17 Seeaufgabengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 18.9.1998, BGBl. 1998 I 2986. Hierzu oben Rz. 176. Nachweise zum Stand des Justizkonflikts z.B. bei Krätzschmar in Festschrift Hay, 2005, 241; Prütting in Festschrift Jayme, 2004, 709; Rasmussen-Bonne in Festschrift Hay, 2005, 323.
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Begriff und Grenzen stände, die in dem Hoheitsgebiet eines anderen Staates belegen sind, sind ausschließlich Angelegenheiten dieses Staates.92 Ob ein Gegenstand im Vollstreckungsstaat zu lokalisieren ist, bestimmt dessen 406 innerstaatliches Recht. Das Völkerrecht verfügt über keine ausgefeilte Qualifikationsrechtsordnung, stellt aber äußerste Grenzen für den innerstaatlichen Gesetzgeber/Richter auf. Es verbietet, ein Objekt im Vollstreckungsstaat „anzusiedeln“, wenn kein vernünftiger Anknüpfungspunkt vorhanden ist.93 Die völkerrechtliche Toleranzschwelle ist überschritten, wenn kein Kriterium die Wertung, der Gegenstand sei im Inland belegen, sachlich rechtfertigen kann.94 – Siehe auch Rz. 579, 582. Völkerrechtlich relevant für die aus der Souveränität der Bundesrepublik 407 Deutschland fließende „Vollstreckungsgewalt“ ist allein die Belegenheit des Schuldnervermögens im Inland. Wo sich der Schuldner aufhält, ist ohne Bedeutung, ebenso, ob aufgrund eines inländischen oder ausländischen (nach § 722 ZPO, § 110 FamFG bzw. den einschlägigen Parallelvorschriften des Vertragsrechts, z.B. Art. 31 ff. EuGVÜ/LugÜ, oder nach Art. 38 EuGVVO für vollstreckbar erklärten) Titels vorgegangen wird. Völkerrechtlich verbindliche Regeln über die Lokalisierung von Forderungen sind nicht feststellbar, Rz. 3212.95 § 23 S. 2 ZPO96 ist nicht Niederschlag geltenden Völkerrechts. Auch andere sinnvolle Anknüpfungen für die fiktive Belegenheit von Forderungen sind völkerrechtskonform.97 Die Pfändung von Forderungen des Vollstreckungsschuldners gegen Dritt- 408 schuldner im Ausland ist völkerrechtlich zulässig, solange klargestellt ist, dass keine extraterritoriale Wirkung des inländischen Vollstreckungsaktes, d.h. keine extraterritoriale Zwangswirkung, beansprucht wird.98 Die Anerkennung der 92 BVerfG vom 12.4.1983, BVerfGE 64, 1, 19 = NJW 1983, 2766 = RIW 1983, 613 (Seidl-Hohenveldern) = IPRax 1984, 196 (Stein 179) = IPRspr. 1983 Nr. 127; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 367; Mack, Internationale Zuständigkeit englischer Gerichte bei grenzüberschreitende Forderungspfändungen, IPRax 2005, 553. 93 Siehe auch BGH vom 4.10.2005, NJW-RR 2006, 198 = RIW 2006, 60 = WM 2005, 2274 = IPRax 2007, 128 (Dutta 109) = SchiedsVZ 2006, 47 (Raeschke-Kessler) = IPRspr. 2005 Nr. 118. 94 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 173 Fußn. 286. 95 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 982; Mack, Internationale Zuständigkeit englischer Gerichte bei grenzüberschreitende Forderungspfändungen, IPRax 2005, 553. 96 Zu § 23 S. 2 ZPO allgemein siehe z.B. Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd. 2008, § 354 Rz. 14 ff. 97 Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 29, 96, 116. Weniger dezidiert Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006, 336. 98 Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Einl. Rz. 21 vor Art. IX EGJN. Zu eng Jestaedt IPRax 2001, 438, 439. Ausführliche Nachweise bei Lange, Internationale Rechts- und Forderungspfändung: Eine Untersuchung zu den Chancen und Risiken „grenzüberschreitender“ Vollstreckungsmaßnahmen in Forderungen und sonstige Vermögensrechte unter besonderer Berücksichtigung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 und des Zustellungsreformgesetzes, Diss. Saarbrücken 2004, 160 ff.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit Wirkungen des deutschen Vollstreckungsaktes im Ausland ist Sache des dort geltenden Anerkennungsrechts.99 Das Verbot, an den Vollstreckungsschuldner zu bezahlen (§ 829 I 1 ZPO), ist nicht etwa ein völkerrechtswidriger Befehl an den Drittschuldner, sondern lediglich die Mitteilung, dass eine Leistung des Drittschuldners an den Schuldner nicht (mehr) als schuldbefreiend im Inland angesehen wird.100 408a Dieser Rechtsansicht haben sich 1998 auch die deutschen Justizverwaltungen als Rechtshilfebehörden in Abkehr von ihrer bisherigen Praxis angeschlossen, Rz. 1229, 2165. Sie leiten deutsche Zustellungsersuchen in das Ausland weiter und lehnen ausländische Ersuchen um Zustellung an in Deutschland domizilierte Drittschuldner nicht mehr ab, seit § 28 II bzw. § 59 ZRHO geändert worden sind.101 408b Im Übrigen richtet sich die deutsche Vollstreckungsmaßnahme nicht gegen den Drittschuldner, sondern gegen den Vollstreckungsschuldner. Aber selbst wenn man der Auffassung ist, dass auch gegenüber dem Drittschuldner „Vollstreckungsgewalt“ bei der Pfändung und Überweisung (§§ 829, 835 ZPO) ausgeübt wird,102 findet der Hoheitsakt im Inland statt. Die völkerrechtlichen Grenzen der Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland werden daher nicht überschritten.103 – Siehe auch Rz. 610, 3451. 99 Zur internationalen Forderungspfändung Schack Rpfleger 1980, 176; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 982; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 218; R. Geimer IPRax 1986, 208; Mühlhausen WM 1986, 959; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 17 Rz. 58 ff., 67; weitere Nachweise bei Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 53. 100 BVerfG vom 12.4.1983, BVerfGE 64, 1 = NJW 1983, 2766 = RIW 1983, 613 (Seidl-Hohenveldern) = IPRax 1984, 196 (Stein 179) = IPRspr. 1983 Nr. 127. Ebenso BGE 52 III 1 zur Drittschuldneranzeige nach Art. 99 SchKG, die das BG mit der (privatrechtlichen) Zessionsanzeige gleichsetzt. Ebenso nun auch Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 138. Kritisch Karen Ilka Mössle a.a.O. 49, 229 sowie Stein/Jonas/Brehm, ZPO22, 2005, § 828 Rz. 24. Anders aber (wie hier) Rz. 28 Fußn. 157: „Das Zahlungsverbot ist kein Verhaltensgebot und verletzt fremde Hoheitsrechte nicht.“ 101 Vgl. z.B. BayJMinBl 1999, 48; hierzu Gottwald IPRax 1999, 395; Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 138; Mack, Internationale Zuständigkeit englischer Gerichte bei grenzüberschreitende Forderungspfändungen, IPRax 2005, 553, 554. 102 Mühlhausen WM 1986, 959 Fußn. 14. 103 Gottwald IPRax 1991, 289 bei Fußn. 54; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 17 Rz. 67; Koch in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 201. „Denn das Territorialitätsprinzip verbietet nur Gewaltanwendung auf fremdem Gebiet, nicht aber den Erlaß von Hoheitsakten mit intendierter Auslandswirkung, die tatsächlich aber erst durch Mitwirkung des Auslands erreicht wird.“ Vgl. auch Rz. 169. Deutlich auch BGH vom 30.4.1992, BGHZ 118, 151, 159 = NJW 1992, 2026 = MDR 1992, 765 = RIW 1992, 761 = IPRax 1993, 87 (Hanisch) = LM § 106 KO Nr. 9 (R. Geimer) = IPRspr. 1992 Nr. 265 zur völkerrechtlichen Unbedenklichkeit des allgemeinen Veräußerungsverbotes nach § 106 I 2, 3 KO: „Die ausländische Hoheitsgewalt wird durch die Erstreckung eines allgemeinen Veräußerungsverbots auf das
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Begriff und Grenzen Völkergewohnheitsrechtlich verboten ist nur die Anwendung unmittelbaren Zwangs durch deutsche Staatsorgane auf dem Hoheitsgebiet eines fremden Staates, nicht jedoch die Ausübung inländischer Staatsgewalt im staatsfreien Raum (See, Luftraum) und die Ausübung von Staatsgewalt auf deutschen Schiffen und Luftfahrzeugen (die durch Flagge bzw. durch Registrierung zur Bundesrepublik Deutschland gehören), ohne Rücksicht darauf, ob die Adressaten von Verhaltensnormen eine persönliche Verknüpfung zum Inland haben (Staatsangehörigkeit oder Wohnsitz), Rz. 371, 1221.104
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Deutschland kann als Flaggen- bzw. Registrierungsstaat menschliches Verhalten 410 auf dem Schiff bzw. in dem Luftfahrzeug durch seine Vollstreckungsorgane erzwingen, auch wenn das Fahrzeug sich außerhalb deutschen Staatsgebiets befindet. Ausnahme: Wenn sich das Schiff oder Luftfahrzeug innerhalb fremden Staatsgebietes, also in den Gewässern bzw. in dem Luftgebiet eines anderen Staates befindet.105 Umgekehrt sind fremde Schiffe und Luftfahrzeuge in deutschem Hoheitsgebiet 411 von der deutschen Gerichtsbarkeit nicht befreit, ausgenommen Staatsschiffe nach Maßgabe der Art. 95 und 96 des VN-Seerechtsübereinkommens vom 10.12.1982106 bzw. (früher) des Abkommens vom 10.4.1926107, Rz. 597,108 und Schiffe in Seenot, die sich „wider Willen“ im Hafen befinden, hinsichtlich von Vorgängen, die sich vor dem Anlaufen des Hafens ereignet haben.109 Eine andere Frage ist, ob Deutschland für Streitigkeiten, die an Bord des Schiffes entstanden sind, eine internationale Zuständigkeit eröffnet.110 Beispiel: Arbeitsgerichtliches Verbot eines Seeleutestreiks auf ausländischem Schiff, das im Hamburger Hafen liegt, Rz. 1522. Art. 20 II des Genfer Übereinkommens über das Küstenmeer und die Anschlusszone vom 29.4.1958111 bestätigt das Recht des Küstenstaates, gemäß seinen Gesetzen Vollstreckungs- oder Sicherungsmaßnahmen in Zivilsachen gegen ein in
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Auslandsvermögen ebensowenig berührt wie durch die Einbeziehung ausländischen Vermögens in die Wirkungen des Konkursbeschlags; denn der ausländische Staat hat es in der Hand, ob er nach seinem Recht den Hoheitsakt des fremden Staates anerkennen will. Auch wenn das ausländische Recht den gegen ein Veräußerungsverbot verstoßenden Rechtserwerb eines (künftigen) Konkursgläubigers unbeschränkt zulässt, weil es das (vom deutschen Gericht erlassene) Veräußerungsverbot nicht anerkennt, ist daraus nicht zu folgern, dass durch einen solchen Rechtserwerb erlangte Vermögensvorteile nach deutschem Konkursrecht anerkannt werden müssten.“ Enger aber BAG vom 19.3.1996, MDR 1997, 71 = IPRax 1997, 335 (Schack 318) = BB 1997, 1642 = ZIP 1996, 2031 = EWiR 1996, 1055 (Mankowski) = IPRspr. 1996 Nr. 194. Wie hier auch Lange, Internationale Rechts- und Forderungspfändung, 2004, 164; Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 53. Frankenstein, Internationales Privatrecht I, 1926, 105. Wengler, Internationales Privatrecht in RGR-Kommentar12, VI, 1981, 22. BGBl. 1994 II 1799. RGBl. 1927 II 483, 661. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 409, 411, 475. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 412. Dies hält Geffken NJW 1969, 1739 nicht klar genug auseinander. BGBl. 1972 II 1089.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit seinem Küstenmeer liegendes oder dieses nach Verlassen der inneren Gewässer durchfahrendes Schiff zu ergreifen.112 Ebenso Art. 28 II der VN-Seerechtskonvention vom 10.12.1982.113 Zivilrechtliche Verfahren und Urteile oder sonstige Titel gegen Personen an Bord oder Verfahren gegen das Schiff berechtigen den Küstenstaat nicht, die Durchfahrt zu stören. Nur Vorgänge, die mit der Durchfahrt in Zusammenhang stehen, z.B. Zusammenstoß in den Küstengewässern oder Nichterfüllung der Verpflichtungen auf Grund von Lotsen- und Schleppdiensten, berechtigen, gegen das Schiff vorzugehen.114 Jedoch unterliegen im Küstenmeer liegende oder innere Gewässer durchfahrende Handelsschiffe vorbehaltlos der Gerichtsbarkeit des Küstenstaates. Dagegen können sich Kriegsschiffe und sonstige Staatsschiffe, die nicht dem Handel dienen, auf Immunität berufen.115 413 Für Luftfahrzeuge regelt das Nähere das Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die Sicherungsbeschlagnahme von Luftfahrzeugen vom 29.5.1933.116 4. Zustellungen 414 a) Förmlich beurkundete Übergabe des zuzustellenden Schriftstücks: Die deutsche ZPO verlangt förmlich beurkundete Übergabe der Klage- bzw. Antragsschrift auch dann, wenn sich der Zustellungsadressat im Ausland aufhält. Da die Zustellung – anders als z.B. im englischen und US-amerikanischen Recht117 – nicht Aufgabe der Parteivertreter118 ist, sondern als Hoheitsakt des Gerichts aufgefasst wird,119 dürfen deutsche Justizorgane – einschließlich deutscher Ge-
112 Hierzu passim Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 230. 113 BGBl. 1994 II 1799. 114 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 435 (§ 68 V 1). Siehe auch die Nachweise bei Birkner, Die Durchfahrtsrechte von Handels- und Kriegsschiffen durch die türkischen Meerengen, 2002; Schult, Das völkerrechtliche Schiffssicherheitsregime – Eine Analyse der Kompetenzen von Küsten-, Hafenstaaten, regionalen Organisationen und Europäischer Gemeinschaft zum Schutz der Meere vor Verschmutzung durch Öltankerunfälle, 2005; Yang, Jurisdiction of the Coastal State over Foreign Merchant Ships in Internal Waters and the Territorial Sea, 2006. 115 Art. 32 VN-Seerechtsübereinkommen. 116 RGBl. 1935 II 302. Hierzu Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 149; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 226. 117 Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 24; Report of the Committee on International Judicial Cooperation, prepared by Jones/Amram, Bases for Agreement between Civil Law and Common Law Countries, IBA, 7th Conference Report, 1958, 501. Für USA siehe FRCP 4. Hierzu Stürner JZ 2006, 60, 63. 118 Ausnahme: § 195 ZPO, welcher die Zustellung von Anwalt zu Anwalt regelt. 119 BGH vom 24.2.1972, BGHZ 58, 177, 179 = NJW 1972, 1004 (R. Geimer 1624); BVerfG vom 22.3.1983, BVerfGE 63, 343, 372; Linke, Die Probleme der internationalen Zustellung in Gottwald, Grundfragen der Gerichtsverfassung – Internationale Zustellung, Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Vereinigung für Internationales Verfahrensrecht, Bd. 10, 1999, 99. Weitere Nachweise bei G. Geimer, Neuordnung des inter-
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Begriff und Grenzen richtsvollzieher, da auch diese insoweit hoheitlich tätig sind – nicht auf fremdem Hoheitsgebiet agieren,120 es sei denn, es geschieht mit Zustimmung des betroffenen Staates.121 Die Folge ist, dass die deutschen Gerichte die Rechtshilfe ausländischer Staaten in Anspruch nehmen müssen, § 183 I 2 2. Alternative ZPO, Rz. 1929, 2095. Die Zustellung an die diplomatische Vertretung des Heimat- bzw. Aufenthalts- 415 staates des Beklagten in Deutschland sieht das deutsche Recht nicht vor. Sie wäre völkerrechtswidrig, sofern diese nicht annahmebereit ist,122 Rz. 656. Die Zustellung der Klage durch den Gerichtsvollzieher „at the door“ oder „within the premises of the mission“ würde zwar auf dem Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland stattfinden,123 aber die durch Art. 22 WÜD gewährleistete Unverletzlichkeit der diplomatischen Mission tangieren.124 Das Gleiche gilt für die Zustellung durch die Post. Dies steht zwar nicht in Art. 22 WÜD; aber „it was the unanimous interpretation of the Committee that no writ could be served, even by post, within the premises of the diplomatic mission“.125 Die Zustellung an Personen auf einem unter ausländischer Flagge fahrenden Schiff, das in einem inländischen Hafen ankert, ist völkerrechtlich erlaubt. Es spielt dabei keine Rolle, ob es sich (zollrechtlich) um einen Freihafen handelt. In jedem Fall liegt eine Inlandszustellung vor.126
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nationalen Zustellungsrechts, 1999, 23 Fußn. 93, 129 ff.; Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006, 154 ff. Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 92; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 456; Siegrist, Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet, 1987, 169; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 99 ff. Siehe auch die Nachweise aus der Schweizer Praxis bei Müller/ Wildhaber, Praxis des Völkerrechts3, 2001, 428. Beispiel: Zustellung durch deutschen Konsularbeamten. Vgl. auch Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 201. Der Ausdruck „Exterritorialität“ ist schief, Rz. 780. Sie ist zur Entgegennahme nicht verpflichtet, jedoch berechtigt, Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 201. Vgl. auch Biehler, Auswärtige Gewalt – Auswirkungen auswärtiger Interessen im innerstaatlichen Recht, 2005, 224. Ipsen, Völkerrecht6, 2009, § 35 Rz. 46; Hecker/Müller-Chorus/Bindseil, Handbuch der konsularischen Praxis2, Stand: August 2007 (3. Ergänzungslieferung), 2008, § 5 Rz. 50. Vgl. auch unten Rz. 649, 2144. Anderer Auffassung LG Hamburg vom 23.8.1994, NJW-RR 1995, 183 = RIW 1995, 244 = IPRspr. 1994 Nr. 142: Nach gefestigtem internationalen Seerecht unterliege die Ausübung der Gerichtsbarkeit über in ausländischen Hoheitsgewässern ankernde Handelsschiffe und ihrer ausländischen Besatzung der Gerichtsbarkeit des Heimatstaats des Schiffes mit der Folge, dass grundsätzlich nur ab Reeling eine Zustellung nach §§ 199, 208 ZPO a.F. (= § 183 n.F.) in Betracht kommen könne. Eine Zustellung nach §§ 180, 208 ZPO a.F. sei nur bis zur Reeling des Motorschiffes vorzunehmen und nicht an Bord auszuführen. Eine Ausnahme gelte nur, wenn der Kapitän zur Zustellung an Bord seine Zustimmung erteilt.
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415a
Dritter Teil: Gerichtsbarkeit 416 b) Übersendung durch die Post: Die Übermittlung einer Ladung, eines Schriftsatzes oder einer gerichtlichen Entscheidung durch schlichten Postbrief ins Ausland (d.h. in den Wohnsitz- bzw. Aufenthaltsstaat des Adressaten) ist nach Völkergewohnheitsrecht keine Verletzung der Souveränität des ausländischen Staates (in dem der Empfänger sich aufhält); denn der deutsche Hoheitsakt wird in Deutschland gesetzt, Rz. 2083, 2174. Dort ergeht die Ladung bzw. wird das Urteil oder der Beschluss erlassen. Die Übersendung ins Ausland auf dem Postweg dient lediglich der Benachrichtigung (über einen in Deutschland vollzogenen Hoheitsakt).127 Das Verbot, Hoheitsakte auf fremdem Hoheitsgebiet zu setzen, Rz. 371, wird nicht verletzt.128 417 Die Auffassung, die Zustellung durch die Post verletze die Souveränität des Adressatenstaates,129 hat keine Grundlage im Völkergewohnheitsrecht;130 die Staatenpraxis131 ist anders. Der anglo-amerikanische Rechtskreis kann mit der Vorstellung, die Zustellung sei ein Hoheitsakt, „überhaupt nichts anfangen“, Rz. 2075.132
127 Im gleichen Sinne auch österr. OGH vom 20.4.1961, EvBl. 1961/448; Leitsatz auch abgedruckt bei Neuhold/Hummer/Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. II D 93 S. 167. 128 R. Geimer FamRZ 1975, 218; OLG Köln vom 30.10.1985, FamRZ 1985, 1278, 1279; OLG München vom 30.12.1986 RIW 1987, 153, 154; Nagel IPRax 1984, 240; Verdross/ Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 456 (für bloße Mitteilungen ohne rechtsgestaltende Wirkungen); LG Danzig vom 9.5.1936, ZaöRV 7 (1937) 448 (Tabouillot) = IPRspr. 1935–1944 Nr. 684 (Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses hinsichtlich Erbanteilen); a.A. Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Forderungen im internationalen Rechtsverkehr, 1930, 45; Wengler, Völkerrecht II, 1964, 962; Schmitz, Fiktive Auslandszustellung, 1980, 102; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 150; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 95; Peter, Umweltschutz am Hochrhein, 1987, 61 Fußn. 108; 148 Fußn. 79; Dahm/Delbrück/Wolfrum,Völkerrecht2 I 1, 1989, 327 Fußn. 63; Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht10, 2000, Rz. 1506; Schabenberger, Der Zeuge im Ausland im deutschen Zivilprozess, Diss. Freiburg/Br. 1996, 170; Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses, 1989, 285; BGH vom 24.2.1972, BGHZ 58, 177, 179; unentschieden BGH vom 24.2.1972, BVerfGE 63, 372. – Zur Staatenpraxis Siegrist a.a.O. 173. – Zum service by mail aus US-Sicht siehe auch Casad/ Richman, Jurisdiction in Civil Actions, Territorial Basis and Process Limitations on Jurisdiction of State and Federal Courts3, vol. 1, 1999, 509. 129 Hierzu M. Vollkommer ZZP 80 (1967), 258; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht3, 2003, 38. 130 Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, 113. 131 Vgl. die Zusammenstellung zu § 31 des österr. Rechtshilfeerlasses für Zivilrechtssachen, 1983, abgedruckt in Duchek/Schütz/Tarko, Zwischenstaatlicher Rechtsverkehr in Zivilrechtssachen – Rechtshilfeerlaß 1997, Staatsverträge über Rechtshilfe und Vollstreckung, 1998, 59. Enger das Kreisschreiben des Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements vom 17.5.1960 betr. Zustellungen von Akten ins Ausland durch die Post, Aargauische Gerichts- und Verwaltungsentscheide, 1960, 134; hierzu Hauser/ Hauser, Gerichtsverfassungsgesetz des Kantons Zürich, 1978, Art. 125 Anm. 6, Art. 192 Anm. 3 III 2. Weniger deutlich nunmehr Hauser/Schweri, GVG Kommentar zum zürcherischen Gerichtsverfassungsgesetz, 2002, § 114 Rz. 9. 132 Zu zaghaft daher § 183 I Nr. 1 ZPO.
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Begriff und Grenzen Auch nach den Haager Konventionen ist die Zustellung durch die Post grund- 418 sätzlich möglich, Art. 6 Nr. 1 HZPÜ, Art. 10 Buchst. a HZÜ. Zwar hat Deutschland der Postzustellung widersprochen, Rz. 2176. Dies bedeutet nur, dass die Vertragsstaaten dieser Haager Konventionen nicht in die Bundesrepublik Deutschland per Postbrief zustellen dürfen, aber nicht, dass deutsche Gerichte durch die Konvention gehindert werden, in das Ausland durch Postbrief zuzustellen, sofern der Staat, in dem zugestellt werden soll, keinen Vorbehalt erklärt hat.133 Daher ist z.B. die Übersendung der deutschen Klageschrift in die USA völkerrechtlich unbedenklich.134 § 6 S. 2 des deutschen Ausführungsgesetzes zu den Haager Zustellungs- und Beweisübereinkommen vom 22.12.1987135 („Eine Zustellung nach Art. 10 des Übereinkommens findet nicht statt.“) legt jedoch nach herrschender Meinung (Rz. 2085) den deutschen Gerichten ein Verbot auf: Sie haben Auslandszustellungen durch Postbrief zu unterlassen.136 Außerhalb der Konventionen und außerhalb des Anwendungsbereichs des euro- 419 päischen Gemeinschaftsrechts137 ist Deutschland frei. Es besteht keine völkergewohnheitsrechtliche Pflicht zur Unterlassung der Übermittlung durch Postbrief gegenüber Nichtvertragsstaaten. Die Praxis der einzelnen Staaten auf dem Gebiet des Zustellungswesens war und ist viel zu unterschiedlich, als dass sich feste (völkerrechtlich verbindliche) Regeln hätten entwickeln können.138
133 Anders Art. 11 II 2 des Europäischen Übereinkommens vom 24.11.1977 über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland, BGBl. 1981 II 533; hierzu G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 184. 134 Junker IPRax 1986, 204; Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 77; a.M. Hauser/Hauser a.a.O. § 192 Anm. 4. Wohl auch Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 18 EheGVO Rz. 43. 135 BGBl. I 3105. 136 Art. 103 I GG gebietet, dass das Gericht alle Anstrengungen unternimmt, den Beklagten von dem gegen ihn laufenden Verfahren in Kenntnis zu setzen, Rz. 2087. Siehe auch Rz. 131. Auch das völkerrechtliche Prinzip der Reziprozität verlangt insoweit keine Zurückhaltung, Rz. 226a. 137 Innerhalb der Europäischen Union kommt Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 vom 13.11.2007 (Rz. 245c, 2074a) zur Anwendung, Rz. 2085a, der die Zustellung durch die Post erlaubt. 138 Zustimmend Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 83. Daoudi, Extraterritoriale Beweisbeschaffung im deutschen Zivilprozeß, 2000, 103. Vgl. z.B. die von US-Gerichten praktizierten bzw. zugelassenen Übermittlungsformen, FRCP 4 (i) (1). Hierzu Nachweise z.B. bei Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 85. Siehe auch Rohe in Wieczorek/Schütze, ZPO3, 2007, vor §§ 183, 184 Rz. 33. Völlig anders die Sicht von Meessen in Habscheid/Beys, Grundfragen des ZPR – die internationale Dimension, 1991, 218, 220: „Das Völkerrecht würde es gestatten, dass sich ein Staat gegenüber der Außenwelt völlig abschirmt . . . Die Grenze kann von jedem Staat in einer Dichte gezogen werden, wie es diesem beliebt.“ – Auch die schweizerische Praxis setzt eine (stillschweigende) Duldung des Aufenthaltsstaates des Zustellungsadressaten voraus, Nachweise bei Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 228 und G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 136 ff.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit 420 c) Persönliche Übergabe an den Empfänger im Parteibetrieb unter Umgehung der Zustellungsorgane des Aufenthaltsstaates des Empfängers: Bei dieser Zustellungsvariante wird das zuzustellende Schriftstück nicht von einem Justizorgan des Forumstaates übergeben, sondern von einem Privaten (z.B. Anwalt), der im Auftrag einer Partei handelt.139 Hoheitliches Handeln liegt nicht vor. Eine solche Zustellungsform ist daher vom Völkergewohnheitsrecht nicht verboten.140 421 Auch Art. 10 Buchst. c HZÜ lässt sie zu. Jedoch hat Deutschland dagegen Widerspruch (Art. 21) erhoben, vgl. § 6 II AusfG. Dies bedeutet aber nur, dass die Gerichte der übrigen Vertragsstaaten Privatzustellungen in Deutschland nicht zulassen bzw. akzeptieren dürfen,141 jedoch nicht – weil insoweit nicht das Gegenseitigkeitsprinzip gilt142 –, dass diese Zustellungsform nicht in den Vertragsstaaten, die keinen Widerspruch erklärt haben (z.B. USA) für deutsche Prozesse praktiziert werden dürfte, Rz. 226a. Doch hat dies keine aktuelle Bedeutung, weil die ZPO eine solche Übermittlungsart nicht vorsieht und sie auch von den Gerichten (bisher) nicht geduldet wird. Vgl. aber Rz. 252. 422 d) Unmittelbare Zustellung im Ausland durch die diplomatische oder konsularische Vertretung des Gerichtsstaats: Eine solche ist nach Völkergewohnheitsrecht nicht zulässig, auch nicht nach den Wiener Konventionen über diplomatische bzw. konsularische Beziehungen.143 Eine Ausnahme behauptet Damian144 für die Zustellung der Klage gegen einen fremden Staat: „. . . denn die Organe des Forumstaates und des fremden Staates begegnen sich auf einer Ebene der Gleichordnung. Die diplomatische Zustellung ist daher kein Hoheitsakt im völkerrechtlichen Sinne.“ Vgl. Rz. 653. 423 Dagegen steht es nach Art. 8 HZÜ jedem Vertragsstaat frei, an Personen, die sich im Ausland befinden, gerichtliche Schriftstücke unmittelbar durch seine diplomatischen oder konsularischen Vertreter ohne Anwendung von Zwang zustellen zu lassen, jedoch bringt Art. 8 II HZÜ einen Vorbehalt: Danach kann jeder Staat erklären, dass er einer solchen Zustellung auf seinem Hoheitsgebiet wider-
139 Vgl. z.B. FRCP 4 (i) (1) (C); hierzu Hollmann RIW 1982, 793; Koch IPRax 1985, 245; Kochinke/Horlick RIW 1982, 80; Ristau, International Judicial Assistance: Civil and Commercial, 1984, 58 (§ 33); Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 85. 140 M. Vollkommer ZZP 80 (1967), 260. Anderer Auffassung Pfeil-Kammerer, Deutschamerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 123. 141 Nachweise bei Merkt, Abwehr der Zustellung von punitive damages-Klagen, 1995, 29 ff.; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland4, 2009, Rz. 240. Siehe auch Biehler, Auswärtige Gewalt – Auswirkungen auswärtiger Interessen im innerstaatlichen Recht, 2005, 224. 142 Kronke IPRax 1995, 256; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 608; Stein/Jonas/Roth, ZPO22, 2005, § 183 Rz. 11. Anderer Auffassung Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr, 1995, 130; Kondring RIW 1996, 722, 723; Jastrow NJW 2002, 3382, 3383 Fußn. 13. 143 Kondring a.a.O. 81. 144 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 94.
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Begriff und Grenzen spricht, außer wenn das Schriftstück einem eigenen Angehörigen des Gerichtsstaates zuzustellen ist.145 5. Ladungen Von der Frage der völkerrechtlichen Zulässigkeit des Übermittlungsvorgangs als solchem (Rz. 123, 414 ff.) zu unterscheiden ist die Frage nach der völkerrechtlichen Unbedenklichkeit des Inhalts der in den übermittelten Schriftstücken enthaltenen Aufforderungen, Anordnungen und sonstigen Maßnahmen.146 Dies wird in der Diskussion über die Grenzen der Auslandszustellungen nicht immer klar genug herausgestellt.147
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a) Benachrichtigungen über das im Inland stattfindende Verfahren: Soweit die 425 Ladung nicht die Aufforderung zu einem bestimmten Handeln oder Unterlassen mitumfasst, ist sie völkergewohnheitsrechtlich unbedenklich.148 Sie stellt lediglich eine Benachrichtigung von einem im Inland anhängigen Verfahren dar.149 Auch die Aufforderung, zum Termin zu erscheinen bzw. einen Anwalt zu bestellen (§ 215 ZPO), ist völkerrechtlich zulässig. Denn es geht hier nicht um Handlungspflichten für die Prozessbeteiligten, sondern um den Hinweis, dass u.U. Nachteile (z.B. §§ 330 ff. ZPO) drohen, falls der Benachrichtigte untätig bleibt, § 33 III Hs. 1 ZRHO.150 Strafen dürfen jedoch nach herrschender Meinung (§ 33 III Hs. 2 ZRHO) nicht angedroht werden.151 b) Anordnung des persönlichen Erscheinens gegenüber Personen, die sich im Ausland aufhalten: Sofern eine sich im Ausland aufhaltende Person als Partei,152 Zeuge, Sachverständiger aufgefordert wird, vor Gericht zu erscheinen und
145 Zusammenstellung der Vorbehalte der Vertragsstaaten bei Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, A I 2d 353.1. Deutschland hat den Widerspruchsvorbehalt voll ausgeschöpft, § 6 AusfG. 146 G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 158. 147 Zustimmend Leipold, Lex fori, Souveränität, Discovery, 1989, 52; Schabenberger, Der Zeuge im Ausland im deutschen Zivilprozeß, Diss. Freiburg/Br. 1996, 142. Anders wohl Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 98. 148 Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses, 1989, 287; Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 323. 149 Vgl. auch Heß RIW 1989, 259 Fußn. 108; Schlosser in Festschrift Stiefel, 1987, 686: „In der Staatenpraxis hat sich widerspruchslos durchgesetzt, dass Mitteilungen über bereits wirksam gewordene Akte der Ziviljustiz grenzüberschreitend unmittelbar an den Adressaten gegeben werden können.“ Weitere Nachweise bei G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 163. 150 Anderer Auffassung Keller/Siehr, Allgemeine Lehren des internationalen Privatrechts, 1986, 598. 151 Siehe aber Rz. 401. – Zur Schwierigkeit der Abgrenzung bloßer Benachrichtigungen von gerichtlichen Anordnungen mit Befehlscharakter Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 49. 152 Ohne Erörterung völkerrechtlicher Aspekte sehr zurückhaltend OLG Hamm vom 2.10.2008, OLGR 2009, 24.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit dies möglicherweise sogar unter Androhung von Ordnungsgeld (§§ 141, 613, 380, 409 ZPO, § 128 IV FamFG), oder wenn sonst „sub poena“ ein aktives Handeln verlangt wird, z.B. Vorlage von Urkunden, Akten, Plänen, Zeichnungen etc. (§§ 142, 143, 273 II Nr. 1 und 2 ZPO), ist zwischen In- und Ausländern zu unterscheiden:153 427 Die Auferlegung von Verhaltens- und Handlungspflichten für eigene Staatsangehörige, die sich im Ausland aufhalten, ist kraft Personalhoheit zulässig (Nationalitätsprinzip, Rz. 169). Dies gilt ohne Rücksicht darauf, ob der in Anspruch genommene eigene Staatsbürger in concreto Partei oder Dritter (Zeuge, Sachverständiger) ist.154 428 Fraglich ist, ob ein Staat heute noch seine Bürger auch aus den entferntesten und entlegensten Gegenden dieser Erde vor seine Gerichte zitieren, d.h. ihre physische Anwesenheit verlangen und mit (mittelbarem) Zwang durchsetzen darf, oder ob das Übermaßverbot (als Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips) nicht nur innerstaatlich kraft verfassungsrechtlicher Gewährleistung der Grundrechte und des Rechtsstaatsprinzips, sondern auch als völkerrechtlich verbürgtes Menschenrecht den Handlungsspielraum der Staaten gegenüber ihren eigenen Staatsangehörigen einschränkt. Dies ist zu bejahen. Daraus folgt: Auch von Völkerrechts wegen muss jeweils geprüft werden, ob der Partei bzw. dem Zeugen oder Sachverständigen wegen zu großer Entfernung oder aus einem sonstigen wichtigen Grund das persönliche Erscheinen nicht zuzumuten ist. So wäre es (auch) völkerrechtswidrig, einen Deutschen – als Partei oder Zeugen – von den Feuerlandinseln in einem Bagatellprozess vor das AG Eisenhüttenstadt zu zitieren; vgl. Rz. 380, 2320, 2381. Vielmehr müssten als weniger einschneidende Mittel erwogen werden: die Einholung einer schriftlichen Zeugenaussage (Rz. 430, 444), die Vernehmung am Wohnsitz/Aufenthalt des Zeugen durch den (im Wege der Rechtshilfe ersuchten) dortigen Richter oder schlicht Verzicht auf die Aussage.
153 Anderer Auffassung Leipold, Lex fori, Souveränität, Discovery – Grundfragen des Internationalen Zivilprozessrechts, 1989, 63; OLG München vom 5.9.1995, NJW-RR 1996, 59 = IPRspr. 1995 Nr. 134, wenn es sich um einen im Ausland lebenden Ausländer handelt, weil „die Zwangsbefugnisse deutscher Gerichte an den Grenzen der Bundesrepublik enden.“ Davon unberührt bleibe die Möglichkeit, ein unentschuldigtes Fernbleiben der Partei im Rahmen des § 286 ZPO frei zu würdigen und eine wegen des Fernbleibens lückenhaft gebliebene Sachaufklärung zu Lasten der unentschuldigt ausgebliebenen Partei zu werten. 154 Zustimmend Daoudi, Extraterritoriale Beweisbeschaffung im deutschen Zivilprozeß, 2000, 91; E. Geimer, Internationale Beweisaufnahme, 1998, 38 ff.; Schabenberger, Der Zeuge im Ausland im deutschen Zivilprozeß, Diss. Freiburg/Br. 1996, 156, Stefan Huber, Europäische Beweisaufnahmeverordnung in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, Kapitel 29 Rz. 40; Schlosser, Jurisdiction and International Judicial and Administrative Co-Operation, RdC 284 (2000), 9, 125. Dagegen Stein/ Jonas/Berger, ZPO22, 2006, § 363 Rz. 11.
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Begriff und Grenzen Umstritten ist allerdings, ob eine Vorladung des deutschen Staatsangehörigen 429 unter Zwangsandrohung die Souveränität des Aufenthaltsstaates verletzt155 oder ob dies nur ein völkerrechtlich unbedenklicher Hinweis ist, dass bei Nichterscheinen in Deutschland Rechtsnachteile drohen. Letzteres trifft zu, Rz. 401. Bei im Ausland sich aufhaltenden Ausländern kommt es darauf an, ob der Ge- 430 richtsstaat eine ausreichende Beziehung (minimum contact) hat: Dieser fehlt bei Dritten (Zeugen und Sachverständigen). Das Völkerrecht verbietet, diese unter Androhung von Zwangs-/Ordnungsmitteln (§§ 377 II Nr. 3, 402 ZPO) zum Erscheinen vor einem deutschen Gericht aufzufordern.156 Nicht völkerrechtswidrig wäre es jedoch, wenn das deutsche Gericht bei dem im Ausland sich aufhaltenden Zeugen oder Sachverständigen anfragt, ob er bereit wäre, freiwillig zu erscheinen.157 Bei Zeugen (nicht bei Sachverständigen) wird das Gericht aber in der Regel den Parteien anheim stellen, die Korrespondenz mit dem Zeugen zu führen und ihn gegebenenfalls zum Termin mitzubringen.158 Der völkerrechtlich erforderliche Kontakt ist jedoch vorhanden bei den Partei- 431 en.159 Dies liegt auf der Hand bezüglich des (ausländischen) Klägers bzw. Antragstellers, der sich an das deutsche Gericht gewandt hat, aber auch beim Beklagten, jedenfalls dann, wenn die internationale Zuständigkeit gegeben ist; denn dann steht fest, dass eine ausreichende Beziehung zum Inland vorliegt. Jede Partei hat eine prozessuale Mitwirkungspflicht. Deshalb kann vom Beklagten/Antragsgegner verlangt werden, dass er vor Gericht erscheint.160 Problematisch ist jedoch, ob bereits das Erscheinen angeordnet werden kann, wenn noch nicht feststeht, ob die internationale Zuständigkeit, d.h. der völkerrechtlich erforderliche Minimumkontakt, zu bejahen ist.161 Jedenfalls trifft die prozessuale (nur mittelbar sanktionierte) Pflicht zur Vorlage von Urkunden etc. gemäß
155 So Stürner in Walther J. Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 23. 156 Im Ergebnis übereinstimmend die herrschende Meinung, Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 342. 157 Stefan Huber, Europäische Beweisaufnahmeverordnung in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, Kap. 29 Rz. 40. Siehe auch Wieczorek/Schütze, ZPO3, 2006, § 1072 Rz. 17. Anders im Ansatz Coester-Waltjen in Festschrift Schlosser, 2005, 147, 159, die die (den Beklagten betreffenden) Zuständigkeitsregeln der Art. 2 ff. EuGVVO bzw. §§ 12 ff. ZPO auf den Zeugen anwenden will. 158 Skeptisch Stürner in Walther J. Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 24 Fußn. 108. – Zur US-Gerichtspraxis Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 386; Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 208. 159 Zustimmend Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung, 1992, 200 Fußn. 53. Siehe auch Rechberger/Mc Guire, Die Umsetzung der EuBewVO im österreichischem Zivilprozessrecht – Der Vorrang der traditionellen Rechtshilfe im Spannungsverhältnis mit dem Unmittelbarkeitsgrundsatz, ZZPInt 10 (2005), 81, 117. 160 Davon zu trennen ist die Frage, ob der Beklagte ein Recht hat, persönlich im Forumstaat zu erscheinen, und ihm auch die Einreise zu bewilligen ist, hierzu Rz. 2011. 161 Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 331; vgl. zu der Parallelproblematik im US-Zivilprozeß (jurisdiction to order discovery to determine jurisdiction) Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 384.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit §§ 142, 143, 273 II Nr. 1 und 2 ZPO162 auch den ausländischen Beklagten, der sich im Ausland aufhält.163 432 Vorstehender Fragenkreis ist Gegenstand einer transatlantischen Meinungsverschiedenheit: Nach Auffassung der US-Gerichte unterstehen ausländische Prozessparteien, die minimum contacts zu den USA haben, der US-Gerichtsbarkeit. Deshalb könne das amerikanische Gericht auch die Parteivernehmung in den USA anordnen, Rz. 2362.164 Dagegen vertrat die deutsche Bundesregierung in einem amicus curiae-Schriftsatz an den US-Supreme Court165 die Auffassung, dies sei durch das Haager Beweisaufnahmeübereinkommen verboten. Dieses erfasse nicht nur die Einvernahme von Dritten als Zeugen, sondern auch die Einvernahme der Parteien. Das Übereinkommen finde auf Beweisaufnahmen von „Personen“ Anwendung, ohne Rücksicht darauf, welche Rolle sie im Prozess hätten. Es unterscheide nicht zwischen Zeugen/Sachverständigen einerseits und Parteien andererseits. Die amerikanischen Gerichte müssten nach dem HBÜ deutsche Rechtshilfe in Anspruch nehmen. Die Vernehmung von Parteien und Zeugen, die sich in Deutschland aufhalten, sei ausschließlich den Gerichten der Bundesrepublik Deutschland vorbehalten. Nur diese könnten eine ihrer Gerichtsbarkeit unterstehende Person zwingen, den discovery-Anordnungen eines amerikanischen Gerichts nachzukommen. Die deutsche Justizhoheit sei verletzt, weil das amerikanische Gericht angeordnet habe, dass die Parteivernehmung in den USA erfolgen solle (wenn sie in Deutschland nicht durchführbar sei). Die deutschen Prozessparteien hätten ein verfassungsmäßig garantiertes Recht, dass Beweisaufnahmen aufgrund eines Rechtshilfeersuchens eines ausländischen Gerichts durch deutsche Gerichte vorgenommen werden, um Verstöße gegen das deutsche Verfahrensrecht zu vermeiden. 433 Die Diskussion dreht sich (nur) um die Auslegung des Haager Beweisaufnahmeübereinkommens, also um die Frage, ob die USA mit der Ratifizierung dieser 162 Zwar kann auch die nicht beweisbelastete Partei vom Gericht von Amts wegen zur Herausgabe verpflichtet werden, BGH vom 26.6.2007, MDR 2007, 1333 = BGHReport 2007, 982 (Laumen). Allerdings setzt § 142 I ZPO voraus, dass eine Partei sich tatsächlich auf eine konkrete Urkunde bezogen hat. Durch dieses Erfordernis soll der Beibringungsgrundsatz gewahrt und eine Ausforschung von Amts wegen ohne entsprechenden Tatsachenvortrag einer Partei vermieden werden. Im Falle der Weigerung der Partei sieht § 142 I ZPO keine Beugemittel vor; vielmehr ist das Verhalten der sich weigernden Partei nach § 286 I ZPO frei zu würdigen. Weigert sich die beweisbelastete Partei, bleibt sie in der Regel beweisfällig. Weigert sich dagegen die nicht beweisbelastete Partei, so können wegen Beweisvereitelung die gegnerischen Behauptungen zum Inhalt der Urkunde als bewiesen angesehen werden, Zekoll/Bolt NJW 2002, 3129, 3130; Laumen BGHReport 2007, 984; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, vor § 415 Rz. 14. Weitere Nachweise bei Gerhard Wagner, Urkundenedition durch Prozeßparteien – Auskunftspflicht und Weigerungsrechte, JZ 2007, 706; Drenckhahn, Urkundsvorlagepflichten im Zivilprozess und im arbeitsgerichtlichen Verfahren nach der ZPO-Reform unter besonderer Berücksichtigung der Neufassung des § 142 ZPO, 2007. 163 Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 9 Rz. 143. 164 Nachweise bei Reufels RIW 1999, 667, 671; Stürner in Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 25 Fußn. 115; Varga, Beweiserhebung in transatlantischen Schiedsverf, 2006, 239 ff. 165 Wiedergegeben bei Heidenberger RIW 1986, 491.
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Begriff und Grenzen Konvention sich verpflichtet hätten, deutsche Rechtshilfe in Anspruch zu nehmen,166 nicht jedoch um die Rechtslage nach allgemeinem Völkergewohnheitsrecht. Gleichwohl hält die Bundesregierung – entgegen der hier vertretenen Auffassung – die Vorladung von Prozessparteien zur Vernehmung durch ein ausländisches Gericht für nicht konform mit dem Völkergewohnheitsrecht. Auch nach Stürner167 ist die Anordnung, im Ausland gelegene Urkunden vor- 434 zulegen oder Erklärungen der im Ausland wohnhaften Partei bzw. ihrer Organwalter beizubringen, kein Souveränitätseingriff, auch wenn im einstweiligen Verfahren eine eidesstattliche Versicherung mitverlangt ist. Bedenklich erscheint ihm aber die Sanktion: Die deutschen Gerichte werten die fehlende Mitwirkung zu Lasten der ausländischen Partei, wenn der Sachverhalt deshalb ungeklärt bleibt. Der Zwangscharakter der Pflichtigkeit mit Auslandsberührung sei also von sehr geringer Intensität; die amerikanischen Gerichte hingegen verhängen contempt of court-Strafen oder ordnen Verfahrensnachteile sofort ohne weitere Aufklärungsversuche an.168 Die wenigen erzwingbaren Pflichten des deutschen Zivilprozesses169 gelten zwar auch für ausländische Parteien. Gegen sie wird aber Ordnungsgeld oder Ordnungshaft nicht angeordnet.170 Auch Art. 16 Nr. 5 EuGVÜ/LugÜ I bzw. nunmehr Art. 22 Nr. 5 EuGVVO/LugÜ II 435 definiert das europäische Souveränitätsverständnis nicht klar genug. Danach ist für Vollstreckungsentscheidungen und damit für die Anordnung von Zwangsmaßnahmen der Staat zuständig, in dessen Hoheitsgebiet die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll. Ist nun bei Beugemaßnahmen auf die vorzunehmende Handlung im Ausland oder auf die im Inland zu vollstreckende 166 167 168 169
Zum US-Standpunkt Born a.a.O. 895, 915. Stürner in Habscheid a.a.O. 26. Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 117. §§ 141, 372a ZPO, Rz. 2514. Keine einschneidende Trendwende bringen §§ 142, 144 ZPO n.F., die bisher von der Rechtsprechung eng ausgelegt werden; siehe z.B. OLG Frankfurt vom 18.10.2006, OLGReport 2007, 466, 468: „Die Neufassung der Vorschrift hat jedenfalls die in §§ 422 f. ZPO gezogenen Grenzen einer Vorlegungspflicht unberührt gelassen und nichts an dem bewährten Grundsatz des deutschen Zivilprozessrechts geändert, dass keine Partei gehalten ist, dem Gegner für seinen Prozesssieg das Material zu verschaffen, über das er nicht schon von sich aus verfügt.“ Allerdings kann auch die nicht beweisbelastete Partei vom Gericht von Amts wegen zur Herausgabe verpflichtet werden, BGH vom 26.6.2007, MDR 2007, 1333 = BGHReport 2007, 982 (Laumen). § 142 I ZPO setzt aber voraus, dass eine Partei sich tatsächlich auf eine konkrete Urkunde bezogen hat. Vgl. dazu oben Fn. 162. 170 Zur Reaktion auf die Weigerung (nur negative Würdigung oder Rechtshilfe) OLG München vom 5.9.1995, NJW-RR 1996, 59 = IPRspr. 1995 Nr. 134 (Rz. 426). Weiter gehen da schon unsere europäischen Nachbarn. Dort sind die (unmittelbar) erzwingbaren Pflichten häufiger: so kennt das englische Recht contempt of court-Strafen gegen „wahrheitsscheue Parteien“, RSC Order 24 rule 16 (2). Ausführlich Stürner in Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 27; Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 393; Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 152. Vgl. auch die astreinte des französischen Rechts (Art. 11 Nouveau Code de procédure civile), Junker a.a.O. 328; Schlosser in Festschrift Sonnenberger, 2004, 135; Klinker, Die Astreinte im französischen Zivilrecht, Diss. Münster 2001, 2002.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit Maßnahme abzustellen? Darüber herrscht Streit, wobei die deutsche Rechtsprechung Zwangsgeldandrohungen für Auslandshandlungen zulässt, Rz. 1222.171 Hinzu kommt, dass das EuGVÜ/LugÜ I bzw. nunmehr die EuGVVO und das LugÜ II ganz allgemein nur die internationale Zuständigkeit (Rz. 846) für Erkenntnisverfahren (z.B. nach § 767 ZPO oder § 771 ZPO), nicht jedoch für Vollstreckungsmaßnahmen, auf keinen Fall aber den Umfang der Gerichtsbarkeit regeln will, Rz. 401, 466, 1222, 1228. 436 Bedenklich findet Stürner172 die Zwangseinwirkung auf Parteien, Organwalter oder leitende Angestellte, sich als Zeugen in den USA zur Verfügung zu stellen, dann, wenn es nicht um die satzungsmäßigen Vertreter der ausländischen Partei geht – das deutsche Recht kennt in solchen Fällen nur negative Würdigung173 –, sondern um Dritte (Zeugen im kontinental-europäischen Sinne). Die Abhängigkeit des Dienstverhältnisses werde hier zur Ausdehnung der Gerichtshoheit vom Arbeitgeber auf Bedienstete benutzt, die amerikanischer Gerichtshoheit nicht unterfallen; „das Dienstverhältnis wird zum Instrument des Souveränitätsdurchgriffs“. Stürner konzediert zwar, „dass . . . zwischen Europa und USA keine grundsätzlich verschiedenen Souveränitätsvorstellungen herrschen“; er neigt aber dazu, einen dialektischen Sprung von Quantität zu (anderer) Qualität zu konstatieren; „Intensität und Ausmaß der Einwirkung von US-amerikanischer Seite“ seien erheblicher; „die große Masse amerikanischer Übergriffe“ komme hinzu. 436a Die Personalhoheit Deutschlands erstreckt sich auch auf juristische Personen mit Sitz im Inland.174 Die oben diskutierten Probleme dürften sich bei juristischen Personen erübrigen, da sich diese „nicht im Ausland aufhalten“ können. Allenfalls kommen Einwirkungen auf ausländische Niederlassungen in Betracht, Rz. 180. 6. Telefonische Befragung von Auskunftspersonen (Parteien/Zeugen), die sich im Ausland aufhalten 436b Eine solche (z.B. nach FRCP 30 [b] [7] zugelassene) Methode175 ist völkerrechtlich unbedenklich, Rz. 2385.176
171 Vgl. R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 814; Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 25 Fußn. 11; OLG Nürnberg vom 5.4.1974, IPRspr. 1974 Nr. 188. 172 Stürner in Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 27. 173 §§ 446, 454 ZPO. 174 Wengler Völkerrecht II, 1964, 996; KG vom 1.7.1983, WuW 1984, 233 (Kunig 700) = WM 1984, 1195 = IPRspr. 1985 Nr. 124b; BGH vom 7.10.1997, IPRax 1999, 106 (Zimmer/Rudo 89) (Rz. 169a). 175 Zu FRCP 30 (b) (7) Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 360. 176 Siehe auch Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 562), Einl. zur Europäischen Beweisaufnahme-Verordnung Rz. 29.
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Begriff und Grenzen 7. Schriftliche Befragung von Zeugen, die sich im Ausland aufhalten Es ist mit dem Völkergewohnheitsrecht vereinbar, Auskunftspersonen, die sich 437 im Ausland aufhalten (Parteien oder Dritte, wie Sachverständige und Zeugen), schriftlich oder per Videovernehmung177 zu befragen.178 So darf z.B. ein deutsches Gericht – ohne Androhung von Zwangsmitteln – eine Partei oder einen Dritten (Zeugen) zur schriftlichen Beantwortung von Fragen auffordern. Dabei spielt es keine Rolle, ob die befragte Person deutscher Staatsbürger ist oder nicht, solange feststeht, dass die Beantwortung der Fragen im freien Belieben der ersuchten Person steht, Rz. 424 ff.179 Es steht dem Gericht frei, im Rahmen der freien Beweiswürdigung aus der 438 Nichtbeantwortung der Fragen Schlüsse zu ziehen. Diese (mittelbare) Erzwingung ist völkerrechtskonform. Die Versendung sog. interrogatories (Rz. 89) durch US-Gerichte ist allgemein üb- 439 lich. Die Diskussion dreht sich derzeit lediglich um die Frage, ob diese durch das Völkergewohnheitsrecht gestattete Prozedur durch das Haager Beweisübereinkommen verboten worden ist. 8. Anordnung der Vorlage von Urkunden Es verstößt ebenfalls nicht gegen das Völkergewohnheitsrecht, wenn das deutsche Gericht gemäß § 142 ZPO180 bzw. § 258 HGB eine im Ausland sich aufhal-
177 Auch im Anwendungsbereich der EuBeweisaufnahmeVO ist keine Genehmigung des betroffenen Mitgliedstaats (Art. 17) erforderlich, House of Lords vom 10.2.2005 – Polanski v. Condé Nast Publications Ltd. [2005] UKHL 10; [2005] 1 WLR 637; [2005] 1 All ER 945 = RIW 2006, 301 (Knöfel 303). Anders die herrschende Meinung, Stefan Huber, Europäische Beweisaufnahmeverordnung, in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, Kap. 29 Rz. 41; Stadler in Musielak, Zivilprozessordnung6, 2008, § 128a Rz. 8; Stadler ZZP 115 (2002), 413, 441; Schulze IPRax 2001, 527, 529; Schultzky NJW 2003, 313, 314. Nachweise aus der Sicht des Strafprozesses (§ 247a StPO) auch bei Norouzi, Die audio-visuelle Vernehmung von Auslandszeugen – Ein Beitrag zum transnationalen Beweisrecht im deutschen Strafprozess, 2008. 178 Anders Bajons in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 38 JN Rz. 13; Stadler in Festschrift Geimer, 2002, 1281, 1291. 179 Zustimmend nun Linke, Zivilprozeßrecht4, 2006, Rz. 310; Mann NJW 1990, 619; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 716, 721. Anders § 39 I ZRHO, „da der ausländische Staat darin einen unzulässigen Eingriff in seine Hoheitsrechte erblicken kann“; BGH vom 10.5.1984, NJW 1984, 2039 = RIW 1984, 740 = IPRspr. 1984 Nr. 164. – Siehe auch Rz. 2384 und Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses, 1989, 281 ff. sowie österr. Verwaltungsgerichtshof österr. ZöR 44 (1993) 249, 253. 180 Hierzu z.B. Krapfl, Die Dokumentenvorlage im internationalen Schiedsverfahren, Diss. Köln 2007, 24 ff.; Leipold in Festschrift Walter Gerhardt, 2004, 563; Stefan Huber, Europäische Beweisaufnahmeverordnung, in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, Kap. 29 Rz. 39.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit tende Person (Partei181 oder Dritten182) auffordert, Urkunden, Akten und Unterlagen sowie Handelsbücher vorzulegen; jedoch ist bestritten, ob dabei Zwang angedroht werden darf, sofern es sich um Dritte (Nichtparteien) handelt und diese Ausländer bzw. Staatenlose sind, Rz. 401.183 Demgegenüber halten die US-Gerichte auch Zwangsgeldandrohung für zulässig, Rz. 434, 2364.184 9. Beauftragung von Sachverständigen, die sich im Ausland aufhalten 441 Es verstößt nicht gegen Völkergewohnheitsrecht, wenn das Gericht bei einem Sachverständigen anfragt, ob er bereit sei, ein Gutachten zu erstellen, sofern kein Zwang oder sonstiger Nachteil angedroht wird, Rz. 2387.185 – Siehe auch Rz. 445. 10. Beweiserhebung im Ausland 442 Die physische Anwesenheit des Gerichts oder eines seiner Mitglieder ohne Zustimmung des betroffenen Staates ist unzulässig, da Eingriff in dessen Souveränität, Rz. 120.186 Dies gilt auch für die Augenscheineinnahme187 und nach herrschender Meinung (anders Rz. 401) auch für die gerichtliche Anordnung unter 181 Zwar kann auch die nicht beweisbelastete Partei vom Gericht von Amts wegen zur Herausgabe verpflichtet werden, BGH vom 26.6.2007, MDR 2007, 1333 = BGHReport 2007, 982 (Laumen). Allerdings setzt § 142 I ZPO voraus, dass eine Partei sich tatsächlich auf eine konkrete Urkunde bezogen hat. Vgl. oben Fn. 162. 182 Zwang gegen am Rechtsstreit nicht beteiligte Dritte ist nur nach Maßgabe von § 142 II ZPO möglich. 183 Ablehnend (nur Bitte um freiwillige Mitwirkung zulässig) Stefan Huber, Europäische Beweisaufnahmeverordnung in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, Kap. 29 Art. 1 Rz. 38. 184 Stürner in Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 25 Fußn. 116; Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 208 Fußn. 8, 374, 393. Vgl. auch Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht3, 2003, 52, 54; enger Nordmann, Die Beschaffung von Beweismitteln aus dem Ausland durch staatliche Stellen, 1979, 104 sowie Bajons in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 38 JN Rz. 14. 185 Ebenso die Praxis des X. Zivilsenats des BGH, der in Patentsachen als Tatsacheninstanz fungiert (§ 115 PatG), R. Geimer in Festschrift Nagel, 1987, 53 Fußn. 67. Enger Bajons in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 38 JN Rz. 15. Nachweise bei Daoudi, Extraterritoriale Beweisbeschaffung im deutschen Zivilprozeß, 2000, 107 ff. 186 Stürner IPRax 1984, 299; Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht10, 2000, Rz. 1506; liberaler Nagel IPRax 1984, 240; Eschenfelder, Möglichkeiten deutscher Unternehmen, US-amerikanische Discovery auch vor deutschen Gerichten zu nutzen, IPRax 2006, 89, 95 ff. – Auch Art. 17 der EG-Beweisaufnahmeverordnung (Rz. 245c) setzt ein Ersuchen an den Mitgliedstaat voraus. 187 Meilicke NJW 1984, 2017. Treffend bezeichnet es Stefan Huber, Europäische Beweisaufnahmeverordnung, in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, Kap. 29 Art. 1 EuBVO Rz. 37 Fußn. 94, als einen Anachronismus, dass auch innerhalb des geographischen Anwendungsbereichs der EuBeweisaufnahmeVO die unmittelbare Augenscheineinnahme (unter Umgehung der Rechtshilfekanäle) durch das erkennende Gericht oder durch einen von diesem beauftragten Augen-
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Begriff und Grenzen Zwangsandrohung, im Ausland eine bestimmte Handlung (Aussage etc.) vorzunehmen.188 Völlig anders das US-Souveränitätsverständnis.189 Danach darf eine ausländische (z.B. deutsche) „judicial authority“ ohne Genehmigung in den Vereinigten Staaten von Amerika Beweise erheben.190 Verboten sind nicht nur hoheitliche Ermittlungen mit Zwangscharakter, sondern 443 nach herrschender Meinung auch nichthoheitliche Ermittlungen, die jeder Private ebenfalls vornehmen könnte, die insbesondere nicht mit Zwang gegen Auskunftspersonen verbunden sind.191 Das deutsche Gericht darf sich also nicht ins Ausland begeben, um dort einen 444 Augenschein vorzunehmen und informell Zeugen oder sonstige Auskunftspersonen zu hören, Rz. 120. Es darf jedoch vom Inland aus schriftlich bei Auskunftspersonen anfragen, etwa bei Behörden oder sonstigen Stellen, Rz. 2384.192 11. Beweisbeschaffung aus dem Ausland Beweisrechtliche Mitwirkungspflichten spielen für die internationale Beweis- 444a beschaffung eine große Rolle, weil bloße Duldungspflichten wegen des Territorialitätsprinzips ins Leere gehen, wenn sich die Betroffenen (Parteien, Zeugen, Urkundenvorlageverpflichtete) im Ausland befinden. Daher ist es aus der Sicht des inländischen Gerichts „zielführender“, der der inländischen Jurisdiktion unterliegenden Partei bzw. Beweisperson Mitwirkungspflichten hinsichtlich der Sachverhaltsaufklärung aus dem Ausland aufzuerlegen, Rz. 2381. Diese kann im Inland unter Androhung von Zwang (Rz. 401) oder zumindest von Prozessnachteilen für den Fall des Nichtbefolgens aufgefordert werden, über Auslandssach-
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scheingehilfen ohne Genehmigung (Art. 17 EuBeweisaufnahmeVO) nicht gestattet ist, auch wenn es sich um für jedermann zugängliche Örtlichkeiten handelt. Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 386, 375. Als zulässig wird jedoch mittelbarer Zwang gemäß § 371 III ZPO erachtet: Wertung als Beweisvereitelung, wenn der gerichtliche Anordnung nach § 144 ZPO bzw. § 371 II 2 ZPO in Verbindung mit § 425 ZPO, das Augenscheinobjekt bzw. die Urkunde etc. vorzulegen, Stefan Huber, Europäische Beweisaufnahmeverordnung, in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, Kap. 29 Rz. 38. 28. U.S.C. § 1782 (b). Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 228, 435; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht3, 2003, 51. Vgl. Report of the U.S. Delegation, 8 I.L.M. 785, 806807 (1969): „The act of taking evidence in a common law country from a willing witness . . . is a purely private matter in which the host country has no interest and in which its judicial authorities have normally no wish to participate.“ – Ebenso die Praxis des Vereinigten Königreichs, Junker a.a.O. 331 Fußn. 28. Schmidt/Hermesdorf RIW 1986, 180, bestr. Dies verkennt z.B. österr. OGH vom 24.11.1998, ZfRV 1999, 116; zu Recht kritisch Bajons in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 38 JN Rz. 6. Anderer Auffassung Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 456; Nordmann, Die Beschaffung von Beweismitteln aus dem Ausland durch staatliche Stellen, 1979; Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 320; Junker a.a.O. 392.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit verhalte Auskunft zu erteilen oder im Ausland belegene Dokumente herbeizuschaffen und dem inländischen Gericht vorzulegen.193 Das geltende deutsche Zivilprozessrecht kennt – abgesehen von § 372a ZPO – trotz §§ 142, 144 ZPO, § 258 HGB solche (sanktionierte) Mitwirkungspflichten nicht,194 Rz. 2515. 12. Tätigwerden eines vom deutschen Gericht beauftragten Sachverständigen 445 Ein von einem deutschen Gericht beauftragter Sachverständiger darf im Ausland ohne Zustimmung des betroffenen Staates agieren, insbesondere darf er den im Ausland befindlichen Gegenstand im Rahmen seines Gutachterauftrages in Augenschein nehmen.195 Das Gegenargument, dadurch könnten die dem deutschen
193 Klaus P. Mössle a.a.O. 101: „Ein wichtiger Gradmesser für die Effektivität einer verfahrensrechtlichen Regelung bei der Erforschung von Auslandssachverhalten ist daher die Ausgestaltung der beweisrechtlichen Mitwirkungspflichten.“ Enger Remien, Rechtsverwirklichung durch Zwangsgeld, 1992, 300 Fußn. 52. Weitere Nachweise bei Daoudi, Extraterritoriale Beweisbeschaffung im deutschen Zivilprozeß, 2000, 56 ff. und Achim Müller, Grenzüberschreitende Beweisaufnahme im Europäischen Justizraum, 2004, 151. 194 Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 209, 261; Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung, 1992, 196 ff. – Zur Anordnung eines Blutgruppengutachtens, wenn die Beweisperson Ausländer ist und sich im Ausland aufhält, OLG Hamm vom 26.4.1994, IPRspr. 1994 Nr. 113. Vgl. auch Jayme in Festschrift Geimer, 2002, 375. Eine allgemeine prozessuale Aufklärungspflicht der nicht risikobelasteten Partei und damit eine Abkehr vom Grundsatz nemo contra se edere tenetur lehnt die herrschende Meinung ab; dies sei eine Frage des materiellen Rechts. Es sei nicht Aufgabe des Prozessrechts, einen solchen Anspruch praeter legem zu schaffen; denn keine Partei sei verpflichtet, ihrem Gegner erst die Mittel zum Prozesssieg zu verschaffen, BGH NJW 1990, 3151. Zurückhaltender aber im Ergebnis BGH vom 17.2.2004, BGHR 2004, 786 = MDR 2004, 898 = NJW-RR 2004, 989. Dagegen fordern eine generelle Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung des Sachverhalts immer mehr Stimmen in der Literatur im Anschluß an Stürner, Die Aufklärungspflichten der Parteien im Zivilprozeß, 1976, 92 ff., Nachweise bei Varga, Beweiserhebung in transatlantischen Schiedsverfahren – Eine Suche nach Kompromissen zwischen deutscher und US-amerikanischer Beweisrechtstradition, Diss. Saarbrücken 2006, 49; Waterstraat, ZZP 118 (2005), 459, 468. Nach diesem Ansatz wäre auch die nicht risikobelastete Partei – ohne Rücksicht auf das Bestehen eines materiell-rechtlichen Auskunftsanspruchs – zur Urkundenvorlage verpflichtet. Allerdings kann die Vorlage auch nach dieser Meinung nicht unmittelbar erzwungen werden, sondern nur mittelbar dadurch, dass der unsubstantiierte Tatsachenvortrag der darlegungs- u beweisbelasteten Partei widerlegbar als wahr fingiert wird. Zwar kann auch die nicht beweisbelastete Partei vom Gericht von Amts wegen zur Herausgabe verpflichtet werden, BGH vom 26.6.2007, MDR 2007, 1333 = BGHReport 2007, 982 (Laumen). Allerdings setzt § 142 I ZPO voraus, dass eine Partei sich tatsächlich auf eine konkrete Urkunde bezogen hat. Vgl. dazu oben Fn. 162. 195 Daoudi, Extraterritoriale Beweisbeschaffung im deutschen Zivilprozeß, 2000, Dörner, Beweissicherung im Ausland, 2000, 111 ff.; Meilicke NJW 1984, 2017; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 710; Wieczorek/Schütze, ZPO3, 2006, § 1072 Rz. 11; Wussow in Festschrift Korbinion, 1986, 493 ff.; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, IZPR Rz. 92. Anderer Auffassung Ahrens in Festschrift Schütze, 1999, 1, 5; Hau
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Begriff und Grenzen Gericht gesetzten Schranken durch die Einschaltung eines Sachverständigen umgangen werden, überzeugt nicht. Allerdings schreibt Art. 17 III EuBeweisaufnahmeVO nach bisher vorherrschender Meinung196 ebenso wie bei gerichtlicher Beweisaufnahme eine Genehmigung des ersuchten Staates vor. Dies ist jedoch keinesfalls eine Kodifikation geltenden Völkergewohnheitsrechts. Vgl. aber Rz. 459. 13. Anwesenheit deutscher Richter bei Erledigung eines (deutschen) Rechtshilfeersuchens durch das ausländische Gericht Von der physischen Anwesenheit des deutschen Gerichts zur Durchführung ei- 446 nes Beweisverfahrens zu unterscheiden ist die Anwesenheit des deutschen Gerichts oder Mitglieder desselben bei der Erledigung eines deutschen Rechtshilfeersuchens durch das ausländische Gericht.197 Mit diesem Fragenkomplex hat sich zum ersten Mal in der internationalen Vertragspraxis Art. 8 HBÜ befasst:198 Jeder Vertragsstaat kann erklären, dass Mitglieder des ersuchenden Gerichts bei der Erledigung des Rechtshilfeersuchens anwesend sein können. Nach den Erklärungen Frankreichs, Schwedens und der USA ist die Anwesenheit eines ausländischen Richters ohne weiteres – also ohne spezielle Genehmigung – zulässig (unberührt bleibt jedoch die nach deutschem Recht vorgeschriebene Genehmi-
RIW 2003, 822; Leipold, Lex fori, Souveränität, Discovery – Grundfragen des IZPR, 1989, 46; Linke, Zivilprozeßrecht4, 2006, Rz. 330 Schlosser, EU-Zivilprozessrecht3, 2009, Art. 1 HBÜ Rz. 9; Stadler ZZP 110 (1997), 253, 255: „Wird der Sachverständige ‚vorgeschoben‘, um anstelle des Gerichts einen Augenschein im Ausland einzunehmen, handelt es sich auch bei Einverständnis der Parteien um die unzulässige Ausübung von Gerichtsgewalt.“ Ebenso Stadler in Festschrift Geimer, 2002, 1287; Stefan Huber, Europäische Beweisaufnahmeverordnung, in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, Kap. 29 Rz. 37. 196 Die Verordnung bringt gegenüber dem Völkergewohnheitsrecht einen Rückschritt, wenn man die Tätigkeit von Sachverständigen von der Genehmigung des betroffenen Mitgliedstaats abhängig macht. Dagegen zu Recht Schack IZVR Rz. 710. Mit diesem Argument, die Verordnung habe keine neuen Hürden aufbauen wollen, wendet sich auch Stefan Huber in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, Kap. 29 Rz. 44 gegen die zu pauschale Anwendung des Art. 17 III EuBeweisaufnahmeVO auf Sachverständige; es liege keine unmittelbare Beweisaufnahme vor, weil die Befundtatsachen durch den Sachverständigen nur der Vorbereitung der Beweisaufnahme durch das Gericht diene. Anders sei es nur, wenn nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates der Sachverständige mit der Beweisaufnahme anstelle des Gerichts beauftragt sei. Er fragt zu Recht, weshalb in Art. 17 III der Sachverständige und nicht der Augenscheinsgehilfe als typischer Beispielsfall genannt werde. Keinesfalls fällt der ausländische und/oder sich im Ausland aufhaltende Rechtsgutachter unter Art. 17 EuBeweisaufnahmeVO, Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 293 Rz. 21. 197 Zur Parallelsituation im Strafprozeß ausführlich Rose, Der Auslandszeuge im Beweisrecht des deutschen Strafprozesses, 1999, 242. 198 Hierzu Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 342. Innerhalb der Europäischen Union (mit Ausnahme Dänemarks) ist Art. 12 der EG-Beweisaufnahmeverordnung vorrangig anzuwenden, Art. 21.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit gung durch das Auswärtige Amt, § 38a ZRHO).199 Die Anwesenheit eines ausländischen Richters in Dänemark und den USA ist möglich aufgrund eines Erlasses des dänischen Justizministeriums bzw. des Department of Justice. In Deutschland dürfen gemäß § 10 des Ausführungsgesetzes zu den Haager Zustellungs- und Beweisübereinkommen vom 22.12.1977200 Mitglieder des ersuchenden ausländischen Gerichts bei Erledigung des Rechtshilfeersuchens durch das Amtsgericht anwesend sein, wenn die Zentrale Behörde dies genehmigt hat,201 Rz. 2512. 14. Ausübung mittelbaren Zwangs im Forumstaat, um Beweispersonen im Ausland zur Aussage vor (ausländischem) Rechtshilfegericht zu bewegen 446a Ein solcher Zwang ist völkerrechtlich zulässig, Rz. 400; fraglich ist jedoch, ob dies auch im Anwendungsbereich des Haager Beweisübereinkommens gilt. Aus Art. 10 HBÜ kann Gegenteiliges nicht hergeleitet werden.202 15. Beweisaufnahme durch diplomatische oder konsularische Vertreter 447 a) Solche sind nach Völkergewohnheitsrecht nicht ohne weiteres zulässig. Es ist vielmehr die Erlaubnis des Empfangsstaates notwendig. In der Vertragspraxis behandeln Art. 15 und 16 HBÜ das Thema. Die Handhabung ist von Land zu Land unterschiedlich aufgrund der verschiedenen möglichen Vorbehalte.203 Am liberalsten sind die Vereinigten Staaten von Amerika. Dagegen ist sogar die Vernehmung deutscher Staatsangehöriger durch diplomatische oder konsularische Vertreter in Dänemark, Norwegen oder Portugal von der Genehmigung der in diesen Staaten dafür zuständigen Stellen abhängig.204 Es gibt auch Länder, die eine Vernehmung auch deutscher Staatsangehöriger verbieten; z.B. Brasilien, Costa Rica, Peru, Sudan, Venezuela. Hat der zu Vernehmende außer der deutschen Staatsangehörigkeit auch noch die Staatsangehörigkeit des Empfangsstaates und erlaubt der Empfangsstaat zwar die Vernehmung von deutschen Staatsangehörigen, nicht aber die seiner eigenen, so kann die Auslandsvertretung die Vernehmung nicht durchführen.205
199 Die Genehmigung der Bundesregierung ist nicht mehr erforderlich, soweit die Beweisaufnahme in einem EU-Mitgliedstaat durchgeführt werden soll, § 38a ZRHO. 200 BGBl. I 3105. 201 Hierzu die amtliche Begründung Bundestagsdrucksache VII/4893 zu § 9 des Entwurfs = § 10 AusfG, § 82a ZRHO. 202 Anderer Auffassung Junker a.a.O. 325, 327, 375, 386. Nach Junker 325 soll das Rechtshilfegericht ausschließlich zuständig zur Anordnung von Zwangsmaßnahmen sein mit der Folge, dass das ersuchende Gericht solche nicht (parallel) androhen darf. Ein solches Verbot kann man aber weder aus Art 10 HBÜ noch aus Art 13 EuBeweisaufnahmeVO herauslesen; Sympathien für Junker aber bei Stefan Huber, Europäische Beweisaufnahmeverordnung, in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, Kap. 29 Rz. 170. 203 Nachweise bei Junker a.a.O. 233, 343, 430. 204 Vgl. ZRHO-Länderteil. 205 Nagel, Nationale und internationale Rechtshilfe, 1971, 48.
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Begriff und Grenzen b) Verbot der Anwendung von Zwangsmitteln: Der diplomatische oder konsula- 448 rische Vertreter darf keinerlei Zwangsmittel androhen bzw. anwenden.206 Nicht anwendbar, auch nicht sinngemäß, sind §§ 380, 390 ZPO (Auferlegung von Kosten, Ordnungsgeldern, Ordnungshaft), auch keine Androhung dieser Art in der Ladung (§ 377 II Nr. 3 ZPO) wegen Nichterscheinens und wegen Aussage- oder Eidesverweigerung. Die Androhung oder gar Festsetzung von Rechtsnachteilen/ Ordnungsmitteln wäre ein Eingriff in die Hoheitsrechte des Empfangsstaates. Die Problematik ist hier eine andere als bei der Anwendung von Zwang im Inland, um ein Handeln im Ausland durchzusetzen.207 Denn der Konsularbeamte handelt im Ausland, Rz. 780. Er darf dort nur in den ihm vom Empfangsstaat gesetzten Schranken agieren. Daher verbietet auch das deutsche Recht ausdrücklich Zwangsmittel, § 15 III 4 KonsularG.208 Erscheint ein Zeuge trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht oder verweigert er (unberechtigterweise) Zeugnis oder Eid, so bleibt nur die Möglichkeit, die Gerichte des Empfangsstaates (= Aufenthaltsstaates des Zeugen) um Zwangsmittel zu ersuchen, Art. 18 HBÜ.209 Besonders effektiv gestaltet sich die Kooperation nach Art. 12 des deutsch-britischen Abkommens über den Rechtsverkehr vom 20.3.1928210; danach kann das Amtsgericht gegen Angehörige des ersuchenden Staates Zwangsmittel anordnen, Rz. 451, 2434.
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Fazit: Beweisaufnahmen diplomatischer oder konsularischer Vertreter sind nur 450 ohne Zwang zulässig. Weigert sich die zu vernehmende Person, an der Beweisaufnahme teilzunehmen, so können die Beweise nur durch die Gerichte bzw. sonst zuständigen Stellen des Aufenthaltsstaates erhoben werden. Diesen Grundsatz (des Völkergewohnheitsrechts) modifiziert allerdings Art. 18 HBÜ. Danach kann ein Staat sich bereit erklären, durch Zwangsmittel eine Beweisaufnahme auch vor diplomatischen und konsularischen Vertretern zu ermöglichen. So verfahren z.B. die Vereinigten Staaten von Amerika. Danach wird der District Court – in dessen Bezirk sich die zu vernehmende Person ständig aufhält oder angetroffen wird – die Person anweisen, ihre Aussage zu machen etc.211 Ähnlich ist die Position Italiens. Andere Staaten, wie z.B. die Tschechische Republik und das Vereinigte Königreich, machen dies von der Verbürgung der Gegenseitigkeit abhängig. Deutschland hat eine solche Erklärung nicht abgegeben.212 Als Grund nennt die 451 deutsche Denkschrift: „Die Beweisaufnahme weicht in Bezug auf die Vernehmungsperson so erheblich von dem allgemeinen Beweisverfahren ab, dass sie zumindest derzeit nur Personen zugemutet werden kann, die mit dieser Verfahrensweise einverstanden sind. Weitere Erfahrungen müssen zeigen, ob die im 206 R. Geimer in Festschrift Matscher, 1993, 140. 207 Rz. 400. 208 Hecker/Müller-Chorus/Bindseil, Handbuch der konsularischen Praxis2, Stand: August 2007 (3. Ergänzungslieferung), § 5 Rz. 27. 209 Hierzu R. Geimer in Festschrift Matscher, 1993, 133, 152. Siehe auch Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 376), Art. 18 HBÜ Rz. 1. 210 RGBl. II 623. 211 Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 430. 212 Junker a.a.O. 324.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit Übereinkommen selbst oder durch Genehmigungsvorbehalte und Aufsichtsmöglichkeiten festgelegten Schranken die Beteiligten so wirksam schützen, dass eine solche Beweisaufnahme auch gegen ihren Willen durchgeführt werden kann.“213 Anders ist es im Anwendungsbereich des deutsch-britischen Rechtshilfeabkommens hinsichtlich der Staatsangehörigen des Entsendestaates: Art. 12 (a) in Verbindung mit § 2 III-V AusfVO.214 452 c) Die Handhabung in Deutschland (Rz. 2426): Deutsche Staatsangehörige dürfen durch konsularische oder diplomatische Vertreter nicht vernommen werden. Beispiel: Volkswagen AG v. Falzon.215 Nach deutscher Auffassung berechtigt die Note des Auswärtigen Amtes vom 13.1.1956 nur zur informellen, nicht gerichtsverwertbaren Befragung durch US-Konsul (Ausweg: Aussagebereite fahren in liberalere Nachbarländer, z.B. nach Belgien, und lassen sich dort vernehmen).216 Darüber hinaus ist jede andere Beweisaufnahme (Vorlage von Urkunden, Augenschein) unzulässig, soweit deutsche Staatsangehörige betroffen sind.217 Anders ist die Rechtslage jedoch nach Art. 11 Buchst. a des deutsch-britischen Rechtshilfeabkommens (Rz. 449);218 dessen Geltungsbereich (die meisten Staaten des ehemaligen British Empire, Rz. 2370) ist größer als der des HBÜ. 452a Wie ist es aber, wenn ein ausländisches Gericht, z.B. nach FRCP 28 (b) (2), einen amerikanischen Konsul zum commissioner ernennt? Als solcher dürfte er nach Art. 17 HBÜ, § 12 AusfG (Rz. 461) mit Genehmigung der Zentralen Behörde auch Deutsche vernehmen.219 Doch dürfte Art. 16 HBÜ eine abschließende Regelung sein. 453 d) Kautelen zum Schutz der von der diplomatischen bzw. konsularischen Beweisaufnahme betroffenen Personen: Zur Sicherung der erforderlichen Kontrolle durch deutsche Justizorgane sehen Art. 19 bis 21 HBÜ folgende Kautelen vor: Personen, die durch eine Beweisaufnahme nach Kapitel II des HBÜ betroffen sind, können die Anwesenheit eines Rechtsberaters bei ihrer Vernehmung zum eigenen Schutz verlangen, Art. 20. Rechtsberater sind die jeweils nach dem Recht des Staates, in dem die Beweisaufnahme stattfindet, zu einer derartigen beratenden Tätigkeit befugten Personen.220 Die Betroffenen müssen in der Ladung zur Beweisaufnahme darauf hingewiesen und belehrt werden,221 dass sie nicht erscheinen müssen (Art. 21 Buchst. c HBÜ). Auf Aussageverweigerungsrechte sind sie hinzuweisen.222 In der Ladung ist die Sprache des Orts der Be213 Vorschläge bei Junker a.a.O. 353, 359. 214 Hierzu Nagel, Nationale und internationale Rechtshilfe, 1971, 85; Junker a.a.O. 354; R. Geimer in Festschrift Matscher, 1993, 152. 215 Nachweise bei Junker a.a.O. 344. 216 Junker a.a.O. 221, 349, 357. 217 Junker a.a.O. 218, 348. 218 Nachweise bei Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 354. 219 Kritik bei Junker a.a.O. 352. 220 Weiter Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 376), Art. 20 HBÜ Rz. 2: jede Beistandsperson. 221 Außer im Fall des Art. 18 HBÜ. 222 Art. 11, 21 Buchst. e HBÜ.
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Begriff und Grenzen weisaufnahme zu verwenden. Dies gilt nicht gegenüber den Angehörigen des Staates des Ausgangsverfahrens. Von ganz besonderer Bedeutung ist, dass konsularische und diplomatische Ver- 454 treter nach Art. 21 Buchst. a HBÜ Beweise nur aufnehmen können, soweit dies nicht mit dem Recht des Staates, in dem der Beweis aufgenommen werden soll, unvereinbar ist. Damit wird sichergestellt, dass bei dieser Beweisaufnahme die zwingenden Vorschriften deutschen Rechts beachtet werden. Im Übrigen können die deutschen Behörden für die Beweisaufnahme Bedingungen jeder Art stellen, insbesondere in Bezug auf Ort und Zeit der Beweiserhebung.223
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Der betroffene Staat kann auch verlangen, dass er rechtzeitig von einer Beweisaufnahme Mitteilung erhält; er kann auch einen Vertreter der Behörde als Repräsentanten des Gaststaates an der Beweisaufnahme teilnehmen lassen. Hierdurch soll gewährleistet werden, dass die Grenzen des Übereinkommens eingehalten und die zwingenden Grundsätze des Staates der Beweisaufnahme beachtet werden, die im Rahmen der Genehmigungserteilung schwer allgemein zu formulieren sind.224
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16. Beweisaufnahme durch Beauftragte des Gerichts (Commissioners) Die Beweisaufnahme durch Beauftragte (commissioners) ist eine im common law gebräuchliche Methode der Beweisaufnahme im Ausland. Sie vermeidet, ausländische Instanzen um Rechtshilfe bitten zu müssen. Der Vorteil der direkten Beweisaufnahme durch Beauftragte des Prozessgerichts unter Ausschaltung von Rechtshilfehandlungen des Staates der Beweisaufnahme besteht darin, dass sich das Ergebnis der Beweisaufnahme möglichst nahtlos in das Verfahren vor dem Prozessgericht einfügt: Der Beauftragte, der mit dem Beweisrecht und den Beweismethoden des Staates des Prozessgerichts vertraut ist, nimmt die Beweise nach dem Recht des Prozessgerichts auf.
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Der commissioner wird durch das Prozessgericht ernannt.225 Oft werden (ame- 458 rikanische/englische) Anwälte, die im Gerichtsstaat zugelassen sind, beauftragt. Es können auch geeignete Anwälte oder rechtskundige Personen des Staates der Beweisaufnahme zu commissioners ernannt werden, sofern sie die nötigen Erfahrungen haben, um Vernehmungen in einer für das Prozessgericht verwendbaren Form vorzunehmen. Sofern nicht ein Mitglied des Gerichts, sondern eine Privatperson (z.B. ein An- 459 walt) commissioner ist, fragt sich, ob eine solche Beweisaufnahme (ohne Androhung bzw. Anwendung von Zwang) nach Völkergewohnheitsrecht ein Eingriff in die Justizhoheit des Staates wäre, in dem die Beweisaufnahme stattfindet. Aus deutscher Sicht spielt dieser Punkt keine Rolle, weil die deutsche Zivilprozessordnung solche Beweisaufnahmen nicht kennt. Jedoch wird die Frage der Wahrung der deutschen Justizhoheit aktuell im Hinblick auf commissioners, die 223 Art. 19 HBÜ. 224 Art. 21 Buchst. a HBÜ. 225 Junker a.a.O. 226, 234, 344.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit von common law-Gerichten beauftragt worden sind.226 Solche unmittelbaren Beweisaufnahmen sind aus anglo-amerikanischer Sicht kein Eingriff in die Souveränität des Staates der Beweisaufnahme.227 Anders ist jedoch der Standpunkt der kontinentaleuropäischen Staaten.228 Die Rechtslage nach Völkergewohnheitsrecht ist angesichts der Praxis der common law-Staaten nicht ganz klar. Doch so viel steht fest: Man kann das Verbot, Hoheitsakte auf fremdem Hoheitsgebiet zu setzen, nicht dadurch umgehen, dass man nicht ein Gerichtsmitglied (Rz. 442), sondern einen Anwalt oder eine andere (nicht richterliche) Person zum commissioner macht.229 460 Der Kompromiss des Haager Beweisübereinkommens besteht darin, dass die Beweisaufnahme durch commissioners Beschränkungen unterworfen wird, die dem Staat der Beweisaufnahme eine gewisse Kontrolle zur Wahrung seiner öffentlichen Belange (Hoheitsrechte) und zum Schutz der zu vernehmenden Person ermöglicht. 461 In der Bundesrepublik Deutschland dürfen – wie erwähnt, Rz. 452 – deutsche Staatsangehörige durch konsularische oder diplomatische Vertreter nicht vernommen werden. Darüber hinaus ist jede andere Beweisaufnahme (Vorlage von Urkunden, Augenschein) unzulässig, soweit deutsche Staatsangehörige betroffen sind. Diese Einschränkungen nach der Staatsangehörigkeit der betroffenen Person gilt nicht für Beauftragte des Prozessgerichts (commissioners).230 Allerdings wird die Beweisaufnahme durch diese Personen noch viel stärkeren Beschränkungen unterworfen, Art. 17 HBÜ, § 12 AusfG. Die commissioners können innerhalb dieser Grenzen Beweise insbesondere nach den Formen des Rechts des ersuchenden Gerichts erheben und einen Eid oder eine Versicherung der Richtigkeit der Aussage, die in vielen Staaten anstelle des in religiösen Formen geleisteten Eides tritt, abnehmen, Art. 21 Buchst. a HBÜ. Zu eng ist der Standpunkt der Bundesregierung:231 Danach soll die „Beweisaufnahme“ durch commissioners nur in Fällen erfolgen, in denen andere Verfahren der Beweisaufnahme im Ausland weniger geeignet wären.232 – Wesentlich liberaler ist dagegen die US-Praxis.233
226 Rz. 2427. 227 Junker a.a.O. 331 Fußn. 28. Vgl. auch Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtshilfeverkehr in Zivilsachen, 1987, 182: „verlängerter Arm“ des Prozeßgerichts. Siehe aber Rz. 445. Zum Problem der „verschleierten Amtshandlung“ Großfeld BerDGVR 18 (1978), 136. 228 Im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten von Amerika ist jedoch das Völkergewohnheitsrecht nicht einschlägig, weil insoweit das HBÜ gilt. 229 Vgl. auch Schulze IPRax 2001, 527, 531. 230 Siehe auch Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 376), Art. 17 HBÜ Rz. 1. 231 Bundestagsdrucksache 7/4897 S. 7. 232 Kritisch Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 350. 233 Junker a.a.O. 431.
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Begriff und Grenzen 17. Sachverhaltsaufklärung im Ausland durch die Parteien bzw. deren Anwälte ohne Auftrag des Gerichts Stürner234 betrachtet private Voruntersuchungen auf freiwilliger Basis nur deshalb als unbedenklich, weil sie im deutschen und darüber hinaus im kontinentaleuropäischen Zivilprozess – wegen fehlender Mitwirkung des Richters – „immer nur präparatorischen Charakter“ hätten und im (deutschen) Prozess „nicht als verfahrensförmige Beweisaufnahme“ verwendet werden könnten.235
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Dagegen sei die für amerikanische Gerichte bestimmte pre-trial discovery 463 (Rz. 88) völkerrechtlich unzulässig, Rz. 2424.236 Zwar wirke auch hier kein Richter und auch kein Gerichtsbeauftragter mit, doch seien die Ergebnisse (depositions) als förmliche Beweisergebnisse verwertbar, FRCP rule 32 (3) B.237 Nach deutscher Auffassung (vgl. z.B. die Stellungnahme der deutschen Bundesregierung im Fall Volkswagen AG v. Falzon238) fällt die gesamte pre-trial discovery, nicht nur die Urkundenvorlage (Art. 23), unter das HBÜ mit der Folge, dass ein Rechtshilfeersuchen zu stellen ist. Großzügiger gegenüber Beweisaufnahmen „auf eigene Faust“ ist Junker.239 Nicht zu dulden ist sicher die Abnahme des Eides durch einen ausländischen Anwalt.240 18. Informelle Stoffsammlung durch Anwälte (informal investigations) Eine solche informelle Stoffsammlung (Gespräche mit möglichen Zeugen, Bitte um Akteneinsicht) gehört zum typischen Tätigkeitsbereich des Anwalts; sie stellt keine hoheitliche Tätigkeit dar.241
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19. Freiwillige Mitwirkung der Partei(en) an der pre-trial discovery auf deutschem Boden Selbst wenn die vom ausländischen Gericht angeordneten Maßnahmen nicht völkerrechtskonform sind, stellt die freiwillige Mitwirkung einer Partei oder ih234 Stürner in Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 23 Fußn. 103. 235 Ebenso Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses, 1989, 278. Vgl. auch § 90 II der Abgabenordnung: „Ist ein Sachverhalt zu ermitteln und steuerrechtlich zu beurteilen, der sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereiches dieses Gesetzes bezieht, so haben die Beteiligten diesen Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen. Sie haben dabei alle für sie bestehenden rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten auszuschöpfen. Ein Beteiligter kann sich nicht darauf berufen, dass er Sachverhalte nicht aufklären oder Beweismittel nicht beschaffen kann, wenn er sich nach Lage des Falles bei der Gestaltung seiner Verhältnisse die Möglichkeit dazu hätte beschaffen oder einräumen lassen können.“ 236 Junker a.a.O. 368 Fußn. 23. 237 Ausführlich Stadler a.a.O. 277. 238 ILM 23 (1984), 418/419. 239 Junker a.a.O. 373. 240 Vgl. Stadler a.a.O. 275 Fußn. 30 zu einem Fall in der Mitte des 19. Jahrhunderts (eidliche Vernehmung eines Zeugen in Wiesbaden durch einen englischen Anwalt; dieser wurde verhaftet). 241 Junker a.a.O. 371.
225
464a
Dritter Teil: Gerichtsbarkeit res Anwalts oder eines Notars keine Beihilfe zur Amtsanmaßung dar (§ 132 2. Alt. StGB), Rz. 2532.
VIII. Ausländisches öffentliches Recht 1. Ausländische Hoheitsakte 465 Für ausländische Hoheitsakte besteht keine Immunität.242 Ein deutsches Gericht kann deren Völkerrechtswidrigkeit oder Rechtswidrigkeit nach dem Recht des Erststaates oder nach deutschem Recht feststellen. Dies ist kein Eingriff in die inneren Angelegenheiten des fremden Staates.243 466 Darüber hinaus verbietet das Völkergewohnheitsrecht nicht, fremde Staatshoheitsakte, insbesondere gerichtliche Entscheidungen, mit Wirkung für den eigenen Hoheitsbereich aufzuheben oder abzuändern. Deutsche Gerichte dürfen daher ausländische Gerichtsurteile im Verfahren nach § 323 ZPO bzw. §§ 238 ff. FamFG aufheben oder abändern (mit Wirkung für den Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland),244 Rz. 1570. Die vor allem von US-amerikanischen Gerichten propagierte Act of State-Doktrin (Immunität für Hoheitsakte fremder Staaten)245 hat keine Grundlage im Völkergewohnheitsrecht.246 Wenig überzeu-
242 BVerfG vom 10.6.1997, BVerfGE 96, 68 = NJW 1998, 50, 54. 243 Verfehlt daher OLG Hamm vom 20.6.1985, NJW-RR 1986, 1047 = IPRspr. 1985 Nr. 141, vgl. Rz. 160. 244 Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 252; Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 609; R. Geimer AWD 1975, 85 Fußn. 34; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 154; Seidl-Hohenveldern/Hummer in Neuhold/Hummer/ Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. I Rz. 882 ff.; Weigel, Gerichtsbarkeit, internationale Zuständigkeit und Territorialitätsprinzip im deutschen gewerblichen Rechtsschutz, 1973, 43; Siehr in Festschrift Bosch, 1976, 937; IPG 1975 Nr. 40 (Hamburg); Kartzke NJW 1988, 106 Fußn. 23; BGH vom 1.6.1983, NJW 1983, 1976 = FamRZ 1983, 806 = IPRax 1984, 320 (Spellenberg 304) = IPRspr. 1983 Nr. 95; OLG Nürnberg vom 20.9.1983, IPRax 1984, 162 = IPRspr. 1983 Nr. 179; OLG Nürnberg vom 3.7.1995, FamRZ 1996, 353 = IPRspr. 1995 Nr. 173. 245 Hierzu z.B. Born/Rutledge, International Civil Litigation in the United States Courts4, 2006, 751 ff.; Holstein, Act of State im US-amerikanischen Recht: eine Doktrin vor dem Zerfall?, 1998; weitere Nachweise z.B. bei Hill RabelsZ 46 [1982], 118; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 487 ff.; Ebenroth/Fuhrmann RIW 1989, 596; Forwick, Extraterritoriale US-amerikanische Exportkontrollen, 1993, 108; Nordmann, Die Beschaffung von Beweismitteln aus dem Ausland durch staatliche Stellen, 1979, 125 Fußn. 186; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 51; Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, Diss. Konstanz 1997, 254 ff.; Schnyder, Wirtschaftskollisionsrecht, 1990, 162 ff. Rz. 201 ff. 246 BVerfG vom 15.5.1995, BVerfGE 92, 277, 322 = NJW 1995, 1811; BVerfG vom 10.6.1997, BVerfGE 96, 68 = NJW 1998, 50, 54; Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht10, 2000, Rz. 1488; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 1179; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 70; Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte,
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Begriff und Grenzen gend ist auch die Begründung, mit der man in Frankreich die eigene internationale Zuständigkeit für „les litiges concernant les voies d’exécution pratiquées à l’étranger“ verneint, „le respect du principe de l’indépendance et de la souveraineté respectives des Etats“ verbiete einem französischen Richter „de paralyser une mesure ordonnée par un juge étranger en vertu de son impérium,“247 Der (durch diese Doktrin beeinflusste) Art. 22 Nr. 5 EuGVVO/LugÜ ist keine Teilkodifikation bereits geltenden Völkergewohnheitsrechts, Rz. 401, 435. 2. Öffentlich-rechtliche Streitgegenstände Der inländischen Gerichtsbarkeit unterliegen auch ausländische öffentlich-rechtliche Streitgegenstände, also Ansprüche, die nach ausländischem öffentlichem Recht zu entscheiden sind. Auch hier ist eine Exemtion qua Streitgegenstand nicht anzuerkennen. Auch steht das völkerrechtliche Territorialitätsprinzip nicht entgegen.248 Eine andere Frage ist, ob die Bundesrepublik Deutschland Rechtsschutz gewähren will, Rz. 1979.
467
3. Gewerblicher Rechtsschutz Das Prinzip der unbeschränkten Gerichtshoheit bedarf auch keiner Einschrän- 468 kung für den Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes. Dies gilt sowohl für die Verletzungsklagen aus gewerblichen Schutzrechten als auch für die über oder gegen das Schutzrecht selbst geführten Verfahren.249 4. Anweisungen an ausländische Standesbeamte Werden z.B. italienische Ehegatten durch ein deutsches Gericht geschieden, so 469 ist im Tenor des deutschen Urteils der italienische Standesbeamte zu ersuchen, die Eintragung des Urteils im Zivilregister vorzunehmen.250 Das Ersuchen ist kein Befehl an ein ausländisches Staatsorgan (dies wäre eine Verletzung der Souveränität des fremden Staates), sondern eine höfliche Bitte, der Folge zu leisten allein Sache des ausländischen Staates ist.
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2006, 285; Frank RabelsZ 34 (1970), 56, 68; Roloff, Die Geltendmachung ausländischer öffentlichrechtlicher Ansprüche im Inland, 1994, 115 bei Fußn. 40. Batiffol/Lagarde, Droit international privé, tome I8, 1993, Nr. 83, Nr. 681 (2) vor Fußn. 7. Nachweise bei Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 329 ff.; Dormann Bessenich, Der ausländische Staat als Kläger, 1993, 57 ff.; Weigel, Gerichtsbarkeit, internationale Zuständigkeit und Territorialitätsprinzip im deutschen gewerblichen Rechtsschutz, 1973, 39 ff. Vgl. auch Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, Diss. Konstanz 1997, 237. Sehr klar Weigel a.a.O. 123. – Siehe auch Rz. 1002. LG Darmstadt vom 23.11.1973, FamRZ 1974, 192 (Jayme) = IPRspr. 1973 Nr. 53.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit 5. Versorgungsansprüche, die bei einem ausländischen Versorgungsträger entstanden sind 470 Solche können im Rahmen eines vom deutschen Gericht durchzuführenden Versorgungsausgleichs nicht mit „dinglicher Wirkung“ dergestalt aufgeteilt werden, dass das deutsche Gericht dem ausländischen Versorgungsträger bindende Weisungen gibt.251 Jedoch darf das deutsche Gericht die Ausgleichspflichten inter partes feststellen.252
IX. Innerstaatliche Wirksamkeit völkerrechtswidriger Justizakte 470a Eine Regel des nationalen Rechts, wonach völkerrechtswidrige Justizakte per se nicht nichtig sind, verstößt nicht gegen das Völkerrecht, Rz. 215. Es muss aber ein ausreichender innerstaatlicher Rechtsmittel- oder Rechtsbehelfsweg zur Verfügung stehen, um die Aufhebung des völkerrechtswidrigen Akts erreichen zu können (der deutsche Instanzenzug dürfte diesem Gebot genügen). Der in seiner Souveränität beeinträchtigte Staat hat einen völkerrechtlichen Anspruch auf Aufhebung.253
2. Kapitel: Befreiung von der Gerichtsbarkeit Literatur: Appelbaum, Einschränkungen der Staatenimmunität in Fällen schwerer Menschenrechtsverletzungen – Klagen von Bürgern gegen einen fremden Staat oder ausländische staatliche Funktionsträger vor nationalen Gerichten, 2007; Baars/Böckel, Argentinische Auslandsanleihen vor deutschen und argentinischen Gerichten, ZBB 2004, 445; Cremer, Entschädigungsklagen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen und Staatenimmunität vor nationaler Zivilgerichtsbarkeit, ArchVR 41 (2003), 137; Fox, The Law State Immunity2, 2008; Garnett, The Defence of State Immunity for Acts of Torture, Australian YbIL 18 (1997), 97; R. Geimer, Los Desastres de la Guerra und das Brüssel I-System, IPRax 2008, 225; von Hein, Voraussetzungen und Umfang des Immunitätsverzichts in Staatsanleihen, IPRax 2007, 399; Kreß, Der Internationale Gerichtshof im Spannungsfeld von Völkerstrafrecht und Immunitätsschutz, GA 2003, 25; Meierhöfer, Der EGMR als „Modernisierer“ des Völkerrechts? Staatenimmunität und ius cogens auf dem Prüfstand, EuGRZ 2002, 391; Paulus, Die internationale Gemeinschaft im Völkerrecht, 2001, 270 ff.; Ronzitti/Vernturini, Le immunità giurisdizionali degli stati e degli altri enti interinazionali, 2008; Stadler, Pacta sunt servanda – auch im Falle argentinischer Staatsanleihen, IPRax 2008, 405; 251 OLG Frankfurt vom 29.9.1980, FRES 7, 234 = IPRspr. 1980 Nr. 82, Ferid/Böhmer, Internationales Privatrecht3, 1986, Rz. 8170. 252 Zur Einbeziehung ausländischer Anwartschaften Adam, Internationaler Versorgungsausgleich, 1985, 366. 253 Vgl. Rz. 203. Zur innerstaatlichen Diskussion, ob völkerrechtswidrige deutsche Urteile nach deutschem Recht nichtig sind, siehe Rz. 528.
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Befreiung Steinberger, State Immunity, EPIL 4 (2000), 615; Voyiakis, Access to Court v. State Immunity, ICLQ 52 (2003), 297; Weiß, Völkerstrafrecht zwischen Weltprinzip und Immunität, JZ 2002, 696; Wilhelmi, Das Weltrechtsprinzip im internationalen Privat- und Strafrecht, Diss. Trier, 2007, 243 ff.; Zuppi, Die Immunität ausländischer Staaten vor argentinischen Gerichten, RIW 2007, 340.
I. Staatenimmunität als Ausgangspunkt der Immunitätslehre Vom Grundsatz der unbeschränkten Gerichtsbarkeit als Ausfluss der Gebiets- 471 hoheit (Rz. 372) gibt es Ausnahmen: Bestimmte Personen sind von der Gerichtsbarkeit bestimmter Staaten befreit. Man bezeichnet diese Personen als Immune (missverständlich: Exterritoriale oder Eximierte). Ausgangspunkt der Immunitätslehre ist die Staatenimmunität. Ausländische 472 Staaten genießen diese hinsichtlich ihrer hoheitlichen Betätigung (acta iure imperii). Das bedeutet, dass kein Staat über einen anderen Staat zu Gericht sitzen darf; kein Staat darf vor seinen Gerichten eine Klage gegen einen anderen Staat wegen dessen Hoheitsakten (Rz. 558, 578) zulassen.254 Immun ist der Staat, nicht aber dessen Hoheitsakt (Rz. 465).
II. Immunitätsträger 1. Organe des Völkerrechtsverkehrs Außer den Staaten selbst genießen ratione personae die Organe des völkerrecht- 473 lichen Verkehrs Immunität, nämlich Staatsoberhäupter (der Satz rex extra territorium suum privatus konnte sich nicht durchsetzen), die Regierungsmitglieder, die Diplomaten und Konsuln, Rz. 762 ff.255 Dahinter steht folgender Gedanke: Die Immunität fremder Staaten könnte ausgehöhlt werden, wenn zwar Klagen gegen den auswärtigen Staat unzulässig wären, jedoch deren Amtsträger, die im Namen des fremden Staates gehandelt haben, verklagt werden könnten. Deshalb kennt das Völkerrecht auch die Immunität für fremde Staatsorgane. Die Immunität des Staates und die seiner Organe entspringt der gleichen Wurzel. Letztere sind staatliche Immunitäten „im weiteren Sinne“ und dienen ebenfalls der Wahrung der Souveränität der fremden Staaten.256 Siehe auch Rz. 765. 254 Z.B. BVerfG vom 6.12.2006, RIW 2007, 206, 208 Rz. 35 = NJW 2007, 2605 = IPRax 2007, 438 (von Hein 399) = IPRspr. 2006 Nr. 106. 255 Eine vertragsrechtliche Regelung der Immunität zentraler Staatsorgane während ihrer Amtstätigkeit gibt es (noch) nicht. Der Internationale Gerichtshof stützt die (grundsätzliche) absolute Immunität zentraler Staatsorgane auf das universelle Völkergewohnheitsrecht, IGH vom 14.2.2002 – Kongo/Belgien (website des IGH), teilweise auch abgedruckt bei Neuhold/Hummer/Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. II D 207 S. 341. 256 Gleichwohl wird in der völkerrechtlichen Literatur die Eigenständigkeit des Diplomatenrechts im Verhältnis zum Recht der allgemeinen Staatenimmunität betont. Es handele sich um unterschiedliche Rechtsinstitute mit jeweils eigenen Regeln, so dass aus Beschränkungen in einem Bereich nicht auf den anderen geschlossen werden kann. Die völkerrechtlichen Regeln des Diplomatenrechts seien gegenüber der allgemeinen
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit 474 Die Privilegien, die das Völkerrecht fremden Staatsorganen zubilligt, schützen nicht die individuellen Interessen der jeweiligen Amtsinhaber; sie genießen diese Vorrechte als Träger staatlicher Funktionen.257 So steht Diplomaten und Konsuln das Immunitätsprivileg im Interesse der Funktionsfähigkeit der Botschaft bzw. des Konsulats zu. Deswegen kann nur der Entsendestaat auf die Immunität verzichten, Rz. 633, 791, 810. Lässt sich z.B. der beklagte Diplomat oder Konsul auf die Klage ein, ohne sich auf seine Immunität zu berufen, so entfällt das Immunitätsprivileg nicht ohne Zustimmung des Entsendestaates.258 2. Staatsorgane ohne besonderen völkerrechtlichen Status 475 Um zu verhindern, dass die Immunität eines Staates dadurch unterlaufen wird, dass an seiner Stelle das für ihn handelnde Organ zur Rechenschaft gezogen wird, sind nicht nur die Organe des Völkerrechtsverkehrs von der Gerichtsbarkeit fremder Staaten befreit, sondern auch die Staatsorgane ohne besonderen völkerrechtlichen Status bezüglich des hoheitlichen Handelns, das sie im Namen des immunen Staates vorgenommen haben, Rz. 617.259 Die Freiheit eines fremden Staatsorganes von inländischer Gerichtsbarkeit reicht mithin genau so weit wie die des Staates, für den es tätig geworden ist.260 476 Personen, die vor dem Beginn des gegen sie gerichteten Verfahrens oder in dessen Verlauf aus dem Staatsdienst ausscheiden, können sich hinsichtlich ihres hoheitlichen Handelns auch danach auf das Privileg der Immunität berufen. Die Immunität „überlebt“ ihre Stellung als Amtsträger. Dieser Grundsatz ist in Art. 39 II WÜD, Art. 53 IV WÜK und Art. 43 III der Konvention über Spezialmissionen kodifiziert.261 477 Die Immunität ratione materiae steht den Staatsorganen nicht kraft eigenen Rechts zu, sondern als Repräsentanten des fremden Staates, Rz. 474.
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Staatenimmunität leges speciales, Steinberger, State Immunity, EPIL 4 (2000), 615; BVerfG vom 6.12.2006, RIW 2007, 206, 208 Rz. 33 = NJW 2007, 2605 = IPRax 2007, 438 (von Hein 399) = IPRspr. 2006 Nr. 106. Siehe auch unten Rz. 488. IGH vom 14.2.2002 – Kongo/Belgien Rz. 53: „In customary international law, the immunities accorded to Ministers of Foreign Affairs are not granted for their personal benefit, but to ensure the effective performance of their functions on behalf of their respective State….“ W. Zimmermann in Münchener Kommentar zur Zivilprozessordnung3, 2008, § 18 GVG Rz. 8. Anderer Auffassung Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, 1985, 42. Allerdings soll der Missionschef im Zweifel als bevollmächtigt gelten, im Namen seiner Regierung den Verzicht für sich und die Mitglieder seiner Mission zu erklären, Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 281 (§ 35 II 1). Vgl. auch Rz. 810. Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 77; Dörr ArchVR 41 (2003), 201, 203; siehe auch Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 2 Rz. 28. Damian a.a.O. 78. Damian a.a.O. 79.
Befreiung 3. Erosion der Abgrenzungsmerkmale Immunität ratione personae – ratione materiae Einerseits haben die Staaten ihre absolute Immunität ratione personae verloren, 478 andererseits kommt auch Nicht-Immunitätsträgern ratione materiae Immunitätsschutz zu. Diese Entwicklung macht die Unterscheidung Immunität ratione personae – Immunität ratione materiae nicht nur an den Rändern unscharf. Dies zeigt sich sogar bei der Diplomatenimmunität, die – obwohl von der Staatenimmunität abgeleitet – deren Einschränkungen auf acta iure imperii nicht mitgemacht hat und von der man sagen kann, sie sei auch heute noch ratione personae absolut. Doch gilt diese Befreiung von der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates auch in privaten Angelegenheiten nur im Grundsatz. Selbst Diplomaten müssen sich vor den Gerichten ihres Empfangsstaates nicht nur in Erbschaftssachen, sondern auch in Prozessen, die ihre privatwirtschaftliche Erwerbstätigkeit betreffen, verantworten, Rz. 769.
III. Klagezustellung und Ladung von ausländischen Staaten bzw. Immunitätsträgern Da es heute keine Immunitätsträger mehr gibt, die Immunität ohne jede Ausnah- 479 me genießen, ist die Klagezustellung und Ladung zum Prozess völkerrechtlich nicht verboten.262 Denn es muss geklärt werden können, ob in concreto ein Immunitätstatbestand gegeben ist und ob gegebenenfalls darauf verzichtet wird. Die Befreiungen von der Gerichtsbarkeit sind von der Sache und nicht mehr von der Person her definiert. Dies macht Abgrenzungsprobleme und „Grauzonen“ unvermeidbar. Daher ist von Völkerrechts wegen a) die Zustellung von Klage, Ladung usw. zunächst zulässig, wenn auch eventu- 480 ell an besondere Formen und Fristen gebunden,263 b) das Vorliegen und Eingreifen der gerichtlichen Immunität im konkreten Fall 481 vom beklagten fremden Staat einzuwenden, schlüssig darzutun, notfalls zu beweisen, wenn auch von Amts wegen zu prüfen und zu berücksichtigen, Rz. 527, c) ein Versäumnisurteil gegen den fremden Staat bzw. seine diplomatische Vertretung zulässig, wenn er nicht reagiert, insbesondere im Termin nicht vertreten ist, und wenn die Prüfung von Amts wegen keine eindeutigen Anhaltspunkte für die gerichtliche Immunität im konkreten Fall ergibt,264
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d) ein die Immunität in concreto verletzender Justizhoheitsakt (Urteil, Pfändung, Vollstreckung usw.) nicht schlechthin nichtig, sondern in erster Linie mit normalen Rechtsmitteln anzufechten.265
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262 Im Ergebnis übereinstimmend Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 123, 201; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 2 Rz. 33. 263 Zustimmend z.B. Assmann in Wieczorek/Schütze, ZPO3, 2008, § 271 Rz. 31. 264 Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, Diss. Konstanz 1997, 81. Siehe auch unten Rz. 526, 657. 265 Deutlich Strebel RabelsZ 44 (1980) 74 und Heß RIW 1989, 255.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit 484 Eine andere Frage ist, ob der Gerichtsstaat diesen völkerrechtlichen Rahmen voll ausnutzt. 485 Zur Eröffnung eines gerichtlichen Verfahrens gegen einen fremden Staat (Zustellung der Klage, Aufforderung zur Klageerwiderung, Termin zur mündlichen Verhandlung und Ladung des fremden Staates hierzu) wird im deutschen zivilprozessualen Schrifttum die Auffassung vertreten, dass der Richter nicht einmal die Zustellung der Klage an den Beklagten veranlassen dürfe und erst recht keinen Termin anberaumen dürfe, wenn eindeutig feststehe, dass ein Immunitätstatbestand gegeben ist.266 Wo jedoch Zweifel herrschen, sei nach Klagezustellung in mündlicher Verhandlung zu klären, ob Immunität vorliege oder nicht.267 486 Diese Handhabung ist völkerrechtlich nicht geboten.268 Sie verletzt möglicherweise auch den auch auf völkerrechtlichen Ebene bestehenden Justizgewährungsanspruch des Klägers (Rz. 1906 ff.), denn es ist ja keineswegs ausgeschlossen, dass der auswärtige Staat für sich bzw. seinen Amtsträger auf die Immunität verzichtet.269 Jedenfalls innerstaatlich sind die deutschen Gerichte und sonstigen Justizorgane durch den durch die Verfassung gewährleisteten Justizgewährungsanspruch270 verpflichtet, einen Zustellungsversuch zu unternehmen; scheitert dieser, ist nach § 185 ZPO öffentlich zuzustellen.271 487 Die Gerichte des Forumstaates sind völkerrechtlich nicht gehindert, über Bestehen und Nichtbestehen ihrer eigenen Gerichtsbarkeit zu befinden. Deshalb ist die Einleitung eines Verfahrens, welches der Ermittlung von Tatsachen dient, die für die Klärung der Immunitätsfrage von Bedeutung sind, völkerrechtskonform.272 Der Immunitätsanspruch des fremden Staates (für sich bzw. seine Staatsorgane) wird dadurch nicht tangiert. Sobald die Immunität zutreffend geltend gemacht wird, ist das Verfahren zu beenden. Aber auch wenn der fremde Staat untätig bleibt, ist das Fehlen der Gerichtsbarkeit von Amts wegen in jedem Stadium des Verfahrens zu berücksichtigen, Rz. 527.
266 OLG München vom 12.8.1975, NJW 1975, 2144 = IPRspr. 1975 Nr. 132; OLG Frankfurt vom 5.11.1981, FamRZ 1982, 316 = IPRspr. 1981 Nr. 176; siehe auch österr. OGH vom 7.5.2003, ZfRV 2004, 27; Walther J. Habscheid BerDGVR 8 (1968), 182; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht16, 2004 § 19 Rz. 14. 267 Schlosser, Zivilprozeßrecht I2, 1992, Rz. 59. 268 Vgl. Art. 16 EuÜStI, Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 89. 269 LG Hamburg vom 10.4.1986, NJW 1986, 3034 (v. Schönfeld 2980) = RIW 1988, 478 = IPRspr. 1986 Nr. 127; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 390; Heß schon RIW 1989, 255. 270 Nachweise hierzu z.B. bei Geimer ZfRV 5 (1992), 321, 326; Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006, 286; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 4 Rz. 8. 271 Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 2 Rz. 33; Assmann in Wieczorek/Schütze, ZPO3, 2008, § 271 Rz. 31. 272 Walther J. Habscheid BerDGVR 8 (1968), 208.
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Befreiung
IV. Verschiedene Ausgestaltung der Immunitätsbereiche Obwohl alle Immunitäten ihre Wurzeln in der Staatenimmunität haben, sind die 488 Regeln für die Gerichtsbefreiung der fremden Staatsorgane unterschiedlich ausgeprägt.273 Man kann also nicht von dem Umfang der Immunität fremder Staatsorgane auf die Immunität fremder Staaten schließen und umgekehrt. So sind z.B. Diplomaten auch für ihre privaten Tätigkeiten grundsätzlich von der Zivilgerichtsbarkeit befreit, Rz. 765. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass auch den Staaten Immunität bezüglich acta iure gestionis zusteht.274 Auch die (für die Staatenimmunität wichtige) Unterscheidung zwischen Han- 489 deln iure imperii und iure gestionis kann nicht gleichgesetzt werden mit dem Begriff des Handelns in Wahrnehmung dienstlicher Aufgaben. Dieser Begriff ist weiter als der des staatlichen Hoheitsaktes, Rz. 811. Beispiel:275 Bestellt ein Konsul zu einem Treffen mit inländischen Vertretern der 490 Wirtschaft im Namen des ausländischen Staates (Rz. 806) Speisen und Getränke, so handelt er damit erkennbar in seinem Aufgabenbereich nach Art. 5 WÜK zur Förderung wirtschaftlicher Beziehungen. Er genießt zivilrechtliche Immunität nach Art. 43 I WÜK wegen Zahlungs- oder Schadensersatzklagen, nicht aber der Staat, für den er aufgetreten ist. Für letzteren bedeutet das Handeln – durch seinen Konsul – ein gleichberechtigtes Teilnehmen am allgemeinen Wirtschaftsverkehr (actum iure gestionis). Die vom WÜD und WÜK geregelten Immunitätsbereiche decken sich insoweit nicht mit dem der Staatenimmunität. Besonders weit reicht der Schutz des Diplomatenrechts und des gesamten Bot- 490a schafts- bzw. Gesandschaftskomplexes. So berechtigt ein pauschal erklärter Immunitätsverzicht (z.B. aus Anlass der Begebung einer Anleihe [Rz. 583]) nicht auch zur Vollstreckung in solche Vermögensgegenstände, die dem Entsendestaat zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit seiner diplomatischen Mission im Empfangsstaat dienen.276
V. Keine Relativität der Immunität Die Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit bedeutet ein absolutes Verfahrenshindernis in dem Sinne, dass die Durchführung eines Verfahrens und der Erlass eines Sachurteils gleich welchen Inhalts verboten sind. Verboten ist also nicht nur eine für den fremden Staat ungünstige Entscheidung, sondern jede Sachentscheidung, Rz. 527a.
273 Dörr ArchVR 41 (2003), 201, 203. 274 Im gleichen Sinne nun auch Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 282. 275 Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, 1985, 68. 276 BVerfG vom 6.12.2006, RIW 2007, 206, 209 Rz. 40 ff. = NJW 2007, 2605 = IPRax 2007, 438 (von Hein 399) = IPRspr. 2006 Nr. 106.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit
VI. Befreiung von der Zeugnispflicht 492 Eine solche kommt – aus der Natur der Sache – bei Staaten nicht in Betracht, wohl aber bei Staatsorganen. Diese sind – soweit sie Immunitätsträger sind – von der Zeugnispflicht nicht generell befreit, vielmehr nur bezüglich ihrer hoheitlichen Tätigkeit.277 So unterliegen Konsuln – im Gegensatz zu Diplomaten (Rz. 777) – der Zeugnispflicht, haben jedoch in Bezug auf ihre Amtshandlungen ein Zeugnisverweigerungsrecht, Rz. 808. 493 Auch der in Rz. 475 genannte Personenkreis (Staatsorgane ohne besonderen völkerrechtlichen Status) ist von der Zeugnispflicht befreit in entsprechender Anwendung von Art. 44 WÜK, Rz. 808. 494 Zur Rechtsstellung der Staatsoberhäupter siehe Rz. 763a.
VII. Rechtsquellen 495 Die Normen des allgemeinen Völkergewohnheitsrechts über die Befreiung von der Gerichtsbarkeit werden durch Art. 25 GG in das innerstaatliche deutsche Recht transformiert. Sie bilden einen übergesetzlichen Bestandteil des Bundesrechts, während ansonsten die von Deutschland ratifizierten das Immunitätsrecht betreffenden Konventionen gemäß Art. 59 II GG in der innerstaatlichen Normenhierarchie lediglich den Rang eines einfachen Bundesgesetzes haben.278 496 Die Immunitätsregeln sind mittlerweile – in ihren Hauptbereichen – völkervertraglich kodifiziert. Die „Durchschlagskraft“ dieser Konventionen ist jedoch unterschiedlich. Während das Wiener Übereinkommen vom 24.4.1961 über diplomatische Beziehungen279 und das Wiener Übereinkommen vom 24.4.1963 über die konsularischen Beziehungen280 mittlerweile in so vielen Staaten ratifiziert sind bzw. ohne völkervertragliche Bindung innerstaatlich beachtet werden281, dass man davon sprechen kann, dass sie den Stand des derzeit universell geltenden Völkerrechts widerspiegeln, ist eine weltweite Festschreibung der Normen über die Staatenimmunität erst Ende 2004 geglückt. Das VN-Übereinkommen vom 2.12.2004282 (Rz. 571) ist jedoch noch nicht in Kraft283. Dies führte – vor al277 BVerwG vom 30.9.1988, NJW 1989, 678 = IPRspr. 1988 Nr. 147 (Einvernahme des indischen Verteidigungsministers). 278 Dörr ArchVR 41 (2003), 201, 203. 279 BGBl. 1964 II 957. 280 BGBl. 1969 II 1585. 281 Vgl. §§ 18, 19 GVG, wonach diese Übereinkommen auch gegenüber Nichtvertragsstaaten anzuwenden sind. 282 ILM 44 (2005), 801. 283 Zu den vorausgegangenen umfangreichen Vorbereitungen und verschiedenen Entwürfen Rz. 570 sowie 5. Auflage Rz. 497; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 29, 247; hervorzuheben sind die Entwürfe der International Law Commission der Vereinten Nationen von 1991 (ausführlich Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 195 ff.) sowie der International Law Association (Heß a.a.O. 253), die 1994 eine revidierte Fassung des Montreal-Draft von 1982 (ILA-Reports 1982, 5 = ILM 22 [1983], 287) verabschiedet hat. Hierzu Kren Kostkiewicz a.a.O. 207 ff.
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Befreiung lem im Hinblick auf die in neuerer Zeit erlassenen nationalen Immunitätsgesetze – in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu einer Zersplitterung, welche die Feststellung des Umfangs und der Tragweite des völkergewohnheitsrechtlichen Immunitätsrechts bisher erschwert hat.284 Das Europäische Übereinkommen über die Staatenimmunität vom 16.5.1972 497 (Rz. 666) ist dogmatisch durch die neuere Entwicklung überholt und konnte nicht als Modell für eine globale Konvention dienen. Ob die Beschränkung der Staatenimmunität auf acta iure imperii (Rz. 558) aufgrund entsprechender opinio iuris und ständiger Übung geltendes Völkergewohnheitsrecht ist, wurde zwar mitunter bestritten. Diese Frage ist jedoch mit der herrschenden Meinung zu bejahen. Selbst das Internationale Abkommen vom 10.4.1926 zur einheitlichen Fest- 498 stellung von Regeln über die Immunität der Staatsschiffe285 wurde bisher nur von relativ wenigen Staaten ratifiziert286 und ist inzwischen durch Art. 95 u. 96 des VN-Seerechtsübereinkommens ersetzt. Dieses Übereinkommen regelt einen Teilaspekt der Vollstreckungsimmunität der Staaten, Rz. 597. Das Schlagwort „Immunität fremder Staatsschiffe“ ist geeignet, Missverständnisse heraufzubeschwören: Es handelt sich hier nicht um ein dem Schiff zustehendes Vorrecht besonderer Art, wie man meinen möchte, wenn man an die im anglo-amerikanischen Bereich entwickelte action in rem against a ship denkt. Mit dieser Klage können nicht nur dingliche Rechte an dem beklagten Schiff, sondern auch Forderungen, die mit dem Betrieb des Schiffes in Zusammenhang stehen, wie z.B. Werklohnforderungen aus Verträgen über Schiffsreparaturen oder Schadensersatzforderungen aufgrund von Schiffskollisionen und ähnlichen Unfällen, geltend gemacht werden, um Befriedigung aus der beklagten Sache zu erlangen. Das Schiff dient dabei als Objekt der Haftung für die Ansprüche des Klägers und kann für diesen Zweck beschlagnahmt werden. Die für den kontinentaleuropäischen Juristen schwer nachvollziehbare Vorstel- 499 lung eines Prozesses gegen eine Sache (unpersönliches Verfahren)287 ändert nichts an der Tatsache, dass es sich hier um ein Verfahren gegen einen fremden Staat handelt. Für das Erkenntnisverfahren gelten die Grundsätze in Rz. 578 und für das Vollstreckungsverfahren die in Rz. 588 dargestellten Regeln.
VIII. Immunität internationaler Organisationen Die Immunität internationaler Organisationen und ihrer Organe und Bediens- 500 teten ist in den meisten Fällen durch besondere Übereinkommen geregelt, so z.B. für die Vereinten Nationen durch das New Yorker Übereinkommen vom 13.2.1946 über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen288. Dabei 284 Steinberger EPIL 10 (1987), 429. 285 RGBl. 1927 II 483; 1936 II 303. 286 Hierzu Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 224. 287 Wolff, Internationales Privatrecht Deutschlands3, 1954, 174. 288 BGBl. 1980 II 941.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit trägt der Sitzstaat, in dem die internationale Organisation angesiedelt ist, die Hauptlast. Denn seine Gerichtsbarkeit wird de facto am meisten tangiert. Daher sind die Sitzstaaten daran interessiert, besondere Sitzstaat-Abkommen zu schließen, in denen der Immunitätsanspruch der internationalen Organisation vor allem im Hinblick auf deren Bedienstete nur (möglichst) restriktiv anerkannt wird. 501 Die Immunität internationaler Organisationen beruht jedoch nicht auf universell geltendem Völkergewohnheitsrecht. Allenfalls besteht Gewohnheitsrecht innerhalb des Mitgliederkreises der betreffenden internationalen Organisation, Rz. 907, 1906.289 Siehe auch Rz. 827.
IX. Kein Ausschluss der Immunität bei völkerrechtswidrigem Verhalten, auch bei schweren Völkerrechtsverstößen 502 Der Immunitätsanspruch besteht auch dann, wenn Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens ein Hoheitsakt ist, der mit dem Völkerrecht nicht in Einklang zu bringen ist.290 Ausnahme: Ausübung der Gerichtsbarkeit ist dann zulässig, wenn es sich um eine völkerrechtlich erlaubte Repressalie handelt, Rz. 648.291 503 Vorstehender Grundsatz gilt nicht nur für die Staatenimmunität, sondern auch für die Immunität von fremden Staatsorganen. Staatsorgane genießen „auch für rechtswidrige, ja sogar völkerrechtswidrige Staatsakte“ außerhalb des Dienstherrenstaates völkerrechtliche Immunität.292 Auch die VN-Konvention über Staatenimmunität 2004 (Rz. 571) hält an diesem Grundsatz fest, obwohl in letzter Zeit von manchen Gesetzgebern293 und einigen nationalen Gerichten bei schwe-
289 Seidl-Hohenveldern/Loibl, Das Recht der Internationalen Organisationen einschließlich der Supranationalen Organisationen7, 2000; Rensmann, Anationale Schiedssprüche – Eine Untersuchung zu den Wirkungen anationaler Schiedssprüche im nationalen Recht, 1997, 171. 290 Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 181. Nach anderer Auffassung überschreitet ein Staat, der gegen zwingendes Völkerrecht verstößt, die Grenzen seiner Handlungsfähigkeit. Die von ihm unter Verstoß gegen ius cogens gesetzten Akte seien keine Hoheitsakte mehr. Dieser Staat handle nicht mehr als Souverän, Nachweise bei Cremer, Entschädigungsklagen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen und Staatenimmunität vor nationaler Zivilgerichtsbarkeit, ArchVR 41 (2003), 137; Dörr, Staatliche Immunität auf dem Rückzug, ArchVR 41 (2003), 201; Garnett, The Defence of State Immunity for Acts of Torture, Australian YbIL 18 (1997), 97; Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, Diss. Konstanz 1997, 86; Zeichen/Hebenstreit, Kongo v. Belgien. Sind Außenminister vor Strafverfolgung wegen völkerstrafrechtlicher Verbrechen immun?, ArchVR 41 (2003), 182. 291 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 79. 292 Wengler, Internationales Privatrecht in RGR-Kommentar12, VI, 1981, 421; Damian a.a.O. 79. 293 Die Vereinigten Staaten von Amerika normierten 1996 in 28 U.S.C. 1605 (a) (7) in Verbindung mit (e) und (f) (weitere) Immunitätsausnahmen für Folter-, Tötungs-, und Sabotagehandlungen sowie Geiselnahmen durch fremde Staaten gegen US-Bürger.
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Befreiung ren Völkerrechtsverstößen eine Immunitätsausnahme postuliert worden ist, Rz. 763b, 782.294 So verklagte 1992 Hugo Princz Deutschland in den Vereinigten Staaten von Amerika vor einem Bezirksgericht; er verlangte Schadensersatz wegen Internierung und Misshandlungen während der NS-Zeit. Das Bezirksgericht verneinte die Immunität der Bundesrepublik Deutschland, weil es für barbarische Akte unter Missachtung jeder Menschlichkeit keine Befreiung von der Gerichtsunterworfenheit geben könne.295 Mit gleicher Zielrichtung verweigerte der griechische Areopag296 im Hinblick auf einen Repressalienexzess der deutschen Streitkräfte während des Zweiten Weltkriegs im Distomo-Fall (Rz. 222d) Immunität, wurde jedoch vom Obersten Sondergericht Griechenlands korrigiert.297 Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat am Grundsatz der Staatenimmunität auch bei barbarischen Völkerrechtsverstößen festgehalten, so z.B. im Fall Al-Adsani. Al Adsani wurde 1991 in Kuwait gefoltert. Er verklagte das Emirat in England auf Schadensersatz. Die englischen Gerichte wiesen jedoch die Klage aus immunitätsrechtlichen Gründen a limine ab.298 Die dagegen in Straßburg erhobene Menschenrechtsbeschwerde (Art. 35 EMRK) wegen Verweigerung der Justizgewährung (Art. 6 I EMRK) war nicht erfolgreich: Die Staatenimmunität sei eine zulässige Beschränkung des Anspruchs auf Justizgewährung.299
294 Ausführliche Nachweise bei Cremer, Entschädigungsklagen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen und Staatenimmunität vor nationaler Zivilgerichtsbarkeit, ArchVR 41 (2003), 137; Dörr, Staatliche Immunität auf dem Rückzug?, ArchVR 41 (2003), 201, 210; Kreß, Der Internationale Gerichtshof im Spannungsfeld von Völkerstrafrecht und Immunitätsschutz, GA 2003, 25; Monika Lüke, Die Immunität staatlicher Funktionsträger, 2000; Meierhöfer, Der EGMR als „Modernisierer“ des Völkerrechts? Staatenimmunität und ius cogens auf dem Prüfstand, EuGRZ 2002, 391; Orahelashvili, State Immunity and International Public Order, GYIL 45 (2002), 227; Paulus, Die internationale Gemeinschaft im Völkerrecht, 2001, 270 ff.; Voyiakis, Access to Court v State Immunity, ICLQ 52 (2003), 297; Weiß, Völkerstrafrecht zwischen Weltprinzip und Immunität, JZ 2002, 696: Zeichen/Hebenstreit, Kongo v. Belgien. Sind Außenminister vor Strafverfolgung wegen völkerstrafrechtlicher Verbrechen immun?, ArchVR 41 (2003), 182. 295 813 F.Supp 22 (D.D.C. 1992). Das Urteil wurde jedoch im Rechtsmittelverfahren aufgehoben, 26 F.3rd1166 = I.L.M. 33 (1994), 1483 (D.C.Cir. 1994). 296 Areopag vom 4.5.2000, Dike 2000, 722 (Beys); Siehr in Festschrift Kerameus, 2009, 1293. 297 Oberstes Sondergericht Griechenlands vom 17.9.2002, Dike International 2002, 1282, 1289. Vgl. auch EGMR vom 12.12.2002, NJW 2004, 273; BGH vom 26.6.2003, BGHZ 155, 279 = NJW 2003, 3488 = VersR 2004, 1312 = LMK 2003, 215 (Geimer) = IPRspr. 2003 Nr. 116, bestätigt durch BVerfG vom 15.2.2006, NJW 2006, 2542 = EuGRZ 2006, 105 = IPRspr. 2006 Nr. 103. Hierzu Beys in Festschrift Geimer, 2002, 67; Beys Dike 31 (2002), 736; R. Geimer, Los Desastres de la Guerra und das Brüssel I-System, IPRax 2008, 225; Heß BerDGVR 40 (2003), 107, 127; Kempen in Festschrift Steinberger, 2002, 179; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 2 Rz. 12; Stürner in Festschrift Georgiades, 2005, 1299, 1307. 298 EGMR vom 21.11.2001, Appl. No. 35763/97, EuGRZ 2002, 403 § 52 ff. 299 Zur Erosion des Immunitätsschutzes Kadelbach BerDGVR 40 (2003), 63, 93; M. Lüke, Die Immunität staatlicher Funktionsträger, Diss. Berlin (Humboldt) 2000, 292 ff.; Nagel/
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit
X. Drittwirkung der Immunität 504 Soweit das Vermögen fremder Staaten dem Zugriff des Gerichtsstaates entzogen ist, ist dieses „persönliche Vorrecht“ des fremden Staates auch in Verfahren, an denen nur Dritte beteiligt sind, zu gewährleisten. So darf in einem Prozess zwischen Privaten die beklagte Partei durch das vom Kläger angerufene Gericht nicht zu einem Verhalten verpflichtet werden, das auf einen Eingriff in ein dingliches Recht eines auswärtigen Staates hinausläuft, vorausgesetzt, dem betreffenden Staat hätte Immunität eingeräumt werden müssen, wenn das Verfahren unmittelbar gegen ihn gerichtet worden wäre, Rz. 610. 505 Beispiel: Ein Privater klagt gegen eine Bank auf Herausgabe einer Sache, die von dieser für einen fremden Staat verwahrt wird. Gäbe das Gericht der Klage statt und würde das Urteil vollstreckt, so hätte dies zur Folge, dass der fremde Staat den mittelbaren Besitz an der Sache verlöre.300
XI. Verzicht auf Immunität 1. Überblick 506 Ein Staat kann auf seinen Immunitätsanspruch verzichten, Rz. 629. Der Verzicht hat heute nur noch im Hinblick auf acta iure imperii konstitutive Bedeutung.301 Verzichte, die sich auf den hoheitlichen Bereich beziehen, sind selten.302 Verzichte für acta iure gestionis haben nur klarstellende Bedeutung. Dadurch wird das deutsche Gericht der Qualifikationsfrage enthoben. Tritt der Staat als Kläger auf,303 so kann er sich im Erkenntnisverfahren nicht auf seine Immunität berufen (Rz. 634, 706);304 die Vollstreckungsimmunität bleibt jedoch unberührt (Rz. 631). Vorstehendes gilt auch für sonstige Immunitätsträger (Rz. 771, 780a).305 Der Verzicht kann auch konkludent erklärt werden, der Verzichtswille des betreffenden Staates muss aber klar und deutlich feststehen. Bloßes Schweigen genügt nicht, Rz. 516. Art. 2 des Europäischen Übereinkommens über die Staa-
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Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 2 Rz. 11 ff. Siehe auch Wilhelmi, Das Weltrechtsprinzip im internationalen Privat- und Strafrecht, Diss. Trier 2007, 247 ff. Damian a.a.O. 82. Z.B. BVerfG vom 6.12.2006, RIW 2007, 206, 209 Rz. 36 = NJW 2007, 2605 = IPRax 2007, 438 (von Hein 399) = IPRspr. 2006 Nr. 106. Anders (aber kaum noch vertretbar) Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 381, die unter Umständen auch für acta iure gestionis einen Immunitätsanspruch bejaht. Zur US-Praxis Born/Rutledge, International Civil Litigation in the United States Courts4, 2006, 324. Hierzu ausführlich Dormann Bessenich, Der ausländische Staat als Kläger, 1993. Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006, 193; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 396 ff. mit umfangreichen Nachweisen. BAG vom 19.6.1984, AP Nr. 1 zu Art. 72 ZA-NATO-Truppenstatut (Beitzke) = IPRspr. 1984 Nr. 125; BAG vom 30.11.1984, IPRspr. 1984 Nr. 126.
Befreiung tenimmunität (Rz. 666) und Art. 7 Ziffer 1 der VN-Konvention über Staatenimmunität 2004 (Rz. 571) regeln nur den ausdrücklichen Verzicht. Dass auch ein konkludenter Verzicht möglich ist, ergibt sich jedoch aus dem Gesamtzusammenhang und aus den Spezialvorschriften der jeweiligen Konvention.306 2. Einseitige Erklärung Der privilegierte Staat kann durch einseitige Erklärung seine Immunität auf- 507 geben, das Einverständnis des Forumstaates ist nicht erforderlich (einseitiges Gestaltungsgeschäft des Völkerrechts); dadurch wird die Gerichtsbarkeit des Forumstaates erweitert. Das Völkerrecht gebietet jedoch dem Gerichtsstaat nicht, die ihm dadurch zuwachsenden Befugnisse auch auszuüben, Rz. 521a. 3. Völkervertraglicher Verzicht Denkbar sind auch Immunitätsverzichte im Rahmen eines völkerrechtlichen Ver- 508 trages. Dann ist der verzichtende Staat nach näherer Maßgabe der Regeln der Wiener Konvention über das Recht der Verträge gebunden.307 In zahlreichen völkerrechtlichen Übereinkommen finden sich solche Verzichte.308 4. Zuständigkeit Zuständig zum einseitigen Verzicht ist nicht nur das jeweilige Außenministeri- 509 um, sondern auch dasjenige staatliche Organ, dem die Erledigung des vom Verzicht betroffenen Aufgabenbereichs übertragen ist. Danach ist jedes Regierungsmitglied für die Abgabe von Verzichtserklärungen in Angelegenheiten, die sein Ressort betreffen, zuständig. Darüber hinaus kann jede Person, die ermächtigt ist, im Namen des Staates Verträge zu schließen, hinsichtlich sämtlicher Streitigkeiten, die den von ihr begründeten vertraglichen Beziehungen entspringen, auf Immunität verzichten, Rz. 713. Auch die Prozessvollmacht bzw. die Vollmacht, die Interessen in einem gericht- 510 lichen Verfahren zu vertreten, schließt die Befugnis ein, alle verfahrensrechtlich relevanten Handlungen mit völkerrechtlicher Wirksamkeit – und damit auch die Unterwerfung unter die Jurisdiktion des Forumstaates – vorzunehmen, es sei denn, der vollmachterteilende Staat hat ausdrücklich eine entsprechende Einschränkung gemacht. Schließlich ist der Leiter der diplomatischen Mission im Gerichtsstaat berechtigt, im Namen des privilegierten Staates den Verzicht zu erklären, Rz. 791.
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5. Umfang des Verzichts Der verzichtende Staat kann den Verzicht auf einen individuellen Streitfall be- 512 schränken oder für einen sachlich abgegrenzten Bereich von Streitigkeiten auf 306 Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 383 ff. 307 BAG vom 10.11.1993, IPRax 1995, 33 (Seidl-Hohenveldern 14) = IPRspr. 1993 Nr. 133. 308 Vgl. auch Art. 2 Buchst. a EuÜStI, Rz. 714.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit Immunität verzichten, Rz. 646.309 Die Verzichtserklärung kann erga omnes gerichtet sein. Sie kann jedoch – wie das meist der Fall ist – nur eine Unterwerfung für einen bestimmten Staat, ja sogar nur für ein bestimmtes Gericht enthalten. 513 Ein Verzicht nur für den Fall des Obsiegens ist unzulässig. 6. Zeitpunkt 514 Der Verzicht kann sowohl vor als auch nach Entstehen der Streitigkeit oder während der Rechtshängigkeit erklärt werden.310 7. Form 515 Eine besondere Form ist nicht vorgeschrieben. Auch mündliche Verzichtserklärungen sind völkerrechtlich wirksam. 8. Schlüssiges Verhalten (implied waiver) 516 Ein rein passives Verhalten des fremden Staates (Schweigen nach Klagezustellung, Ausbleiben zu dem Termin etc.) kann nicht als Zustimmung zur Ausübung der Gerichtsbarkeit durch schlüssiges Verhalten gedeutet werden. Der verklagte Staat kann vielmehr darauf vertrauen, dass seine Immunität von Amts wegen beachtet wird, Rz. 629.311 9. Widerruflichkeit 517 Der Immunitätsverzicht ist nach Einleitung des gerichtlichen Verfahrens unwiderruflich.312 10. Immunitätsverzicht gegenüber Privaten 518 Der Immunitätsverzicht von Staaten gegenüber nichtstaatlichen Parteien spielt vor allem im internationalen Bankverkehr, bei Auslandsinvestitionen (in den Entwicklungsländern) und bei der Vermietung von Büros an fremde Missionen eine große praktische Rolle. Dass ein Immunitätsverzicht nur gegenüber einer staatlichen Stelle (Gericht) abgegeben werden könne, ist überholt. Art. 2 (b) (c) EuÜStI geht davon aus, dass ein solcher Immunitätsverzicht gegenüber Dritten
309 Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 409. 310 Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 409. 311 Vgl. Art. 15 EuÜStI, Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 40; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 410. 312 Vgl. Art. 3 I 1 EuÜStI, Damian a.a.O. 42.
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Befreiung erklärt werden kann, ebenso die Rechtsprechung vieler ausländischer Gerichte.313 Die Problematik steckt darin, dass die Immunität ein völkerrechtliches Privileg 519 ist, Private jedoch grundsätzlich keine Völkerrechtssubjekte sind. Die Verbindlichkeit eines gegenüber einem Privaten erklärten Immunitätsverzichts kann also völkerrechtlich nur als einseitiger, nicht empfangsbedürftiger Verzicht gedeutet werden, den der privilegierte Staat abgibt, ohne dass es zu seiner Wirksamkeit der Zustimmung des Privaten bedarf; es sei denn, man entschließt sich, hier von einem unechten völkerrechtlichen Vertrag oder beschränkt völkerrechtlichen Vertrag zu sprechen.314 Solche Verzichtserklärungen, die in der Regel im Rahmen vertraglicher Vereinbarungen abgegeben werden, beinhalten meist auch eine Zuständigkeitsvereinbarung, deren Wirksamkeit sich nach dem innerstaatlichen Recht einschließlich des Kollisionsrechts des prorogierten Gerichtsstaates (Rz. 1677) richtet.315 Vgl. Rz. 647.
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Eines ausdrücklichen Verzichts auf die Immunität bedarf es nicht. Ein Staat, 521 der mit einem Privaten auf der Ebene des Privatrechts, d.h. nicht auf der des Völkerrechts (Rz. 145),316 eine Gerichtsstands- oder eine Schiedsvereinbarung schließt, erklärt damit einen konkludenten Verzicht auf seine Immunität, Rz. 629, 752, 3854.317 In der Vereinbarung über das anwendbare Recht liegt jedoch nicht eine Unterwerfung unter die Gerichtsbarkeit des Staates, dessen Recht als lex contractus vereinbart ist, Rz. 716.318 Das Gleiche gilt für die Vereinbarung des Erfüllungsorts im Forumstaat.319 11. Justizgewährungsanspruch Der Verzicht auf die Immunität begründet keinen (bis dahin nicht existierenden) 521a völkerrechtlichen Anspruch des verzichtenden Staates gegen die Bundesrepublik Deutschland auf Justizgewährung für sich bzw. seine Amtsträger im Sinne eines Anspruchs auf ein Urteil in der Sache (z.B. kann ein Staat an der Abweisung der Klage als unbegründet durch die deutschen Gerichte interessiert 313 314 315 316
Nachweise bei Schaumann BerDGVR 8 (1968), 28. Damian a.a.O. 51; Herdegen RIW 1989, 332 Fußn. 34. Damian a.a.O. 52. Zum Schiedsverfahren zwischen Staaten und Privatpersonen Rensmann, Anationale Schiedssprüche – Eine Untersuchung zu den Wirkungen anationaler Schiedssprüche im nationalen Recht, 1997, 120, 201. Siehe auch die Nachweise zu den Verträgen zwischen Staaten und ausländischen Privatpersonen bei Müller/Wildhaber, Praxis des Völkerrechts3, 2001, 315. 317 Herdegen RIW 1989, 336 Fußn. 93; Berger RIW 1989, 957; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 385 ff., 395; Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 176, 180. Siehe auch Börner, Die Anerkennung ausländischer Titel in den arabischen Staaten, 1996, 263. 318 Damian a.a.O. 55; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 407. 319 Kren Kostkiewicz a.a.O. 408.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit sein).320 Der Justizgewährungsanspruch richtet sich nach anderen Kriterien, Rz. 1909. 12. Verzicht auf Vollstreckungsimmunität 521b Der Vollstreckungszugriff auf Vermögen fremder Staaten mit hoheitlichem Verwendungszweck ist grundsätzlich von Völkerrechts wegen verboten, Rz. 590, es sei denn, der betroffene Staat verzichtet auf seine Vollstreckungsimmunität, Rz. 605, 631. Besonders weit reicht der Schutz des Diplomatenrechts und des gesamten Botschafts- bzw. Gesandschaftskomplexes. So berechtigt ein pauschal erklärter Immunitätsverzicht (z.B. aus Anlass der Begebung einer Anleihe [Rz. 583]) nicht auch zur Vollstreckung in solche Vermögensgegenstände, die dem Schuldner-Staat (Entsendestaat) zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit seiner diplomatischen Mission im Vollstreckungsstaat (Empfangsstaat) dienen.321
XII. Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes 522 Stellungnahmen des Auswärtigen Amtes sind empfehlenswert, weil angesichts der besonderen Sachkunde dieses Bundesministeriums besonders nützlich. Sie sind aber für die Gerichte nicht verbindlich, Rz. 272.322 Darüber, ob in concreto eine Befreiung von der Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland gegeben, also ein Immunitätstatbestand verwirklicht ist, entscheiden letztlich die Gerichte, allen voran das Bundesverfassungsgericht (Art. 100 II GG). Dieses deutsche Verständnis von (radikaler) Gewaltenteilung (Rz. 272) und Vorrang der Judikative vor den Prärogativen der Regierung, der die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten zusteht (Art. 32 I GG), ist in anderen Staaten mit gleich hoher Rechtskultur nicht vermittelbar. So werden im Vereinigten Königreich völkerrechtlich erhebliche Umstände – für die Gerichte bindend – durch ein Zeugnis (certificate) des Foreign Office festgestellt, sec 21 StIA; denn „our State cannot speak with two voices on such a matter“, bemerkte treffend Lord Atkin.323
320 Schaumann BerDGVR 8 (1968), 28; Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006, 306; Dutta, Vollstreckung in öffentlichrechtliche Forderungen ausländischer Staaten, IPRax 2007, 109, 117. 321 BVerfG vom 6.12.2006, RIW 2007, 206, 209 Rz. 40 ff. = NJW 2007, 2605 = IPRax 2007, 438 (von Hein 399) = IPRspr. 2006 Nr. 106. 322 R. Geimer ZfRV 1992, 414; Kilgus RIW 1997, 14; für „faktische Bindung“ Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 192 ff. 323 Im Fall The Arantzazu Mendi (1939) A.C. 264. Ähnlich ist die Rechtslage in den USA, Dahm/Delbrück/Wolfrum,Völkerrecht2 I 1, 1989, 284 (§ 36 III); Schaumann, BerDGVR 8 (1968), 10, 26.
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Befreiung Unverbindlich sind erst recht Stellungnahmen und Rechtsgutachten der Außenministerien fremder Staaten.324
522a
XIII. Feststellungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts Bestehen ernsthafte Zweifel, ob ein Immunitätstatbestand vorliegt und deshalb 523 die Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland nicht gegeben ist, so hat das Gericht die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, Art. 100 II GG.325 Dieses entscheidet (innerstaatlich) verbindlich, Rz. 280. Unterlässt das Gericht entgegen Art. 100 II GG die Vorlage, so kann die Verfassungsbeschwerde begründet sein, Rz. 278.
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XIV. Gerichtsbarkeit als Prozessvoraussetzung – Prüfung von Amts wegen Das Vorliegen der deutschen Gerichtsbarkeit in dem jeweiligen konkreten Ver- 525 fahren ist eine allgemeine Prozessvoraussetzung.326 Sie ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen, Rz. 843c.327 Gegen die eximierte Partei darf – soweit die Befreiung von der inländischen Gerichtsbarkeit reicht – nach herrschender Meinung328 keine Zustellung, Ladung, Terminsanberaumung, Streitverkündung,329 kein Urteil, Beschluss, Mahn- oder Vollstreckungsbescheid ergehen.330 Dieser Standpunkt ist weder völkerrechtlich geboten, noch mit dem Justizgewährungsanspruch des Klägers vereinbar. Daher sind Zustellung der Klage, Ladung und Terminsanberaumung zulässig, Rz. 479.331 Auch hat der beklagte Staat bzw. der sonstige Immunitätsträger de facto auf innerstaatlicher Ebene332 die prozessuale Last, sich gegen (Versäumnis-)Urteile oder sonstige Entscheidungen zur Wehr zu setzen, will er nicht riskieren, dass
324 BayObLG vom 5.11.1991, VRS 82 (1992), 212 = MDR 1992, 510 = IPRspr. 1991 Nr. 164; BVerfG vom 8.5.2007, IPRax 2008, 427 (Stadler 405, 407). 325 Beispiel: BVerfG vom 10.6.1997, BVerfGE 96, 68 = NJW 1998, 50. 326 Walther J. Habscheid BerDGVR 8 (1968), 217; R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 64; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 380, 479 ff. 327 Zustimmend Hausmann in Festschrift Geimer, 2002, 291 mit weiteren Nachweisen. 328 Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Vorbem §§ 606a, 328 ZPO Rz. 26. 329 RG vom 20.5.1930, RGZ 129, 98, 106. 330 Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, 1985, 25. 331 LG Hamburg vom 10.4.1986, NJW 1986, 3034; Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 201. Zur französischen Praxis Batiffol/Lagarde, Droit international privé, tome I8, 1993, Nr. 694. Siehe auch Voit in Festschrift Musielak, 2004, 595, 600. 332 Zur völkerrechtlichen Ebene siehe unten Rz. 843d.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit eine (ihm nachteilige) Entscheidung, die seine Immunität ignoriert, innerstaatlich unanfechtbar und damit wirksam wird bzw. bleibt. Beispiel: Das LG und das OLG verurteilen einen fremden Staat zur Zahlung, jedoch nur in Höhe eines Teils des geltend gemachten Anspruchs; im Übrigen wird die Klage als unbegründet abgewiesen. Nur der Kläger legt Revision ein; damit wird das vom OLG bestätigte LG-Urteil hinsichtlich des zugesprochenen Teils rechtskräftig, Rz. 530. Der BGH darf es nicht aufheben, auch wenn er – im Gegensatz zu den Vorinstanzen – hoheitliches Handeln bejaht und daher die Klage – soweit sie Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist – als unzulässig abweist.333
XV. Beweislast 527 Der Satz, dass der Mangel der Gerichtsbarkeit in jedem Stadium des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen ist,334 bedeutet nicht, dass es keine Beweislastverteilung im Fall eines non liquet gibt. Die Immunität einzelner Beklagter ist eine Ausnahme vom Grundsatz der unbeschränkten Gerichtsbarkeit. Deshalb trifft den Beklagten die Beweislast für die Behauptung, er sei der deutschen Gerichtsbarkeit nicht unterworfen. Bei einem non liquet ist die Gerichtsbarkeit zu bejahen: In dubio pro jurisdictione, non pro immunitate. So trifft ausländische Staaten die objektive Beweislast dafür, dass es sich um hoheitliches Handeln (iure imperii) handelt.335
XVI. Prozessabweisung 527a Kommt das deutsche Gericht zu dem Schluss, dass die Gerichtsbarkeit Deutschlands nicht gegeben ist, so ist nicht etwa das Verfahren „einzustellen“. Vielmehr ist die Klage durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen bzw. der Antrag als unzulässig zurückzuweisen. Dies gilt auch dann, wenn die Klage bzw. der Antrag unbegründet ist, Rz. 492, obwohl die Sachabweisung (mit materieller Rechtskraft) für den Immunitätsträger vorteilhafter wäre.336
333 Anders die herrschende Meinung (Rz. 528), Nachweise bei Wieczorek/Rössler, ZPO2, 1988, § 559 B IIc 1. 334 BVerfG vom 13.12.1977, BVerfGE 46, 342 = NJW 1978, 485 (Bleckmann 1092) = ZaöRV 38 (1978), 245 = RIW 1978, 122 (Seidl-Hohenveldern) = IPRspr. 1977 Nr. 117. 335 Walter RIW 1984, 12; von Schönfeld NJW 1986, 2980; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 160; Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 118. Anders Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 333; Heß bereits RIW 1989, 259 Fußn. 102 unter Hinweis auf Art. 6 des ILC-Entwurfs, wonach die Staatenimmunität von Amts wegen zu prüfen ist. Differenzierend Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 503 ff. 336 Zu zaghaft aber wohl BAG vom 12.2.1985, BAGE 48, 82 = IPRspr. 1985 Nr. 128, wo Prozessabweisung nur als Bescheid an den Kläger/Antragsteller gesehen wird, nicht aber auch als Entscheidung mit Wirkung gegen den fremden Staat/Immunitätsträger.
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Befreiung
XVII. Innerstaatliche Wirksamkeit einer das Immunitätsrecht verletzenden deutschen Entscheidung Ergeht trotz Fehlens der deutschen Gerichtsbarkeit eine (Sach-)Entscheidung, so 528 ist diese nach herrschender Meinung337 nichtig; eine Heilung ist ausgeschlossen.338 Die herrschende Meinung führt dazu, dass die Frage, ob eine Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit in concreto gegeben ist oder nicht, nie abschließend und verbindlich geklärt werden kann, auch wenn das Gericht die deutsche Gerichtsbarkeit ausdrücklich bejaht hat, sei es in den Gründen des Urteils oder in einem Zwischenurteil.339 Dies ist mit den Forderungen der Rechtssicherheit unvereinbar.340 Der Einwand 529 der Unwirksamkeit eines unanfechtbaren Urteils wegen Überschreitung der Grenzen der deutschen Gerichtsbarkeit muss jedenfalls dann ausgeschlossen sein, wenn das Gericht die deutsche Gerichtsbarkeit ausdrücklich bejaht hat.341 Noch weiter geht Walther J. Habscheid342; er betrachtet den Mangel der deutschen Gerichtsbarkeit in jedem Fall durch Eintritt der Unanfechtbarkeit mit ordentlichen Rechtsmitteln als geheilt.343
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Weder die Staatsanwaltschaft noch das Auswärtige Amt haben nach herrschen- 531 der Meinung Rechtsmittelbefugnis, wohl aber der betroffene fremde Staat. Nach der hier vertretenen Auffassung sind aber auch der Bundespräsident und das Auswärtige Amt rechtsmittelbefugt, Rz. 218. 337 Allerdings lässt der BGH diese Frage offen, BGH vom 28.5.2003, NJW-RR 2003, 1218 = WM 2003, 1388 = IPRspr. 2003 Nr. 115; hierzu R. Geimer LMK 2003, 174; R. Geimer, Los Desastres de la Guerra und das Brüssel I-System, IPRax 2008, 225. 338 Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, 1985, 25; Dormann Bessenich, Der ausländische Staat als Kläger, 1993, 35; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 2 Rz. 41; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 112, 513. Siehe auch OLG Frankfurt vom 6.2.1996, NJW-RR 1996, 1200 = WiB 1996, 902 (Pape) = IPRspr. 1996 Nr. 132. 339 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 161. Zur Rechtslage in Österreich (Nichtigerklärung durch den Obersten Gerichtshof gemäß § 42 II JN) Rechberger/ Simotta, Grundriss des österreichischen Zivilprozessrechts – Erkenntnisverfahren7, 2008, Rz. 63/1. 340 So nun auch im Ergebnis Matthias Weller, Völkerrechtliche Grenzen der Zwangsvollstreckung – vom Botschaftskonto zur Kunstleihgabe Rpfleger 2006, 364, 365. 341 Jauernig, Das fehlerhafte Zivilurteil, 1958, 163; R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 70 Fußn. 26. Zustimmend nun auch Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 515 sowie Hausmann in Festschrift Geimer, 2002, 290 Fußn. 8. Sympathien auch bei Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Vorbem §§ 606a, 328 ZPO Rz. 28. 342 Walther J. Habscheid BerDGVR 8 (1968), 239. 343 Ebenso Schlosser ZZP 79 (1966), 168; Kralik ZZP 74 (1961), 23 f.; Strebel RabelsZ 44 (1980), 70; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 389 Fußn. 469. Nachweise auch bei Walchshöfer ZZP 80 (1967), 171 Fußn. 23 und Riezler, Internationales Zivilprozeßrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 361 ff.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit 532 Trotz Nichtigkeit (Wirkungslosigkeit) haben die Rechtsmittelgerichte aber auch nach herrschender Meinung (Rz. 528) ein Urteil aufzuheben, welches die Grenzen der deutschen Gerichtsbarkeit überschreitet.
XVIII. Versagung der Anerkennung eines ausländischen Urteils bei Überschreitung der Gerichtsbarkeit des Urteilsstaates 533 Überschreitet der Urteilsstaat die Grenzen seiner Gerichtsbarkeit, erlässt er also durch seine Gerichte ein Urteil gegen einen von seiner Gerichtsbarkeit Befreiten oder lässt er seine Gerichte außerhalb seines Territoriums344 tätig werden, so kommt es zunächst darauf an, welche Wirkungen ein solches Urteil nach dem Recht des Urteilsstaates hat. Ist das unter Überschreitung der Gerichtsbarkeit ergangene Urteil nach dem Recht des Urteilsstaates nichtig, so scheidet die Anerkennung schon deswegen aus, weil Voraussetzung für die Anerkennung ein nach dem Recht des Urteilsstaates wirksames Urteil ist, Rz. 2889. 534 Ist jedoch das unter Überschreitung der Grenzen der Gerichtsbarkeit des Urteilsstaates ergangene Urteil nach dem Recht des Urteilsstaates wirksam, entfaltet es also im Urteilsstaat Wirkungen, so stellt sich die Frage, ob es im Inland anzuerkennen ist oder nicht. Diese Frage ist nur in Art. III Abs. 1 Buchst. c Nr. 3 des deutsch-britischen Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommens vom 14.7.1960345 ausdrücklich verneint. Im übrigen Vertragsrecht und im autonomen Recht fehlt es an ausdrücklichen Stellungnahmen.346 Auch ohne geschriebene Norm ist einem ausländischen Urteil dann die Anerkennung zu versagen, wenn dieses unter Überschreitung der Grenzen der Gerichtsbarkeit des Urteilsstaates ergangen ist. Dies liegt zunächst dann auf der Hand, wenn eine zugunsten der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Organe bestehende Immunität nicht beachtet worden ist.347 535 Aber auch dann ist einem ausländischen Urteil die Anerkennung zu versagen, wenn der Urteilsstaat seine Gerichtsbarkeit zu Lasten eines dritten Staates oder dessen Organs überschritten hat, Rz. 2894. Das Völkerrecht verbietet allen anderen Staaten, ein Urteil anzuerkennen, das unter Verletzung der völkerrechtlichen Normen über die Gerichtsbarkeit der Staaten ergangen ist. Ein Staat, der ein völkerrechtswidriges ausländisches Urteil anerkennt, handelt selbst völker-
344 Vgl. oben Rz. 120. 345 BGBl. 1961 II 301. 346 Siehe aber den Vorbehalt zugunsten diplomatischer Immunitäten im Erwägungsgrund 14 EuEheVO (Rz. 245c). 347 R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 63 Fußn. 1; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1488; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 566; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 169; Börner, Die Anerkennung ausländischer Titel in den arabischen Staaten, 1996, 155; Matscher IPRax 2001, 428, 434 Fußn. 47; OLG Frankfurt vom 21.10.1980, IPRax 1982, 71 (Hausmann 51) = RIW 1980, 875 = MDR 1981, 237 = ZIP 1980, 1144 = IPRspr. 1980 Nr. 160.
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Befreiung rechtswidrig.348 Eine Ausnahme lässt das Völkerrecht zu, wenn der Staat, dessen Immunität bzw. dessen Amtsträgers Immunität verletzt wurde, den Völkerrechtsverstoß pardoniert. Dies ist eine nachträgliche Unterwerfung unter die Gerichtsbarkeit des Erststaates.349 Dieser sich aus völkerrechtlichen Erwägungen ergebende (gem. Art. 25 S. 1 GG 536 in das innerstaatliche Recht transformierte) Versagungsgrund gilt gleichermaßen für das autonome Recht (§ 328 ZPO; § 109 FamFG) wie für das Vertragsrecht und das europäische Gemeinschaftsrecht. Dies ist für den Bereich des deutsch-britischen Abkommens vom 14.7.1960350 problemlos, da der genannte Versagungsgrund im Text des Abkommens ausdrücklich aufgeführt ist351. Aber auch für die übrigen Verträge, die eine solche ausdrückliche Bestimmung nicht kennen, gilt nichts anderes. Bei Fehlen der Gerichtsbarkeit des Urteilsstaates besteht trotz der völkerrechtlichen Vereinbarung keine Verpflichtung zur Anerkennung. Denn die Vertragsstaaten wollen und können sich über das völkerrechtliche Verbot der Anerkennung völkerrechtswidriger Urteile nicht hinwegsetzen. Dies gilt insbesondere für das EuGVÜ/LugÜ352 sowie im Ergebnis auch für das Anerkennungsregime der EuGVVO trotz Art. 35 III EuGVVO.353 Etwas Anderes kann man aber im völkerrechtlichen Schrifttum lesen: Es bestehe keine völkerrechtliche Pflicht, völkerrechtswidrige fremde Hoheitsakte nicht zu beachten („als nichtig zu betrachten“). Diskutiert werden allerdings nicht Immunitätsverletzungen, sondern die Pflicht zur Restitution völkerrechtswidriger Enteignungen;354 vgl. auch Rz. 264a. 348 BVerfGE 75, 119; BVerfG vom 21.5.1987, NJW 1988, 1462; R. Geimer ZfRV 1992, 332; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 7; im Ergebnis zustimmend Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 516, 527. 349 R. Geimer RIW 1975, 84 bei Fußn. 33; R. Geimer RIW 1976, 146. 350 BGBl. 1961 II 301. 351 Art. III Abs. 1 Buchst. c Nr. 3. Das Abkommen wird verdrängt nach Maßgabe von Art. 55 EuGVÜ bzw. Art. 69 EuGVVO. 352 R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 63 ff.; R. Geimer RIW 1976. 146 sowie in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1487; R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 34 EuGVVO Rz. 6. 353 R. Geimer LMK 2003, 215; R. Geimer, Los Desastres de la Guerra und das Brüssel ISystem, IPRax 2008, 225. 354 OLG Bremen vom 21.8.1959, AWD 1959, 207 = ArchVR 9 (1961/62), 318 = AWD 1959, 207 (Seidl-Hohenveldern) = IPRspr. 1958–1959 Nr. 7A (746); LG Hamburg vom 22.1.1973, AWD 1973, 163 = RabelsZ 37 (1973), 579 = IPRspr. 1973 Nr. 112b; LG Hamburg vom 13.3.1974, AWD 1974, 410 (Meessen 494; Seidl-Hohenveldern 421) = IPRspr. 1974 Nr. 135 zum chilenischen Kupfer-Fall. Der in Chile enteignete frühere Eigentümer verlangt die Ladung Kupfer aus „seinem“ Bergwerk mit der rei vindicatio von dem Reeder des Schiffes, das in einem deutschen Hafen festgemacht hat, heraus. Nachweise bei R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 77 Rn. 50; Verdross/ Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 1179. Differenzierend Wengler, Internatio-
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit 538 Klar davon zu unterscheiden ist die Frage, ob innerstaatlich – trotz Fehlens einer völkerrechtlichen Pflicht zur Verweigerung der Anerkennung – der anerkennungsrechtliche ordre public (Rz. 26) einzusetzen ist.355
XIX. Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Urteile zu Lasten eines ausländischen Staates oder sonstigen Immunitätsträgers 1. Überblick 539 Bei dieser Hypothese hatte der Urteilsstaat Gerichtsbarkeit, sei es, dass die eigenen Gerichte den eigenen Staat bzw. den eigenen Diplomaten verurteilt haben (Beispiel: Die Republik Österreich bzw. der österreichische Botschafter in Berlin werden in einer Zivilsache vom Landesgericht Wien zur Vertragserfüllung oder zu Schadensersatz verurteilt), oder der (dritte) Urteilsstaat Gerichtsbarkeit hatte, weil der Beklagte in concreto keinen Immunitätsanspruch hatte (z.B. actum iure gestionis), oder er darauf wirksam verzichtet hatte. 2. Zulässigkeit der Erstreckung der Wirkungen des ausländischen (anerkennungsfähigen) Urteils kraft Gesetzes ohne Durchführung eines Anerkennungsverfahrens 540 Der Anerkennung der Rechtskraft, der Gestaltungs-, Streitverkündungs- und Interventionswirkung kraft Gesetzes steht der Mangel der inländischen Gerichtsbarkeit nicht entgegen.356 So wird z.B. die Anerkennung eines schweizerischen Ehescheidungsurteils, das die Ehe des in Berlin akkreditierten eidgenössischen Botschafters scheidet, durch dessen Immunität nicht gehindert. Soweit ein Feststellungsverfahren nach § 107 FamFG (früher Art. 7 § 1 FamRÄndG, Rz. 3015)
nales Privatrecht in RGR-Kommentar12, VI, 1981, § 3e S. 24 u. 651. Generell verneinen Verdross/Simma a.a.O. § 1182 eine völkerrechtliche Pflicht, völkerrechtswidrige fremde Hoheitsakte als nichtig zu beachten. Die Frage lässt Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 186 offen. Vice versa siehe den Helms-Burton-Act (Cuban Liberty and Democratic Solidarity Act of 1996, Pub. L. No. 104–114, 110 Stat. 785 = ILM 35 [1996], 357), der allen von der kubanischen Regierung nach dem 1.1.1959 enteigneten US-Bürgern einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch einräumt gegen solche Privatpersonen, die mit dem konfiszierten Eigentum Handel treiben, auch wenn dieses „trafficking“ zwischen Drittstaatsangehörigen auf Drittstaatenterritorien stattfindet. Hierzu Kress/Herbst RIW 1997, 630, und Reinmuth, Das US-Embargo gegen Kuba und internationales Recht, 2001, mit weiteren Nachweisen. 355 Hierfür Stiefel/Stürner VersR 1987, 830; Frankenstein, Internationales Privatrecht I, 1926, 221 (passim); dagegen mangels Inlandsbezuges Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 56. – Zur verfassungsrechtlichen Perspektive R. Geimer ZfRV 1992, 333. 356 Matscher JBl. 1963, 295.
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Befreiung notwendig ist, steht dessen Durchführung allerdings die Immunität entgegen,357 Rz. 3032. Insoweit entfällt das Anerkennungsverfahren nach § 107 FamFG mit der Folge, 541 dass kraft Gesetzes anzuerkennen ist.358 Nach Art. III Abs. 1 Buchst. c Nr. 4 des deutsch-britischen Abkommens vom 14.7.1960359 wird eine Entscheidung eines Gerichts des Vertragspartners nicht anerkannt, wenn „die Entscheidung gegen eine Person geltend gemacht wird, die nach dem Völkerrecht der Gerichtsbarkeit des Anerkennungsstaates nicht unterliegt“. Da aber nach dem deutschen autonomen Recht die Anerkennung nicht verweigert werden kann, steht diese Vertragsbestimmung einer Anerkennung von britischen Urteilen in Deutschland nicht entgegen.360 Sie hat mithin nur Bedeutung für die Verweigerung der Vollstreckbarerklärung.361 Eine andere (selbständig zu prüfende) Frage ist, ob für das Verfahren, in dem die 542 (Vor-)Frage der Anerkennung des ausländischen Urteils auftaucht, die Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland gegeben ist. 3. Unzulässigkeit der Durchführung eines Anerkennungs- oder Vollstreckbarerklärungsverfahrens Die Durchführung eines Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahrens 543 setzt die Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland voraus.362 Fraglich ist jedoch, ob die Voraussetzungen für ein Erkenntnisverfahren (Rz. 578) erforderlich sind oder ob es insoweit nur um eine Frage der Vollstreckungsimmunität (Rz. 588, 768, 816) geht. Anzuwenden sind die Regeln für Erkenntnisverfahren.363 Die Unterwerfung für das ausländische Erkenntnisverfahren gilt nicht automatisch für das Vollstreckungsverfahren und auch nicht – als dessen Vorstufe – für das Vollstreckbarerklärungsverfahren. Ein Anerkennungsverfahren bzw. Vollstreckbarerklärungs357 Morelli, Studi di diritto processuale civile internazionale, 1961, 281 für das (frühere) italienische Delibationsverfahren und Niboyet, Traité de droit international privé francais VI 2, 1949/50, Nr. 1915 S. 24 f. für das französische Exequaturverfahren; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 328 Rz. 333. Anderer Auffassung noch R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 66 Fußn. 7 sowie neuerdings Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 184. 358 Zustimmend Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 7 § 1 FamRÄnG Rz. 144. 359 BGBl. 1961 II 302. Dieses Abkommen ist von Bedeutung nur noch außerhalb des Anwendungsbereichs der Anerkennungsregimes der Brüssel I und II-Systeme und der sonstigen europäischen Rechtsakte (Rz. 245c). 360 Art. II Abs. 3 des Abkommens. 361 Wie hier auch Beitzke in Festschrift Nipperdey, 1965, 869 Fußn. 62. 362 Zustimmend Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 7 § 1 Fam RÄnG Rz. 144. 363 Zustimmend OLG Köln vom 12.1.2004, OLGR 2006, 222 = IPRspr. 2004 Nr. 155; Rensmann, Anationale Schiedssprüche – Eine Untersuchung zu den Wirkungen anationaler Schiedssprüche im nationalen Recht, 1997, 266.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit verfahren ist mithin zulässig, wenn die deutsche Gerichtsbarkeit zu bejahen wäre, würde der tatsächlich im Ausland entschiedene Rechtsstreit im inländischen Erkenntnisverfahren anhängig gemacht werden.364 Eine Bindung an die tatsächlichen Feststellungen und die Rechtsmeinung des drittstaatlichen Gerichts zur Immunitätsfrage besteht für den deutschen Richter nicht.365 545 Zu beachten ist aber, dass Diplomaten und Konsuln nur im Empfangsstaat Immunität beanspruchen können, so dass die Immunitätsfrage nur im ausländischen Erkenntnisverfahren und als Anerkennungsvoraussetzung im Inland (Rz. 533) eine Rolle spielt, aber nicht für die Zulässigkeit des deutschen Anerkennungs- bzw. Exequaturverfahrens, wenn Deutschland nicht Empfangsstaat ist, Rz. 799. 4. Feststellungsverfahren nach Art. 21 des Europäischen Übereinkommens über die Staatenimmunität 546 Ist gegen einen Vertragsstaat eine Entscheidung ergangen und erfüllt er sie oder einen gerichtlichen Vergleich (Art. 22) nicht, so kann die Partei, die sich auf die Entscheidung beruft, von dem zuständigen Gericht dieses Staates (in Deutschland: LG Berlin, Art. 2 deutsches ZustimmungsG, Rz. 972) eine Feststellung darüber verlangen, ob die Entscheidung nach Art. 20 erfüllt werden muss. Für diese Feststellung ist kein vereinfachtes Beschlussverfahren vorgesehen; es kommen vielmehr die Vorschriften der Zivilprozessordnung mit den sich aus dem Übereinkommen ergebenden Besonderheiten366 zur Anwendung. Erforderlich ist also eine Klage im streitigen Verfahren.367 Das gegen die Bundesrepublik Deutschland bzw. das betreffende deutsche Bundesland ergehende Urteil ist mithin keine Vollstreckbarerklärung im Sinne des § 722 ZPO (Rz. 3155). Das Übereinkommen beruht auf dem Gedanken der freiwilligen Erfüllung und sieht keine Zwangsmaßnahmen vor, sondern nur ein Feststellungsverfahren, Rz. 692. 547 Vorbehaltlich des Art. 20 darf das Gericht des betreffenden Staates die Entscheidung in der Sache selbst nicht nachprüfen (Verbot der révision au fond). Das Gericht prüft nur die in Art. 20 aufgestellten Anerkennungsvoraussetzungen (Rz. 695 ff.). Es handelt sich um ein Feststellungsverfahren im eigenen Staat, Art. 21. Eine Vollstreckung im Urteilsstaat oder in einem dritten Staat ist nach dem Konzept der Konvention verboten, Art. 23. Ausnahme Art. 26. Näher Rz. 692.
364 So wohl auch Herdegen RIW 1989, 336 Fußn. 96. 365 Zur Staatenimmunität im Vollstreckbarerklärungsverfahren für (ausländische) Schiedssprüche Rensmann, Anationale Schiedssprüche – Eine Untersuchung zu den Wirkungen anationaler Schiedssprüche im nationalen Recht, 1997, 267. 366 Art. 21 II und III des deutschen Zustimmungsgesetzes. 367 Art. 2 II des deutschen Zustimmungsgesetzes.
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Befreiung Für das Feststellungsverfahren schreibt Art. 21 III einen verfahrensrechtlichen Mindeststandard vor:
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a) den Parteien ist rechtliches Gehör zu gewähren; b) von der Partei, die sich auf die Entscheidung beruft, darf wegen ihrer Staatsangehörigkeit, ihres Wohnsitzes oder ihres Aufenthalts weder eine Sicherheitsleistung noch eine Hinterlegung, unter welcher Bezeichnung es auch sei, verlangt werden; c) die Partei, die sich auf die Entscheidung beruft, erhält Prozesskostenhilfe unter Bedingungen, die mindestens ebenso günstig sind wie diejenigen, die für eigene Staatsangehörige mit Wohnsitz oder Aufenthalt in diesem Staat gelten. Nach dem Zusatzprotokoll zum Europäischen Übereinkommen über die Staaten- 549 immunität kann die Feststellungsklage vor dem Europäischen Gericht für Staatenimmunität368 erhoben werden.369 Dieses wurde von Deutschland nicht ratifiziert.370 5. Anerkennungs- bzw. Vollstreckbarerklärungsvoraussetzungen Sieht man von dem Erfordernis der Gerichtsbarkeit des Urteilsstaates ab, so gelten für die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Entscheidungen, die gegen einen ausländischen Staat oder sonstige Immunitätsträger ergangen sind, die gleichen Regeln wie für sonstige (gegen Private erlassene) Urteile. Der verurteilte Staat bzw. Diplomat kann sich z.B. darauf berufen, dass der Urteilsstaat – aus deutscher Sicht – international unzuständig war oder dass das ausländische Verfahren oder der Inhalt der zur Anerkennung anstehenden ausländischen Entscheidung mit dem deutschen ordre public unvereinbar sei.
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Dies gilt auch dann, wenn es um die Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung eines „eigenen“ Urteils geht, wenn also der Staat bzw. der Diplomat etc. von seinen eigenen Gerichten verurteilt worden ist. So wäre es zwar pikant, aber anerkennungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn sich der verurteilte Staat gegen die Anerkennung der Entscheidung seiner eigenen Gerichte mit der Begründung wendet, diese hätten ihm das rechtliche Gehör verweigert.
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368 Diesem gehören die Mitglieder des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte an, Art. 4 II Zusatzprotokoll. 369 Art. 1 I Zusatzprotokoll. 370 Hierzu Bundestagsdrucksache 11/4307 S. 31.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit
XX. Abgrenzungsfragen 1. Verhältnis zur ausschließlichen Zuständigkeit des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) bzw. des Europäischen Gerichts erster Instanz 552 Die deutsche Gerichtsbarkeit fehlt, soweit der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) bzw. das Europäische Gericht erster Instanz ausschließlich zuständig ist, Rz. 246a.371 2. Völkerrechtliche Verträge über die internationale Entscheidungszuständigkeit 553 Völkerrechtliche Verträge, welche die internationale Entscheidungszuständigkeit normieren,372 sind streng zu trennen von den Kodifikationen über die Immunitäten und sonstigen Befreiungen von der Gerichtsbarkeit. Sie haben einen anderen Regelungsgegenstand: Bei den Befreiungen von der Gerichtsbarkeit stehen unmittelbare Staatsinteressen (Souveränität) auf dem Spiel. Die Verträge über die internationale Zuständigkeit versuchen, sachgerechte Kriterien für die Verteilung der Rechtsprechungsaufgaben unter den Staaten aufzustellen. Im Vordergrund stehen hier nicht unmittelbare Staatsinteressen; es geht vielmehr um eine gerechte Bewertung und Gewichtung der Zuständigkeitsinteressen der Parteien: einerseits des Justizgewährungsinteresses des Klägers und andererseits des Interesses des Beklagten, vor unzumutbaren Foren geschützt zu werden (Beklagtenschutz). 554 Die praktische Bedeutung dieser Unterscheidung liegt in Folgendem: Das völkerrechtliche Verbot der Anerkennung (Rz. 533) gilt nicht, wenn ein Gericht seine internationale Zuständigkeit bejaht hat, obwohl es sich nach dem einschlägigen Vertrag über die internationale Zuständigkeit hätte für unzuständig erklären müssen.373
XXI. Beurkundung eines Prozessvergleichs 554a Das mit der Klage befasste deutsche Gericht darf auf Gebieten, in denen die Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland fehlt, einen Prozessvergleich (Rz. 370d) beurkunden. Dies ist unbedenklich zulässig hinsichtlich der prozessbeendenden Wirkung (ansonsten wäre Prozessabweisung wegen fehlender Gerichtsbarkeit erfolgt), aber auch nicht problematisch im Hinblick auf die Voll-
371 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht16, 2004, § 18 Rz. 17. 372 Rz. 1877, 1887. 373 Vgl. z.B. Art. 28 III 2 EuGVÜ, Art. 28 IV 2 LugÜ bzw. Art. 35 III 2 EuGVVO, wonach sogar die Nachprüfung der internationalen Zuständigkeit verboten ist (Ausnahme: Art. 28 I EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 35 I der genannten Verordnung).
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Staatenimmunität streckbarkeit (§ 794 I Nr. 1 ZPO), weil der Abschluss des Prozessvergleichs nicht auch die Zustimmung zur Zwangsvollstreckung umfasst.374
3. Kapitel: Staatenimmunität Literatur: Albert, Völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten gegen Gerichtszwang, Diss. Berlin 1984; Appelbaum, Einschränkungen der Staatenimmunität in Fällen schwerer Menschenrechtsverletzungen – Klagen von Bürgern gegen einen fremden Staat oder ausländische staatliche Funktionsträger vor nationalen Gerichten, 2007; Bankas, The State Immunity Controversy in International Law: Private Suits Against Sovereign States in Domestic Courts, 2005; Bobrik, Die Bedeutung der Exterritorialität der Gesandten für den Zivilprozess, 1934; Caflisch, Immunité des États et droits de l’homme: Evolution récente, in Festschrift Ress, 2005, 935; Chamlongrasdr, Foreign State Immunity and Arbitration, 2005; Cremer, Entschädigungsklagen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen und Staatenimmunität vor nationaler Zivilgerichtsbarkeit, ArchVR 41 (2003), 137; Dörr, Staatliche Immunität auf dem Rückzug?, ArchVR 41 (2003), 201; Dutta, Amtshaftung wegen Völkerrechtsverstößen bei bewaffneten Auslandseinsätzen deutscher Streitkräfte, AöR 133 (2008), 191, 196; Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, 1985; Esser, Klagen gegen ausländische Staaten, Diss. Regensburg 1990; Garnett, The Defence of State Immunity for Acts of Torture, Australian YbIL 18 (1997), 97; Fox, The Law State Immunity2, 2008; von Hein, Voraussetzungen und Umfang des Immunitätsverzichts in Staatsanleihen, IPRax 2007, 399; Jitsukawa, Zum Prinzip der souveränen Immunität in Japan – Annahme der beschränkten Immunität?, in Festschrift Yamauchi, 2006, 147; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998; Kreß, Der Internationale Gerichtshof im Spannungsfeld von Völkerstrafrecht und Immunitätsschutz, GA 2003, 25; M. Lüke, Die Immunität staatlicher Funktionsträger, 2000; Malina, Die völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren, Diss. Marburg 1978; Meierhöfer, Der EGMR als „Modernisierer“ des Völkerrechts? Staatenimmunität und ius cogens auf dem Prüfstand, EuGRZ 2002, 391; Paulus, Die internationale Gemeinschaft im Völkerrecht, 2001, 270 ff.; Salmon, Manuel de Droit Diplomatique, 1994; Seidl-Hohenveldern/Hummer in Neuhold/Hummer/ Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd I Rz. 864 ff.; Sucharitkul, Immunities of Foreign States before National Authorities, RdC 149 (1976-I), 85; Sucharitkul, L’immunité de juridiction et d’exécution des Etats. A propos du projet de Convention du Conseil de l’ Europe. Actes du Colloque conjoint des 30 et 31 janvier 1969, Brüssel o.D.; Voyiakis, Access to Court v State Immunity, ICLQ 52 (2003), 297; Weiß, Völkerstrafrecht zwischen 374 Es wird also mit Zustimmung des betroffenen Immunitätsträgers ein Vollstreckungstitel errichtet, aus dem ohne seine Vollstreckungsunterwerfung nicht vollstreckt werden kann. Vgl. Rz. 791, 1216a, 1854b.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit Weltprinzip und Immunität, JZ 2002, 696; M. Weller, Völkerrechtliche Grenzen der Zwangsvollstreckung – vom Botschaftskonto zur Kunstleihgabe Rpfleger 2006, 364; Wilhelmi, Das Weltrechtsprinzip im internationalen Privat- und Strafrecht, Diss. Trier 2007, 96 ff.
I. Überblick 1. Immunitätstheorien 555 Die Staatenimmunität ist ein seit Jahrhunderten allgemein anerkanntes Gebot des Völkergewohnheitsrechts; es beruht nach herrschender Meinung auf dem Grundsatz der souveränen Gleichheit aller Staaten (Art. 2 Ziff. 1 der Satzung der Vereinten Nationen).375 556 Die Lehre von der Gleichheit der Staaten ist jedoch – für sich allein – nicht in der Lage, hinreichend plausibel zu erklären, weshalb die Staaten von der Gerichtsbarkeit fremder Staaten für acta iure imperii befreit sind; denn dem Gleichheitsgebot wäre bereits Genüge getan, wenn jeder Staat über den anderen zu Gericht sitzen dürfte.376 Entscheidend ist vielmehr der Gesichtspunkt der Souveränität, der die Unabhängigkeit eines jeden Staates gegenüber allen anderen gewährleistet. Die Unabhängigkeit eines Staates wäre aber involviert, wenn er sich für sein hoheitliches Handeln vor den Gerichten anderer Staaten verantworten müsste.377 Charakteristisch ist das Spannungsverhältnis zwischen zwei Souveränitätsbereichen, nämlich dem Anspruch des Gerichtsstaates einerseits, kraft seiner Souveränität Recht zu sprechen (facultas iurisdictionis, Rz. 371), und dem Anspruch des beklagten Staates auf Achtung seiner Souveränität.378 Es bedarf eines (durch Völkerrechtsnormen fixierten) Ausgleichs, der festlegt, in welchem Umfang die Gerichtsbarkeit des Forumstaates dem Immunitätsanspruch des beklagten Staates weichen bzw. inwieweit dieser die Gerichtspflichtigkeit vor fremden Gerichten hinnehmen muss.379 Dabei hat die Binnenbeziehung des Streitgegenstandes zum Gerichtsstaat eine völkerrechtliche Bedeutung insofern, als das Interesse des Gerichtsstaates an der Durchsetzung
375 Schon bei Bartolus de Sassoferrato (1314–1357) können wir lesen: „par in parem non habet imperium“ (Tractatus repressaliarum [1354]), quaestio prima, ad tertium § 10, hierzu Keller/Siehr, Allgemeine Lehren des internationalen Privatrechts, 1986, 560 und Rensmann IPRax 1999, 268. Diese Maxime reicht bis in das republikanische Rom zurück, Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 5. 376 So aber noch BVerfG vom 6.12.2006, RIW 2007, 206, 208 Rz. 35 = NJW 2007, 2605 = IPRax 2007, 438 (von Hein 399) = IPRspr. 2006 Nr. 106. 377 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 15; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 299, 307. 378 Schaumann BerDGVR 8 (1968), 15. Siehe auch Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 274 ff. 379 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 16.
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Staatenimmunität seiner territorialen Souveränität bei Inlandssachverhalten grundsätzlich Vorrang vor den Souveränitätsinteressen des beklagten Staates hat380, Rz. 626c, 877c. Inhaltlich hinreichend bestimmte Rechtssätze, die international eine sichere und übereinstimmende Rechtsanwendung sicherstellen, haben sich bisher jedoch nicht herausgebildet; nunmehr soll das Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 2.12.2004 (Rz. 561, 571) Klarheit schaffen. Dieses ist jedoch noch nicht von der Mehrheit der Mitglieder der Vereinten Nationen ratifiziert worden. Nach der Theorie von der absoluten Staatenimmunität, die heute noch vor allem von den ehedem sozialistischen Staaten381 vertreten wird, ist ein ausländischer Staat generell nicht der Gerichtsbarkeit innerstaatlicher Gerichte fremder Staaten unterworfen, es sei denn, er habe auf seine Immunität verzichtet.
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Die Theorie von der relativen oder beschränkten Staatenimmunität will frem- 558 den Staaten Immunität nur dann einräumen, wenn sie in Ausübung hoheitlicher Gewalt gehandelt haben (acta iure imperii), nicht aber dann, wenn sie wie eine andere natürliche oder juristische Person an privatrechtlichen Beziehungen beteiligt sind (acta iure gestionis). Der Staat als Kaufmann oder als Anleiheschuldner382 verdient keine Privilegierung gegenüber anderen Kaufleuten bzw. Darlehensnehmern. Ein Staat, der sich aus den Höhen der genuin staatlichen, nämlich der hoheitlichen Betätigung, in die „Niederungen des Handels“ begibt, ist wie jeder andere Händler zu behandeln. Eine Vorzugsstellung vor fremden Gerichten wäre nicht gerechtfertigt; denn „. . . once the sovereign has descended into the market place he can no longer invoke sovereign immunity“, wie der High Court of Justice383 richtig hervorhob. Auch unter rechtsstaatlicher Perspektive muss eine uferlose Ausweitung der Immunitäten vermieden werden, weil sonst zu viele Rechtsverhältnisse der Kontrolle der (inländischen) Gerichte entzogen werden und so der Kläger praktisch rechtlos gestellt wird, Rz. 641.384 Siehe auch Rz. 584. 380 So prononciert Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 312. Zu der sog. „gebietsbezogenen Deliktsausnahme“ ausführlich Dörr, Staatliche Immunität auf dem Rückzug?, ArchVR 41 (2003), 201 mit Nachweisen. 381 Nachweise bei Enderlein RIW 1988, 333; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 189; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 261. Zu den Reformtendenzen Boguslawskij IPRax 2002, 43. 382 Wenn Staaten Anleihen auflegen, nehmen sie nicht iure imperii am Wirtschaftsverkehr teil. Daher keine Immunität. Eines Immunitätsverzichts bedarf es daher nicht, auch wenn solche Verzichte in den Anleihebedingungen üblich sind, Mankowski RIW 2004, 587, 595 mit weiteren Nachweisen. Siehe auch BVerfG vom 8.2.2006, NJW 2006, 2907, 2908; BVerfG vom 6.12.2006, RIW 2007, 206, 208 Rz. 36 = NJW 2007, 2605 = IPRax 2007, 438 (von Hein 399) = IPRspr. 2006 Nr. 106; OLG Frankfurt vom 13.6.2006, NJW 2006, 2931 (Sester 2891) = IPRax 2007, 331 (Schefold 313) = IPRspr. 2006 Nr. 105 (argentinische Staatsanleihen). 383 High Court of Justice (1977) 3 WLR 778, 801 = BYbIL 49 (1978), 262 (Crawford), bestätigt vom House of Lords (1981) 3 WLR 328 = BYbIL 52 (1981) 314 (Crawford) im Fall I Congreso del Partido (hierzu Damian a.a.O. 104). 384 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 457.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit 559 Die Theorie der relativen Staatenimmunität hat angesichts der wachsenden wirtschaftlichen Betätigung der Staaten in Rechtslehre und Rechtsprechung mehr und mehr an Boden gewonnen. Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts suchten belgische und italienische Gerichte zum Schutze der privaten Gläubiger nach Wegen zur Überwindung der Doktrin von der absoluten Staatenimmunität.385 560 Deutschland gehörte vor dem Zweiten Weltkrieg zu den Ländern, die ausländischen Staaten und ihren Organen absolute Gerichtsfreiheit gewährten.386 Die zunehmende wirtschaftliche Betätigung der Staaten auf dem gesamten Gebiet der Daseinsvorsorge, die Verstaatlichungen bei Kriegsende (z.B. in Frankreich, Österreich und den sozialistischen Staaten) sowie die sich rasch entwickelnde Verflechtung der einzelnen nationalen Märkte führten zu einer Hinwendung zum Grundsatz der beschränkten Immunität. Danach genießt der Staat Immunität nur im Rahmen seiner hoheitlichen Tätigkeit. 561 Die Abgrenzungsformel ist bis heute wenig griffig.387 Bei der – nicht nach dem Recht des Gerichtsstaates zu beurteilenden – Frage, ob eine Tätigkeit als hoheitlich oder privatrechtlich zu qualifizieren ist, ist grundsätzlich auf die Natur der staatlichen Handlung oder des entstandenen Rechtsverhältnisses abzustellen, nicht aber auf das Motiv oder den Zweck der Staatstätigkeit, da letztlich nahezu jede staatliche Tätigkeit mit hoheitlichen Zwecken und Aufgaben im Zusammenhang steht, Rz. 579.388 Art. 10 ff. des VN-Übereinkommens über die gerichtliche Immunität der Staaten und ihres Eigentums (Rz. 571) und Art. 4 ff. des Europäischen Übereinkommens über die Staatenimmunität (Rz. 667) unterscheiden nicht zwischen acta iure imperii und acta iure gestionis. Sie stipulieren vielmehr Immunitätsausnahmen kasuistisch für einzelne Komplexe (commercial transactions, contracts of employment, personal injuries and damage to property, ownership, possession and use of property, intellectual and industrial property, participation in companies or other collective bodies).
385 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 6; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 1168; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 37, 41, 173, 183. Zur Erosion der absoluten Staatenimmunität nach dem Ersten Weltkrieg in Frankreich Batiffol/Lagarde, Droit international privé, tome I8, 1993, Nr. 693-2; Grabinski IPRax 1992, 55; zur Entwicklung in der Schweiz Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 239 ff. Weitere Nachweise bei Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 458; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 146; Schaumann BerDGVR 8 (1968) 22. 386 RG vom 12.12.1905, RGZ 62, 165; RG vom 10.12.1909, RGZ 103, 274. Ausführlich z.B. Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 127. 387 Heß a.a.O. 148. 388 Seidl-Hohenveldern in Festschrift Beitzke, 1979, 1081, 1087.
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Staatenimmunität 2. Keine Deckungsgleichheit zwischen Immunität für Erkenntnis- und für Vollstreckungsverfahren Es besteht keine Deckungsgleichheit hinsichtlich der Begrenzung der Immunität 562 im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren.389 Die Grenzen für die Vollstreckungsimmunität verlaufen anders, da die Auswirkungen einer Zwangsvollstreckung den ausländischen Staat faktisch erheblich stärker treffen als ein Urteil im Erkenntnisverfahren, die Gefahr von politischen Verwicklungen mithin größer ist. Besteht für das Erkenntnisverfahren keine Immunität, weil eine privatrechtliche Tätigkeit des ausländischen Staates Gegenstand des Verfahrens ist oder dieser sich der Gerichtsbarkeit unterworfen hat, so bedeutet dies nicht, dass damit auch die Zwangsvollstreckung ohne jede Beschränkung zulässig wäre.390 Für die Frage der Zulässigkeit von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen ist nicht darauf abzustellen, ob der ausländische Staat das Vollstreckungsobjekt als Hoheitsträger besitzt. Entscheidend ist vielmehr, ob das Vollstreckungsobjekt im Zeitpunkt des Beginns der Vollstreckungsmaßnahme hoheitlichen Zwecken des fremden Staates dient.391 Besonders weit reicht der Schutz des Diplomatenrechts und des gesamten Botschafts- bzw. Gesandschaftskomplexes, Rz. 765. So berechtigt ein pauschal erklärter Immunitätsverzicht (z.B. aus Anlass der Begebung einer Anleihe [Rz. 583]) nicht auch zur Vollstreckung in solche Vermögensgegenstände, die dem Schuldner-Staat (Entsendestaat) zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit seiner diplomatischen Mission im Vollstreckungsstaat (Empfangsstaat) dienen.392 3. Völkerrechtliche Anerkennung des fremden Staates Den Staaten ist es völkerrechtlich erlaubt, Immunität nur solchen Staaten zu gewähren, die sie völkerrechtlich anerkannt haben.393 Da die Anerkennung auf den Zeitpunkt der geschichtlichen Staatsentstehung zurückwirkt, ist der Staat
389 BVerfG vom 13.12.1977, BVerfGE 46, 342, 367 = NJW 1978, 485 (Bleckmann 1092) = ZaöRV 38 (1978), 245 = RIW 1978, 122 (Seidl-Hohenveldern) = IPRspr. 1977 Nr. 117; Seidl-Hohenveldern in Festschrift Beitzke, 1979, 1097; v. Schönfeld NJW 1986, 2985. 390 BVerfG vom 6.12.2006, RIW 2007, 206, 209 Rz. 37 ff. = NJW 2007, 2605 = IPRax 2007, 438 (von Hein 399) = IPRspr. 2006 Nr. 106; BGH vom 4.10.2005 – VII ZB 8/05, NJW-RR 2006, 425 = WM 2006, 41 = SchiedsVZ 2006, 44 (Raeschke-Kessler) = IPRspr. 2005 Nr. 91; BGH vom 4.10.2005 – VII ZB 9/05, NJW-RR 2006, 198 = RIW 2006, 60 = WM 2005, 2274 = IPRax 2007, 128 (Dutta 109) = SchiedsVZ 2006, 47 (Raeschke-Kessler) = IPRspr. 2005 Nr. 118. Umfangreiche Nachweise bei von Hein, Voraussetzungen und Umfang des Immunitätsverzichts in Staatsanleihen, IPRax 2007, 399, 402 ff. 391 BVerfG vom 13.12.1997, BVerfGE 46, 342, 354 = NJW 1978, 485 (Bleckmann 1092) = ZaöRV 38 (1978), 245 = RIW 1978, 122 (Seidl-Hohenveldern) = IPRspr. 1977 Nr. 117; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 116 ff.; R. Geimer SchiedsVZ 2004, 109. Weitere Nachweise z.B. bei M. Weller, Völkerrechtliche Grenzen der Zwangsvollstreckung – vom Botschaftskonto zur Kunstleihgabe Rpfleger 2006, 364. 392 BVerfG vom 6.12.2006, RIW 2007, 206, 209 Rz. 40 ff. = NJW 2007, 2605 = IPRax 2007, 438 (von Hein 399) = IPRspr. 2006 Nr. 106. 393 Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 351.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit für alle ab diesem Zeitpunkt ergangenen Hoheitsakte von der inländischen Gerichtsbarkeit freizustellen. Die eingetretene Immunität ist in jeder Lage des Verfahrens (auch im Revisionsverfahren) zu berücksichtigen: unanfechtbar gewordene Entscheidungen werden jedoch durch die spätere Anerkennung nicht rückwirkend völkerrechtswidrig. 564 Andererseits ist es nicht völkerrechtswidrig, konsolidierten, aber nicht anerkannten Staatswesen in gerichtlichen Verfahren Immunität einzuräumen. Ob dies für den Gerichtsstaat opportun ist, ist allerdings eine andere Frage. Denn es besteht die Gefahr von unangenehmen Verwicklungen, wenn vor seinen Gerichten Streitigkeiten zwischen einem anerkannten und dem mit ihm rivalisierenden nicht anerkannten Staat ausgetragen werden.394 565 Das Völkerrecht verbietet, die Existenz eines Gebildes, das die Merkmale eines Staates besitzt, schlechthin zu missachten. Deshalb erscheint es völkerrechtlich unzulässig, einem nicht anerkannten Staat die Parteifähigkeit im gerichtlichen Verfahren abzusprechen, da darin die Leugnung seiner Existenz liegt, Rz. 2211.395 4. Anerkennung der fremden Regierung 566 Die Staatenimmunität ist keine Regierungsimmunität. Es wäre eine Verkürzung des allen Staaten zukommenden Anspruchs auf Immunität, wollte man Handlungen der nicht anerkannten de facto-Regierung von der Immunität ausnehmen. Das Fehlen diplomatischer Beziehungen wirkt sich auf den Immunitätsanspruch nicht aus.396 5. Gliedstaaten und kommunale Gebietskörperschaften 567 Der Immunitätsanspruch steht den souveränen, völkerrechtsunmittelbaren Staaten zu.397 Rechtlich unselbständige organisatorische Untergliederungen wie Ministerien, Behörden, Ämter sind in den Schutz der Immunität miteinbezogen, da sie Teil des Staates sind. Innerstaatlich rechtlich selbständige (nicht völkerrechtsunmittelbare) Untergliederungen in diesem Staat, wie Gliedstaaten, Gebietskörperschaften, Bezirke, Landkreise, Gemeinden und andere Einheiten
394 Damian a.a.O. 20. 395 Schaumann BerDGVR 8 (1968), 48; Damian a.a.O. 19; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 482; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 4 Rz. 26; enger Frankenstein, Internationales Privatrecht I, 1926, 500. 396 Damian a.a.O. 20; Schaumann BerDGVR 8 (1968), 48. So haben z.B. die USA nach Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Kuba dessen Immunität gleichwohl beachtet, Nachweise bei Damian a.a.O. 20 und bei Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 350 f. 397 Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 348.
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Staatenimmunität (political subdivisions) oder sonstige mit öffentlichen Aufgaben betraute Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts werden von der Staatenimmunität mit umfasst. Es ist die innere Angelegenheit eines Staates, ob er zentralistisch oder föderalistisch organisiert ist, ob er Hoheitsakte von unselbständigen Untergliederungen der Zentralregierung oder von (innerstaatlich) selbständigen Rechtspersonen wahrnehmen lässt.398 Diese einleuchtende Überlegung ist jedoch auf Widerspruch gestoßen.399 So hat 568 z.B. das Reichsgericht400 einem polnischen Kreisverband Immunität für acta iure imperii aberkannt: Dem Kreis fehlten die Staaten zukommenden völkerrechtlichen Eigenschaften der Unabhängigkeit und Gleichheit. Aus dem gleichen Grund haben französische Gerichte vor Inkrafttreten des EuGVÜ die Immunität des Bundeslandes Hessen verneint, das gemäß Art. 14 Code civil von einem französischen Staatsbürger auf Schadensersatz wegen Beschädigung eines dem Museum zu Darmstadt leihweise zur Verfügung gestellten Gemäldes verklagt worden war.401 Nach Art. 28 I des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität genie- 569 ßen die Gliedstaaten eines Bundesstaates grundsätzlich keine Immunität. Der Bundesstaat kann jedoch seine Immunität auf die Gliedstaaten gemäß Art. 28 II erstrecken.402 Die übrigen juristisch selbständigen Rechtsträger haben gemäß Art. 27 I zwar keine Immunität. Sie können vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaates (von einer Privatperson) in Anspruch genommen werden.403 Diese Gerichte können jedoch nicht über in Ausübung der Hoheitsgewalt vorgenommene Handlung (acta iure imperii) des Rechtsträgers entscheiden.404 Siehe auch Rz. 621. 6. Kodifikationen und Kodifikationsentwürfe Die wissenschaftliche Diskussion über die Staatenimmunität hat in den letzten 570 Jahrzehnten großen Auftrieb erhalten durch Kodifikationen bzw. Kodifikationsentwürfe auf völkervertraglicher Ebene, nämlich die Europarats-Konvention vom 16.5.1972 (Rz. 666 ff.), die am 2.12.2004 von der Generalversammlung angenommene Konvention der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen (Rz. 571) und die Arbeiten privater Institutionen, wie des Institut de Droit Inter-
398 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 1176; Kronke IPRax 1989, 178; Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 197. 399 Ausführlich Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 70; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 352 ff. 400 RG vom 20.3.1925, RGZ 110, 315, 317. 401 Cour d’appel Paris Rev. crit. 59 (1970), 103 (Loussouarn). Weitere Nachweise bei Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 454 Fußn. 12. 402 Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 71. 403 Strebel RabelsZ 44 (1980), 77. 404 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 23, 33.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit national, der Harvard Law School,405 der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht,406 der International Law Association,407 und der International Bar Association (Rz. 497). Daneben sind bedeutsame innerstaatliche Kodifikationen zu erwähnen, so im Vereinigten Königreich der State Immunity Act, der die Europaratskonvention in innerstaatliches Recht umgießt,408 in den Vereinigten Staaten von Amerika, welche die Materie 1976 ohne völkervertragliche Bindung im Federal States Immunity Act (FSIA) geregelt haben,409 und in Kanada der State Immunity Act.410 7. VN-Übereinkommen über die Staatenimmunität – United Nations Convention on Jurisdictional Immunities of States and their Property 571 Am 2.12.2004 verabschiedete die Generalversammlung der Vereinten Nationen nach langwierigen Vorbereitungen411 eine Konvention über die Staatenimmunität.412 Sie wurde ab 17.1.2005 zur Zeichnung aufgelegt. Sie versteht sich als Kodifikation des bereits geltenden universellen Völkergewohnheitsrechts. Es bleibt abzuwarten, ob es gelingen wird, durch dieses Rechtsinstrument die bisher unterschiedlichen Entwicklungslinien wieder zu bündeln und zusammenzuführen. 8. Zurückdrängung des Grundsatzes der Mediatisierung des Menschen im Völkerrecht? 572 Die Mediatisierung des Menschen (Rz. 134) wird auf den ersten Blick durch die Stipulierung einer nur relativen Immunität durchbrochen. Wenn ein Staat bezüglich seiner wirtschaftlichen Tätigkeit genauso behandelt wird wie eine private Person, so bedeutet dies, dass auch der Staat vor den Zivilgerichten wie jede andere Privatperson belangt werden kann, und zwar gleichermaßen für vertragliches wie deliktisches Unrecht.
405 Hierzu Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 206. 406 Schaumann/Habscheid, Die Immunität der ausländischen Staaten nach Völkerrecht und deutschem Zivilprozeßrecht, BerDGVR 8 (1968). 407 Ausführlich Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 207 ff. 408 Hierzu Cheshire, North & Fawcett, Private International Law14, 2008, 491 ff.; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 120; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 176. 409 Ausführlich Heß a.a.O. 79 sowie Kren Kostkiewicz a.a.O. 185. 410 ILM 21 (1982), 798, hierzu Heß a.a.O. 136. Siehe auch den australischen Foreign States Immunities Act (1985), Heß a.a.O. 140, sowie die entsprechenden Regelungen in Pakistan, Singapur und Südafrika, Heß a.a.O. 134. Vergleichend Strebel RabelsZ 44 (1980), 66 ff.; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 19 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 462 (§ 72 III). 411 Draft Articles on Jurisdictional Immunities of States and their Property, ILC-Yearbook 1991 II 12 ff. Siehe auch Rz. 496. 412 ILM 44 (2005), 801. Abgedruckt im Anhang S. 1595 ff. Zur Konvention Fox, The Law of State Immunity2, 2008, 373 ff.; Hafner/Köhler, Netherlands Yearbook of International Law 35 (2004), 3.
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Staatenimmunität Beispiel: Betreibt ein Staat – zur Energieversorgung413 – ein Kernkraftwerk und kommt es zu einem Reaktorunfall, so kann die (durch Immissionen geschädigte) Privatperson von dem das Kernkraftwerk betreibenden Staat Ersatz verlangen. Der Geschädigte ist nicht darauf angewiesen, dass sein Heimatstaat den Verletzerstaat auf Regress in Anspruch nimmt. Dieser ist wie jede Privatperson gerichtspflichtig überall dort, wo eine internationale Zuständigkeit gegeben ist, z.B. am forum delicti commissi (§ 32 ZPO) oder in dem Staat, in dem Vermögen belegen ist (§ 23 ZPO), das nicht hoheitlichen Zwecken dient, Rz. 1378. Vgl. auch Rz. 139, 583. Bei näherem Zusehen zeigt sich jedoch, dass damit die völkerrechtliche Media- 573 tisierung des Einzelnen nicht überwunden wird. Denn der Gerichtsschutz erfolgt nur auf der Ebene und nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts des Gerichtsstaates. Der einzelne Mensch erlangt – jedenfalls nach vorherrschender Meinung – nach wie vor keine (partielle) Völkerrechtssubjektivität. 9. Reziprozität Soweit nach Völkergewohnheitsrecht bzw. nach einem völkerrechtlichen Vertrag 574 Immunität zu gewähren ist, hängt diese nicht von der Verbürgung der Gegenseitigkeit ab;414 eine Ausnahme besteht nur, wenn die Voraussetzungen der Repressalie vorliegen. Soweit wegen der tatbestandlichen Unbestimmtheit der gewohnheitsrechtlichen Immunitätsregeln „Auslegungsspielräume“ bleiben, wäre es völkerrechtskonform, Immunität nur bei Verbürgung der Gegenseitigkeit zu gewähren.415 Innerstaatlich bedarf es jedoch zur Anwendung der Reziprozitätsregel einer Rechtsgrundlage. Eine solche fehlt im deutschen Recht seit Streichung des § 24 EGZPO, Rz. 36. 10. Rechtshistorisches Die Doktrin von der absoluten Immunität fremder Staaten hat bzw. hatte auch in- 575 nerstaatlich ein Pendant.416 Im Zeitalter des Absolutismus, als der Staat mit der Person des Monarchen identifiziert wurde (l’État c’est moi), stand der Monarch über dem Gesetz und konnte deshalb auch nicht verklagt werden. Er genoss absolute Immunität. Diese Doktrin von der absoluten Immunität wurde – nachdem sich die Unterscheidung zwischen dem Staat als Rechtssubjekt und der Person des Staatsoberhauptes durchgesetzt hatte – auch auf die neu entdeckte juristische Person „Staat“ übertragen. Erst langsam wurde der Staat der eigenen Gerichtsbarkeit unterworfen. Im Vereinigten Königreich kann die Krone erst seit
413 AG Bonn vom 29.9.1987, NJW 1988, 1393 = IPRax 1988, 351 (Gündling 338) = ROW 1988, 305 = IPRspr. 1987 Nr. 26a sowie LG Bonn vom 14.12.1988, NJW 1989, 1225 = IPRspr. 1987 Nr. 26b. Siehe auch Mansel IPRax 1986, 392. 414 Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 448. 415 Heß a.a.O. 306 bei Fußn. 42. 416 Heß a.a.O. 42.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit dem Inkrafttreten des Crown Proceedings Act 1947 verklagt werden. Noch heute genießen in den Vereinigten Staaten von Amerika Bund und Gliedstaaten Immunität, vgl. 11. Amendment der US-Verfassung. Allerdings ist auch hier die innerstaatliche Immunität auf dem Rückzug, vgl. Federal tort claims act.417
II. Staatenimmunität nach allgemeinem Völkergewohnheitsrecht 1. Erkenntnisverfahren 576 Ausländische Staaten sind nach allgemeinem Völkergewohnheitsrecht der Gerichtsbarkeit anderer Staaten und damit auch der Gerichtsbarkeit Deutschlands insoweit nicht unterworfen, als der Gegenstand des Rechtsstreits ihre hoheitliche Betätigung (acta iure imperii) betrifft. Hinsichtlich ihrer nichthoheitlichen Tätigkeit (acta iure gestionis) unterliegen auch ausländische Staaten der inländischen Gerichtsbarkeit.418 577 Ob hoheitliche oder nicht-hoheitliche Tätigkeit vorliegt, entschied die bisherige Praxis419 nach der lex fori,420 da das Völkergewohnheitsrecht keine exakten Abgrenzungsmerkmale kenne und insoweit auf das Recht des Gerichtsstaates als Qualifikationsrechtsordnung verweise,421 Rz. 561. Dies trifft jedoch nicht zu, weil es sonst im Belieben der Staaten stünde, ob sie nach ihrer lex fori Immunität gewähren oder nicht.422
417 Pub. L. No. 19601, 60 Stat. 842 (1946), codified as amended at 28 U.S.C. §§ 1346 (b), 2671-2680 (1994 & Supp. IV 1998). Nachweise bei Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 6, 14. Uneingeschränkte Immunität genießt auch heute noch der Sultan in Brunei, Schütze JbPrax Schiedsgerichtsbarkeit 4 (1990), 282 (287). 418 BVerfG vom 30.10.1962, BVerfGE 15, 25 = NJW 1963, 435; BVerfG vom 30.4.1963, BVerfGE 16, 27 = MDR 1963, 821 = NJW 1963, 1732 = IPRspr. 1962-63 Nr. 171. Den Vorrang des Völkerrechts schreibt die US Constitution nicht fest. Eine Parallelnorm zu Art. 25 GG existiert nicht. Daraus resultiert die aus europäischer Sicht befremdliche Geringschätzung des allgemeinen Völkerrechts durch den US Kongreß und den US Supreme Court. Danach ist die Beachtung des internationalen Immunitätsrechts nur eine Frage der „international comity“, Nachweise z.B. bei Gibbons/Myers/Dolzer RIW 2004, 899. 419 Siehe z.B. LG Frankfurt a.M. vom 10.10.1996, IPRspr. 1996 Nr. 157. 420 Nachweise bei Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 320 f. 421 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 1173; Damian a.a.O. 98; Kronke IPRax 1991, 142. Dagegen zu Recht Gramlich RabelsZ 45 (1981) 586 und Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 45, 149. 422 Auch das BVerfG (13.12.1977, BVerfGE 46, 342; 12.4.1983 BVerfGE 64, 1) ist von seinem lex fori-Ansatz (30.4.1963 BVerfGE 16, 27 [62]) abgerückt. Anderer Auffassung AG Bonn vom 29.9.1987, NJW 1988, 1393 = IPRax 1988, 351 (Gündling 338) = ROW 1988, 305 = IPRspr. 1987 Nr. 26a; LG Bonn vom 14.12.1988, NJW 1989, 1225 = IPRspr. 1987 Nr. 26b; OLG Köln vom 12.1.2004, OLGR 2006, 222 = IPRspr. 2004 Nr. 155. – Vgl. auch Schack BerDGVR 32 (1992), 323 Fußn. 54, sowie Mankowski IPRax 2001, 123.
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Staatenimmunität In der Sache kommt es darauf an, ob ein Staat in Ausübung der ihm zustehen- 578 den Staatsgewalt oder wie eine Privatperson tätig geworden ist.423 Prozessual ist der Sachvortrag des Klägers maßgebend.424 Für das Erkenntnisverfahren erfolgt die Unterscheidung zwischen acta iure im- 579 perii und acta iure gestionis nach objektiven Kriterien.425 Anders ist es im Vollstreckungsstadium, Rz. 590. Die Unterscheidung zwischen hoheitlicher und nicht-hoheitlicher Tätigkeit kann grundsätzlich nicht nach dem Zweck der staatlichen Betätigung und danach vorgenommen werden, ob sie in erkennbarem Zusammenhang mit hoheitlichen Aufgaben des Staates steht.426 Denn letztlich wird fast jede Tätigkeit des Staates – jedenfalls zum weitaus größten Teil – hoheitlichen Zwecken und Aufgaben dienen und mit ihnen in erkennbarem Zusammenhang stehen. Diese Abgrenzungsmethode würde im Ergebnis wieder auf die absolute Immuni- 580 tät hinauslaufen. Maßgebend ist vielmehr nur die Natur der staatlichen Handlung oder des entstandenen Rechtsverhältnisses, nicht aber Motiv oder Zweck der Staatstätigkeit.427 Die Ausübung polizeilicher Gewalt gehört unzweifelhaft zur hoheitlichen Tätigkeit des Staates, und zwar sogar zum Kernbereich der Staatsgewalt. Sie ist auch dann als Akt iuris imperii zu qualifizieren, wenn sie nach dem betreffenden ausländischen Recht als privatrechtliche Betätigung anzusehen wäre.428
423 Ausführlich Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 284 ff. 424 BGH vom 13.11.1974, IPRspr. 1974 Nr. 1b; Vorinstanz: OLG Koblenz vom 10.1.1972, OLGZ 1975, 379 = IPRspr. 1974 Nr. 1b. 425 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 467; Schnyder, Wirtschaftskollisionsrecht, 1990, 328 Rz. 397; R. Geimer SchiedsVZ 2004, 108; Hausmann in Festschrift Geimer, 2002, 294. Besonders deutlich § 1603 (d) U.S. Sovereign Immunities Act, 1976: „. . . the commercial character of an activity shall be determined by reference to the nature of the course of conduct or particular transaction or act, rather than by reference to its purpose . . .“. Siehe auch Dutta, Vollstreckung in öffentlichrechtliche Forderungen ausländischer Staaten, IPRax 2007, 109, 110. 426 BVerfG vom 30.4.1963, BVerfGE 16, 27 ff., 33 ff. = MDR 1963, 821 = NJW 1963, 1732 = IPRspr. 1962 – 1963 Nr. 171 und BVerfG vom 13.12.1977 BVerfGE 46, 342, 392 = NJW 1978, 485 (Bleckmann 1092) = ZaöRV 38 (1978), 245 = RIW 1978, 122 (Seidl-Hohenveldern) = IPRspr. 1977 Nr. 117. Zustimmend z.B. Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 293. 427 BVerfG vom 30.4.1963, BVerfGE 16, 27, 61 f.; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 102; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 43; Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 198; Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht10, 2000, Rz. 1479; Kronke IPRax 1991, 142; Kren Kostkiewicz a.a.O. 294. 428 BGH vom 26.9.1978, NJW 1979, 1101 = WM 1979, 586 = MDR 1979, 483 = IPRspr. 1978 Nr. 133 (Übersendung eines Polizeiberichtes von Scotland Yard an das Bundeskriminalamt).
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit 581 Die Hervorhebung der „Natur“ des staatlichen Aktes besagt nur, dass die Zweck- und Zielsetzungen des beklagten Staates für die Qualifikation ohne Bedeutung sind. Ein positives Abgrenzungsmerkmal gibt diese „Leerformel“429 jedoch nicht. Ausländische Gerichte verwenden – auch wenig unterscheidungskräftig – Begriffe wie actes de commerce und actes de gouvernement bzw. commercial und non-commercial activities oder stellen darauf ab, ob der beklagte Staat wie eine Privatperson gehandelt hat. Schließlich wird auch die öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Einordnung des Streitgegenstandes mit wenig überzeugenden Gründen für bedeutsam gehalten.430 582 Der Qualifikation als nicht hoheitlich sind jedenfalls rechtliche Schranken gezogen, selbst wenn man eine an rein völkerrechtlichen Kriterien orientierte Abgrenzung wegen des Fehlens eindeutiger Standards des Völkergewohnheitsrechts ablehnt, Rz. 579. Es ist völkerrechtlich geboten, solche Tätigkeiten des ausländischen Staates, die nach der von den Staaten überwiegend vertretenen Auffassung zum Bereich der Staatsgewalt im engeren und eigentlichen Sinn gehören (z.B. Kriegshandlungen und sonstige militärische Aktivitäten etwa im Bereich friedenssichernder Maßnahmen431), als hoheitlich einzuordnen, selbst wenn sie nach nationalem Recht als privatrechtliche und nicht als öffentlichrechtliche Betätigung anzusehen wären.432 Z.B. ist die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses durch einen ausländischen Staat dann dem Kernbereich der Staatsgewalt zuzurechnen und deshalb als hoheitliches Handeln zu qualifizieren,433 wenn Inhalt des Arbeitsverhältnisses die unmittelbare Wahrnehmung von Aufgaben ist, die in den Bereich der Staatsgewalt im engeren und eigentli-
429 Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 43. 430 Gegen dieses Differenzierungskriterium Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 286, 291. Vgl. auch Heß a.a.O. 43/44: „Eine kohärente dogmatische Konzeption fehlt bis heute . . . Eine griffige Formel wurde bisher noch nicht gefunden und wird wohl kaum entwickelt werden können.“ Folglich ist viel „Einfühlungsvermögen“ erforderlich; die Abgrenzung in concreto beruht letztlich auf einer Interessenabwägung. Siehe auch Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 209 sowie E. Habscheid in Festschrift Geimer, 2002, 255, 260. 431 Ähnlich die (nicht veröffentlichte) Rechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichts, berichtet von Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 295. 432 Österr. OGH vom 11.4.1995, IPRax 1996, 41 (Seidl-Hohenveldern 52) betreffend jugoslawisches Luftwaffenbombardement in Slowenien; BVerfG vom 30.4.1963, BVerfGE 16, 27, 63. Siehe auch Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts6, 2006, § 57 I 3 (a). 433 Keine hoheitliche Tätigkeit ist die Wartung und Instandhaltung der (technischen) Anlagen einer Botschaft, auch wenn es um deren Sicherheitssystem geht, BAG vom 15.2.2005, AP Nr. 15 zu § 612a BGB = IPRspr. 2005 Nr. 90.
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Staatenimmunität chen Sinne fallen,434 wie z.B. die leitende Tätigkeit in einem Konsulat,435 und wenn in einem solchen Fall die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zugleich die Wahrnehmung dieser Staatsaufgaben (wie z.B. die Visa-Erteilung436) selbst unmittelbar berührt437 oder wenn über die Begründetheit des geltend gemachten Anspruchs ohne eine die Funktionsfähigkeit der diplomatischen Vertretung gefährdende Untersuchung und Bewertung missionsinterner Vorgänge nicht entschieden werden könnte.438 Die Wahrung des Grundsatzes „ne impediatur legatio“ (Art. 22 WÜD) hat Vorrang, Rz. 593. Die Einstellung und Beschäftigung von Zivilpersonen für den Bedarf von (ausländischen) Streitkräften ist dem hoheitlichen Bereich zuzurechnen. Für die Nato-Truppen ist jedoch das Völkervertragsrecht (Rz. 820) maßgeblich.439 Als nicht hoheitlich wurden qualifiziert:440 alle Aktivitäten auf dem Gebiet des 583 Kulturbetriebs, wie Betrieb eines Opernhauses;441 Einkauf von Waffen und Munition;442 Kauf eines Grundstücks für ein Konsulatsgebäude;443 Betreiben einer
434 Zu Art. 5 des Europäischen Übereinkommens über die Staatenimmunität siehe Rz. 725 sowie Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 422; ausführlich Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 222 ff. 435 VG Mainz vom 5.5.1988, ArchVR 89, 389 = IPRspr. 1989 Nr. 177; BAG vom 3.7.1996, MDR 1996, 1263 = AP Nr. 1 zu § 20 GVG = IPRspr. 1996 Nr. 134; LAG Frankfurt/Main vom 11.5.1998, IPRspr. 1998 Nr. 134; ArbG Köln vom 16.12.1998, RIW 1999, 623 (Kollatz) = IPRspr. 1998 Nr. 136. 436 LAG vom 5.4.2000, IPRspr. 2000 Nr. 108; BAG 16.5.2002, = IPRspr. 2002 Nr. 128. 437 BAG vom 23.11.2000, EzA-SD 2001, Nr. 6, 14 = NZA 2001, 683 = DStR 2001, 2127 (Haas) = IPRspr. 2000 Nr. 110; BAG vom 25.10.2001, BB 2002, 787 = IPRspr. 2001 Nr. 127; LAG Berlin vom 4.7.2001, MDR 2001, 1421 = IPRspr. 2001 Nr. 125; LAG Hamburg vom 30.1.1978, IPRspr. 1978 Nr. 132; Seidl-Hohenveldern ZfRV 1990, 302 und RIW 1993, 238; weitergehend Steinmann MDR 1965, 796; anders wohl Gamillscheg, Internationales Arbeitsrecht, 1959, 401 ff. Dies ist z.B. nicht der Fall beim technischen Personal einer Botschaft oder eines Konsulats. So hat z.B. das BAG vom 20.11.1997, IPRax 1999, 174 (Krebber 164) = MDR 1998, 543 = IPRspr. 1997 Nr. 58 die Gerichtsbarkeit Deutschlands bejaht für das Arbeitsverhältnis eines bei der US-Botschaft beschäftigten Heizungsmonteurs oder eines Bürofachmanns beim italienischen Kulturinstitut, BAG vom 23.4.1998, BAGE 88, 287 = NZA 1998, 995 = IPRspr. 1998 Nr. 52. Das gleiche gilt für Sprachlehrer, LAG Berlin vom 20.7.1998, IPRspr. 1998 Nr. 135. Weitere Nachweise bei Mankowski IPRax 2001, 123; Mankowski in Dieterich/Neef/Schwab (ed.), Arbeitsrecht-Blattei sub Arbeitsgerichtsbarkeit V – E. Internationale Zuständigkeit 160.5.5 Rz. 157. 438 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 111. Weniger immunitätsfreundlich wohl aber die Rechtsprechung des schweizerischen Bundesgerichts, hierzu näher Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 296. 439 BAG vom 12.2.1985, BAGE 48, 82 = IPRspr. 1985 Nr. 128. 440 Siehe auch die Liste der Beispiele bei Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 215. 441 So für das Engagement eines Opernsängers, Bybee v. Oper der Stadt Bonn, [1997] ILPr 42; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 2 Rz. 20. 442 BGH vom 13.11.1974, IPRspr. 1974 Nr. 1b. 443 OLG München vom 19.12.1974, MDR 1975, 411 = IPRspr. 1974 Nr. 146.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit Omnibuslinie durch Staatsbahn;444 Betrieb einer Staatsreederei;445 Betrieb eines Verkehrsamtes;446 Betreiben eines (Atom-)Kraftwerks zur Energieversorgung,447 Bau von Straßen448 oder eines Staudamms, auch wenn damit Zwecke der staatlichen Daseinsvorsorge verfolgt werden.449 Als nicht hoheitlich wurden weiter eingestuft: Die bankgeschäftliche Eröffnung eines Dokumentenakkreditivs durch die Zentralbank eines ausländischen Staates, auch wenn dies auf Anweisung des dortigen Verteidigungsministers erfolgt;450 Ausgabe von Staatsanleihen (Rz. 558)451 oder Anleihen einer Zentralbank, die auf dem Kapitalmarkt angeboten werden,452 Werkverträge, auch wenn diese z.B. die Renovierung des Botschaftsgebäudes betreffen,453 Verträge über Pipelines und Gasleitungen454, Be-
444 LG Kiel vom 19.3.1953, NJW 1953, 1718 = MDR 1953, 489 = JZ 1954, 117 (Aubin) = IRPspr. 1952–1953 Nr. 289. 445 LG Bremen vom 21.12.1959, IPRspr. 1964–1965 Nr. 59a und LG Bremen vom 8.2.1962, IPRspr. 1964–1965 Nr. 59b. 446 LG Frankfurt a.M. vom 30.6.1977, RIW 1977, 720 = IPRspr. 1977 Nr. 116. 447 AG Bonn vom 29.9.1987, NJW 1988, 1393 = IPRax 1988, 351 (Gündling 338) = ROW 1988, 305 = IPRspr. 1987 Nr. 26a; LG Bonn vom 14.12.1988, NJW 1989, 1225 = IPRspr. 1987 Nr. 26b; österr. OGH (5. Senat) vom 23.2.1988 JBl. 1988, 459 = ÖZöRV 1988/89, 360, der aufgrund einer privaten Bauverbotsklage (§ 364 II ABGB) der ehemaligen ˘ SSR die Errichtung des Kernkraftwerks Mochovce auf ihrem eigenen Staatsgebiet unC tersagte; auch abgedruckt in Neuhold/Hummer/Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. II D 91 S. 167. Hierzu Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 434. Dagegen hielt der 6. Senat des OGH (Urteil vom 13.4.1989 – 6 Nd 503/89 – unveröffentlicht, teilweise zitiert bei Heß, Staatenimmunität bei Distanz˘ SSR auf Unterlassung der Errichtung der delikten, 1992, 27) die Klage gegen die C Atomkraftwerke in Temelin aus völkerrechtlichen Gründen für unzulässig. Ein völkerrechtswidriges Verhalten eines Staates könne nur vom Nachbarstaat auf völkerrechtlicher Ebene geltend gemacht werden, nicht von einem Privaten vor nationalen Gerichten, Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 1300; zu den Tschernobyl-Verfahren in Deutschland Heß a.a.O. 154; Kren Kostkiewicz a.a.O. 435. Ausführlich auch Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 227. 448 OLG Köln vom 12.1.2004, OLGR 2006, 222 = IPRspr. 2004 Nr. 155. 449 OLG Frankfurt vom 1.10.1998, RIW 1999, 461, 462 = IPRax 1999, 247 (Hau 232) = IPRspr. 1998 Nr. 156. 450 LG Frankfurt a.M. vom 2.12.1975, NJW 1976, 1044 = IPRspr. 1975 Nr. 133. 451 BVerfG vom 6.12.2006, RIW 2007, 206, 208 Rz. 36 = NJW 2007, 2605 = IPRax 2007, 438 (von Hein 399) = IPRspr. 2006 Nr. 106. Siehe auch BVerfG vom 8.5.2007, IPRax 2008, 427 (Stadler 405). 452 So das schweizerische Bundesgericht, BGE 104 Ia 367; BGE 82 I 75; BGE 56 I 237; BGE 44 I 49; hierzu Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 295. 453 Schweizerisches Bundesgericht, BGE 112 Ia 150: „Die Funktion des Staates als Besteller gegenüber dem Unternehmer unterscheidet sich nicht von derjenigen eines Privaten.“ Zustimmend Kren Kostkiewicz a.a.O. 295. Ob auch die deutschen Gerichte diesen Satz ohne Abstriche übernehmen würden, erscheint fraglich. 454 OLG Frankfurt vom 4.5.1982, RIW 1982, 440 = IPRax 1983, 68, 70 (Albert 55) (dort wird offengelassen, ob die Ausbeutung der Erdöl- und Erdgasvorkommen als solche hoheitlich zu qualifizieren sei).
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Staatenimmunität treiben eines public relations-Instituts455 sowie Übernahme einer Bürgschaft oder Garantie für eine privatrechtliche Verbindlichkeit.456 Once a trader always a trader: Ein fremder Staat kann sich der Jurisdiktions- 584 unterworfenheit, die sich aus seinem Auftreten als Privatmann (iure gestionis) ergibt, nicht dadurch entziehen, dass er sich später als Hoheitsträger geriert. Es gibt keine „überholende Immunität“.457 Greift der beklagte Staat in ein als actum iure gestionis qualifiziertes Privatrechtsverhältnis, an dem er selbst beteiligt ist, mit (wirtschaftsdirigistischen) Gesetzen oder Verwaltungsakten ein, so erwächst ihm daraus nicht nachträglich ein Anspruch auf Immunität.458 Der Beklagte kann sich aber möglicherweise auf der Ebene des Privatrechts auf force majeure berufen.459 Delikte und Quasidelikte fremder Staaten: Die Unterscheidung zwischen acta 585 iure imperii und iure gestionis gilt derzeit nach Völkergewohnheitsrecht auch für außervertragliche Verbindlichkeiten, insbesondere für die deliktische Haftung fremder Staaten.460 Allerdings ist durch die neueren Kodifikationen ein Erosionsprozess in Gang gekommen. So schließt Art. 11 EuÜStI den Immunitätsanspruch fremder Staaten grundsätzlich (Ausnahmen: Art. 29 Buchst. b, 31, 32 EuÜStI) aus, ohne Rücksicht darauf, ob das Handeln als nicht hoheitlich zu qua-
455 LG Hamburg vom 26.3.1981, RIW 1981, 712 = IPRspr. 1981 Nr. 146b. 456 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 111. Weitere Hinweise bei van Hecke IPRax 1992, 205 sowie bei Batiffol/Lagarde, Droit international privé, tome I8, 1993, Nr. 693-2 und Grabinski IPRax 1992, 56 zur französischen Rechtsprechung (die wohl enger ist als die deutsche, weil sie für actes de service public Immunität gewährt) sowie bei Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 465 und bei Keller/ Siehr, Allgemeine Lehren des IPR, 1986, 563 zur schweizer. Rechtsprechung. Zur Abgrenzungsmethode der Kodifikationsentwürfe Heß a.a.O. 48 sowie Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998. 457 Seidl-Hohenveldern in Festschrift Beitzke, 1979, 1091. Noch weiter geht Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 420: „Wenn ein ausländischer Staat einen Vertrag mit einem Privaten eingeht, so handelt er selbst wie ein Privater.“ „Wenn er somit Werkverträge, auch wenn diese z.B. Renovationsarbeiten an Botschaftsgebäuden betreffen, abschliesst, oder Mietverträge eingeht, auch wenn es sich um Botschaftsgebäude handelt, wenn er Gegenstände kauft oder verkauft, Darlehen aufnimmt oder Staatsanleihen auf dem Geldmarkt anbietet oder andere Verträge eingeht, so geniesst er grundsätzlich keine Immunität.“ (S. 421). 458 Damian a.a.O. 106, 178; Seidl-Hohenveldern in Festschrift Beitzke, 1979, 1091; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 154. 459 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 1176. Dies ist allerdings umstritten, Nachweise bei Enderlein RIW 1988, 334 (aus DDR-Sicht); Nolting RIW 1988, 512 Fußn. 12. Vgl. auch Rz. 185 sowie Vischer/Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht2, 2000, Rz. 132 ff. zur Frage, wie sich der Private gegen „legislative Übergriffe“ seines staatlichen Partners durch sog. Stabilisierungsklauseln (= Unbeachtlichkeit späterer Rechtsänderungen) schützen kann. 460 Herrschende Meinung, Nachweise z.B. bei Damian a.a.O. 114.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit lifizieren ist, Rz. 749. Ebenso § 1605 (a) (5) (A) FSIA,461 sec. 5 StIA, sec. 6 CanStIA. Näher unten Rz. 626c. 586 Auch wenn nach der hier vertretenen Meinung fremde Staaten (noch) relative Immunität (für hoheitliches Handeln) beanspruchen können, sind doch Private, die Opfer eines Verkehrsunfalls werden, den ein Diplomat oder Konsul auf einer Dienstfahrt verursacht hat, nicht ohne jeden Rechtsschutz: Das Halten und der Betrieb eines Kraftfahrzeugs und die Teilnahme am Straßenverkehr sind nämlich generell auch dann als actum iure gestionis zu qualifizieren, wenn das Fahrzeug nur (überwiegend) zu Dienstfahrten verwendet wird. So hat der österreichische Oberste Gerichtshof zu Recht die Immunität der Vereinigten Staaten von Amerika verneint, als es um den Ersatz des Schadens aus einem Verkehrsunfall ging, den der Fahrer der US-Botschaft in Wien verursacht hatte, als er mit dem Dienstwagen die Botschaftspost abholen wollte.462 587 Als Exkurs zur Abrundung des Themas „Straßenverkehrsunfälle“ sei erwähnt, dass der Empfangsstaat nicht gegen Völkerrecht verstößt, wenn er für Diplomaten und deren Begleitung den Abschluss von Versicherungsverträgen zum Schutze Dritter obligatorisch vorschreibt.463 588 Zur Vollstreckbarerklärung von Entscheidungen ausländischer staatlicher Gerichte oder Schiedsgerichte siehe oben Rz. 544. 2. Vollstreckungsverfahren464 589 Kein generelles Vollstreckungsverbot: Dass das allgemeine Völkergewohnheitsrecht für das Erkenntnisverfahren die Mindestverpflichtung enthält, in Bezug 461 Hierzu Born/Rutledge, International Civil Litigation in the United States Courts4, 2006, 293. 462 OGH JBl. 62, 43. Siehe auch den Fall des LG Kiel vom 19.3.1953, NJW 1953, 1718 = MDR 1953, 489 = JZ 1954, 117 (Aubin) = IPRspr. 1952-53 Nr. 289, in dem es um einen Verkehrsunfall ging, den ein Bus der dänischen Staatsbahnen in Deutschland verursacht hatte. Weitere Nachweise bei Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 92 Fußn. 88, 152, 175, 181. 463 Nachweise bei Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 901 Fußn. 51; Heß a.a.O. 152. Der Geschädigte kann dann direkt gegen die Versicherung klagen, § 3 Pflichtversicherungsgesetz. Vgl. Rz. 626d, 664, 750. 464 Hierzu grundlegend BVerfG vom 13.12.1977, BVerfGE 46, 342 = NJW 1978, 485 (Bleckmann 1092) = ZaöRV 38 (1978), 245 = RIW 1978, 122 (Seidl-Hohenveldern) = IPRspr. 1977 Nr. 117; vgl. auch Bucher IPRax 1982, 161; Esser RIW 1984, 584; AG Hamburg vom 7.1.1981, RIW 1981, 712 = IPRspr. 1981 Nr. 146a; LG Hamburg vom 26.3.1981, RIW 1981, 712 = IPRspr. 1981 Nr. 146b. – Parallelentscheidungen: Cour de Cassation vom 14.3.1984, RIW 1985, 739; Cour de Cassation vom 1.10.1985, RIW 1987, 55 (SeidlHohenveldern); House of Lords vom 12.4.1984, Alcon Ltd. v. Columbia et al. IPRax 1986, 50 (van Houtte) = ILM 23 (1984) 719. Umfangreiche Nachweise zur Staatenpraxis und Lehre bei Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 116 ff., 161 ff.; Schnyder, Wirtschaftskollisionsrecht, 1990, 329 Rz. 399; Kerameus, Enforcement Proceedings in International Encyclopedia of Comparative Law, Vol. XVI Chapter 10, 56; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 132; Lange, Internationale Rechts- und Forderungspfändung: Eine Untersuchung zu den
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Staatenimmunität auf hoheitliches Verhalten (acta iure imperii) Immunität zu gewähren, bedeutet nicht schon, dass es auch für die Zwangsvollstreckung nur begrenzte Immunität geböte.465 Gegenwärtig fehlt eine allgemeine Regel des Völkerrechts, derzufolge dem Gerichtsstaat die Zwangsvollstreckung gegen den fremden Staat schlechthin verwehrt wäre.466 Verbot des Zugriffs auf Vermögen fremder Staaten mit hoheitlichem Verwendungszweck: Das Völkerrecht erlaubt nicht die Zwangsvollstreckung in Gegenstände, die hoheitlichen Zwecken dienen, auch wenn der Vollstreckungstitel gegen den fremden Staat in einem Verfahren über nicht hoheitliches Verhalten (acta iure gestionis) herrührt.467 Beispiele: Militärgeräte des fremden Staates (Kriegsschiffe, Militärflugzeuge, Panzer) und Nachschubeinrichtungen (Materialien zur Versorgung der Truppen und zur Durchführung militärischer Aktionen), Rz. 597.468 Anders als im Erkenntnisverfahren (Rz. 579) wird die Abgrenzung nicht nach objektiven Kriterien vorgenommen, sondern nach der Zweckbestimmung.469
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Chancen und Risiken „grenzüberschreitender“ Vollstreckungsmaßnahmen in Forderungen und sonstige Vermögensrechte unter besonderer Berücksichtigung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 und des Zustellungsreformgesetzes, Diss. Saarbrücken 2004, 49 ff.; Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 218; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 1175. Zurückhaltender die US-Praxis, die Bankauszüge ausländischer Missionen nicht schützt (vgl. Rz. 595), Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 288 Fußn. 8. Siehe auch M. Weller, Völkerrechtliche Grenzen der Zwangsvollstreckung – vom Botschaftskonto zur Kunstleihgabe, Rpfleger 2006, 364. Art. 19 (c) des (noch nicht in Kraft getretenen) Übereinkommens der Vereinten Nationen über die gerichtliche Immunität der Staaten und ihres Eigentums (Rz. 571); BVerfG vom 13.12.1977, BVerfGE 46, 342, 369 = NJW 1978, 485 (Bleckmann 1092) = ZaöRV 38 (1978), 245 = RIW 1978, 122 (Seidl-Hohenveldern) = IPRspr. 1977 Nr. 117; BVerfG vom 6.12.2006, RIW 2007, 206, 209 Rz. 37 ff. = NJW 2007, 2605 = IPRax 2007, 438 (von Hein 399) = IPRspr. 2006 Nr. 106. Nachweise bei Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 116. Zu neueren Entwicklungen in Frankreich Kröll IPRax 2002, 439. Siehe auch R. Geimer SchiedsVZ 2004, 108 sowie Kröll IPRax 2004, 223. Anders Art. 23 EuÜStI, Rz. 692. BGH vom 4.10.2005, NJW-RR 2006, 198 = RIW 2006, 60 = WM 2005, 2274 = IPRax 2007, 128 (Dutta 109) = SchiedsVZ 2006, 47 (Raeschke-Kessler) = IPRspr. 2005 Nr. 118. Nachweise bei Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts6, 2006, § 57 I 3 (b); Verdross/ Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 1175; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 471 Fußn. 40; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnisund im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 303, 310, 534 ff. Hierunter werden auch Auszahlungsbeträge aus Anleihen gezählt, wenn diese hoheitlichen Zwecken zu dienen bestimmt sind, LG Frankfurt a.M. vom 22.7.1999, IPRspr. 2000 Nr. 107 sowie vom 23.5.2000, RIW 2001, 308 = IPRspr. 2000 Nr. 107. Damian a.a.O. 180; BVerfG vom 13.12.1977, BVerfGE 46, 342, 400 = NJW 1978, 485 (Bleckmann 1092) = ZaöRV 38 (1978), 245 = RIW 1978, 122 (Seidl-Hohenveldern) = IPRspr. 1977 Nr. 117. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 471 Fußn. 41.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit Was die Art und Weise der Zwangsvollstreckung anbelangt, favorisiert die überwiegende Meinung innerstaatlich die (entsprechende) Anwendung des § 882a ZPO.470 591 Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Beginn der Zwangsvollstreckung.471 Wurde der Gegenstand vor Eröffnung der Zwangsvollstreckung für nicht hoheitliche Zwecke verwendet und nur deshalb „umgewidmet“, um ihn der Zwangsvollstreckung zu entziehen, so ist dies – da missbräuchlich – nicht zu beachten. Der Vollstreckungszugriff bleibt zulässig.472 592 Beispiele für Vermögensgegenstände, die nicht hoheitlichen Zwecken dienen:473 Beteiligungen an gewerblichen Unternehmen, Konten zur Abwicklung von Handelsgeschäften, Handelsschiffe und Luftfahrzeuge (außerhalb des Militärbereichs),474 Guthaben aus Anleihen (Rz. 558) oder sonstigen Wertpapiergeschäften. 593 Ne impediatur legatio (Rz. 796, 2147): Der klassische Fall hoheitlicher Zweckbestimmung ist der Betrieb einer Botschaft oder eines Konsulats im Vollstreckungsstaat.475 Deren Funktionsfähigkeit darf nicht durch Vollstreckungsmaßnahmen behindert, ja nicht einmal tangiert werden.476 Deshalb darf nicht auf die der diplomatischen (Art. 22 III, 24, 27 II 1 WÜD) oder konsularischen (enger Art. 31 IV, 33 WÜK) Vertretung zur Wahrnehmung ihrer amtlichen Funktionen
470 M. Weller, Völkerrechtliche Grenzen der Zwangsvollstreckung – vom Botschaftskonto zur Kunstleihgabe, Rpfleger 2006, 364, 371. 471 Damian a.a.O. 177. 472 Für die Begründung der internationalen Zuständigkeit im Erkenntnisverfahren auf der Grundlage des § 23 ZPO (Rz. 1372, 1378) kommt es auf den Zeitpunkt der Klageerhebung an, Rz. 1833; BGH NJW 1997, 2886; OLG Frankfurt vom 1.10.1998, RIW 1999, 461, 462 = IPRax 1999, 247 (Hau 232) = IPRspr. 1998 Nr. 156. 473 Damian a.a.O. 182. 474 BVerfG vom 6.12.2006, RIW 2007, 206, 209 Rz. 44 = NJW 2007, 2605 = IPRax 2007, 438 (von Hein 399) = IPRspr. 2006 Nr. 106; OLG Frankfurt vom 1.10.1998, RIW 1999, 461, 462 = IPRax 1999, 247 (Hau 232). 475 Art. 21 des (noch nicht in Kraft getretenen) Übereinkommens der Vereinten Nationen über die gerichtliche Immunität der Staaten und ihres Eigentums (Rz. 571); BVerfG vom 6.12.2006, RIW 2007, 206, 208 Rz. 33 ff. = NJW 2007, 2605 = IPRax 2007, 438 (von Hein 399) = IPRspr. 2006 Nr. 106. 476 Nicht unproblematisch daher OLG Köln vom 24.3.2004, IPRax 2006, 170 (Fassbender 129) = Rpfleger 2004, 478 = FGPrax 2004, 100 = NJOZ 2004, 2064 = IPRspr. 2004 Nr. 221: Der Schutzbereich des Art. 22 III WÜD werde nicht schon durch Eintragung einer Arrestsicherungshypothek berührt, da hierdurch nicht einmal die abstrakte Gefahr geschaffen werde, dass durch die Eintragung die Erfüllung diplomatischer Aufgaben beeinträchtigt werden kann. Der Immunitätsschutz werde dadurch in vollem Umfang gewährleistet, dass jede weitere Maßnahme des Gläubigers zur Verwertung des Grundstücks eines weiteren Verfahrens bedarf. Tendenziell anders jedoch BGH vom 4.10.2005, NJW-RR 2006, 425 = WM 2006, 41 = SchiedsVZ 2006, 44 (Raeschke-Kessler) = IPRspr. 2005 Nr. 91. Umfangreiche Nachweise bei von Hein, Voraussetzungen und Umfang des Immunitätsverzichts in Staatsanleihen, IPRax 2007, 399, 402.
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Staatenimmunität dienenden Gegenstände zugegriffen werden.477 Hierzu gehören nicht nur die Gebäude und Räume der Mission, sondern auch bewegliche Sachen, wie Einrichtungsgegenstände, Kraftfahrzeuge und sonstige Werte, z.B. Ansprüche und Bankkonten (Rz. 595).478 Wegen der Abgrenzungsschwierigkeiten bei der Beurteilung einer Gefährdung 594 dieser Funktionsfähigkeit und wegen der latent gegebenen Missbrauchsmöglichkeiten zieht das allgemeine Völkerrecht den Schutzbereich zugunsten des fremden Staates sehr weit und stellt auf die typische abstrakte Gefahr, nicht auf die konkrete Gefährdung der Funktionsfähigkeit der diplomatischen bzw. konsularischen Vertretung ab. So unterliegen Forderungen aus einem laufenden, allgemeinen Bankkonto der Botschaft eines fremden Staates, das im Gerichtsstaat besteht und zur Deckung der Kosten der Botschaft bestimmt ist, nicht der Zwangsvollstreckung durch den Empfangsstaat. Es würde nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts eine völkerrechtswidrige Einmischung in die ausschließlichen Angelegenheiten des Entsendestaats darstellen, dem Entsendestaat anzusinnen, die Verwendungszwecke von Guthaben auf einem solchen Konto näher darzulegen. Es ist jedoch nicht völkerrechtswidrig, von dem fremden Staat bzw. dessen Botschaft zu verlangen, durch eine gehörige Versicherung glaubhaft zu machen, dass das betreffende Konto zur Aufrechterhaltung der diplomatischen Vertretung dient.479 Völkerrechtswidrig – da Verletzung des Grundsatzes ne impediatur legatio – wäre es aber, vollen Beweis über die einzelnen Verwendungszwecke zu verlangen.480 Bei gemischtem Verwendungszweck (mixed accounts), z.B. wenn das Konto sowohl für den Betrieb der Botschaft als auch für die Abwicklung von Handelsgeschäften dient, ist die Vollstreckung in den nichthoheitli-
477 Damian a.a.O. 81, 180; Dahm/Delbrück/Wolfrum a.a.O. 289 (§ 38 II). Weitere Nachweise bei von Hein, Voraussetzungen und Umfang des Immunitätsverzichts in Staatsanleihen, IPRax 2007, 399, 401. 478 Dahm/Delbrück/Wolfrum a.a.O. 288 (§ 38 I 5). 479 BVerfG vom 13.12.1977, BVerfGE 46, 342, 400 = NJW 1978, 485 (Bleckmann 1092) = ZaöRV 38 (1978), 245 = RIW 1978, 122 (Seidl-Hohenveldern) = IPRspr. 1977 Nr. 117; OLG Frankfurt vom 1.10.1998, RIW 1999, 461, 462 = IPRax 1999, 247 (Hau 232) = IPRspr. 1998 Nr. 156. 480 Walther J. Habscheid BerDGVR 8 (1968), 267; Damian a.a.O. 177. Auch der BGH vom 28.5.2003, NJW-RR 2003, 1218 = WM 2003, 1388 = IPRspr. 2003 Nr. 115 (hierzu Geimer LMK 2003, 174 und Becker JuS 2004, 470) lehnt eine Beweiserhebung nach den strikten Regeln der ZPO ab und begnügt sich mit einer Wahrscheinlichkeitsabwägung auf der Grundlage einer an das Auswärtige Amt gerichteten Verbalnote des Botschafters des fremden Staates. Beweiserhebungen würden zu einer Offenlegung interner Vorgänge hoheitlicher Art führen. Dies wäre mit dem Grundsatz ne impediatur legatio nicht zu vereinbaren; denn es würde das völkerrechtliche Verbot der Nichteinmischung in die hoheitlichen Bereiche des fremden Staates verletzt. Damit will der BGH völkerrechtlichen Verwicklungen bereits in statu nascendi vorbeugen. Auf völkerrechtlicher Ebene haftet die Bundesrepublik Deutschland für jede Immunitätsverletzung ihrer Gerichte. Sie kann sich nicht auf die Unabhängigkeit und Weisungsungebundenheit ihrer Richter berufen, Rz. 205. Siehe auch von Hein, Voraussetzungen und Umfang des Immunitätsverzichts in Staatsanleihen, IPRax 2007, 399, 403.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit chen Zwecken dienenden Teil zwar nach Völkergewohnheitsrecht zulässig. Es wäre aber eine verbotene Einmischung in die ausschließlichen Angelegenheiten des fremden (Schuldner-)Staates, wollte man von ihm „Rechnungslegung“ verlangen.481 Daran scheitert nicht selten die Zwangsvollstreckung in toto. 595 Das Bundesverfassungsgericht482 ließ offen, ob und nach welchen Maßstäben Forderungen und sonstige Rechte aus anderen Konten eines fremden Staates bei Banken im Gerichtsstaat als hoheitliche oder nicht hoheitliche Vermögensgegenstände zu qualifizieren sind und welche völkerrechtlichen Grenzen gegebenenfalls für den Beweis insoweit zu beachten sind. Die Frage stellt sich etwa bei Forderungen aus besonderen Konten im Zusammenhang mit Beschaffungskäufen oder Anleihebegebungen oder aus Konten ohne besondere Zweckbestimmung. Es qualifiziert aber Forderungen aus Bankguthaben im Gerichtsstaat, die zur Überweisung auf ein Konto bestimmt sind, das ein fremder Staat bei seiner Zentralbank unterhält und das der Deckung von Haushaltsausgaben dient, nicht als hoheitlichen Zwecken dienendes Vermögen. Solche Guthaben erhalten nach dem Willen des fremden Staates die maßgebende Zweckbestimmung erst dann, wenn sie in die Verfügungsgewalt der Zentralbank (Rz. 626a) gelangt sind. Mit der Anweisung zur Weiterleitung der Guthaben an die Zentralbank werden allenfalls mittelbar hoheitliche Zwecke verfolgt. Der Gerichtsstaat wäre von Völkerrechts wegen auch dann nicht gehalten, die Guthaben als hoheitlichen Zwecken dienend zu qualifizieren, wenn sie nach ihrem Eingang auf dem Konto des fremden Staates bei seiner Zentralbank Zwecken zugeführt würden, die als hoheitlich zu qualifizieren wären. Daher ist nicht entscheidend, ob die Guthaben nach dem Recht des fremden Staates als hoheitlichen Zwecken dienend anzusehen sind. Qualifiziert der Gerichtsstaat den Bestimmungszweck in anderer Weise als der fremde Staat, so liegt darin auch kein Verstoß gegen das völkerrechtliche Interventionsverbot. Denn eine auf einer abweichenden Qualifikation beruhende gerichtliche Maßnahme ist kein Druckmittel, mit dem der Gerichtsstaat das Ziel verfolgt, auf die Ausgestaltung der politischen oder wirtschaftlichen Ordnung des fremden Staates Einfluss zu nehmen. Nach deutschem Recht wären Guthaben zur Deckung von öffentlichen Haushaltsposten als Teil des staatlichen Finanzvermögens anzusehen. Gegenstände des Finanzvermögens sind keine öffentlichen Sachen; sie unterstehen dem Privatrecht. Nach allgemeiner Auffassung findet die Unpfändbarkeitsvorschrift des § 882a II ZPO – abgesehen davon, dass dort nur „Sachen“, d.h. körperliche Gegenstände (vgl. § 90 BGB), die für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben unentbehrlich sind, dem Zugriff entzogen sind – auf Finanzvermögen keine Anwendung. Dagegen haben Guthaben, die der fremde Staat zu währungspolitischen Zwecken bei Banken im Gerichtsstaat unterhält, in aller Regel unmittelbar eine hoheitliche Zweckbestimmung.483
481 Damian a.a.O. 183. 482 BVerfG vom 13.12.1977, BVerfGE 46, 342, 398 = NJW 1978, 485 (Bleckmann 1092) = ZaöRV 38 (1978), 245 = RIW 1978, 122 (Seidl-Hohenveldern) = IPRspr. 1977 Nr. 117. 483 Zur Beweislast Walter RIW 1984, 9. Siehe auch R. Geimer SchiedsVZ 2004, 108.
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Staatenimmunität Dass das nicht hoheitlichen Zwecken dienende Vermögen fremder Staaten der 596 Vollstreckungsgewalt der Bundesrepublik Deutschland unterliegt, bestätigen die vielen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsverträge, die Deutschland abgeschlossen hat. So können nach Art. 18 II des deutsch-amerikanischen Abkommens vom 29.10.1954484 im öffentlichen Eigentum stehende oder öffentlich kontrollierte Unternehmen Vollstreckungsimmunität nicht beanspruchen.485 Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in Kriegsschiffe, Staatsjachten, Schiffe des 597 Überwachungsdienstes, Hospitalschiffe, Hilfsschiffe, Proviantschiffe und andere Fahrzeuge, die einem Staat gehören oder von ihm verwendet werden und die zur Zeit des Entstehens der Forderung, deretwegen der Zugriff betrieben wird, ausschließlich für einen staatlichen Dienst und nicht für Handelszwecke bestimmt sind oder verwendet werden, sind nach Art. 3 § 1 des Internationalen Abkommens zur einheitlichen Feststellung von Regeln über die Immunitäten der Staatsschiffe vom 10.4.1926486 unzulässig. Das Gleiche gilt für Ladungen, die einem Staat gehören und sich an Bord eines 598 solchen Schiffes befinden, Art. 3 § 2, und für „Ladungen, die einem Staat gehören und an Bord von Privatschiffen für staatliche und nicht für Handelszwecke befördert werden“. Im Übrigen unterliegen Staatsschiffe einschließlich ihrer Ladungen der Zwangsvollstreckung. Sie stehen privaten Schiffen und Ladungen gleich, Art. 1 und 2.487 Vgl. Rz. 411, 498. Die Unterscheidung zwischen hoheitlichen und nicht hoheitlichen Zwecken dienenden Schiffen findet sich auch in den neueren Seerechtskonventionen, deren bedeutendste die VN-Seerechtskonvention (Art. 95 und 96) ist.488 Auch die Zwangsvollstreckung in nicht hoheitlichen Zwecken dienende Luft- 599 fahrzeuge eines fremden Staates ist zulässig. Vgl. Art. 3 des Abkommens zur Vereinheitlichung von Regeln über die Sicherungsbeschlagnahme von Luftfahrzeugen vom 29.5.1933.489 Der Umzug der diplomatischen Vertretungen von Bonn nach Berlin hat zu man- 600 chen Fragen im Zusammenhang mit der Unverletzlichkeit der Gesandtschaftsgrundstücke (Art. 22 WÜD; Art. 31 WÜK) geführt. Es ist der Zeitpunkt zu bestimmen, ab dem das Bonner Grundstück nicht mehr hoheitlichen Zwecken dient und daher der Entsendestaat Vollstreckungsimmunität nicht mehr beanspruchen kann; vice versa stellt sich die Frage, wann das Botschaftsgrundstück 484 BGBl. 1956 II 488. 485 Nachweise bei Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 152. 486 RGBl. 1927 II 484. Hierzu Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 207; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 224; Rabe, Seehandelsrecht4, 2000, Einführung Rz. 28 ff. – Siehe nunmehr Art. 95 f. VN-Seerechtsübereinkommen (Rz. 739). 487 Damian a.a.O. 148. 488 Nachweise bei Damian a.a.O. 149; Heß a.a.O. 209. Vgl. auch Art. 10 III 2 des Übereinkommens vom 25.5.1962 über die Haftung der Inhaber von Reaktorschiffen (BGBl. 1975 II 977). 489 RGBl. 1935 II 302. Hierzu Damian a.a.O. 150 Fußn. 154; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 226.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit in Berlin unter diesem immunitätsrechtlichen Schutz steht. Beginnt dieser bereits mit dem Erwerb des Grundstücks zum Zwecke der Bebauung mit einem Botschaftsgebäude oder erst dann, wenn dieses funktionsfähig erstellt ist? Wie verhält es sich mit den im Zweiten Weltkrieg zerstörten Botschaften, wenn der betreffende ausländische Staat sie nicht mehr am gleichen Ort, sondern – gegebenenfalls im Wege des Grundstückstauschs – an anderer Stelle wieder eröffnet?490 601 Es besteht keine Konnexität zwischen Titel und Vollstreckungsobjekt: Der Gläubiger kann – aufgrund eines ordnungsgemäßen Titels – in das gesamte nicht hoheitlichen Zwecken dienende Vermögen des fremden Schuldnerstaates vollstrecken. Staaten haften – wie Private – mit ihrem gesamten Vermögen. 602 Anders regelt diesen Komplex § 1610 (a) (2) FSIA. Danach unterliegen der Vollstreckung nur Vermögensgegenstände, die für die im Zusammenhang mit dem geltend gemachten Anspruch stehende kommerzielle Aktivität des fremden Staates verwendet werden. Das der Vollstreckung zur Verfügung stehende Vermögen wird also aufgespaltet in die einzelnen Sektoren der wirtschaftlichen Tätigkeit des fremden Staates. Diese Vorschrift ist aber nicht geltendes Völkergewohnheitsrecht.491 Sie ist auch unzweckmäßig, da sie viele Abgrenzungsschwierigkeiten heraufbeschwört. Zudem lässt sich nicht begründen, weshalb in dieser Art Staaten gegenüber Privaten haftungsrechtlich zu bevorzugen sind. Vgl. Rz. 614. 603 Keine völkerrechtliche Pflicht zur Gewährung eines „Vollstreckungsaufschubs“: Das Völkergewohnheitsrecht gebietet nicht, nach Erlass des Vollstreckungstitels dem fremden Staat eine Frist zur (freiwilligen) Erfüllung zu gewähren, innerhalb derer die Durchführung der Zwangsvollstreckung unterbleiben müsste. Zwar schreibt § 1610 (c) FSIA eine solche Wartefrist vor. Doch haben die Vereinigten Staaten von Amerika diese Regel nicht in der Überzeugung einer völkerrechtlichen Pflicht in den Foreign Sovereign Immunities Act rezipiert, sondern im Rahmen des innerstaatlichen Gesetzgebungsspielraums. Für das 490 BGH vom 28.5.2003, NJW-RR 2003, 1218 = WM 2003, 1388 = IPRspr. 2003 Nr. 115 (hierzu Geimer LMK 2003, 174 und Becker JuS 2004, 470) befasste sich nur mit der Frage der Fortdauer des Immunitätsschutzes für das Bonner Grundstück: Kenia hatte dieses Grundstücks bereits verkauft, aber (angeblich) noch weiter zu diplomatischen Zwecken benutzt. Der Grundstückskaufvertrag war in seiner Abwicklung faktisch blockiert, weil ein in der Registratur der Botschaft angestellter kenianischer Staatsangehöriger wegen rückständigen Lohns einen Zwangsversteigerungsvermerk hatte eintragen lassen. Vollstreckungstitel war ein Versäumnisurteil des Arbeitsgerichts Bonn. Die Republik Kenia hatte sich vor dem Arbeitsgericht nicht eingelassen, jedoch Erinnerung beim Vollstreckungsgericht eingelegt unter Hinweis auf die weitere Nutzung des Grundstücks zu diplomatischen Zwecken. Diese war erfolgreich: Das AG Bonn hob den Zwangsversteigerungsbeschluss auf. Auch der BGH bejahte die Vollstreckungsimmunität, weil Kenia bei Beginn der Zwangsvollstreckungsmaßnahme das Bonner Gebäude noch zu diplomatischen Zwecken neben der Berliner Botschaft genutzt habe. 491 BVerfG vom 12.4.1983, BVerfGE 64, 1, 40 = NJW 1983, 2766 = RIW 1983, 613 (SeidlHohenveldern) = IPRax 1984, 196 (Stein 179) = IPRspr. 1983 Nr. 127; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 186; Seidl-Hohenveldern RIW 1985, 413; 1987, 55.
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Staatenimmunität deutsche Recht wird die analoge Anwendung des § 882a I 1 ZPO diskutiert; hierfür besteht jedoch keine Veranlassung.492 Das Völkerrecht kennt keine Beschränkung der Vollstreckungsmittel: Ist ein 604 Staat der Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland unterworfen, so wird er in der Zwangsvollstreckung behandelt wie jeder andere Schuldner. Das Völkergewohnheitsrecht gebietet keine Sonderbehandlung. Daher sind §§ 883 ff. ZPO auch gegen fremde Staaten anzuwenden. Die Anordnung und Beitreibung von Zwangsgeld (§ 888 I ZPO) bzw. Ordnungsgeld (§ 890 ZPO) ist zulässig, ebenso die Verhängung von Zwangshaft (§ 888 ZPO) gegen den (nicht persönliche Immunität genießenden) organschaftlichen Vertreter des fremden Staates, der für die Vornahme bzw. Unterlassung der nichthoheitlichen Handlung nach dem innerstaatlichen Recht des verurteilten fremden Staates verantwortlich ist.493 Für Erkenntnisverfahren vgl. Rz. 640. Ausnahmsweise Zulässigkeit der Vollstreckung in hoheitlichen Zwecken die- 605 nendes Vermögen: Vollstreckung in Vermögen, das hoheitlichen Zwecken des fremden Staates dient, ist zulässig bei Immunitätsverzicht des betroffenen Staates, Rz. 631494 und darüber hinaus in den in Rz. 648 genannten Fällen. Nach Art. VIII A § 3 des ILA-Entwurfs sollte der Zugriff auch auf (hoheitlichen Zwecken dienendes) Vermögen des fremden Staates zulässig sein, wenn dieser den Gegenstand, in den vollstreckt werden soll, unter Verletzung des Völkerrechts (z.B. der Regeln über Enteignung des Vermögens von Ausländern) an sich gebracht und einem hoheitlichen Verwendungszweck gewidmet hat. Eine solche Regel des allgemeinen Völkergewohnheitsrechts ist aber (zumindest derzeit) nicht nachweisbar. Ein Vollstreckungszugriff ist mithin nur zulässig, wenn Voraussetzungen für Repressalien gegen den fremden Staat, welcher das Völkerrecht verletzt hat, gegeben sind. Innerstaatlich fehlt jedoch seit Aufhebung des § 24 EGZPO (Rz. 36) eine Rechtsgrundlage.495 Zulässig ist der Vollstreckungszugriff auf hoheitlichen Zwecken dienendes Ver- 606 mögen eines fremden Staates, wenn der in Betracht kommende Gegenstand unter Verletzung der Gebietshoheit in den Vollstreckungsstaat gebracht wurde.496
492 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 172. Anderer Auffassung Walther J. Habscheid BerDGVR 8 (1968), 270. 493 Damian a.a.O. 173 Fußn. 285. Zur Zulässigkeit der Zwangshaft gegen gesetzliche Vertreter und Organe Stein/Jonas/Brehm, ZPO22, 2005, § 888 Rz. 43. 494 Hierzu ausführlich Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 440 ff.; Lange, Internationale Rechts- und Forderungspfändung: Eine Untersuchung zu den Chancen und Risiken „grenzüberschreitender“ Vollstreckungsmaßnahmen in Forderungen und sonstige Vermögensrechte unter besonderer Berücksichtigung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 und des Zustellungsreformgesetzes, Diss. Saarbrücken 2004, 120 ff. Zur Reichweite eines pauschal erklärten Immunitätsverzichts siehe oben Rz. 512, 521b, 562, 631. 495 § 24 EGZPO wurde aufgehoben mit Wirkung zum 1.10.1998 durch Gesetz vom 6.8.1998, BGBl. I 2030, 2033. Hierzu Bericht des Rechtsausschusses, Bundestagsdrucksache 13/10871 S. 16. 496 Damian a.a.O. 185. So BGE 65 I 46 für Zugriff auf einen geheimdienstlichen Zwecken dienenden Gegenstand.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit 607 Dringen Kriegsschiffe in völkerrechtswidriger Weise in Eigengewässer des Vollstreckungsstaates ein, entfällt ebenfalls die Vollstreckungsimmunität.497 608 Wahrung der Vollstreckungsimmunität fremder Staaten (bezüglich ihres hoheitlichen Zwecken dienenden Vermögens) in Vollstreckungsverfahren gegen Dritte: Das völkerrechtliche Verbot des Zugriffs auf Vermögensgegenstände fremder Staaten, die bei Beginn der Zwangsvollstreckung hoheitlichen Zwecken dienen, ist auch in Vollstreckungsverfahren gegen Dritte von Amts wegen zu beachten. Ihre Rechtsstellung an Gegenständen, die ihnen gehören oder an denen sie ein dingliches Recht haben oder die sich unter ihrer tatsächlichen Herrschaft befinden, darf auch durch die Zwangsvollstreckung gegen Dritte nicht geschmälert werden. Sie dürfen – im Hinblick auf hoheitlichen Zwecken dienendes Vermögen – nicht schlechter gestellt werden, als wenn das Vollstreckungsverfahren gegen sie selbst gerichtet wäre.498 Daher ist der betroffene fremde Staat nicht auf die Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) zu verweisen. Vielmehr ist sein Vollstreckungsprivileg von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zu beachten. 609 Dies gilt allerdings nicht, soweit in Vermögen vollstreckt wird, das nicht hoheitlichen Zwecken dient; denn in diesem Fall ist der fremde Staat wie jeder andere zu behandeln. Ist das deutsche Vollstreckungsorgan der Auffassung, der fremde Staat könne in concreto keine Vollstreckungsimmunität beanspruchen, ist dieser aber anderer Ansicht, so kann der Streit nach § 771 ZPO, aber auch aufgrund Erinnerung nach § 766 ZPO entschieden werden. 610 Ein fremder Staat hat Anspruch auf Vollstreckungsimmunität nicht nur als Schuldner, sondern auch als Drittschuldner.499 Der Gläubiger kann durch Pfändung einer Forderung seines Schuldners, die dieser gegen einen fremden Staat hat, keine bessere Rechtsposition erlangen, als sie seinem Schuldner (= Gläubiger des fremden Staates) zusteht. Dies betrifft aber nur die Durchsetzung der Forderung gegen den fremden Staat (Klage auf Erfüllung: Vollstreckung des Leistungsurteils), sofern dieser nicht bereit ist, freiwillig an den Vollstreckungsgläubiger zu leisten. 611 Streng hiervon zu trennen ist die Frage, ob ein Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen einen fremden Staat als Drittschuldner zulässig ist. Dies ist zu bejahen: denn es handelt sich nicht um eine Vollstreckungsmaßnahme gegen den fremden Staat, sondern gegen den Schuldner.500 In der Praxis scheitert aber oft die Zustellung an den fremden Staat. 497 498 499 500
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Mössner NJW 1982, 1197; Berg ZaöRV 42 (1982), 315. Damian a.a.O. 186. Damian a.a.O. 187. LG Bonn vom 21.6.1966, MDR 1966, 935 = DGVZ 1967, 73 = IPRspr. 1966–1967 Nr. 267b; Schack Rpfleger 1980, 176; Hellwig/Oertmann, System des Deutschen Zivilprozeßrechts II, 1919, 335. Anderer Auffassung AG Berlin vom 30.4.1937, DGVZ 1937, 297 = IPRspr. 1935–1944 Nr. 520. Ein gerichtlicher Zwang gegen den fremden Staat wird nicht ausgeübt, Rz. 408. So wohl auch Stein/Jonas/Brehm, ZPO22, 2005, § 829 Rz. 28 bei Fußn. 162. Anders noch Münzberg in Stein/Jonas, ZPO20 § 829 Rz. 28, der von einem „Akt der inländischen Vollstreckungsgewalt“ sprach. In der vorbehaltlosen Annahme der Zustellung liege jedoch eine stillschweigende Unterwerfung. Aber auch wenn man davon ausgeht, dass gegenüber dem Staat als Drittschuldner hoheitlich ge-
Staatenimmunität Vgl. auch die Sonderregelung in Art. 35 (b) des Zusatzabkommens zum NATOTruppenstatut.501
612
3. Arrest- und einstweilige Verfügungsverfahren (einstweiliger Rechtsschutz) Die vorstehenden Grundsätze gelten auch für den einstweiligen Rechtsschutz.502
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Keine von Völkerrechts wegen gebotene Zulässigkeitsvoraussetzung für Siche- 614 rungsmaßnahmen ist die sachliche Konnexität zwischen dem zu sichernden titulierten Anspruch und dem beschlagnahmten Vermögensgegenstand.503 Auch besteht keine Regel des Völkergewohnheitsrechts, derzufolge der Gerichts- 615 staat gehindert wäre, aufgrund eines in einem Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Titels zur Sicherung des vom Gläubiger geltend gemachten Anspruchs Zwangsmaßnahmen in Vermögenswerte eines fremden Staates zu betreiben.504 Zwar lässt sec. 1610 (d) FSIA eine der Anspruchssicherung dienende Beschlagnahme (attachment prior to the entry of judgment to secure satisfaction of a judgment) von Vermögensgegenständen eines fremden Staates nur zu, wenn dieser eine entsprechende Verzichtserklärung abgegeben hat.505 Auch Sec. 13 (2) (a) (3) StIA (U. K.) gewährt einstweiligen Rechtsschutz nur bei schriftlicher Zustimmung des betreffenden Staates. Diese Vorschriften (die sich übrigens in der Praxis nicht bewährt haben) verleihen – wie das Bundesverfassungsgericht zu Recht hervorhebt – jedoch nicht der Überzeugung Ausdruck, dem Gerichtsstaat sei es kraft allgemeinen Völkerrechts grundsätzlich verwehrt, zur vorläufigen Sicherung eines noch nicht rechtskräftig festgestellten Anspruchs auf Vermögensgegenstände eines fremden Staates zuzugreifen.506 Fazit: Ein vorläufig vollstreckbarer Titel reicht aus. Unanfechtbarkeit ist von Völkerrechts wegen nicht erforderlich.507
501 502
503 504 505 506 507
handelt wird, unterliegt der fremde Staat – sofern die gepfändete Forderung im Inland zu lokalisieren und nicht dem hoheitlichen Bereich (Beispiel: Lohnsteuerrückerstattungsanspruch) zuzurechnen ist – der deutschen Vollstreckungsgewalt. BGBl. 1961 II 1218; 1994 II 2594. Hierzu Beitzke in Festschrift Kegel 75, 1987, 55. BVerfG vom 12.4.1983, BVerfGE 64, 1, 36 ff. = NJW 1983, 2766 = IPRax 1984, 196 (Stein 179) = RIW 1983, 613 (Seidl-Hohenveldern) = IPRspr. 1983 Nr. 127; LG Frankfurt a.M. vom 11.5.1981, RIW 1981, 484 = IPRspr. 1981 Nr. 147, betreffend den dinglichen Arrest in das Vermögen der National Iranian Oil Company auf Betreiben mehrerer britischer und US-amerikanischer Gesellschaften; KG vom 26.6.2002, KGReport Berlin 2002, 356; vgl. auch den Fall des LG Frankfurt a.M. vom 2.12.1975, NJW 1976, 1044, 1045 = IPRspr. 1975 Nr. 133; ausführlich Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 188. BVerfG vom 13.12.1977, BVerfGE 46, 342 = NJW 1978, 485 (Bleckmann 1092) = ZaöRV 38 (1978), 245 = RIW 1978, 122 (Seidl-Hohenveldern) = IPRspr. 1977 Nr. 117. BVerfG vom 13.12.1977, BVerfGE 46, 342, 388 = NJW 1978, 485 (Bleckmann 1092) = ZaöRV 38 (1978), 245 = RIW 1978, 122 (Seidl-Hohenveldern) = IPRspr. 1977 Nr. 117. Nachweise bei Damian a.a.O. 189 Fußn. 344. Esser RIW 1984, 578. Damian a.a.O. 168 Fußn. 271.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit 4. Insolvenzverfahren 616 Ein Insolvenzverfahren über das nicht hoheitlichen Zwecken dienende Vermögen eines fremden Staates ist völkerrechtlich zulässig, Rz. 3452. 5. Klagen gegen Amtsträger (Beamte) 617 Die Regeln über die Staatenimmunität können nicht dadurch unterlaufen werden, dass die Klage nicht gegen den von der deutschen Gerichtsbarkeit unstreitig befreiten ausländischen Staat gerichtet wird, sondern gegen den Amtsträger (Beamten) des ausländischen Staates, der den Hoheitsakt erlassen bzw. veranlasst hat, Rz. 475. Es wäre eine Aushöhlung der Immunität souveräner Staaten im Bereich hoheitlicher Betätigung, wollte man staatliches Handeln durch Zugriff auf das handelnde Organ der deutschen Gerichtsbarkeit unterwerfen. Im Bereich hoheitlicher Tätigkeit (acta iure imperii) erstreckt sich die Immunität daher auch auf die handelnden Organe des betreffenden Staates, auch wenn diese keine Organe des Völkerrechtsverkehrs (Staatsoberhäupter, Diplomaten, Konsuln) sind.508 618 Hier geht es um sachbezogene Immunität des handelnden ausländischen Staatsorgans für acta iure imperii, nicht um eine solche aus der Person abgeleitete Immunität. Entscheidend ist, dass sich die den Gegenstand des Rechtsstreits bildende Handlung als staatlicher Hoheitsakt darstellt, der nur dem ausländischen Staat, nicht aber einer für diesen Staat handelnden Amtsperson zugerechnet werden kann, weil stets der Staat als Handelnder anzusehen ist, wenn einer seiner Amtsträger eine ihm obliegende Tätigkeit vornimmt. 619 Notare sind – im Bereich des Lateinischen Notariats – staatliche Hoheitsträger. Sie sind immunitätsrechtlich als staatliche Organe zu qualifizieren und nehmen daher an der Staatenimmunität teil. So kann z.B. ein französischer Notar vor deutschen Gerichten wegen einer Amtspflichtverletzung nicht belangt werden. Das Gleiche gilt vice versa.509 620 Auch beliehene Unternehmer (Privatpersonen, die staatliche Hoheitsaufgaben erfüllen) genießen den Schutz der Staatenimmunität ratione materiae. 6. Staatsunternehmen 621 Kontrovers diskutiert wird die Frage, ob rechtlich selbständige Organisationen eines ausländischen Staates (z.B. Staatsunternehmen in Form einer juristischen Person des Privatrechts) Staatenimmunität beanspruchen können.510 508 Dörr ArchVR 41 (2003), 201, 205; Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht10, 2000, Rz. 1482; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 1177; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 77; Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, Diss. Konstanz 1997, 101; BGH vom 26.9.1978, NJW 1979, 1101 = IPRspr. 1978 Nr. 133 für Klage gegen Leiter des New Scotland Yard wegen Übersendung eines Interpol-Berichtes an das Bundeskriminalamt. Die Klage erstrebte die Verurteilung zur Unterlassung von Beschuldigungen. 509 R. Geimer DNotZ 1992, 757. 510 Dagegen BGH vom 7.6.1955, BGHZ 18, 1, 9 = NJW 1955, 1435 = IPRspr. 1954–1955 Nr. 155; LG Frankfurt a.M. vom 2.12.1975, NJW 1976, 1044, 1045 = IPRspr. 1975
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Staatenimmunität Auch das rechtlich verselbständigte Unternehmen mit eigener Rechtspersön- 622 lichkeit, dessen sich ein Staat zur Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben bedient, nimmt nach der im Vordringen befindlichen „funktionalen Betrachtungsweise“ an seiner Immunität teil; denn es kommt nicht auf die „austauschbare Rechtsform, sondern auf die Funktion an, die das Staatsunternehmen erfüllt“.511 Damit ist die „strukturelle Lösung“ überwunden, die sich nur an der formalen Frage orientierte, ob das Staatsunternehmen rechtlich verselbständigt ist oder nicht. Erforderlich ist, dass es einer umfassenden Weisungsbefugnis und Kontrolle des 623 betreffenden Staates unterliegt. Allerdings ist der Umstand, dass sich der ausländische Staat einer juristischen Person des Privatrechts bedient, ein starkes Indiz für nichthoheitliches Handeln (iure gestionis).512 Zu Recht weist Damian513 darauf hin, dass eine übermäßige Ausweitung der Immunität den Rechtsschutz für Private unangemessen verkürzen würde. Wieso Staatsunternehmen zu Lasten des verfassungsrechtlich und durch Art. 6 I 624 EMRK verbürgten Justizgewährungsanspruchs (Rz. 1923) privilegiert werden sollen, ist nicht zu begründen. Dagegen kritisiert Schack514 die deutsche Vollstreckungs- und Gläubigerfreundlichkeit. „Andere Staaten, denen mehr der Schutz ihrer Bankplätze am Herzen liegt, schränken die Immunität nur ein, wenn eine ausreichende Binnenbeziehung vorhanden ist, so die U.S.A. in § 1065 (a) (2) F. S. I. A. und vor allem die Schweiz.“ Siehe auch Rz. 626e, 644. Konten von rechtsfähigen Staatsunternehmen genießen keine Vollstreckungs- 625 immunität. Sie sind der inländischen Gerichtsbarkeit nicht entzogen.515 Es be-
511 512
513 514 515
Nr. 133; OLG Frankfurt vom 22.9.1987, NJW-RR 1988, 682 = RIW 1988, 133, 134 = IPRspr. 1987 Nr. 20. Dafür OLG Frankfurt vom 4.5.1982, RIW 1982, 440 = IPRax 1983, 69 (Albert 55); Hausmann IPRax 1982, 55; Esser RIW 1984, 578, 585; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 24 ff.; Keller/Siehr, Allgemeine Lehren des internationalen Privatrechts, 1986, 562. Weitere Nachweise bei Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 466; Kronke IPRax 1989, 178; v. Hoffmann BerDGVR 25 (1984) 37; Herz, Die Immunität ausländischer Staatsunternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit, Diss. Tübingen 1992; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnisund im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 356 ff. Die ehedem sozialistischen Staaten beanspruchten nach Enderlein RIW 1988, 333 für Außenhandelsunternehmen keine Immunität. – Vgl. auch Nolting RIW 1988, 511 Fußn. 1 sowie die Nachweise bei Busl, Ausländische Staatsunternehmen im deutschen Vollstreckungsverfahren, Diss. München 1991. Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 153; Nachweise bei Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 62. Walther J. Habscheid BerDGVR 8 (1968), 169; BVerfG vom 12.4.1983, BVerfGE 64, 1 = NJW 1983, 2766 = RIW 1983, 613 (Seidl-Hohenveldern) = IPRax 1984, 196 (Stein 179) = IPRspr. 1983 Nr. 127 läßt die Frage offen. Nachweise bei v. Hoffmann BerDGVR 25 (1984), 47 und Heß a.a.O. 63 zu den Kodifikationsentwürfen. Siehe auch Art. 27 EuStIÜ, der eine Vermutung gegen die Immunität des rechtlich selbständigen Unternehmens stipuliert. Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 31. Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 156. BVerfG vom 12.4.1983, BVerfGE 64, 1 = NJW 1983, 2766 = RIW 1983, 613 (Seidl-Hohenveldern) = IPRax 1984, 196 (Stein 179)= IPRspr. 1983 Nr. 127; Esser RIW 1984, 577;
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit steht keine allgemeine Regel des Völkerrechts, die es geböte, einen fremden Staat als Inhaber von Forderungen aus Konten zu behandeln, die bei Banken im Gerichtsstaat unterhalten werden und auf den Namen eines rechtsfähigen Unternehmens des fremden Staates lauten. Der Gerichtsstaat ist nicht gehindert, das betreffende Unternehmen als Forderungsberechtigten anzusehen und aufgrund eines gegen dieses Unternehmen gerichteten Vollstreckungstitels, der in einem vorläufigen oder endgültigen Rechtsschutzverfahren über ein nichthoheitliches Verhalten des Unternehmens ergangen ist, zur Sicherung des titulierten Anspruchs die betreffenden Forderungen zu pfänden. Das gilt unabhängig davon, ob die Guthaben auf diesen Konten zur freien Verfügung des Unternehmens stehen oder nach fremdem Recht zur Überweisung auf ein Konto des fremden Staates bei dessen Zentralbank bestimmt sind. 626 Für die Inhaberschaft und Verfügungsbefugnis bei Bankkonten ist nach deutschem Recht die Kontobezeichnung maßgebend.516 Wird ein Konto unter eigenem Namen errichtet, so ist der Errichtende in Bezug auf seine Guthaben Gläubiger der Bank, es sei denn, die besonderen Umstände des Einzelfalls lassen erkennen, dass ein Dritter Inhaber von Forderungen aus dem Konto werden sollte. Ein Treuhandkonto ist in Zwangsvollstreckung und Insolvenz nur dann als Vermögen des Treugebers zu behandeln, wenn die Kontobezeichnung oder sonstige Umstände den Treuhandcharakter des Kontos offenkundig machen. Diese Regelung des deutschen Rechts ist völkerrechtskonform; sie basiert auf einer sachgerechten Anknüpfung.517 7. Zentralbanken 626a Zentralbanken – ganz gleich, wie sie rechtlich organisiert sind – haben nicht nur hoheitliche Aufgaben (z.B. Ausgabe von Banknoten, Überwachung und Steuerung des Geldverkehrs mit dem Ausland), sondern nehmen auch am allgemeinen Bank- und Wirtschaftsverkehr teil. Im letzteren Fall besteht keine Immunität, weder für das Erkenntnis- noch für das Vollstreckungsverfahren. Die Zentralbank kann im Erkenntnisverfahren nur dann Immunität beanspruchen, wenn sie hoheitlich tätig war. Vollstreckungsimmunität besteht nur für offen deklarierte Devisenreserven.518
Stein IPRax 1984, 179. Das Ausgangsverfahren des Bundesverfassungsgerichts betraf Erlöse aus Erdölverkäufen, welche der Finanzierung des Staatshaushalts dienen sollten, OLG Frankfurt vom 4.5.1982, RIW 1982, 440 = IPRax 1983, 68, 70 (Albert 55). 516 Canaris NJW 1973, 825. 517 Anderer Auffassung Gramlich NJW 1981, 2618. 518 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 157, 159: „Denn sonst könnte der Immunitätsschirm der Zentralbanken allzu leicht missbraucht werden, um ihre Gelder dahinter für Gläubiger unkontrollierbar zu machen.“ Rechtsvergleichend Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 370 ff. Siehe auch Krauskopf/Steven, Immunität ausländischer Zentralbanken im deutschen Recht, WM 2000, 269.
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Staatenimmunität 8. Rundfunkanstalten Auch wenn nach innerstaatlichem Recht eine (rechtlich selbständige) Rundfunkanstalt Staatsaufgaben wahrnimmt – was die deutschen ja gerade nicht tun: sie sind „staatsfrei“ – ist ihre Tätigkeit nicht iure imperii.519
626b
9. Deliktsklagen a) Inlandsdelikte Wurde das Delikt ausschließlich in Deutschland begangen, entfällt im Bereich des Friedensvölkerrechts520 die Immunität auch für acta iure imperii, z.B. bei geheimdienstlichen Aktivitäten, Rz. 556, 877c. Beispiel:521 Die Erben des 1976 in Washington mit einer Autobombe auf offener Straße ermordeten chilenischen Exilpolitikers Letelier verklagten Chile am forum delicti commissi in den Vereinigten Staaten von Amerika. Das US-Gericht verurteilte Chile (das sich ohne Erfolg auf die Staatenimmunität berief) durch Versäumnisurteil zu 5 000 000 US-$ Schadensersatz. Ob die umfassende Immunitätsausnahme bei Inlandsdelikten bereits geltendes Völkerrecht ist, ist zweifelhaft.522 Zu Art. 11 des Europäischen Übereinkommens
519 Anders die Argumentation des Bayerischen Rundfunks vor dem Arbeitsgericht Rom in einem Kündigungsrechtsstreit des ARD-Studios Rom, Kronke IPRax 1989, 176. 520 Nicht jedoch bei kriegerischen und sonstigen militärischen Auseinandersetzungen, Rz. 503; EGMR vom 21.11.2001- Appl. No. 31253/96 McElhinney, EuGRZ 2002, 415; Dörr ArchVR 41 (2003), 201, 207 ff., 218; Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 181, 206a, 240; Hobe IPRax 2001, 368; Heß in Festschrift Schütze, 1999, 269, 285. Anders der griechische Areopag vom 4.5.2000, Dike 2000, 722 (Beys); ebenso Vorinstanz LG Levadia [1998] AJIL 765 (Bentakis). Dessen Rechtsansicht ist aber überholt durch das Urteil des Obersten Sondergerichts Griechenlands vom 17.9.2002. Vgl. EGMR vom 12.12.2002, NJW 2004, 273; BGH vom 26.6.2003, BGHZ 155, 279 = NJW 2003, 3488 = VersR 2004, 1312 = LMK 2003, 215 (Geimer) = IPRspr. 2003 Nr. 116; bestätigt durch BVerfG vom 15.2.2006, NJW 2006, 2542 = EuGRZ 2006, 105 = IPRspr. 2006 Nr. 103. Hierzu Beys in Festschrift Geimer, 2002, 67; Beys Dike 31 (2002), 736; Heß BerDGVR 40 (2003), 107, 127; Kempen in Festschrift Steinberger, 2002, 179; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 2 Rz. 12. Siehe auch Cremer, Entschädigungsklagen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen und Staatenimmunität vor nationaler Zivilgerichtsbarkeit, ArchVR 41 (2003), 137; Dörr, Staatliche Immunität auf dem Rückzug, ArchVR 41 (2003), 201; Stürner in Festschrift Georgiades, 2005, 1299, 1307; Wilhelmi, Das Weltrechtsprinzip im internationalen Privat- und Strafrecht, Diss. Trier 2007, 247 ff. 521 De Letelier v. Republic of Chile, 488 F. Supp. 665 (D.C. for D.C. 1980), hierzu Born/ Rutledge, International Civil Litigation in the United States Courts4, 2006, 301; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 93; Heß IPRax 1993, 110; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 431; Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, Diss. Konstanz 1997, 34; Seidl-Hohenveldern/ Hummer in Neuhold/Hummer/Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. I Rz. 871. 522 Vgl. Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 293 sowie 50, 103, 216. Klar verneinend Dörr, Staatliche Immunität auf dem Rückzug?, ArchVR 41 (2003), 201, 218.
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626c
Dritter Teil: Gerichtsbarkeit über die Staatenimmunität siehe Rz. 749. Bisher hat noch kein Gericht Art. 11 als Regel des allgemeinen Völkergewohnheitsrechts gegenüber Drittstaaten (die nicht Vertragsstaaten des Europäischen Übereinkommens sind) angewandt.523 Art. 12 des VN-Übereinkommens über die gerichtliche Immunität der Staaten und ihres Eigentums (Rz. 571), der ebenso wie Art. 11 des Europäischen Übereinkommens bei Inlandsdelikten auch bei hoheitlichem Handeln keine Immunität gewährt, wurde in Stellungnahmen einiger Staaten kritisiert.524 Vor dem Hintergrund der Rainbow-Warrior-Affäre – nach Art. 12 des VN-Übereinkommen über die gerichtliche Immunität der Staaten und ihres Eigentums wäre eine Klage der Umweltschutzorganisation Greenpeace gegen Frankreich vor neuseeländischen Gerichten wegen Versenkung ihres Schiffs in Auckland durch französische Agenten zulässig gewesen525 – bezweifelten viele ILC-Mitglieder, ob eine solche Immunitätsausnahme akzeptabel sei.526 Besondere Regeln gelten für die Immunität von Staatsschiffen. Nur hinsichtlich der Verantwortlichkeit für Kriegsschiffe besteht Immunität, nicht jedoch bei Kollisionen, an denen Handelsschiffe des beklagten Staates beteiligt sind, Rz. 597.527 Auch für Klagen in Zusammenhang mit im Inland stationierten Truppenverbänden besteht Immunität, Rz. 818.528 Diese Regel des allgemeinen Völkergewohnheitsrechts ist angesichts der völkervertraglichen Regelungen (Rz. 820) derzeit von geringer praktischer Bedeutung für die deutschen Gerichte.529 b) Auslandsdelikte 626d Ist das (angebliche) Delikt im Ausland, d.h. im beklagten Staat oder in einem dritten Staat oder im staatsfreien Gebiet begangen, besteht Immunität vor inländischen Gerichten für acta iure imperii, z.B. Enteignungen oder sonstige Verwaltungsmaßnahmen, auch wenn der beklagte Staat das Völkerrecht flagrant verletzt hat. Dies gilt insbesondere auch im Zusammenhang mit Krieg und militärischer Besetzung.530 626e Die Gerichtsbarkeit Deutschlands ist aber – wie auch für Vertragsklagen etc. – zu bejahen für Deliktsklagen, die acta iure gestionis betreffen. Eine andere Frage ist, 523 Heß a.a.O. 293 Fußn. 21. 524 Nachweise bei Heß a.a.O. 282. 525 Zur Erledigung durch ein geheimes Schiedsverfahren Heß a.a.O. 282 Fußn. 240, 347 Fußn. 204. 526 Vgl. auch KG vom 26.6.2002, KGReport Berlin 2002, 356 betreffend den geheimdienstlich organisierten Sprengstoffanschlag auf die Berliner Diskothek „La Belle“. 527 Hierzu z.B. Rabe, Seehandelsrecht4, 2000, Einführung Rz. 28 ff. 528 Heß a.a.O. 293. 529 Für die im Ausland eingesetzten deutschen Truppenverbände gilt das jeweilige (von der Nato bzw. den Vereinten Nationen ausgehandelte) Stationierungsreglement, hilfsweise das allgemeine Völkergewohnheitsrecht. Siehe auch allgemein Limpert, Auslandseinsatz der Bundeswehr, 2002. 530 Siehe auch österreichische OGH vom 11.4.1995, IPRax 1996, 41 (Seidl-Hohenveldern 52) betreffend jugoslawisches Luftwaffenbombardement in Slowenien; Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 181.
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Staatenimmunität ob eine internationale Zuständigkeit besteht. Hier gibt es keine Sonderregelung für ausländische Staaten. Es gelten Art. 2 ff. EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ bzw. §§ 12 ff. ZPO, insbesondere auch § 23 ZPO, Rz. 643, 1378. Die Praxis anderer Staaten, die allgemein Klagen aus Auslandsdelikten gegen fremde Staaten nicht zulassen,531 hat keine Basis im Völkergewohnheitsrecht, Rz. 643. 10. Klagen in Zusammenhang mit schweren Völkerrechtsdelikten Mitunter wird behauptet, ein Staat könne sich nicht auf seine Immunität beru- 626f fen, wenn er vor fremden Gerichten wegen schwerer Völkerrechtsverstöße belangt wird. Eine solche Immunitätsausnahme ist jedoch nicht geltendes Völkergewohnheitsrecht, Rz. 502 f. 11. Dingliche Klagen Die Befreiungen von der Gerichtsbarkeit kommen nicht zur Anwendung hin- 627 sichtlich dinglicher Klagen, die inländische Grundstücke oder grundstücksgleiche Rechte betreffen, Rz. 733. Insoweit ist die Gerichtsbarkeit des Belegenheitsstaates unbeschränkt.532 Das Interesse des Gerichtsstaates an der Kontrolle seines Staatsgebietes hat Vorrang vor dem Interesse des beklagten Staates, nicht vor ein fremdes Gericht gezogen zu werden und dort Rede und Antwort stehen zu müssen.533 Dieser Grundsatz ist unbestritten seit Jahrhunderten fester Bestandteil des Völkergewohnheitsrechts.534 Er gilt nicht nur für das Erkenntnisverfahren, sondern auch für das Stadium der Vollstreckung. Der Gläubiger darf in den inländischen Grundbesitz vollstrecken (z.B. aufgrund der rei vindicatio), auch wenn er hoheitlichen Zwecken des fremden Staates dient.535 12. Erbschaftsklagen Vorstehendes (Rz. 627) gilt auch für Klagen, die den Erbfall an im Inland belege- 628 nen Vermögen betreffen.536
531 Nachweise bei Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 295; Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, Diss. Konstanz 1997, 34. 532 Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 126, 199. 533 Seidl-Hohenveldern, L’immunité de juridiction et d’exécution des Etats et des organisations internationales in Weil, Droit International I, 1981, 126; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 50 Fußn. 159; Riezler, Internationales Zivilprozeßrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 375, 382; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 52; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 413 ff., 455. 534 Siehe nunmehr Art. 13 der VN-Konvention über die Staatenimmunität (Rz. 571). 535 Damian a.a.O. 184. – Siehe Art. 9 der Europäischen Konvention (Rz. 733) und Art. 15 des ILC-Entwurfs 1983, § 1605 (4) U.S. Sovereign Immunities Act 1976, sec. 6 (1) U.K. State Immunity Act 1978. 536 Malina, Die völkerrechtliche Immunität ausländischer Staaten im zivilrechtlichen Erkenntnisverfahren, Diss. Marburg 1978, 55; Damian a.a.O. 60, 184; Kren Kostkiewicz,
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit 13. Klagen betreffend geistiges Eigentum und gewerbliche Schutzrechte 628a Nach Art. 14 des Übereinkommens über die gerichtliche Immunität der Staaten und ihres Eigentums (Rz. 571) und Art. 8 des Europäischen Übereinkommens über die Staatenimmunität (Rz. 724) kann ein ausländischer Staat sich nicht auf Immunität berufen, wenn ein Patent, ein gewerbliches Muster, ein Modell, ein Warenzeichen, eine Dienstleistungsmarke oder ein anderes gleichartiges Recht, das im Gerichtsstaat angemeldet, hinterlegt, eingetragen oder auf andere Weise geschützt ist, Gegenstand des Streits ist. Es ist fraglich, ob eine solche Immunitätsschranke bereits kraft allgemeinen Völkergewohnheitsrechts besteht.537 14. Verzicht auf Immunität (Unterwerfung) 629 Soweit der ausländische Staat sich der inländischen Gerichtsbarkeit unterwirft, kann eine Sachentscheidung ergehen.538 Die Unterwerfung kann ausdrücklich (durch völkerrechtlichen Vertrag, durch privatrechtlichen Vertrag mit Privaten [= Nichtvölkerrechtssubjekt, Rz. 521539] oder durch entsprechende Erklärung vor Gericht)540 oder auch durch konkludente Handlung erfolgen, z.B. wenn sich der beklagte Staat vorbehaltlos einlässt.541 Die Verzichtserklärung bedarf grundsätzlich542 keiner besonderen Form.543 Die Zustellung der Klageschrift durch Zustellungsorgane des betroffenen Staates bzw. die Entgegennahme der Klage stellt aber für sich allein noch keinen Verzicht auf die Immunität dar. Die Erhebung der Widerklage bedeutet jedoch eine konkludente Unterwerfung, Rz. 506, 634a, 713. 630 Der für einen bestimmten Prozess (Streitgegenstand) erklärte Immunitätsverzicht umfasst im Zweifel nicht eine Klageänderung, sofern der beklagte Staat ihr nicht zugestimmt hat.544
537 538 539
540 541
542
543 544
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Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 416, 455. Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 419. Zur Frage der Zuständigkeit zur Abgabe der Verzichtserklärung Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 135. Siehe nunmehr Art. 7 der VN-Konvention über die Staatenimmunität (Rz. 571). Vgl. auch Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 150: z.B. mit Banken (bei Kreditaufnahme) oder mit Vermieter (von Räumlichkeiten). Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 469 (§ 73 III 2). Art. 8 der VN-Konvention über die Staatenimmunität (Rz. 571); siehe auch Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 406. Ausführlich Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 156 ff. Ausnahmen: Art. 23 des Europäischen Übereinkommens über die Staatenimmunität (Rz. 715) sowie Art. 45 II der Wiener Konvention über konsularische Beziehungen (Rz. 810). Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 143. Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 152.
Staatenimmunität Die wirksame Unterwerfung hinsichtlich des Erkenntnisverfahrens umfasst 631 nicht das Vollstreckungsverfahren.545 Insoweit bedarf es einer (weiteren) Unterwerfung.546 Allerdings ist der Immunitätsverzicht nur zur Vollstreckung in hoheitlichen Zwecken dienendes Vermögen notwendig, Rz. 590.547 Hat sich der fremde Staat vor einem Notar gemäß § 794 I Nr. 5 ZPO der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen, so liegt darin auch ein Verzicht hinsichtlich der Durchführung der Zwangsvollstreckung.548
632
Von der inländischen Gerichtsbarkeit befreite Amtsträger (Rz. 765 ff.) können ih- 633 re Unterwerfung nicht im eigenen Namen erklären, Rz. 474, 791, 810. Notwendig ist vielmehr die Unterwerfung des Staates, dem die befreite Person staatsrechtlich zuzuordnen ist.549 15. Ausländischer Staat als Kläger In der Rolle des Klägers bzw. Antragstellers550 genießen ausländische Staaten keine Privilegien (Rz. 506, 706).551 Sie sind z.B. verpflichtet, dem Beklagten Prozesskostensicherheit (§ 110 I ZPO) zu leisten.552 Sie müssen ein klageabweisen545 BGH vom 4.10.2005, NJW-RR 2006, 425 = WM 2006, 41 = SchiedsVZ 2006, 44 (Raeschke-Kessler) = IPRspr. 2005 Nr. 91; Lange, Internationale Rechts- und Forderungspfändung: Eine Untersuchung zu den Chancen und Risiken „grenzüberschreitender“ Vollstreckungsmaßnahmen in Forderungen und sonstige Vermögensrechte unter besonderer Berücksichtigung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 und des Zustellungsreformgesetzes, Diss. Saarbrücken 2004, 130. 546 Damian a.a.O. 44; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 471 (§ 73 IV); Batiffol/Lagarde, Droit international privé, tome I8, 1993, Nr. 694 Fußn. 19; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 442 ff.; Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 153. 547 Besonders weit reicht der Schutz des Diplomatenrechts und des gesamten Botschaftsbzw. Gesandschaftskomplexes; dazu oben Rz. 473, 562 a.E. 548 Damian a.a.O. 170; Matscher a.a.O. Rz. 154. Anders ist es beim Prozessvergleich, Rz. 554a. 549 Art. 32 I WÜD, Art. 45 I WÜK, Riezler, Internationales Zivilprozeßrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 378; R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 76 Fußn. 49. Unklar BGH vom 26.9.1978, NJW 1979, 1101 = IPRspr. 1978 Nr. 133. 550 Der in Deutschland akkreditierte Missionschef (Art. 3 I lit. a und b WÜD) kann ohne besondere Ermächtigung oder Vollmacht seinen Entsendestaat bei der Klageerhebung bzw. Antragstellung und im Verfahren vertreten; unberührt bleibt der vor deutschen Gerichten geltende Anwaltszwang (§ 78 ZPO), Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 202. 551 VG Mainz vom 5.5.1988, ArchVR 1989, 389 = IPRspr. 1989 Nr. 177; Dutta, Vollstreckung in öffentlichrechtliche Forderungen ausländischer Staaten, IPRax 2007, 109, 115, 193; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 163; Nachweise bei Dormann Bessenich, Der ausländische Staat als Kläger, 1993 sowie bei Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 396 ff. Siehe nunmehr auch Art. 8 I (a) der VN-Konvention über die Staatenimmunität (Rz. 571). 552 LG Hamburg vom 19.1.1977, IPRspr. 1977 Nr. 113.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit des Urteil, Rechtsmittel des Gegners gegen (günstige) Urteile, Vollstreckungsgegenklagen (§ 767 ZPO) hinnehmen.553 Verliert der fremde Staat den Prozess, so wird er zur Tragung der Kosten des Rechtsstreits verurteilt (§§ 91 ff. ZPO).554 Der Beklagte kann seine erstattungsfähigen Kosten auch gegen den fremden Staat nach §§ 103 ff. ZPO festsetzen lassen. Er kann dann in das nicht hoheitlichen Zwecken dienende Vermögen des Staates vollstrecken, Rz. 590, 631. Hat der klagende Staat zunächst obsiegt und aus dem vorläufig vollstreckbaren Titel vollstreckt, wurde dann aber der Titel aufgehoben und die Klage abgewiesen, so kann der Beklagte seinen im gleichen Verfahren nach §§ 717 II und III, 945 ZPO erlangten oder in einem selbständigen Prozess (für den allerdings eine Unterwerfung notwendig ist) erstrittenen Titel nur in das nicht hoheitlichen Zwecken dienende Vermögen vollstrecken.555 16. Ausländischer Staat als Widerkläger 634a Antwortet der beklagte Staat auf die gegen ihn gerichtete Klage mit einer Widerklage, so liegt darin auch ein Verzicht auf die Immunität bezüglich der Klage, Rz. 713.556 17. Ausländischer Staat als Widerbeklagter 635 Erhebt der Beklagte eine konnexe Widerklage, so kann sich der als Kläger auftretende ausländische Staat in seiner Rolle als Widerbeklagter nicht auf seine Befreiung von der Gerichtsbarkeit berufen.557 636 Widerklagen, die privatrechtlich geregelte Rechtsverhältnisse (acta iure gestionis) betreffen, sind uneingeschränkt zulässig. Problematisch sind allein Widerklagen iure imperii, also Widerklagen, die einen nach (ausländischem) öffentlichem Recht zu beurteilenden (hoheitlichen) Streitgegenstand betreffen. Nach 553 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 470; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht16, 2004, § 19 Rz. 24; Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, 1985, 71. 554 Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 166. 555 Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, 1985, 72. 556 Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 162. Enger die herrschende Meinung, die Konnexität verlangt, Nachweise bei Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 402. 557 Siehe Art. 9 der VN-Konvention über die Staatenimmunität (Rz. 571). So schon Riezler, Internationales Zivilprozeßrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 367; Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht10, 2000, Rz. 1467; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 398 ff.; Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 158; Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006, 391 ff.; enger Stein/ Jonas/H. Roth, ZPO22, 2003, § 33 Rz. 11; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 48.
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Staatenimmunität Art. 1 II (a) EuÜStI und Art. 9 VN-Konvention kann Immunität nicht beansprucht werden für Widerklagen, die demselben Rechtsverhältnis/Sachverhalt wie die Klage entspringen. Nach Eickhoff558 folgt die Gerichtsbarkeit für eine Widerklage, die hoheitliches Verhalten (acta iure imperii) betrifft, z.B. Ansprüche aus Amtspflichtverletzung, auf Rückzahlung von (zuviel gezahlten) Steuern oder Gebühren, auf Gewährung von Subventionen etc., nicht allein aus der Klageerhebung.559 Eickhoff560 kommt bezüglich der Zulässigkeit von Widerklagen zu folgendem Ergebnis: Der Satz, dass sich der ausländische Staat auch konnexen Widerklagen unterwirft, ist völkerrechtlich zutreffend nur für Widerklagen, die privatrechtliches Handeln (acta iure gestionis) betreffen. Er gilt aber nicht für Widerklagen, die hoheitliches Handeln (acta iure imperii) zum Gegenstand haben, und zwar auch dann, wenn die Klage bereits einen Hoheitsakt des ausländischen Staates betrifft. Diese Auslegung ist wohl zu eng, Rz. 708, Rz. 771.
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18. Aufrechnung Gleich ist die Problematik bei der Aufrechnung.561
638
19. Streitverkündung an ausländischen Staat Eine solche ist unzulässig, soweit der Staat (= Streitverkündungsempfänger) als 639 Beklagter von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit wäre.562 Gleichwohl ist der Streitverkündungsschriftsatz zuzustellen bzw. mitzuteilen, weil sich der Staat der Gerichtsbarkeit unterwerfen kann, indem er in dem betreffenden Verfahren interveniert, Rz. 479.563 20. Nebenintervention des ausländischen Staates Wenn ein fremder Staat als Nebenintervenient auftritt, kann er sich nicht auf sei- 639a ne Immunität berufen.564
558 Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, 1985, 70. 559 Dies ist nicht unstrittig, Nachweise bei Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 45 ff. und Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 398 ff. 560 Eickhoff a.a.O. 70. 561 Damian a.a.O. 49; Eickhoff a.a.O. 78; Kren Kostkiewicz a.a.O. 404. 562 Für völkerrechtliche Zulässigkeit jedoch Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 124. 563 Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 123, 201. Anderer Auffassung RGZ 129, 106; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht16, 2004, § 19 Rz. 17; Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, 1985, 25. 564 Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 403.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit 21. Verfahrensablauf 640 Für Prozesse, an denen ein ausländischer Staat beteiligt ist, gilt nach Völkergewohnheitsrecht kein Sonderrecht. Es gelten die allgemeinen Fristen und Präklusionsvorschriften.565 Ob Zwangsmaßnahmen (wie Beuge-, Ordnungs- oder Strafmaßnahmen) unzulässig sind, ist bestritten.566 Siehe auch Art. 18 EuÜStI/ Art. 18 VN-Konvention über die Staatenimmunität. 22. Rechtlosstellung des Klägers 641 Die Befreiung des ausländischen Staates von der deutschen Gerichtsbarkeit in dem vorstehend beschriebenen Umfang besteht auch dann, wenn der Kläger in dem betreffenden Staat keine Klagemöglichkeit hat,567 wenn er also insoweit rechtlos gestellt wird.568 Diese Rechtlosstellung privater Vertragspartner ausländischer Staaten war das Hauptmotiv für die Überwindung der Theorie der absoluten Staatenimmunität.569 Besonders prekär ist die Lage desjenigen, der durch eine dem ausländischen Staat zuzurechnende deliktische Handlung geschädigt wurde. Auf Rechtsschutz vor den Gerichten des verantwortlichen und daher zu verklagenden Staates besteht nach Völkergewohnheitsrecht kein Anspruch, auch nicht aus menschenrechtlicher Perspektive.570 565 Abweichend aber Art. 22 I (b) VN-Konvention (Rz. 571), Art. 16 ff. EuÜStI, Rz. 689, sowie die Entwürfe (Rz. 570); hierzu Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 399. 566 Heß a.a.O. 398 Fußn. 31. 567 Allerdings verstößt ein Vertragsstaat der EMRK gegen die Justizgewährungspflicht des Art. 6 I, vgl. R. Geimer ZfRV 1992, 321, 404 sowie auch Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 342 und Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 187. 568 RG vom 16.5.1938, RGZ 157, 389, 392 = JW 1938, 2291 (Pagenstecher) = IPRspr. 1935–1944 Nr. 521b; OLG München vom 12.8.1975, NJW 1975, 2144 = IPRspr. 1975 Nr. 132. Auch das Selbsthilferecht (§ 229 BGB) führt nicht zu einer Verbesserung; denn nach § 229 BGB können nur solche Maßnahmen zugelassen werden, welche auch die staatlichen Organe zur Sicherung des gefährdeten Anspruchs hätten treffen können, OLG Köln vom 25.7.1995, NJW 1996, 472 = IPRspr. 1995 Nr. 138. Großzügiger Bongartz MDR 1995, 780. Das Bundesverfassungsgericht (vom 13.12.1977 BVerfGE 46, 342) gibt denjenigen, die in Rechtsbeziehungen zu einem fremden Staat treten wollen, den schlichten Rat, durch Vereinbarungen über die Art und Weise der Abwicklung von Leistungen, über das Verfahren im Streitfall – insbesondere über einen Verzicht auf Immunität – oder über Sicherheiten seine Interessen – soweit als möglich – zu wahren. Vgl. Rz. 647, 800b und Schaumann BerDGVR 8 (1968), 19. 569 Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 41. 570 Nachweise bei Heß a.a.O. 304, 315. Siehe aber R. Geimer ZfRV 1992, 404. Es gibt aber (völkervertragliche) Ausnahmen: z.B. Art. 95 und 96 des VN-Seerechtsübereinkommens 1982 (vormals Art. 3 des Brüsseler Übereinkommens zur Einheitlichen Regelung der Immunität von Staatsschiffen vom 10.4.1926, Rz. 597, Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 208, 303 Fußn. 26) und Art. IX (2) des Übereinkommens über die völkerrechtliche Haftung für Schäden durch Weltraumgegenstände vom 29.3.1972 (BGBl. 1975 II 1209; hierzu Heß a.a.O. 230, 303 Fußn. 26; Rabe, Seehandelsrecht4,
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Staatenimmunität 23. Diplomatischer Schutz Der Heimatstaat des völkerrechtswidrig Geschädigten kann auf völkerrechtlicher 642 Ebene den Schaden geltend machen, Rz. 134 ff., 139 ff. Ein Staat, der einen privatrechtlichen Vertrag nicht erfüllt, ist dem Heimatstaat der verletzten Privatperson gegenüber völkerrechtlich nur bei willkürlicher Verletzung (denial of justice im weiteren Sinne) verantwortlich.571 24. Internationale Zuständigkeit Ist die Gerichtsbarkeit zu bejahen, weil in concreto kein Akt iure imperii oder ei- 643 ne wirksame Unterwerfung vorliegt, so ist weiter zu prüfen, ob die internationale Zuständigkeit Deutschlands gegeben ist, Rz. 626e. In Betracht kommen §§ 21 ff. ZPO, insbesondere der Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO), das forum delicti commissi (§ 32 ZPO) und der Vermögensgerichtsstand (§ 23 ZPO), hierzu Rz. 1378.572 Das deutsche internationale Verfahrensrecht hält die klare Unterscheidung zwi- 644 schen Gerichtsbarkeit und internationaler Zuständigkeit durch.573 Anders z.B. die Praxis des schweizerischen Bundesgerichts: Dieses gewährt Immunität auch für acta iure gestionis dann, wenn keine „genügende Binnenbeziehung“ vorliegt, d.h. keine Zuständigkeitsanknüpfung für die Schweiz gegeben ist, z.B. der Erfüllungsort im Ausland liegt. Es bestehe kein Bedürfnis, dem ausländischen Staat die Immunität zu verweigern und sie den gegnerischen Interessen zu opfern.574 Diese dogmatisch unschöne Vermischung von Gerichtsbarkeit und internationaler Zuständigkeit findet sich leider auch im Europäischen Übereinkommen über die Staatenimmunität, Rz. 670. Siehe auch Rz. 625a, 626e.575 Die Unterwerfung (Rz. 506 ff.) begründet nicht nur (partiell) die Gerichtsbarkeit 645 (facultas iurisdictionis) des Forumstaates, sondern auch die internationale Zuständigkeit, sofern nicht bereits eine „gesetzliche“ Zuständigkeitsanknüpfung ohnehin gegeben ist; denn in der Unterwerfung liegt auch gleichzeitig eine vorbehaltlose Einlassung (Art. 24 EuGVVO/LugÜ, § 39 ZPO), Rz. 1396 ff.576
571 572
573 574 575 576
2000, Einführung Rz. 28 ff.; Wengler, Internationales Privatrecht in RGR-Kommentar12, VI, 1981, 442). – Lässt der betroffene Staat eine Klage gegen sich selbst vor seinen nationalen Gerichten zu, dann ist das dortige „Rechts- und Gerichtsklima“ in der Regel dem (privaten) Kläger nicht hold. Er muss die (vielleicht nur unbewusste) Parteilichkeit der Gerichte befürchten, Heß a.a.O. 303. Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 1272 Fußn. 12. Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 63, 67 ff.; Heß a.a.O. 152; Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, Diss. Konstanz 1997, 169. Scheffler a.a.O. 44, 52. BGE 106 I 148; Nachweise bei Keller/Siehr, Allgemeine Lehren des internationalen Privatrechts, 1986, 564. Sympathien jedoch bei Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 156. Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 38.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit 646 Die Unterwerfung erfolgt im Zweifel nur für den konkreten Prozess.577 Die Immunität besteht also ungeschmälert fort in allen übrigen (konkurrierend international zuständigen) Staaten, aber auch im Forumstaat, soweit die Unterwerfungserklärung nicht reicht: Im Zweifel nicht für Klageerweiterungen bzw. -änderungen, für das Zwangsvollstreckungsverfahren (Rz. 588), aber auch nicht für die Wiederholung des Prozesses mit dem gleichen Streitgegenstand, wenn das erste Verfahren ohne Urteil (z.B. infolge Klagerücknahme) geendet hat, Rz. 1406a. 647 Ein Staat kann sich jedoch auch vor Beginn des Prozesses, sogar auch vor Entstehen der Streitigkeit durch Vertrag (Rz. 521) verpflichten, sich hinsichtlich bestimmter oder zumindest bestimmbarer potentieller Rechtsstreitigkeiten (in Bezug auf acta iure imperii) der Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland zu unterwerfen. Dann ist er daran gebunden: Er kann sich nicht mehr auf seine Immunität berufen. Rz. 520, 714: In einer solchen Vereinbarung liegt auch die Prorogation der (im Zweifel ausschließlichen) internationalen Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland. Das ist von praktischer Bedeutung, falls eine „gesetzliche“ Zuständigkeitsanknüpfung nach Art. 5 ff. EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ oder nach §§ 21 ff. ZPO in concreto nicht gegeben ist. Sofern die Vereinbarung keine Regelung der örtlichen Zuständigkeit enthält, sind – bei Fehlen eines sonstigen Zuständigkeitsbezuges – die Gerichte in Berlin analog §§ 15, 27 II ZPO örtlich zuständig, Rz. 1753. 25. Repressalie 648 Soweit ein fremder Staat der Bundesrepublik Deutschland – entgegen dem Völkerrecht, d.h. über die von diesem zugelassenen Ausnahmen hinaus – für acta iure imperii keine Immunität zuerkennt, darf sie diesen Staat im Wege der Repressalie ebenfalls ihrer Gerichtsbarkeit unterwerfen, solange dieser den völkerrechtswidrigen Zustand aufrechterhält.578 Innerstaatlich bedarf es jedoch einer Rechtsgrundlage. Eine solche fehlt in Deutschland seit Aufhebung des § 24 EGZPO, Rz. 36. – Vgl. auch Rz. 502, 1587. 26. Zustellung von Klagen gegen fremde Staaten 649 Die Zustellung an fremde Staaten ist Auslandszustellung und daher vom Vorsitzenden zu veranlassen, Rz. 2144. Eines besonderen Antrags des Klägers bedarf es nicht.579 Der Vorsitzende richtet das Zustellungsersuchen (§ 183 I 2 ZPO) an
577 Damian a.a.O. 37. 578 Damian a.a.O. 62; Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 182. Siehe auch Rensmann, Anationale Schiedssprüche – Eine Untersuchung zu den Wirkungen anationaler Schiedssprüche im nationalen Recht, 1997, 277. 579 Heß RIW 1989, 257. Zu den Zustellungsfragen aus schweizerischer Sicht Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 490 ff.
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Staatenimmunität die Prüfungsstelle (§ 9 ZRHO).580 Diese legt die Sache der Landesjustizverwaltung (Justizministerium, Justizsenator) vor, § 28 II ZRHO. In der Denkschrift, die dem Zustellungsantrag beizufügen ist (§ 24 ZRHO), ist ausführlich zu begründen, warum in concreto die deutsche Gerichtsbarkeit zu bejahen ist.581 Hält die Landesjustizverwaltung das Zustellungsersuchen für zulässig,582 wird es über das Bundesjustizministerium zum Auswärtigen Amt weitergeleitet, da auf diplomatischem Weg zuzustellen ist, § 35 ZRHO. Dieses leitet die Klage gegen den fremden Staat per Kurier an die deutsche Botschaft im beklagten Staat.583 Diese übermittelt die Klage dem dortigen Außenministerium. In „schwierigen Fällen“ ist die Rechtslage (aus deutscher Sicht) bei der Übergabe zu erläutern.584 Die deutsche Auslandsvertretung erstellt ein Zustellungszeugnis (§ 183 IV 2 650 ZPO). Maßgeblicher Zeitpunkt kann nur der Zeitpunkt der Übergabe an das Außenministerium des beklagten Staates sein, nicht derjenige, an dem die nach dem Recht des beklagten Staates vertretungsbefugte Behörde vom Außenministerium die Klageschrift erhalten hat.585
651
Zustellungsadressat: Nach Art. 16 II des Europäischen Übereinkommens über 652 die Staatenimmunität ist die Klage auf diplomatischem Weg dem Außenministerium des beklagten Staates zur etwaigen Weiterleitung an die zuständige Behörde zu übersenden, Rz. 689. Diese Lösung wird auch für das autonome deutsche Recht favorisiert.586 Möglich ist jedoch auch die Zustellung an die Stelle, die als Organ des fremden Staates im konkreten Fall berufen ist, die Klage in Empfang zu nehmen.587
580 Anders ist es grundsätzlich im Anwendungsbereich der EG-Zustellungsverordnung (Rz. 245c), auch wenn § 1069 I ZPO das die Zustellung betreibende Gericht zur Übermittlungsstelle (Art. 2, 4 der EG-Zustellungsverordnung) erklärt. § 27 S. 1 ZRHO. Jedoch können nach § 27 S. 2 ZRHO die Landesjustizverwaltungen von einer Beteiligung der Prüfungsstelle absehen. Dies ist jedoch nicht der Fall bei Zustellungen an EU-Mitgliedstaaten. Siehe aber auch Rz. 655. 581 Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 900.34 Fußn. 30. 582 Dagegen wollen Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 2 Rz. 33 der Landesjustizverwaltung kein Prüfungsrecht zubilligen; die Frage der Immunität entscheide allein das Gericht; im übrigen könne sich der ausländische Staat auch der deutschen Gerichtsbarkeit unterwerfen, Mann NJW 1990, 618. 583 § 35 S. 2 ZRHO. 584 Hecker/Müller-Chorus/Bindseil, Handbuch der konsularischen Praxis2, 3. Ergänzungslieferung (Stand: August 2007), 2008, § 5 Rz. 48 (es existiert hierzu ein nicht veröffentlichter Erlass des Auswärtigen Amtes). Siehe auch Rz. 652 f., 2144. 585 Zustimmend OLG Köln vom 12.1.2004, OLGR 2006, 222 = IPRspr. 2004 Nr. 155. Anders wohl Heß RIW 1989, 258: „Die Bewirkung der Zustellung richtet sich nach dem Recht des betreibenden Staates.“ 586 Walther J. Habscheid BerDGVR 8 (1968), 209. Siehe auch Matthias Weller, Völkerrechtliche Grenzen der Zwangsvollstreckung – vom Botschaftskonto zur Kunstleihgabe Rpfleger 2006, 364, 371. 587 Walther J. Habscheid BerDGVR 8 (1968), 191; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 90.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit 653 Zulässig ist jedoch auch eine Zustellungsvereinbarung (über die Modalitäten der Zustellung), Rz. 2101. 654 Der Chef der diplomatischen Vertretung des beklagten fremden Staates im Forumstaat ist grundsätzlich kein tauglicher Zustellungsadressat. Zu den gewöhnlichen Aufgaben einer diplomatischen Mission zählt nur die Vertretung des Entsendestaates in politischen Angelegenheiten,588 nicht jedoch die Vertretung des Entsendestaates in Verfahren vor den Gerichten des Empfangsstaates. Deshalb ist der Missionschef ohne besondere Vollmacht nicht berechtigt, Klagen gegen den Entsendestaat als Zustellungsadressat in Empfang zu nehmen.589 655 Zustellungsverfahren: Sofern keine Zustellungsvereinbarung (Rz. 2101) vorliegt, ist die Zustellung nach der EG-Zustellungsverordnung (Rz. 245c) bzw. nach dem HZÜ möglich, obwohl der um Rechtshilfe ersuchte Staat selbst der Beklagte ist.590 Nach Art. 12 I (b) HZÜ kann der ersuchte Staat die Erledigung des Zustellungsersuchens ablehnen, wenn er seine „Hoheitsrechte gefährdet sieht“, nicht jedoch nach der EG-Zustellungsverordnung. Nach Art. 14 dieser Verordnung könnte auch direkt durch Einschreiben mit Rückschein zugestellt werden, § 183 I und V ZPO. 656 Die praktisch bedeutsamste und üblichste Art der Zustellung ist die Zustellung auf diplomatischem Wege. Hier ist wieder zu unterscheiden zwischen zwei Methoden, von denen die eine (Einschaltung der deutschen Auslandsvertretung) bereits oben Rz. 649 dargestellt wurde. Der zweite Weg ist die Inanspruchnahme der diplomatischen Vertretung des beklagten Staates im Forumstaat (through the diplomatic channels of the foreign state, vgl. § 1608 (A) (4) FSIA). In diesem Fall übersendet das Außenministerium des Forumstaates der diplomatischen Vertretung des fremden Staates im Forumstaat die Klage zur Weiterleitung an das Außenministerium des beklagten fremden Staates, sofern diese annahmebereit ist.591 Beide Formen der Zustellung sind mit dem allgemeinen Völkerrecht vereinbar, keine dieser Zustellungsformen verstößt gegen das Verbot der Ausübung von Hoheitsgewalt auf fremdem Staatsgebiet.592 Siehe aber Rz. 415, 2144. 27. Säumnis des beklagten Staates 657 Das deutsche Gericht darf in der Sache entscheiden, wenn es zu dem Ergebnis kommt, dass ein actum iure gestionis vorliegt und somit ein Immunitätsanspruch nicht besteht. Das Völkergewohnheitsrecht – vgl. auch Art. 16 VII EuÜStI – verbietet jedoch eine Überraschungsentscheidung; dieses Verbot umfasst folgende Punkte:
588 Art. 3 I WÜD. 589 OLG Köln vom 23.3.1987, RIW 1988, 301 = IPRax 1987, 233 (Mansel 210) = IPRspr. 1987 Nr. 140b; House of Lords, Kuweit Airways v. Iraqi Airways I.L.Pr. [1966] 339, 347 f.; Steinmann MDR 1965, 789; Damian a.a.O. 91. Siehe aber zur Befugnis, einen Immunitätsverzicht zu erklären, Rz. 511. 590 Heß RIW 1989, 258. 591 Vgl. Rz. 415, 651. 592 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 93.
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Staatenimmunität Dem fremden Staat muss Gelegenheit gegeben worden sein, von Klage und La- 658 dung Kenntnis zu nehmen. Klage und Ladung müssen in völkerrechtlich zulässiger Weise an ein empfangsbefugtes Staatsorgan zugestellt worden sein. Wenn aber der ausländische Staat die Zustellung vereitelt, reicht auch öffentliche Zustellung aus.593 Zwischen der Klagezustellung bzw. der Zustellung der Ladung zum Termin der 659 mündlichen Verhandlung darf kein unverhältnismäßig kurzer Zeitraum liegen; § 1608 (D) FSIA hält 60 Tage für ausreichend, ebenso Art. 16 IV EuÜStI (zwei Monate). Versäumnisentscheidungen dürfen nur Tatsachen zugrunde gelegt werden, die 660 dem beklagten Staat vor der mündlichen Verhandlung rechtzeitig mitgeteilt worden sind. So reicht es z.B. nicht aus, wenn der Kläger im Termin neue Tatsachen vorträgt, woraus sich ergibt, dass der fremde Staat doch keine Immunität genießt.594 Der Gerichtsstaat ist von Völkerrechts wegen verpflichtet, ex officio im Wege der 661 Untersuchungsmaxime zu prüfen, ob der fremde Staat Immunität hat, Rz. 843c. § 331 ZPO kommt insoweit nicht zur Anwendung.595 Das Versäumnisurteil596 ist dem fremden Staat auf diplomatischem Wege zuzu- 662 stellen, vgl. Art. 16 II 1 EuÜStI. Zulässig ist jedoch auch die Zustellung an den Prozessbevollmächtigten des fremden Staates.597 Ebenso wie die Einlassungsbzw. Ladungsfrist darf die Einspruchsfrist nicht zu kurz bemessen sein. Art. 16 VI EuÜStI sieht eine Zweimonatsfrist vor. 28. Keine Befreiung von der materiellen Rechtsordnung des Forumstaates Die einem fremden Staat zukommende Immunität ist ein Verfahrenshindernis, 663 das die Durchführung eines Verfahrens und Erlass eines (meritorischen) Urteils verbietet. Sie bedeutet jedoch nicht Befreiung von der materiellen Rechtsordnung des Forumstaates. Die Immunität soll den fremden Staat nur davor bewahren, vor den Gerichten des Forumstaates zur Rechenschaft gezogen zu werden. Wollte man fremde Staaten auch von der materiellen Rechtsordnung befreien, so liefe dies darauf hinaus, fremden Staaten einen rechtsfreien Raum zu verschaffen.598 Beispiel: Der Beamte eines ausländischen Staates unternimmt auf deutschem 664 Hoheitsgebiet eine Dienstfahrt. Dabei verursacht er einen Unfall und verletzt einen deutschen Staatsbürger. Auch wenn man diese Dienstfahrt – entgegen der 593 Wengler, Internationales Privatrecht in RGR-Kommentar12, VI, 1981, 328; Damian a.a.O. 95. 594 Damian a.a.O. 97. 595 Zur Behauptungs- und Beweislast Kaiser RIW 1985, 9. Zur französischen Praxis Batiffol/Lagarde, Droit international privé, tome I8, 1993, Nr. 693 (13). 596 Hierzu Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 509 f. 597 Damian a.a.O. 97. 598 Frankenstein, Internationales Privatrecht I, 1926, 111; Kegel/Schurig, IPR9, 2004, § 1 IV 2a.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit hier vertretenen Auffassung (Rz. 586) – als actum iure imperii qualifiziert, ist der ausländische Beamte sehr wohl an die deutschen Straßenverkehrsvorschriften gebunden. Ebenso gilt das deutsche Deliktsrecht einschließlich der Vorschriften über die Halterhaftung von Kraftfahrzeugen, Rz. 586. Wären sie unanwendbar, so bliebe dem Geschädigten meist auch die Möglichkeit verschlossen, seine Ansprüche vor den Gerichten des fremden Staates geltend zu machen, wenn dessen internationales Privatrecht auf die lex loci delicti commissi verweist.599 665 Unanwendbar ist jedoch die deutsche Norm über das Staatshaftungsrecht. Ein Staat darf über die Schadensersatzpflicht eines fremden Staates für das hoheitliche Handeln von dessen Organen keine Regelung treffen. Ausnahme: reine Inlandsdelikte, Rz. 877c. Wegen der Gleichheit der Staaten darf nach herrschender Meinung (siehe aber die Kritik Rz. 556) kein Staat hoheitliches Handeln eines anderen seiner Gesetzgebung, Gerichtsbarkeit oder Vollstreckung unterwerfen.600 Dagegen unterliegt die Haftung der ausländischen Staaten für nicht-hoheitliches Handeln dem allgemeinen Deliktsstatut.601 29. Anhang: Haftungsrechtlicher Durchgriff auf die Mitgliedstaaten für Verbindlichkeiten internationaler Organisationen 665a Wenn eine internationale Organisation – wie ein Privater – am Handels- und Wirtschaftsverkehr teilnimmt (z.B. Lieferverträge schließt), liegen keine acta iure imperii, sondern acta iure gestionis vor, Rz. 826. Dann kann auch ein Mitgliedstaat sich nicht auf Immunität berufen, wenn er aus dem Gesichtspunkt der subsidiären Staatenhaftung für Verbindlichkeiten der internationalen Organisation in Anspruch genommen wird. Beispiel: Klage gegen Deutschland für Verbindlichkeiten des Internationalen Zinnrates.
III. VN-Übereinkommen über die Staatenimmunität 666 Das am 2.12.2004 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen verabschiedete und ab dem 17.1.2005 zur Zeichnung ausgelegte Übereinkommen über die gerichtliche Immunität der Staaten und ihres Eigentums (Rz. 571) ist bisher noch nicht in Kraft getreten. Es wird jedoch ausstrahlen auf die Handhabung des (ungeschriebenen) universellen Völkergewohnheitsrechts.
599 Grasmann JZ 1969, 458; Schaumann BerDGVR 8 (1968), 50; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 73. 600 Wengler, Internationales Privatrecht in RGR-Kommentar12, VI, 1981, 29; Grasmann JZ 1969, 458. 601 Für die Anwendung des Günstigkeitsprinzips im Interesse des Geschädigten auch bei hoheitlichem Handeln plädiert aber Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 18.
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Staatenimmunität
IV. Europäisches Übereinkommen über die Staatenimmunität 1. Vertragsstaaten Das Übereinkommen vom 16.5.1972 ist am 11.6.1976 in Kraft getreten.602 Deutschland hat es mit Wirkung zum 16.8.1990 ratifiziert.603 Jeder Mitgliedstaat des Europarates kann dieses Übereinkommen ratifizieren, Art. 26. So bisher: Belgien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Schweiz, Vereinigtes Königreich,604 Zypern.
667
Das Ministerkomitee des Europarates kann jeden Nichtmitgliedstaat einladen, dem Übereinkommen beizutreten, Art. 37. Der Beitritt geschieht durch Hinterlegung einer Beitrittsurkunde beim Generalsekretär des Europarates und wird drei Monate nach der Hinterlegung wirksam. Notifiziert jedoch ein Staat, der dem Übereinkommen bereits beigetreten ist, dem Generalsekretär des Europarates einen Einspruch gegen den Beitritt eines anderen Nichtmitgliedstaats, bevor dieser Beitritt wirksam geworden ist, so ist das Übereinkommen auf die Beziehungen zwischen diesen beiden Staaten nicht anzuwenden. 2. Überblick a) Keine Unterscheidung zwischen acta iure imperii und acta iure gestionis: 668 Das Übereinkommen verwendet diese Unterscheidung (Rz. 558, 578) nicht, sondern zählt kasuistisch die Tätigkeiten auf, deretwegen dem in Anspruch genommenen Staat keine Immunität zukommt. Liegt ein solcher Tatbestand vor, so hat Deutschland Gerichtsbarkeit, auch wenn die in Betracht kommende Tätigkeit nach der oben Rz. 579 dargelegten Unterscheidung als actum iure imperii zu qualifizieren wäre. Andererseits fehlt nach dem System der Konvention Gerichtsbarkeit über einen fremden Staat auch für acta iure gestionis, wenn kein Befreiungstatbestand vorliegt, Art. 15. Jedoch kann jeder Vertragsstaat nach Art. 24 I („Fakultativregime“)605 erklären, dass seine Gerichte über die Fälle der Art. 1 bis 13 hinaus in Verfahren gegen einen anderen Vertragsstaat in demselben Ausmaß wie in Verfahren gegen Nichtvertragsstaaten entscheiden können. Diese Erklärung lässt die Immunität unberührt, die fremde Staaten hinsichtlich der in Ausübung der Hoheitsgewalt vorgenommenen Handlungen (acta iure imperii) genießen. Verboten ist jedoch, durch die Konvention die internationale Zuständigkeit auf beziehungsarme Gerichtsstände zu stützen, die in der Anlage zu dem Übereinkommen näher aufgeführt sind, Art. 24 II. Vgl. Rz. 682.
602 Materialien: Bundestagsdrucksache 10/4631, 11/4307; Schrifttum z.B. bei Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 462 Fußn. 31; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 211 Fußn. 211; Karzewski RabelsZ 54 (1990), 533; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 217 ff. 603 BGBl. 1990 II 34, 1400. 604 Es gilt seit 1.7.1997 nicht mehr in Hongkong. 605 Kronke IPRax 1991, 142; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 219.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit 669 Eine solche Erklärung hat Deutschland abgegeben,606 ebenso die Niederlande, auf deren Drängen das Fakultativregime des Art. 24 eingefügt wurde, um der Gefahr vorzubeugen, „die weitere Entwicklung zu einer noch stärkeren Reduzierung des Immunitätsumfangs zu hemmen,“ sowie die Schweiz.607 670 b) Keine Abgrenzung zwischen Gerichtsbarkeit und internationaler Zuständigkeit: Die Konvention unterscheidet nicht – wie im deutschen internationalen Zivilverfahrensrecht üblich (Rz. 644, 847) – zwischen Gerichtsbarkeit und internationaler Zuständigkeit. In die Befreiungstatbestände sind jeweils die Zuständigkeitsanknüpfungen mit eingefügt. Diese dogmatisch unklare, vor allem der Praxis des Schweizer Bundesgerichts608 folgende Methodik führt dazu, dass ein Befreiungstatbestand und damit Gerichtsbarkeit nur dann zu bejahen ist, wenn der Zuständigkeitsanknüpfungspunkt im Gerichtsstaat zu lokalisieren ist. So ist z.B. nach Art. 4 I die Gerichtsbarkeit für Vertragsklagen nur dann zu bejahen, wenn die streitgegenständliche Verpflichtung im Gerichtsstaat zu erfüllen ist.609 3. Vom Übereinkommen akzeptierte Zuständigkeitsanknüpfungen 671 – Zuständigkeitsvereinbarung, Art. 2 (Rz. 714) – Vorbehaltlose Einlassung zur Hauptsache, Art. 3 (Rz. 712) – Gerichtsstand der konnexen Widerklage, Art. 1 II (Rz. 708) – Gerichtsstand des Erfüllungsortes, Art. 4 (Rz. 717) – Gerichtsstand des Beschäftigungsortes für Arbeitssachen, Art. 5 (Rz. 725) – Gerichtsstand der Mitgliedschaft, Art. 6 (Rz. 728) 606 BGBl. 1990 II 1400; abgedruckt auch bei Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 951.97. Nach der Denkschrift waren für die deutsche Vorgehensweise folgende Gründe maßgebend: „Die wesentliche Bedeutung des Übereinkommens besteht darin, die Rechtsstellung von Privatpersonen in ihren Beziehungen zu ausländischen Staaten zu verbessern, indem eindeutig festgelegt wird, für welche Handlungen Staaten keine Immunität beanspruchen können. Das bedeutet aber nicht, dass Staaten bei allen von den Art. 1 bis 13 des Übereinkommens nicht erfaßten Handlungen ohne weiteres Immunität von der Gerichtsbarkeit beanspruchen können. Die Erklärung nach Art. 24 erlaubt vielmehr den Vertragsstaaten, ihre Rechtsprechung auf der Grundlage der Theorie von der relativen Staatenimmunität fortzuentwickeln. Die von der Bundesrepublik Deutschland abzugebende Erklärung soll vor allem in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten (vgl. Art. 5) die bisherige Entscheidungsbefugnis der Gerichte der Bundesrepublik gegenüber ausländischen Staaten in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber in demselben Ausmaß wie bisher erhalten.“ Vgl. Rz. 727. 607 Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 219. 608 BGE 104 Ia 370; BGE 86 I 27 E. 2; BGE 82 I 75 E. 7; BGE 56 I 249; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 65; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 460 ff. 609 Dagegen wurde z.B. bei den Beratungen des Montreal-Entwurfs der ILA die Vermengung zwischen Immunität und internationaler Zuständigkeit (= ausreichende Nahebeziehung zum Gerichtsstaat) kritisiert, Ress ILA-Reports 82, 342, und im definitiven Text ausgemerzt, Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 260.
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Staatenimmunität – Gerichtsstand der Zweigniederlassung, Art. 7 (Rz. 729) – Gerichtsstand am Ort der Verleihung für Patente und sonstige gewerbliche Schutzrechte, Art. 8 (Rz. 730) – Forum rei sitae für Immobiliarstreitigkeiten, Art. 9 (Rz. 739) – Gerichtsstand der Erbschaft, Art. 10 (Rz. 748) – Forum delicti commissi, Art. 11 (Rz. 749). 4. Vom Übereinkommen verpönte beziehungsarme Gerichtsstände Sofern ein Vertragsstaat – wie z.B. Deutschland – seine Gerichtsbarkeit gemäß 672 Art. 24 I (Rz. 669) auf alle acta iure gestionis ausdehnt, darf er seine internationale Zuständigkeit nicht stützen auf folgende Zuständigkeitsanknüpfungen (vgl. auch Rz. 702):610 – das Vorhandensein von Vermögenswerten des Beklagten oder die Beschlagnahme von Vermögenswerten durch den Kläger im Gerichtsstaat, es sei denn, die Klage betrifft das Eigentum oder den Besitz an den Vermögenswerten oder eine andere Streitigkeit über diese Vermögenswerte bzw. die Streitigkeit betrifft eine Forderung, die im Gerichtsstaat durch ein dingliches Recht gesichert ist; – die Staatsangehörigkeit des Klägers; – den Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt oder vorübergehenden Aufenthalt des Klägers im Gerichtsstaat, es sei denn, die sich hierauf gründende Zuständigkeit wird für bestimmte vertragliche Beziehungen wegen der besonderen Natur des Vertragsgegenstandes zugelassen; – die Tatsache, dass der Beklagte im Gerichtsstaat Geschäfte getätigt hat, es sei denn, die Streitigkeit betrifft diese Geschäfte; – die einseitige Bestimmung des Gerichts durch den Kläger, namentlich in einer Rechnung. Dem Wohnsitz und dem gewöhnlichen Aufenthalt werden der tatsächliche und der satzungsgemäße Sitz der Hauptniederlassung juristischer Personen gleichgestellt.
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674–688 5. Mindeststandard für Prozesse gegen Vertragsstaaten Art. 16 garantiert einen völkervertraglichen Mindeststandard für Prozesse gegen 689 Vertragsstaaten. Er regelt die Zustellung des das Verfahren einleitenden Schriftstücks (Art. 16 II und III), Rz. 648a. Adressat ist das Außenministerium. Diesem steht wegen der Verlängerung der Einlassungs-, Rechtsmittel- und sonstigen Fristen um zwei Monate (Art. 16 IV und V) ein angemessener Zeitraum zur Verfügung, um die zur Vertretung des Staates in dem Verfahren berufene Behörde
610 Vgl. die Negativliste in Art. 3 II EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ. Siehe aber auch unten Rz. 701.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit zu ermitteln und dieser die Schriftstücke zuzuleiten. Kann das Außenministerium innerhalb der Frist von zwei Monaten die zuständige Behörde nicht ermitteln, so muss es selbst vor dem ausländischen Gericht agieren, um ein Versäumnisurteil abzuwenden. 690 Beteiligt sich ein Vertragsstaat an dem Verfahren, so gilt dies als Verzicht auf alle Einwendungen gegen die Art der Zustellung des das Verfahren einleitenden Schriftstücks, Art. 16 VI. Alle Einwendungen gegen die Art der Zustellung sind auch dann präkludiert, wenn der ausländische Staat sich auf das Verfahren nur einlässt, um seine Immunität geltend zu machen. Geheilt wird auch der Mangel, dass die Klage ohne Einschaltung des Außenministeriums an eine juristisch selbständige staatliche Institution auf dem allgemeinen Weg zugestellt wurde, diese Institution die Schriftstücke an die zuständige Behörde weitergeleitet hat und diese dann den Staat im Termin vertritt.611 691 Hat sich der (beklagte) Staat nicht an dem Verfahren beteiligt, so kann eine Versäumnisentscheidung gegen ihn nur ergehen, wenn ihm das der Einleitung des Verfahrens dienende Schriftstück nach Art. 16 II übermittelt worden ist und die in Art. 16 IV und V vorgesehenen Fristen eingehalten worden sind.612 6. Vollstreckungsverbot 692 Das Übereinkommen (Art. 23) bringt – im Gegensatz zum Völkergewohnheitsrecht (Rz. 588)613 – ein Vollstreckungsverbot: Es darf gegen das Vermögen eines anderen Vertragsstaats weder eine Zwangsvollstreckung durchgeführt noch eine Sicherungsmaßnahme getroffen werden, außer in dem Fall und in dem Ausmaß, in denen der Staat selbst ausdrücklich in Schriftform zugestimmt hat.614 Dadurch wird der Rechtsschutz des Einzelnen gegenüber Vertragsstaaten des Übereinkommens eingeschränkt. Dies kann aber nach Ansicht des Gesetzgebers615 hingenommen werden, „da aufgrund der engen Beziehung zwischen den Mitgliedstaaten des Europarates davon ausgegangen werden kann, dass sich die Vertragsstaaten einem gegen sie ergangenen Gerichtsurteil unterwerfen werden.“ Das Vollstreckungsregime des Übereinkommens kann jedoch von den Vertragsstaaten ausgeschlossen werden, Art. 24, 26. Von dieser Möglichkeit haben alle Vertragsstaaten mit Ausnahme von Österreich und Zypern Gebrauch gemacht.616 7. Anerkennungs- und Erfüllungspflicht 693 Nach Art. 20 hat ein Vertragsstaat die gegen ihn ergangene Entscheidung eines Gerichts eines anderen Vertragsstaats zu erfüllen, wenn er nach Art. 1 bis 13 Im-
611 Bundestagsdrucksache 10/4631 S. 35. 612 Darüber hinaus sind auch § 335 ZPO, Art. 20 II EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 26 II EuGVVO sowie Art. 19 der EG-Zustellungs-Verordnung (Rz. 245c) zu beachten. 613 Damian a.a.O. 150. 614 Näher Heß, a.a.O. 213. 615 Bundestagsdrucksache 10/4631 S. 36. 616 Heß a.a.O. 219.
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Staatenimmunität munität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen konnte und wenn die Entscheidung nicht oder nicht mehr Gegenstand eines Einspruchs gegen eine Versäumnisentscheidung, einer Berufung oder eines anderen ordentlichen Rechtsmittels oder einer Kassationsbeschwerde sein kann. Es geht hier um eine Wirkungserstreckung im technischen Sinne, d.h. um eine 694 Anerkennung der erststaatlichen Urteilswirkungen im betroffenen Zweitstaat, Rz. 2776.617 Die (völkerrechtliche) Pflicht zur Erfüllung bzw. Beachtung der erststaatlichen Entscheidung besteht nicht ohne jeden Vorbehalt. Es gibt auch Konstellationen, in denen der betroffene Vertragsstaat berechtigt ist, die Anerkennung bzw. Erfüllung zu verweigern (Versagungsgründe). Dies ist der Fall, Art. 20 II, wenn:
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a) die Anerkennung bzw. Erfüllung der fremden Entscheidung offensichtlich ge- 696 gen die öffentliche Ordnung des verurteilten Staates verstieße; b) ein auf demselben Sachverhalt beruhendes und denselben Gegenstand betref- 697 fendes Verfahren zwischen denselben Parteien vor einem Gericht dieses Staates anhängig und als Erstes eingeleitet worden ist oder vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaates anhängig ist und zu einer Entscheidung führen kann, welche der an dem Verfahren beteiligte Staat nach dem Übereinkommen zu erfüllen hätte; c) die Wirkungen der Entscheidung unvereinbar sind mit denen einer anderen 698 zwischen denselben Parteien ergangenen Entscheidung eines Gerichts eines anderen Vertragsstaates, sofern das Verfahren vor diesem Gericht als Erstes eingeleitet worden und diese andere Entscheidung ergangen ist, bevor die Entscheidung unanfechtbar (Art. 20 I lit. b) geworden ist, oder eines Gerichts eines anderen Vertragsstaates, sofern dessen Entscheidung als Erste die in dem Übereinkommen vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt hat; d) die Verfahrenskautelen des Art. 16 (Rz. 689) nicht eingehalten worden sind und der Staat sich an dem Verfahren nicht beteiligt oder gegen eine Versäumnisentscheidung kein Rechtsmittel eingelegt hat;
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e) in Erbschafts- und Schenkungssachen der Urteilsstaat aus der Sicht des ver- 700 urteilten Staates unzuständig war oder nicht das „richtige“ internationale Privatrecht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. 617 Zustimmend Heß a.a.O. 213 Fußn. 53; anders die Denkschrift Bundestagsdrucksache 10/4631 S. 36: Art. 20 lege dem verurteilten Vertragsstaat nur die Verpflichtung auf, der gegen ihn ergangenen Entscheidung „loyal und gutwillig zu entsprechen.“ Die sich aus dem Übereinkommen ergebende Rechtspflicht zur Erfüllung beziehe sich sowohl auf Leistungsurteile, bei denen der Staat dem Leistungsbefehl des Urteils nachzukommen hat, als auch auf die Beachtung von Gestaltungs- und Feststellungsurteilen. Sie könne aber auch bedeuten, dass ein Staat die Abweisung einer im Ausland anhängig gemachten Klage hinnimmt und folglich davon absieht, aufgrund desselben Sachverhalts ein weiteres Verfahren vor einem eigenen Gericht oder dem Gericht eines dritten Staates anzustrengen. Die Denkschrift Bundestagsdrucksache 10/4631 S. 36 verkennt, dass es sich hier um eine echte Anerkennung handelt, da für die Frage, ob und welche Wirkungen das Urteil entfaltet, das Recht des Erststaates heranzuziehen ist.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit 701 Da man sich für Klagen, die eine Erbschaft oder Schenkung bzw. ein erb- oder herrenloses Vermögen betreffen, in Art. 10 nicht auf klare Abgrenzungskriterien und Anknüpfungspunkte (Rz. 748) einigen konnte und diese somit im Ergebnis dem nationalen Recht des jeweiligen Forumstaates überlassen sind, bringt Art. 20 III zusätzliche Versagungsgründe: 702 – Ein Staat braucht in den Fällen des Art. 10 ein fremdes Urteil nicht zu beachten, wenn der Urteilsstaat nach seinem (zweitstaatlichen) Recht, d.h. aus der Sicht des verurteilten Staates international unzuständig ist. Dies ist der Fall, wenn der Erststaat seine internationale Zuständigkeit auf Vorschriften stützt, die dem Recht des verurteilten Staates fremd sind. Dabei sind die in der Anlage zu dem Übereinkommen aufgeführten „exorbitanten“ Gerichtsstände (Rz. 682) nicht zu berücksichtigen. Dies ist eine bemerkenswerte Bestimmung, weil sie die als exorbitant gebrandmarkten Vorschriften nur zu eigenen Gunsten „ausmerzt“: Anknüpfungen, die für die eigene internationale Entscheidungszuständigkeit des (verurteilten) Zweitstaates als tragfähig erachtet werden, werden als „beziehungsarm“ zur Seite geschoben, wenn sie die internationale Zuständigkeit des Erststaates tragen sollen. 703
Beispiel: Die Bundesrepublik Deutschland wurde im Gerichtsstand des Vermögens in einer Erbschaftssache verurteilt.
704 – Die Pflicht zur Beachtung des erststaatlichen Urteils entfällt weiter dann, wenn die Gerichte des Staates, der sich dem Urteil unterwerfen soll, nach zweitstaatlichem internationalem Privatrecht zu einem anderen Ergebnis in der Sache gekommen wären. Vgl. aber auch Rz. 2965. 705 Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge gehen jedoch als Sonderregelung vor. Ein Vertragsstaat kann sich auf die beiden vorgenannten Ablehnungsgründe nicht berufen, wenn er mit dem Gerichtsstaat durch ein Abkommen über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen verbunden ist und die Entscheidung die Voraussetzungen dieses Abkommens hinsichtlich der Zuständigkeit und gegebenenfalls des anzuwendenden Rechtes erfüllt.618 8. Unterwerfung unter die Jurisdiktion des Gerichtsstaates 706 a) Der ausländische Staat als Kläger/Antragsteller oder Intervenient: Ein Vertragsstaat, der vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats ein Verfahren anhängig macht, unterwirft sich für dieses Verfahren der Gerichtsbarkeit dieses Forumstaates, Art. 1 I, Rz. 506, 734.619 Dies gilt aber nach Art. 13 nicht, wenn ein Vertragsstaat in einem Verfahren, in dem er nicht Partei ist, (als Dritter) geltend macht, er habe ein Recht an dem den Gegenstand des Verfahrens bildenden Vermögen (sofern der Staat Immunität hätte beanspruchen können, wäre das
618 Art. 20 III 2. Im Hinblick auf die Ausklammerung der erbrechtlichen Streitigkeiten in Art. 1 II lit. a kommen die EuGVVO bzw. das LugÜ in diesem Zusammenhang nicht zur Anwendung. 619 Art. 8 I (a) der VN-Konvention über die Staatenimmunität (Rz. 571), siehe auch Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 397 f.
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Staatenimmunität Verfahren gegen ihn gerichtet gewesen). Der ausländische Staat behält also seine Immunität so lange, wie er nicht als Kläger/Antragsteller vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats ein Verfahren anhängig macht oder einem solchen als Intervenient beitritt; Rz. 506, 634. Art. 13 betrifft die Sonderfälle, in denen es nach den Rechtsordnungen verschiedener Vertragsstaaten (nicht jedoch nach deutschem Recht) möglich ist, Rechte an Sachen oder Rechten, die den Streitgegenstand bilden, geltend zu machen oder in einem Verfahren Erklärungen in Bezug auf diese abzugeben, ohne als Partei oder Intervenient aufzutreten; von großer Bedeutung ist Art. 13 für actions in rem des common law, Rz. 498.620
707
Ein als Kläger/Intervenient auftretender Vertragsstaat kann nach Art. 1 II für eine 708 Widerklage Immunität nicht beanspruchen, wenn sich die Widerklage aus dem Rechtsverhältnis oder aus dem Sachverhalt herleitet, auf die sich die Hauptklage stützt, also wenn dieser Staat Immunität von der Gerichtsbarkeit (nach dem Übereinkommen) nicht hätte beanspruchen können, wäre vor den Gerichten des anderen Staates eine besondere Klage gegen ihn erhoben worden.621 Das Übereinkommen unterscheidet auch hier – wie auch sonst – nicht zwischen acta iure imperii und acta iure gestionis. Daher kommt Art. 1 II auch zur Anwendung, soweit die Widerklage ein actum iure imperii zum Gegenstand hat.622 b) Der ausländische Staat als Beklagter/Antragsgegner: Ein Vertragsstaat kann 709 vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats Immunität von der Gerichtsbarkeit nicht beanspruchen, wenn er sich vor Geltendmachung der Immunität zur Hauptsache einlässt (Gerichtsstand der vorbehaltlosen Einlassung), Art. 3 I 1. Weist er jedoch nach, dass er von den Tatsachen, aufgrund welcher er Immunität hätte beanspruchen können, erst nachträglich Kenntnis erlangen konnte, so kann er Immunität beanspruchen, wenn er sich auf diese Tatsachen so bald wie möglich beruft, Art. 3 I 2. Auf keinen Fall liegt in der Geltendmachung der Immunität eine Einlassung: Tritt ein Staat vor einem Gericht eines anderen Staats auf, um Immunität zu beanspruchen, so gilt dies nicht als Verzicht auf die Immunität. Obwohl dies klar auf der Hand liegt, ist es gleichwohl in Art. 3 II ausdrücklich stipuliert. Ein Vertragsstaat, der vor dem Gericht eines anderen Vertragsstaats eine Widerklage erhebt, unterwirft sich der Gerichtsbarkeit der Gerichte dieses Staates sowohl für die Haupt- als auch für die Widerklage, Art. 1 III, Rz. 629, 634a.
710
Die Immunität eines Vertragsstaates entfällt gemäß Art. 2 auch dann, wenn er 711 sich verpflichtet hat, sich der Gerichtsbarkeit dieses Gerichts zu unterwerfen, und zwar (I) durch internationale Vereinbarung, (II) durch ausdrückliche Be-
620 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 40 Fußn. 230. 621 Art. 9 der VN-Konvention über die Staatenimmunität (Rz. 571); siehe auch Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 401. 622 Anderer Auffassung Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, 1985, 70.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit stimmung in einem schriftlichen Vertrag oder (III) durch nach Entstehen der Streitigkeit ausdrücklich erklärte Zustimmung.623 712 Der Unterwerfung steht also die außerprozessual versprochene Unterwerfung (= Verzicht auf den Immunitätsanspruch) gleich (Gerichtsstand der Zuständigkeitsvereinbarung), Rz. 521.624 Durch das Erfordernis der Schriftform in (II) wird eine stillschweigende Unterwerfung ausgeschlossen, die etwa darin gesehen werden könnte, dass ein Staat eine entsprechende Klausel in einer Rechnung zur Kenntnis nimmt. 713 Die Vereinbarung des anwendbaren Rechts als solche bewirkt noch keine Unterwerfung unter die Gerichtsbarkeit des Staates, dessen Recht angewendet werden soll.625 Ist eine (natürliche oder juristische) Person berechtigt (bevollmächtigt), im Namen eines Staates einen schriftlichen Vertrag zu schließen, so darf sie diesen auch für die sich aus dem Vertrag ergebenden Streitigkeiten einer ausländischen Gerichtsbarkeit unterwerfen, Rz. 509, 521. 9. Fehlen der Immunität auch ohne Unterwerfung 714 a) Gerichtsstand des Erfüllungsortes:626 Ein Vertragsstaat kann gemäß Art. 4 Immunität nicht beanspruchen, wenn das Verfahren eine von dem Staat in einem nicht völkerrechtlichen Vertrag – ganz gleich, ob dieser zivil- oder öffentlichrechtlich zu qualifizieren ist (Ausnahme unter g) – eingegangene Verpflichtung betrifft und die Verpflichtung im Gerichtsstaat zu erfüllen ist (vgl. Rz. 1482), mit Ausnahme von Arbeitsverhältnissen (für diese gilt Art. 5, vgl. Rz. 722), es sei denn, dass 715 a) der Vertrag zwischen Staaten geschlossen worden ist (ratio conventionis: Das Übereinkommen will nur die Rechtsstellung von Privatpersonen gegenüber Staaten verbessern); 716 b) die Vertragsparteien schriftlich etwas anderes vereinbart haben, z.B. die Unklagbarkeit oder die ausschließliche Zuständigkeit eines Gerichts des beklagten oder eines dritten Staates oder die schiedsgerichtliche Erledigung; 717 g) der Vertrag von dem (beklagten) Staat in seinem Hoheitsgebiet geschlossen worden ist und die Verpflichtung des Staates seinem Verwaltungsrecht unterliegt. Ratio conventionis: Da Art. 4 nur Verträge erfassen will, an denen Staaten wie andere natürliche oder juristische Personen beteiligt sind, werden solche Verträge ausgenommen, die als öffentlich-rechtliche besonderen Regeln des Verwaltungsrechts unterliegen. Entscheidend ist nach Art. 4, dass
623 Hierzu Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 383. 624 Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 176. 625 Denkschrift Bundestagsdrucksache 10/4631 S. 32. 626 Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 178.
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Staatenimmunität die streitgegenständliche Verpflichtung des (verklagten) Staates im Forumstaat zu erfüllen ist. Die Immunität entfällt auch dann, wenn der ausländische Vertragsstaat die ge- 718 kauften Gegenstände in Erfüllung hoheitlicher Aufgaben – etwa im Zusammenhang mit dem Betrieb seiner diplomatischen Vertretung – verwenden will. Enthält ein Vertrag mehrere Verpflichtungen, so kann die Immunität jeweils vor den Gerichten desjenigen Vertragsstaates nicht geltend gemacht werden, in dem die streitgegenständliche Verpflichtung zu erfüllen ist.627 b) Gerichtsstand des Beschäftigungsortes in Arbeitssachen: Immunität entfällt – 719 vorbehaltlich Art. 32628 – insoweit, als das Verfahren einen zwischen dem Staat und einer natürlichen Person geschlossenen Arbeitsvertrag betrifft und die Arbeit im Gerichtsstaat zu leisten ist, Art. 5,629 es sei denn, dass a) die natürliche Person im Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens die Staatsangehörigkeit des Staates hat, der ihr Arbeitgeber ist; b) sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses weder Angehörige des Gerichtsstaates war, noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Staate hatte oder g) die Vertragsparteien schriftlich etwas anderes vereinbart haben, z.B. durch ausschließliche Prorogation oder Schiedsklausel, sofern nicht nach dem Recht des Gerichtsstaats dessen Gerichte wegen der Art der Streitigkeit ausschließlich zuständig sind. Siehe Rz. 1061, 1774. Es gelten jedoch wieder Unterausnahmen: Wird die Arbeit für ein Büro, eine 720 Agentur oder eine andere Niederlassung (Art. 7) geleistet, so sind a und b nur anzuwenden, wenn die natürliche Person im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt in dem Staat hatte, der ihr Arbeitgeber ist. Inländische Gerichtsbarkeit über den fremden Staat besteht also grundsätzlich für alle Verträge, die Arbeiten für ein im Gerichtsstaat gelegenes Büro, eine dort befindliche Agentur oder eine sonstige Niederlassung (im Sinne von Art. 7, vgl. Rz. 729) zum Gegenstand haben. Ausnahme: In diesen Fällen kann Immunität dann beansprucht werden, wenn die (natürliche) Person im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet des als Arbeitgeber auftretenden Staates hatte. Art. 5 zieht für die Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland engere Grenzen als nach allgemeinem Völkergewohnheitsrecht in der von der deutschen Rechtsprechung entwickelten Auslegung. Vor allem um die bisherige Rechtslage gegenüber ausländischen Staaten als Arbeitgebern aufrechtzuerhalten, hat die Bundesrepublik Deutschland die Sperrwirkung des Art. 15 durch eine Erklärung nach Art. 24 beseitigt. Sie nimmt über die Fälle der Art. 1 bis 13 hi-
627 Denkschrift a.a.O. 628 Hierzu ArbG Köln vom 16.12.1998, RIW 1999, 623 (Kollatz) = IPRspr. 1998 Nr. 136; BAG vom 25.10.2001, BB 2002, 787 = IPRspr. 2001 Nr. 127. Vgl. auch Mankowski IPRax 2001, 123. 629 Hinweise auf die Kodifikationsentwürfe (Rz. 570) bei Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 422.
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721
Dritter Teil: Gerichtsbarkeit naus die Entscheidungsbefugnis in Verfahren gegen einen anderen Vertragsstaat künftig auch weiterhin in demselben Ausmaß für sich in Anspruch wie in Verfahren gegen Nichtvertragsstaaten. Damit soll vor allem vermieden werden, dass die Gerichte der Bundesrepublik Deutschland durch Art. 5 II an der Entscheidung von arbeitsrechtlichen Streitigkeiten gehindert sein könnten, für die schon bisher die deutsche Gerichtsbarkeit bestanden hatte, Rz. 669. 722 c) Gerichtsstand der Mitgliedschaft: Ein Vertragsstaat kann weiter Immunität nicht in Anspruch nehmen, wenn er sich gemeinsam mit einer oder mehreren Privatperson(en) an einer Gesellschaft, Vereinigung oder juristischen Person beteiligt, die ihren tatsächlichen oder satzungsmäßigen Sitz oder ihre Hauptniederlassung im Gerichtsstaat hat, und wenn das Verfahren die Beziehungen betrifft, die sich aus dieser Beteiligung zwischen dem Staat einerseits und der Gesellschaft, Vereinigung oder juristischen Person oder weiteren Beteiligten andererseits ergeben, es sei denn, es wurde schriftlich etwas anderes vereinbart, Art. 6.630 Diese Jurisdiktionsanknüpfung kommt jedoch nur zur Anwendung, wenn es um die Rechte und Pflichten der Mitglieder der Vereinigung untereinander oder dieser gegenüber den Mitgliedern oder umgekehrt geht, nicht dagegen, wenn es um die Position des Staates als Mitgläubiger oder Mitschuldner der Vereinigung gegenüber Dritten geht (vgl. Rz. 1441). Hier kommt Art. 4 (Rz. 717) zum Zuge. 723 d) Gerichtsstand der Niederlassung: Immunität entfällt auch insoweit, als der in Anspruch genommene Staat im Gerichtsstaat ein Büro, eine Agentur oder eine andere Niederlassung hat, durch die er auf die gleiche Weise wie eine Privatperson eine gewerbliche, kaufmännische oder finanzielle Tätigkeit ausübt, und wenn das Verfahren diese Tätigkeit des Büros, der Agentur oder der Niederlassung betrifft, es sei denn, dass alle Streitparteien Staaten sind oder die Parteien schriftlich etwas anderes vereinbart haben, Art. 7.631 Die vorgenannten Betätigungen gewerbliche, kaufmännische oder finanzielle Tätigkeiten sind an sich immer rein privatrechtlicher Natur. Gleichwohl schließt Art. 7 die Immunität nur aus, soweit ein Staat entsprechende Tätigkeiten durch ein Büro, eine Agentur oder eine Niederlassung, die im Gerichtsstaat belegen ist, ausübt. Dieser Anknüpfungspunkt soll sicherstellen, dass eine für die Begründung der Gerichtsbarkeit ausreichende Verbindung zwischen dem Gerichtsstaat und der wirtschaftlichen Tätigkeit des beklagten Staates besteht. Diese Beschränkung der Gerichtsbarkeit des Staates, in dem die vorgenannten Aktivitäten stattfinden, wird aber teilweise durch Art. 4 (Rz. 717) aufgewogen, da die meisten gewerblichen, kaufmännischen oder finanziellen Tätigkeiten, die ein Staat auf andere Weise als durch ein Büro, eine Agentur oder sonstige Niederlassung ausübt, zu vertraglichen Verpflichtungen führen, die im Tätigkeitsstaat zu erfüllen sind.632
630 Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 426. 631 Hierzu Kren Kostkiewicz a.a.O. 426. 632 Denkschrift a.a.O. 33.
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Staatenimmunität e) Gerichtsstand für Patente und sonstige gewerbliche Schutzrechte: Immunität 724 besteht nach Art. 8 nicht,633 wenn sich das Verfahren bezieht a) auf ein Patent, ein gewerbliches Muster oder Modell, ein Warenzeichen, eine Dienstleistungsmarke oder ein anderes gleichartiges Recht, das im Gerichtsstaat angemeldet, hinterlegt, eingetragen oder auf andere Weise geschützt ist, wenn der Staat Anmelder, Hinterleger oder Inhaber ist;634 b) auf die Behauptung, der Staat habe im Gerichtsstaat ein solches, dort geschütztes und einem Dritten zustehendes Recht verletzt; g) auf die Behauptung, der Staat habe im Gerichtsstaat ein dort geschütztes und einem Dritten zustehendes Urheberrecht verletzt; d) auf das Recht zum Gebrauch einer Firma im Gerichtsstaat. Hier kann man vom Gerichtsstand des Verleihungsstaates sprechen. Ein Staat 725 nimmt durch Anmeldung oder Erwerb von gewerblichen Schutzrechten am allgemeinen Wirtschaftsverkehr im Gerichtsstaat teil. Er soll keine bessere Rechtsstellung erlangen als jeder andere (private) Schutzrechtsinhaber(-anmelder). Daher ist für alle Verfahren, die sich auf solche Schutzrechte oder Schutzrechtsanmeldungen beziehen (z.B. für Löschungsklagen, Nichtigkeits- und Zwangslizenzverfahren nach dem PatG oder dem SortenschutzG), die Staatenimmunität ausgeschlossen, ebenso für alle Verfahren, in denen ein Vertragsstaat wegen angeblicher Verletzung eines Schutzrechts im Gerichtsstaat (z.B. auf Unterlassung, Rechnungslegung, Schadenersatz) in Anspruch genommen wird.635 Der Begriff „Firma“ ist weit auszulegen und erfasst alle Formen des Handels- 726 namens, wie z.B. neben der Firma auch die Unternehmensbezeichnung. Auch der Ausdruck „Recht zum Gebrauch“ ist weit zu fassen. Hierunter fallen alle Formen des Schutzes, einschließlich der Streitigkeiten über die Eintragung einer Firma. f) Forum rei sitae: Immunität ist – wie seit alters her (Rz. 627) – nach Art. 9 nicht gegeben, wenn sich das Verfahren bezieht
727
a) auf ein Recht des Staates an unbeweglichem Vermögen, auf den Besitz oder den Gebrauch solchen Vermögens durch den Staat oder b) auf seine Pflichten, die ihm als Inhaber von Rechten an unbeweglichem Vermögen oder als Besitzer obliegen oder sich aus dem Gebrauch eines solchen Vermögens ergeben, sofern das unbewegliche Vermögen im Gerichtsstaat gelegen ist. Vgl. auch Rz. 1431. Hierunter fallen insbesondere Klagen,
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– die unmittelbar das Eigentum, ein sonstiges dingliches Recht (insbesondere Dienstbarkeiten einschließlich Nießbrauch) oder den Besitz an dem Grundstück zum Gegenstand haben;
633 Vgl. oben Rz. 628a. 634 Hierzu Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 419. 635 Hierzu Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 215.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit – wegen Immissionen, Besitzstörungen oder sonstigen Beeinträchtigungen, die von dem Grundstück im Eigentum oder Besitz des ausländischen Staates ausgehen; – auf Ersatz von Schäden, für die der Staat in seiner Eigenschaft als Eigentümer oder Besitzer eines Grundstücks haftet, etwa wegen herabstürzender Gebäudeteile oder wegen Nichtstreuens bei Glatteis; – betreffend Streitigkeiten über das Recht zum Besitz eines Grundstücks einschließlich der Herausgabe oder Räumung; – betreffend Miet- und Pachtzinszahlungen. 729 Soweit sich die Klagen auf Botschaftsgrundstücke beziehen, sind das WÜD und das WÜK zu beachten, Art. 32: Ne impediatur legatio, Rz. 593. Zwangsmaßnahmen gegen die Botschaft und die Mitglieder der Mission sind nach Maßgabe der Wiener Konvention unzulässig, nicht aber Klagen gegen den Entsendestaat.636 730 Öffentlich-rechtliche Angaben oder Gebühren, die vom Grundstückseigentümer oder -besitzer zu zahlen sind, fallen nicht unter Art. 9. 731 g) Gerichtsstand der Erbschaft und Schenkung: Immunität kann nicht in Anspruch genommen werden, wenn das Verfahren ein Recht an beweglichem oder unbeweglichem Vermögen betrifft, das zu einer Erbschaft oder Schenkung gehört oder erb- oder herrenlos ist; vgl. Rz. 1299, 1338. Art. 10 legt weder die zuständige Gerichtsbarkeit fest noch das anwendbare Recht. Dies ist eine Folge der erheblichen Unterschiede in den IPR-Systemen der Mitgliedstaaten des Europarats. Art. 20 III regelt die Verpflichtung des betroffenen Staates, sich einem gegen ihn gefällten Urteil zu unterwerfen, Rz. 701. 732 h) Gerichtsstand des Schadenseintritts: Immunität entfällt auch, wenn das Verfahren den Ersatz eines Personen- oder Sachschadens betrifft, das schädigende Ereignis im Gerichtsstaat eingetreten ist und der Schädiger sich bei Eintritt des Ereignisses in diesem Staat aufgehalten hat, Art. 11; forum delicti commissi.637 Vgl. Rz. 1497. Auf die Unterscheidung zwischen acta iure imperii bzw. gestionis kommt es nicht an. 733 Der Rechtsgrund (Vertrag oder außervertragliche Haftung) spielt keine Rolle. Beispiele: Personen- und Sachschäden, die durch Dienstfahrzeuge ausländischer Vertretungen verursacht werden, wobei es für die Gerichtsbarkeit über den ausländischen Vertragsstaat (Kraftfahrzeughalter) nicht darauf ankommt, ob es sich um eine Dienstfahrt gehandelt hatte oder ob der Unfall bei einer Privatfahrt mit dem Dienstwagen passiert ist. 734 Unter Art. 11 fallen auch Klagen wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten, die dem fremden Staat bei der Unterhaltung von Dienstgebäuden im Gerichtsstaat obliegen, z.B. wenn der Hausmeister bei einer ausländischen Vertretung die Verkehrssicherungspflichten nicht ordentlich erfüllt, aber auch und erst recht dann, wenn eine für die Erfüllung der Verkehrssicherungspflichten 636 Heß, a.a.O. 216. 637 Hierzu Heß a.a.O. 216; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 429 ff.
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Staatenimmunität verantwortliche Person pflichtwidrig gar nicht bestellt worden ist. In solchen Fällen muss auf den fiktiven Aufenthalt abgestellt werden.638 10. Vereinbarung der schiedsgerichtlichen Streiterledigung Wenn ein Vertragsstaat schriftlich zugestimmt hat, dass bestehende oder künftige zivil- oder handelsrechtliche Streitigkeiten einem schiedsrichterlichen Verfahren unterworfen werden, kann er sich nicht auf seine Immunität berufen, Art. 12, vgl. auch Rz. 521, 3854.639
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In diesen Fällen kann der fremde Staat vor einem Gericht eines anderen Ver- 736 tragsstaates, in dessen Hoheitsgebiet oder nach dessen Recht das schiedsrichterliche Verfahren stattfinden soll oder stattgefunden hat, Immunität von der Gerichtsbarkeit für ein Verfahren nicht beanspruchen, das die Gültigkeit oder die Auslegung der Schiedsvereinbarung, das schiedsrichterliche Verfahren oder die Aufhebung des Schiedsspruchs betrifft, sofern nicht die Schiedsvereinbarung etwas anderes vorsieht.640 Ausgenommen sind Schiedsvereinbarungen zwischen Staaten, Art. 12. Die ratio conventionis ist einleuchtend: Ein Staat, der eine privatrechtliche 737 Schiedsvereinbarung geschlossen hat, soll sich den Verfahren vor staatlichen Gerichten, welche der Durchsetzung der Schiedsvereinbarung, der Bestellung von Ersatzschiedsrichtern, der ordnungsgemäßen Durchführung des schiedsrichterlichen Verfahrens und der Kontrolle des Schiedsgerichts und Schiedsspruchs dienen, nicht durch die Berufung auf seine Immunität entziehen können. Die Formulierung ist so gewählt, dass sowohl der Theorie, nach welcher der Ort des Schiedsverfahrens maßgebend ist, als auch der prozessualen Theorie (maßgebend ist das auf das schiedsrichterliche Verfahren angewandte Recht) Rechnung getragen wird. Unter Art. 12 fallen alle in der Rechtsordnung des Gerichtsstaats vorgesehenen gerichtlichen Maßnahmen bei der Einleitung und im Verlauf des Schiedsverfahrens, nicht jedoch Verfahren zur Vollstreckung von Schiedssprüchen; Art. 20 findet daher keine Anwendung. Dieser setzt die Entscheidung eines staatlichen Gerichts voraus: Für die Vollstreckbarerklärung von Schiedssprüchen gegen Staaten gelten die allgemeinen multi- und bilateralen Konventionen und Abkommen, im Übrigen das autonome Recht (§§ 1060 ff. ZPO). 11. Gerichtliche Vermögensverwaltung Die Staatenimmunität darf die gerichtliche Verwaltung von Vermögenswerten nicht behindern. Deshalb darf Art. 14 des Übereinkommens nicht so ausgelegt werden, dass ein Gericht eines Vertragsstaates nur deshalb daran gehindert ist, Vermögenswerte wie etwa ein Treuhandvermögen oder eine Insolvenzmasse zu 638 Denkschrift Bundestagsdrucksache 10/4631 S. 34. 639 Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 180. 640 Beispiel: Klöckner Industrieanlagen GmbH u.a. gegen die Regierung von Kamerun u.a., hierzu Nachweise bei Schlechtriem IPRax 1986, 69.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit verwalten oder deren Verwaltung zu veranlassen oder zu überwachen, weil ein anderer Vertragsstaat ein Recht an dem Vermögen hat. Dies gilt unabhängig davon, ob das Gericht das Vermögen selbst verwaltet oder nur für die Verwaltung sorgt oder sie beaufsichtigt, z.B. den Nachlassverwalter bzw. Nachlasspfleger.
V. Immunität der Staatsschiffe 739 Das Internationale Abkommen zur einheitlichen Feststellung von Regeln über die Immunität der Staatsschiffe vom 10.4.1926641 (Rz. 498) regelt einen Teilaspekt der Vollstreckungsimmunität der Staaten, Rz. 597. Es ist inzwischen ersetzt durch Art. 95 und 96 des VN-Seerechtsübereinkommens vom 10.12.1982.
VI. Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die Sicherungsbeschlagnahme von Luftfahrzeugen vom 29.5.1933.642 740 Auch dieses Abkommen betrifft die Vollstreckungsimmunität. Art. 3 dieses Übereinkommens (Rz. 599) verbietet die Beschlagnahme von Luftfahrzeugen, die ausschließlich für den staatlichen Dienst bestimmt sind. 741–756
4. Kapitel: Immunität der Organe des völkerrechtlichen Verkehrs I. Staatsoberhäupter Literatur: Appelbaum, Einschränkungen der Staatenimmunität in Fällen schwerer Menschenrechtsverletzungen, 2007; Bank, Der Fall Pinochet: Aufbruch zu neuen Ufern bei der Verfolgung von Menschenrechtsverletzungen?, ZaöRV 59 (1999), 677; Born/Rutledge, International Civil Litigation in the United States Courts4, 2006, 242, 255; Dörr, Staatliche Immunität auf dem Rückzug?, ArchVR 41 (2003), 201, 205; Gornig, Immunität von Staatsoberhäuptern, in Festschrift Rauschning, 2001, 457; M. Lüke, Die Immunität staatlicher Funktionsträger, 2000; Tangermann, Die völkerrechtliche Immunität von Staatsoberhäuptern, 2002; Watts, The Legal Position of Heads of States, Heads of Governments and Foreign Ministers, RdC 247 (1994 III), 9, 56 ff.; Wilhelmi, Das Weltrechtsprinzip im internationalen Privat- und Strafrecht, Diss. Trier 2007, 97, 243; Wirth, Staatenimmunität für internationale Verbrechen – das zweite Pinochet-Urteil des House of Lords, Jura 2000, 70; Zeichen/Hebenstreit, Kongo v. Belgien. Sind Au-
641 RGBl. 1927 II 483; 1936 II 303. Hierzu Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 224. 642 RGBl. 1935 II 302. Hierzu Kren Kostkiewicz a.a.O. 226.
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Immunität der Organe ßenminister vor Strafverfolgung wegen völkerstrafrechtlicher Verbrechen immun?, ArchVR 41 (2003), 182. Als oberste Repräsentanten ihrer Staaten sind fremde Staatsoberhäupter von der 757 Gerichtsbarkeit befreit, und zwar auch hinsichtlich ihrer privaten Akte.643 Der Satz rex extra territorium suum privatus644 konnte sich nicht durchsetzen.645 Nach Ende seiner Amtszeit kann ein ausländisches Staatsoberhaupt jedoch für 758 privates Handeln, das in seine Amtszeit fällt, belangt werden.646 So konnte z.B. ein bekanntes Pariser Modehaus gegen Exkönig Faruk von Ägypten noch offene Rechnungen vor französischen Gerichten einklagen.647 Nach Beendigung der Stellung als Staatsoberhaupt besteht die Immunität nur für Amtshandlungen – möglicherweise mit Ausnahme von internationalen Verbrechen648 – fort (sofern 643 IGH vom 14.2.2002 – Demokratische Republik Kongo v. Belgien betreffend Arrest vom 11.4.2000, http://www.icj.-cij.org. Hierzu Dörr ArchVR 41 (2003), 201, 205. 644 Christian Wolff, Ius gentium methodo § 1059. 645 Herrschende Meinung, z.B. Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 5; Kälin/Epiney/Heim, Völkerrecht, 2003, 160; Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, Diss. Konstanz 1997, 100; Watts, The Legal Position in International Law of Heads of States, Heads of Governments and Foreign Ministers, RdC 247 (1994-III), 9, 52 ff., 88 ff. Anders die Praxis in Frankreich, Italien und wohl auch in der Schweiz, Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 92. Zweifel auch bei Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 253 (§ 29 III 1): Die Ausdehnung der persönlichen Immunität auf das gesamte Privatleben des Staatsoberhauptes unter Einschluß etwa von ihm betriebener Handelsgewerbe „sei eine unangebrachte und nicht mehr zeitgemäße Überschätzung der Staatsgewalt“. Nach sec. 14 (1) (A) des brit. State Immunity Act wird einem amtierenden ausländischen Staatsoberhaupt Befreiung von britischer Gerichtsbarkeit nur insoweit zuteil, als der von ihm im Völkerrechtsverkehr vertretene Staat Immunität beanspruchen könnte, sec. 20 (1) (A) StIA. Ebenso Singapore State Immunity Act 1979 sec. 16, Pakistan State Immunity Ordinance 1981 sec. 15, Canadian State Immunity Act 1982 sec. 2. Diese Regelungen sind völkerrechtswidrig, Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 77. Zur Frage der Überlagerung der absoluten Immunität eines Staatsoberhauptes durch den menschenrechtlich garantierten Justizgewährungsanspruch (Art. 6 I EMRK; künftig Art. 47 II EuGrundrechtecharta) im Falle einer Vaterschaftsfeststellungsklage verneinend österr. OGH vom 14.2.2001, IPRax 2002, 418 (Tomuschat 437); die Klägerin wollte feststellen lassen, (nichteheliche) Tochter des ehem. Fürsten Franz Josef II von Liechtenstein zu sein. 646 Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 243. 647 ILR 57, 228; Batiffol/Lagarde, Droit international privé, tome I8, 1993, Nr. 692. 648 So jedenfalls das House of Lords im Pinochet-Fall, Regina v. Bow Street Metropolitan Stipendiary Magistrate, ex parte Pinochet Ugarte, [1998] 3 W.L.R. 1456 = ILR 119, 50; Regina v. Bow Street Metropolitan Stipendiary Magistrate, ex parte Pinochet Ugarte [1999] 2 W.L.R. 827 = ILR 119, 135. Hierzu Dolzer NJW 2000, 1700; Bank ZaöRV 59 (1999), 677; McLachlan, Pinochet Revisted, ICLQ 52 (2002), 959; Tangermann, Die völkerrechtliche Immunität von Staatsoberhäuptern, 2002, 69 ff., 240 ff.; Wirth Jura 2000, 70. Kritisch zur Durchbrechung der Staatenimmunität und ihrer völkerrechtlichen Organe z.B. Dörr ArchVR 41 (2003), 201, 212, 218; Garnett, The Defence of State Immunity for Acts of Torture, Australian YbIL 18 (1997), 97; Rensmann IPRax 1999, 268. Siehe auch oben Rz. 502.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit der von ihm repräsentierte Staat, vertreten durch seinen Nachfolger als Staatsoberhaupt bzw. durch den Außenminister, nicht auf die Immunität verzichtet), nicht jedoch für privates (außerdienstliches) Handeln während der Amtszeit.649 759 Während seiner Amtszeit kann das Staatsoberhaupt (genauer der von ihm repräsentierte und vertretene Staat, weil die Immunität des Staatsoberhauptes aus der Staatenimmunität abgeleitet ist) auf seine Immunität verzichten. Erhebt er selbst Klage vor den Gerichten eines fremden Staates, dann kann gegen ihn eine negative Entscheidung ergehen. Es gilt das Gleiche wie in Rz. 634 und 635, 771. Das Staatsoberhaupt unterliegt nicht der Pflicht, als Zeuge zu erscheinen und auszusagen, Rz. 777. Es kann aber freiwillig aussagen.650 Siehe auch Rz. 493. 760 Das einschlägige Völkergewohnheitsrecht ist nicht kodifiziert. Die für Leiter diplomatischer Missionen (Art. 1 lit. a WÜD) geltenden Regeln sind entsprechend anzuwenden.651 Daher genießen Staatsoberhäupter keine Immunität bei dinglichen Klagen, die Grundbesitz im Forumstaat betreffen, in Nachlasssachen und für Klagen im Zusammenhang mit der Ausübung eines freien Berufes oder eines Gewerbes, Rz. 769. 761 Soweit das Staatsoberhaupt im Ausland als Leiter einer Spezialmission oder einer Delegation bei einer internationalen Organisation auftritt, kommen Art. 21 I des VN-Übereinkommens über Spezialmissionen (Rz. 801) bzw. Art. 50 der Wiener Konvention über die Vertretung von Staaten in ihren Beziehungen zu internationalen Organisationen mit universellem Charakter zur Anwendung.652 762 Ausnahmen von der Immunität für Fälle von Kriegsverbrechen, völkerrechtlichen Verbrechen und sonstigen Verstößen gegen völkerrechtliches ius cogens:653 Nach Art. 7 des Statuts des Internationalen Militärgerichtshofs in Nürn-
649 Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht10, 2000, Rz. 1497; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 77; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 254 (§ 29 IV 1). 650 BVerwG vom 30.9.1989, NJW 1989, 678 = IPRspr. 1988 Nr. 147; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 254 (§ 29 III 3). Umfassende Nachweise auch bei Borghi, L’immunité des dirigeants politiques en droit international, 2003. 651 Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 243. 652 Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 244. 653 Nachweise z.B. in BVerfG vom 10.6.1997, BVerfGE 96, 68 = NJW 1998, 50, 53. Siehe auch die Nachweise bei Cremer, Entschädigungsklagen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen und Staatenimmunität vor nationaler Zivilgerichtsbarkeit, ArchVR 41 (2003), 137; Dörr, Staatliche Immunität auf dem Rückzug, ArchVR 41 (2003), 201; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 2 Rz. 11 ff.; Wilhelmi, Das Weltrechtsprinzip im internationalen Privat- und Strafrecht, Diss. Trier 2007, 98; Zeichen/Hebenstreit, Kongo v. Belgien. Sind Außenminister vor Strafverfolgung wegen völkerstrafrechtlicher Verbrechen immun?, ArchVR 41 (2003), 182.
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Immunität der Organe berg,654 Art. 7 II des Statuts des Internationalen Gerichtshofs für Jugoslawien,655 Art. 6 II des Statuts des Internationalen Gerichtshofs für Ruanda656 sowie Art. 27 des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs (Konvention von Rom vom 17.7.1998)657 sind Staatsoberhäupter nicht von der Verantwortlichkeit freigestellt.658 Dies ist jedoch bisher nicht universelles Völkergewohnheitsrecht.659
II. Regierungsmitglieder Literatur: Watts, The Legal Position of Heads of States, Heads of Governments and Foreign Ministers, RdC 247 (1994 III), 9, 56 ff.; Regierungsmitglieder genießen nicht absolute Immunität, sondern nur hinsichtlich ihrer Amtshandlungen.660 Für ihr außerdienstliches privates Handeln sind
654 UNTS vol. 82, 279. 655 ILM 32 (1993), 1192. Umfangreiche Nachweise bei Werle, Völkerstrafrecht, 2003; van Heeck, Die Weiterentwicklung des formellen Völkerstrafrechts – Von den ad hoc Tribunalen der Vereinten Nationen zum ständigen Internationalen Strafgerichtshof unter besonderer Berücksichtigung des Ermittlungsverfahrens, 2007; Wilhelmi, Das Weltrechtsprinzip im internationalen Privat- und Strafrecht, Diss. Trier 2007, 218 ff. 656 ILM 33 (1994), 1602. 657 BGBl. 2000 II 1393 = ILM 37 (1998), 999; hierzu Bundestagsdrucksache 14/2682; deutsche Übersetzung auch in EuGRZ 1998, 618. Art. 27 lautet: Unerheblichkeit der amtlichen Eigenschaft (1) Dieses Statut gilt gleichermaßen für alle Personen, ohne jeden Unterschied nach amtlicher Eigenschaft. Insbesondere enthebt die amtliche Eigenschaft als Staats- oder Regierungschef, als Mitglied einer Regierung oder eines Parlaments, als gewählter Vertreter oder als Amtsträger einer Regierung eine Person nicht der strafrechtlichen Verantwortlichkeit nach diesem Statut und stellt für sich genommen keinen Strafmilderungsgrund dar. (2) Immunitäten und besondere Verfahrensregeln, die nach innerstaatlichem Recht oder nach dem Völkerrecht mit der amtlichen Eigenschaft einer Person verbunden sind, hindern den Gerichtshof nicht an der Ausübung seiner Gerichtsbarkeit über eine solche Person. 658 Zum Fall Pinochet Rz. 758 Fußn. 648. 659 Dies hat der Internationale Gerichtshof im Arrest Warrant Case für amtierende Regierungsvertreter festgestellt, IGH vom 14.2.2002 – Democratic Republic of Congo v. Belgium, ICJ Rep. 2002, 3 Rz. 58: „The Court has carefully examined State practice, including national legislation and those few decisions of national higher courts … It has been unable to deduce from this practice that there exists under customary international law any form of exception to the rule according immunity from criminal jurisdiction and inviolability to incumbent Ministers of Foreign Affairs, where they are suspected of having committed war crimes or crimes against humanity.“ Hierzu siehe auch Dutta, Amtshaftung wegen Völkerrechtsverstößen bei bewaffneten Auslandseinsätzen deutscher Streitkräfte, AöR 133 (2008), 191, 196. 660 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 258 (§ 30 II 1 Fußn. 6); Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 245; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 2 Rz. 31. Weitere Nachweise bei Borghi, L’immunité des dirigeants politiques en droit international, 2003; Wilhelmi, Das Weltrechtsprinzip im internationalen Privat- und Strafrecht, Diss. Trier, 2007, 96 ff.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit sie – anders als grundsätzlich die Diplomaten – der Jurisdiktion fremder Staaten unterworfen.661 764 Anders ist es, wenn das betreffende Regierungsmitglied und „andere Persönlichkeiten hohen Ranges“ im Ausland im Rahmen einer Spezialmission oder einer Delegation bei einer internationalen Organisation agiert; dann kommen wiederum die (am WÜD orientierten) Privilegien des VN-Übereinkommens über Spezialmissionen (Rz. 801) bzw. der Wiener Konvention über die Vertretung von Staaten in ihren Beziehungen zu internationalen Organisationen mit universellem Charakter zur Anwendung.662
III. Ständige Missionen663 1. Diplomaten 765 a) Grundsatz: Die Unverletzlichkeit der Diplomaten gehört zu den ältesten Gewährleistungen des Völkergewohnheitsrechts.664 Sie ist fundamentale Voraussetzung für die Pflege der zwischenstaatlichen Beziehungen.665 Im Laufe der Geschichte haben daher Staaten aller Kulturen die zu diesem Zweck bestehenden gegenseitigen Verpflichtungen beachtet. Ohne die historisch gewachsenen Privilegien und Immunitäten wäre die Diplomatie nicht vorstellbar und auch nicht 661 Zurückhaltend gegenüber der Auflockerung der absoluten Immunität aber IGH vom 14.2.2002 – Kongo/Belgien (website des IGH), teilweise auch abgedruckt bei Neuhold/ Hummer/Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. II D 207 S. 341. 662 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 297 (§ 40); Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 245. 663 Das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen vom 18.4.1961 (WÜD), BGBl. 1964 II 958, regelt nur die rechtliche Stellung der „normalen“ ständigen Missionen. Ihr Anwendungsbereich erfaßt weder die sog. Ad hoc-Missionen (siehe aber unten Rz. 801) noch die internationalen Organisationen (Rz. 825) noch die bei diesen akkreditierten Vertretungen, Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 77. 664 Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 76. 665 In der völkerrechtlichen Literatur wird die Eigenständigkeit des Diplomatenrechts im Verhältnis zum Recht der allgemeinen Staatenimmunität betont, wenngleich die Immunität der Diplomaten und des Botschaftskomplexes letztlich ihre Grundlage und Rechtfertigung in der Immunität der Staaten findet. Gleichwohl handelt es sich um unterschiedliche Rechtsinstitute mit jeweils eigenen Regeln, so dass aus Beschränkungen in einem Bereich nicht auf den anderen geschlossen werden kann. Die völkerrechtlichen Regeln des Diplomatenrechts sind gegenüber der allgemeinen Staatenimmunität lex specialis, Steinberger, State Immunity, EPIL 4 (2000), 615; BVerfG vom 6.12.2006, RIW 2007, 206, 208 Rz. 33 = NJW 2007, 2605 = IPRax 2007, 438 (von Hein 399) = IPRspr. 2006 Nr. 106. Ein pauschal erklärter Immunitätsverzicht (z.B. aus Anlaß der Begebung einer Anleihe [Rz. 583]) berechtigt z.B. nicht auch zur Vollstreckung in solche Vermögensgegenstände, die dem Schuldner-Staat (Entsendestaat) zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit seiner diplomatischen Mission im Vollstreckungsstaat (Empfangsstaat) dienen, BVerfG a.a.O. Rz. 40 ff.
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Immunität der Organe leistungsfähig als unverzichtbares Instrument der effektiven Kooperation innerhalb der internationalen Gemeinschaft.666 Sie erlaubt es den Staaten, unabhängig von ihren unterschiedlichen Verfassungs- und Sozialsystemen ein gegenseitiges Verständnis zu entwickeln und ihre Meinungsverschiedenheiten mit friedlichen Mitteln beizulegen.667 Absolute Immunität ratione personae: Der Missionschef und die Mitglieder des 766 diplomatischen Personals der Mission genießen neben dem Recht auf besonderen Schutz ihrer Person (Art. 29 WÜD) und bestimmten Befreiungen von der materiellen Rechtsordnung des Empfangsstaates (Art. 33 ff. WÜD)668 – im Gegensatz zu fremden Staaten669 – noch immer umfassende Immunität von der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates, Art. 31 WÜD.670 Die Immunität der Diplomaten und der ihnen nach Art. 37 I WÜD gleichgestellten zum Haushalt des Diplomaten gehörenden Familienmitglieder (hierzu zählen auch Lebensgefährten/-innen671) erstreckt sich auch auf Angelegenheiten ihres privaten Lebensbereichs, und zwar auch für Vorgänge (Verträge/Delikte etc.) aus der Zeit vor Dienstantritt.672 Hinzu kommt das sog. „Depeschenrecht“: Garantie des freien Verkehrs der amtlichen Korrespondenz der diplomatischen Mission mit ihrer Regierung und den anderen Missionen und Konsulaten des Entsendestaates einschließlich der Korrespondenz und des Kuriergepäcks.673
666 Umfangreiche Nachweise zum Diplomatenrecht z.B. bei Denza, Diplomatic Law2, 1998. 667 So BVerfG vom 10.6.1997, BVerfGE 96, 68 = NJW 1998, 50, 52 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Internationalen Gerichtshofs. 668 In Betracht kommt insbesondere die Befreiung von Steuern und Abgaben im Empfangsstaat, Befreiung von persönlichen Dienstleistungen und militärischen Auflagen, Befreiung von den Vorschriften über die soziale Sicherheit, vgl. Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, §§ 895 ff. 669 Grundlegende Unterschiede zwischen Staatenimmunität und diplomatischer Immunität akzentuiert BVerfG vom 10.6.1997, BVerfGE 96, 68 = NJW 1998, 50, 53: „Die diplomatische Immunität für dienstliche Handlungen ist . . . nicht nur ein Reflex der Immunität des Entsendestaates, sondern erklärt sich eigenständig aus dem besonderen Status des Diplomaten. Seine Anwesenheit auf dem Territorium des Empfangsstaates und seine Befugnis, dort für den Entsendestaat tätig zu werden, beruhen auf der Zustimmung des Empfangsstaates in Form des Agrément (Art. 4 WÜD). Diese Zustimmung rechtfertigt die persönliche wie funktionelle diplomatische Immunität. Im Gegensatz dazu gewinnen Staatsorgane ihren Status allein durch einen innerstaatlichen Kreationsakt.“ Dies ist aber zu „beamtenrechtlich“ gedacht. Der Entsendestaat hat es in der Hand, gegenüber dem Empfangsstaat auf die Immunität seines Diplomaten zu verzichten und diesen so den Gerichten des Empfangsstaates „auszuliefern“. 670 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 75; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 900 ff. 671 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 904 Fußn. 57. 672 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 279; Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 250; LG Bonn vom 7.3.1991, FamRZ 1991, 1329 (Kimminich) = StAZ 1991, 167 = IPRspr. 1991 Nr. 163 (Berichtigung der Namenseintragung für Diplomatenkind nach §§ 47, 48 PStG a.F.). 673 Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 71 Fußn. 22.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit 767 Eine Ausnahme gilt für regnicoles, das sind Diplomaten, die Staatsangehörige des Empfangsstaates sind oder vor ihrer Berufung auf den Diplomatenposten dort dauernd wohnhaft waren, Art. 38 I WÜD. Im Zusatzprotokoll zur Diplomatenkonvention ist aber die auch bisher unbestrittene Regel festgeschrieben, dass der Empfangsstaat den Kreis der regnicoles nicht dadurch erweitern darf, dass Mitglieder des bevorrechtigten Personenkreises ohne deren Antrag zu eigenen Staatsangehörigen erklärt werden z.B. aufgrund einer extensiven Auslegung des ius soli.674 768 Die diplomatische Immunität besteht so lange, als der Diplomat seine Funktion im Empfangsstaat ausübt. Für dienstliche Handlungen kann das diplomatische Personal jedoch auch nach Ende seiner dortigen Funktion nicht persönlich belangt werden, da die Handlungen nur dem Entsendestaat zuzurechnen sind. 769 Die Immunität auch für private Akte des Diplomaten ist zwar zur Aufrechterhaltung des diplomatischen Verkehrs nicht erforderlich (z.B. Immunität gegenüber Unterhaltsklagen), doch wäre die Abgrenzung zu problematisch (z.B. Mietstreitigkeiten). Deshalb hat man sich generell für die absolute Befreiung von der Zivilgerichtsbarkeit entschieden. Dies gilt auch für das Vollstreckungsverfahren, Art. 31 III WÜD; vgl. aber Rz. 770, 776, 781. Hinsichtlich Zustellung siehe Rz. 2146. Nach Beendigung seiner Tätigkeit im Empfangsstaat kann der Diplomat für seine amtliche Tätigkeit zwar weiterhin Immunität beanspruchen, für private Handlungen (Rz. 769) während seiner diplomatischen Tätigkeit jedoch ebenso wenig wie das Staatsoberhaupt (Rz. 763).675 770 b) Ausnahmen: Ein Diplomat unterliegt nach Art. 31 WÜD der Zivilgerichtsbarkeit des Empfangsstaates hinsichtlich – dinglicher Klagen „in Bezug auf privates, im Hoheitsgebiet des Empfangsstaates gelegenes unbewegliches Vermögen“;676 – Klagen in Nachlasssachen;677 – Klagen im Zusammenhang mit einem freien Beruf oder einer im Empfangsstaat ausgeübten gewerblichen Tätigkeit.678 771 In den vorgenannten Fällen sind auch Vollstreckungshandlungen gegen einen Diplomaten gestattet, wenn „sie durchführbar sind, ohne die Unverletzlichkeit seiner Person oder seiner Wohnung zu beeinträchtigen“, Art. 31 III WÜD. 772 c) Der Diplomat als Kläger/Antragsteller: aa) Widerklage: Ist der Diplomat Kläger/Antragsteller,679 so kann er sich „in Bezug auf eine Widerklage, die mit der 674 Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht10, 2000, Rz. 1023. 675 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 278. 676 Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 413. 677 Kren Kostkiewicz a.a.O. 416. 678 Diese Ausnahme von der grundsätzlich absoluten Immunität steht im Zusammenhang mit Art. 42 WÜD; danach darf der Diplomat keinen Beruf und keine gewerbliche Tätigkeit im Empfangsstaat ausüben, die auf persönlichen Gewinn gerichtet ist. 679 Der Diplomat bedarf zur Klageerhebung kraft Völkerrechts nicht der Genehmigung des Entsendestaates; innerstaatlich kann dieser jedoch seinen Diplomaten ein solches Genehmigungserfordernis auferlegen. So z.B. Österreich, Matscher in Fasching, Kom-
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Immunität der Organe Hauptklage in unmittelbarem Zusammenhang steht“, nicht auf seine Immunität von der Gerichtsbarkeit berufen, Art. 32 III WÜD, ebenso Art. 45 III WÜK.680 Vgl. Rz. 634 ff. bb) Aufrechnung: Bestritten ist, ob – außer in den Fällen des Art. 31 I 1 lit. a-c 773 WÜD – mit jeder privatrechtlich zu qualifizierenden Forderung aufgerechnet werden kann oder nur mit solchen, die mit der Klage in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Die extensivere Auslegung ist die richtige, da eine Einschränkung der Verteidigungsmöglichkeiten des Beklagten bzw. eine Privilegierung des Diplomaten als Angreifendem nicht gerechtfertigt erscheint.681 Von der Frage der Gerichtsbarkeit zu trennen ist die Frage, ob Voraussetzung für die Zulässigkeit der Aufrechnung die internationale Zuständigkeit für die Gegenforderung (= Aufrechnungsforderung) ist, Rz. 637, 638.
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cc) Rechtsmittel gegen ein dem Diplomaten günstiges Urteil: Die vom Diploma- 775 ten verklagte Person darf sich aller nach dem Recht des Gerichtsstaates (Empfangsstaates) zulässigen Verteidigungsmittel bedienen, um die Klage zu Fall zu bringen. Dazu gehört auch das Recht, Rechtsmittel einzulegen, wenn der Diplomat siegreich war.682 – Siehe auch Rz. 634. dd) Kosten: Der Diplomat darf auch zu Zahlung der Kosten eines von ihm ange- 776 strebten und verlorenen Prozesses verurteilt werden.683 Wegen der Vollstreckung gilt Rz. 770 entsprechend, obwohl dieser Fall in Art. 31 III WÜD nicht erwähnt ist.
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mentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 160. Die völkerrechtliche Frage wird jedoch nicht einheitlich beantwortet, Nachweise bei Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 402. So schon RGZ 111, 149. Vgl. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 281 Fußn. 23. Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht16, 2004, § 19 Rz. 17 wollen nur solche Widerklagen zulassen, die allein der Verteidigung dienen. Für eine solche restriktive Auslegung besteht kein Grund, da sie die Waffengleichheit der Parteien beeinträchtigt. Auch ist nicht einleuchtend, wieso ein Diplomat, der die Gerichte des Empfangsstaats anruft, besser geschützt werden soll, was die Gegenangriffe des Beklagten anbelangt, als ein „normaler“ Kläger. Die Widerklage ist vielmehr immer dann zulässig, wenn sie Ansprüche aus dem gleichen Vertrags- oder sonstigen Lebenssachverhalt, der bereits Gegenstand der Klage ist, betrifft. Gegen eine privatrechtlich zu qualifizierende Klage kann nach Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, 1985, 84 nicht ein öffentlichrechtlicher Anspruch im Wege der Widerklage geltend gemacht werden (nur in den seltensten Fällen wäre der Diplomat überhaupt passiv legitimiert), vgl. aber Rz. 637. Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 161; Stein/Jonas/Leipold, ZPO22, 2005, § 145 Rz. 40; Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, 1985, 89 (mit Ausnahme von hoheitlich zu qualifizierenden Forderungen). Probleme entstehen aber, wenn nach der maßgeblichen lex causae die Aufrechnung durch counterclaim, compensation judiciaire erfolgt, R. Geimer IPRax 1986, 210. Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 902. Verdross/Simma a.a.O. § 902.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit 777 d) Der Diplomat als Zeuge: Ein Diplomat ist nicht verpflichtet, als Zeuge auszusagen (Art. 31 WÜD).684 Es ist aber völkerrechtskonform, ihn hierzu – ohne Zwangsandrohung – einzuladen, Rz. 493.685 778 e) Keine Befreiung von der materiellen Rechtsordnung des Empfangsstaates: Der Missionschef und alle anderen Mitglieder der Mission sind grundsätzlich verpflichtet, die Gesetze und anderen Rechtsvorschriften des Empfangsstaates zu beachten, Art. 41 I WÜD. Nur einzelne dieser Normen finden auf sie keine Anwendung. Sie sind z.B. gemäß Art. 34 von allen staatlichen, regionalen und kommunalen Personal- und Realsteuern oder -abgaben befreit.686 Dies gilt aber nicht für die Prozesskosten (Rz. 776). 779 Allerdings kann der Empfangsstaat seine Rechtsordnung nicht durch Richterspruch und Zwangsvollstreckung durchsetzen, soweit die Missionsmitglieder Immunität von der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates (Art. 31 WÜD) und von seiner Zwangsgewalt auch für ihre Privathandlungen genießen, Art. 29 WÜD. Ihre Privatwohnungen und ihre Korrespondenz sind ebenso wie die Räumlichkeiten der Mission unverletzlich, Art. 30 WÜD. 780 f) Keine Exterritorialität: Der früher gebräuchliche Begriff „Exterritorialität“ verleitet zur falschen Vorstellung, dass die Handlungen und Unterlassungen der privilegierten Personen als außerhalb des Gebietes des Empfangsstaates vorgenommen fingiert werden. Dies ist nicht der Fall. Es handelt sich vielmehr um Tatbestände, die auch de iure am Tatort gesetzt wurden.687 780a g) Die Person des Diplomaten ist unverletzlich, Art. 29 WÜK. Der Empfangsstaat darf gegen ihn keinerlei Zwangsgewalt ausüben. Der Diplomat darf nicht verhaftet oder festgehalten werden.688 Seine Privatwohnung (Art. 30 I WÜK), sein Eigentum (Art. 30 II in Verbindung mit Art. 31 III WÜK) und die in seinem Besitz befindlichen Gegenstände sind der Wegnahme, Einziehung oder Beschlagnahme entzogen. Zur Frage der Zulässigkeit von Zustellungen an ihn Rz. 2146. 781 h) Rechtswidrige Angriffe, die von privilegierten Personen ausgehen, können sowohl von Privatpersonen (vgl. Rz. 334) als auch von Organen des Empfangsstaates abgewehrt werden. Staatliche Zwangsakte gegen die privilegierten Personen sind also abgesehen von den in Rz. 770, 776 erwähnten Fällen des Art. 31 III WÜD oder im Falle eines Verzichts auf die Vollstreckungsimmunität ausschließlich zur Verhinderung von strafbaren Handlungen (nicht aber zur Bestrafung) zulässig.689 Dies gilt nicht nur für Maßnahmen der Exekutive, sondern auch für Akte der Judikative. Diese kann etwa bei Besitzstörungen einstweilige Verfügungen erlassen; so ist z.B. das Abschleppen von verbotswidrig parkenden 684 Hierzu Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 251. 685 Verdross/Simma a.a.O. § 903; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 280 (§ 35 I 4). 686 Näher Verdross/Simma a.a.O. § 900; Dahm/Delbrück/Wolfrum a.a.O. 281 (§ 35 III 1). 687 Verdross/Simma a.a.O. § 900; Dahm/Delbrück/Wolfrum a.a.O. 287 (§ 38 I 3). 688 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 275 (§ 34 III 1). 689 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 908; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 283.
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Immunität der Organe Kraftfahrzeugen auf dem Nachbargrundstück zulässig, da dadurch die diplomatische Tätigkeit nicht behindert wird. Erlaubt ist aber nur Prävention zur Verhinderung (nach dem Recht des Emp- 781a fangsstaates) rechtswidrigen Verhaltens im Empfangsstaat, nicht jedoch Reaktion auf bereits abgeschlossene Unrechtstatbestände mit Mitteln des Zivil- oder Strafrechts.690 Der Empfangsstaat kann den Diplomaten nur zur persona non grata erklären (Art. 9 WÜD) und auf völkerrechtlicher Ebene gegen den Entsendestaat vorgehen. Dürfte der Empfangsstaat auch mit anderen als den vom Diplomatenrecht vorgesehenen Mitteln gegen Diplomaten vorgehen, so würden die Grundlagen der diplomatischen Beziehungen erschüttert, die ein Zusammenleben der Staaten erst ermöglichen. Die Regeln des Diplomatenrechts stellen eine in sich abgeschlossene Ordnung (ein sog. self-contained régime) dar, das die möglichen Reaktionen auf Missbräuche der diplomatischen Vorrechte und Immunitäten abschließend umschreibt.691 Allerdings bestehen für Kriegsverbrechen, völkerrechtliche Verbrechen und Verstöße gegen völkerrechtliches ius cogens Ausnahmen von der Immunität, allerdings nicht nach universellem Völkergewohnheitsrecht692, sondern nur nach einigen internationalen Statuten, Rz. 762.693
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i) Regnicoles: Die Immunität des Diplomaten, der Angehöriger des Empfangsstaates oder dort ständig ansässig ist (Rz. 766), bezieht sich grundsätzlich nur auf in Ausübung dienstlicher Tätigkeit vorgenommene Amtshandlungen (Art. 38 I WÜD).694
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j) Zur Frage, ob der Entsendestaat verpflichtet ist, ein Forum bereit zu stellen, Rz. 800b.
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2. Familienmitglieder Dieselben Vorrechte wie der Diplomat genießen nach Art. 37 I WÜD die zum Di- 785 plomatenhaushalt gehörenden Familienmitglieder (einschließlich Lebensgefährtin695), wenn sie nicht Angehörige des Empfangsstaates sind. 690 691 692 693
Nachweise z.B. in BVerfG vom 10.6.1997, BVerfGE 96, 68 = NJW 1998, 50, 52. BVerfG vom 10.6.1997, BVerfGE 96, 68 = NJW 1998, 50, 52. IGH vom 14.2.2002 – Democratic Republic of Congo v. Belgium, ICJ Rep. 2002, 3 Rz. 58. Diese Ausnahmen sollen aber nach Auffassung des BVerfG vom 10.6.1997, BVerfGE 96, 68 = NJW 1998, 50, 53 nicht für die diplomatische Immunität in Betracht kommen. Ein Schluß von den Grenzen der Staatenimmunität zu denen der Diplomatenimmunität sei nicht möglich, weil letztere den Diplomaten persönlich schütze. Die oben Rz. 762 zitierten Regelungen lassen aber eine solche einschränkende Auslegung nicht zu. Siehe auch die Nachweise bei Cremer, Entschädigungsklagen wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen und Staatenimmunität vor nationaler Zivilgerichtsbarkeit, ArchVR 41 (2003), 137; Dörr, Staatliche Immunität auf dem Rückzug, ArchVR 41 (2003), 201; Zeichen/Hebenstreit, Kongo v. Belgien. Sind Außenminister vor Strafverfolgung wegen völkerstrafrechtlicher Verbrechen immun?, ArchVR 41 (2003), 182. 694 Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht10, 2000, Rz. 996; Dahm/Delbrück/Wolfrum a.a.O. 283. 695 Offen gelassen von Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 254.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit 3. Verwaltungs- und technisches Personal 786 Das Verwaltungs- und technische Personal und seine im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienmitglieder genießen – wenn sie weder Angehörige des Empfangsstaates noch in diesem ansässig sind – im Gegensatz zum Missionschef und den Mitgliedern des diplomatischen Personals der Mission Immunität nur für dienstliche Handlungen. Sie sind für private Handlungen von der Zivilgerichtsbarkeit des Empfangsstaates nicht befreit, Art. 37 II, III, 38 WÜD.696 787 Die für diesen Personenkreis wichtige Unterscheidung zwischen dienstlichem und außerdienstlichem Verhalten (Rz. 811) deckt sich nicht mit der Differenzierung zwischen acta iure imperii und acta iure gestionis. Ein „dienstliches Handeln“ (Art. 37 II, III, Art. 38 I WÜD) kann zwar, muss aber nicht auch ein actum iure imperii im Sinne der allgemeinen Staatenimmunität (Rz. 578) sein; Rz. 490.697 788 Staatsangehörige der Empfangsstaaten und ständig dort wohnhafte Mitglieder des Verwaltungs- und technischen Personals genießen keine Immunität ratione personae, jedoch ratione materiae. 4. Dienstpersonal der Mission 789 Dienstpersonal, das direkt im Dienst der Mission steht, genießt Immunität für seine dienstlichen Handlungen, ausgenommen wieder Staatsangehörige des Empfangsstaates und ständig dort wohnhafte Personen, Art. 37 III WÜD. 5. Private Hausangestellte von Mitgliedern der Mission 790 Dienstpersonal, das im Dienst von Mitgliedern der Mission steht, genießt keine Immunität, es sei denn, der Empfangsstaat gewährt „freiwillig“ Immunität. Eine solche Immunitätserweiterung hat Deutschland nicht angeordnet. Die Ausübung der (deutschen) Zivilgerichtsbarkeit darf die Wahrung der Aufgaben der Mission nicht ungebührlich behindern, Art. 37 IV WÜD. 6. Aufhebung der Immunität 791 Der Entsendestaat kann durch eine ausdrückliche Erklärung gegenüber der Regierung des Empfangsstaates oder dem Gericht die Immunität auch ohne Zustimmung der Betroffenen aufheben.698 Ein Verzicht auf die Immunität erstreckt 696 Ausführlich Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 259. 697 Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, 1985, 68; anderer Auffassung Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 76. 698 Art. 32 WÜD betrifft nur den Verzicht auf die Immunität von Personen, die diplomatischen Schutz genießen, nicht jedoch den (möglichen) Verzicht auf die Befreiung der im Empfangsstaat betriebenen Botschaft samt allen ihren zu diplomatischen bzw. konsularischen Zwecken dienenden Einrichtungen (Art. 21 VN-Übereinkommen über die gerichtliche Immunität der Staaten und ihres Eigentums [Rz. 571]), Rz. 593; BVerfG vom 6.12.2006, RIW 2007, 206, 210 Rz. 48 = NJW 2007, 2605 = IPRax 2007, 438 (von
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Immunität der Organe sich im Zweifel nicht auf die Immunität gegenüber Vollstreckungsmaßnahmen. Hierauf muss gesondert verzichtet werden, Art. 32 IV WÜD.699 Abgesehen vom Sonderfall der Widerklage (Rz. 771) kann eine diplomatische Immunität genießende Person ohne Zustimmung des Entsendestaates nicht auf ihre Immunität verzichten; denn die Immunität wird im Interesse des Entsendestaates (Funktionieren der diplomatischen Vertretung) gewährt und nicht im persönlichen Interesse der hierdurch privilegierten Person, Rz. 474.700 Daher ist die Zustimmung des Entsendestaates zur Vollstreckung gegen den Diplomaten selbst dann erforderlich, wenn sich dieser im Empfangsstaat der sofortigen Zwangsvollstreckung (§ 794 I Nr. 5 ZPO) unterworfen hat. Ein Verzicht des Diplomaten in einem privatrechtlichen Vertrag ist nichtig.701 Falls seine Regierung nichts Gegenteiliges ausspricht, ist der Missionschef er- 792 mächtigt, im Namen des Entsendestaats auf seine Immunität und diejenige der Diplomaten und sonstiger Angehöriger seiner Mission zu verzichten.702 Der Empfangsstaat hat keinen Anspruch auf Immunitätsverzicht.703
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7. Unterschied zwischen der Immunität des Personals diplomatischer Missionen und der Immunität des Personals internationaler Organisationen Das Personal diplomatischer Missionen genießt Immunität nach Maßgabe des 793 WÜD nur im Empfangsstaat. Diese Personen bleiben aber der Gerichtsbarkeit des Entsendestaates unterworfen und sind dort in der Regel verklagbar. Wenn sie auch im Empfangsstaat tätig sind, behalten sie dennoch u.U. einen fiktiven Wohnsitz im Entsendestaat bei, vgl. § 15 ZPO, Rz. 783. Sie sind weiter in dritten Staaten gerichtspflichtig (soweit diese eine internationale Zuständigkeit eröffnen).704 Um die volle Unparteilichkeit eines Mitarbeiters einer internationalen Organisa- 794 tion gerade auch gegenüber seinem Herkunfts-/Heimatland sicherzustellen, genießt dieses Personal auch dort Immunität.705 Der geographische Bereich der Immunität ist also weiter, dafür ist der sachliche enger: Das Personal der internationalen Organisation ist von der Zivilgerichtsbarkeit der Staaten grundsätzlich nur für seine dienstlichen Handlungen befreit, nicht jedoch für den privaten Bereich.
699 700 701 702 703 704 705
Hein 399) = IPRspr. 2006 Nr. 106. Siehe auch die Nachweise bei Kleinlein, Anforderungen an den Verzicht auf diplomatische Immunität, NJW 2007, 2591. Siehe auch unten Rz. 2148. Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht10, 2000, Rz. 1041. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 280 Fußn. 21. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 280; Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 137. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 281. Siehe auch R. Geimer ZfRV 1992, 404. Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht10, 2000, Rz. 1045; Seidl-Hohenveldern/Loibl, Das Recht der internationalen Organisationen einschließlich der supranationalen Gemeinschaften7, 2000, Rz. 1917.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit 795 Allerdings ist dem Generalsekretär der Vereinten Nationen und einem kleineren Kreis höherer Beamter internationaler Organisationen im jeweiligen Abkommen über die Privilegien und Immunitäten der Organisation und im Sitzabkommen meist „diplomatische“ Immunität gewährt, d.h. Immunität auch für Privathandlungen.706 8. Ne impediatur legatio 796 Dieser Grundsatz (Rz. 593) betrifft allenfalls mittelbar die Rechtsstellung der Diplomaten bzw. des Personals der Missionen. Im Vordergrund steht vielmehr die Immunität des Staates, dessen Gesandtschaft ungestört funktionieren soll, Rz. 474.707 – Siehe auch Rz. 2147. 9. Archive und Schriftstücke der Mission 796a Sie sind – „wo immer sie sich befinden“ – unverletzlich, Art. 24 WÜD. Sie sind jedem Zugriff des Empfangsstaates entzogen. Die Papiere dürfen nicht eingesehen, erst recht nicht weggenommen werden; die Mitglieder der Mission dürfen nicht gezwungen werden, über den Inhalt der Papiere auszusagen. Nach einer sehr problematischen Entscheidung des House of Lords708 dürfen solche diplomatischen Papiere aber im Prozess auch dann verwertet werden, wenn sie die diplomatischen Archive völkerrechtswidrig verlassen haben. Die Verletzung des Art. 24 WÜD bewirkt nach dieser Meinung also kein (prozessuales) Verwertungsverbot. 10. Kuriere 797 Die amtliche Korrespondenz und die Kuriere genießen „im Durchreiseverkehr, einschließlich der verschlüsselten Nachrichten, die gleiche Freiheit und den gleichen Schutz wie im Empfangsstaat“, Art. 40 III WÜD. 11. Rechtsstellung der Diplomaten in dritten Staaten: Keine erga omnes-Wirkung der diplomatischen Immunität 798 Diplomaten, die – um ihr Amt anzutreten oder um in ihren Heimatstaat zurückzukehren – das Gebiet eines dritten Staates durchreisen oder sich dort befinden, sowie ihre sie begleitenden oder getrennt reisenden Familienangehörigen genießen in diesem Staate die Garantie der Unverletzlichkeit und alle sonstigen für die Reise erforderlichen Immunitäten, Art. 40 I WÜD. Die Durchreise des Ver-
706 Um den Missbrauch solch weiter Immunitäten zu vermeiden, kann die Generalversammlung der Vereinten Nationen die Immunität jedes ihrer Beamten „aufheben, wenn die Immunität verhindern würde, dass der Gerechtigkeit Genüge getan wird“. 707 Zu einem pauschal erklärten Immunitätsverzicht siehe oben Rz. 562 a.E. 708 House of Lords vom 3.12.1987, im Fall Shearson Lehman Brothers Inc., and others v. McLaine, Watson & Comp. Ltd. and others (zit. bei Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 288 [§ 38 I 4]).
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Immunität der Organe waltungs-, technischen und Hauspersonals darf nicht behindert werden, Art. 40 II WÜD.709 Daraus folgt grundsätzlich keine Befreiung von der Zivilgerichtsbarkeit.710 Die 799 Vollstreckungsorgane des Durchreise-Staats dürfen aber keine Vollstreckungsmaßnahmen (wegen eines zivilrechtlichen Titels) vornehmen, welche die Durchreise behindern, wie z.B. persönlicher Arrest (§ 918 ZPO) oder Verhaftung (§§ 888 ff., 901 ZPO). 12. Ende der Immunität Nach Art. 39 WÜD endet die diplomatische Immunität einer Person, deren 799a dienstliche Tätigkeit im Empfangsstaat beendet ist, mit der Ausreise bzw. mit Ablauf der hierfür gesetzten angemessenen Frist. Für die Akte in Ausübung dienstlicher Tätigkeit als Mitglied der Mission bleibt sie jedoch bestehen. Denn insoweit ist die Immunität des Entsendestaates betroffen, die nach wie vor fortbesteht. Die dienstlichen Handlungen sind diesem zuzurechnen.711 Ein gerichtliches Verfahren gegen den (ehemaligen) Diplomaten käme in seinen Auswirkungen einem Verfahren gegen den Entsendestaat nahe. Die fortwirkende diplomatische Immunität für dienstliche Handlungen dient deshalb dem Schutz des Entsendestaates selbst. Der Bereich des dienstlichen Handelns ist weit zu fassen. Es kommt nicht darauf an, dass der konkrete in Frage stehende Akt der Erfüllung diplomatischer Aufgaben im Sinne des Art. 3 WÜD dient.712 Dass das Handeln des Diplomaten nach dem Recht des Empfangsstaates rechtswidrig und sogar strafbar ist, schließt dienstliches Handeln nicht aus. Zwar gehört die Begehung von Straftaten schlechthin nicht zu den Aufgaben einer diplomatischen Mission. Wäre aber deshalb eine Straftat niemals dem dienstlichen Handeln zuzuordnen, wäre die (fortbestehende) diplomatische Immunität inhaltsleer.713 13. Nichtvertragsstaaten des Wiener Übereinkommens Deutschland wendet das WÜD auch gegenüber Nichtvertragsstaaten an, § 18 S. 2 800 GVG. Hierzu besteht jedoch keine Verpflichtung aufgrund des allgemeinen Völkergewohnheitsrechts.714 14. Verletzung der diplomatischen Vorrechte Neben dem Entsendestaat ist das Diplomatische Korps (= Gesamtheit aller im Empfangsstaat akkreditierten Diplomaten), vertreten durch seinen Doyen (Art. 16 III WÜK), gewohnheitsrechtlich dazu berufen, die Respektierung der di709 Allgemein Doehringer/Ress AVR 37 (1999), 68. 710 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 285 (§ 37 I 3); Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 914. Siehe auch BVerfG vom 10.6.1997, BVerfGE 96, 68 = NJW 1998, 50, 54. 711 BVerfG vom 10.6.1997, BVerfGE 96, 68 = NJW 1998, 50, 51. 712 Salmon, Manuel de Droit Diplomatique, 1994, 458 ff. 713 BVerfG vom 10.6.1997, BVerfGE 96, 68 = NJW 1998, 50, 52. 714 BVerfG vom 10.6.1997, BVerfGE 96, 68 = NJW 1998, 50.
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800a
Dritter Teil: Gerichtsbarkeit plomatischen Vorrechte zu überwachen. Wird das Diplomatische Korps vorstellig, so ist dies gegenüber dem Empfangsstaat keine Einmischung (Rz. 220). 15. Rechtsschutz durch den Entsendestaat 800b Die Immunität von der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates befreit nicht von der Gerichtsbarkeit des Entsendestaates, Art. 31 IV WÜD. Der Entsendestaat ist – als Ausgleich dafür, dass die Rechtsverfolgung (für Private) im Empfangsstaat wegen des Immunitätsanspruchs des Entsendestaates unmöglich ist – von Völkerrechts wegen verpflichtet, vor seinen Gerichten den Rechtsweg zu eröffnen, auch wenn nach seinem allgemeinen internationalen Zivilverfahrensrecht eine internationale Zuständigkeit nicht gegeben ist, z.B. weil der Diplomat seinen Wohnsitz nicht im Entsendestaat hat.715 Deutschland hat durch die Wohnsitzfiktion bzw. Auffangregel des § 15 I ZPO Rechtsschutz (nur) gegen Deutsche garantiert, Rz. 1273, 1934.716 Daneben besteht u.U. eine Klagemöglichkeit in einem dritten Staat, z.B. am forum solutionis vel delicti.
IV. Spezialmissionen 801 Die VN-Konvention vom 16.12.1969 über Spezialmissionen717 will in modifizierter Form die Wiener Diplomatenkonvention auf Spezialmissionen erstrecken; für die von ihr nicht behandelten Fragen bleibt das bisherige Völkergewohnheitsrecht unberührt.718 802 Als Spezialmission (special mission) definiert dieses Übereinkommen eine zwischen zwei oder mehreren Staaten vereinbarte und einvernehmlich wieder auflösbare „temporary mission“ zur Erfüllung bestimmter Aufgaben (Art. 16, 13, 20).719 Die meisten Regeln der Konvention vom 16.12.1969 folgen nahezu wörtlich dem WÜD:720 803 – Art. 25 und 26 über die Unverletzlichkeit der Missionsräume und der Archive. Diese Räume dürfen nur mit Zustimmung des Missionsleiters oder der Leitung der diplomatischen Mission betreten werden;
715 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 279 Fußn. 12. 716 Zur verfassungsrechtlichen Perspektive R. Geimer ZfRV 1992, 404. 717 Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 265. 718 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 915 ff.; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 297 (§ 40); Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnisund im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 87 ff. 719 Zu Recht betont LG Düsseldorf, EuGRZ 10 (1983), 440 im Fall Tabatabai, dass „die wirksame Errichtung einer Spezialmission in jedem Fall eine Vereinbarung der beteiligten Staaten über eine zu erfüllende bestimmte Aufgabe (Funktion) der Spezialmission“ voraussetzt. Siehe auch BGH vom 27.2.1984, BGHSt 32, 275 = NJW 1984, 2048 (Bocklaff 2742); OLG Düsseldorf vom 20.3.1986, NJW 1986, 2204. 720 Hierzu Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 265.
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Immunität der Organe – Art. 28 über die Befugnis der Mission, mit ihrer Regierung und anderen Dienststellen ungehindert, auch durch Kuriere, zu verkehren, einschließlich deren Unverletzlichkeit; – Art. 47 über die Pflicht der Missionsmitglieder zur Befolgung der Rechtsnormen des Empfangsstaates und der Nichteinmischung in dessen innere Angelegenheiten; – Art. 29 über die persönliche Unverletzlichkeit der Missionsmitglieder und die Pflicht des Empfangsstaates, sie „with due respect“ zu behandeln; – Art. 30 über die Unverletzlichkeit ihrer Wohnungen und Schriftstücke; – Art. 31 über die gerichtliche Immunität, jedoch mit der weiteren Ausnahme, dass gegen diese Personen Klagen zulässig sind „for damages arising out of an accident caused by a vehicle used outside the official functions of the person concerned“; – Art. 39 über die ihren Familienangehörigen zustehenden Privilegien und Immunitäten; – Art. 36, 37, 38 und 40 über die Einschränkung dieser Rechte für Angehörige des Empfangsstaates, des Verwaltungs- und technischen Personals sowie der Hausangestellten; – Art. 41 über den Verzicht auf die gerichtliche Immunität und die Voraussetzungen einer Widerklage; – Art. 43 über die Dauer der Immunität; – Art. 48 über das Verbot einer auf Gewinn gerichteten Tätigkeit im Empfangsstaat; – Art. 42 über die Rechtsstellung der Missionsmitglieder bei der Durchreise durch Drittstaaten. Art. 21 unterstreicht, dass den Staatsoberhäuptern, Regierungsmitgliedern, Außenministern und anderen Personen hohen Ranges sowohl im Empfangsstaat wie in dritten Staaten außer den bereits angeführten Vorrechten auch jene zustehen, die im allgemeinen Völkerrecht begründet sind.
804
V. Konsularische Vertretungen 1. Immunität nur für dienstliches Handeln Für Mitglieder der konsularischen Vertretungen einschließlich der Wahlkonsuln 805 besteht Gerichtsfreiheit nach der Wiener Konvention über konsularische Beziehungen – WÜK – vom 24.4.1963721 nicht absolut, sondern nur bezogen jeweils auf die Amtshandlung.722 Danach unterliegen Konsuln sowie Bedienstete des Verwaltungs- oder technischen Personals wegen Handlungen, die sie in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben vorgenommen haben, nicht der Gerichtsbarkeit des Empfangsstaates, Art. 43 I WÜK; hierzu Rz. 811. 721 BGBl. 1969 II 1589. Hierzu Lee, Consular Law and Practice3, 2008. 722 OLG Düsseldorf vom 3.5.1996, DAR 1996, 413 = NZV 1997, 92 = IPRspr. 1996 Nr. 133.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit 806 Vertragsklagen: Die Befreiung von der Zivilgerichtsbarkeit für Amtshandlungen gilt nicht für Zivilklagen, die aus einem Vertrag entstehen, den ein Konsul oder ein Bediensteter geschlossen hat, ohne dabei ausdrücklich oder sonst erkennbar im Auftrag des Entsendestaates (Rz. 490) gehandelt zu haben, Art. 43 II (a) WÜK. Maßgebend ist nicht der innere Wille des Konsuls, sondern „die äußere Erscheinungsform seiner Erklärung“. Dabei liegt im Zweifel ein Handeln im Namen des Entsendestaates näher als privates Handeln.723 807 Gerichtsbarkeit besteht auch, wenn die Zivilklage wegen eines Unfallschadens angestrengt wird, der im Empfangsstaat von einem Land-, Wasser- oder Luftfahrzeug verursacht worden ist, Art. 43 II (b) WÜK. 807a Zwangsvollstreckung ist zulässig in persönliches Vermögen des Konsuls, nicht jedoch in Vermögenswerte, die er in dienstlicher Eigenschaft besitzt, z.B. Gelder für die Bezahlung der Personal- und Sachkosten des Konsulats.724 807b Deliktisches Handeln: Schwierig ist die Abgrenzung der Handlungen in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben. Darunter kann man nicht mehr die Heimfahrt des Konsuls von der Reeperbahn subsumieren, wenn dieser den Mitgliedern einer Handelsdelegation seines Landes nach Abschluss des offiziellen Besuchsprogramms (Abendessen) noch das „Nachtleben“ der Stadt seines Amtssitzes vorgeführt hat.725 2. Zeugnispflicht 808 Konsuln – gleich welchen Ranges – unterliegen – anders als die Diplomaten – der Zeugnispflicht, haben aber ein Zeugnisverweigerungsrecht für Fragen, die ihre Amtshandlungen betreffen, Art. 44 WÜK.726 3. Urkundenvorlage 809 Für die Pflicht zur Urkundenvorlage gelten die allgemeinen Vorschriften des Empfangsstaats. Die Vorlage von amtlichen Schriftstücken kann jedoch nicht verlangt werden, Art. 44 III 1 WÜK. 4. Immunitätsverzicht 810 Bezüglich des Verzichts auf die Immunität gilt das Gleiche wie bei der diplomatischen Immunität, Rz. 791. Allerdings verlangt Art. 45 II WÜK anders als das WÜD Schriftform, Rz. 629.727 Der Konsulatsangehörige kann nicht selbst auf sei-
723 BGH vom 23.1.1985, NJW-RR 1986, 484 = JZ 1985, 951 = MDR 1985, 1001 = IPRspr. 1985 Nr. 1. 724 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 312. Differenzierend Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 276. 725 OLG Hamburg vom 30.6.1988, NJW 1988, 2191; OLG Karlsruhe vom 16.7.2004, NJW 2004, 3273. 726 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 312 (§ 44 II 4). 727 Hierfür besteht kein sachlicher Grund, Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 143.
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Immunität der Organe ne Privilegien verzichten. Dies ist vielmehr Aufgabe des Entsendestaates, Art. 45 I WÜK. Jedoch kann er durch Erhebung der Klage eine Widerklage provozieren. Dann ist kein besonderer Verzicht des Entsendestaates erforderlich, Art. 45 III WÜK. Anders als der Leiter der diplomatischen Mission (Rz. 474, 792) ist der Leiter der konsularischen Vertretung zum Verzicht nicht ermächtigt.728 5. Abgrenzung zwischen konsularischen (dienstlichen) und privaten (nichtdienstlichen) Tätigkeiten Ein Handeln in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben liegt vor, wenn ein in- 811 nerer und äußerer Zusammenhang zwischen dem Handeln und der Wahrnehmung konsularischer Aufgaben besteht. Das Vorliegen der Wahrnehmung konsularischer Aufgaben im Sinne des Art. 43 I WÜK bestimmt sich nach Art. 5 WÜK.729 Danach ist die Förderung der Entwicklung kommerzieller und wirtschaftlicher Beziehungen zwischen dem Entsendestaat und dem Empfangsstaat als der Kernbereich der Konsulartätigkeit anzusehen.730 Die Mitwirkung auf dem Gebiet der außerwirtschaftlichen Beziehungen wird deshalb auch nach § 1 Konsulargesetz zu den konsularischen Aufgaben gezählt. Beim Abschluss von Vermittlungsverträgen mit kommerziellem Inhalt, die den außenwirtschaftlichen Belangen dienen sollen, ist daher zu vermuten, dass der Abschluss solcher Verträge in Wahrnehmung konsularischer Aufgaben im Sinne von Art. 5 (b) WÜK erfolgt ist.731 6. Wahrnehmung diplomatischer Aufgaben durch Konsularbeamte Durch Wahrnehmung diplomatischer Aufgaben erlangen die Konsularbeamten nicht die (weitergehende) diplomatische Immunität, Art. 17 I 2 WÜK.
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7. Wahrnehmung konsularischer Aufgaben durch diplomatischen Vertreter Umgekehrt werden die diplomatischen Immunitäten nicht berührt, wenn diplomatische Vertreter für konsularische Aufgaben eingesetzt werden, Art. 70 IV WÜK.732
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8. Honorar- und Wahlkonsuln Honorar- und Wahlkonsuln sind Privatpersonen (in der Regel Angehörige des 814 Empfangsstaates oder Personen, die dort ständig ansässig sind), die neben ihrem Hauptberuf konsularische Funktionen im Namen des Entsendestaates ausüben. Diese genießen „lediglich Immunität von der Gerichtsbarkeit und persönliche Unverletzlichkeit wegen ihrer in Wahrnehmung ihrer Aufgaben vorgenomme728 729 730 731 732
Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 312. Hierzu Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 307. v. Münch, Völkerrecht2, 1982, 343. LG Hamburg vom 10.4.1986, NJW 1986, 3034 = RIW 1988, 478 = IPRspr. 1986 Nr. 127. Nachweise bei Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 306 Fußn. 15 (§ 42 IV 2).
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit nen Amtshandlungen“, sofern ihnen der Empfangsstaat nicht zusätzliche Rechte gewährt, Art. 71 I WÜK. Der Empfangsstaat darf jedoch die Wahrnehmung ihrer konsularischen Aufgaben „nicht ungebührlich behindern“. Hinsichtlich der Immunität für Amtshandlungen sind Wahlkonsuln den Konsuln gleichgestellt, Art. 58 II WÜK, auch wenn sie Angehörige des Empfangsstaates sind, Art. 71 I WÜK. 9. Unverletzlichkeit der Konsulatsräume und Archive 815 Es gilt das Gleiche, wie für die Räume der diplomatischen Mission, Art. 31, 33 WÜK.733 10. Beschränkung der persönlichen Freiheit des Konsularbeamten in Ausführung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils 816 Eine Beschränkung der persönlichen Freiheit des Konsularbeamten in Ausführung eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils ist zulässig, Art. 41 II WÜK. Verboten ist aber ein persönlicher Arrest (§ 918 ZPO), da dieser (nur) eine vorläufige Maßnahme darstellt. 11. Nichtvertragsstaaten des Wiener Übereinkommens 817 Deutschland wendet das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen auch gegenüber Nichtvertragsstaaten an, § 19 I 2 GVG.734
5. Kapitel: Immunität von Truppen fremder Staaten I. Überblick 818 Truppen fremder Staaten, die sich auf dem Gebiet eines Staates als Besatzungstruppen ohne dessen Zustimmung aufhalten, genießen nach der Haager Landkriegsordnung volle Immunität von der Gerichtsbarkeit des besetzten Landes. 819 Bei einvernehmlicher Stationierung von Truppen fremder Staaten oder der Vereinten Nationen ist deren Rechtsstellung im Stationierungsland völkervertraglich geregelt. Im Allgemeinen sehen diese Verträge vor, dass für außerdienstliche Handlungen von Angehörigen der fremden Truppen die Zivilgerichtsbarkeit des Stationierungslandes unberührt bleibt.735
733 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 925; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 313 (§ 45). 734 Nachweise z.B. bei Dutta, Amtshaftung wegen Völkerrechtsverstößen bei bewaffneten Auslandseinsätzen deutscher Streitkräfte, AöR 133 (2008), 191, 193, 205. 735 Nachweise bei Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 477.
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Immunität von Truppen fremder Staaten
II. NATO-Truppen Für die in Deutschland stationierten Truppen der NATO-Staaten und deren ziviles Gefolge gilt das NATO-Truppenstatut (NTS) vom 19.6.1951 samt Zusatzabkommen vom 3.8.1959736 in der Fassung des Änderungsabkommens vom 18.3.1993737 nebst Ausführungsgesetz vom 18.8.1961,738 ergänzt durch den Notenwechsel vom 25.9.1990.739
820
Für die von ihnen verursachten Stationierungsschäden ist gemäß Art. VIII 821 Abs. 5 (a) NTS deutsches Recht maßgeblich. Die Schadensersatzklage ist nicht gegen den Entsendestaat, sondern in passiver Prozessstandschaft gegen die Bundesrepublik Deutschland zu richten, Art. 12 II, 25 NTS-AusfG.740 Für dienstliches Verhalten haftet nur der Entsendestaat, nicht der Schädiger. Art. VIII Abs. 5 (g) NTS stellt zwar den Schädiger nur von der Vollstreckung frei; aus der Gesamtkonzeption des NTS folgt jedoch, dass der Schädiger gänzlich freigestellt werden soll.741 Die Ersatzpflicht des Entsendestaates ist durch Anmeldeund Klagefristen begrenzt, Art. 6, 12 III NTS-AusfG.742 Für außerdienstliches Verhalten haftet der Schädiger persönlich; er ist auch voll 822 gerichtspflichtig, d.h. er genießt keine Immunität.743 Anwendungsfälle: Klage wegen Schäden, die eine französische Pionierfähre bei 823 einer Dienstfahrt auf dem Rhein an einem anderen Schiff verursacht hat;744 Haftung für Stoßwellenschäden durch militärische Düsenflugzeuge.745
736 737 738 739 740
741 742 743 744 745
BGBl. 1961 II 1183, 1219. BGBl. 1994 II 2594. BGBl. 1961 II 1183. BGBl. 1990 II 1250. Ausführlich Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 235; H. Berger, Die Verfahrensstandschaft für die Stationierungsstreitkräfte, 1995; Kraatz NJW 1987, 1126; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 2 Rz. 94. Zu den zivilprozessualen Bestimmungen des NATO-Truppenstatuts BAG vom 23.7.1981, AuR 1982, 36 = IPRspr. 1981 Nr. 148; Schwenk NJW 1976, 1562; Geißler NJW 1980, 2615, 2619; Kreft in RGRK12, 1989, § 839 BGB Rz. 69; Sennekamp NJW 1983, 2731 und Grasmann BB 1980, 910. Für Klagen gegen die Bundesrepublik Deutschland als Prozessstandschafterin des Entsendestaates (Art. 56 VIII 2 ZA) ist Gerichtsbarkeit gegeben, BAG vom 30.11.1984, IPRspr. 1984 Nr. 126. Enger OVG Rheinland-Pfalz vom 10.11.1994, NVwZ-RR 1996, 320 = IPRspr. 1995 Nr. 137. Zur Prozessstandschaft für Aktivprozesse siehe OLG Karlsruhe vom 17.6.2004, VersR 2005, 1551 (Dumbs) = IPRspr. 2004 Nr. 33. Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 165 LG Heidelberg vom 4.12.1991, IPRax 1992, 96 (Furtak 78) = IPRspr. 1991 Nr. 52. BGH vom 7.11.1974, BGHZ 63, 228 = NJW 1975, 218 = MDR 1975, 211 = VersR 1975, 238 = IPRspr. 1974 Nr. 145. BGH vom 30.10.1975, NJW 1976, 1030 = MDR 1976, 300. – Siehe auch OLG Zweibrücken vom 23.11.1984, NJW 1985, 1298. Zur deutschen Gerichtsbarkeit in Arbeitsrechtsstreitigkeiten hinsichtlich des (deutschen) Zivilpersonals BAG vom 12.2.1985, BAGE 48, 92 = IPRspr. 1985 Nr. 128 = AP Art. I NTS Nr. 1 (Beitzke); BAG vom 7.10.1987, AP Nr. 15 zu § 611 BGB – Persönlichkeitsrecht = IPRspr. 1987 Nr. 120.
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit 823a Bewaffnete Auslandseinsätze außerhalb des NATO-Gebiets: Für Einsätze außerhalb des NATO-Gebiets kommt das NATO-Truppenstatut und damit auch dessen Haftungsregime nicht zur Anwendung.746
III. Deutsch-sowjetischer (bzw. nunmehr -russischer) Vertrag vom 12.10.1990 über den befristeten Aufenthalt und den planmäßigen Abzug der sowjetischen Truppen aus Deutschland747 824 Nachdem alle russischen Truppen aus Deutschland abgezogen sind, hat der Vertrag vom 12.10.1990 – von wenigen Abwicklungsprozessen abgesehen – nur mehr rechtshistorische Bedeutung. Nach Art. 17 I waren Rechtsbeziehungen zu Mitgliedern der ehedem sowjetischen, dann unter der „Jurisdiktion“ Russlands stehenden Truppen und deren Familienangehörigen oder zwischen diesen von der deutschen Gerichtsbarkeit ausgenommen.748 – Für Passivprozesse sah Art. 21 III – ähnlich wie Art. VIII (5) NTS – eine Prozessstandschaft Deutschlands vor.749
6. Kapitel: Einschränkungen der deutschen Gerichtsbarkeit im Hinblick auf deutsches Auslandsvermögen 824a Art. 2 des AHK-Gesetzes 63 vom 31.8.1951750 schränkt die Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland in Bezug auf deutsches (nach dem Zweiten Weltkrieg von den ehemaligen Kriegsgegnern beschlagnahmtes) Auslandsvermögen erheblich ein. Danach ist die Erhebung von Ansprüchen oder Klagen, die sich auf die Übertragung, Liquidierung oder Übergabe der unter das AHK-Gesetz 63 fallenden Vermögensgegenstände beziehen, a) gegen Personen, die Eigentum oder Besitz an diesen Vermögensgegenständen übertragen oder erworben haben, oder gegen diese Vermögensgegenstände, b) gegen eine internationale Stelle, gegen die Regierung eines ausländischen Staates oder gegen in Übereinstimmung mit der Anweisung einer solchen Stelle oder Regierung handelnde Personen unzulässig.751 746 Dutta, Amtshaftung wegen Völkerrechtsverstößen bei bewaffneten Auslandseinsätzen deutscher Streitkräfte, AöR 133 (2008), 191, 201. 747 BGBl. 1991 II 256. 748 Hierzu Mühl-Jäckel in Jayme/Furtak, Der Weg zur deutschen Rechtseinheit – Internationale und interne Auswirkungen im Privatrecht, 1991, 122, 393; Furtak IPRax 1992, 79; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 243. 749 Hierzu Reus MDR 1993, 414. 750 ABl.AHK 1107. 751 Siehe z.B. BGH vom 31.8.1951, BGHZ 8, 378: Streit zwischen zwei in Deutschland wohnhaften Sudetendeutschen betreffend den durch die Benesˇ-Dekrete enteigneten Grundbesitz. Die Anwendung des AHKG kann auch zu internationalen Verwicklun-
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Internationale Organisationen Hinzu kommt Teil VI, Art. 3 III des Überleitungsvertrages vom 23.10.1954:752 Da- 824b nach fehlt die Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland für Klagen gegen Personen, die aufgrund von Reparation oder Restitution oder aufgrund des Kriegszustandes oder aufgrund von Abkommen, welche die Drei Mächte (Frankreich, USA, Vereinigtes Königreich) mit anderen alliierten Staaten, neutralen Staaten oder ehemaligen Bundesgenossen Deutschlands geschlossen haben oder schließen werden, Eigentum erworben oder Eigentum übertragen haben, sowie für Klagen gegen internationale Organisationen, ausländische Regierungen, oder Personen, die auf Anweisung dieser Organisationen oder Regierungen gehandelt haben. Nach Art. 3 III werden „Ansprüche und Klagen“ gegen die genannten Personen „nicht zugelassen.“753 Dies gilt entsprechend auch für Klagen gegen den Entleiher eines enteigneten Gegenstandes, wenn dieser sein Recht zum Besitz von einer Person ableitet, die durch eine in jener Vorschrift genannte Maßnahme Eigentum erworben hat.754
7. Kapitel: Immunität internationaler Organisationen I. Überblick Anders als bei Staaten erstreckt sich die Immunität der internationalen Organi- 825 sationen auch auf private Handlungen (acta iure gestionis), und zwar deshalb, weil wegen der funktionellen Beschränkung der Rechtspersönlichkeit jede Tätigkeit so eng mit den eigentlichen hoheitlichen Zwecken der Organisation verbunden ist, dass eine Ausklammerung von Privatakten nicht sinnvoll erscheint.755 Daher ist bei internationalen Organisationen die Aufrechterhaltung
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gen führen. So hat das Fürstentum Liechtenstein (erfolglos) die Bundesrepublik Deutschland vor dem Internationalen Gerichtshof verklagt, weil die deutschen Gerich˘ SSR enteigneter Kunstgegenstände abte die rei vindicatio-Klage hinsichtlich in der C gewiesen haben; diese befanden sich als Leihgaben für eine Ausstellung (vorübergehend) in Deutschland. Siehe auch EGMR vom 12.7.2001 Rz. 58 f.; hierzu Heß BerDGVR 40 (2003), 107, 130. BGBl. 1955 II 405. OLG Frankfurt vom 18.12.1985, IPRspr. 1986 Nr. 125a; BGH vom 17.11.1986, WM 1987, 153 = IPRspr. 1986 Nr. 125b; BVerfG vom 28.1.1998, IPRax 1998, 482 (Doehring 465) = AVR 1998, 198 (Weber 188) = VIZ 1998, 202 = IPRspr. 1998 Nr. 127; hierzu Fassbender NJW 1999, 1445. Siehe auch BGH vom 11.4.1960, BGHZ 32, 173. LG Köln vom 10.10.1995, IPRax 1996, 419 (Seidl-Hohenveldern 410) = IPRspr. 1996 Nr. 123a; OLG Köln vom 9.7.1996, ROW 1998, 242 = IPRspr. 1996 Nr. 123b. So für Arbeitsrechtsstreitigkeiten (für in der Schweiz rekrutiertes Personal der Arabischen Liga für Archivtätigkeiten in deren Schweizer Büro) Schweizerisches BG IPRax 1999, 257 (Seidl-Hohenveldern 273); im gleichen Sinne schon Seidl-Hohenveldern, Die Immunität internationaler Organisationen in Dienstrechtsstreitfällen, 1981. Anderer Auffassung Dominicé in Festschrift Seidl-Hohenveldern, 1988, 93. Umfassende Nachweise bei Edgar Habscheid in Festschrift Geimer, 2002, 255, 261 ff. sowie bei Gaillard/Pingel-Lenuzza, International Organisations and Immunity from Jurisdiction: To Restrict or to Bypass, Int.Comp.L.Q. 2002, 1. Siehe auch Reinisch, International Or-
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit des Grundsatzes der absoluten Immunität – im Gegensatz zur staatlichen Immunität – sinnvoll und notwendig,756 unter der Voraussetzung, dass der internationalen Organisation erwerbswirtschaftliche Aktivitäten nicht gestattet sind.757 826 Dagegen können internationale Organisationen, denen die Teilnahme am Wirtschaftsverkehr erlaubt ist, nicht absolute Immunität beanspruchen.758 827 Bestritten ist, ob bereits eine Regel des partikulären Völkergewohnheitsrechts (Rz. 501) internationalen Organisationen einen Immunitätsanspruch gibt.759 828 Die Immunität der internationalen Organisationen von der innerstaatlichen Gerichtsbarkeit aller Mitgliedstaaten würde insbesondere zur Rechtlosstellung der Arbeitnehmer760 dieser Organisationen führen und von Dritten, die durch die Organe/Bediensteten dieser Organisation geschädigt werden. Deshalb ist es notwendig, dass für diese Organisationen eine eigene unabhängige Stelle als Ge-
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ganisations Before National Courts, 2000; Reinisch, Verfahrensrechtliche Aspekte der Rechtskontrolle von Organen der Staatengemeinschaft, BerDGVR 42 (2007), 43, 71; Pfeiffer, Die Rechtskontrolle von Organen der Staatengemeinschaft: Internationale Organisationen und ihre Rechtsgeschäfte mit Privaten, 2007, 93, 95. Seidl-Hohenveldern/Stein, 2000, Rz. 1499; Priess, Internationale Verwaltungsgerichte und Beschwerdeausschüsse, 1988, 57. Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 85. Nachweise bei De Bellis, L’immunità delle organizzazioni internazionali da la giurisdizione, 1992; Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 287; Wenckstern, Die Immunität internationaler Organisationen in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. II/1, 1994, Kap. I; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 92 ff. Weitere Nachweise bei Sato, Immunität Internationaler Organisationen, Diss. Marburg 2003 sowie bei van der Hout, Die völkerrechtliche Stellung der Internationalen Organisationen unter besonderer Berücksichtigung der Europäischen Union: Rechtspersönlichkeit, Handlungsfähigkeit und Autonomie, Diss. Saarbrücken 2006. Vgl. Art. VIII (3) des Weltbank-Abkommens vom 1./22.7.1944, BGBl. 1952 II 664, 677. Zum Internationalen Zinnrat Hoffmann NJW 1988, 585; Seidl-Hohenveldern/Loibl, Das Recht der internationalen Organisationen einschließlich der supranationalen Gemeinschaften7, 2000, Rz. 1909; Seidl-Hohenveldern/Hummer in Neuhold/Hummer/ Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. I Rz. 937. Siehe auch Kunz-Hallstein NJW 1992, 3069, österr. OGH vom 11.6.1992, österr. JZ 47 (1992), 661 = RIW 1993, 237 (Seidl-Hohenveldern) sowie Cour d’Appel Paris vom.10.2003, Rev. crit. d.i.p. 93 (2004), 409 (M. Audit). Dafür Seidl-Hohenveldern in Festschrift Schlochauer, 1981, 615; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 85; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 465 Fußn. 3; Ebenroth/Fuhrmann RIW 1989, 595, 598; Wenckstern in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. II/1, 1994, Kap. I Rz. 396 (S. 127), der folgenden Satz des Völkergewohnheitsrechts aus der Staatenpraxis destilliert: „Internationale Organisationen genießen diejenigen Immunitäten, die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben und zur Verwirklichung ihrer Ziele erforderlich sind.“ Priess, Internationale Verwaltungsgerichte und Beschwerdeausschüsse, 1988, 69. Siehe auch Streng, Dienstrecht in internationalen Organisationen: Rechtsverfolgung, Sanktion und Schadenersatz, Diss. Heidelberg 2002; Odenthal, Immunität Internationaler Organisationen bei Dienstrechtsstreitigkeiten, IPRax 2007, 339.
Internationale Organisationen richt organisiert wird. Denn die Immunität vor staatlichen Gerichten befreit die internationalen Organisationen nicht von ihrer Bindung an das Recht.761 Besteht keine ausreichende Rechtsschutzmöglichkeit bei der internationalen Organisation, taucht die Frage der „Rechtsschutzersatzhaftung“ der Bundesrepublik Deutschland auf. In solchen Extremfällen kann sich bei ausreichendem Inlandsbezug unter Berufung auf Art. 6 I EMRK762 bzw. Art. 47 II EuGrundrechtecharta der Rechtssuchende an die deutschen Gerichte wenden.763 Ebenso wie die Staaten (Rz. 629) können die internationalen Organisationen auf ihre Immunität verzichten.764
II. Vereinte Nationen Art. 104 und 105 I der Satzung der Vereinten Nationen sehen Immunitäten für die VN-Organisationen nur insoweit vor, als diese „zur Verwirklichung ihrer Ziele erforderlich sind“. Das zur Ausführung dieser Bestimmungen geschlossene Übereinkommen über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen vom 13.2.1946765 gewährt aber absolute Immunität: Die Organisationen der Vereinten Nationen, ihr Vermögen und ihre Guthaben, gleichviel wo und in wessen Besitz sie sich befinden, genießen Immunität von der Gerichtsbarkeit, soweit nicht im Einzelfall die Organisation ausdrücklich darauf verzichtet hat.766
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III. Beamte der Vereinten Nationen Die Beamten der Vereinten Nationen sind nach Art. V des Übereinkommens 830 über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen in drei Gruppen eingeteilt:767
761 Näher Wenckstern in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. II/1, 1994, Kap. I Rz. 444 (S. 142). Siehe auch Hailbronner JZ 1998, 283, 286; Priess a.a.O. 69; Schlüter, Die innerstaatliche Rechtsstellung der internationalen Organisationen unter besonderer Berücksichtigung der Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland, 1972, 167, 170. 762 EGMR vom 18.2.1999, NJW 1999, 1173, 1174; Edgar Habscheid IPRax 2001, 396; Edgar Habscheid in Festschrift Geimer, 2002, 255. 763 R. Geimer ZfRV 1992, 341; Wenckstern in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. II/1, 1994, Kap. I Rz. 173 (S. 56), Rz. 1011 (S. 326). – Zur subsidiären gesamtschuldnerischen Haftung der Mitgliedstaaten einer internationalen Organisation Rz. 219b. 764 Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 141. 765 BGBl. 1980 II 941. 766 Nachweise bei Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 277; Wenckstern in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. II/1, 1994, Kap. I Rz. 208 (S. 69). 767 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 281 ff.; Seidl-Hohenveldern/ Hummer in Neuhold/Hummer/Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. I Rz. 959.
331
Dritter Teil: Gerichtsbarkeit 1. Der Generalsekretär und seine Stellvertreter (Under- und Assistant-Secretaries-General), ihre Ehegatten und minderjährigen Kinder (nicht aber Privatangestellte und ihr Dienstpersonal) genießen die vollen diplomatischen Privilegien und Immunitäten. 2. Die vom Generalsekretär bestimmten Beamtenkategorien genießen nur Immunität vor gerichtlichen Verfahren hinsichtlich aller von ihnen in ihrer amtlichen Eigenschaft gesetzten Handlungen, gesprochenen oder geschriebenen Äußerungen. 3. Die übrigen Beschäftigten, einschließlich der stundenweise und am Dienstorte angestellten, haben keine Vorrechte. 831 Der Generalsekretär ist verpflichtet, soweit wie möglich, auf die Immunität seiner Beamten zu verzichten. Über ein Delikt des Generalsekretärs selbst entscheidet der Sicherheitsrat. 832 Im Gegensatz zu diplomatischen Vertretern steht den Beamten der Vereinten Nationen zur Sicherung ihrer Unabhängigkeit Immunität auch und gerade in ihrem eigenen Heimatstaat zu. Das Gros der VN-Beamten genießt aber nur Immunität für den dienstlichen Bereich.768 Andernfalls könnten private Ansprüche gegenüber VN-Beamten auch in deren Heimatstaat nicht verfolgt werden. Im Übrigen ist die dienstliche Tätigkeit dieser Beamten von ihrer privaten klarer trennbar als bei den Diplomaten, wo oft beide Bereiche ineinandergreifen, da sie ihre Aufgaben nicht nur in ihren Amtsräumen, sondern auch auf gesellschaftlichem Parkett erfüllen.769
IV. Sonderorganisationen der Vereinten Nationen 833 Die Sonderorganisationen selbst, ihre Beamten und die Delegierten der Mitgliedstaaten genießen aufgrund des Abkommens vom 21.11.1947 über die Vorrechte und Immunitäten der Sonderorganisationen770 ähnliche Vorrechte, wie sie oben Rz. 829 ff. für die Vereinten Nationen beschrieben worden sind. So haben z.B. gehobene Angestellte der Sonderorganisation der VN für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) nur Immunität für Handlungen in Ausübung ihrer dienstlichen Tätigkeit.771 834 Für die Internationale Atom Energie-Agentur (IAEA) gilt das Privilegienabkommen vom 1.7.1959.772 835 Dazu tritt eine Reihe von Sitzabkommen („Headquarters Agreements“) zwischen einzelnen Spezialorganisationen und ihren jeweiligen Sitzstaaten.773
768 Wenckstern in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. II/1, 1994, Kap. I Rz. 533 (S. 171). Siehe auch Hailbronner JZ 1998, 283, 285. 769 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 287. 770 BGBl. 1954 II 639. 771 BGH vom 6.10.1993, NJW 1993, 3262 = FamRZ 1994, 28 = LM Nr. 15 zu § 1605 BGB = IPRspr. 1993 Nr. 132. 772 BGBl. 1960 II 1993. 773 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 286.
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Internationale Organisationen
V. Sonstige internationale Organisationen Einschlägig ist der für die jeweilige internationale Organisation und ihre Beamten maßgebliche Vertrag, insbesondere im Sitzstaat das Sitzstaatabkommen.774
836
VI. Missionen und Delegationen bei universellen internationalen Organisationen Die Rechtsstellung von Missionen und Delegationen bei universellen internatio- 837 nalen Organisationen soll durch die am 14.3.1975 zur Unterzeichnung aufgelegte „Vienna Convention on the Representation of States in their Relations with International Organizations of a Universal Character“ kodifiziert werden.775 Die Konvention regelt nicht nur die Immunitäten der ständigen diplomatischen Vertretungen bei solchen Organisationen (Art. 5–41), sondern auch die der Delegationen zu einem Organ oder einer Konferenz der Organisation (Art. 42–70). Die Privilegien und Immunitäten all dieser Personen im Gastland sind grundsätzlich den diplomatischen Rechten nachgebildet (Art. 23–41, 54–70).
VII. Internationaler Gerichtshof Art. 19 des IGH-Statuts776 gewährt den Mitgliedern des Internationalen Gerichts- 838 hofs während der Ausübung ihres Amtes diplomatische Privilegien und Immunitäten. Ebenso genießen die Bevollmächtigten, Beistände und Anwälte der Parteien die für die Ausübung ihrer Funktion notwendigen Vorrechte, Art. 42 III des IGH-Statuts.777
VIII. Internationaler Strafgerichtshof Die Richter, der Ankläger, die Stellvertretenden Ankläger und der Kanzler haben bei der Wahrnehmung der Geschäfte des Gerichtshofs und in Bezug auf diese
774 So genießt z.B. die Europäische Weltraumorganisation Immunität vor deutschen Gerichten, BAG vom 10.11.1993, IPRax 1995, 33 (Seidl-Hohenveldern 14) = IPRspr. 1993 Nr. 133. Zusammenstellung bei Henrichs RdA 1995, 158 und Wenckstern NJW 1987, 1113. Vgl. auch Hug, Die Rechtsstellung der in der Schweiz niedergelassenen internationalen Organisationen, Diss. Zürich 1984, 83. Zum Protokoll über die Vorrechte und Immunitäten der Europäischen Patentorganisation Kuntz-Hallstein in Beier/Haertel/ Schricker, Europäisches Patentübereinkommen, Münchener Gemeinschaftskommentar, 1984 ff. 775 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, §§ 935 ff. 776 BGBl. 1973 II 503; Text z.B. auch bei Neuhold/Hummer/Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. II D 261 S. 405 ff. 777 Hierzu Guyomar, Commentaire du Règlement de la Cour Internationale de Justice, 1980; Wenckstern in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. II/1, 1994, Kap. I Rz. 252 (S. 85), Rz. 644 (S. 213), Rz. 966 (S. 312); Koster, Immunität internationaler Richter gemessen an derjenigen der Diplomaten und der internationalen Funktionäre, 2002.
333
839
Dritter Teil: Gerichtsbarkeit die gleichen Vorrechte und Befreiungen wie Chefs diplomatischer Missionen nach Art. 48 II des Statuts des Internationalen Strafgerichtshofs.778
IX. Europäische Union 840 Die Europäischen Gemeinschaften genießen nach Art. 1 S. 3 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaften vom 8.4.1965779 relative Vollstreckungsimmunität. Die Vermögensgegenstände und Guthaben der Gemeinschaft dürfen ohne Ermächtigung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften nicht Gegenstand von Zwangsmaßnahmen sein.780 Sie haben im gleichen Umfang Depeschenrecht wie diplomatische Vertretungen, Art. 6. 841 Die Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften haben nach Art. 12 lit. a des genannten Protokolls vom 8.4.1965 Immunität für die von ihnen in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen.781 842 Für die Europol-Bediensteten gilt das auf der Grundlage des Art. 41 III des Europol-Übereinkommens vom 26.7.1995782 geschlossene Protokoll über die Vorrechte und Immunitäten für Europol, die Mitglieder der Organe, die stellvertretenden Direktoren und die Bediensteten.
X. Nicht staatliche (private) internationale Organisationen (International Non Governmental Organisations – INGOs) 843 Die sog. (International) Non Governmental Organisations (INGOs), d.h. private internationale Organisationen, sind im Prinzip keine Völkerrechtssubjekte;783 das Gleiche gilt für ihre Mitglieder. Sie sind vielmehr „autonom organisierte Vereinigungen privaten Charakters, die unter den in ihrem Statut festgelegten Bedingungen Individuen oder Personenverbänden aus mehreren Staaten zugänglich sind und ohne Absicht eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes Ver778 Konvention von Rom vom 17.7.1998, BGBl. 2000 II 1393 = ILM 1998, 999; hierzu Bundestagsdrucksache 14/2682; deutsche Übersetzung auch in EuGRZ 1998, 618. Umfangreiche allgemeine Nachweise z.B. bei Zemanek/Hafner/Wittich in Neuhold/Hummer/ Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. I Rz. 2849 ff.; Werle, Völkerstrafrecht, 2003; van Heeck, Die Weiterentwicklung des formellen Völkerstrafrechts – Von den ad hoc Tribunalen der Vereinten Nationen zum ständigen Internationalen Strafgerichtshof unter besonderer Berücksichtigung des Ermittlungsverfahrens, 2007; Wilhelmi, Das Weltrechtsprinzip im internationalen Privat- und Strafrecht, Diss. Trier 2007, 218 ff. 779 BGBl. 1965 II 1482. 780 Vgl. z.B. EuGH, Beschluß vom 29.5.2001, Rs C 1/00 SA – Cotecna Inspection SA/Kommission der EG, EuZW 2001, 602. 781 Hierzu Hailbronner JZ 1998, 283, 286. 782 ABl. EG Nr. C 316/5 vom 27.11.1997; BGBl. 1997 II 2150; hierzu BT-Drucks. 13/7391 sowie 13/9084. 783 Hummer in Neuhold/Hummer/Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. I Rz. 1234 ff.
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Prüfung der Gerichtsbarkeit in jeder Lage des Verfahrens bandsziele von internationalem Interesse verfolgen.“784 Sie sind nach dem nationalen Privatrecht eines bestimmten Staates organisiert, z.B. als Verein, Stiftung, Aktiengesellschaft oder Gesellschaft mit beschränkter Haftung. So ist z.B. das Internationale Olympische Komitee (IOK) ein Verein schweizerischen Rechts (Art. 60 ff. ZGB) mit dem Sitz in Lausanne.785 Da die vorgenannten privaten internationalen Organisationen internationale Auf- 843a gaben erfüllen, genießen sie gleichwohl eine beschränkte internationale Rechtsfähigkeit.786 Nach Art. 71 der Charta der Vereinten Nationen kann der Wirtschaftsund Sozialrat mit solchen Organisationen Vereinbarungen „for consultation“ abschließen. Das Gleiche gilt aufgrund von Vereinbarungen zwischen den NGOs und den Spezialorganisationen der Vereinten Nationen.787 Daraus folgt jedoch keine wie auch immer geartete Immunität kraft Völkerrechts. Befreiungen können sich allenfalls aus Spezialvereinbarungen mit dem Sitzstaat ergeben.788 Eine besondere Stellung beansprucht das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK).789
843b
8. Kapitel: Prüfung der Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland in jeder Lage des Verfahrens I. Prüfung nach der Inquisitionsmaxime Das Vorliegen der Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland ist in jeder 843c Lage des Verfahrens von Amts wegen nach der Inquisitionsmaxime zu prüfen, Rz. 525.790 Dabei ist das Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdegericht weder an den Vortrag der Beteiligten noch an die Feststellungen der Vorinstanzen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gebunden. Es muss im Interesse des Immunitätsschutzes sogar nach der Inquisitionsmaxime verfahren.791 784 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 416. 785 Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 97 Fußn. 129. 786 Hierzu auch Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 4 Rz. 30. 787 Hierzu Verdross/Simma a.a.O. § 416. 788 Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 97. 789 Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 101. 790 R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 63 ff.; Martin, Prozeßvoraussetzungen und Revision, 1974, 137; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht16, 2004, § 19 Rz. 14; Pollinger, Intertemporales Zivilprozeßrecht, Diss. München 1988, 53; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 479 ff. 791 BGH vom 28.5.2003, NJW-RR 2003, 1218 = WM 2003, 1388 = IPRspr. 2003 Nr. 115 (hierzu Geimer LMK 2003, 174 und Becker JuS 2004, 470).
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Dritter Teil: Gerichtsbarkeit 843d Es spielt keine Rolle, dass der die Immunität beanspruchende Staat sich nicht an den innerstaatlichen Gerichtsverfahren beteiligt hat. Er ist kraft Völkergewohnheitsrechts nicht verpflichtet, sich auf die Immunität zu berufen. Es findet auch bei Nichtrüge eine Präklusion nicht statt. Im Falle einer Immunitätsverletzung wäre Deutschland zur Naturalrestitution verpflichtet, Rz. 203 ff.792
II. Keine perpetuatio iurisdictionis 843e Eine perpetuatio iurisdictionis gibt es nicht.793 Fallen die Voraussetzungen für die Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland nach Klageerhebung weg, z.B. weil der Beklagte zum Botschafter ernannt und von der Bundesregierung akkreditiert wird, so entfällt eine Prozessvoraussetzung mit der Folge der Klageabweisung durch Prozessurteil.794
792 Andererseits sollte der betroffene Staat in Erwägung ziehen, ob es nach den Gegebenheiten des konkreten Falles nicht besser ist, sich am Verfahren zu beteiligen, um auf innerstaatlicher Ebene ein Fehlurteil zu verhindern. Denn de facto hat er aus innerstaatlicher Sicht die prozessuale Last, sich gegen Fehlurteile zur Wehr zu setzen, Rz. 526. 793 Ebenso § 42 II JN in der Fassung der Erweiterten Wertgrenzen-Novelle 1997 (WGN 1997); hierzu Heiss/Mayr IPRax 1999, 305, 306. 794 RG vom 16.5.1938, RGZ 157, 389, 394 = JW 1938, 2291 (Pagenstecher) = IPRspr. 1935–1944 Nr. 521b; Neuner, Internationale Zuständigkeit, 1929, 44; Pagenstecher RabelsZ 11 (1937), 353; Riezler, Internationales Zivilprozeßrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 361; Martin a.a.O. 137; Pollinger, Intertemporales Zivilprozeßrecht, Diss. München 1988, 54. Anderer Auffassung Kleinfeller ZZP 65, 129, 147 ff.; Bobrik, Die Bedeutung der Exterritorialität der Gesandten für den Zivilprozeß, 1934, 106 ff.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit Literatur: Brandenberg/Brandl, Direkte Zuständigkeit der Schweiz im internationalen Schuldrecht, 1991; Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz im Recht der internationalen Zuständigkeit. Lösungsansätze für eine zukünftige Gerichtsstands- und Vollstreckungskonvention, 1998; Calvo Caravaca/Carrascosa González, Derecho Internacional Privado I, 2002, 85 ff.; Cube, Die internationale Zuständigkeit der englischen Zivilgerichte: Im Spannungsverhältnis von Common Law und Europarecht, Diss. Göttingen 2004; Dessauer, Internationales Privatrecht, Ethik und Politik, 1986; Dorsel, Forum non conveniens. Richterliche Beschränkung der Wahl des Gerichtsstandes im deutschen und amerikanischen Recht, 1996; Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, 1985; Eilers, Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes im europäischen Zivilrechtsverkehr – Internationale Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung, 1991; Erwand, forum non conveniens und EuGVÜ, 1996; R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966; Gilles, Transnationales Zivilverfahrensrecht, 1995; Habscheid/Beys, Grundfragen des Zivilprozessrechts – die internationale Dimension, 1991; Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozessrecht, 1996; Haunhorst, Die wesenseigene (Un-) Zuständigkeit deutscher Gerichte, 1994; Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969; Heldrich/Kono, Herausforderungen des Internationalen Zivilverfahrensrechts – Japanischdeutsch-schweizerisches Symposion über aktuelle Fragen des Internationalen Zivilverfahrensrechts im Verhältnis zu den USA, 1994; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992; Jasper, Forum shopping in England und Deutschland, 1990; Kannengießer, Die Aufrechnung im internationalen Privat- und Verfahrensrecht, 1998; Koberg, Zivilprozessuale Besonderheiten bei Sachverhalten mit Auslandsberührung, 1992; Kofmel Ehrenzeller, Der vorläufige Rechtsschutz im internationalen Verhältnis, 2005; Kraus, Die deutsche und internationale Zuständigkeit im Nachlassverfahren, Diss. Würzburg 1993, 1995; Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts6, 2006, § 58; Kubis, Internationale Zuständigkeit bei Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechtsverletzungen, 1999; Lindenmayr, Vereinbarung über die internationale Zuständigkeit und darauf anwendbares Recht, Diss. Passau 2000, 2002; von Mehren, Theory and Practice of Adjudicatory Authority in Private International Law: A Comparative Study of the Doctrine, Policies and Practices of Common- and Civil-Law-Systems, RdC 295 (2002), 9; Milleker, Der negative internationale Kompetenzkonflikt, 1975; Mitzkus, Internationale Zuständigkeit im Vormundschafts-, Pflegschafts- und Sorgerecht, 1982; Harald Müller, Die Gerichtspflichtigkeit wegen „doing business“, 1992; Neuner, Internationale Zuständigkeit, 1929; Oelkers, Internationales Betreuungsrecht, 1996; Nuyts, L’exception de forum non conveniens, 2003; Otte, Umfassende Streitentscheidung durch Beachtung von Sachzusammenhängen – Gerechtigkeit durch Verfahrensabstimmung?, 1998; Otto, Der prozessuale Durchgriff – Die 337
Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit Nutzung forumansässiger Tochtergesellschaften in Verfahren gegen ihre auswärtigen Muttergesellschaften im Recht der USA, der EG und der Bundesrepublik Deutschland, 1993; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit – Die internationale Zuständigkeit im Zivilprozess zwischen effektivem Rechtsschutz und nationaler Zuständigkeitspolitik, 1995; Reu, Die staatliche Zuständigkeit im IPR, 1938; Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971; Schütze, Rechtsverfolgung Ausland3, 2002, Rz. 50 ff.; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 101 ff.; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland4, 2009, Rz. 74 ff.; Schulte-Beckhausen, Internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung im Europäischen Zivilprozessrecht, 1994; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 606a ZPO Rz. 52 ff.; Stingl, Forum selection in the conflict of laws, 2001; Welp, Internationale Zuständigkeit über auswärtige Gesellschaften mit Inlandstöchtern im USamerikanischen Zivilprozess, 1982.
1. Kapitel: Generalia I. Begriff der internationalen Zuständigkeit 844 Unter internationaler Zuständigkeit versteht man die Zuweisung von Rechtsprechungsaufgaben an einen Staat als solchen. Die nationalen Vorschriften über die internationale Zuständigkeit regeln, welche Rechtsstreitigkeiten die Gerichte eines bestimmten Staates zu entscheiden haben. Aus der Gesamtheit aller auf der Welt auftretenden Rechtsstreitigkeiten (Rechtsprechungsaufgaben) werden – vom nationalen Gesetzgeber, da ein supranationaler fehlt, Rz. 848 – diejenigen bestimmt, für deren Behandlung ein bestimmter Staat zuständig sein soll. 845 Adressat der Normen über die internationale Zuständigkeit und damit Empfänger der Zuweisung von Rechtsprechungsaufgaben sind die Staaten als solche, man spricht daher auch von staatlicher Zuständigkeit. Durch welche ihrer Organe die Staaten die ihnen zugewiesenen Rechtsprechungsaufgaben erfüllen lassen, ist nicht die Frage der internationalen Zuständigkeit. Von den Normen über die internationale Zuständigkeit sind daher diejenigen Normen abzugrenzen, die sich mit der innerstaatlichen Verteilung der Rechtsprechungsaufgaben befassen. Es sind dies der Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20, 92 GG), durch welchen die rechtsprechende Gewalt den Gerichten übertragen wird, die Normen über die Zulässigkeit des Rechtsweges1 und über die örtliche, sachliche und funktionelle Zuständigkeit. Es ist deshalb logisch nicht korrekt, der „internationalen Gerichtszuständigkeit“ die „internationale Verwaltungszuständigkeit“ gegenüberzustellen.2 Streng genommen ist es auch ungenau, wenn in der Praxis 1 Dabei ist die Zahl der Fälle, in denen Verwaltungsgerichte sich mit „internationalen Fällen“ zu befassen haben, durch die Staatenimmunität für acta iure imperii (Rz. 578) im Vergleich zum Anfall bei den Zivilgerichten von vornherein stark limitiert, Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 308 Fußn. 58. 2 So aber OVG Hamburg vom 21.3.1984, StAZ 1985, 45 = IPRspr. 1984 Nr. 12.
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Generalia die internationale Zuständigkeit auf ein konkretes Gericht3 oder sogar auf eine Instanz (Rz. 1547) bezogen wird.4
II. Verhältnis zur Gerichtsbarkeit Die internationale Zuständigkeit setzt die Gerichtsbarkeit voraus. Das Verhältnis 846 beider Begriffe zueinander ist also durch die logische Priorität der Gerichtsbarkeit gekennzeichnet.5 Dies schließt jedoch nicht aus, die internationale Zuständigkeit vor der Gerichtsbarkeit zu prüfen und zu verneinen. So kann z.B. die Frage, ob der Beklagte Immunität beanspruchen kann, offen bleiben, wenn feststeht, dass eine Anknüpfung für die internationale Zuständigkeit – die Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik Deutschland vorausgesetzt – nicht gegeben ist,6 Rz. 1842. Praktisch bedeutet die Normierung der internationalen Zuständigkeit die Festlegung des Umfangs, in welchem ein Staat von seiner Gerichtsbarkeit Gebrauch machen will.7 Denkbar ist aber auch die Überschreitung der den Staaten durch das Völkergewohnheitsrecht gesetzten Grenzen für die Ausübung der Gerichts3 Z.B. OLG München vom 13.2.1985, IPRspr. 1985 Nr. 133A: „Die internationale Zuständigkeit des LG München I ergibt sich aus Art. 17 GVÜ“; ebenso OLG Hamm IPRax 1986, 104 (Schack 82); OLG Hamm vom 3.12.1993, IPRax 1995, 104 (Rüßmann 76) = IPRspr. 1993 Nr. 164: „Das LG Bochum ist international zuständig.“ Noch intensiver OLG Koblenz vom 10.5.1985, IPRax 1986, 237 (Piltz 225) = IPRspr. 1985 Nr. 138: „Für die Klage sind das angerufene LG Mainz und das im Berufungsrechtszug angerufene OLG international zuständig“. 4 Noch enger LG München I vom 2.4.1993, VuR 1993, 62 = IPRspr. 1993 Nr. 117a, das die internationale Zuständigkeit für den konkreten Spruchkörper reklamiert: „Die erkennende Kammer ist örtlich und international zuständig“. 5 BGH vom 26.9.1978, NJW 1979, 1101; Batiffol/Lagarde, Droit international privé, tome I8, 1993, Nr. 690; R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 69; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 150; de Bra, Verbraucherschutz durch Gerichtsstandsregelungen im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, 1992, 93; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 106, 112; Matscher, Zur prozessualen Behandlung der inländischen Gerichtsbarkeit (der inländischen Zuständigkeit) in Festschrift Schlosser, 2005, 561, 563: nach der Sprache der formalen Logik im Verhältnis der „intensiven Implikation“ stehend. 6 Wenckstern in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. II/1, 1994, Kap. I Rz. 999 (S. 321). Gegen die begriffliche Trennung von Gerichtsbarkeit und internationaler Zuständigkeit spricht sich Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 390 mit wenig überzeugenden Argumenten aus. Auch die in Österreich herrschende Meinung lehnt nach wie vor eine Unterscheidung zwischen Gerichtsbarkeit („Gerichtsgewalt“) und internationaler Zuständigkeit ab, Nachweise z.B. bei Matscher, Zur prozessualen Behandlung der inländischen Gerichtsbarkeit (der inländischen Zuständigkeit) in Festschrift Schlosser, 2005, 561, 563 ff.;. Dagegen Bajons ZfRV 1972, 91; Hoyer ZfRV 1988, 44. Vermittelnd Rechberger/Simotta, Grundriss des österreichischen Zivilprozessrechts – Erkenntnisverfahren6, 2003, Rz. 64, 1842. 7 So betrachtet „stellt jede Regelung zur internationalen Zuständigkeit der Gerichte eines Landes eine (freiwillige) Einschränkung der an sich gegebenen Gerichtsbarkeit eines
339
Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit barkeit durch ein nationales Zuständigkeitsgesetz. Dieses kann trotz seiner Völkerrechtswidrigkeit innerstaatlich wirksam sein und praktiziert werden, Rz. 470a, 1011.
III. Verhältnis zur örtlichen Zuständigkeit 847 Auch wenn auf weiten Strecken (Rz. 943 ff.) – mittlerweile weltweit (so trotz Art. 14/15 Code Civil nun auch Frankreich, Rz. 972c) – die Anknüpfungspunkte für die internationale Zuständigkeit mit denen für die örtliche Zuständigkeit übereinstimmen (Doppelfunktionstheorie, Rz. 943), sind logisch beide Komplexe klar zu trennen. Bei der internationalen Zuständigkeit geht es um die Frage, ob Deutschland überhaupt in einer Rechtssache bzw. in einem Rechtsstreit tätig werden soll; erst dann stellt sich die Frage der internen Zuweisung, Rz. 845.
IV. Fehlen einer völkerrechtlichen Zuständigkeitsordnung 848 Die Verteilung aller auf dieser Welt auftretenden Rechtsprechungsaufgaben auf die einzelnen Staaten und damit die Regelung der internationalen Zuständigkeit wäre an sich Aufgabe des Völkerrechts. Normen des Völkergewohnheitsrechts über die internationale Zuständigkeit sind jedoch nicht feststellbar. Damit haben die nationalen Gesetzgeber8 bei der Regelung der internationalen Zuständigkeit freie Hand, Rz. 126.9 Eine Ausnahme gilt nur, sofern sie sich durch völkerrechtliche Verträge gebunden haben. 849 Mag auch der Regelungsspielraum sehr groß sein, jeglicher Rechtsprechungstätigkeit darf sich kein Staat enthalten: Justizverweigerung (déni de justice) ist verboten, Rz. 129.10 Da die Gesetzgeber den jeweiligen nationalen Rechtstraditionen und juristischen Denkstrukturen ihres Landes folgen, weichen die nationalen Regelungen im Ausgangspunkt und im Detail (vgl. Rz. 1578) nicht unerheblich voneinander ab. Dies kann zu einer übermäßigen Vermehrung der (miteinander) konkurrierenden internationalen Zuständigkeiten und damit der Klagemöglichkeiten für den Kläger führen mit der Folge eines abundanten forum shopping (Rz. 1095). Andererseits kann es auch zu einem negativen Kompetenzkonflikt kommen, Rz. 1024. Im Anerkennungsstadium werden aufgrund des Spiegelbildprinzips der § 328 I Nr. 1 ZPO, § 109 I Nr. 1 FamFG und des § 343 I 2 Nr. 1 InsO die deutschen Vorstellungen über eine sinnvolle Regelung der internationalen Zuständigkeit auch gegenüber ausländischen Entscheidungen (mittelbar) durchgesetzt.11 Das deutsche Recht kennt – anders als das französische – keine Generalklausel, die es geStaates dar“, de Bra, Verbraucherschutz durch Gerichtsstandsregelungen im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, 1992, 93. 8Bzw. die Europäische Gemeinschaft und künftig die Europäische Union (Rz. 245c). 9Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 103. 10 Nachweise z.B. bei Paulsson, Denial of Jusitice in International Law, 2005. 11 Ausnahme: § 109 II 2 und III FamFG, vormals § 606a II ZPO und § 661 III Nr. 2–3 ZPO.
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Generalia statten würde, die internationale Zuständigkeit des Urteilsstaates zu bejahen, wenn sich diese auf Anknüpfungspunkte stützt, die zwar durchaus sinnvoll, also keineswegs „exorbitant“, jedoch dem deutschen Recht nicht bekannt sind, Rz. 2897.
V. Gegenstand der Normen über die internationale Zuständigkeit Eigenstaatliche internationale Zuständigkeit (Entscheidungszuständigkeit): 850 Diese Normen bestimmen die Grenzen der internationalen Zuständigkeit des eigenen Staates, d.h. bestimmen, für welche Rechtsstreitigkeiten die Gerichte des eigenen Staates zuständig sein sollen. Fremdstaatliche internationale Zuständigkeit (Anerkennungszuständigkeit): 851 Diese Normen legen fest, unter welchen Voraussetzungen fremde Staaten als international zuständig betrachtet werden, vgl. § 328 I Nr. 1 ZPO. Diese Normen sind selbstverständlich nur für die inländischen Staatsorgane verbindlich; denn die Rechtsetzungsbefugnis des nationalen Gesetzgebers ist auf die eigene Hoheitssphäre bzw. auf die eigenen Rechtsanwendungsorgane beschränkt. Ausländischen Staatsorganen können keine verbindlichen Befehle erteilt werden. Ausländischen Gerichten kann deshalb nicht vorgeschrieben werden, wann diese ihre Zuständigkeit zu bejahen haben. Sie beurteilen im Erkenntnisverfahren die internationale Zuständigkeit nach ihrem nationalen Recht, also nach den Normen des Urteilsstaates über die eigenstaatliche internationale Zuständigkeit.12 Die Normen über die fremdstaatliche internationale Zuständigkeit wenden sich 852 nur an den inländischen Richter, der über die Anerkennung des im Ausland ergangenen Urteils zu befinden hat. Sie geben ihm den Maßstab für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit des Urteilsstaates. Die Sanktion bei Nichteinhaltung der Normen über die fremdstaatliche internationale Zuständigkeit ist die Nichtanerkennung des ausländischen Urteils.13 Der einzelne nationale Gesetzgeber kann also die internationale Zuständigkeit fremder Staaten nicht direkt regeln, sondern nur indirekt: Er kann die Anerkennung eines im Ausland ergangenen Urteils von der Einhaltung der von ihm aufgestellten Normen über die internationale Zuständigkeit abhängig machen. Man spricht daher auch von indirekter internationaler Zuständigkeit. In der Terminologie von Jellinek handelt es sich um „Beurteilungsnormen“, nämlich Normen, nach denen der inländische Richter die internationale Zuständigkeit des Urteilsstaates beurteilt, nicht um so genannte „Befolgungsnormen“, welche der ausländische Richter im ausländischen Erkenntnisverfahren zu befolgen hätte.14
12 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1499. 13 Sofern der Beklagte sich hierauf beruft, Rz. 2903. 14 Siehe Jellinek, Die zweiseitigen Staatsverträge über Anerkennung ausländischer Zivilurteile, 1953, 26 f.; R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 106 Fußn. 52; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1496; Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 108.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 853 Die Normen über die internationale Zuständigkeit fremder Staaten (Anerkennungszuständigkeit) sind für den deutschen Richter im Erkenntnisverfahren (Erstrichter) ohne Bedeutung. Sie kommen erst im Stadium der Anerkennung ausländischer Urteile bzw. bei der Anerkennungsprognose zum Zuge.15 Dies wird mitunter nicht klar genug gesehen; es werden die Zuständigkeitskataloge der Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge endlos erörtert, obwohl diese für die Bejahung oder Verneinung der deutschen internationalen Zuständigkeit im Erkenntnisverfahren ohne Bedeutung sind.16
VI. Unterschied zwischen internationaler Entscheidungs- und Anerkennungszuständigkeit 1. Spiegelbildprinzip: Kongruenzregel des § 328 I Nr. 1 ZPO 854 Vom Grundsatz der Kongruenz zwischen internationaler Entscheidungszuständigkeit und internationaler Anerkennungszuständigkeit geht das deutsche Recht aus, § 328 I Nr. 1 ZPO, § 109 I Nr. 1 FamFG, § 343 I 2 Nr. 1 InsO. Deutschland billigt fremden Staaten den gleichen Jurisdiktionsbereich zu, den es für die eigenen Gerichte in Anspruch nimmt.17 855 Doch ist dies nicht in dem Sinne zu verstehen, als ginge es bei Abgrenzung der Jurisdiktionssphären (vorwiegend) um unmittelbare staatliche Belange. Souveränitäts- oder Hoheitsinteressen stehen nicht auf dem Spiel. Verfehlt wäre z.B. die Vorstellung, dass das Ausland uns zu viele Rechtsstreitigkeiten „wegnimmt“, die zu entscheiden eigentlich die eigenen Gerichte berufen wären. Abzulehnen daher die mit dem Prinzip der internationalen Zusammenarbeit und dem Postulat der Universalität der „bonne administration de la justice“ nicht vereinbare Vorstellung, „jeder Staat behalte heute innerhalb seines Staatsgebiets die verbindliche richterliche Entscheidung von Rechtssachen im Prinzip den eigenen Gerichten vor und durchbreche dieses Monopol zugunsten ausländischer Gerichte nur bei Vorliegen gewisser besonderer Voraussetzungen, wie sie etwa in § 328 ZPO aufgeführt sind“.18 Eine solche Interpretation des staatlichen Rechtsschutzmonopols würde nicht nur den inländischen Justizapparat überlasten,19 sondern auch außer Acht lassen, dass Hoheitsbelange nicht auf dem Spiel stehen. Bei der Eröffnung einer internationalen Zuständigkeit steht nicht das Interesse des Gerichtsstaates an Entfaltung seiner Macht im Vordergrund, sondern 15 OLG Hamm vom 14.8.1985, IPRspr. 1985 Nr. 143. 16 R. Geimer NJW 1976, 441; Linke IPRax 1982, 229; BGH vom 10.12.1976, BGHZ 68, 16 = NJW 1977, 900 = MDR 1977, 654 = IPRspr. 1976 Nr. 212 sub II 3; österr. OGH vom 8.10.1984, IPRax 1985, 295 (Matscher 299). Verfehlt BGH vom 27.6.1984, NJW 1985, 552 = IPRax 1985, 224 (Henrich 207) = IPRspr. 1984 Nr. 168. 17 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1505, 1709; Richardi, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Diss. Konstanz 1991, 110. 18 Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, 103/104. 19 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1367. Kritisch nun auch Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 172.
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Generalia die Gewährung einer Dienstleistung für die privaten Individuen.20 Siehe auch Rz. 910. Es geht um eine vernünftige Gewichtung der Zuständigkeitsinteressen der Par- 856 teien.21 Dabei zeigen sich Unterschiede in der präpositiven Interessenlage bei der Regelung der internationalen Entscheidungszuständigkeit im Verhältnis zur internationalen Anerkennungszuständigkeit. Bei der Normierung der ersteren hat der Gesetzgeber das Interesse des Klägers an möglichst umfassender Justizgewährung durch möglichst großzügige Eröffnung der internationalen Entscheidungszuständigkeit abzuwägen und abzugrenzen gegenüber dem Interesse des Beklagten, dass seine internationale Gerichtspflichtigkeit nicht allzu weit ausgedehnt wird.22 Im Stadium der Anerkennung verschiebt sich prima vista die Perspektive: Hier 857 steht der Wunsch des Klägers nach Justizgewährung – zumindest vordergründig – nicht mehr zur Debatte. Denn der Erststaat ist dem – was das Erkenntnisverfahren betrifft – bereits nachgekommen; der Justizgewährungsanspruch würde erst wieder „aufleben“, wenn der erststaatlichen Entscheidung die Anerkennung verweigert wird. Im Zentrum steht jetzt vielmehr der Schutz des Beklagten vor unzumutbaren Foren.23 2. Ausnahmen Erweiterung der internationalen Anerkennungszuständigkeit: Aus dieser Sicht ist die Kongruenzregel des § 328 I Nr. 1 ZPO logisch nicht zwingend. Denkbar sind zum einen Fälle, in denen die Grenzen für die internationale Anerkennungszuständigkeit weiter gezogen werden als die Grenzen für die internationale Entscheidungszuständigkeit: Wir könnten die internationale Zuständigkeit ausländischer Staaten auch dann anerkennen, wenn sie auf Zuständigkeitsanknüpfungen gestützt ist, die zwar dem deutschen Recht überhaupt nicht oder nicht in dem gleichen Umfang bekannt (Rz. 1578), aber durchaus vernünftig sind, weil sie keine die Gerichtspflichtigkeit des Beklagten unzumutbar ausweitende „exorbitante“ Fora darstellen.
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So wird in Ehe- und Lebenspartnerschaftssachen nach § 109 II und III FamFG (früher §§ 606a II, 661 III ZPO) die internationale Zuständigkeit fremder Staaten in weiterem Umfang anerkannt, als vice versa im Inland eine Entscheidungszuständigkeit eröffnet ist.
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Einengung der internationalen Anerkennungszuständigkeit: Häufiger anzutreffen ist jedoch die entgegengesetzte (chauvinistische) Alternative einer inkongruenten Lösung. Man gesteht dem Ausland weniger Zuständigkeit zu, als man für die eigenen Gerichte in Anspruch nimmt.24
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20 R. Geimer IPRax 1993, 218; zustimmend Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz im Recht der internationalen Zuständigkeit, 1998, 70 f. 21 R. Geimer IPRax 1986, 211. 22 R. Geimer in Festschrift Nagel, 1987, 36; R. Geimer in Festschrift Schwind, 1993, 22. 23 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1500. 24 „What is sauce for the English goose is not sauce for the foreign gander“ (Foster, zitiert nach Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, 105). Bei-
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit
VII. Konkurrierende internationale Zuständigkeit 861 Unter dieser Hypothese sind für die Entscheidung einer bestimmten Rechtsstreitigkeit mehrere Staaten nebeneinander zuständig. Zur Sachentscheidung sind mithin mehrere Staaten befugt. Die Auswahl des Entscheidungsstaates bleibt dem Kläger überlassen. Ergeht in einem konkurrierend international zuständigen Staat ein Urteil, so kann dieses im Inland anerkannt werden, auch wenn eine konkurrierende internationale Zuständigkeit des Inlandes oder eines dritten Staates besteht. 862 Die Anerkennung konkurrierender internationaler Zuständigkeiten macht „forum shopping“ unvermeidlich: Der Kläger wird natürlich seine Klage bei den Gerichten desjenigen Staates einreichen, nach dessen internationalem Privatrecht die für den Kläger günstigere Rechtsordnung zur Anwendung kommt. Die hiergegen erhobenen rechtspolitischen Bedenken25 dürfen nicht zur Abschaffung konkurrierender internationaler Zuständigkeiten führen; vielmehr sollten sie Ansporn zur internationalen Vereinheitlichung der IPR-Regeln sein. Vgl. Rz. 1101.26
VIII. Ausschließliche internationale Zuständigkeit 863 Eine ausschließliche internationale Zuständigkeit liegt dann vor, wenn ein bestimmter Rechtsstreit einem bestimmten Staat zur alleinigen Entscheidung zugewiesen ist, wenn also nur dieser Staat befugt sein soll, über den Streitgegenstand sachlich zu entscheiden. Würde Deutschland eine ausschließliche internationale Zuständigkeit beanspruchen, was aber entgegen der herrschenden Meinung27 nicht der Fall ist (Rz. 874, 878), so käme eine Anerkennung ausländischer Urteile nicht in Betracht, da ja alle anderen Staaten aus deutscher Sicht zur Entscheidung nicht befugt sind. 864 Ist aus deutscher Perspektive ein auswärtiger Staat ausschließlich international zuständig, was die herrschende Meinung (Rz. 927) entgegen der hier vertretenen Auffassung für möglich hält, so haben sich die deutschen Gerichte jeder Sachentscheidung zu enthalten. Urteile dritter Staaten werden im Inland nicht anerkannt, sofern der Beklagte die internationale Unzuständigkeit rügt. Für eine Anerkennung kommt dann nur ein Urteil des nach deutscher Ansicht ausschließlich international zuständigen Staates in Betracht.
spiele zum englischen Recht Heldrich a.a.O. 102 Fußn. 144; zum französischen Recht Heldrich a.a.O. 94 Fußn. 109; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1371, 1507. Vgl. auch die Rechtsprechung zu § 24 ZPO, Rz. 939. 25 Siehe z.B. aus neuerer Zeit Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Vorbem zu Art 1 EheGVO Rz. 44. 26 R. Geimer EuR 1977, 360; Milleker, Der negative internationale Kompetenzkonflikt, 1975, 143; Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 239. 27 Ebenso für die Schweiz Vischer/Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht2, 2000, Rz. 1198 ff.
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Generalia Die Fälle der ausschließlichen internationalen Zuständigkeit decken sich nicht 865 mit den Fällen der ausschließlichen örtlichen und sachlichen Zuständigkeit. Die ausschließliche internationale Zuständigkeit besagt, dass auf jeden Fall nur die Gerichte eines bestimmten Staates zu entscheiden haben. Ob in dem konkreten Staat nur ein bestimmtes Gericht zuständig sein soll, oder ob mehrere nebeneinander zur Entscheidung befugt sein sollen, bleibt dabei offen. Dies ist eine Frage der ausschließlichen örtlichen und sachlichen Zuständigkeit. Ein Staat kann ausschließlich international zuständig sein, während innerstaatlich mehrere Gerichte konkurrierend zuständig sind. Auch der umgekehrte Fall ist denkbar. Innerstaatlich kann eine ausschließliche Zuständigkeit vorliegen, während die internationale Zuständigkeit nicht ausschließlich ist. Dies ist z.B. evident für die ausschließliche Zuständigkeit gemäß § 689 II ZPO zum Erlass von Mahnbescheiden im deutschen Mahnverfahren; damit soll die Möglichkeit nicht verbaut werden, die Klageforderung vor ausländischen Gerichten einzuklagen.28 § 98 FamFG regelt die internationale Zuständigkeit in Ehesachen.29 Nach § 106 866 FamFG (früher § 606a I 2 ZPO) ist die deutsche internationale Zuständigkeit nur eine konkurrierende. § 122 FamFG (früher § 606 ZPO) befasst sich mit der (innerstaatlichen) örtlichen Zuständigkeit. Diese ist in jedem Fall eine ausschließliche. Diese Regelung überrascht auf den ersten Blick, erweist sich jedoch als sinnvoll. Ihr liegt folgende Überlegung zugrunde: Wir bestehen zwar nicht darauf, dass unsere Gerichte entscheiden; wird die Sache aber im Inland anhängig, dann soll diese Entscheidung nur ein ganz bestimmtes inländisches Gericht fällen dürfen.30
IX. Keine Beschränkung der Kognitionsbefugnis in territorialer Sicht Ist die internationale Zuständigkeit Deutschlands gegeben, so besteht keine terri- 867 toriale Kognitionsbeschränkung in dem Sinne, dass sich die deutschen Gerichte nur mit einer im Inland vorzunehmenden Handlung bzw. Unterlassung zu befassen hätten. Die Kognitionsbefugnis ist vielmehr territorial unbeschränkt, Rz. 396, 935, 1280, 1363, 1369, 1524, 1745.31
28 OLG Düsseldorf vom 21.2.1996, NJW-RR 1997, 124 = RIW 1996, 431 = IPRspr. 1996 Nr. 175. – Es wäre unsinnig, für das Mahnverfahren eine ausschließliche internationale Zuständigkeit zu postulieren, wenn eine solche für das normale Klageverfahren nicht besteht. 29 Eine Parallelregelung für Lebenspartnerschaftssachen findet sich in § 103 FamFG. 30 Hierzu Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 212; R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 107 Fußn. 56; Milleker, Der negative internationale Kompetenzkonflikt, 1975, 45. 31 So kann z.B. das nach § 12, 13 ZPO bzw. Art. 2 I EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ zuständige Gericht im Wohnsitzstaat des Beklagten darüber befinden, ob ein ausländisches Patent oder der ausländische Teil eines europäischen Patents durch Handlungen im Ausland verletzt worden ist, LG Düsseldorf GRUR Int. 1999, 458; Adolphsen, Europäisches und internationales Zivilprozessrecht in Patentsachen, 2005, Rz. 492.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit
X. Keine Kognitionsbeschränkung bezüglich Vorfragen 868 Die Frage der internationalen Zuständigkeit wird immer nur bezüglich des Streitgegenstandes – genauer bezüglich des Gegenstandes, der in res iudicataWirkung erwächst – bzw. bezüglich der beantragten Gestaltung gestellt, nicht jedoch bezüglich der Vorfragen. Ist die internationale Zuständigkeit für den Streitgegenstand zu bejahen, so unterliegt das deutsche Gericht bei der Beurteilung von Vorfragen keiner Beschränkung.32 868a Eine Ausnahme gilt jedoch für die Prozessaufrechnung. Die Entscheidung über im Wege der Prozessaufrechnung geltend gemachte Gegenforderungen des Beklagten setzt voraus, dass Deutschland für die klageweise Geltendmachung dieser Forderungen international zuständig wäre.33 868b Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Aufrechnung bestimmt nach Art. 12 I (d) Rom I-Verordnung34 (vormals Art. 10 I (d) EVÜ bzw. Art. 32 I Nr. 4 EGBGB) die für die Hauptforderung maßgebliche Rechtsordnung.35 Zulässigkeit und Wirkung einer Aufrechnung werden kollisionsrechtlich an die Rechtsordnung angeknüpft, der die Forderung unterliegt, gegen die aufgerechnet wird.36 Dieses Aufrechnungsstatut befindet darüber, ob Konnexität der zur Aufrechnung gestellten Ansprüche erforderlich ist. Insoweit ist die lex fori nicht relevant. Die
32 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 541, 778. 33 BGH vom 12.5.1993, NJW 1993, 2753 = RIW 1993, 846 = IPRax 1994, 115 (R. Geimer 82) = EuZW 1993, 576 = ZZP 107 (1994), 211 (Leipold) = IPRspr. 1993 Nr. 139; BGH vom 4.2.1993, EWiR 1993, 515 (Becht); OLG München vom 25.3.1992, RIW 1992, 672 = IPRspr. 1992 Nr. 185; OLG Frankfurt vom 23.5.1995, IPRspr. 1995 Nr. 139b; OLG Celle vom 11.11.1998, IPRax 1999, 456 (Gebauer) = IPRspr. 1998 Nr. 160; LG Frankfurt a.M. vom 13.7.1994, NJW-RR 1994, 1264 = EWiR 1995, 249 (Mankowski) = IPRspr. 1995 Nr. 139a; LG Duisburg vom 17.4.1996, RIW 1996, 774 = IPRspr. 1996 Nr. 148; LG Darmstadt vom 25.10.1994, IPRspr. 1994 Nr. 144; LG München vom 17.7.1998, IPRax 2001, 193 = IPRspr. 1998 Nr. 149; R. Geimer IPRax 1986, 210; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 5 Rz. 24; Soergel/Kronke, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 38 EGBGB Anh. IV Rz. 21, 56; a.A. Coester-Waltjen in Festschrift Gerhard Lüke, 1997, 35, 39; Herbert Roth RIW 1999, 819, 820. Ausführliche Nachweise bei Dageförde RIW 1991, 876; Kannengießer, Die Aufrechnung im internationalen Privat- und Verfahrensrecht, 1998, 89 ff.; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 355; Wagner IPRax 1999, 65. Unrichtig OLG Hamm vom 20.6.1985, NJW-RR 1986, 1047 = IPRspr. 1985 Nr. 141 (Rz. 160). Weitere Nachweise bei Bork in Festschrift Beys, 2003, 119; Spellenberg in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Art. 32 EGBGB Rz. 79. 34 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 vom 17.6.2008, ABl. EU Nr. L 177 vom 4.7.2008, S. 6. 35 Zum Aufrechnungsstatut zählt z.B. OLG Düsseldorf vom 28.5.2004, IHR 2004, 203, 208 auch das Erfordernis der „Entscheidungsreife“ (Art 1243 I ital. Codice civile), obwohl dieses evident der Verfahrensbeschleunigung dient und damit in die Domäne der lex fori fällt. 36 BGH vom 25.11.1993, BGHZ 124, 237 = NJW 1994, 1413, 1416 = RIW 1994, 331 = IPRax 1995, 101 (Gottwald 75) = LM § 32 ZPO Nr. 15 (R. Geimer) = ZZP 108 (1995), 359 (Koch) = IPRspr. 1993 Nr. 180 OLG München vom 26.9.1995, IPRax 1997, 44 (Fuchs 32) = IPRspr. 1995 Nr. 32; OLG Stuttgart vom 21.8.1995, RIW 1995, 943 = IPRax 1996, 139 L (Kronke) = IPRspr. 1995 Nr. 42.
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Generalia lex fori befindet aber über die Zulässigkeit der Geltendmachung der Aufrechnung im Prozess.37 Ob und wie der Aufrechnungseinwand im deutschen Zivilprozess eingeführt werden kann, entscheidet nicht die lex causae, sondern die deutsche lex fori bzw. die EuGVVO bzw. das LugÜ.38 Der EuGH hat für die Streitfrage, ob die Kognitionsbefugnis der Gerichte des Gerichtsstaates im Hinblick auf die Prozessaufrechnung davon abhängt, dass der Gerichtsstaat für die klageweise Geltendmachung der zur Aufrechnung verwendeten Forderung gegen den Kläger international zuständig wäre, auf das nationale Recht des Gerichtsstaates verwiesen.39 Art. 6 Nr. 3 EuGVÜ40 gelte nur für eine Klage des Beklagten auf gesonderte Verurteilung, aber nicht für den Fall, dass ein Beklagter eine Forderung gegenüber dem Kläger als bloßes Verteidigungsmittel im Wege der Aufrechnung geltend macht. In prozessualer Hinsicht sei die Verteidigung Bestandteil des vom Kläger in Gang gesetzten Verfahrens und erfordere daher nicht, dass dieser im Sinne von Art. 6 Nr. 3 EuGVÜ/LugÜ41 vor dem mit dem Verfahren befassten Gericht „verklagt“ wird. Die Verteidigungsmittel, die geltend gemacht werden können, und die Voraussetzungen, unter denen dies geschehen kann, bestimmten sich nach nationalem Recht.42 Dieses regelt die Voraussetzungen, unter denen die Prozessaufrechnung als Verteidigungsmittel geltend gemacht werden kann. Der EuGH überlässt es somit den nationalen Gerichten, einen Kompetenzbezug zu fordern.43 Damit ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der einen Kompetenzbezug verlangt, nicht überholt.44
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Ist die Aufrechnungsforderung bereits durch ein deutsches Gericht rechtskräftig festgestellt, dann darf der Beklagte nicht auf eine Klage im Ausland verwiesen werden. Vielmehr steht für das deutsche Gericht das Bestehen der zur Aufrechnung verwendeten Forderung fest. Das deutsche Gericht hat dann über den Aufrechnungseinwand des Beklagten zu entscheiden, auch wenn zum maßgeblichen Zeitpunkt die internationale Zuständigkeit Deutschlands nicht gegeben
868d
37 Ähnlich aus schweizerischer Sicht nun auch Vischer/Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht2, 2000, Rz. 1123. 38 R. Geimer NJW 1973, 953; Wieczorek/Schütze/Hausmann, ZPO3, 1994, Art. 6 EuGVÜ Rz. 38. Ausführlich Pittet, La compétence du juge et de l’arbitre en matière de compensation. Étude de droit interne et international, Diss. Lausanne 2001, 160. 39 EuGH vom 13.7.1995, Rs C-341/93 – Danvaern Produktion AS/Schuhfabriken Otterbeck GmbH & Co Slg. 1995 I 2053 = NJW 1996, 42 (Bacher 2140) = EuZW 1995, 639 (R. Geimer) = EWS 1995, 310 = ZZP 109 (1996), 373 (Mankowski). Hierzu ausführlich Wagner IPRax 1999, 65 sowie Vischer/Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht2, 2000, Rz. 1142. 40 Nunmehr: Art. 6 Nr. 3 EuGVVO/LugÜ. 41 Vgl. vorherige Fußn. 42 Nachweise bei Dageförde RIW 1990, 876; R. Geimer IPRax 1994, 82; Gottwald IPRax 1986, 10; Piekenbrock RIW 2000, 751; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 355, Wagner IPRax 1999, 65. 43 Jayme/Kohler IPRax 1995, 349. 44 Weniger dezidiert (die Fragen offen lassend) BGH vom 7.11.2001, NJW 2002, 2182 = IPRax 2002, 299 (Gruber 285) = JZ 2002, 605 (Heß/A. Müller) = MDR 2002, 410 (M. Vollkommer) = RIW 2002, 147 = BB 2002, 14 = IPRspr. 2001 Nr. 153.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit war, das erste deutsche Gericht also in Wahrheit international nicht zuständig war. Denn der Mangel der internationalen Zuständigkeit wird durch die Rechtskraft geheilt, d.h. kann nach Eintritt der Unanfechtbarkeit mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr in Frage gestellt werden, Rz. 1011, 1872. 868e Ist die Aufrechnungsforderung durch ein ausländisches Gericht rechtskräftig festgestellt, dann kommt es darauf an, ob die Voraussetzungen für die Anerkennung der materiellen Rechtskraft gegeben sind.45 Bejahendenfalls ist ebenso zu verfahren wie bei der rechtskräftigen Feststellung durch ein deutsches Gericht. Andernfalls ist zu prüfen, ob es dem Beklagten zumutbar ist, an die Gerichte eines aus deutscher Sicht (konkurrierend) international zuständigen Staates wegen seiner Aufrechnungsforderung verwiesen zu werden, oder ob im Inland aus dem Gesichtspunkt der internationalen Notzuständigkeit ein Forum zu eröffnen ist, d.h. die Prozessaufrechnung zuzulassen ist, obwohl an sich für die Aufrechnungsforderung kein Zuständigkeitsanknüpfungspunkt im Sinne der §§ 12 ff. ZPO gegeben ist. 868f
Fehlt die internationale Zuständigkeit Deutschlands für die zur Aufrechnung verwendete Forderung des Beklagten und rügt der Gegner die internationale Unzuständigkeit,46 dann wird die Aufrechnung im deutschen Prozess nicht beachtet. Der Beklagte darf aber nicht um eine effektive Rechtsdurchsetzungsmöglichkeit für seine Gegenforderung gebracht werden.47
868g Wenn für die zur Aufrechnung gestellte Forderung die ausschließliche internationale Zuständigkeit eines anderen Staates vereinbart worden war, ist wie folgt zu differenzieren: Maßgebend ist der Wille der Parteien. Wenn diese mit ihrer Zuständigkeitsvereinbarung auch die Geltendmachung der Forderung im Wege der Aufrechnung vor anderen Gerichten als dem forum prorogatum ausschließen wollten, ist die Prozessaufrechnung verboten. Da in den meisten Gerichtsstandsklauseln diese Frage nicht ausdrücklich geregelt ist, ist der Wille der Parteien unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu erforschen. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass die aufrechnungsweise Geltendmachung der Forderung durch die Vereinbarung der ausschließlichen Zuständigkeit eines Vertragsstaates nicht ausgeschlossen sein sollte.48 868h Anders ist es u.U. bei Vereinbarung eines Schiedsgerichts (Rz. 3818, 3865) oder bei einer ausschließlichen Prorogation mit der Abrede, dass außerhalb des fo-
45 R. Geimer IPRax 1994, 82, 84; Wagner IPRax 1999, 65, 72. 46 Zur Anwendbarkeit des § 39 ZPO bzw. des Art. 24 EuGVVO bzw. des Art. 18 EuGVÜ/ LugÜ OLG Stuttgart vom 21.8.1995, RIW 1995, 943 = IPRax 1996, 139 L (Kronke) = IPRspr. 1995 Nr. 42. 47 Anderer Auffassung Kannengießer, Die Aufrechnung im internationalen Privat- und Verfahrensrecht, 1998, 148 ff., 181. 48 EuGH vom 7.3.1985, Rs. 48/84 – Spitzley/Sommer Slg. 1985 I 787 = NJW 1985, 2893 = ZIP 1985, 1228 = RIW 1985, 313 (Rauscher 887) = IPRax 1986, 27 (Gottwald 10); R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 527; Gottwald IPRax 1986, 10; Kannengießer, Die Aufrechnung im internationalen Privat- und Verfahrensrecht, 1998, 192 ff., 203.
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Generalia rum derogatum auch die Geltendmachung als Einwendung (Einrede) ausgeschlossen sein soll (was im Zweifel nicht gewollt ist, Rz. 1779).49
XI. Neutralität der Gerichte Der Umstand, dass eine Partei zum Gerichtsstaat – z.B. aufgrund Staatsangehö- 868i rigkeit oder Wohnsitz/Sitz – „engere Beziehungen“ hat als die andere, ist kein Grund, die internationale Zuständigkeit zu verneinen. Dies ist ein Gebot der praktischen Vernunft: Wollte man in Rechtsstreitigkeiten mit internationalem Einschlag nur einen in jeder Hinsicht unbeteiligten Staat für befugt halten, eine Sachentscheidung zu fällen (Rz. 1747), so wäre dies das Ende einer effizienten Rechtspflege. Erwähnenswert in diesem Zusammenhang ist aber die konkurrierende Zuständigkeit der Bundesgerichte in den USA bei diversity of citizenship;50 diese soll verhindern, dass die Gerichte der Einzelstaaten ihre eigenen Staatsangehörigen vor denen anderer Bundesstaaten oder vor Ausländern bevorzugen.51 Jeder Richter wird – mit Recht – subjektiv für sich in Anspruch nehmen, dass er 868k in der Lage sei, unparteiisch jeden Rechtsstreit zu entscheiden, ohne Rücksicht auf die „Nahebeziehung“ der einen oder der anderen Partei. Jedoch ist rechtssoziologisch unbestritten, dass das „Rechtsklima“ (Rz. 96) und gewisse „Vorlieben“ aufgrund der juristischen Denkstrukturen und sonstigen Denkweisen im Gerichtsstaat, ja ganz allgemein der dort herrschende „Zeitgeist“ (mit oder ohne ideologischen Über- oder Unterbau) zu gewissen „nationalen Egoismen“52 und Voreingenommenheiten führen können.53 Hierzu gehören als harmlosester der home trend, welcher der Ermittlung und Anwendung ausländischen Rechts entgegenwirkt;54 so wird als wahr überliefert, dass ein französischer Richter als einzige Begründung für die Anwendung seines eigenen Rechts zu Papier gebracht haben soll: „J’aime la loi française.“ Der Drang, das eigene Recht für das Maß aller Dinge zu erklären, kann auch dazu führen, allzu vorschnell das an sich anzuwendende ausländische Recht mit der ordre public-Klausel auszuschalten. Alle diese faktisch vorhandenen Unterschiede werden durch die Fiktion von der in-
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BGH vom 3.12.1986, FamRZ 1987, 268, 269. 28 U.S.C. § 1332. Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht3, 2003, 19. Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 468. OLG Hamburg vom 17.2.1989, RIW 1989, 574, 576 = EWiR 1989, 933 (Bredow) = IPRspr. 1990 Nr. 237a; vgl. auch Klamaris in Habscheid/Beys, Grundfragen des ZPR – die internationale Dimension, 1991, 13; R. Geimer RabelsZ 60 (1996), 369. Hymnisch verklärt auch der BGH (vom 20.12.1972, BGHZ 60, 85, 90) die durch die Staatsangehörigkeitsanknüpfung ermöglichte „Heimatzuflucht„: Es sei „das natürliche Interesse jedes Staatsangehörigen, dass sein Staat, dessen Organisation und Funktionsweise er kennt, dessen Sprache er spricht und dem er auf mannigfache Weise verbunden ist, sich seiner Sache annimmt und nicht ein fremder Staat“. 54 Maesch, Vitamine für Kartellopfer – Forum shopping im europäischen Kartelldeliktsrecht, IPRax 2006, 509, 510: Im Zweifel wird das Gericht „einen ‚kollisionsrechtlichen Aufhänger‘ zugunsten des eigenen Rechts finden“.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit ternationalen Fungibilität der Gerichte (Rz. 37, 861, 883) tabuisiert.55 Die Toleranzschwelle wird aber überschritten, wenn ein Gericht Ausländer offen diskriminiert (Rz. 194). 868l
In dem hier zu erörternden Zusammenhang ist es aber wichtig festzuhalten, dass durch solches richterliches Fehlverhalten die internationale Zuständigkeit des Gerichtsstaats nicht tangiert wird. Dies bedeutet: Erlaubt sich ein deutsches Gericht eine Entgleisung gegenüber einem Ausländer, dann muss dieser mit Rechtsmitteln bzw. Rechtsbehelfen einschließlich des Befangenheitsantrages (§ 42 ZPO) um sein verfassungsrechtlich und internationalmenschenrechtlich56 garantiertes Recht auf ein faires Verfahren (das auch den Anspruch auf eine unparteiische Entscheidungsfindung umfasst) kämpfen. Selbst in dem (theoretischen) Fall, dass die Rechtsmittelgerichte und das Bundesverfassungsgericht das Gravamen nicht beseitigen, hat die Bundesrepublik Deutschland ihre internationale Zuständigkeit nicht verwirkt. Dem deutschen Urteil wird im Ausland die Anerkennung nicht wegen internationaler Unzuständigkeit verweigert, sondern wegen Verstoßes gegen den ordre public des Anerkennungsstaates. Vice versa steht bei Unregelmäßigkeiten ausländischer Richter nicht die internationale Unzuständigkeit des Gerichtsstaates zur Debatte, sondern das aus deutscher Sicht anstößige Verhalten des ausländischen Gerichts.
868m Fürchten beide Parteien gleichermaßen die (unterschwelligen) Fixierungen der nach den gesetzlichen Vorschriften international zuständigen Gerichte, so können sie „neutrale Richter“ prorogieren, sei es durch Zuständigkeitsvereinbarung (Vereinbarung der ausschließlichen internationalen Zuständigkeit eines neutralen Staates, Rz. 1747) oder durch Schiedsvereinbarung. Im letzteren Fall werden alle staatlichen Richter „abgewählt“, Rz. 8.
2. Kapitel: Ausschließliche internationale Zuständigkeiten I. Rechtsquellen 1. Völkergewohnheitsrecht 869 Das Völkergewohnheitsrecht weist nicht bestimmte Streitgegenstände jeweils nur einem Staat zur ausschließlichen Jurisdiktion zu.57 Dies gilt auch für das international gebräuchliche forum rei sitae bezüglich Immobilien, Rz. 394.
55 Wie hier nun auch Mankowski IPRax 2006, 454, 457: „Dieser Rechts-Chauvinismus wird zwar in der Rechtsliteratur schamhaft verschwiegen (und kommt natürlich in Gerichtsentscheidungen nie offen zum ablesbaren Ausdruck), ist aber ein gewichtiger Faktor. Jeder im internationalen Rechtsverkehr erfahrene Rechtsberater weiß um ihn“. 56 Art. 6 I EMRK und Art. 47 II EuGrundrechtecharta. 57 Ähnlich nun auch Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, Einl. Rz. 61 vor Art. IX EGJN.
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Ausschließliche internationale Zuständigkeiten 2. Europäisches Gemeinschaftsrecht und völkerrechtliches Vertragsrecht Ein Katalog von ausschließlichen internationalen Zuständigkeiten findet sich in 870 Art. 22 EuGVVO/LugÜ II bzw. in Art. 16 EuGVÜ/LugÜ I. Im Übrigen stipulieren viele Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge die ausschließliche internationale Zuständigkeit des Zweitstaates (= Anerkennungsstaates) bzw. eines dritten Staates als Versagungsgrund: Obwohl an sich nach dem Zuständigkeitskatalog des jeweils einschlägigen Vertrages eine Anknüpfung für die internationale Zuständigkeit des Erststaates gegeben ist, wird gleichwohl dessen internationale Zuständigkeit nicht anerkannt, wenn in concreto der Zweitstaat bzw. ein dritter Staat – aus zweitstaatlicher Sicht, d.h. nach dem (autonomen) Recht des Zweitstaates – ausschließlich international zuständig war.58 Der jeweilige Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag legt aber nicht fest, wann eine solche ausschließliche internationale Zuständigkeit zu bejahen ist. Diesen Punkt überlässt der Vertrag dem Recht des Zweitstaates.59
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3. Autonomes deutsches Recht Für Statusverfahren ist ausdrücklich in § 106 FamFG60 klargestellt, dass die in- 872 ternationale Zuständigkeit keine ausschließliche ist. Dagegen stipuliert § 32a ZPO für Klagen nach dem Umwelthaftungsgesetz eine ausschließliche internationale Zuständigkeit Deutschlands für den Fall der Schädigung eines im Ausland befindlichen Rechtsguts durch eine im Inland gelegene Anlage. Dies gilt jedoch nicht im Anwendungsbereich der EuGVVO bzw. des LugÜ.61 Siehe auch Rz. 940b. Für den sonstigen Bereich des autonomen deutschen internationalen Zivilpro- 873 zessrechts ist – anders als in Art. 22 EuGVVO/LugÜ II bzw. in Art. 16 EuGVÜ/ LugÜ I – noch nicht hinreichend geklärt, ob und gegebenenfalls in welchen Fällen eine ausschließliche internationale Zuständigkeit Deutschlands anzunehmen ist.62 Aufgrund einer innerstaatlichen ausschließlichen örtlichen Zuständigkeit kann nicht ohne weiteres geschlossen werden, dass auch eine ausschließliche internationale Zuständigkeit beansprucht wird, Rz. 866. Nicht jeder Gerichtsstand, der im innerstaatlichen Bereich als ausschließlich bezeichnet wird, begründet eine ausschließliche internationale Zuständigkeit. Es ist vielmehr jeweils zu prüfen, ob der deutsche Gesetzgeber lediglich eine interne Zuständigkeitsverteilung vornehmen wollte für den Fall, dass die Streitsache von den inländischen Gerichten entschieden wird, oder ob er die Entscheidung über die Streitsache seinen eigenen Gerichten bzw. den Gerichten eines dritten Staates via § 328 I Nr. 1 ZPO vorbehalten wollte.63 58 59 60 61 62
R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 317. R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1511. Früher § 606a I 2, § 640a II 2, § 661 III ZPO. Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 11 Fußn. 40. Zur Frage „ungeschriebener ausschließlicher Zuständigkeiten“ siehe auch Weyde, Anerkennung und Vollstreckung deutscher Entscheidungen in Polen, 1997, 104 ff. 63 Zustimmend Dohm, Die Einrede ausländischer Rechtshängigkeit im deutschen internationalen Zivilprozessrecht, 1996, 258.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 874 Ein ausschließlicher örtlicher Gerichtsstand begründet – wenn überhaupt, Rz. 878 – nur dann auch eine ausschließliche internationale Zuständigkeit, wenn unmittelbare Staatsinteressen (öffentliche Interessen) der Grund für die Normierung der Ausschließlichkeit waren.64 Solche unmittelbaren Staatsinteressen sind aber nach kühler Analyse aller Umstände nicht feststellbar, Rz. 878 ff.65 Neuerdings gilt aber eine Ausnahme für das zur „Kanalierung“ von Rechtsstreitigkeiten wegen falscher oder irreführender Kapitalmarktinformationen durch das Gesetz zur Einführung von Kapitalanleger-Musterverfahren (KapMuG) vom 16.8.200566 neu geschaffene Forum des § 32b ZPO.67 Dieser Gerichtsstand soll nach dem Willen des Gesetzgebers auch international ausschließlich sein, um forum shopping zu vermeiden. Das am Sitz des von der Klage betroffenen Emittenten, Anbieters sonstiger Vermögensanlagen etc. eröffnete Forum ist als ausschließlich konzipiert, um Gefahren für den Börsen- und Justizstandort Deutschland abzuwenden.68 875 Auf dem Gebiet der vermögensrechtlichen Streitigkeiten geht es vorwiegend darum, ob und gegebenenfalls inwieweit Deutschland eine ausschließliche internationale Zuständigkeit beansprucht für Klagen betreffend inländischen Grundbesitz und inländische grundstücksgleiche Rechte (§ 24 ZPO; Rz. 1433, siehe auch Rz. 927), Mietverhältnisse über inländischen Wohnraum (§ 29a ZPO), im Inland abgeschlossene Verbrauchergeschäfte (Rz. 1128, 1290) sowie deutsche Pa-
64 R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 119; Walchshöfer ZZP 80 (1967), 214. 65 Anderer Auffassung Jung, Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit nach dem EWG-Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen und nach § 38 Abs. 2 ZPO, Diss. Bochum 1980, 119 f.; Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 531 ff.; Scheuermann, Internationales Zivilverfahrensrecht bei Verträgen im Internet: Eine rechtsvergleichende Untersuchung des deutschen, europäischen und US-amerikanischen Zuständigkeitsrechts sowie der Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 2004, 113; vgl. auch die Denkschriften zu den von Deutschland geschlossenen Anerkennungs- und Vollstreckungsverträgen, jeweils zum Vorbehalt der zweit- oder drittstaatlichen ausschließlichen internationalen Zuständigkeit; z.B. die deutsche Denkschrift zu Art. 8 III des deutsch-norwegischen Vertrages vom 17.6.1977 (BGBl. 1981 II 341), Bundestagsdrucksache 9/66 S. 26. Ebenso aus schweizerischer Sicht Vischer/Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht2, 2000, Rz. 1198 ff. 66 BGBl. 2005 I 2437. Zum intertemporären Anwendungsbereich OLG Hamburg vom 13.10.2006, OLGR 2006, 33, 34. 67 Dieser Gerichtsstand kommt aber nicht zur Anwendung bei Vermögenanlagen des ungeregelten sog. Grauen Kapitalmarkts, OLG München vom 27.7.2006, OLGR 2006, 800. A.A. OLG Nürnberg vom 7.8.2006, OLGR 2007, 411. – Im Übrigen erfasst er nicht Klagen gegen den Anlagevermittler, die nicht auf Prospekthaftung, sondern auf Verletzung von Pflichten aus dem Anlagevertrag gestützt werden, OLG Hamburg vom 13.10.2006, OLGR 2006, 33, 35. 68 Begründung des Regierungsentwurfs 37, abrufbar unter www.bmj.bund.de/media/archive/798.pdf.; von Hein RIW 2004, 602, 606; Haß/Zerr RIW 2005, 721, 726; B. Schneider BB 2005, 2249, 2250; G. Bachmann IPRax 2007, 77, 83. A.A. Heß WM 2004, 2329, 2332.
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Ausschließliche internationale Zuständigkeiten tente und sonstige von der Bundesrepublik Deutschland verliehene gewerbliche Schutzrechte, Rz. 468, 1002.69 Auf dem Gebiet des unlauteren Wettbewerbs ergibt sich bereits aus dem Text 876 des § 14 I UWG, dass die deutsche Wohnsitz- bzw. Aufenthaltszuständigkeit nicht verdrängt wird durch eine ausländische gewerbliche Niederlassung oder einen ausländischen Begehungsort oder durch die Anwendbarkeit ausländischen Rechts.70 Für die in § 893 ZPO erwähnte Klage (Übergang von Erfüllungsanspruch auf 877 Schadensersatz) besteht trotz § 802 ZPO keine ausschließliche internationale Zuständigkeit des Urteilsstaates.71 Die deutsche internationale Zuständigkeit gemäß §§ 12 ff. ZPO wird durch § 893 II ZPO nicht verdrängt, auch wenn die Verurteilung zur Leistung im Ausland erfolgte,72 Rz. 1283. § 802 ZPO gilt generell nur für die örtliche Zuständigkeit (Verteilung nach örtli- 877a chen Gesichtspunkten innerhalb Deutschlands, falls Deutschland überhaupt zuständig ist, Rz. 847), nicht jedoch für die internationale Zuständigkeit mit der Folge, dass die Anerkennung ausländischer Entscheidungen ausgeschlossen wäre.73 Das Gleiche gilt für die Auflösungsklage betreffend eine deutsche GmbH.74
877b
Für Amtshaftungsklagen wird eine ausschließliche internationale Zuständigkeit Deutschlands postuliert.75 Dabei wird übersehen, dass auch für acta iure imperii
877c
69 Nachweise bei Walchshöfer ZZP 80 (1967), 174, 195 Fußn. 130; Grundmann IPRax 1985, 249; Kubis, Internationale Zuständigkeit bei Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechtsverletzungen, 1999, 198 ff.; Soergel/Kronke, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 38 EGBGB Anh IV Rz. 30. Für die Schweiz siehe Reiser, Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem IPR-Gesetz, 1989, 100. 70 Zu § 24 I UWG a.F. OLG Stuttgart vom 1.2.1991, RIW 1991, 954 = IPRspr. 1991 Nr. 154; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 377. – Beispiel: BGH vom 27.3.1968, NJW 1968, 1572 = GRUR 1968, 587 = IPRspr. 1968–1969 Nr. 170 (dort wurde die Zuständigkeitsfrage als unproblematisch angesehen und deshalb gar nicht erwähnt). Grundsätzlich zur internationalen Zuständigkeit Staudinger/ Fezer/Koos, Internationales Wirtschaftsrecht, Neubearbeitung 2006, Rz. 652. 71 Zustimmend Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 17 Rz. 52. 72 So nun auch BGH vom 17.2.1997, NJW 1997, 2245 = RIW 1997, 595 = LM § 893 ZPO Nr. 1 (R. Geimer) = IPRax 1997, 434 (Kronke) = IPRspr. 1997 Nr. 139. Anderer Auffassung Vorinstanz: KG vom 13.10.1995, IPRax 1997, 340 (G. Vollkommer 323) = IPRpr. 1995 Nr. 156; hierzu Deubner JuS 1996, 534; Hau JuS 1996, 856. Dagegen unten Rz. 1767. 73 Koch in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 180. 74 Anderer Auffassung Becker ZZP 97 (1984), 336, der aus § 61 III GmbHG eine ausschließliche internationale Zuständigkeit Deutschlands ableitet. 75 Nachweise bei Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 16 Fußn. 83; Dutta, Amtshaftung wegen Völkerrechtsverstößen bei bewaffneten Auslandseinsätzen deutscher Streitkräfte, AöR 133 (2008), 191, 194 ff. Anderer Auffassung Harald Mueller, Das Internationale Amtshaftungsrecht, 1991, 99. Zur kollisionsrechtlichen Anknüpfung an das Recht des Amtsstaates Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, Diss. Konstanz 1997, 236; LG Rostock vom 19.5.1995,
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit keine Immunität besteht, wenn die deliktische Handlung ausschließlich im Forumstaat zu lokalisieren ist, Rz. 626c.76 877d Ebenso verhält es sich mit der Ausschließlichkeit der insolvenzrechtlichen Gerichtsstände. Auch die auf § 3 I InsO gestützte internationale Insolvenzzuständigkeit Deutschlands ist nicht ausschließlich. Vgl. aber Rz. 3411. 877e Eine internationale Ausschließlichkeit begründet schließlich auch nicht § 6 I des Unterlassungsklagengesetzes.77
II. Unmittelbare staatliche Interessen erzwingen nicht die Inanspruchnahme der ausschließlichen internationalen Zuständigkeit für die eigenen Gerichte 1. Überblick 878 Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, ob es zwingende Gründe gibt, deretwegen sich ein Staat für international ausschließlich zuständig erklären muss. Dabei wird sich herausstellen, dass unmittelbare Staatsinteressen, die – unabhängig von dem Schutzinteresse des Beklagten (Rz. 905) – die Inanspruchnahme ausschließlicher internationaler Zuständigkeit für die eigenen Gerichte rechtfertigen, mit Ausnahme der in § 32b ZPO angesprochenen Konstellationen (Rz. 874) – nicht existieren.78 Der Schutz der inländischen Jurisdiktionssphäre erfordert nicht, dass für bestimmte Arten von Klagen, wie z.B. Immobiliarklagen, eine ausschließliche internationale Entscheidungszuständigkeit für das Inland beansprucht wird. 2. Rechtsanwendungsinteresse 879 Das Inland kann ein Interesse daran haben, dass bestimmte Rechtsstreitigkeiten nur nach inländischem Recht entschieden werden. Es kann zwar nicht sicherstellen, dass der Prozess nicht doch vor ein ausländisches Gericht gebracht wird und dass das ausländische Gericht seine eigene internationale Entscheidungszuständigkeit bejaht und anderes Sachrecht anwendet, als es das Inland gern IPRax 1996, 125 (Hay 95) = IPRspr. 1995 Nr. 37 (betreffend Staatshaftung der ehem. Deutschen Demokratischen Republik. 76 Beispiel (österreichischer OGH JBl. 1983, 260, [Schurig 234]): Botschafter erschießt (versehentlich) anderen Botschafter auf Diplomatenjagd, Heß a.a.O. 17, 19. 77 Anderer Auffassung Micklitz in Münchener Kommentar zum BGB4, 2001, § 14 AGBG Rz. 8. 78 Skeptisch gegenüber ausschließlichen internationalen Zuständigkeiten nun auch Coester-Waltjen in Festschrift Nakamura, 1996, 105. Zaghafter Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozessrecht – Überlegungen zur Bewältigung von multi-fora disputes, 1996, 175. Leider ohne Aufhellung der teleologischen Sinnzusammenhänge für ausschließliche internationale Zuständigkeiten Vischer/Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht2, 2000, Rz. 1198 ff. – Zusammenfassung des Diskussionsstandes bei R. Geimer in Festschrift Böckstiegel, 2001, 187. Siehe auch Kleinknecht, Die verbraucherschützenden Gerichtsstände im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, Diss. Mainz 2007, 198.
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Ausschließliche internationale Zuständigkeiten hätte. Einzige Sanktion des Inlands ist die Nichtanerkennung des ausländischen Urteils. Dies könnte man gewissermaßen generalpräventiv dadurch erreichen, dass man für bestimmte Fallgruppen von Rechtsstreitigkeiten die ausländischen Gerichte als ungeeignet abqualifiziert und deshalb eine ausschließliche internationale Zuständigkeit beansprucht. Dies wäre jedoch eine Überreaktion.79 Denn es würden auch die Fälle betroffen, 880 in denen das ausländische Gericht das gleiche Kollisions- und Sachrecht anwendet wie das inländische Gericht, sei es, dass die kollisionsrechtlichen Grundsätze die gleichen sind wie im Inland, oder dass zumindest vom Ergebnis her (im konkreten Einzelfall) keine Abweichungen entstehen. In solchen Fällen besteht für die Inanspruchnahme einer ausschließlichen internationalen Zuständigkeit keine Veranlassung. Sie ist sogar schädlich, weil die Anerkennung solcher ausländischer Urteile verhindert wird, die den Rechtsvorstellungen des Inlands voll genügen. Aber auch die andere Alternative erfordert nicht die Inanspruchnahme einer ausschließlichen internationalen Zuständigkeit für das Inland. Weicht nämlich das ausländische Kollisionsrecht bzw. das von diesem berufene Sachrecht von den (unbedingt und vorbehaltlos durchzusetzenden) Rechtsvorstellungen des Inlands ab, so ist dem ausländischen Urteil wegen Verstoßes gegen den inländischen ordre public die Anerkennung zu verweigern. Die aus der Sicht des Inlands unverzichtbaren Grundsätze des heimischen Kollisions- und Sachrechts (z.B. des deutschen Kartellrechts)80 können gegenüber ausländischen Urteilen über den ordre public durchgesetzt werden, Rz. 26 ff. Damit ist dem inländischen Rechtsanwendungsinteresse Genüge getan. Ein genereller Ausschluss der Anerkennung ausländischer Statusentscheidungen aufgrund einer ausschließlichen internationalen Zuständigkeit würde über das Ziel hinausschießen; denn es würden all jene Entscheidungen sinnloserweise von der Anerkennung ausgeklammert werden, die mit den Rechtsvorstellungen des Inlands durchaus konform gehen. Diesen Gesichtspunkt berücksichtigt das deutsche Recht. So wird z.B. in Ehe-, 881 Abstammungs- und Kindschaftssachen keine ausschließliche internationale Zuständigkeit beansprucht, ebenso in Lebenspartnerschaftssachen, Rz. 872. Eine andere Auffassung vertritt Matscher.81 Er räumt jedoch ein, dass die Inan- 882 spruchnahme einer inländischen ausschließlichen internationalen Zuständigkeit nicht notwendig ist, um sicherzustellen, dass die betreffenden Statussachen allein nach den inländischen Sachnormen beurteilt werden. „Freilich könnte das anzustrebende Ziel in adäquater Weise auch durch den Einbau einer anderen Anerkennungsvoraussetzung erreicht werden, nämlich dadurch, dass das Erstgericht seiner Entscheidung die nach dem internationalen Privatrecht des Zweitstaats anzuwendenden Sachnormen zugrunde gelegt haben muss.“
79 Zustimmend von Hein RIW 2004, 602, 609. 80 Hierzu OLG Stuttgart vom 9.11.1990, RIW 1991, 333 für § 96 GWB = IPRax 1992, 86 (Roth 68). 81 Matscher JBl. 1979, 188 bei Fußn. 37.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 3. Besondere Eignung der inländischen Gerichte? 883 Es ist ein Gemeinplatz, dass jeder Richter sein eigenes Recht am besten anwenden kann. Wollte man dem jedoch zuständigkeitsrechtlich absolute Geltung verschaffen, so liefe dies auf ein Ende des internationalen Privatrechts hinaus. Dieses geht von der Fungibilität aller Gerichte aus. Ausländische Gerichte können in thesi inländisches Recht genauso gut anwenden wie inländische Gerichte ausländisches Recht. Dies ist zwar nur eine Fiktion; sie muss aber aufrechterhalten werden, wenn man nicht an den Fundamenten des internationalen Privatrechts rütteln will, Rz. 37, 99, 868i. 884 Aus der unterschiedlichen Qualität der Rechtspflegeorgane und aus der daraus resultierenden unterschiedlichen Qualität der Rechtspflege in den verschiedenen Staaten können keine Folgerungen für die internationale Zuständigkeit gezogen werden. Die tatsächlichen Unterschiede in der Rechtspflege von Land zu Land sind irrelevant, solange die Toleranzgrenze des anerkennungsrechtlichen ordre public (Rz. 26) nicht überschritten ist, Rz. 37.82 4. Anwendung „schwierigen“ Rechts nur durch inländische Richter? 885 Aus der Schwierigkeit der Anwendung des einschlägigen Rechts lässt sich also kein kompetenzrechtlich relevantes Kriterium für die Ausschließlichkeit ableiten, Rz. 930.83 Rechtssystematisch gibt es keine Unterscheidung zwischen klarem, d.h. leicht anwendbarem, und schwierigem, d.h. nur schwer feststellbarem und schwierig anwendbarem Recht. Ob eine Norm leicht auffindbar und leicht auslegbar ist oder nicht, hängt von vielen Zufällen ab. Man kann z.B. nicht behaupten, dass das deutsche Scheidungsrecht eine leichte Materie, dagegen das deutsche Patentrecht ein Buch mit sieben Siegeln sei oder umgekehrt. Dies hängt vom Standpunkt und vor allem auch von den Kenntnissen und Fähigkeiten des Betrachters ab, rechtspolitisch gesehen von der Qualität der Juristenausbildung. 886 So kann man z.B. die Ausschließlichkeit des forum rei sitae für Immobiliarklagen nicht damit begründen, der ortsansässige Richter sei besonders geeignet, das einschlägige Recht anzuwenden. Das Gleiche gilt für die Frage, ob der Ort, an dem die Mietsache belegen ist, die ausschließliche internationale Zuständigkeit des Belegenheitsstaates begründet (§ 29a ZPO) oder für die Frage der Ausschließlichkeit der internationalen Zuständigkeit des Verleihungsstaates für Klagen aus Patenten, Marken, Warenzeichen oder sonstigen gewerblichen Schutzrechten. Auch hier ist nicht nur von den Gerichten des Verleihungsstaates ein sachlich richtiges Urteil zu erwarten. – Siehe auch Rz. 930, 1004, 1049, 1103. 887 Im Übrigen ist der Grad der Schwierigkeit bei der Anwendung ausländischen Rechts sehr relativ. Mit Recht bemerkt Weigel:84 „Es ist recht fraglich, ob es für eine auf dem Spezialgebiet des gewerblichen Rechtsschutzes erfahrene Patent82 Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 781. 83 Zustimmend Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 217. 84 Weigel, Gerichtsbarkeit, internationale Zuständigkeit und Territorialitätsprinzip im deutschen gewerblichen Rechtsschutz, 1973, 65.
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Ausschließliche internationale Zuständigkeiten kammer im Sinne des § 51 II PatG schwieriger ist, auf einen Rechtsstreit französisches oder schweizerisches Patentrecht anzuwenden, als für einen Amtsrichter das Erbrecht der oder richtiger eines der Vereinigten Staaten, um nicht sogar ein so extremes Beispiel wie irgendein orientalisches Recht zu wählen.“85 Hat der ausländische Erstrichter international durchzusetzende Grundsätze des 888 Rechts des Zweitstaates nicht berücksichtigt, so wird eben – wie in allen anderen Fällen auch – dem Urteil die Anerkennung wegen Verstoßes gegen den inländischen ordre public verweigert. Aber auch hier gilt, dass die generelle Verweigerung der Anerkennung sinnwidrig wäre und über das Ziel hinausschösse: Es lässt sich eben nicht von vornherein ausschließen, dass ein ausländisches Gericht deutsches Grundstücksrecht oder deutsches Mietrecht richtig anwendet. Deshalb kann man nicht behaupten, nur deutsche Richter könnten Entscheidungen über inländische Grundstücke oder inländische Mietverhältnisse hinreichend richtig fällen. Ausländische Gerichte können deutsches Recht genauso tüchtig handhaben wie die inländischen Richter. Man sollte z.B. einem österreichischen Oberlandesgericht oder einer französischen Cour d’appel zutrauen, deutsches Recht richtig auszulegen. Im Übrigen steht gar nicht fest, dass in allen Fällen schwieriges deutsches Miet- 889 recht oder Grundstücksrecht zur Anwendung kommt: Mitunter ist der Prozess gar nicht an Hand deutscher Normen zu entscheiden, so etwa wenn nach dem Tode eines österreichischen Zahnarztes mit Wohnsitz in Wien zwischen seiner Witwe und seiner Tochter strittig ist, wer Erbe einer Eigentumswohnung in München ist. Für die Auslegung des (unklaren) Testaments anhand österreichischen Erbrechts sind die österreichischen Gerichte möglicherweise sogar geeigneter als die deutschen. Vgl. vice versa Rz. 931. Für Sonderbereiche, wie etwa auf dem Gebiet des Kartellrechts, gilt nichts Be- 890 sonderes. Auch hier genügt es, dass eine aus der Sicht des Inlandes unzureichende oder falsche Rechtsanwendung über die ordre public-Klausel abgewehrt werden kann. Der Gerichtsstand der Mitgliedschaft für verbandsrechtlich orientierte Klagen 890a (§ 22 ZPO, §§ 132, 241, 246, 275 AktG; §§ 61 III, 75 GmbHG, § 51 III GenG, Rz. 1439)86 verlangt – außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 22 Nr. 2 EuGVVO/LugÜ II bzw. Art. 16 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ I87 – ebenfalls keine internationale Ausschließlichkeit in dem Sinne, dass die Verfahren, die Angelegenheiten von Vereinen, juristischen Personen und Handelsgesellschaften betreffen, nur im Sitzstaat geführt werden dürften. Die Vorstellung Riezlers,88 die Klage auf Feststellung der Mitgliedschaft in einem Idealverein dürfe nur in dem Staate erhoben werden, in dem der Verein seinen Sitz hat, ist verfehlt. Er meint, „das Recht auf Mitgliedschaft gründe sich auf die Satzung des Vereins; diese sei aber vielfach durch ordre public-Normen des Sitzstaates beeinflusst“. Riezler vertritt 85 Zustimmend Seber ZfRV 24 (1983) 284 Fußn. 66. 86 Zur Parallelnorm des Art. 151 schweizer. IPRG Walter, Internationales Zivilprozessrecht der Schweiz4, 2007, § 4 III (S. 117). 87 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 695. 88 Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 240.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit die nicht mehr haltbare These, dass diese Normen nur von den Gerichten dieses Staates angewandt werden dürften. Schief ist seine Vorstellung, ein anderer Staat als der Sitzstaat sei unzuständig zu „Eingriffen in den ausländischen ordre public“. Siehe auch Rz. 988. Inkonsequenterweise dürfen aber nach Riezler die Normen über den Verein auch von anderen Gerichten als denen des Sitzstaates angewendet werden, wenn die Mitgliedschaft nur Präjudizialpunkt ist, wie z.B. bei einer Klage auf Zahlung von Mitgliedsbeiträgen. Vgl. auch Rz. 999. 890b Nochmals ist zu betonen, dass ein staatliches Interesse, nur ein inländisches Gericht in der Sache entscheiden zu lassen, nicht besteht; vielmehr zielt das staatliche deutsche Interesse nur darauf, dass die aus der Sicht des Inlands für unverzichtbar gehaltenen Normen und Rechtsgrundsätze eingehalten werden. Ist dies der Fall, hat z.B. ein ausländisches Gericht einen Hauptversammlungsbeschluss einer deutschen Aktiengesellschaft anhand der Regeln des deutschen Rechts zutreffend für nichtig erklärt, steht ein staatliches Interesse der Bundesrepublik Deutschland nicht entgegen. Solche Fälle dürften allerdings selten sein; denn die Hauptversammlungs- bzw. Gesellschaftsbeschlüsse können nur durch eine Klage gegen die Gesellschaft für nichtig erklärt werden, und die Gesellschaft ist nur im Inland gerichtspflichtig, weil sie hier ihren Sitz hat. lässt sie sich jedoch im Ausland ein, so besteht keine Veranlassung, gegen ihren Willen die Anerkennung zu verweigern mit der Begründung, nur inländische Gerichte hätten die Entscheidung vornehmen dürfen. 5. Keine Kohärenz von Rechtsgang (Verfahrensrecht) und Rechtsanwendung 891 Es gibt auch keinen untrennbaren Zusammenhang zwischen dem Verfahren und dem anzuwendenden Recht, welcher die ausschließliche Zuständigkeit des Inlandes erzwänge.89 892 Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass der Erststaat „Verfahrenszubehör“, das aus der Sicht des Zweitstaates untrennbar und unverzichtbar mit dem Sachrecht verbunden ist, angewandt hat. Das lex fori-Prinzip ist in letzter Zeit immer größeren Erosionen ausgesetzt. Man erkennt in zunehmendem Maße, dass es keineswegs unzumutbar oder unpraktikabel ist, verfahrensrechtliches Zubehör der lex causae anzuwenden, Rz. 325 ff. 893 Aus der Sicht des Zweitstaates bedeutet dies: Soweit der Zweitstaat auf der Einhaltung bestimmter verfahrensrechtlicher Regeln besteht, kann er die Anerkennung des erststaatlichen Urteils verweigern, wenn diese verfahrensrechtlichen Normen vom Erstrichter nicht beachtet wurden. Versagungsgrund ist auch hier die ordre public-Klausel, § 328 I Nr. 4 ZPO. Zu einer Generalprävention, d.h. einer generellen Verweigerung der Anerkennung über die Annahme einer ausschließlichen internationalen Zuständigkeit, fehlt jedoch der Anlass. Vielmehr ist hier jeweils von Fall zu Fall zu prüfen, ob und welche angeblich unverzichtbaren verfahrensrechtlichen Vorstellungen des Zweitstaates nicht beachtet wurden. Dabei wird sich herausstellen, dass die Zahl der Verfahrensnormen, die aus
89 Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 527.
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Ausschließliche internationale Zuständigkeiten der Sicht des Zweitstaates unverzichtbar zum anzuwendenden Sachrecht gehören, sehr gering ist. Aus deutscher Sicht ist z.B. das Statusverfahren in Eheund Abstammungssachen sowie in Lebenspartnerschaftssachen von Förmlichkeiten so entschlackt, dass in der Praxis keine Schwierigkeiten auftreten dürften. Allenfalls ist der Grundsatz der Amtsermittlung (Offizialmaxime) unverzichtbar. Daraus kann man aber nicht folgern, nur deutsche Gerichte dürften den Sachverhalt ermitteln. Vielmehr ist unbestritten, dass auch ausländische Gerichte in Statusverfahren entscheiden können, insbesondere auch Rechtsgestaltungen vornehmen dürfen. Sieht man den Sinn des Verfahrensrechts darin, eine möglichst richtige Ent- 894 scheidung herbeizuführen, so könnte man auch bei normalen Zivilprozessen Zweifel an der internationalen Fungibilität der Gerichte (Rz. 37, 883) haben; denn es ist z.B. ein großer Unterschied, ob eine Beweisaufnahme unter Leitung des deutschen Richters vorgenommen wird, oder ob ein Kreuzverhör (cross-hearing) vor einem englischen oder einem US-amerikanischen Gericht bzw. einer sonstigen „Stelle“ stattfindet, oder ob in Deutschland eine von Berufsrichtern besetzte Zivilkammer eines Landgerichts entscheidet, oder ob eine mit Laien besetzte Jury (Rz. 79) in den Vereinigten Staaten von Amerika usw. Aber noch niemand hat hieraus die Konsequenz hergeleitet, dass ein untrennbarer Zusammenhang zwischen Verfahren (lex fori) und Sachstatut (lex causae) besteht, der eine ausschließliche internationale Entscheidungszuständigkeit des Inlands erforderlich macht. 6. Souveränitätsinteressen des Inlandes Personalhoheit: Bei Leonhardt kann man lesen: „Die ausschließliche Gerichts- 895 barkeit über die eigenen Untertanen . . . auch in Fällen, wo das ausländische Gericht seine Zuständigkeit auf einen Titel stützt, welchen das eigene Recht ebenfalls anerkennt, erscheint als Grundsatz der Staatssouveränität so, dass . . ., von Staatsverträgen abgesehen, einem ausländischen Urteil die Vollstreckbarkeit versagt wird.“90 Hierzu bemerkt treffend Schröder:91 „Dies ist noch mittelalterlich lehensrechtlich gedacht und spiegelt nicht den Stand des modernen Völkerrechts wider.“ Es ist keineswegs völkerrechtswidrig, sondern entspricht vielmehr der Staatenpraxis, dass internationale Entscheidungszuständigkeit auch gegenüber Ausländern in Anspruch genommen werden kann. Und welches Interesse sollte der Heimatstaat daran haben, dass Prozesse, an denen Inländer beteiligt sind, nur vor seinen eigenen Gerichten geführt werden? Weshalb soll nicht ein im Ausland zugunsten eines Inländers ergangenes Urteil auch im Inland vollstreckt werden können? Wurde in einer für das Inland anstößigen Weise ein Urteil gegen einen Inländer erlassen, so kann über die ordre public-Klausel die Anerkennung verweigert werden, aber die Inanspruchnahme einer ausschließlichen internationalen Entscheidungszuständigkeit für die inländischen Gerich-
90 Leonhardt, Bürgerliche Prozessordnung3, 1861, 35 Fußn. 1. 91 Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 709.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit te fordert die Personalhoheit über die eigenen Staatsangehörigen nicht (auch nicht in Statussachen).92 896 Gebietshoheit: Auch die Gesichtspunkte der Gebietshoheit erfordern nicht die Inanspruchnahme einer ausschließlichen internationalen Zuständigkeit für das Inland, insbesondere nicht für Immobiliarklagen.93 Wieso soll z.B. die deutsche Souveränität auf dem Spiele stehen, wenn Erbprätendenten vor einem ausländischen Gericht darüber streiten, wer Erbe eines in Deutschland gelegenen Grundstücks oder wer gemäß § 563 BGB Sonderrechtsnachfolger hinsichtlich des Mietrechtsverhältnisses des Verstorbenen geworden ist?94 897 Auch die staats- und völkerrechtliche Herrschaft des Belegenheitsstaates, kurz seine staatliche Macht, wird nicht in Frage gestellt.95 897a Unbestritten besteht keine Ausschließlichkeit für alle Klagen in Zusammenhang mit dem schuldrechtlichen Vertrag (Kauf, Tausch, Schenkung etc.) hinsichtlich ausländischer Grundstücke.96 7. Abwehr ausländischer Macht 898 Auch für Rechtsmaterien, die besonders eng mit dem öffentlichen Recht verzahnt sind, besteht nicht die Notwendigkeit, eine ausschließliche internationale
92 Zu Recht schreibt denn auch Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 709: „Im Privatverfahren geht es um Prozessinteressen und nicht um Staatshoheit.“ Siehe auch Schröder a.a.O. S. 185. 93 Anders die herrschende Meinung, Nachweise bei Grundmann IPRax 1985, 249 Fußn. 5, 6; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht, 1985, 33. 94 Wenig Substanz hat die Argumentation des Reichsgerichts, welches die Gebietshoheit nahezu mystisch verklärt: „Schon in der Ausschließlichkeit dieses Gerichtsstandes für unbewegliche Sachen spiegelt sich die Staats- und Gebietshoheit wider. Der Staat duldet nicht, dass fremde Gerichte über die in seinem Bereich liegenden Grundstücke urteilen.“ RG vom 7.6.1921, RGZ 102, 251, 253; RG vom 10.12.1921, RGZ 103, 274, 277: „Der Grund und Boden und die mit ihm fest verbundenen Sachen bilden einen untrennbaren Teil des Staatsgebietes, in welchem sie belegen sind, sie können nur der Herrschaft dieses Staates unterstehen und nur er ist in der Lage, ein Urteil in eine solche Immobilie zu vollstrecken.“ Dem hält Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 368 zu Recht entgegen, dass das Phänomen der Untrennbarkeit von Grund und Boden zuständigkeitsrechtlich gar nichts bedeutet; „denn weder Parteien noch Gerichte hegen überhaupt die Absicht, das Grundvermögen aus seiner staats- und völkerrechtlichen Zuständigkeitsordnung herauszulösen“. 95 Den Satz „Der Staat duldet nicht, dass fremde Richter über die in seinem Bereich liegenden Grundstücke urteilen“ bezeichnet Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 367 zu Recht als juristische Deklamation, mehr nicht. Staaten, deren Belegenheitszuständigkeit keine internationale Exklusivität voraussetzt (wie Italien), verlieren darum keinen Deut von ihrer Souveränität, auch keinen Deut von ihrer territorial begründeten Souveränität. Ihr Staatsgebiet bleibt ihnen erhalten, ob jenes Grundstück nun dem Müller oder dem Schmitz gehört. Darüber indes können auch ausländische Gerichte befinden. Man muss sich von der Vorstellung frei machen, als ginge es ausländischer Privatrechtspflege nur darum, die inländischen Eigentumsverhältnisse zu unterwandern. 96 OLG Hamm vom 15.4.1985, IPRspr. 1985 Nr. 28.
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Ausschließliche internationale Zuständigkeiten Zuständigkeit des Inlandes in Anspruch zu nehmen. So ist z.B. die starke Durchdringung des Liegenschaftsrechts mit öffentlich-rechtlichen Komponenten kein ausreichender Anlass, fremden Gerichten von vornherein die internationale Zuständigkeit für Prozesse über inländisches Grundvermögen abzusprechen. Hier gelten die gleichen Erwägungen wie in Rz. 880. Sofern der Erststaat inländisches international zwingendes Recht nicht angewandt hat, muss die Anerkennung verweigert werden. Doch ist dies kein Grund, ausländischen Gerichten jede Jurisdiktion abzusprechen. Selbst wenn Deutschland wegen einer Amtspflichtverletzung seiner Beamten, 899 Amtsträger, Bediensteten etc. verurteilt wird, scheitert die Anerkennung des ausländischen Urteils nicht von vornherein an einer ausschließlichen internationalen Zuständigkeit Deutschlands, Rz. 877c.97 8. Theorie von der Nichtanwendbarkeit ausländischen öffentlichen Rechts Dass ausländisches öffentliches Recht einer inhärenten territorialen Anwen- 900 dungsbeschränktheit unterliege, behauptet heute wohl niemand mehr.98 Im Übrigen böte diese These keine Stütze für die internationale Ausschließlichkeit der Belegenheitszuständigkeit, Rz. 932.99 Nochmals sei betont, dass eine eventuelle Nichtvereinbarkeit der im Ausland erlassenen Entscheidungen mit dem inländischen ordre public kein Grund ist, eine ausschließliche internationale Zuständigkeit des Inlands zu bejahen, Rz. 880. 97 Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 19. 98 Zum Scheinargument der „territorialen Bindung“ öffentlichen Rechts Schnyder, Wirtschaftskollisionsrecht, 1990, 240 Rz. 296. Kritisch zur These von der Territorialität des öffentlichen Rechts z.B. auch Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006, 28 ff.; Ebke, Internationales Devisenrecht, 1991, 156; Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts5, 2004, § 22 II 2 und § 52 X 2; Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, Diss. Konstanz 1997, 237. Dagegen verficht der Bundesgerichtshof nach wie vor die These, dass ausländisches öffentliches Recht als solches im Inland grundsätzlich nicht anwendbar sei, BGH vom 17.12.1959, BGHZ 31, 367, 371; BGH vom 21.12.1960, BGHZ 34, 169, 176; BGH vom 22.6.1972, BGHZ 59, 82, 85; BGH vom 20.11.1990, JZ 1991, 719, 721. Hierzu auch Hailbronner JZ 2002, 957, 960. Wenngleich der Bundesgerichtshof die kollisionsrechtliche Verweisung des deutschen internationalen Privatrechts bei den öffentlich-rechtlichen Eingriffsnormen ausländischer Rechtsordnungen abbricht, weil das deutsche Gesetz angeblich auf das ausländische öffentliche Recht nicht verweise, berücksichtigt er den Inhalt der einschlägigen öffentlich-rechtlichen Eingriffsnormen über die Generalklauseln der §§ 138 I, 826 BGB. 99 Überholt sind daher die Erwägungen, die man in den Protokollen der Kommission zur Beratung einer allgemeinen Zivilprozessordnung für die deutschen Bundesstaaten (II, 1863, 438) nachlesen kann: „Die Gesetzgebung über das Eigentum und sonstige Rechte an unbeweglichen Gütern enthalte eine große Anzahl absoluter, im Interesse der einzelnen Staaten getroffenen Vorschriften, welche anderen Staaten unbekannt seien, und dort nicht zur Anwendung gebracht werden können. Kein Staat, welcher solche Vorschriften gegeben habe, könne und werde nun gestatten, dass Erkenntnisse anderer Staaten, in denen dieselben nicht beachtet worden seien, in seinem Gebiet zur Vollstreckung gebracht werden“.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 901 Wollte man mit dem Gedanken ernst machen, dass der ausländische Richter inländisches Recht nicht richtig anwendet und nicht hinreichend berücksichtigt, so dürfte man überhaupt keine ausländischen Urteile anerkennen; denn es gibt nicht nur im Liegenschaftsrecht Teile des Privatrechts, die in starkem Maße von öffentlichem Recht überlagert und durchsetzt sind. So fordert aber gleichwohl niemand für Mobilien, die einer besonderen öffentlich-rechtlichen Pflichtigkeit unterliegen, wie z.B. für Kunstwerke, die unter Denkmal- bzw. Kulturgutschutz stehen und mit Ausfuhrverboten belegt sind,100 die ausschließliche internationale Zuständigkeit des Belegenheitsstaates. 902 Die Zahl der öffentlich-rechtlichen Normen, die in Privatrechtsverhältnisse eingreifen (so genannte öffentlich-rechtliche Eingriffsgesetze) wird immer größer. Es gibt fast kein Schuldverhältnis mehr, für dessen Wirksamkeit und Bestand nicht irgendeine öffentlich-rechtliche Norm relevant wäre. Zu denken ist vor allem an Ein- und Ausfuhrverbote, Normen über die Kontrolle des Kapital- und Warenverkehrs, Wettbewerbsregelungen, Kartellverbote, Arbeitsschutzvorschriften, Devisen- und Währungsbestimmungen. 9. Beweis- und Rechtsnähe 903 Für das forum rei sitae hinsichtlich Immobiliar- und Mietklagen und für die internationale Zuständigkeit der inländischen Gerichte für inländische Patente und sonstige gewerbliche Schutzrechte betreffende Klagen (Rz. 1002) spricht die Beweis- und Sachnähe des Belegenheits- bzw. Verleihungsstaates.101 Daraus folgt jedoch noch nicht die internationale Ausschließlichkeit dieser Fora. Z.B. ist die Beweis- und Sachnähe des Richters am Tatort der Grund dafür, dass das forum delicti commissi internationale Zuständigkeit trägt. Aber niemand will die an den Tatort angeknüpfte internationale Zuständigkeit für ausschließlich erklären, Rz. 1529. Der Geschädigte kann vielmehr wählen, ob er die Entschädigung im Staate des Tatorts oder im Wohnsitzstaat des Schädigers einklagt. Auch der Umstand, dass für Immobiliarklagen und Patentverletzungsklagen nach dem
100 So bedarf die Ausfuhr des in das „Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes“ bzw. in das „Verzeichnis national wertvoller Archive“ eingetragene Kultur- bzw. Archivgut der Genehmigung des Bundesministers des Innern. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn bei Abwägung der Umstände des Einzelfalles wesentliche Belange des deutschen Kulturbesitzes überwiegen, §§ 1 IV, 5 I, 10 III, 12 I des Gesetzes zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung in der Fassung vom 8.7.1999 (BGBl. I 1754). Siehe auch vice versa das Kulturgüterrückgabegesetz (KultGüRückG – Gesetz zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14.11.1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut und zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15.3.1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern) vom 18.5.2007, BGBl. I 757. Hierzu Halsdorfer, Der Beitritt Deutschlands zum UNESCO-Kulturgutübereinkommen und die kollisionsrechtlichen Auswirkungen des neuen KultGüRückG, IPRax 2008, 395; Wendenburg, Kulturgüterschutz im Gemeinschaftsrecht, ZEuP 2008, 577. 101 Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, 63 Fußn. 14, 113.
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Ausschließliche internationale Zuständigkeiten einschlägigen Kollisionsrecht die lex fori Anwendung findet, rechtfertigt nicht die Ausschließlichkeit dieser Gerichtsstände.102
III. Parteiinteressen Der eigentliche Grund, weshalb Deutschland die positive Prüfung der internatio- 904 nalen Zuständigkeit des Erststaates zur Voraussetzung der Anerkennung der erststaatlichen Entscheidung macht,103 ist der Beklagtenschutz.104 Es soll vermieden werden, dass der Kläger den Beklagten an jedem Punkt der Erde nach seinem Belieben verklagen kann, ohne dass er Gefahr laufen muss, dass das im Ausland erstrittene Urteil im Inland nicht anerkannt wird. Wenn auch Deutschland keinen Einfluss darauf hat, ob der Erststaat die Klage annimmt und in der Sache entscheidet, so kann es doch verhindern, dass Urteile solcher ausländischen Gerichte im Inland anerkannt werden, vor denen zu erscheinen und sich zu verteidigen dem Beklagten nicht zugemutet werden kann, weil weder der Beklagte noch der Streitgegenstand eine ausreichende Beziehung zum Urteilsstaat hatten. Dies ist der Zweck der positiven Prüfung der internationalen Zuständigkeit des Erststaates und der Normen über die internationale Anerkennungszuständigkeit. Diese legen die internationale Gerichtspflichtigkeit des Beklagten fest, d.h. sie 905 bestimmen denjenigen Staat bzw. diejenigen Staaten, vor dessen bzw. deren Gerichten es dem Beklagten aus deutscher Sicht zugemutet werden kann, sich gegen die Klage zu verteidigen und sein Recht zu nehmen. Die Normen über die internationale Zuständigkeit fremder Staaten (= die Normen über die internationale Anerkennungszuständigkeit) sind also nicht rechtsethisch neutrale Ordnungsvorschriften. Sie gewährleisten vielmehr die Durchsetzung grundlegender Forderungen prozessualer Gerechtigkeit. Sie sind Schutznormen für den Beklagten, Rz. 2901. Aus dieser Sicht der Dinge können sich durchaus Konstellationen ergeben, in 906 denen nur der Zweitstaat international zuständig ist; so, wenn die Parteien die ausschließliche internationale Zuständigkeit des Zweitstaates vereinbart haben, der Erststaat aus irgendwelchen Gründen die Derogation seiner internationalen
102 Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 372. Im gleichen Sinne nun auch KG vom 14.6.2001, KG Report Berlin 2001, 401; Wenner in Festschrift Jagenburg, 2002, 1013, 1023. 103 § 328 I Nr. 1 ZPO, Rz. 2901. 104 Ebenso übrigens – zumindest im Ansatz – die französische Doktrin, die Art. 14 und 15 Code civil als Jurisdiktionsprivileg versteht, auf das verzichtet werden kann, Batiffol/ Lagarde, Droit international privé, tome I8, 1993, Nr. 685, 688 Fußn. 12. Frankreich hält sich für ausschließlich international zuständig, mit der Folge, dass die Anerkennung ausländischer Urteile ausgeschlossen ist, es sei denn, der durch Art. 14, 15 Code civil begünstigte Franzose hat auf dieses Jurisdiktionsprivileg verzichtet; anders § 106 FamFG, früher § 606a I 2 ZPO. Zu den enormen Auswirkungen dieses Unterschieds (Nichtanerkennung deutscher Urteile in Frankreich, wenn der Beklagte Franzose ist) vor Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 vom 29.5.2000 (Rz. 245c), Sonnenberger IPRax 1992, 158.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit Zuständigkeit nicht anerkannt und trotzdem ein Sachurteil erlassen hat. Hier kann sich der Beklagte darauf berufen, dass der Zweitstaat ausschließlich international zuständig ist. Er kann daher verlangen, dass dem erststaatlichen Urteil wegen fehlender internationaler Zuständigkeit die Anerkennung versagt werde. Voraussetzung ist jedoch, dass der Beklagte im erststaatlichen Verfahren den Derogationseinwand erhoben hat. Er muss also am erststaatlichen Verfahren teilnehmen und darf sich nicht kontumazieren lassen, Rz. 1810. 907 Auch wenn nicht die ausschließliche internationale Zuständigkeit des Zweitstaates vereinbart wurde, kann sich jedenfalls im Ergebnis eine ausschließliche internationale Zuständigkeit des Zweitstaates ergeben, nämlich dann, wenn der Beklagte im Zweitstaat wohnt bzw. sich dort aufhält und keine relevante Zuständigkeitsanknüpfung qua Streitgegenstand zum Erststaat oder einem dritten Staat besteht.105 908 Jedoch ist hervorzuheben, dass strukturell kein Unterschied zu machen ist zwischen einer ausschließlichen internationalen Zuständigkeit des Zweitstaates oder einer konkurrierenden Zuständigkeit des Zweitstaates oder eines dritten Staates oder konkurrierender Zuständigkeiten von dritten Staaten. In jedem Falle steht fest, dass die Anerkennung mangels internationaler Zuständigkeit des Erststaates zu verweigern ist, wenn dies der Beklagte verlangt. Entscheidendes Kriterium ist, dass ein ausreichender Zuständigkeitsanknüpfungspunkt für den Erststaat fehlt. Steht dies fest, so ist es gleichgültig, ob aus der Sicht des Zweitstaates die Gerichte des Zweitstaates ausschließlich international zuständig sind (Fall der Prorogation), oder ob aus der Sicht des Zweitstaates dieser und konkurrierend ein dritter Staat international zuständig sind. In diesen Fällen ist der eigentliche Grund für die Versagung der Anerkennung der erststaatlichen Entscheidung, dass dem Beklagten aus der Sicht des Zweitstaates nicht zuzumuten war, sein Recht vor den Gerichten des Erststaates zu nehmen. 909 Da der Beklagtenschutz ratio legis für die Prüfung der internationalen Zuständigkeit des Erststaates durch den Zweitrichter ist, kann der Beklagte auch im Anerkennungsstadium noch auf diesen Schutz verzichten. Die internationale Unzuständigkeit des Erststaates ist nur dann zu beachten, wenn der Beklagte diese geltend macht. Die internationale Unzuständigkeit des Erststaates ist nie von Amts wegen festzustellen.106 Der Zweitstaat will den Beklagten nicht gegen seinen eigenen Willen schützen. Auch der Kläger bzw. Antragsteller, der den erststaatlichen Prozess bzw. das erststaatliche Verfahren in Gang gesetzt hat, kann sich nicht auf die internationale Unzuständigkeit des Erststaates berufen. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Kläger im ausländischen Erstprozess gesiegt hat oder unterlegen ist, Rz. 2904.
105 Vgl. Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 776. 106 Näher unten Rz. 2903. Anders die herrschende Meinung, z.B. BayObLG vom 19.9.1991, NJW-RR 1992, 514 = FamRZ 1992, 584, 586 = StAZ 1992, 176 = IPRspr. 1991 Nr. 217. Nachweise auch bei Fricke, Anerkennungszuständigkeit zwischen Spiegelbildgrundsatz und Generalklausel 1990, 102 und Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1 1984 Rz. 786.
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Ausschließliche internationale Zuständigkeiten
IV. Kein Schutz des Jurisdiktionsinteresses dritter Staaten Es kann vorkommen, dass die Anerkennung eines ausländischen Urteils zu ver- 910 sagen ist, weil nach deutscher Auffassung für die Entscheidung über den Streitgegenstand nicht der Urteilsstaat, sondern ein dritter Staat international zuständig ist. Es erhebt sich die Frage, ob § 328 I Nr. 1 ZPO – neben den Kompetenzinteressen des Beklagten (Rz. 904, 2901) – auch die Jurisdiktionsinteressen fremder Staaten schützt. Sie ist zu verneinen. Der Gedanke, der Schutz des Jurisdiktionsinteresses fremder Staaten könnte mit das legislatorische Ziel des § 328 I Nr. 1 ZPO sein, erweist sich von vornherein dann nicht als tragfähig, wenn kein Staat eine ausschließliche internationale Zuständigkeit für einen bestimmten Streitgegenstand beansprucht. Halten sich z.B. der Staat A als Wohnsitzstaat des Beklagten und der Staat B als Staat, in dessen Territorium die Klageforderung zu erfüllen ist, für konkurrierend international zuständig, entscheidet aber der Staat C, so ist nicht ersichtlich, wieso die Staaten A und B daran interessiert sein sollten, dass Deutschland das Urteil des Staates C nicht anerkennt; denn beide Staaten bringen dadurch, dass sie sich nur fakultativ für international zuständig erklären, zum Ausdruck, dass nach ihrer Auffassung nicht unbedingt die eigenen Gerichte entscheiden müssen. Nur soweit A oder B für einen bestimmten Streitgegenstand eine ausschließliche internationale Zuständigkeit beanspruchen, wäre ein Interesse dieser Staaten an der Wahrung der eigenen Jurisdiktionssphäre gegeben, und dies auch nur dann, wenn die beanspruchte ausschließliche internationale Zuständigkeit im öffentlichen Interesse liegt. So werden A oder B an der Wahrung einer durch Prorogation begründeten ausschließlichen internationalen Zuständigkeit nicht interessiert sein. Vgl. auch Rz. 855. Kein Staat ist völkerrechtlich verpflichtet, die von einem anderen Staat bean- 911 spruchte ausschließliche Zuständigkeit dadurch zu schützen, dass er einem ausländischen Urteil deshalb die Anerkennung versagt, weil sich der Urteilsstaat über die vom dritten Staat beanspruchte ausschließliche internationale Zuständigkeit hinweggesetzt und selbst in der Sache entschieden hat. Eine solche Verpflichtung ist deshalb abzulehnen, weil kein Staat gegenüber den anderen Staaten einen völkerrechtlichen Anspruch auf alleinige Entscheidung gewisser Streitgegenstände durch seine eigenen Gerichte hat; denn das Völkerrecht kennt keine internationale Zuständigkeitsordnung. Es weist nicht bestimmte Streitgegenstände einem bestimmten Staat zur Entscheidung durch dessen Gerichte zu. So wäre es nicht völkerrechtswidrig, ein Urteil über einen ein Grundstück betreffenden dinglichen Klageanspruch anzuerkennen, das der Staat erlassen hat, in dem der Beklagte wohnt, obwohl der Staat, in dessen Gebiet das Grundstück liegt, sich für ausschließlich international zuständig erachtet, Rz. 383, 394.107
107 R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 121; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1548; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 638, 656.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit
V. Völkervertragliche Bindung 1. Überblick 912 Etwas anderes gilt dann, wenn Deutschland durch völkerrechtlichen Vertrag oder durch europäisches Gemeinschaftsrecht verpflichtet ist, die ausschließliche internationale Zuständigkeit eines dritten Staates zu respektieren. So ist es z.B. verpflichtet, die auf Art. 22 EuGVVO/LugÜ II bzw. auf Art. 16 EuGVÜ/LugÜ I basierende ausschließliche internationale Zuständigkeit eines anderen Mitgliedsbzw. Vertragsstaates zu verteidigen.108 Beispiel: Ein belgisches Gericht entscheidet über eine Immobiliarklage im Sinne des Art. 22 Nr. 1 EuGVVO, die ein in Frankreich belegenes Grundstück betrifft. Hier steht es nicht im Belieben der Bundesrepublik Deutschland, ob sie das belgische Urteil anerkennt oder nicht. Vielmehr ist sie verpflichtet, den Anspruch Frankreichs auf ausschließliche internationale Zuständigkeit zu verteidigen.109 2. Alle beteiligten Staaten sind Vertragspartner einer Konvention 913 Dies alles ist rechtstechnisch problemlos, wenn alle drei Staaten, also der Erststaat, Zweitstaat und Drittstaat Vertragspartner einer Konvention über die internationale Entscheidungszuständigkeit sind. Dann sind die Normen des Übereinkommens nicht nur Beurteilungsregeln für die internationale Anerkennungszuständigkeit für den Zweitrichter (compétence indirecte), sondern auch Befolgungsregeln für den Erstrichter im Erkenntnisverfahren (compétence directe). 3. Der Erststaat ist gegenüber dem Zweitstaat völkervertraglich nicht gebunden 914 Anders liegen die Dinge jedoch, wenn der Erststaat gegenüber dem Zweitstaat völkervertraglich nicht gebunden ist und wenn Gegenstand der in Betracht kommenden bilateralen völkervertraglichen Regelung nur die internationale Anerkennungszuständigkeit ist, also die Formulierung einer Anerkennungsvoraussetzung bzw. eines Versagungsgrundes. Diese bezieht sich nur auf das bilaterale Verhältnis, also auf die Anerkennung von Urteilen aus dem Zweitstaat bzw. aus dem Drittstaat. Daneben können sich natürlich die Staaten gegenseitig verpflichten, bestimmte Jurisdiktionsbereiche gegenüber anderen Staaten zu verteidigen. Nur muss dies im Wortlaut des für den Zweitstaat verbindlichen Vertrages oder zumindest aus seiner Intention, die aus den Materialien zu erforschen ist, klar hervorgehen. Der Erststaat hat nicht gegen Völkerrecht verstoßen, da er völkerrechtlich nicht gebunden ist. Eine Verweigerung der Anerkennung aus dem Ge-
108 R. Geimer WM 1980, 1108. 109 Im Anwendungsbereich des EuGVÜ/LugÜ gilt eine Ausnahme für den Fall, dass Frankreich den Völkerrechtsverstoß pardoniert, indem es erklärt, dass es keine Einwendungen gegen die Anerkennung erhebe. Diese Pardonierungsmöglichkeit entfiel jedoch nach Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 am 1.3.2002, vgl. auch Rz. 2767a.
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Ausschließliche internationale Zuständigkeiten sichtspunkt der Völkerrechtswidrigkeit des erststaatlichen Urteils scheidet aus.110 Im Einzelnen sind verschiedene Fälle zu untersuchen. a) Erste Hypothese: Es besteht nur ein Vertrag zwischen dem Zweitstaat und 915 dem Drittstaat. Dieser Vertrag regelt nur die internationale Anerkennungszuständigkeit und sieht vor, dass die Anerkennung zu versagen ist, wenn eine ausschließliche internationale Zuständigkeit des Zweitstaates oder eines dritten Staates vorliegt. Dieser bilaterale Vertrag betrifft nur die Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung von gerichtlichen Entscheidungen aus dem Zweitstaat bzw. dem Drittstaat, nicht jedoch die Anerkennung und Vollstreckung von erststaatlichen Titeln. Bilaterale Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge stipulieren im Zweifel 916 nicht die Verpflichtung zur Verweigerung der Anerkennung, auch wenn ein Versagungsgrund gegeben ist. Vielmehr ist der Zweitstaat nur berechtigt, die Anerkennung zu verweigern. Er kann aber mehr tun, als er völkervertraglich verpflichtet ist, und trotz Vorliegens eines Versagungsgrundes die Anerkennung aussprechen. Dies folgt daraus, dass die Verträge nicht abgeschlossen worden sind, um die Nichtanerkennung von Titeln in bestimmten Fällen zu erreichen, sondern um eine möglichst weitgehende Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen zu erzielen, Rz. 2766.111 Nach der hier vertretenen Auffassung muss also der zwischen dem Zweitstaat 917 und dem Drittstaat geschlossene Vertrag nicht nur eine Regelung der internationalen Zuständigkeit als Voraussetzung der Anerkennung bringen, sondern auch die ausdrückliche oder konkludente Verpflichtung enthalten, die Zuständigkeitsregelung auch gegenüber dritten Staaten durchzusetzen. Im Zweifel ist davon auszugehen, dass durch einen bilateralen Vertrag, der nur die internationale Zuständigkeit als Voraussetzung der Anerkennung regelt, die Vertragspartner nicht verpflichtet sind, die in dem Zuständigkeitskatalog aufgestellten Zuständigkeitsgrundsätze gegenüber dritten Staaten durchzusetzen. b) Zweite Hypothese: Es besteht ein Vertrag zwischen dem Erststaat und dem 918 Drittstaat über die Regelung der internationalen Entscheidungszuständigkeit (compétence directe). Dieser Vertrag ist für den Zweitstaat unbeachtlich, da er nur zwischen den Vertragspartnern gilt. Der Umstand, dass der Erststaat sich im Verhältnis zum Drittstaat völkerrechtswidrig verhalten hat, weil er entgegen den Vereinbarungen im Gerichtsstandsvertrag internationale Entscheidungszuständigkeit beansprucht hat, ist für den Zweitstaat keine Veranlassung, der erststaatlichen Entscheidung die Anerkennung zu verweigern. Erforderlich ist jedoch, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung nach dem autonomen Recht oder dem einschlägigen Abkommen zwischen dem Zweitstaat und dem Erststaat gegeben sind.112 110 Anderer Auffassung Matscher JBl. 1979, 246. 111 R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 59 ff.; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 1041, 1049, 1362, 1383. 112 Beispiel: Nach Art. 1 des französisch-schweizerischen Vertrages vom 15.6.1869 war vor dem Inkrafttreten des LugÜ für Klagen wegen persönlicher Ansprüche eines
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 919 c) Dritte Hypothese: Zwischen dem Erststaat und dem Drittstaat besteht nur ein Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag, welcher die internationale Zuständigkeit bloß als Voraussetzung der Anerkennung regelt (compétence indirecte). Dieser Vertrag ist für den Zweitstaat unbeachtlich, und zwar aus den in Rz. 916 vorgetragenen Gründen. 920–923
VI. Beeinträchtigung der Justizgewährung im Inland durch Beachtung ausschließlicher internationaler Zuständigkeiten fremder Staaten 1. Unbeachtlichkeit des ausschließlichen Jurisdiktionsanspruchs fremder Staaten 924 Dass ein fremder Staat für sich eine ausschließliche internationale Zuständigkeit beansprucht, ist irrelevant.113 925 Dass z.B. das allgemeine Völkerrecht nicht die Ausschließlichkeit des forum rei sitae postuliert, wurde bereits oben Rz. 383, 394, 869 dargelegt. – Vgl. auch Rz. 987. 2. Zuweisung ausschließlicher internationaler Zuständigkeiten an fremde Staaten durch das deutsche Recht? 926 Für den deutschen Richter von Bedeutung wäre allerdings, wenn ihm der deutsche Gesetzgeber vorschreiben würde, seine an sich nach §§ 12 ff. ZPO gegebene internationale Zuständigkeit (aufgrund inländischen Beklagtenwohnsitzes, Erfüllungsortes, Tatortes etc.) zu verneinen, falls in concreto das deutsche Recht einen ausländischen Staat für ausschließlich international zuständig erklärt. 927 Beispiel: Der Beklagte wohnt in München. Streitgegenstand ist die Feststellung des Eigentums oder des Bestehens eines Mietverhältnisses an einer Eigentumswohnung in Kiew. Die herrschende Meinung114 wendet § 24 ZPO bzw. § 29a ZPO auch internationalrechtlich an mit der Folge, dass – aus deutscher Sicht – die Ukraine ausschließlich international zuständig und daher die Bundesrepublik Deutschland trotz internationaler Wohnsitzzuständigkeit (§§ 12, 13 ZPO) inSchweizers gegen einen Franzosen mit Wohnsitz in Frankreich die ausschließliche französische Entscheidungszuständigkeit gegeben. Hatte nun das schweizerische Gericht unter Verletzung dieses Vertrages im Gerichtsstand des Unfallortes entschieden, so war die Beachtung oder Nichtbeachtung der Regeln des französisch-schweizerischen Vertrages für den deutschen Zweitrichter ohne Bedeutung, Matscher JBl. 1979, 247 bei Fußn. 114; R. Geimer WM 1980, 1107. 113 Zustimmend z.B. Wenner in Festschrift Jagenburg, 2002, 1013, 1014. Bedeutsam wären nur vom allgemeinen Völkergewohnheitsrecht gesetzte Schranken. Solche sind aber nicht erkennbar. 114 Nachweise bei Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozessrecht – Überlegungen zur Bewältigung von multi-fora disputes, 1996, 171; vgl. auch Börner, Die Anerkennung ausländischer Titel in den arabischen Staaten, 1996, 182 ff. und Weyde, Anerkennung und Vollstreckung deutscher Entscheidungen in Polen, 1997, 103.
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Ausschließliche internationale Zuständigkeiten ternational unzuständig ist, Rz. 1945. (Anders wäre es allerdings, wenn „nur“ über die Wirksamkeit [Erfüllung, Rückabwicklung] eines ein ausländisches Grundstück betreffenden schuldrechtlichen Vertrages gestritten würde, Rz. 897a).115 Ob die Ukraine diese „Zuständigkeitsverweisung“ annimmt, ist ihre Sache. Wir 928 können und dürfen hier nicht als praeceptor orbis terrarum auftreten. Dies wäre eine verbotene Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines fremden Staates und darüber hinaus ein Schlag ins Wasser; denn ukrainische Richter lassen sich von deutschen Gesetzen nicht vorschreiben, wann sie die internationale Zuständigkeit der Ukraine zu bejahen oder zu verneinen haben.116 Im Ergebnis lässt sich daher der Inhalt einer – hypothetischen – deutschen Norm, welche die internationale Anwendung des Ausschließlichkeitsausspruchs der §§ 24, 29a ZPO vorschreibt, auf das an die deutschen Gerichte gerichtete Gebot komprimieren, (unter den in §§ 24, 29a ZPO näher definierten Prämissen) Rechtsschutz im Inland zu verweigern. Die Zuordnung einer ausschließlichen Jurisdiktion an einen fremden Staat verkürzt den Umfang der an sich aus §§ 12 ff. ZPO folgenden internationalen Zuständigkeit Deutschlands und damit den Justizgewährungsanspruch des Klägers. Dies könnte der deutsche Gesetzgeber117 zweifellos anordnen (vorbehaltlich 929 der verfassungsrechtlichen bzw. internationalmenschenrechtlichen Grenzen, Rz. 250b). Ob er es aber tatsächlich de lege lata getan hat, ist Gegenstand der Kontroverse. Es sprechen – entgegen der herrschenden Meinung118 – die überwiegenden Gründe dafür, dass Deutschland als Wohnsitzstaat seine Gerichte auch über die in § 24 und § 29a ZPO genannten Klagen bezüglich ausländischem Grundbesitz bzw. Wohnraum entscheiden lässt. Erhebliche internationalverfahrensrechtlich relevante Interessen fordern, dass Deutschland sich in den Fällen des § 24 bzw. § 29a ZPO nicht rundweg als international unzuständig erachtet: Der Beklagte hat kein berechtigtes schützenswertes Interesse, den Prozess nicht vor den deutschen Gerichten, sondern am forum rei sitae führen zu müssen. Sein Recht auf angemessene Verteidigung ist in seinem Wohnsitzstaat am besten gewährleistet. Für das forum rei sitae spricht zwar die Beweisund Sachnähe des Belegenheitsstaates. Dieses Verfahrensinteresse ist aber nicht so stark, dass die internationale Ausschließlichkeit am forum rei sitae daraus zwingend folgt.119 So ist z.B. die Beweis- und Sachnähe des Richters am Tatort der innere Grund dafür, dass das forum delicti commissi internationale Zustän-
115 OLG Hamm vom 15.4.1985, IPRspr. 1985 Nr. 28. 116 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 311. 117 Wie z.B. der schweizerische Gesetzgeber, vgl. Art. 97 I IPRG; hierzu Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 107. 118 Z.B. Neuner, Internationale Zuständigkeit, 1929, 37; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 311; Wieczorek/Schütze/Hausmann, ZPO3, 1994, vor § 12 Rz. 74; Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozessrecht – Überlegungen zur Bewältigung von multi-fora disputes, 1996, 171, 174. 119 Zustimmend nunmehr KG vom 14.6.2001, KG Report Berlin 2001, 401; Wenner in Festschrift Jagenburg, 2002, 1013, 1021, 1023, 1026.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit digkeit eröffnet. Aber die auf § 32 ZPO begründete internationale Zuständigkeit ist nicht ausschließlich: Der Geschädigte kann wählen, ob er den Schädiger im Staat des Tatortes oder im Wohnsitzstaat verklagt, Rz. 902. 930 Auch ein weiteres Argument für die Anerkennung einer ausschließlichen internationalen Zuständigkeit des Belegenheitsstaates erweist sich als nicht überzeugend: Das ausländische Liegenschafts- und Wohnungsmietrecht sei stark mit öffentlichem Recht durchwirkt; dessen Auffindung und Anwendung sei für den deutschen Richter zu schwierig. Hiergegen ist festzustellen: Der Grad der Schwierigkeit des Erkennens und Anwendens ausländischen Rechts ist irrelevant. Wollte man darauf abstellen, so wäre dies das Ende des IPR.120 Im Bereich des internationalen Schuld-, Familien- und Erbrechts ist denn auch unbestritten, dass die deutsche internationale Zuständigkeit nicht deshalb zu verneinen ist, weil es für den deutschen Richter mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden ist, den Inhalt der vom deutschen internationalen Privatrecht zur Anwendung berufenen ausländischen Rechtsordnung auszukundschaften, Rz. 885. 931 Wäre es richtig, dass dem deutschen Richter die Anwendung ausländischen Liegenschaftsrechts bzw. Wohnungsmietrechts nicht zuzumuten ist, dann wäre es folgerichtig, die deutsche internationale Zuständigkeit auch dann in Abrede zu stellen, wenn die in § 24 bzw. § 29a ZPO genannten Streitpunkte nicht Streitgegenstand, sondern Präjudizialpunkte sind; denn die ausländischen Rechtsmaterien werden für den deutschen Richter nicht deswegen leichter fassbar, weil sie „nur“ incidenter zu prüfen sind. Im Übrigen wäre es irrig anzunehmen, dass für die Entscheidung der Klagen über ausländischen Grundbesitz bzw. Wohnraum immer nur „schwieriges“ ausländisches (bürgerliches oder öffentliches) Recht zur Anwendung kommt. Mitunter ist der Prozess ausschließlich auf der Grundlage deutscher Normen zu entscheiden. So etwa, wenn nach dem Tode des Eigentümers einer Wohnung im Ausland zwischen der Ehefrau und den Kindern gestritten wird, wer Eigentümer aufgrund eines unklaren Testaments geworden ist, wobei für die Erbfolge deutsches Recht gilt. – Siehe vice versa Rz. 889. 932 Auch die These von der Nichtanwendbarkeit fremden öffentlichen Rechts – ihre Richtigkeit unterstellt121 – kann man nicht als Stütze für die Ausschließlichkeit der internationalen Zuständigkeit des Belegenheitsstaates heranziehen. Denn sonst müsste man auch die internationale Zuständigkeit verneinen für Klagen, die im Ausland befindliche Mobilien betreffen, zumindest dann, wenn diese einer besonderen öffentlich-rechtlichen Pflichtigkeit unterliegen, Rz. 901. 933 Diskutabel ist allenfalls die These von der Ineffektivität gerichtlicher Entscheidungen des Wohnsitzstaates: Deutsche Gerichte sollen über ausländischen Grundbesitz und ausländischen Wohnraum deshalb nicht entscheiden, weil ihre Urteile im Belegenheitsstaat nicht anerkannt werden, ihre Wirksamkeit mithin 120 Ähnlich Booß, Fragen der „wesenseigenen Zuständigkeit“ im internationalen Familienrecht, Diss. Bonn 1965, 81. 121 Dagegen oben Rz. 900; Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006, 28 ff.; Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 370; Adam, Internationaler Versorgungsausgleich, 1985, 378.
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Ausschließliche internationale Zuständigkeiten auf den Bereich der deutschen Jurisdiktionssphäre beschränkt bleibt. Der praktische Nutzeffekt solcher auf das Inland beschränkter Urteile sei aber gleich null; deshalb fehle „jedes staatliche Interesse an einer Entscheidung durch inländische Gerichte“.122 Diese Argumentation wäre nur dann schlüssig, wenn der Belegenheitsstaat in concreto eine ausschließliche internationale Zuständigkeit beansprucht.123 Nicht alle Staaten betrachten das forum rei sitae als ausschließlich. Aber auch wenn man diesen Aspekt beiseite lässt, stimmt die These von der totalen Wirkungslosigkeit des deutschen Urteils in den in §§ 24, 29a ZPO, § 43 WEG genannten Angelegenheiten nicht: Für den Bereich der deutschen Hoheitssphäre steht fest, wer Eigentümer der ausländischen Wohnung etc. ist bzw. ob der diese Wohnung betreffende Mietvertrag wirksam zustande kam oder nicht usw. Die Rechtskraft dieser Urteile ist in Folgeprozessen (Zahlungsklagen wegen Nichterfüllung, Schadensersatz etc.) zu beachten.124 Ob die Urteile des deutschen Richters qualitativ „schlechter“ sind als die des iu- 934 dex rei sitae, lässt sich generell nicht prognostizieren. Jedenfalls sollte man den mündigen Bürger nicht bevormunden. Wenn der Kläger bzw. sein Anwalt die Klage nicht am forum rei sitae, sondern im Wohnsitzstaat erheben will, dann ist es eben sein Risiko, was er mit dem im Wohnsitzstaat erstrittenen Urteil anfangen kann. Wäre die Ineffektivitätstheorie richtig, so dürften die deutschen Gerichte auch nicht zur Herausgabe einer im Ausland befindlichen beweglichen Sache, zur Erfüllung an dem im Ausland gelegenen Erfüllungsort125 oder zur Unterlassung im Ausland verurteilen, weil Deutschland die Durchsetzung dieser Urteile im Ausland (unmittelbar) nicht erzwingen kann. Dies behauptet aber niemand. Vielmehr ist unbestritten (Rz. 396), dass solche Urteile erlassen werden dürfen.
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Aus dem Blickwinkel der herrschenden Lehre stellt sich die Frage, nach welchem Recht die Frage zu qualifizieren ist, ob eine der in § 24 ZPO genannten Klagen vorliegt. Ist die deutsche lex fori maßgebend, da es sich um die Auslegung eines deutschen Prozessrechtssatzes handelt, oder die lex rei sitae? Dies ist praktisch bedeutsam, wenn die lex rei sitae den Kreis und Umfang der dinglichen Rechte weiter zieht als die deutsche.126 Wenig Sinn gibt die herrschende Lehre von der internationalen Ausschließlichkeit des § 24 ZPO, wenn der Belegenheitsstaat seinerseits keine ausschließliche internationale Zuständigkeit in Anspruch nimmt. Soll sich die Bundesrepublik Deutschland als Wohnsitzstaat des Beklagten im Hinblick auf § 24 ZPO für international unzuständig erklären, obwohl der Belegenheitsstaat für sich gar keine 122 So Matthies, Die deutsche internationale Zuständigkeit, 1955, 43 und Walchshöfer ZZP 80 (1967), 175. 123 Milleker, Der negative internationale Kompetenzkonflikt, 1975, 46; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 456. 124 Zustimmend nunmehr KG vom 14.6.2001, KG Report Berlin 2001, 401; Wenner in Festschrift Jagenburg, 2002, 1013, 1024. 125 RGZ 126, 199. 126 Hierzu Wach, Handbuch des Deutschen Civilprozessrechts I, 1885, 436 (für interlokale Fälle) und Birk, Schadensersatz und sonstige Restitutionsformen im internationalen Privatrecht, 1969, 212.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit (Fall der lege rei sitae wirksamen Derogation) oder nur eine konkurrierende internationale Zuständigkeit in Anspruch nimmt? 937 Die vorstehenden Argumente gegen die Ausschließlichkeit der internationalen Zuständigkeit des Belegenheitsstaates (forum rei sitae) und für die konkurrierende internationale Zuständigkeit gelten auch dann, wenn Deutschland nicht aufgrund des Beklagtenwohnsitzes, sondern aufgrund einer anderen Zuständigkeitsanknüpfung, etwa § 23 ZPO oder § 39 ZPO, international zuständig ist.
VII. Durchbrechung der Kongruenzregel des § 328 I Nr. 1 ZPO? 938 Aus dem Blickwinkel der herrschenden Meinung (Rz. 879 ff.) stellt sich noch folgende Frage: muss in den Fällen, in denen Deutschland für sich eine ausschließliche internationale Zuständigkeit beansprucht, unbedingt vice versa fremden Staaten eine ausschließliche internationale Zuständigkeit zugebilligt werden, wenn die Zuständigkeitsanknüpfungspunkte im Ausland liegen? 939 Für die Durchbrechung des in § 328 I Nr. 1 ZPO niedergelegten Kongruenzprinzips (Rz. 860) hatte sich das Reichsgericht ausgesprochen. Es beanspruchte für Rechtsstreitigkeiten über deutschen Grund und Boden die ausschließliche internationale Zuständigkeit Deutschlands, Rz. 896. Es wollte aber nicht Gleiches gelten lassen für ausländische Grundstücke. Es bejahte die deutsche internationale Zuständigkeit für Immobiliarklagen bezüglich ausländischer Grundstücke.127 940 Völkerrechtlich ist der Standpunkt des Reichsgerichts unbedenklich: Der Grundsatz der Kongruenz zwischen internationaler Entscheidungszuständigkeit 127 RG vom 20.1.1894, RGZ 32, 414 betraf einen Rechtsstreit zwischen zwei Deutschen über eine Grunddienstbarkeit an einem österreichischen Grundstück. Dem Reichsgericht sind OLG Kiel vom 12.12.1925, JW 1926, 617 Nr. 8 (Jonas) und LG Bonn vom 4.10.1973, NJW 1974, 427 (R. Geimer 2189) = IPRspr. 1973 Nr. 135 gefolgt. Auf das Reichsgericht beruft sich auch der Bundesgerichtshof: BGH vom 25.9.1997, NJW 1998, 1321 = RIW 1998, 318 = IPRax 1999, 45 (Stoll 29) = IStR 1998, 223 (Goette) = LM nach Art. 38 EGBGB 1986 Nr. 3 (Dörner) = IPRspr. 1997 Nr. 60 (betr. Anspruch auf Zutrittsverschaffung zu einer in Spanien gelegenen Wohnung). Vgl. auch KG vom 14.6.2001, KG Report Berlin 2001, 401. Ohne Stellungnahme BGH vom 13.12.1967 BGHZ 49, 124, 128 = NJW 1968, 356 = ZZP 82 (1969), 302 (Walchshöfer) = IPRspr. 1966–1967 Nr. 222. In der Literatur findet sich Zustimmung bei Birk, Schadensersatz und sonstige Restitutionsformen im IPR, 1969, 215. Im Übrigen wurde das Reichsgericht heftig kritisiert: Hellwig, System des Deutschen Zivilprozessrechts I, 1912, 101 Fußn. 14; Neuner, Internationale Zuständigkeit, 1929, 38 Fußn. 163; Reu, Die staatliche Zuständigkeit im internationalen Privatrecht, 1938, 55; Pagenstecher RabelsZ 11 (1937), 474 und 345 Fußn. 12; Matthies, Die deutsche internationale Zuständigkeit, 1955, 42; Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 356, 770; Kallmann, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile und gerichtlicher Vergleiche, 1946, 27 ff.; Stein/Jonas/H. Roth, ZPO22, 2003, Rz. 47 vor § 12 sowie § 24 Rz. 6; Wenner in Festschrift Jagenburg, 2002, 1013, 1017. Weitere Nachweise bei Weigel, Gerichtsbarkeit, internationale Zuständigkeit und Territorialitätsprinzip im deutschen gewerblichen Rechtsschutz, 1973, 50 Fußn. 111 und Trenk-Hinterberger, Internationales Wohnungsmietrecht, 1977, 73 f.
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Regelung in der deutschen ZPO (für die eigenen Gerichte) und internationaler Anerkennungszuständigkeit (für die ausländischen Gerichte) ist völkerrechtlich nicht geboten: Ein Staat kann für die Anerkennung fremder Urteile größere Anforderungen an die internationale Zuständigkeit stellen, als sie das Völkerrecht oder das Recht des Gerichtsstaates für die eigenen Gerichte aufgestellt haben.128 Auf der Linie des Reichsgerichts liegen auch der Bundesgerichtshof129 und das 941 OLG Köln:130 Begründung der deutschen internationalen Zuständigkeit gemäß § 38 bzw. § 39 ZPO, obwohl vice versa ein Übergehen der ausschließlichen internationalen Zuständigkeit Deutschlands nicht hingenommen wird, Rz. 1642. Eine „einseitige“ internationale Ausschließlichkeit zugunsten Deutschlands stipuliert auch § 32a ZPO für Klagen nach dem Umwelthaftungsgesetz, der auf einen Vorschlag des Vermittlungsausschusses zurückgeht: Werden Rechtsgüter im Ausland durch eine im Inland gelegene Anlage geschädigt, beansprucht Deutschland – außerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO bzw. des EuGVÜ/LugU – eine ausschließliche internationale Zuständigkeit (Rz. 872), eröffnet aber vice versa am Erfolgsort im Inland, d.h. bei einer Schädigung von Rechtsgütern im Inland (z.B. von Gesundheit oder Eigentum) durch eine im Ausland installierte Anlage gemäß § 32 ZPO eine konkurrierende internationale Zuständigkeit.131 Siehe auch Rz. 874.
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3. Kapitel: Regelung der internationalen Zuständigkeit in der deutschen Zivilprozessordnung132 I. Gesetzestechnik Die deutsche Gesetzessprache verwendete bisher zwar nicht verbis expressis 943 den Terminus „internationale Zuständigkeit“;133 ihr ist jedoch der Begriff der 128 Wengler, Internationales Privatrecht in RGR-Kommentar12, VI, 1981, § 3b Fußn. 9, S. 16, 395; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung, I/2, 1984, 1506, 1710; Schlosser IPRax 1985, 142. 129 BGH vom 30.1.1969, RIW 1969, 113 = IPRspr. 1968–1969 Nr. 202; BGH vom 25.9.1997, NJW 1998, 1321 = RIW 1998, 318 = IPRax 1999, 45 (Stoll 29) = IPRspr. 1997 Nr. 60. Anderer Auffassung Soergel/Kronke, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 38 EGBGB Anh. IV Rz. 37. 130 OLG Köln vom 23.10.1985, OLGZ 1986, 210 = MDR 1985, 239 = Rpfleger 1986, 96 = IPRspr. 1985 Nr. 145. Vgl. auch Rz. 1400. 131 Kritisch Jayme/Kohler IPRax 1992, 347 Fußn. 24. 132 Einschließlich des FamFG. – Der Anwendungsbereich des autonomen deutschen Zuständigkeitsrechts schrumpft angesichts des Vordringens des EG-Gemeinschaftsrechts (Rz. 245c) und des völkervertraglich vereinbarten Zuständigkeitsrechts (Rz. 1874), vor allem wegen der Ausbreitung der Zuständigkeitsordnung der Luganer Konvention auf immer mehr Staaten. Der Anwendungsbereich dieser Übereinkommen ist – entgegen der herrschenden Meinung – nicht teleologisch zu reduzieren auf „internationale Sachverhalte“ und auf solche, die einen „Bezug zu einem anderen Vertragsstaat“ haben, Rz. 1264. 133 So aber die Überschrift in Unterabschn. 2 des Abschn. 9 des Buches 1 des FamFG.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit Sache nach bekannt. So heißt es z.B. in §§ 98 ff. FamFG jeweils „. . . die deutschen Gerichte sind zuständig, wenn . . .“. 944 Die Zuständigkeitsabgrenzung zum Ausland kommt auch in §§ 29c III134, § 38 II und III Nr. 2 ZPO (für internationale Zuständigkeitsvereinbarung) und in §§ 689 II 2, 703d ZPO (für die internationale Zuständigkeit in Mahnverfahren, Rz. 973) klar zum Ausdruck.135 945 Die internationale Anerkennungszuständigkeit ist klar und deutlich – nach dem Kongruenzprinzip, Rz. 854 – in § 328 I Nr. 1 ZPO geregelt.
II. Doppelfunktion der Gerichtsstandsnormen 1. Die örtliche Zuständigkeit indiziert die internationale Zuständigkeit 946 Der deutsche Gesetzgeber hat – wie andere136 – die internationale Entscheidungszuständigkeit gesetzestechnisch mit der örtlichen Zuständigkeit verwoben. Die Faustregel lautet: Die örtliche Zuständigkeit indiziert die internationale.137 Die internationale Zuständigkeit Deutschlands ist grundsätzlich immer dann gegeben, wenn mindestens ein deutsches Gericht örtlich zuständig ist.138 So nun ausdrücklich § 105 FamFG. 947 Die Behauptung, die internationale Zuständigkeit sei in der deutschen Zivilprozessordnung nicht geregelt, sie sei vielmehr erst richterrechtlich entwickelt wor-
134 Beispiel: Teppich-Kauf in der Türkei, LG Tübingen vom 30.3.2005, NJW 2005, 1513 = RIW 2005, 781 = IPRax 2006, 477 (Mankowski 454) = IPRspr. 2005 Nr. 15. Siehe auch Kleinknecht, Die verbraucherschützenden Gerichtsstände im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, Diss. Mainz 2007, 185 ff. 135 Linke, Internationales Zivilprozessrecht4, 2006, Rz. 114. 136 So z.B. sehr deutlich der österreichische Gesetzgeber in § 27a I JN: „Sind für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines Gerichtes gegeben, so besteht die inländische Gerichtsbarkeit, ohne dass eine sonstige Voraussetzung erfüllt sein muss.“ Damit ist die früher in Österreich vorherrschende „Indikationstheorie“ überholt, Matscher JBl. 1998, 488; Heiss/Mayr IPRax 1999, 305. 137 Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 84; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 76; Soergel/Kronke, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 38 EGBGB Anh. IV Rz. 20; Kubis, Internationale Zuständigkeit bei Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechtsverletzungen, 1999, 20; Mörsdorf-Schulte in Schröder/Bergschneider (ed.), Familienvermögensrecht2, 2007, Rz. 11.2. 138 Z.B. BGH vom 27.6.1984, NJW 1985, 552 = IPRax 1985, 224 (Henrich 207) = IPRspr. 1984 Nr. 168; BSG vom 26.1.1983, BSGE 54, 250 = IPRspr. 1983 Nr. 130; BAG vom 26.2.1985, NJW 1985, 2910 = EWiR 1985, 659 (Birk) = IPRspr. 1985 Nr. 48; BGH vom 9.10.1986, NJW 1987, 1323 = MDR 1987, 466 (Ahrens 471) = IPRspr. 1986 Nr. 116; BGH vom 25.1.1989, BGHZ 106, 300 = NJW 1989, 1356 = IPRax 1990, 47 (CoesterWaltjen 26) = IPRspr. 1989 Nr. 182; BGH vom 12.6.2007, RIW 2007, 873, 875; BAG vom 16.2.2000, BAGE 93, 328 = DB 2000, 429 = BB 2000, 982 = AuR 2000, 110 = NZA 2001, 331 = TranspR 2001, 419 = IPRspr. 2000 Nr. 35; OLG Saarbrücken vom 13.10.1999, NJW 2000, 670 = IPRspr. 1999 Nr. 129; OLG Brandenburg vom 25.5.2000, OLG-NL 2002, 3 = IPRspr. 2000 Nr. 23A; LAG Frankfurt a.M. vom 14.8.2000, IPRspr. 2000 Nr. 40. Zu locker OLG Zweibrücken vom 4.3.1986, IPRspr. 1986 Nr. 150, die Gerichtsstandsnormen gäben nur einen „Fingerzeig“.
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Regelung in der deutschen ZPO den,139 lässt sich bereits durch einen Blick in das Gesetz widerlegen, vgl. §§ 15, 16, 23, 23a, 27 II, 38 II, III Nr. 2, 606a I, 640a II, 661 III, 689 II 2, 703d, 828 II 2. Alt. ZPO. Siehe auch §§ 606a I, 640a II, 661 III ZPO a.F., nun §§ 98 ff. FamFG. Der Reichsjustizgesetzgeber hatte ganz deutlich die Abgrenzung der deutschen Jurisdiktionssphäre gegenüber dem Ausland im Auge, wie sich insbesondere aus § 23 ZPO ergibt.140
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Die deutschen Gerichtsstandsvorschriften sind also grundsätzlich doppelfunk- 949 tional: Sie bestimmen zum einen den Umfang der deutschen internationalen Zuständigkeit, zum anderen verteilen sie – sofern die deutsche internationale Zuständigkeit gegeben ist – die Rechtsprechungsaufgaben nach örtlichen Gesichtspunkten auf die einzelnen deutschen Gerichte.141 Mit den Normen über die örtliche Zuständigkeit kann man die von Deutschland 950 in Anspruch genommene internationale Zuständigkeit deshalb abgrenzen, weil es außerhalb des Territoriums der Bundesrepublik Deutschland nichts abzugrenzen gilt, seitdem die Konsulargerichtsbarkeit abgeschafft ist; anders wäre es möglicherweise im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit, wenn Konsuln als Gerichte fungieren könnten. 2. Zuständigkeitsvereinbarungen Die Doppelfunktionstheorie kommt auch bei Zuständigkeitsvereinbarungen zum Zuge, Rz. 1633: Vereinbaren die Parteien die örtliche Zuständigkeit eines deutschen Gerichts, so liegt darin auch die Vereinbarung der internationalen Zustän-
139 BGH vom 18.4.1985, BGHZ 94, 156, 157 = NJW 1985, 2090 = RIW 1985, 649 = IPRax 1987, 305 (Nicklisch 286) = IPRspr. 1985 Nr. 137; BGH vom 2.7.1991, BGHZ 115, 90, 91 = NJW 1991, 3092 (R. Geimer 3072) = MDR 1991, 988 = RIW 1991, 856 (Fischer RIW 1992, 57) = JZ 1992, 51 (Schack) = LM § 23 ZPO Nr. 7 (Pfeiffer) = IPRax 1992, 160 (Schlosser 140) = DWiR 1991, 245 (Schütze 239) = IPRspr. 1991 Nr. 166b; BGH vom 21.9.1993, NJW 1993, 3135 = RIW 1993, 1955 = IPRax 1994, 454 (Straub 432) = IPRspr. 1993 Nr. 42; OLG Brandenburg vom 22.2.1996, RIW 1997, 424 = OLG-NL 1996, 233 = IPRspr. 1996 Nr. 141; OLG Saarbrücken vom 13.10.1999, NJW 2000, 670 = IPRspr. 1999 Nr. 129. 140 Vgl. auch die ausführlichen Erörterungen bei der Beratung der CPO, Hahn I 149 (zitiert bei Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 31). Daher ist es nicht verständlich, wenn der Bundesgerichtshof meint, § 23 ZPO indiziere regelmäßig nur die internationale Zuständigkeit, BGH vom 26.6.2001, BGHReport 2001, 894 = IPRSpr. 2001 Nr. 2. 141 R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 112; Coester-Waltjen IPRax 1990, 26 Fußn. 3. – Dies hat der IPR-Reformgesetzgeber bestätigt. Vgl. auch amtliche Begründung in Bundestagsdrucksache 10/504 S. 89: „Das geltende Recht entnimmt grundsätzlich . . . die Regeln für die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit.“ Siehe auch z.B. BGH vom 28.1.1987, FamRZ 1987, 463, 464 und BGH vom 28.2.1996, BGHZ 132, 105 = NJW 1996, 1411 = FamRZ 1996, 601 = IPRax 1997, 187 (Mankowski 173) = JZ 1997, 88 (Gottwald) = LM § 29 ZPO Nr. 8 (R. Geimer) = ZZPInt 2 (1997), 117 (U. Wolf) = IPRspr. 1996 Nr. 142.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit digkeit Deutschlands.142 Ist die ausschließliche örtliche Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts vereinbart, so ist die internationale Zuständigkeit Deutschlands derogiert,143 Rz. 1736, 1757. 3. Arbeitsgerichtsbarkeit und freiwillige Gerichtsbarkeit 952 Die Doppelfunktionstheorie gilt auch für den Bereich der Arbeitsgerichtsbarkeit (§ 46 II 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 12 ff. ZPO [Urteilsverfahren],144 §§ 80, 82 S. 1 ArbGG [Beschlussverfahren], Rz. 1187145) und der freiwilligen Gerichtsbarkeit,146 soweit die internationale Zuständigkeit nicht selbständig geregelt ist, § 105 FamFG; Rz. 941, 1323.147 4. Ausnahmen 953 a) Innerstaatlich nicht unterscheidungskräftige Anknüpfungspunkte: Die vom deutschen Gesetzgeber gewählte Methode ist nicht die einzig logisch mögliche. Denkbar wäre auch eine selbständige, von der Regelung der örtlichen Zuständigkeit getrennte Normierung der internationalen Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland. Diesen Weg hat der deutsche Gesetzgeber aber in §§ 12 ff. ZPO (anders in §§ 98–104 FamFG) nicht beschritten. Die Verschmelzung der Regeln über die deutsche internationale Zuständigkeit mit der örtlichen Zuständigkeits-
142 Zum umgekehrten Fall (Vereinbarung nur der internationalen Zuständigkeit ohne örtliche Zuständigkeit) Rz. 1753. 143 Dies übersieht BGH vom 18.4.1985, BGHZ 94, 156, 158 = NJW 1985, 2090 = RIW 1985, 649 = IPRax 1987, 305 (Nicklisch 286) = IPRspr. 1985 Nr. 137. 144 BAG vom 19.3.1996, MDR 1997, 71 = IPRax 1997, 335 (Schack 318) = BB 1997, 1642 = ZIP 1996, 2031 = EWiR 1996, 1055 (Mankowski) = IPRspr. 1996 Nr. 194; BAG vom 14.4.2004, IPRspr. 2004 Nr. 47b; LAG Frankfurt/M. vom 3.11.1992, IPRspr. 1992 Nr. 71; LAG Niedersachsen vom 4.4.2003, IPRspr. 2004 Nr. 47a; Birk RabelsZ 46 (1982), 143; Mankowski in Dieterich/Neef/Schwab (ed.), Arbeitsrecht-Blattei sub Arbeitsgerichtsbarkeit V – E. Internationale Zuständigkeit 160.5.5 Rz. 357 ff. 145 Mankowski in Dieterich/Neef/Schwab (ed.), Arbeitsrecht-Blattei sub Arbeitsgerichtsbarkeit V – E. Internationale Zuständigkeit 160.5.5 Rz. 575 ff. 146 Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit3, 2002, Rz. 170. 147 Skeptisch auch für echte Streitsachen Adam, Internationaler Versorgungsausgleich, 1985, 98. Siehe auch BayObLG vom 21.3.1984, BayObLGZ 1984, 87 = StAZ 1984, 201 = IPRspr. 1984 Nr. 11; OLG Zweibrücken vom 11.7.1985, StAZ 1985, 339 = IPRspr. 1985 Nr. 14; OLG Hamm vom 31.1.1985, StAZ 1985, 205 (Schnitzer) = IPRspr. 1985 Nr. 6; LG Saarbrücken vom 15.3.1999, InfAuslR 1999, 467 = IPRspr. 1999 Nr. 49, BayObLG vom 17.7.2000, StAZ 2000, 370 = IPRspr 2000/77 (je zu Verfahren nach §§ 43 ff. PStG a.F. [nunmehr §§ 48 ff. PStG n.F.]). In Personenstandssachen bejaht LG Stuttgart vom 28.1.1992, StAZ 1992, 379 = IPRspr. 1992 Nr. 76 die internationale Zuständigkeit Deutschlands bereits aufgrund des Umstandes, dass es um die Eintragung in ein deutsches Personenstandsregister geht, bzw. deswegen, weil ein Beteiligter deutscher Staatsangehöriger ist. Ebenso BayObLG vom 28.12.1994, NJW-RR 1995, 647 = FamRZ 1995, 685 = IPRspr. 1994 Nr. 14. Für Anwendung der Doppelfunktionslehre BayObLG vom 19.7.1995, BayObLGZ 1995, 238 = IPRax 1996, 271 (Henrich 260) = StAZ 1995, 325 = IPRspr. 1995 Nr. 112: Die internationale Zuständigkeit „folgt aus der gegebenen örtlichen Zuständigkeit, § 50 I 1, II, i.V.m. § 31 II 2 PStG [a.F.]“.
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Regelung in der deutschen ZPO verteilung ist deshalb zu realisieren, weil die ZPO an Tatbestände anknüpft, die sich sowohl für eine Abgrenzung gegenüber dem Ausland wie auch für eine interne Verteilung verwenden lassen, wie z.B. Wohnsitz, Aufenthalt usw. Soweit das Gesetz innerstaatlich nicht unterscheidungskräftige Anknüpfungspunkte, wie z.B. die Staatsangehörigkeit (§§ 15, 27 II ZPO, §§ 98 I Nr. 1, 99 I Nr. 1, 100 Nr. 1, 101 Nr. 1, 103 I Nr. 1, 104 I Nr. 1 FamFG) verwendet (Rz. 1323), besteht der vorstehend beschriebene Zusammenhang nicht. Es handelt sich dann um Normen, die nur die internationale Zuständigkeit regeln.
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955 b) Abänderungsklagen: aa) Abänderung deutscher Urteile: Die ZPO kennt kei- 956 nen besonderen Gerichtsstand der Abänderungsklage, Rz. 1572. Gleichwohl ist eine konkurrierende internationale Zuständigkeit Deutschlands für die Abänderung der von seinen Gerichten erlassenen Entscheidungen zu bejahen, ohne Rücksicht darauf, ob nach §§ 12 ff. ZPO eine inländische Zuständigkeit gegeben ist oder nicht.148 Die internationale Zuständigkeit für die Abänderungsklage folgt als Annex aus der internationalen Zuständigkeit des Erstprozesses, Rz. 1542. Örtlich zuständig ist das Prozessgericht 1. Instanz des Erstprozesses entsprechend § 767 I ZPO; diese Analogie ist sachgerechter als die zu §§ 15 I 2, 27 II ZPO, Rz. 966, 992, 1555, 1572. bb) Abänderung ausländischer Entscheidungen: Die Erweiterung der internatio- 957 nalen Zuständigkeit über §§ 12 ff. ZPO hinaus gilt jedoch nicht für Titel, die von ausländischen Gerichten erlassen worden sind.149 Eine internationale Zuständigkeit Deutschlands ist nur dann eröffnet, wenn eine Zuständigkeitsanknüpfung nach §§ 12 ff. ZPO zum maßgeblichen Zeitpunkt (Rz. 1554, 1828) gegeben ist.150 Die Abänderung eines ausländischen Titels durch ein deutsches Gericht setzt voraus, dass die ausländische Entscheidung im Inland anzuerkennen ist (andernfalls ist das ausländische Urteil aus deutscher Sicht nicht relevant), und dass die lex causae eine Abänderungsmöglichkeit zulässt, Rz. 2653.151
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Art. 2 II des Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommens vom 2.10.1973152 regelt nicht die internationale Entscheidungszuständigkeit und ist daher im deutschen Erkenntnisverfahren ohne Bedeutung, Rz. 853. Diese Vorschrift stellt
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148 Pagenstecher RabelsZ 11 (1937), 407; R. Geimer RIW 1975, 84; Stein/Jonas/Leipold, ZPO21, § 323 Rz. 68. Ähnlich Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 612 f. 149 Zur völkerrechtlichen Zulässigkeit siehe oben Rz. 466. 150 BGH vom 1.6.1983, NJW 1983, 1976 = FamRZ 1983, 806 = IPRspr. 1983 Nr. 95; Baumann IPRax 1990, 28. 151 Mitzkus, Internationale Zuständigkeit im Vormundschafts-, Pflegschafts- und Sorgerecht, 1982, 367; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 5 Rz. 26 (bestr. Rz. 2653). Offen gelassen von BGH vom 29.4.1992, NJW-RR 1993, 5 = FamRZ 1992, 1060 = MDR 1993, 54 = LM § 323 ZPO Nr. 66 (Kronke) = IPRspr. 1992 Nr. 207; OLG Hamburg vom 26.2.1985, DAVorm 1985, 509 = IPRspr. 1985 Nr. 158; AG Dortmund vom 20.3.1985, IPRspr. 1985 Nr. 159. 152 BGBl. 1986 II 826.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit lediglich klar, dass die Anerkennungs- und Vollstreckungspflicht auch für Abänderungsklagen gilt.153 960 c) Notzuständigkeit: Obwohl kein Gerichtsstand im Inland gegeben ist, wird eine internationale Notzuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland eröffnet, wenn ein Rechtsschutzbedürfnis im Inland „unabweislich Befriedigung verlangt.“154 Die Einzelheiten sind unten in Rz. 1024 ff. noch darzustellen. In dem hier zu erörternden Zusammenhang ist nur wichtig, darauf hinzuweisen, dass auch in diesen Fällen die internationale Zuständigkeit Deutschlands über die geschriebenen Regeln der Zivilprozessordnung hinaus erweitert wird. 961 d) Weitere Fallgruppen: aa) Vermögensgerichtsstand: Der Bundesgerichtshof will den Kompetenzöffnungsbereich des § 23 ZPO (Rz. 1346) durch Einführung eines ungeschriebenen Tatbestandsmerkmals „hinreichender Inlandsbezug des Rechtsstreits“ verengen, Rz. 1077a. 962 bb) Unterhaltssachen: Zu Unrecht behauptete Walchshöfer,155 § 23a ZPO a.F. (nunmehr § 232 III 2 Nr. 3 FamFG) regele nur die örtliche Zuständigkeit, eröffne aber keine internationale Zuständigkeit Deutschlands, „weil trotz des Gerichtsstandes des § 23a ZPO eine Anerkennung und Vollstreckung des deutschen Urteils im Ausland in manchen Fällen ausscheidet“, Rz. 1534.156 Nunmehr ergibt sich die internationale Zuständigkeit zweifelsfrei aus § 105 FamFG. 963 cc) Klagen der Prozessbevollmächtigten, Beistände, Zustellungsbevollmächtigten und der Gerichtsvollzieher wegen ihrer Gebühren und Auslagen: Auch § 34 ZPO trägt internationale Zuständigkeit, Rz. 1479, 1541.157 964 dd) Internationale Streitgenossenschaft hinsichtlich der Unterhaltsklage des Kindes gegen seine Eltern: Pohle hat bestritten, dass § 35a ZPO a.F. auch eine internationale Zuständigkeit Deutschlands eröffne; die Vorschrift regle nur die örtliche Zuständigkeit.158 Diese Meinung konnte sich nicht durchsetzen. Nach neuem Recht ist klar, dass § 232 III 2 Nr. 2 FamFG Grundlage für die internationale Zuständigkeit ist, § 105 FamFG.
153 Nachweise bei Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 2, 1984, Kap. II Rz. 290, 284. 154 Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 214. 155 Walchshöfer ZZP 80 (1967), 199 f. 156 Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 347. Anderer Auffassung Milleker, Der negative internationale Kompetenzkonflikt, 1975, 150. 157 Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 613. 158 Stein/Jonas/Pohle, ZPO19, 1964, § 35a III, unter Hinweis auf die angeblich „abschließende Regelung“ des § 23a ZPO. Dagegen zu Recht Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 566, und nun auch Stein/Jonas/H. Roth, ZPO22, 2003, § 35a Rz. 2 sowie BGH vom 25.1.1989, BGHZ 106, 300 = NJW 1989, 1356 = IPRax 1990, 47 (CoesterWaltjen 26) = IPRspr. 1989 Nr. 182. Enger AG München vom 10.5.1989, IPRax 1990, 60 = IPRspr. 1989 Nr. 189.
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Regelung in der deutschen ZPO 5. Örtliche Ersatzzuständigkeit, wenn die internationale Zuständigkeit Deutschlands zu bejahen ist, obwohl nach §§ 12 ff. ZPO kein örtlich zuständiges Gericht zur Verfügung steht Sitz der Bundesregierung: Fehlt im konkreten Fall eine örtliche Zuständigkeit, 965 obwohl Deutschland international zuständig ist, sind analog §§ 15 I 2, 27 II ZPO die Gerichte am Sitz der Bundesregierung in Berlin örtlich zuständig.159 Bei Abänderungsklagen ist § 767 I ZPO analog heranzuziehen, Rz. 952, 1572.
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In Ehe-, Kindschafts- und Abstammungssachen wären wohl besser §§ 122 Nr. 6, 152 II FamFG (früher §§ 606 III, 640a I 4 ZPO) entsprechend anzuwenden, mit der Folge, dass wiederum Berlin örtlich zuständig wäre.
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Regelt ein völkerrechtlicher Vertrag die internationale Entscheidungszuständig- 968 keit Deutschlands mit Zuständigkeitsanknüpfungen, welche der Zivilprozessordnung unbekannt sind, so hält Kropholler160 – sofern eine örtliche Zuständigkeit nach §§ 12 ff. ZPO im Inland fehlt – ausnahmsweise nicht die Gerichte am Sitz der Bundesregierung für örtlich zuständig; er will vielmehr die Anknüpfung des Staatsvertrages auch für die örtliche Zuständigkeit heranziehen.161 Dieser Vorschlag ist erwägenswert.162 Das Problem stellte sich vor allem im Zusammenhang mit Art. 31 des Übereinkommens vom 19.5.1956 über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) hinsichtlich der Kompetenzanknüpfung an den Abliefe-
159 Neuhaus RabelsZ 20 (1955), 260; Neuhaus JZ 1966, 241; Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 145. Für freie Wahlmöglichkeit des Klägers unter allen deutschen Gerichten Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 215 und 810 sowie Milleker, Der negative internationale Kompetenzkonflikt, 1975, 164. In Österreich bestimmt – außerhalb des Anwendungsbereichs des EuGVÜ und des LugÜ (für Anwendung des § 28 JN auch im Anwendungsbereich des EuGVÜ bzw. LugÜ Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 28 JN Rz. 32) bzw. nunmehr der EuGVVO – nach § 28 JN der Oberste Gerichtshof das örtlich zuständige Gericht, hierzu Matscher JBl 1998, 694; Heiss/Mayr IPRax 1999, 305, 307; Rechberger/Simotta, Grundriss des österreichischen Zivilprozessrechts – Erkenntnisverfahren6, 2003, Rz. 68/1. Diese „Ordinationsmöglichkeit“ wurde mit Wirkung ab 1.1.1998 durch die Erweiterte Wertgrenzen-Novelle 1997 novelliert. Hierzu Peter G. Mayr in Festschrift Beys, 2003, 1033, 1043. Zur alten Fassung Pöch IPRax 1984, 222; Matscher IPRax 1984, 224; Matscher in Festschrift Schlosser, 2005, 561, 565; Fasching IPRax 1984, 226; Schwimann FamRZ 1985, 673. 160 Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 146. 161 Anderer Auffassung BGH vom 6.2.1981, BGHZ 79, 332 = RIW 1981, 412 = NJW 1981, 1902 (Kropholler) = VersR 1981, 633 = IPRspr. 1981 Nr. 154; OLG Düsseldorf vom 23.10.1980, VersR 1981, 1081 = IPRspr. 1980 Nr. 146A. 162 Vgl. auch LG Bochum vom 24.1.1984, RIW 1985, 147 = IPRax 1984, 276 (Jayme) = IPRspr. 1984 Nr. 127, das zur Ausfüllung des (gemäß Art. 57 EuGVÜ bzw. nunmehr nach Art. 71 I EuGVVO vorrangigen) Art. 31 CMR bezüglich der örtlichen Zuständigkeit auf Art. 5 Nr. 1 EuGVVO/EuGVÜ zurückgegriffen hatte. Hierzu auch Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, 2002, Rz. 189. Weitere Nachweise bei Müller/Hök RIW 1988, 744 und Mankowski in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 1419 ff.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit rungsort.163 Der Gesetzgeber hat daraufhin in das Ausführungsgesetz zum CMR vom 16.8.1961164 durch Änderungsgesetz vom 5.7.1989165 einen Art. 1a eingefügt: Danach ist für Rechtsstreitigkeiten aus einer dem CMR unterliegenden Beförderung auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Ort der Übernahme des Gutes166 oder der für die Ablieferung des Gutes vorgesehene Ort liegt.167 970 Die EuGVVO bzw. das LugÜ bestimmt in den meisten Fällen auch die örtliche Zuständigkeit. Soweit die Normierung der örtlichen Zuständigkeit dem nationalen Recht überlassen ist, dieses aber keine Kompetenznorm zur Verfügung stellt, besteht gleichwohl Justizgewährungspflicht Deutschlands in allen Fällen, in denen die EuGVVO bzw. das EuGVÜ/LugÜ eine internationale Zuständigkeit eröffnet. Wäre es anders, so könnten die Mitglied- bzw. Vertragsstaaten die Regelungen der Verordnung bzw. des Übereinkommens durch die Nichtbereitstellung von örtlich zuständigen Gerichten unterlaufen. Für solche Konstellationen ist der Verordnung bzw. dem Übereinkommen im Wege der ergänzenden Auslegung die Regel zu entnehmen, dass die Gerichte der Hauptstadt ersatzweise örtlich zuständig sind,168 sofern nicht durch Analogie zu bestehenden nationalen Kompetenzregeln ein Forum bereit gestellt werden kann. Beispiel: In Verbrauchersachen regelt Art. 14 EuGVÜ/LugÜ I169 – anders als nunmehr Art. 16 I EuGVVO/LugÜ II – nur die internationale Zuständigkeit. Soweit nicht in concreto § 26 FernUSG170 bzw. § 29c ZPO171 eingreifen (diese decken nur einen kleinen Sektor der Verbrauchersachen im Sinne des EuGVÜ/LugÜ ab), besteht nach ersatzloser Streichung des § 6a AbzG durch das Verbraucherkreditgesetz eine Regelungslücke. Diese ist nicht durch die vorgenannte „HauptstadtAuffangzuständigkeit“ zu schließen; denn sie ist nur die ultima ratio und kommt nur dann in Betracht, wenn nicht eine analoge Anwendung anderer speziellerer Vorschriften möglich ist. In Anlehnung an § 26 FernUSG bzw. 29c ZPO
163 Zu diesem Gerichtsstand z.B. OLG Hamm vom 25.6.2001, RIW 2002, 152 = IPRspr. 2001 Nr. 145; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 3 Rz. 346 ff. Siehe auch Kreuzer/Wagner, Europäisches Internationales Zivilverfahrensrecht, in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Stand: Juni 2007 (19. Ergänzungslieferung) sub Q Rz. 96. 164 BGBl. II 1119. 165 BGBl. II 586. 166 Siehe auch OLG Karlsruhe vom 27.1.2004, TranspR 2004, 468 = IPRspr. 2004 Nr. 102. 167 Hierzu unten Rz. 1888. 168 R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 2 EuGVVO Rz. 54 ff., 179. In Österreich für Anwendung des § 28 JN (Ordination) Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 28 JN Rz. 33. 169 Hierzu Schaltinat, Internationale Verbraucherstreitigkeiten: unter besonderer Berücksichtigung des EuGVÜ, 1998. 170 Hierzu z.B. Kleinknecht, Die verbraucherschützenden Gerichtsstände im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, Diss. Mainz 2007, 11. 171 Hierzu z.B. BGH vom 7.1.2003, JZ 2003, 1120 (Mankowski); LG Tübingen vom 30.3.2005, NJW 2005, 1513 = RIW 2005, 781 = IPRax 2006, 477 (Mankowski 454) = IPRspr. 2005 Nr. 15. Siehe auch Kleinknecht, Die verbraucherschützenden Gerichtsstände im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, Diss. Mainz 2007, 185 ff.
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Regelung in der deutschen ZPO ist am allgemeinen Gerichtsstand des Verbrauchers eine örtliche Zuständigkeit zu eröffnen, und zwar auch in den sonstigen Verbrauchersachen im Sinne des Art. 13 EuGVÜ/LugÜ bzw. des Art. 15 EuGVVO.172 f) § 20 des Ausführungsgesetzes zum (durch die EG-Insolvenzverordnung 971 Nr. 1346/2000 vom 29.5.2000 [Rz. 245c] außer Kraft gesetzten) deutsch-österreichischen Konkurs- und Vergleichsvertrag173 normierte den Ersatzgerichtsstand ausdrücklich. Diese Bestimmung war jedoch zu speziell und daher nicht Ausdruck eines allgemeinen Prinzips des deutschen Verfahrensrechts. g) Feststellungsverfahren nach Art. 21 des Europäischen Übereinkommens über die Staatenimmunität (Rz. 546): Art. 2 des deutschen Zustimmungsgesetzes vom 22.1.1990174 erklärt das Landgericht am Sitz der Bundesregierung (LG Berlin) für zuständig.175
972
6. Ausschließliche internationale Zuständigkeiten Die Doppelfunktionstheorie ist – entgegen der herrschenden Meinung176 – nicht 972a aussagekräftig, wenn es um die Frage geht, ob die Ausschließlichkeit der örtlichen Zuständigkeit auch die internationale Ausschließlichkeit indiziere, Rz. 873 ff. Dies bestätigt auch § 106 FamFG. 7. Zwangsvollstreckung und Insolvenz Die Doppelfunktionstheorie kommt auch zum Zuge bei der Festlegung der deutschen internationalen Zuständigkeit für Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, Rz. 3231 ff., 3273 ff., und für Insolvenzverfahren, Rz. 3406 ff., 3454 ff.
172 KG vom 13.1.2000, NJW 2000, 2283 = EWiR 2000, 439 (Geimer) = IPRax 2001, 44 (Mankowski 33) = IPRspr. 2000 Nr. 114; de Bra, Verbraucherschutz durch Gerichtsstandsregelungen im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, 1992, 181. Vgl. auch OLG Schleswig vom 10.3.2000, JZ 2000, 793 (Mankowski) = RIW 2000, 799 = MDR 2000, 721 = IPRspr. 2001 Nr. 128a; OLG Schleswig vom 31.3.2000, IPRspr. 2001 Nr. 128b; BGH vom 23.1.2001, NJW 2001, 1285 = WM 2001, 829 = JR 2002, 22 = IPRspr. 2001 Nr. 128c; Vollkommer/Vollkommer in Festschrift Geimer, 2002, 1367. 173 BGBl. 1985 I 535. 174 BGBl. I 34. 175 Hierzu die amtliche Begründung (Bundestagsdrucksache 11/4307): „Es ist zweckmäßig, die Zuständigkeit für das Verfahren bei dem Landgericht am Sitz der Bundesregierung zu konzentrieren, da dieses Gericht bereits nach geltendem Recht in weitem Umfang für Klagen gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen Betätigungen im Ausland zuständig ist. In den Feststellungsverfahren werden regelmäßig bedeutsame Rechtsfragen zu entscheiden sein; es bietet sich deshalb an, die Zuständigkeit des Landgerichts am Sitz der Bundesregierung ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes festzulegen. Dies soll der Einfachheit halber auch für Klagen gegen die Länder der Bundesrepublik Deutschland gelten“. 176 Nachweise bei Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 153; de Bra, Verbraucherschutz durch Gerichtsstandsregelungen im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, 1992, 103 Fußn. 59.
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972b
Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 8. Verbreitung der Doppelfunktionstheorie in anderen Rechtsordnungen 972c Seit der Patino-Entscheidung (Rz. 1907) eröffnet – ebenso wie in Deutschland – jeder in Frankreich zu lokalisierende Gerichtsstand eine internationale Zuständigkeit. Man spricht von „extension des règles de compétence territoriale internes à l’ordre international.“ „A chaque règle de compétence territoriale interne correspond donc une règle de compétence internationale.“ „A la règle ‚le tribunal du domicile du défendeur est compétent‘ répond la règle ‚l’ordre juridictionnel fran¢ais est compétent si le défendeur est domicilié en France‘.“177 In Griechenland ist die Doppelfunktion der Gerichtsstandsnormen in Art. 3 I ZPG ausdrücklich stipuliert, ebenso in Österreich.178
III. Internationale Zuständigkeit zur Durchführung eines Mahnverfahrens 973 Das Mahnverfahren (Rz. 1461) ist nur eine besondere Verfahrensart ohne internationalkompetenzrechtliche Selbständigkeit:179 Besteht keine deutsche internationale Zuständigkeit für das (normale) Erkenntnisverfahren nach §§ 12 ff. ZPO bzw. nach dem einschlägigen Vertrag (z.B. EuGVÜ/LugÜ) oder nach der EuGVVO, so ist auch die internationale Zuständigkeit Deutschlands für das Mahnverfahren nicht gegeben.180 Umgekehrt gilt: Ist die internationale Zuständigkeit Deutschlands für ein streitiges Verfahren eröffnet, gilt dies auch für das Mahnverfahren.181 Wohnt der Schuldner (Antragsgegner) nicht im Inland bzw. hat er hier nicht seinen Sitz, ergibt sich die örtliche Zuständigkeit aus § 703d ZPO, nicht aus § 689 II 1 ZPO.182
177 Mayer/Heuzé, Droit international privé9, 2007, Nr. 284. 178 § 27a JN Inländische Gerichtsbarkeit (1) Sind für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines Gerichts gegeben, so besteht die inländische Gerichtsbarkeit, ohne dass eine sonstige Voraussetzung erfüllt sein muss. (2) Der Abs. 1 gilt nicht, soweit nach Völkerrecht zur Gänze oder zum Teil ausdrücklich anderes bestimmt ist. 179 Busl IPRax 1986, 270. 180 BGH vom 19.6.1981, WM 1981, 1062 = Rpfleger 1981, 394 = RIW 1981, 705 = IPRax 1982, 159. 181 BayObLG vom 3.8.2005, MDR 2005, 1243. 182 BGH vom 11.10.1990, IPRax 1992, 43 (Busl 20); BGH vom 12.9.1995, NJW 1995, 3317 = RIW 1995, 1028 = Rpfleger 1996, 116 (Hintzen) = IPRspr. 1995 Nr. 151; BayObLG vom 3.8.2005 MDR 2005, 1243. Siehe auch § 32 II AVAG sowie Kormann, Das neue Europäische Mahnverfahren im Vergleich zu den Mahnverfahren in Deutschland und Österreich, Diss. Passau 2007, 65, 75.
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Regelung in der deutschen ZPO
IV. Die (unergiebige) Diskussion über das (angebliche) Fehlen der internationalen Zuständigkeit Deutschlands, obwohl ein Gerichtsstand nach §§ 12 ff. ZPO gegeben ist 1. Ausgrenzung von Scheinproblemen Unergiebig ist die Fragestellung „Internationale Unzuständigkeit trotz Vorlie- 974 gens der örtlichen Zuständigkeit?“, wenn das Gesetz expressis verbis der Doppelfunktionstheorie nicht folgt und die internationale Zuständigkeit anders anknüpft als die örtliche, Rz. 949. Beispiel: § 122 FamFG stellt für alle denkbaren Ehesachen ein örtlich zuständiges Gericht zur Verfügung. Daraus lassen sich aber keinerlei Schlussfolgerungen für die internationale Zuständigkeit ziehen, da diese ausdrücklich in § 98 FamFG separat normiert ist. Auch bei der (parteierweiternden) Widerklage gegen einen Dritten (Rz. 1574) 975 kann man nicht davon sprechen, es sei zwar eine örtliche, aber keine internationale Zuständigkeit gegeben.183 2. Vermögenslosigkeit des Beklagten Fehlende Vollstreckungsmöglichkeit im Inland ist kein Grund, die internationa- 976 le Zuständigkeit Deutschlands für das Erkenntnisverfahren zu verneinen.184 Die Klage gegen einen vermögenslosen Schuldner ist unbestritten nicht wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses abzuweisen, weil die Vollstreckung des Urteils keine Aussicht auf Erfolg habe. Das wäre eine krasse Justizverweigerung. Zudem ist die Vermögenslosigkeit des Beklagten kein justiziabler Faktor: Wer heute reich ist, kann morgen arm sein und umgekehrt. Was für reine Inlandsfälle klar und eindeutig ist, sollte man auch nicht in Frage stellen, wenn Berührungspunkte zum Ausland mit ins Spiel kommen. Ob der Kläger sein in Deutschland erstrittenes Urteil im Inland vollstrecken kann oder nicht, möge er selbst erwägen. Man sollte ihn nicht bevormunden. Zudem ist eine sichere Prognose – ebenso wie bei den reinen Inlandsfällen – nicht möglich: Der Beklagte kann inländisches Vermögen erben oder durch Rechtsgeschäft unter Lebenden erwerben oder sein im Ausland befindliches Vermögen nach Deutschland transferieren oder ganz schlicht sich der Verurteilung durch ein deutsches Gericht beugen und freiwillig zahlen.185 183 Anders de Bra, Verbraucherschutz durch Gerichtsstandsregelungen im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, 1992, 99. 184 Ebenso Soergel/Kronke, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 38 EGBGB Anh. IV Rz. 113; Schack IPRax 2005, 262, 266. 185 Zustimmend Seber ZfRV 24 (1983), 274. Siehe auch BGH vom 10.12.1976, BGHZ 68, 16 = NJW 1977, 900 = MDR 1977, 654 = IPRspr. 1976 Nr. 212; BGH vom 13.7.1983, BGHZ 88, 147 = NJW 1983, 2147 = IPRax 1984, 264 (Pielorz 241) = IPRspr. 1983 Nr. 205b: Im deutschen Insolvenzverfahren kann der Insolvenzverwalter Ansprüche, die sich auf das im Ausland belegene Vermögen des Gemeinschuldners beziehen, vor deutschen Gerichten auch dann geltend machen, wenn der deutsche Vollstreckungstitel im Ausland nicht durchgesetzt werden kann.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 977 Abzulehnen ist deshalb Walchshöfer,186 der für Leistungsklagen die internationale Zuständigkeit Deutschlands verneint, „wenn das zu ergehende Urteil im Inland erkennbar ohne Wirkungen bleibt und eine Anerkennung in dem Staat, in dem die Vollstreckung erfolgen muss, nicht zu erwarten ist“. Irrig ist die Vorstellung Walchshöfers, das deutsche Leistungsurteil sei ohne Wirkungen. Es entfaltet die gleichen Wirkungen wie ein Parallelurteil im reinen Inlandsfall: Es hat noch niemand die These vertreten, ein Urteil gegen einen vermögenslosen Schuldner sei wirkungslos oder verliere seine Wirkungen, wenn der Schuldner nach Eintritt der formellen Rechtskraft, aber vor Durchführung der Vollstreckung sein Vermögen verliert. Für Inlands- wie für Auslandsfälle gilt gleichermaßen: Durch das deutsche Urteil wird für den Bereich der deutschen Hoheitssphäre verbindlich festgestellt, dass der Schuldner zur Leistung verpflichtet ist. Des Weiteren wird ihm befohlen, zu erfüllen. Die Wirksamkeit dieser Feststellung und dieses Befehls ist nicht abhängig vom Vorhandensein inländischen Vermögens. Auf einer anderen, weil tatsächlichen Perspektive beruht der Umstand, dass gegenüber einem unpfändbaren Schuldner „selbst der Kaiser sein Recht verloren hat“. 978 Im Übrigen erweist sich die These Walchshöfers als unpraktikabel: Die von ihm erhoffte Entlastung des inländischen Justizapparates wird nicht erreicht: Wer vor inländischen Gerichten partout klagen will, erhebt eben keine Leistungsklage, sondern eine Feststellungsklage; diese soll auch nach Walchshöfer187 unbedenklich zulässig sein. 979 Gegen Walchshöfer lassen sich auch Beispiele aus der Rechtsprechung anführen: Trotz Vorliegens eines im Inland vollstreckbaren Titels (Rückforderungsbescheides) bejaht die Rechtsprechung (in Wiedergutmachungssachen) das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage, wenn im Ausland nur aufgrund des deutschen Leistungsurteils vollstreckt werden kann.188 Darüber hinaus haben die Gerichte das Vorhandensein von inländischem Vermögen ausdrücklich als zuständigkeitsrechtlich irrelevant erklärt.189 186 Walchshöfer ZZP 80 (1967), 189, 205, 207. 187 Walchshöfer a.a.O. Fußn. 176. 188 BGH vom 21.3.1974, IPRspr. 1974 Nr. 166b; OLG Koblenz vom 29.11.1972, IPRspr. 1972 Nr. 150b; OLG Koblenz vom 5.3.1974, IPRspr. 1974 Nr. 167; BGH vom 21.3.1974, RzW 1974, 243 = MDR 1974, 841 = IPRspr. 1974 Nr. 168; OLG Zweibrücken vom 27.9.1972, RzW 1973, 24 = IPRspr. 1972 Nr. 155. So schon OLG Breslau vom 18.3.1937, HRR 1938, 693 = IPRspr. 1935–1944 Nr. 638. „Eine neue Klage ist zulässig, wenn zu befürchten ist, dass eine im Ausland notwendige Vollstreckung aus dem bereits rechtskräftigen Urteil . . . keinen Erfolg bringen würde“. 189 OLG Düsseldorf vom 18.11.1971, AWD 1973, 401 (Kropholler) = IPRspr. 1972 Nr. 30; OLG München vom 15.22.1980, IPRax 1983, 120, 122; OLG Frankfurt vom 19.5.1982, IPRax 1983, 46. Sehr deutlich BGH vom 10.12.1976, BGHZ 68, 16 = NJW 1977, 900 = MDR 1977, 654 = IPRspr. 1976 Nr. 212: „Im Falle seines Obsiegens erhält der Kläger einen Titel, der seine etwaigen Ansprüche für die nächsten 30 Jahre vor der Verjährung bewahrt. Es ist nicht ausgeschlossen, und die Aussicht darauf trägt das Rechtsschutzinteresse, dass er in dieser Zeit Gelegenheit findet, zu vollstrecken. Außerdem klärt das begehrte Urteil die Rechtslage und weist den Anspruchsgegner auf seine rechtliche Verpflichtung hin, deren Nichterfüllung auch anderweitige Ansprüche (z.B.
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Regelung in der deutschen ZPO Hätte Walchshöfer Recht, dürfte auch nicht zu Leistung oder Unterlassung im Ausland (Rz. 396, 935) verurteilt werden; denn die Durchsetzung solcher Urteile hat die Bundesrepublik Deutschland nicht in der Hand. Allenfalls kann im Inland mittelbar Druck ausgeübt werden (§§ 888–890 ZPO).
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Der Unterschied zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren ist auch bei 981 der Anwendung des § 23 ZPO (Rz. 1350) zu beachten. Diese Vorschrift gilt auch für Feststellungs- und Gestaltungsklagen. Die in diesen Verfahren ergehenden Urteile kommen für eine Vollstreckung – mit Ausnahme der Kosten – nicht in Betracht. Aber auch bei Leistungsklagen hängt die internationale Zuständigkeit Deutschlands nicht davon ab, dass das Inlandsvermögen für die Befriedigung des geltend gemachten Anspruchs ausreicht, Rz. 1363. Haben die Parteien die internationale Zuständigkeit Deutschlands vereinbart, dann hängt die Annahme der Prorogation (§ 38 ZPO) nicht davon ab, dass ausreichende Vollstreckungsmöglichkeiten für die Vollstreckung des zu erwartenden Urteils im Inland bestehen, Rz. 1749.
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Walchshöfers Thesen lehnen auch Beitzke190 und Heldrich191 ab. Jedoch wollen 983 auch diese beiden Autoren in den „seltenen Fällen, in denen die inländischen Gerichte um eine Entscheidung angegangen werden, die nur in dem Staat ihre Wirkungen entfalten kann, dessen Recht anzuwenden ist“, und „eine Anerkennung des deutschen Gerichtsaktes in diesem Land mit Sicherheit nicht zu erwarten“ ist, den Antrag wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abweisen. Aber die Berufung auf die konturenarme Allerweltsformel vom fehlenden 984 Rechtsschutzbedürfnis verletzt den Justizgewährungsanspruch des Klägers, Rz. 1105. 3. Feststellungsinteresse im Inland? Bei Feststellungsprozessen (Rz. 2636) muss das Feststellungsinteresse nicht in Deutschland lokalisierbar sein. Auch ein Feststellungsinteresse im Ausland (ausländischer Rechtsstreit) führt nicht zur Unzulässigkeit der Feststellungsklage.192
solche auf Schadensersatz) nach sich ziehen kann – ganz abgesehen von der weiteren Möglichkeit, dass sich der Gegner dem Urteilsspruch freiwillig beugt. Endlich kennt das Gesetz Fälle einer Verurteilung zu generell – und nicht nur örtlich – nicht vollstreckbarer Leistung (§ 888 III ZPO). Für diese Fälle ist anerkannt, dass das Rechtsschutzbedürfnis für einen Urteilsausspruch auch dann nicht fehlt, wenn der Gegner zu erkennen gegeben hat und offensichtlich ist, dass er sich der nicht vollstreckbaren Verurteilung nicht beugen werde (RGZ 163, 380, 384; ArbG Düsseldorf DB 1965, 1522).“ Siehe auch Rz. 1567. 190 Beitzke FamRZ 1967, 594. 191 Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, 239. 192 Anderer Auffassung BGH vom 11.4.1960, BGHZ 32, 173; BGH vom 11.3.1982, WM 1982, 619 = IPRax 1982, 249; Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, 163 Fußn. 135. Abzulehnen auch OLG Hamm vom 29.1.1936, GRUR 1936, 744 = IPRspr. 1935–1944 Nr. 531, welches das Feststellungsinteresse in einem
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 986 Eine Ausnahme ist jedoch für die rechtskraftfähige Feststellung der Anerkennungsfähigkeit einer ausländischen Entscheidung in einem dritten Staat zu machen. Hierfür besteht in der Regel kein Feststellungsinteresse, Rz. 1243. Anders ist es jedoch für die Feststellung der Anerkennungsfähigkeit einer deutschen Entscheidung im Ausland. 4. Keine Beachtung der Beanspruchung der ausschließlichen internationalen Zuständigkeit durch einen fremden Staat 987 Die nach den Regeln der §§ 12 ff. ZPO ermittelte internationale Zuständigkeit Deutschlands wird nicht dadurch beeinträchtigt, dass ein fremder Staat für sich eine ausschließliche internationale Zuständigkeit beansprucht mit der Folge, dass das deutsche Urteil von ihm nicht anerkannt wird. Die deutsche internationale Entscheidungszuständigkeit ist nicht davon abhängig, dass das Ausland deutsche Entscheidungen anerkennt oder nicht. § 98 I Nr. 4 FamFG ist nicht Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens des deutschen internationalen Verfahrensrechts,193 Rz. 1067. Vorstehendes gilt auch dann, wenn wir das (materielle) Recht des betroffenen Staates anwenden. Denn die Verweisung des deutschen internationalen Privatrechts erfasst nicht das ausländische Kompetenzrecht.194 988 Dagegen will Riezler195 die deutsche internationale Zuständigkeit für Gestaltungsklagen verneinen, „wenn bei anzuwendendem ausländischem Sachrecht aus der ausländischen Rechtsordnung zu erkennen ist, dass sie aus Gründen, die dem ordre public angehören, nur einem Akte der eigenen Gerichte oder sonstiger eigener Behörden rechtsgestaltende Kraft beimessen will; ein Anzeichen dafür ist, dass die ausländische Rechtsordnung für den rechtsgestaltenden Akt einen ausschließlichen örtlichen Gerichtsstand geschaffen hat und zugleich entsprechenden Urteilen anderer Länder die Anerkennung versagt.“ 989 Auch Raape verneint die deutsche internationale Zuständigkeit.196 Jedoch will er auf dem Gebiet des Schuldrechts Gestaltungsklagen ohne Rücksicht auf ihre
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obiter dictum nur für „Rechtsverhältnisse zwischen deutschen Parteien, die im Inland bestehen“ bejahen will. Zu eng auch OLG Düsseldorf vom 18.7.1997, NJW-RR 1998, 283 = RIW 1998, 967 = EWiR 1998, 47 (R. Geimer) = IPRspr. 1997 Nr. 173. Reu, Die staatliche Zuständigkeit im internationalen Privatrecht, 1938, 161; Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, 160, 162, 224, 239 ff.; Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 515 ff.; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 116; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 210; BayObLG vom 16.1.1959, BayObLGZ 1959, 9, 19 = FamRZ 1959, 364 = NJW 1959, 1038 = IPRspr. 1958–1959 Nr. 208. Abzulehnen daher OLG Hamm vom 20.6.1985, NJW-RR 1986, 1047 = IPRspr. 1985 Nr. 141: „Da das US-amerikanische Warenzeichenrecht für Klagen, die den Bestand und die Wirksamkeit eines . . . US-Warenzeichens betreffen, eine ausschließliche Zuständigkeit für sich beansprucht (vgl. § 39 des ‚Lanham Act‘), kommt eine Entscheidung des Senats . . . von vornherein nicht in Betracht“. Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 242. Raape, Staatsangehörigkeitsprinzip und Scheidungsakt, sowie internationale Zuständigkeit in Scheidungsprozessen, 1943, 68, 149 (Anfechtung der Ehelichkeit eines Kin-
Regelung in der deutschen ZPO Anerkennung durch die lex causae zulassen, so z.B. Klage auf Ermäßigung der Vertragsstrafe nach Art. 163 III des schweizerischen Obligationenrechts oder Klage auf Vertragsaufhebung nach Art. 1184 Code civil.197 Für die Beachtung der lex causae bei der Prüfung der internationalen Zuständigkeit plädierte auch Neuhaus.198
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5. Deutsche internationale Zuständigkeit ohne Rücksicht auf die Anerkennung des deutschen Urteils im Ausland Es ist denkbar, dass der ausländische Staat für sich zwar keine ausschließliche 991 internationale Zuständigkeit in Anspruch nimmt, aber aus sonstigen Gründen einem deutschen Urteil die Anerkennung verweigert, sei es, weil die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist oder weil er einen anderen Staat für ausschließlich international zuständig hält. Auch hier gilt: Die internationale Zuständigkeit Deutschlands ist nicht davon abhängig, ob das Ausland deutsche Urteile anerkennt.199 Dies trifft auch für die Begründung der deutschen internationalen Zuständigkeit 992 durch Zuständigkeitsvereinbarungen zu, Rz. 1744. Auch die deutsche internationale Zuständigkeit zur Abänderung ausländischer Entscheidungen (Rz. 952, 1573) hängt nicht davon ab, ob der Erststaat oder sonstige ausländische Staaten das deutsche Abänderungsurteil anerkennen. Vorstehendes gilt auch für den Bereich der Familienverfahren und der freiwilligen Gerichtsbarkeit.200
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des), 150 (Erbunwürdigkeitsklage), 151 (konstitutives Teilungsurteil bezüglich einer im Ausland belegenen Sache, auch Mobilie). Raape a.a.O. 152 f. Zur Zurückdrängung des Grundsatzes der richterlichen Vertragsauflösung Cour de cassation (1. Chambre civile) vom 20.2.2001, Bull. Civ. I Nr. 40 = D 2001 Jur 1568 (Jamin) = RIW 2002, 866, 869. Neuhaus, Grundbegriffe des internationalen Privatrechts2, 1977, 427: „Die inländische Zuständigkeit soll nicht gegen den Willen des betreffenden ausländischen Rechts angenommen werden.“ Ähnlich Neuhaus JZ 1966, 241. Ebenso schon Zitelmann, Internationales Privatrecht II, 1912, 285, 926; Nußbaum, Deutsches Internationales Privatrecht, 1932, 137, 390 f., 397; Süß in Festgabe Rosenberg, 1949, 229 ff., 256 ff.; Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, 1966, 312 f.; Booß, Fragen der wesenseigenen Zuständigkeit im internationalen Familienrecht, Diss. Bonn 1965, 115 (ausgenommen Gestaltungsklagen auf dem Gebiet des Schuldrechts), weitere Nachweise bei Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 515 Fußn. 2250. BayObLG vom 16.1.1959, BayObLGZ 1959, 9, 16 = FamRZ 1959, 364 = NJW 1959, 1038 = IPRspr. 1958–1959 Nr. 208; BGH vom 30.1.1980, WM 1980, 410 = IPRspr. 1980 Nr. 140; Adam, Internationaler Versorgungsausgleich, 1985, 105 Fußn. 52; Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozessrecht – Überlegungen zur Bewältigung von multi-fora disputes, 1996, 188; Seber ZfRV 24 (1983) 274 Fußn. 16; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 210. Ebenso zum österreichischen Kompetenzrecht Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 33. BayObLG vom 16.1.1959, BayObLGZ 1959, 8, 19; insbesondere für Adoptionssachen (§ 43b FGG, nunmehr 101 FamFG) Erman/Hohloch, BGB12, 2008, Art. 22 EGBGB Rz. 20; Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit15, 2003, § 43b FGG, Rz. 5; Mitzkus, Internationale Zuständigkeit im Vormundschafts-, Pflegschafts- und Sorgerecht, 1982, 207 ff.; Rz. 1954a.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit Einzige Ausnahme ist de lege lata § 98 I Nr. 4 FamFG (vormals § 606a I 1 Nr. 4 ZPO). Diese Sondervorschrift ist aber nicht Ausdruck eines allgemeinen Prinzips des deutschen internationalen Verfahrensrechts, Rz. 1067. 6. Deutsche internationale Zuständigkeit, obwohl sich (alle) Beweismittel im Ausland befinden 993 Wo sich die Beweismittel befinden, ist zuständigkeitsrechtlich unerheblich. Die nach §§ 12 ff. ZPO, §§ 98 ff. FamFG gegebene internationale Zuständigkeit Deutschlands wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass – im Falle des Bestreitens – die Beweiserhebung im Ausland stattfinden muss; Rz. 1077.
V. Internationale Unzuständigkeit wegen Eigenart des Streitgegenstandes? 1. Riezlers Lehre von der sachlichen internationalen Unzuständigkeit 994 Trotz Inlandsbeziehung und örtlicher Zuständigkeit ist nach herrschender Meinung in zahlreichen Streitsachen wegen der Eigenart des Streitgegenstandes die deutsche internationale Zuständigkeit ausgeschlossen. Man spricht – wenig glücklich – von sachlicher internationaler Unzuständigkeit.201 995 Die internationale Zuständigkeit Deutschlands soll ausgeschlossen sein – für Streitigkeiten über ausländische Grundstücke (Rz. 878, 928), – für ausländische gewerbliche Schutzrechte (Patente, Marken, Warenzeichen), – wenn Streitgegenstand ein ausländischer öffentlich-rechtlicher Anspruch ist;202 ebenso – wenn Streitgegenstand „wesensfremde Rechte“ sind, also solche Rechtsinstitute, die dem deutschen Recht völlig unbekannt sind. 996–999 1000 Beispiele: Für Klagen aus (gemäß deutschem internationalem Privatrecht) nach ausländischem Recht zu beurteilenden Persönlichkeits- und Namensrechten will Riezler203 die deutsche internationale Zuständigkeit verneinen. Er hält wohl das forum legis für ausschließlich zuständig. Das Gleiche soll für die Klagen auf Feststellung der Mitgliedschaft in einem ausländischen Idealverein gelten, Rz. 890a.
201 Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 230; Riezler in Festgabe Rosenberg, 1949, 199 ff.; Matthies, Die deutsche internationale Zuständigkeit, 1955, 45; Walchshöfer ZZP 80 (1967), 174. Kritisch R. Geimer in Symposion Außerstreitreform, 1992, 93 (Veröffentlichungen des Ludwig Boltzmann-Institutes für Rechtsvorsorge und Urkundenwesen, Bd. XI) und Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, Einleitung Rz. 47 ff. vor Art. IX EGJN. 202 Differenzierend Frank RabelsZ 34 (1979), 56 ff. Vgl. auch Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 107. 203 Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 240.
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Regelung in der deutschen ZPO Die Lehre von der wesenseigenen (Un-)Zuständigkeit (Rz. 1989a) verliert zu 1001 Recht immer mehr Anhänger.204 Dass ein bestimmtes Rechtsinstitut dem deutschen Recht nicht bekannt ist, reicht noch nicht, die internationale Zuständigkeit zu verneinen. Notwendig ist vielmehr eine völlige Wesensverschiedenheit und Unvergleichbarkeit mit (ähnlichen) deutschen Rechtsinstituten, Rz. 1989. So hat z.B. der BGH den Ausspruch der Trennung der Eheleute unter Aufrechterhaltung des Ehebandes (Trennung von Tisch und Bett) nicht abgelehnt.205 Im Bereich der Freiwilligen Gerichtsbarkeit ist man jedoch noch zurückhaltend, vor allem in Nachlasssachen.206 2. Ausschließliche internationale Zuständigkeit des Auslands Der heute noch diskutable Kern der Lehre Riezlers kreist um die bereits oben 1002 Rz. 878 behandelte Frage, ob es – aus deutscher Sicht – ausschließliche internationale Zuständigkeiten fremder Staaten gibt, die – ratione materiae – für bestimmte Streitgegenstände die an sich aus §§ 12 ff. ZPO folgende internationale Zuständigkeit Deutschlands ausschließen. 3. Beispiel: Klagen aus ausländischen Patenten, Marken, Warenzeichen und ähnlichen Schutzrechten Viele erachten Deutschland für international unzuständig für Klagen aus ausländischen Patenten, Marken, Warenzeichen und ähnlichen gewerblichen Schutzrechten.207 Es wird – wie bei den in Rz. 883 behandelten Klagen über auslän204 Siehe auch Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts6, 2006, § 57 II 2 g.E. 205 BGH vom 22.3.1967, BGHZ 47, 324, 325 = RabelsZ 32 (1968) 313 (Jayme) = IPRspr. 1966–1967 Nr. 90; Mitzkus, Internationale Zuständigkeit im Vormundschafts-, Pflegschafts- und Sorgerecht, 1982, 19 ff.; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 606a ZPO Rz. 308; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 606a Rz. 14. 206 Deutsche Gerichte können nach bisher herrschender Meinung keine Gläubigereinberufung (Gläubigerkonvokation) nach §§ 813 ff. ABGB und keine Einantwortung nach § 797 ABGB vornehmen, BayObLG vom 8.5.1967, BayObLGZ 1967, 197 und BayObLG vom 8.5.1967, BayObLGZ 1967, 338, 342. Anderer Auffassung Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, 261; R. Geimer in Symposion Außerstreitreform, 1992, 97, 123 (Veröffentlichungen des Ludwig Boltzmann-Institutes für Rechtsvorsorge und Urkundenwesen, Bd. XI); R. Geimer in Festschrift Jayme, 2004, 241, 247. 207 Neuner, Internationale Zuständigkeit, 1929, 34, 194; Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 231, 233; Riezler in Festgabe Rosenberg, 1949, 210 f.; Matthies, Die deutsche internationale Zuständigkeit, 1955, 44, 46; Walchshöfer ZZP 80 (1967), 174 f., 194 f.; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 654. Nachweise auch bei Laubinger, Die internationale Zuständigkeit der Gerichte für Patentstreitigkeiten in Europa: Vom nationalen Patent über das europäische Patent zum Gemeinschaftspatent, Diss. Konstanz 2005. Weitere Nachweise aus österreichischer Sicht bei Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, Einleitung Rz. 59 vor Art. IX EGJN.
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1003
Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit dische Grundstücke – behauptet, der deutsche Richter könne das ausländische Recht nicht zufrieden stellend anwenden. Nur von den Gerichten des Verleihungsstaates sei ein sachlich richtiges Urteil zu erwarten, Rz. 875. Aber auch hier gilt: Der Grad der Schwierigkeit der Anwendung ausländischen Patentrechts etc. ist kein Kriterium des internationalen Privatrechts oder des internationalen Zivilverfahrensrechts, Rz. 887.208 1004 Riezler209 stellt auf die durch das Territorialitätsprinzip bedingte Begrenzung der gewerblichen Schutzrechte ab. Diese habe eine prozessuale Reflexwirkung.210 Nach Riezler besteht keine deutsche internationale Zuständigkeit (in seiner Terminologie handelt es sich um einen Fall der „sachlichen internationalen Unzuständigkeit“) zur Entscheidung über ausländische gewerbliche Schutzrechte, die wegen ihrer räumlichen Beschränkung auf das Territorium des (ausländischen) Verleihungsstaates in der Bundesrepublik Deutschland keine Wirkung haben. 1005 Diese These entbehrt jeder völkerrechtlichen Fundierung.211 Sie ist – wenn überhaupt – auf der Ebene der in das Ermessen der einzelnen Staaten gestellten Normierung der internationalen Entscheidungszuständigkeit allenfalls aus der Sicht der Anhänger der Lehre von der ausschließlichen Zuständigkeit fremder Staaten diskutabel, soweit es um schutzrechtliche Bestandsvernichtungsverfahren geht, d.h. Verfahren, die abzielen auf Erklärung der Nichtigkeit, auf Zurücknahme, auf Beschränkung und auf Erteilung einer Zwangslizenz, auf Löschung von Patenten, Marken, Gebrauchsmustern oder Warenzeichen und materiellrechtliche Vernichtungsklagen wegen Verletzung anderer absoluter Rechte.212 1006 Dagegen betrachten andere213 die internationale Zuständigkeit des Schutzstaates nur als konkurrierende neben der des Wohnsitzstaates des Patentinhabers; ebenso für die Löschungsklage und die Eintragungsbewilligungsklage.
208 So richtig RG GRUR 1940, 438; Weigel, Gerichtsbarkeit, internationale Zuständigkeit und Territorialitätsprinzip im deutschen gewerblichen Rechtsschutz, 1973, 65; Seber ZfRV 24 (1983) 284; Kubis, Internationale Zuständigkeit bei Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechtsverletzungen, 1999, 198. 209 Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 85 ff., 233; Riezler in Festgabe Rosenberg, 1949, 210. 210 Dagegen ausführlich Adolphsen, Das Territorialprinzip im europäischen Patentrecht, ZZPInt 11 (2006), 137, 153 ff. 211 Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 255 ff. 212 Weigel, Gerichtsbarkeit, internationale Zuständigkeit und Territorialitätsprinzip im deutschen gewerblichen Rechtsschutz, 1973, 126 ff. Zu weit geht aber OLG Hamm vom 20.6.1985, NJW-RR 1986, 1047 = IPRspr. 1985 Nr. 141, das eine Entscheidung über den Bestand und die Wirksamkeit eines US-Warenzeichens auch als Vorfrage ablehnt. 213 Troller, IPR und IZPR im gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht, 1952, 239 ff., 252; Weigel, Gerichtsbarkeit, internationale Zuständigkeit und Territorialitätsprinzip im deutschen gewerblichen Rechtsschutz, 1973, 141 ff.; Kubis, Internationale Zuständigkeit bei Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechtsverletzungen, 1999, 216.
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Regelung in der deutschen ZPO Für Verletzungsprozesse besteht unbestritten keinerlei Beschränkung der internationalen Zuständigkeit Deutschlands.214
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VI. Internationale Zuständigkeit im Gefüge der Prozessvoraussetzungen 1. Internationale Zuständigkeit als selbständige, von der örtlichen Zuständigkeit zu unterscheidende Prozessvoraussetzung Die gesetzestechnische Konstruktion des positiven deutschen Rechts darf nicht 1008 den Blick dafür verstellen, dass die internationale Zuständigkeit eine von der örtlichen Zuständigkeit zu unterscheidende selbständige Prozessvoraussetzung ist, Rz. 1816, 1840. Praktische Auswirkungen hat diese Differenzierung vor allem im Rechtsmittel- 1009 recht; §§ 513 II, 545 II, 571 II 2, 576 II ZPO, §§ 65 IV, 72 II FamFG (wonach mit Rechtsmitteln nicht gerügt werden kann, dass die erste Instanz die (örtliche) Zuständigkeit zu Unrecht bejaht hat) sind nicht anzuwenden, wenn es um die internationale Zuständigkeit geht, Rz. 1855. Dies ist u.a. deswegen gerechtfertigt, weil die Entscheidung über die internationale Zuständigkeit von ungleich größerem Gewicht ist als die über die örtliche Zuständigkeit. Die Bejahung der internationalen Zuständigkeit bedeutet eine Vorentscheidung über den Ausgang des Prozesses. Durch die Wahl des Forums wird das anwendbare internationale Privatrecht und damit mittelbar auch das anzuwendende materielle Recht fest-
214 LG München I vom 24.8.2001, IPRspr. 2001 Nr. 113; Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 86; Nachweise bei Weigel, Gerichtsbarkeit, internationale Zuständigkeit und Territorialitätsprinzip im deutschen gewerblichen Rechtsschutz, 1973, 147 ff. Überholt RG vom 18.6.1990, JW 1890, 280 und RG vom 30.4.1894, JW 1894, 369, sowie RG GRUR 1934, 664, wonach ausländische Patentverletzungen im Inland nicht verfolgt werden könnten; richtig OLG Düsseldorf vom 25.3.1966, OLGZ 1967, 61 = GRUR Ausl. 1968, 100 = IPRspr. 1966–1967 Nr. 183; Weigel, Gerichtsbarkeit, internationale Zuständigkeit und Territorialitätsprinzip im deutschen gewerblichen Rechtsschutz, 1973, 151; Raape, Internationales Privatrecht5, 1961, 641; Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 792. Umfangreiche Nachweise bei Kurtz, Grenzüberschreitender einstweiliger Rechtsschutz im Immaterialgüterrecht, 2004; Zigann, Entscheidungen inländischer Gerichte über ausländische gewerbliche Schutzrechte und Urheberrechte, Diss. München 2001, 2002. So kann z.B. das zuständige Gericht im Wohnsitzstaat des Beklagten (§§ 12, 13 ZPO bzw. Art. 2 I EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ) darüber entscheiden, ob ein ausländisches Patent oder der ausländische Teil eines europäischen Patents durch Handlungen im Ausland verletzt worden ist, LG Düsseldorf GRUR Int. 1999, 458; Adolphsen, Europäisches und internationales Zivilprozessrecht in Patentsachen, 2005, Rz. 492. Eine andere (nicht kompetenzrechtliche) Frage ist, ob gewerbliche Schutzrechte wegen ihres territorial beschränkten Schutzbereichs durch Handlungen außerhalb des Schutzstaats verletzt werden können. Hierzu mit weiteren Nachweisen Slonina, Örtliche und internationaleZuständigkeit für Patentverletzungsklagen, SZZP 1 (2005), 313, 314.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit gelegt, des Weiteren – was prozesstaktisch nicht zu unterschätzen ist – das anwendbare Verfahrensrecht, insbesondere das Beweisverfahrensrecht.215 2. Prozessabweisung bei internationaler Unzuständigkeit Deutschlands – keine Verweisung 1010 Ist kein Zuständigkeitsanknüpfungspunkt im Sinne der §§ 12 ff. ZPO bzw. der §§ 98 ff. FamFG etc. gegeben, ist also Deutschland – auch bei Berücksichtigung des § 39 ZPO (Rz. 1181, 1396, 1857) – international unzuständig, so ist die Klage bzw. der Antrag als unzulässig abzuweisen, Rz. 1843. Eine Verweisung an ein ausländisches Gericht oder an den EuGH kommt nicht in Betracht.216
215 BGH vom 28.11.2002, BGHZ 153, 82, 84 ff. = NJW 2003, 426, 427 (Leible 407) = RIW 2003, 147 = IHR 2003, 32 = IPRax 2003, 346 (Piekenbrock/Schulze 328) = JZ 2003, 850 (Staudinger) = ZIP 2003, 685 = ZZPInt 8 (2003), 481 (Mörsdorf-Schulte 407) = ZZP 117 (2004), 87 (Oberhammer) = LMK 2003, 79 (Pfeiffer) = IPRspr. 2002 Nr. 157; BGH vom 27.5.2003, NJW 2003, 2916 = IPRax 2004, 59 (Mörsdorf-Schulte 59) = NZI 2003, 545 = LMK 2004, 14 (Leible); BGH vom 16.12.2003, BGHZ 157, 224 = RIW 2004, 300 = BB 2004, 459 = MDR 2004, 707 = WM 2004, 376, 377; BGH vom 7.12.2004 IPRax 2006, 40 (Looschelders 14) = MDR 2005, 587 = RIW 2005, 307, 309 = WM 2005, 339, 341 = NJWRR 2005, 581, 583 = BGH-Report 2005, 595 (Schneider) = IPRspr. 2004 Nr. 130. Hierzu Mankowski RIW 2005, 561, 568 und Kröll EWiR 2005, 635; BGH vom 2.3.2006 RIW 2006, 861; BGH vom 30.3.2006 I ZR 96/03 RIW 2006, 860; OLG Celle vom 14.8.2002, IPRax 2003, 252 (Pfeiffer 233); OLG Düsseldorf vom 3.4.2003, RIW 2004, 230; Staudinger IPRax 2001, 298; Piekenbrock/Schulze IPRax 2003, 1. Siehe auch Adolphsen, Europäisches und internationales Zivilprozessrecht in Patentsachen, 2005, Rz. 464; Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 – Vergemeinschaftung, Anwendungsbereich und insbesondere die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, 2004, Rz. 318; Mankowski RIW 2004, 587, 591; Mankowski in Dieterich/Neef/Schwab (ed.), Arbeitsrecht-Blattei sub Arbeitsgerichtsbarkeit V – E. Internationale Zuständigkeit 160.5.5 Rz. 15; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 606a ZPO Rz. 38. Zum bisherigen Recht Großer Senat des BGH vom 14.6.1965, BGHZ 44, 46 = NJW 1965, 1665 = IPRspr. 1964–1965 Nr. 224; BGH vom 13.6.1978, MDR 1979, 1015 = RIW 1979, 58 = IPRspr. 1978 Nr. 143; BGH vom 18.4.1985, BGHZ 94, 156 = NJW 1985, 2090 = IPRax 1987, 305 (Nicklisch 286) = IPRspr. 1985 Nr. 137; BGH vom 28.2.1996, BGHZ 132, 105 = NJW 1996, 1411 = FamRZ 1996, 601 = IPRax 1997, 187 (Mankowski 173) = JZ 1997, 88 (Gottwald) = LM § 29 ZPO Nr. 8 (R. Geimer) = ZZPInt 2 (1997), 117 (U. Wolf) = IPRspr. 1996 Nr. 142; BGH vom 21.11.1996, BGHZ 134, 127 = NJW 1997, 397 = IPRax 1999, 367 (Dörner/Staudinger 338) = RIW 1997, 149 = ZZP 110 (1997), 353 (Pfeiffer) = LM § 38 Nr. 32 (R. Geimer) = IPRax 1999, 367 (Dörner/Staudinger) = WiB 1997, 494 (Ralle) = ZIP 1996, 2184 = IPRspr. 1996 Nr. 160. 216 OLG Köln vom 16.3.1988, NJW 1988, 2182 = RIW 1988, 556 = IPRspr. 1988 Nr. 157; OLG Celle vom 29.11.2001 OLGR 2002, 59 = IPRspr. 2001 Nr. 155; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 606a ZPO Rz. 10. Vom Blickwinkel der hier abgelehnten Lehre vom forum non conveniens (Rz. 1075) will Wahl, Die verfehlte internationale Zuständigkeit, 1974, 127, anstelle der Prozessabweisung analog § 148 ZPO aussetzen. Doch wie lange?
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Regelung in der deutschen ZPO 3. Heilung des Mangels der internationalen Zuständigkeit mit Rechtskraft Weist das deutsche Gericht trotz internationaler Unzuständigkeit die Klage nicht 1011 durch Prozessurteil ab, sondern erlässt es ein Sachurteil, so wird der Mangel der internationalen Zuständigkeit durch den Eintritt der Rechtskraft geheilt.217 Das Urteil ist nicht etwa nichtig. Es kann auch nicht durch Nichtigkeitsklage beseitigt werden.218 Vorstehendes gilt auch dann, wenn die der deutschen Jurisdiktion vom Völkerrecht gesetzten Grenzen überschritten wurden, Rz. 215. Anders die herrschende Meinung bei Verletzung der Immunitätstatbestände, Rz. 528.
VII. Kein Verbot, ausländische Gerichte anzurufen Das deutsche Recht kennt kein Verbot, ausländische Gerichte anzurufen, und 1012 zwar auch dann, wenn Deutschland sich für ausschließlich international zuständig erachtet,219 Rz. 1106. Die Folge der Nichtbeachtung der von der herrschenden Meinung (Rz. 878, 910) behaupteten deutschen Regeln über die ausschließliche internationale Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland bzw. fremder Staaten ist die Verweigerung der Anerkennung des im aus deutscher Sicht (§ 328 I Nr. 1 ZPO, § 109 I Nr. 1 FamFG) international unzuständigen Staat ergangenen Urteils (sofern der Beklagte die internationale Unzuständigkeit rügt). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Kläger sich in der Absicht, den Beklagten in sittenwidriger Weise zu schädigen (§ 826 BGB), über die deutschen Normen hinwegsetzt, Rz. 1123, 1718.
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Umgekehrt werden ausländische Klageverbote – sei es aufgrund Gesetzes oder behördlicher oder richterlicher Anordnung – im Inland nicht beachtet, Rz. 1743, 2792. Insbesondere scheidet eine Anerkennung und Vollstreckung von injunc-
1014
217 Neuner, Internationale Zuständigkeit, 1929, 45; Reu, Die staatliche Zuständigkeit im internationalen Privatrecht, 1938, 197 f.; Kallmann, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile und gerichtlicher Vergleiche, 1946, 39 Fußn. 45; Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 202, 361; Matthies, Die deutsche internationale Zuständigkeit, 1955, 86; Weigel, Gerichtsbarkeit, internationale Zuständigkeit und Territorialitätsprinzip im deutschen gewerblichen Rechtsschutz, 1973, 72; R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 70 Fußn. 27; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 606a ZPO Rz. 309. Ebenso für den Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit: Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit3, 2002, Rz. 184; Walther J. Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit7, 1983, § 13 III; Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit15, 2003, § 7 Rz. 27; Dormann Bessenich, Der ausländische Staat als Kläger, 1993, 35. Übereinstimmend für die Schweiz Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 112. 218 Dafür jedoch de lege ferenda Pagenstecher RabelsZ 11 (1937), 345, 438, 464. 219 Anders z.B. früher das französische Recht: Danach war es Franzosen bei Strafe verboten, einen Landsmann vor ein ausländisches Gericht zu ziehen, Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 70.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit tions restraining foreign proceedings aus, weil es sich nicht um eine Sachentscheidung im Sinne des § 328 ZPO bzw. des § 108 FamFG handelt.220 Siehe auch Rz. 1116.
VIII. Arglistiges Herbeiführen des Kompetenztatbestandes durch den Kläger – Erschleichen der internationalen Zuständigkeit 1015 Treu und Glauben gelten auch im internationalen Zivilverfahrensrecht: Führt der Kläger arglistig die Voraussetzungen des Kompetenztatbestandes herbei, so kann der Beklagte die exceptio doli erheben. Beispiel: Wenn der Kläger gegen den Beklagten in Deutschland eine unerlaubte Handlung nur in der Absicht begeht, um so eine im Inland belegene Forderung des Beklagten und damit den Vermögensgerichtsstand des § 23 ZPO zu begründen, so wird der Beklagte dadurch im Inland nicht gerichtspflichtig. Vgl. auch Rz. 1373, 1515 a.E.221 Zu Recht waren aber die deutschen Gerichte (bisher)222 zurückhaltend beim subjektiven Tatbestand der Arglist.223 1016 Auch im Bereich der Familienverfahren und der Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist ein Erschleichen der internationalen Zuständigkeit denkbar.224
220 Mansel EuZW 1996, 335; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 477; Schütze in Wieczorek/Schütze, ZPO und Nebengesetze3, 2007, § 328 ZPO Rz. 10; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 328 Rz. 42. Siehe auch die Nachweise bei Krause, Anti-suit injunctions als Mittel der Jurisdiktionsabgrenzung, Diss. Hamburg 2005. 221 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 635. 222 Anders aber OLG Düsseldorf vom 11.8.1994, RIW 1996, 598 = IPRspr. 1995 Nr. 140a, das objektive Kriterien ausreichen lassen will. Obwohl der Zessionar in Deutschland domiziliert ist, wird ihm unter Hinweis auf BGH vom 2.7.1991, BGHZ 115, 90 = NJW 1991, 3092 (R. Geimer 3072) = MDR 1991, 988 = RIW 1991, 856 (Fischer RIW 1992, 57) = JZ 1992, 51 (Schack) = LM § 23 ZPO Nr. 7 (Pfeiffer) = IPRax 1992, 160 (Schlosser 140) = DWiR 1991, 245 (Schütze 239) = IPRspr. 1991 Nr. 166b (unten Rz. 1077a) der Zugang zu den deutschen Gerichten (§ 23 ZPO) versperrt. Nachweise bei Soergel/Kegel, BGB12, Bd. 10, 1996, Rz. 132 Fußn. 22 und Rz. 147 vor Art. 3 EGBGB und für den Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit bei Oelkers, Internationales Betreuungsrecht, 1996, 196. 223 Nicht überzeugend daher die Kritik von Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 335; wie hier Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 178. Wer sich einbürgern lässt, um von seiner Frau in Deutschland (leichter) geschieden werden zu können, handelt nur in Extremfällen arglistig, R. Geimer ZZP 85 (1972), 202 Fußn. 22; Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 381; Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 52 Fußn. 174. 224 Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit3, 2002, Rz. 180.
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Regelung in der deutschen ZPO
IX. Internationale Zuständigkeit wegen schikanösen Verhaltens des Beklagten? Die Rüge der internationalen Unzuständigkeit ist nicht treuwidrig, Rz. 1109. 1017 Dies gilt im Zweifel auch dann, wenn das Verhalten des Beklagten, z.B. die rechtzeitige (Rz. 1830) Verlegung des Wohnsitzes bzw. der Transfer des Vermögens (§ 23 ZPO) ins Ausland, dem Kläger als Schikane erscheint, insbesondere wenn bewiesen ist, dass der Beklagte diesen Schritt nur getan hat, um dem Kläger die kompetenzrechtliche Basis für seine Rechtsverfolgung im Inland zu entziehen, Rz. 1108.
X. Keine internationale Zuständigkeit aufgrund Zuständigkeitsverweisung Für welche Rechtsstreitigkeiten Deutschland eine internationale Zuständigkeit 1018 in Anspruch nimmt bzw. eröffnet, bestimmen ausschließlich die deutschen Gesetze.225 Ob ein ausländischer Staat Deutschland für international zuständig hält, ist für den deutschen Richter unbeachtlich. Der Fall des negativen internationalen Kompetenzkonflikts kann durch die Notzuständigkeit (Rz. 1030) gemeistert werden.226
XI. Keine internationale Zuständigkeit Deutschlands aufgrund deutscher Staatsangehörigkeit des Klägers Die deutsche ZPO knüpft nur in Statussachen (Rz. 1323) an die deutsche Staats- 1019 angehörigkeit an.227 Darüber hinaus kennt sie jedoch nicht eine dem Art. 14 Code civil228 vergleichbare Norm, Rz. 1138, 1591, 1946. Ein „Bürgerrecht“ auf Rechtsschutzgewährung im Inland ohne Rücksicht darauf, wo der Beklagte wohnt bzw. welche Beziehung der Streitgegenstand zum Inland hat, besteht nicht.229
225 Außerhalb des Anwendungsbereichs des europäischen Gemeinschaftsrechts (Rz. 245c). 226 R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 126 Fußn. 129; R. Geimer NJW 1975, 1080; Milleker, Der negative internationale Kompetenzkonflikt, 1975, 135; Soergel/ Kronke, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 38 EGBGB Anh. IV Rz. 28; Mitzkus, Internationale Zuständigkeit im Vormundschafts-, Pflegschafts- und Sorgerecht, 1982, 226; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 459. Für Beachtung einer ausländischen Zuständigkeitsverweisung aber Kegel/Schurig, IPR9, 2004, § 17 I 1d, § 20 III 4, § 22 II; Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 789 ff. 227 Mankowski, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht – Parallelen und Divergenzen, in Festschrift Heldrich, 2005, 867, 877. 228 Nachweise hierzu z.B. bei F. E. Sandrock, Die Vereinbarung eines „neutralen“ internationalen Gerichtsstandes, 1997, 134 f.; Wilhelmi, Das Weltrechtsprinzip im internationalen Privat- und Strafrecht, Diss. Trier 2007, 288. 229 BGH vom 29.9.1982, IPRspr. 1982 Nr. 147; R. Geimer in Festschrift Schwind, 1993, 35.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit
XII. Keine internationale Zuständigkeit Deutschlands aufgrund deutscher Staatsangehörigkeit des Beklagten 1020 Von den Statussachen abgesehen (Rz. 1323) kennt das deutsche Recht auch keine Parallelnorm zu Art. 15 Code civil.230 Ein Deutscher kann vor deutschen Gerichten nur verklagt werden, wenn nach den allgemeinen Regeln (§§ 12 ff. ZPO) gegen ihn im Inland ein Gerichtsstand begründet ist. 1021 Dagegen ist nach den romanischen Zuständigkeitssystemen der eigene Staatsbürger der Jurisdiktion seines Heimatstaates immer unterworfen, ohne Rücksicht darauf, wo er wohnt: Er ist immer in seinem Heimatstaat gerichtspflichtig.231 Diese Subjektionstheorie haben die Verfasser der deutschen ZPO ausdrücklich verworfen.
XIII. Keine internationale Zuständigkeit Deutschlands aufgrund „Ordination“ durch den Bundesgerichtshof 1022 In Österreich bestimmt – außerhalb des Anwendungsbereichs des EuGVÜ und des LugÜ232 sowie der EuGVVO – nach § 28 JN233 der Oberste Gerichtshof das örtlich zuständige Gericht und begründet damit die internationale Zuständigkeit Österreichs,234 wenn „der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat.“235 Diese „Ordination“ ist aber nur zulässig, wenn die Rechtsverfolgung „im Einzelfall“ im Ausland nicht möglich oder unzumutbar wäre. Auch größere üblicherweise aus einer Prozessführung im Ausland resultierende Schwierigkeiten, wie z.B. Notwendigkeit der Beauftragung eines ausländischen Anwalts, Korrespondenz in einer fremden Sprache, fehlendes Prozesskostenhilfesystem oder fehlende Kostenerstattung, führen für sich allein aber noch nicht zur Unzumutbarkeit einer Rechtsverfolgung im Ausland.236 Für eine solche abgeschwächte Adaption des berüchtigten Art. 14 Code civil gibt es im deutschen Recht keine Parallele.
230 Nachweise hierzu z.B. bei Wilhelmi, Das Weltrechtsprinzip im internationalen Privatund Strafrecht, Diss. Trier 2007, 289. 231 Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 87. 232 Anders Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 28 JN Rz. 32. 233 Neugefasst mit Wirkung ab 1.1.1998 durch die Erweiterte Wertgrenzen-Novelle 1997. Zur alten Fassung (Ordination bei „Nahebeziehung“ des Rechtsstreits zu Österreich) Pöch IPRax 1984, 222; Matscher IPRax 1984, 224; Fasching IPRax 1984, 226; Schwimann FamRZ 1985, 673. 234 In der österr. Gesetzessprache: die „Gerichtsbarkeit“. Vgl. Rz. 1094. 235 Hierzu Matscher JBl. 1998, 694; Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 28 JN Rz. 40 ff.; Heiss/Mayr IPRax 1999, 305, 307. Siehe auch Rz. 965. 236 Österr. OGH SZ 1958 Nr. 109 = RdW 1986, 308 = IPRE II 222; hierzu Matscher IPRax 1999, 274, 276.
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Internationale Notzuständigkeit
XIV. Keine internationale Zuständigkeit Deutschlands kraft Sachzusammenhangs Von den unten Rz. 1159, 1292, 1540, 1575 behandelten Fällen abgesehen, eröff- 1023 net der Sachzusammenhang keine internationale Zuständigkeit, Rz. 1159, 1579. Auch das EuGVÜ/LugÜ und die EuGVVO kennen den Gerichtsstand des Sachzusammenhangs nicht.237
4. Kapitel: Internationale Notzuständigkeit I. Die verschiedenen Hypothesen238 Rechtsschutz kann zum einen verweigert werden im Fall des negativen Kom- 1024 petenzkonflikts, d.h. wenn Deutschland – mangels Zuständigkeitsanknüpfung – sich für international unzuständig erklärt und der aus deutscher Sicht (§ 328 I Nr. 1 ZPO, § 109 I Nr. 1 FamFG) international zuständige Staat bzw. die aus deutscher Sicht konkurrierend international zuständigen Staaten die Klage zur sachlichen Entscheidung nicht annehmen, sei es weil – das dortige Kompetenzrecht andere Zuständigkeitsanknüpfungen verwendet, d.h., z.B. Konflikt zwischen Wohnsitz-/Aufenthalts- und Staatsangehörigkeitsprinzip oder Divergenzen im Hinblick auf die maßgebliche Bezugsperson (Beklagten- und Klägerwohnsitz/-aufenthalt),
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– die ausländische(n) Zuständigkeitsordnung(en) eine internationale Entscheidungszuständigkeit für die Klage generell verneinen,
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– der/die aus deutscher Sicht international zuständige(n) Staat(en) Ausländer diskriminieren (Verbot von Ausländerprozessen) – aus tatsächlichen Gründen – wie Bürgerkrieg, Krieg, Stillstand der Rechtspflege usw. – der Kläger in dem/den aus deutscher Sicht international zuständigen Staat/Staaten eine Sachentscheidung über sein Klagebegehren trotz ernsthafter Bemühungen nicht erreichen kann,239 oder 237 EuGH vom 24.6.1981, Rs 150/80 – Elefanten Schuh/Jacqmain Slg. 1981, 1671 = RIW 1981, 709; BGH vom 28.2.1996, BGHZ 132, 105 = NJW 1996, 1411 = FamRZ 1996, 601 = IPRax 1997, 187 (Mankowski 173) = JZ 1997, 88 (Gottwald) = LM § 29 ZPO Nr. 8 (R. Geimer) = ZZPInt 2 (1997), 117 (U. Wolf) = IPRspr. 1996 Nr. 142; Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 295; Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, Art. 6 Rz. 2 und Art. 28 Rz. 4. Siehe auch Rohner, Die örtliche und internationale Zuständigkeit kraft Sachzusammenhangs, Diss. Bonn 1991. – Für den Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit Nachweise bei Mitzkus, Internationale Zuständigkeit im Vormundschafts-, Pflegschafts- und Sorgerecht, 1982, 219. Zu allgemein Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit3, 2002, Rz. 173. 238 Siehe auch Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 3 Rz. 397; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 128 ff. 239 Diesen Fall hebt Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 451 als besondere Hypothese hervor.
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1027
Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 1028 – aus der Sicht des an sich zuständigen Sitzstaates die (zu verklagende) juristische Person durch Enteignung untergegangen ist, dies aber hinsichtlich des außerhalb des Enteignungsstaates gelegenen Vermögens in Deutschland nicht anerkannt wird, wobei die so entstandene „Spaltgesellschaft“ (Rz. 1039) in Deutschland (noch) keinen Sitz begründet hat (Rz. 1275). 1029 Die zweite Möglichkeit für eine Rechtsschutzverweigerung im Inland resultiert aus der Nichtanerkennung des im Ausland erstrittenen Sachurteils: Auch wenn der Kläger die Gerichte des nach deutscher Meinung (§ 328 I Nr. 1 ZPO, § 109 I Nr. 1 FamFG) international zuständigen Staates angerufen hat, so ist er nicht sicher, ob – aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen – dem ausländischen Urteil die Anerkennung in Deutschland versagt wird, etwa weil die Gegenseitigkeit (§ 328 I Nr. 5 ZPO, § 109 IV FamFG) nicht verbürgt ist oder weil das ausländische Verfahren oder die ausländische Urteilsfindung gegen den deutschen ordre public (§ 328 I Nr. 4 ZPO, § 109 I Nr. 4 FamFG) verstößt. Siehe auch Rz. 3168.
II. Eröffnung eines inländischen Forums 1030 In all diesen Fällen240 muss in Deutschland eine internationale Notzuständigkeit eröffnet werden.241 Bei Nichtanerkennung des ausländischen Urteils folgt dies schon aus „vorangegangenem Tun“: Wenn die Bundesrepublik Deutschland meint, die Wirkungen des ausländischen Urteils nicht anerkennen zu können, dann ist sie verpflichtet, ein kompetentes Gericht zur Wiederholung des Prozesses zur Verfügung zu stellen, wenn im Inland ein Rechtsschutzbedürfnis besteht, etwa weil in inländisches Vermögen vollstreckt werden soll242 oder weil auf den
240 Siehe auch Art. 7 EuUnterhaltsVO vom 18.12.2008, ABl. EU Nr. 7 vom 10.1.2009, S. 1. 241 Dies gilt auch dann, wenn sich der aus deutscher Sicht international zuständige Staat für international unzuständig hält, aber ein dritter Staat ein Forum eröffnet, das nach § 328 I Nr. 1 ZPO keine internationale Anerkennungszuständigkeit trägt. Beruft sich der Beklagte nicht auf die internationale Unzuständigkeit dieses Staates, kommt nach der hier vertretenen Ansicht (Rz. 2903) eine Anerkennung des dort erlassenen Urteils in Betracht. Gegen den Willen des Beklagten das Urteil des nach deutschem Recht (§ 328 I Nr. 1 ZPO) international unzuständigen Staates ausnahmsweise anzuerkennen, um keine Notzuständigkeit in Deutschland eröffnen zu müssen, hätte zwar den Vorteil, dass letztendlich nur ein Verfahren vor Gerichten der Staaten stattfindet, die nach der deutschen internationalen Zuständigkeitsordnung an sich unzuständig sind, und dass die Gefahr widersprechender Entscheidungen gebannt wäre. Der von § 328 I Nr. 1 ZPO intendierte wirksame Beklagtenschutz käme aber zu kurz. Diesem ist ohne Abstriche Vorrang einzuräumen. 242 I.d.R. ergibt sich bereits aus § 23 ZPO ein Forum. Des Rückgriffs auf den Gedanken der Notzuständigkeit bedarf es jedoch dort, wo die Anwendung des § 23 ZPO ausgeschlossen ist, so im Anwendungsbereich des EuGVÜ und des LugÜ sowie der EuGVVO. Zur Notzuständigkeit in diesem Bereich R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 EuGVVO Einleitung Rz. 80 sowie Art. 3 EuGVVO Rz. 7.
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Internationale Notzuständigkeit Streitgegenstand deutsches Recht zur Anwendung kommt oder weil die Rechtskraft des ausländischen Prozesses für die Entscheidung eines inländischen Verfahrens (nicht notwendig eines Rechtsstreits; in Betracht kommen auch Verwaltungsverfahren, wie z.B. Festsetzung der Einkommensteuer) von präjudizieller Bedeutung ist. Gleiches gilt, wenn die Anrufung der nach deutschem Recht an sich international zuständigen Gerichte nicht möglich oder nicht zumutbar ist.243 Nicht überzeugend ordnet Basedow244 die internationale Notzuständigkeit als 1031 Unterfall der „kooperativen Anpassung“ ein: „Um der Justizgewährungspflicht nachzukommen, muss der inländische Richter in diesen Fällen sein Zuständigkeitsrecht anpassen.“ Die Eröffnung einer Rechtsschutzmöglichkeit verdankt der Kläger nämlich nicht der Huld des Richters, sondern der Verfassung, welche die Justizgewährung garantiert, Art. 20 III GG.245
III. Zuständigkeitsvereinbarungen 1. Verweigerung des Rechtsschutzes am forum prorogatum: In diesen Fällen 1032 wird die Derogation der internationalen Zuständigkeit Deutschlands gegenstandslos, Rz. 1763, 1764.246 2. Nichtanerkennung des vom forum prorogatum erlassenen Sachurteils: Bei Verweigerung der Anerkennung und Vollstreckung des vom forum prorogatum erlassenen Urteils ist nach den allgemeinen Regeln (Rz. 1030) im Inland ein forum zu eröffnen, Rz. 1766. – Vgl. auch Rz. 1783.
243 Zur internationalen Notzuständigkeit Aden, Internationale Notzuständigkeit, ZvglRW 2007, 490; R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 56 Fußn. 142; R. Geimer RIW 1975, 82; Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 205; Patzina in Münchener Kommentar zur ZPO2, 2000, § 12 Rz. 98; Milleker, Der negative internationale Kompetenzkonflikt, 1975, 60 ff.; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 451, 457, 463; Wieczorek/Rössler, ZPO2, 1988, § 549 B IIIc 1 unter Hinweis auf BGH II ZR 203/86; AG Groß-Gerau vom 11.6.1980, FamRZ 1981, 51 = MDR 1980, 944 = IPRspr. 1980 Nr. 152; BGH vom 29.9.1982, IPRspr. 1982 Nr. 147 passim. 244 Basedow in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 154. 245 Zu eng wohl Schlosser IPRax 1992, 143, der diesen verfassungsmäßigen Anspruch auf Rechtsschutz im Inland (R. Geimer NJW 1991, 3072) nur den „eigenen Staatsangehörigen und Bewohnern“ zuerkennen will. Auch ein Ausländer, dem die Anerkennung „seines“ im Ausland erstrittenen Urteils (das für ihn günstig ist) verweigert wurde, hat Anspruch auf Rechtsschutz im Inland. Nachweise zum von der Verfassung garantierten Justizgewährungsanspruch Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006, 286; Geimer ZfRV 1992, 321, 326; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 4 Rz. 8. 246 OLG Koblenz vom 24.6.2004 IHR 2005, 169, 171 = IPRax 2006, 469 (Weller 444) = NJOZ 2004, 3346 = IPRspr. 2004 Nr. 116.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit
IV. Nichtanwendung des § 328 I Nr. 5 ZPO? 1034 Neuner247 und Schröder248 schlagen vor, entgegen § 328 I Nr. 5 ZPO ausländische Entscheidungen anzuerkennen, wenn sonst im Inland Rechtsverweigerung droht. Dies ist jedoch de lege lata kein gangbarer Weg.249
V. Art. 6 I der Europäischen Menschenrechtskonvention 1035 Generell gebietet Art. 6 I der Europäischen Menschenrechtskonvention,250 die internationale Zuständigkeit Deutschlands dann zu bejahen, wenn die Nichtannahme der Klage einer Justizverweigerung gleichkäme (Rz. 150, 1910),251 insbesondere, wenn die Anrufung des nach deutschem internationalen Zivilprozessrecht an sich international zuständigen ausländischen Gerichts faktisch nicht möglich oder nicht zumutbar ist.252
VI. Die „heilsamen Wirkungen“ des Vermögensgerichtsstandes 1036 Dass in Deutschland (in vermögensrechtlichen Streitigkeiten) Fälle der Notzuständigkeit selten sind, hängt mit dem weiten Anwendungsbereich des Vermögensgerichtsstandes (§ 23 ZPO) zusammen, der allerdings vom XI. Senat des BGH253 in Frage gestellt wird. Hat der Beklagte kein Vermögen im Inland, besteht (in den allermeisten Fällen) kein Bedürfnis nach Rechtsschutz durch die Gerichte der Bundesrepublik Deutschland. Bei Streichung oder wesentlicher Einengung dieser Vorschrift würden die Fälle der Notzuständigkeit zahlreicher, Rz. 1361.254
VII. Beispiel 1037 Ein staatenloses Nomadenehepaar könnte sich bei nur schlichtem Aufenthalt in Deutschland nicht scheiden lassen, da § 98 I Nr. 2–4 FamFG gewöhnlichen Auf247 248 249 250 251
Neuner, Internationale Zuständigkeit, 1929, 53. Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 212. R. Geimer WM 1975, 911. Vgl. nun auch Art. 47 II EuGrundrechtecharta. So auch z.B. Cour de Cassation (française) vom 1.2.2005 – Staat Israel/National Iranian Oil Company, Revue de L’Arbitrage 2005, 694 = ZZPInt 10 (2005), 435 (Schlosser). 252 R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 56; R. Geimer RIW 1975, 83; R. Geimer in Festschrift Schwind, 1993, 17 ff.; Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 28 JN Rz. 40. Vgl. auch Grolimund, Drittstaatenproblematik des europäischen Zivilverfahrensrechts, 2000, 222 ff. 253 BGH vom 2.7.1991, BGHZ 115, 90 = NJW 1991, 3092 (R. Geimer 3072) = MDR 1991, 988 = RIW 1991, 856 (Fischer RIW 1992, 57) = JZ 1992, 51 (Schack) = LM § 23 ZPO Nr. 7 (Pfeiffer) = IPRax 1992, 160 (Schlosser 140) = DWiR 1991, 245 (Schütze 239) = IPRspr. 1991 Nr. 166b; hierzu unten Rz. 1077a, 1361. 254 Ausführlich 2. Aufl. Rz. 1038. Enger Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 630.
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Internationale Notzuständigkeit enthalt verlangt: „Und da sehn sich traurig an Campingfrau und Campingmann.“255
VIII. Familienverfahren und freiwillige Gerichtsbarkeit Die Problematik der internationalen Notzuständigkeit ist nicht auf die streitige 1038 Gerichtsbarkeit beschränkt.256 Mitunter versucht der Gesetzgeber, sie durch eine „Fürsorgezuständigkeit“ in den Griff zu bekommen. So ist nach 99 I 2 FamFG in Kindschaftssachen und nach § 104 I 2 FamFG – trotz Fehlens der Regelkompetenztatbestände Staatsangehörigkeit und gewöhnlicher Aufenthalt – eine internationale Zuständigkeit immer dann zu bejahen, soweit das Kind bzw. der Betroffene „der Fürsorge durch ein deutsches Gericht bedarf.“257 Weiter erklärt § 12 II des Verschollenheitsgesetzes die deutschen Gerichte auch dann für zuständig, „wenn ein berechtigtes Interesse an einer Todeserklärung oder Feststellung der Todeszeit durch sie besteht.“258
IX. Internationale Anerkennungszuständigkeit Hat der Erststaat seine internationale Notzuständigkeit bejaht, weil er ein deut- 1039 sches Urteil nicht anerkennen wollte (Rz. 1029), so scheitert die Anerkennung dieses Urteils am Vorrang des deutschen Urteils, § 328 I Nr. 3 ZPO; denn es kann trotz aller Liberalität von der deutschen Rechtsordnung nicht verlangt werden, dass man das eigene Urteil ignoriert. Dies liegt auf der Hand, wenn der Erststaat dem deutschen Urteil den Vorwurf der ordre public-Widrigkeit gemacht hat, aber auch dann, wenn aus sonstigen Gründen die Anerkennung verweigert wurde, z.B. wegen mangelnder Verbürgung der Gegenseitigkeit, Fehlen eines völkerrechtlichen Vertrages, Verneinung der internationalen Zuständigkeit etc. Liegt in der gleichen Sache ein anerkennungsfähiges Urteil eines dritten Staates vor, so 255 Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9, 2004, § 20 IVc. 256 Nachweise zur Notzuständigkeit im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit bei Mitzkus, Internationale Zuständigkeit im Vormundschafts-, Pflegschafts- und Sorgerecht, 1982, 226; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit3, 2002, Rz. 175; OLG Zweibrücken vom 10.7.1985, OLGZ 1985, 413 = IPRax 1987, 108 (Witz/Bopp 83) = IPRspr. 1985 Nr. 211. Bei Spaltgesellschaften (Rz. 1024 a.E.) wendet der BGH § 5 I 2 FGG (nunmehr § 5 I Nr. 1 FamFG) analog an; er bestimmt ein örtlich zuständiges Gericht, damit dieses einen Notvorstand bestellen kann, BGH vom 18.10.1976, RIW 1977, 779 = IPRspr. 1976 Nr. 4; BGH vom 19.11.1984, Die AG 1985, 108 = IPRax 1985, 3342 (Großfeld/Lohmann 324) = IPRspr. 1984 Nr. 207; BGH vom 30.9.1985, WM 1985, 1415 = IPRspr. 1985 Nr. 215; BayObLG vom 24.5.1985, BayObLGZ 1985, 208 = RIW 1985, 811 = EWiR 1985, 441 (Meyer-Landrut) = IPRspr. 1985 Nr. 213. Hierzu auch Kindler in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, IntGesR (Bd. 11), Rz. 1020. 257 Beispiel: Erteilung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung nach § 3b des italienischen Passgesetzes für einen im Inland lebenden italienischen Staatsangehörigen, AG Weinheim vom 25.1.1994, IPRax 1994, 371 (Jayme 354) = IPRspr. 1994 Nr. 186. Für restriktive Auslegung KG vom 5.11.1997, NJW 1998, 1565 = IPRax 1998, 274, 275 (Henrich 247). 258 Hierzu Erman/Hohloch, BGB12, 2008, Art. 9 EGBGB Rz. 7.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit hat dieses jedenfalls dann Vorrang, wenn eine völkervertragsrechtliche Verpflichtung besteht, bzw. wenn dieses zeitlich früher ergangen ist.259
X. Rechtsvergleichendes 1040 Seitdem man auch in Frankreich die Regeln über die örtliche Zuständigkeit zur Begründung der internationalen Zuständigkeit in Auslandsprozessen heranzieht, Rz. 972, hat das Problem des déni de justice an praktischer Bedeutung verloren.260
5. Kapitel: Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht I. Internationale Entscheidungszuständigkeit 1. Kein positiver Gleichlauf: Keine internationale Zuständigkeit Deutschlands nur aufgrund Maßgeblichkeit deutschen Rechts 1041 a) Eigener Standpunkt: Das deutsche internationale Zivilverfahrensrecht kennt kein forum legis. Aus dem Umstand, dass gemäß deutschem internationalem Privatrecht (z.B. Art. 17 EGBGB) in der Sache deutsches Recht anzuwenden ist, folgt nicht, dass Deutschland international zuständig ist, und zwar auch dann nicht, wenn das deutsche Recht eine richterliche Rechtsgestaltung vorschreibt.261 1042 Die internationale Zuständigkeit knüpft an andere Tatbestandsmerkmale an als das internationale Privatrecht. Dies ist auch einleuchtend, weil das Regelungsprogramm für die internationale Zuständigkeit sich ganz wesentlich unterscheidet von der IPR-Frage, bei der es darum geht, die für den Sachverhalt bzw. das Rechtsverhältnis nächste Rechtsordnung zu fixieren. Bei der Normierung der internationalen Zuständigkeit steht nicht die (meritorische) Rechtsanwendungsfrage im Vordergrund, sondern die Gewichtung der Verfahrensinteressen: Es stehen sich gegenüber der Justizgewährungsanspruch des Klägers/Antragstellers, 259 Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 665. Zur indirekten Notzuständigkeit aus schweizerischer Sicht Dörig, Anerkennung und Vollstreckung US-amerikanischer Entscheidungen in der Schweiz, 1998, 281. 260 Nachweise bei Batiffol/Lagarde, Droit international privé, tome I8, 1993, Nr. 674-1. 261 Nachweise bei Dessauer, IPR, Ethik und Politik, 1986, 566; von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht I2, 2003, § 5 Rz. 146; Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, 200; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 324 Fußn. 31; Linke, Internationales Zivilprozessrecht4, 2006, Rz. 134; Staudinger/ Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 606a ZPO Rz. 3, 313; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 606a Rn. 29; Adam, Internationaler Versorgungsausgleich, 1985, 88; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 96. Ebenso zum österreichischen Recht Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 34.
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Anwendbares Recht dessen Interesse auf einen möglichst großen Jurisdiktionsbereich der Bundesrepublik Deutschland tendiert, und der legitime Wunsch des Beklagten/Antragsgegners, vor unzumutbarer Ausweitung seiner Gerichtspflichtigkeit geschützt zu werden.262 Das IPR-System wählt eine Rechtsordnung aus, die für das konkrete Rechtsver- 1043 hältnis Anwendung finden soll. Dagegen sind im Kompetenzbereich konkurrierende internationale Zuständigkeiten die Regel: Es stehen also mehrere fora zur Verfügung.263 Unmittelbar staatliche Interessen, die vorrangig vor oder neben den Parteiinteressen durchzusetzen wären, sind nicht erkennbar. Dies bedeutet: Wenn in concreto die Bundesrepublik Deutschland nach ihrem internationalen Privatrecht die Anwendung eigenen Rechts vorschreibt, so heißt dies nicht, dass sie ein eigenes unmittelbares Interesse als Staat hätte, dass nur ihr Recht angewandt und auf Biegen und Brechen durchgesetzt wird, sondern nur, dass die deutschen Gerichte angewiesen sind, nach deutschem Recht zu entscheiden, falls sie mit dem Fall (im Erkenntnisverfahren) befasst werden. Fazit: Die Anwendbarkeit des deutschen Rechts erzwingt nicht die Öffnung des 1044 Zugangs zu den deutschen Gerichten. Atavistisch wäre auch die Vorstellung, dass der Status deutscher Staatsangehöriger nur von deutschen Gerichten geklärt werden darf. Dies ist spätestens seit Streichung der § 606a und § 328 I Nr. 3 ZPO a.F. und Einfügung der §§ 606a I 2, 640a II 2 ZPO (seit 1.9.2009: § 106 FamFG) klar, war aber auch vorher geltendes Recht (arg. § 606a Nr. 3 a.F.).264 b) Das Postulat eines generellen forum legis: Viele265 wollen bereits aus dem 1045 Umstand, dass nach den Regeln des deutschen internationalen Privatrechts der 262 R. Geimer FamRZ 1980, 789. Zustimmend Mankowski, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht – Parallelen und Divergenzen, in Festschrift Heldrich, 2005, 867, 671. Weniger dezidiert Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 – Vergemeinschaftung, Anwendungsbereich und insbesondere die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, 2004, Rz. 368. 263 Ausführlich Mankowski in Festschrift Heldrich, 2005, 867, 869. Siehe auch Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit – Zur Bedeutung nationaler Rechtsordnungen und der Entscheidungen nationaler Gerichte für die Wirksamkeit internationaler Schiedssprüche, 2007, 547. 264 Rechtsvergleichend Dessauer, IPR, Ethik und Politik, 1986, 830; auch in Österreich wurde § 80 Nr. 3 EO gestrichen. Die Türkei erhebt ebenfalls keinen Ausschließlichkeitsanspruch mehr, Ansay StAZ 1983, 29. 265 Für Gleichlauf zwischen anwendbarem Recht und internationaler Zuständigkeit plädiert vor allem Neuhaus, Grundbegriffe des internationalen Privatrechts2, 1977, 428: „Soweit ein Staat seine Rechtsordnung für anwendbar erklärt, muss er notfalls auch seine Gerichte zur Verfügung stellen . . . In all diesen Fällen kann die (fakultative) Zuständigkeit eines deutschen Gerichts im Interesse der richtigen Rechtsanwendung dringend gewünscht sein, weil entweder das zunächst zuständige ausländische Gericht überhaupt das deutsche Recht nicht anwenden würde (infolge seines anderen internationalen Privatrechts oder unter Berufung auf den ordre public) oder weil komplizierte Fragen des deutschen Rechts in Rede stehen, die ein fremdes Gericht kaum zu durchschauen vermag.“ So auch schon Neuhaus in RabelsZ 20 (1955), 260 sowie in JZ 1966, 241; Nachweise bei E. Lorenz FamRZ 1981, 410; Breuleux, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, 138; von Overbeck Schweizer. Jb.Int.R.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit Streitgegenstand nach deutschem Recht zu beurteilen ist, die internationale Zuständigkeit Deutschlands ableiten, ohne Rücksicht darauf, ob ein Gerichtsstand nach §§ 12 ff. ZPO gegeben ist. 1046 Beispiele: Namenschutzklagen von Deutschen, die im Ausland wohnen; Klagen aus einem Vertrag, der aufgrund Parteivereinbarung deutschem Recht untersteht, wenn die Parteien im Ausland wohnen und kein deutsches Gericht prorogiert haben (etwa weil sie bei Vertragsschluss noch in Deutschland wohnten); oder Klage auf Feststellung, dass keine Alimentenpflicht besteht gegenüber Kindern einer deutschen Mutter. 1047 Die bessere Befähigung der deutschen Gerichte zur Anwendung deutschen Rechts ist jedoch kein ausreichender Anknüpfungspunkt für die deutsche internationale Zuständigkeit.266 1048 c) Forum legis (nur) für Gestaltungsklagen? Heldrich267 bejaht eine internationale Statutszuständigkeit, „wenn die Verwirklichung des materiellen Rechts notwendig die Einschaltung der Gerichte voraussetzt“, d.h. für Gestaltungsklagen auf der Grundlage des deutschen materiellen Rechts. Praktische Bedeutung hat die Heldrichsche Zuständigkeitsregel nur dann, wenn in concreto kein Gerichtsstand gegeben ist. Dies dürfte für Scheidungsanträge nur äußerst selten der Fall sein. Aus dem Bereich des Familienrechts dürften vor allem der Antrag auf vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns (§§ 1385, 1386 BGB) und auf Aufhebung der Gütergemeinschaft (§§ 1447 ff. BGB) der Rechtsprechung Gelegenheit geben, zur These Heldrichs Stellung zu nehmen. Für das Schuldrecht hat Heldrich268 folgendes Beispiel gebildet: Ein Italiener und ein Däne haben in einem Kaufvertrag die Anwendung des „neutralen“ deutschen Rechts vereinbart. Nach Heldrich ist die internationale Zuständigkeit Deutschlands für die Klage auf Herabsetzung der verwirkten Vertragsstrafe (§ 343 I 1 BGB) gegeben.269
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21 (1964) 39; Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 504 ff.; Walchshöfer ZZP 80 (1967) 197 ff.; Jayme IPRax 1984, 305 Fußn. 10. So treffend Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, 180: „Im Prinzip ist es ja der Ausgangspunkt jedes entwickelten Kollisionsrechts, dass die offensichtlichen Unsicherheitsfaktoren bei der Anwendung fremden Rechts durch das Interesse aufgewogen werden, jeweils die dem Sachverhalt am nächsten stehende Rechtsordnung zum Zuge kommen zu lassen. Die Fehlerquellen bei der Ermittlung und Handhabung ausländischen Rechts sind also sozusagen ein einkalkuliertes Risiko des ganzen Systems. Nimmt man sie aber bei der Rechtsanwendung durch die eigenen Gerichte in Kauf, so wird man auch den Gerichten eines fremden Staates nicht durch die Inanspruchnahme einer konkurrierenden inländischen Zuständigkeit die Befähigung zur Anwendung des deutschen Rechts absprechen können.“ Dagegen auch Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 510 und Schwimann, Internationales Zivilverfahrensrecht, 1979, 29, 33: Es müssen „auch bei inländischer lex causae noch zusätzliche Umstände vorliegen, damit ein für die Bejahung inländischer Jurisdiktion ausreichendes Justizbedürfnis im Inland begründet erscheint“; Adam, Internationaler Versorgungsausgleich, 1985, 91. Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, 181, 191. Heldrich a.a.O. 174. Nunmehr durch die Zuständigkeitsordnung der EuGVVO bzw. des LugÜ überholt.
Anwendbares Recht Hiergegen wendet sich Schröder.270 Er legt überzeugend dar, dass es zuständig- 1049 keitsrechtlich ohne Bedeutung ist, ob der Richter selbst die Gestaltung ausspricht oder die Berechtigung einer privat vollzogenen Gestaltung feststellt. Die instrumentale Verschiedenheit von Feststellungs- und Gestaltungsklagen ist unter dem Blickwinkel der richtigen Zuständigkeitsanknüpfung ohne Bedeutung. Die Grenzen zwischen Feststellungs- und Gestaltungsurteil sind fließend. Es wäre zumindest unzweckmäßig, die Frage der internationalen Zuständigkeit mit diesen Abgrenzungsproblemen zu belasten. So war z.B. für das frühere deutsche Kaufrecht umstritten, ob der Vollzug der Wandlung oder Minderung der richterlichen Gestaltung bedarf.271 Die Bejahung der deutschen internationalen Zuständigkeit hinge davon ab, wie man die rechtliche Natur der Wandlungs-/Minderungsklage einordnet. Auch würden nach der Heldrichschen Regel aus einem einheitlichen Schuldver- 1050 hältnis einzelne Aspekte herausgeschnitten, für welche die deutsche internationale Zuständigkeit besteht (= Gestaltungsklagen), die Übrigen unterlägen nicht der deutschen Zuständigkeit. Weshalb soll der deutsche Richter die Wandlung durch Gestaltungsurteil vollziehen dürfen, aber nicht zuständig sein, durch Leistungsurteil zur Herstellung des früheren Zustandes zu verurteilen? Oder weshalb soll die Bundesrepublik Deutschland international zuständig sein, eine Vertragsstrafe herabzusetzen, wenn sie unzuständig ist für die Erfüllungsklage hinsichtlich eben dieser Vertragsstrafe? Schließlich würde der Vorschlag Heldrichs zu Ungleichgewichten führen, wenn 1051 man das forum legis für Gestaltungsklagen gemäß § 328 I Nr. 1 ZPO zu einer allseitigen Zuständigkeitsnorm erweitert: Ordnet das maßgebliche ausländische Sachstatut statt privater Gestaltung durch die Beteiligten Rechtsgestaltung durch den Richter an, so müssten wir quantitativ mehr Anerkennungszuständigkeit gewähren, als wir Entscheidungszuständigkeit in Anspruch nehmen. Beispiel: Der Übergang von der Leistungs- zur Schadensersatzpflicht vollzieht sich nach §§ 323 ff. BGB ex lege; entsteht Streit, so ist durch Feststellungs- bzw. Leistungsurteil zu entscheiden. Anders – zumindest im Grundsatz – das französische Recht (Art. 1184 Code civil) und die von ihm beeinflussten romanischen Rechtsordnungen, vor allem Art. 1453 Codice civile: Hier hat der Richter durch rechtsgestaltendes Urteil den Vertrag aufzuheben, wenn ein Vertragsteil seine vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllt.272
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Ergebnis: Die Notwendigkeit der Rechtsgestaltung aufgrund Anwendbarkeit 1053 deutschen Rechts ist als solche kein Anlass, eine deutsche internationale Zuständigkeit zu eröffnen. Kann die vom deutschen Recht vorgeschriebene Rechtsgestaltung von den aus deutscher Sicht (§ 328 I Nr. 1 ZPO, § 109 I Nr. 1 FamFG)
270 Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 522. Zustimmend Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 606a ZPO Rz. 313. 271 Schlosser, Gestaltungsklagen und Gestaltungsurteile, 1966, 144 Fußn. 8. 272 Zur Zurückdrängung des Grundsatzes der richterlichen Vertragsauflösung Cour de cassation (1. Chambre civile) vom 20.2.2001, Bull. Civ. I Nr. 40 = D 2001 Jur 1568 (Jamin) = RIW 2002, 866, 869.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit
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international zuständigen Gerichten nicht vorgenommen werden, etwa weil diese sich für unzuständig erklären oder die Rechtsgestaltung nach deutschem Recht als ihrer Rechtsordnung wesensfremd ablehnen, so besteht im Zweifel eine deutsche Not- oder Ersatzzuständigkeit, Rz. 1030. Der innere Grund für diese Kompetenz ist aber nicht der Gleichlauf zwischen materiellem Recht und Zuständigkeit, sondern die Rechtsschutzverweigerung im Ausland, ein typisch verfahrensrechtlicher Gesichtspunkt.273 d) Durchsetzung international zwingenden Rechts (ordre public-Zuständigkeit): Ist – trotz Fehlens einer Zuständigkeitsanknüpfung (§§ 12 ff. ZPO) – wenigstens dann eine internationale Zuständigkeit Deutschlands zu eröffnen, wenn zu erwarten ist, dass die (nach ihrem Recht ihre internationale Zuständigkeit bejahenden) ausländischen Gerichte (aus deutscher Sicht) international zwingende Normen bzw. Rechtsgrundsätze274 nicht anwenden werden und deshalb das zu erwartende ausländische Urteil im Inland nicht anerkennungsfähig sein wird? Die Antwort lautet: Nein, weil eine Prognose nicht möglich bzw. zu unsicher ist. Der Kläger muss zuerst im Ausland ein konkretes Urteil erstreiten. Ist dieses im Inland nicht anerkennungsfähig, so ist nach allgemeinen Grundsätzen eine Ersatzzuständigkeit im Inland gegeben, Rz. 1033.275 Auch im Kartellzivilprozess ist eine deutsche internationale Zuständigkeit nur dann gegeben, wenn die Voraussetzungen der §§ 12 ff. ZPO vorliegen.276 Das aus deutscher Sicht international zwingende deutsche Kartellrecht eröffnet kein forum legis.277 Gleiches gilt im Wettbewerbsrecht.278 Keine Ausnahme gilt für das Arbeitsrecht.279 273 Ebenso im Ergebnis Walchshöfer ZZP 80 (1967), 197 f.; Schlosser ZZP 94 (1981), 355, 357; Mitzkus, Internationale Zuständigkeit im Vormundschafts-, Pflegschafts- und Sorgerecht, 1982, 205; Linke ZVglRWiss. 79 (1980), 307; BGH vom 29.9.1982, IPRspr. 1982 Nr. 147. 274 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1584; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 753. 275 Enger Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 744 ff., 753. 276 Siehe auch LG Dortmund vom 1.4.2004, EWS 2004, 434 (Bulst 403) = IPRax 2006, 542 (Mäsch 509): Schadensersatz wegen unerlaubter Preisabsprachen und Marktaufteilung und der daraus resultierenden (kartellbedingten) Verteuerung (§ 823 II BGB in Verbindung mit § 33 GWB und § 826 BGB): Begehungsort (§ 32 ZPO, Art. 5 Nr. 3 EuGVVO/ EuGVÜ/LugÜ) ist in der Regel der Sitz bzw die Niederlassung des Beklagten, Erfolgsort (Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs) ist der Marktort. Für Marktort auch Kessedijan in McLachlan/Nygh, Transnational Tort Litigation: Jurisdictional Principles, 1996, 171, 185. 277 Rehbinder in Mestmäcker GWB4, 2007, § 130 Abs. 2 Rz. 251; Immenga in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, IntWettbR/IntKartR Rz. 81; Pfeiffer a.a.O. 744; Staudinger/Fezer/Koos, Internationales Wirtschaftsrecht, Neubearbeitung 2006, Rz. 325. 278 BGH vom 23.10.1970, GRUR 1971, 153 (Tampax) = JZ 1971, 731 (Deutsch) = IPRspr. 1970 Nr. 97; Staudinger/Fezer/Koos a.a.O. Rz. 733 ff. 279 Anderer Auffassung Birk BerDGVR 18 (1978) 361: „Wenn eine Rechtsordnung dem Inländer einen Anspruch gegen eine ausländische Obergesellschaft zubilligt, (muss sie)
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Anwendbares Recht e) Derogationsverbot zur (besseren) Wahrung des aus deutscher Sicht internatio- 1057 nal zwingenden Rechts? Wenn auch das Rechtsanwendungsinteresse nicht die Eröffnung eines inländischen Forums erzwingt, wenn im Inland kein Zuständigkeitsanknüpfungspunkt (§§ 12 ff. ZPO) gegeben ist, so ist doch noch zu fragen, ob die aus §§ 12 ff. ZPO folgende internationale Zuständigkeit derogationsfest ist. So halten die Gerichte280 die Derogation der an sich (nach §§ 12 ff. ZPO gegebenen) internationalen Zuständigkeit Deutschlands für unwirksam, wenn feststeht281, dass das vom ausländischen forum prorogatum bzw. Schiedsgericht (noch) zu erlassende Urteil im Inland deshalb nicht anerkannt werden kann, weil es aus deutscher Sicht (auch gegenüber ausländischen Urteilen durchzusetzendes) international zwingendes Recht nicht anwenden wird, Rz. 1770.282 Entgegen dieser Rechtsprechung ist aber die Derogation zu beachten und das 1058 ausländische Urteil bzw. der Schiedsspruch abzuwarten. Verstößt dieses tatsächlich gegen den deutschen ordre public, weil es aus deutscher Sicht international durchzusetzende Normen bzw. Rechtsgrundsätze ignoriert, so ist im Inland eine Ersatzzuständigkeit zu eröffnen, Rz. 1033, 1770. Die Kartellrechtler283 behaupten – entgegen der hier vertretenen Meinung, die 1059 aus §§ 12 ff. ZPO fließende internationale Zuständigkeit Deutschlands könne im Kartellzivilprozess nicht derogiert werden, weil sonst die Anwendung bzw. Durchsetzung des aus deutscher Sicht international zwingenden deutschen Kartellrechts284 gefährdet sei. Dem ist nicht zu folgen.285
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dem Anspruchsberechtigten auch einen Gerichtsstand zur Verfügung stellen“ (= der Sitz der oder einer inländischen Tochtergesellschaft). BGH vom 12.3.1984, NJW 1984, 2037 = RIW 1985, 78 = IPRax 1985, 216 (Roth 198) = IPRspr. 1984 Nr. 135 OLG Frankfurt vom 16.1.1986, RIW 1986, 902 = WM 1986, 701 = ZIP 1986, 497 = IPRspr. 1986 Nr. 31. Wesentlich moderater aber BGH vom 13.1.2005, BGHReport 2005, 530, 533 (Nolting). Sehr stringent aber wiederum OLG München vom 17.5.2006, WM 2006, 1556 = IPRax 2007, 322 (Rühl 294) = WM 2006, 1556 = IHR 2006, 166, 168 (Thume) = IPRspr. 2006 Nr. 11. Hierzu Rühl Eur. Rev. Priv. Law 2007, 891; Quinke SchiedsVZ 2007, 246. Es soll sogar für die Bejahung des Derogationsverbots ausreichen, wenn die nahe liegende Gefahr besteht, dass das forum prorogatum international zwingendes deutsches Recht nicht anwenden wird. Einer positiven Feststellung, dass dies so sein wird, bedarf es nicht, OLG München vom 17.5.2006, IPRax 2007, 322 (Rühl 294) = WM 2006, 1556 = IHR 2006, 166, 168 (Thume) = IPRspr. 2006 Nr. 11. Hierzu Rühl Eur. Rev. Priv. Law 2007, 891; Quinke SchiedsVZ 2007, 246. Nachweise bei Gottschalk/Breßler, Missbrauchskontrolle von Gerichtsstandsvereinbarungen im europäischen Zivilprozessrecht, ZEuP 2007, 56, 61; Kowalke, Die Zulässigkeit von Gerichtsstands-, Schiedsgerichts-, und Rechtswahlklauseln bei Börsentermingeschäften, 2002; Redmann, Ordre public-Kontrolle von Gerichtsstandsvereinbarungen, Diss. Kiel 2005; Rühl, Die Wirksamkeit von Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen im Lichte der Ingmar-Entscheidung des EuGH, IPRax 2007, 294, 296. Immenga in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, IntWettbR/ IntKartR Rz. 81. Nachweise bei Schmidt/Hermesdorf RIW 1986, 180 Fußn. 3. Auch eine Schiedsvereinbarung ist zulässig, § 1030 ZPO.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 1060 Ein weiteres Derogationsverbot zur Durchsetzung internationaler zwingender Normen zum Schutz der schwächeren Partei hält im Verbraucherschutzrecht Kropholler für diskutabel.286 1061 In die gleiche Richtung zielen einzelne Arbeitsgerichte, welche die Derogation der deutschen internationalen Zuständigkeit dann für unwirksam halten, wenn die Durchsetzung international zwingender Arbeitnehmerschutznormen gefährdet ist. Dagegen ist festzuhalten: Auch in Arbeitssachen ist die Derogation der internationalen Zuständigkeit nach den allgemeinen Regeln zulässig.287 1062 Im Wettbewerbsrecht wird die Derogierbarkeit der aus § 14 UWG fließenden internationalen Zuständigkeit verneint, jedenfalls dann, wenn die Ansprüche nur auf das UWG gestützt sind, also nicht mit Ansprüchen aus anderen Vorschriften konkurrieren.288 1063 f) Rechtswahlklauseln: Auch im Bereich der Parteivereinbarungen sind forum und ius streng zu trennen. Aus der Vereinbarung der Anwendbarkeit deutschen Rechts folgt noch nicht die Vereinbarung der internationalen Zuständigkeit Deutschlands und umgekehrt aus der Prorogation auf das Inland nicht unbedingt die Anwendbarkeit deutschen Rechts, Rz. 1674, 1775. 2. Kein negativer Gleichlauf 1064 Keine internationale Unzuständigkeit Deutschlands aufgrund Anwendbarkeit ausländischen Sachrechts: Das Gleichlaufprinzip ist zuständigkeitsrechtlich in jeder Hinsicht untauglich, sowohl zur Zuständigkeitserweiterung (Rz. 1044) als auch zur Zuständigkeitsbegrenzung.289 Eine Beschränkung der internationalen Zuständigkeit nur auf diejenigen Rechtsstreitigkeiten, die gemäß deutschem in-
286 Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 541. Ebenso OLG München vom 17.5.2006, IPRax 2007, 322 (Rühl 294) = WM 2006, 1556 = IHR 2006, 166, 168 (Thume) = IPRspr. 2006 Nr. 11. Hierzu Rühl Eur. Rev. Priv. Law 2007, 891; Quinke SchiedsVZ 2007, 246; Maier NJW 1958, 1329 sowie AWD 1960, 217 für § 89b HGB (Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters). Dagegen BGH vom 30.1.1961, NJW 1961, 1061 = AWD 1961, 103 (Maier); Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 226; Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 541 Fußn. 1230 mit der Begründung, dass § 89b HGB nicht international zwingendes Recht sei. 287 Anderer Auffassung Birk RdA 1983, 143, 150 (gegen isolierte Derogation und Derogation des Gerichtsstandes am gewöhnlichen Arbeitsort), offen gelassen von Martiny in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Art. 30 EGBGB Rz. 172. Nachweise unten in Rz. 1774. 288 BAG vom 20.7.1970, NJW 1970, 1280 = AWD 1970, 577 (Trinkner) = IPRspr. 1970 Nr. 109c (362); Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 532. Siehe auch Otte, Umfassende Streitentscheidung durch Beachtung von Sachzusammenhängen – Gerechtigkeit durch Verfahrensabstimmung?, 1998, 575. 289 Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 606a Rz. 29.
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Anwendbares Recht ternationalen Privatrecht nach inländischem Recht zu entscheiden sind, wäre atavistisch und ist indiskutabel.290 Dies ist für den Zivilprozess – einschließlich der Sonderverfahren (z.B. nach 1065 dem Unterlassungsklagengesetz291) – unbestritten. Jedoch hielt bis 31.8.2009 die Rechtsprechung im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu Unrecht an dem Grundsatz fest, dass die internationale Zuständigkeit in Nachlasssachen nur dann zu bejahen ist, wenn deutsches materielles Recht lex causae ist,292 Rz. 1247. Diese Doktrin ist nunmehr durch §105 FamFG überholt.293 Auch sollte vor dem 1.9.2009 die klageweise Verfolgung des im Dispacheverfah- 1066 ren294 erhobenen Widerspruchs (§ 407 FamFG) vor deutschen Gerichten nicht zulässig sein, wenn die Dispache nach ausländischem Recht aufgemacht ist.295 Auch dies trifft nicht (mehr) zu. Freilich wird es oft an einer örtlichen und damit auch internationalen Zuständigkeit (§ 377 II FamFG)296 fehlen. Dass die deutsche Entscheidung von der (vom deutschen internationalen Privatrecht bestimmten) lex causae nicht anerkannt wird, ist kein Grund, eine nach deutschem Kompetenzrecht gegebene internationale Entscheidungszuständig-
290 Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, 199. „Ein Kollisionsrecht, das Macht über die internationale Zuständigkeit beansprucht, sägt sich selber den Ast ab, auf dem es sitzt“, von Bar, Internationales Privatrecht I1, 1987, Rz. 408. Anders aber aus öffentlich-rechtlicher Sicht Eichenhofer, Internationales Sozialrecht, 1994, Rz. 639. 291 Mankowski IPRax 1991, 306 bei Fußn. 24; wohl auch Micklitz in Münchener Kommentar zum BGB4, 2001, § 14 AGBG. 292 BayObLG vom 4.9.1995, StAZ 1996, 171 = IPRspr. 1995 Nr. 117; OLG Zweibrücken vom 10.7.1985, OLGZ 1985, 413 = IPRax 1987, 108 (Witz/Bopp 83) = IPRspr. 1985 Nr. 211; OLG Hamm vom 28.2.2005, FamRZ 2005, 1705.Nachweise bei Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, 212, 240; Mansel, Personalstatut, Staatsangehörigkeit und Effektivität, 1988, Rz. 465; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 98; Ultsch MittBayNot 1995, 5. Dagegen überzeugend z.B. Dölle RabelsZ 27 (1962/63), 217 und Walther J. Habscheid Freiwillige Gerichtsbarkeit7, 1983, § 11 III A 1c: Der Staat gefährde seine Aufgabe, für Rechtsschutz und Rechtsfrieden zu sorgen, wenn er seinen Gerichten nur bei Anwendbarkeit von deutschem Recht die Befugnis zum Tätigwerden verleihe. Gegen negativen Gleichlauf: R. Geimer in Symposion Außerstreitreform, 1992, 114 (Veröffentlichungen des Ludwig Boltzmann-Institutes für Rechtsvorsorge und Urkundenwesen, Bd. XI); Heldrich NJW 1967, 417; Palandt/Thorn, BGB69, 2009, Art. 25 EGBGB Rz. 18 ff.; v. Craushaar, Die internationalrechtliche Anwendbarkeit deutscher Prozessnormen, 1961, 95; Nachweise bei Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit15, 2003, § 73 Rz. 19; für negativen Gleichlauf – um den internationalen Entscheidungseinklang zu wahren Neuhaus NJW 1967, 1168. 293 Amtliche Begründung zu § 105 FamFG, Bundestagsdrucksache 16/6308, S. 221: „Auch die … internationale Zuständigkeit in Nachlass- und Teilungssachen soll sich … gemäß § 105 aus der örtlichen Zuständigkeit nach den §§ 343, 344 ergeben. Damit ist der ungeschriebenen sog. Gleichlauftheorie, wonach die deutschen Gerichte nur bei Anwendung deutschen Sachrechts zuständig seien, eine Absage erteilt.“ 294 Hierzu Rabe, Seehandelsrecht4, 2000, § 729 HGB Anh. Rz. 1 ff. 295 LG Lübeck vom 9.4.1935, HansRGZ 1935 B 359 = IPRspr. 1935–1944 Nr. 749. 296 Keidel/Winkler/Kuntze, Freiwillige Gerichtsbarkeit15, 2003, § 156 FGG Rz. 1.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit keit zu verneinen. Dies ist ein allgemeines Prinzip des deutschen internationalen Zivilverfahrensrechts, Rz. 991. 1068 Es war früher nur durch die Sondervorschrift des § 606b Nr. 1 a.F. modifiziert. Diese Regel (Rz. 78, 1954) hat die Reform des Internationalen Privatrechts von 1986 – entgegen den Vorschlägen der Wissenschaft297 – als § 606a I 1 Nr. 4 ZPO (jetzt § 98 I Nr. 4 FamFG) überlebt, jedoch inhaltlich verändert. Während früher – bei reinen Ausländerprozessen – positiv feststehen musste, dass die deutsche Entscheidung im Heimatstaat des Ehemannes anerkannt wird (positive Anerkennungsprognose), wird nach § 98 I Nr. 4 FamFG die internationale Aufenthaltszuständigkeit nur dann (ausnahmsweise) verneint, wenn die deutsche Entscheidung offensichtlich weder im Heimatstaat des Mannes noch in dem der Frau anerkannt wird (negative Anerkennungsprognose).298 1069 Eine Konkordanz zwischen lex causae und Anerkennung – wie früher im Verhältnis zwischen Art. 17 I EGBGB a.F. und § 606b Nr. 1 ZPO a.F. – besteht nicht mehr. Die Anerkennung durch die lex causae, die nicht unbedingt das Recht eines der Heimatstaaten zu sein braucht, spielt keine Rolle.299 Auch wenn die lex causae nicht anerkennt, ist die internationale Aufenthaltszuständigkeit zu bejahen, wenn wenigstens ein Heimatstaat anerkennt. Umgekehrt ist nach dem Wortlaut der Nr. 4 auch bei Anerkennung durch die lex causae die internationale Zuständigkeit zu verneinen, wenn offensichtlich kein Heimatstaat bereit ist, die deutsche Entscheidung anzuerkennen. Dies gibt wenig Sinn. Deshalb entfällt das Anerkennungserfordernis der Nr. 4, wenn die ausländische lex causae anerkennt.300 1070 Auch im internationalen Adoptionsrecht301 hängt die internationale Zuständigkeit Deutschlands (§ 101 FamFG) nicht von der Anerkennung der deutschen Entscheidung durch die lex causae ab.302
II. Internationale Anerkennungszuständigkeit 1071 Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung in Deutschland setzt nicht voraus, dass diese auch die lex causae anerkennt. Sind die Anerkennungsvoraussetzungen (Staatsvertrag bzw. § 328 ZPO/§ 109 FamFG) gegeben, so ist die ausländische Entscheidung im Inland auch dann anzuerkennen, wenn die lex causae die drittstaatliche Entscheidung nicht anerkennt. Dies gilt auch vice ver297 Max-Planck-Institut RabelsZ 47 (1983), 680; Nachweise bei Dessauer, IPR, Ethik und Politik, 1986, 809. 298 Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 606a Rz. 30, 55. 299 Kritisch Dessauer, IPR, Ethik und Politik, 1986, 733, 851. 300 Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 606a Rz. 30. 301 Beispiel: OLG Celle vom 6.10.1994, FamRZ 1995, 829 = StAZ 1995, 171 = IPRspr. 1994 Nr. 190. 302 Erman/Hohloch, BGB12, 2008, Art. 22 EGBGB Rz. 20; ebenso Klinkhardt in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2006, Art. 22 EGBGB Rz. 75 f., der aber forum non conveniens-Erwägungen anstellt. Hierzu auch Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 424. Vgl. auch BayObLG vom 4.9.1995, StAZ 1996, 171 = IPRspr. 1995 Nr. 117.
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Forum non conveniens sa. Ist nach dem deutschen Anerkennungsrecht die Anerkennung zu verweigern, so ist die ausländische Entscheidung aus deutscher Sicht unbeachtlich, auch wenn die lex causae die Entscheidung anerkennt, Rz. 42, 2809. Hiervon zu unterscheiden ist, dass das deutsche Anerkennungsrecht in den Fällen des § 109 II und III FamFG auf die Prüfung der internationalen Zuständigkeit verzichtet. Die an sich nach den deutschen Regeln (§ 109 I Nr. 1 FamFG) fehlende internationale Zuständigkeit des Erststaates steht der Anerkennung dann nicht entgegen, wenn die zur Anerkennung anstehende drittstaatliche Entscheidung sowohl im Heimatstaat des Mannes als auch der Frau anerkannt wird.303
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6. Kapitel: Forum non conveniens I. Überblick Im Bereich des common law304 wurde – ausgehend von Schottland – die Lehre vom forum non conveniens entwickelt: Trotz Vorliegens eines Kompetenzgrun303 Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 606a Rz. 98. 304 Adolphsen, Europäisches und internationales Zivilprozessrecht in Patentsachen2, 2009, Rz. 456; Berger RabelsZ 41 (1977), 39; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 276 ff.; Born/Rutledge, International Civil Litigation in the United States Courts4, 2006, 347 ff., 367; Casad/Richman, Jurisdiction in Civil Actions, Territorial Basis and Process Limitations on Jurisdiction of State and Federal Courts3, vol. 1, 1999, 21 ff.; Cheshire/North & Fawcett, Private International Law14, 2008, 426 ff.; Cube, Die internationale Zuständigkeit der englischen Zivilgerichte: Im Spannungsverhältnis von Common Law und Europarecht, Diss. Göttingen 2004, 84 ff., 147 ff.; Dahl, Forum Non Conveniens, Latin America and Blocking Staututes, IntAmLREv 2004, 21; Dörig, Anerkennung und Vollstreckung US-amerikanischer Entscheidungen in der Schweiz, 1998, 195; Dorsel, Forum non conveniens – Richterliche Beschränkung der Wahl des Gerichtsstands im deutschen und amerikanischen Recht, 1996; Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006, 135; Ebke RIW 1991, 776; Erwand, Forum non conveniens und EuGVÜ, 1996; von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht9, 2007, § 3 Rz. 68; Juenger Sydney L. Rev. 18 (1994), 5, 28; Juenger in Festschrift Schütze, 1999, 317; Karayanni, Forum non conveniens in the modern age, 2004; Mankowski IPRax 1999, 155, 156; Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts6, 2006, § 58 VII; Mack, Forum Non Conveniens – Abweisung ohne Zuständigkeitsprüfung, IPRax 2007, 464; Mankowski EWiR 2007, 275; Arnaud Nuyts, L’exception de forum non conveniens, thèse Université libre de Bruxelles, 2003; von Rönn, Die Anwendung des Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens im Vereinigten Königreich, 1996, 86; Schlosser, Jurisdiction and International Judicial and Administrative Co-Operation, RdC 284 (2000), 9, 53 ff.; Scoles/Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws4, 2004, 11.8 ff.; Hay ZZP 107 (1994), 263; Schollmeyer ZZP 108 (1995), 530; Ultsch RIW 1997, 26. Siehe auch Felder, Die Lehre vom Forum Non Conveniens: Voraussehbarkeit des Ergebnisses ihrer Anwendung und prozessuale Aspekte für Verfahrensparteien vor den U.S. Federal Courts und den State Courts in
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit des kann der Richter im konkreten Fall das forum für non conveniens erklären, d.h. die Annahme der Klage und damit eine Sachentscheidung ablehnen.305 Diese Doktrin gibt dem Richter ein „zuständigkeitsrechtliches Ermessensinstrument“306 in die Hand. In der Regel übt das Gericht sein Ermessen auf Antrag (motion) des Beklagten aus. Hält das Gericht die eigene (an sich gegebene) Zuständigkeit für seriously inconvenient und die eines Gerichts im Ausland wegen der größeren Sachnähe (Anwesenheit von Zeugen, Vorliegen von Urkunden etc.) für more convenient, so weist es die Klage unter der Auflage ab, dass sich der Antragsteller der Jurisdiktion des anderen (ausländischen Gerichts) unterwirft und wegen des Forumwechsels sich nicht auf Verfristungen beruft, wie z.B. auf die in der Zwischenzeit eingetretene Verjährung.307 Voraussetzung ist aber stets, dass ein more convenient forum („adequate alternative forum“) vorhanden ist.308
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New York bei class actions unter besonderer Berücksichtigung deutscher alternativer Foren und Parteien, Diss. Konstanz 2005; Hoppe, Die Einbeziehung ausländischer Beteiligter in US-amerikanische class actions: Unter Berücksichtigung des Class Action Fairness Act 2005, Diss. Köln 2005; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 122 mit weiteren Nachweisen. Nachweise bei Hay in Assmann/Bungert, Handbuch des US-amerikanischen Handels-, Gesellschafts- und Wirtschaftsrechts, Bd. I, 2001, Rz. 102; Zekoll, 61 Alb. L. Rev. 1283; Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 487 ff.; Scheucher, Studien zur internationalen Zuständigkeit in Vermögensstreitigkeiten, 1972, 69 ff.; Wahl, Die verfehlte internationale Zuständigkeit, Forum non conveniens und internationales Rechtsschutzbedürfnis, 1974; Blum, Forum non conveniens, 1979; Leckszas, Die Lehre vom forum non conveniens im amerikanischen Recht, 1978. Eine Reihe von Autoren hat sich für die Übernahme dieser Lehre in das deutsche internationale Zivilverfahrensrecht ausgesprochen: Wengler NJW 1959, 127, 130; Wengler AcP 165 (1965), 370; Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 486; Siehr RabelsZ 34 (1970), 629; Keller/Siehr, Allgemeine Lehren des internationalen Privatrechts, 1986, 584; Jayme StAZ 1975, 81; Jayme IPRax 1984, 303; sympathisierend von Hoffmann IPRax 1982, 222 bei Fußn. 56; Soergel/Kronke, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 38 EGBGB Anh. IV Rz. 26; OLG Frankfurt vom 12.7.1973, StAZ 1975, 98 (Jayme 91) = IPRspr. 1973 Nr. 171A; LG Hamburg vom 6.8.1975, WM 1976, 985 = RIW 1976, 228 = IPRspr. 1975 Nr. 141; AG Eggenfelden IPRax 1982, 78; AG Würzburg vom 7.8.1984, IPRax 1985, 111. Weitere Nachweise bei Dorsel, Forum non conveniens. Richterliche Beschränkung der Wahl des Gerichtsstandes im deutschen und amerikanischen Recht, 1996; Erwand, forum non conveniens und EuGVÜ, 1996, 95 ff.; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 382; Reuss RIW 1991, 542; Schütze DZWiR 1991, 239; Fischer RIW 1992, 57; Schack RabelsZ 58 (1994), 40; Collins/Davenport L.Q.Rev. 110 (1994), 325; Checa Martínez, Fundamentos y límites del forum shopping: modelos europeo y angloamericano, Riv. dir. intern. Priv. proc. 1998, 521. Schnyder, Wirtschaftskollisionsrecht, 1990, 213 Rz. 264. Nachweise zum US-Recht Hay/Hampe RIW 1998, 760, 764; zum englischen Recht House of Lords vom 20.7.2000, Lubbe et al. v. Cape Plc. (U.K.) [2000] 1 W.L.R. 1545; hierzu Blobel/Späth RIW 2001, 598. Rechtsvergleichend Schlosser, Jurisdiction and International Judicial and Administrative Co-Operation, RdC 284 (2000), 9, 53 ff. Hay a.a.O.; Born/Rutledge, International Civil Litigation in the United States Courts4, 2006, 404 ff.
Forum non conveniens US-amerikanische Gerichte unterscheiden bei ihrer Abwägung einerseits private Interessen der Parteien (private interest factors) und andererseits öffentliche Interessen (public interest factors).309 Zur ersten Gruppe gehören folgende Aspekte: – Leichtigkeit des Zugriffs auf Zeugen und sonstige Beweismittel, – Vollstreckungsmöglichkeiten der beantragten Entscheidung, – Möglichkeit, mit dem Prozessbevollmächtigtenächtigten ein Erfolgshonorar zu vereinbaren und auf diese Weise ohne Einsatz eigener Mittel klagen zu können. Kriterien bei der Bewertung der public interest factors sind: – Belastung des Gerichtsstaates und seines Justizapparates (wichtig bei reinen Ausländerprozessen), – Vertrautheit des Gerichts mit dem in der Sache anwendbaren ausländischen Recht.
II. Die Thesen Wahls Wahl versucht zu beweisen, dass die Lehre vom forum non conveniens im Grun- 1074 de übereinstimmt mit der deutschen Lehre vom (fehlenden) Rechtsschutzbedürfnis. Er plädiert für ein Aufweichen der starren Zuständigkeitsregeln und postuliert als oberstes Prozessziel ein „richtiges Sachurteil aufgrund eines gerechten Verfahrens“. Nach Wahl310 ist in jedem Einzelfall zu fragen: „Ist im Vergleich zu anderen Gerichtsständen der inländische noch als geeignet anzusehen, im konkreten Fall Prozessökonomie, Verfahrensgerechtigkeit und richtige Beurteilung des Sachverhalts zu gewährleisten?“ Die Regeln über die internationale Zuständigkeit können „in ihrer notwendigen Unvollkommenheit nur Vermutungen begründen, dass das inländische Gericht zur Verwirklichung des allgemeinen Prozesszwecks geeignet ist.“ . . . „Im konkreten Rechtsstreit können Interessen ins Spiel kommen, welche wahrzunehmen der Gesetzgeber nicht informiert und abschließend zu regeln nicht legitimiert ist.“
III. Stellungnahme Die Thesen Wahls sind abzulehnen. Sie gefährden die Rechtssicherheit in uner- 1075 träglichem Maße und öffnen der Willkür Tür und Tor.311 Über die Frage, ob der Prozess in einem anderen Staat „gerechter“ oder „fairer“ entschieden werden könnte, lässt sich endlos streiten. Diese Frage ist schlechthin nicht justiziabel. 309 Prägnante Zusammenstellung bei Mankowski IPRax 1999, 156. Umfangreiche Nachweise bei Born/Rutledge, International Civil Litigation in the United States Courts4, 2006, 387 ff. 310 Wahl, Die verfehlte internationale Zuständigkeit, 1974, 126. 311 Zustimmend z.B. Kubis, Internationale Zuständigkeit bei Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechtsverletzungen, 1999, 141; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 606a ZPO Rz. 310.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit Wahl leugnet in einer verfassungsrechtlich nicht haltbaren Weise die Bindung des Richters an das Gesetz: Laut Wahl hat der Richter das Gesetz zu ignorieren und die im Vorfeld des Gesetzes liegenden (de lege ferenda zu berücksichtigenden) Interessen abzuwägen. Damit fordert er aber den Richter auf, die Arbeit des Gesetzgebers zu tun und dessen Funktion zu übernehmen. Dies ist dem Richter im gewaltenteilenden Rechtsstaat verboten. Zudem ist es höchst fraglich, ob die Lehre vom forum non conveniens mit dem aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Anspruch auf Justizgewährung (Rz. 1957) und dem Anspruch auf den gesetzlichen, d.h. im Voraus nach einer bestimmten oder zumindest bestimmbaren Regel festgelegten Richter (Art. 101 I GG) zu vereinbaren ist, Rz. 250.312 1076 Dass sich der deutsche Richter mit der Anwendung ausländischen, oft nur sehr schwer auffindbaren und auslegbaren Rechts (mitunter) schwer tut, ist ein Gemeinplatz, der die Diskussion über die Grenzen der deutschen internationalen Zuständigkeit nicht bereichert.313 Wer der Auffassung ist, dass deutsche Richter ausländisches Recht nicht richtig zu handhaben verstehen, möge das System des deutschen internationalen Privatrechts in Frage stellen, mithin den Anspruch auf Justizgewährung anhand ausländischer Normen sinnvoll eingrenzen, wie dies der BGH314 in einer diskutablen Form getan hat. Aber die Kritik am Zuständigkeitssystem ist verfehlt. 1077 Entschieden zu widersprechen ist auch der These, die Schwierigkeit oder Leichtigkeit der Sachverhaltsaufklärung sei kompetenzrechtlich relevant. Es ist mit den Prinzipien des deutschen und darüber hinaus wohl auch des kontinentaleuropäischen Zivilprozesses nicht zu vereinbaren, die Frage der Bejahung oder Verneinung der internationalen Zuständigkeit davon abhängig zu machen, ob eine für die Entscheidung des Rechtsstreits relevante Tatsachenbehauptung vom Beklagten zugestanden oder bestritten wird bzw. mit liquiden oder weniger liquiden Beweismitteln überprüfbar ist, Rz. 992a.
312 R. Geimer in Festschrift Schwind, 1993, 24; zustimmend z.B. Erwand, Forum non conveniens und EuGVÜ, 1996, 99; Schwarz, Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach deutschem und europäischen Zivilprozessrecht, 1991, 60, 63. Nicht überzeugend Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 490. Hay/Hampe RIW 1998, 760, 764/765 sieht dann keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wenn die Verneinung der an sich gegebenen internationalen Zuständigkeit mit den konkreten Umständen der Nichtermittelbarkeit des anwendbaren ausländischen Rechts und der „Rechtsnähe“ eines bestimmbaren ausländischen Gerichts begründet wird. Auch diese Kriterien sind zu unbestimmt und zu stark von subjektiven Momenten durchsetzt. Sie rechtfertigen jedenfalls nicht den Verlust des Justizgewährungsanspruchs in Deutschland. Wenn das deutsche Gericht – trotz der erforderlichen Anstrengungen – den Inhalt des nach deutschem Kollisionsrecht zur Anwendung berufenen ausländischen Rechts nicht feststellen kann, muss es eben eine Sachentscheidung auf der Basis des dann zum Zuge kommenden „Ersatzrechts“ fällen, Rz. 2599. In anderem Zusammenhang zur Problematik auch Otte, Umfassende Streitentscheidung durch Beachtung von Sachzusammenhängen – Gerechtigkeit durch Verfahrensabstimmung?, 1998, 809 ff. 313 Zustimmend BGH vom 22.10.1996, NJW 1997, 324 = RIW 1997, 152 = IPRax 1997, 257 (R. Geimer 236) = LM § 23 ZPO Nr. 10 = IstR 1997, 127 (Goette) = IPRspr. 1996 Nr. 158. 314 BGH vom 26.10.1977, BGHZ 69, 387 = NJW 1978, 496 = IPRspr. 1977 Nr. 98b.
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Forum non conveniens In einer heftig umstrittenen, von manchen als bahnbrechend bejubelten Entscheidung zur restriktiven Auslegung des § 23 ZPO (welche die vom OLG Stuttgart315 eingeschlagene Linie bestätigt) verlangt der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs – entgegen der hier vertretenen Auffassung – einen „hinreichenden Inlandsbezug des Rechtsstreits“ als Voraussetzung für die Bejahung der internationalen Zuständigkeit Deutschlands, obwohl die Tatbestandsmerkmale der einschlägigen Kompetenznorm gegeben waren.316
1077a
„Damit ist zum ersten Mal in das deutsche Zuständigkeitsrecht ein Begriff von generalklauselartiger Unbestimmtheit eingedrungen.“317 Auf diese Weise wird zwar – anders als im common law – dem Richter nicht offen ein Entscheidungsermessen eingeräumt. Jedoch führt die Entscheidung zu „amerikanischen Zuständen“, weil es auf der Tatbestandsseite im Belieben des Richters steht, ob er einen „hinreichenden Inlandsbezug“ annehmen will.318 Fazit: Sind die Voraussetzungen für die deutsche und internationale Zuständig- 1078 keit gegeben, so ist Deutschland zur Justizgewährung verpflichtet, ohne Rücksicht darauf, welches Recht nach deutschem internationalen Privatrecht anzuwenden ist, welche Mühe die Ermittlung des ausländischen Rechts (§ 293 ZPO) macht, wo die Beweise zu erheben sind etc. Eine Verweigerung der Sachentscheidung aus dem Gesichtspunkt des forum non conveniens, etwa weil das Ver315 OLG Stuttgart vom 6.8.1990, RIW 1990, 829 (Fischer 794) = IPRax 1991, 179 (Fricke 159) = IPRspr. 1991 Nr. 166a. 316 BGH vom 2.7.1991, BGHZ 115, 90 = NJW 1991, 3092 (hierzu R. Geimer 3072) = MDR 1991, 988 = RIW 1991, 856 (hierzu Fischer RIW 1992, 57) = JZ 1992, 51 (Schack) = LM § 23 ZPO Nr. 7 (Pfeiffer) = IPRax 1992, 160 (Schlosser 140) = DZWir 1991, 245 (Schütze 239) = IPRspr. 1991 Nr. 166b; BGH vom 17.1.1995, IPRspr. 1995 Nr. 140b; BGH vom 22.10.1996, NJW 1997, 324 = RIW 1997, 152 = IPRax 1997, 257 (R. Geimer 236) = LM § 23 ZPO Nr. 10 = IStR 1997, 127 (Goette) = IPRspr. 1996 Nr. 158. Hierzu auch Dannemann Int.Comp.L.Q. 41 (1992), 632 sowie Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 526 ff., 545 ff., 634. Ebenso BAG vom 17.7.1997, NZA 1997, 1182 = NJW 1997, 3462 L = DB 1998, 2619 = IPRspr. 1997 Nr. 154; BAG vom 12.12.2001, IPRax 2003, 258 (Franzen 239) = NZA 2002, 734 (Gragert/Drenckhahn NZA 2003, 305) = IPRspr. 2001 Nr. 52; BAG AP Art. 27 EGBGB n.F. Nr. 8 (Knöfel); LAG Köln vom 28.2.2001, NZA-RR 2002, 40 = IPRspr. 2001 Nr. 134; OLG München vom 7.10.1992, RIW 1993, 66 = WM 1992, 2115 = IPRax 1993, 237 (R. Geimer 216) = IPRspr. 1992 Nr. 198; OLG Düsseldorf vom 11.8.1994, RIW 1996, 598 = IPRspr. 1995 Nr. 140a; OLG Celle vom 29.10.1998, NJW 1999, 3722 = IPRspr. 1998 Nr. 159; OLG Düsseldorf vom 9.3.2006, NJOZ 2006, 2719 = IPRspr. 2006 Nr. 110; LG Frankfurt a.M. vom 10.10.1996, IPRspr. 1996 Nr. 157; LAG Frankfurt a.M. vom 16.11.1999, IPRax 2001, 461 (Benecke 449) = IPRspr. 1999 Nr. 47; OLG Rostock vom 11.11.1999, TranspR 2000, 40 = IPRspr. 1999 Nr. 132. 317 Schlosser IPRax 1992, 142. Zur Kritik Grothe RabelsZ 58 (1994), 712; Schack in Festschrift Nakamura, 1996, 495. Zustimmend Kleinstück, Due Process-Beschränkungen des Vermögensgerichtsstandes durch hinreichenden Inlandsbezug und Minimum Contacts, 1994, 123, 217. Aus US-amerikanischer Sicht Hay ZZP 107 (1994), 261. Zur Ausweitung anderer Gerichtsstände als Reaktion auf die Einschränkung des § 23 ZPO Heß ZZPInt 1 (1996), 371, 380. Siehe auch Rz. 3127. 318 Beispiele: OLG München vom 7.10.1992, IPRax 1993, 237 (R. Geimer 216); OLG Düsseldorf vom 11.8.1994, RIW 1996, 598 = IPRspr. 1995 Nr. 140a; OLG Brandenburg vom 22.2.1996, RIW 1997, 424 = IPRspr. 1996 Nr. 141.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit fahren in einem anderen Staat schneller, leichter, besser oder mit mehr Aussicht auf Anerkennung betrieben werden könnte, ist verboten.319 1079 Wollte man die forum non conveniens-Doktrin akzeptieren, so wäre für die Gerichte die Versuchung übermächtig, lästige auslandsrechtliche Fälle abzuschieben.320 1080 Ausnahme: Nur in den vom Gesetz ausdrücklich zugelassenen Fällen (§§ 99 II u III, 103 III, 104 II FamFG) steht es im Ermessen des Gerichts, trotz Vorliegens aller Sachentscheidungsvoraussetzungen eine Sachentscheidung abzulehnen.
IV. Auch keine executio non conveniens 1081 Vorstehende Erwägungen gelten sowohl für das Erkenntnisverfahren wie für das Stadium der Vollstreckung: Wird die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Titels beantragt, so kann dem nicht entgegengehalten werden, der Gläubiger könne besser in einem anderen Staat vollstrecken; dort sei die Vollstreckung leichter, ergiebiger oder sonstwie vorteilhafter. Es gibt keine executio non conveniens.321 Das deutsche Vollstreckungsgericht darf den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses nicht mit der Begründung ablehnen, es bestehe keine realistische Aussicht, dass dieser wirksam werden könne, weil die Zustellung an den im Ausland wohnhaften Drittschuldner nicht möglich sei,322 Rz. 2142. Das gilt auch, wenn der Drittschuldner von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit ist und es deshalb unwahrscheinlich ist, dass die (diplomatische) Zustellung gelingen wird.323 Vgl. Rz. 3242, 3468.
V. Internationale Anerkennungszuständigkeit 1082 Auch bezüglich der internationalen Anerkennungszuständigkeit kommen forum non conveniens-Erwägungen nicht zum Zuge. Wenn ein Zuständigkeitsanknüpfungspunkt für die internationale Zuständigkeit des Erststaates gegeben ist (§ 328 I Nr. 1 in Verbindung mit §§ 12 ff. ZPO, § 109 I Nr. 1 FamFG, § 343 I 2 Nr. 1 InsO), kann diese nicht im Hinblick auf die Besonderheiten des Einzelfalls für non conveniens erklärt werden.324 319 OLG München IPRax 1984, 319 (Jayme 303); Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, 1985, 108; Schütze ZZP 88 (1975), 478. Anderer Auffassung Jayme IPRax 1984, 14 für extreme Ausnahmefälle und OLG Frankfurt vom 15.11.1982 IPRax 1983, 294 (Schlosser 285) = IPRspr. 1982 Nr. 161; Nachweise bei Dessauer, IPR, Ethik und Politik, 1986, 638, 723, 1268 Fußn. 514. 320 Dessauer, IPR, Ethik und Politik, 1986, 654, 724, 862. 321 R. Geimer NJW 1980, 1234 gegen LG Münster vom 21.6.1978, JZ 1978, 651 = MDR 1979, 239 = RIW 1978, 686 = NJW 1980, 534 = IPRspr. 1978 Nr. 153. 322 Mühlhausen WM 1986, 959 Fußn. 13, 20; Raape, Internationales Privatrecht5, 1961, 513. 323 LG Bonn vom 21.6.1966, MDR 1966, 935 = IPRspr. 1966–1967 Nr. 267b. 324 Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 66.
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Forum non conveniens
VI. Familienverfahren und Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit In Familienverfahren und in Parteistreitigkeiten der Freiwilligen Gerichtsbar- 1083 keit gilt das Gleiche wie im Zivilprozess, ebenso im Antragsverfahren, wo das Gesetz dem Antragsteller ein Recht auf Tätigwerden des Gerichts gibt. Anders ist es vielleicht im Amtsverfahren, wo das Gericht einen Ermessens- bzw. Beurteilungsspielraum hat, ob es überhaupt tätig werden soll.325 Siehe z.B. auch § 99 II, III 1 FamFG.
VII. Einzelfragen 1. Zuständigkeitsvereinbarungen Die wirksame Prorogation eines deutschen Gerichts begründet den Anspruch 1084 auf Justizgewährung. Das forum prorogatum darf nicht mit forum non conveniens-Argumenten ausgehebelt werden, Rz. 1739. Die Vereinbarung der Parteien (Prorogation der internationalen Zuständigkeit) darf nicht auf „Vernünftigkeit“ (reasonableness) nachgeprüft werden. Ob das forum prorogatum non conveniens ist oder nicht, haben die deutschen Gerichte nicht zu prüfen. Sie sind ohne Wenn und Aber zur Justizgewährung verpflichtet, auch wenn der Rechtsstreit nicht nach deutschem Recht zu entscheiden, mithin die besondere „Sachkunde“ der deutschen Gerichte in concreto gar nicht gefragt ist, Rz. 1755.326 Ebenso strikt ist die (wirksam vereinbarte) Derogation der internationalen Zuständigkeit Deutschlands zu beachten, Rz. 1759. Auch insoweit ist jede Bevormundung der Parteien unzulässig.327
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2. Staatsangehörigkeitszuständigkeit Die aufgrund der deutschen Staatsangehörigkeit eröffnete internationale Zuständigkeit Deutschlands (Heimatzuständigkeit) darf nicht mit dem Hinweis relativiert werden, sie sei nicht die effektive, Rz. 1327. Art. 5 I 2 EGBGB gilt nur für
325 Zu weitgehend Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit3, 2002, Rz. 178: „Ein an sich zuständiges deutsches Gericht kann das Verfahren einstellen, wenn die ebenfalls zuständigen Gerichte eines anderen Staates dem Sachverhalt näher stehen und damit in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht besser zur Entscheidung berufen sind.“ Dagegen zu Recht Adam, Internationaler Versorgungsausgleich, 1985, 86. Henrich IPRax 1998, 249 betont treffend, dass die bloße Annahme, die deutsche Entscheidung werde im Ausland mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht anerkannt werden, nicht ausreiche, den Justizgewährungsanspruch zu übergehen. Siehe auch Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 422. 326 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 288, 505, 918. Zustimmend Pfeiffer a.a.O. 493. 327 Abzulehnen BGH vom 18.4.1985, BGHZ 94, 156 = NJW 1985, 2090 = RIW 1985, 649 = IPRax 1987, 305 (Nicklisch 286) = IPRspr. 1985 Nr. 137, der (die in § 18 Nr. 1 VOB/B enthaltene) Derogation nicht beachtet, weil die Inanspruchnahme eines ausländischen Prozessbevollmächtigten und die Anwendung ausländischen Prozessrechts die Rechtsverfolgung wesentlich und damit unzumutbar erschwere.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit das internationale Privatrecht, nicht für das internationale Zivilverfahrensrecht.328 1087 Auch die internationale Antrittszuständigkeit329 (Rz. 1337, 1950) darf – sofern man ihre Verfassungsmäßigkeit bejaht330 – nicht eingeengt werden: Nach § 98 I Nr. 1 2. Alternative FamFG genügt zur Eröffnung einer internationalen Zuständigkeit für alle Ehesachen, dass (nur) ein Ehegatte zum Zeitpunkt der Eheschließung deutscher Staatsangehöriger gewesen ist. Ob er die deutsche Staatsangehörigkeit durch Heirat oder sonstige Umstände verloren hat, spielt keine Rolle. Auf die Staatsangehörigkeit des anderen Ehegatten kommt es nicht an. Welche Staatsangehörigkeit der ehemals deutsche Ehegatte nunmehr besitzt oder ob er staatenlos ist, ist ohne Bedeutung, ebenso, wo sich die Eheleute gewöhnlich aufhalten, wo die Ehe geschlossen wurde und wo der gemeinsame Lebensmittelpunkt der Eheleute war/ist. Auch eine nicht effektive deutsche Staatsangehörigkeit eröffnet die internationale Antrittszuständigkeit. 1088 Die internationale Antrittszuständigkeit Deutschlands erstreckt sich auf alle Ehesachen. Sie ist auch dann gegeben, wenn in der Sache ausländisches Recht zur Anwendung kommt (kein Gleichlauf zwischen forum und ius).331 1089 Für eine teleologische Reduktion besteht keine Veranlassung, da Gleichlauf zwischen forum und ius nicht Absicht des deutschen Gesetzgebers ist. Die ratio legis ist vielmehr einleuchtend und überzeugend: Jeder Ehegatte, der bei Eheschließung Deutscher war, soll sich unter den Schutz der deutschen Gerichte
328 BayObLG vom 27.1.1993, BayObLGZ 1993, 21 = NJW 1993, 2057 = FamRZ 1993, 843 = IPRspr. 1993 Nr. 196 (für § 35b Nr. 1 FGG; nunmehr §§ 99, 104 FamFG); Mansel, Personalstatut, Staatsangehörigkeit und Effektivität, 1988, Rz. 444; Sonnenberger BerDGVR 29 (1988), 14; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 606a Rz. 37, 107. Anderer Auffassung Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Anh zu § 606a ZPO Rz. 83. und zu § 606b ZPO a.F. OLG Bamberg vom 1.7.1981, FamRZ 1981, 1106 = IPRax 1982, 29 (Henrich); OLG Frankfurt vom 8.7.1985, IPRax 1986, 384 (zu Recht kritisch Henrich 365 bei Fußn. 11) = IPRspr. 1985 Nr. 207; KG vom 5.11.1997, NJW 1998, 1565 = IPRax 1998, 274, 275 (Henrich 247). Weitere Nachweise bei Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 – Vergemeinschaftung, Anwendungsbereich und insbesondere die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, 2004, Rz. 476. 329 Rechtsvergleichend Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 – Vergemeinschaftung, Anwendungsbereich und insbesondere die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, 2004, Rz. 372. 330 Zweifel bei R. Geimer in Festschrift Schwind 1993, 26; unter der Hypothese der Verfassungswidrigkeit hilft auch eine teleologische Reduktion nicht weiter. 331 Zu eng daher Deutscher Rat für Internationales Privatrecht (Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Eherechts von 1962, 32) und amtliche Begründung zum IPR-Reformgesetz 1986, Bundestagsdrucksache 10/504 S. 90, die Antrittszuständigkeit sei das „prozessuale Gegenstück zum so genannten Antrittsrecht nach Art. 17 I 2 EGBGB“. Mit dem Gleichlaufgedanken sympathisierend auch Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 – Vergemeinschaftung, Anwendungsbereich und insbesondere die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, 2004, Rz. 372.
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Forum non conveniens begeben können.332 Das gleiche Recht wird dem ausländischen oder staatenlosen Ehepartner eingeräumt (wenn dieser Antragsteller/Kläger und der ehemalige Deutsche Antragsgegner/Beklagter ist). Ob es zweckmäßig ist, ein deutsches Gericht anzurufen, oder ob es aus der „internationalen Vogelschau“ besser (für wen auch immer) wäre, vor ein ausländisches Forum zu gehen, darüber zu befinden, steht dem deutschen Gericht nicht zu. 3. Wohnsitz-/Sitzzuständigkeit Die Streitgegenstandsferne des Wohnsitzgerichtsstandes (Rz. 1280) ist kein 1089a Grund, dieses Forum für non conveniens zu erklären. Beispiel:333 Die Parteien sind Konkurrenten auf dem US-Markt. Der Kläger verklagt den Beklagten vor einem deutschen Gericht auf Stellung eines Löschungsantrags in den USA bezüglich eines dort registrierten Warenzeichens. Er könnte auch in den USA nach dortigem Recht auf Löschung klagen. Gleichwohl ist die auf §§ 3 ff. UWG, §§ 823, 1004 BGB gestützte inländische Klage zulässig, Rz. 1281. 4. Beschleunigtes Verfahren im Ausland Könnte der Kläger/Antragsteller – anstelle durch Klage im Inland – seine An- 1089b sprüche im Ausland in einem beschleunigten Verfahren (summary proceedings etc.) durchsetzen, so entfällt gleichwohl nicht das Rechtsschutzbedürfnis im Inland. 5. Durchführung eines Beweissicherungsverfahrens im Inland Ein Beweissicherungsantrag kann nicht mit der Begründung abgelehnt werden, die erforderlichen Beweise könne auch ein ausländisches Gericht erheben.334
1090
6. Scheitern der Auslandszustellung Scheitert die Zustellung der Klage-/Antragsschrift im Ausland, dann ist dies 1091 kein Grund, den Kläger an die ausländischen Gerichte zu verweisen, Rz. 252, 1229, 1957. Das Gleiche gilt für eine Forderungspfändung, wenn sich der Drittschuldner im Ausland aufhält, Rz. 1081, 2142. 7. Adoptionen Bei präsumtiver Nichtanerkennung der deutschen Entscheidung durch die lex 1091a causae will Klinkhardt335 nicht überzeugend forum non conveniens-Überlegungen anstellen, Rz. 1070. 332 Mansel, Personalstatut, Staatsangehörigkeit und Effektivität, 1988, Rz. 447; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 606a Rz. 45. 333 OLG Hamm vom 20.6.1985, NJW-RR 1986, 1047 = IPRspr. 1985 Nr. 141. 334 Stürner IPRax 1984, 299. 335 Klinkhardt in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2006, Art. 22 EGBGB Rz. 76.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 8. Andere Familiensachen 1091b
Auch sonst scheiden forum non conveniens-Erwägungen nach richtiger Ansicht aus.336
VIII. Rechtsvergleichendes 1092 Die Begeisterung der Anhänger der Lehre vom forum non conveniens, die nicht müde werden, diese Lehre zu preisen, weil sie zu so „vernünftigen oder gerechten Ergebnissen“ führe und weil jeweils das Gericht mit der größten Sachnähe mit dem Fall befasst wäre, würde verstummen, wenn man die praktische Handhabung dieser Doktrin durch die US-Gerichte betrachtete. Während sich diese nicht scheuen, Beklagte, die sich im Ausland aufhalten, schon bei geringster Beziehung (minimum contact), und sei es nur doing business, in den USA generell (Rz. 1154) gerichtspflichtig zu machen,337 benachteiligen sie nicht selten ausländische Kläger dadurch, dass sie sich bei Klagen gegen amerikanische Beklagte als forum non conveniens bezeichnen und deshalb Rechtsschutz verweigern.338 1093 Andererseits werden „amerikanische Interessen“ auf Biegen und Brechen durchgesetzt.339 Beispiel: Verkehrsunfall in Hamburg. Alle Zeugen wohnen dort. Die dortige Polizei hatte den Unfall aufgenommen, die dortige Staatsanwaltschaft ermittelte. In 336 Allerdings wollte Schwimann (MünchKomm zum Bürgerlichen Gesetzbuch2, 1990, Art. 14 EGBGB Rz. 130) prüfen, ob für Verfahren im Inland „Rechtsschutzbedürfnis“ besteht, „wenn das inländische Urteil im Ausland vollstreckt werden muss und dort nicht anerkannt wird“. Wie hier aber Coester in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch3, 1998, Art. 14 EGBGB Rz. 129. 337 Nachweise bei Junker IPRax 1986, 197; Heß AG, 2006, 809, 811; Heß AG, 2006, 809, 812; Heidenberger RIW 1986, 489; Harald Müller, Die Gerichtspflichtigkeit wegen „doing business“, 1992 (besprochen von Hay ZZP 107 [1994], 259); Knapp, Die USamerikanische Produkthaftung in der Praxis der deutschen Automobilindustrie, 1997, 125; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 320 ff., 551 ff.; Schlosser, Jurisdiction and International Judicial and Administrative Co-Operation, RdC 284 (2000), 56 ff.; Göpfert/Berger, Jury-Ausschlussklauseln in Verträgen mit amerikanischen Unternehmen, ZIP 2005, 1540, 1542. 338 Vgl. z.B. Piper Aircraft Co. v. Reyno, 454 U.S. 235, 256: „When the home forum has been chosen, it is reasonable to assume that this choice is convenient. When the plaintiff is foreign, however, this assumption is much less reasonable. Because the central purpose of any forum non conveniens inquiry is to ensure that the trial is convenient, a foreign plaintiff’s choice deserves less deference.“ – Pain v. United Technologies Corp., 205 U.S. App. D.C. 229, 252–253 = 637 F. 2d 775, 796–797 (1980): „Citizenship and residence are proxies for convenience.“ Kritisch auch Zekoll 61 Alb. L. Rev. 1283, 1297. Nachweise auch bei Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, 107 Fußn. 14; Koch/Zekoll RIW 1985, 841 Fußn. 55; Pfeiffer a.a.O. 659; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht3, 2003, 35; Schütze RIW 2004, 162, 165; Schütze in Festschrift Jayme, 2004, 849; Schütze RIW 2007, 801: „Scheinheilig und unredlich ist die Begründung für diese Praxis …., wonach Ausländer vor der Bürde des jury trial geschützt werden sollen“. Siehe auch Buchner, Klägerund Beklagtenschutz im Recht der internationalen Zuständigkeit, 1998, 38 f. 339 Vgl. z.B. Posch ZfRV 2001, 14.
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Forum non conveniens der Sache war deutsches Recht anzuwenden. Gleichwohl erklärte das kalifornische Gericht sein forum für conveniens, weil das deutsche Recht kein jury trial kenne, und deshalb kein so ordnungsgemäßes Verfahren gewährleistet sei, wie in Kalifornien.340 Auch handfeste finanzielle Interessen des Gerichtsstaates (an Gerichtskosten), aber vor allem der Anwaltschaft spielen eine Rolle: So dürfen im US-Bundesstaat New York Klagen mit einem Streitwert von mehr als einer Million US-Dollar341 aus forum non conveniens-Gründen nicht mehr abgewiesen werden342 (sofern eine basis of jurisdiction oder eine Prorogation vorliegt und die Anwendung New Yorker Rechts vereinbart ist).
1093a
In Österreich wollte der Oberste Gerichtshof343 trotz Vorliegens eines Gerichts- 1094 standes im Inland die internationale Zuständigkeit verneinen, „wenn die durch den Gerichtsstand repräsentierte Inlandsbeziehung für die Bejahung des inländischen Justizbedürfnisses insgesamt (nicht) ausreicht“. Klare Konturen hatte diese Formel nicht. Sie beschwor nutzlose (Zeit, Kraft und Geld verschlingende) Zuständigkeitsstreitigkeiten herauf.344 Dieser Rechtsprechung hat der österreichische Gesetzgeber durch § 27a I JN345 die Basis entzogen:346 „Sind für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines Gerichtes gegeben, so besteht die inländische Gerichtsbarkeit,347 ohne dass eine sonstige Voraussetzung erfüllt sein muss.“
IX. Mutwilligkeit der Rechtsverfolgung Ist die beabsichtigte Rechtsverfolgung im Inland „mutwillig“, so wird Prozessbzw. Verfahrenskostenhilfe versagt, Rz. 2009. Gleichwohl kann – auf eigene Kosten – im Inland geklagt werden, wenn ein Zuständigkeitsanknüpfungspunkt gegeben ist. Die Mutwilligkeitserwägungen des Prozesskostenhilferechts sind also im Kompetenzrecht irrelevant.348 340 Schütze WM 1983, 1980. Allerdings ist aus US-amerikanischer Sicht das Fehlen einer Jury im ausländischen Gerichtsstaat für sich allein noch kein Grund, von forum non conveniens-Erwägungen Abstand zu nehmen. 341 Eine Überschwemmung der New Yorker Gerichte durch Kleinklagen will man verhindern. 342 Ebenroth/Tzeschlok IPRax 1988, 199. Siehe auch §-1402 N.Y. General Obligations Law betreffend forum prorogatum. Ohne Beschränkung N.Y. Civil Practice Law & Rules § 327. 343 EvBl. 1984/55; zu Recht kritisch Matscher JBl. 1996, 354. 344 Kritisch gegen die „Indikationentheorie“ Matscher JBl 1996, 277; Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, Einl. Rz. 31 vor Art. IX EGJN. 345 Eingefügt mit Wirkung ab 1.1.1998 durch die Erweiterte Wertgrenzen-Novelle 1997. 346 Matscher JBl 1998, 488; ausführlich Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, Einl. Rz. 22 ff. vor Art. IX EGJN; Heiss/Mayr IPRax 1999, 305. Vgl. auch Mankowski IPRax 1998, 126. 347 In der österr. Gesetzessprache unterscheidet man nicht zwischen Gerichtsbarkeit und internationaler Zuständigkeit, kritisch Heiss/Mayr IPRax 1999, 305, 306. 348 Ebenso im Ergebnis OLG Zweibrücken vom 12.2.1999, IPRax 1999, 475 (Mansel).
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit Beispiel: Nach einer im Vordringen befindlichen Ansicht,349 deren Richtigkeit hier dahinstehen kann, soll Verfahrenskostenhilfe (§§ 76 ff. FamFG) für die Scheidung einer Ehe versagt werden, die nur geschlossen worden war, um einem Ausländer eine Aufenthaltsgenehmigung zu verschaffen. Unberührt bleibt jedenfalls die Möglichkeit, aus eigenen Mitteln den Scheidungsantrag zu betreiben. Das Gleiche soll gelten, wenn die deutsche Scheidung im gemeinsamen Heimatstaat beider Ehegatten nicht anerkannt würde und der andere Ehegatte dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat; denn es bestehe kein Interesse, eine hinkende Ehescheidung zu vermeiden.350
X. Unanwendbarkeit der forum (non) conveniens-Doktrin im Anwendungsbereich des Brüssel I- und II-Systems 1094b
Die EuGVVO und das LugÜ lassen ein Zuständigkeitsermessen des Richters nicht zu. Der nach Art. 2 ff. international zuständige Staat ist ohne Wenn und Aber zur Justizgewährung verpflichtet.351 Das Gleiche gilt im Grundsatz für die EuEheVO. Allerdings findet sich in Art. 15 eine gewisse Annäherung an forum non conveniens-Vorstellungen.
349 OLG Stuttgart vom 25.9.1991, FamRZ 1992, 195; Zöller/Philippi, ZPO27, 2009, § 114 Rz. 45. 350 OLG Stuttgart vom 23.3.2004, FamRZ 2004, 1387 = IPRspr. 2004 Nr. 133. 351 Schlosser-Bericht Nr. 78; Schlosser IPRax 1992, 143 Fußn. 36; R. Geimer in Geimer/ Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 2 EuGVVO Rz. 70; Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 – Vergemeinschaftung, Anwendungsbereich und insbesondere die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, 2004, Rz. 325; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 502; OLG Zweibrücken vom 12.2.1999, DAVorm 1999, 307 = IPRspr. 1999 Nr. 141. So nun auch Saario S.A. v. Kuwait Investment Authority, I.L.Pr. 1997, 481, 495 (C.A.). Die gegenteilige frühere Praxis in England (Nachweise bei North IPRax 1992, 184 – in re Harrods [Buenos Aires] Ltd. und The Po, Nachweise bei Jayme IPRax 1992, 358 Fußn. 3; Jayme/Kohler IPRax 1992, 347 Fußn. 18, 352 Fußn. 85) verletzte die Brüsseler Konvention. Im Fall Harrods hatte das House of Lords IPRax 1992, 373 die Frage des Anwendungsbereichs des EuGVÜ gegenüber Drittstaaten (Rz. 1264) dem EuGH (Rs. C 314/92) präsentiert und damit auch die Frage, wann Gerichte des Vereinigten Königreichs ein forum für non conveniens erklären dürfen. Der EuGH musste aber nicht entscheiden, weil sich das englische Ausgangsverfahren durch Rechtsmittelrücknahme erledigt hatte. Jayme IPRax 1992, 358 diskutiert einen „Mittelweg“: Die Regeln des EuGVÜ seien in Drittstaatenfällen als Konkretisierung des „appropriate forum“ zu begreifen, von der nur in extremen Ausnahmefällen abgewichen werden könne. Gegen jeden Kompromiss schon R. Geimer in Gerichtshof der EG, Internationale Zuständigkeit und Urteilsanerkennung in Europa, 1993, 35; Kohler in Festschrift Matscher, 1993, 251; Duintjer Tebbens in Festschrift Voskuil, 1992, 47. Siehe auch Cuniberti, Forum non conveniens and the Brussels Convention, IntCompLQuart 2005, 627; Peel, Forum non convenines and the European Ideals, Lloyd’s MCLQ 2005, 363.
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Forum shopping
7. Kapitel: Forum shopping I. Wahl des für den Prozesssieg günstigsten Forums Primäres Interesse jeder Partei ist es, zu obsiegen. Die gut beratene Partei strebt 1095 deshalb nicht ohne weiteres vor ihre Heimat- oder Wohnsitzgerichte, sondern vor die Gerichte desjenigen Staates, dessen internationales Privatrecht eine Rechtsordnung zur Anwendung beruft, nach welcher die Klage des Klägers bzw. die Rechtsverteidigung des Beklagten Aussicht auf Erfolg hat. Dieses Streben ist verständlich; gleichwohl hat man es mit dem bösen Terminus „forum shopping“ belegt.352 Dieses Schlagwort darf nicht den Blick dafür trüben, dass es sogar die Pflicht 1096 des Anwalts ist, dem Kläger zu empfehlen, die Klage in dem Staat zu erheben, vor dessen Gerichten das (berechtigte) Klagebegehren die größte Chance auf Erfolg hat,353 sofern nicht fehlende Vollstreckungsmöglichkeiten im Forumstaat oder die Verweigerung der Anerkennung in Deutschland den Klageerfolg als Pyrrhussieg erscheinen lassen.354 Auch der Beklagte kann ein Interesse daran haben, nicht vor seinem Wohnsitz- 1097 gericht verklagt zu werden. Der gut beratene Beklagte strebt nicht blindlings vor seine „Heimatgerichte“, sondern dorthin, wo er die größte Chance hat, in der Sache zu obsiegen.355 Treffend bemerkt von Bar:356 „Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass das Bild des Klägers, der sich die Gerichtsstände heraussucht wie ein Kind die Rosinen aus dem Teig, für die Vielzahl der Fälle viel zu einfach ist und deshalb die Wirklichkeit verzerrt.“ 352 Hierzu z.B. Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 606a ZPO Rz. 4. Siehe auch Cornut, Forum shopping et abus du choix de for en droit international, Clunet 2007, 27. Andere Aspekte und Facetten spielen eine Rolle beim forum shopping im Insolvenzrecht. Hierzu z.B. Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008, Art. 3 EuInsVO Rz. 53. 353 § 328 I Nr. 1 ZPO bzw. § 109 I Nr. 1 FamFG begründet grundsätzlich kein Klageverbot in einem aus deutscher Sicht international unzuständigen Staat, Rz. 2909b. 354 R. Geimer EWiR 1986, 140. Zustimmend Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 223; Siehr ZfRV 1984, 141 Fußn. 111; de Bra, Verbraucherschutz durch Gerichtsstandsregelungen im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, 1992, 97; Jegher, Abwehrmassnahmen gegen ausländische Prozesse, Diss. Basel 2003, 3; Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA, Diss. Dresden 2001, 32; Maesch, Vitamine für Kartellopfer – Forum shopping im europäischen Kartelldeliktsrecht, IPRax 2006, 509, 511; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 116. Differenzierend Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 487. 355 Wurde der Wohnsitzgerichtsstand derogiert, kann der Beklagte Abweisung der Klage als unzulässig verlangen, auch wenn die Begründetheit der Klage unbestritten ist, Rz. 1109; R. Geimer EWiR 1986, 794; Kohler IPRax 1986, 344; EuGH vom 24.6.1986, Rs 22/85 – Anterist/Crédit Lyonnais Slg. 1986, 1951 = RIW 1986, 636. 356 von Bar, Internationales Privatrecht I1, 1987, Rz. 410.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 1099 Das forum shopping ist auf dem Hintergrund des fehlenden internationalen Entscheidungseinklangs zu sehen: Solange das Internationale Privatrecht von Staat zu Staat verschieden ist, ist die unterschiedliche Beurteilung des Klagebegehrens oft unvermeidlich, weil die Verschiedenheit der Kollisionsregeln in der Regel inhaltlich verschiedenes Sachrecht zur Anwendung beruft. Nahezu unwiderstehlich ist der dadurch erzeugte Anreiz für den Kläger, seine Sache vor die Gerichte desjenigen Staates zu bringen, dessen internationales Privatrecht die für ihn günstigste Rechtsordnung zur Anwendung bringt. Man sollte deshalb weniger den Kläger oder seinen listigen Anwalt schelten, als vielmehr die Staaten dieser Welt ermuntern, die Kollisionsregeln zu vereinheitlichen oder Einheitsrecht zu schaffen. 1100 Mit krassen Fällen des forum shopping hatten sich die deutschen Gerichte nur selten zu befassen. Dies hing damit zusammen, dass die Anerkennung und Vollstreckung der im Ausland erstrittenen Titel in Deutschland früher oft scheiterte, sei es wegen fehlender Gegenseitigkeit (§ 328 I Nr. 5 ZPO), sei es wegen fehlender internationaler Zuständigkeit (§ 328 I Nr. 1 ZPO). Anders ist es nun, soweit die Schranken für die internationale Anerkennung gefallen sind, so vor allem in dem Anwendungsbereich der EuGVVO bzw. des LugÜ. Hier ist es das legitime und von niemandem bisher bestrittene Recht des Klägers, seine Klage in demjenigen Mitglied- bzw. Vertragsstaat anhängig zu machen, wo er glaubt, die besten Erfolgschancen zu haben. Er braucht den Beklagten nicht in dessen Wohnsitzstaat zu verklagen, wenn nach Art. 5 ff. EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ auch ein anderer Vertragsstaat international zuständig ist. Dieser ist zur Justizgewährung verpflichtet. Seine Gerichte müssen über die Klage sachlich entscheiden; sie dürfen sich nicht unter Berufung auf forum shopping, Gesetzesumgehung (fraus legis) oder forum non conveniens für unzuständig erklären. Sogar ein und dieselbe Zuständigkeitsanknüpfungsnorm kann dem Kläger die Wahl zwischen verschiedenen Forumstaaten eröffnen, so wenn der Beklagte mehrere Wohnsitze in verschiedenen Vertragsstaaten hat (Art. 2 I EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ),357 oder wenn der Handlungs- und der Erfolgsort einer deliktischen Handlung in verschiedenen Vertragsstaaten liegen (Art. 5 Nr. 3 EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ); denn Art. 5 Nr. 3 eröffnet sowohl „am Ort des ursächlichen Geschehens“ als auch an dem „Ort, an dem der Schaden eingetreten ist“, eine internationale Entscheidungszuständigkeit, vgl. Rz. 1500.358
II. Abschaffung aller konkurrierenden Spezialgerichtsstände – ein unrealistischer Vorschlag 1101 Selbst wenn man alle konkurrierenden Spezialgerichtsstände (Rz. 1128, 1346 ff.) abschaffte und als einzige Zuständigkeitsregel den Satz actor sequitur forum rei zuließe, wäre das Problem des forum shopping nicht aus der Welt geschafft: Das 357 Hierzu R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 2 EuGVVO Rz. 168. 358 Zum (zulässigen) forum shopping in Produkthaftpflichtsachen Hollmann RIW 1988, 85. Zu der Forum-Wahl des Geschädigten z.B. auch Nevermann RIW 1991, 901.
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Forum shopping Ergebnis des Prozesses hinge davon ab, wer wen verklagt. Entscheidend wäre die Parteirolle. Denn das maßgebliche internationale Privatrecht und Beweisrecht wird durch das forum bestimmt. Aber selbst wenn das Kollisions- und Sachrecht in allen in Betracht kommenden Staaten übereinstimmte, können sich Unterschiede in der Entscheidungsfindung aus den Verschiedenheiten des Prozessrechts ergeben, insbesondere des Beweisverfahrensrechts und der Regeln über das Versäumnisverfahren.359 Darüber hinaus kommt es selbst bei Kongruenz aller normativen Rahmenbedingungen auf das „Rechtsklima“ an. Ein Großstadt-Gericht legt eine Generalklausel („sittenwidrig“ . . .) im Zweifel liberaler aus als ein Gericht in der Provinz etc.360
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III. Streitgegenstandsbezogene ausschließliche internationale Zuständigkeiten – eine Utopie Kein Ausweg wäre die Abschaffung auch der actor sequitur forum rei-Regel 1103 und die Einführung von ausschließlichen internationalen Zuständigkeiten für jeden denkbaren Streitgegenstand – losgelöst von der Parteirolle – jeweils in einem genau bestimmbaren Staat. Eine solche Zuständigkeitspolitik wäre utopisch und schlicht ungerecht, weil sie wesentliche Partei- und Verfahrensinteressen bei der Regelung der Zuständigkeitsnormen außer Acht ließe.361 Darüber hinaus wäre sie nicht imstande, forum shopping-Probleme zu lösen, wenn man nicht gleichzeitig noch die Kognitionsbefugnis für vorfragenweise zu entscheidende Punkte einschränkte. Denn ebenso wie bei Anknüpfung an ein in der Sphäre des Beklagten liegendes Merkmal (Wohnsitz/Sitz) ergibt sich bei streitgegenstandsbezogenen ausschließlichen Zuständigkeiten eine Anknüpfungsrelativität, je nachdem, welche Rechtsfrage man zum Streitgegenstand macht. So könnte man – wenn es z.B. um die Feststellung des Eigentums an einem Grundstück in Spanien geht, dessen Eigentümer verstorben ist und der mehrere Erbprätendenten hat, weil die Wirksamkeit seines Testaments bestritten oder weil die Anordnungen in demselben unklar sind – nach wie vor forum shopping betreiben: Wer nicht in Spanien auf Feststellung des Eigentums klagen will, könnte die Vorfrage, wer Erbe ist, in einem anderen Staat anhängig machen, die Anerkennung dieses Urteils in Spanien betreiben und sodann mit mehr Aussicht auf Erfolg versuchen, an das spanische Grundstück „heranzukommen“.
359 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 1053 Fußn. 67. 360 Vgl. zum UWG a.F. OLG Hamm vom 15.5.1986, MDR 1986, 858 = NJW 1987, 138 (Rz. 1105) und unten Rz. 1926. Siehe auch Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz im Recht der internationalen Zuständigkeit, 1998, 76 ff.; Pfeiffer, Internationale und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 490; Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, 2003, 343. 361 Zustimmend Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozessrecht – Überlegungen zur Bewältigung von multi-fora disputes, 1996, 59; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 218, 229.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 1104 Schließlich wäre eine auf streitgegenstandsbezogene ausschließliche Fora ausgerichtete Zuständigkeitsordnung rechtstechnisch nicht realisierbar, weil es unmöglich ist, klare Abgrenzungs- und Anknüpfungskriterien zu finden. Dies hat z.B. die Diskussion um den einheitlichen Vertragsgerichtsstand (Rz. 1485) deutlich gezeigt.362
IV. Wahlrecht des Klägers 1105 Jede Partei arbeitet jeweils auf ihren Sieg hin und erstrebt deshalb – auf der zuständigkeitsrechtlichen Ebene – günstige Anknüpfungsbedingungen. Hierbei stehen sich die Interessen von Kläger und Beklagten in der Regel gegensätzlich gegenüber. Das Gesetz gibt dem Kläger die besseren Steuerungsmöglichkeiten. Er kann zwischen mehreren international zuständigen Staaten wählen. § 35 ZPO gilt auch internationalrechtlich.363 Dies ist nicht verfassungswidrig.364 Ein Verbot, im Ausland zu klagen, besteht nicht, Rz. 1012. 1106 Die Wahl des Klägers darf nicht auf ihre „reasonableness“ mit der Zauberformel „Rechtsschutzbedürfnis“ überprüft werden, Rz. 984. So steht es z.B. dem Geschädigten frei, zwischen dem Wohnsitzgerichtsstand und dem forum delicti commissi zu wählen, und bei letzterem hat er noch die Wahl zwischen dem Handlungs- und (primären) Erfolgsort, Rz. 1500.365 1107 Auch wenn das (Klage-) Verfahren im Ausland einfacher wäre (z.B. summary/accelerated proceedings), bleibt das Wahlrecht des Klägers unberührt. Dies ist jedoch dann fraglich, wenn der Kläger im Ausland bereits über einen Vollstreckungstitel verfügt, z.B. über eine vollstreckbare Urkunde. 1107a Bei seiner Entscheidung hat der Kläger die (gegensätzlichen) Zuständigkeitsund Verteidigungsinteressen des Beklagten nicht zu berücksichtigen. Er haftet daher grundsätzlich366 nicht für den Schaden bzw. Mehraufwand, der dem Be-
362 R. Geimer IPRax 1986, 87. 363 BGH vom 27.6.1984, NJW 1985, 552 = IPRax 1985, 224 (Henrich 207) = IPRspr. 1984 Nr. 168. Erst recht darf das Wahlrecht des Klägers nicht dadurch ad absurdum geführt werden, dass man ihn für den Schaden haften lässt, der durch die Prozessführung an einem „kostenintensiveren“ Forum, z.B. in den USA, entstanden ist, LG Konstanz vom 14.10.2005 – 2 O 593/04 B, IPRspr 2005 Nr. 122. Siehe auch von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht9, 2007, § 3 Rz. 62. 364 Abwegig daher Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung3, 1997, (§ 10) Rz. 5. 365 Abzulehnen daher OLG Hamm vom 15.5.1986, MDR 1986, 858 = NJW 1987, 138, welches dem Kläger den Gerichtsstand des § 32 ZPO bzw. des § 24 II UWG a.F. verweigert, wenn der Kläger das Gericht am Tatort nicht wegen der „besseren Aufklärungsmöglichkeit“, sondern wegen der „Rechtsprechungsgewohnheiten“, d.h. der Rechtsauffassung des Gerichts zu bestimmten Fragen, anruft. 366 Siehe aber Rz. 1122, 1718.
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Forum shopping klagten durch Prozessführung im Ausland entsteht. § 826 BGB kommt nur in extrem gelagerten Fällen367 zum Zuge.368
V. Steuerungsmöglichkeiten des Beklagten Dem Wahlrecht des Klägers stehen nur eingeschränkte Steuerungsmöglichkeiten 1108 des Beklagten in kompetenzrechtlicher Hinsicht gegenüber. Gleichwohl bleibt ihm ein gewisser Spielraum, allerdings nur dann, wenn der Gerichtsstaat „kraft Gesetzes“ international unzuständig ist. Dies wiederum kann der Beklagte in gewissem Maße beeinflussen, Rz. 1017, z.B. durch Abzug seines inländischen Vermögens (§ 23 ZPO), wenn er im Ausland wohnt oder durch Verlegung/Aufgabe seines inländischen Wohnsitzes noch vor Rechtshängigkeit (Rz. 1830). Nicht beeinflussen kann er jedoch Fora, die an Umstände in der Sphäre des Klägers (Rz. 1157) oder an den Streitgegenstand (Rz. 1153) anknüpfen. 1. Rüge der internationalen Unzuständigkeit Liegt keine gesetzliche Zuständigkeitsanknüpfung vor, kann der Beklagte die 1109 Abweisung der Klage als unzulässig verlangen, auch wenn die Klage unstreitig begründet ist. Die Rüge der internationalen Unzuständigkeit ist nicht treuwidrig.369 Ihre reasonableness darf – ebenso wie die Wahl des Forums durch den Kläger – nicht vom Gericht nachgeprüft werden. Daher darf der Beklagte auch die Abweisung einer an seinem Wohnsitz erhobenen Klage als unzulässig verlangen, wenn ein anderes Gericht (im Ausland) als ausschließlich370 zuständig vereinbart worden ist.371
367 Sehr zurückhaltend auch Stadler, Vielfalt der Gerichte – Einheit des Prozessrechts?, BerDGVR 42 (2007), 177, 201 Fußn. 144: „Problematisch ist der deliktische Ansatz angesichts gefestigter Rechtsprechung, wonach die Inanspruchnahme eines staatlich geregelten Verfahrens auch bei Erhebung unbegründeter Klagen keinen rechtswidrigen Eingriff in Rechtsgüter des Beklagten darstellt . . . Erfolg versprechend kann allenfalls der Weg über § 826 BGB sein, der auf eine missbräuchliche Inanspruchnahme des Verfahrens abstellt“. 368 BGH vom 11.11.2003, NJW 2004, 446 = WM 2004, 34 (Fall ohne Auslandsberührung). Zu wenig restriktiv Paulus in Festschrift Georgiades, 2005, 511, 523; Paulus RIW 2006, 258, 259 ff. Zu Schadensersatzansprüchen aus Verletzung der Zuständigkeitsvereinbarung bei Klage am forum derogatum Schlosser in Festschrift Lindacher, 2007, 111; Mankowski IPRax 2009, 23. 369 OLG Frankfurt vom 6.11.1979, RIW 1980, 60 = IPRspr. 1979 Nr. 171; R. Geimer IPRax 1986, 215. 370 In solchen Fällen jedoch sehr zurückhaltend bei der Annahme der Ausschließlichkeit des forum prorogatum OLG München vom 27.4.1999, RIW 1999, 621 = IPRspr. 1999 Nr. 112. 371 EuGH vom 24.6.1986, Rs 22/85 – Anterist/Crédit Lyonnais Slg. 1986, 1951 = RIW 1986, 636 = EWiR 1986, 793 (Geimer) = IPRax 1987, 105 (Gottwald 81); OLG Koblenz vom 9.1.1987, NJW-RR 1988, 1334 = RIW 1987, 144, 147 = IPRax 1987, 308 (Schwarz 291) = IPRspr. 1987 Nr. 122. Vgl. auch Rz. 1016, 1406a, 1759, 1810.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 1110 Die Klage ist selbst dann als unzulässig abzuweisen, wenn der Beklagte die Begründetheit der Klage nicht bestreitet, aber gleichwohl die internationale Unzuständigkeit rügt.372 2. Vorbehaltlose Einlassung 1111 Den Mangel der internationalen Zuständigkeit kann der Beklagte – im Anwendungsbereich des § 39 ZPO bzw. des Art. 18 EuGVÜ/LugÜ I oder nunmehr des Art. 24 EuGVVO/LugÜ II – beseitigen und so die Basis für eine Entscheidung in der Sache herstellen, indem er auf die Rüge der internationalen Zuständigkeit verzichtet. In „klaren Fällen“ (in denen keine Beweisaufnahmen notwendig sind, z.B. in der Revisionsinstanz) kann er sich sogar nur für den Fall einlassen, dass er obsiegt, d.h. die Klage als unbegründet abgewiesen wird, Rz. 1420.373
VI. Abwehrstrategien des Beklagten 1112 Die Frage, ob der Beklagte die internationale Zuständigkeit rügen soll oder nicht, stellt sich nur in einem bereits anhängigen Prozess (der Kläger hat seine ForumWahl bereits getroffen). 1. Präventive negative Feststellungsklage 1113 Der Beklagte kann aber auch die Initiative an sich reißen und selbst in die Rolle des Klägers schlüpfen, um in den Genuss der Wahlmöglichkeit des § 35 ZPO (Rz. 1105) zu kommen.374 Dies geschieht im Wege der negativen Feststellungsklage,375 Rz. 1933. Der Erfolg einer solchen negativen Feststellungsklage hängt allerdings davon ab, dass der präsumtive Beklagte (= Kläger der negativen Feststellungsklage) schneller ist als der präsumtive Kläger (= Beklagter der negativen Feststellungsklage). Denn nach den Regeln über die internationale Beachtung der Rechtshängigkeit kommt es – aus deutscher Sicht – darauf an, welche Klage als Erste rechtshängig geworden ist, Rz. 2697. Dabei spielt das Zustellungsrecht eine eminent wichtige Rolle. Muss ausländische Rechtshilfe in Anspruch genommen werden,376 sind die Chancen, der Erste zu sein – angesichts des zeitraubenden Rechtshilfeverfahrens – gering.377 1114 Hinzu kommen noch weitere Probleme für den präsumtiven Beklagten, wenn man der Ansicht ist, dass das Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) mit Erhebung der Leistungsklage wegfällt.378 Vgl. Rz. 1933, 2726. Vgl. auch Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 1029 Rz. 27a. R. Geimer IPRax 1986, 215. Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, RIW 2007, 801, 804. Stiefel/Petzinger RIW 1983, 242; Stürner in Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 51 Fußn. 193; R. Geimer NJW 1984, 527. 376 Vgl. § 183 I Nr. 2 ZPO. 377 Zur Zustellung und Verfahrenseröffnung nach englischem Recht R. Geimer in Festschrift Schütze, 1999, 205, 209. 378 Diese vom LG Hamburg vom 1.10.1980, IPRspr. 1980 Nr. 23 vertretene Lösung erscheint bedenklich unter der Perspektive des Justizgewährungsanspruchs. Denn der 372 373 374 375
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Forum shopping Vollends untauglich ist die negative Feststellungsklage als Abwehrwaffe für den 1115 Beklagten, wenn man der Auffassung folgt, dass es an der Identität des Streitgegenstandes fehle. Dem hat der EuGH mit seiner Kernpunkttheorie (Rz. 2694a) klar widersprochen. Beispiel:379 Ein Bozener und ein Münchner streiten sich über die Wirksamkeit eines zwischen ihnen geschlossenen Kaufvertrages. Der Bozener (Käufer) hat den Vertrag angefochten und klagt in Treviso auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vertrages. Der Münchner (Verkäufer) klagt in München auf Zahlung des Kaufpreises (am forum prorogatum, Rz. 1719). Die Leistungsklage ist nach der Kernpunkttheorie des EuGH unzulässig.380 Fraglich ist, ob die Lösung des EuGH auch für das autonome deutsche autonome internationale Zivilverfahrensrecht zu übernehmen ist.381 Denn nach (derzeit noch) herrschender Meinung382 ist der Streitgegenstand der Leistungsklage „umfassender als der der Feststellungsklage, während umgekehrt die Leistungsklage sowohl die positive Feststellungsklage desselben Klägers wie die negative seines Gegners hindert“.
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Beklagte hätte es in der Hand, die negative Feststellungsklage durch Erhebung der Leistungsklage im Ausland unzulässig zu machen, Schumann in Festschrift Kralik, 1986, 307. So aber EuGH vom 6.12.1994, Rs C-406/92 – The owner of the cargo lately laden on board the ship Tatry/The owners of the ship Maciej rataj Slg. 1994 I 5439 = EuZW 1995, 309 (Wolf 365) = EWiR 1995, 463 (Otte) = JZ 1995, 616 (Peter Huber 603) = IPRax 1996, 108 (Schack 80). Ausführlich zum Verhältnis der negativen Feststellungsklage zu den anderen Klagearten im deutschen Zivilprozess Gruber ZZP 117 (2004), 133. OLG München vom 13.2.1985, Riv. dir. int. proc. 1986, 931 = IPRspr. 1985 Nr. 133A; BGH vom 8.2.1995, NJW 1995, 1758 = RIW 1995, 413 = EuZW 1995, 378 (Geimer) = WM 1995, 1124 = LM EGÜbk. Nr. 53 (Geimer) = IPRax 1996, 192 (Hau 177) = IPRspr. 1995 Nr. 165. EuGH vom 8.12.1987, Rs 144/86 – Gubisch/Palumbo Slg. 1987, 4861 Rz. 16 und 17 = NJW 1989, 665 = RIW 1988, 818; EuGH vom 6.12.1994, Rs C-406/92 – The owner of the cargo lately laden on board the ship Tatry/The owners of the ship Maciej rataj Slg. 1994 I 5439 = EuZW 1995, 309 (Wolf 365) = EWiR 1995, 463 (Otte) = JZ 1995, 616 (Peter Huber 603) = IPRax 1996, 108 (Schack 80). Nach OLG München vom 13.2.1985, Riv. dir. int. proc. 1986, 931 = IPRspr. 1985 Nr. 133A und OLG Hamm vom 25.9.1985, RIW 1986, 383 = IPRax 1986, 233 (R. Geimer 208) = IPRspr. 1985 Nr. 165 ist Leistungsklage zulässig. Dabei wird jedoch außer Acht gelassen, dass Art. 21 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 27 EuGVVO zur Anwendung kommt, da diese Vorschrift nicht auf formale Identität abstellt, Schack IPRax 1989, 140; vgl. Karl in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 2003, 663.45 ff. Art. 21 Anm. II 1. Hierfür plädiert Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts5, 2004, § 60 I 2 b. Zöller/Greger, ZPO27, 2009, § 256 Rz. 16. Anders aber Baltzer, Die negative Feststellungsklage, 1980, 149; danach ist die Leistungsklage nach negativer Feststellungsklage nur im selben Prozess als Widerklage zulässig, nicht jedoch als (selbständige) Klage in einem gesonderten Verfahren (in einem anderen Staat).
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 2. Klage auf Unterlassung der Klageerhebung in einem international unzuständigen Staat? 1116 Rechtslage im Anerkennungsstadium: Ist es dem Beklagten aus deutscher Sicht (§ 328 I Nr. 1 ZPO, § 109 I Nr. 1 FamFG) nicht zumutbar, in dem vom Kläger gewählten Forumstaat sein Recht zu nehmen, ist also der Beklagte nach den deutschen Regeln über die internationale Anerkennungszuständigkeit im Staat des angerufenen Gerichts nicht gerichtspflichtig, so verweigern wir dem ausländischen Urteil die Anerkennung, sofern der Beklagte die internationale Unzuständigkeit des Erststaates einwendet, Rz. 1014, 2903. 1117 Rechtslage im Gerichtsstaat (im Erkenntnisverfahren): Ist der Gerichtsstaat nach seinem Zuständigkeitsrecht international unzuständig, dann muss sich der Beklagte schlüssig werden, ob er sich am Verfahren beteiligen will oder nicht. Im ersteren Fall muss er in limine litis die internationale Unzuständigkeit rügen, anderenfalls wird der an sich international unzuständige Staat gemäß Art. 18 EuGVÜ/LugÜ I bzw. Art. 24 EuGVVO/LugÜ II oder nach der Parallelnorm zu § 39 ZPO international zuständig. Nimmt der Beklagte am Rechtsstreit nicht teil, dann hat das angerufene Gericht von Amts wegen die internationale Zuständigkeit zu prüfen. Bejaht dieses entgegen der Rechtsmeinung des Beklagten irrtümlich seine internationale Zuständigkeit – aus welchen Gründen auch immer – und erlässt es eine Entscheidung in der Sache, welche dem Beklagten nicht gefällt, so bleibt diesem nur übrig, sich durch Einlegung von Rechtsmitteln am Rechtsstreit zu beteiligen, um die internationale Unzuständigkeit zu rügen, wenn er einen Titel im Erststaat gegen sich vermeiden will. 1118 Dies ist der einzige dem Beklagten zur Verfügung stehende Weg. Er kann nicht die Zuständigkeitsfrage zum Gegenstand eines Unterlassungsprozesses in einem anderen Staat machen. Hierfür fehlt das Rechtsschutzbedürfnis.383
383 R. Geimer WM 1986, 122. Ähnlich Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 179. Siehe auch Fuchs/Hau/Thorn, Fälle zum Internationalen Privatrecht3, 2007, 79 Fußn. 57. Anders das englische und das US-amerikanische Recht. Zu den injunctions restraining foreign proceedings Nachweise bei Mansel EuZW 1996, 335; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 477 Fußn. 1442; Schlosser, Der Justizkonflikt zwischen den USA und Europa, 1985, 33. Die Entscheidung des House of Lords im Laker-Fall hat allerdings gerichtliche Verbote ausländischer Verfahren auf Fälle ganz evidenten Missbrauchs beschränkt. Nachweise bei Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten, 1989; Schröder, The Right not to be sued abroad, in Festschrift Kegel 1987, 523; Krause-Ablass/Bastuck in Festschrift Stiefel, 1987, 446; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 769. Injunctions restraining foreign proceedings sind insbesondere im Anwendungsbereich des europäischen Gemeinschaftsrechts (Rz. 245c) unzulässig, EuGH vom 1.3.2005, Rs C-281/02 – Owusu/Jackson u.a. IPRax 2005, 244 und EuGH vom 10.2.2009, Rs C –185/07 – Allianz SpA vormals Riunione Adriatica Di Sicurità SpA/Westtankers Inc. Hierzu Online Symposium on Westtankers IHR 2009, 84 = Schieds VZ 2009, 120; siehe auch www.conflictoflaws.net. Positive Kompetenzkonflikte werden allein durch die auf dem Prioritätsprinzip basierenden Litispendenznormen (Art. 27 ff. EuGVVO, Art. 16, 19 EuEheVO) gelöst, EuGH 27.4.2004, Rs
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Forum shopping Unzulässig ist auch eine vorbeugende Unterlassungsklage (Rz. 2636, 2909b). Ei- 1119 ne Partei kann also nicht zu einem Zeitpunkt, in dem der Gegner seine Klage in dem nach Ansicht des präsumptiven Beklagten international unzuständigen Staat noch gar nicht anhängig gemacht hat, diesen auf Unterlassung der Klageerhebung verklagen. Eine solche Klage wäre unzulässig. Er kann aber nach allgemeinen Grundsätzen negative Feststellungsklage erheben.384 Vgl. aber Rz. 1869. Dagegen haben sich einige385 auch für die Zulässigkeit von Unterlassungsklagen 1120 ausgesprochen, die darauf abzielen, die Prozessführung im Ausland zu verbieten. Danach könnte eine solche Klage auf Unterlassungsansprüche aus Vertrag gestützt werden, z.B. wenn eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung oder eine wirksame Schiedsabrede entgegensteht. Ein vertraglicher Unterlassungsanspruch386 könnte sich auch auf Geheimhaltung richten, wenn – wie im Fall Deutsche Bank (Rz. 178) – eine ausländische court order die vertragliche Geheimhaltungspflicht unterlaufen werden soll. Wenn ein deutsches Verfahren durch gegenläufige amerikanische Verbotsanordnungen gestört zu werden droht, hätte die deutsche Partei u.a. die Möglichkeit einer einstweiligen Verbotsverfügung nach § 940 ZPO zum Schutze ihres deutschen Justizgewährungsanspruchs. Siehe auch Rz. 2792. Die deutsche Rechtsprechung musste sich mit diesem Problemkreis zu Zeiten 1121 beschäftigen, als das deutsche Scheidungsrecht noch wenige Scheidungsgründe kannte und man daher ins scheidungsfreundlichere Ausland auswich. Das Reichsgericht gab der Klage auf Rücknahme der im Ausland erhobenen Scheidungsklage und Ersatz des Schadens (Anerkennung in Drittstaaten) aufgrund von § 826 BGB statt.387
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C-159/02 – Gregory Paul Turner/Felix Fareed Ismail Grovit u.a. RIW 2004, 533 (Krause 541, Mankowski 497). Siehe auch Rz. 1945b. Vgl. auch Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 528; Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008, § 342 Rz. 17. Schlosser, Der Justizkonflikt zwischen den USA und Europa, 1985, 37; Stürner in Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 52 Fußn. 199. Siehe auch Wagner, Prozessverträge, 1998, 254, 268. Einen deliktischen Anspruch auf Unterlassung der Prozessführung stipuliert wohl keine Rechtsordnung verbis expressis. Auch wenn es einen solche gäbe, könnte er unter Umständen im Hinblick auf Art. 40 III Nr. 2 EGBGB nicht geltend gemacht werden. Vgl. in anderem Zusammenhang BGH vom 19.12.1995, BGHZ 131, 332 = NJW 1996, 1128 = JZ 1997, 39 (Forkel) = GRUR 1996, 923 (Nixdorf 842) = LM Art. 2 GG Nr. 66 (Vinck) = IPRspr. 1995 Nr. 39. RG vom 3.3.1938, RGZ 157, 136 = JW 1938, 1252 = ZAkDR 1938, 747 (Reu 731) = Nouv. rev. d.i.p. 1938, 388 (Mezger) = Clunet 66 (1939), 378 (Wolff) = IPRspr. 1935–1944 Nr. 90b. Vorinstanz: OLG Köln vom 15.10.1937, StAZ 1937, 435 = IPRspr. 1935–1944 Nr. 90a; Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 338 ff.; Raape, Internationales Privatrecht5, 1961, 132, 313. Weitere Nachweise bei Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 526 ff.; Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 3. Schadensersatzklage wegen ungerechtfertigter Verfahrenseinleitung im Ausland 1122 Wenn auch nach der hier vertretenen Auffassung eine Unterlassungsklage nicht in Betracht kommt, ist es gleichwohl zulässig, auf Schadensersatz wegen unberechtigter Verfahrenseinleitung im Ausland vor deutschen Gerichten zu klagen, wenn nach §§ 12 ff. ZPO die internationale Zuständigkeit Deutschlands zu bejahen ist. Als Anspruchsgrundlage kommen in Betracht Vertrag (positive Vertragsverletzung, z.B. Vertrag mit Zuständigkeitsvereinbarung388), § 823 I BGB (z.B. beim Eingriff in den eingerichteten Gewerbebetrieb) und § 826 BGB bei (bedingtem) Vorsatz, Rz. 1107a.389 1123 Beispiel: Bei missbräuchlichen Klagen gegen deutsche Unternehmen in den USA wäre meist die deutsche internationale Zuständigkeit und die Anwendbarkeit deutschen Rechts zu bejahen, weil sich der Tatbestand der schädigenden Handlung auch in Deutschland verwirklicht. Nach missbräuchlicher Anzeige zur Einleitung eines Straf- oder Verwaltungsverfahrens könnten Kosten und weitergehende Schäden (z.B. Marktverwirrung, Umsatzrückgang) in Deutschland eingeklagt werden.390 1124 Der Schadensersatzanspruch aus unberechtigter Verfahrenseinleitung kann durch Arrest gesichert werden.391
VII. Forum fixing 1125 Es liegt im Interesse beider Parteien (Vorhersehbarkeit und Kalkulierbarkeit der gerichtlichen Entscheidung), das Forum für ihre spezielle Rechtsbeziehung durch ausschließliche Prorogation festzulegen, Rz. 1597.392
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Zivilprozessrecht – Überlegungen zur Bewältigung von multi-fora disputes, 1996, 201 ff.; Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten, 1989; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 766; Wagner, Prozessverträge – Privatautonomie im Verfahrensrecht, 1998, 267 ff. Siehe auch Sandrock IDR 2004, 106, 108. Unten Rz. 1718. – Zu Schadensersatzansprüchen aus Verletzung der Zuständigkeitsvereinbarung bei Klage am forum derogatum Schlosser in Festschrift Lindacher, 2007, 111; Mankowski IPRax 2009, 23. Ablehnend von Bodungen/Pörnbacher, Kosten und Kostentragung im Schiedsverfahren, in Wissenschaftlicher Gesprächskreis Schiedsrecht München (ed.), Taktik im Schiedsverfahren, 2008, 121, 149. Hierzu auch Sandrock RIW 2004, 809, 814. Zu weitgehend Paulus in Festschrift Georgiades, 2005, 511, 523, Paulus RIW 2006, 258, 259 ff.; Fuchs/Hau/Thorn, Fälle zum Internationalen Privatrecht3, 2007, 78 ff. Stürner in Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 53 Fußn. 206. Anderer Auffassung (Handlungs- und Erfolgsort sei in den USA gelegen) Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA, Diss. Dresden 2001, 136. BGH vom 13.3.1979, BGHZ 74, 9 ff.; BGH vom 30.10.1984, WM 1985, 35 ff.; Hopt, Schadensersatz aus unberechtigter Verfahrenseinleitung, 1968; Häsemeyer, Schadenshaftung im Zivilrechtsstreit, 1979. Samtleben RabelsZ 46 (1982), 716; Gottschalk/Breßler, Missbrauchskontrolle von Gerichtsstandsvereionbarungen im europäischen Zivilprozessrecht, ZEuP 2007, 56.
Grundlinien der internationalen Zuständigkeitsordnung
8. Kapitel: Grundlinien der internationalen Zuständigkeitsordnung des autonomen deutschen Rechts I. Bewertung der Zuständigkeitsinteressen Bei der Festlegung der internationalen Zuständigkeit geht es um elementare Fra- 1126 gen prozessualer Gerechtigkeit. Dabei sind die Zuständigkeitsinteressen der Parteien gegeneinander abzuwägen.393 Für den Beklagten geht es um die Eingrenzung seiner Gerichtspflichtigkeit; er soll vor unzumutbaren Foren geschützt werden. Für den Kläger steht dagegen der Justizgewährungsanspruch auf dem Spiel. Dieser darf nicht durch übertriebenen Beklagtenschutz unzumutbar beschnitten werden. Für die Anhänger eines (hier abgelehnten) forum legis (Rz. 1044) wäre auch noch das Rechtsanwendungsinteresse des Gerichtsstaates herauszustellen. Dieser hätte in den Fällen, in denen er sein Recht angewendet sehen will, ein Forum zu eröffnen, jedenfalls dann, wenn international zwingendes Recht durchzusetzen ist. Die Regel actor sequitur forum rei begünstigt den Beklagten (favor defenso- 1127 ris).394 Dies rechtfertigt man damit, dass der Beklagte die Last der Verteidigung habe.395 Diese Interessenbewertung ist aber logisch nicht zwingend.396 Allenfalls kann sie für den Normalfall Gültigkeit beanspruchen.397 Es gibt aber bestimmte Fallgestaltungen, wo es dem Beklagten durchaus zuzumuten ist, sich außerhalb seines Wohnsitz- bzw. Sitzstaates auf die Klage einzulassen, Rz. 1940. Für die Festlegung des zuständigen Gerichts ist dann maßgeblich:
1128
a) entweder das Interesse des Klägers, an seinem Wohnsitz oder Aufenthalt klagen zu können (fora actoris) Beispiele: § 232 III 2 Nr. 3 FamFG, früher § 23a ZPO für Unterhaltsverfahren (Rz. 1534), § 26 FernUSG, § 29c ZPO398 für Klagen des Verbrauchers in Verbrau-
393 Vgl. auch Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 199. 394 Anders jedoch im historischen Ansatz das römische Recht. Es ging nicht um Schutz des Beklagten, sondern darum, überhaupt einen Prozess zu ermöglichen. Ohne Mitwirkung des Beklagten kam nämlich im klassischen römischen Formularprozess ein Prozessrechtsverhältnis nicht zustande; ein Versäumnisverfahren entwickelte sich erst später, Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz im Recht der internationalen Zuständigkeit, 1998, 82. 395 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 192. Siehe auch Dilger in Geimer/Schütze, Der internationale Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen (Nr. 545), Art. 3 EuEheVO Rz. 15. 396 Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 239; Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 350. 397 Ausführlich Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz im Recht der internationalen Zuständigkeit, 1998, 50 ff. 398 Beispiel: LG Tübingen vom 30.3.2005, NJW 2005, 1513 = RIW 2005, 781 = IPRax 2006, 477 (Mankowski 454) = IPRspr. 2005 Nr. 15. Umfassende Nachweise bei Kleinknecht, Die verbraucherschützenden Gerichtsstände im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, Diss. Mainz 2007, 185.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit chersachen (Rz. 1285).399 Die ratio legis lässt sich hier wie folgt skizzieren:400 Der favor defensoris verliert dann seine innere Berechtigung, wenn der Kläger typischerweise der Schwächere ist. In solchen Fällen würde die aus der Grundregel actor sequitur forum rei sich ergebende Bevorzugung des Beklagten die Rechtsverfolgung für den (schwächeren) Kläger (genauer Rz. 1157, 1297) unzumutbar erschweren. Die Interessen des Beklagten haben deshalb zurückzustehen, da die Interessen des Klägers höher zu bewerten sind. Dabei kommt es nicht darauf an, ob im konkreten Einzelfall der Kläger schutzbedürftig ist; der Kläger kann sich auch dann auf die einschlägigen Kompetenzbestimmungen berufen, wenn er dem Beklagten wirtschaftlich ebenbürtig oder sogar überlegen ist;401 1129 b) oder ein besonders enger Sachbezug des Gerichtsortes zum Gegenstand der Klage Beispiele: § 29 ZPO: Erfüllungsort für Vertragsklagen; § 32 ZPO, § 14 II UWG: Schadensort für Klagen wegen unerlaubter Handlung; §§ 24, 29a, 29b ZPO: Staat, in dem die Immobilien gelegen sind, für Immobiliarklagen einschließlich Mietsachen; 1130 c) oder ein Gerichtsinteresse, zusammenhängende Komplexe von ein und demselben Gericht oder zumindest in ein und demselben Staat entscheiden zu lassen (fora connexitatis), damit widersprüchliche Entscheidungen möglichst vermieden werden. Beispiele: §§ 98 II, 103 II FamFG, früher §§ 621 I402, 642, 661 II ZPO: Zuständigkeit des mit dem Statusprozess (Scheidung, Vaterschaftsfeststellung, Aufhebung der Lebenspartnerschaft) befassten Gerichts für Unterhaltssachen. 1131 Die Regel „actor sequitur forum rei“ vernachlässigt die legitimen Zuständigkeitsinteressen des Klägers. Die Begründung und Aufhebung des Wohnsitzes liegt ausschließlich in der Disposition des Beklagten. Ein böswilliger Schuldner kann durch ständigen Wohnsitzwechsel die Durchsetzung der Ansprüche seiner Gläubiger erheblich erschweren.403 Den Ausgleich schaffen die besonderen Zu-
399 Allgemeine Nachweise bei Börnke, Rechtsanwendungsprobleme im Zusammenhang mit den sonderprivatrechtlichen Gerichtsstandsregelungen der §§ 7 I HWiG, 6 II AuslInvestmG und 26 FernUSG, Diss. Frankfurt a.M. 1995. Zum (durch § 29c ZPO ersetzten) § 7 HausTWG Junker RIW 1999, 809, 812. 400 Hierzu de Bra, Verbraucherschutz durch Gerichtsstandsregelungen im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, 1992, 63, 73. 401 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 351; zum Anwendungsbereich des verbraucherschützenden Sonderprivatrechts v. Hoffmann IPRax 1989, 267; Kröger, Der Schutz der „marktschwächeren“ Partei im Internationalen Vertragsrecht, 1984. 402 Hierzu Otte, Umfassende Streitentscheidung durch Beachtung von Sachzusammenhängen – Gerechtigkeit durch Verfahrensabstimmung?, 1998, 581 ff. 403 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 353, 551. Siehe auch Dilger in Geimer/Schütze, Der internationale Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen (Nr. 545), Art. 3 EuEheVO Rz. 15.
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Grundlinien der internationalen Zuständigkeitsordnung ständigkeitsanknüpfungen der §§ 20 ff. ZPO, insbesondere der Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO) und des Tatortes (§ 32 ZPO) sowie des Vermögens (§ 23 ZPO). Jedoch bleibt zu konstatieren, dass das deutsche Kompetenzsystem – ebenso wie auch sonst in Kontinentaleuropa – tendenziell beklagtenfreundlich ist.404 Das Ergebnis dieser normativen Abwägung der Zuständigkeitsinteressen ist in 1132 abstrakt-generellen Zuständigkeitsnormen in §§ 12 ff. ZPO niedergelegt. Diese sind für den Richter verbindlich. Er darf nicht die konkreten Umstände des Einzelfalls heranziehen, um ein forum, dessen Tatbestandsvoraussetzungen gegeben sind, für non conveniens zu erklären. Dies würde den Justizgewährungsanspruch des Klägers verletzen, ebenso sein Recht, zwischen den verschiedenen in concreto gegebenen Zuständigkeiten (in verschiedenen Staaten) zu wählen. Aber auch in umgekehrter Richtung sind dem Richter Grenzen gesetzt: nur in den vom Gesetz ausdrücklich vorgesehenen Fällen ist der Beklagte außerhalb seines Wohnsitzes gerichtspflichtig.405 An der Vorhersehbarkeit des Forums besteht ein großes Interesse der Parteien, Rz. 1075, 1597. Unklare Kompetenznormen mit unbestimmten Rechtsbegriffen schaffen US-amerikanische Zustände.406
II. Bedeutung der internationalen Urteilsanerkennung für eine vernünftige und ausgewogene Zuständigkeitspolitik 1. Das Ideal Ein Staat, der großzügig ausländische Urteile anerkennt und zur Vollstreckung 1133 zulässt, hat einen größeren gesetzgeberischen Spielraum als derjenige, welcher der Anerkennung ausländischer Entscheidungen ablehnend oder zumindest skeptisch gegenübersteht. Ist die internationale Freizügigkeit gerichtlicher Entscheidungen gewährleistet, kann sich der Gesetzgeber dem Ideal der Wissenschaft nähern: die räumliche Nähe des Beklagten oder des Streitgegenstandes zum Gerichtsstaat (forum).407 Erst die internationale Freizügigkeit der Urteile macht es möglich, bei der Regelung der internationalen Entscheidungszuständigkeit alle Aspekte zu berücksichtigen und die sich widerstreitenden Zuständigkeitsinteressen des Klägers und des Beklagten sinnvoll gegeneinander abzuwägen. Der nationale Gesetzgeber kann die Gerichtspflichtigkeit des Beklagten (außerhalb seines Wohnsitzstaates) unter Berücksichtigung der von der Wissenschaft aufgestellten Maximen begrenzen, ohne den Justizgewährungsanspruch des Klägers unangemessen zu verkürzen.
404 Schlosser IPRax 1992, 140; siehe auch Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 596, 601. 405 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 352. 406 R. Geimer NJW 1991, 3072; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 203. Jahrelange Zuständigkeitsstreitigkeiten sind die Folge, Rz. 1094; Zekoll, 61 Alb. L. Rev. 1283, 1287. Dies übersieht z.B. Hartwieg JZ 1996, 109. Vgl. auch Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 596. 407 R. Geimer JZ 1984, 979.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 2. Die raue Wirklichkeit 1134 Von dem eben skizzierten Ideal sind wir noch weit entfernt. Der deutsche Gesetzgeber lehnt zwar die Anerkennung ausländischer Entscheidungen nicht rundweg ab, doch macht er einen engherzigen Vorbehalt, der sich im Verhältnis zu sehr vielen Staaten als unüberwindliche Hürde für die Anerkennung erweist: Er verlangt die Verbürgung der Gegenseitigkeit (§ 328 I Nr. 5 ZPO, § 109 IV FamFG). Damit überlässt er den ersten Schritt den anderen. 1135 Daraus folgt für die Normierung der internationalen Zuständigkeit Deutschlands: Da – im Anwendungsbereich des autonomen Rechts – de lege lata in vielen Fällen die Anerkennung ausländischer Urteile nicht gewährleistet ist, ist der Spielraum des deutschen Gesetzgebers eingeengt. Um den Justizgewährungsanspruch des Klägers nicht zur Farce werden zu lassen, vor allem aber, um den Vollstreckungszugriff auf das im Inland belegene Vermögen erst möglich zu machen (ausländische Titel werden zur Vollstreckung nicht zugelassen bzw. ihre Zulassung ist zu kompliziert geregelt), muss er die Tore zu den deutschen Gerichten weit aufstoßen.408 1136 Daher besteht für die Bejahung der internationalen Zuständigkeit Deutschlands in dem weiten von § 23 ZPO umschriebenen Umfang solange ein praktisches Bedürfnis, als die Rechtsverfolgung im Wohnsitzstaat auf unzumutbare Schwierigkeiten stößt bzw. die Anerkennung und Vollstreckung des im Wohnsitzstaat erstrittenen Urteils im Inland nicht möglich ist, z.B. an der fehlenden Verbürgung der Gegenseitigkeit scheitert, Rz. 1349. 1137 Dies trat bei den Beratungen der Haager Konferenz klar zu Tage.409 Der Vermögensgerichtsstand ist weit verbreitet.410
III. Wohnsitz/Sitz des Beklagten als Ausgangspunkt der deutschen Zuständigkeitsordnung 1. Grundsatz 1138 Ausgangspunkt des deutschen Zuständigkeitssystems ist die alte Regel actor sequitur forum rei, Rz. 1265. Dies ist nicht selbstverständlich.411
408 Dies lässt der XI. Senat des BGH in seinem Urteil vom 2.7.1991 (BGHZ 115, 90 = IPRspr. 1991 Nr. 166b, hierzu oben Rz. 1077a) leider außer Betracht. 409 Conférence de La Haye de droit international privé, Actes et documents de la Session extraordinaire 13 au 26 avril 1966: Exécution des jugements, 1969, S. 416 ff. Siehe auch den Gemeinsamen Bericht der Unterhändler zum deutsch-norwegischen Vertrag vom 17.6.1977, Bundestagsdrucksache 9/66 S. 31 zu Art. 20. 410 Actes et Documents a.a.O.; Schack ZZP 97 (1984), S. 50 f. Zur Berechtigung des Vermögensgerichtsstandes rebus sic stantibus auch Basedow in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. II Rz. 169 bei Fußn. 610. 411 Anders z.B. das französische Recht (Art. 14, 15 Code civil; hierzu Rz. 1907) und die von ihm beeinflussten Zuständigkeitsordnungen. Im romanischen System ist die Staatsangehörigkeit ein „allumfassender Zuständigkeitsgrund“ (Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 87). „Der Anknüpfungsbezug wird staats- und völkerrechtlich gedacht: Der Gerichtsstaat schuldet seinem Bürger Rechtsschutz, ohne Rücksicht
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Grundlinien der internationalen Zuständigkeitsordnung Hat der Beklagte seinen Wohnsitz nicht in Deutschland, so entfällt die deutsche 1139 internationale Zuständigkeit, sofern nicht für den Streitgegenstand ein besonderer Gerichtsstand gemäß §§ 20 ff. ZPO begründet ist. Dem deutschen Recht liegt die Vorstellung zugrunde, dass der Beklagte dann seinen allgemeinen Gerichtsstand an seinem Wohnsitz im Ausland habe. Eine wahrhaft internationale, vom Chauvinismus freie Gesinnung! Vgl. aber Rz. 1265, 1267, 1352, 1943. Nur wenn der Beklagte überhaupt keinen Wohnsitz hat, greift § 16 ZPO ein: die 1140 deutsche internationale Zuständigkeit wird an den inländischen Aufenthalt des Beklagten geknüpft. Hält sich der Beklagte nicht im Inland auf, so wird gemäß § 16 Halbsatz 2 ZPO die deutsche internationale Zuständigkeit auf den Umstand gegründet, dass der Beklagte früher einmal im Inland wohnte.412 Hat der Beklagte auch früher nicht in Deutschland gewohnt, so fehlt es an einem 1141 inländischen allgemeinen Gerichtsstand. Auf die Staatsangehörigkeit der Parteien kommt es nicht an. Auch deutsche Staatsbürger sind über die Grenzen des § 16 ZPO hinaus in ihrem Heimatstaat nicht gerichtspflichtig, Rz. 1946 (Ausnahme: Statussachen, Rz. 1145).
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Dies ist ein ganz signifikanter Unterschied zum romanischen Zuständigkeitssys- 1143 tem. Nach Art. 15 Code civil ist der Franzose immer – ganz gleich, wo er wohnt oder wo er sich aufhält – in Frankreich gerichtspflichtig.413 Die Motive zur ZPO sehen dies klar: „Der Entwurf hofft, . . . eine dem Rechtsbedürfnisse der Gegenwart entsprechende Fortbildung des internationalen Rechts zu fördern, und besorgt hieraus keine Gefährdung der deutschen Interessen. Die besonderen Ge-
darauf, ob er Kläger oder Beklagter ist; der Bürger wiederum ist in seinem Heimatstaat gerichtspflichtig, ganz gleich, ob er im In- oder Ausland wohnt.“ Vgl. auch Rz. 1020 f., 1591 f. sowie § 184 II der ZPO der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik: „Die Gerichte der Deutschen Demokratischen Republik sind auch zuständig, wenn eine Prozesspartei Bürger der Deutschen Demokratischen Republik ist . . .“ Für Völkerrechtskonformität des Art. 14 Code civil Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 235. In den Vereinigten Staaten von Amerika kennt man kein abstraktes Zuständigkeitssystem, bei dem der „allgemeine Gerichtsstand“ am Wohnsitz/Sitz des Beklagten den Ausgangspunkt bildet und die Spezialfora nur streitgegenstandsbezogene Ausnahmen von dem Grundprinzip actor sequitur forum rei sind. Die due process clause der US Constitution verlangt zwar, dass der Beklagte minimum contacts zum Gerichtsstaat hat. Diese werden jedoch relativ großzügig bejaht. Wegen seiner Streitgegenstandsferne wurde der Wohnsitzgerichtsstand mitunter sogar zum forum non conveniens erklärt, eingehend Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz im Recht der internationalen Zuständigkeit, 1998, 48, 155. Siehe auch Adolphsen, Europäisches und internationales Zivilprozessrecht in Patentsachen, 2005, Rz. 483. 412 Beispiel: Seeleute „auf See“, BGH vom 22.9.1982, IPRax 1983, 80 (Jayme) = IPRspr. 1982 Nr. 145. Enger LG Hamburg vom 23.8.1994, NJW-RR 1995, 183 = RIW 1995, 244 = IPRspr. 1994 Nr. 142: Wohnsitz an Bord des im Ausland registrierten Motorschiffs. 413 Das Gleiche gilt auch in den Vereinigten Staaten von Amerika, Blackmer v. United States, 284 U.S. 421, 438 (1932); Restatement (third) of Foreign Relations Law § 421 (2)(d) (1986); Dörig, Anerkennung und Vollstreckung US-amerikanischer Entscheidungen in der Schweiz, 1998, 178.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit richtsstände . . . werden genügen, um in den geeigneten Fällen den im Ausland wohnhaften Schuldner vor ein inländisches Gericht zu ziehen.“414 1144 Der Wohnsitzbegriff ist im deutschen Recht in § 7 BGB definiert. Der vom Wohnsitz des Ehemanns abgeleitete Wohnsitz der Ehefrau verstößt gegen Art. 3 II GG und wurde formell durch das Gleichberechtigungsgesetz vom 18.6.1957415 aus dem BGB eliminiert. Auch in den meisten anderen Staaten wurde dieser abgeleitete Wohnsitz abgeschafft, sogar in der Schweiz.416 Darauf hat man dann auch durch Streichung des Art. 52 III EuGVÜ reagiert. Bei Minderjährigen, deren gemeinsam sorgeberechtigte Eltern verschiedene Wohnsitze haben, kann Doppelwohnsitz bestehen.417 2. Ausnahme: Ehe-, Kindschafts-, Abstammungs- und Lebenspartnerschaftssachen 1145 Die goldene Zuständigkeitsregel actor sequitur forum rei gilt nicht für Ehe-, Kindschafts-, Abstammungs- und Lebenspartnerschaftssachen, §§ 98 ff. FamFG (früher §§ 606a I, 640a II, 661 III ZPO). Die Zuständigkeitsanknüpfungen (deutsche Staatsangehörigkeit, gewöhnlicher Aufenthalt) sind hier nicht auf die Person des Antragsgegners fixiert. Sie sind vielmehr ambivalent in dem Sinne, dass es auch genügt, wenn sie in der Person des Antragstellers verwirklicht sind, Rz. 1948. So ist die internationale Entscheidungszuständigkeit bereits dann eröffnet, wenn der Antragsteller deutscher Staatsbürger ist bzw. war (§ 98 I Nr. 1 zweite Alternative FamFG) oder im Inland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (§ 98 I Nr. 4 FamFG). Insoweit ist die Rechtslage vergleichbar mit der im französischen Recht, doch mit dem wesentlichen Unterschied, dass Art. 14, 15 Code civil der französischen Partei ein Jurisdiktionsprivileg einräumen: Frankreich hält sich für ausschließlich international zuständig, mit der Folge, dass die Anerkennung ausländischer Urteile ausgeschlossen ist, es sei denn, der durch Art. 14, 15 Code civil begünstigte Franzose hat auf dieses Jurisdiktionsprivileg verzichtet; anders § 106 FamFG (früher §§ 606a I 2, 640a II 2, 661 III ZPO). Siehe auch Rz. 1323.
IV. Allzuständigkeit des Wohnsitzstaates 1146 Der Staat, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz bzw. Sitz hat, ist grundsätzlich (Ausnahmen: Rz. 1279, 1282) international zuständig für alle Klagen gegen den
414 Hahn/Mugdan, Die gesammten Materialien zu den Reichsjustizgesetzen, II, 150; Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, 127; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 29. 415 BGBl. I 609. 416 Art. 25 ZGB a.F. wurde durch das neue Eherecht außer Kraft gesetzt. Hierzu Frank/ Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung3, 1997, § 2 Rz. 14. 417 Zu den Parallelfragen in der Schweiz s. Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung3, 1997, § 2 Rz. 9.
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Grundlinien der internationalen Zuständigkeitsordnung Beklagten. Die Klageart spielt keine Rolle. §§ 12 ff. ZPO gelten für Leistungsklagen ebenso wie für Feststellungs- und Gestaltungsklagen.418 Bereits im gemeinen Prozess war das Institut des allgemeinen Gerichtsstandes entwickelt. Anders z.B. noch der alte Code de procédure civile und die von ihm beeinflussten Prozessordnungen Italiens und der Beneluxstaaten. Art. 59 des alten Code unterscheidet einen Gerichtsstand für persönliche Klagen, einen für dingliche Klagen und einen für gemischte.
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Erst der Nouveau Code de procédure civile hat das aktionenrechtliche Denken im Zuständigkeitsrecht überwunden. Auch der englische Zivilprozess kennt keinen allgemeinen Gerichtsstand. Die Unterscheidung zwischen action in personam und action in rem ist auch heute noch im Kompetenzrecht bekannt.
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Vergleichbar mit der Allzuständigkeit des Wohnsitzstaates ist – auf dem Gebiet 1149 der Spezialgerichtsstände – am ehesten der Gerichtsstand der Zweigniederlassung (Rz. 1443). Er ist gewissermaßen eine Verkleinerung des Wohnsitzgerichtsstandes. Er baut auf der gleichen Logik auf: Genauso wie der Beklagte grundsätzlich für alle gegen ihn gerichteten Prozesse in seinem Wohnsitzstaat gerichtspflichtig ist, mag auch der Streitgegenstand zu anderen Staaten viel engere Bezüge aufweisen, so ist derjenige, der außerhalb seines Wohnsitz-/Sitzstaates eine Niederlassung oder Agentur betreibt, dort grundsätzlich gerichtspflichtig für alle Streitigkeiten, die aus dem Betrieb derselben entspringen.419 Auch für den Vermögensgerichtsstand (Rz. 1181, 1346) kann man eine Parallele zur Allzuständigkeit des Wohnsitzgerichtsstandes ziehen: § 23 ZPO gilt für alle vermögensrechtlichen Ansprüche, ganz gleich wie und wo der Streitgegenstand zu lokalisieren ist.
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Zwar ist der Anwendungsbereich des Wohnsitzgerichtsstandes weiter, weil er – 1151 anders als § 23 ZPO – auch nicht vermögensrechtliche Streitigkeiten mitumfasst. Doch muss man in Betracht ziehen, dass die Statusverfahren (als in der Praxis wichtigste Anwendungsfälle der nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten) ausgeklammert sind, Rz. 1279. Das Gleiche gilt für den Gerichtsstand des Aufenthalts, Rz. 1267.
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Im Übrigen begründen die besonderen Gerichtsstände keine Allzuständigkeit, 1153 sondern nur eine Kompetenz für bestimmte Streitgegenstände, z.B. Vertragsklagen für Verbindlichkeiten, die im Inland zu erfüllen sind (§ 29 ZPO) oder Ansprüche aus Delikten, die im Forumstaat begangen worden sind (§ 32 ZPO). Hier besteht ein wichtiger Unterschied zum US-Kompetenzsystem, das „general jurisdiction“ (which permits adjudication of any claim against a defendant)420 418 Die statthafte Rechtsschutzform bestimmt das nationale Recht des Gerichtsstaates. Nach der lex fori ist auch die Frage zu beantworten, ob ein Klage- oder sonstiges Antragsverfahren statthaft ist, Rz. 338, 1985. 419 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 532, 541; R. Geimer RIW 1988, 221. 420 Born/Rutledge, International Civil Litigation in the United States Courts4, 2006, 84, 110 ff.; Scoles/Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws4, 2004, § 6.7 ff.; Dörig, Anerkennung und Vollstreckung US-amerikanischer Entscheidungen in der Schweiz, 1998, 160, 180; Fuchs RIW 2004, 41; Herrmann, Die Anerkennung US-amerikanischer
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit nicht nur „based on domicile“ kennt, sondern auch „general jurisdiction based on continuous activities within the forum“ bow. „based on transitory presence of the defendant within the forum“. Vgl. Rz. 378a, 1584. 1154 Beispiel: Während „doing business in Germany“ nach § 21 ZPO bzw. Art. 5 Nr. 5 EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ eine internationale Zuständigkeit Deutschlands nur im Hinblick auf die Aktivitäten des Beklagten in Deutschland begründet, Rz. 1149, 1445, wurde bis zur Entscheidung des Supreme Court in Sachen Helicopteros Nacionales de Colombia v. Hall421 „doing business“ von vielen US-Gerichten als Basis für „general jurisdiction“ herangezogen.422 Immerhin bejaht der Supreme Court im Helicopteros Case423 „general jurisdiction“ im Falle von „continuous and systematic general business contacts“. Auch sind die Grenzen für die „specific jurisdiction of US Courts over foreign defendants“ diffus. Verlangt werden „purposeful availment“ und „reasonableness“. Wie diese Kompetenzvoraussetzungen konkretisiert werden sollen, ist reichlich unklar.424 1155 Eine Allzuständigkeit – wie sie der Wohnsitz bzw. Sitz des Beklagten bewirkt – kann nicht durch Zuständigkeitsvereinbarung begründet werden, denn eine solche ist – auch nach Art. 17 EuGVÜ/LugÜ bzw. nach Art. 23 EuGVVO – nur „für ein bestimmtes Rechtsverhältnis und die aus ihm entspringenden Rechtsstreitigkeiten“ zulässig, § 40 I ZPO, Rz. 1682. Auch eine (den romanischen Rechtsordnungen geläufige) Wohnsitzwahl (domicile élu) führt nicht zur Allzuständigkeit.425
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Urteile in Deutschland unter Berücksichtigung des ordre public – Eine rechtsvergleichende Untersuchung zum „Justizkonflikt“ zwischen Deutschland und den USA, 2000, 142 ff.; Rau RIW 2000, 761; Scheuermann, Internationales Zivilverfahrensrecht bei Verträgen im Internet: Eine rechtsvergleichende Untersuchung des deutschen, europäischen und US-amerikanischen Zuständigkeitsrechts sowie der Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 2004, 151 ff.; Schütze, Die Allzuständigkeit amerikanischer Gerichte, 2003; Wilhelmi, Das Weltrechtsprinzip im internationalen Privat- und Strafrecht, Diss. Trier 2007, 295 ff. 466 US 408 (1984). Blackmer v. United States, 284 U.S. 421, 438 (1932); Restatement (third) of Foreign Relations Law § 421 (2)(d) (1986); Schlosser IPRax 1992, 141; Harald Müller, Die Gerichtspflichtigkeit wegen „doing business“, 1992 (besprochen von Hay ZZP 107 [1994], 259). Weitere Nachweise bei Born/Rutledge, International Civil Litigation in the United States Courts4, 2006, 111, 119; Dörig, Anerkennung und Vollstreckung USamerikanischer Entscheidungen in der Schweiz, 1998, 166; Knapp, Die US-amerikanische Produkthaftung in der Praxis der deutschen Automobilindustrie, 1997, 125. 466 US 416 (1984). Hierzu näher Scheuermann, Internationales Zivilverfahrensrecht bei Verträgen im Internet: Eine rechtsvergleichende Untersuchung des deutschen, europäischen und USamerikanischen Zuständigkeitsrechts sowie der Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 2004, 161 sowie Schütze, Die Allzuständigkeit amerikanischer Gerichte, 2003. Siehe auch Alio, Haftungsrisiken deutscher Unternehmen beim Vertrieb ihrer Produkte in den USA, IHR 2007, 177, 179. R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 2 Rz. 135.
Grundlinien der internationalen Zuständigkeitsordnung
V. Personenbezogene und sachliche (streitgegenstandsbezogene) Zuständigkeitsanknüpfungen 1. Maßgebliche Zuständigkeitsanknüpfungen Man kann danach unterscheiden, ob der Tatbestand der Zuständigkeitsnorm an 1155a Umstände anknüpft, die mit der Person einer Partei verbunden sind, oder ob es auf Umstände ankommt, die nicht in der Sphäre der Parteien liegen, sondern mit dem Streitgegenstand verknüpft sind, wie z.B. die Belegenheit des Streitobjekts (§§ 23 Satz 1 zweite Alternative, 24, 29a, 29b ZPO).426 Dazwischen stehen Anknüpfungen, die zwar personenbezogen sind, jedoch nicht mit der Person einer Partei zusammenhängen. Beispiel: Für erbrechtliche Streitigkeiten wird auf den letzten Wohnsitz bzw. die Staatsangehörigkeit des Erblassers (also nicht einer Partei) abgestellt, § 27 ZPO.427 2. Beklagten- und Klägergerichtsstände Bei den personenbezogenen Gerichtsständen kann man wieder danach differenzieren, ob die kompetenzrechtlich relevanten Tatbestandsmerkmale in der Person des Beklagten oder des Klägers verwirklicht sein müssen. Man spricht in diesem Zusammenhang von Beklagten- bzw. Klägergerichtsständen. I.d.R. knüpft das Gesetz an Umstände in der Sphäre des Beklagten. Dies gilt nicht nur für die Grundnorm des § 13 ZPO (actor sequitur forum rei), sondern auch für viele Spezialgerichtsstände, wie Aufenthalt (§§ 16, 20 ZPO), Zweigniederlassung (§ 21 ZPO), Vermögen (§ 23 Satz 1 erste Alternative ZPO).
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Nur ausnahmsweise wird auf Merkmale in der Person des Klägers/Antragstel- 1157 lers abgestellt, so insbesondere in Unterhaltssachen (§ 232 III 2 Nr. 3 FamFG, früher § 23a ZPO), in Verbrauchersachen (§ 26 FernUSG, § 29c ZPO). Doch ist dies nur bei einer vergröbernden Betrachtungsweise zutreffend. Die zuletzt genannten Gesetze stellen nämlich nicht auf Merkmale des Klägers (so aber § 232 III 2 Nr. 3 FamFG, Rz. 1452) ab, sondern – ohne Rücksicht auf die Parteirolle – auf solche der typischerweise schwächeren Personengruppe, Rz. 1297. Dies führt dazu, dass nur dann die Konstellation eines forum actoris entsteht, wenn der Schwächere (Verbraucher) seinen Vertragspartner verklagt; verklagt dagegen dieser den Verbraucher etc., bleibt es bei der actor sequitur forum rei-Regel.428 In Ehe-, Kindschafts-, Abstammungs-, und Lebenspartnerschaftssachen (Rz. 1279) spielt die Parteirolle keine Rolle, Rz. 1145. Es kommt nicht darauf an, 426 Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 262. 427 Staudinger/Dörner, Internationales Erbrecht – Art. 25, 26 EGBGB, Neubearbeitung 2007, Art. 25 Rz. 778; LG Hamburg vom 28.10.1993, FamRZ 1994, 403 = IPRspr. 1994 Nr. 135a; LG Hamburg vom 28.4.1994, NJW-RR 1994, 1098 = FamRZ 1994, 1490 = IPRspr. 1994 Nr. 135b. Zur Erweiterung des Gerichtsstands der Erbschaft durch § 28 ZPO OLG Schleswig vom 12.4.2007, MDR 2007, 1200. 428 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 429, 451.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit ob die Zuständigkeitsanknüpfungen (deutsche Staatsangehörigkeit oder gewöhnlicher Aufenthalt im Inland) in der Person des Klägers oder des Beklagten bzw. des Antragstellers oder des Antragsgegners oder (mitunter) eines sonstigen Verfahrensbeteiligten verwirklicht sind, §§ 98 ff. FamFG (früher §§ 606a I 1, 640a II, 661 III ZPO). 1158a Bei den personenbezogenen Gerichtsständen kommt es auf das Vorliegen der Zuständigkeitsanknüpfungen in der Person der jeweiligen Partei (Beklagter/Kläger) an, nicht auf die des Inhabers des materiellen Rechts. Beispiel: Klage gegen Insolvenzverwalter. Irrelevant ist der Wohnsitz des Gemeinschuldners. Im autonomen Recht gilt nunmehr § 19a ZPO.429 3. Rechtsnachfolger 1158b
Soweit auf personenbezogene (nicht streitgegenstandsbezogene) Kriterien abgestellt wird, sind jeweils maßgeblich die Zuständigkeitsanknüpfungen für die konkrete Partei. Dass diese „nur“ Rechtsnachfolger hinsichtlich des Streitgegenstandes ist, spielt kompetenzrechtlich keine Rolle. Es gibt also – vorbehaltlich § 265 ZPO – grundsätzlich keine Rechtsnachfolge in das Forum. So kann z.B. im Falle der befreienden Schuldübernahme der neue Schuldner nur an seinem Wohnsitz etc. (§§ 12 ff. ZPO) verklagt werden; er ist nicht am Wohnsitz (§ 12 ZPO) seines Vorgängers gerichtspflichtig, ebenso nicht dort, wo dieser Vermögen hat (§ 23 ZPO).
1158c Im Fall der Abtretung, Verpfändung und Pfändung – Rechtsvorgänge, die allesamt ohne Mitwirkung des Schuldners stattfinden – darf aber bei Aktivprozessen des Schuldners/Drittschuldners dessen kompetenzrechtliche Position nicht geschmälert werden. Dies führt zu einer Erweiterung der Gerichtspflichtigkeit des Gläubigers. Der (Dritt)schuldner kann den Zessionar, Pfandgläubiger und Pfändungspfandgläubiger nicht nur an dessen Wohnsitz bzw. Zweigniederlassung und in den sonstigen Foren der §§ 20 ff. ZPO verklagen, sondern überall dort, wo er hinsichtlich der abgetretenen, verpfändeten oder gepfändeten Forderungen/Rechte (§ 857 ZPO) den Zedenten, Verpfänder bzw. Vollstreckungsschuldner (= seinen Gläubiger) hätte verklagen können, also an dessen Wohnsitz/Sitz zum Zeitpunkt der Klageerhebung (nicht zum Zeitpunkt der Abtretung, Verpfändung bzw. Pfändung), am Ort seiner Niederlassung etc., Rz. 3279; siehe auch Rz. 1723.430 1158d
Die Nachlassgläubiger können den bzw. die Erben am letzten Wohnsitz des Erblassers nur nach Maßgabe von § 28 ZPO verklagen.
429 Da Art. 2 I EuGVVO nur die internationale Zuständigkeit regelt, kommt § 19a ZPO bezüglich der örtlichen Zuständigkeit auch im Anwendungsbereich der EuGVVO zur Anwendung. 430 Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, Anh. I Art. 2 EuGVVO Rz. 40.
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Grundlinien der internationalen Zuständigkeitsordnung
VI. Keine internationale Streitgenossenzuständigkeit 1. Grundsatz Personenbezogene Gerichtsstände (Rz. 1156) eröffnen internationale Zuständig- 1159 keit nur für bzw. gegen die betroffenen Personen, Rz. 1023. Wohnt einer der Beklagten in Deutschland oder ist aufgrund einer sonstigen Zuständigkeitsanknüpfung die deutsche internationale Zuständigkeit zu bejahen, so folgt daraus nicht als „Annexzuständigkeit“ die internationale Zuständigkeit gegen (mitverklagte) Streitgenossen, hinsichtlich derer eine Zuständigkeitsanknüpfung im Sinne der §§ 12 ff. ZPO nicht gegeben ist. § 36 I Nr. 3 ZPO hilft hier nicht weiter.431 Auf diese Norm kann die (an sich nicht gegebene) internationale Zuständigkeit Deutschlands gegen einen im Ausland wohnhaften Streitgenossen nicht gegründet werden, Rz. 1292, 1578.432 – Das gleiche galt für § 36 I 2 FGG (Geschwistergerichtsstand),433 der im FamFG (§ 152) nicht fortgeschrieben worden ist. Eine Streitgenossenzuständigkeit hat die deutsche ZPO – anders als die 1160 EuGVVO und das LugÜ (Art. 6 Nr. 1434) – ausdrücklich nicht rezipiert, obwohl die Streitgenossenzuständigkeit einer Reihe von Prozessordnungen der deutschen Einzelstaaten bekannt war.435 Fazit: Für jeden Streitgenossen muss selbständig geprüft werden, ob eine Zuständigkeitsanknüpfung im Sinne der §§ 12 ff. ZPO gegeben ist. Ist dies zu bejahen, dann kann die örtliche Zuständigkeit nach § 36 I Nr. 3 ZPO bei einem deutschen Gericht konzentriert werden, Rz. 1528.436
431 BGH vom 6.11.1970, NJW 1971, 196; R. Geimer AWD 1975, 82 Fußn. 12; R. Geimer WM 1976, 834 Fußn. 39; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 608; Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 568; Albicker, Der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft, 1996. Deutlich BGH vom 22.2.1995, NJWRR 1995, 641 = FamRZ 1995, 251 = LM § 36 I Nr. 6 ZPO Nr. 37 = IPRspr. 1995 Nr. 162: „Allerdings setzt die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts voraus, dass die deutschen Gerichte in der Sache nach deutschem Recht international zuständig sind“. 432 Zustimmend z.B. Vossler, Die Bedeutung des Mehrparteiengerichtsstands nach Art. 6 Nr. 1 EuGVVO bei der Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, IPRax 2007, 281, 282. 433 Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 567; Mitzkus, Internationale Zuständigkeit im Vormundschafts-, Pflegschafts- und Sorgerecht, 1982, 213. Dagegen will BGH vom 19.11.1984, IPRax 1985, 342 (Großfeld/Lohmann 324), § 5 I 2 FGG (nunmehr § 5 I Nr. 1 FamFG) anwenden: In Wahrheit handelt es sich aber um einen Fall der Notzuständigkeit (Rz. 1024), lediglich das örtlich zuständige Gericht wird nach Bejahung der internationalen Zuständigkeit (in concreto: der interlokalen im Verhältnis zur ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik) nach § 5 FGG bestimmt. 434 Hierzu z.B. Otte, Umfassende Streitentscheidung durch Beachtung von Sachzusammenhängen – Gerechtigkeit durch Verfahrensabstimmung?, 1998, 649 ff.; Geier, Die Streitgenossenschaft im internationalen Verhältnis, Diss. St. Gallen 2005. 435 Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 556 ff.; R. Geimer WM 1979, 351. Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit R. Geimer in Festschrift Schwind, 1993, 26; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 608. 436 Beispiel: BGH vom 17.9.1980, NJW 1980, 2646. Hierzu aus der Perspektive des § 119 I Nr. 1 lit. b GVG von Hein ZZP 116 (2003), 335, 355 ff. sowie von Hein IPRax 2004, 90.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 2. Ausnahmen 1162 Das Gesetz eröffnet eine internationale Zuständigkeit aufgrund einer Streitgenossenschaft nur in wenigen Ausnahmefällen:437 §§ 105, 232 III 2 Nr. 2 FamFG, früher § 35a ZPO (Unterhaltsklage des Kindes gegen die Eltern),438 §§ 603 II, 605a ZPO (Wechsel- bzw. Scheckklagen), § 440 II HGB (Klage gegen Frachtführer und ausführenden Unterfrachtführer), § 56 II 2 Luftverkehrsgesetz.439 1163 Darüber hinaus wird man bei notwendiger Streitgenossenschaft auch gegen einen gemäß §§ 12 ff. ZPO in Deutschland nicht gerichtspflichtigen Beklagten eine internationale Zuständigkeit eröffnen müssen, wenn die lex causae die Einbeziehung aller materiell-rechtlich Beteiligten in den Prozess zwingend vorschreibt.440 Vgl. aber Rz. 1407. Solche Fälle sind selten. Es muss sich um Klagen handeln, die aus Gründen des materiellen Rechts nur dann Erfolg haben können, wenn gegen mehrere geklagt wird. Bei Maßgeblichkeit deutschen Rechts gilt: Gegen mehrere Beklagte braucht nur sehr selten gemeinsam auf Leistung geklagt zu werden.441 Eine Feststellungsklage muss selbst dann nicht gegen mehrere Beklagte erhoben werden, wenn das Feststellungsinteresse gegen mehrere Parteien zu bejahen ist. Einigkeit besteht jedoch darüber, dass es Gestaltungsklagen gibt, die gegen mehrere Beklagte erhoben werden müssen. Beispiele: Mietaufhebungsklage gegen mehrere Mieter, Kündigungsschutzklage gegen mehrere Vermieter, Auflösungsklage gegen mehrere widersprechende Gesellschafter. Anders ist es möglicherweise bei ausländischer lex causae. 1164 In den wenigen Fällen der echten notwendigen passiven Streitgenossenschaft wirkt der materiell-rechtliche Zwang zur einheitlichen Klage gegen mehrere Beklagte auch international zuständigkeitsbegründend. Das Verbot der Justizverweigerung führt trotz betonter Zurückhaltung der ZPO gegenüber der Streitgenossenzuständigkeit zur Eröffnung eines Gerichtsstandes gegen alle notwendigen Streitgenossen am allgemeinen Gerichtsstand eines Beklagten.442 Dies gilt aber nur, wenn Deutschland kraft Gesetzes wenigstens in Richtung gegen einen Beklagten international zuständig ist. Es reicht also nicht aus, dass ein Streitgenosse die internationale Unzuständigkeit Deutschlands gegen alle dadurch „be-
437 Weiter § 93 I JN; hierzu Rechberger/Simotta, Grundriss des österreichischen Zivilprozessrechts – Erkenntnisverfahren6, 2003, Rz. 132. 438 Vgl. Stein/Jonas/H. Roth, ZPO22, 2003, § 35a Rz. 2. 439 In der Fassung vom 10.5.2007, BGBl. I 698. Diese Vorschrift lautet: „In dem Fall des § 48b kann die Klage gegen den ausführenden Luftfrachtführer auch in dem Gerichtsstand des vertraglichen Luftfrachtführers und die Klage gegen den vertraglichen Luftfrachtführer auch in dem Gerichtsstand des ausführenden Luftfrachtführers erhoben werden.“ § 48b Luftverkehrsgesetz betrifft den Fall, dass ein Dritter („ausführender Luftfrachtführer“) die Luftbeförderung, zu der sich ein Luftfrachtführer (vertraglicher Luftfrachtführer) verpflichtet hat, mit dessen Einverständnis ganz oder auf einer Teilstrecke ausführt. Der Dritte haftet für Schäden an den beförderten Personen und Sachen auf der von ihm übernommenen Strecke wie der vertragliche Luftfrachtführer. 440 Schröder a.a.O. 570; R. Geimer WM 1979, 355. 441 Vgl. BGH vom 26.10.1990, NJW-RR 1991, 333. 442 So z.B. OVG Hamburg vom 21.3.1984, StAZ 1985, 45 = IPRspr. 1984 Nr. 12 für Namensänderung von Eheleuten.
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Grundlinien der internationalen Zuständigkeitsordnung endet“, dass er mit dem Kläger eine Zuständigkeitsvereinbarung schließt oder sich schlicht und einfach nach § 39 ZPO einlässt.443 Wollte man anders entscheiden, wäre Manipulationen Tür und Tor geöffnet, Rz. 1407, 1726. Ein praktischer Fall für die Streitgenossenzuständigkeit wegen echter notwendi- 1165 ger Streitgenossenschaft wurde bisher nicht aktuell, weil die (ratione materiae geschaffenen) besonderen Gerichtsstände eine Klage gegen mehrere Streitgenossen in den Fällen gestatten, in denen aus Gründen des materiellen Rechts eine Klage gegen mehrere Parteien unumgänglich ist. So ist z.B. gemäß § 24 ZPO für dingliche Klagen, die ein deutsches Grundstück betreffen, gegen wen auch immer diese gerichtet sind, das forum rei sitae gegeben. Das Gleiche gilt etwa auch für die mietrechtliche Kündigungsschutzklage, § 29a ZPO, oder gesellschaftsrechtliche Klagen, § 22 ZPO, §§ 241, 246, 249, 275 AktG, §§ 51a, 61 III, 75 GmbHG, § 51 GenG. Schröder will die Streitgenossenzuständigkeit nicht auf die Fälle der echten not- 1166 wendigen Streitgenossenschaft beschränken. Eine klare und prägnante Abgrenzungsformel kann er aber nicht aufzeigen. Seine Formel, „dass der Zuständigkeitsrahmen für zusammenhängende Angelegenheiten von Haus aus so weit wie irgend vertretbar gezogen wird“, ist nicht justiziabel. Als „unerlässliches Korrektiv“ bietet er444 die Doktrin vom forum non conveniens (Rz. 1072) an. Es ist aber weder der Rechtsidee förderlich, noch den Parteien zumutbar, dass sie eine lange Prozessdauer in Kauf nehmen müssen, bis sie Antwort lediglich auf die Frage erhalten, ob es „die besonderen Gegebenheiten des Falles angebracht erscheinen lassen“, die Streitgenossenzuständigkeit zuzulassen oder nicht. Auch auf der Klägerseite gibt es keine Streitgenossenzuständigkeit: Wird in 1167 einem Rechtsstreit Widerklage sowohl gegen den Kläger als auch gegen einen bisher am Verfahren nicht beteiligten Dritten (mit Wohnsitz außerhalb Deutschlands) erhoben, so eröffnet Konnexität (§ 33 ZPO) keine internationale Zuständigkeit gegen den Dritten. Es ist vielmehr zu prüfen, ob gegen den Dritten ein Zuständigkeitsanknüpfungspunkt gemäß §§ 12 ff. ZPO gegeben ist.445 Ausnahme: gewillkürte Prozessstandschaft, Rz. 1574. 1168–1170
VII. Internationale Zuständigkeit Deutschlands für reine Ausländerprozesse Von den Ehe-, Kindschafts-, Abstammungs- und Lebenspartnerschaftssachen 1171 (Rz. 1279, 1323, 1947, 1953) abgesehen, kommt es – anders als nach den romanischen Rechtsordnungen (Rz. 1143) – nicht auf die Staatsangehörigkeit der Partei-
443 Anders entschied jedoch zu Order 11 rule 1 (i) (c) RSC das House of Lords in Sachen Canada Trust Co. v. Stolzenberg (2000) W.L.R. 1376, 1380, 1386; (2000) 4 All E.R. 481. Hierzu Vogenauer IPRax 2001, 253. 444 Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 571. 445 BGH vom 20.5.1981, NJW 1981, 2642 = RIW 1981, 706 = MDR 1982, 138 = IPRspr. 1981 Nr. 162.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit en (weder des Beklagten noch des Klägers, Rz. 1145) an.446 Auch wenn beide Parteien Ausländer oder staatenlos sind, sind die deutschen Gerichte zur Rechtsschutzgewährung verpflichtet, wenn nach den allgemeinen Regeln (§§ 12 ff. ZPO) ein Gerichtsstand gegeben ist, Rz. 1946. Sie können nicht die Sachentscheidung verweigern mit der Begründung, ein anderer Staat sei dem Rechtsstreit näher, Rz. 1075. 1172 Dies ist für die auf den inländischen Wohnsitz/Sitz des ausländischen Beklagten gestützte internationale Zuständigkeit Deutschlands unbestritten, auch wenn der Streitgegenstand keinerlei Bezug zum Inland hat, Rz. 1280. Anders ist es in den Fällen des § 23 ZPO: Hier wohnt der Beklagte im Ausland oder lebt wohnsitzlos. Deutschland eröffnet seine internationale Zuständigkeit für alle vermögensrechtlichen Streitigkeiten aufgrund des Umstandes, dass sich im Inland irgendein Vermögensstück des Beklagten befindet, Rz. 1351. Auf die Staatsangehörigkeit der Parteien kommt es nicht an. Dies hat zur Folge, dass reine Ausländerprozesse, die auch vom Streitgegenstand her keinen Bezug zu Deutschland haben, vor inländische Gerichte gebracht werden können. So können zwei in demselben fremden Staat oder in verschiedenen Staaten lebende Ausländer vor deutschen Gerichten über Sachverhalte prozessieren, die rechtlich keinerlei Beziehungen zum deutschen Recht und tatsächlich keine Verbindung mit Deutschland haben. Über § 23 ZPO kann der Ausländer gegen seinen Landsmann prozessieren, auch wenn beide in demselben ausländischen Ort wohnen, niemals in Deutschland waren und ihr Rechtsstreit weder rechtlich noch tatsächlich die geringste Berührung mit deutschen Verhältnissen hat; es genügt, dass der Beklagte ein Guthaben bei einer deutschen Bank hat.447 1173 Hier setzt (unberechtigte, Rz. 1356) Kritik an; so wendet sich Schumann gegen „die Öffnung des Gerichtsstandes für jeden Kläger“. „Das Bemühen, die Anwendung des § 23 ZPO zu reduzieren, muss sich deshalb auf die Frage erstrecken, ob es richtig ist, diesen Gerichtsstand unterschiedslos jedem Kläger und bei jedem Sachverhalt einzuräumen.“ Nach Schumann448 wird § 23 ZPO „missbraucht, wenn er in derartigen Fällen für eine Klage eines Ausländers gegen einen Ausländer über einen ausländischen Sachverhalt die deutsche internationale Zuständigkeit begründen soll“. Deshalb fehle regelmäßig die deutsche internationale Zuständigkeit, wenn ein Ausländer einen Auslandssachverhalt anhängig macht. Schumann will § 23 ZPO nur „als Auffanggerichtsstand zugunsten des inländischen Klägers und für Inlandssachverhalte“ verstanden wissen. 1174 Eine Beschränkung auf solche Kläger, welche die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, lehnt allerdings auch Schumann zu Recht ab, da im System der deutschen internationalen Zuständigkeit – und nunmehr auch im Brüssel I-Kompetenzsystem – die Staatsangehörigkeit kein Anknüpfungspunkt ist, Rz. 1946.
446 Auch in den Vereinigten Staaten von Amerika spielt die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit eine untergeordnete Rolle, vgl. die Nachweise bei Dörig, Anerkennung und Vollstreckung US-amerikanischer Entscheidungen in der Schweiz, 1998, 178. 447 Beispiel: LG Frankfurt a.M. AG 1976, 47 (Mertens). 448 Schumann in Festschrift Liebman, 1979, 865/866.
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Grundlinien der internationalen Zuständigkeitsordnung Schumann449 plädiert aber – nicht überzeugend, Rz. 1366 – für eine Beschränkung auf inländische Kläger. Aus den Motiven und den Gesetzgebungsdiskussionen glaubt er erkennen zu können, dass man beim Vermögensgerichtsstand an den inländischen Kläger dachte, d.h. an eine Person, die im Inland ihren Wohnsitz hat. Der inländische Kläger sollte den Prozess gegen seinen vermögenden Schuldner auch im Inland führen dürfen. Dieses (angeblich „deutliche“) gesetzgeberische Motiv wurde jedoch nicht im Text des § 23 ZPO durch eine eingrenzende Formel rezipiert, etwa durch den Satz: „. . . falls der Kläger im Inland einen allgemeinen Gerichtsstand hat“ oder (noch enger) „. . . seinen Wohnsitz hat“. Von der Beschränkung auf Kläger mit Wohnsitz im Inland muss Schumann450 aber gleich wieder folgende Ausnahmen zulassen: a) Ausländer-Klagen, die wegen Rechts- oder Beweisnähe eine Entscheidung 1175 durch deutsche Gerichte als sinnvoll erscheinen lassen, z.B. Streitigkeiten aus in Deutschland abgeschlossenen Rechtsgeschäften, aus Verträgen, die dem deutschen Recht unterstellt wurden, oder Klagen über Sachverhalte, die in Deutschland ihren Schwerpunkt haben und deshalb zweckmäßigerweise vor deutschen Gerichten aufzuklären sind. Wenn in derartigen Fällen ein besonderer Gerichtsstand (§§ 32, 29 oder 21 ZPO) nicht gegeben ist, so bedeute dies nicht, dass der Kläger kein Bedürfnis hätte, den Rechtsstreit durch deutsche Gerichte entscheiden zu lassen; vielmehr sind nach Schumann451 „Beweis-, Erfüllungsorts- und Vertragsabschlussnähe beachtenswerte Gesichtspunkte, an die eine internationale Zuständigkeit anzuknüpfen vermag.“ Weiter will Schumann ausnahmsweise eine Ausländer-Klage zulassen, wenn dieser „ein berechtigtes Interesse besitzt, statt des an sich zuständigen ausländischen Gerichts gerade die deutsche Zivilgerichtsbarkeit in Anspruch zu nehmen“. b) Bei Gefahr der internationalen Rechtsverweigerung müssen „aus dem Gesichtspunkt der internationalen Notzuständigkeit“ nach Schumann die deutschen Gerichte selbst dann judizieren, wenn im Übrigen ein reiner Auslandsfall vorliegt.
1176
c) Schließlich soll § 23 ZPO doch wieder anzuwenden sein, wenn der Auslän- 1177 der-Kläger zwar im Ausland einen Gerichtsstand gegen den Beklagten hat, aber ein dort erstrittenes Urteil im Inland nicht anerkannt wird, so dass er auf das inländische Vermögen des Beklagten auch nicht über § 722 ZPO bzw. § 110 FamFG zugreifen kann.452 Der Linie Schumanns sind das OLG Stuttgart453 und der XI. Zivilsenat des 1178 BGH454 gefolgt. Während das OLG Stuttgart sich um die Konkretisierung des
449 450 451 452 453
Schumann a.a.O. 864. Schumann a.a.O. 867. Schumann a.a.O. 867. Schumann a.a.O. 868. OLG Stuttgart vom 6.8.1990, RIW 1990, 829 (Fischer 794) = IPRax 1991, 179 (Fricke 159) = IPRspr. 1991 Nr. 166a. Für die hier vertretene Auffassung Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 102. 454 BGH vom 2.7.1991, BGHZ 115, 90 = NJW 1991, 3092 (R. Geimer 3072) = MDR 1991, 988 = RIW 1991, 856 (Fischer RIW 1992, 57) = JZ 1992, 51 (Schack) = LM § 23 ZPO
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit Kompetenzbezugs „hinreichender Inlandsbezug“ bemüht, lässt der BGH alles offen.455
VIII. Hauptsäulen für die internationale Zuständigkeit Deutschlands, wenn der Beklagte keinen inländischen Wohnsitz/Sitz hat 1179 Die einzelnen dem deutschen Recht bekannten Zuständigkeitsanknüpfungen sind unten Rz. 1265 ff. im Einzelnen dargestellt. In diesem Zusammenhang sei lediglich hervorgehoben, dass die internationale Zuständigkeit Deutschlands für Klagen gegen Personen ohne Wohnsitz im Inland auf sechs Hauptsäulen ruht: 1180 1. Unterwerfung des Beklagten: Die Zuständigkeitsfrage erübrigt sich, wenn der Beklagte die internationale Zuständigkeit nicht rügt, Rz. 1397. 1181 2. Belegenheit von Vermögen des Beklagten im Inland: Steht fest, dass der Beklagte Vermögen im Inland besitzt, dann ist die internationale Zuständigkeit Deutschlands in vermögensrechtlichen Streitigkeiten zu bejahen, Rz. 1351. 1182 3. Inländischer Erfüllungsort für die eingeklagten vertraglichen Ansprüche, Rz. 1471. 1183 4. Inländischer Tatort in Bezug auf deliktische Ansprüche, Rz. 1497: Sieht man vom Vermögensgerichtsstand ab, so sind der Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO) für Vertragsklagen und das forum delicti commissi (§ 32 ZPO) für deliktische Ansprüche die Hauptgrundlagen für die internationale Zuständigkeit Deutschlands. Dies zeigt sich deutlich im Anwendungsbereich der europäischen Zuständigkeitsordnung der EuGVVO bzw. des LugÜ, welche den Vermögensgerichtsstand nicht kennen, Art. 3 EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ Rz. 1382. Hier wird – weil die Justizgewährung durch die deutschen Gerichte davon abhängt – oft erbittert darum gestritten, ob der Erfüllungs- bzw. Deliktsort im Inland zu lokalisieren ist. 1184 5. Belegenheit des Streitgegenstandes im Inland: Die internationale Zuständigkeit Deutschlands ist weiter zu bejahen, wenn „der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand“ sich im Inland befindet, § 23 Satz 1 zweite Alternative ZPO. Für inländische Immobilien (§ 24 ZPO) und für inländische Wohnraummiete betreffende Streitigkeiten (§ 29a ZPO) behauptet die herrschende Meinung sogar eine die Wohnsitzzuständigkeit verdrängende Ausschließlichkeit, Rz. 1433. 1185 6. Deutsche Staatsangehörigkeit einer Partei: Diese Anknüpfung spielt in Statussachen (Ehe-, Kindschafts-, Abstammungs- und Lebenspartnerschaftssachen) eine zentrale Rolle, Rz. 1323.
Nr. 7 (Pfeiffer) = IPRax 1992, 160 (Schlosser 140) = DWiR 1991, 245 (Schütze 239) = IPRspr. 1991 Nr. 166b, hierzu oben Rz. 1077a. 455 Deutsche Staatsangehörigkeit des Klägers soll genügen, LAG Frankfurt a.M. vom 16.11.1999, IPRax 2001, 461 (Benecke 449) = IPRspr. 1999 Nr. 47.
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Grundlinien der internationalen Zuständigkeitsordnung 7. Annex: Deutsche Staatsangehörigkeit des Erblassers: War der Erblasser Deut- 1186 scher, so können erbrechtliche Klagen vor deutschen Gerichten anhängig gemacht werden, auch wenn der Erblasser nie in Deutschland gewohnt oder sich aufgehalten hatte, § 27 II ZPO.456
IX. Arbeitsrechtsstreitigkeiten Das deutsche Recht457 kennt für individualarbeitsrechtliche Streitigkeiten keine 1187 besondere Zuständigkeitsanknüpfung, insbesondere keine (ausschließliche) Zuständigkeit am Beschäftigungsort.458 Die Rechtsprechung will jedoch Zuständigkeitsvereinbarungen nicht beachten, wenn sie der Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers widersprechen, Rz. 1774. Für individualarbeitsrechtliche Streitigkeiten kommen neben dem Wohnsitz/Sitz (§§ 12, 13, 17 ZPO) vor allem der Gerichtsstand der Niederlassung (§ 21 ZPO) und des Vermögens (§ 23 ZPO) in Betracht sowie der Gerichtsstand des Aufenthalts (§ 20 ZPO).459 Bei betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten (Rz. 1477) wird für das Be- 1188 schlussverfahren eine ausschließliche Zuständigkeit am Betriebsort bzw. Sitz des Unternehmens von der herrschenden Meinung460 postuliert, § 82 ArbGG.461
X. Versicherungssachen Auch in Versicherungssachen gilt – anders als im EuGVÜ/LugÜ (Art. 7–12a)462 1189 bzw. nunmehr nach der EuGVVO (Art. 8–14) – grundsätzlich das allgemeine Zuständigkeitsrecht der §§ 12 ff. ZPO,463 ergänzt durch § 215 III VVG. Jedoch hatte § 109 VAG a.F. – um die Klagemöglichkeiten des Versicherungsnehmers, Versicherten oder sonst wie Begünstigten gegen ausländische Versicherer zu verbes-
456 Staudinger/Dörner, Internationales Erbrecht – Art. 25, 26 EGBGB, Neubearbeitung 2007, Art. 25 Rz. 780. Zur Erweiterung des Gerichtsstands der Erbschaft durch § 28 ZPO OLG Schleswig vom 12.4.2007, MDR 2007, 1200. 457 Anders jedoch Art. 18 ff. EuGVVO. Hierzu Nachweise z.B. bei Winterling, Die Entscheidungszuständigkeit in Arbeitssachen im europäischen Zivilverfahrensrecht, 2006. 458 Birk RabelsZ 46 (1982), 413; Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 364. 459 Mankowski in Dieterich/Neef/Schwab (ed.), Arbeitsrecht-Blattei sub Arbeitsgerichtsbarkeit V – E. Internationale Zuständigkeit 160.5.5 Rz. 484. 460 Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 685; BAG vom 12.2.1985, BAGE 48, 82 = AP Nr. 1 zu Art. I Nato-Truppenstatut (Beitzke) = IPRspr. 1985 Nr. 128. 461 Siehe auch Mankowski in Dieterich/Neef/Schwab (ed.), Arbeitsrecht-Blattei sub Arbeitsgerichtsbarkeit V – E. Internationale Zuständigkeit 160.5.5 Rz. 575 ff. 462 Hierzu außer den Kommentaren zur EuGVVO bzw. zum EuGVÜ/LugÜ z.B. Simotta in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, Rz. 20 ff. vor §§ 76–84 JN. 463 Martiny in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Art. 37 EGBGB Rz. 206.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit sern – am Sitz ihrer inländischen Niederlassung ein (derogationsfestes) Forum eröffnet.464
XI. Verbrauchersachen 1190 Diesen weiten Begriff verwendet – im Gegensatz zu Art. 13–15 EuGVÜ/LugÜ I465 bzw. nunmehr zu Art. 15–17 EuGVVO/LugÜ II466 – das autonome deutsche Recht nicht. Dieses normiert einzelne Teilbereiche, wie Teilnahme am Fernunterricht und Haustürgeschäfte.467
XII. Wettbewerbssachen 1191 Die §§ 12 ff. ZPO werden ergänzt durch § 14 UWG, Rz. 1517.
XIII. Kartellsachen 1192 Im Kartellzivilprozess gelten die allgemeinen Regeln der §§ 12 ff. ZPO, Rz. 1055.468
XIV. Gerichtspflichtigkeit des Beklagten/Antragsgegners 1193 Ist ein Anknüpfungspunkt für die internationale Zuständigkeit Deutschlands gegeben, dann ist der Beklagte/Antragsgegner im Inland gerichtspflichtig, d.h. er muss hier sein Recht „nehmen“. 1194 Hiervon zu unterscheiden ist die Prozessführungslast des Beklagten bei (objektiv gegebener) internationaler Unzuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland. Nimmt er am inländischen Prozess nicht teil, ist zwar das deutsche Gericht verpflichtet, die internationale Unzuständigkeit von Amts wegen festzustellen und die Klage als unzulässig abzuweisen. Ergeht aber gleichwohl ein Sachurteil, muss der Beklagte Rechtsmittel einlegen. Sonst wird der Mangel der internationalen Zuständigkeit in Deutschland geheilt, Rz. 1011.
464 Hierzu 5. Aufl. Rz. 1455. 465 Ausführlich Schaltinat, Internationale Verbraucherstreitigkeiten: unter besonderer Berücksichtigung des EuGVÜ, 1998. Hier diskutiert man z.B. darüber, ob auch der Warenterminspekulant Verbraucher ist, bejahend z.B. Dannhoff, Das Recht der Warentermingeschäfte – Eine Untersuchung zum deutschen, internationalen und US-amerikanischen Recht, 1993, 195; R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 15 EuGVVO Rz. 17 ff. 466 R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 15 EuGVVO Rz. 17 ff. 467 § 26 I FernUSG, § 29c ZPO. Hierzu ausführlich Kleinknecht, Die verbraucherschützenden Gerichtsstände im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, Diss. Mainz 2007, 185 ff. 468 Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 532.
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Grundlinien der internationalen Zuständigkeitsordnung Nimmt der Beklagte am inländischen Prozess teil, so muss er in limine litis die 1195 internationale Unzuständigkeit rügen und während des ganzen Prozesses aufrechterhalten; sonst ergibt sich die internationale Zuständigkeit aus § 39 ZPO, Rz. 1397.
XV. Gerichtspflichtigkeit des Klägers Ist eine Zuständigkeitsanknüpfung gemäß §§ 12 ff. ZPO in Richtung gegen den 1196 Kläger gegeben, so ist die internationale Zuständigkeit Deutschlands für die Widerklage gegen den Kläger zu bejahen. Auf Konnexität kommt es nicht an.469 Ohne Gerichtsstand nach §§ 12–32, 34 ZPO eröffnet § 33 ZPO eine internationale Zuständigkeit für konnexe Widerklagen. Zur Zulässigkeit der Widerklage am forum derogatum Rz. 1776. In jedem Falle ist der Kläger wegen der Kostenerstattung im Forumstaat gerichtspflichtig, Rz. 1568a.
XVI. Beteiligung Dritter 1. Nebenintervention: Beteiligt sich jemand als Nebenintervenient am Prozess, 1197 so liegt darin in der Regel eine zuständigkeitsbegründende Unterwerfung unter die Jurisdiktion des Gerichtsstaates, sofern im Hinblick auf den Dritten (Intervenienten) die Frage der internationalen Zuständigkeit überhaupt gestellt wird. Die internationale Zuständigkeit ergibt sich aus (entsprechender) Anwendung des § 39 ZPO.470 2. Unbeantwortete Streitverkündung: Wird dem Dritten der Streit verkündet, 1198 beteiligt er sich jedoch nicht am Verfahren, so ist ein Zuständigkeitsbezug nach §§ 12 ff. ZPO nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit der Streitverkündung.471 Auch (ausländische) Streitverkündete mit Wohnsitz irgendwo auf der Welt haben nach §§ 71 ff. ZPO die prozessuale Last, sich auf ein deutsches Verfahren einzulassen.472 Dies bedeutet im Anerkennungsstadium, dass eine Zuständigkeitsprüfung in Richtung gegen den Dritten nicht stattfindet, Rz. 2820. 3. Garantieurteil: Weiter als das deutsche Recht gehen ausländische Rechtsord- 1199 nungen, was die „Hereinnahme“ widerstrebender Dritter in einen laufenden Prozess anbelangt. Im deutschen Recht können die Ergebnisse des Prozesses im Wege der Streitverkündung auf einen am Prozess nicht Beteiligten erstreckt werden (§§ 74, 68 ZPO).473 Eine Verurteilung zur Leistung oder ein Feststellungs-
469 R. Geimer NJW 1972, 2179; Pfaff ZZP 96 (1983), 343. 470 Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 708. 471 Dies ist völkerrechtskonform, Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 241, 276. 472 R. Geimer NJW 1970, 387; R. Geimer ZZP 85 (1972) 199. 473 Z.B. Korf, Die Garantieklage im italienischen Zivilprozessrecht, Diss. Freiburg 2004; Frei, Die Interventions- und Gewährleistungsklagen im Schweizer Zivilprozess unter
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit oder Gestaltungsurteil gegen den Dritten kann aber – ohne Zuständigkeitsbezug nach §§ 12 ff. ZPO – nicht ergehen. Auch im Bereich der EuGVVO bzw. des EuGVÜ/LugÜ gilt nichts anderes, da Art. 6 Nr. 2 EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ von den deutschen Gerichten nicht anzuwenden ist, Art. 65 EuGVVO bzw. Art. V des Protokolls.474 Dagegen kann nach den romanischen Prozessordnungen im anhängigen Verfahren oder in einem hiervon getrennten Verfahren in dem betreffenden Gerichtsstaat ein vollstreckbarer Titel gegen den Dritten erwirkt werden.475 1200 Beispiel: Art. 333 Nouveau Code de procédure civile.476 Die internationale Zuständigkeit für den Hauptprozess gegenüber dem Beklagten (Garantiekläger) reicht nach Art. 6 Nr. 2 EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ und nach den romanischen Prozessordnungen aus; im Hinblick auf den Dritten (Garantiebeklagten) muss keine Zuständigkeitsanknüpfung gegeben sein. Dies gilt auch aus der Anerkennungsperspektive, wenn ein im Ausland gegen einen Dritten erlassenes Urteil in Deutschland zur Anerkennung bzw. Vollstreckung ansteht, und zwar nicht nur im Anwendungsbereich des EuGVÜ/LugÜ und der EuGVVO, sondern auch gemäß § 328 I Nr. 1 ZPO.477
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besonderer Berücksichtigung der Streitverkündung mit Klage nach dem Vorentwurf einer Schweizer Zivilprozessordnung, 2004. Dies ist aber eine nach Art. 12 EGV unzulässige Diskriminierung, R. Geimer IPRax 2002, 69, 74. Für Deutschland, Österreich und Ungarn verweist Art. 65 EuGVVO auf die Möglichkeit der Streitverkündung. Die Zulässigkeit der Streitverkündung normiert nicht das Gemeinschaftsrecht. Art 65 I 2 EuGVVO verweist auf das jeweilige nationale Recht. Es handelt sich um eine dynamische Verweisung, d.h. der jeweilige nationale Gesetzgeber kann die in Art. 65 I 2 apostrophierten Normen ändern. Die Beschränkungen der Gerichtspflichtigkeit durch Art. 5 ff. EuGVVO gelten nicht für den Streitverkündungsempfänger. Wo dieser wohnt bzw. sich gewöhnlich aufhält, ist irrelevant, sofern die lex fori – wie z.B. das deutsche Recht – keine Begrenzungen vorsieht. Über die Zulässigkeit der Streitverkündung wird grundsätzlich im deutschen Ausgangsverfahren nicht entschieden. Das OLG Köln vom 3.6.2002, RIW 2003, 73 = IPRax 2003, 531 (Roth 525) = IHR 2003, 127 = InVo 2003, 40 = IPRspr. 2002 Nr. 128, will allerdings dann eine Ausnahme zulassen, wenn ein besonderes rechtliches Interesse für eine solche Prüfung dargelegt wird. Dabei wird aber übersehen, dass die deutsche Entscheidung für die ausländischen Gerichte nicht bindend ist; denn sie ist keine Sachentscheidung und fällt daher nicht unter Art. 32 EuGVVO. Dies ist völkerrechtlich nicht zu beanstanden, Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 241. Weitere Nachweise bei Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 381; OLG Düsseldorf vom 27.11.1996, RIW 1997, 330 = IPRax 1998, 478 (Reinmüller 460) = IPRspr. 1996 Nr. 183. R. Geimer NJW 1970, 387; R. Geimer ZZP 85 (1972), 197; Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1532. Anders die herrschende Meinung, z.B. BGH vom 15.10.1969, NJW 1970, 387 (R. Geimer) = IPRspr. 1968–1969 Nr. 229; OLG Karlsruhe vom 10.10.1973, NJW 1974, 1059 = IPRspr. 1973 Nr. 155; Mezger in Festschrift Wengler II, 1973, 556; Bernstein in Festschrift Ferid, 1978, 488; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 705.
Grundlinien der internationalen Zuständigkeitsordnung
XVII. Zeugen Die Frage der internationalen Zuständigkeit wird üblicherweise nur im Hin- 1201 blick auf die Parteien und Dritte, gegen die die Ergebnisse des Prozesses wirken (Rz. 1198, 1199), gestellt.478 Doch lässt sich – unabhängig von den völkerrechtlichen Grenzen der Gerichtsgewalt (Rz. 392 ff.) – die Frage nach den internationalrechtlichen Grenzen der Zeugnispflicht stellen. Muss z.B. ein deutscher Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Buenos Aires nach Bonn reisen, weil dort vor dem Amtsgericht Hinz und Kunz wegen einer Bagatelle prozessieren?479 §§ 12 ff. ZPO bzw. §§ 98 ff. FamFG sind zugunsten des Zeugen nicht anwendbar; 1202 diese regeln nur die Gerichtspflichtigkeit des Beklagten (Rz. 1193) bzw. des Klägers (Rz. 1196, 1568a), nicht jedoch Dritter. Der Zeuge muss grundsätzlich – ohne Rücksicht auf seinen Wohnsitz – vor jedem deutschen Gericht erscheinen, §§ 375 I Nr. 13, vor allem Nr. 3, 402, 451 ZPO.480
XVIII. Erlass von Arresten, einstweiligen Verfügungen und einstweiligen Anordnungen 1. Überblick: Für den deutschen Arrestprozess ist immer dann eine internatio- 1203 nale Zuständigkeit gegeben, wenn der mit Arrest zu belegende Gegenstand oder die in ihrer persönlichen Freiheit zu beschränkende Person sich im Inland befindet, § 919 ZPO.481 Dies gilt auch im Anwendungsbereich des EuGVÜ/LugÜ (Art. 24) bzw. der EuGVVO (Art. 32). Die Bundesrepublik Deutschland erachtet sich auch dann für international zuständig, wenn sie für die Hauptsache international unzuständig ist. Ein solcher Fall dürfte im Hinblick auf § 23 ZPO selten
478 Koch in Walther J. Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 124; Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 198 Fußn. 6. 479 Bedeutsam ist diese Fragestellung z.B. im Justizkonflikt Europa/USA, Rz. 436. Nachweise bei Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 348, 389; Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 209; Schlosser in Festschrift Lorenz, 1991, 509. – Zur internationalen Beweiszuständigkeit siehe auch Rz. 2382. 480 Abzulehnen daher Stürner JZ 1981, 524 und Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 273, die zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit des deutschen Rechtshilfegerichts, § 8 AusfG HBÜ, auf den Wohnsitz des Zeugen (§§ 12, 13 ZPO) abstellen. 481 Allgemein zu den Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes auf breiter rechtsvergleichender Grundlage Kofmel Ehrenzeller, Der vorläufige Rechtsschutz im internationalen Verhältnis, 2005, 122 ff.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit sein.482 Das Problem wird aber aktuell im Anwendungsbereich des EuGVÜ/ LugÜ bzw. der EuGVVO, welche den Vermögensgerichtsstand nicht kennen.483 1204 Bestritten ist, ob nur das Gericht der Hauptsache für „world wide injunctions“ (Rz. 399b) zuständig ist oder ob solche auch die Gerichte der über Art. 24 EuGVÜ/LugÜ I bzw. Art. 31 EuGVVO//LugÜ II weiterhin international zuständigen Staaten anordnen dürfen, sich diese also nicht auf die in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet zu lokalisierenden Rechtsverhältnisse zu beschränken haben.484 1205 2. Justizgewährungsanspruch: Aufgrund des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs hat der Gläubiger zur Sicherung seiner Geldforderung (§ 916 ZPO) ein prozessuales Recht auf Erlass des Arrestes, „wenn zu befürchten ist, dass ohne dessen Verhängung die Vollstreckung des Urteils vereitelt oder wesentlich erschwert würde“, § 917 I ZPO. Dies gilt auch für den persönlichen Sicherheitsarrest (§ 918 ZPO) und vice versa auch für das Recht auf Erlass einer einstweiligen Verfügung. Auch wenn Gläubiger und Schuldner Ausländer sind, besteht dieser Anspruch, und zwar auch dann, wenn für die Hauptsache keine deutsche internationale Zuständigkeit gegeben ist. Eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit wäre zudem ein Verstoß gegen Art. 26 des Haager Übereinkommens über den Zivilprozess vom 1.4.1954.485 Vermögen im Inland ist nicht Voraussetzung für den Erlass des Arrestes bzw. der einstweiligen Verfügung; es genügt, dass Vermögenstransfer in Deutschland unmittelbar bevorsteht.486 – Vgl. Rz. 1245. 1206–1210 1211 3. Notwendigkeit der Auslandsvollstreckung als ausreichender Arrestgrund: Nach § 917 II 1 ZPO ist es bereits ein ausreichender Arrestgrund, wenn das Urteil im Ausland487 vollstreckt werden müsste und die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist.488 Auf eine konkrete Gefährdung der Vollstreckung im Ausland kommt es nicht an. Die Staatsangehörigkeit der Parteien ist ohne Belang.489 Der Gesetz482 R. Geimer AWD 1975, 85; R. Geimer WM 1975, 912; OLG Karlsruhe vom 26.4.1972, OLGZ 1973, 58 = AWD 1973, 272 = IPRspr. 1972 Nr. 165; OLG Zweibrücken vom 20.4.1988, FamRZ 1988, 1073 = IPRspr. 1988 Nr. 208. Enger OLG Koblenz vom 23.2.1990, IPRax 1991, 241 (Hanisch 215). 483 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 269, 272. Ausführlich Koch in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 180 mit weiteren Nachweisen. 484 Für letzteres Albrecht, Das GVÜ und der einstweilige Rechtsschutz in England und Deutschland, Diss. Heidelberg 1991, 119; Albrecht IPRax 1992, 186. 485 BGBl. 1958 II 577. 486 R. Geimer RIW 1975, 85; Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 275; OLG Frankfurt vom 23.9.1980, RIW 1980, 799 = ZIP 1980, 922 = IPRspr. 1980 Nr. 178. Anderer Auffassung dasselbe OLG vom 8.12.1986, RIW 1987, 151 = IPRax 1988, 24 (Schumann 13) = IPRspr. 1986 Nr. 168. 487 Vgl. oben Rz. 246x. 488 Das OLG Hamburg vom 13.9.1995, IPRspr. 1995 Nr. 181 hat diesen Arrestgrund auch für Schiedssprüche bejaht. 489 Nachweise bei Dittmar NJW 1978, 1722; R. Geimer RIW 1975, 85; Kropholler/Hartmann in Festschrift Drobnig, 1998, 337; OLG Frankfurt vom 23.9.1980, RIW 1980, 799, 800. Durch die Neufassung des § 917 II ZPO (BGBl. 2003 I 2166) wurde die praktische
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Grundlinien der internationalen Zuständigkeitsordnung geber wollte mit § 917 II 1 ZPO dem Gläubiger die in der Regel erschwerte Zwangsvollstreckung eines ausländischen Titels im Ausland ersparen. § 917 II 1 ZPO greift aber nicht ein, wenn der Schuldner hinreichendes Ver- 1212 mögen490 im Inland hat und kein Anlass zu der Annahme besteht, dass dieses Vermögen ohne Anordnung des Arrestes dem Zugriff des Gläubigers unrechtmäßig entzogen wird.491 Kein Arrest also z.B. bei Liniendienst mit Seeschiffen oder Luftfahrzeugen, da Gläubiger in ein demnächst einlaufendes Schiff bzw. landendes Flugzeug vollstrecken kann. Dies gilt jedoch nicht, wenn zu befürchten ist, dass der Liniendienst nicht fortgesetzt werden wird, weil der Betreiber in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt.492 Der Arrest ist auch dann abzulehnen, wenn dem Gläubiger Sicherheiten eingeräumt sind, die seinen Anspruch ausreichend decken, selbst dann, wenn sich diese Sicherheiten im Ausland befinden.493 § 917 II 1 ZPO greift nach herrschender Meinung nur ein, wenn aus einem deut- 1213 schen Urteil im Ausland vollstreckt werden müsste, nicht jedoch, wenn es um die Vollstreckung eines ausländischen Titels geht.494 Eine internationale Zuständigkeit zum Erlass von einstweiligen Anordnungen ist zu bejahen, wenn für das Hauptsacheverfahren eine internationale Zuständigkeit besteht. §§ 49 ff., § 248 FamFG, früher §§ 620 ff., 641d ff. ZPO enthalten keine selbständige Zuständigkeitsregelung. Die internationale Zuständigkeit in Familiensachen ist nunmehr abschließend in §§ 98–105 FamFG normiert.
490 491
492 493 494
Handhabung dieser Vorschrift erheblich erschwert, weil nunmehr die Frage der (Nicht-)Verbürgung der Gegenseitigkeit geprüft werden muss; zu Recht sehr kritisch Mankowski RIW 2004, 587, 590. Z.B. Grundvermögen, OLG Stuttgart vom 5.1.1996, NJW-RR 1996, 775 = FamRZ 1997, 181 = IPRspr. 1996 Nr. 193. RG vom 30.10.1907, RGZ 67, 22, 26; OLG Hamburg vom 6.5.1971, MDR 1971, 767 = AWD 1973, 101 = IPRspr. 1971 Nr. 153; OLG Bremen vom 23.9.1971, OLGZ 1972, 247 = VersR 1972, 250 = IPRspr. 1971 Nr. 155; OLG Hamburg vom 12.2.1981, RIW 1982, 669, 670; OLG München vom 15.6.1983, RIW 1983, 534, 535 = NJW 1983, 2778; AG Hamburg vom 5.3.1987, VersR 1987, 1236 = IPRspr. 1987 Nr. 169 (einschränkend); OLG Frankfurt vom 14.2.1990, IPRax 1991, 185 (Ackmann 166); OLG Stuttgart vom 5.1.1996, NJW-RR 1996, 775; OLG Düsseldorf vom 21.3.2007, OLGR 2007, 569; Koch in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 188. OLG Frankfurt vom 14.2.1990, RIW 1990, 522 = IPRax 1991, 185 (Ackmann 166). BGH vom 22.2.1972, NJW 1972, 1044 = AWD 1972, 246 = VersR 1972, 564 = IPRspr. 1972 Nr. 167. LG Duisburg vom 27.11.1987, RIW 1989, 58 = WM 1988, 1483 = IPRspr. 1987 Nr. 171; OLG München vom 2.12.1987, NJW-RR 1988, 1023 = IPRspr. 1987 Nr. 172; OLG Düsseldorf vom 9.3.2006, NJOZ 2006, 2719 = IPRspr. 2006 Nr. 110; Spellenberg/Leible in Gilles, Transnationales Prozessrecht, 1995, 300. Zu den mit Art. 24 EuGVÜ/LugÜ bzw. 31 EuGVVO zusammenhängenden Streitfragen R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 31 EuGVVO Rz. 90 ff., 94; Koch in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 181; Heß IPRax 2000, 370.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit
XIX. Prozessvergleiche 1215 Die internationale Zuständigkeit ist Sachurteilsvoraussetzung. Rügt der Beklagte die internationale Unzuständigkeit Deutschlands (§ 39 ZPO, Rz. 1817), dann dürfen die deutschen Gerichte keine Entscheidung in der Sache („on the merits“) treffen. Sie dürfen aber – in einem vor ihnen anhängigen Verfahren – einen Prozessvergleich beurkunden, und zwar auch, soweit dieser auch Materien erfasst, die nicht Streitgegenstand sind.495 Vgl. auch Rz. 554a, 1854b.
XX. Vollstreckbare Urkunden 1216 Die internationale Zuständigkeit Deutschlands für den hypothetischen Rechtsstreit über den zu titulierenden Anspruch ist auch nicht Voraussetzung für die Errichtung vollstreckbarer Urkunden (§ 794 I Nr. 5 ZPO), Rz. 1854c, 2009a, 3107. Die Gerichtsstandsnormen passen jedenfalls nicht auf die Tätigkeit des Notars bei der Errichtung vollstreckbarer Urkunden. Denn es gibt keinen Beklagten und anders als das Gericht wird der Notar nicht gegen den Schuldner, schon gar nicht ohne dessen Willen und in dessen Abwesenheit aktiv. Es kommt nur dann zur Beurkundung und damit zur Schaffung eines Vollstreckungstitels, wenn der Schuldner mitwirkt. Insoweit kann man – wenn man unbedingt in den Kategorien des Kompetenzrechts bleiben will – von einer „Unterwerfung“ oder „vorbehaltlosen Einlassung“ sprechen.496
XXI. Zwangsvollstreckungsverfahren 1217 1. Überblick: Der Schwerpunkt der Diskussion um die richtige internationale Zuständigkeitsverteilung betrifft das Erkenntnisverfahren. Argumente wie „Schutz des Beklagten vor unzumutbaren Foren“, „Eingrenzung der Gerichtspflichtigkeit des Beklagten“ und das Postulat der vernünftigen Bewertung der Zuständigkeitsinteressen spielen im Stadium der Zwangsvollstreckung keine
495 R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 Art. 58 EuGVVO Rz. 1. Anderer Auffassung Rechberger/Simotta, Grundriss des österreichischen Zivilprozessrechts – Erkenntnisverfahren6, 2003, Rz. 464: „Der Richter darf aber den Vergleich nur protokollieren, wenn die inländische Gerichtsbarkeit, die internationale Zuständigkeit und die Zulässigkeit des Rechtsweges gegeben sind.“ 496 R. Geimer DNotZ 1975, 461, 474; R. Geimer IPRax 2000, 366, 369; Martiny im Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts III/1, 1984, Kap. I § 4 Rz. 544 (S. 252): „Soweit man eine Zuständigkeitsprüfung überhaupt für notwendig hält, dürfte eine Unterwerfung unter die Zuständigkeit des Gerichts vorliegen.“ Ebenso zum Vergleich Heini/Keller/Siehr/Vischer/Volken, IPRG-Kommentar, 1993, Art. 30 Rz. 10: „Mit einer Zuständigkeitseinrede wird der Vollstreckungsbeklagte . . . wohl selten zu hören sein. Indem er vor dem ausländischen Urteilsgericht Hand geboten hat zu einer gütlichen Streiterledigung, wird er sich auf dessen Zuständigkeit eingelassen haben (Art. 6, Art. 26 Bst. c IPRG), so dass diese Zuständigkeit in der Schweiz anzuerkennen ist.“ Rechtshistorisches bei Kerameus, Enforcement Proceedings in International Encyclopedia of Comparative Law, Vol. XVI Chapter 10, 22.
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Grundlinien der internationalen Zuständigkeitsordnung Rolle. §§ 12 ff. ZPO gelten nur für das Erkenntnisverfahren.497 Es wäre z.B. abwegig zu behaupten, grundsätzlich könne der „Exekutionsprozess“ nur im Wohnsitzstaat des Beklagten betrieben werden, außerhalb desselben seien Zwangsvollstreckungsmaßnahmen nur zulässig, wenn ein besonderer Gerichtsstand nach §§ 20 ff. ZPO gegeben ist. Im Hinblick auf § 23 ZPO hat diese Feststellung allerdings nur theoretische Relevanz; praktisch wichtig ist sie jedoch im Anwendungsbereich der EuGVVO bzw. des LugÜ.498 2. Justizgewährungsanspruch: Jeder Gläubiger, der einen im Inland voll- 1218 streckbaren Titel hat (zu denen auch die im Inland für vollstreckbar erklärten ausländischen Titel gehören), kann verlangen, dass die deutschen Vollstreckungsorgane tätig werden. Dieser Vollstreckungsanspruch ist Bestandteil des Justizgewährungsanspruchs. Dem Gläubiger darf nicht entgegengehalten werden, er könne in einem anderen Staat leichter, besser oder mit mehr Aussicht auf Erfolg vollstrecken.499 Es gibt keine executio non conveniens, Rz. 1081, 1990, 3242. Wo der Vollstreckungsschuldner wohnt bzw. sich aufhält, ob er Inländer oder 1219 Ausländer ist, spielt für die internationale Vollstreckungszuständigkeit Deutschlands keine Rolle. Allein maßgebend ist der Antrag des Gläubigers. Genauer: Entscheidend ist, ob dessen Antrag darauf gerichtet ist, in Vermögen zu vollstrecken, das im Inland gelegen ist.500 Beispiel: Beantragt der Gläubiger, eine im Ausland befindliche Mobilie zu pfänden, so ist der Antrag wegen internationaler Unzuständigkeit unzulässig. Ohne Bedeutung ist, ob Deutschland für die Durchführung eines Erkenntnisver- 1220 fahrens international zuständig wäre. Auch wenn kein Anknüpfungspunkt nach §§ 12 ff. ZPO gegeben ist, bzw. die an sich bestehende internationale Zuständigkeit Deutschlands (insbesondere im Hinblick auf § 23 ZPO) derogiert ist (Rz. 1757), ist die Zwangsvollstreckung im Inland aufgrund des nach § 722 ZPO501 für vollstreckbar erklärten ausländischen Titels auf Antrag des Gläubigers durchzuführen. Denkbar ist aber auch in diesen Fällen Vollstreckung aus (genuin) inländischen Titeln, z.B. aus Vergleich (§ 794 I Nr. 1 ZPO) oder vollstreckbarer Urkunde (§ 794 I Nr. 5 ZPO), ja sogar aus deutschem Sachurteil, das unter Überschreitung der deutschen internationalen Zuständigkeit ergangen ist. Beispiel: Ein deutsches Gericht geht zu Unrecht vom inländischen Wohnsitz/ Sitz des Beklagten oder von Unwirksamkeit der Derogation aus. Der Mangel der internationalen Zuständigkeit wird mit Unanfechtbarkeit geheilt, Rz. 1011.502 497 Vgl. innerstaatlich § 160 GVG. 498 Vgl. R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 2 EuGVVO Rz. 95. 499 Zustimmend Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 450. 500 Siehe auch BGH vom 4.10.2005, NJW-RR 2006, 198 = RIW 2006, 60 = WM 2005, 2274 = IPRax 2007, 128 (Dutta 109) = SchiedsVZ 2006, 47 (Raeschke-Kessler) = IPRspr. 2005 Nr. 118. 501 Oder nach den einschlägigen Vertragsbestimmungen (z.B. Art. 31 ff. EuGVÜ/LugÜ) bzw. nach Art. 38 ff. EuGVVO. 502 Anders ist es aber bei Fehlen der Gerichtsbarkeit nach herrschender Meinung, Rz. 216, 528.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 1221 3. Völkerrechtliche Grenzen: Jeder Staat muss die Souveränität anderer Staaten achten. Er darf nicht in deren Hoheitssphäre eingreifen: Hoheitlichen Zwang darf er nur auf seinem Territorium (besser: in seiner Hoheitssphäre) und auf staatsfreiem Gebiet ausüben, Rz. 409. Die Ausübung von Zwang im Inland, um den Vollstreckungsschuldner zu einer Handlung oder Unterlassung im Ausland zu veranlassen, ist aber völkerrechtlich erlaubt, Rz. 400. Die Vollstreckung in (im Inland gelegene) Mobilien und Immobilien wirft keine Abgrenzungsprobleme im Hinblick auf die internationale Zuständigkeit auf. Komplizierter ist die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit für die Pfändung von Forderungen und sonstigen Rechten, Rz. 408, 1224 ff. 1222 4. Regelungsbereich des Art. 16 Nr. 5 des Brüsseler und des Luganer Übereinkommens bzw. des Art. 22 Nr. 5 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001: Art. 16 Nr. 5 EuGVÜ/LugÜ I bzw. Art. 22 Nr. 5 EuGVVO/LugÜ II stipuliert nach herrschender Meinung503 im Anwendungsbereich der Brüsseler und der Luganer Konvention (Rz. 1878 ff.) bzw. der genannten Verordnung die ausschließliche internationale Zuständigkeit des Vollstreckungsstaates für Vollstreckungsakte. Daher kommt es auf die (europaweit einheitliche) Abgrenzung zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren an, wenn ein ausländisches Urteil, das im Inland vollstreckt werden soll, etwas anordnet, was in Deutschland bereits Vollstreckungsmaßnahme ist.504 1223 Beispiel: Ein französisches Gericht ordnet die Siegelung eines Bankschließfaches in Deutschland an. Hier liegt keine Zwangsvollstreckung i.e.S. vor. Es bedarf noch des Vollzuges in Deutschland.505 Der auf Art. 2 ff. EuGVÜ/LugÜ/ EuGVVO gegründeten internationalen Zuständigkeit Frankreichs steht Art. 22 Nr. 5 EuGVVO nicht entgegen. Vgl. auch Rz. 435 sowie Rz. 3209. 1224 5. Forderungspfändung: § 828 II ZPO regelt nicht nur die örtliche, sondern auch die internationale Zuständigkeit.506 Selbst wenn der Vollstreckungsschuldner im Ausland wohnt, ist Deutschland zuständig, sofern der Drittschuldner im Inland wohnt, § 828 II in Verbindung mit § 23 S. 2 ZPO. Wohnt auch der Drittschuldner im Ausland, so fehlt die deutsche internationale Zuständigkeit, es sei denn, eine im Inland belegene Sache haftet als Sicherheit für die Forderung. Dann eröffnet die Belegenheit der Sache eine internationale Zuständigkeit für die internationale Forderungspfändung.507
503 Vgl. aber Rz. 1228. 504 Allgemein zum Anwendungsbereich des Art. 16 Nr. 5 EuGVÜ bzw. nunmehr Art. 22 Nr. 5 EuGVVO Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000, 373 sowie Bruns ZZP 118 (2005), 3, 15. 505 Koch in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht 1992, 198. 506 Hök MDR 2005, 306, 308; Fuchs/Hau/Thorn, Fälle zum IPR3, 2007, 48. 507 Schack Rpfleger 1980, 176; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 218; R. Geimer IPRax 1986, 208 Fußn. 2; Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Forderungen im internationalen Rechtsverkehr, 1930; Marquardt, Das Recht der internationalen Forderungspfändung, Diss. Köln 1975; Koch in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 204; BVerfG vom 12.4.1983, BVerfGE 64, 1 = NJW 1983, 2766 = RIW 1983, 613 (Seidl-Hohenveldern) = IPRax 1984, 196
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Grundlinien der internationalen Zuständigkeitsordnung Fazit: Für die internationale Zuständigkeit Deutschlands zur Forderungspfändung reichen (alternativ) gemäß § 828 II ZPO folgende Anknüpfungen aus:508
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– inländischer Wohnsitz/Sitz des Vollstreckungsschuldners (genauer: allgemeiner Gerichtsstand), §§ 828 II, 13 ZPO; – Wohnsitz des Drittschuldners im Inland, § 828 II zweite Alternative in Verbindung mit § 23 Satz 2 ZPO; – im Inland belegene Sicherheit für die zu pfändende Forderung, ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des Schuldners oder Drittschuldners; – Belegenheit von Schuldnervermögen im Inland, § 828 II zweite Alternative in Verbindung mit § 23 Satz 1 ZPO; diese Anknüpfung hält zu Unrecht Karen Ilka Mössle509 – anders als im Erkenntnisverfahren – für völkerrechtswidrig. § 828 II ZPO wird durch die EuGVVO bzw. das LugÜ nicht verdrängt.510 Siehe auch Rz. 435. Zur internationalen Zuständigkeit zum Erlass von Überweisungsbeschlüssen (§ 835 ZPO) vgl. Rz. 1568b.
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Schwierigkeiten ergeben sich bei der Zustellung des deutschen Pfändungs- 1227 beschlusses im Ausland. Wohnt der Drittschuldner im Ausland, so scheitert in der Regel die Forderungspfändung, wenn der Wohnsitz- bzw. Aufenthaltsstaat die nach § 829 II ZPO notwendige Zustellung des Pfändungsbeschlusses im Wege der Rechtshilfe ablehnt511 und eine Direktzustellung mit der Post (unter Vermeidung des Rechtshilfewegs) nach § 183 I 2 und V ZPO nicht in Betracht kommt. Man muss klar sehen, dass der durch das Grundgesetz und Art. 6 I EMRK512 ga- 1228 rantierte Justizgewährungsanspruch (Rz. 250) auf dem Spiel steht, Rz. 2143. Dieser gebietet auch effiziente Zwangsvollstreckung. Deshalb ist – sofern man entgegen Rz. 408 völkerrechtliche Bedenken Platz greifen lassen will – auf das
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(Stein 179) = IPRspr. 1983 Nr. 127; OLG Düsseldorf vom 11.1.1980, IPRspr. 1980 Nr. 177. Hierzu umfassende Nachweise bei Lange, Internationale Rechts- und Forderungspfändung: Eine Untersuchung zu den Chancen und Risiken „grenzüberschreitender“ Vollstreckungsmaßnahmen in Forderungen und sonstige Vermögensrechte unter besonderer Berücksichtigung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 und des Zustellungsreformgesetzes, Diss. Saarbrücken 2004, 200 ff. Lange a.a.O. 185 ff. will jedoch über das genuine link-Erfordernis (Rz. 374) völkerrechtliche Grenzen setzen. Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 106. Enge völkerrechtliche Grenzen postuliert – ohne Belege – auch BAG vom 19.3.1996, MDR 1997, 71 = IPRax 1997, 335 (Schack 318) = BB 1997, 1642 = ZIP 1996, 2031 = EWiR 1996, 1055 (Mankowski) = IPRspr. 1996 Nr. 194. R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 217; R. Geimer IPRax 1986, 203. Zustimmend OLG Saarbrücken vom 11.7.2000, IPRax 2001, 456 (kritisch Jestaedt 438, 440). Kreisgericht Zürich vom 14.3.1961, MDR 1961, 511; Nachweise bei Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 111 Fußn. 75 und Mühlhausen WM 1986, 959 Fußn. 18. Bedeutsam auch Art. 47 II EuGrundrechtecharta.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit Erfordernis der Zustellung an den Drittschuldner ganz zu verzichten, wenn die Zustellung im Ausland scheitert, Rz. 3259.513 Der gute Glaube des Drittschuldners ist – wie bei der Zession – zu schützen. Seine Interessen (Schutz vor Gefahr der doppelten Inanspruchnahme) sind mithin gewahrt. 1229 Bis vor kurzem weigerten sich die deutschen Justizverwaltungen, Zustellungsersuchen ins Ausland weiterzuleiten.514 Damit verstießen sie aber gegen das Recht des Vollstreckungsgläubigers auf effizienten Rechtsschutz: Sie hätten einen Zustellungsversuch machen müssen und die evtl. Ablehnung dem Ausland überlassen können.515 Vollends unverständlich war der Standpunkt der deutschen Landesjustizverwaltungen, die Weiterleitung des Zustellungsersuchens aus Gegenseitigkeitserwägungen (vgl. für die völkerrechtlichen Verträge Rz. 216a) abzulehnen, wenn der zu ersuchende Staat, wie z.B. Frankreich,516 zur Erledigung des deutschen Ersuchens um Zustellung bereit gewesen war. 1230 1998 haben die deutschen Justizverwaltungen ihre bisherige Praxis aufgegeben und sich der Ansicht angeschlossen, dass die Übermittlung der Anzeige der Pfändung an den Drittschuldner keine extraterritoriale Zwangsvollstreckung gegen diesen bedeutet, Rz. 408. Sie leiten nunmehr nach Änderung des § 28 II ZRHO517 deutsche Zustellungsersuchen in das Ausland weiter.518 Auch kommt eine Direktzustellung mit der Post (unter Vermeidung des Rechtshilfewegs) in Betracht, § 183 I 2 und V ZPO. 1231 Sofern eine Direktzustellung nicht möglich ist und eine Zustellung im Wege der Rechtshilfe scheitert oder wenn der Wohnsitz/gewöhnliche Aufenthalt des Drittschuldners nicht bekannt ist, war eine öffentliche Zustellung (§ 203 II ZPO a.F.) nach herrschender Meinung nicht möglich, weil der Drittschuldner nicht Partei ist.519 Dieser Aspekt schränkte aber nur die (realen) Vollstreckungschancen des Gläubigers, nicht jedoch die internationale Zuständigkeit Deutschlands ein, Rz. 1091, 2142. Denkbar war eine Inlandszustellung, z.B. bei vorübergehendem Aufenthalt in Deutschland (Rz. 2108) oder bei Wohnsitzverlegung ins Inland.520 Nunmehr erlaubt § 185 ZPO n.F. eine öffentliche Zustellung, Rz. 2143. 1232–1235
513 So auch BGE 74 III, 1 ff. für Arbeitslohnpfändung einer Angestellten der Vereinten Nationen. 514 OLG Düsseldorf vom 11.1.1980, IPRspr. 1980 Nr. 177; Gottwald IPRax 1991, 289 Fußn. 56; Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 110 Fußn. 72. 515 Zustimmend Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, 113 Fußn. 114. 516 Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 111, Fußn. 73. 517 Z.B. BayJMBl. 1999, 48. 518 Umgekehrt lehnen sie auch nach Änderung des § 59 II ZRHO ausländische Ersuchen um Zustellung an in Deutschland domizilierte Drittschuldner nicht mehr ab, Rz. 2165; hierzu Gottwald IPRax 1999, 395. 519 G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 16. 520 Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 99.
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Grundlinien der internationalen Zuständigkeitsordnung 6. Klagen im Zusammenhang mit der Zwangsvollstreckung a) Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO): Bei deutschen Titeln ergibt sich die 1236 internationale Zuständigkeit Deutschlands als Annexzuständigkeit – ebenso wie bei der Abänderungsklage (Rz. 952) – bereits aus dem Umstand, dass das Urteil von einem deutschen Gericht stammt bzw. der (sonstige) Vollstreckungstitel (§ 794 ZPO) in Deutschland entstanden ist.521 § 767 I ZPO eröffnet also eine internationale Zuständigkeit.522 Bei ausländischen Titeln greift die Sonderregelung der §§ 722, 723 ZPO ein. Einwendungen, die nach Abschluss des erststaatlichen Verfahrens entstanden sind, können im Vollstreckbarerklärungsverfahren geltend gemacht werden. Nach dessen Abschluss entstandene Einwendungen können durch Klage nach § 767 ZPO gegen die deutsche Vollstreckbarerklärung eingewandt werden, Rz. 3153.
1237
b) Drittwiderspruchsklage:523 Zuständigkeitsanknüpfungspunkt ist die Zwangsvollstreckung im Inland, § 771 I ZPO. Wo der Vollstreckungsgläubiger bzw. -schuldner wohnt bzw. sich aufhält, ist ohne Bedeutung für die internationale Zuständigkeit.524 Vgl. Rz. 1374a.
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c) Widerspruchsklage im Zusammenhang mit dem Verteilungsverfahren (§ 878 1239 ZPO): § 879 ZPO regelt auch die internationale Zuständigkeit Deutschlands. Diese Vorschrift wird durch Art. 22 Nr. 5 EuGVVO/LugÜ verdrängt.525
XXII. Insolvenzverfahren Deutschland ist in Insolvenzsachen international zuständig, wenn der Gemeinschuldner im Inland seinen allgemeinen Gerichtsstand bzw. den Mittelpunkt seiner selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit hat, § 3 InsO. Für die Partikularinsolvenz (§ 354 InsO) wird an das im Inland gelegene Vermögen angeknüpft, Rz. 3407, 3454.
521 Dies gilt auch bei einem Fehlurteil (Bejahung der internationalen Zuständigkeit Deutschlands, obwohl keine Zuständigkeitsanknüpfung nach Art. 2 ff. EuGVVO/EuGVÜ/LuGÜ bzw. §§ 22 ff. ZPO gegeben war). 522 Unklar BGH vom 5.5.1981, BGHZ 84, 17 = NJW 1982, 1947 = RIW 1982, 592 = IPRax 1983, 33, 35 (Beitzke 16) = IPRspr. 1982 Nr. 136. Umfassende Nachweise bei Halfmeier, Die Vollstreckungsgegenklage im Recht der internationalen Zuständigkeit, IPRax 2007, 381. 523 Hierzu rechtsvergleichend Rotmann, Der Schutz des Dritten in der europäischen Mobiliarzwangsvollstreckung – Eine rechtsvergleichende Untersuchung vor dem Hintergrund der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen, Diss. Heidelberg 2007. 524 Der auf § 143 InsO gestützte Rückgewähranspruch ist als schuldrechtlicher Anspruch kein die Veräußerung hinderndes Recht, BGH vom 11.1.1990, NJW 1990, 990 = RIW 1990, 221 = IPRax 1991, 183 (Flessner/Schulz 162) = IPRspr. 1990 Nr. 164. 525 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 217.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit
XXIII. Feststellung, dass die Wirkungen einer ausländischen Entscheidung im Inland anzuerkennen sind 1. Automatische Wirkungserstreckung (= Anerkennung kraft Gesetzes) 1241 Die Wirkungen ausländischer Entscheidungen werden – sofern die Anerkennungsvoraussetzungen gegeben sind – kraft Gesetzes auf das Inland erstreckt, und zwar zu dem Zeitpunkt, zu dem sie nach dem Recht des Erststaates eintreten. Der Durchführung eines Anerkennungsverfahrens bedarf es nicht, Rz. 2992. 2. Feststellungsklage 1242 Ist die Anerkennungsfähigkeit einer ausländischen Entscheidung Gegenstand einer Feststellungsklage, so fragt es sich, ob das im Inland auftretende Feststellungsbedürfnis ausreicht, um die internationale Zuständigkeit Deutschlands zu bejahen oder ob ein Zuständigkeitsanknüpfungspunkt im Sinne der §§ 12 ff. ZPO gegeben sein muss. Bei letzterer Alternative wären Konstellationen denkbar, in denen nicht (rechtskräftig) festgestellt werden könnte, ob die Wirkungen eines ausländischen Urteils im Inland anzuerkennen sind. Dies kann nicht rechtens sein.526 3. Ausschließlichkeit der internationalen Zuständigkeit? 1243 Nur deutsche Gerichte können – aus der Sicht des Inlands – rechtskräftig klären, ob eine konkrete ausländische Entscheidung in Deutschland anerkannt wird. Stellt z.B. ein österreichisches Gericht fest, dass ein italienisches Urteil nach der EuGVVO in Deutschland anzuerkennen sei, so ist diese österreichische Entscheidung von vornherein nicht anerkennungsfähig.527 Man könnte sagen: Für die Beurteilung der Anerkennungsfähigkeit einer ausländischen Entscheidung im Inland beansprucht Deutschland eine ausschließliche internationale Zuständigkeit. Der eigentliche Grund ist aber, dass zu der Anerkennung nur Entscheidungen fähig sind, die eine Sachentscheidung enthalten. Urteile, die (lediglich) nach dem Verfahrensrecht des Urteilsstaates relevante Punkte klären, fallen von vornherein nicht in den Anwendungsbereich des einschlägigen Anerkennungsund Vollstreckungsvertrages, der EuGVVO und des § 328 ZPO bzw. des § 108 FamFG, Rz. 2788. Zu diesen „Prozessentscheidungen“ sind auch die vorgenannten Feststellungsurteile zu rechnen, dass ein bestimmtes Urteil in Deutschland anerkennungsfähig sei.
526 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 1113. 527 R. Geimer JZ 1977, 149; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 1106.
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Grundlinien der internationalen Zuständigkeitsordnung 4. Anerkennungsverfahren vor der Landesjustizverwaltung bzw. vor dem Präsidenten des Oberlandesgerichts Ganz im Sinne der hier vertretenen Auffassung eröffnet § 107 FamFG (früher 1244 Art. 7 § 1 II FamRÄndG) für alle denkbaren Hypothesen eine internationale Feststellungszuständigkeit Deutschlands.
XXIV. Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Titels im Inland § 722 ZPO verweist auf § 23 ZPO. Dies ist ungenau.528 Das Vorhandensein von 1245 Schuldnervermögen im Inland ist Voraussetzung für den tatsächlichen Erfolg der Zwangsvollstreckung im Inland, nicht aber für die Vollstreckbarerklärung im Inland. Der Gläubiger braucht nicht zu warten, bis der Schuldner Vermögen ins Inland verbringt. Für den Antrag des Gläubigers vor diesem Zeitpunkt fehlt auch nicht das Rechtsschutzbedürfnis. Der Gläubiger braucht vielmehr dringend die Möglichkeit einer antizipierten Vollstreckbarerklärung, um keinen Zeitverlust zu erleiden (also sofort vollstrecken zu können), wenn der Schuldner Vermögen im Inland erwirbt, Rz. 945, 1208, 1381, 3127, 3242.529
XXV. Beweiserhebungen außerhalb eines Rechtsstreits Die internationale Zuständigkeit für Beweissicherungsverfahren ergibt sich aus 1246 § 486 II und III ZPO, § 522 HGB530, § 11 BinnenschifffahrtsG, § 8 FlößereiG, §§ 375, 376, 410 Nr. 2, 411 II FamFG; sie ist nur unter den Hypothesen der § 486 III ZPO unabhängig von der internationalen Zuständigkeit für die Hauptsache. Die internationale Zuständigkeit ist auch dann zu bejahen, wenn ein beauftragter Sachverständiger im Inland wohnt.531 – Siehe auch Rz. 1756, 1781, 2540. 528 Genauer § 1062 II ZPO für die Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche. Danach besteht eine internationale Zuständigkeit Deutschlands in allen denkbaren Fällen. Örtlich zuständig ist – wenn sonstige Zuständigkeitsanknüpfungspunkte fehlen – das Kammergericht in Berlin. 529 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 1143. Zustimmend Solomon, Internationale Zuständigkeit zur Vollstreckbarerklärung ausländischer Entscheidungen, AG, 2006, 832, 839; Kröll in Wagner/Schlosser u.a., Die Vollstreckung von Schiedssprüchen, 2007, 105, 123. Anderer Auffassung Wolff in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 2, 1984, Kap. IV, Rz. 145 S. 380; KG vom 10.8.2006, SchiedsVZ 2007, 108 (Escher/Reichert 71, 73) zu § 1062 II ZPO. 530 Zur Verklarung allgemein Liedtke, Die Verklarung: Entwicklung und Bedeutung eines Institutes aus dem Seehandelsrecht, 2002. 531 Meilicke NJW 1984, 2017. Das EuGVÜ/LugÜ I bzw. die EuGVVO/LugÜ II ist insoweit nicht anwendbar, R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 215; vgl. auch Stürner IPRax 1984, 299. Zur Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit analog § 36 ZPO RG vom 20.7.1940, RGZ 164, 307 = IPRspr. 1935–1944 Nr. 625. Weitere Nachweise bei Dörschner, Beweissicherung im Ausland, 2000. Rechtsvergleichendes zur Beweissicherung außerhalb eines Rechtsstreits (discovery before action) Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 279. Siehe auch zum englischen Recht Norrenberg, Die Anton Piller Order: ein Beweissi-
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit
XXVI. Freiwillige Gerichtsbarkeit 1247 Auch in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit indiziert nicht nur, sondern begründet ohne Wenn und Aber – sofern die internationale Zuständigkeit nicht ausdrücklich geregelt ist532 – die örtliche Zuständigkeit die internationale Zuständigkeit.533 Dies ist nunmehr lex scripta, § 105 FamFG. Dies gilt auch in Nachlasssachen. Die Gleichlauftheorie ist nicht geltendes Recht, § 105 FamFG, Rz. 1065.534 1248 Auch in Personenstandssachen ergibt sich die internationale Zuständigkeit aus der örtlichen Zuständigkeit.535
XXVII. Tätigkeiten der staatlichen Gerichte auf dem Gebiet der Schiedsgerichtsbarkeit 1. Inländische Schiedsverfahren 1249 Für die Entscheidungen der staatlichen Gerichte im Rahmen des Schiedsgerichtsverfahrens muss – soweit es sich um inländische Schiedsgerichte (§§ 1025 I, 1043 I ZPO) handelt – immer ein Forum zur Verfügung gestellt werden, sonst wäre der Justizgewährungsanspruch verletzt. Diesem Postulat wird § 1062 ZPO gerecht. Danach ist für die Entscheidung über Anträge betreffend die Bestellung eines Schiedsrichters (§§ 1034, 1035 ZPO), die Ablehnung eines Schiedsrichters (§ 1037 ZPO) oder die Beendigung des Schiedsrichteramtes
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cherungsmittel des englischen Zivilprozessrechts, 1998, und bei Heinze, Beweissicherung im europäischen Zivilprozessrecht, IPRax 2008, 480. §§ 98 ff. FamFG (früher §§ 35b, 43a FGG) § 12 VerschG. BayObLG vom 2.4.1982, BayObLGZ 1982, 179 = FamRZ 1982, 603; OLG Hamm vom 26.11.1981, OLGZ 1983, 46 = IPRspr. 1982 Nr. 7; Mitzkus, Internationale Zuständigkeit im Vormundschafts-, Pflegschafts- und Sorgerecht, 1982, 212; R. Geimer in Festschrift Jayme, 2004, 241, 259. Kritisch zur Gleichlauftheorie in Nachlasssachen Birk in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Art. 25 EGBGB Rz. 317 (die Argumentation sei „brüchig“); Soergel/Kegel, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 25 EGBGB Rz. 49; Sonnenberger in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Einl. 464 ff.; Birk in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch3, 1998, Art. 25 Rz. 315; R. Geimer in Symposion Außerstreitreform, 1992, 110 (Veröffentlichungen des Ludwig Boltzmann-Institutes für Rechtsvorsorge und Urkundenwesen, Bd. XI); R. Geimer in Festschrift Jayme, 2004, 241, 261; Staudinger/Dörner, Internationales Erbrecht – Art. 25, 26 EGBGB, Neubearbeitung 2007, Art. 25 Rz. 797, 811. Siehe auch Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts6, 2006, § 51 VI 2. LG Würzburg vom 4.2.1987, StAZ 1987, 140 = IPRspr. 1987 Nr. 3a; BayObLG vom 9.12.1987, BayObLGZ 1987, 418 = IPRspr. 1987 Nr. 3b; BayObLG vom 19.3.1987, BayObLGZ 1987, 102 = StAZ 1987, 168 = Rpfleger 1987, 370 = IPRspr. 1987 Nr. 5; BayObLG vom 25.6.1987, BayObLGZ 1987, 203 = NJW-RR 1987, 1155 = IPRspr. 1987 Nr. 87; OLG Hamburg vom 17.2.1987, NJW-RR 1987, 1288 = IPRax 1987, 245 (Henrich 225) = IPRspr. 1987 Nr. 4; OLG Hamm vom 12.11.1987, OLGZ 1988, 157 = FamRZ 1988, 314 = IPRspr. 1987 Nr. 93. Vgl. auch Heß/G. Vollkommer IPRax 1999, 220, 223 Fußn. 51.
Grundlinien der internationalen Zuständigkeitsordnung (§ 1038 ZPO), die Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens (§ 1032 ZPO) oder die Entscheidung eines Schiedsgerichts, in der dieses seine Zuständigkeit in einem Zwischenentscheid bejaht hat (§ 1040 ZPO), die Vollziehung, Aufhebung oder Änderung der Anordnung vorläufiger oder sichernder Maßnahmen des Schiedsgerichts (§ 1041 ZPO) die Aufhebung (§ 1059 ZPO) oder die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs (§§ 1060 ff. ZPO) oder die Aufhebung der Vollstreckbarerklärung (§ 1061 ZPO) das Oberlandesgericht zuständig, das in der Schiedsvereinbarung bezeichnet ist oder, wenn eine solche Bezeichnung fehlt, in dessen Bezirk der Ort des schiedsrichterlichen Verfahrens liegt.536 1250–1256 2. Ausländische Schiedsverfahren Für die Unterstützung bei der Beweisaufnahme und für sonstige richterliche Handlungen (§ 1050 ZPO) können die deutschen Gerichte auch dann angerufen werden, wenn das Schiedsverfahren im Ausland stattfindet, § 1025 II ZPO. Innerstaatlich zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk die richterliche Handlung vorzunehmen ist, § 1062 IV ZPO.537
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Bei der Bestellung von Schiedsrichtern etc. für ein im Ausland stattfindendes 1258 Schiedsverfahren wirken die deutschen Gerichte grundsätzlich nicht mit. Dies gilt auch dann, wenn im Ausland ein Schiedsverfahren nach deutschem Verfahrensrecht durchgeführt wird. Eine internationale Zuständigkeit Deutschlands besteht nur nach Maßgabe von § 1025 II und III ZPO.538 Danach entscheiden deutsche Gerichte auch bei ausländischem Schiedsverfahrensort (§ 1043 I ZPO) vor Bildung des Schiedsgerichts über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit eines schiedsrichterlichen Verfahrens (§ 1032 II ZPO). Zuständig gemäß § 1062 II ZPO ist das Oberlandesgericht,539 in dessen Bezirk der Antragsgegner seinen Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat oder sich Vermögen des Antragsgegners oder der mit der Schiedsklage in Anspruch genommene oder von der Maßnahme betroffene Gegenstand befindet, hilfsweise das Kammergericht. Das Gleiche gilt für den einstweiligen Rechtsschutz (§ 1033 ZPO).
536 Besonders wichtig war vor dem 1.1.1998 eine internationale Zuständigkeit für die Niederlegung des Schiedsspruchs; denn ein (inländischer) Schiedsspruch wurde nach § 1039 ZPO a.F. grundsätzlich erst wirksam, wenn er beim staatlichen Gericht niedergelegt worden war. Eigenartigerweise war die Niederlegung in den Katalog der Aufgaben des Gerichts nach § 1045 ZPO a.F. nicht aufgenommen; gleichwohl war das Gericht des Verfahrensortes für die Aufbewahrung des Schiedsspruches zuständig, v. Hoffmann IPRax 1986, 340. Dies ist intertemporär noch relevant. 537 Zur Rechtslage in Österreich Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 28 JN Rz. 120. 538 Epping, Die Schiedsvereinbarung im internationalen privaten Rechtsverkehr nach der Reform des deutschen Schiedsverfahrensrechts, 1999, 9. 539 In Bayern: derzeit das Bayerische Oberste Landesgericht, § 1062 V ZPO in Verbindung mit § 6a GZVJu.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 1259 Solange der Schiedsort für das Schiedsverfahren noch nicht bestimmt ist, sieht § 1025 III ZPO eine erweiterte internationale Zuständigkeit Deutschlands vor, wenn der Kläger oder der Beklagte seinen Sitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. In Betracht kommt die Mitwirkung bei der Konstituierung des Schiedsgerichts nach Maßgabe von §§ 1034, 1035 ZPO und bei der Entscheidung über die Befangenheit von Schiedsrichtern (§ 1037 ZPO). Das Gleiche gilt für Maßnahmen bei Untätigkeit der Schiedsrichter (§ 1038 ZPO). Örtlich zuständig ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk der Kläger oder der Beklagte seinen Sitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, § 1062 III ZPO. 1260 Hinzu kommt die internationale Zuständigkeit zur Feststellung der Anerkennungsfähigkeit und zur Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche, § 1062 II ZPO. Eine darüber hinausgehende Kompetenz der deutschen Gerichte für Unterstützungs- oder Kontrollmaßnahmen scheitert an § 1026 ZPO.540 1261 Eine vom Völkerrecht garantierte ausschließliche internationale Zuständigkeit zur Aufhebung seiner „eigenen“ Schiedssprüche541 gibt es nicht, Rz. 222c. Deutschland könnte – ohne gegen das allgemeine Völkergewohnheitsrecht zu verstoßen – ausländische Schiedssprüche aufheben. Doch stellt es hierfür de lege lata keine internationale Zuständigkeit zur Verfügung.542 Auch in anderen Staaten ist die Aufhebung ausländischer Schiedssprüche unüblich.543 Bei ausländischen Schiedssprüchen kommt nur eine Verweigerung der Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung in Betracht. 1262 Andererseits ist Deutschland aufgrund des völkervertraglich (Art. 6 I EMRK) und verfassungsrechtlich abgesicherten Justizgewährungsanspruchs verpflichtet, für deutsche Schiedssprüche eine Aufhebungskompetenz zur Verfügung zu stellen.544 Dagegen ergibt sich aus dem VN-Übereinkommen vom 10.6.1958 (Rz. 3702) keine völkervertragliche Pflicht, einen effektiven Aufhebungsmechanismus zu gewährleisten.545
540 Dagegen eröffnete vor dem 1.1.1998 § 1045 I ZPO a.F. eine internationale Zuständigkeit Deutschlands nicht nur für inländische Schiedsverfahren. 541 Es fehlt schon an völkergewohnheitsrechtlichen Normen über die „Zuordnung“ der Schiedssprüche an einzelne Staaten. So kann es vorkommen, dass ein Schiedsspruch von mehreren Staaten „beansprucht“ wird. Auch kann es vice versa sich ergeben, dass kein Staat einen bestimmten Schiedsspruch seiner Rechtssphäre zuordnet, Rensmann, Anationale Schiedssprüche – Eine Untersuchung zu den Wirkungen anationaler Schiedssprüche im nationalen Recht, 1997, 78. 542 § 1062 ZPO begründet keine internationale Zuständigkeit, weil I Nr. 4 nur auf § 1059 ZPO (nicht auch auf § 1061 ZPO) Bezug nimmt, ebenso im Ergebnis Borges ZZP 111 (1998), 499. 543 Rensmann, Anationale Schiedssprüche – Eine Untersuchung zu den Wirkungen anationaler Schiedssprüche im nationalen Recht, 1997, 184. 544 R. Geimer, Schiedsgerichtsbarkeit und Verfassung in Schlosser, Integritätsprobleme im Umfeld der Justiz, 1994, 113, 126, 170; Rensmann, Anationale Schiedssprüche – Eine Untersuchung zu den Wirkungen anationaler Schiedssprüche im nationalen Recht, 1997, 190. 545 Rensmann, Anationale Schiedssprüche – Eine Untersuchung zu den Wirkungen anationaler Schiedssprüche im nationalen Recht, 1997, 193.
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Vorbemerkung
9. Kapitel: Anknüpfungen für die internationale Zuständigkeit I. Vorbemerkung Im Folgenden werden die (wichtigsten) Zuständigkeitsanknüpfungen des auto- 1263 nomen deutschen Rechts dargestellt. Dabei ist der Vorrang von Spezialregelungen, insbesondere in völkerrechtlichen Verträgen (Rz. 1887), zu beachten. Am wichtigsten ist die europäische Zuständigkeitsordnung des Brüsseler bzw. Luganer Übereinkommens bzw. nunmehr der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000, die – in ihrem Anwendungsbereich – das autonome Recht, auch soweit dieses mit dem EuGVÜ/LugÜ bzw. der genannten Verordnung übereinstimmt, verdrängt. So regelt z.B. Art. 2 I EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ die internationale Zuständigkeit des Staates, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz/Sitz hat, Rz. 1278. Art. 2 I EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ ist aber nicht nur eine Kompetenznorm, welche 1264 die alte Regel „actor sequitur forum rei“ als europäisches Einheitsrecht stipuliert, sondern zugleich eine Abgrenzungsnorm, welche den Anwendungsbereich der europäischen Zuständigkeitsordnung gegenüber dem nationalen Zuständigkeitsrecht definiert.546 Dies bedeutet: Wohnt der Beklagte in Deutschland, so haben §§ 12 ff. ZPO nur noch Bedeutung für die örtliche Zuständigkeit. Wohnt der Beklagte in einem anderen Mitglieds- bzw. Vertragsstaat (genauer im geographischen Anwendungsbereich der EuGVVO bzw. des LugÜ außerhalb Deutschlands), dann kommen die Zuständigkeitsnormen der EuGVVO bzw. des EuGVÜ/ LugÜ (Art. 5 ff.) zum Zuge, Art. 3 I EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ. Selbst in dem Fall, dass der Beklagte keinen Wohnsitz im geographischen Anwendungsbereich der EuGVVO bzw. des EuGVÜ/LugÜ hat (Art. 4 I), kann partiell europäisches Einheitsrecht das autonome deutsche Recht überlagern. Beispiele: Art. 23 EuGVVO (Kläger wohnt im geographischen Anwendungsbereich der EuGVVO, Rz. 1645) oder die Fälle des Art. 22 EuGVVO, Rz. 1879, 1881. Die EuGVVO bzw. das LugÜ ist auch dann anzuwenden, wenn Gegenstand des Rechtsstreits kein internationaler Sachverhalt ist bzw. wenn kein Zuständigkeitsbezug zu einem anderen Vertragsstaat besteht.547 546 R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 2 EuGVVO Rz. 121. 547 Aull, Der Geltungsanspruch des EuGVÜ: „Binnensachverhalte“ und Internationales Zivilverfahrensrecht in der Europäischen Union – Zur Auslegung des Art. 17 Abs. 1 S. 1 EuGVÜ, 1996, 215; R. Geimer IPRax 1991, 31; R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 23 EuGVVO Rz. 29 ff., 64; Grolimund, Drittstaatenproblematik des europäischen Zivilverfahrensrechts, 2000, 141; Peter Huber, Die englische forum non conveniens-Doktrin und ihre Anwendung im Rahmen des Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens, 1994, 190, 203; Killias, Die Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem Lugano-Übereinkommen, 1993, 60; Mankowski ZZP 108 (1995), 275; Jayme/Kohler IPRax 1992, 347; Soergel/ Kronke, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 38 EGBGB Anh. IV Rz. 52, 86. Für eine „universalist pretention of the convention“ auch Tebbens in Festschrift Voskuil (T.M.C. Asser Institut, Law and Reality – Essays on national and international procedural law in honour
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit
II. Wohnsitz- bzw. Aufenthaltszuständigkeit 1. Universalistischer Ansatz der deutschen Zuständigkeitsordnung 1265 Der deutschen Zuständigkeitsordnung liegt ein universalistischer Gedanke zugrunde. Der Beklagte soll grundsätzlich in dem Staat verklagt werden, in dem er seinen Wohnsitz/Sitz hat. Dieser idealistische Ansatz (Rz. 1138) wird allerdings stark modifiziert durch die Spezialgerichtsstände, insbesondere durch den Vermögensgerichtsstand (§ 23 ZPO), Rz. 1267, 1352. Der Wohnsitzstaat ist grundsätzlich für alle gegen den Beklagten gerichteten Klagen international zuständig. Man spricht von internationaler Allzuständigkeit, Rz. 1146. 2. Ersatzanknüpfungen bei wohnsitzlosen Personen 1266 Nur wenn der Beklagte nirgends auf der Welt einen Wohnsitz (Rz. 1629) hat, wird an den Aufenthalt im Inland angeknüpft (Vagabundenforum).548 Ein gewöhnlicher Aufenthalt ist nicht erforderlich. Es genügt schlichter Aufenthalt.549 Fehlt auch ein solcher, so wird auf den letzten Wohnsitz im Inland abgestellt, § 16 ZPO. Hat der Beklagte niemals einen Wohnsitz im Inland gehabt und hält er sich auch dort zum maßgeblichen Zeitpunkt (Rz. 1828) nicht auf, dann entfällt eine internationale Zuständigkeit Deutschlands kraft allgemeinen Gerichtsstands, Rz. 1140.550 3. Internationale Zuständigkeit trotz Wohnsitzes im Ausland für vermögensrechtliche Streitigkeiten aufgrund Aufenthalts im Inland 1267 Trotz Wohnsitzes des Beklagten im Ausland wird für alle vermögensrechtlichen Streitigkeiten (Rz. 1634) durch den Gerichtsstand des dauernden Aufenthalts eine internationale Zuständigkeit eröffnet: „Wenn Personen an einem Ort unter Verhältnissen, die ihrer Natur nach auf einen Aufenthalt von längerer Dauer hinweisen, insbesondere als Hausgehilfen, Arbeiter, Gewerbehilfen, Studierende, Schüler oder Lehrlinge, sich aufhalten“, so ist gemäß § 20 ZPO das Gericht des Aufenthaltsortes für alle Klagen zuständig, die gegen diese Personen wegen ver-
of Cornelis Carel Albert Voskuil), 1992, 54. Siehe auch Kohler in Festschrift Matscher, 1993, 251 sowie unten Rz. 1646. So nun auch EuGH vom 13.7.2000, Rs C-412/98 – Group Josi Reinsurance Company/Universal General Insurance Company (UGIC) Slg. 2000, I-5925 = NJW 2000, 3121 = RIW 2000, 787 = The European Legal Forum 1 (2000), 49 (R. Geimer) = IPRax 2000, 520 (Staudinger 483) = IStR 2000, 574. Anders die bisher herrschende Meinung, Nachweise bei Heß IPRax 1992, 359; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 241 (siehe aber auch Rz. 468); Schack ZZP 107 (1994), 289; Samtleben RabelsZ 59 (1995), 670; OLG Saarbrücken vom 13.10.1999, NJW 2000, 670 = IPRspr. 1999 Nr. 129. 548 OLG Stuttgart vom 10.9.1998, Justiz 1999, 16 = IPRspr. 1998 Nr. 155. 549 Insoweit nicht pointiert genug KG vom 22.12.2008, OLGR 2009, 306. 550 Zur Beweislast LSG Schleswig-Holstein vom 26.2.1988, ZIP 1988, 1140 = IPRspr. 1988 Nr. 227. Siehe auch LG Hamburg vom 23.8.1994, NJW-RR 1995, 183 = RIW 1995, 244 = IPRspr. 1994 Nr. 142: § 16 ZPO treffe auf Schiffsbesatzungen nicht zu, da diese im Zweifel auf ihrem Schiff ihren Wohnsitz hätten.
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Wohnsitz- bzw. Aufenthaltszuständigkeit mögensrechtlicher Ansprüche erhoben werden. Dieses Forum wird entgegen dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte (das Gesinde teilt den Gerichtsstand der Herrschaft)551 so weit ausgelegt, dass praktisch alle Verhältnisse, die auf einen Aufenthalt von längerer Dauer ohne Wohnsitz hinweisen, den Gerichtsstand begründen, also z.B. auch Krankenhaus- oder Ferienaufenthalte.552 § 20 ZPO greift auch bei Aufenthalt in einer deutschen Haftanstalt.553 4. Qualifikationsfragen Da das Zuständigkeitssystem der deutschen ZPO auch auf im Ausland gelegene 1268 Anknüpfungen (Wohnsitz des Beklagten) Bezug nimmt, erhebt sich die Frage: Nach welcher Rechtsordnung sind die vom deutschen Recht verwendeten Begriffe zu beurteilen? Wollte man den Wohnsitz des Beklagten immer nur lege fori, also nach deutschem Recht (§§ 7 ff. BGB) bestimmen, so wäre ein negativer internationaler Kompetenzkonflikt nicht auszuschließen, da die Normen über die Begründung und Aufhebung des Wohnsitzes, insbesondere des abgeleiteten (von Minderjährigen), von Staat zu Staat stark divergieren. Dies gilt auch für die Frage der Zulässigkeit des Doppelwohnsitzes.554 Um Rechtsverweigerung zu vermeiden, ist die Wohnsitzfrage jeweils nach dem 1269 Recht des präsumtiven Wohnsitzstaates zu beurteilen: Die Frage, ob der Beklagte im Inland wohnt, ist nach §§ 7 ff. BGB zu beantworten unter Ausschluss des Kollisionsrechts.555 Dabei kommt es auf die Staatsangehörigkeit des Beklagten nicht an. Sein Personalstatut bleibt außer Betracht.556 Ob der Beklagte in einem anderen Staat wohnt, wird nach dessen Recht entschieden.557 551 Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 131. 552 Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 285. Vgl. OLG Koblenz vom 8.2.1979, NJW 1979, 1309: Gerichtsstand am Ort des Zweithauses, das an Wochenenden und in den Ferien benutzt wird. 553 BGH vom 21.1.1997, NJW 1997, 1154. 554 Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 139, 120. 555 Z.B. BGH vom 5.2.1992, NJW-RR 1992, 579 = IPRspr. 1992 Nr. 127; BGH vom 22.9.1993, NJW-RR 1994, 646 = FamRZ 1994, 299 = IPRspr. 1993 Nr. 199; von Hein ZZP 116 (2003), 335, 341 mit weiteren Nachweisen. Siehe auch Mankowski in Dieterich/Neef/Schwab (ed.), Arbeitsrecht-Blattei sub Arbeitsgerichtsbarkeit V – E. Internationale Zuständigkeit 160.5.5 Rz. 363. 556 Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 67; Herbert Roth IPRax 1989, 281. 557 KG vom 30.3.1936, JW 1936, 3570 (Süß) = Giur.Comp.d.i.p. 7 (1941) 24 Nr. 17 (Eckstein) = IPRspr. 1935–1944 Nr. 550; KG vom 4.1.1937, JW 1937, 821 = Giur.Comp.d.i.p. 8 (1942) 27 Nr. 15 (Satter; Miele) = IPRspr. 1935–1944 Nr. 559; KG vom 31.3.1941, DR 1941, 1855 = IPRspr. 1935–1944 Nr. 601; Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 142 Fußn. 319; Pagenstecher RabelsZ 11 (1937) 363 Fußn. 8a; Mitzkus, Internationale Zuständigkeit im Vormundschafts-, Pflegschafts- und Sorgerecht, 1982, 38; zu §§ 7 ff. BGB R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 369; de Bra, Verbraucherschutz durch Gerichtsstandsregelungen im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, 1992, 112. Anderer Auffassung Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 247. Anders jedoch aus der Perspektive des § 119 I Nr. 1 lit. b GVG von Hein ZZP 116 (2003), 335, 345.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 1270 Zur Wohnsitzbegründung im Inland erforderlich ist die tatsächliche Niederlassung mit dem Willen, diese zum ständigen Schwerpunkt der gesamten Lebensverhältnisse zu machen, § 7 I BGB. Dies kann auch für mehrere Orte zutreffen, § 7 II BGB; eine Meldebestätigung der Gemeinde („polizeiliche Anmeldung“) ist allenfalls ein (widerlegbares) Indiz.558 1271 Auch der Aufenthalt ist – unter Ausschluss des Kollisionsrechts – nach der lex fori zu ermitteln. Einen abgeleiteten oder sonst auf gesetzlichen Fiktionen beruhenden gewöhnlichen Aufenthalt gibt es nicht. Vgl. Rz. 299. 1272 Exkurs: Anerkennungsstadium. Hier ist grundsätzlich das deutsche Recht als Recht des Anerkennungsstaates heranzuziehen, Rz. 1301. 5. Wohnsitzfiktion des § 15 ZPO und des § 9 BGB 1273 Deutsche, die im Staate ihres Wohnsitzes Immunität beanspruchen können, bzw. die als Angehörige des öffentlichen Dienstes im Ausland beschäftigt sind, behalten den Gerichtsstand ihres letzten inländischen Wohnsitzes. Sofern sie keinen solchen hatten, haben sie ihren allgemeinen Gerichtsstand am Sitz der Bundesregierung, § 15 ZPO, Rz. 783, 1934. Vgl. Rz. 1304, 1325. Auf die Effektivität der deutschen Staatsangehörigkeit kommt es nicht an.559 Ähnlich wirkt sich im Ergebnis die Wohnsitzfiktion des § 9 BGB aus. Danach haben im Ausland eingesetzte (deutsche) Soldaten ihren Wohnsitz am letzten inländischen Standort. 6. Sitz als Zuständigkeitsanknüpfung bei juristischen Personen und parteifähigen Personenvereinigungen 1274 Dem Wohnsitz der natürlichen Person entspricht bei juristischen Personen und sonstigen parteifähigen Personengesamtheiten und Vermögensmassen deren Sitz. Dieser begründet gemäß § 17 ZPO internationale Zuständigkeit.560 Abzu-
558 BGH vom 2.7.1991, BGHZ 115, 90 = NJW 1991, 3092 (R. Geimer 3072) = MDR 1991, 988 = RIW 1991, 856 (Fischer RIW 1992, 57) = JZ 1992, 51 (Schack) = LM § 23 ZPO Nr. 7 (Pfeiffer) = IPRax 1992, 160 (Schlosser 140) = DZWiR 1991, 245 (Schütze 239) = IPRspr. 1991 Nr. 166b; FG Baden-Württemberg vom 3.5.1985, RIW 1985, 910. Zum Doppelwohnsitz während Umzugs: BayObLG vom 17.12.1984, BayObLGZ 1984, 289; zur Aufhebung des Wohnsitzes durch Vormund: BayObLG vom 30.3.1984, BayObLGZ 1984, 95. – Mit Trennung der Eltern erlangt ein Kind einen von beiden Eltern abgeleiteten Doppelwohnsitz, BGH vom 30.11.1983, NJW 1984, 971 = FamRZ 1984, 162 = IPRspr. 1983 Nr. 88. 559 Mansel, Personalstatut, Staatsangehörigkeit und Effektivität, 1988, Rz. 442. 560 Im Anwendungsbereich der EuGVVO bzw. des LugÜ II genügt es, wenn einer der in Art. 60 EuGVVO/LugÜ II aufgezählten Anknüpfungspunkte im Gerichtsstaat gelegen ist. Näher hierzu Ringe, „Überseering im Verfahrensrecht“ – Zu den Auswirkungen der EuGH-Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften auf das Internationale Zivilprozessrecht, IPRax 2007, 388, 390. Im Hinblick auf den weit gefassten Art. 60 EuGVVO ist der verbleibende Anwendungsbereich des § 17 ZPO klein; näher Thole, Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Klagen gegen Scheinauslandsgesellschaften, IPRax 2007, 519, 523.
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Wohnsitz- bzw. Aufenthaltszuständigkeit stellen ist auf den statutarischen Sitz.561 Liegt dieser im Ausland, so ist gemäß § 17 I 2 ZPO562 Deutschland gleichwohl international zuständig,563 wenn die Verwaltung im Inland geführt wird, also der Ort der tatsächlichen Hauptverwaltung im Inland liegt, Rz. 1302.564 Dies ist allerdings nicht unbestritten.565 Spaltgesellschaften (Rz. 1039a) haben nicht automatisch ex lege einen Sitz in 1275 Deutschland; sie müssen vielmehr einen solchen begründen.566 Tun sie es nicht, so können sie gleichwohl in Deutschland verklagt werden. Will man dieses Ergebnis nicht auf § 23 ZPO stützen, so muss man aus dem Gesichtspunkt der Notzuständigkeit (Rz. 1024) eine Zuständigkeit auftun. Hat die Spaltgesellschaft keine organschaftlichen Vertreter, hat das Prozessgericht gemäß § 57 ZPO einen Prozessvertreter zu bestellen. 1276–1277 7. Vorrang der Brüssel I-Verordnung und des Luganer Übereinkommens Hat der Beklagte seinen Wohnsitz bzw. Sitz in Deutschland, so ist Grundlage für 1278 die internationale Zuständigkeit Deutschlands nicht mehr das autonome deutsche Recht, sondern Art. 2 I EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ, soweit der sachliche Anwendungsbereich der EuGVVO bzw. der Brüsseler und der Luganer Konvention reicht. Die Wohnsitzfiktion des § 15 ZPO ist zu beachten, Art. 52 EuGVÜ/LugÜ I bzw. Art. 59 EuGVVO/LugÜ II. Im Übrigen gelten §§ 12 ff. ZPO nur mehr für die örtliche Zuständigkeit. Bestritten ist dies für die Fälle ohne jede Auslandsbeziehung und die Fälle ohne Beziehung zu einem anderen Mitglieds- bzw. Vertragsstaat.567 Siehe auch Rz. 1264.
561 Otto, Der prozessuale Durchgriff – die Nutzung forumansässiger Tochtergesellschaften in Verfahren gegen ihre auswärtigen Muttergesellschaften im Recht der USA, der Europäischen Gemeinschaften und der Bundesrepublik Deutschland, zugleich ein Beitrag im Justizkonflikt mit den USA, 1993, 131. Siehe auch Mankowski in Dieterich/ Neef/Schwab (ed.), Arbeitsrecht-Blattei sub Arbeitsgerichtsbarkeit V – E. Internationale Zuständigkeit 160.5.5 Rz. 364 ff. 562 Mankowski a.a.O. Rz. 374 ff.; Scheuermann, Internationales Zivilverfahrensrecht bei Verträgen im Internet: Eine rechtsvergleichende Untersuchung des deutschen, europäischen und US-amerikanischen Zuständigkeitsrechts sowie der Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 2004, 19 stellt auf § 17 I 1 ZPO ab, weil nach den derzeit noch geltenden Regeln des deutschen internationalen Gesellschaftsrechts (Rz. 2208 ff.) der (tatsächliche) Verwaltungssitz maßgeblich ist. 563 Nicht ganz deckungsgleich Art. 60 EuGVVO. 564 Zum Gerichtsstand einer ausländischen Versicherungsgesellschaft mit Niederlassung im Inland (§§ 105 ff. VAG) siehe Rz. 1445. 565 Anderer Auffassung von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht9, 2007, § 3 Rz. 42; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 251. 566 BGH vom 30.9.1985, WM 1985, 1415 = IPRspr. 1985 Nr. 215; BayObLG vom 24.5.1985, BayObLGZ 1985, 208 = RIW 1985, 811 = IPRspr. 1985 Nr. 213. 567 Nachweise bei R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 2 EuGVVO Rz. 101, 111.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 8. Statusverfahren 1279 In Ehe-, Kindschafts-, Abstammungs- und Lebenspartnerschaftssachen tritt an die Stelle des Wohnsitzes – neben der Staatsangehörigkeitsanknüpfung (Rz. 1323) – der gewöhnliche Aufenthalt (§ 98 I Nr. 2–4, § 99 I Nr. 2, 103 I Nr. 2 FamFG) mit der Besonderheit, dass nicht nur der gewöhnliche Aufenthalt des Antragsgegners bzw. Beklagten, sondern auch der des Antragsstellers bzw. Klägers internationale Zuständigkeit eröffnet, Rz. 1158. 9. Streitgegenstandsferne der Wohnsitzzuständigkeit 1280 Der Wohnsitz-/Sitzgerichtsstand kann genauso wenig Bezug zum Streitgegenstand haben wie der Vermögensgerichtsstand. Die Argumente, die insoweit von der herrschenden Meinung gegen § 23 ZPO geltend gemacht werden, gelten im gleichen Ausmaß für den Wohnsitzgerichtsstand, Rz. 1354. 1281 Beispiel A: Verkehrsunfall zwischen einem Türken und einem Griechen in Jugoslawien. Der Beklagte wohnt in Kiel. Beispiel B: Zwei Jordanier streiten über die Durchführung/Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein ausländisches Grundstück.568 Beispiel C: Eine Ausländerin (islamischen Glaubens) verlangt von ihrem (ausländischen) Ehemann Zahlung der Morgengabe.569 Beispiel D: Ein Schweizer Trachtenhuthersteller verklagt seinen österreichischen Konkurrenten an dessen Wohnsitz in München wegen unlauteren Wettbewerbs in den USA (Rz. 1517). Beispiel E: Streit um Bauherrenprojekt in Spanien.570 Beispiel F: Unlauterer Wettbewerb in Spanien.571 Beispiel G: Streit unter türkischen Angehörigen der Touristikbranche über Provisionsgarantie für Umsätze in türkischen Basaren.572 10. Einschränkung der Allzuständigkeit des Wohnsitzstaates durch ausschließliche internationale Zuständigkeiten fremder Staaten? 1282 Die herrschende Meinung bejaht ausschließliche internationale Zuständigkeiten ausländischer Staaten für bestimmte Streitgegenstände, so z.B. für Immobiliarund Wohnraummietstreitigkeiten im Sinne von §§ 23, 29a ZPO, § 43 WEG (vgl.
568 OLG Hamm vom 15.4.1985, IPRspr. 1985 Nr. 28. 569 OLG München vom 26.11.1985, IPRspr. 1985 Nr. 67; OLG Hamburg vom 21.5.2003, FamRZ 2004, 459 = IPRspr 2003 Nr. 67; OLG Köln vom 23.3.2006, NJW-RR 2007, 154 = FamRZ 2006, 1380 = IPRspr. 2006 Nr. 47. 570 BGH vom 1.10.1987, NJW 1988, 1468 = RIW 1988, 58 = IPRspr. 1987 Nr. 28. 571 OLG Stuttgart vom 18.5.1990, RIW 1991, 588; BGH vom 15.11.1990, IPRax 1992, 45 (Schack 24): sog. „Gran Canaria-Fälle“; hierzu Micklitz in Münchener Kommentar zum BGB4, 2001, § 13 AGBG Rz. 138. 572 BGH vom 21.9.1995, NJW 1996, 54 (Mäsch 1453) = EWiR 1995, 378 (R. Geimer) = IPRspr. 1995 Nr. 1.
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Wohnsitz- bzw. Aufenthaltszuständigkeit Rz. 926) und für Bestandsvernichtungsverfahren hinsichtlich gewerblicher Schutzrechte, Rz. 1002. Die Konsequenz ist eine Zurückdrängung der Allzuständigkeit des Wohnsitz-/Sitzstaates. Für die in § 893 ZPO erwähnte Klage (Übergang vom Erfüllungsanspruch auf 1283 Schadensersatz) besteht trotz § 802 ZPO keine ausschließliche internationale Zuständigkeit des Urteilsstaates. Die deutsche internationale Zuständigkeit gemäß §§ 12 ff. ZPO wird also (durch § 893 II ZPO) nicht verdrängt, auch wenn die Verurteilung zur Leistung durch ein ausländisches Gericht erfolgte, Rz. 877.573 Ist im Ausland ein Statusprozess anhängig, so bleibt die auf den inländischen Wohnsitz des Beklagten574 gestützte internationale Zuständigkeit Deutschlands für den Unterhaltsprozess bestehen. Aus deutscher Sicht ist der ausländische Staat, vor dessen Gericht das Statusverfahren (Scheidungs- bzw. Vaterschaftsfeststellungsprozess) anhängig ist, nicht ausschließlich international zuständig.575
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Nach § 7 I HausTWG war für Klagen aus Haustürgeschäften576 das Gericht aus- 1285 schließlich zuständig, in dessen Bezirk der Kunde zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Internationale Aspekte wurden – abgesehen von § 7 II HausTWG: Zulässigkeit von Zuständigkeitsvereinbarungen für den Fall, dass der Kunde nach Vertragsschluss seinen inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt aufgibt – bei der Abfassung dieser Vorschrift577 nicht bedacht; es war daher mehr als fraglich, ob § 7 I HausTWG die ausschließliche internationale Zuständigkeit des Wohnsitz- bzw. Aufenthaltsstaates des Kunden begründen wollte. Weshalb soll der Kunde seinen Vertragspartner nicht auch in dessen Wohnsitzbzw. Sitzstaat verklagen dürfen? Es würde den Intentionen des Verbraucherschutzes zuwiderlaufen, wenn der Konsument in seinen Klagemöglichkeiten be-
573 So wohl auch Pagenstecher RabelsZ 11 (1937), 389, 393; R. Geimer EWiR 1985, 586. 574 Seit 1.9.2009 ist an die Stelle des Wohnsitzes der gewöhnliche Aufenthalt getreten, §§ 105, 232 III 1 FamFG. 575 § 109 I Nr. 1 i.V.m. § 106 FamFG. 576 Voraussetzung für die Anwendung des § 312 BGB ist, dass der Kunde zu seiner Willenserklärung durch mündliche Verhandlungen an seinem Arbeitsplatz oder im Bereich einer Privatwohnung bestimmt worden ist. Die mündlichen Verhandlungen im Zusammenhang mit dem Vertragsschluss dürfen nicht aufgrund vorhergehender Bestellung des Kunden geführt worden sein. Dieser Tatbestand ist bei Vertragsschluss im Internet nicht erfüllt, ebenso wenig wie bei telefonischen Verhandlungen. Auch liegt keine Umgehung vor, Junker RIW 1999, 809, 812; Rüßmann in Tauss/Kollbeck/Mönikes, Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft – Herausforderungen und Perspektiven für Wirtschaft, Wissenschaft, Recht und Politik, 1996, 709, 725. 577 Als Vorbild diente der am 31.12.1990 außer Kraft getretene § 6a AbzG. Hierzu 2. Aufl. Rz. 1285.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit schränkt würde.578 Diesen Fehler vermeidet nun § 29c I 2 ZPO,579 ebenso § 215 I VVG. 1286 Der Kunde kann seinen Vertragspartner zwar in seinem Wohnsitzstaat verklagen, § 29c ZPO.580 Ihm stehen jedoch auch die sonstigen Foren zur Verfügung. Er kann seinen Vertragspartner auch in dessen Wohnsitz-/Sitzstaat nach der actor sequitur forum rei-Regel verklagen, aber auch überall dort, wo ein Kompetenzanknüpfungspunkt nach §§ 20 ff. ZPO gegeben ist, wie z.B. Erfüllungs- oder Deliktsort, Zweigniederlassung, Vermögensbelegenheit.581 1287 Der Vertragspartner kann seinen Kunden – sieht man von einer in den Grenzen des § 29c III ZPO zulässigen Gerichtsstandsvereinbarung582 ab – nur in dessen Wohnsitzstaat verklagen, § 29c I 2 ZPO. § 29c ZPO stimmt bei dieser Parteirollen-Konstellation mit der actor sequitur forum rei-Regel (§§ 12, 13 ZPO) überein. 1288 Ohne eine Differenzierung nach der Parteirolle ist in allen Bereichen, in denen der Schutz des typischerweise Schwächeren das Anliegen des Gesetzgebers ist, sinnvolles Kompetenzrecht nicht möglich. 1289 Ganz deutlich tritt dies in der EuGVVO und im LugÜ zutage: Diese unterscheiden in Art. 16 klar danach, wer wen verklagt.583 1290 Vorstehende Erwägungen gelten vor allem auch für die Auslegung des § 26 I FernUSG. Danach ist für Streitigkeiten aus einem Fernunterrichtsvertrag oder über das Bestehen eines solchen Vertrages das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk der Teilnehmer seinen allgemeinen Gerichtsstand hat.584 1291 Dieser Kompetenznorm ist die Unterscheidung nach der Parteirolle fremd. Eine solche muss aber – um auf internationalrechtlichem Gebiet zu einer vernünftigen Lösung zu kommen, Rz. 1288 – teleologisch (nach dem Vorbild der in diesem Punkt viel entwickelteren EuGVVO) hineininterpretiert werden.
578 Für teleologische Reduktion bereits zu § 7 HausTWG auch Wagner, Prozessverträge, 1998, 560. Wie hier ansatzweise auch BGH vom 7.7.1972, NJW 1972, 1861, 1862. Dagegen Löwe NJW 1973, 1162 ff. 579 Ausführlich zum kompetenzrechtlichen Verbraucherschutz Vollkommer/Vollkommer in Festschrift Geimer, 2002, 1367, 1280. Siehe auch R. Geimer EWiR 2004, 971 sowie Kleinknecht, Die verbraucherschützenden Gerichtsstände im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, Diss. Mainz 2007, 185 ff. 580 Beispiel: Teppich-Kauf in der Türkei, LG Tübingen vom 30.3.2005, NJW 2005, 1513 = RIW 2005, 781 = IPRax 2006, 477 (Mankowski 454) = IPRspr. 2005 Nr. 15. 581 § 23 ZPO. Insoweit abweichend das EuGVÜ/LugÜ bzw. nunmehr die EuGVVO, arg. Art. 3. 582 Hierzu z.B. Kleinknecht, Die verbraucherschützenden Gerichtsstände im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, Diss. Mainz 2007, 190. 583 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 429. Zum Verbraucherschutz im europäischen Prozessrecht siehe auch Schlosser in Festschrift Steindorff, 1990, 1379 sowie Coester-Waltjen in Festschrift Lorenz, 1991, 297, 303. 584 Nachweise bei Börnke, Rechtsanwendungsprobleme im Zusammenhang mit den sonderprivatrechtlichen Gerichtsstandsregelungen der §§ 7 I HWiG, 6 II AuslInvestmG und 26 FernUSG, Diss. Frankfurt a.M. 1995.
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Wohnsitz- bzw. Aufenthaltszuständigkeit 11. Keine Erweiterung der internationalen Zuständigkeit des Wohnsitzstaates im Falle passiver Streitgenossenschaft Werden mehrere Personen zusammen verklagt, so reicht es nach Art. 6 Nr. 1 1292 EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ aus, wenn eine von ihnen ihren Wohnsitz im Staat des angerufenen Gerichts hat und die Klagen konnex sind. Die passive Streitgenossenschaft begründet die internationale Zuständigkeit auch in Richtung gegen die anderen Beklagten.585 Eine solche Regel kennt die ZPO nicht; Ausnahmen: Rz. 1162, 1578. 12. Derogierbarkeit Die Wohnsitz-/Sitzzuständigkeit kann – ebenso wie die Aufenthaltszuständig- 1293 keit (§§ 16, 20 ZPO) – durch Zuständigkeitsvereinbarungen derogiert werden. Nichtkaufleute haben jedoch – außerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO bzw. des LugÜ – die Schranken des § 38 II und III ZPO zu beachten, Rz. 1607 ff. In Verbrauchersachen ergeben sich Beschränkungen aus § 26 II FernUSG, § 29c 1294 ZPO586, die aber durch das EuGVÜ/LugÜ587 bzw. nunmehr die EuGVVO verdrängt sind, soweit nicht diese wiederum auf das nationale Recht verweisen. Dies ist aber nur hinsichtlich Prorogationen in Art. 15 Nr. 3 EuGVÜ/LugÜ I bzw. in Art. 17 Nr. 3 EuGVVO/LugÜ II geschehen.588 Dagegen ist bestritten, ob die auf § 98 I Nr. 2, § 99 I Nr. 2, § 103 I Nr. 2 FamFG (früher § 606a I 1 Nr. 2–4, § 640a II 1 Nr. 2 und § 661 III ZPO) gegründete Aufenthaltszuständigkeit derogierbar ist, Rz. 1634, 1773, 1966.
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13. Klägergerichtsstände Die Zuständigkeitsanknüpfung der §§ 12 ff. ZPO stellt auf ein Tatbestandsmerk- 1296 mal ab, das in der Sphäre des Beklagten liegt. Kompetenzrechtlicher Bezugspunkt ist der Wohnsitz/Sitz des Beklagten. Der Wohnsitz/Sitz des Klägers ist ohne Belang. Davon zu unterscheiden sind die wenigen Fälle, in denen es – weil man einen bestimmten Personenkreis für schutzbedürftig hält – auf den Wohnsitz (genauer: den allgemeinen Gerichtsstand im Fall des § 23a ZPO:589 Wohnsitz, ersatzweise gewöhnlicher Aufenthalt in den Fällen der § 26 I FernUSG, § 29c ZPO) des Klägers abstellt. Es handelt sich dabei um Spezialgerichtsstände für bestimmte Materien (Fernunterrichtsverträge, § 26 FernUSG; Haustür585 R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 6 EuGVVO Rz. 3; Geier, Die Streitgenossenschaft im internationalen Verhältnis, Diss. St. Gallen, 2005. 586 Nachweise bei Kleinknecht, Die verbraucherschützenden Gerichtsstände im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, Diss. Mainz 2007, 190. 587 Hierzu ausführlich Schaltinat, Internationale Verbraucherstreitigkeiten: unter besonderer Berücksichtigung des EuGVÜ, 1998. 588 R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A – Art. 23 EuGVVO Rz. 69. 589 Ab 1.9.2009 kommt es auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Antragstellers an, §§ 105, 233 III 2 Nr. 3 FamFG.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit geschäfte, § 312 BGB). Darin liegt ein eminenter Unterschied zur Allzuständigkeit des forum rei. 1297 Jedoch ist noch eine Klarstellung erforderlich: Die zitierten Vorschriften stellen tatbestandsmäßig nicht auf Merkmale des Klägers ab, sondern knüpfen – ohne Rücksicht auf die Relativität der Parteirolle – an den Wohnsitz/gewöhnlichen Aufenthalt/allgemeinen Gerichtsstand des typischerweise Schwächeren an. Deshalb ändert sich nichts an der actor sequitur forum rei-Regel, wenn der Gegner den Schwächeren verklagt, Rz. 1157. – Anders aber § 23a ZPO (Rz. 1542), der auf den allgemeinen Gerichtsstand des Klägers abstellt, also nicht auf Anknüpfungen in der Person des Unterhaltsberechtigten (wie z.B. Art. 5 Nr. 2 EuGVVO/ EuGVÜ/LugÜ). Das Gleiche gilt für §§ 105, 232 III 2 Nr. 3 FamFG; allerdings kommt es seit 1.9.2009 auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Antragstellers an. 1298 Es ist deshalb ungenau, in dem hier erörterten Zusammenhang von Klägergerichtsständen zu sprechen. Korrekter wäre herauszustellen, dass das Abstellen auf Merkmale in der Person der typischerweise schwächeren Partei im Kompetenzrecht im Ergebnis zu einem forum actoris führt, wenn diese ihren Vertragspartner verklagt. 1298a Anders ist dagegen die Zuständigkeitslogik des § 30 ZPO;590 danach wird für Klagen wegen Ansprüchen aus Bergung (§§ 740 ff. HGB) gegen eine Person, die im Inland keinen Gerichtsstand hat, eine internationale Zuständigkeit eröffnet, wenn der Kläger in Deutschland seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. 1298b
Wieder anders werden die fora actoris im Ehe-, Kindschafts-, Abstammungsund Lebenspartnerschaftssachen allein aufgrund des gewöhnlichen Aufenthalts des Klägers/Antragstellers im Gerichtsstaat begründet. Hier steht der Gedanke der Zuständigkeitsgleichheit im Vordergrund.591 14. Erbrechtliche Streitigkeiten
1299 § 27 ZPO eröffnet für erbrechtliche Streitigkeiten592 eine konkurrierende593 internationale Zuständigkeit am letzten Wohnsitz des Erblassers, genauer am letz590 Eingefügt durch Art. 4 des Dritten Seerechtsänderungsgesetzes vom 16.5.2001, BGBl. I 898, 902. 591 Zur „Zuständigkeitsgleichheit“ im Eheprozess (§§ 121 ff. FamFG; früher §§ 606 ff. ZPO) Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 3 Rz. 24: „Derjenige, der die Initiative ergreift bzw ergreifen muss, sollte die Klage nicht auf unbefristete Zeit dem anderen hinterher tragen müssen. Gründe der Zuständigkeitsgleichheit tragen durchaus, dass der einseitige gewöhnliche Aufenthalt des Antragstellers grundsätzlich ebenfalls einen Gerichtsstand begründet. Der Sitzengebliebene verdient nicht auf alle Zeit einen Vorrang“. 592 Zu ihnen gehören auch Klagen auf vorzeitigen Erbausgleich nach dem früheren § 1934d BGB LG Hamburg vom 28.10.1993, FamRZ 1994, 403 = IPRspr. 1994 Nr. 135a; LG Hamburg vom 28.4.1994, NJW-RR 1994, 1098 = FamRZ 1994, 1490 = IPRspr. 1994 Nr. 135b. Zur Erweiterung des Gerichtsstands der Erbschaft durch § 28 ZPO OLG Schleswig vom 12.4.2007, MDR 2007, 1200. 593 Anders § 15 des deutsch-türkischen Nachlassabkommens (Anlage zu Art. 20 des deutsch-türkischen Konsularvertrages vom 28.5.1929, RGBl. 1930 II 758): Danach besteht eine ausschließliche internationale Zuständigkeit im Heimatstaat des Erblassers
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Wohnsitz- bzw. Aufenthaltszuständigkeit ten allgemeinen Gerichtsstand (nur von Bedeutung für wohnsitzlose Erblasser).594 Unberührt bleibt jedoch die Möglichkeit, nach der actor sequitur forum rei-Regel am Wohnsitz des Beklagten zu klagen. 15. Maßgeblicher Zeitpunkt Es reicht, wenn die Zuständigkeitstatsachen erst während des Rechtsstreits eingetreten sind, Rz. 1828.
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16. Exkurs: Internationale Anerkennungszuständigkeit Der Wohnsitzbegriff ist nach deutschem Recht zu qualifizieren.595
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Auch die Sitzbestimmung nach §§ 328 I Nr. 1, 17 ZPO richtet sich nach deut- 1302 schem Recht. Sitz ist der statutarische Sitz, aber auch der Ort, an dem die Verwaltung geführt wird, Rz. 1274. International zuständig ist also nicht nur der Staat, in dem die juristische Person registriert ist, sondern auch derjenige, in dem tatsächlich die Verwaltung geführt wird, § 17 I 2 ZPO.596 Anders ist es nach Art. 53 I 2 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 60 EuGVVO. Hier ist das 1303 Recht des Entscheidungsstaates maßgebend, sofern überhaupt – ausnahmsweise597 – im Anerkennungs- bzw. Klauselerteilungsstadium die internationale Zuständigkeit des Erststaates zu prüfen ist und nicht Gemeinschaftsrecht (Art. 60 EuGVVO) zum Zuge kommt.598 Auch der Gerichtsstand des § 15 ZPO, der an den letzten Wohnsitz im Erststaat 1304 anknüpft, ist spiegelbildlich anzuwenden: Angehörige des Erststaates, die das Recht der Exterritorialität genießen oder als Angehörige des öffentlichen Dienstes außerhalb des Erststaates beschäftigt sind, können in ihrem letzten Wohnsitzstaat verklagt werden. Beispiel: Ein in Moskau wohnhafter und dort akkreditierter US-amerikanischer Diplomat (mit US-amerikanischer Staatsangehörigkeit, Rz. 1273) wurde durch
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mit Ausnahme des unbeweglichen Nachlasses. Hier gilt die forum rei sitae-Regel. Kritisch hierzu Dörner ZEV 1996, 90, 96. Siehe auch LG München I vom 26.9.2006, FamRZ 2007, 1250 (Bauer) = IPRspr. 2006 Nr. 134. Soweit die Türkei im Hinblick auf Art. 30 des türkischen IPR-Gesetzes (abgedruckt in IPRax 1982, 257) keine Justiz gewährt, ist im Wege der Notzuständigkeit wieder auf § 27 ZPO zurückzugreifen. Zum Anwendungsbereich des § 27 ZPO Staudinger/Dörner, Internationales Erbrecht – Artikel 25, 26 EGBGB, Neubearbeitung 2007, Art. 25 EGBGB Rz. 778. Rechtshistorisches bei Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 533. R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 131; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1518. Anders Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 670. Art. 28 I, 54 II EuGVÜ bzw. Art. 35 I, 66 II (b) EuGVVO. R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 60 EuGVVO Rz. 16 (bestr.). Ähnlich zum EuGVÜ Martiny a.a.O. Kap. I Rz. 676.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit ein US-Bundesgericht verurteilt. Die internationale Zuständigkeit der Vereinigten Staaten von Amerika (Rz. 2896) ist anzuerkennen.599 1306 § 16 ZPO ist ebenfalls spiegelbildlich anzuwenden. Hat der Beklagte nirgends auf der Welt einen Wohnsitz, dann wird der allgemeine Gerichtsstand der wohnsitzlosen Person in ihrem Aufenthaltsstaat lokalisiert. Die internationale Zuständigkeit des Erststaates ist zu bejahen, wenn der Beklagte im Erststaat zwar keinen Wohnsitz hat, sich aber dort aufhält. Voraussetzung ist, dass er aus deutscher Sicht (Rz. 1268) nirgendwo einen Wohnsitz hatte. Ist auch ein inländischer Aufenthalt nicht bekannt, so knüpft § 16 ZPO an den letzten inländischen Wohnsitz an. Dies bedeutet aus der Perspektive des § 328 I Nr. 1 ZPO: Ist der Beklagte wohnsitzlos und hat er auch keinen Aufenthalt im Erststaat, so wird die internationale Zuständigkeit gleichwohl dort begründet, wenn er dort seinen letzten Wohnsitz hatte.600 1307 Eine internationale Zuständigkeit des Erststaates wegen vermögensrechtlicher Ansprüche ist in spiegelbildlicher Anwendung des § 20 ZPO auch dann anzuerkennen, wenn sich der Beklagte, ohne im Gerichtsstaat einen Wohnsitz begründet zu haben, dort während einer längeren Zeitspanne aufgehalten hat bzw. aufhält.601 Schließlich tragen auch die § 27 ZPO und § 232 I 2 Nr. 3 FamFG (früher § 23a ZPO) internationale Anerkennungszuständigkeit.602 1308 Für Klagen aus Fernunterrichtsverträgen wird an den Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Käufers oder Teilnehmers angeknüpft, § 26 I FernUSG.603 Diese Zuständigkeitsanknüpfung ist nach herrschender Meinung international ausschließlich, mit der Folge, dass Urteile aus anderen Staaten nicht anerkannt werden können.604 Nach der hier vertretenen Meinung (Rz. 1290) ist jedoch nach der Parteirolle zu differenzieren: Dem Angehörigen der typischerweise schwächeren Personengruppe stehen die Gerichtsstände der §§ 13 ff. ZPO neben dem Forum an seinem Wohnsitz/gewöhnlichen Aufenthalt zur Verfügung. Denn der Sinn der vorgenannten Normen (Schutz des Verbrauchers etc.) würde in sein Gegenteil verkehrt, wenn der Gegner (Verkäufer etc.) die vorgenannten Normen dazu benutzen wollte, seine Gerichtspflichtigkeit einzuschränken. 1309 Beispiel: Verklagt der Kunde aus Regensburg seinen Vertragspartner in Odessa und erhält er dort ein obsiegendes Urteil, so kann der Beklagte im Anerkennungsstadium nicht einwenden, die Ukraine sei – obwohl sein Wohnsitz- bzw. Sitzstaat und damit nach der actor sequitur forum rei-Regel Urgrund und Mutterboden jeder Jurisdiktion, Rz. 1138 – nach § 328 I Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 26 I FernUSG international unzuständig gewesen. 599 Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 668. 600 Martiny a.a.O. Kap. I Rz. 669. 601 Martiny a.a.O. Kap. I Rz. 671. 602 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1522, 1537. 603 BGBl. 2000 I 1670. 604 Martiny a.a.O. Kap. I Rz. 684; de Bra, Verbraucherschutz durch Gerichtsstandsregelungen im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, 1992, 106; vgl. auch Stein/Jonas/H. Roth, ZPO22, 2003, § 29c Rz. 15.
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Wohnsitz- bzw. Aufenthaltszuständigkeit Für die Gerichtspflichtigkeit des Vertragspartners des Kunden bzw. des Teil- 1310 nehmers kommen via § 328 I Nr. 1 ZPO alle Zuständigkeitsanknüpfungen der §§ 12 ff. ZPO (Zweigniederlassung, Erfüllungs-, Deliktort etc.) in Betracht. Anders ist es jedoch, wenn der Angehörige des geschützten Personenkreises außerhalb seines Wohnsitzstaates verklagt wurde (Rz. 1286), es sei denn, es liegt eine wirksame Zuständigkeitsvereinbarung vor. Jedoch ist hervorzuheben, dass nach der hier vertretenen Auffassung die internationale Unzuständigkeit des Urteilsstaates immer nur auf Rüge des Beklagten des Erstprozesses zur Verweigerung der Anerkennung führt, Rz. 2903.605
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Beispiel: Hat der Vertragspartner – ohne eine aus deutscher Sicht zulässige und 1312 wirksame Zuständigkeitsvereinbarung – den Kunden außerhalb dessen Wohnsitzstaates verklagt, hat aber das ausländische Gericht die Klage als unbegründet abgewiesen, so hat der Beklagte (Kunde) in der Regel ein großes Interesse, dass die res iudicata-Wirkung im Inland anerkannt wird. Das Gericht darf nicht etwa von Amts wegen oder auf Antrag des Klägers (= Verkäufers) wegen der internationalen Unzuständigkeit des Erststaates die Anerkennung verweigern und so dem (im Ausland erfolglosen) Kläger den Weg zu einem zweiten (vielleicht aussichtsreicheren) Prozess gegen den Kunden in dessen Wohnsitzstaat ebnen. Umgekehrt kann auch der Konsument die internationale Unzuständigkeit des 1313 Urteilsstaates nicht rügen, wenn er der Kläger war.606 Hinzu kommt, dass im Anwendungsbereich der EuGVVO und des LugÜ der Vertragspartner des geschützten Personenkreises – auch als Beklagter – kein Rügerecht hat.607 1314–1318 17. Faires Verfahren vor den Gerichten im Wohnsitzstaat nur einer Partei Wohnt im Wohnsitzstaat nur eine Partei, taucht in der Judikatur immer wieder 1319 die Vorstellung auf, es sei an sich das Beste, wenn jede Partei die Möglichkeit hätte, vor den Gerichten ihres Wohnsitzstaates zu klagen bzw. sich verteidigen zu müssen/können; denn „durch die Inanspruchnahme eines ausländischen Prozessbevollmächtigten und die Anwendbarkeit ausländischen Prozessrechts“ wäre für den Inländer „die Rechtsverfolgung wesentlich und damit unzumutbar erschwert“.608 Das ist aber nicht überzeugend. Bei Wohnsitz der Parteien in verschiedenen Staaten ist es von vorneherein unmöglich, für beide Parteien eine gleich nahe Beziehung zum Gerichtsstaat herzustellen. Bei der actor sequitur forum rei-Regel hat der Beklagte den „Vorteil des Heimspiels“, bei der Anknüp605 Anders die herrschende Meinung, z.B. BayObLG vom 19.9.1991, NJW-RR 1992, 514 = FamRZ 1992, 584, 586 = StAZ 1992, 176 = IPRspr. 1991 Nr. 217; Nachweise auch bei Fricke, Anerkennungszuständigkeit zwischen Spiegelbildgrundsatz und Generalklausel 1990, 102 und Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Rz. 786. 606 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1/2, 1983/1984, 337, 342, 1047, 1553, II 113 Fußn. 3, 115. 607 Ausführlich 2. Aufl. Rz. 1317. 608 Z.B. BGH vom 18.4.1985, BGHZ 94, 156 = NJW 1985, 2090 = IPRax 1987, 305 (Nicklisch 286) = IPRspr. 1985 Nr. 137.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit fung an den Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers dieser. Soweit – unausgesprochen – befürchtet wird, die Gerichte des Wohnsitzstaates der einen Partei würden bzw. könnten die notwendige Unparteilichkeit nicht aufbringen, ist dies prinzipiell irrelevant, Rz. 868i. 18. Zwangsvollstreckung 1320 Die Regel actor sequitur forum rei gilt nicht im Stadium der Zwangsvollstreckung, auch nicht in der Modifikation, dass der Gläubiger zuerst die Zwangsvollstreckung im Wohnsitzstaat des Schuldners versuchen müsse. Der Gläubiger darf vielmehr nach seiner Wahl – ohne eine Reihenfolge bestimmter „Zwangsvollstreckungsanknüpfungen“ einhalten zu müssen – überall dort vollstrecken, wo er Vermögen seines Schuldners vermutet, Rz. 1217.609 19. Freiwillige Gerichtsbarkeit 1321 Im Bereich der Freiwilligen Gerichtsbarkeit hat man darüber gestritten, ob die Wohnsitzanknüpfung oder der gewöhnliche Aufenthalt zuständigkeitspolitisch die richtige Anknüpfung ist.610 Der Streit ist mittlerweile auf breiter Front durch das FamFG zugunsten der Aufenthaltsanknüpfung entschieden.611 20. Rechtsvergleichendes 1322 Der Wohnsitzbegriff der kontinentaleuropäischen Länder hat einen einheitlichen Kern. Abweichungen gibt es nur in Randzonen, z.B. bei der Frage der Zulässigkeit des Doppelwohnsitzes (vgl. z.B. das Verbot in Art. 23 II schweizer. ZGB), der Notwendigkeit der polizeilichen Meldung und bei den sog. „abgeleiteten“ Wohnsitzen. Völlig anders dagegen ist der domicile-Begriff des common law. 21. Insolvenzverwalter An die Stelle des Wohnsitzes des Insolvenzverwalters tritt nach § 19a ZPO für Klagen, die sich auf die Insolvenzmasse beziehen, der Sitz des Insolvenzgerichts. 22. Rechtshistorisches 1322a Der naturrechtliche Gehalt der Regel actor sequitur forum rei gipfelt in der Lehre vom juge naturel.612 609 Anders das Schweizer Recht (Art. 30 II 1 rev. BV, früher Art. 59 BV, Art. 46 ff. SchKG). Ausführlich Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 215. 610 Mitzkus, Internationale Zuständigkeit im Vormundschafts-, Pflegschafts- und Sorgerecht, 1982, 217 ff. Gegen Wohnsitz OLG Bamberg FamRZ 1981, 1107. Nachweise bei Oelkers, Internationales Betreuungsrecht, 1996, 185. 611 Zum alten Recht siehe die 5. Aufl. 612 Hierzu Mayer/Heuzé, Droit international privé9, 2007, Nr. 281, wo ein – prima vista verblüffender – Zusammenhang zu Art. 14 und 15 Code civil hergestellt wird.
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Staatsangehörigkeit
III. Staatsangehörigkeit 1. Überblick In Ehe-, Kindschafts-, Abstammungs- und Lebenspartnerschaftssachen verwen- 1323 det das Gesetz die sonst (Rz. 1171) abgelehnte Staatsangehörigkeitsanknüpfung613 neben der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt, §§ 98 I Nr. 1,614 99 I Nr. 1, 100 Nr. 1.101 Nr. 1, 103 I Nr. 1, 104 Nr. 1 FamFG;615 § 12 I Nr. 1 VerschG. Auf einer anderen Ebene liegt die Staatsangehörigkeitsanknüpfung des § 27 II ZPO für erbrechtliche Streitigkeiten. Hier wird nicht an die Staatsangehörigkeit einer Partei, sondern des Erblassers angeknüpft, Rz. 1338.
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Dagegen ist das Forum für im Ausland immune Deutsche (§ 15 ZPO, Rz. 1273) 1325 nicht Niederschlag des Staatsangehörigkeitsprinzips. Es handelt sich vielmehr um eine prozessuale Wohnsitzfiktion.616 2. Keine Ausschließlichkeit Die von Deutschland beanspruchte internationale Zuständigkeit ist keine ausschließliche. Im Ausland ergangene Entscheidungen können anerkannt werden, § 106 FamFG (vormals §§ 606a I 2, 640a II 2 ZPO, §§ 35b III, 43b I 2, 69e FGG), § 12 III VerschG.
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3. Nicht effektive deutsche Staatsangehörigkeit Die Effektivität der deutschen Staatsangehörigkeit ist irrelevant. Der Zugang zu 1327 den Gerichten der Bundesrepublik Deutschland ist in den Fällen, in denen die deutsche internationale Zuständigkeit an die Staatsangehörigkeit des Klägers, des Beklagten oder eines sonst wie Beteiligten anknüpft, immer gewährleistet. Er darf nicht durch den Hinweis auf eine effektivere ausländische Staatsangehö-
613 Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit dieses Kompetenzbezuges R. Geimer in Festschrift Schwind, 1993, 25; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 616. Rechtsvergleichend Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 – Vergemeinschaftung, Anwendungsbereich und insbesondere die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, 2004, Rz. 250. Hymnisch verklärt der BGH (vom 20.12.1972, BGHZ 60, 85, 90) die durch die Staatsangehörigkeitsanknüpfung ermöglichte „Heimatzuflucht“: Es sei „das natürliche Interesse jedes Staatsangehörigen, dass sein Staat, dessen Organisation und Funktionsweise er kennt, dessen Sprache er spricht und dem er auf mannigfache Weise verbunden ist, sich seiner Sache annimmt und nicht ein fremder Staat“. 614 Hierzu umfangreiche Nachweise bei Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 606a ZPO Rz. 52 ff. 615 Zu § 640a II Nr. 1 ZPO z.B. BGH vom 11.5.1994, NJW 1994, 2360 = FamRZ 1994, 1027 = LM Art. 18 EGBGB (Benicke) = IPRspr. 1994 Nr. 99; OLG Hamm vom 26.4.1994, IPRspr. 1994 Nr. 113; OLG Hamm vom 31.3.1995, IPRspr. 1995 Nr. 104. 616 R. Geimer NJW 1976, 444.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit rigkeit oder die Sach-, Rechts- oder Beweisnähe eines anderen Staates versperrt werden, Rz. 1086.617 4. Deutschen Staatsbürgern gleichgestellte Personen 1328 Hierzu wird auf die Ausführungen oben in Rz. 292 verwiesen. 5. Kein Gleichlauf zwischen forum und ius 1329 Die Staatsangehörigkeitszuständigkeit hängt nicht ab von der Anwendbarkeit deutschen Sachrechts. Auch hier gibt es keinen Gleichlauf zwischen forum und ius (= zwischen internationaler Zuständigkeit und dem in der Sache anzuwendenden materiellen Recht), Rz. 1044. Dies gilt auch für § 27 ZPO.618 6. Irrelevanz der Parteirolle: Keine Beschränkung der Anknüpfung auf die Staatsangehörigkeit des Antragsgegners 1330 In Ehe-, Kindschafts-, Abstammungs- und Lebenspartnerschaftssachen eröffnet auch die deutsche Staatsangehörigkeit des Antragsstellers619 die internationale Zuständigkeit Deutschlands. Deutschen soll eine „Heimatzuflucht“ offen gehalten werden, Rz. 1279, 1949.620 Beispiel: So kann nach dem Konzept des FamFG621 ein Deutsch-Brasilianer, der Europa, geschweige denn Deutschland, nie gesehen hat, gegen seinen Ehegatten (gleich, welche Staatsangehörigkeit dieser hat und wo er sich aufhält) vor dem Familiengericht in Berlin-Schöneberg Scheidung beantragen. Dies gilt sogar auch dann, wenn er die (nicht effektive) deutsche Staatsangehörigkeit nach Eheschließung aufgegeben hat, § 98 I Nr. 1 zweite Alternative FamFG, Rz. 1337. 1331 Umgekehrt kann sich aber auch der nicht deutsche Ehegatte auf diese weite Jurisdiktionsnorm berufen und den deutschen Partner vor ein deutsches Gericht ziehen.622 1332–1336
617 Umfangreiche Nachweise z.B. bei Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 – Vergemeinschaftung, Anwendungsbereich und insbesondere die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, 2004, Rz. 476. 618 Undeutlich Mansel, Personalstatut, Staatsangehörigkeit und Effektivität, 1988, Rz. 466. 619 Atavistisch wäre es – wie bei § 32 ZPO – den Sinn des forum actoris darin zu sehen, dem „Opfer“ der ehelichen Untreue den Weg ins Ausland (wo der „ungetreue“ Partner sich aufhält) zu ersparen; kritisch auch Walther J. Habscheid, Schweizerisches Zivilprozess- und Gerichtsorganisationsrecht2, 1990, Rz. 594. 620 Vgl. auch den in anderem Zusammenhang berühmt gewordenen Satz von Portalis: „La loi française suit avec les yeux de mère les Français jusque dans les régions les plus éloignées“, zitiert bei Nagel, Nationale und internationale Rechtshilfe, 1971, 44 Fußn. 46. Die Stellungnahme des BGH zur „Heimatzuflucht“ oben unter Fußn. 613. 621 Dieses ist aber durch Art. 6 EuEheVO weitgehend verdrängt. 622 Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit R. Geimer in Festschrift Schwind, 1993, 26.
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Staatsangehörigkeit 7. Frühere deutsche Staatsangehörigkeit Eine frühere deutsche Staatsangehörigkeit ist – sieht man von dem völlig anders 1337 konstruierten Fall des § 27 II ZPO ab – kompetenzrechtlich unbeachtlich.623. Eine Ausnahme gilt jedoch in Ehe- und Lebenspartnerschaftssachen: War einer der Ehegatten bei Eheschließung Deutscher, dann ist die internationale Zuständigkeit für alle Ehesachen gegeben, § 98 I Nr. 1 2. Alternative, § 103 I Nr. 1 zweite Alternative FamFG, Rz. 1087, 1950. 8. Erbstreitigkeiten Das Staatsangehörigkeitsprinzip gilt auch für Streitigkeiten, welche die Feststellung des Erbrechts oder sonstige in § 27 ZPO aufgezählte Nachlassangelegenheiten624 zum Gegenstand haben.
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Für Streitigkeiten, die den Nachlass eines Deutschen betreffen, eröffnet Deutsch- 1339 land immer eine internationale Zuständigkeit, ganz gleich, wo der Erblasser wohnte oder starb, § 27 II 2. Halbsatz ZPO.625 Für die aus § 27 ZPO abgeleitete internationale Zuständigkeit Deutschlands ist 1340 es ohne Belang, wo sich die Nachlassgegenstände befinden.626 Selbst wenn der gesamte Nachlass im Ausland liegt, ist Deutschland international zuständig.627 Es spielt keine Rolle, ob deutsches oder ausländisches Recht (Art. 3 III EGBGB) zur Anwendung kommt.628
623 Zum maßgeblichen Zeitpunkt Rz. 1828. 624 Zur Erweiterung des Gerichtsstands der Erbschaft durch § 28 ZPO OLG Schleswig vom 12.4.2007, MDR 2007, 1200. 625 Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 224; Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 543; OLG Nürnberg vom 16.9.1980, OLGZ 1981, 115 = VersR 1982, 51 = IPRspr. 1980 Nr. 144. Vgl. die Parallelnorm in § 73 II FGG (Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 535). 626 Anders ist jedoch in den Fällen des (erweiterten) Gerichtsstands der Erbschaft gemäß § 28 ZPO; zu dessen Anwendungsbereich OLG Schleswig vom 12.4.2007, MDR 2007, 1200. Der Zuständigkeitstatbestand des § 28 ZPO setzt voraus, dass sich der Nachlass noch ganz oder teilweise im Bezirk des (angegangenen) Gerichts befindet. Dies ist nur dann nicht erforderlich, wenn „die vorhandenen mehreren Erben noch als Gesamtschuldner haften“. 627 BGH vom 5.4.1968, BGHZ 50, 63 = WM 1968, 759 = MDR 1968, 567 = NJW 1968, 1571 = IPRspr. 1968–1969 Nr. 158; LG München vom 26.2.1976, FamRZ 1978, 364 (Jayme) = IPRspr. 1976 Nr. 113; Soergel/Kegel, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 25 EGBGB Rz. 47; R. Geimer in Festschrift Jayme, 2004, 241, 261. 628 Eine Ausnahme will Raape, Staatsangehörigkeitsprinzip und Scheidungsakt sowie internationale Zuständigkeit in Scheidungsprozessen, 1943, 150, für Gestaltungsklagen (z.B. Herabsetzungsklage, Erbunwürdigkeitsklage) aufgrund ausländischen Rechts machen, wenn das vom deutschen internationalen Privatrecht berufene ausländische Recht die deutsche Entscheidung nicht anerkennen will. Diese Ansicht findet jedoch im geltenden Recht keine Stütze, Rz. 987. Abzulehnen auch LG Kempten vom 8.8.2002, NJW-RR 2002, 1588 = ZEV 2003, 165 = IPRspr. 2002 Nr. 118, das eine Herabsetzungsklage nach Scheizer Recht für unzulässig hält, weil sie dem Recht „im Rahmen des Pflichtteilsrechts fremd“ sei.
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1341
Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 1342 Im Verhältnis zur Türkei haben §§ 8, 15 des deutsch-türkischen Konsularvertrages629 Vorrang.630 9. Vormundschafts-, Pflegschafts-, Betreuungs- und familiengerichtliche Verrichtungen in Bezug auf Deutsche 1343 Die internationale Zuständigkeit Deutschlands ist immer kraft Staatsangehörigkeit gegeben, Rz. 1323; örtlich zuständig für Deutsche im Ausland ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk das Bedürfnis der Fürsorge bekannt wird (§§ 152 III, 272 I Nr. 3 FamFG) bzw. ersatzweise das AG Berlin-Schöneberg, § 272 I Nr. 4 FamFG, früher §§ 36 II, 36a, 37 I, 38, 39 II, 43 I, 65 III FGG.631 Auf die Effektivität der deutschen Staatsangehörigkeit kommt es nicht an. Vorrangig ist jedoch das Haager Minderjährigenschutzabkommen vom 5.10.1961 (MSA),632 wenn der deutsche Minderjährige in einem der Vertragsstaaten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, Art. 13 MSA.633 Für die deutsche internationale Zuständigkeit gelten dann Art. 4 I, 9 I MSA. Bei gewöhnlichem Aufenthalt des deutschen Minderjährigen in Belgien gilt das Haager Vormundschaftsabkommen vom 12.6.1902634, bei gewöhnlichem Aufenthalt in Österreich galt das deutsch-österreichische Vormundschaftsabkommen vom 5.2.1927,635 das am 30.6.2003 außer Kraft getreten ist.636 10. Keine Derogierbarkeit 1344 Die internationale Staatsangehörigkeitszuständigkeit kann nicht derogiert werden. Rz. 1773.637
629 RGBl. 1930 II 747, abgedruckt bei Birk in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Art. 25 EGBGB Rz. 301. 630 Hierzu OLG Köln vom 23.10.1985, OLGZ 1986, 210 = MDR 1985, 239 = IPRspr. 1985 Nr. 145. In Frankreich ist der Ausgangspunkt im Hinblick auf Art. 14, 15 Code civil völlig anders, Batiffol/Lagarde, Droit international privé, tome I8, 1993, Nr. 679, 681. 631 BayObLG vom 20.7.1981, BayObLGZ 1981, 246, 250; OLG Bamberg vom 1.7.1981, FamRZ 1981, 1106, 1107; Mitzkus, Internationale Zuständigkeit im Vormundschafts-, Pflegschafts- und Sorgerecht, 1982, 185. 632 BGBl. 1971 II 217. Künftig tritt an seine Stelle das Haager Kinderschutzübereinkommen vom 19.10.1996 (KSÜ), BGBl. 2009 II 602. 633 Nunmehr ist aber in weiten Bereichen die EuEheVO vorrangig anzuwenden, Art. 14, Art. 60, Art. 61. 634 RGBl. 1904, 240. 635 RGBl. 1927 II 510. Siehe auch Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit15, 2003, § 47 Rz. 2; AG Kamen vom 17.9.1981, DAVorm. 1983, 157 = IPRspr. 1982 Nr. 111. 636 BGBl. 2003 II 824; IPRax 2003, 562. 637 Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 606a Rz. 86. Anders die Rechtslage in Frankreich, Nachweise bei Batiffol/Lagarde, Droit international privé, tome I8, 1993, Nr. 685.
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Staatsangehörigkeit 11. Internationale Anerkennungszuständigkeit Die Staatsangehörigkeit des Erststaates trägt via § 328 I Nr. 1 ZPO bzw. § 109 I Nr. 1 FamFG in den vorstehend erörterten Materien auch die internationale Anerkennungszuständigkeit.638
1345
12. Neutralität der Gerichte im Heimatstaat nur einer Partei Hierzu Rz. 868i.
1345a
13. Vertragsrecht Der Heimatgerichtsstand findet sich z.B. in Art. 3 I (b) Haager Adoptionsabkom- 1345b men vom 15.11.1965, Art. 2 Haager Entmündigungsabkommen vom 17.7.1905 und Art. 4 Haager Minderjährigenschutzabkommen.639 14. Exkurs: Ehe-Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 vom 27.11.2003 Im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 (EuEheVO, 1345c Rz. 245c)640 ist in Art. 3 die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit des Gerichtsstaates stark zurückgedrängt zugunsten der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt.641 Die Verordnung akzeptiert zwar – ebenso wie § 98 I Nr. 1 FamFG – als Zuständigkeitsanknüpfungspunkt für Eheauflösungs- bzw. Trennungsverfahren (Art. 1 I [a]), nicht jedoch für Sorgerechtsverfahren (Art. 8 ff.), die Staatsangehörigkeit als Zuständigkeitsanknüpfung. Der Heimatstaat beider Ehegatten ist ohne Rücksicht auf deren gewöhnlichen Aufenthalt stets international zuständig, Art. 1 I (b) EuEheVO. Anders ist es dagegen bei gemischtnationalen Ehepaaren. Hier reicht – anders als nach § 98 I Nr. 1 FamFG – die Staatsangehörigkeit nur einer Partei für sich allein nicht aus, um eine internationale Zuständigkeit zu eröffnen. Die Staatsangehörigkeit des Antragsgegners (Beklagten) ist irrelevant. Die Staatsangehörigkeit des Antragstellers (Klägers) allein eröffnet kein forum; sie privilegiert ihn aber hinsichtlich der (kompetenzrechtlichen) Wartefrist. Normalerweise eröffnet der gewöhnliche Aufenthalt des Antragstellers im Gerichtsstaat nur dann ein forum actoris, wenn er sich dort un638 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1522; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 606a Rz. 96; § 640a Rz. 20. 639 Mansel, Personalstatut, Staatsangehörigkeit und Effektivität, 1988, Rz. 490. 640 Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (EuEheVO), ABl. EU Nr. L 338 vom 27.11.2003. Bis 28.2.2005 galt die Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten, ABl. EG Nr. L 160 vom 30.6.2000, S. 19. 641 Kohler NJW 2001, 10, 11; Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 – Vergemeinschaftung, Anwendungsbereich und insbesondere die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, 2004, Rz. 379.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit mittelbar vor der Antragstellung mindestens ein Jahr aufgehalten hat, Art. 1 I (a) (5). Ist er jedoch Angehöriger des Gerichtsstaates, dann verkürzt sich diese Frist auf ein halbes Jahr, Art. 1 I (a) (6). Beim race to the courthouse haben die eigenen Staatsangehörigen einen nicht unbeträchtlichen Vorsprung, der die Entscheidung in der Sache ganz wesentlich beeinflussen kann, jedenfalls solange das einschlägige Kollisionsrecht in der Europäischen Union nicht vereinheitlicht ist. Diese Privilegierung verstößt gegen primäres Gemeinschaftsrecht, da sie diskriminierend wirkt im Sinne von Art. 18 AEUV/Art. 12 EGV, Rz. 246w.642
IV. Gerichtsstand des Vermögens 1. Überblick 1346 § 23 Satz 1, erste Alternative ZPO643 eröffnet für alle vermögensrechtlichen Streitigkeiten eine internationale Zuständigkeit, wenn der Beklagte im Inland Vermögen besitzt. Der im Ausland wohnende Beklagte ist in Deutschland nicht nur gerichtspflichtig für Prozesse, die mit seinem inländischen Vermögen im Zusammenhang stehen, sondern schlechthin in allen vermögensrechtlichen Angelegenheiten.644 1347 Ein Bezug der Parteien (z.B. des Klägers) oder des Streitgegenstandes zu Deutschland ist nicht erforderlich, Rz. 1172. Wer Vermögen im Inland besitzt, zeigt eine Affinität zu Deutschland. Diese reicht aus, um die Gerichtspflichtigkeit des Vermögensinhabers vor deutschen Gerichten zu begründen, Rz. 1356. Dagegen verlangt der Bundesgerichtshof645 als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal für die Bejahung der internationalen Zuständigkeit Deutschlands einen „hinreichenden Inlandsbezug des Rechtsstreits“.646 642 Hau FamRZ 2000, 1333, 1335; Schack RabelsZ 65 (2001), 615, 623; Simotta in Festschrift Geimer, 2002, 1115, 1154; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 3 EuEheVO Rz. 29. A.A. Mankowski in Rengeling/Middeke/Gellermann, Handbuch des Rechtsschutzes in der Europäischen Union, 2. Aufl., 2003, § 37 Rz. 39; Rauscher Rz. 30; Schlosser Art. 2 Rz. 4. 643 Zur Entstehungsgeschichte Hubig, Die historische Entwicklung des § 23 ZPO, Diss. Regensburg 2003. 644 Hierzu (die bisherige Diskussion zusammenfassend) Schütze in Festschrift Ishikawa, 2001, 493; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 156; Scheuermann, Internationales Zivilverfahrensrecht bei Verträgen im Internet: Eine rechtsvergleichende Untersuchung des deutschen, europäischen und US-amerikanischen Zuständigkeitsrechts sowie der Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 2004, 68 ff. Siehe auch Mankowski in Dieterich/Neef/Schwab (ed.), Arbeitsrecht-Blattei sub Arbeitsgerichtsbarkeit V – E. Internationale Zuständigkeit 160.5.5 Rz. 411 ff. 645 BGH vom 2.7.1991, BGHZ 115, 90, hierzu Rz. 1077a, 1178. Enger aber BGH vom 28.10.1996, NJW 1997, 325 = RIW 1997, 238 (Munz) = JZ 1997, 362 (Schlosser) = LM § 23 ZPO Nr. 10 (R. Geimer). Hierzu Staudinger/Hausmann, Neubearbeitung 2002, Anhang II zu Art. 27–37 EGBGB Rz. 155. 646 Einen Inlandsbezug verneinen z.B. OLG München vom 7.10.1992, IPRax 1993, 237 (R. Geimer 217); OLG Brandenburg vom 22.2.1996, RIW 1997, 424. Vgl. auch BAG vom 17.7.1997, NZA 1997, 1182 = NJW 1997, 3462 L.
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Gerichtsstand des Vermögens Dieser Gerichtsstand steht in Einklang mit dem Völkergewohnheitsrecht und mit dem Grundgesetz.647
1348
Die Erleichterung des Vollstreckungszugriffs ist nur ein Teilaspekt, der nicht ge- 1349 eignet ist, den weiten Anwendungsbereich des § 23 ZPO (Rz. 1350, 1365) zu erklären. Für die Bejahung der deutschen internationalen Zuständigkeit in dem von § 23 ZPO umschriebenen Umfang besteht aber solange ein praktisches Bedürfnis, als die Rechtsverfolgung im Wohnsitzstaat auf unzumutbare Schwierigkeiten stößt bzw. die Anerkennung und Vollstreckung des im Wohnsitzstaat erstrittenen Urteils im Inland an der fehlenden Verbürgung der Gegenseitigkeit (§ 328 I Nr. 5 ZPO, § 109 IV FamFG) scheitert, Rz. 1136.648 2. Klageart Die Klageart spielt keine Rolle. Nicht nur Leistungs-, sondern auch Feststellungs- und Gestaltungsklagen fallen in den Anwendungsbereich des § 23 ZPO.
1350
3. Kein Zusammenhang mit dem Streitgegenstand Diese umfassende Gerichtspflichtigkeit wird an das Vorhandensein eines belie- 1351 bigen (pfändbaren) Vermögensstückes des Beklagten im Inland geknüpft. Ein Zusammenhang zwischen dem Streitgegenstand und dem Umfang des für eine Inlandsvollstreckung in Betracht kommenden Vermögens des Beklagten ist nicht erforderlich. Es ist mithin unerheblich, ob das Inlandsvermögen zur Befriedigung des Klägers (im Falle seines Obsiegens) ausreicht649 (diese Erwägung ginge im Übrigen von vornherein fehl, wenn eine Feststellungs- oder Gestaltungsklage erhoben wird). Auch bei der Leistungsklage ist streng zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren zu unterscheiden.
647 BVerfG vom 12.4.1983, BVerfGE 64, 1 = NJW 1983, 2766 = RIW 1983, 613 (Seidl-Hohenveldern) = IPRax 1984, 196 (Stein 179) = IPRspr. 1983 Nr. 127; Grothe RabelsZ 58 (1994), 691; Staudinger/Hausmann, Neubearbeitung 2002, Anhang II zu Art. 27–37 EGBGB Rz. 155. Anderer Auffassung Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 442 ff., 620 ff.; Schlosser in Festschrift Kralik, 1986, 293; Schlosser, Rivista di diritto internazionale 1991, 6; Schlosser IPRax 1992, 140 unter Hinweis auf US Supreme Court Schaffer v. Heitner, 433 US 186 (1977); von Hoffmann/ Thorn, Internationales Privatrecht9, 2007, § 3 Rz. 45; vgl. auch Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 203 Fußn. 35. Skeptisch Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 231, Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 381 und Ziegenhain, Extraterritoriale Rechtsanwendung, 1992, 220. 648 In diesem Sinne auch der Gemeinsame Bericht der Unterhändler zum deutsch-norwegischen Vertrag vom 17.6.1977 (BGBl. 1981 II 341), BT-Drucks. 9/66 S. 31 zu Art. 20, Text auch in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 1039. 649 BGH vom 22.10.1987, NJW 1988, 966, 967 = WM 1988, 135 = ZIP 1988, 436 = EWiR 1988, 489 (v. Hoyningen-Huene) = IPRspr. 1987 Nr. 121b; Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 104.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 4. Kritik der herrschenden Meinung 1352 Das Prinzip actor sequitur forum rei wird durch § 23 ZPO erheblich relativiert.650 Der Vermögensgerichtsstand wird deshalb als „ausländerfeindlich“ angeprangert.651 Dies trifft aber nicht zu.652 Denn auf die Staatsangehörigkeit der Parteien kommt es nicht an. Auch ausländische Kläger können sich auf § 23 ZPO berufen. Diese Vorschrift ist also kein Jurisdiktionsprivileg für Deutsche. Auch richtet sich § 23 ZPO nicht nur gegen ausländische Beklagte. Im Vermögensgerichtsstand können auch im Ausland wohnhafte Deutsche verklagt werden. 1353 Beispiel: Ein in St. Petersburg wohnhafter Russe verklagt einen in New York wohnhaften Deutschen wegen einer in Wien zu erfüllenden Verbindlichkeit vor dem LG Frankfurt a.M., weil der Beklagte in Frankfurt/M. ein Bankkonto (mit Guthaben) unterhält.653 1354 Schließlich wird § 23 ZPO als beziehungsarmer Gerichtsstand kritisiert.654 Weder zum Beklagten noch zum Streitgegenstand bestehe ein ausreichender Zusammenhang, wenn die Bundesrepublik Deutschland aufgrund des bloßen Vorhandenseins irgendeines Vermögensgegenstandes im Inland ihre internationale Zuständigkeit bejahe. Dabei wird der Eindruck erweckt, als handle es sich um eine „exorbitante“ Zuständigkeitsanmaßung, um unmittelbare staatliche Machtinteressen durchzusetzen. 1355 Bei der Regelung der internationalen Zuständigkeit stehen aber unmittelbare Staatsinteressen nicht im Vordergrund. Es geht vielmehr um einen vernünftigen Ausgleich der Interessen der Parteien: Dem Beklagten ist daran gelegen, dass seine internationale Gerichtspflichtigkeit nicht unzumutbar ausgedehnt wird. Der Kläger möchte, dass sein Justizgewährungsanspruch nicht an der internationalen Unzuständigkeit Deutschlands scheitert, Rz. 856. 5. Legitimität der Belegenheitszuständigkeit 1356 Der Zuständigkeitsbezug des § 23 ZPO ist – rebus sic stantibus (Rz. 1136) – legitim und trifft in den meisten Fällen den Nagel auf den Kopf: Wer Vermögen im Inland erwirbt bzw. besitzt, zeigt eine Affinität zu Deutschland. Diese reicht aus, um die Gerichtspflichtigkeit des Vermögensinhabers vor deutschen Gerichten zu begründen. Dies liegt auf der Hand beim globetrottenden Millionär, der auf der Suche nach Sinngebung in fernen Landen zwar seinen Wohnsitz in Deutschland aufgegeben hat, sein Vermögen aber aus guten Gründen nicht, oder beim Steuerflüchtling, der einen Wohnsitz im Inland strikt meidet, aber ständig im Inland anzutreffen ist, sei es auf Hauptversammlungen, Empfängen und überall dort,
650 Zum Gerechtigkeitsgehalt des § 23 ZPO: Schumann ZZP 93 (1980), 408; Schack ZZP 97 (1984), 46; R. Geimer JZ 1984, 979. 651 Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 397. 652 Schack IPRax 1990, 19. 653 Vgl. BGH vom 26.6.2001, BGHReport 2001, 894 = IPRspr. 2001 Nr. 2. 654 Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 334.
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Gerichtsstand des Vermögens wo es schön und angenehm ist.655 Niemand muss (pfändbares) Vermögen in Deutschland erwerben oder behalten. Wer es aber tut, muss eben damit rechnen, dass er für alle gegen ihn gerichteten Prozesse auf vermögensrechtlichem Gebiet vor inländischen Gerichten sein Recht nehmen muss. Wem dies „exorbitant“ erscheint, kann sein Vermögen ins Ausland transferieren. 1357 Wer aber in Deutschland investiert und die Vorteile des deutschen Wirtschaftssystems genießt, soll sich nicht wundern, dass seine Gläubiger die Haftung des inländischen Vermögens für alle Verbindlichkeiten – wo auch immer sie entstanden sein und wie auch immer sie lokalisiert sein mögen – ohne lange Umschweife mit Hilfe der deutschen Gerichte durchsetzen können. Er kann sich nicht hinter dem Satz actor sequitur forum rei verschanzen. Auch zuständigkeitsrechtlich gibt es keine splendid isolation. Beispiel: Erwirbt eine US-Company in Deutschland Vermögen, dann zeigt sie so viel Interesse an Deutschland, dass es recht und billig ist, ihr den Einwand zu nehmen, für Passivprozesse sei ihr Sitzstaat im fernen Amerika international zuständig. 6. Ratio legis Die Eröffnung einer internationalen Zuständigkeit am Ort des Haftungsobjekts 1358 ist die zuständigkeitsrechtliche Konsequenz der Universalität der Haftung des Schuldners. Dieser Grundsatz gefällt zwar den meisten Schuldnern nicht; sie sinnen listenreich darüber nach, wie man einzelne Vermögensteile vor den Gläubigern „retten“ kann. Dabei kommt ihnen die zögerliche Haltung vieler Staaten bei der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile entgegen. Doch rechtsphilosophisch ist die Totalität der Haftung richtig, und die Staaten dieser Erde sind aufgerufen, durch ihre Gesetzgebung dafür zu sorgen, dass diese umfassende Haftung auch durchgesetzt werden kann. Hierzu leistet – rebus sic stantibus (Rz. 1136, 1349) – die Bundesrepublik Deutschland ihren Beitrag durch Eröffnung einer internationalen Zuständigkeit am Ort des Haftungsobjekts. Dies ist nicht die beste aller denkbaren Lösungen, weil sie die Grenzen zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren verwischt und weil sie andere zuständigkeitspolitisch wichtige Belange, wie Beklagtenschutz, Beweis- und Rechtsnähe etc., ignoriert. Abhilfe kann aber nicht kommen, wenn man einzelne dieser Aspekte verabsolutiert. Notwendig ist vielmehr eine großzügigere Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile, Rz. 1133.
1359
7. Klarheit und Rechtssicherheit Der Zuständigkeitsanknüpfungspunkt des § 23 ZPO ist einfach und klar fest- 1360 zustellen. Ob der Beklagte Vermögen im Inland hat, ist im Zweifel leichter zu beantworten als die Frage, ob der Erfüllungsort656 bzw. der Ort der schädigenden 655 Zustimmend Mark/Ziegenhain NJW 1992, 3065, „wenn die Belegenheit des Vermögens des Beklagten auf einer bewussten Investitionsentscheidung beruht“. 656 § 29 ZPO, Art. 5 Nr. 1 EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit Handlung bzw. des Eintritts des Schadens657 im Inland zu lokalisieren ist. Die Praxis hatte deshalb bis zum Urteil des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 2.7.1991658 keine Anwendungsprobleme mit § 23 ZPO. Die Praktikabilität und Kompaktheit dieses Zuständigkeitsbezugs fördert die Rechtssicherheit. Diese ist nunmehr erschüttert, da das vom Bundesgerichtshof postulierte (ungeschriebene) Tatbestandsmerkmal „hinreichender Inlandsbezug des Rechtsstreits“ nicht genügend konturenscharf ist.659 8. Notzuständigkeit 1361 Dass in vermögensrechtlichen Angelegenheiten Fälle der Notzuständigkeit in Deutschland bisher selten waren, hing mit dem Vermögensgerichtsstand in seiner vor der Entscheidung des XI. Senats des BGH vom 2.7.1991660 praktizierten wortgetreuen (nicht reduzierten) Auslegung zusammen. Diese vermied déni de justice, weil sie fast alle Konstellationen abdeckte, in denen ein Rechtsschutzbedürfnis im Inland vorstellbar ist. Hat der Beklagte kein Vermögen im Inland, besteht in der Regel kein Bedürfnis nach Rechtsschutz durch die deutschen Gerichte. Würde man § 23 ZPO streichen oder nach den Vorstellungen des XI. Senats des BGH wesentlich einengen, so müsste man aus dem Gesichtspunkt der Notzuständigkeit zur Vermeidung eines negativen Kompetenzkonflikts in vielen Fällen eine internationale Zuständigkeit Deutschlands genau dort wieder eröffnen, wo man sie gerade als exorbitant beseitigt hat, Rz. 1036.661 9. Selbstregulierung 1362 Die Zuständigkeitslogik des § 23 ZPO führt oft zu einer Selbstregulierung. Sie neutralisiert die nicht zu bestreitenden Schwächen dieser Vorschrift oft von selbst: Ist das inländische Vermögen des Beklagten gering, wird der gut beratene Kläger in den meisten Fällen davon absehen, einen Prozess vor deutschen Gerichten anzustreben. Reicht das in Deutschland gelegene Vermögen nicht aus, um sich aus dem in Deutschland erstrittenen Titel zu befriedigen, wird der Gläubiger wohl meist die Mühe und Kosten der Prozessführung im Inland scheuen. Denn das im Vermögensgerichtsstand erlassene deutsche Urteil hat in vielen Fällen (Rz. 1394) keine Aussicht auf Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im Ausland.
657 § 32 ZPO, Art. 5 Nr. 3 EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ. 658 BGH vom 2.7.1991, BGHZ 115, 90 = NJW 1991, 3092 (R. Geimer 3072) = MDR 1991, 988 = RIW 1991, 856 (Fischer RIW 1992, 57) = JZ 1992, 51 (Schack) = LM § 23 ZPO Nr. 7 (Pfeiffer) = IPRax 1992, 160 (Schlosser 140) = DWiR 1991, 245 (Schütze 239) = IPRspr. 1991 Nr. 166b, hierzu Rz. 1077a. 659 R. Geimer IPRax 1993, 216. 660 BGH vom 2.7.1991, BGHZ 115, 90, hierzu Rz. 1077a. 661 Vgl. aber Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 630.
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Gerichtsstand des Vermögens 10. Keine Relation zwischen dem Wert des inländischen Vermögens und dem Wert des Streitgegenstandes Ein Reformvorschlag662 will den Vermögensgerichtsstand einschränken auf den 1363 Fall, dass der Wert des geltend gemachten Anspruchs den Wert des im Gerichtsstaat belegenen Vermögens nicht übersteigt. Dies würde bedeuten, dass das Gericht zu Wertermittlungen gezwungen wäre, die Zeit und Geld kosten, aber nichts bringen. Denn der Schuldner (Beklagte) ist ja in der Lage, sein Vermögen ins Ausland zu transferieren. Auch würde der Beklagtenschutz durch diesen Vorschlag nicht verbessert. Wäre 1364 für die internationale Zuständigkeit Deutschlands relevant, dass der Richter das inländische Vermögen für ausreichend befindet, so könnte der Kläger die Prozessabweisung dadurch vermeiden, dass er nur einen Teilbetrag einklagt oder seinen Klageantrag teilweise zurücknimmt. Dies würde die Prozesse vervielfältigen, was aber aus prozessökonomischen Gründen – vor allem auf internationalem Feld – nicht erstrebenswert ist. Die Prozessführungslast des Beklagten vor Gerichten mehrerer Staaten wegen verschiedener Teile der gleichen Forderung verschlechtert die Position des Beklagten. Darüber hinaus ergeben sich unerquickliche Situationen, wenn mehrere Kläger aufgrund Teilabtretung(en) den gleichen Beklagten vor verschiedenen deutschen Gerichten verklagen. Im Ergebnis läuft der Reformvorschlag darauf hinaus, dass das Gericht den Kläger vor unzweckmäßiger Prozessführung im Inland – gegen seinen Willen – bewahrt. Dies ist zuständigkeitspolitisch falsch. Im Übrigen besteht insoweit eine Parallelität zur internationalen Wohnsitzzuständigkeit. Diese kann nicht mit der Begründung verneint werden, der Beklagte habe kein ausreichendes Vermögen im Inland, Rz. 967, 1280.663 Auch ist das Postulat, dass das inländische Vermögen zur Befriedigung des Klä- 1365 gers ausreichen müsse, für Feststellungs- und Gestaltungsklagen von vornherein nicht stimmig, Rz. 1347. 11. Keine Beschränkung auf Kläger mit Wohnsitz/Sitz im Inland Abzulehnen ist auch der Vorschlag, den Vermögensgerichtsstand nur Klägern 1366 mit Wohnsitz/Sitz in Deutschland zur Verfügung zu stellen.664 Dies wäre zwar keine Benachteiligung von Ausländern, da auch deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz/Sitz im Ausland sich nicht auf § 23 ZPO berufen könnten, aber umgekehrt Ausländer mit Wohnsitz/Sitz im Inland, Rz. 1175. Ein Jurisdiktionsprivileg für Kläger mit Wohnsitz/Sitz im Inland ist aber mit der Grundkonzeption der 662 Nachweise bei Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 342 und Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 537. 663 Anders Schlosser IPRax 1992, 143, wenn das inländische Vermögen geringer ist als 25 % des Wertes des Streitgegenstandes (im Anschluss an die Rechtsprechung des österreichischen Obersten Gerichtshofs zu § 99 JN n.F., z.B. OGH vom 6.6.1991, IPRax 1992, 164). 664 So aber Stein/Jonas/Schumann, ZPO21, 1993, § 23 Rz. 310; dagegen Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 302.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit internationalen Zuständigkeitsordnung der ZPO nicht zu vereinbaren. Diese wurde in bewusster Abkehr vom Chauvinismus des Art. 14 Code civil665 entworfen. Der Grundsatz der Gleichbehandlung von In- und Ausländern bei der Justizgewährung wurde strikt durchgehalten, Rz. 1906. Davon sollte man keine Abstriche machen, auch dann nicht, wenn die Staatsangehörigkeit durch den inländischen Wohnsitz/Sitz ersetzt wird.666 1367 In besonderen Fällen wollen die Reformer Klägern ohne Wohnsitz/Sitz im Inland doch den Zugang zu den deutschen Gerichten öffnen. Hier fehlt es an praktikablen Abgrenzungskriterien. Eine Generalklausel ist aber aus Gründen der Rechtssicherheit abzulehnen, Rz. 1176. 12. Keine Subsidiarität des Vermögensgerichtsstandes 1368 Unter mehreren international zuständigen Staaten hat der Kläger die Wahl, Rz. 1105. Eine Rangfolge kennt unsere Zuständigkeitsordnung zu Recht nicht. Im Übrigen wäre nichts gewonnen, wenn man vorschreiben wollte, dass dem Kläger nur dann der Vermögensgerichtsstand zur Verfügung steht, wenn er zuvor erfolglos im Wohnsitzstaat des Beklagten versucht hat, seinen Anspruch durchzusetzen.667 Denn die (virtuelle) Gerichtspflichtigkeit des Beklagten außerhalb seines Wohnsitzstaates bleibt ja bestehen. Der Beklagte muss damit rechnen, dass ihn der Kläger am Vermögensgerichtsstand belangt, nachdem er ihn zuvor in seinem Wohnsitzstaat verklagt hatte. Zum anderen gäbe es der Rechtssicherheit abträgliche Abgrenzungsprobleme, weil man vom Subsidiaritätsprinzip wieder Ausnahmen zulassen muss. Denn es gibt sicher Konstellationen, in denen es für den Kläger nicht zumutbar ist, zuerst im Ausland zu klagen.668 13. Kein Arrestgerichtsstand 1369 Historisches Vorbild für § 23 ZPO war das forum arresti des § 34 des Anhangs zur Preußischen Allgemeinen Gerichtsordnung.669 Der Reichsgesetzgeber hat jedoch bewusst auf die Notwendigkeit des Arrestschlages (vgl. Rz. 1588) verzichtet; in neuerer Zeit hat die Kommission für das Zivilprozessrecht vorgeschlagen, den Zuständigkeitsbezug des § 23 ZPO durch Arrestschlag zu „verdinglichen“. Internationale Entscheidungszuständigkeit solle nur solches Vermögen begründen, in das wegen des Klageanspruchs ein Arrest vollzogen ist.
665 Hierzu z.B. Wilhelmi, Das Weltrechtsprinzip im internationalen Privat- und Strafrecht, Diss. Trier 2007, 288. 666 Eine solche vom XI. Senat des BGH (Rz. 1077a) präferierte Reduktion wäre u.a. auch im Hinblick auf Art. 12 EGV problematisch. 667 So aber Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 342 bei Fußn. 761. 668 Hiervon streng zu unterscheiden ist die innerstaatliche Subsidiarität gegenüber dem Wohnsitzgerichtsstand. § 23 ZPO kommt nur dann zum Zuge, wenn der Beklagte nicht im Inland wohnt. 669 Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 304.
492
Gerichtsstand des Vermögens Eine Rückkehr zum forum arresti brächte nur zusätzliche (unnötige) Förmlichkeiten, wäre aber nicht geeignet, die Gerichtspflichtigkeit des Beklagten (außerhalb seines Wohnsitzstaates) entscheidend einzuschränken. Damit geht der Vorschlag am entscheidenden Punkt vorbei und ist deshalb ungeeignet.
1370
14. Teleologische Reduktion des Vermögensbegriffs Notwendig und sinnvoll ist eine teleologische (restriktive) Auslegung des Ver- 1371 mögensbegriffs. Nur so kann hic et nunc (d.h. vor einem entscheidenden Durchbruch in Richtung Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen) die Lage des Beklagten verbessert werden. Wer in seinem Hotelzimmer seinen Fotoapparat oder ein Kleidungsstück liegen lässt, hat keine Affinität zu Deutschland. Er hat kein inländisches Vermögen im Sinne des § 23 ZPO. Das Gleiche gilt für das Gepäck von Touristen während ihres (vorübergehenden) Aufenthalts in Deutschland. Es kann also keine Rede davon sein, dass § 23 ZPO „mit Pfennigwerten die Zuständigkeit für Millionenprozesse schafft.“670 Unpfändbares Vermögen ist generell nicht geeignet, internationale Entschei- 1372 dungszuständigkeit zu eröffnen.671 Daher kommt es bei Klagen gegen fremde Staaten (Rz. 643, 1378) darauf an, ob der Beklagte/Antragsgegner in Deutschland Vermögensgegenstände ohne hoheitlichen Verwendungszweck hält, in welche die Zwangsvollstreckung durch die deutschen Zwangsvollstreckungsorgane betrieben werden kann, Rz. 589. – Vgl. auch Rz. 1543. Vermögen im Sinne des § 23 ZPO ist nach der (bisherigen) Rechtsprechung, die 1373 aber nach dem vorstehend Gesagten kritisch zu hinterfragen ist, jeder Gegenstand, der einen wenn auch geringen Geldwert hat, sei es eine Sache oder eine Forderung oder ein sonstiges Vermögensrecht.672 Maßgebend ist aber ein vollstreckungsrechtlicher Vermögensbegriff:673 Zuständigkeitsbegründend sind nur die dem Vollstreckungszugriff unterliegenden Gegenstände, deren Verwertung wenigstens eine teilweise Befriedigung des Gläubigers erwarten lässt.674 Nach § 803 II ZPO hat die Vollstreckung zu unterbleiben, wenn bei der Verwertung
670 So Frankenstein, Internationales Privatrecht III, 1934, 539; richtig Schack IPRax 1990, 19; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 536; OLG Celle vom 29.10.1998, NJW 1999, 3722 = IPRax 2001, 338 (Wollenschläger) = IPRspr. 1998 Nr. 159. 671 Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 382, 402; OLG Frankfurt vom 4.5.1982, RIW 1982, 439 = IPRax 1983, 68 (Albert 55) = IPRspr. 1982 Nr. 130; OLG Celle vom 29.10.1998, NJW 1999, 3722 = IPRspr. 1998 Nr. 159. Anderer Auffassung RG vom 7.4.1904, RGZ 51, 163, 168; OLG Karlsruhe vom 13.2.1973, IPRspr. 1973 Nr. 130. Siehe auch Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 228. 672 Nachweise z.B. bei Mankowski in Dieterich/Neef/Schwab (ed.), Arbeitsrecht-Blattei sub Arbeitsgerichtsbarkeit V – E. Internationale Zuständigkeit 160.5.5 Rz. 432 ff. 673 Dies gilt auch für Feststellungs- und Gestaltungsklagen, für die eine Vollstreckung – außer im Kostenpunkt – a priori nicht in Betracht kommt. 674 Zöller/Vollkommer, ZPO27, 2009, § 23 Rz. 7 ff.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit der zu pfändenden Gegenstände ein Überschuss über die Kosten der Zwangsvollstreckung nicht zu erwarten ist.675 1373a Ein Anspruch auf Erstattung von Prozesskosten soll ein zur Begründung des Gerichtsstandes des § 23 ZPO geeigneter Vermögensgegenstand sein, es sei denn, dass er in arglistiger Weise herbeigeführt wurde, der Kläger also den Vorprozess nicht ernsthaft, sondern – etwa durch Klage vor dem unzuständigen Gericht – lediglich zu dem Zweck angestrengt hatte, eine Kostenforderung des Gegners zu begründen.676 1373b
Eine Bankverbindung als solche (ohne Guthaben) reicht nicht aus.677 Damit scheidet das Konto als kompetenzbegründender Vermögensgegenstand faktisch aus,678 denn dem Kläger dürfte – im Hinblick auf das Bankgeheimnis – der Beweis eines kreditorischen Kontos des (präsumtiven) Beklagten häufig nicht gelingen. Selbst wenn die Bank dem Kläger das Bankguthaben bekannt gibt, kann er es nicht beweisen, ohne den Bankangestellten bloßzustellen (Verletzung des Bankgeheimnisses). – Es kommt auf den Hauptsitz der Bank an, nicht auf den Ort der Zweigniederlassung, wo das Konto geführt wird.679
1374 Irrelevant ist, ob der Vermögensgegenstand mit oder ohne den Willen des Beklagten ins Inland gebracht wurde bzw. dort (durch Arrest) festgehalten wird.680 1374a Hat der Beklagte (= Gläubiger) eine Forderung gegen einen überschuldeten Dritten (= Schuldner), ist also die Forderung des Beklagten wirtschaftlich wertlos, so kommt § 23 ZPO nicht zum Zuge.681 1374b
Das Wiener Einheitliche Kaufrecht ändert an § 23 S. 2 ZPO nichts.682 675 BGH vom 22.9.2005 BGHReport 2005, 1611 (M. Vollkommer) mit weiteren Nachweisen. 676 BGH vom 10.12.1976, BGHZ 68, 16 = NJW 1977, 900 = IPRspr. 1976 Nr. 212; BGH vom 17.1.1995, IPRspr. 1995 Nr. 140a; LG Hamburg vom 3.7.1973, IPRspr. 1973 Nr. 9; AG München vom 1.8.1972, NJW 1973, 431 = AWD 1973, 271 = IPRspr. 1972 Nr. 141; OLG Hamburg vom 2.7.1991, IPRspr. 1991 Nr. 175. 677 OLG Frankfurt vom 8.12.1986, RIW 1987, 151 = NJW-RR 1988, 572 = IPRax 1988, 24 (Schumann 13) = IPRspr. 1986 Nr. 168; OLG Frankfurt vom 22.9.1987, NJW-RR 1988, 682 = RIW 1988, 133 = IPRspr. 1987 Nr. 20; OLG Hamburg vom 9.7.1992, TranspR 1993, 22 = VersR 1994, 746 = IPRspr. 1992 Nr. 193. 678 Siehe aber BGH vom 26.6.2001, BGHReport 2001, 894 = IPRspr. 2001 Nr. 2. 679 Schack IPRax 1990, 19 Fußn. 6. Offen gelassen von OLG Frankfurt vom 1.10.1998, RIW 1999, 461, 462 = IPRax 1999, 247 (Hau 232) = IPRspr. 1998 Nr. 156. 680 OLG Frankfurt vom 22.9.1982, OLGZ 1983, 99 = IPRspr. 1982 Nr. 146. 681 Anders BGH vom 22.10.1987, NJW 1988, 966 = WM 1988, 135 = ZIP 1988, 436 = EWiR 1988, 489 (v. Hoyningen-Huene) = IPRspr. 1987 Nr. 121b. Wie hier OLG Karlsruhe vom 22.10.1985, IPRspr. 1987 Nr. 121a. Vgl. auch BGH vom 21.9.1987, NJW-RR 1988, 172 = WM 1987, 1353 = IPRax 1989, 169 (Samtleben 148) = IPRspr. 1987 Nr. 132. Auch OLG Düsseldorf vom 1.8.1991, RIW 1991, 767 = NJW 1991, 3103 = IPRspr. 1991 Nr. 176 bejaht Vermögen im Sinne von § 23 ZPO, wenn Verbindlichkeiten des Beklagten gegenüber einer inländischen Bank sein dort angelegtes Sparguthaben übersteigen. 682 Schütze in Festschrift Matscher, 1993, 426. Zu der Lokalisierung von Forderungen (§ 23 S. 2 ZPO, vgl. Rz. 3441) und zu den heilsamen Auswirkungen des § 23 ZPO für Rechtsschutz im Inland in vollstreckungsrechtlich eingefärbten Prozessen, die nicht
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Gerichtsstand des Vermögens Maßgebliches Recht für die Beurteilung der Frage, ob der Beklagte Inhaber in- 1374c ländischen Vermögens ist: Maßgebend ist bei Sachen das Recht des Lageorts.683 Meist unproblematisch ist es, festzustellen, ob der Beklagte Eigentümer inländischer Grundstücke oder grundstücksgleicher Rechte ist. Ist der Beklagte im Grundbuch als Eigentümer, Erbbauberechtigter etc. eingetragen, dann obliegt es gegebenenfalls dem Beklagten, die Vermutung des § 891 BGB zu widerlegen. Gelingt dem Beklagten der Gegenbeweis, dann steht fest, dass insoweit § 23 ZPO nicht zum Zuge kommt. Ein gutgläubiger Kläger wird nicht geschützt. Einen „öffentlichen Glauben des Grundbuchs“ gibt es im Kompetenzrecht nicht. § 892 BGB ist unanwendbar. Vice versa kann der Kläger dartun und erforderlichenfalls beweisen, dass der Beklagte – obwohl er nicht im Grundbuch eingetragen ist – gleichwohl Eigentümer ist, z.B. aufgrund Unwirksamkeit der veräußernden Einigung (Auflassung, §§ 873, 925 BGB) oder aufgrund Erbfolge (dabei ist gegebenenfalls Art. 25 EGBGB heranzuziehen), Vereinbarung der Gütergemeinschaft/ Errungenschaftsgemeinschaft (Art. 15 EGBGB), Zuschlagsbeschluss (§§ 90, 130 ZVG), Eintritt in eine BGB-Gesellschaft.684 Bei Mobilien gilt ebenfalls das lex rei sitae-Prinzip. Bei der res in transitu sind 1374d jeweils die sachenrechtlichen Erwerbs- bzw. Veräußerungstatbestände nach der jeweiligen lex rei sitae in der entsprechenden zeitlichen Reihenfolge zu prüfen.685 Bei Forderungen kommt es nach § 23 S. 2 ZPO auf den Wohnsitz des Schuld- 1374e ners an.686 Geschäftsanteile an einer deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung sind sowohl am Sitz der Gesellschaft als auch am Wohnsitz oder Sitz des Gesellschafters belegen. Dagegen sind Inhaberaktien unabhängig vom Sitz der Aktiengesellschaft zu lokalisieren. Entscheidend ist vielmehr, wo das (die Mitgliedschaftsrechte an der Aktiengesellschaft verbriefende) Inhaberpapier belegen ist. Dies bedeutet: Maßgeblich ist der Aufbewahrungsort.687
683 684
685 686
687
in den Anwendungsbereich des § 771 ZPO (Rz. 1237) fallen, BGH vom 11.1.1990, NJW 1990, 990 = RIW 1990, 221 = IPRax 1991, 183 (Flessner/Schulz 162) = IPRspr. 1990 Nr. 164. Zu § 23 S. 2 ZPO allgemein siehe auch Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008, § 354 Rz. 14 ff. Art. 43 I EGBGB. Zu weiteren Fällen des Abweichens des Grundbuches von der wahren Rechtslage siehe die Kommentare zu §§ 22, 53 GBO sowie Palandt/Bassenge, BGB68, 2009, § 894 Rz. 2. OLG Hamm vom 14.8.1985, IPRspr. 1985 Nr. 143 (Verschiffung der gekauften Ware von der Volksrepublik China nach Hamburg). Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008, § 354 Rz. 14 ff. Rechtsvergleichende Hinweise bei Hök MDR 2005, 306, 308 Fußn. 32. Siehe auch Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 17 Rz. 58. OLG Frankfurt vom 27.9.1995, NJW-RR 1996, 186 = RIW 1996, 1041 = IPRax 1997, 255 (R. Geimer) = IPRspr. 1995 Nr. 153. Umfangreiche Nachweise bei Oberhammer in Festschrift Schlosser, 2005, 651, 658.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 15. Darlegungs- und Beweislast 1375 Zuständigkeitsanknüpfungspunkt ist das in Deutschland gelegene Vermögen. Hierfür trägt der Kläger die Darlegungs- und Beweislast.688 Pauschale Behauptungen genügen nicht. Der Kläger muss das Vorhandensein konkreter Gegenstände/Forderungen in Deutschland dartun und gegebenenfalls unter Beweis stellen. 16. Geschmacksmuster- und Markenrecht 1376 Nach § 58 III des Geschmacksmustergesetzes vom 12. März 2004689 gilt der Ort, an dem der nach Absatz 1 bestellte Vertreter [Inlandsvertreter des Inhabers des geschützten Musters oder Modells] seinen Geschäftsraum hat, im Sinne des § 23 ZPO als der Ort, wo sich der Vermögensgegenstand befindet; fehlt ein Geschäftsraum, so ist der Ort maßgebend, wo der Vertreter seinen Wohnsitz, und in Ermangelung eines solchen der Ort, wo das Deutsche Patent- und Markenamt seinen Sitz hat. Ebenso bestimmt § 96 III Markengesetz: „Der Ort, an dem ein nach Absatz 1 bestellter [Inlands-]Vertreter [des Inhabers der Marke] seinen Geschäftsraum hat, gilt im Sinne des § 23 der Zivilprozessordnung als der Ort, wo sich der Vermögensgegenstand befindet. Fehlt ein Geschäftsraum, so ist der Ort maßgebend, wo der Vertreter seinen Wohnsitz, und in Ermangelung eines solchen der Ort, wo das Patentamt seinen Sitz hat.“690 17. Irrelevanz der Nichtanerkennung des deutschen Urteils im Ausland 1377 Die Anwendung des § 23 ZPO als Basis der deutschen internationalen Entscheidungszuständigkeit hängt nicht davon ab, ob das deutsche Urteil im Ausland (Wohnsitzstaat des Beklagten) anerkannt werden wird.691 18. Klagen gegen ausländische Staaten 1378 Die Anwendung des § 23 ZPO gegen einen ausländischen Staat (für acta iure gestionis) ist zulässig, Rz. 643; das in Deutschland gelegene Vermögen muss dem deutschen Vollstreckungszugriff unterliegen,692 Rz. 1372. Die internationa688 BAG vom 27.1.1983, NJW 1984, 1320 = RIW 1984, 316 = IPRax 1985, 276 (E. Lorenz 256) = IPRspr. 1983 Nr. 131; OLG Hamm vom 14.8.1985, IPRspr. 1985 Nr. 143. 689 BGBl. I 390. 690 Nachweise zum alten Recht bei Weigel, Gerichtsbarkeit, internationale Zuständigkeit und Territorialitätsprinzip im deutschen gewerblichen Rechtsschutz, 1973, 168. 691 BGH vom 30.1.1980, WM 1980, 410 = IPRspr. 1980 Nr. 140. 692 Nachweise bei Albert IPRax 1983, 56; Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 67; Habscheid, BerDGVR 8 (1968), 165 ff.; OLG Koblenz vom 10.1.1972, OLGZ 1975, 379 = IPRspr. 1974 Nr. 1b; BGH vom 13.11.1974, IPRspr. 1974 Nr. 1b (Bejahung der deutschen internationalen Zuständigkeit, da der beklagte Staat Forderungen aus Waffenlieferungen gegen die Bundesrepublik Deutschland hat, § 23 S. 2 ZPO); LG Frankfurt a.M. vom 2.12.1975, NJW 1976, 1044, 1046 = IPRspr. 1975 Nr. 133 (Unterhalten eines Bankkontos in Deutschland); OLG Frankfurt vom 21.10.1980, RIW 1980,
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Gerichtsstand des Vermögens le Zuständigkeit Deutschlands kann also nicht auf Vermögen des beklagten Staates gegründet werden, hinsichtlich dessen Vollstreckungsimmunität (Rz. 588) besteht.693 Vgl. auch Rz. 672. 19. Maßgeblicher Zeitpunkt Maßgeblicher Zeitpunkt ist der der Klageerhebung, Rz. 591, 1016, 1108, 1828.
1379
20. Derogierbarkeit Unzutreffend ist die Vorstellung, § 23 ZPO sei aus Gründen des öffentlichen Interesses nicht derogierbar.694
1380
21. Anwendbarkeit des § 23 ZPO außerhalb des Erkenntnisverfahrens § 23 ZPO gilt unmittelbar nur für das Erkenntnisverfahren, jedoch über § 828 1381 II ZPO (Rz. 1226) auch für das Vollstreckungsverfahren. Gewissermaßen in der Mitte zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren steht das Vollstreckbarerklärungsverfahren nach §§ 722, 723 ZPO. Auch hier findet sich eine Verweisung auf § 23 ZPO in der Kompetenznorm des § 722 II ZPO. Diese bedarf der erweiternden Auslegung. Das Vorhandensein von Vermögen des Beklagten, gegen den ein ausländischer Titel für vollstreckbar erklärt werden soll, ist nämlich nicht Voraussetzung für die Bejahung einer internationalen Zuständigkeit Deutschlands für den Exequaturprozess, Rz. 1245, 3127. Vgl. auch Rz. 3408.695
875 = IPRax 1982, 71 (Hausmann 55) = IPRspr. 1980 Nr. 160; OLG Frankfurt vom 4.5.1982, RIW 1982, 439, 440 = IPRax 1983, 68 (Albert 55) = IPRspr. 1982 Nr. 130; OLG Frankfurt vom 1.10.1998, RIW 1999, 461, 462 = IPRax 1999, 247 (Hau 232) = IPRspr. 1998 Nr. 156; anderer Auffassung Schumann ZZP 93 (1980), 433 und auch Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 152, 385. 693 Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 13 Fußn. 58. Anderer Auffassung OLG Frankfurt vom 21.10.1980, RIW 1980, 8745= IPRax 1982, 71 (Hausmann 55) = IPRspr. 1980 Nr. 160. 694 So aber Rammos, Der Gerichtsstand des Vermögens und das Ausländer-Forum nach vergleichendem Recht, 1930, 66 und OLG München vom 2.8.1956, MDR 1957, 45 = IPRspr. 1956–1957 Nr. 187. Treffend dagegen Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 461 Fußn. 2044; BGH vom 13.12.1967, BGHZ 49, 124, 128 = NJW 1968, 356 = ZZP 82 (1969), 302, 304 (Walchshöfer) = IPRspr. 1966–1967 Nr. 222; BGH vom 8.2.1971, NJW 1971, 985 (R. Geimer 1525) = IPRspr. 1971 Nr. 131; BAG vom 27.1.1983, NJW 1984, 1320 = RIW 1984, 316 = IPRax 1985, 276 (E. Lorenz 256) = IPRspr. 1983 Nr. 131. Vgl. auch RG vom 19.1.1935, Seuff Arch 89 Nr. 177 = Giur.comp.d.i.p. 6 (1940) 328 Nr. 203 (Eckstein) = IPRspr. 1935–1944 Nr. 530. 695 Wie hier nun auch Solomon, Internationale Zuständigkeit zur Vollstreckbarerklärung ausländischer Entscheidungen, AG 2006, 832, 839.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 22. Auswirkungen des Brüsseler und des Luganer Übereinkommens bzw. der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 auf § 23 ZPO 1382 Die Stellungnahme des EuGVÜ/LugÜ bzw. der EuGVVO zum Vermögensgerichtsstand ist nur auf den ersten Blick zwiespältig und pharisäisch: Wohnt der Beklagte innerhalb des räumlichen Anwendungsbereichs, dann kommt die europäische Zuständigkeitsordnung zum Zuge, die das nationale Zuständigkeitsrecht und damit auch § 23 ZPO verdrängt, Art. 3 I EuGVÜ/LugÜ/ EuGVVO.696 Hat der Beklagte dagegen keinen Wohnsitz in einem der Mitgliedbzw. Vertragsstaaten, dann trifft ihn nach wie vor die Härte des § 23 ZPO voll (auch wenn er seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitglied- bzw. Vertragsstaat hat). Die Auswirkungen des Vermögensgerichtsstandes wurden durch das EuGVÜ/LugÜ bzw. die EuGVVO sogar noch verschärft, weil die anderen Vertragsstaaten verpflichtet sind, die im Gerichtsstand des § 23 ZPO erlassenen Urteile nach Art. 25 ff. EuGVÜ/LugÜ I bzw. Art. 32 ff. EuGVVO/LugÜ II anzuerkennen und zu vollstrecken. 1383 Nur für den vordergründigen Betrachter erweist sich dieses Konzept der EuGVVO und des LugÜ als ein Klein-Europa-Chauvinismus, welcher die außerhalb des geographischen Anwendungsbereichs der EuGVVO und des LugÜ wohnenden Beklagten diskriminiert. Dies war der Grundtenor der Kritik, die vor allem aus den Vereinigten Staaten von Amerika mit zum Teil sehr starken Worten herüberdrang.697 Dabei wurde übersehen, dass eine sinnvolle Zuständigkeitspolitik, die ein Abgehen von dem beziehungsarmen Vermögensgerichtsstand des § 23 ZPO erlaubt, nur möglich ist, wenn die Anerkennung und Vollstreckung des im Wohnsitzstaat des Beklagten oder in sonstigen „beziehungsstarken“ Staaten erstrittenen Urteils in anderen Staaten, insbesondere dort, wo ein Vollstreckungszugriff aussichtsreich erscheint, gesichert ist, Rz. 1136, 1349. Deshalb ist die Grundlinie der EuGVVO bzw. des LugÜ logisch und konsequent: Abschaffung des Vermögensgerichtsstandes dort, wo die Anerkennung durch europäisches Einheitsrecht698 sichergestellt ist, aber Beibehaltung, wo dies nicht der Fall ist. 1384 Im Übrigen beharrten das Brüsseler und das Luganer Übereinkommen nicht starrköpfig auf der (grundsätzlich richtigen und daher zu begrüßenden) Anerkennungs- und Vollstreckungspflicht für Entscheidungen innerhalb der Vertragsstaaten, wenn einziger Anknüpfungspunkt für die internationale Entscheidungszuständigkeit die Belegenheit von Vermögen im Gerichtsstand war. Vielmehr räumt Art. 59 EuGVÜ/LugÜ den Vertragsstaaten einen Regelungsspielraum ein.699 Diese können sich von den Verpflichtungen aus Art. 25 ff. EuGVÜ/LugÜ gegenüber den anderen Vertragsstaaten freizeichnen, wenn sie sich in einem Vertrag mit einem Nichtvertragsstaat zur Nichtanerkennung von nur im Ver-
696 Darüber hinaus wurde – überflüssigerweise – die Unanwendbarkeit des Vermögensgerichtsstandes in Art. 3 II EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ nochmals betont. 697 Nachweise bei R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 1037; vgl. z.B. Juenger, Rev. crit. 1983, 37 ff. 698 Art. 25 ff. EuGVÜ/LugÜ I bzw. Art. 33 ff. EuGVVO/LugÜ II. 699 Anders nunmehr Art. 72 EuGVVO.
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Gerichtsstand des Vermögens mögensgerichtsstand erlassenen Entscheidungen verpflichten.700 Allerdings ist dieser Spielraum nach Inkrafttreten der EuGVVO am 1.3.2002 entfallen.701 Davon logisch getrennt, jedoch in einem nahe liegenden Sinnzusammenhang steht die Frage, ob sich Deutschland verpflichten kann, Klagen im Gerichtsstand des § 23 ZPO (außerhalb des Anwendungsbereichs der europäischen Zuständigkeitsordnung702) nicht mehr zuzulassen. Hier ist Deutschland völlig frei und in keiner Weise durch das EuGVÜ/LugÜ bzw. die EuGVVO festgelegt.703
1385
23. Staatsverträge über die internationale Entscheidungszuständigkeit Deutschland hat sich zur Nichtanwendung des § 23 ZPO in einigen völkerrecht- 1386 lichen Verträgen verpflichtet, so ausdrücklich in Art. 20, 24 des Europäischen Übereinkommens über die Staatenimmunität (Rz. 683) sowie konkludent in allen (bi- und multilateralen) Abkommen und Übereinkommen, die eine abschließende Regelung der internationalen Entscheidungszuständigkeit vorsehen und den Gerichtsstand des Vermögens nicht rezipiert haben, wie z.B. Art. 28 des Warschauer Abkommens704 oder Art. 31 CMR (Rz. 1888)705. Dieser Typus von Verträgen ist selten. Die meisten Verträge regeln nicht die in- 1387 ternationale Entscheidungszuständigkeit (compétence directe), sondern nur die internationale Anerkennungszuständigkeit (compétence indirecte). Diese letztgenannten Normen sind für den Richter von Bedeutung, der die internationale Zuständigkeit des ausländischen Urteilsstaates als Voraussetzung der Anerkennung eines ausländischen Urteils beurteilen muss (Beurteilungsnormen), nicht jedoch für den Richter im deutschen Erkenntnisverfahren, für den es darauf ankommt, ob die internationale Entscheidungszuständigkeit Deutschlands (als Voraussetzung für den Erlass einer Sachentscheidung) zu bejahen ist, Rz. 852. 1388–1389
700 Dies hat Deutschland im Verhältnis zu Norwegen getan, vgl. Art. 23 des deutsch-norwegischen Vertrages, R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 1041, 1049. Siehe aber nunmehr Art. 56 LugÜ. In diesem Zusammenhang seien auch die Verträge erwähnt, in denen Frankreich sich zu einer (eingeschränkten) Anwendung der Art. 14, 15 Code civil verpflichtet hat, Batiffol/Lagarde, Droit international privé, tome I8, 1993, Nr. 689. 701 Art. 72 EuGVVO. 702 Zur Außenkompetenz der Europäischen Gemeinschaft siehe oben Rz. 245e. 703 R. Geimer in Festschrift Schwind, 1993, 40. 704 Ebenso nun auch Art. 33 des Montrealer Übereinkommens vom 28.5.1999 zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (BGBl. 2004 II 458), welches das Warschauer Abkommen ersetzt, unten Rz. 1893a. Nachweise hierzu bei Reuschle, Montrealer Übereinkommen – Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr, 2005. 705 Hierzu Kreuzer/Wagner, Europäisches Internationales Zivilverfahrensrecht, in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Stand: Juni 2007 (19. Ergänzungslieferung) sub Q Rz. 96 ff.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 24. Internationale Anerkennungszuständigkeit 1390 Autonomes deutsches Recht: § 23 ZPO ist via § 328 I Nr. 1 ZPO auch auf die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit des Urteilsstaates als Voraussetzung der Anerkennung anzuwenden. Die internationale Zuständigkeit des Erststaates wird also anerkannt, wenn der Beklagte dort Vermögen hatte.706 Wo der Beklagte wohnt, spielt keine Rolle. Auch die Staatsangehörigkeit ist unerheblich; Ausländer können Deutsche (aus hiesiger Sicht, vgl. Rz. 1393) aufgrund des § 23 ZPO vor ausländische Gerichte ziehen. Dies erweitert ganz erheblich die Gerichtspflichtigkeit von Beklagten, die in Deutschland ihren Wohnsitz/Sitz haben.707 Vermögen im Sinne des § 23 ZPO sind nicht nur körperliche Sachen, sondern auch Rechte und geldwerte Forderungen, nicht jedoch unpfändbares Vermögen. Wenn das Vermögen des Beklagten im Erststaat Vollstreckungsimmunität (Rz. 588) genoss, scheidet § 23 ZPO aus, Rz. 1378.708 1391 Forderungen sind am Wohnsitz des Drittschuldners belegen, § 23 S. 2 ZPO.709 Ein Beklagter mit Wohnsitz/Sitz im Inland oder in einem Drittstaat kann also – aus deutscher Sicht – auch dort verklagt werden, wo dessen Schuldner wohnt.710 Der Drittschuldnerwohnsitz ist auch für eine negative Feststellungsklage des Schuldners maßgeblich. Wenn der sich einer Forderung berühmende Gläubiger im Erststaat keinen Wohnsitz/Sitz hat, so reicht diese Forderung als zuständigkeitsbegründender Streitgegenstand aus.711 Das dort vom Schuldner erfochtene Feststellungsurteil ist daher in Deutschland auch dann anzuerkennen, wenn der Gläubiger im Schuldnerland kein weiteres Vermögen besaß.712 1392 Das Anknüpfungsobjekt des § 23 ZPO muss zur Zeit der Klageerhebung oder spätestens im Zeitpunkt der Fällung des letzten Urteils im Erststaat belegen sein, Rz. 2902. Ob der Vermögensbestandteil dem Beklagten gehörte, ist nach deutschem internationalen Privatrecht zu entscheiden.713
706 BGH vom 25.4.1996, BGH RIW 1996, 966 = WM 1996, 2037 = IPRspr. 1996 Nr. 177; R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 116; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 1526 sowie in Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 328 Rz. 103; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 679. 707 Aus der Sicht des XI. Senats des BGH (vom 2.7.1991, BGHZ 115, 90, 94 ff., vgl. Rz. 1077a, 1178) stellt sich die Frage, ob das von ihm postulierte ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der „hinreichenden Bezug“ zum Urteilsstaat zu spiegeln ist. 708 Anderer Auffassung OLG Frankfurt vom 21.10.1980, RIW 1980, 875 = IPRax 1982, 71 (Hausmann 51, 55) = IPRspr. 1980 Nr. 160. 709 Zu § 23 S. 2 ZPO allgemein siehe auch Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008, § 354 Rz. 14 ff. 710 OLG Celle vom 14.10.1907, OLGE 17 (1908), 323. 711 BGH vom 17.5.1977, BGHZ 69, 44 = NJW 1977, 1637 = WM 1977, 1008 = IPRspr. 1977 Nr. 128; BGH vom 13.6.1978, MDR 1979, 1015 = RIW 1979, 58 = JZ 1979, 231 (MaierReimer) = IPRspr. 1978 Nr. 143. 712 Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 676. 713 Martiny a.a.O. Rz. 677.
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Gerichtsstand des Vermögens Die Prüfung der internationalen Anerkennungszuständigkeit des Erststaates 1393 durch den Zweitrichter ist logisch klar zu trennen von der Prüfung der internationalen Entscheidungszuständigkeit durch den ausländischen Erstrichter im Erkenntnisverfahren, Rz. 1805. Steht fest, dass der Beklagte im Erststaat Vermögen hatte, dann ist – vorbehaltlich des Falls der Derogation – aus deutscher Sicht die internationale Zuständigkeit des Erststaates gegeben; weitere Prüfungen zur Jurisdiktionsfrage (wo der Erfüllungsort lag, ob die Zuständigkeitsvereinbarung zulässig und wirksam war, etc.) sind überflüssig. Ohne Bedeutung ist vor allem, aus welchen Gründen der Erstrichter die internationale Entscheidungszuständigkeit seines Gerichtsstaates bejaht hat, selbst dann, wenn er sein (erststaatliches) Kompetenzrecht falsch angewandt hat, also eine Sachentscheidung erlassen hat, obwohl er bei richtiger Handhabung seines Rechts die Klage wegen internationaler Unzuständigkeit hätte abweisen müssen. Eine Ausnahme gilt nur für die (höchst seltenen) Fälle, in denen – anders als im deutschen Recht (Rz. 1011) – das Fehlen der internationalen Zuständigkeit zur Nichtigkeit (Wirkungslosigkeit) des Urteils führt. Völkervertragsrecht: In einigen Anerkennungs- und Vollstreckungsverträgen wird der Gerichtsstand des Vermögens als Basis für die internationale Zuständigkeit des Urteilsstaates anerkannt.714
1394
25. Rechtsvergleichendes Der Vermögensgerichtsstand ist weit verbreitet in den Zuständigkeitssystemen, 1395 die vom actor sequitur forum rei-Prinzip ausgehen.715 Die romanischen Systeme, die bereits die eigene Staatsangehörigkeit einer Partei ausreichen lassen, um eine internationale Zuständigkeit zu eröffnen, können ebenso leicht auf den Vermögensgerichtsstand verzichten wie die common law-Systeme, die als „transient rule“ oder „tag jurisdiction“716 die Zustellungszuständigkeit kennen, Rz. 1584. Beide kommen zu einer Bejahung der internationalen Zuständigkeit in allen Fällen des praktischen Bedürfnisses.717 Sowohl die Staatsangehörigkeitswie die Zustellungszuständigkeit werden – ebenso wie § 23 ZPO718 – als exorbitante Gerichtsstände in Art. 3 II EuGVÜ/LugÜ I bzw. in der Anlage zu Art. 3 II EuGVVO/LugÜ II an den Pranger gestellt. Vgl. auch Rz. 682.
714 Nachweise bei R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1526. Zum EuGVÜ/LugÜ bzw. zur EuGVVO siehe Rz. 1382 a.E. 715 Hinweise bei Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 391; Milleker, Der negative internationale Kompetenzkonflikt, 1975, 22 ff.; Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 298; vgl. auch Rz. 1588. 716 Nachweise z.B. bei Wilhelmi, Das Weltrechtsprinzip im internationalen Privat- und Strafrecht, Diss. Trier 2007, 284 ff. 717 Zum US-Recht Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht3, 2003, 27; Junker IPRax 1986, 199; Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 383; Hay ZZP 107 (1994), 260; Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, Diss. Konstanz 1997, 174. 718 Hierzu auch Wilhelmi, Das Weltrechtsprinzip im internationalen Privat- und Strafrecht, Diss. Trier, 2007, 281.
501
Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 26. Vermögensgerichtsstand im internationalen Insolvenzrecht 1395a Anders als früher § 238 KO knüpfte kompetenzrechtlich im Beitrittsgebiet § 22 II GesVO schlicht an die Belegenheit von Vermögen des Gemeinschuldners an. Diese Regelung galt seit dem 1.1.1999 in ganz Deutschland, Art. 102 III 1 EGInsO, seit 20.3.2003 nunmehr abgeschwächt durch § 354 II InsO, der ein „besonderes Interesse“ an der Eröffnung des inländischen Partikularverfahrens verlangt, Rz. 3457.
V. Unterwerfung des Beklagten 1. Ausdrückliche Unterwerfung 1396 Erklärt der Beklagte ausdrücklich, dass er sich der Jurisdiktion Deutschlands unterwerfe oder dass er sich auf die (an sich gegebene) internationale Unzuständigkeit Deutschlands nicht berufen wolle, so wird dadurch die deutsche internationale Zuständigkeit begründet: Sie beruht auf einer einseitigen Handlung des Beklagten. Es ist gleichgültig, ob der Kläger diese Unterwerfung ausdrücklich oder stillschweigend „annimmt“ oder sogar ausdrücklich zurückweist. Nur die Erklärung des Beklagten erzeugt die deutsche internationale Zuständigkeit. Die These, hier liege eine stillschweigende Zuständigkeitsvereinbarung zwischen den Parteien vor, ist nicht haltbar.719 2. Konkludente Unterwerfung durch Unterlassen der Rüge der internationalen Unzuständigkeit in limine litis 1397 Die Unterwerfung des Beklagten muss nicht ausdrücklich erklärt werden. Sie liegt schlüssig in der vorbehaltlosen Einlassung zur Hauptsache. § 39 ZPO gilt nicht nur für die örtliche Zuständigkeit, sondern eröffnet auch eine internationale Zuständigkeit.720
719 R. Geimer WM 1977, 67. Zustimmend z.B. Götz, Der Gerichtsstand der rügelosen Einlassung im Zivilprozessrecht der Schweiz, 2004, 30. 720 Walther J. Habscheid in Festschrift Schima, 1969, 179; R. Geimer WM 1977, 66; BGH vom 26.1.1979, NJW 1979, 1104 (R. Geimer 1784) = IPRspr. 1979 Nr. 156; BGH vom 5.5.1982, RIW 1982, 592 = IPRax 1983, 33, 34 (Beitzke 16); BGH vom 3.4.1985, NJWRR 1987, 227 = MDR 1985, 911 = IPRspr. 1985, 136 (Rz. 1402); BGH vom 13.7.1987, BGHZ 101, 296 = NJW 1987, 3181 = RIW 1987, 870 = IPRspr. 1987 Nr. 19; OLG Köln vom 18.9.1980, RIW 1980, 877 = IPRspr. 1980 Nr. 13; OLG Köln vom 5.5.1982, VersR 1982, 985 = IPRspr. 1982 Nr. 36; OLG Hamm vom 20.6.1983, NJW 1984, 1307 = RIW 1983, 952 = IPRspr. 1983 Nr. 25; OLG München vom 18.12.1975, IPRax 1986, 178 = IPRspr. 1985 Nr. 35; OLG Frankfurt vom 11.11.1986, RIW 1987, 223 = MDR 1987, 410 = TranspR 1987, 68 = IPRspr. 1986 Nr. 41; OLG Hamm vom 11.12.1986, RIW 1987, 384 = IPRspr. 1986 Nr. 148. Weitere Nachweise bei Schütze RIW 1984, 735 Fußn. 13 und Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, 1985, 142. Siehe auch Mankowski in Dieterich/Neef/Schwab (ed.), Arbeitsrecht-Blattei sub Arbeitsgerichtsbarkeit V – E. Internationale Zuständigkeit 160.5.5 Rz. 494 ff.
502
Unterwerfung des Beklagten 3. Prozesshandlung Die Unterwerfung des Beklagten ist eine Prozesshandlung, die ausschließlich nach der deutschen lex fori zu beurteilen ist.721
1398
4. Nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten Fraglich ist, ob die Unterwerfung des Beklagten auch in nichtvermögensrecht- 1399 lichen Streitigkeiten zuständigkeitsbegründende Kraft hat oder ob § 40 II ZPO auch im zwischenstaatlichen Bereich gilt, Rz. 1634, 1751.722 Sicher ist, dass die Einlassung in Ehe-, Kindschafts-, Abstammungs- und Lebenspartnerschaftssachen sowie in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit keine internationale Zuständigkeit begründet, Rz. 1751, 1973. 5. Ausschließliche internationale Zuständigkeit fremder Staaten Ob die Unterwerfung des Beklagten wegen einer ausschließlichen internationa- 1400 len Zuständigkeit eines anderen Staates kompetenzrechtlich ins Leere geht, hängt davon ab, ob und inwieweit man aus der Sicht des deutschen Rechts eine ausschließliche internationale Zuständigkeit des Auslands anerkennt, wie dies die herrschende Meinung entgegen der hier für das autonome deutsche Recht723 vertretenen Auffassung (Rz. 929) unter Hinweis auf § 40 II 2 ZPO tut.724 Das OLG Köln725 hält nur die Einschränkung bzw. Nichtbeachtung einer ausschließlichen internationalen Zuständigkeit Deutschlands für unzulässig, nicht jedoch die Begründung der an sich fehlenden internationalen Zuständigkeit Deutschlands gemäß § 39 ZPO (Rz. 940a). 6. Maßgeblicher Zeitpunkt Der maßgebliche Zeitpunkt für die Zuständigkeit wird durch § 282 III ZPO fi- 1401 xiert, Rz. 1417. Danach sind Rügen, welche die Zulässigkeit der Klage betreffen, 721 Hat sich der Beklagte zur Urkunde eines deutschen Notars (§ 794 I Nr. 5 ZPO) der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen, dann bedeutet dies nicht automatisch eine Unterwerfung unter die Jurisdiktion der Bundesrepublik Deutschland, wenn der Gläubiger gegen den Beklagten vor einem deutschen Gericht auf Feststellung des der Zwangsvollstreckung zugrundeliegenden Anspruchs klagt, wofür in der Regel das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. 722 Beispiel: Namensschutzklagen. Hier ergibt sich klar aus § 40 II Nr. 1 ZPO, dass eine Unterwerfung zulässig ist, Rz. 1635. Vgl. auch die Nachweise bei Weigel, Gerichtsbarkeit, internationale Zuständigkeit und Territorialitätsprinzip im deutschen gewerblichen Rechtsschutz, 1973, 69 Fußn. 218. 723 Für den Anwendungsbereich des EuGVÜ/LugÜ bzw. EuGVVO siehe Art. 18 S. 2 zweite Alternative EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 24 S. 2 zweite Alternative EuGVVO. 724 Schack IPRax 1991, 348 bei Fußn. 9; BGH vom 3.4.1985, NJW-RR 1987, 227 = MDR 1985, 911 = IPRspr. 1985 Nr. 136 (Rz. 1402) für § 24 UWG a.F. 725 OLG Köln vom 23.10.1985, MDR 1986, 239 = IPRspr. 1985 Nr. 145. Undeutlich BGH vom 25.9.1997, NJW 1998, 1321 = RIW 1998, 318 = IPRax 1999, 45 (Stoll 29) = IStR 1998, 223 (Goette) = LM nach Art. 38 EGBGB 1986 Nr. 3 (Dörner) = IPRspr. 1997 Nr. 60. Hierzu Wenner in Festschrift Jagenburg, 2002, 1013, 1019.
503
Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit und um eine solche handelt es sich bei der internationalen Unzuständigkeit, gleichzeitig und für alle Instanzen vor der Verhandlung zur Hauptsache in erster Instanz vorzubringen.726 7. Keine Prüfung der internationalen Zuständigkeit von Amts wegen bei Teilnahme des Beklagten am Rechtsstreit 1402 Die praktische Konsequenz aus § 39 ZPO ist, dass die internationale Zuständigkeit nicht von Amts wegen zu prüfen ist, wenn der Beklagte am Rechtsstreit teilnimmt, Rz. 1817. 8. Rüge nur der örtlichen Zuständigkeit 1403 Will der Beklagte nur die örtliche Zuständigkeit rügen (er bestreitet nicht, dass Deutschland international zuständig ist, hält aber das LG Bonn anstelle des LG Stuttgart für örtlich zuständig), so wird die (an sich nach §§ 12 ff. ZPO fehlende) internationale Zuständigkeit Deutschlands nach § 39 ZPO begründet.727 Ist in Wahrheit kein örtlich zuständiges Gericht vorhanden, so greifen die Regeln über die örtliche Ersatzzuständigkeit (Rz. 965) ein. Ob sich die Zuständigkeitsrüge des Beklagten in concreto auf die der örtlichen Zuständigkeit beschränkt, ist durch Auslegung nach den allgemeinen Regeln zu ermitteln. Dabei gilt als Grundsatz: Im Zweifel ist in der Rüge der örtlichen auch die der internationalen Zuständigkeit enthalten.728 9. Mehrere Streitgegenstände 1404 Den Umfang seiner Unterwerfung bzw. seines Verzichts auf die Rüge der internationalen Unzuständigkeit bestimmt der Beklagte. So kann er sich für den einen Streitgegenstand unterwerfen, für den anderen nicht. Unzulässig ist aber, bei Anspruchskonkurrenz die Unterwerfung auf eine Anspruchsgrundlage (Vertrag, nicht aber Delikt oder umgekehrt) zu beschränken. Bei teilbaren Ansprüchen ist eine Unterwerfung nur hinsichtlich eines Teils zulässig. Beispiel: Eingeklagt sind 1 000 000 Euro. Der Beklagte kann sich hinsichtlich eines Teils von 50 000 Euro der Jurisdiktion Deutschlands unterwerfen. 1405 § 39 ZPO begründet die internationale Zuständigkeit Deutschlands nur in dem Umfang, in dem zur Zeit der rügelosen Verhandlung zur Hauptsache der Streitgegenstand bereits rechtshängig ist. Wird die Klage erweitert, dann kann der Be726 Zur Haftung des Anwalts, der es unterlässt, die internationale Unzuständigkeit zu rügen, BGH vom 31.10.1985, WM 1986, 199 = EWiR 1986, 139 (R. Geimer) = IPRspr. 1985 Nr. 146. 727 Zur Nachprüfung in der Revisionsinstanz s. Rz. 1856 sowie BGH vom 21.11.1996, BGHZ 134, 127 = NJW 1997, 397 = IPRax 1999, 367 (Dörner/Staudinger 338) = RIW 1997, 149 = ZZP 110 (1997), 353 (Pfeiffer) = LM § 38 Nr. 32 (R. Geimer) = IPRax 1999, 367 (Dörner/Staudinger) = WiB 1997, 494 (Ralle) = ZIP 1996, 2184 = IPRspr. 1996 Nr. 160. 728 BGH vom 1.6.2005, NJW-RR 2005, 1518 = RIW 2005, 776 = IPRax 2006, 594 (Leible/ Sommer 568) = IPRspr. 2005 Nr. 109.
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Unterwerfung des Beklagten klagte, der sich vorbehaltlos zur Hauptsache eingelassen hat, gleichwohl hinsichtlich des bisher nicht anhängigen Teils die internationale Unzuständigkeit Deutschlands rügen.729 Er muss dies aber unverzüglich nach Klageerweiterung tun; sonst greift wieder § 39 ZPO ein. Das Gleiche gilt bei einer Klageänderung (Änderung des Streitgegenstandes, Rz. 1406), und zwar auch in den Fällen des § 264 Nr. 2 und 3 ZPO. Wiederholung der Klage: Wird die Klage – nach Klagerücknahme oder nach Ab- 1406 weisung als zurzeit unzulässig oder unbegründet – wiederholt, dann gilt die Unterwerfung nicht auch für den zweiten Prozess, Rz. 646. Der Beklagte handelt auch nicht rechtsmissbräuchlich, wenn er nun seine Prozesstaktik ändert, die internationale Unzuständigkeit Deutschlands rügt und – anders als im ersten Prozess – auf eine Prozessabweisung (vgl. aber Rz. 1420) hinsteuert, Rz. 1109. 10. Passive Streitgenossenschaft Die Unterwerfung eines Beklagten begründet nicht die internationale Zuständig- 1407 keit Deutschlands gegen den/die anderen Streitgenossen, § 61 ZPO. Dies gilt auch bei der echten notwendigen Streitgenossenschaft (Ausnahme: Fall der Säumnis, § 62 ZPO). Der Umstand, dass Deutschland in Richtung auf einen Beklagten international zuständig geworden ist, führt aus den oben Rz. 1164 dargelegten Erwägungen nicht zur Eröffnung der internationalen Zuständigkeit Deutschlands in Bezug auf die anderen. Denn die dort angesprochenen Konstellationen setzen voraus, dass Deutschland in Richtung auf einen Beklagten bereits kraft Gesetzes international zuständig ist. 11. Hilfsweise Einlassung zur Hauptsache Rügt der Beklagte rechtzeitig in limine litis die internationale Unzuständigkeit, 1408 dann kommt die zuständigkeitsbegründende Wirkung des § 39 ZPO auch dann nicht zum Zuge, wenn er hilfsweise zur Hauptsache Stellung nimmt. Er braucht sich also einer sachlichen Stellungnahme nicht zu enthalten, nur um sich die Einwendung der internationalen Unzuständigkeit zu erhalten.730 12. Widerklage Hat der Beklagte rechtzeitig in limine litis die internationale Unzuständigkeit ge- 1409 rügt, so wird Deutschland auch dann nicht gemäß § 39 ZPO international zuständig, wenn der Beklagte hilfsweise Widerklage erhebt für den Fall, dass das Gericht – entgegen der Rüge – die internationale Zuständigkeit des Gerichtsstaates bejaht. Denn die Widerklage kann nicht als konkludente Unterwerfung des Beklagten unter die Jurisdiktion ausgelegt werden.731
729 BGH vom 3.4.1985, MDR 1985, 911 = WM 1985, 1507 = NJW-RR 1987, 227 = GRUR 1986, 325 (Jakobs) = LM § 33 Nr. 18 = IPRspr. 1985 Nr. 136. 730 R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 24 EuGVVO Rz. 47. 731 R. Geimer WM 1986, 118.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 1410 Auch hinsichtlich der Widerklage ist § 39 ZPO anwendbar, Rz. 1402.732 Liegt keine Zuständigkeitsanknüpfung nach §§ 12 ff. ZPO vor, so ergibt sich die internationale Zuständigkeit Deutschlands für eine (inkonnexe) Widerklage aus § 39 ZPO, wenn der Widerbeklagte (= Kläger) die internationale Unzuständigkeit Deutschlands nicht unverzüglich rügt. 13. Notwendigkeit des Festhaltens an der Rüge der internationalen Unzuständigkeit 1411 Der Beklagte, der rechtzeitig in limine litis die internationale Unzuständigkeit Deutschlands gerügt hat, kann sich in jeder Lage des Verfahrens der Jurisdiktion Deutschlands unterwerfen und so die deutsche internationale Zuständigkeit begründen. Dem steht gleich, wenn er ausdrücklich erklärt, an der Rüge der internationalen Zuständigkeit nicht mehr festhalten zu wollen. Theoretisch denkbar ist auch eine konkludente Erklärung, wenn sich aus der gesamten Prozessführung des Beklagten unzweideutig ergibt, dass er an der Rüge der internationalen Zuständigkeit nicht mehr festhalten will. Doch dürften solche Fälle in der Praxis selten sein, weil das Gericht gemäß § 139 ZPO auf eine Klarstellung dringen wird. 14. Rechtsmittelinstanzen 1412 Die von den Gerichten und im Schrifttum gebetsmühlenhaft verwendete Formel, die internationale Zuständigkeit sei in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen,733 bedarf der Einschränkung, Rz. 1816: Eine Amtsprüfung durch die Rechtsmittelgerichte ist nur dort gerechtfertigt, wo die internationale Zuständigkeit nicht durch rügelose Einlassung des Beklagten nach § 39 ZPO begründet werden kann.734 1413 Der Beklagte muss während des ganzen Prozesses – also auch in der Rechtsmittelinstanz – an seiner Rüge der internationalen Unzuständigkeit festhalten. Hat er zwar rechtzeitig in limine litis die internationale Unzuständigkeit geltend gemacht, aber in seiner Rechtsmittelbegründung bzw. Rechtsmittelerwiderungsschrift zu erkennen gegeben, dass er diese Rüge nicht mehr weiter verfolgt, dann ist gemäß § 39 ZPO die internationale Zuständigkeit begründet. 1414 In Rechtsstreitigkeiten, in denen die internationale Zuständigkeit Deutschlands durch die rügelose Einlassung des Beklagten begründet werden kann (Rz. 1399), darf – sofern der Beklagte am Verfahren teilnimmt – das Berufungs- bzw. Revisionsgericht die internationale Zuständigkeit nur auf Rüge prüfen.735 732 BGH vom 3.4.1985, MDR 1985, 911 = WM 1985, 1507 = NJW-RR 1987, 227 = GRUR 1986, 325 (Jakobs) = LM § 33 Nr. 18 = IPRspr. 1985 Nr. 136. 733 Z.B. KG vom 22.10.1997, FamRZ 1998, 378 = NJW 1998, 2062 = IPRspr. 1997 Nr. 87. 734 Offen gelassen in BGH vom 24.9.1986, BGHZ 98, 263 = NJW 1987, 592 = MDR 1987, 228 = RIW 1986, 991 = JR 1987, 157 (Schlosser) = IPRax 2000, 159 (Hausmann 140) = MDR 1987, 228 = LM Nr. 9 zu § 175 ZPO = EWiR 1987, 93 (R. Geimer) = Rpfleger 1987, 26 = WM 1986, 1444 = EWiR 1987, 93 (R. Geimer) = IPRspr. 1986 Nr. 144. 735 R. Geimer WM 1986, 118. Anderer Auffassung Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 427 Fußn. 1341 unter Hinweis
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Unterwerfung des Beklagten Weshalb soll das Berufungs- oder Revisionsgericht von Amts wegen die internationale Zuständigkeit prüfen, wenn der Beklagte als Berufungskläger oder -beklagter nur materiell-rechtliche Punkte rügt?
1415
Beispiel: Die Klage wurde als unbegründet abgewiesen. Hier kann das Berufungsgericht nicht ohne Rüge des Beklagten die Klage wegen internationaler Unzuständigkeit abweisen. Denn eine Sachabweisung ist für den Beklagten erstrebenswerter als eine Prozessabweisung, Rz. 1420.736 Etwas anderes gilt, wenn der Beklagte das Rechtsmittel nicht eingelegt hat und in der Rechtsmittelinstanz nicht vertreten ist. Dann kann gegen den Beklagten kein ihn belastendes Versäumnisurteil ergehen, wenn die deutsche internationale Zuständigkeit nicht gegeben ist.
1416
Beispiel: Der Beklagte wurde teilweise verurteilt, im Übrigen wurde die Klage als unbegründet abgewiesen. Das Rechtsmittelgericht kann auf Antrag des Klägers (= Berufungsklägers) durch Versäumnisurteil nur dann den Rest zusprechen, wenn es die internationale Zuständigkeit von Amts wegen geprüft hat. 15. Präklusion nach §§ 296 III, 532, 565 ZPO Hat der Beklagte sich rügelos zur Hauptsache eingelassen, dann geht § 39 ZPO 1417 vor. Ohne dass es auf ein Verschulden ankommt, ist die (internationale) Zuständigkeit begründet. § 296 III ZPO ist nicht (mehr) anwendbar. Ein Beklagter, dem eine Frist zur Klageerwiderung (§ 275 I 1 oder § 276 I 2 ZPO) gesetzt worden ist, muss die (internationale) Unzuständigkeit schon innerhalb dieser Frist schriftsätzlich (vor der mündlichen Verhandlung) geltend machen, § 296 III in Verbindung mit § 282 III ZPO. Sonst ist er präkludiert. In § 39 ZPO kann nicht hineingelesen werden, dass der Beklagte bis zur mündlichen Verhandlung mit der Zuständigkeitsrüge warten darf.737 Im amtsgerichtlichen Verfahren ist § 504 ZPO zu beachten. Dies gilt aber nicht im Anwendungsbereich der EuGVVO bzw. des LugÜ.738 Vorstehendes gilt mutatis mutandis auch unter den Voraussetzungen der §§ 532, 565 ZPO.
auf den Wortlaut des § 39 ZPO („Gericht des ersten Rechtszuges“), der aber die hier vertretene teleologische Auslegung nicht widerlegen kann. Denn warum soll das Rechtsmittelgericht die internationale Zuständigkeitsfrage „schärfer“ prüfen müssen als die erste Instanz? 736 R. Geimer RIW 1988, 222. Anderer Auffassung BGH vom 24.9.1986, BGHZ 98, 263 = NJW 1987, 592 = MDR 1987, 228 = RIW 1986, 991 = JR 1987, 157 (Schlosser) = IPRax 2000, 159 (Hausmann 140) = MDR 1987, 228 = LM Nr. 9 zu § 175 ZPO = EWiR 1987, 93 (R. Geimer) = Rpfleger 1987, 26 = WM 1986, 1444 = EWiR 1987, 93 (R. Geimer) = IPRspr. 1986 Nr. 144. 737 Anderer Auffassung BGH vom 21.11.1996, BGHZ 134, 127, 135 = NJW 1997, 397 = IPRax 1999, 367 (Dörner/Staudinger 338) = RIW 1997, 149 = ZZP 110 (1997), 353 (Pfeiffer) = LM § 38 Nr. 32 (R. Geimer) = WiB 1997, 494 (Ralle) = ZIP 1996, 2184 = IPRspr. 1996 Nr. 160. 738 OLG Köln vom 16.3.1988, NJW 1988, 2182 = RIW 1988, 555 = IPRspr. 1988 Nr. 157.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 16. Klage am forum derogatum 1418 § 39 ZPO kommt auch dann zum Zug, wenn die Parteien zuvor die ausschließliche internationale Zuständigkeit eines anderen Staates vereinbart haben. Klagt die eine Partei abredewidrig am forum derogatum und rügt die andere die internationale Unzuständigkeit nicht, dann ist die Zuständigkeitsvereinbarung für beide Parteien gegenstandslos, wobei es gleichgültig ist, wie man dies rechtstechnisch konstruieren will: konkludenter Aufhebungsvertrag oder Annahme, dass Zuständigkeitsvereinbarungen von vornherein unter der (konkludenten) auflösenden Bedingung geschlossen werden, dass über die Anrufung eines anderen forums Einvernehmen hergestellt wird bzw. diese vom Beklagten hingenommen wird. Damit gewinnt auch der Beklagte seine Handlungsfreiheit zurück, Rz. 1734. Er kann am forum derogatum Widerklage erheben oder aufrechnen, Rz. 1776, 1777. 17. Vorrang des Art. 18 des Brüsseler und des Luganer Übereinkommens und des Art. 24 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 1419 Im Anwendungsbereich des Art. 18 EuGVÜ/LugÜ I bzw. des Art. 24 EuGVVO/ LugÜ II wird § 39 ZPO verdrängt.739 Die Grenzlinie zwischen beiden Normen herauszuarbeiten, sah die Rechtsprechung sich bisher nicht veranlasst, weil kein Fall bekannt geworden ist, in dem dieser Punkt entscheidungserheblich gewesen wäre. 18. Bedingte Einlassung für den Fall des Obsiegens 1420 Für den Beklagten ist ein Urteil, das die Klage als unbegründet abweist, vorteilhafter als eine Prozessabweisung wegen internationaler Unzuständigkeit. Er befindet sich oft in einer Zwickmühle, weil er nicht voraussehen kann, ob er in der Sache siegen würde, falls er durch seinen Verzicht auf die Rüge der internationalen Unzuständigkeit die Voraussetzung für ein Sachurteil schaffen würde. Daher stellt sich die Frage, ob der Beklagte sich nur für den Fall seines Obsiegens nach § 39 ZPO einlassen kann. Dies ist zu bejahen für den Fall, dass keine Beweisaufnahme notwendig ist, welche die Arbeitskraft des Gerichts möglicherweise umsonst (für den Fall, dass es der Klage stattgeben wollte) in Anspruch nehmen würde.740
739 Hierzu z.B. OLG Hamm vom 2.10.1998, RIW 1999, 540 = IPRspr. 1998 Nr. 157. 740 R. Geimer IPRax 1986, 215. So hätte es z.B. in dem vom BGH am 24.9.1986 entschiedenen Fall keine Verzögerung bzw. Mehrbelastung des BGH gegeben, wenn man dem Beklagten gestattet hätte, sich in der Revisionsinstanz der Jurisdiktion Deutschlands unter der Bedingung zu unterwerfen, dass der BGH die Klage als unbegründet abweist, BGHZ 98, 263 = NJW 1987, 592 = MDR 1987, 228 = RIW 1986, 991 = JR 1987, 157 (Schlosser) = IPRax 2000, 159 (Hausmann 140) = LM Nr. 9 zu § 175 ZPO = EWiR 1987, 93 (R. Geimer) = Rpfleger 1987, 26 = WM 1986, 1444 = EWiR 1987, 93 (R. Geimer) = IPRspr. 1986 Nr. 144.
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Unterwerfung des Beklagten 19. Exkurs: Internationale Anerkennungszuständigkeit Wer sich ausdrücklich der fremden Jurisdiktion unterworfen hat, hat auf den 1421 Schutz des § 328 I Nr. 1 ZPO verzichtet.741 Wer im Erstprozess ausdrücklich erklärt hat, dass er die Zuständigkeit des ausländischen Gerichts akzeptiere, würde sich zu seinem eigenen Verhalten in Widerspruch setzen (venire contra factum proprium), wenn er im Zweitverfahren die Auffassung verträte, der Erststaat sei gar nicht zuständig gewesen. Anwendung des § 39 ZPO: Die Unterwerfung des Beklagten unter die Jurisdikti- 1422 on des Urteilsstaates kann auch konkludent erklärt werden. Hat sich der Beklagte auf den ausländischen Rechtsstreit eingelassen, ohne die internationale Unzuständigkeit des Erststaates zu rügen, so wird unwiderleglich vermutet, der Beklagte habe sich der Jurisdiktion des Erststaates unterworfen,742 aber nur dann, wenn der Beklagte nach der dortigen lex fori die Möglichkeit gehabt hätte, die internationale Unzuständigkeit geltend zu machen. War der Erststaat nach seinem Recht kraft Gesetzes international zuständig, so bestand für den Beklagten keine Möglichkeit, die Abweisung der Klage wegen internationaler Unzuständigkeit zu erreichen.743 Der Beklagte muss die nach dem Recht des Erststaates gegebene internationale 1423 Unzuständigkeit im Erstprozess rügen. Er muss alle ihm nach der lex fori zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ergreifen, um die Abweisung der Klage wegen mangelnder internationaler Zuständigkeit zu erreichen. Nach dem englischen und US-amerikanischen Zuständigkeitsrecht lässt sich die Frage, ob in concreto ein bestimmtes Gericht international zuständig ist oder nicht, nicht mit einem klaren Ja oder Nein beantworten (internationale Ermessenszuständigkeit, Rz. 1073). Der Beklagte muss – wenn er sich überhaupt am erststaatlichen Verfahren beteiligt – für die Abweisung der Klage wegen internationaler Unzuständigkeit kämpfen.744 Zur Wahrung seiner Rechte im Zweitverfahren ist der Beklagte jedoch nicht ver- 1424 pflichtet, im Erstprozess Rechtsmittel zu einer höheren Instanz einzulegen, um die Rüge der internationalen Unzuständigkeit weiterzuverfolgen. Legt er jedoch Rechtsmittel ein, so muss er auch in der Rechtsmittelinstanz die internationale Unzuständigkeit geltend machen, sofern dies nach der lex fori statthaft ist.
741 R. Geimer RIW 1979, 641. 742 BGH vom 15.10.1992, NJW 1993, 1270, 1272 = RIW 1993, 591 = WM 1993, 223 = IPRax 1993, 321 (Geimer 292) = IPRspr. 1992 Nr. 227. Vgl. auch BGH vom 18.9.2001, RIW 2002, 63 (zum deutsch-israelischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag). 743 BayObLGZ 1980, 58; BGH vom 3.12.1992, BGHZ 120, 334, 339 = IPRax 1994, 204 (R. Geimer 187) = ZZP 107 (1994), 67 (Schack) = EWiR 1993, 195 (Schlechtriem) = IPRspr. 1992 Nr. 229; BGH vom 25.4.1996, RIW 1996, 966 = WM 1996, 2037 = IPRspr. 1996 Nr. 177; R. Geimer RIW 1979, 641; R. Geimer Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 120. Anderer Auffassung Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 726; Schröder NJW 1980, 477. 744 R. Geimer RIW 1979, 642; ähnlich OLG Stuttgart vom 22.12.1978, RIW 1980, 283 = IPRspr. 1978 Nr. 169.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 1425 Der Beklagte braucht sich aber – anders als im Anwendungsbereich der Brüsseler und der Luganer Konvention bzw. der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 (Rz. 245c), wo grundsätzlich745 die internationale Zuständigkeit des Erststaates im Anerkennungsstadium nicht mehr geprüft wird und daher die internationale Unzuständigkeit nicht zur Versagung der Anerkennung führt – überhaupt nicht am ausländischen Prozess zu beteiligen. Lässt er ein Versäumnisurteil bzw. ein Urteil nach Lage der Akten gegen sich ergehen, dann kann er gegen dessen Anerkennung im Inland einwenden, der Urteilsstaat sei nach deutschen Normen (§§ 12 ff. ZPO bzw. den Parallelvorschriften der Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge, die durch ihre Ratifizierung in das deutsche Recht inkorporiert worden sind) international unzuständig. Er ist nur präkludiert mit dem Einwand der Derogation und der Schiedsgerichtsabrede, vgl. Rz. 1714, 1809. 1426 Zu Recht hält das OLG Frankfurt am Main746 §§ 39 S. 2, 504 ZPO für nicht „internationalisierungsfähig“. Die Belehrungspflicht in dieser Bestimmung ist eine Eigenart der deutschen lex fori, deren Einhaltung wir von ausländischen Gerichten nicht erwarten können.
VI. Belegenheitszuständigkeit 1. Überblick 1427 Unter diesem Oberbegriff (forum rei sitae) kann man den Gerichtsstand des Klagegegenstandes, § 23 Satz 1 zweite Alternative ZPO, sowie den dinglichen Gerichtsstand des § 24 ZPO und den der §§ 29a, 29b ZPO sowie des § 43 I WEG zusammenfassen. In allen drei Fällen wirkt zuständigkeitsbegründend der Umstand, dass der mit der Klage in Anspruch genommene Gegenstand sich im Inland befindet. Dies ist rechtspolitisch vernünftig. 1428 Wo die Parteien des Rechtsstreits wohnen oder sich aufhalten, ist ohne Bedeutung; auch spielt ihre Staatsangehörigkeit keine Rolle. So können sich ein Brasilianer und ein Chinese über das Eigentum an einer Wohnung in Berchtesgaden vor einem deutschen Gericht streiten. 1429 Im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit wurde – praeter legem – vor der IPR-Reform 1986 eine deutsche internationale Zuständigkeit eröffnet, wenn die zu regelnden vermögensrechtlichen Belange im Inland zu lokalisieren sind, z.B. vormundschaftsgerichtliche Genehmigung für Veräußerung deutschen Grundbesitzes durch minderjährigen Ausländer mit Wohnsitz/Aufenthalt im Ausland.747 So nun §§ 99 I 2, 104 I 2 FamFG (früher §§ 35b II, 69e FGG).
745 Ausnahme: Art. 28 I EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 35 I EuGVVO. 746 OLG Frankfurt vom 13.12.1978, RIW 1979, 276 (Geimer 640) = NJW 1979, 1787 = MDR 1979, 586. 747 Mitzkus, Internationale Zuständigkeit im Vormundschafts-, Pflegschafts- und Sorgerecht, 1982, 222. Terminologisch anders („Fürsorgezuständigkeit“) BayObLG vom 22.4.1958, BayObLGZ 1958, 100.
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Belegenheitszuständigkeit 2. Streitigkeiten über Mobilien, Forderungen und sonstige Rechte Befindet sich der Streitgegenstand in Deutschland, so ist für diese Klage die 1430 deutsche internationale Zuständigkeit zu bejahen, § 23 S. 1 zweite Alternative ZPO. Wo die Parteien wohnen oder sich aufhalten, spielt keine Rolle.748 3. Streitigkeiten über inländischen Grundbesitz Hier ist die Belegenheit des Grundbesitzes im Inland Anknüpfungspunkt für die 1431 deutsche internationale Zuständigkeit, §§ 24, 29b ZPO, § 43 I WEG.749 4. Mietstreitigkeiten bezüglich im Inland gelegenen Wohnraums Für Klagen in Mietsachen ist die internationale Zuständigkeit Deutschlands gegeben, wenn der vermietete Wohnraum im Inland liegt, § 29a ZPO.750
1432
5. Nachbarrechtliche Abwehrklage Hierzu unten Rz. 1499.
1432a
6. Besitzschutz Hierzu Rz. 1499.751
1432b
7. Ausschließlichkeit des forum rei sitae Das in Rz. 1430 erwähnte Forum eröffnet nur eine konkurrierende internationale 1433 Zuständigkeit. Die Regel actor sequitur forum rei bleibt unberührt. Dagegen wird die deutsche Jurisdiktion über inländischen Grundbesitz und grundstücksgleiche Rechte als Ausdruck der Gebietshoheit gesehen. Da man glaubt, deutsche Souveränität stünde auf dem Spiel, beansprucht entgegen der hier vertretenen
748 Beispiele: OLG Schleswig vom 14.1.1982, IPRax 1983, 195 = IPRspr. 1982 Nr. 112; BGH vom 11.5.1989, NJW 1989, 2123 = WM 1989, 952 = ZIP 1989, 761 = IPRspr. 1989 Nr. 190. 749 Wenig entscheidungsfreudig seinerzeit noch BGH vom 13.12.1967, BGHZ 49, 124, 128 = NJW 1968, 356 = ZZP 82 (1969), 302 (Walchshöfer) = IPRspr. 1966–1967 Nr. 222: „Wieweit ein ausschließlicher Gerichtsstand (beispielsweise der des § 24 ZPO) zugleich zwingend die deutsche internationale Zuständigkeit begründet, braucht hier nicht entschieden zu werden.“ Hierzu Wenner in Festschrift Jagenburg, 2002, 1013, 1018. Der Zuständigkeitsbezug ist so stark, dass er sich selbst gegenüber Exterritorialen durchsetzt, Rz. 627, 739, 769. Für die Schweiz siehe Art. 97 IPR-Gesetz. Ausführliche Hinweise zum Recht anderer Staaten bei Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 243 ff. 750 Hierzu Nachweise z.B. bei de Bra, Verbraucherschutz durch Gerichtsstandsregelungen im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, 1992, 76. 751 Wendehorst in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Art. 43 EGBGB Rz. 64.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit Auffassung (Rz. 878 ff.) die herrschende Meinung (Rz. 896)752 eine ausschließliche internationale Zuständigkeit Deutschlands für die in § 24 ZPO genannten Klagen.753 1434 Wenngleich das Reichsgericht die deutsche internationale Zuständigkeit bezüglich deutscher Grundstücke für international ausschließlich hielt, ausländischen Urteilen also die Anerkennung verweigerte, so beanspruchte es gleichwohl deutsche Entscheidungszuständigkeit für Klagen, die ausländische Grundstücke betrafen.754 Es durchbrach also die Kongruenzregeln des § 328 I Nr. 1 ZPO, Rz. 938. 1435 Auch die Zuständigkeit gemäß § 29a ZPO betrachtet die herrschende Meinung als international ausschließlich.755 8. Völkerrechtliches Vertragsrecht und EG-Recht 1436 Eine Parallelnorm zu § 23 S. 1 zweite Alternative ZPO (Rz. 1430) kennt das EuGVÜ/LugÜ bzw. die EuGVVO nicht, wohl aber zu §§ 24, 29a ZPO in Art. 16 Nr. 1 EuGVÜ/LugÜ I bzw. in Art. 22 Nr. 1 EuGVVO/LugÜ II; allerdings stimmen die Anwendungsbereiche nicht exakt überein.756
752 Bundestagsdrucksache 10/504 S. 89, weitere Nachweise bei de Bra, Verbraucherschutz durch Gerichtsstandsregelungen im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, 1992, 105 Fußn. 68; Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 212; Grundmann IPRax 1985, 249 Fußn. 5, 6; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 311. Ebenso in der Schweiz siehe Art. 97 IPR-Gesetz, Dörig, Anerkennung und Vollstreckung US-amerikanischer Entscheidungen in der Schweiz, 1998, 263; Reiser, Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem IPR-Gesetz, 1989, 101; Walter, Internationales Zivilprozessrecht der Schweiz4, 2007, § 3 II 1 (S. 93). 753 So z.B. RG vom 7.6.1921, RGZ 102, 251, 253: „Der Staat duldet nicht, dass fremde Richter über die in seinem Bereich liegenden Grundstücke urteilen.“ Ebenso Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 212; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 696; zu Recht skeptisch Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 367. Wieso soll aber die deutsche Souveränität auf dem Spiele stehen, wenn Erbprätendenten im Ausland streiten, wer Erbe eines in Deutschland gelegenen Grundstücks geworden ist? Zum anderen erkennen wir die internationale Zuständigkeit ausländischer Staaten (§ 328 I Nr. 1 in Verbindung mit §§ 12 ff. ZPO) ohne Bedenken an, wenn das Eigentum an einem deutschen Grundstück nur Vorfrage ist. 754 RG vom 20.1.1894, RGZ 32, 414; BGH vom 25.9.1997, NJW 1998, 1321 = RIW 1998, 318 = IPRax 1999, 45 (Stoll 29) = IStR 1998, 223 (Goette) = LM nach Art. 38 EGBGB 1986 Nr. 3 (Dörner) = IPRspr. 1997 Nr. 60. 755 Trenk-Hinterberger, Internationales Wohnungsmietrecht, 1977, 72. Anderer Auffassung LG Bonn vom 4.10.1973, NJW 1974, 427 (R. Geimer 2189) = IPRspr. 1973 Nr. 135; OLG Düsseldorf vom 14.12.1989, RIW 1990, 220 = ZMR 1990, 144 = IPRspr. 1989 Nr. 198. 756 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 652, 691. Vgl. auch Simotta in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 81 JN Rz. 21.
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Gerichtsstand der Mitgliedschaft Nach § 8 des deutsch-türkischen Nachlassvertrages vom 28.5.1929757 sind „Streitigkeiten infolge von Ansprüchen gegen den Nachlass bei den zuständigen Behörden des Landes, in dem dieser sich befindet, anhängig zu machen und von diesen zu entscheiden“.
1437
9. Freiwillige Gerichtsbarkeit Auch im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit wurde vor der FG-Reform 2009 1437a die internationale Zuständigkeit Deutschlands auf die Belegenheit einer Sache oder eines Rechts gestützt; die Grenzen waren unklar.758 Nunmehr gilt allein die lex scripta, §§ 98 ff. FamFG. 10. Haushaltssachen Wird über die Rechtsverhältnisse an der Ehewohnung und am Hausrat nicht im 1437b Entscheidungsverbund zusammen mit der Ehesache, z.B. Scheidung (§§ 98, 201 Nr. 1 FamFG), entschieden, dann ist der Ort der gemeinsamen Wohnung der Ehegatten u.a. Anknüpfungspunkt auch für die internationale Zuständigkeit, §§ 105, 201 Nr. 2 FamFG (früher § 11 II 1 HausratsVO).759 11. Internationale Anerkennungszuständigkeit Die Belegenheit des Streitgegenstandes im Erststaat wird als Zuständigkeitsanknüpfung nach § 328 I Nr. 1 ZPO anerkannt.760
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VII. Gerichtsstand der Mitgliedschaft 1. Internationale Entscheidungszuständigkeit § 22 ZPO eröffnet internationale Zuständigkeit für Klagen inländischer Vereine, 1439 juristischer Personen und Handelsgesellschaften gegen ihre Mitglieder und umgekehrt sowie für Klagen zwischen den Mitgliedern. Hier ist Anknüpfungspunkt für die deutsche internationale Zuständigkeit der Sitz des Vereins etc. im Inland. Wo sich die Mitglieder aufhalten und welche Staatsangehörigkeit sie haben, ist ohne Bedeutung. So können sich zwei Gesellschafter einer deutschen oHG mit Wohnsitz in Rumänien und den Vereinigten Staaten von Amerika vor einem deutschen Gericht über die Frage streiten, ob die Bilanz der Gesellschaft richtig aufgestellt ist. Die Mitglieder, Gesellschafter etc. der in Deutschland ansässigen Vereine, Gesellschaften etc. sind im Inland gerichtspflichtig.761 So kann etwa 757 RGBl. 1930 II 747; hierzu z.B. Erman/Hohloch, BGB12, 2008, Art. 25 EGBGB Rz. 56. 758 Walther J. Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit7, 1983, § 11 A 1 f.; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9, 2004, § 22 II; Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit3, 2002, Rz. 174; Adam, Internationaler Versorgungsausgleich, 1985, 102; Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit15, 2003, Einl. 77. 759 AG Kerpen vom 13.9.1995, FamRZ 1997, 893 = IPRspr. 1996 Nr. 78. 760 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1523. 761 BGH vom 20.3.1986, WM 1986, 883 = GmbHR 1986, 304 = ZIP 1986, 838 = IPRspr. 1986 Nr. 130; OLG Hamburg vom 9.10.1992, RIW 1993, 68 (Ebke 613) = IPRax 1993,
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit der Insolvenzverwalter auch im Ausland domizilierte Gesellschafter am Sitz der Gesellschaft wegen Kapitalersatz762 verklagen.763 1440 § 22 ZPO gilt für alle Vereine. Wie groß ihre Verbandsmacht ist, spielt keine Rolle. Dieser Aspekt wäre nicht justiziabel. So können auch mächtige Industriegewerkschaften ihre Mitgliedsbeiträge gegen Gastarbeiter, die inzwischen wieder in ihre Heimatländer abgewandert sind, an ihrem Sitz einklagen.764 1441 Auch für Prospekthaftungsklagen gegen Personen, welche die Gesellschaft bei den Beitrittsverhandlungen vertreten oder als Initiatoren, Gestalter oder Gründer der Anlagegesellschaft fungieren, eröffnet § 22 ZPO eine internationale Zuständigkeit am Sitz der Gesellschaft.765 Das Gleiche gilt für Streitigkeiten unter den Mitgliedern einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, z.B. einer Anwaltssozietät.766 2. Internationale Anerkennungszuständigkeit 1442 Noch nicht ausreichend untersucht ist die Frage, in welchem Umfang Deutschland für die in § 22 ZPO genannten Klagen eine ausschließliche internationale Zuständigkeit in Anspruch nimmt. Wird z.B. ein Urteil eines ausländischen Gerichts, das einen Hauptversammlungsbeschluss einer deutschen Aktiengesellschaft für nichtig erklärt, schon wegen der ausschließlichen internationalen Zuständigkeit Deutschlands nicht anerkannt? Dies ist aus den oben Rz. 878 ff. dargelegten Gründen zu verneinen.
VIII. Zweigniederlassung im Inland 1. Ratio legis 1443 § 21 ZPO eröffnet eine internationale Zuständigkeit Deutschlands für alle Klagen, die zum Geschäftsbereich der Niederlassung einen Bezug haben.767
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170 (Ebenroth/Woggon 151) = EWiR 1992, 211 (R. Geimer) = IPRspr. 1992 Nr. 172b; Brödermann ZIP 1996, 492; R. Geimer in Festschrift Schippel, 1996, 869. Vgl. auch oben Rz. 728. §§ 30, 31 GmbHG, OLG München vom 27.7.2006, OLGR 2006, 766 = ZIP 2006, 2402. OLG Karlsruhe vom 20.1.1998, ZIP 1998, 1005. Siehe auch Haubold IPRax 2000, 375, 379. BGH vom 26.10.1979, MDR 1979, 203 = NJW 1980, 343; Stein/Jonas/H. Roth, ZPO22, 2003, § 22 Rz. 3; Beckmann, Statutarische Schiedsklauseln im deutschen Recht und internationalen Kontext, Diss. Mainz 2006, 2007, 304. Anderer Auffassung Stein/Jonas/Schumann, ZPO21, 1993, § 22 Rz. 1 Fußn. 4 mit weiteren Nachweisen. BGH vom 13.3.1980, MDR 1980, 560; M. Vollkommer IPRax 1992, 211. Dies gilt jedoch nicht für Klagen gegen Vermittler der Kapitalanlage, weil diese der Anlagegesellschaft im Übrigen fern stehen, BGHZ 76, 231, 234; OLG Hamburg vom 13.10.2006, OLGR 2006, 33, 35. OLG Köln vom 28.5.2003, NJW 2004, 862. BGH vom 10.7.1975, NJW 1975, 2142 = RIW 1975, 695 = WM 1975, 1056 (R. Geimer WM 1976, 146) = IPRspr. 1975 Nr. 139; BAG vom 19.3.1996, MDR 1997, 71 = IPRax 1997, 335 (Schack 318) = BB 1997, 1642 = ZIP 1996, 2031 = EWiR 1996, 1055 (Mankowski) = IPRspr. 1996 Nr. 194; OLG Frankfurt vom 25.10.1984, WM 1985, 477 =
Zweigniederlassung im Inland Wo man sich am Wirtschaftsleben beteiligt, „dort soll man auch Rede und Ant- 1444 wort stehen für die Rechtschaffenheit seines Unterfangens“:768 Unterhält eine ausländische Fluggesellschaft im Inland eine Niederlassung, in der mehrere Angestellte beschäftigt werden, so gelten diese trotz etwaiger interner Beschränkungen als bevollmächtigt, Plätze bei einer anderen Fluggesellschaft zu bestellen. Die Klage auf Erfüllung eines solchen Vertrages kann vor dem für den Sitz der Niederlassung zuständigen deutschen Gericht erhoben werden.769 Darüber hinaus ist jeder im Ausland Domizilierte, wenn er am inländischen 1445 Wirtschaftsverkehr von einem inländischen Stützpunkt aus teilnimmt, hinsichtlich solcher Klagen im Inland gerichtspflichtig, die sich auf die inländische Niederlassung beziehen.770 Nicht erforderlich ist, dass die Niederlassung rechtlich unselbständig ist. Ein Kaufmann oder eine Handelsgesellschaft mit Sitz im Ausland kann auch über eine (mehrheitlich) beherrschte oder durch Personalunion der Vorstände/Geschäftsführer „gleichgeschaltete“ inländische juristische Person (AG, GmbH) oder Personenhandelsgesellschaft am inländischen Wirtschaftsverkehr teilnehmen. Auf die Hierarchie im Konzern kommt es nicht an; auch die ausländische Tochter kann sich ihrer Mutter als Stützpunkt im Inland bedienen. Über § 21 ZPO findet aber hauptsächlich ein „Zuständigkeitsdurchgriff“ von Tochter auf Mutter statt; dies gilt z.B. auch im Zusammenhang mit Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen.771 Zu weit geht es aber, einen deutschen Sportver-
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IPRspr. 1984 Nr. 148. Weitere Nachweise z.B. bei Mankowski in Dieterich/Neef/ Schwab (ed.), Arbeitsrecht-Blattei sub Arbeitsgerichtsbarkeit V – E. Internationale Zuständigkeit 160.5.5 Rz. 401 ff.; Otto, Der prozessuale Durchgriff – die Nutzung forumansässiger Tochtergesellschaften in Verfahren gegen ihre auswärtigen Muttergesellschaften im Recht der USA, der Europäischen Gemeinschaften und der Bundesrepublik Deutschland, zugleich ein Beitrag im Justizkonflikt mit den USA, 1993, 135 ff.; Scheuermann, Internationales Zivilverfahrensrecht bei Verträgen im Internet: Eine rechtsvergleichende Untersuchung des deutschen, europäischen und US-amerikanischen Zuständigkeitsrechts sowie der Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 2004, 40 ff. Umfangreiche Nachweise bei Müller-Froelich, Der Gerichtsstand der Niederlassung im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr – Eine Untersuchung zu Fragen der Entscheidungs- und Anerkennungszuständigkeit, Diss. Köln 2008. – Vgl. auch oben Rz. 729. Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 339. Ähnlich de Bra, Verbraucherschutz durch Gerichtsstandsregelungen im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, 1992, 89 und OLG München vom 7.4.1975, RIW 1975, 347 = WM 1975, 872 = IPRspr. 1975 Nr. 135/136; OLG Düsseldorf vom 11.5.1978, MDR 1978, 930 = IPRspr. 1978 Nr. 140. Enger OLG München vom 20.9.1982, RIW 1983, 127 = IPRspr. 1982 Nr. 144. Vgl. auch den Fall des BAG vom 27.1.1983, NJW 1984, 1320 = RIW 1984, 316 = IPRax 1985, 276 (E. Lorenz 256) = IPRspr. 1983 Nr. 131. R. Geimer WM 1976, 146. Zur Gerichtspflichtigkeit in Deutschland via § 21 ZPO bei doing business in Germany R. Geimer RIW 1988, 221; Otto, Der prozessuale Durchgriff – die Nutzung forumansässiger Tochtergesellschaften in Verfahren gegen ihre auswärtigen Muttergesellschaften im Recht der USA, der Europäischen Gemeinschaften und der Bundesrepublik
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit band allein aufgrund seiner Mitgliedschaft in einer internationalen Sportorganisation als deren Niederlassung im Sinne von § 21 ZPO zu begreifen.772 – Siehe auch Rz. 188a. 2. Klagegrund 1445a § 21 ZPO differenziert nicht nach dem Klagegrund. Er erfasst z.B. Vertragsklagen ebenso wie Deliktsklagen.773 3. Selbständige Leitung 1446 § 21 ZPO verlangt die selbständige Leitung der Niederlassung und die Befugnis, aus eigener Entscheidungsfreiheit Geschäfte abzuschließen.774 Daher reicht ein Kontaktbüro nicht aus.775 4. Scheinniederlassung 1446a Eine Scheinniederlassung genügt.776 Allerdings wird der Rechtsschein einer Niederlassung nicht bereits durch die Angabe einer mit „c/o“ bezeichneten Korrespondenzadresse begründet.777 5. Kein Gerichtsstand des Abschlussortes 1447 Es reicht nicht aus, dass der Vertrag in der (inländischen) Niederlassung geschlossen worden ist. Der Vertrag muss sich vielmehr gerade auf die (inländische) Niederlassung beziehen.778 Bei Investmentgeschäften mit ausländischen, vor allem US-amerikanischen Brokerhäusern, vermeiden es die inländischen (oft
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Deutschland, zugleich ein Beitrag im Justizkonflikt mit den USA, 1993, 135 ff.; Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 219; Harald Müller, Die Gerichtspflichtigkeit wegen „doing business“, 1992 (besprochen von Hay ZZP 107 [1994], 259). Ebenso zu Art. 5 Nr. 5 EuGVÜ EuGH vom 9.12.1987, Rs 218/86 – Schotte/Parfüms Rothschild Slg. 1987, 4905 = NJW 1988, 625 = RIW 1988, 136 (R. Geimer 220) = IPRax 1989, 96 (Kronke 81). OLG München vom 28.3.1996, Sport und Recht 1996, 133 = IPRspr. 1996 Nr. 135b. Anders die Vorinstanz LG München I vom 17.5.1995, ZZPInt 1 (1996), 405 (Heß 371) = IPRspr. 1996 Nr. 135a. Rehbinder a.a.O. Rz. 250. Nachweise bei Staudinger/Hausmann, Neubearbeitung 2002, Anh. II zu Art. 27–37 EGBGB Rz. 137; OLG Frankfurt vom 18.2.1988, RIW 1988, 399 = WM 1989, 57 = IPRspr. 1988 Nr. 154; OLG Düsseldorf vom 26.1.1988, NJW-RR 1989, 432 = EWiR 1989, 513 (Wach) = IPRspr. 1988 Nr. 152; OLG Düsseldorf vom 23.5.1996, RIW 1996, 776 = Rpfleger 1997, 12 = IPRspr. 1996 Nr. 215. BAG vom 26.2.1985, NJW 1985, 2910 = WM 1985, 1378 = IPRspr. 1985 Nr. 48, hierzu Bendref RIW 1986, 186. OLG Düsseldorf vom 21.1.1988, NJW-RR 1988, 1260 = IPRspr. 1988 Nr. 150. Siehe auch OLG Celle vom 15.6.2006, OLGR 2007, 615; OLG Celle vom 28.6.2006, OLGR 2007, 619; Kummer Juris PR-BGHZivilR 2007 Nr. 36 Anm. 4. LG Wuppertal vom 8.9.1993, NJW-RR 1994, 191 = IPRspr. 1993 Nr. 147. ArbG Augsburg vom 9.1.1980, IPRspr. 1980 Nr. 138.
Zweigniederlassung im Inland rechtlich selbständigen) Repräsentanzen peinlich, mit inländischen Kunden in eigene vertragliche Beziehungen zu treten, um eine kompetenzrechtliche Anknüpfung zu Deutschland zu vermeiden und die deutschen Kunden zu zwingen, nach der actor sequitur forum-Regel in den USA zu klagen, wo ein für die Brokerhäuser wesentlich freundlicheres Rechtsklima vorherrscht. Das findet das OLG Frankfurt779 nicht anstößig: „Da der Kläger Verträge unmittelbar mit der amerikanischen Gesellschaft geschlossen hat, hat er sich damit einverstanden erklärt, vertragliche Ansprüche nur gegen diese Gesellschaft zu begründen und solche gegebenenfalls an deren Sitz in den USA geltend zu machen. Im Übrigen kann nach deutschem Recht grundsätzlich auch die ausschließliche Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts vereinbart werden. Der Umstand, eine Forderung im Ausland einklagen zu müssen, benachteiligt einen deutschen Staatsangehörigen deshalb noch nicht unangemessen.“780 6. Kein Aktivgerichtsstand § 21 ZPO erweitert nur die Gerichtspflichtigkeit des Inhabers der Niederlassung, gibt ihm seinerseits aber nicht das Recht, an seiner Niederlassung andere zu verklagen.781
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7. Gerichtsstand der Niederlassung eines ausländischen Kreditinstituts Ein außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums domiziliertes Unternehmen 1449 muss im Inland eine Niederlassung errichten. Der auf § 21 ZPO beruhende Gerichtsstand darf nicht ausgeschlossen werden. § 53 KWG782 bestimmt: (1) Unterhält ein Unternehmen mit Sitz im Ausland eine Zweigstelle im Inland, die Bankgeschäfte betreibt oder Finanzdienstleistungen erbringt, gilt die Zweigstelle als Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsinstitut. Unterhält das Unternehmen mehrere Zweigstellen im Inland, gelten sie als ein Institut. (2) Auf die in Absatz 1 bezeichneten Institute ist dieses Gesetz mit folgender Maßgabe anzuwenden: 1. Das Unternehmen hat mindestens zwei natürliche Personen mit Wohnsitz im Inland zu bestellen, die für den Geschäftsbereich des Instituts zur Geschäftsführung und zur Vertretung des Unternehmens befugt sind, sofern das Institut Bankgeschäfte betreibt oder Finanzdienstleistungen erbringt und befugt ist, sich bei der Erbringung von Finanzdienstleistungen Eigentum oder Besitz an Geldern oder Wertpapieren von Kunden zu verschaffen. Solche Personen 779 OLG Frankfurt vom 24.3.1994, WM 1994, 1025 = WuB I G 1. – Nr. 1.95 (Marwede) = IPRspr. 1994 Nr. 31. 780 Ebenso BGH vom 22.11.1994, NJW 1995, 1225 = RIW 1995, 150 = WM 1995, 100 = IPRax 1995, 316 (Rauscher 289) = EWS 1995, 51 = EuZW 1995, 190 = IPRspr. 1994 Nr. 145; hierzu Brunkow JuS 1996, 294. 781 Ebenso für EuGVÜ und LugÜ bzw. die EuGVVO R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 5 EuGVVO Rz. 296 ff. 782 Siehe auch § 14 InvG.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit gelten als Geschäftsleiter. Sie sind zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. ... (3) Für Klagen, die auf den Geschäftsbetrieb einer Zweigstelle im Sinne des Absatzes 1 Bezug haben, darf der Gerichtsstand der Niederlassung nach § 21 Zivilprozessordnung nicht durch Vertrag ausgeschlossen werden.“ 1450 § 53 KWG gilt jedoch (mit Ausnahme des Investmentgeschäftes) nach § 53b I 2 KWG nicht für Einlagenkreditinstitute und Wertpapierhandelsunternehmen mit Sitz in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums, wenn das Unternehmen von den zuständigen Stellen des Herkunftstaats zugelassen worden ist, die Geschäfte durch die Zulassung abgedeckt sind und das Unternehmen von den zuständigen Stellen nach den Vorgaben der Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften beaufsichtigt wird. 8. Gerichtsstand des inländischen Repräsentanten für Klagen gegen eine ausländische Investmentgesellschaft, eine Verwaltungsgesellschaft oder eine Vertriebsgesellschaft im Zusammenhang mit dem öffentlichen Vertrieb von Investmentanteilen 1451 § 138 II InvG (früher § 6 II AuslandsinvG) eröffnet am Wohnsitz bzw. Sitz des inländischen Repräsentanten ein Forum gegen die Investmentgesellschaft etc.: „Für Klagen gegen eine ausländische Investmentgesellschaft, eine Verwaltungsgesellschaft oder eine Vertriebsgesellschaft, die auf den öffentlichen Vertrieb von Investmentanteilen im Geltungsbereich dieses Gesetzes Bezug haben, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Repräsentant seinen Wohnsitz oder seinen Sitz hat. Dieser Gerichtsstand kann durch Vereinbarung nicht ausgeschlossen werden.“783 1452–1458 9. Gerichtsstand der inländischen Geschäftsstelle 1459 Dieser Gerichtsstand gilt für luftverkehrsrechtliche Streitigkeiten, Art. 28 I des Warschauer Abkommens;784 ihm dürfte angesichts des Flug-Massentourismus immer größere Bedeutung zukommen.785 Siehe auch Rz. 1466. 783 Hierzu z.B. Kleinknecht, Die verbraucherschützenden Gerichtsstände im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, Diss. Mainz 2007, 174. 784 Ebenso nun auch Art. 33 I des Montrealer Übereinkommens vom 28.5.1999 zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (BGBl. 2004 II 458), welches das Warschauer Abkommen ersetzt, unten Rz. 1893a. Nachweise hierzu bei Reuschle, Montrealer Übereinkommen – Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr, 2005. Siehe auch Kleinknecht, Die verbraucherschützenden Gerichtsstände im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, Diss. Mainz 2007, 181. 785 BGH vom 23.3.1976, NJW 1976, 1587 = MDR 1976, 833 = LM Nr. 12 zum Warschauer Abkommen; BGH vom 16.6.1982, RIW 1982, 910; OLG München vom 20.9.1982, RIW 1983, 127.
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Zweigniederlassung im Inland 10. Gerichtsstand des inländischen Heimathafens bzw. des inländischen Heimatortes Dieser Gerichtsstand spielt im Seetransport- bzw. Binnenschifffahrtsrecht eine 1460 Rolle, §§ 488, 508 HGB, § 6 BinSchiffG; der EuGVVO bzw. dem EuGVÜ/LugÜ ist er unbekannt. 11. Mahnverfahren Im Mahnverfahren (Rz. 973) ist die inländische Niederlassung einer Bank bzw. Versicherungsgesellschaft mit Sitz im Ausland der „allgemeine Gerichtsstand“ im Sinne von § 689 II 1 ZPO.786
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12. Derogierbarkeit Der Gerichtsstand der Zweigniederlassung kann grundsätzlich derogiert werden. 1462 Es gelten jedoch folgende Ausnahmen: Für Klagen, die auf den Geschäftsbetrieb einer inländischen Zweigstelle eines ausländischen Kreditinstituts Bezug nehmen, kann § 21 ZPO nicht derogiert werden, § 53 III KWG (Rz. 1646; eine Schiedsvereinbarung ist jedoch zulässig).787 13. Ausschließlichkeit Die Banken-AGB (Nr. 6 II) sehen für Prozesse gegen die Bank (Passivprozesse) die ausschließliche internationale Zuständigkeit des Filialstaates vor (Gerichtsstand am Sitz der kontoführenden Stelle).788
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14. Maßgeblicher Zeitpunkt Es kommt auf den Zeitpunkt der Klageerhebung/Antragstellung an.789 Eine 1464 Schließung der Niederlassung oder ein Wegfall des Rechtsscheins (Rz. 1446a) nach diesem Zeitpunkt ist unschädlich. Wurde die Niederlassung vor Klageerhebung aufgelöst bzw. der relevante Rechtsschein beseitigt, kommt § 21 nicht zur Anwendung.790
786 BGH vom 6.4.1979, NJW 1979, 1785; AG Frankfurt/M. vom 23.11.1979, NJW 1980, 2028. Siehe auch Wagner RIW 1995, 89. 787 BGH vom 20.3.1980, BGHZ 77, 32 = NJW 1980, 2922 = RIW 1980, 432 = MDR 1980, 914 = IPRax 1981, 53 (Samtleben 43) = IPRspr. 1980 Nr. 183. 788 Mühlhausen WM 1986, 990. Zu den AGB der Schweizer Banken RG vom 9.6.1932, JW 1936, 3185 = Giur.comp.d.i.p. 7 (1941) 110 Nr. 52 (Lorenz und Eckstein) = IPRspr. 1935–1944 Nr. 532. 789 Es genügt jedoch, wenn der Zuständigkeitstatbestand des § 21 ZPO erst während des Rechtsstreits verwirklicht wurde, Rz. 1828. 790 BGH vom 12.6.2007, RIW 2007, 873, 874.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 15. Internationale Anerkennungszuständigkeit 1465 Die vorstehenden Zuständigkeitsanknüpfungen tragen auch die internationale Anerkennungszuständigkeit, § 328 I Nr. 1 ZPO.791
IX. Fora für Klagen aus Verträgen 1. Abschlussort 1466 Den Gerichtsstand des Abschlussortes kennt das internationale Luftrecht. So kann nach Art. 28 I des Warschauer Abkommens, auf das § 56 III des deutschen LuftverkehrsG792 verweist, in dem Staat geklagt werden, in dem sich die Geschäftsstelle befindet, durch welche der Vertrag abgeschlossen worden ist.793 1467 Die ZPO ließ bis 31.12.1996 den Abschlussort als Kompetenzanknüpfung – im Gegensatz zu anderen Prozessordnungen (Rz. 1582) – nur in der rudimentären Form des § 30 ZPO a.F.794 zu. Danach war für Klagen aus den auf Messen und Märkten geschlossenen Handelsgeschäften das Gericht des Messe- oder Marktortes zuständig, wenn die Klage erhoben wird, während der Beklagte oder sein zur Prozessführung berechtigter Vertreter sich am Ort oder im Bezirk des Gerichts aufhält. Diese Kompetenznorm stammte aus der Praxis des Handelsgerichts der Messestadt Leipzig.795 Sie eröffnete auch internationale Zuständigkeit, Rz. 962.796
791 Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 672. 792 In der Fassung vom 10.5.2007, BGBl. I 698. Nachweise z.B. bei Kleinknecht, Die verbraucherschützenden Gerichtsstände im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, Diss. Mainz 2007, 21. 793 Ebenso Art. 33 I des Montrealer Übereinkommens vom 28.5.1999 zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (BGBl. 2004 II 458), welches das Warschauer Abkommen ersetzt, unten Rz. 1893a. Nachweise hierzu bei Reuschle, Montrealer Übereinkommen – Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr, 2005. 794 Der Gerichtsstand des Mess- bzw. Marktortes wurde mit Wirkung zum 1.1.1997 durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Abschaffung der Gerichtsferien vom 28.10.1996 (BGBl. I 1546) beseitigt. Zu § 30 ZPO siehe Rz. 1298a. 795 Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 298. 796 Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 361. Anderer Auffassung Milleker, Der negative internationale Kompetenzkonflikt, 1975, 151. Der Begriff des Handelsgeschäfts war auch in Auslandsfällen dem § 343 HGB zu entnehmen, vor allem weil viele ausländische Rechtsordnungen diesen gar nicht kennen, Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 361.
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Fora für Klagen aus Verträgen 2. Ort der Übernahme des Gutes Diesen Gerichtsstand kennt Art. 31 I lit. b des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßenverkehr vom 19.5.1956 (CMR), Rz. 1888797 und nunmehr auch § 440 I HGB.
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3. Abgangs- und Bestimmungsort Art. 14 der Anlage zu § 664 HGB bestimmt in Ablehnung an Art. 17 des Athener 1469 Übereinkommens vom 13.12.1974 über die Passagier- und Gepäckbeförderung Rz. 1793: „Für Klagen, die auf Grund der Bestimmungen dieser Anlage erhoben werden, ist auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk sich der in dem Beförderungsvertrag bestimmte Abgangs- oder Bestimmungsort befindet.“798 Desgleichen kann in luftverkehrsrechtlichen Angelegenheiten am Bestimmungsort (= Ort der vertraglich vereinbarten letzten Landung) geklagt werden, soweit es um Schadensersatzansprüche des Fluggastes aus dem Beförderungsvertrag geht, § 56 II 1 Luftverkehrsgesetz,799 Art. 28 I Warschauer Abkommen800 und Art. 33 I Montrealer Übereinkommen. 4. Ablieferungsort Auch an dem für die Ablieferung bestimmten Ort eröffnet Art. 31 CMR801 sowie nunmehr § 440 I HGB802 ein Forum. Er baut auf der gleichen Zuständigkeitslogik auf wie der Gerichtsstand des Bestimmungsortes, Rz. 1888.
797 OLG Hamburg vom 7.11.1985, RIW 1986, 557 = IPRspr. 1985 Nr. 147. Hierzu z.B. Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 3 Rz. 346; Kreuzer/Wagner, Europäisches Internationales Zivilverfahrensrecht, in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Stand: Juni 2007 (19. Ergänzungslieferung) sub Q Rz. 96 ff.; aus österreichischer Sicht Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 28 JN Rz. 29 und nunmehr auch § 440 I HGB. 798 Hierzu Rabe, Seehandelsrecht4, 2000, Anl § 664 Art. 14 Rz. 2. 799 In der Fassung vom 10.5.2007, BGBl. I 698: „Für Klagen, die auf Grund des § 44 erhoben werden, ist außerdem das Gericht des Bestimmungsorts zuständig“. 800 BGH vom 23.3.1976, NJW 1976, 1586 = MDR 1976, 833 = IPRspr. 1976 Nr. 123b; OLG Düsseldorf vom 24.3.1975, RIW 1976, 176 = VersR 1975, 645 = IPRspr. 1975 Nr. 123a; OLG Frankfurt vom 31.1.1984, TranspR 1984, 297 = IPRspr. 1984 Nr. 41. Die luftverkehrsrechtlichen internationalen Vereinbarungen und Übereinkommen verdrängen das autonome deutsche Zuständigkeitsrecht, § 56 III 1 Luftverkehrsgesetz in der Fassung vom 10.5.2007, BGBl. I 698. 801 Zu diesem Gerichtsstand z.B. OLG Hamm vom 25.6.2001, RIW 2002, 152 = IPRspr. 2001 Nr. 145; Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 28 JN Rz. 29; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 3 Rz. 346 ff.; Kreuzer/Wagner, Europäisches Internationales Zivilverfahrensrecht, in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Stand: Juni 2007 (19. Ergänzungslieferung) sub Q Rz. 96 ff. 802 Hierzu Dubischar im Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Bd. 7a, 2000, § 440 Rz. 1.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 5. Erfüllungsort 1471 Von allergrößter Wichtigkeit für die Geltendmachung von vertraglichen Ansprüchen ist der Gerichtsstand des Erfüllungsortes (§ 29 ZPO). Dieser wird in Rz. 1481 ff. näher erläutert. 6. Zahlungsort für Wechsel- und Scheckklagen 1472 § 603 ZPO eröffnet für Wechsel- und Scheckklagen (§ 605 ZPO) an dem vom Erfüllungsort zu unterscheidenden Zahlungsort eine internationale Zuständigkeit. Ob eine ausländische Urkunde als Wertpapier einzuordnen ist, definiert das deutsche Recht. Den Zahlungsort bestimmt die lex causae aus der Sicht des deutschen internationalen Privatrechts (Art. 91 ff. WG, Art. 60 ff. ScheckG). 7. Ort der tatsächlichen Erfüllungsleistung 1473 Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ/LugÜ I bzw. nunmehr Art. 5 Nr. 1 (a) EuGVVO/LugÜ II eröffnet nicht nur an dem Ort, an dem zu erfüllen wäre (Erfüllungsort = Leistungsort), einen Gerichtsstand, sondern auch an dem Ort, an dem die Verpflichtung tatsächlich erfüllt worden ist (Ort der tatsächlichen Erfüllung).803 Ob dies der Erfüllungsort war oder nicht, spielt keine Rolle. Entscheidend ist nur, dass der Gläubiger die Leistung entgegengenommen hat. Der Ort der tatsächlichen Leistung lässt sich anhand sinnlich wahrnehmbarer Fakten bestimmen, ohne dass es besonderer kollisionsrechtlicher Betrachtungen bedürfte.804 Dieser der ZPO unbekannte Gerichtsstand steht selbständig neben dem des Erfüllungsortes.805 8. Ort der Vermögensverwaltung 1474 Für Klagen, die aus einer Vermögensverwaltung von dem Geschäftsherrn gegen den Verwalter oder von dem Verwalter gegen den Geschäftsherrn erhoben werden (nicht aber für Klagen von Dritten oder gegen Dritte), eröffnet § 31 ZPO806 ein Forum an dem Ort, wo die Verwaltung geführt wird, ohne Rücksicht darauf, wo das (zu verwaltende) Vermögen belegen ist. Dieser Gerichtsstand ist der EuGVVO bzw. dem EuGVÜ/LugÜ nicht bekannt. Das Gleiche gilt für § 43 Nr. 5 WEG (Klagen wegen Verwaltung einer Wohnungseigentümergemeinschaft). 9. Ort des Mietobjekts 1475 Für Miet- und Räumungsprozesse aller Art über Wohnraum, der nicht nur zu vorübergehendem Gebrauch (z.B. wie Ferienwohnungen) vermietet ist, begründet § 29a ZPO eine internationale Zuständigkeit dort, wo sich der Wohnraum befindet. 803 BayObLG vom 29.6.2001, RIW 2001, 862 = BB 2001, 1923 = IPRspr. 2001 Nr. 146. 804 Eine rechtliche Bewertung wird allenfalls erforderlich zur Beantwortung der Frage, was tatsächliche Leistung/Erfüllung ist. 805 R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 5 EuGVVO Rz. 143. 806 Hierzu BGH vom 12.6.2007, RIW 2007, 873, 875.
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Fora für Klagen aus Verträgen 10. Wohnsitz, ersatzweise gewöhnlicher Aufenthalt des Kunden Zum Schutze des Kunden erklärt § 29c I ZPO (vgl. auch § 26 I FernUSG) für Kla- 1476 gen aus Geschäften im Sinne des § 312 BGB das Gericht für zuständig, in dessen Bezirk der Kunde zur Zeit der Klageerhebung seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.807 Diese Norm geht als Sonderregelung dem § 29 ZPO vor. Der sachliche Anwendungsbereich ist weit auszulegen. Ratio legis ist der kompetenzrechtliche Schutz des Verbrauchers. Dieser soll davor bewahrt werden, seine Rechte bei einem möglicherweise weit entfernten Gericht gelten machen zu müssen, obwohl es der andere Vertragspartner ist, der am Wohnsitz des Verbrauchers die Initiative zu dem Vertragsabschluss ergriffen hat. Auf die Anspruchsgrundlage kommt es nicht an. Erfasst werden ohne Rücksicht auf vertragliche, deliktische oder sonstige Anspruchsgrundlagen alle Klagen, mit denen Ansprüche geltend gemacht werden, die sich auf ein Haustürgeschäft im Sinne des § 312 BGB gründen. Dies gilt auch für alle Folgeansprüche aus Haustürgeschäften, insbesondere für Ansprüche wegen Schlechterfüllung oder wegen Verschuldens bei Vertragsschluss.808 11. Betriebsort bzw. Sitz des Unternehmens Für das Beschlussverfahren, das vor allem für Streitigkeiten aus dem Betriebs- 1477 verfassungsgesetz und dem Mitbestimmungsgesetz vorgesehen ist (§ 2a ArbGG), ist die internationale Zuständigkeit nach herrschender Meinung abschließend und zwingend am Betriebsort bzw. am Sitz des Unternehmens fixiert.809 12. Abänderungsklage Soweit wiederkehrende Leistungen aus einem Vertragsverhältnis den geänderten 1478 Umständen angepasst werden sollen (§ 323 ZPO; §§ 238 ff. FamFG), ist Deutschland analog § 767 I ZPO international zuständig, wenn bereits ein Titel eines deutschen Gerichts (für die abzuändernde vertragliche Verpflichtung) vorliegt, Rz. 952, 966. 13. Gebührenklagen Für Klagen der Prozessbevollmächtigen, Beistände, Zustellungsbevollmächtigten und der Gerichtsvollzieher wegen ihres Honorars (Gebühren und Auslagen) ist der Staat des Hauptprozesses international zuständig, § 34 ZPO, Rz. 1541.
807 Hierzu z.B. Kleinknecht, Die verbraucherschützenden Gerichtsstände im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, Diss. Mainz 2007, 24 ff. 808 BGH vom 7.1.2003, NJW 2003, 1190 = BB 2003, 603. 809 Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 364. Zum geographischen Anwendungsbereich des BetrVG BAG vom 10.9.1985, AP Nr. 3 § 117 BetrVG (Beitzke) = IPRspr. 1985 Nr. 51; LAG Frankfurt/M. vom 16.12.1985, BB 1986, 1357 = IPRspr. 1985 Nr. 52.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit Dieser Gerichtsstand wurde von der EuGVVO bzw. vom LugÜ nicht rezipiert. Doch kann der Gerichtsstand des Erfüllungsortes, Art. 5 Nr. 1 EuGVVO/EuGVÜ/ LugÜ, Platz greifen. Allerdings ist bei deutschem Schuldstatut für das Anwaltshonorar gemäß § 269 BGB Erfüllungsort der Wohnsitz/Sitz des Schuldners, nicht der Ort der Kanzlei des Rechtsanwaltes.810 14. Internationale Anerkennungszuständigkeit 1480 Die vorstehenden Zuständigkeitsanknüpfungen sind via § 328 I Nr. 1 ZPO auch spiegelbildlich anzuwenden. Vgl. auch Rz. 1496.
X. Insbesondere: Gerichtsstand des inländischen Erfüllungsortes Literatur: Bauerreis, Das französische Rechtsinstitut der action directe und seine Bedeutung in internationalen Vertragsketten, 2002; Hackenberg, Der Erfüllungsort von Leistungspflichten unter Berücksichtigung des Wirkungsortes von Erklärungen im UN-Kaufrecht und der Gerichtsstand des Erfüllungsortes im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, Diss. Freiburg/Br. 2000; Henk, Die Haftung für culpa in contrahendo im IPR und IZVR, 2007; Herget, Die internationale Zuständigkeit im Electronic Commerce in der Europäischen Union, Diss. Regensburg, 2006; Hertz, Jurisdiction in Contract and Tort under the Brussels Convention, 1998; von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht9, 2007, § 3 Rz. 49 ff.; Ignatova, Art. 5 Nr. 1 EuGVO – Chancen und Perspektiven der Reform des Gerichtsstands am Erfüllungsort, Diss. Konstanz 2005; Klemm, Erfüllungsortvereinbarungen im Europäischen Zivilverfahrensrecht, 2005; Lynker, Der besondere Gerichtsstand am Erfüllungsort in der Brüssel I-Verordnung, Diss. Bonn 2006; Mankowski in Dieterich/Neef/Schwab (ed.), Arbeitsrecht-Blattei sub Arbeitsgerichtsbarkeit V – E. Internationale Zuständigkeit 160.5.5 Rz. 382 ff.; Mumelter, Der Gerichtsstand des Erfüllungsortes im Europäischen Zivilprozessrecht, Diss. Innsbruck 2007; Ost, Doppelrelevante Tatsachen im Internationalen Zivilverfahrensrecht – Zur Prüfung der internationalen Zuständigkeit bei den Gerichtsständen des Erfüllungsortes und der unerlaubten Handlung, Diss. Heidelberg 2002; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 294 ff.; Scheuermann, Internationales Zivilverfahrensrecht bei Verträgen im Internet: Eine rechtsvergleichende Untersuchung des deutschen, europäischen und US-amerikanischen Zuständigkeitsrechts sowie der Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 2004, 82 ff.; Schley, Das französische Produkthaftungsrecht und die bei grenzüberschreitenden Vertragsketten im deutsch-französischen Rechtsverkehr auftretenden Probleme, 2001; Wipping, Der europäische Gerichtsstand des Erfüllungsortes – Art. 5 Nr. 1 EuGVVO, 2008.
810 BGH vom 11.11.2003, NJW 2004, 54 = LMK 2004, 119 (Patzina); BGH vom 4.3.2004, FamRZ 2004, 398 = BB 2004, 910 = BGHReport 2004, 841; OLG Düsseldorf IPRspr. 2005 Nr. 99.
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Gerichtsstand des inländischen Erfüllungsortes 1. Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis Ob eine Streitigkeit aus einem Vertragsverhältnis vorliegt, ist nach der vom 1481 deutschen internationalen Privatrecht berufenen lex causae zu beurteilen, Rz. 1493.811 2. Bestimmung des Erfüllungsorts nach der lex causae Der Erfüllungsort ist nach der lex causae zu bestimmen, also nach derjenigen 1482 Rechtsordnung, die nach deutschem internationalem Privatrecht auf die eingeklagte Verbindlichkeit zur Anwendung kommt.812 Die Auslegung, wonach der Erfüllungsort nach dem für die streitige Verpflichtung maßgebenden Recht zu bestimmen ist, habe den Vorteil, dass das zuständige Gericht zugleich das Gericht des Ortes ist, an dem die betreffende Verpflichtung nach dem auf sie anwendbaren Recht zu erfüllen ist. Die Erwägung, dass der Erfüllungsort in der Regel der Ort ist, der die engste Verbindung zwischen Streitigkeit und zuständigem Gericht aufweist, sei aber im Interesse einer sachgerechten Prozessführung für die in Art. 5 Nr. 1 für Vertragsklagen vorgesehene Zuständigkeitsregel ausschlaggebend gewesen. Da die Kollisionsnormen zur Bestimmung des auf den Vertrag anwendbaren Rechts mit dem Übereinkommen vom 19.6.1980 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht in den Vertragsstaaten (nunmehr Rom I-Verordnung) vereinheitlicht worden sind, bestehe auch nicht die Gefahr, dass das für die Ermittlung des Erfüllungsorts maßgebende Recht nach Maßgabe des angerufenen Gerichts unterschiedlich bestimmt werden kann. Es sei Sache des in diesem Bereich allein zuständigen nationalen Gesetzgebers, den Erfüllungsort in einer Weise festzulegen, die sowohl dem Interesse einer geordneten Rechtspflege als auch dem eines ausreichenden Schutzes des Einzelnen angemessen Rechnung trägt. So könne das Gericht, soweit es durch das nationale Recht hierzu ermächtigt ist, den Erfüllungsort in der Weise bestimmen, dass
811 Anders dagegen Pfeiffer, Handbuch der Handelsgeschäfte, 1999, § 22 Rz. 83 sowie Staudinger/Hausmann, Neubearbeitung 2002, Anhang II zu Art. 27–37 EGBGB Rz. 48 (lex fori). 812 Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 325 Fußn. 1340; R. Geimer WM 1976, 1288 und EuR 1977, 356; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 303; von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht9, 2007, § 3 Rz. 51; Mankowski in Dieterich/Neef/Schwab (ed.), Arbeitsrecht-Blattei sub Arbeitsgerichtsbarkeit V – E. Internationale Zuständigkeit 160.5.5 Rz. 389; OLG Hamm vom 14.8.1985, IPRspr. 1985 Nr. 143; OLG Saarbrücken vom 13.10.1999, NJW 2000, 670 = IPRspr. 1999 Nr. 129; BAG vom 20.4.2004, IPRax 2006, 254 (Franzen 221) = AP ZPO § 38 Nr. 21 (Mankowski) = DB 2004, 2483 = BB 2004, 2360 = IPRspr. 2004 Nr. 110. Anders Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 269 ff. Der lex causae-Ansatz gilt auch im Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 5 Nr. 1 (a) (c) EuGVVO, nicht jedoch im Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 (b) EuGVVO, EuGH vom 6.10.1976, Rs 12/76 – Tessili/Dunlop Slg. 1976, 1473 = NJW 1977, 491 (R. Geimer) sowie EuGH vom 28.9.1999, Rs C-440/97 – GIE Groupe Concorde u.a./Kapitän des Schiffes „Suhadiwarno Panjan“ u.a. NJW 2000, 729 = RIW 1999, 951 = IPRax 2000, 399 (Hau 354).
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit es nach der Art des Schuldverhältnisses und den Umständen des Einzelfalls den Ort ermittelt, an dem die Leistung tatsächlich erbracht worden ist oder werden sollte,813 und zwar auch im Anwendungsbereich des Einheitlichen Kaufrechts.814 Es gibt keinen eigenen prozessualen Erfüllungsortsbegriff oder nur ein Forum am Erfüllungsort der vertragscharakteristischen Leistung.815 Wo der Schuldner nach materiellem Recht (welches das internationale Privatrecht bestimmt) zu leisten hat, ist er auch gerichtspflichtig.816 Anders ist es jedoch im Anwendungsbereich des Art. 5 Nr. 1 (b) EuGVVO.817 Danach ist der Erfüllungsort der Verpflichtung – für den Verkauf beweglicher Sachen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag geliefert worden sind oder hätten geliefert werden müssen; – für die Erbringung von Dienstleistungen der Ort in einem Mitgliedstaat, an dem sie nach dem Vertrag erbracht worden sind oder hätten erbracht werden müssen. 3. Maßgeblicher Erfüllungsort 1483 § 29 ZPO knüpft – wie Art. 5 Nr. 1 (a) (c) EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ818 – an den Erfüllungsort für die eingeklagte Forderung an. Es genügt nicht, dass irgendeine Verpflichtung aus dem Vertragsverhältnis in Deutschland erfüllt werden muss.819 § 29 ZPO eröffnet also eine internationale Zuständigkeit Deutschlands 813 Nachweise bei R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A l – Art. 5 EuGVVO Rz. 76 ff., 93 ff. 814 EuGH vom 29.6.1994, Rs C-288/92 – Custom Made Commercial/Stawa Metallbau Slg. 1994, 2913 = NJW 1995, 183 = RIW 1994, 676 = JZ 1995, 244 (R. Geimer). Vorlage BGH vom 26.3.1992, RIW 1992, 756 = IPRax 1992, 373 (Jayme 357) = EuZW 1992, 514 (R. Geimer) = EWS 1992, 282 = MDR 1992, 996 = IPRspr. 1992 Nr. 181b. 815 Hierfür jedoch Kropholler/von Hinden in Gedächtnisschrift Lüderitz, 2000, 401; Vischer/Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht2, 2000, Rz. 226. 816 Anderer Auffassung Schack IPRax 1986, 82; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 679. Zweifelnd Otte, Umfassende Streitentscheidung durch Beachtung von Sachzusammenhängen – Gerechtigkeit durch Verfahrensabstimmung?, 1998, 775 ff.; Ost, Doppelrelevante Tatsachen im Internationalen Zivilverfahrensrecht – Zur Prüfung der internationalen Zuständigkeit bei den Gerichtsständen des Erfüllungsortes und der unerlaubten Handlung, Diss. Heidelberg, 2002, 10 ff. Zum internationalen Erfüllungsortsgerichtsstand bei Bau- und Architektenverträgen Kartzke ZfBR 1994, 1 sowie BGH vom 7.12.2000, NJW 2001, 1936 = EWiR 2001, 625 (Wenner) = IPRspr. 2000 Nr. 133: Ort des Bauwerks, wenn Architekt Planung und Bauaufsicht übernimmt. 817 Hierzu z.B. bei R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 5 EuGVVO Rz. 83 ff.; Mankowski TranspR 2008, 67; Mankowski IHR 2009, 46. 818 Hierzu außer den Kommentaren zum EuGVÜ/LugÜ Simotta in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 88 JN Rn. 69 ff. – Anders aber Art. 5 Nr. 1 (b) EuGVVO. 819 Anders früher (vor dem Reformgesetz vom 31.5.1995) das italienische Recht, hierzu z.B. Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 312.
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Gerichtsstand des inländischen Erfüllungsortes nur dann, wenn die streitgegenständliche Verbindlichkeit im Inland erfüllt werden muss.820 Für jede vertragliche Hauptpflicht ist mithin der Erfüllungsort selbständig zu be- 1484 stimmen.821 Für arbeitsrechtliche Streitigkeiten eröffnet Art. 19 Nr. 2 (a) EuGVVO ein Forum am gewöhnlichen Arbeitsort des Arbeitnehmers für alle Klagen aus dem Arbeitsverhältnis.822
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4. Klagen, welche das gesamte Vertragsverhältnis betreffen Zwar begründet der Erfüllungsort für eine der Vertragspflichten nicht au- 1486 tomatisch eine internationale Zuständigkeit Deutschlands für alle aus dem Vertragsverhältnis fließenden Verbindlichkeiten. Dies schließt nicht aus, für Feststellungs- und Gestaltungsklagen, die den Bestand des gesamten Vertragsverhältnisses betreffen, an jedem Erfüllungsort für eine vertragliche Hauptpflicht eine internationale Zuständigkeit gestützt auf § 29 ZPO zu eröffnen.823 5. Streit über Bestehen/Nichtbestehen des Vertragsverhältnisses Auch dieser fällt unter § 29 ZPO, wie sich aus dem Wortlaut dieser Kompetenz- 1487 norm ergibt. Weniger deutlich Art. 5 Nr. 1 EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ. Doch in der Sache gibt es keine Abweichung.824
820 Anders aber Art. 5 Nr. 1 (b) EuGVVO. 821 Vgl. z.B. zum Erfüllungsort für den vom Verkäufer geschuldeten Kaufpreisrückzahlungsanspruch BGH vom 22.10.1980, BGHZ 78, 257 = NJW 1981, 1158 = RIW 1981, 123 = MDR 1981, 313 = IPRax 1981, 129 (Schlechtriem 113) = IPRspr. 1980 Nr. 146. Gegen Forum am Ort der vertragscharakteristischen Leistung außerhalb des Art. 5 Nr. 1 (b) EuGVVO EuGH vom 6.10.1976, Rs 14/76 – De Bloos/Bouyer Slg. 1976, 1497 sowie EuGH vom 15.1.1987, Rs 266/85 – Shenavai/Kreischer Slg. 1987, 239 = EWiR 1987, 245 (R. Geimer) = NJW 1987, 1131, ergangen aufgrund der Vorlage des LG Kaiserslautern vom 5.3.1985, IPRspr. 1985 Nr. 135, und für § 29 ZPO BGH vom 22.10.1987, NJW 1988, 966 (kein einheitlicher Erfüllungsort bei Handelsvertreterverhältnis); OLG Schleswig IPRax 1993, 95 (M. Vollkommer 79). Siehe auch Staudinger/ Hausmann, Neubearbeitung 2002, Anhang II zu Art. 27–37 EGBGB Rz. 59. 822 Vgl. bereits EuGH vom 26.5.1982, Rs 133/81 – Ivenel/Schwab Slg. 1982, 1891 = RIW 1982, 908 = IPRax 1983, 173 (Mezger 153). Näher R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 5 EuGVVO Rz. 120 ff. sowie Art. 19 EuGVVO Rz. 4. 823 Grunsky RIW 1977, 5; R. Geimer NJW 1977, 493. Anderer Auffassung OLG Frankfurt, RIW 1980, 585; danach soll es auf den „für den Kläger hauptsächlichen Anspruch“ ankommen. Ebenso OLG Stuttgart vom 7.8.1998, RIW 1999, 782 = IPRax 1999, 103 (Wolf 82) = IPRspr. 1998 Nr. 152. Zweifelnd für Vertragsaufhebungsklage OLG München vom 26.2.1980, RIW 1980, 728 = MDR 1980, 1024 = IPRspr. 1980 Nr. 141. 824 R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 5 EuGVVO Rz. 27.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 6. Culpa in contrahendo 1488 Auch Ansprüche aus culpa in contrahendo sind nach bisher vorherrschender Auffassung unter § 29 ZPO zu subsumieren.825 Angesichts des Umstands, dass die Rom II-Verordnung (Art. 2 I) den culpa in contrahendo-Komplex deliktisch qualifiziert,826 erscheint es nicht ausgeschlossen, dass auch im Anwendungsbereich des nationalen Zuständigkeitsrechts ein Meinungsumschwung in Richtung § 32 ZPO erfolgen wird. 7. Besonderheit des Art. 57 des Wiener VN-Übereinkommens über Verträge über den internationalen Warenkauf vom 11.4.1980827 1489 Gemäß Art. 57 des Wiener Internationalen Kaufrechts hat der Käufer den Kaufpreis am Ort der Niederlassung bzw. des Aufenthalts des Verkäufers zu zahlen. Danach ist – anders als nach BGB (§ 270 IV)828 – der Zahlungsort identisch mit dem Erfüllungsort. Deshalb ist das Verkäuferland international zuständig für die Kaufpreisklage829 gegen den im Ausland ansässigen Käufer.830 Schadensersatz ist aber dort zu leisten, wo die Parteien ihre entsprechende Vertragsverpflichtung hätten erfüllen müssen.831
825 Bernstein RabelsZ 41 (1977), 290. Umfangreiche Nachweise bei Ost, Doppelrelevante Tatsachen im Internationalen Zivilverfahrensrecht – Zur Prüfung der internationalen Zuständigkeit bei den Gerichtsständen des Erfüllungsortes und der unerlaubten Handlung, Diss. Heidelberg, 2002, 119. Anders der EuGH zum EuGVÜ bzw. nunmehr zu der EuGVVO, EuGH vom 17.9.2002, Rs C-334/00 – Fonderie Officine Meccaniche Tacconi SpA/Heinrich Wagner Sinto Maschinenfabrik GmbH (HWS) NJW 2002, 3159 Rz. 23 ff. = EuZW 2002, 655 = IPRax 2003, 143 (Mankowski 127). 826 Siehe auch Art. 1 II (i) Rom I-Verordnung und für Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ (nunmehr EuGVVO) EuGH vom 17.9.2002 – Rs C-344/00, NJW 2002, 3159 Rz. 23 ff = IPRax 2003, 143 (Mankowski 127). 827 BGBl. 1989 II 588. 828 OLG Karlsruhe vom 11.5.1977, IPRspr. 1977 Nr. 126 und OLG Hamm vom 3.10.1979, RIW 1980, 662. 829 Ausnahme: Art. 14 II EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 16 II EuGVVO, Rz. 1285. 830 OLG Bamberg vom 5.11.1976, NJW 1977, 505, 506; = IPRspr. 1976 Nr. 144; BGH vom 4.4.1979, NJW 1979, 1782 = RIW 1979, 639; OLG Zweibrücken vom 4.11.1983, IPRspr. 1983 Nr. 142; OLG Hamm vom 27.2.1985, IPRax 1986, 104 (Schack 82) = RIW 1985, 406 = IPRspr. 1985 Nr. 134; OLG Koblenz vom 24.5.1985, IPRax 1986, 105 (R. Geimer 85) = RIW 1986, 459 = IPRspr. 1985 Nr. 139; OLG Frankfurt vom 28.1.1987, EWiR 1987, 631 (Thamm) = IPRspr. 1987 Nr. 15, hierzu Mezger RIW 1978, 335; IPRax 1985, 264; Jayme IPRax 1985, 303. Ebenso für EuGVÜ EuGH vom 29.6.1994, Rs C-288/92 – Custom Made Commercial/Stawa Metallbau Slg. 1994, 2913 = NJW 1995, 183 = RIW 1994, 676 = JZ 1995, 244 (R. Geimer); Vorlage: BGH vom 26.3.1992, RIW 1992, 756 = IPRax 1992, 373 (Jayme 357) = EuZW 1992, 514 (R. Geimer) = EWS 1992, 282 = MDR 1992, 996 = IPRspr. 1992 Nr. 181b. – Anders Art. 5 Nr. 1 (b) EuGVVO. 831 OLG Celle vom 2.3.1984, RIW 1985, 571 = IPRax 1985, 284 (Duintjer Tebbens 262) = IPRspr. 1984 Nr. 134.
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Gerichtsstand des inländischen Erfüllungsortes 8. Vertraglich vereinbarter Erfüllungsort Der vertraglich vereinbarte Erfüllungsort eröffnet nur in den Grenzen des § 29 II 1490 ZPO die internationale Zuständigkeit Deutschlands.832 Vgl. auch Rz. 1791. Die Wirksamkeit der Vereinbarung über den Erfüllungsort ist nach dem Vertragsstatut zu beurteilen. Jedoch kann die Vereinbarung durch Teilverweisung einem anderen Recht unterstellt werden.833 Diese Einschränkungen gelten aber nicht im Anwendungsbereich des Art. 5 1491 Nr. 1 EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ. Dort genügt auch eine formlose Vereinbarung über den Erfüllungsort. Die Formvorschriften des Art. 23 I 3 EuGVVO bzw. des Art. 17 I EuGVÜ/LugÜ sind nicht anzuwenden, sofern nach dem Willen der Parteien eine Festlegung des Erfüllungsortes, nicht des Forums beabsichtigt war.834 An dieser Rechtslage hat Art. 5 Nr. 1 EuGVVO nichts geändert. Da Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ/LugÜ und Art. 5 Nr. 1 (a) EuGVVO wegen des Erfüllungs- 1491a ortes auf die lex causae verweist (Rz. 1485), bestimmt diese – anders als im Anwendungsbereich des Art. 17 EuGVÜ/LugÜ bzw. des Art. 23 EuGVVO (Rz. 1645, 1684) – auch darüber, ob die in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Erfüllungsortsklausel Vertragsbestandteil geworden ist.835 Im Gegensatz zu Art. 17 EuGVÜ/LugÜ (Rz. 1692) bzw. Art. 23 EuGVVO befindet die lex causae auch über eine Missbrauchskontrolle.836
832 OLG Nürnberg vom 28.11.1984, NJW 1985, 1296 = RIW 1985, 890, 892 = IPRspr. 1984 Nr. 150. 833 Rauscher IPRax 1992, 146; Staudinger/Hausmann, Neubearbeitung 2002, Anhang II zu Art. 27–37 EGBGB Rz. 82. 834 EuGH vom 17.1.1980, Rs 56/79 – Zelger/Salinitri Slg. 1980, 89 = NJW 1980, 1218 = WM 1980, 720 (Schütze) = RIW 1980, 726 = IPRax 1981, 89 (Spellenberg 75); BGH vom 7.7.1980, RIW 1980, 725, 726 = MDR 1980, 1005 = WM 1980, 1148 = IPRax 1981, 93 (Spellenberg 75) = IPRspr. 1980 Nr. 137b; BGH vom 17.10.1984, NJW 1985, 560 = RIW 1985, 148 = IPRspr. 1984 Nr. 146; R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 5 EuGVVO Rz. 125; anders ist es jedoch, wenn die Parteien mit der Vereinbarung über den Erfüllungsort nicht den gesetzlichen Erfüllungsort verändern wollten, sondern nur eine Zuständigkeitsvereinbarung im Auge hatten, EuGH vom 20.2.1997, Rs C-106/95 – MSG/Les Gravières Rhénanes Slg. 1997, I-977 = NJW 1997, 1431 = RIW 1997, 415. 835 Zur Einbeziehung des § 65a ADSp. OLG Hamburg vom 31.10.1985, RIW 1987, 149 = IPRspr. 1985 Nr. 45 sowie OLG Dresden vom 24.11.1998, RIW 1999, 968, 969 = IPRax 2000, 121 (Haubold 91) = IPRspr. 1998 Nr. 162; weitere Nachweise bei Bydlinski in Münchener Kommentar zum HGB, 1997, vor § 1 ADSp Rz. 28 ff. 836 Allgemein zur Anwendbarkeit des § 9 AGBGB (nunmehr § 307 BGB) auf Gerichtsstandsvereinbarungen im kaufmännischen Rechtsverkehr Wagner, Prozessverträge, 1998, 137; Pfeiffer NJW 1999, 3674, 3685; Basedow in Münchener Kommentar zum BGB4, 2001, § 12 AGBG Rz. 40 ff.; Karsten Schmidt in Münchener Kommentar zum HGB2, 2009, vor § 343 Rz. 43.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 9. Anspruchskonkurrenz 1492 Im Forum des § 29 ZPO ist über alle Anspruchsgrundlagen, die mit der vertraglichen konkurrieren, mitzuentscheiden (Hauptbeispiel: Klage wird auf Vertragsverletzung und Delikt gestützt), Rz. 1523.837 10. Darlegungs- und Beweislast 1493 § 29 ZPO eröffnet nur dann eine internationale Zuständigkeit, wenn der Gegenstand der Klage nach der vom internationalen Privatrecht (Art. 3 ff. Rom I-Verordnung,838 bisher Art. 27 ff. EGBGB) bestimmten lex causae als vertraglicher Anspruch zu qualifizieren ist.839 1494 Nach herrschender Meinung840 genügt für die Begründung der Zuständigkeit die schlüssige Behauptung des Klägers, Rz. 1826. Dies reicht aber nicht aus. Vielmehr muss der äußere Tatbestand – im Falle der Säumnis des Beklagten – vom Kläger substantiiert dargelegt und im Rahmen der Amtsprüfung des Gerichts bewiesen werden.841 – Vgl. auch Rz. 1526. 11. Beispiele 1495 Der Kompetenzbezug des Erfüllungsorts (für die vertragliche Verbindlichkeit, welche den Gegenstand der Klage bildet) spielt eine große Rolle für die Eröffnung eines Forums in Deutschland bei nahezu allen Vertragstypen. In Betracht
837 R. Geimer NJW 1974, 1045; R. Geimer IPRax 1986, 80; Spellenberg ZZP 1991 (1978), 49; OLG Stuttgart vom 7.12.2005, NJW-RR 2006, 1362 = OLGR 2006, 452 = IPRspr. 2005 Nr. 128; hierzu Handorn, Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte kraft Sachzusammenhangs, IHR 2007, 25. Anderer Auffassung BGH vom 10.12.2002, BGHZ 153, 173 = NJW 2003, 828 = VersR 2003, 663 (Spickhoff) = ZIP 2003, 1860 = JZ 2003, 687 (Mankowski) = JR 2003, 374 (Humberg) = LMK 2003, 71 (Patzina) = IPRspr. 2002 Nr. 160; BGH vom 6.11.1973, NJW 1974, 410 (R. Geimer 1045) = WM 1974, 182 = IPRspr. 1973 Nr. 137; BGH vom 28.2.1996, BGHZ 132, 105 = NJW 1996, 1411 = FamRZ 1996, 601 = IPRax 1997, 187 (Mankowski 173) = JZ 1997, 88 (Gottwald) = LM § 29 ZPO Nr. 8 (R. Geimer) = ZZPInt 2 (1997), 117 (U. Wolf) = IPRspr. 1996 Nr. 142; Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozessrecht – Überlegungen zur Bewältigung von multi-fora disputes, 1996, 243 (für § 32 ZPO). Vgl. Rz. 1868. – Rechtsvergleichendes zum Thema „Anspruchskonkurrenz“ bei Helm, Haftung für Schäden an Frachtgütern, 1966, 286; Richter-Hannes RabelsZ 51 (1987), 375. 838 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. EU Nr. L 177 vom 4.7.2008, S. 6. 839 Anders dagegen für Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ (autonome konventionsimmanente Bestimmung) EuGH vom 22.3.1983, Rs 34/82 – Peters/Zuid Nederlandse Aannemers Verenigung Slg. 1983, 987 = IPRax 1984, 85 (Schlosser 65) = RIW 1983, 871; EuGH vom 27.10.1998, Rs C-51/97 – Réunion européenne Slg. 1998 I 6511 = IPRax 2000, 186. 840 OLG Saarbrücken vom 2.8.2007, OLGReport 2007, 796, 797; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 603. 841 Zustimmend Ost, Doppelrelevante Tatsachen im Internationalen Zivilverfahrensrecht – Zur Prüfung der internationalen Zuständigkeit bei den Gerichtsständen des Erfüllungsortes und der unerlaubten Handlung, Diss. Heidelberg, 2002, 81.
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Gerichtsstand des inländischen Erfüllungsortes kommen vor allem Kauf- und Lieferverträge,842 Werk- und Geschäftsbesorgungsverträge,843 Anwalts-, Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungsverträge,844 Handelsvertreterverträge845 und Arbeitsverträge.846 Selbst die Geschäftsführerpflichten nach § 43 GmbHG sollen als „Vertragspflichten“ im Gerichtsstand des Erfüllungsorts einklagbar sein.847 12. Internationale Anerkennungszuständigkeit Stützt sich die internationale Zuständigkeit des Erststaates auf den Gerichts- 1496 stand des Erfüllungsortes (§§ 328 I Nr. 1, 29 ZPO), so ist nach dem internationalen Privatrecht des Erststaates (nicht nach deutschem IPR) die maßgebliche lex causae zu bestimmen.848 § 29 II ZPO (Rz. 1490) ist nicht für die internationale Anerkennungszuständigkeit (§ 328 I Nr. 1 ZPO) heranzuziehen. Im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung (§ 328 I Nr. 1 ZPO) genügt die schlüssige Behauptung der Zuständigkeitstatsachen nicht; vielmehr sind die Voraussetzun842 Der Käufer kann an seinem Wohnsitz/Sitz auf Wandlung klagen, da die Pflicht zur Rückzahlung des Kaufpreises Geldschuld ist. Solche sind nach englischem common law Bringschulden. Erfüllungsort für die Rückgewährpflicht ist also der Sitz des Käufers, OLG Hamm vom 14.8.1985, IPRspr. 1985 Nr. 143. 843 Zum einheitlichen Erfüllungsort am Ort des Bauwerks für alle Ansprüche aus dem Bauvertrag OLG Koblenz vom 27.3.1987, NJW-RR 1988, 1401 = IPRspr. 1987 Nr. 125. Erfüllungsort bezüglich Beherbergungs- bzw. Hotelaufnahmevertrag OLG Nürnberg vom 28.11.1984, NJW 1985, 1296 = IPRspr. 1984 Nr. 150. 844 Erfüllungsort für Schadensersatzansprüche wegen Schlechterfüllung des Dienstvertrages eines Steuerberaters ist in der Regel der Ort seiner Kanzlei, BayObLG vom 7.3.1996, MDR 1996, 850. 845 Beim Handelsvertretervertrag ist Erfüllungsort für Provisionszahlungs-, Ausgleichsund Aufwandsersatzverpflichtung im Zweifel der Sitz des Unternehmers, LG München II vom 17.9.1984, IPRspr. 1984 Nr. 142; BGH vom 22.10.1987, NJW 1988, 966 = MDR 1988, 376 = ZIP 1988, 436 = EWiR 1988, 489 (von Hoyningen-Huene) = IPRspr. 1987 Nr. 121b; OLG Karlsruhe vom 22.10.1985, IPRspr. 1987 Nr. 121a. Dem Unternehmer ist Erfüllung am Sitz des Handelsvertreters nicht zumutbar; er ist auf die an seinem Sitz befindlichen Unterlagen angewiesen. 846 LAG Düsseldorf vom 7.2.1984, RIW 1984, 651 = IPRspr. 1984 Nr. 132 („wirtschaftlichtechnischer Mittelpunkt des Arbeitsverhältnisses“); LAG Frankfurt a.M. vom 4.1.1984, IPRax 1986, 107 (Coester-Waltjen 88). Der Arbeitnehmer hat Überzahlungen am Betriebssitz zurückzuzahlen, BGH vom 26.11.1984, NJW 1985, 1286 = RIW 1985, 241 = IPRspr. 1984 Nr. 149. 847 OLG Celle vom 12.1.2000, RIW 2000, 710. 848 R. Geimer NJW 1975, 1088; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1528; R. Geimer in Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 328 Rz. 117. Anderer Auffassung Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 679; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 230. Weitere Nachweise bei Ost, Doppelrelevante Tatsachen im Internationalen Zivilverfahrensrecht – Zur Prüfung der internationalen Zuständigkeit bei den Gerichtsständen des Erfüllungsortes und der unerlaubten Handlung, Diss. Heidelberg, 2002, 137. Unentschieden OLG Koblenz vom 16.10.2003, RIW 2004, 302 = NJOZ 2004, 3369 = IPRspr. 2003 Nr. 184.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit gen des § 29 ZPO in dem in Rz. 1826 dargelegten Umfang ohne Bindung an die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen des ausländischen Erstgerichts zu prüfen, auch wenn diese als sog. „doppelrelevante“ Tatsachen meritorische Bedeutung haben. Dies ist kein Verstoß gegen das Verbot der révision au fond (Rz. 2910), Rz. 1531, 2906.849 13. Europarats-Konventionen 1496a Die Europäischen Übereinkommen über Fremdwährungsschulden vom 11.12.1967 und über den Ort der Zahlung von Geldschulden vom 16.5.1972 (zu zahlen ist grundsätzlich am gewöhnlichen Aufenthalt/Geschäftssitz des Gläubigers) sind noch nicht in Kraft getreten.
XI. Ort der unerlaubten Handlung – Forum delicti commissi Literatur: Adolphsen, Das Territorialprinzip im europäischen Patentrecht, ZZPInt 11 (2006), 137; C. Berger, Die internationale Zuständigkeit bei Urheberrechtsverletzungen in Internet-Websites auf Grund des Gerichtsstands der unerlaubten Handlung nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO, GRUR Int. 2005, 465; Bruhns, Das Verfahrensrecht der internationalen Konzernhaftung – Durchsetzung von Konzernhaftungsansprüchen bei grenzüberschreitenden Unternehmensverbindungen im Rahmen der EuGVVO unter besonderer Berücksichtigung des deutschen und französischen Rechts, 2006; Fricke, Der Unterlassungsanspruch gegen Presseunternehmen zum Schutz des Persönlichkeitsrechts im IPR, Diss. München 2003; Girsberger, Erfolg mit dem Erfolgsort bei Vermögensdelikten, in Festschrift Siehr, 2000, 219; Hager/Hartmann, Internationale Zuständigkeit für vorbeugende Immissionsabwehrklagen, IPRax 2005, 266; von Hein, Deliktischer Kapitalanlegerschutz im europäischen Zuständigkeitsrecht, IPRax 2005, 17; von Hein, Das Günstigkeitsprinzip im internationalen Deliktsrecht, 1999; Hertz, Jurisdiction in Contract and Tort under the Brussels Convention, 1998; Heinze, Einstweiliger Rechtsschutz im europäischen Immaterialgüterrecht, 2007; Hootz, Durchsetzung von Persönlichkeits- und Imaterialgüterrechten bei grenzüberschreitenden Verletzungen in Europa unter besonderer Berücksichtigung des deutsch-britischen Verhältnisses, 2004; Hye/Knudsen, Marken-, Patent- u Urheberrechtsverletzungen im europäischen Internationalen Zivilprozessrecht, 2005; Junkers, Anwendbares Recht und internationale Zuständigkeit bei Urheberrechtsverletzungen im Internet, 2002; Kadner-Graziano, Gemeineuropäisches Internationales Privatrecht. Harmonisierung des IPR durch Wissenschaft und Lehre (am Beispiel der außervertraglichen Haftung für Schäden), 2002, 463 ff.; Kubis, Internationale Zuständigkeit bei Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechtsverletzungen, 1999; Kurtz, Grenzüberschreitender einstweiliger Rechts849 R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 102, 163. Zustimmend Ost a.a.O. 139; OLG Koblenz vom 16.10.2003, RIW 2004, 302 = NJOZ 2004, 3369 = IPRspr. 2003 Nr. 184. Ebenso für § 32 ZPO BGH vom 25.11.1993, BGHZ 124, 237 = NJW 1994, 1413 = RIW 1994, 331 = IPRax 1995, 101 (Gottwald 75) = LM § 32 ZPO Nr. 15 (R. Geimer) = ZZP 108 (1995), 359 (Koch) = IPRspr. 1993 Nr. 180.
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Ort der unerlaubten Handlung schutz im Immaterialgüterrecht, 2004; Lindacher, Die internationale Dimension lauterkeitsrechtlicher Unterlassungsansprüche: Marktterritorialität versus Universalität, GRURInt 57 (2008), 453; Linden, Die Enforcement-Richtlinie 2004/48/EG und ihre nationale Umsetzung in Deutschland, Diss. München 2006; Löffler, Mediendelikte im IPR und IZPR: Persönlichkeitsverletzungen durch Medien im Spiegel des deutschen, französischen, schweizerischen und österreichischen Rechts unter Berücksichtigung des Internets und des Gegendarstellungsanspruchs, 2000; Luckey, Internationale Urheber- und Persönlichkeitsverletzungen im Internet, 2002; Mankowski in Dieterich/Neef/Schwab (ed.), Arbeitsrecht-Blattei sub Arbeitsgerichtsbarkeit V – E. Internationale Zuständigkeit 160.5.5 Rz. 475 ff.; Markesinis, Tort Law5, 2003; Mahlmann, Schaden und Bereicherung durch die Verletzung „geistigen Eigentums“: Die Anspruchshöhe bei Verletzungen gewerblicher Schutzrechte, bei Urheber-, Persönlichkeits- und Wettbewerbsrechtsverletzungen. Eine vergleichende Untersuchung des deutschen, französischen und englischen Rechts unter Berücksichtigung der RL 2004/48/EG, 2005; Ost, Doppelrelevante Tatsachen im Internationalen Zivilverfahrensrecht – Zur Prüfung der internationalen Zuständigkeit bei den Gerichtsständen des Erfüllungsortes und der unerlaubten Handlung, Diss. Heidelberg 2002; Reichardt, Internationale Zuständigkeit im Gerichtsstand der unerlaubten Handlung bei Verletzung europäischer Patente, Diss. Trier, 2006; Reichardt, Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bei immaterialgüterrechtlichen Klagen, IPRax 2008, 330; Schack, Abwehr grenzüberschreitender Immissionen im dinglichen Gerichtsstand, IPRax 2005, 262; Schauwecker, Zur internationalen Zuständigkeit bei Patentverletzungsklagen, GRUR Int 2008, 96; Schauwecker, Extraterritoriale Patentverletzungsjurisdiktion, Diss. München, 2008; Schwarz, Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung nach deutschem und europäischem Zivilprozessrecht, 1991; Thiele, Der Gerichtsstand bei Wettbewerbsverstößen im Internet, öJZ 1999, 711 ff.; Wüllrich, Das Persönlichkeitsrecht des Einzelnen im Internet – das Persönlichkeitsrecht in Deutschland unter Berücksichtigung des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts sowie der nationalen Haftungsvorschriften, 2006; Wyss, Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung im schweizerischen und internationalen Zivilprozessrecht, Diss. Bern 1997. – Rechtsvergleichung bei McLachlan/Nygh (ed.), Transnational Tort Litigation: Jurisdictional Principles, Oxford 1996 (insbesondere Schlosser 59 ff.); Zigann, Entscheidungen inländischer Gerichte über ausländische gewerbliche Schutzrechte und Urheberrechte, Diss. München 2001, 2002. 1. Ratio legis „Wo Unrecht getan wurde, darf Abhilfe begehrt werden.“850 Dieses Anliegen wiegt schwerer als das Interesse des Beklagten, in seinem Wohnsitzstaat verklagt 850 Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 169. Siehe auch Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz im Recht der internationalen Zuständigkeit, 1998, 127. Zum Sinn und zur Rechtfertigung des Gerichtsstandes der unerlaubten Handlung Ost, Doppelrelevante Tatsachen im Internationalen Zivilverfahrensrecht – Zur Prüfung der internationalen Zuständigkeit bei den Gerichtsständen des Erfüllungsortes und der unerlaubten Handlung, Diss. Heidelberg 2002, 13 mit weiteren Nachweisen.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit zu werden. Wer einen anderen (rechtswidrig) schädigt, muss auch am Tatort Genugtuung leisten. Der favor defensoris851 muss den Klägerinteressen weichen. Es ist dem Geschädigten nicht zuzumuten, dass er dem Schädiger an dessen Wohnsitz folgt. Daneben spielt der Gesichtspunkt der Beweisnähe eine untergeordnete Rolle; denn es handelt sich nur um einen konkurrierenden Gerichtsstand. Dem Kläger bleibt es unbenommen, den Beklagten an dessen Wohnsitz zu belangen. 1498 Auch der Gesichtspunkt der Rechtsnähe ist nicht von tragender Bedeutung, weil § 32 ZPO keinen Gleichlauf zwischen Zuständigkeit und anwendbarem Recht voraussetzt.852 Beispiel: Das deutsche Gericht wendet nach dem in Deutschland geltenden internationalen Privatrecht (Art. 4 ff. Rom II-Verordnung853 bzw. Art. 40 EGBGB) ein fremdes Deliktsrecht an. 2. Anwendungsbereich 1499 Possessorische (§ 862 BGB) und negatorische Ansprüche (§ 1004 BGB) will die herrschende Meinung ausschließlich dem dinglichen Gerichtsstand (§ 24 ZPO) zuweisen. Demgemäß könnten Unterlassungsansprüche wegen grenzüberschreitender Immissionen nur im Gerichtsstand des belästigten Grundstücks eingeklagt werden; dies führt zu einer massiven Verkürzung der Rechtsschutzmöglichkeiten des Geschädigten. Deshalb steht auch in solchen Fällen das forum delicti commissi854 zur Verfügung, Rz. 1521.855 § 32 ZPO eröffnet auch gegen jeden Mittäter (§ 830 BGB) ein Forum,856 ohne Rücksicht auf seinen Tatbeitrag. Das Gleiche gilt für Anstifter oder Gehilfen.857 3. Alternative Anknüpfung an den Handlungs- und den Erfolgsort 1500 Bei Distanzdelikten kann der Geschädigte wählen, ob er am Handlungs- oder Erfolgsort klagt. Daraus folgt aus deutscher Sicht: Für Klagen aus Delikten oder Quasidelikten ist gemäß § 32 ZPO die internationale Zuständigkeit Deutsch851 Von „Sympathie für den Geschädigten“ spricht Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 11. Zurückhaltender von Hein, Das Günstigkeitsprinzip im internationalen Deliktsrecht, 1999, 57 ff. 852 von Hein, Das Günstigkeitsprinzip im internationalen Deliktsrecht, 1999, 129. 853 Verordnung (EG) Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. EU Nr. L 199, S. 40. 854 § 32 ZPO; Art. 5 Nr. 3 EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ. 855 Birk, Schadensersatz und sonstige Restitutionsformen im IPR, 1969, 211; Kohler in Bothe/Prieur/Ress, Rechtsfragen grenzüberschreitender Umweltbelastungen, 1984, 163; Heß a.a.O. 21; Kreuzer in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch3, 1998, Art. 38 EGBGB Anh. I Rz. 42 Fußn. 193; siehe auch Schack BerDGVR 32 (1992) 330; Schack IPRax 2005, 262, 265. 856 BGH vom 6.2.1990, NJW-RR 1990, 604; BGH vom 22.11.1994, NJW 1995, 1225; OLG Düsseldorf vom 20.12.2007, IPRax 2009, 158 (Stefan Huber 134); Heß ZZPInt 1 (1996), 371, 380; Weller IPRax 2000, 202, 205 Fußn. 19. 857 OLG Düsseldorf vom 20.12.2007 IPRax 2009, 158 (Stefan Huber 134).
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Ort der unerlaubten Handlung lands – ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit der Parteien und ihren Wohnort – gegeben, wenn entweder der Handlungsort oder der Erfolgsort im Inland liegt.858 Für die Eröffnung der internationalen Deliktszuständigkeit Deutschlands für die „Aburteilung“ des gesamten Komplexes genügt, wenn nur ein Teil der deliktischen Handlung(en) im Inland vorgenommen wurde859 bzw. ein Teil des Erfolgs im Inland eingetreten ist.860 Handlungsort ist der Ort des ursächlichen Geschehens,861 allerdings nur soweit 1500a die Handlung (dort) bereits rechtswidrig war. Da § 22 KUG nicht das Anfertigen von Bildnissen ohne Einwilligung des Abgebildeten verbietet, sondern nur das Verbreiten, ist der Ort, an dem das Foto für eine nur im Ausland verbreitete Zeitschrift angefertigt wurde, nicht zuständigkeitsbegründend.862 Der Handlungsort ist überall da gegeben, wo der Täter bzw. ein Mittäter eine auf die Verwirklichung des Deliktstatbestands gerichtete Tätigkeit vorgenommen hat: bei Übermittlung von Willenserklärungen im Wege der Telekommunikation der Ort, an dem die Kundgabe optisch oder akustisch wahrgenommen wird.863 Bei Delikten im Internet liegt für die Haftung für fehlerhafte Produkte (z.B. vi- 1500b renverseuchte Software), Computerhacking, Äußerungsdelikte oder Verletzung von Firmen- und Namensrechten der kompetenzbegründende Erfolgsort dort, wo die Rechtsgutverletzung tatbestandsmäßig eingetreten ist, also am Aufenthalts- bzw. Abnahmeort des Nutzers und am Belegenheitsort des Computers.864 Der Handlungsort ist sowohl der Ort der Herstellung als auch der Ort, an dem die Ladung in das Netz erfolgt. Bei Verletzung von Marken, Firmen- und Namensrechten sowie sonstigen Kennzeichnungsrechten ist überall dort ein Forum eröffnet, wo die Daten aus dem Internet bestimmungsgemäß abrufbar sind.865 Im Wettbewerbs- und Immaterialgüterrecht ist der Erfolgsort im Inland belegen, wenn sich der Internet-Auftritt bestimmungsgemäß dort auswirken soll. Der Werbende kann das Verbreitungsgebiet der Werbung im Internet durch einen sog. Disclaimer einschränken, in dem er ankündigt, Adressaten in einem bestimmten Land nicht zu beliefern. Dieser muss aber eindeutig gestaltet und auf-
858 BGH vom 8.1.1981, BGHZ 80, 1 = VersR 1981, 458 = IPRax 1982, 158 = IPRspr. 1981 Nr. 24. Vgl. Rz. 1105 sowie die Nachweise bei Schack BerDGVR 32 (1992) 331 Fußn. 111 sowie bei Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, 2003, 303 ff. 859 OLG Stuttgart vom 7.12.2005, NJW-RR 2006, 1326 = OLGR 2006, 452 = IPRspr. 2005 Nr. 128. 860 RG JW 1936, 1291. 861 R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 5 EuGVVO Rz. 248 ff.; Mankowski in Dieterich/Neef/Schwab (ed.), Arbeitsrecht-Blattei sub Arbeitsgerichtsbarkeit V – E. Internationale Zuständigkeit 160.5.5 Rz. 476 ff. 862 AG Hamburg vom 15.11.1988, RIW 1990, 319 = IPRspr. 1989 Nr. 179a; AG Hamburg vom 6.12.1988, RIW 1990, 320 = IPRspr. 1989 Nr. 179b. Kritisch Kubis, Internationale Zuständigkeit bei Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechtsverletzungen, 1999, 123. 863 OLG Koblenz vom 25.6.2007, OLGR 2008, 30. 864 KG vom 27.2.1996, NJW 1997, 332. 865 Bachmann IPRax 1998, 179, 184; Mankowski GRUR Int 1999, 919, 995; LG München I vom 21.9.1999, RIW 2000, 466 = CR 2000, 464 (Röhrborn) = IPRspr. 1999 Nr. 126; OLG Hamburg vom 2.5.2002, IPRax 2004, 125 (Kurtz 107).
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit grund seiner Aufmachung als ernst gemeint aufzufassen sein sowie vom Werbenden auch tatsächlich beachtet werden.866 4. Irrelevanz des Schadensortes 1501 Kompetenzrechtlich irrelevant ist der Ort, an dem der Schaden eingetreten ist.867 Der Begehungsort ist der „Ort, an dem das ursächliche Ereignis, das die deliktische oder quasi-deliktische Haftung auslöst, seine schädigenden Auswirkungen unmittelbar gegenüber demjenigen entfaltet, der dessen unmittelbares Opfer ist“. Eine internationale Zuständigkeit wird – neben dem Handlungsort – nur eröffnet am Erfolgsort, d.h. dort, wo der primäre Verletzungserfolg der (unerlaubten) Handlung eingetreten ist.868 Beispiel: Verkehrsunfall an der französisch-belgischen Grenze auf belgischem Territorium. Verletzt wird ein Münchner, dieser stirbt in einem Krankenhaus in Frankreich. Seine Witwe in München macht Ansprüche wegen entgangenen Unterhalts etc. geltend. Deutschland ist aufgrund des Art. 5 Nr. 3 EuGVVO nicht international zuständig; denn dort liegt nur der Schadensort. Fraglich, ob Frankreich international zuständig ist als das Land, in welchem der schädigende Erfolg (Tod) eingetreten ist. Bei körperlichen Verletzungen hinge diese internationale Zuständigkeit davon ab, ob das Opfer stirbt oder nicht. 1502 Zwar ist eine Tat nicht nur dort begangen, wo der Täter gehandelt hat, sondern auch dort, wo der Erfolg seiner Handlung eingetreten ist. Dies gilt aber nur insoweit, als ohne den Erfolg die Handlung nicht vollendet wäre. Die unerlaubte Handlung ist auch dort begangen, wo der primäre Verletzungserfolg eingetreten ist.869 Es ist aber ohne Belang, ob und wo ein über den Verletzungserfolg hinausreichender Schaden oder weitere Schadensfolgen eingetreten sind.870 866 BGH vom 13.10.2004 JZ 2005, 736 (Ohly) = RIW 2005, 465 – Hotel Maritime = RIW 2005, 465, 466 = GRUR 2005, 431, 432 = WRP 2005, 493, 494 = GRUR Int. 2005, 433 = MMR 2005, 239, 240 = CR 2005, 359, 360 (Junker) = IPRspr. 2004 Nr. 126; hierzu Berlit LMK 2005, 78; Mankowski RIW 2005, 561, 569; BGH 30.3.2006 IPRax 2007, 446, 448 (Koos 414). Siehe auch OLG München vom 21.9.2006, IPRax 2007, 531 (Rosenkranz 524). 867 BGH vom 3.5.1977, NJW 1977, 1590 = MDR 1977, 740 = Ufita 81 (1978), 197 = LM § 32 ZPO Nr. 9 = IPRspr. 1977 Nr. 124; BGH vom 24.9.1986, BGHZ 98, 263 = NJW 1987, 592 = MDR 1987, 228 = RIW 1986, 991 = JR 1987, 157 (Schlosser) = IPRax 2000, 159 (Hausmann 140) = MDR 1987, 228 = LM Nr. 9 zu § 175 ZPO = EWiR 1987, 93 (R. Geimer) = Rpfleger 1987, 26 = WM 1986, 1444 = EWiR 1987, 93 (R. Geimer) = IPRspr. 1986 Nr. 144; weitere Nachweise bei Mankowski in Dieterich/Neef/Schwab (ed.), Arbeitsrecht-Blattei sub Arbeitsgerichtsbarkeit V – E. Internationale Zuständigkeit 160.5.5 Rz. 479; Weller IPRax 2000, 202, 205. Ebenso EuGH vom 11.1.1990, Rs 220/88 Slg. 1990, 149 = EuZW 1990, 34 = NJW 1991, 631. 868 Ausführlich Kubis, Internationale Zuständigkeit bei Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechtsverletzungen, 1999, 119 ff. 869 Bei Täuschungshandlungen stellt LG Düsseldorf vom 31.7.2002, WuW/E DE-R 999 = IPRspr. 2002 Nr. 31 auf Täuschungserfolg ab, d.h. auf den ort, wo dieser eingetreten ist. 870 BGH vom 14.5.1969, BGHZ 52, 108, 111 = NJW 1969, 1532, 1533; BGH vom 3.5.1977, NJW 1977, 1590 = MDR 1977, 740 = Ufita 81 (1978), 197 = LM § 32 ZPO Nr. 9 =
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Ort der unerlaubten Handlung Nur diese Auslegung wird dem Zweck des § 32 ZPO gerecht: Der Gerichtsstand 1503 des Handlungsortes soll dort eröffnet werden, wo die sachliche Aufklärung und Beweiserhebung in der Regel am besten, sachlichsten und mit den geringsten Kosten erfolgen kann. Das ist grundsätzlich nicht dort der Fall, wo die (weiteren) Schadensfolgen auftreten, sondern eben nur am Handlungs- oder Verletzungsort. Die gegenteilige Auffassung würde dem Kläger in allen Fällen, in denen er einen Anspruch aus unerlaubter Handlung einklagt, einen Gerichtsstand dort eröffnen, wo er sein betroffenes Vermögen verwaltet, also in der Regel an seinem Wohnsitz, weil ihn dort der Schaden mindestens auch betrifft oder weil er ihn dort „fühlt“. Einen solchen Klägergerichtsstand wollte § 32 ZPO nicht schaffen. Ein solcher würde die Klägerinteressen unangemessen überbewerten auf Kosten der Zuständigkeitsinteressen des Beklagten (Schutz vor unzumutbaren Fora).871 In World-Wide Volkswagen v. Woodson872 vertrat der US Supreme Court sogar 1504 die Auffassung, es entspreche nicht den von der US-Verfassung garantierten Grundsätzen eines fairen Zivilprozesses, am Ort des bloßen Schadenseintritts den als angeblichen Schädiger in Anspruch genommenen Beklagten gerichtspflichtig zu machen. Es fehle an jeder Überschaubarkeit für den Beklagten ex ante. „The Due Process Clause . . . gives a degree of predictability to the legal system which allows potential defendants to structure their primary conduct with some minimum assurance as to where that conduct will or will not render them liable to suit.“873 5. Heranziehung des maßgeblichen Deliktsrechts bei der Abgrenzung des Erfolgsortes von dem kompetenzrechtlich unbeachtlichen Schadensort Mit Recht hat der BGH874 eine kollisionsrechtliche Komponente in die Diskussi- 1505 on um die Abgrenzung des Erfolgs- vom Schadensort eingeführt.875 Es ging um folgenden Fall: Eine Weinkellerei in Cochem ließ eine von ihr in Italien bestellte und dort auch von dem von ihr beauftragten Spediteur mit einem Tanklastzug abgeholte Weinlieferung wegen zu geringen Alkoholgehalts wieder zurückschicken und klagte an ihrem Sitz die Kosten für den Spediteur und den Sachver-
871 872 873 874
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IPRspr. 1977 Nr. 124. Sehr weit zieht die Grenzen des § 32 ZPO das BayObLG vom 27.3.2003, MDR 2003, 893 und vom 22.1.2004, Rpfleger 2004, 365. Zustimmend OLG Stuttgart vom 6.7.1998, RIW 1998, 809 = NJW-RR 1999, 138 = IPRspr. 1998 Nr. 147. 444 US 286 (1980). Hierzu Hay ZZP 107 (1994), 261. – Zweifel an der Vereinbarkeit mit Art. 6 I EMRK bei Matscher JBl. 1983, 514. BGH vom 24.9.1986, BGHZ 98, 263 = NJW 1987, 592 = MDR 1987, 228 = RIW 1986, 991 = JR 1987, 157 (Schlosser) = IPRax 2000, 159 (Hausmann 140) = MDR 1987, 228 = LM Nr. 9 zu § 175 ZPO = EWiR 1987, 93 (R. Geimer) = Rpfleger 1987, 26 = WM 1986, 1444 = EWiR 1987, 93 (R. Geimer) = IPRspr. 1986 Nr. 144. Siehe auch den ähnlichen Fall des OLG Koblenz vom 25.6.2007 OLGR 2008, 30. Dagegen hat sich (bisher) der EuGH gesträubt, Urteil vom 10.6.2004, Rs C-168/02 – Rudolf Kronhofer/Marianne Meier, Christian Möller, Winfried Hofius und Zeki Karan Slg. 2004, I-6009 = RIW 2004, 625 = IPRax 2005, 32 (von Hein 17) = ZfRV 2004, 236. Hierzu Blobel EuLF 2004, 187; Jayme/Kohler IPRax 2004, 481, 488.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit ständigen mit der Begründung ein, hier liege der Erfolgsort der unerlaubten Handlung, weil sie hier die Kosten des Spediteurs und des Sachverständigen verauslagt habe. Die Klägerin machte Ansprüche aus § 823 II BGB in Verbindung mit weinrechtlichen Bestimmungen geltend.876 1506 Ob hiernach eine unerlaubte Handlung schlüssig vorgetragen und das schädigende Ereignis im Inland eingetreten ist und demgemäß nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ die Zuständigkeit Deutschlands zu bejahen wäre, will der Bundesgerichtshof nach dem maßgeblichen Deliktsrecht beurteilen. 1507 In concreto legte er deutsches Deliktsrecht zugrunde, weil die Parteien stillschweigend die Anwendung deutschen Deliktsrechts vereinbart hatten. Diese hatten die Haftung der Beklagten aus unerlaubter Handlung übereinstimmend ausschließlich unter dem Gesichtspunkt des § 823 II BGB in Verbindung mit den weinrechtlichen Bestimmungen erörtert und damit zu erkennen gegeben, dass sie eine Entscheidung auf der Grundlage des deutschen Deliktsrechts anstreben, Rz. 2573. 1508 Aus der Sicht des deutschen Deliktsrechts kommt der BGH zu dem Schluss, dass das schädigende Ereignis nicht im Inland eingetreten ist. Der bloße Umstand, dass die Klägerin an ihrem Sitz in Cochem die Kosten für den Transport des Weins gezahlt hat, besage für den Ort des schädigenden Ereignisses noch nichts. Dafür könne der mehr oder weniger zufällige Zahlungsort nicht ausschlaggebend sein. 1509 Als Ort des schädigenden Ereignisses komme neben dem Handlungsort allenfalls noch der Ort der tatbestandsmäßigen Deliktsvollendung in Betracht.877 1510 In Deutschland liege weder der Ort, an dem die – gegen die weinrechtlichen Vorschriften verstoßenden – Ausführungshandlungen begangen wurden, noch der Ort, an dem der Erfolg dieser Ausführungshandlungen, der durch die weinrechtlichen Bestimmungen verhindert werden soll, eingetreten ist. Die von der Klägerin vorgetragenen unerlaubten Handlungen seien vielmehr bis zu ihrer tatbestandsmäßigen Vollendung ausschließlich in Italien zu lokalisieren. Dort wurde der Wein der Klägerin bzw. dem ihrerseits beauftragten Frachtführer übergeben und damit in Verkehr gebracht (§ 45 VIII, § 67 I Nr. 1, 2, § 69 IV WeinG a.F.). Ebenso wurden die – angeblich unrichtigen – Begleitdokumente in Italien ausgestellt und übergeben. Auch die behauptete Irreführung über die Qualität der Weinerzeugnisse, vor der die weinrechtlichen Bestimmungen den Verkehr zu schützen bezwecken, sei in Italien erfolgt, als ihr Beauftragter im Vertrauen auf die Richtigkeit der Qualitätsangaben der Beklagten den Wein zum Transport übernahm. An ihrem inländischen Sitz habe sich die Klägerin durch
876 Sie hat vorgetragen, der als „Tafelwein“ gelieferte Wein habe mit 8,88 Vol.-% Alkohol den EWG-Vorschriften über den Mindestalkoholgehalt für Tafelwein der Weinbauzone C II (9 Vol.-%) gem. Anhang II Nr. 11 der EWG-VO 337/79 (EWG-ABl. Nr. L 54/5/32) nicht entsprochen. Damit liege ein Verstoß gegen § 67 I Nr. 2, III in Verbindung mit § 46 I, II WeinG und die erwähnte EWG-Verordnung vor. 877 R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 5 EuGVVO Rz. 253.
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Ort der unerlaubten Handlung diese Qualitätsangaben nicht irreführen lassen, weil sie den Wein stante pede zurückgesandt hat.878 Die Entscheidung des BGH ist im Ergebnis richtig. Die Frage ist nur, ob die kolli- 1511 sionsrechtlichen Betrachtungen unerlässlich waren oder ob es – jedenfalls im Regelfall – möglich ist, den Erfolgsort vom bloßen Schadensort losgelöst von der lex causae abzugrenzen.879 Dies wäre die zuständigkeitspolitisch vorzuziehende Lösung, da die kollisionsrechtliche Komponente die Zuständigkeitsprüfung verkompliziert.880 Man darf gespannt sein, wie sich die Rechtsprechung weiter entwickeln wird. 1512 Wahrscheinlich wird man auf die Dauer ohne Heranziehung des maßgeblichen Deliktstatuts nicht zu praktikablen Ergebnissen kommen, weil – vor allem bei Verstoß gegen Verhaltenspflichten – sich ohne Rückgriff auf die lex causae allenfalls der Handlungs-, aber nicht mehr der Erfolgsort bestimmen lässt.881 6. Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts882 Hier spricht viel dafür, als Verletzungsort, an dem sich die unerlaubte Handlung 1513 vollendet, auch noch den Wohnort oder ständigen Aufenthaltsort des Betroffenen anzusehen; denn die Achtung, die er in der Gesellschaft genießt, und sein Ruf werden in der Regel dort, wo sie „belegen“ sind, gestört. Unerheblich ist es – vom Fall der Formalbeleidigung abgesehen –, ob, wo und wodurch der Betroffene von der Verletzung seines Persönlichkeitsrechts erfährt, weil die Beeinträchtigung unabhängig davon eintritt. Damit scheiden als Verletzungsorte alle die aus, an denen der Betroffene mehr oder weniger zufällig von der gegen ihn gerichteten unerlaubten Handlung erfährt.883
878 Anders jedoch der Fall des OLG Koblenz vom 25.6.2007, OLGR 2008, 30: Hier wurde der Wein in Deutschland eingelagert. Der kompetenzrechtlich relevante Erfolgsort beim Inverkehrbringen von verkehrsunfähigem Wein sei auch der Lagerungs- u Verarbeitungsort. 879 Vgl. auch Kubis, Internationale Zuständigkeit bei Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechtsverletzungen, 1999, 125 ff. 880 Vgl. in diesem Zusammenhang auch AG Neustadt/Weinstr. vom 23.2.1984, IPRspr. 1984 Nr. 133 (bei einem durch eine fehlerhaft konstruierte Felge verursachten Unfall ist eine Zuständigkeit an dem Ort des Erwerbs/Kaufs des Kfz nicht eröffnet, sondern am Unfallort). 881 R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 5 EuGVVO Rz. 260. Vgl. auch Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, Anh. I Art. 5 EuGVVO Rz. 15. Anderer Auffassung Stoll IPRax 1989, 90. 882 Nachweise z.B. bei Roth, Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bei Persönlichkeitsverletzungen im Internet, 2007; Wüllrich, Das Persönlichkeitsrecht des Einzelnen im Internet – das Persönlichkeitsrecht in Deutschland unter Berücksichtigung des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts sowie der nationalen Haftungsvorschriften, 2006. 883 Nachweise bei Löffler, Mediendelikte im IPR und IZPR: Persönlichkeitsverletzungen durch Medien im Spiegel des deutschen, französischen, schweizerischen und österreichischen Rechts unter Berücksichtigung des Internets und des Gegendarstellungsanspruchs, 2000.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 1514 Für Persönlichkeitsverletzungen, die mittels Veröffentlichung von Presseerzeugnissen begangen werden, ist jedoch der Begehungsort auf den Ort ihrer Verbreitung zu beschränken.884 Wo das Persönlichkeitsrecht des Geschädigten außerhalb des Verbreitungsgebietes des Presseerzeugnisses wirklich gestört worden ist, lässt sich nicht oder nur schwer feststellen. Der Annahme einer solchen Störung am Wohnort könnten z.B. dann Zweifel begegnen, wenn die beanstandete Veröffentlichung weit davon entfernt in einem Presseorgan erfolgt, das nur ein begrenztes Verbreitungsgebiet hat und dessen Leser keine Beziehungen zum Lebenskreis des Geschädigten an dessen Wohnsitz haben, wie das vor allem bei ausländischen Druckerzeugnissen oft der Fall ist. Würde man als Verletzungsort den Wohnort bzw. ständigen Aufenthaltsort des Betroffenen ansehen, so würde der ausländische Herausgeber oder Redakteur stets auch im Inland für die Verletzung von Persönlichkeitsrechten gerichtspflichtig, selbst wenn er mit einer Verletzung der Persönlichkeitssphäre des Betroffenen außerhalb des Verbreitungsgebietes seines Presseerzeugnisses nicht rechnete; seine Gerichtspflichtigkeit würde unangemessen ausgedehnt.885 1515 Für Klagen wegen Verletzung des Persönlichkeitsrechts mittels Presseerzeugnissen ist also zuständigkeitsrechtlich relevant einmal der Erscheinungsort des Druckwerks, zum anderen aber der Ort, an dem dieses verbreitet wird; denn die Verbreitung stellt noch einen Teil der Verletzungshandlung dar. Von einem Verbreiten kann jedoch nur die Rede sein, wenn der Inhalt des Druckwerks dritten Personen bestimmungsgemäß und nicht bloß zufällig zur Kenntnis gebracht wird. Es reicht nicht aus, wenn nur hie und da einmal durch Dritte ein oder mehrere Exemplare in ein Gebiet gelangen, das von der Vertriebsorganisation des Verlegers oder Herausgebers nicht regelmäßig beliefert wird und so außerhalb des üblichen, von der Zeitschrift etc. erreichten Gebiets wohnenden Lesern zur Kenntnis kommt. Erst recht ist ein die Zuständigkeit des § 32 ZPO begründender Vertrieb zu verneinen, wenn jemand ein Exemplar nur zu dem Zweck bezieht, um dadurch (an seinem Wohnort) erst den Gerichtsstand des Begehungsortes zu begründen, Rz. 1015.886 Bei Fernsehsendungen ist die Bundesrepublik Deutschland international zuständig, wenn die Fernsehsendung des ausländischen Senders in ihrem Gebiet verbreitet wurde.887
884 Ebenso aus englischer Sicht Lennox Lewis & Ors v. Don King [2004] EWCA Civ. 1329 [C.A.]. Vgl. auch House of Lords vom 10.2.2005 – Polanski v. Condé Nast Publications Ltd. [2005] UKHL 10; [2005] 1 WLR 637; [2005] 1 All ER 945; RIW 2006, 301 (Knöfel 303). 885 Ähnlich die Wertung in § 7 II StPO, BGH vom 3.5.1977, NJW 1977, 1590 = MDR 1977, 740 = Ufita 81 (1978), 197 = LM § 32 ZPO Nr. 9 = IPRspr. 1977 Nr. 124; zum Gerichtsstand des Erscheinungsortes allgemein BGH vom 27.6.1997, NJW 1997, 2828. Zur kollisionsrechtlichen Anknüpfung (Art. 40 I 2 EGBGB) nach dem Günstigkeitsprinzip BGH vom 19.12.1995, BGHZ 131, 332 = NJW 1996, 1128 = JZ 1997, 39 (Forkel) = GRUR 1996, 923 (Nixdorf 842) = LM Art. 2 GG Nr. 66 (Vinck) = IPRspr. 1995 Nr. 39. – Vgl. auch Rz. 1516. 886 Staudinger/von Hoffmann/Fuchs, Neubearbeitung 2001, Art. 38 EGBGB Rz. 259b. 887 OLG München vom 17.9.1986, OLGZ 1987, 216 = RIW 1988, 647 = IPRspr. 1986 Nr. 142.
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Ort der unerlaubten Handlung 7. Verletzung des Namensrechts Eine internationale Zuständigkeit Deutschlands ist nach § 32 ZPO eröffnet, 1515a wenn der Name im Inland verwendet wird. Bei Domain-Namen genügt die bestimmungsgemäße Abrufbarkeit im Inland.888 8. Unlauterer Wettbewerb Der Bundesgerichtshof hat die deutsche internationale Zuständigkeit aufgrund § 32 ZPO auch bejaht für Rechtsstreitigkeiten über die Zulässigkeit von Werbeanzeigen in ausländischen Zeitschriften, die im Wege des regelmäßigen Zeitschriftenvertriebs in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verbracht werden.889 Vom Verbreiten einer Zeitung bzw. Zeitschrift kann aber dann nicht gesprochen werden, „wenn nur da und dort einmal durch Dritte ein Stück oder eine Mehrzahl von Stücken der ausländischen Druckereierzeugnisse über die Grenze gelangt“. Anders ist es dagegen bei regelmäßiger Versendung durch den Zeitungsverlag.890
1516
Neben § 32 ZPO kann auch § 14 UWG Grundlage der internationalen Zuständig- 1517 keit Deutschlands sein.891 Bei wettbewerbswidrigen Handlungen im Sinne des UWG wird als „Begehungserfolg“ jedoch allgemein nicht der möglicherweise dadurch verursachte „Schaden“ angesehen, so dass dabei nicht darauf abzustellen ist, wo letztlich der „Schaden“ eingetreten ist.892 Der „Begehungsort“ in diesem
888 OLG Karlsruhe vom 9.6.1999, MMR 1999, 604 = IPRspr. 1999 Nr. 39; OLG München vom 15.11.2001, NJW 2002, 611 = CR 2002, 449 (Mankowski) = IPRspr. 2001 Nr. 154; OLG Karlsruhe vom 10.7.2002, CR 2003, 375 = MMR 2002, 814 (Mankowski) = IPRspr. 2002 Nr. 124; LG Hamburg vom 3.8.2001, GRUR Int. 2002, 163 (Pellens/Peitsch) = I.L.Pr. 2003, 297 = IPRspr. 2002 Nr. 120a; OLG Hamburg vom 2.5.2002, CR 2003, 837 = MMR 2002, 822 = IPRax 2004, 125 (Kurtz) = IPRspr. 2002 Nr. 120b. 889 BGH vom 23.10.1970, MDR 1971, 111 = GRUR 1971, 153 = IPRspr. 1970 Nr. 97; OLG Düsseldorf vom 6.2.1970, NJW 1970, 1008 = GRUR Int. 1970, 164 = IPRspr. 1970 Nr. 96; OLG Celle vom 2.2.1977, GRUR Int. 1977, 238 = IPRspr. 1977 Nr. 119; OLG Frankfurt vom 27.9.1984, NJW 1985, 568 = IPRspr. 1984 Nr. 118. Ausführliche Nachweise z.B. bei Brömmelmeyer, Internetwettbewerbsrecht, 2007; Puhr, Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bei unlauterem Wettbewerb im Internet, 2005. 890 RG vom 10.1.1936, JW 1936, 1291 = Giur.comp.d.i.p. 7 (1941) 89 Nr. 41 (Lorenz) = IPRspr. 1935–1944 Nr. 439. Vgl. auch Soergel/Lüderitz, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 38 EGBGB Rz. 129 – Zum Auseinanderfallen von Werbe- und Absatzmarkt Sack IPRax 1992, 24. 891 Lindacher, Die internationale Dimension lauterkeitsrechtlicher Unterlassungsansprüche: Marktterritorialität versus Universalität, GRUR Int. 57 (2008), 453, 454; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 689; Otte, Umfassende Streitentscheidung durch Beachtung von Sachzusammenhängen – Gerechtigkeit durch Verfahrensabstimmung?, 1998, 575. Siehe auch Kleinknecht, Die verbraucherschützenden Gerichtsstände im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, Diss. Mainz 2007, 26. 892 Siehe auch LG Hamburg vom 3.8.2001, GRUR Int. 2002, 163 (Pellens/Peitsch) = I.L.Pr. 2003, 297 = IPRspr. 2002 Nr. 120a; OLG Hamburg vom 2.5.2002, CR 2003, 837 = MMR 2002, 822 = IPRax 2004, 125 (Kurtz) = IPRspr. 2002 Nr. 120b.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit Sinne ist vielmehr ausschließlich der „Ort der Interessenkollision“, d.h. unlauterer Wettbewerb wird in der Regel nur dort als begangen angesehen, wo wettbewerbliche Interessen aufeinander stoßen.893 Entscheidend ist also der Marktort.894 1517a Der Grund für die restriktive Auslegung des § 32 ZPO in Wettbewerbssachen liegt in einer unzulässigen Vermengung von forum und ius (Rz. 1527).895 Man will eine Wettbewerbshandlung, die vom Inland aus gesteuert wird, aber die Interessen von Mitbewerbern oder der Allgemeinheit nur auf einem ausländischen Markt tangiert, deshalb nicht als (auch) im Inland begangen ansehen (Distanzdelikt), weil ein inländischer Wettbewerber in seinem Auslandswettbewerb mit ausländischen Konkurrenten benachteiligt werde, wenn er im Ausland dem strengen deutschen Wettbewerbsrecht unterliege. Die Anwendung des am ausländischen Markt geltenden liberalen Wettbewerbsrechts wird nicht erwogen.896 Der Handlungsort im Sinne der kollisionsrechtlichen Anknüpfung ist also nicht identisch mit dem für die Kompetenzanknüpfung nach § 32 ZPO relevanten.897 1517b
Das OLG Hamm bejaht allerdings die internationale Zuständigkeit Deutschlands gemäß § 32 ZPO aufgrund von Steuerungsmaßnahmen im Inland, wenn sich der Wettbewerb auf dem ausländischen Markt ausschließlich zwischen inländischen Unternehmen abspielt und sich der unlautere Wettbewerb nur gegen den inländischen Mitbewerber richtet.898 Doch ergibt sich die internationale Zuständigkeit bereits aus §§ 12 ff. ZPO, Rz. 1089a, 1281.
1517c Ist demnach eine wettbewerbswidrige Teilhandlung im Inland zu lokalisieren, so ist die internationale Zuständigkeit Deutschlands für den gesamten Lebenssachverhalt begründet, also auch für im Ausland begangene Teilhandlungen.899 1518 Bei Wettbewerbsverstößen verdrängt die wettbewerbsrechtliche Regelung den deliktsrechtlichen Unternehmensschutz nach den §§ 823 I, 1004 BGB. Die Haftung nach § 823 I BGB tritt wegen ihres subsidiären Charakters nur ein, wenn eine andere Rechtsgrundlage nicht gegeben ist und der Zusammenhang der auf dem jeweiligen Rechtsgebiet geltenden Normen ergibt, dass eine Lücke besteht,
893 BGH vom 20.12.1963 – Stahlexport, BGHZ 40, 391, 395 = MDR 1964, 390 = NJW 1964, 969 = IPRspr. 1962–1963 Nr. 161; BGH vom 23.10.1970, MDR 1971, 111 = GRUR 1971, 153 ff., 154 = IPRspr. 1970 Nr. 97; OLG Celle vom 2.2.1977, GRUR 1977, 238 = IPRspr. 1977 Nr. 119; OLG München vom 2.4.1986, DB 1986, 1173 = MDR 1986, 679 = IPRspr. 1986 Nr. 131; OLG Stuttgart vom 22.8.1986, NJW-RR 1987, 292 = RIW 1987, 945 = GRUR 1987, 925 = IPRspr. 1986 Nr. 141. 894 OLG Düsseldorf vom 16.6.1998, CR 1998, 536 (Immenga) = IPRspr. 1998 Nr. 123. Ausführlich Lindacher, Die internationale Dimension lauterkeitsrechtlicher Unterlassungsansprüche: Marktterritorialität versus Universalität, GRURInt 57 (2008), 453, 454. Siehe auch Staudinger/Fezer/Koos, Internationales Wirtschaftsrecht, Neubearbeitung 2006, Rz. 733 ff. 895 Hierzu auch Koos IPRax 2007, 414, 416. 896 Zum Marktortprinzip im internationalen Wettbewerbsrecht BGH vom 26.11.1997, NJW 1998, 1227 = RIW 1998, 398 = IPRspr. 1997 Nr. 128. 897 Zustimmend Lindacher in Festschrift Nakamura, 1996, 325, 329. 898 OLG Hamm vom 20.6.1985, NJW-RR 1986, 1047 = IPRspr. 1985 Nr. 141. 899 OLG Frankfurt vom 15.12.1998, Sport und Recht 1999, 200 = IPRspr. 1998 Nr. 142.
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Ort der unerlaubten Handlung die mit Hilfe des § 823 BGB geschlossen werden darf. Für die auf § 823 BGB gestützte Klage ist Deutschland international zuständig. Sie ist jedoch in den meisten Fällen aus den vorstehenden Gründen nicht begründet.900 9. Verletzung von Urheber- und Markenrechten sowie sonstigen Immaterialgüterrechten Auch bei Urheber- und Markenrechtsverletzungen hat § 32 ZPO große prakti- 1518a sche Bedeutung.901 Bei Vervielfältigungsdelikten (§ 16 UrhG) ist der Begehungsort dort, wo die Kopie entsteht. Bei Urheberrechtsverletzungen im Internet kommt es also darauf an, wo der Verletzer das Original herunterlädt. Dies ist für den Rechteinhaber in der Regel nicht oder nur schwer feststellbar. Diesem ist gemäß § 32 ZPO darüber hinaus aber überall dort ein Forum eröffnet, wo sich die Internetseite des Verletzers mit dem rechteverletzenden Inhalt bestimmungsgemäß auswirken sollte. Der Wirkungskreis ist nach objektiven Kriterien zu bestimmen; dabei kommen u.a. in Betracht: Sprache des Angebots, Art und Weise der Präsentation des Angebots von Waren bzw. Dienstleistungen. So ist bei einer interaktiven Internetseite, auf der Waren oder Dienstleistungen verbindlich abgerufen oder bestellt werden können, im Zweifel von einem weiten Wirkungskreis auszugehen.902 10. Verletzung gewerblicher Schutzrechte Per definitionem kann wegen des Territorialitätsprinzips eine Verletzung eines 1519 ausländischen gewerblichen Schutzrechts nur im Verleihungsstaat (= Schutzland) erfolgen. Die Frage lautet daher: Wann liegt ein zuständigkeitsbegründender Teilakt einer Verletzungshandlung im Inland vor? Nach Auffassung des Bun-
900 Nachweise LG Weiden vom 6.10.1982, IPRax 1983, 192 (Jayme). Zutreffend lehnt es das OLG Celle vom 2.2.1977, GRUR 1977, 238 = IPRspr. 1977 Nr. 119 ab, neben dem Anspruch nach § 14 UWG a.F. ausnahmsweise auch noch den Anspruch nach § 823 I BGB nur deshalb zu bejahen, um über § 32 ZPO die internationale Zuständigkeit Deutschlands zu begründen. Es unterscheidet aber nicht klar genug zwischen Zulässigkeit und Begründetheit. 901 Schack IPRax 1991, 348. Differenzierend dagegen aus US-amerikanischer Sicht WIPOForum on private international law and intellectual property WIPO/PIL 01/4. Siehe auch (zu Art. 5 Nr. 3 EuGVVO) BGH vom 13.10.2004, JZ 2005, 736 (Ohly) = RIW 2005, 465; BGH vom 24.2.2005, BGHZ 162, 246 = NJW 2005, 1788 = GRUR 2005, 519 = WRP 2005, 735 = IPRspr. 2005 Nr. 98; BGH vom 28.6.2007, IPRax 2008, 344. Hierzu Reichardt, Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte bei immaterialgüterrechtlichen Klagen, IPRax 2008, 330. Umfangreiche Nachweise bei Kurtz, Grenzüberschreitender einstweiliger Rechtsschutz im Immaterialgüterrecht, 2004; Zigann, Entscheidungen inländischer Gerichte über ausländische gewerbliche Schutzrechte und Urheberrechte, Diss. München 2001, 2002; Schauwecker, Zur internationalen Zuständigkeit bei Patentverletzungsklagen, GRUR Int 2008, 96; Slonina, Örtliche und internationale Zuständigkeit für Patentverletzungsklagen, SZZP 1 (2005), 313. 902 Ausführlich hierzu Danckwerts, Örtliche Zuständigkeit bei Urheberrechtsverletzungen im Internet, in Festschrift Hay, 2005, 93.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit desgerichtshofs ist der inländische Transitverkehr bereits ein Teil der das ausländische Schutzrecht verletzenden Handlung.903 11. Kartellsachen 1520 Bei wettbewerbswidrigen Liefersperren ist der Begehungsort904 im Inland, wenn unmittelbar die wettbewerbliche Situation im Inland tangiert ist. Bei Preiskartellen ist der Erfolgsort der Marktort. Als Begehungsort käme an sich jeder Ort in Betracht, an dem die Preisabsprachen getroffen wurden. Dies würde in den meisten Fällen zu sehr vielen Zuständigkeitsanknüpfungen führen. Deshalb wurde vorgeschlagen, bei Preiskartellen nur an die Niederlassung des Beklagten kompetenzrechtlich anzuknüpfen.905 12. Umweltschäden 1521 Eine internationale Zuständigkeit ist nicht nur in dem Staat eröffnet, in dem der Schädiger seinen Standort (Betriebsstätte) hat (Handlungsort), sondern auch überall dort, wo die geschützten Rechtsgüter verletzt werden (Ort der primären Rechtsgutverletzung).906 Für die nachbarrechtliche Abwehrklage will die Praxis jedoch § 24 ZPO heranziehen. Dadurch können u.U. die Gerichtsstände für Abwehr- und Schadensersatzansprüche auseinander fallen. Dagegen wollen viele907 bei grenzüberschreitenden Immissionen § 32 ZPO auch für nachbarrechtliche Abwehrklagen anwenden, Rz. 1499. Das eigentliche Problem liegt im Umweltschutz nicht auf kompetenzrechtlichem Gebiet, sondern in der Frage, ob das dem Geschädigten günstigere Haftungsrecht
903 BGH vom 24.7.1957, NJW 1958, 17 = JZ 1958, 241 (Steindorff) = LM Nr. 18 zu § 12 BGB = GRUR 1958, 189 (Hefermehl) = IPRspr. 1956–1957 Nr. 170 (Zeiss-Urteil); hierzu Weigel, Gerichtsbarkeit, internationale Zuständigkeit und Territorialitätsprinzip im deutschen gewerblichen Rechtsschutz, 1973, 170; Stauder GRUR Int. 1976, 474. Zur Anwendung des forum delicti commissi bei unberechtigter Verwarnung wegen angeblicher Verletzung von Schutzrechten im Ausland LG Mannheim vom 30.5.1980, GRUR 1980, 935 = IPRspr. 1980 Nr. 143. 904 Zur internationalen Tatortzuständigkeit bei Kartellverstößen BGH vom 23.10.1979, NJW 1980, 1224 (Schlosser) = RIW 1980, 216 (Böhlke) = MDR 1980, 204 = IPRspr. 1979 Nr. 170. 905 Ausführlich Bulst EWS 2004, 403, 405. Siehe auch LG Dortmund vom 1.4.2004, EWS 2004, 434 (Bulst 403) = IPRax 2006, 542 (Mäsch 509): Schadensersatz wegen unerlaubter Preisabsprachen und Marktaufteilung und der daraus resultierenden (kartellbedingten) Verteuerung (§ 823 II BGB in Verbindung mit § 33 GWB und § 826 BGB): Begehungsort (§ 32 ZPO, Art. 5 Nr. 3 EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ) ist in der Regel der Sitz bzw die Niederlassung des Beklagten, Erfolgsort (Ort der Verwirklichung des Schadenserfolgs) ist der Marktort. Für Marktort auch Kessedijan in McLachlan/Nygh, Transnational Tort Litigation: Jurisdictional Principles, 1996, 171, 185. 906 Zur Sonderregelung des § 32a ZPO, der in Deutschland gelegene Anlagen privilegiert, siehe Rz. 940a. 907 Schack BerDGVR 32 (1992) 330 und Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 21.
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Ort der unerlaubten Handlung des Gerichtsstaates (= Erfolgsort) angewendet werden kann,908 wenn die schädigende Handlung nach dem Recht am Handlungsort (= Standort des Unternehmens) (durch eine öffentlich-rechtliche Genehmigung) erlaubt ist und danach keine Schadensersatzpflicht besteht.909 13. Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge Wird die Klage auf § 823 II BGB in Verbindung mit § 309 II AktG gestützt, so ist 1521a gemäß § 32 ZPO eine internationale Entscheidungszuständigkeit gegen die im Ausland domizilierte Muttergesellschaft eröffnet.910 14. Fehlerhafte Kapitalmarktinformationen Der deliktische Gerichtsstand spielt auch eine große Rolle im Kapitalmarktrecht, z.B. wenn es um den Ersatz von Schäden aus fehlerhaften Informationen geht.
1521b
15. Vorbeugender Rechtsschutz § 32 ZPO ist – ebenso wie Art. 5 Nr. 3 EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ911 – auch auf vor- 1522 beugende Unterlassungsklagen (vgl. Rz. 2636) anzuwenden. Auch § 14 II UWG eröffnet eine internationale Zuständigkeit – über seinen Wortlaut hinaus – in dem Staat, in dem eine wettbewerbswidrige Handlung lediglich droht.912 Jedenfalls dann, wenn sich der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen eine konkrete Wettbewerbshandlung (z.B. Versenden eines Prospekts) richtet und deshalb dafür bereits eine Zuständigkeit am Verletzungsort gegeben ist, kann die internationale Zuständigkeit eines anderen Staates daneben nicht bereits damit begründet werden, dass aufgrund des begangenen Wettbewerbsverstoßes allgemein Wiederholungsgefahr bestehe und damit auch eine Wiederholung des Wettbewerbsverstoßes in diesem Staat drohe; vielmehr muss eine Wiederholung des Wettbewerbsverstoßes unmittelbar drohen. Dies ist z.B. der Fall bei einer grenzüberschreitenden Werbung mit dem Angebot der Versendung von (näheren) Unterlagen (in denen die wettbewerbswidrigen Behauptungen enthalten sind) an jeden beliebigen Ort.913 908 Beispiele bei Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 15. 909 Heß a.a.O. 15, 22; Kohler in Grenzüberschreitender Umweltschutz in Europa, 1984, 83; Spellenberg ZZP 99 (1986), 340. Vgl. Roßbach NJW 1988, 592; Rest NJW 1989, 2159. 910 Staudinger/Ebke/Großfeld, Internationales Gesellschafts- und Unternehmensrecht, Neubearbeitung 2008, Rz. 401. 911 LG Frankfurt a.M. vom 22.4.1994, NJW-RR 1994, 1493 = JbItR 8 (1995), 246 = IPRspr. 1994 Nr. 48. Anderer Auffassung OLG Bremen 17.10.1991 RIW 1992, 231 = IPRspr. 1991 Nr. 173b. Vgl. auch die (erledigte) Vorlage zum EuGH: BGH vom 17.3.1994, RIW 1994, 591, 678 = EWS 1994, 215 (Mankowski 305) = GRUR 1994, 530 = GRUR Int. 1994, 762, 963 = IPRspr. 1994 Nr. 138. 912 OLG Hamburg vom 18.12.1986, GRUR 1987, 1403 = IPRspr. 1986 Nr. 149. Umfangreiche Nachweise bei Fricke, Der Unterlassungsanspruch gegen Presseunternehmen zum Schutz des Persönlichkeitsrechts im IPR, Diss. München 2003. 913 Lindacher in Festschrift Nakamura, 1996, 328; OLG München vom 19.12.1985, BB 1986, 425 (allerdings nur für die örtliche Zuständigkeit).
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 1522a § 32 ZPO spielt auch im Arbeitskampfrecht eine bedeutsame Rolle. Beispiel: Verbot des Streiks auf einem unter panamesischer Flagge fahrenden Schiff, das in einem deutschen Hafen (Rz. 411) liegt.914 1522b
Von der Frage der internationalen Zuständigkeit und der (sonstigen) Zulässigkeit der vorbeugenden Unterlassungsklage (Rz. 2636)915 scharf zu trennen ist ihre Begründetheit, über welche die lex causae befindet. 16. Anspruchskonkurrenz
1523 Wird die Klage sowohl auf Vertrag wie auch auf Delikt gestützt, so begründet § 32 ZPO nach bisher herrschender Meinung916 keine internationale Zuständigkeit Deutschlands für die vertraglichen Ansprüche, Rz. 1868. Die Folge wäre eine auf Anspruchsgrundlagen beschränkte Rechtskraft. Dies ist aber für den Kläger unzumutbar, Rz. 1492. Von ihm kann nicht verlangt werden, doppelte Kraft und Zeit aufzuwenden, um einen einheitlichen Lebenssachverhalt vor den Gerichten verschiedener Staaten geltend zu machen, ganz zu schweigen von den Verwicklungen, die sich aus den unterschiedlichen IPR-Regeln der einzelnen Staaten ergeben. Deshalb ist auch am forum delicti commissi über vertragliche Ansprüche, die mit deliktischen konkurrieren, mitzuentscheiden.917 17. Kognitionsbefugnis der deutschen Gerichte 1524 Die auf § 32 ZPO gestützte Kognitionsbefugnis der deutschen Gerichte beschränkt sich nicht auf den im Inland entstandenen Schaden, sie erfasst vielmehr den Gesamtschaden, auch soweit dieser im Ausland zu lokalisieren ist, Rz. 867.918 914 ArbG Hamburg vom 6.4.1983, IPRax 1987, 29 (Birk 14) = IPRspr 1985 Nr. 47. 915 Zum EuGVÜ siehe die (erledigte) Anfrage beim EuGH durch BGH vom 17.3.1994, RIW 1994, 591, 678 = EWS 1994, 215 (Mankowski 305) = GRUR 1994, 530 = GRUR Int. 1994, 762, 963 = IPRspr. 1994 Nr. 138. 916 BGH vom 6.11.1973, NJW 1974, 410 (R. Geimer 1045) = IPRspr. 1973 Nr. 173; BGH vom 28.2.1996, BGHZ 132, 105 = NJW 1996, 1411 = FamRZ 1996, 601 = IPRax 1997, 187 (Mankowski 173) = JZ 1997, 88 (Gottwald) = LM § 29 ZPO Nr. 8 (R. Geimer) = ZZPInt 2 (1997), 117 (Ulrike Wolf) = IPRspr. 1996 Nr. 142. 917 R. Geimer IPRax 1986, 81; Mansel IPRax 1989, 85. OLG Stuttgart vom 7.12.2005, NJWRR 2006, 1362 = OLGR 2006, 452 = IPRspr. 2005 Nr. 128; hierzu Handorn, Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte kraft Sachzusammenhangs, IHR 2007, 25. A.A. BGH vom 10.12.2002, BGHZ 153, 173 = NJW 2003, 828 = VersR 2003, 663 (Spickhoff) = ZIP 2003, 1860 = JZ 2003, 687 (Mankowski) = JR 2003, 374 (Humberg) = LMK 2003, 71 (Patzina) = IPRspr. 2002 Nr. 160. 918 Reinmüller IPRax 1985, 233; Mansel IPRax 1989, 84; Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 10. Dagegen verfolgt der EuGH eine restriktive Linie; der Gesamtschaden könne nur im Wohnsitz- bzw. Sitzstaat des Beklagten geltend gemacht werden; dagegen könne im forum delicti commissi (Art. 5 Nr. 3 EuGVVO/EuGVÜ) nur der im Gerichtsstaat entstandene Schaden eingeklagt werden, EuGH vom 7.3.1995, Rs C-68/93 – Fiona Shevill, Ixora Trading Inc., Chequepoint SARL, Chequepoint International Ltd/Presse Alliance SA Slg. 1995 I 415 = NJW 1995, 1881 = EWS 1995, 165 = EuZW 1995, 248. Der EuGH will wohl forum shopping erschweren, Dietze/Schnichels
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Ort der unerlaubten Handlung 18. Sondergesetzliche Ausprägung Auch die Spezialfora der § 20 StVG,919 § 14 HaftpflichtG, § 56 I Luftver- 1525 kehrsG,920 § 738 I Nr. 2 HGB,921 § 3 BinnenschifffahrtsverfG,922 § 17 WahrnG tragen die internationale Zuständigkeit. 19. Darlegungs- und Beweislast Es ist das Dilemma aller materiell-rechtlich begründeten Gerichtsstände, dass ei- 1526 ne Prognose ex ante nicht möglich ist. Das hat zur Folge, dass auch der letztlich „Unschuldige“ am Tatort gerichtspflichtig ist. Für die Begründung der Gerichtspflichtigkeit des Schädigers an dem Ort der Schädigung reicht jedoch die Behauptung des Klägers nicht aus; sonst wäre der Willkür Tür und Tor geöffnet.923 Anknüpfungspunkt für die internationale Deliktszuständigkeit ist vielmehr das objektive Vorliegen eines Geschehensablaufes im Inland, der (möglicherweise) zu einer deliktischen Haftung des Beklagten führt.924 Ist der Beklagte säumig, so gilt § 331 ZPO nicht für die Begründung der internationalen Zuständigkeit (keine Geständnisfiktion), Rz. 1494, 1822, 1826.925
919 920
921 922 923
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925
EuZW 1996, 457. Der Fall betraf Schadensersatz wegen Ehrverletzung durch einen Presseartikel. Derzeit ist offen, ob der EuGH seine Entscheidung auf alle deliktischen Klagen ausdehnen möchte. Für Anwendung im Lauterkeitsrecht Lindacher, Die internationale Dimension lauterkeitsrechtlicher Unterlassungsansprüche: Marktterritorialität versus Universalität, GRURInt 57 (2008), 453, 454. Hierzu BayObLG vom 12.12.1989, NJW-RR 1990, 893 = IPRspr. 1989 Nr. 57. In der Fassung vom 10.5.2007, BGBl. I 698: „Für Klagen, die auf Grund dieses Abschnitts [Haftpflicht] erhoben werden, ist auch das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Unfall eingetreten ist.“ Hierzu de Bra, Verbraucherschutz durch Gerichtsstandsregelungen im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, 1992, 91. Soergel/Lüderitz, BGB12, Bd. 10, 1996, EGBGB Art. 38 Rz. 129. Stein/Jonas/H. Roth, ZPO22, 2003, § 32 Rz. 9. So aber die herrschende Meinung: BGH vom 28.2.1996, BGHZ 132, 105 = NJW 1996, 1411 = FamRZ 1996, 601 = IPRax 1997, 187 (Mankowski 173) = JZ 1997, 88 (Gottwald) = LM § 29 ZPO Nr. 8 (R. Geimer) = ZZPInt 2 (1997), 117 (Ulrike Wolf) = IPRspr. 1996 Nr. 142; OLG Brandenburg vom 22.2.1996, RIW 1997, 424 = IPRspr. 1996 Nr. 141; BGH vom 24.2.2005, BGHZ 162, 246 = NJW 2005, 1788 = GRUR 2005, 519 = WRP 2005, 735 = IPRspr. 2005 Nr. 98; BGH vom 30.3.2006, BGHZ 167, 91, 98 = BGHReport 2006, 801 = MDR 2006, 941; OLG München vom 1.2.2005, IPRspr. 2005 Nr. 93; Koblenz vom 25.6.2007 OLGR 2008, 30. Nachweise bei Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 265 Fußn. 957; Ost, Doppelrelevante Tatsachen im Internationalen Zivilverfahrensrecht – Zur Prüfung der internationalen Zuständigkeit bei den Gerichtsständen des Erfüllungsortes und der unerlaubten Handlung, Diss. Heidelberg 2002, 151. R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 164 f.; R. Geimer NJW 1974, 1046. Großzügiger Mansel IPRax 1989, 86. R. Geimer NJW 1973, 1083. Zustimmend Handorn, Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte kraft Sachzusammenhangs, IHR 2007, 25, 30. Nicht unbedenklich BGH vom 11.1.1990, NJW 1990, 990 = RIW 1990, 221 = IPRax 1991, 183 (Flessner/Schulz 162) = IPRspr. 1990 Nr. 164, wo zu viel von der (zur Begründetheit der Klage gehörenden) Schlüssigkeitsprüfung in die Zuständigkeitsprüfung vorverlagert wurde.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 20. Kein Gleichlauf zwischen forum und ius 1527 Welches Recht nach den Regeln des deutschen internationalen Privatrechts zur Anwendung kommt, ist ohne Belang. Es gibt keinen Gleichlauf zwischen inländischer Deliktszuständigkeit und deutschem Deliktsrecht. Auch eine auf ausländisches Deliktsrecht gestützte Klage kann im Gerichtsstand des § 32 ZPO erhoben werden. Es ist deshalb auch unerheblich, woran das internationale Privatrecht (Art. 4 ff. Rom II-Verordnung926 bzw. Art. 40 ff. EGBGB) in concreto anknüpft. Die alternativen Anknüpfungen des deutschen internationalen Deliktsrechts sind kompetenzrechtlich ohne Bedeutung.927 21. Amtshaftungsansprüche: Deliktische Haftung für hoheitliches Handeln auswärtiger Staaten bzw. auswärtiger Amtsträger 1527a Hierfür fehlt die deutsche Gerichtsbarkeit, Rz. 578, so dass sich in der Regel (Ausnahmen: theoretischer Fall der Unterwerfung [Rz. 629] sowie Inlandsdelikte [Rz. 626c, 877c]), die Frage der (auf § 32 ZPO/Art. 5 Nr. 3 EuGVVO/EuGVÜ/ LugÜ gestützten) internationalen Zuständigkeit nicht stellt.928 Ob hoheitliches Handeln vorliegt, entscheidet nicht allein das deutsche Recht, Rz. 579. 22. Exkurs: Bestimmung eines gemeinsamen Gerichtsstandes für Schädiger und Kfz-Pflichtversicherer 1528 Liegt der Unfallort im Ausland, so ist für die Klage gegen die Versicherung und den Schädiger (Versicherungsnehmer) im Inland (§ 3 Nr. 2 PflichtversicherungsG) gemäß § 36 I Nr. 3 ZPO ein gemeinschaftlicher Gerichtsstand zu bestimmen.929 Dies gilt jedoch nur für die örtliche Zuständigkeit (wenn für beide Beklagte die internationale Zuständigkeit Deutschlands gegeben ist, Rz. 1159, 1292). Aus der internationalen Zuständigkeit in Richtung gegen den Schädiger folgt nicht die internationale Zuständigkeit gegen den Versicherer und umgekehrt. 23. Delikt auf deutschem Schiff oder in deutschem Luftfahrzeug 1528a Hierfür sollte eine internationale Zuständigkeit Deutschlands eröffnet werden, da kompetenzrechtlich die Dinge so gesehen werden sollten, dass das Delikt im „Inland“ geschehen ist. 926 Verordnung (EG) Nr. 864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. EU Nr. L 199, S. 40. 927 Lindacher in Festschrift Nakamura, 1996, 327. 928 Dutta, Amtshaftung wegen Völkerrechtsverstößen bei bewaffneten Auslandseinsätzen deutscher Streitkräfte, AöR 133 (2008), 191, 194 ff. Einschränkend Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, Diss. Konstanz 1997. 929 BayObLG vom 29.6.1978, VersR 1978, 1010 = IPRspr. 1978 Nr. 145; BayObLG vom 6.11.1980, RIW 1980, 727 = VersR 1981, 626 = IPRspr. 1980 Nr. 147; BayObLG vom 20.8.1981, RIW 1982, 199 = IPRax 1982, 249 = IPRspr. 1981 Nr. 27; BayObLG vom 18.9.1984, NJW 1985, 570 = IPRspr. 1984 Nr. 143; BayObLG vom 8.1.1985, VersR 1986, 299 = IPRspr. 1985 Nr. 130; BayObLG vom 4.6.1985, VersR 1987, 185 = IPRspr. 1985 Nr. 139A; BayObLG vom 12.12.1989, NJW-RR 1990, 893 = IPRspr. 1989 Nr. 57.
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Ort der unerlaubten Handlung Beispiel: Deutsches Schiff verlässt den Hafen von Singapur; kurz danach entkommt ein dort verschiffter Tiger seinem Käfig und beißt einen an Deck sich sonnenden schweizer Tierhalter (= Käufer des Tigers) ist ein Madrilene.930 Dies gilt auch dann, wenn das Delikt an Bord des Fahrzeugs während des Aufenthalts in fremdem Hafen geschah. Da der Tatort zu keinem deutschen Gerichtssprengel gehört, kommt die analoge Anwendung der §§ 15 I 2, 27 II ZPO (Rz. 965) in Betracht, sofern man nicht eine örtliche Zuständigkeit am Ort des Heimathafens (§§ 480, 508 HGB) bejahen will. 24. Keine Ausschließlichkeit Die internationale Deliktszuständigkeit ist nicht ausschließlich, Rz. 902.931
1529
25. Derogationsverbot Vor Eintritt des Schadens besteht Derogationsverbot.932 Vgl. auch Rz. 1793.
1530
26. Internationale Anerkennungszuständigkeit § 32 ZPO und § 14 II UWG sind via § 328 I Nr. 1 ZPO spiegelbildlich anzuwen- 1531 den.933 Die Frage, ob eine Vertragsverletzung oder ein Delikt vorliegt, ist nicht nach der vom deutschen internationalen Privatrecht berufenen lex causae zu beurteilen; maßgebend – auch für den deutschen Zweitrichter – ist vielmehr das internationale Privatrecht des Erststaates. Dies gilt auch für die in Rz. 1506, 1512 behandelte Abgrenzung. Im Übrigen sind die Tatbestandsmerkmale des § 32 ZPO nach deutschem Recht auszulegen.934 Eine internationale Zuständigkeit des Erststaates wird anerkannt, wenn dort der Handlungs- oder Erfolgsort liegt. Bei einer Klage aus Produkthaftpflicht gegen einen deutschen Exporteur genügt z.B., wenn das schädigende Ereignis im Ausland (Erststaat) eingetreten ist. In Kartellprivatsachen ist eine internationale Zuständigkeit zu bejahen, wenn 1532 Handlungs- oder Erfolgsort im Erststaat liegen. Strittig ist, ob das Auswirkungsprinzip, das die Frage des anwendbaren Rechts beherrscht (§ 130 II GWB), auch kompetenzrechtliche Bedeutung hat. Dies würde bedeuten, dass dem Erststaat schon dann internationale Zuständigkeit zuerkannt wird, wenn das beanstandete Verhalten sich auf dieses Land auswirkt. Im Ergebnis bestünde ein Gleichlauf
930 Ähnlich der Fall des OLG Hamburg vom 15.10.1935, HansRGZ 1935 B 584 = HRR 1936 Nr. 872 = Giur. comp. d.i.p. 40, 342 Nr. 257 (Lorenz) = IPRspr. 1935–1944 Nr. 89. 931 BayObLG vom 8.1.1985, VersR 1986, 299 = IPRspr. 1985 Nr. 130; BayObLG vom 12.12.1989, NJW-RR 1990, 893 = IPRspr. 1989 Nr. 57. 932 R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 5 EuGVVO Rz. 273. 933 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1529; OLG München vom 17.11.1994, GRUR 1995, 836 und 1996, 144 = CR 1995, 471 = IPRspr. 1994 Nr. 170. 934 OLG Schleswig vom 15.2.2007, OLGR 2007, 305, 308.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit zwischen anwendbarem Recht und internationaler Zuständigkeit.935 Selbst wenn man diese weite internationale Anerkennungszuständigkeit bejaht, müsste man mindestens eine direkte und unmittelbare Auswirkung verlangen.936 1533 Ebenso wie bei § 29 ZPO (Rz. 1496) ist bei der Prüfung gemäß § 328 I Nr. 1 ZPO die schlüssige Behauptung der Zuständigkeitstatsachen nicht ausreichend; vielmehr sind die Voraussetzungen des § 32 ZPO in dem in Rz. 1827 dargelegten Umfang ohne Bindung an die tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen des ausländischen Erstgerichts zu prüfen, auch wenn diese als sog. „doppelrelevante“ Tatsachen meritorische Bedeutung haben. Dies ist kein Verstoß gegen das Verbot der révision au fond (Rz. 2910), Rz. 2906.937 27. Rechtsvergleichendes 1534 Das allgemeine forum delicti commissi als Erweiterung der Gerichtspflichtigkeit des Beklagten außerhalb seines Wohnsitzstaates ist eine Schöpfung der deutschen Zivilprozessordnung von 1877. Vor allem die romanischen Prozessordnungen, die bereits dann ein Forum eröffnen, wenn der Kläger oder Beklagte ein eigener Staatsangehöriger ist, wie z.B. Art. 14, 15 Code civil, konnten lange Zeit auf diesen Gerichtsstand verzichten, weil die internationale Zuständigkeit bereits aufgrund der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit des Klägers bzw. Beklagten zu bejahen ist. Vor allem durch die Motorisierung des Verkehrs entstand auch in diesen Ländern ein Bedürfnis zur Einführung dieses Forums für Ausländerprozesse.938 Aber auch in Österreich, dessen Kompetenzrecht dem deutschen stark ähnelt, wurde das Deliktsforum (§ 92a JN) erst spät eingeführt. 28. Staatsverträge 1535 Das forum delicti commissi wird in vielen Staatsverträgen rezipiert.939
935 Rüter, Zur Frage der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer kartellprivatrechtlicher Entscheidungen in den USA und in Deutschland, Diss. Münster 1970, 100, dagegen Rehbinder, Extraterritoriale Wirkungen des deutschen Kartellrechts, 1965, 308; Schwartz, Deutsches internationales Kartellrecht2, 1968, 141. 936 Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 687. Siehe dazu auch Fn. 905. 937 BGH vom 25.11.1993, BGHZ 124, 237 = NJW 1994, 1413 = RIW 1994, 331 = IPRax 1995, 101 (Gottwald 75) = LM § 32 ZPO Nr. 15 (R. Geimer) = ZZP 108 (1995), 359 (Koch) = IPRspr. 1993 Nr. 180 im Anschluss an R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 102, 163. Hierzu mit weiteren Nachweisen Ost, Doppelrelevante Tatsachen im Internationalen Zivilverfahrensrecht – Zur Prüfung der internationalen Zuständigkeit bei den Gerichtsständen des Erfüllungsortes und der unerlaubten Handlung, Diss. Heidelberg 2002, 139. 938 Zur französischen loi du 26 novembre 1923 Batiffol/Lagarde, Droit international privé, tome I8, 1993, Nr. 674-1; Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 250; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 610. 939 Hierzu Soergel/Lüderitz, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 38 EGBGB Rz. 130.
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Inländischer Wohnsitz bzw. Aufenthalt des Klägers
XII. Inländischer Wohnsitz bzw. Aufenthalt des Klägers 1. Grundsätzliche kompetenzrechtliche Irrelevanz des Klägerwohnsitzes/-aufenthalts Das deutsche Zuständigkeitssystem geht – wie bereits oben Rz. 1138, 1265 dargelegt – von der Regel actor sequitur forum rei aus. Dreh- und Angelpunkt ist der Wohnsitz des Beklagten (ersatzweise dessen Aufenthalt, §§ 16, 20 ZPO, Rz. 1267). Auf den Wohnsitz/gewöhnlichen Aufenthalt des Klägers kommt es grundsätzlich nicht an.
1536
2. Ehe-, Kindschafts-, Abstammungs- und Lebenspartnerschaftssachen Etwas anderes gilt aber in Ehe-, Kindschafts-, Abstammungs- und Lebenspart- 1537 nerschaftssachen. Hier sind die Zuständigkeitsanknüpfungen ambivalent; sie sind nicht (notwendigerweise) auf die Person des Beklagten (Antragsgegners) bezogen. Der jeweilige Zuständigkeitstatbestand (§§ 98 I Nr. 2–4, 99 I Nr. 2, 103 I Nr. 2 FamFG, früher 606a I 1 Nr. 2–4, 640a II 1 Nr. 2, 661 III ZPO) verlangt nur, dass eine der Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, Rz. 1279, 1332, 1944. Deshalb ist die internationale Zuständigkeit Deutschlands bereits dann zu bejahen, wenn der Antragsteller sich im Inland gewöhnlich aufhält.940 3. Ausnahmsweise Anknüpfung an den Klägerwohnsitz bzw. -aufenthalt im Anwendungsbereich des allgemeinen Zuständigkeitsrechts der §§ 12 ff. ZPO Ausnahmsweise knüpft die deutsche ZPO an den allgemeinen Gerichtsstand (Wohnsitz/Sitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt) des Klägers an
1538
– für Klagen des Vereins gegen seine Mitglieder, § 22 ZPO (besondere sondergesetzliche Ausprägungen in §§ 132, 246 AktG, § 51 III GenG, §§ 51a, 61 III GmbHG), Rz. 1439; – für Klagen des Gläubigers auf Gestattung der Befriedigung aus dem kaufmännischen Zurückbehaltungsrecht, § 371 IV HGB; – für Unterhaltsklagen, §§ 105, 232 III 2 Nr. 3 FamFG, früher §§ 23a, 621 II ZPO (Rz. 961, 1544), – für Klagen aus einem Fernunterrichtsvertrag, § 26 I FernUSG; – für Klagen in Zusammenhang mit einem Haustürgeschäft, § 29c ZPO.941 1539
940 Viel enger aber nunmehr Art 3 I lit. (a) sechster Spiegelstrich und (b) der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 (EuEheVO, Rz. 245c); hierzu Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 606a Rz. 8, 37. Wegen der Besonderheiten des § 606a I 1 Nr. 4 ZPO und nunmehr des § 98 I Nr. 4 FamFG siehe Rz. 987, 1067. 941 Nachweise bei Börnke, Rechtsanwendungsprobleme im Zusammenhang mit den sonderprivatrechtlichen Gerichtsstandsregelungen der §§ 7 I HWiG, 6 II AuslInvestmG und 26 FernUSG, Diss. Frankfurt/M. 1995.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit
XIII. Internationale Annexzuständigkeit 1540 Der Zuständigkeitsbezug des Hauptprozesses trägt auch internationale Zuständigkeit für das darauf bezügliche Annexverfahren in folgenden Fällen: 1. Gebührenklage 1541 Der Gerichtsstand des § 34 ZPO (Rz. 962, 1479) wurde von der EuGVVO bzw. vom LugÜ nicht rezipiert. In deren Anwendungsbereich half man sich damit, dass man den nach der lex causae zu bestimmenden Erfüllungsort für die Honorarschuld am Ort der Kanzlei des Anwalts etc. lokalisiert hat.942 Inzwischen hat der BGH eine Kehrtwendung vollzogen; er wendet – bei Maßgeblichkeit deutschen Rechts – die Grundregel des § 269 BGB (Wohnsitz des Schuldners) an.943 2. Abänderungsklage 1542 Diese oben Rz. 952 dargestellte (ungeschriebene) internationale Zuständigkeit ist keine ausschließliche, siehe auch Rz. 1572. Die Klage944 kann auch am gewöhnlichen Aufenthalt des Antragsgegners (§§ 105, 232 III 1 FamFG), bis 31.8.2009 am Wohnsitz des Beklagten (§§ 12 ff. ZPO)945 erhoben werden oder am gewöhnlichen Aufenthalt des unterhaltsberechtigten Kindes, §§ 105, 232 I Nr. 2 FamFG, früher § 23a ZPO.946 Aber auch der zum Unterhalt Verpflichtete kann eine Abänderungsklage an seinem inländischen Wohnsitz erheben, wenn der Unterhaltsberechtigte im Inland keinen Gerichtsstand hat.947 Auf die Anerkennung des deutschen Abänderungsurteiles bzw. (künftig) -beschlusses im Erststaat kommt es nicht an.948 1543 Der Unterhaltsanspruch ist kein Vermögen im Sinne von § 23 ZPO.949 Daher konkurrierte vor Inkrafttreten des FamFG am 1.9.2009 § 23 ZPO in den meisten Fällen nicht mit § 23a ZPO.950
942 943 944 945
946 947
948 949 950
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BGH vom 13.5.1982, NJW 1982, 2733. BGH vom 11.11.2003, NJW 2004, 54; BGH vom 4.3.2004, FamRZ 2004, 398. Ab 1.9.2009: Abänderungsantrag in FamFG-Verfahren, §§ 238 ff. FamFG. BGH vom 27.1.1993, NJW-RR 1993, 898 = FamRZ 1993, 789 = IPRspr. 1993 Nr. 74; OLG München vom 24.10.1978, FamRZ 1979, 153 = IPRspr. 1978 Nr. 147; OLG Stuttgart vom 1.12.1987, FamRZ 1988, 758 = IPRspr. 1987 Nr. 76; OLG Hamm vom 6.7.1987, FamRZ 1987, 1302 = IPRspr. 1987 Nr. 143; OLG Hamm vom 7.7.1987, FamRZ 1987, 1307 = IPRspr. 1987 Nr. 69; KG vom 24.2.1993, IPRspr. 1993 Nr. 76; AG Langen vom 24.7.1987, IPRspr. 1987 Nr. 71. Anders AG Charlottenburg vom 1.11.1983, IPRax 1984, 219 (Henrich) = IPRspr. 1983 Nr. 141. BayObLG vom 15.1.1985, BayObLGZ 1985, 18 = FamRZ 1985, 616 = IPRspr. 1985 Nr. 132; BGH vom 1.4.1987, FamRZ 1987, 682 = MDR 1987, 827 = IPRspr. 1987 Nr. 66; R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 5 EuGVVO Rz. 193; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht3, 2009, Art. 5 Rz. 13. Anderer Auffassung Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 380. Unentschieden OLG Düsseldorf vom 3.11.1981, IPRax 1982, 152 (Henrich 140). BayObLG vom 15.1.1985, BayObLGZ 1985, 18 = FamRZ 1985, 616. Anderer Auffassung OLG Saarbrücken vom 16.9.1993, FamRZ 1994, 579 = IPRspr. 1993 Nr. 83.
Internationale Annexzuständigkeit 3. Unterhaltsklage Ist Deutschland für die Scheidung der Ehe international zuständig, so ergibt sich 1544 hieraus auch eine internationale Zuständigkeit für die Unterhalts- und güterrechtlichen Ausgleichsansprüche des Ehepartners und die gesetzlichen Unterhaltsansprüche der ehelichen Kinder, §§ 621 I Nr. 4–9, 623 ZPO. Das Gleiche gilt für die Unterhaltsansprüche im Zusammenhang mit der Vaterschaftsfeststellung. Ist Deutschland international zuständig für die Vaterschaftsfeststellung (Statusentscheidung), so folgt daraus trotz § 640c ZPO auch eine internationale Annexzuständigkeit für die Verurteilung zur Leistung von Regelunterhalt, § 653 ZPO. Auch diese Zuständigkeiten sind nicht international ausschließlich. Für den Unterhaltsprozess kommen auch der Wohnsitzstaat des Beklagten951 oder des Klägers gemäß § 23a ZPO in Betracht. Seit 1.9.2009 ist sedes materiae §§ 98 II, 103 II, 137 FamFG. 4. Scheidungsfolgesachen Ist die internationale Zuständigkeit Deutschlands für eine Ehesache gegeben, 1544a Rz. 1279, 1323, dann umfasst diese gemäß § 98 II FamFG (früher § 621 II 1 ZPO) auch die Folgesachen, sofern nicht ein Staatsvertrag (z.B. MSA hinsichtlich der Regelung der elterlichen Sorge) etwas anderes vorschreibt.952 5. Fortsetzung des Prozesses wegen (prozessualer) Unwirksamkeit/Nichtigkeit des Prozessvergleichs Ist ein Prozessvergleich (§ 794 I Nr. 1 ZPO) nichtig bzw. unwirksam (Rz. 2657), 1544b so entfällt seine prozessbeendende Wirkung. Der Prozess wird nach herrschender Meinung fortgesetzt.953 Dies bedeutet kompetenzrechtlich: Es genügt, dass die Zuständigkeitsanknüpfungen bei Klageerhebung vorliegen, Rz. 1835. Beispiel: In einem Scheidungsverbundverfahren schließen zwei Ausländer einen Vergleich über die Scheidungsfolgen. Jeder Ehegatte kehrt in sein Heimatland zurück. Damit entfällt eine deutsche internationale Zuständigkeit nach § 98 I Nr. 2 und Nr. 4 FamFG (früher § 606a I 1 Nr. 2 und Nr. 4 ZPO) für einen neuen Prozess. Gleichwohl kann bei Unwirksamkeit des Vergleichs der Rechtsstreit (hinsichtlich der Scheidungsfolgen) fortgesetzt werden. Anders ist es aber bei einem Prozessvergleich über Materien, die nicht Streitgegenstand waren. Wird nur die Unwirksamkeit der diesbezüglichen Abmachungen geltend gemacht, ist eine neue (Feststellungs-)Klage erforderlich.954 Hierfür kann die internationale Zuständigkeit fehlen, es sei denn, man bejaht eine Annexzuständigkeit.
951 OLG München vom 24.10.1978, FamRZ 1979, 153 = IPRspr. 1978 Nr. 147. 952 OLG Zweibrücken vom 27.11.1985, NJW 1986, 3033 = IPRspr. 1985 Nr. 154; OLG Hamm vom 6.5.1985, IPRspr. 1985 Nr. 90; OLG Hamm vom 21.6.1985, IPRspr. 1985 Nr. 151. 953 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht16, 2004, § 129 Rz. 48; Zöller/Stöber, ZPO27, 2009, § 794 Rz. 15a. 954 OLG Frankfurt vom 14.11.1989, FamRZ 1990, 178.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 6. Wiederaufnahmeverfahren 1545 Die konkurrierende internationale Zuständigkeit Deutschlands für die Wiederaufnahme deutscher Urteile ist nach § 584 ZPO zu bejahen, auch wenn keine Anknüpfung nach §§ 12 ff. ZPO (mehr) gegeben ist.955 7. Rechtsmittelzuständigkeit 1546 a) Verfahrenseinheit. Aus deutscher Sicht ist die Frage der internationalen Zuständigkeit im Zusammenhang mit Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen nicht zu stellen. Die Rechtsmittelinstanzen sind Etappen innerhalb eines einheitlichen Verfahrens, für welches die internationale Zuständigkeit (als Voraussetzung der Sachentscheidung) einheitlich bejaht oder verneint wird. Das Rechtsmittel bzw. der Rechtsbehelf ist keine eigene Klage, für welche die internationale Zuständigkeit eigens zu prüfen wäre.956 Vgl. auch Rz. 1548. 1547 b) Prüfung der internationalen Zuständigkeit als Voraussetzung einer Sachentscheidung im Prozess. Von der internationalen Zuständigkeit als Voraussetzung einer Sachentscheidung logisch zu trennen ist die Frage, wer befugt ist, über das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen dieser Sachurteilsvoraussetzung mit innerstaatlicher und innerprozessualer Verbindlichkeit zu entscheiden (jurisdictional discovery = jurisdiction to order discovery to determine jurisdiction, Rz. 1840).957 Es geht hier schlicht und einfach um die Maximen, nach denen die internationale Zuständigkeit im Prozess zu prüfen ist, Rz. 1817. Es wäre schief, die Frage der internationalen Zuständigkeit im Zusammenhang mit der Prüfungs-, Kognitionsund Kassationsbefugnis der Rechtsmittelgerichte im Verhältnis zur unteren Instanz aufzuwerfen.958 1548 c) Internationale Anerkennungszuständigkeit. Für die Anerkennung relevant ist die ausländische Sachentscheidung in der Fassung der letzten Rechtsmittelentscheidung, Rz. 2752. Denn Gegenstand der Anerkennung sind die Wirkungen der ausländischen Entscheidungen, so wie sie nach dem Recht des Erststaates eintreten. Daher wäre es nicht sinnvoll, die internationale Zuständigkeit für einzelne Verfahrensabschnitte (Rechtsmittelinstanzen) zu prüfen. Es ist vielmehr der maßgebliche Zeitpunkt zu ermitteln, zu dem die aus deutscher Sicht in Betracht kommenden Zuständigkeitsanknüpfungen (nach dem Zuständigkeitskatalog des einschlägigen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrages bzw. nach § 328 I Nr. 1 ZPO) gegeben sein müssen.959
955 BGH vom 7.4.1976, NJW 1976, 1590, 1591. Siehe auch Regen, Prozessbetrug als Anerkennungshindernis, 2008, Rz. 525. 956 R. Geimer JZ 1969, 16 Fußn. 30. 957 Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 384. 958 So aber BayObLGZ 1982, 239, 240: „Die internationale Zuständigkeit des Senats folgt . . . allein daraus, dass . . . das im Instanzenzug vorgeordnete Amtsgericht den Erbschein erteilt hat; darauf, ob die Vorinstanzen . . . international zuständig gewesen sind, kommt es daher für das Rechtsmittelbeschwerdeverfahren nicht an, BayObLGZ 1981, 147.“ Ebenso OLG Koblenz vom 28.3.1991, RIW 1991, 592 = IPRspr. 1991 Nr. 172. 959 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1555.
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Internationale Annexzuständigkeit Wird die erstinstanzielle Entscheidung aufgrund eines Rechtsmittels oder 1549 Rechtsbehelfs im Erststaat aufgehoben und entfaltet sie nach dem erststaatlichen Recht keine Wirkungen mehr, so wird auch die Anerkennungsfrage gegenstandslos,960 weil keine erststaatlichen Urteilswirkungen (mehr) vorhanden sind, die Gegenstand der Anerkennung sein könnten, sofern das Rechtsmittelgericht sich auf die Kassation bzw. Klageabweisung als unzulässig beschränkt hat.961 Hat es anstelle der aufgehobenen Entscheidung eine eigene Sachentscheidung erlassen, die anerkennungsfähige Urteilswirkungen (res iudicata-, Gestaltungswirkung etc.) entfaltet, dann werden deren Wirkungen qua Anerkennung auf das Inland erstreckt, sofern die Anerkennungsvoraussetzungen gegeben sind. – Siehe auch Rz. 2752, 2791. Bei der Anerkennung der res iudicata-Wirkung und der Gestaltungswirkung 1550 sind vorstehende Darlegungen während des laufenden erststaatlichen Rechtsstreits nur dann von Bedeutung, wenn diese Wirkungen nach dem Recht des Erststaates – anders als nach deutschem Recht – bereits vor Unanfechtbarkeit mit ordentlichen Rechtsmitteln eintreten. So entfaltet z.B. in Frankreich und (teilweise) in den vom Code de procédure civile beeinflussten Rechtsordnungen bereits ein Urteil ab seinem Erlass autorité de la chose jugée, Rz. 2723, 2804.962 Kommen dem (zur Anerkennung anstehenden) ausländischen Urteil erst mit 1551 Unanfechtbarkeit (mit ordentlichen Rechtsmitteln) Urteilswirkungen zu, dann werden die hier diskutierten Hypothesen erst aktuell, wenn das Urteil in einem neuen Verfahren kassiert wird. Hauptbeispiele dürften die Nichtigkeitsklage und die (den §§ 238 ff. FamFG, früher §§ 323, 654 ZPO entsprechende) Abänderungsklage sein. Hier zeigen sich deutlich die Schwierigkeiten für eine dogmatische Abgrenzung. 1552 Während man bei der Wiederaufnahmeklage wohl noch von einer Fortführung des ursprünglichen Rechtsstreits im weiteren Sinne sprechen könnte, mit der Folge, dass die Frage der internationalen Zuständigkeit für den Wiederaufnahmeprozess gar nicht zu stellen wäre,963 ist bei der Abänderungsklage der Konnex zum Vorverfahren zu schwach; daher liegt ein neuer Prozess vor, für den die Frage der internationalen Zuständigkeit neu zu stellen ist.
960 Siehe auch Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit – Zur Bedeutung nationaler Rechtsordnungen und der Entscheidungen nationaler Gerichte für die Wirksamkeit internationaler Schiedssprüche, 2007, 335. 961 Anders kann es bei der Kassation eines Schiedsspruchs durch ein ausländisches staatliches Gericht sein, Rz. 3944. 962 Ähnlich ist es im Bereich des common law, R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 984, 1022, 1099, 1132. 963 Diese Frage ist jedoch reichlich akademisch; denn die Antwort aus der Perspektive der Gegenansicht ist im Ergebnis übereinstimmend, wenn man aus § 328 I Nr. 1 in Verbindung mit § 584 ZPO den Satz ableitet: „Für das Wiederaufnahmeverfahren sind die Gerichte des Staates international zuständig, die das angefochtene Urteil erlassen haben“, Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 616. Siehe auch Regen, Prozessbetrug als Anerkennungshindernis, 2008, Rz. 524.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 1553 Beispiel: Ein Gericht in New York verurteilt im Rahmen des Scheidungsverfahrens den Ehemann zu einer Unterhaltsrente von monatlich 2000 US-Dollar. Der Ehemann verlegt nun seinen Wohnsitz nach Buenos Aires, die Ehefrau lernt nach Jahren einen Russen kennen und folgt diesem für immer nach St. Petersburg. Dies will der Ehemann zum Anlass nehmen, um von seinen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber seiner Ex-Gattin loszukommen. Diese bestreitet eine eheähnliche Lebensgemeinschaft und trägt hilfsweise vor, eine solche würde – auch wenn sie bestünde – nach der maßgeblichen lex causae nicht zum Wegfall der Unterhaltspflicht führen. Da eine außergerichtliche Einigung nicht möglich ist, will der Ehemann in New York auf Herabsetzung bzw. Aufhebung der Unterhaltsverurteilung klagen. Sind – aus deutscher Sicht – die USA international zuständig?964 1554 Hier liegt auf der Hand, dass bei Prüfung der internationalen Anerkennungszuständigkeit nicht auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des Scheidungsverfahrens (als alle Beteiligten noch in New York wohnten und es noch um einen reinen Inlandsfall ging) abzustellen ist, sondern auf diejenigen Umstände, die nunmehr (zum Zeitpunkt der präsumtiven Klageerhebung) vorliegen. Eine Basis für eine Zuständigkeitsanknüpfung wäre aus deutscher Anerkennungsperspektive § 109 I Nr. 1 in Verbindung mit § 232 III 2 Nr. 3 FamFG (vor 1.9.2009: § 328 I Nr. 1 in Verbindung mit § 23a ZPO); doch der Kläger (Rz. 1542) wohnt nicht mehr in den USA. Deshalb kommt es darauf an, ob die oben Rz. 952 für die internationale Entscheidungszuständigkeit stipulierte Annexzuständigkeit via § 109 I Nr. 1 FamFG bzw. § 328 I Nr. 1 ZPO auch ausländischen Staaten „zugestanden“ wird. Dies ist zu bejahen.965 1555 Das EuGVÜ/LugÜ und die EuGVVO kennen eine solche Abänderungszuständigkeit nicht.966 Hat jedoch ein Gericht eines Vertragsstaates diese Regel – bewusst oder unbewusst, z.B. weil es irrtümlich autonomes Recht für anwendbar hielt (Art. 4 I EuGVÜ/LugÜ/EuGVVO), das eine solche Annexzuständigkeit kennt – missachtet, so ist dieses Urteil in den anderen Vertragsstaaten wegen des Verbots der Nachprüfung der internationalen Zuständigkeit des Erststaates – nach Art. 25 ff. EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 32 ff. der EG-Verordnung grundsätzlich anerkennungsfähig, vorbehaltlich Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 34 Nr. 3 EuGVVO. Der ordre public967 darf insoweit nicht eingesetzt werden, als es um die (fälschlich bejahte) internationale Zuständigkeit geht;968 erlaubt ist jedoch, sich auf den ordre public zu berufen, wenn der Inhalt der abändernden Entscheidung schlechterdings nicht hinnehmbar ist.969 1556 d) Qualifikationsfragen. Bei der Abgrenzungsfrage, ob im Sinne der in Rz. 1546 dargelegten Unterscheidung noch Verfahrenseinheit gegeben ist mit der Folge, dass die Frage der internationalen Zuständigkeit nicht (erneut) gestellt werden 964 Die Frage kann allerdings nur dann aktuell werden, wenn nach New Yorker Recht eine internationale Zuständigkeit (jurisdiction) zu bejahen ist. 965 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1534. 966 Schlosser-Bericht Nr. 98. 967 Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 34 Nr. 1 EuGVVO. 968 Art. 28 III 2 EuGVÜ/Art. 28 IV 2 LugÜ/Art. 35 III 2 EuGVVO. 969 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 1226.
556
Internationale Annexzuständigkeit muss, oder ob ein neues selbständiges Verfahren anzunehmen ist, sind – im Bereich des autonomen deutschen Rechts – die Vorstellungen des deutschen Verfahrensrechts als Ausgangspunkt (Arbeitshypothese) zugrunde zu legen (wenn auch Modifikationen in Randbereichen vorstellbar sind).970 Auch im Anerkennungsstadium ist bei der Prüfung der internationalen Anerkennungszuständigkeit (§ 328 I Nr. 1 ZPO; § 109 I Nr. 1 FamFG) von den deutschen Vorstellungen auszugehen.
1557
1558–1562 8. Rückforderungsklagen a) Internationale Entscheidungszuständigkeit. Wird ein vorläufig vollstreckbarer Titel aufgehoben, so kann der Schuldner das von ihm Geleistete zurückfordern und (gegebenenfalls) Schadensersatz verlangen. Er kann dies im anhängigen Verfahren tun, § 717 II 2 ZPO (insoweit kann man – wenn man will – von einer Annexzuständigkeit sprechen); er kann aber auch eine selbständige Klage erheben. Auch für diese ist Deutschland immer gemäß § 32 ZPO international zuständig, ohne Rücksicht auf den Wohnsitz/Sitz des Vollstreckungsgläubigers (gegen den sich die Rückforderungs- bzw. Schadensersatzklage richtet).971 – Vgl. aber auch Rz. 3054.
1563
Eines besonderen Gerichtsstandes der Rückforderungsklage bedarf es nicht. Ei- 1564 nen solchen gibt es z.B. im schweizerischen Recht (Art. 86 II SchKG, § 9 Züricher ZPO972); dies hängt damit zusammen, dass das schweizerische Recht ein forum delicti commissi in der abstrakt-generellen Fassung des § 32 ZPO bisher nicht kannte. b) Internationale Anerkennungszuständigkeit ergibt sich für den Bereich des 1565 autonomen Rechts aus § 328 I Nr. 1 in Verbindung mit §§ 32, 717 II 2 ZPO.973 Soweit der einschlägige Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag das forum delicti commissi nicht kennt974 oder enger als § 32 ZPO definiert,975 ist auf das anerkennungsfreundlichere autonome Recht zurückzugreifen.976 9. Übergang vom Erfüllungsanspruch zum Schadensersatz § 893 II ZPO eröffnet eine konkurrierende internationale Zuständigkeit. Vgl. auch Rz. 877b.
970 Näher 4. Auflage. 971 Stein/Jonas/Münzberg, ZPO22, 2002, § 717 Rz. 46. 972 Hierzu Frank/Sträuli/Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung3, 1997, § 9 Rz. 49. 973 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1535. 974 So z.B. das durch Art. 55 LugÜ weitgehend (Art. 56 I LugÜ) außer Kraft gesetzte deutsch-schweizerische Abkommen. 975 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1529 Fußn. 112. 976 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1384.
557
1566
Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 10. Entschädigungsrechtliche Rückzahlungsansprüche 1567 Nach §§ 201 I, 204 II, 212 I Bundesentschädigungsgesetz (BEG) befinden die deutschen Entschädigungsbehörden und die deutschen Entschädigungsgerichte darüber, ob ein Anspruch auf Rückforderung gewährter Entschädigungsleistungen besteht. Der entschädigungsrechtliche Rückzahlungsanspruch kann im Wege der Leistungsklage geltend gemacht werden, falls ausnahmsweise der Gläubiger (= deutsches Bundesland), der sich bereits im Besitz eines vollstreckbaren Titels (§ 205 BEG) befindet, ein Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage hat; auch eine Widerklage ist zulässig.977 1568 Ein Rechtsschutzbedürfnis für die Leistungsklage besteht allgemein schon dann, wenn mit Rücksicht auf erhebliche Zweifel an der Verwendbarkeit des bereits vorhandenen Titels mit Schwierigkeiten und Bedenken bei den ausländischen Vollstreckungsorganen zu rechnen ist.978 1569 Das OLG Düsseldorf979 hält allerdings die Klage bei Gefahr einer Doppelvollstreckung für unzulässig. Dies ist unrichtig. Der Schuldner ist nämlich durch die Vollstreckungsgegenklage ausreichend geschützt. 11. Kostenerstattung 1570 Die internationale Zuständigkeit für die Hauptsache umfasst auch die internationale Zuständigkeit für das Kostenfestsetzungsverfahren.980 Auch bei internationaler Unzuständigkeit können Kosten gegen den Kläger festgesetzt werden.981 12. Überweisungsbeschlüsse 1571 Wird ein Überweisungsbeschluss (§ 835 ZPO) erst nach Erlass des Pfändungsbeschlusses (§§ 828 ff. ZPO) beantragt, so ergibt sich die internationale Zuständigkeit bereits aus dem Umstand, dass in Deutschland ein Pfändungsbeschluss vorliegt, auch wenn dieser nicht erlassen werden durfte, weil die internationale Zuständigkeit (§ 828 II ZPO, Rz. 1227) in Wirklichkeit nicht gegeben war oder weil die Anknüpfungspunkte später weggefallen sind, Rz. 1873a.
XIV. Abänderungsklagen 1. Abänderung deutscher Entscheidungen 1572 Deutschland eröffnet eine (nicht ausschließliche) internationale Zuständigkeit für die Abänderung eigener Entscheidungen, auch wenn eine Zuständigkeits977 BGH vom 21.3.1974, RzW 1974, 243 = IPRspr. 1974 Nr. 168; BGH vom 18.12.1975, RzW 1976, 80 = IPRspr. 1975 Nr. 129. 978 BGH vom 21.3.1974, RzW 1974, 243, 244 = IPRspr. 1974 Nr. 168; LG Duisburg vom 21.2.1984, ZBinnSch. 1984, 213 = IPRspr. 1984 Nr. 188; enger OLG Düsseldorf vom 8.7.1977, RzW 1978, 23 = IPRspr. 1977 Nr. 111. 979 OLG Düsseldorf a.a.O. 980 OLG Koblenz vom 5.11.1985, RIW 1986, 469 = IPRax 1987, 24 (Reinmüller) = RIW 1986, 469 = IPRspr. 1985 Nr. 183. 981 R. Geimer IPRax 1990, 192; R. Geimer IPRax 1993, 292, 294.
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Widerklage anknüpfung nach §§ 12 ff. ZPO nicht gegeben ist, Rz. 952, 1542.982 Anders ist die Rechtslage im Anwendungsbereich der EuGVVO bzw. des LugÜ: Liegen die Voraussetzungen nach Art. 2, 5 ff. EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ nicht vor, so darf der Gerichtsstaat seine eigene Entscheidung nicht abändern, Rz. 1555.983 2. Abänderung ausländischer Entscheidungen Völkerrechtliche Bedenken stehen der Abänderung ausländischer Gerichtsurtei- 1573 le und sonstiger Titel nicht entgegen; denn das deutsche (abändernde) Urteil beansprucht nur für den Hoheitsbereich der Bundesrepublik Deutschland Verbindlichkeit, Rz. 466. Die Anerkennung in dem Staat, in dem die (abgeänderte) Erstentscheidung erlassen worden ist, ist Sache des dortigen Anerkennungsrechts. Voraussetzung für die deutsche internationale Abänderungszuständigkeit ist, dass eine Zuständigkeitsanknüpfung nach §§ 12 ff. ZPO (Rz. 952) bzw. Art. 2 ff. EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ (Rz. 1555) gegeben ist.984
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XV. Widerklage 1. Widerklage gegen Dritte § 33 ZPO eröffnet eine internationale Zuständigkeit für konnexe Widerklagen 1575 des Beklagten gegen den Kläger,985 nicht jedoch gegen einen Dritten, Rz. 1167.986 Ausnahme: Macht der Kläger in (gewillkürter) Prozessstandschaft Ansprüche eines Dritten (= materiell-rechtlicher Gläubiger) geltend, dann begründet § 33 ZPO auch gegen diesen internationale Zuständigkeit.987
982 Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 607; R. Geimer RIW 1975, 82; Jayme/ Hausmann ZBIJR 1979, 4. Beispiel: AG Mönchengladbach vom 10.11.1994, FamRZ 1996, 1086 (Gottwald) = IPRspr. 1995 Nr. 78. 983 Schlosser-Bericht Nr. 107; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 452, 1226. Ausführlich Riegner, Probleme der internationalen Zuständigkeit und des anwendbaren Rechts bei der Abänderung deutscher Unterhaltstitel nach dem Wegzug des Unterhaltsberechtigten ins EU-Ausland, FamRZ 2005, 1799. 984 Henrich IPRax 1989, 53; Baumann IPRax 1990, 32; Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000, 348. Beispiele: OLG Frankfurt vom 10.12.1980, IPRax 1981, 136 (Schlosser 120) = IPRspr. 1980 Nr. 162; OLG Frankfurt vom 30.4.1980, NJW 1980, 2022 = FamRZ 1980, 672 = MDR 1980, 1017 = IPRspr. 1980 Nr. 166; KG vom 24.2.1993, IPRspr. 1993 Nr. 76; OLG Saarbrücken vom 16.9.1993, FamRZ 1994, 579 = IPRspr. 1993 Nr. 83 (für Anwendung des § 23 ZPO, anders oben Rz. 1543). 985 BGH vom 8.5.1992, NJW 1992, 3106 = RIW 1992, 673 = WM 1992, 1510 = MDR 1992, 899 = IPRspr. 1992 Nr. 1. 986 BGH vom 20.5.1981, NJW 1981, 2642 = RIW 1981, 706 = MDR 1982, 138 = IPRspr. 1981 Nr. 162; Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 582; R. Geimer NJW 1972, 2172; 1973, 951; Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, 1985, 109. 987 Eickhoff a.a.O. 145, 157.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 2. Derogierbarkeit 1576 Die Widerklagezuständigkeit ist derogierbar.988 3. Internationale Anerkennungszuständigkeit 1577 Die auf Konnexität gegründete internationale Widerklagezuständigkeit ist nach § 328 I Nr. 1 in Verbindung mit § 33 ZPO bzw. nach dem einschlägigen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag anzuerkennen.989
XVI. Vom deutschen Recht nicht rezipierte Zuständigkeitsanknüpfungen 1. Streitgenossenzuständigkeit 1578 Mit Ausnahme der Fälle der §§ 603 II, 605a ZPO, § 232 III 2 Nr. 2 FamFG (früher § 35a ZPO), § 440 II HGB, § 56 Luftverkehrsgesetz990 lässt das autonome deutsche Recht – anders als Art. 6 Nr. 1 EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ991 – die internationale Streitgenossenzuständigkeit nicht zu, Rz. 1159, 1292. Durch Richterspruch (nach § 36 I Nr. 3 ZPO) kann die internationale Zuständigkeit nicht gegen einen Beklagten begründet werden, hinsichtlich dessen eine Zuständigkeitsanknüpfung nach §§ 12 ff. ZPO nicht gegeben ist.992 2. Gerichtsstand des Sachzusammenhangs 1579 Von § 33 ZPO und den in Rz. 1540 ff. aufgeführten Annexzuständigkeiten abgesehen, kennt die ZPO – ebenso wie das EuGVÜ/LugÜ und die EuGVVO – keinen Gerichtsstand des Sachzusammenhangs,993 Rz. 1023.
988 Eickhoff a.a.O. 130, 150. 989 R. Geimer NJW 1972, 2180; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1544; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 699. 990 In der Fassung vom 10.5.2007, BGBl. I 698. 991 Hierzu außer den Kommentaren zur EuGVVO bzw. zum EuGVÜ/LugÜ Geier, Die Streitgenossenschaft im internationalen Verhältnis, Diss. St. Gallen 2005; Otte, Umfassende Streitentscheidung durch Beachtung von Sachzusammenhängen – Gerechtigkeit durch Verfahrensabstimmung?, 1998, 649 ff. sowie Simotta in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 93 JN Rz. 12. 992 R. Geimer WM 1979, 351; Otte, Umfassende Streitentscheidung durch Beachtung von Sachzusammenhängen – Gerechtigkeit durch Verfahrensabstimmung?, 1998, 655; Vossler, Die Bedeutung des Mehrparteiengerichtsstands nach Art. 6 Nr. 1 EuGVVO bei der Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO, IPRax 2007, 281, 282. 993 BGH vom 28.2.1996, BGHZ 132, 105 = NJW 1996, 1411 = FamRZ 1996, 601 = IPRax 1997, 187 (Mankowski 173) = JZ 1997, 88 (Gottwald) = LM § 29 ZPO Nr. 8 (R. Geimer) = ZZPInt 2 (1997), 117 (U. Wolf) = IPRspr. 1996 Nr. 142.
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Anknüpfungen, die das deutsche Recht nicht rezipiert hat 3. Gerichtsstand der Gewährleistungsklage Die Verfasser der ZPO hielten diesen Gerichtsstand im Hinblick auf das Institut 1580 der Streitverkündung (§ 71 ZPO) für entbehrlich.994 Auch wurde Art. 6 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ für den Bereich des deutschen Erkenntnisverfahrens abbedungen, Art. V (2) des Protokolls zum EuGVÜ bzw. Art. V (2) des Protokolls Nr. 1 zum LugÜ.995 Daran hält bedauerlicherweise auch Art. 65 EuGVVO fest. Dadurch werden die Klagemöglichkeiten in Deutschland im Vergleich zu denen in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu stark beschnitten. Dies ist mit Art. 18 AEUV/Art. 12 EGV nicht vereinbar.996 4. Gerichtsstand am Ort des Entstehens der Verbindlichkeit (forum obligationis) Den Gerichtsstand des Abschlussortes kennen z.B. die belgische Gerichtsordnung (Art. 635 Nr. 2 Code judiciaire) und das griechische ZPG (Art. 33.1),997 die deutsche ZPO hatte ihn bis 31.12.1996 nur in der rudimentärenForm des § 30 ZPO rezipiert; siehe auch Rz. 1466.
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In diesem Forum können sowohl Klagen aus Rechtsgeschäft am Ort des Vertrags- 1582 schlusses998 wie auch Klagen wegen unerlaubter Handlung am Tatort999 erhoben werden. Dieses allgemeine forum obligationis macht ein Spezialforum für Deliktsklagen am Ort der unerlaubten Handlung entbehrlich, nicht jedoch den Gerichtsstand des Erfüllungsortes, da der Ort des Entstehens der vertraglichen Verbindlichkeit mit dem ihrer Erfüllung nicht übereinstimmen muss. Diesen Gerichtsstand hat schon Savigny1000 als „zufällig, vorübergehend, dem Wesen der Obligation und ihrer ferneren Entwicklung und Wirksamkeit fremd“ kritisiert. 5. Gerichtsstand am Ort der Eheschließung (Zelebrationskompetenz) Der Umstand, dass in Deutschland die Ehe geschlossen wurde, ist nach deutschem Recht kompetenzrechtlich irrelevant. Anders ist es jedoch bei Lebenspartnern. Nach § 103 I Nr. 3 FamFG eröffnet Deutschland auch dann eine internationale Zuständigkeit, wenn die Lebenspartnerschaft vor einem deutschen Standesbeamten, Notar oder einer sonstigen zuständigen deutschen Stelle begründet worden ist. Damit werden die Rechts-
994 R. Geimer ZZP 85 (1972), 196. 995 Näher R. Geimer WM 1979, 360. Siehe auch aus österreichischer Sicht Simotta in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 94 JN Rz. 20. 996 R. Geimer IPRax 2002, 69, 74. 997 Ebenso früher die (durch das Reformgesetz vom 31.5.1995 insoweit außer Kraft gesetzte) italienische Prozessordnung (Art. 4 Nr. 2 Codice di procedura civile). 998 Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 300; siehe z.B. Art. 88 brasilianische Codigo proc. civ, BGH vom 25.4.1996, RIW 1996, 966 = WM 1996, 2037 = IPRspr. 1996 Nr. 177. 999 Schröder a.a.O. 249. 1000 Savigny, System des heutigen römischen Rechts VIII, 1849, 207.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit schutzmöglichkeiten im Inland in Lebenspartnerschaftssachen gegenüber denen in Ehesachen enorm ausgeweitet.1001 Ob dies mit Art. 3 I und II 1 sowie Art. 6 GG vereinbar ist, wird das Bundesverfassungsgericht entscheiden müssen.1002 6. Gerichtsstand des Zustellungsortes: Internationale Zuständigkeit nur aufgrund Zustellung während vorübergehender Anwesenheit – „tag jurisdiction“ 1584 Internationale Zuständigkeit wird bejaht, wenn die Klage dem Beklagten im Inland zugestellt werden kann. Auf dieser Regel basieren das englische Zuständigkeitssystem1003 und die von diesem beeinflussten Rechtsordnungen der angelsächsischen Länder, insbesondere der USA.1004 Die Kompetenzregel wurde vom US Supreme Court nicht als verfassungswidrig (weil gegen die due process of law-Klausel des 14. Amendment verstoßend) beanstandet.1005 Auch Länder des romanischen Rechtskreises haben die Zustellungszuständigkeit rezipiert, nämlich Belgien (Art. 624 Nr. 4 Code judiciaire) und Venezuela (Art. 40 Nr. 3 IPR-Gesetz).1006 Diese Anknüpfung ist nach bisher allgemeiner Meinung völkerrechtskonform.1007 1001 Die EuEheVO ist – jedenfalls in ihrer aktuellen Fassung – auf gleichgeschlechtliche Partnerschaften nicht anzuwenden, Art. 1 EuEheVO. 1002 Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 606a Rz. 5. 1003 Peter Huber, Die englische forum non conveniens-Doktrin und ihre Anwendung im Rahmen des Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens, 1994, 32; Kronke RIW 1977, 614; Milleker, Der negative internationale Kompetenzkonflikt, 1975, 155; Hay JZ 1977, 697; Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 45; Wilhelmi, Das Weltrechtsprinzip im internationalen Privat- und Strafrecht, Diss. Trier 2007, 284 ff. 1004 Nachweise hierzu z.B. bei Born/Rutledge, International Civil Litigation in the United States Courts4, 2006, 122 ff.; Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006. 80, 86 ff. 1005 Burnham v. Superior Court of California, 110. S. Ct. 2105 (1990); kritisch Hay Illinois Law Review 593 (1990). Hierzu auch Otte IPRax 1991, 263, Peterson IPRax 1991, 267 sowie Otto, Der prozessuale Durchgriff – die Nutzung forumansässiger Tochtergesellschaften in Verfahren gegen ihre auswärtigen Muttergesellschaften im Recht der USA, der Europäischen Gemeinschaften und der Bundesrepublik Deutschland, zugleich ein Beitrag im Justizkonflikt mit den USA, 1993, 48; Schütze, Die Allzuständigkeit amerikanischer Gerichte, 2003, 12; einschränkend aber Restatement (Third) of the Foreign Relations Law of the U. S. (1987), § 421 (2) (a): Verlangt wird, dass „the person . . . is present in the territory of the state (other than transitorily)“, abgedruckt oben Rz. 378a. Hierzu „Comment“ a.a.O. 307 und Reporters’ Notes a.a.O. 310 sub 310. Nachweise bei Dörig, Anerkennung und Vollstreckung US-amerikanischer Entscheidungen in der Schweiz, 1998, 170; Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 383; Kuhmann, Das Ermittlungsverfahren im internationalen Kartellrecht der USA, 1988, 291; Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 211; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 570. 1006 Deutsche Übersetzung von Samtleben in IPRax 1999, 196, 198. 1007 Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 235 f.
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Anknüpfungen, die das deutsche Recht nicht rezipiert hat Der High Court of Justice bejahte z.B. seine jurisdiction, nachdem dem beklagten Galeristen Wildenstein, der sich als Tourist in England aufhielt, die Klageschrift (writ, nunmehr claim form) auf der Rennbahn in Ascot zugestellt worden war.1008 Noch krasser sind die Fälle, in denen – ohne Landung – beim Überfliegen des Luftraums des Gerichtsstaates die Zustellung erfolgte. Die Zustellungszuständigkeit beruht auf mittelalterlichen Rechtsvorstellungen.1009
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Hervorzuheben sind auch die unterschiedlichen Vorstellungen über das Verhält- 1586 nis zwischen internationaler Zuständigkeit und Zustellung. Nach deutschem Verständnis ist die Frage der Zustellung scharf zu trennen von der internationalen Zuständigkeit, Rz. 1091, 1957 a.E. Dagegen ist nach US-amerikanischem Recht die internationale Zuständigkeit (jurisdiction) nur dann gegeben, wenn zugestellt ist.1010 7. Gerichtsstand der Gegenseitigkeit Ausländer können nach dieser Zuständigkeitslogik im Inland verklagt werden, 1587 wenn vice versa Inländer im Heimatstaat des Ausländers gerichtspflichtig sind.1011 Fraglich ist, ob diese Zuständigkeitsnorm im Wege der Vergeltung angeordnet werden könnte. In Deutschland fehlt seit Aufhebung des § 24 EGZPO1012 ohnehin eine Rechtsgrundlage, Rz. 36. 8. Forum arresti Dieser dem Gerichtsstand des Vermögens (§ 23 ZPO) verwandte Gerichtsstand 1588 (internationale Zuständigkeit wird eröffnet, wenn der Kläger Vermögen des Beklagten im Inland durch Arrestschlag „verfestigt“ hat) findet sich in der Schweiz und im common law-Bereich (attachment-Verfahren).1013
1008 Maharenee of Baroda v. Wildenstein (1972) 2 Q. B. 283. 1009 Reu, Die staatliche Zuständigkeit im IPR, 1938, 93; Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 285; Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 89; Scheucher, Studien zur internationalen Zuständigkeit in Vermögensstreitigkeiten, 1972, 38 ff. 1010 Junker IPRax 1986, 207; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht3, 2003, 37; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 26. Zur dogmatischen Unschärfe auch Kuhmann, Das Ermittlungsverfahren im internationalen Kartellrecht der USA, 1988, 292, 294; Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 208, 229. 1011 Diese Zuständigkeitsregel kennen die Nachfolgestaaten des dismembrierten Jugoslawien (Art. 66 ZPG, Art. 48 IPR-Gesetz, Lipowschek, RabelsZ 49 [1985], 453) und Portugal (Art. 65 I Buchstabe c Codigo de Proceso Civil), Belgien (Art. 636 I Code judiciaire); Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, 128; Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 767 Fußn. 3455; früher auch Italien (Art. 4 Nr. 4 Codice di procedura civile) und Österreich (§ 101 JN, vgl. Schwimann FamRZ 1985, 673; Matscher IPRax 1984, 224). 1012 Aufgehoben mit Wirkung zum 1.10.1998 durch Gesetz vom 6.8.1998, BGBl. I 2030, 2033. Hierzu Bericht des Rechtsausschusses, Bundestagsdrucksache 13/10871 S. 16. 1013 Zur Arrestprosequierungsklage des englischen Rechts (Freezing [Mareva] Injunction) Baumgartner, Die Anerkennung un Vollstreckung ausländischer Zivilurteile in der
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 9. Internationale Zuständigkeit für Klagen von Inländern 1589 Eine solche Heimatzuständigkeit des Klägers findet man in Art. 14 Code civil (Rz. 1020, 1946),1014 im deutschen Kompetenzrecht jedoch nur in Statussachen (Ehe-, Kindschafts-, Abstammungs- und Lebenspartnerschaftssachen), Rz. 1330. 10. Internationale Zuständigkeit für Klagen gegen Inländer 1590 Eine passive Heimatzuständigkeit kennen das französische Recht (Art. 15 Code civil) und viele von ihm beeinflusste romanische Rechtsordnungen, Rz. 1021, 1138.1015 11. Forum legis 1591 Das englische Recht (RSC order 11 rule 1 [1] [f]) eröffnet für Streitigkeiten aus Verträgen, die englischem Recht unterstehen (governed by English Law), eine internationale Zuständigkeit.1016 12. Exkurs: Internationale Anerkennungszuständigkeit 1592 Hat das ausländische Gericht die internationale Zuständigkeit des Erststaates auf einen dem deutschen Recht unbekannten Zuständigkeitsanknüpfungspunkt gestützt, so folgt daraus nicht zwingend, dass dem ausländischen Urteil – auf Rüge des Beklagten – die Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung verweigert werden muss. Die Prüfung der internationalen Anerkennungszuständigkeit durch den deutschen Zweitrichter nach dem einschlägigen Staatsvertrag bzw. nach § 328 I Nr. 1 ZPO bzw. § 109 I Nr. 1 FamFG steht völlig selbständig neben den Zuständigkeitsprüfungen im Erkenntnisverfahren. Der deutsche Richter prüft anhand des Zuständigkeitskatalogs des einschlägigen Anerkennungsvertrages bzw. nach § 328 I Nr. 1 in Verbindung mit §§ 12 ff. ZPO, ob – aus deutscher Sicht – eine Anknüpfung für die Bejahung der internationalen Zuständigkeit des Erststaates als Voraussetzung der Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung gegeben ist, Rz. 1393, 1805, 1873, 1939, 2901. 1593–1595 Schweiz: Neuere Entwicklungen in Stiftung für die Weiterbildung schweizerischer Richterinnen und Richter, Bd. 5, herausgegeben von Leuenberger/Guy, 2004, 111, 123 ff.; Grunert, Die „world-wide“ Mareva Injunction, 1998. Im Schweizer Bundesrecht (Art. 278 SchKG) fehlt ein Gerichtsstand; diesen haben nach Art. 23 Nr. 1 SchKG die Kantone zu bestimmen, z.B. § 9 II Züricher ZPO; hierzu Frank/Sträuli/ Messmer, Kommentar zur zürcherischen Zivilprozessordnung3, 1997, § 9 Rz. 61. Zu Art. 4 des schweizer. IPR-Gesetzes Keller/Siehr, Allgemeine Lehren des internationalen Privatrechts, 1986, 582. Vgl. auch Girsberger/Mráz IPRax 2003, 545. Zum seerechtlichen forum arresti des Art. 5 Nr. 7 EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 843. 1014 Nachweise z.B. bei Wilhelmi, Das Weltrechtsprinzip im internationalen Privat- und Strafrecht, Diss. Trier 2007, 288. 1015 Bis zum IPR-Reformgesetz vom 31.5.1995 auch Italien (Gegenschluss aus Art. 4 Codice di procedura civile a.F.). 1016 Dicey, Morris & Collins, The Conflict of Laws14, 2006, 11.164; R. Geimer in Geimer/ Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 538; Magnus RIW 1984, 326.
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Zuständigkeitsvereinbarungen
10. Kapitel: Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit Literatur: Alexander, Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen im E-Commerce sowie außergerichtliche Streitbeilegung, 2006; Ancel, La clause attributive de juridiction selon l’art. 17 de la Convention de Bruxelles, Riv. dir. int. priv. proc. 1991, 263; Aull, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen bei gemeinsamem Sitz der Parteien in einem Vertragsstaat des EuGVÜ, Jahrbuch für italienisches Recht II (1989), S. 157; Aull, Der Geltungsanspruch des EuGVÜ: „Binnensachverhalte“ und IZVR in der Europäischen Union, 1996; Aull, Zur isolierten Prorogation nach Art. 17 Abs. 1 LugÜ, IPRax 1999, 226; Bariatti, Sulla interpretazione dell’art. 17 della convenzione di Bruxelles del 27 settembre 1968, Riv. dir. int. priv. proc. 1986, 819; Basedow, Das forum conveniens der Reeder im EuGVÜ, IPRax 1985, 133; von Baum, Die prozessuale Modifizierung von Wertpapieren durch Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen, 1998; Baumgärtel, Die Vereinbarung der internationalen Zuständigkeit nach dem EWG-Übereinkommen vom 27. September 1968 und nach § 38 Abs. 2 ZPO, in Festschrift Kegel, 1977, 285; Benecke, Die teleologische Reduktion des räumlichpersönlichen Anwendungsbereichs von Art. 2 ff. und Art. 17 EuGVÜ, Diss. Bielefeld 1993; C. Berger, Gerichtspflicht infolge Internetpräsenz nach der neuen Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO)? – Zugleich: Plädoyer für einen Gerichtsstand der „virtuellen Niederlassung“ in Bauknecht/Brauer/Mück, Informatik 2001 – Wirtschaft und Wissenschaft in der Network Economy – Visionen und Wirklichkeit, 2001, 1002; Berti, Englische antisuit injunctions im europäischen Zivilprozessrecht, in Festschrift Siehr, 2000, 33; Boccafoschi, Zuständigkeits- und Gerichtsstandsvereinbarungen im deutschen und italienischen Recht unter besonderer Berücksichtigung des EuGVÜ und der EuGVVO, Diss. Augsburg 2003, 2005; Bonell, L’art. 17 della Convenzione di Bruxelles sulla competenza giurisdizionale ed il diritto transnazionale, Riv. comm. 1977, 214; Borges, Die europäische Klauselrichtlinie und der deutsche Zivilprozess, RIW 2000, 933; Bork, Gerichtsstandsklauseln in Satzungen von Kapitalgesellschaften, ZHR 157 (1993), 48; Burgstaller, Probleme der Prorogation nach dem Lugano-Übereinkommen, JBl 1998, 691; Calliess, Grenzüberschreitende Verbraucherverträge – Rechtssicherheit und Gerechtigkeit auf dem elektronischen Weltmarktplatz, 2006; Carbone, La disciplina comunitaria della proroga della giurisdizione in materia civile e commerciale, DCI 1989, 351; Coipel-Cordonnier, Les conventions d’arbitrage et d’élection de for en droit international privé, 1999; Coßmann, Klauselrichtlinie und französisches Zivilrecht, Diss. Münster 2002; Del i, Gli usi del commercio internazionale nel nuovo testo dell’Art. 17 della Convenzione di Bruxelles del 1968, Riv. dir. int. priv. proc. 1989, 27; Eichel, AGB-Gerichtsstandsklauseln im deutsch-amerikanischen Handelsverkehr, Diss. Passau, 2007; Ekelmans, Les conditions de validitié au regard de l’article 17 de la Convention de Bruxelles du 2791968 d’une clause attributive de juridiction inserée dans un connaissement maritime, CDE 1985, 426; Fawcett, Non-exclusive Jurisdiction Agreements in Private International Law, Lloyd’s 565
Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit MCLQ 2001, 234; Franzen, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen in Arbeitsverträgen, RIW 2000, 81; Fricke, Das Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen unter besonderer Berücksichtigung seiner Bedeutung für die Versicherungswirtschaft, VersR 2006, 476; Fuchs, Aspekte der Schriftform nach Art. 17 EuGVÜ und nach Art. II des UN-Schiedsgerichtsübereinkommens, Diss. Bonn 1985; Gansauge, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht bei Verbraucherverträgen im Internet. Eine rechtsvergleichende Betrachtung des deutschen und des US-amerikanischen Rechts, Diss. Kiel 2004; Gaudemet-Tallon, Gerichtsstandsvereinbarungen im Brüsseler Übereinkommen, in EuGH (ed.). Internationale Zuständigkeit und Urteilsanerkennung in Europa, 1993, 117; Gebauer, Zur Drittwirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen bei Vertragsketten, IPRax 2001, 471; R. Geimer, Zuständigkeitsvereinbarungen zugunsten und zu Lasten Dritter, NJW 1985, 533; R. Geimer, Anwendung einer abgelaufenen Gerichtsstandsvereinbarung (Anm. zur Iveco-Entscheidung des EuGH), EWiR 1988, 471; R. Geimer, Zuständigkeitsvereinbarungen zugunsten und zu Lasten Dritter, NJW 1985, 533; Girsberger, Gerichtsstandsklausel im Konnossement: Der EuGH und der internationale Handelsbrauch, IPRax 2000, 87; Gottwald, Die einseitig bindende Prorogation nach Art. 17 Abs. 3 EuGVÜ, IPRax 1987, 291; Gottwald, Grenzen internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen, in Festschrift Firsching, 1985, 89; Gottwald, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen – Verträge zwischen Prozessrecht und materiellem Recht, in Festschrift Henckel, 1995, 295; Gottwald/Baumann, Zur Derogation der deutschen internationalen Zuständigkeit, IPRax 1998, 445; Grolimund, Drittstaatenproblematik des europäischen Zivilverfahrensrechts, 2000; Grube, Deutsch-spanische Gerichtsstandsvereinbarungen, EuZW 1992, 17; Gumpp, Verbraucherschutz im elektronischen Rechtsverkehr nach Umsetzung der E-Commerce-Richtlinie, Diss. Bielefeld 2006; Haß, Zur internationalen Gerichtsstandsvereinbarung in einer Patronatserklärung IPRax 2000, 494; Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozessrecht – Überlegungen zur Bewältigung von multi-fora disputes, 1996; Hau, Durchsetzung von Zuständigkeits- und Schiedsvereinbarungen mittels Prozessführungsverboten im EuGVÜ, IPRax 1996, 44; Hau, Zur schriftlichen Bestätigung mündlicher Gerichtsstandsvereinbarungen, IPRax 1999, 24; Hau, Grenzen der Beachtlichkeit von Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen nach lex fori und Vereinbarungsstatut, IPRax 1999, 232; Heiss, Die Form internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen – Eine rechtsvergleichende Analyse, ZfRV 2000, 202; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 2927 ff.; Hausmann in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2002, Anh. II zu Art. 27–37 EGBGB Rz. 162; Hernández-Breton, Internationale Gerichtsstandsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1993; Heß, Gerichtsstandsvereinbarungen zwischen EuGVÜ und ZPO, IPRax 1992, 358; Hochbaum, Missglückte internationale Schiedsvereinbarungen, 1995; von Hoffmann/ Thorn, Internationales Privatrecht9, 2007, § 3 Rz. 72 ff.; Hofstetter-Schnellmann, Die Gerichtsstandsvereinbarung nach dem Lugano-Übereinkommen, 1992; Hollatz, Formularmäßige Gerichtsstandsvereinbarungen im vollkaufmännischen Verkehr, 1993; Howcroft, Jurisdiction clauses and the Brussels Convention, Solicitors Journal 132 (1988), 1538; Hübner, Der Umfang des Schriftformerfordernisses des Art. 17 EuGVÜ bei (Versicherungs-) verträgen zugunsten Dritter und die 566
Zuständigkeitsvereinbarungen Folge der hilfsweisen Einlassung nach der Rüge der Zuständigkeit im Hinblick auf Art. 18 EuGVÜ, IPRax 1994, 237; Iozzo, „Forma scritta“ e clausola di deroga alla giurisdizione ai sensi dell’art. 17 della convenzione de Bruxelles: orientamenti giurisprudenziali, Foro italiano 1991, 3132; Jayme, Gerichtsstand und abgelaufener Hauptvertrag in Art. 17 EuGVÜ, IPRax 1989, 361; Jayme/Aull, Zur Anwendbarkeit des Art. 17 EuGVÜ bei Wohnsitz beider Parteien in demselben Vertragsstaat, IPRax 1989, 80; Jayme/Haack, Reziproke Gerichtsstandsklauseln – EuGVÜ und Drittstaaten, IPRax 1983, 323; Jung, Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit nach dem EWG-Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen und nach § 38 Abs. 2 ZPO, 1980; Jungermann, Die Drittwirkung internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen nach EuGVÜ/EuGVO und LugÜ, 2006; Karré/Abermann, Wirksamkeitsvoraussetzungen von Gerichtsstandsklauseln in Satzungen von Aktiengesellschaften, ZEuP 1994, 138; Killias, Die Gerichtsstandsvereinbarung nach dem Lugano-Übereinkommen, 1993; Killias, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen mittels Schweigen auf kaufmännisches Bestätigungsschreiben, in Festschrift Siehr, 2001, 65; Kim, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, 1995; Kindler/Haneke, Gerichtsstandsvereinbarungen in Rahmenverträgen, IPRax 1999, 435; Kleinknecht, Die verbraucherschützenden Gerichtsstände im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, Diss. Mainz 2007, 34 ff., 127 ff.; Kohler, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen: Liberalität und Rigorismus im EuGVÜ, IPRax 1983, 265; Koch, Zur Bewertung von Gerichtsstandsklauseln und Erfüllungsortvereinbarungen im internationalen Handelsverkehr, JZ 1997, 841; Kohler, Pathologisches im EuGVÜ: Hinkende Gerichtsstandsvereinbarungen nach Art. 17 Abs. 3 EuGVÜ, IPRax 1986, 340; Kohler, Gerichtsstandsvereinbarungen in fremdsprachigen AGB: Das clair-obscur des Art. 17 EuGVÜ, IPRax 1991, 299; Kröll, Gerichtsstandsvereinbarungen aufgrund Handelsbrauchs im Rahmen des GVÜ, ZZP 113 (2000), 135; Kohler, Rigueur et souplesse en droit international privé: Les formes prescrites pour une convention attributive de juridiction dans le commerce international par Article 17 de la convention de Bruxelles dans sa nouvelle rédaction, Dir. com. int. 1990, 611; Kropholler/Pfeifer, Das neue europäische Recht der Zuständigkeitsvereinbarung, Festschrift Nagel, 1987, 157; Kubis, Gerichtspflicht durch Schweigen? – Prorogation, Erfüllungsortvereinbarung und internationale Handelsbräuche, IPRax 1999, 10; Leible, Gerichtsstandsklauseln und EGKlauselrichtlinie, RIW 2001, 422; Leible/Röder, Missbrauchskontrolle von Gerichtsstandsvereinbarungen nach Europäischem Zivilprozessrecht, RIW 2007, 481; Leipold, Zuständigkeitsvereinbarung und rügelose Einlassung nach dem Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen, IPRax 1982, 222; Lindacher, Internationale Gerichtsstandsklauseln in AGB unter dem Geltungsregime von Brüssel I – Das Erfordernis tatsächlicher Willenseinigung: Postulat und Postulatsfolgerungen, in Festschrift Schlosser, 2005, 491; Lindenmayr, Vereinbarung über die internationale Zuständigkeit und darauf anwendbares Recht, Diss. Passau 2000, 2001; Luginbühl/Wollgast, Das neue Haager Übereinkommen über Gerichtsstandsvereinbarungen: Aussichten für das geistige Eigentum, GRUR 2006, 208; Mankowski, Seerechtliche Vertragsverhältnisse im Internationalen Privatrecht, 1995; Mankowski in Dieterich/Neef/Schwab (ed.), Arbeitsrecht-Blattei sub Arbeitsgerichtsbarkeit V – E. Internationale Zuständig567
Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit keit 160.5.5 Rz. 507 ff.; Myass/Reed, European Business Litigation, 1998; McClellan, Choice of Jurisdiction Clauses under the EEC Judgments Convention, J. B. L. 1984, 445; Merret, The Enforcement of Jurisdiction Agreements within the Brussels Regime, IntCompLQuart 2006, 315; Mohs, Drittwirkung von Schieds- und Gerichtsstandsvereinbarungen, 2006; Momme Mohs, Drittwirkung von Schiedsund Gerichtsstandsvereinbarungen – Eine rechtsvergleichende Untersuchung zur subjektiven Reichweite von Zuständigkeitsvereinbarungen bei Forderungsabtretung in der Schweiz, in Deutschland und in den USA, Diss. Basel 2005; Müller, Schriftformerfordernis nach Art. 17 EG-Zuständigkeits- und Vollstreckungsübereinkommen, RIW 1977, 163; Oberhammer, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen: Konkurrierende oder ausschließliche Zuständigkeit, JBl. 1997, 434; Pieri, La disciplina della proroga della competenza della convenzione di Bruxelles nella Giurisprudenza della Corte di Giustizia della C. E. E., Gedächtnisschrift Giuliano, 1989, 731; Queirolo, Art. 17 della Convenzione di Bruxelles e clausola attributiva di competenza contenuta in uno statuto societario, Riv. DIP 1993, 69; Queirolo, La forma degli accordi sul foro nella convenzione di Bruxelles del 1968: Una recente pronuncia della Corte di giustizia, Riv. dir. int. priv. proc. 199, 601; Rasmussen-Bonne, Alternative Rechts- und Forumwahlklauseln – Eine vergleichende Darstellung, 1999; Rabe, Seehandelsrecht4, 2000, Rz. 149 ff. vor § 556 HGB; Rabe, Drittwirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen, TranspR 2000, 389; Rauscher, Gerichtsstandsbeeinflussende AGB im Geltungsbereich des EuGVÜ, ZZP 103 (1991), 270; Reiser, Gerichtsstandsvereinbarungen nach IPR-Gesetz und Lugano-Übereinkommen, 1995; Herbert Roth, Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 17 EuGVÜ und kartellrechtliches Derogationsverbot, IPRax 1992, 67; Sachse, Der Verbrauchervertrag im Internationalen Privat- und Prozessrecht, 2006; Saenger, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem EuGVÜ und LugÜ, ZZP 110 (1997), 477; Saenger, Gerichtsstandsvereinbarung nach EuGVÜ in handelsgebräuchlicher Form, ZEuP 2000, 656; Saenger, Wirksamkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen, in Festschrift Sandrock, 2000, 807; Samtleben, Internationale Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem EWG-Übereinkommen und nach der Gerichtsstandsnovelle, NJW 1974, 1590; Samtleben, Art. 17 EuGVÜ und kein Ende, IPRax 1985, 261; Samtleben, Europäische Gerichtsstandsvereinbarungen und Drittstaaten – viel Lärm um nichts?, RabelsZ 59 (1995), 670; Samtleben, Der Art. 23 EuGVO als einheitlicher Maßstab für internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, in Festschrift Ansay, 2006, 343; Friederike E. Sandrock, Die Vereinbarung eines „neutralen“ internationalen Gerichtsstandes, 1997; Scheuermann, Internationales Zivilverfahrensrecht bei Verträgen im Internet: Eine rechtsvergleichende Untersuchung des deutschen, europäischen und US-amerikanischen Zuständigkeitsrechts, sowie der Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 2004, 119 ff., 187 ff.; M. J. Schmidt, Kann Schweigen auf eine Gerichtsstandsklausel in AGB einen Gerichtsstand nach Art. 17 EuGVÜ/LuganoÜ begründen?, RIW 1992, 173; Schücking, Wirtschaftsrechtliche Schranken für Gerichtsstandsvereinbarungen, in Gedächtnisschrift Arens, 1993, 385; Schücking, Wirtschaftsrechtliche Schranken für Gerichtsstandsvereinbarungen, in Gedächtnisschrift Arens, 1993, 383; Schulze, Der pathologische Fall – Die Gerichtsstandsvereinbarung nach Art. 17 EuGVÜ/LugÜ, 568
Zuständigkeitsvereinbarungen IPRax 1999, 229; Schütze, Ausschluss der Zuständigkeit der Garantieklage (Art. 6 Nr. 2 EuGVÜ) durch internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, RIW/ AWD 1985, 966; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 164 ff.; Schwarz, Die neuere Rechtsprechung zu Art. 17 Abs. 4 EuGVÜ, IPRax 1987, 291; Simotta in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 104 JN Rz. 113, 206; Simotta in Fasching a.a.O., 5. Band 1. Teilband, 2008, Art. 23 EuGVVO; Staehelin, Gerichtsstandsvereinbarungen im internationalen Handelsverkehr Europas. Form und Willenseinigung nach Art. 17 EuGVÜ/LugÜ, 1994; Sternke, Prozessuale Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1993; Stöve, Gerichtsstandsvereinbarungen nach Handelsbrauch, Art. 17 EuGVÜ und § 38 ZPO, 1993; Tebbens, Internationale Kaufverträge und das EuGVÜ: Gerichtsstandsklausel in AGB und Erfüllungsort nach EKG, IPRax 1985, 262; Thorn, Grenzüberschreitende Gerichtsstandsvereinbarungen in Kreditverträgen zur Finanzierung von Börsenspekulationen, IPRax 1995, 294; Trunk, Derogationswirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen im deutsch-polnischen Rechtsverkehr, IPRax 1998, 448; Verschuur, Forum Choice and Jurisdiction of Dutch Courts in International Matters – Some Recent Developments, in Festschrift Sauveplanne, 1984, 263; Via, Die Gerichtsstandswahl und der Zugang zum internationalen Zivilprozess im deutsch-italienischen Rechtsverkehr, 1998; Volz, Harmonisierung des Rechts der Individuellen Rechtswahl, der Gerichtsstandsvereinbarung und der Schiedsvereinbarung im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR), 1993; R. Wagner, Das Haager Übereinkommen vom 30.6.2005 über Gerichtsstandsvereinbarungen, RabelsZ 73 (2009), 100. Watte, Les articles 17 et 18 de la Convention du 27 septembre 1968 sur la compétence judiciaire et l’exécution des décisions, Jur. comm. bel. 1979 V 258; Weigel/Blankenheim, Europäische Gerichtsstandsklauseln, WM 2006, 664; Weller, Ordre public-Kontrolle internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen im autonomen Zuständigkeitsrecht, 2005; Weyland, Zur Frage der Ausschließlichkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen, in Gedächtnisschrift Arens, 1993, 417; Wilske/Kocher, Gerichtsstandsvereinbarungen nach Rechtshängigkeit – Ein Vergleich zwischen ZPO und EuGVÜ, NJW 2000, 3549.
I. Einigung der Parteien als bestes Mittel für die Feinsteuerung der Zuständigkeitsinteressen für den Einzelfall Ein starres, auf generell-abstrakten Normen basierendes Zuständigkeitssystem 1596 muss notgedrungen mit Pauschalierungen und Generalisierungen arbeiten. Es kann nicht für jeden Einzelfall die konkreten Zuständigkeitsinteressen der Parteien abwägen und bedarf daher einer Korrekturmöglichkeit. Hierfür stehen grundsätzlich zwei Wege offen: Die Ermessensentscheidung des Richters oder Anerkennung des Vertragsprinzips als Mechanismus für die Feinsteuerung der Zuständigkeitsinteressen.1017
1017 Zur Feinsteuerung siehe auch Weller in Hess/Pfeiffer/Schlosser, The Brussels I Regulation (EC) No 44/2001 – The Heidelberg Report on the Application of Regulation Brussels I in 25 Member States (Study JLS/C4/2005/03), 2008, Rz. 388.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 1597 Die Entscheidung durch den Richter vernachlässigt das Postulat der Rechtssicherheit; denn dessen Entscheidung kommt immer erst ex post. Es ist nicht absehbar, ob der Richter nun in concreto das forum für conveniens oder non conveniens erklären wird, Rz. 1075. Die Parteien dürfen aber nicht über lange Zeit im Ungewissen gehalten werden, welche Staaten für die Entscheidung ihres Rechtsstreits international zuständig sind, da von der internationalen Zuständigkeit das anzuwendende Verfahrensrecht (insbesondere Beweisrecht) und Sachrecht und damit auch der Ausgang des Rechtsstreits bestimmt wird. Ihr Wunsch nach „forum planning“ ist legitim.1018 Deshalb lässt das deutsche internationale Zivilverfahrensrecht – wie die meisten entwickelten Zuständigkeitsordnungen1019 – zu Recht innerhalb gewisser Grenzen Vereinbarungen der Parteien über die internationale Zuständigkeit zu. 1598 Ausgangspunkt des deutschen Zuständigkeitssystems ist der Wohnsitz bzw. Sitz des Beklagten, §§ 12 ff. ZPO. Entscheidend ist mithin die Parteirolle. Einem bestimmten Rechtsstreit lässt sich also ex ante kein bestimmter Staat als international zuständig zuordnen. Eine Zuständigkeitsprognose ist auf der Grundlage der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung auch deswegen nicht möglich, weil erstens nicht feststeht, wo der präsumtive Beklagte bei Klageerhebung seinen Wohnsitz haben wird, und weil zweitens mit der internationalen Zuständigkeit des Wohnsitzstaates eine Reihe von Spezialgerichtsständen konkurrieren, unter denen der Kläger wählen darf, § 35 ZPO (Rz. 1105). 1599 Alle diese Unsicherheiten bei der Zuständigkeitsprognose können durch die Vereinbarung der ausschließlichen internationalen Zuständigkeit eines Staates (weitgehend) beseitigt bzw. abgemildert werden. Liegt eine solche ausschließliche Prorogation vor, dann kennen beide Seiten mittelbar das in ihrem Fall zum Zuge kommende internationale Privatrecht und damit auch das anzuwendende materielle Recht. So fördern klare und eindeutige Zuständigkeitsvereinbarungen den Rechtsfrieden, weil auf diese Weise der Ausgang vieler Prozesse berechenbarer und deshalb der eine oder andere Prozess gar nicht erst geführt wird. „The elimination of . . . uncertainties by agreeing in advance on a forum acceptable to both parties is an indispensable element in international trade, commerce and contracting.“1020
1018 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 874. Zustimmend Lindacher in Festschrift Schlosser, 2005, 491; Staudinger/Hausmann, Neubearbeitung 2002, Anh. II zu Art. 27–37 EGBGB Rz. 164; Gottschalk/Breßler, Missbrauchskontrolle von Gerichtsstandsvereinbarungen im europäischen Zivilprozessrecht, ZEuP 2007, 56. 1019 Rechtsvergleichend Friederike E. Sandrock, Die Vereinbarung eines „neutralen“ internationalen Gerichtsstandes, 1997, 95 ff. 1020 M/S Bremen v. Zapata The Off-Shore Co., 407 US 1 (1972). Hierzu z.B. Born/Rutledge, International Civil Litigation in the United States Courts4, 2006, 447 ff.; Wagner, Prozessverträge, 1998, 182; Scheuermann, Internationales Zivilverfahrensrecht bei Verträgen im Internet: Eine rechtsvergleichende Untersuchung des deutschen, europäischen und US-amerikanischen Zuständigkeitsrechts sowie der Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 2004, 187 ff.
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Zuständigkeitsvereinbarungen Vertragsprinzip: § 38 ZPO und Art. 23 EuGVVO/LugÜ verlangen eine Vereinbarung. Eine einseitige Bestimmung wie z.B. nach § 1066 ZPO ist grundsätzlich nicht möglich.1021 Eine Ausnahme sollte man für Auslobungen zulassen. Auch in Bezug auf trusts sind einseitige Gerichtsstandsbestimmungen denkbar.
1599a
II. Missbrauchskontrolle Die Schattenseiten des Vertragsprinzips als zuständigkeitsrechtlichem Steue- 1600 rungsmittel sollen hier nicht verschwiegen werden. Es besteht die Gefahr, dass der Stärkere dem Schwächeren seinen Willen aufzwingt. Das einseitige Diktat einer Partei ist aber keine zuständigkeitspolitisch akzeptable Anknüpfung. Notwendig ist vielmehr die freie Willenseinigung der Parteien.1022 Nützt eine Partei ihre wirtschaftliche oder soziale Überlegenheit aus, um die andere Partei zu einer internationalen Zuständigkeitsvereinbarung – Derogation oder Prorogation der internationalen Zuständigkeit Deutschlands – zu nötigen, welche dieser die Rechtsverfolgung unzumutbar erschwert1023, so ist die Zuständigkeitsvereinbarung unwirksam.1024 Im Übrigen ist ein einseitiges Zuständigkeitsdiktat durch geeignete gesetzgeberische Maßnahmen zu verhindern; keinesfalls darf aber das Vertragsprinzip als solches in Frage gestellt werden.1025
1601
Erforderlichenfalls ist auf § 138 BGB zurückzugreifen, um die Willensfreiheit sicherzustellen.1026
1602
Im Bereich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen kommt noch die besondere Kontrollmöglichkeit nach §§ 307 ff. BGB hinzu, Rz. 1691.1027
1603
Wenig geschickt ging der deutsche Gesetzgeber bei der Novellierung des § 38 ZPO vor, Rz. 1629.
1604
1021 Zu Zuständigkeitsklauseln in Satzungen EuGH vom 10.3.1992, Rs 214/89 Powell Duffryn/Petereit Slg 1992 I 1745 = EWiR 1992, 353 (R. Geimer) = ZHR 157 (1993), 48 (Bork) = RIW 1992, 492 = IPRax 1993, 32 (Koch 13); Vorlage: OLG Koblenz vom 1.6.1989, OLGZ 1989, 483 = RIW 1989, 739 = EWiR 1989, 885 (R. Geimer) = WM 1989, 1425 = ZIP 1989, 1327 = IPRspr. 1989 Nr. 192; R. Geimer in Festschrift Schippel, 1996, 869. Vgl. auch Vischer/Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht2, 2000, Rz. 1314. 1022 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 875. 1023 Das Fehlen eines Prozesskostenhilfesystems oder fehlende Kostenerstattung führt aber noch nicht zurUnzumutbarkeit in dem hier verwendeten Sinne, Rz. 1781b. 1024 BGH vom 3.12.1973, VersR 1974, 470, 471 = WM 1974, 242 = AWD 1974, 221 (v. Hoffmann) = ZZP 78 (1975), 318 (Walchshöfer) = IPRspr. 1973 Nr. 128b (hierzu R. Geimer WM 1975, 910); Walchshöfer ZZP 80 (1967), 165, 215; R. Geimer NJW 1971, 1524; R. Geimer WM 1975, 910. Zu Art. 5 II Schweizer IPR-Gesetz Reiser, Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem IPR-Gesetz, 1989, 111. – Zum Parallelproblem der Schiedsabrede pointiert Lindacher in Festschrift Habscheid, 1989, 169. 1025 Zur verfassungsrechtlichen Dimension dieser Frage R. Geimer ZfRV 1992, 330/331 Fußn. 85. 1026 Zustimmend Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 3 Rz. 378. 1027 Ausführlich Pfeiffer, Handbuch der Handelsgeschäfte, 1999, § 22 Rz. 60.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit
III. Anwendungsbereich des deutschen autonomen Rechts 1. Reichweite des Art. 23 EuGVVO/LugÜ 1605 Die europäische Zuständigkeitsordnung verdrängt in ihrem Anwendungsbereich das nationale Zuständigkeitsrecht. Grundsätzlich kommen die europäischen Zuständigkeitsregeln nur dann zur Anwendung, wenn der Beklagte im geographischen Anwendungsbereich des Übereinkommens seinen Wohnsitz bzw. Sitz hat, Art. 2 I. Anders ist es jedoch bei Zuständigkeitsvereinbarungen. Hier genügt es schon, dass der Kläger seinen Wohnsitz/Sitz in einem der Mitgliedstaaten hat, Rz. 1643 ff.1028 Angesichts des weiten Anwendungsbereichs der europäischen Zuständigkeitsordnung ist der Anwendungsbereich des § 38 ZPO in Fällen mit internationalen Bezügen stark eingeschränkt.1029 2. Völkerrechtliche Verträge 1606 Sieht man vom Brüsseler und Luganer Übereinkommen ab, so gab es bisher relativ wenige völkerrechtliche Verträge, welche die internationale Zuständigkeit aufgrund Zuständigkeitsvereinbarung normieren, Rz. 1792.1030 Die Situation wird sich allerdings verändern, wenn das Haager Übereinkommen vom 30.6.2005 (Rz. 244a) von (möglichst) vielen Staaten in Kraft gesetzt werden wird.
IV. Gerichtsstandsnovelle 1974 1. § 38 ZPO erfasst alle Zuständigkeitsvereinbarungen 1607 Die ZPO spricht zwar nur die Prorogation, nicht aber auch die Derogation an. Unbestritten ist jedoch, dass die Regeln des § 38 ZPO bezüglich Form und der Zeitgrenze des § 38 III Nr. 1 ZPO auf alle Zuständigkeitsvereinbarungen Anwendung finden, also auch auf Derogationsverträge.1031 Unanwendbar ist aber § 38 II 3 ZPO, Rz. 1616. 2. Kaufleute 1608 Die Gerichtsstandsnovelle stellt die liberale Grundkonzeption der ursprünglichen Fassung nur mehr Kaufleuten, juristischen Personen des öffentlichen Rechts und öffentlich-rechtlichen Sondervermögen zur Verfügung.1032 Diese Per1028 Ausführliche Nachweise bei Samtleben, Der Art. 23 EuGVO als einheitlicher Maßstab für internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, in Festschrift Ansay, 2006, 343. 1029 Sehr weit geht Samtleben a.a.O. 352 Fußn. 38: Außerhalb des sachlichen Anwendungsbereichs der EuGVO kommen intenationale Gerichtsstandsvereinbarungen in der Praxis wohl kaum vor“. 1030 Nachweise z.B. bei Staudinger/Hausmann, Neubearbeitung 2002, Anh. II zu Art. 27–37 EGBGB Rz. 176. 1031 Zustimmend Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 3107. 1032 Zur kollisionsrechtlichen Einordnung der Kaufmannseigenschaft van Venrooy, Die Anknüpfung der Kaufmannseigenschaft im deutschen IPR, 1985; Hausmann in
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Zuständigkeitsvereinbarungen sonengruppen unterliegen keinen Beschränkungen.1033 Sie können Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit schriftlich oder mündlich (ausdrücklich oder konkludent) treffen, und zwar jederzeit, also auch bei Abschluss des Hauptvertrages. Es kommt nicht darauf an, ob dieser ein Handelsgeschäft (§ 343 HGB) ist. § 38 I ZPO gilt auch für die Vereinbarung der internationalen Zuständigkeit (Prorogationen und Derogationen, Rz. 1619). Die Formvorschrift des § 38 II 2 ZPO gilt für Kaufleute nicht.1034 3. Nichtkaufleute Grundsätzlich können die nicht unter § 38 ZPO fallenden Personen Zuständig- 1609 keitsvereinbarungen nur nach Entstehen der Streitigkeit schließen, § 38 III Nr. 1 ZPO, vorher auch dann nicht, wenn die Zuständigkeitsvereinbarung in concreto für den Nichtkaufmann vorteilhaft ist. Dadurch wird die Prorogationsfreiheit ganz erheblich eingeschränkt. Insbesondere sind Gerichtsstandsklauseln im Zusammenhang mit dem (materiell-rechtlichen) Hauptvertrag unzulässig.1035
1610
Zuständigkeitsvereinbarung vor Entstehen der Streitigkeit. Die Parteien können 1611 jederzeit gemäß § 38 III Nr. 2 ZPO ausdrücklich und schriftlich eine Zuständigkeitsvereinbarung schließen für den Fall, dass die im Klagewege in Anspruch zu nehmende Partei nach Vertragsschluss ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt aus dem Geltungsbereich der ZPO verlegt oder ihr Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht bekannt ist.1036
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Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 3108; Staudinger/ Hausmann, Neubearbeitung 2002, Anh. II zu Art. 27–37 EGBGB Rz. 178 ff. Maßgebend sind §§ 1 ff. HGB. Ob die Kaufmannseigenschaft nach § 284 ZPO zugestanden werden kann, lässt der BGH offen, BGH vom 21.11.1996, BGHZ 134, 127 = NJW 1997, 397 = IPRax 1999, 367 (Dörner/Staudinger 338) = RIW 1997, 149 = ZZP 110 (1997), 353 (Pfeiffer) = LM § 38 Nr. 32 (R. Geimer) = IPRax 1999, 367 (Dörner/Staudinger) = WiB 1997, 494 (Ralle) = ZIP 1996, 2184 = IPRspr. 1996 Nr. 160. OLG Saarbrücken vom 21.9.1988, NJW-RR 1989, 828 = IPRspr. 1988 Nr. 162; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 3106; Friederike E. Sandrock, Die Vereinbarung eines „neutralen“ internationalen Gerichtsstandes, 1997, 71; Staudinger/Hausmann, Neubearbeitung 2002, Anh. II zu Art. 27–37 EGBGB Rz. 208; von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht9, 2007, § 3 Rz. 83. Anders OLG Nürnberg NJW 1985, 1296 mit der Begründung, § 38 I ZPO gelte nicht für „internationale Zuständigkeitsvereinbarungen“. Ebenso Lindacher in Festschrift Habscheid, 1989, 169 Fußn. 13. Zur Zulässigkeit von Zuständigkeitsvereinbarungen bei Beteiligung von Nichtkaufleuten (§§ 38 III, 40 ZPO) Schilken in Festschrift Musielak, 2004, 435. Dies war das Hauptziel der Gerichtsstandsnovelle 1974. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Differenzierung nach der Kaufmannseigenschaft bei R. Geimer ZfRV 1992, 330. Hierzu LAG Düsseldorf vom 7.2.1984, RIW 1984, 651 = IPRspr. 1984 Nr. 132. Unter § 38 III Nr. 2 ZPO fällt nicht die Konstellation, dass eine Partei bereits bei Abschluss der Zuständigkeitsvereinbarung ihren Wohnsitz im Ausland hatte, BGH vom 21.11.1996, BGHZ 134, 127 = NJW 1997, 397 = IPRax 1999, 367 (Dörner/Staudinger 338) = RIW 1997, 149, 151 = ZZP 110 (1997), 353 (Pfeiffer) = LM § 38 Nr. 32 (R. Gei-
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 1612 Ausnahmsweise lässt § 38 II ZPO auch vor Entstehen der Streitigkeit Zuständigkeitsvereinbarungen zu, wenn mindestens eine der Vertragsparteien keinen allgemeinen Gerichtsstand im Inland hat. Diese Vereinbarung muss schriftlich abgeschlossen oder, falls sie mündlich getroffen wird, schriftlich bestätigt werden, § 38 II 2 ZPO (diese Formvorschrift ist also weniger streng als die des § 38 III ZPO; Rz. 1621). 1613 Entscheidend ist für die Zulässigkeit einer Zuständigkeitsvereinbarung vor Entstehen der Streitigkeit mithin, dass eine Partei im Zeitpunkt der Zuständigkeitsvereinbarung ihren Wohnsitz/Sitz (§§ 13, 17 ZPO) im Ausland hat. Dass sie daneben auch eine Niederlassung (§ 21 ZPO) im Inland hat, spielt keine Rolle. So kann z.B. ein Unternehmen in Minsk mit Niederlassung in Frankfurt/M. eine Zuständigkeitsvereinbarung mit einem Nichtkaufmann in Stuttgart schließen.1037 1614 Bei Doppelwohnsitz will der BGH1038 aber § 38 II 1 ZPO nicht anwenden. Beispiel: Eine Partei wohnt in München und in New York, die andere in Stuttgart. Auch in einem solchen Fall ist ein internationaler Bezug gegeben. Die Parteien können daher – entgegen der Ansicht des BGH – schon vor Entstehen der Streitigkeit Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit treffen, § 38 II 1 ZPO. 1615 Wird die internationale Zuständigkeit Deutschlands vereinbart, so haben – außerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO bzw. des LugÜ und der völkervertraglich vereinbarten Spezialregimes – die Parteien bezüglich der örtlichen Zuständigkeit keine Wahlfreiheit, wenn eine der Parteien im Inland ihren allgemeinen Gerichtsstand hat. In einem solchen Fall kann nur der allgemeine Gerichtsstand dieser Partei oder ein Spezialgerichtsstand gewählt werden, der an die Person dieser Partei anknüpft, Rz. 1752. 1615a § 38 II 3 ZPO schreibt zwingend vor, dass als örtlich zuständiges Gericht ein nach §§ 12 ff. ZPO ohnehin gegebener Gerichtsstand der inländischen Partei prorogiert werden muss.1039 1616 Dies bedeutet andererseits (Rz. 1752): Könnte ohne die Zuständigkeitsvereinbarung keine der Parteien in Deutschland verklagt werden, weil es an einer gesetzlichen Zuständigkeitsanknüpfung im Sinne von §§ 12 ff. ZPO fehlt, dann kann – im Falle der Prorogation der internationalen Zuständigkeit Deutschlands – jedes deutsche Zivilgericht als örtlich zuständig gewählt werden.1040
1037 1038
1039 1040
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mer) = IPRax 1999, 367 (Dörner/Staudinger) = WiB 1997, 494 (Ralle) = ZIP 1996, 2184 = IPRspr. 1996 Nr. 160. Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 504. BGH vom 20.1.1986, NJW 1986, 1438 (R. Geimer) = RIW 1986, 461 = MDR 1986, 649 = IPRax 1987, 168 (Roth 141) = IPRspr. 1986 Nr. 129, zustimmend Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 3116. Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 507. Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 3161.
Zuständigkeitsvereinbarungen Beispiel: Ein Moskauer und ein New Yorker wollen, dass die deutschen Gerichte sich ihres Rechtsstreits annehmen. Sie sind durch § 38 II 3 ZPO bei der Festlegung des örtlich zuständigen Gerichts nicht beschränkt. Besteht zwar ein gesetzlicher Anknüpfungspunkt für die internationale Zuständigkeit Deutschlands, aber nicht aufgrund des Wohnsitzes/Sitzes einer Partei (§§ 12 ff. ZPO), sondern gemäß § 20 ff. ZPO (Beispiel: eine Partei hat eine Niederlassung oder Vermögen im Inland), dann kann ebenfalls frei gewählt werden. Dies gilt nur dann nicht, wenn eine Partei im Inland ihren allgemeinen Gerichtsstand hat. Haben die Parteien gegen § 38 II 3 ZPO verstoßen, bleibt die Prorogation der internationalen Zuständigkeit wirksam. Für die örtliche Zuständigkeit greift kraft Gesetzes die Gerichtsstandsnorm des § 38 II 3 ZPO ein, Rz. 1753.1041
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Beispiel: Ein Kaufmann in Zagreb vereinbart mit einem Münchner Nichtkaufmann die ausschließliche Zuständigkeit des LG Frankfurt a.M. Diese Vereinbarung ist hinsichtlich der internationalen Zuständigkeit (Derogation der internationalen Zuständigkeit Kroatiens bzw. Begründung der internationalen Zuständigkeit Deutschlands bezüglich der Gerichtspflichtigkeit des Zagrebers) in jedem Falle wirksam, auch wenn die Vereinbarung bezüglich der örtlichen Zuständigkeit unwirksam ist, weil der Münchner keine Zuständigkeitsanknüpfung im Sinne von §§ 20 ff. ZPO in Frankfurt hat.1042 Anders wäre es z.B., wenn der Münchner in Frankfurt berufstätig wäre (§ 20 ZPO) oder wenn der Erfüllungsort für die Verpflichtungen aus dem Vertrag in Frankfurt zu lokalisieren wäre. Nicht ausreichend wäre jedoch eine Zuständigkeitsanknüpfung in der Sphäre des Zagreber Kaufmanns. So wäre es aus der Perspektive des § 38 II 3 ZPO nicht relevant, wenn dieser in Frankfurt eine Niederlassung hätte. § 38 II 3 ZPO gilt nicht für Zuständigkeitsvereinbarungen nach Entstehen der 1618 Streitigkeit (§ 38 III Nr. 1 ZPO).1043 Die Regelung über die örtliche Zuständigkeit § 38 II 3 ZPO findet im Übrigen nur Anwendung, wenn ein deutsches Gericht prorogiert werden soll, nicht jedoch vice versa bei Derogation. Beispiel: Die eine Partei wohnt in Stuttgart, die andere in Belgrad. Hier können die Parteien sehr wohl die Zuständigkeit der Gerichte in Genf oder in Paris vereinbaren. 4. Form Zuständigkeitsvereinbarungen (Prorogation) zwischen Vollkaufleuten, juristi- 1619 schen Personen des öffentlichen Rechts und öffentlich-rechtlichen Sondervermögen bedürfen – anders als nach Art. 17 I EuGVÜ/LugÜ bzw. nach Art. 23 EuGVVO vorbehaltlich internationaler Handelsbräuche – nach § 38 I ZPO keiner Form, Rz. 1606.
1041 Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 3161. 1042 Der Rechtsgedanke des § 139 BGB kommt hier nicht zur Anwendung. 1043 Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 512.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 1620 Formfreiheit besteht auch dann, wenn das von der Zuständigkeitsvereinbarung betroffene Rechtsgeschäft bzw. Rechtsverhältnis kein Handelsgeschäft (§ 343 HGB) ist.1044 1621 Sonstige Zuständigkeitsvereinbarungen. § 38 ZPO kombiniert merkwürdigerweise zwei Formvorschriften. Für die „internationale Zuständigkeitsvereinbarung“ des § 38 II ZPO genügt halbe Schriftlichkeit.1045 Dagegen muss in den Fällen des § 38 III ZPO die gesamte Zuständigkeitsvereinbarung schriftlich geschlossen werden. Ob diese unterschiedliche Normierung Ausdruck besonderer Gesetzgebungskunst war, sei dahingestellt. 1622 „Volle“ Schriftlichkeit nach § 38 III ZPO: Erforderlich ist ein schriftlicher Vertrag mit ausdrücklicher Zuständigkeitsvereinbarung. Daraus wird geschlossen, dass eine Bezugnahme auf AGB ohne ausdrücklichen Hinweis auf die dort enthaltene Gerichtsstandsklausel – anders als nach § 38 II 2 ZPO (Rz. 1623) – nicht reicht, Rz. 1693. Die Einhaltung des § 126 BGB (Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde) ist nicht erforderlich.1046 Wie bei Art. 17 EuGVÜ/LugÜ und Art. 23 I EuGVVO1047 ist Niederlegung der schriftlichen Vereinbarung in getrennten Urkunden ausreichend.1048 Darüber hinaus genügt jede Form der Übermittlung, die den Nachweis einer Willenseinigung über die Pro- bzw. Derogation erlaubt. Für Schriftlichkeit genügt die „Möglichkeit jederzeitiger Reproduzierbarkeit in traditioneller Schriftform“, so dass die elektronische Gerichtsstandsvereinbarung (die als Schriftstück ausgedruckt werden kann) die Anforderungen der Schriftlichkeit erfüllt.1049 1623 „Halbe“ Schriftlichkeit nach § 38 II 2 ZPO: Die Gerichtsstandsnovelle hat bewusst diese Formvorschrift dem Art. 17 EuGVÜ/LugÜ1050 nachgebildet.1051 Sie ist daher ebenso wie Art. 17 I 2 Buchst. a zweite Alternative EuGVÜ/LugÜ auszulegen. Der EuGH1052 stellt zwar strenge Anforderungen an die schriftliche Gerichtsstandsvereinbarung gemäß Art. 17, er lässt es aber genügen, dass der Ver1044 Pfeiffer, Handbuch der Handelsgeschäfte, 1999, § 22 Rz. 9. 1045 Wie nach Art. 17 I EuGVÜ/LugÜ und Art. 23 I (a) EuGVVO. 1046 BGH vom 22.2.2001, NJW 2001, 1731 = MDR 2001, 798 = RIW 2001, 456 = IPRax 2002, 124 (Kröll 113) = IPRspr. 2001Nr. 133; Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, 2003, 447. 1047 Hierzu R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 Art. 23 EuGVVO Rz. 104. 1048 Offen gelassen von BGH vom 14.11.1991, BGHZ 116, 77 = NJW 1993, 1070 = RIW 1992, 143 = EWiR 1992, 203 (R. Geimer) = IPRax 1992, 377 (Heß 358) = IPRspr. 1991 Nr. 181. Anderer Auffassung Rüßmann K&R 1998, 129, 131. Vgl. auch Junker RIW 1999, 809, 813. 1049 Mankowski RabelsZ 63 (1999), 203, 218; siehe auch Junker RIW 1999, 809, 813 sowie BGH vom 22.2.2001, BB 2001, 959, 960. 1050 Siehe auch Art. 23 I EuGVVO. 1051 Friederike E. Sandrock, Die Vereinbarung eines „neutralen“ internationalen Gerichtsstandes, 1997, 72. 1052 EuGH vom 14.12.1976, Rs 24/76 – Estasis Salotti/Rüwa Slg. 1976, 1831 = NJW 1977, 494 = RIW 1977, 104 (Gerd Müller 163) = Rev. crit. 1977, 576 (Mezger); EuGH vom 14.12.1976, Rs 25/76 – Segoura/Bonakdarian Slg. 1976, 1851 = NJW 1977, 495 = RIW 1977, 105 (Gerd Müller 163) = Rev. crit. 1977, 581 (Mezger); EuGH vom 19.6.1984, Rs
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Zuständigkeitsvereinbarungen trag durch einen Schriftwechsel der Parteien zustande kommt. Damit kommt er den Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs entgegen. Die von Art. 17 EuGVÜ/ LugÜ und nunmehr auch Art. 23 EuGVVO für die Gerichtsstandsvereinbarung geforderte Schriftform ist auch dann gewahrt, wenn das zum Vertragsabschluss führende, vom Gegner schriftlich bestätigte Angebot der einen Partei auf ein früheres schriftliches Angebot der anderen Partei ausdrücklich Bezug nimmt, mit dem diese auf ihre gleichzeitig übermittelten, eine Gerichtsstandsklausel enthaltenden Geschäftsbedingungen hingewiesen hat.1053 Den ausgetauschten Urkunden muss allerdings mit Sicherheit zu entnehmen sein, dass sich die Vertragsparteien über den Gerichtsstand geeinigt haben. Hier berühren sich die Formfrage und die Frage, ob die Willenseinigung die Gerichtsstandsklausel mitumfasst. Der EuGH diskutierte diesen Punkt (bisher) vor allem unter dem Gesichtspunkt der Form. Ist die Gerichtsstandsklausel in den Geschäftsbedingungen einer Vertragspartei enthalten, müssen die Parteien auf die Geschäftsbedingungen Bezug nehmen, nicht aber speziell auf die darin enthaltene Gerichtsstandsklausel.1054 Dabei lässt der EuGH auch die Bezugnahme auf ein früheres Angebot zu, wenn dieses auf die eine Gerichtsstandsklausel enthaltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen der einen Partei ausdrücklich hinweist und der anderen Vertragspartei tatsächlich zugegangen ist.1055 Welche Partei (Kläger oder Beklagter) die mündliche Zuständigkeitsvereinbarung schriftlich bestätigt, ist gleichgültig.1056 Die lex causae des Hauptvertrages ist für die Formfrage ohne Bedeutung.1057 Daher ist auch Art. 11 EGBGB unanwendbar; Rz. 1675, 1741.
1624
Da § 38 II 2 ZPO dem Art. 17 I EuGVÜ/LugÜ1058 nachgebildet ist, sollte ein (vorlageberechtigtes) deutsches Gericht (Rz. 246i) dem EuGH eine die Form betreffen-
1624a
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1057
1058
71/83 – Russ/Nova Slg. 1984, 2417 = RIW 1984, 909 (Schlosser) = IPRax 1985, 152 (Basedow 133) = Rev. crit. 1985, 385 (Gaudemet-Tallon). LG Siegen vom 6.6.1978, NJW 1978, 2456 = RIW 1980, 286 = IPRspr. 1978 Nr. 142. R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 876. Hierzu Tebbens RIW 1985, 262. EuGH vom 19.6.1984, Rs 71/83 – Russ/Nova RIW 1984, 909 (Schlosser 911); EuGH vom 30.4.1986, Rs 211/84 – Ministère public/Gray u.a. Slg. 1986, 1425; BGH NJW 1986, 2196; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 491; Samtleben IPRax 1985, 262. Das OLG Hamburg vom 19.9.1984, RIW 1984, 916 = IPRax 1985, 281 (Samtleben 261) = IPRspr. 1984 Nr. 144 verlangt als Bestätigung ein Schriftstück, das als Bestätigungsschreiben im Sinne von § 346 HGB zu werten ist. Deshalb sei ein Rechnungsformular nicht ausreichend, auch wenn dieses mit einem Stempel „Auftragsbestätigung“ versehen ist. Für eine solche einschränkende Auslegung findet sich aber weder in Art. 17 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 23 EuGVVO noch in § 38 ZPO eine Stütze, Rz. 1686. Zum Schweigen auf Bestätigungsschreiben, das auf AGB-Gerichtsstandsklausel Bezug nimmt, M. J. Schmidt RIW 1992, 173. R. Geimer NJW 1972, 1622; Pfeiffer, Handbuch der Handelsgeschäfte, 1999, § 22 Rz. 27; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 3138. Vgl. auch Art. 23 I EuGVVO.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit de Frage mit dem Bemerken vorlegen können, es gedenke, das autonome deutsche Recht ebenso auszulegen wie Art. 17 EuGVÜ/LugÜ1059 bzw. Art. 23 EuGVVO.1060 1624b
Keine „Fortschreibung“ der neuen Formalternativen des Art. 17 I EuGVÜ/LugÜ bzw. des Art. 23 EuGVVO im autonomen deutschen Kompetenzrecht: Der 1974 nach dem Vorbild des Art. 17 EuGVÜ in der damals geltenden Fassung novellierte § 38 ZPO wurde nicht um die durch das 1. und 3. Beitrittsübereinkommen bzw. Art. 23 I der EG-Verordnung eingeführten weiteren zwei Formen erweitert, nämlich – im internationalen Handel die Form, die einem Handelsbrauch entspricht, den die Parteien kannten oder kennen mussten und den Parteien von Verträgen dieser Art in dem betreffenden Geschäftszweig allgemein kennen und regelmäßig beachten;1061 – ganz allgemein die Form, welche den Gepflogenheiten entspricht, welche zwischen den Parteien entstanden sind. Insoweit fehlt – mangels Übereinstimmung mit EuGVÜ bzw. der EuGVVO – eine Vorlagemöglichkeit an den EuGH. 5. Zuständigkeitsvereinbarung zwischen einem Kaufmann und einem NichtKaufmann
1625 § 38 I ZPO setzt voraus, dass beide Vertragsteile zum „bevorrechtigten“ Personenkreis gehören. Daher fällt eine Vereinbarung, an der ein Nicht-Kaufmann beteiligt ist, unter § 38 II und § 38 III ZPO. Dies ist rechtspolitisch zu bedauern, da Vereinbarungen zu Lasten des Kaufmanns und zugunsten des Nicht-Kaufmanns keinen Beschränkungen unterliegen sollten.1062 6. Zuständigkeitsvereinbarungen, an denen mehr als zwei Parteien beteiligt sind 1626 Die Regel des § 38 II 3 ZPO bringt Schwierigkeiten in den Fällen, in denen mehr als zwei Parteien ein für sie maßgebliches Gericht vereinbaren. 1627 Beispiel: Gesellschaftsverträge und Kooperationsverträge. Hier wird man wohl praeter legem die Auffassung vertreten müssen, dass § 38 II 3 ZPO der Vereinbarung eines einheitlichen Gerichts nicht entgegensteht. Vgl. auch Rz. 1781d.
1059 So wohl auch Heß IPRax 1992, 360, siehe auch Kohler in Jayme, Ein internationales Zivilverfahrensrecht für Gesamteuropa, 1992, 25 sowie IPRax 1995, 348. Anderer Auffassung EuGH vom 28.3.1995, Rs C-346/93 – Kleinwort Benson Ltd/City of Glasgow District Council Slg. 1995 I 615 = EWS 1995, 197 = IPRax 1996, 190 (Holl 178). 1060 Siehe auch Rz. 247 f. 1061 Hierzu Vorlagebeschluss des BGH vom 26.3.1992, RIW 1992, 756 = IPRax 1992, 373, 376 (Jayme 357) = EuZW 1992, 514 (R. Geimer) = EWS 1992, 282 = MDR 1992, 996 = IPRspr. 1992 Nr. 181b. 1062 Vgl. Art. 12 Nr. 3, Art. 15 Nr. 3 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 13 Nr. 3, Art. 17 Nr. 2, Art. 21 Nr. 2 EuGVVO.
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Zuständigkeitsvereinbarungen 7. Zuständigkeitsvereinbarungen in Zusammenhang mit Bürgschaften und Garantieversprechen Das Gleiche gilt, wenn ein Bürge oder Garant einer Verbindlichkeit beitritt.1063
1628
8. Kritik der lex lata Die Differenzierung zwischen Kaufleuten und Nichtkaufleuten ist ein viel zu 1629 grobes Raster. Weshalb ist die Prorogationsfreiheit des Rechtsanwalts, Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters begrenzter als die des kleinen Händlers? Auch die Zeitgrenze des § 38 III Nr. 1 ZPO (Entstehen der Streitigkeit) ist zu ungenau und lässt die Rechtsprechung über Kasuistik nicht hinauskommen. Sinnvoller wäre es z.B. gewesen, den Schutz rechtlich unerfahrener Parteien dadurch zu verbessern, dass beim Abschluss von Zuständigkeitsvereinbarungen die Beiziehung eines Rechtskundigen vorgeschrieben wird. Danach wären Zuständigkeitsvereinbarungen zuzulassen, die notariell beurkundet worden sind oder die von Rechtsanwälten als Bevollmächtigten ihrer Parteien geschlossen worden sind. Unausgewogen ist das geltende Recht auch, weil es die für den Verbraucherschutz typische Interessenlage verabsolutiert und für alle Zuständigkeitsvereinbarungen – ganz gleich auf welchem Feld – für maßgeblich erklärt.1064
1630
Beispiel: Im Interesse der einheitlichen Auslegung eines Gesellschaftsvertrages (z.B. einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts) oder von Miteigentümervereinbarungen (§§ 741, 1010 BGB) erscheint es – nicht nur im Interesse der Parteien, sondern auch im Interesse einer bonne administration de la justice – richtig und sinnvoll, ein für alle Beteiligten einheitliches ausschließliches forum zu vereinbaren. Dies ist de lege lata zwischen Nichtkaufleuten (auch der Kommanditist, GmbH-Gesellschafter oder Aktionär ist nicht Kaufmann) nicht möglich, es sei denn, man entschließt sich zu der oben Rz. 1626 skizzierten Lösung. Als Ausweg bleibt nur die „Flucht“ in die Schiedsgerichtsbarkeit. Ausgewogener ist in diesem Punkt das EuGVÜ/LugÜ, das die für notwendig er- 1631 achteten Erschwerungen zum Schutz der typischerweise Schwächeren auf diese Gruppen eingrenzt (Art. 12, 12a, 15 EuGVÜ/LugÜ) und das allgemeine Recht der Zuständigkeitsvereinbarungen von Gesichtspunkten des Verbraucherschutzes verschont. An dieser Linie hält auch die EuGVVO fest (Art. 13, 17, 21). § 38 ZPO verbietet auch Vereinbarungen zugunsten der schwächeren Partei vor 1632 Entstehen der Streitigkeit. Der Gedanke des Verbraucherschutzes wird aber in sein Gegenteil verkehrt, wenn es dem Verbraucher nicht möglich ist, seine Klagemöglichkeiten (zu Lasten des Stärkeren) zu verbessern. Auch in diesem Punkt sind das EuGVÜ/LugÜ und nunmehr die EuGVVO viel ausgefeilter, Art. 12 Nr. 2, Art. 15 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ I bzw. Art. 13 Nr. 2, Art. 17 Nr. 2, Art. 21 Nr. 2 EuGVVO/LugÜ II.
1063 R. Geimer NJW 1986, 1438. 1064 Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 502. Kritik auch bei Wagner, Prozessverträge, 1998, 560 mit weiteren Nachweisen.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 9. Keine Anpassung des § 38 ZPO an die Neufassungen des Art. 17 EuGVÜ/ LugÜ 1632a Der Gesetzgeber hat § 38 ZPO nicht an die jeweiligen Neufassungen des Art. 17 EuGVÜ/LugÜ I bzw. nunmehr des Art. 23 EuGVVO/LugÜ II angepasst, Rz. 1624b. Eine richterrechtliche „Fortschreibung“ kommt nicht in Betracht. 10. Doppelfunktionstheorie 1633 Vereinbaren die Parteien die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts, so liegt darin auch die Begründung der (an sich fehlenden) internationalen Zuständigkeit Deutschlands. Im umgekehrten Fall bewirkt die ausschließliche Prorogation eines ausländischen Gerichts nach der Doppelfunktionstheorie (Rz. 947) die Derogation der internationalen Zuständigkeit Deutschlands, Rz. 1706, 1668.1065
V. Nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten 1634 Nach (bisher) herrschender Meinung1066 sind Zuständigkeitsvereinbarungen bezüglich nicht vermögensrechtlicher Streitigkeiten ausgeschlossen, § 40 II 1 Nr. 1 ZPO. Dies trifft sicher zu für Prorogationen in Ehe-, Kindschafts-, Abstammungs- und Lebenspartnerschaftssachen, Rz. 1751. Auch die auf der deutschen Staatsangehörigkeit basierende internationale Zuständigkeit Deutschlands kann in den genannten Statussachen nicht derogiert werden. Fraglich ist aber, ob dies auch für die auf dem inländischen gewöhnlichen Aufenthalt beruhende internationale Zuständigkeit gilt. Derogierbar ist jedenfalls die auf Staatsangehörigkeit bei Eheschließung beruhende internationale Antrittszuständigkeit (§ 98 I Nr. 1 zweite Alternative FamFG, davor § 606a I 1 Nr. 1 zweite Alternative ZPO),1067 Rz. 1773. 1635 Für sonstige nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten (z.B. Namensschutzklagen) sind Zuständigkeitsvereinbarungen über die internationale Zuständigkeit im Hinblick auf § 40 II Nr. 1 ZPO zulässig,1068 Rz. 1399.
VI. Unterschiedliche Zulässigkeitsvoraussetzungen für Prorogationsund Derogationsverträge 1636 Was den Vertragsschluss (Zustandekommen der Zuständigkeitsvereinbarung) anbelangt, gelten einheitliche Regeln, insbesondere auch hinsichtlich der Form
1065 Enger Nicklisch IPRax 1987, 286 und Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 3149. 1066 Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 526. 1067 Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 606a Rz. 86; zustimmend Wagner, Prozessverträge, 1998, 365. Anderer Meinung Wieczorek/Schütze/Becker-Eberhard, ZPO3, 1996, § 606a Rz. 25. 1068 Für vorbehaltlose Anwendung des § 40 II ZPO a.F. noch Kropholler im Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 526.
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Zuständigkeitsvereinbarungen (Rz. 1619). Es wäre wenig sinnvoll, die Wirksamkeit einer Zuständigkeitsvereinbarung unterschiedlich zu beurteilen, je nachdem, ob man den Prorogationsoder den Derogationsaspekt im Auge hat. Davon zu unterscheiden sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen. Hier ist es nicht 1637 nur logisch möglich, sondern auch sachgerecht, zwischen Prorogation der internationalen Zuständigkeit Deutschlands (Rz. 1739) und der Derogation derselben (Rz. 1757) zu unterscheiden, Rz. 1972. Denn es stehen unterschiedliche zuständigkeitsrechtlich relevante Interessen zur Diskussion. Bei der Prorogation geht es um die Frage, ob eine Parteivereinbarung die Kraft haben soll, den Zugang zu den deutschen Gerichten zu eröffnen, obwohl kraft Gesetzes eine Zuständigkeitsanknüpfung nach §§ 12 ff. ZPO nicht gegeben ist. Sie kann vom Gesetzgeber mit Ja oder Nein beantwortet werden, ohne dass damit eine Antwort auf die Frage impliziert wird, ob die an sich nach §§ 12 ff. ZPO gegebene internationale Zuständigkeit Deutschlands derogiert werden kann. Theoretisch denkbar sind alle Variationen: – In beiden Fällen nein oder ja oder – Prorogation ja, Derogation nein1069 oder – Prorogation nein, Derogation ja. Das deutsche autonome Recht hält sowohl die Prorogation als auch die Derogati- 1638 on für grundsätzlich zulässig. Jedoch sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht absolut spiegelbildlich übereinstimmend. Zumindest in Nuancen ergeben sich Unterschiede. So stehen z.B. die in Rz. 1769 aufgeführten Verbote der Derogation der internationalen Zuständigkeit Deutschlands entgegen. D.h., dass die Klagemöglichkeit vor deutschen Gerichten erhalten bleiben muss. Damit ist aber nicht gesagt, dass – die Anerkennung des am forum prorogatum ergangenen ausländischen Urteils ausgeschlossen ist, – vice versa die Prorogation der internationalen Zuständigkeit Deutschlands ausgeschlossen ist. 1639–1641
VII. Ausschließliche internationale Zuständigkeiten Wenn man mit der herrschenden Meinung (Rz. 878, 926) ausschließliche internationale Zuständigkeiten anerkennt, sind diese eine Schranke für (internationale) Zuständigkeitsvereinbarungen, § 40 II 1 ZPO, Rz. 940a, 1744, 1769.1070 1069 So z.B. Art. 2 Codice di procedura civile a.F., Rz. 1757. 1070 Soergel/Kronke, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 38 EGBGB Anh. IV Rz. 37; Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 531 f. So bezeichnet BGH vom 3.4.1985, NJW-RR 1987, 227 = MDR 1985, 911 = IPRspr. 1985 Nr. 136 (Rz. 1776) die Gerichtsstände des § 14 UWG als ausschließlich und somit unabdingbar. Vgl. auch Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 3154; Kleinknecht, Die verbraucherschützenden Gerichtsstände im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, Diss. Mainz 2007, 198. In Öster-
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit
VIII. Vorrang der europäischen Zuständigkeitsordnung 1643 Im Anwendungsbereich des Art. 23 EuGVVO/LugÜ II bzw. des Art. 17 EuGVÜ/ LugÜ I1071 gilt § 38 ZPO nicht.1072 Die europäische Zuständigkeitsordnung verdrängt das nationale Recht.1073 Deshalb kommen auch die den § 38 ZPO modifizierenden Vorschriften des deutschen Rechts, wie z.B. § 26 II FernUSG, § 53 III KWG,1074 nicht zur Anwendung.1075 Auch § 38 II 3 ZPO ist unanwendbar.1076 1644 Art. 23 EuGVVO/LugÜ unterscheidet nicht zwischen Zuständigkeitsvereinbarungen, an denen Kaufleute oder Nichtkaufleute beteiligt sind. Sein Geltungsbereich erstreckt sich auf alle Zuständigkeitsvereinbarungen, auch auf solche, die nicht vermögensrechtliche Streitigkeiten betreffen. Schließlich kennen die EuGVVO und das LugÜ nicht die Notwendigkeit der vollständigen Schriftform (§ 38 III ZPO). Es genügt vielmehr in allen Fällen die „halbe“ Schriftlichkeit. Andererseits sind bezüglich der Form Vereinbarungen zwischen Kaufleuten nicht privilegiert. Auch für diese gilt das Erfordernis der halben Schriftlichkeit, mit Ausnahme der Alternativen des Art. 17 I (b) und (c) EuGVÜ/LugÜ I bzw. des Art. 23 I (b) und (c) EuGVVO/LugÜ II. 1645 Daher ist die Frage von enormer praktischer Bedeutung, wann Art. 17 EuGVÜ/ LugÜ I bzw. Art. 23 I EuGVVO/LugÜ II zur Anwendung kommt. Voraussetzung
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reich scheitert nach der Neufassung des § 104 IV JN (mit Wirkung ab 1.1.1998 durch die Erweiterte Wertgrenzen-Novelle 1997) die internationale Zuständigkeitsvereinbarung an bestimmten (in etwa dem Art. 16 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 22 EuGVVO nachgebildeten) ausschließlichen internationalen Zuständigkeiten, hierzu Heiss/ Mayr IPRax 1999, 305, 306. Zur Rechtslage in der Schweiz Vischer/Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht2, 2000, Rz. 1198 ff. Hierzu außer den Kommentaren zur EuGVVO bzw. zum EuGVÜ/LugÜ Simotta in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 104 JN Rz. 209 ff. Zur Abgrenzung siehe auch Kleinknecht, Die verbraucherschützenden Gerichtsstände im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, Diss. Mainz 2007, 127. Allerdings nicht, soweit sie wieder auf das nationale Recht verweist. § 53 III KWG (Rz. 1449): „Für Klagen, die auf den Geschäftsbetrieb einer Zweigstelle im Sinne des Absatzes 1 Bezug haben, darf der Gerichtsstand der Niederlassung nach § 21 der Zivilprozessordnung nicht durch Vertrag ausgeschlossen werden.“ Abs. 1 lautet: „Unterhält ein Unternehmen mit Sitz im Ausland eine Zweigstelle im Inland, die Bankgeschäfte betreibt oder Finanzdienstleistungen erbringt, gilt die Zweigstelle als Kreditinstitut oder Finanzdienstleistungsinstitut. Unterhält das Unternehmen mehrere Zweigstellen im Sinne des Satzes 1, gelten sie als ein Institut.“ § 53 KWG gilt jedoch (mit Ausnahme des Investmentgeschäftes) nach § 53b I 2 KWG nicht für Einlagenkreditinstitute und Wertpapierhandelsunternehmen mit Sitz in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums, wenn das Unternehmen von den zuständigen Stellen des Herkunftstaats zugelassen worden ist, die Geschäfte durch die Zulassung abgedeckt sind und das Unternehmen von den zuständigen Stellen nach den Vorgaben der Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften beaufsichtigt wird. R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 23 EuGVVO Rz. 69 ff.; Simotta in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 104 JN Rz. 302. R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 905; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 2952.
Zuständigkeitsvereinbarungen ist, dass eine der Parteien der Zuständigkeitsvereinbarung ihren Wohnsitz/Sitz im geographischen Anwendungsbereich der EuGVVO bzw. des LugÜ hat. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Abschluss der Zuständigkeitsvereinbarung.1077 Nach herrschender Meinung setzt die Anwendung des Art. 17 EuGVÜ/LugÜ I bzw. nunmehr des Art. 23 EuGVVO/LugÜ II weiter voraus, dass eine Berührung zu mehreren Vertrags- bzw. Mitgliedstaaten vorliegt.1078 Man unterscheidet drei Fallgruppen: – Gerichtsstandsvereinbarungen zwischen Vertragsparteien mit Wohnsitz in verschiedenen Vertragsstaaten, – Gerichtsstandsvereinbarungen zwischen Vertragsparteien mit Wohnsitz im selben Vertragsstaat und – Gerichtsstandsvereinbarungen zwischen einer im Vertragsstaat und einer in einem Drittstaat ansässigen Vertragspartei. Die beiden letztgenannten Fallgruppen bedürfen nach herrschender Meinung 1646 (Rz. 1264) einer teleologischen Reduktion im Hinblick darauf, dass die Verordnung bzw. das Übereinkommen nur den Rechtsverkehr zwischen den Mitglied- bzw. Vertragsstaaten regelt. Auszuschalten seien die sog. Inlandsfälle1079 sowie die Fälle, in denen nur Berührungspunkte zu Drittstaaten vorliegen.1080 Demgegenüber ist festzuhalten:1081 Art. 17 EuGVÜ/LugÜ I bzw. Art. 23 EuGVVO/LugÜ II regeln – ebenso wie Art. 2 EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ die internationale Zuständigkeit auch in so genannten reinen Inlandsfällen, nicht jedoch auch die örtliche Zuständigkeit.1082 Beispiel: Ein Münchner und ein Hamburger können die Zuständigkeit der französischen oder italienischen Gerichte etc. vereinbaren.1083 Maßgeblich ist so1077 Nachweise bei de Bra, Verbraucherschutz durch Gerichtsstandsregelungen im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, 1992, 194. 1078 Nachweise z.B. bei R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 23 EuGVVO Rz. 29; Pfeiffer, Handbuch der Handelsgeschäfte, 1999, § 22 Rz. 101; Friederike E. Sandrock, Die Vereinbarung eines „neutralen“ internationalen Gerichtsstandes, 1997, 273 ff.; Staudinger/Hausmann, Neubearbeitung 2002, Anhang II zu Art. 27–37 EGBGB Rz. 167. 1079 Burgstaller JBl. 1998, 693; Simotta in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 104 JN Rz. 229, 232. Nachweise bei R. Geimer in Geimer/ Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 23 EuGVVO Rz. 29 ff. und Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 2970 ff. 1080 Samtleben RabelsZ 59 (1995), 670; Kubis, Internationale Zuständigkeit bei Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechtsverletzungen, 1999, 22; OLG Saarbrücken vom 13.10.1999, NJW 2000, 670 = IPRspr. 1999 Nr. 129. 1081 Zustimmend Aull, Der Geltungsanspruch des EuGVÜ: „Binnensachverhalte“ und Internationales Zivilverfahrensrecht in der Europäischen Union – Zur Auslegung des Art. 17 Abs. 1 S. 1 EuGVÜ, 1996, 89 mit weiteren Nachweisen. 1082 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 891; zustimmend Grolimund, Drittstaatenproblematik des europäischen Zivilverfahrensrechts, 2000, 141. 1083 Anders OLG Hamm vom 18.9.1997, IPRax 1999, 244, 246 (Aull 226); unentschieden BGH vom 23.7.1998, RIW 1998, 964 = IPRax 1999, 246 (Schulte 229) = LM Nr. 1 zu
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit wohl hinsichtlich des Prorogations- als auch hinsichtlich des Derogationseffekts Art. 17 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 23 EuGVVO, nicht das nationale Recht.1084 Vereinbaren sie jedoch die Zuständigkeit eines deutschen Gerichts, so regelt die Frage der örtlichen Zuständigkeit nicht Art. 17 EuGVÜ/LugÜ bzw. nunmehr Art. 23 EuGVVO, sondern § 38 ZPO. Auch die Auffassung, dass Art. 23 EuGVVO/LugÜ dann nicht zum Zuge kommt, wenn nur ein Bezug zu dritten Staaten vorliegt, ist abzulehnen, Rz. 1264.1085 Dies dürfte auch die Linie des EuGH sein.1086 1647 Art. 23 EuGVVO/LugÜ begründet eine Vermutung für die Ausschließlichkeit des forum prorogatum, während das autonome deutsche Recht eine solche Vermutung nicht kennt, Rz. 1736. 1648 In Versicherungs- und Verbrauchersachen1087 kann zu Lasten des Versicherten etc. bzw. Verbrauchers erst nach Entstehung der Streitigkeiten eine Zuständigkeitsvereinbarung getroffen werden.1088 Bestritten ist, ob zu den Verbrauchern
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Lugano-Übk. = IPRspr. 1998 Nr. 137. Das OLG Hamm hatte die Anwendung des Art. 17 LugÜ abgelehnt, weil trotz seines eindeutigen Wortlauts als ungeschriebene Anwendungsvoraussetzung ein „internationaler Bezug“ erforderlich sei. Nach dem Sinn und Zweck der Konvention bestehe keine Notwendigkeit, Art. 17 LugÜ auf Zuständigkeitsvereinbarungen anzuwenden, bei denen beide Parteien ihren Sitz in demselben Vertragsstaat (hier: Deutschland) haben. Diesen bleibe es unbenommen, die Pro- bzw. Derogation nach nationalem Recht vorzunehmen. Der internationale Bezug könne nicht durch Wahl eines ausländischen Gerichts hergestellt werden, OLG Hamm vom 18.9.1997, IPRax 1999, 244 (Aull 226). Diese nur von einer Minderheit vertretene Ansicht führt zu einer extremen Zurückdrängung des Konventionsrechts und ist schlicht konventionswidrig, R. Geimer IPRax 1991, 31. Die meisten Anhänger einer teleologischen Reduktion plädieren bei Begründung eines „Außengerichtsstandes“ für die Anwendung des Art. 17 EuGVÜ/LugÜ bzw. des Art. 23 EuGVVO und gegen die des § 38 ZPO, wenn – wie im vorliegenden Fall geschehen – die in Deutschland ansässigen Parteien die Zuständigkeit der Gerichte eines anderen Vertragsstaates vereinbaren, Nachweise bei R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 23 EuGVVO Rz. 29 ff.; Grolimund, Drittstaatenproblematik des europäischen Zivilverfahrensrechts, 2000, 51 ff.; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, Anh I Art. 23 EuGVVO Rz. 5. OLG München vom 13.2.1985, Riv. dir. int. proc. 1986, 931 = IPRspr. 1985 Nr. 133A. R. Geimer NJW 1986, 1438; R. Geimer IPRax 1991, 31; R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 23 EuGVVO Rz. 29; Pfeiffer, Handbuch der Handelsgeschäfte, 1999, § 22 Rz. 104; Saenger ZZP 110 (1997), 481; Nachweise bei de Bra, Verbraucherschutz durch Gerichtsstandsregelungen im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, 1992, 192; Simotta in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 104 JN Rz. 229. EuGH vom 13.7.2000, Rs C-412/98 – Group Josi Reinsurance Company/Universal General Insurance Company (UGIC) Slg. 2000, I-5925 = NJW 2000, 3121 = RIW 2000, 787 = The European Legal Forum 1 (2000), 49 (R. Geimer) = IPRax 2000, 520 (Staudinger 483) = IStR 2000, 574. Art. 7 ff., Art. 13 ff. EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 8 ff., Art. 15 ff. EuGVVO. Art. 12 Nr. 1 und 2, 15 Nr. 2 und 2 EuGVÜ/LugÜ sowie Art. 13 Nr. 1 und 2, Art. 17 Nr. 1 und 2 EuGVVO. Hierzu R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 23 EuGVVO Rz. 58; Simotta in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, Rz. 145 vor §§ 83a und 83b JN.
Zuständigkeitsvereinbarungen auch private Kapitalanleger zählen, die an ausländischen Börsen Spekulationsgeschäfte tätigen.1089 Die gleiche Regelung gilt in Arbeitssachen.1090 Die EuGVVO und das LugÜ bringen Einheitsrecht nicht nur für die Form, son- 1649 dern auch für das Zustandekommen der Zuständigkeitsvereinbarung.1091 Siehe aber Rz. 1781d. Unrichtig ist es daher, auf das nationale, die Zuständigkeitsvereinbarung regelnde Kompetenzrecht oder auf die lex causae des Hauptvertrages abzustellen. Siehe auch Art. 1 II (e) Rom I-VO, früher Art. 1 II (d) EVÜ. 1650–1651
IX. Möglicher Inhalt einer Zuständigkeitsvereinbarung 1. Prorogation und Derogation Die Parteien können vereinbaren
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– eine Prorogation, d.h. ein an und für sich international unzuständiger Staat soll aufgrund der Zuständigkeitsvereinbarung international zuständig sein und/oder – eine Derogation, d.h. ein an und für sich international zuständiger Staat soll aufgrund der Zuständigkeitsvereinbarung international unzuständig sein.1092 Beide Aspekte sind streng voneinander zu trennen, auch dann, wenn sie Gegen- 1653 stand ein und derselben Zuständigkeitsvereinbarung sind. Bei der Prorogation der ausschließlichen internationalen Zuständigkeit eines an und für sich international unzuständigen Staates begründet die Zuständigkeitsvereinbarung die internationale Zuständigkeit des prorogierten Staates und derogiert gleichzeitig die internationale Zuständigkeit aller übrigen international zuständigen Staaten. Notwendig ist aber die Koppelung von Prorogation und Derogation in ein und derselben Zuständigkeitsvereinbarung nicht. Denkbar sind auch reine Prorogations- und reine Derogationsvereinbarungen.1093 1089 OLG Köln vom 16.3.1989, ZIP 1989, 838 = EWiR 1989, 681 (Schütze) = IPRspr. 1989 Nr. 187; BGH vom 29.1.1991 WM 1991, 360 (Thode), offen gelassen von EuGH vom 19.1.1993, – Rs 89/91 Shearson Lehman Hutton/TVB Treuhandgesellschaft Slg. 1993 I 139 = NJW 1993, 1251 = RIW 1993, 420 = IPRax 1992, 92 (Koch 71). Eindeutig bejahend Jordans, Schiedsgerichte bei Termingeschäften und Anlegerschutz, 2007, 21. 1090 Art. 17 V EuGVÜ/LugÜ sowie Art. 21 EuGVVO. 1091 R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 23 EuGVVO Rz. 75; Jayme/Kohler IPRax 1992, 353. Offen gelassen von OLG Dresden vom 2.6.1999, IPRspr. 1999 Nr. 115. 1092 Nachweise auch bei Staudinger/Hausmann, Neubearbeitung 2002, Anh. II zu Art. 27–37 EGBGB Rz. 162 ff. 1093 Zustimmend Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 2931. Der Verwender einer Gerichtsstandsklausel, die den Gerichtsstand an dem Ort vorsieht, an dem er zum Zeitpunkt der Vereinbarung seinen Unternehmenssitz hat, soll sich nicht auf diese berufen können, wenn er seinen Sitz verlegt hat und im allgemeinen Gerichtsstand (Art. 2 I, Art. 60) verklagt wird. Da zum Zeitpunkt der Vereinbarung das forum prorogatum dem allgemeinen Gerichtsstand entsprach, hatten
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 1654 Im ersten Fall wird die an und für sich nicht vorhandene Zuständigkeit eines Staates begründet, ohne die internationale Zuständigkeit anderer Staaten auszuschließen; im zweiten Fall wird durch die Zuständigkeitsvereinbarung der Parteien lediglich die internationale Zuständigkeit eines oder mehrerer Staaten ausgeschlossen, ohne die internationale Zuständigkeit anderer Staaten zu begründen (isolierte Derogationsvereinbarung). 1655 Der Fall der isolierten Derogationsvereinbarung – ohne gleichzeitige Prorogation – wird durch den Wortlaut des § 38 ZPO nicht gedeckt. Gleichwohl ist es allgemeine Meinung, die Regeln des § 38 ZPO, insbesondere die Formvorschriften, auch auf solche isolierten Derogationen anzuwenden.1094 1656 Sind die Zuständigkeiten sämtlicher Gerichte dieser Erde derogiert, so liegt im Ergebnis ein Rechtsschutzverzicht (Rz. 1967) vor. Ob dies tatsächlich von den Parteien gewollt war, ist eine Frage der Auslegung.1095 1657 Wird die ausschließliche Zuständigkeit eines Staates vereinbart, so ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Annahme der Prorogation durch die Gerichte dieses Staates Bedingung ist für die Derogation der internationalen Zuständigkeit der übrigen Staaten, Rz. 1763.1096 2. Vertragsfreiheit der Parteien 1658 Hinsichtlich der Formulierung der Zuständigkeitsvereinbarung lässt das Gesetz den Parteien freie Hand. Im Regelfall vereinbaren die Parteien die (ausschließliche) Zuständigkeit eines Gerichts. Damit ist auch der Staat fixiert, dessen internationale Zuständigkeit Gegenstand der Zuständigkeitsvereinbarung ist. Es kann aber auch nur die internationale Zuständigkeit Deutschlands vereinbart werden. Dann ist eine örtliche Zuständigkeit nach Maßgabe von Rz. 1753 zu ermitteln, Rz. 1615. 3. Keine Gleichberechtigung 1659 Nicht notwendig ist, dass durch die Zuständigkeitsvereinbarung die Parteien gleichberechtigt sind (sofern sichergestellt ist, dass eine entsprechende Einigung ordnungsgemäß, d.h. ohne unerlaubten Druck, Rz. 1600, zustandegekommen ist). So kann z.B. vereinbart werden, dass nur eine Partei oder ein Dritter sich auf die Vereinbarung berufen können soll, sie also nur dann zum Zuge kommt, wenn die begünstigte Person klagt bzw. verklagt wird.1097 Im Zweifel derogiert
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nach Ansicht des KG die Parteien nicht den Willen, die Zuständigkeit eines an sich unzuständigen Gerichts zu begründen; vielmehr sollte nur die etwaige Zuständigkeit anderer Gerichte abbedungen werden, KG vom 31.1.2008, OLGR 2008, 478 (innerdeutscher Fall). Nachweise bei Friederike E. Sandrock, Die Vereinbarung eines „neutralen“ internationalen Gerichtsstandes, 1997, 73. Strenger, da für Unzulässigkeit plädierend Simotta in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 104 JN Rz. 235. OLG Koblenz vom 24.6.2004, IHR 2005, 169, 171 = IPRax 2006, 469 (Weller 444) = NJOZ 2004, 3346 = IPRspr. 2004 Nr. 116. Diese „einseitig fakultative“ Zuständigkeitsvereinbarung ist in Art. 17 IV EuGVÜ/ LugÜ angesprochen; hierzu Kohler IPRax 1983, 340, 345; Killias, Gerichtsstandsver-
Zuständigkeitsvereinbarungen aber eine „normale“ ausschließliche Prorogation für beide Seiten alle übrigen (gesetzlichen) Gerichtsstände, Rz. 1109. Eine „zuständigkeitsrechtliche Paschastellung“1098 ist die Ausnahme. Sie muss ausdrücklich vereinbart sein. Denn aus den Umständen des Einzelfalls dürfte sich in den allermeisten Fällen wohl kaum die konkludente Vereinbarung einer solchen Privilegierung einer Partei herausdestillieren lassen.1099 4. Mehrere Fora Zulässig ist auch die Prorogation mehrerer Fora, unter denen der jeweilige Klä- 1660 ger bzw. (nur) eine Partei wählen darf.1100 5. Maßgeblichkeit der Parteirolle (reziproke Gerichtsstandsklauseln) Denkbar ist auch, das jeweilige forum prorogatum von der Parteirolle abhängig zu machen.
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Beispiele: „Jede Partei ist berechtigt, an ihrem Wohnsitz/Sitz zu klagen“1101 oder „Jede Partei darf nur an ihrem Wohnsitz/Sitz verklagt werden.“ Eine solche Vereinbarung derogiert etwaige konkurrierende Gerichtsstände. Es soll also nur der jeweilige Wohnsitzstaat des Beklagten zuständig sein.1102 6. Begünstigung Dritter Zulässig sind auch Zuständigkeitsvereinbarungen zugunsten Dritter, Rz. 1730.1103
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7. Keine Zuständigkeitsvereinbarung zu Lasten Dritter Dagegen ist eine Zuständigkeitsvereinbarung zu Lasten Dritter unwirksam, Rz. 1731. Ausnahme: Dritter stimmt dieser Zuständigkeitsregel zu. – Siehe auch Rz. 1731b.
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1102 1103
einbarungen nach dem Lugano-Übereinkommen, 1993, 225; Pfeiffer IPRax 1998, 17; Schulte IPRax 1999, 229. In Art. 23 EuGVVO ist Art. 17 IV EuGVÜ nicht wiederholt worden. Man hat vielmehr bereits in Abs. 1 die Ausschließlichkeit des forum prorogatum relativiert durch die Einfügung des Nachsatzes „sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben“. Terminus von Schulte IPRax 1999, 229, 232. Anders aber BGH IPRax 1999, 246 (Schulte 229). Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 519; Staudinger/Hausmann, Neubearbeitung 2002, Anh. II zu Art. 27–37 EGBGB Rz. 211. OLG München vom 8.8.1984, IPRax 1985, 341 (Jayme/Haack 323) = RIW 1986, 381 = IPRspr. 1984 Nr. 141; LG Frankfurt a.M. vom 9.5.1986, RIW 1986, 543 = IPRspr. 1986 Nr. 133. EuGH vom 9.11.1978, Rs 23/78 – Meeth/Glacetal Slg. 1978, 2133 = RIW 1978, 814 = NJW 1979, 1100. Vgl. auch Schnyder RabelsZ 47 (1983) 340. R. Geimer NJW 1985, 533; zustimmend Rauscher IPRax 1992, 146.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit
X. Bestimmung des forum prorogatum durch einen Dritten 1664 Die Parteien brauchen – auch in den Fällen des § 38 III ZPO – das forum prorogatum nicht selbst zu bestimmen. Sie können einen Dritten damit betrauen. Unterlässt dieser trotz Aufforderung durch eine Partei innerhalb angemessener Frist die Forum-Bestimmung, dann wird die Zuständigkeitsvereinbarung gegenstandslos. 1665 Die „Drittbestimmung“ lässt sich dogmatisch folgendermaßen erklären: Unzweifelhaft können die Parteien eine Person unter Befreiung vom § 181 BGB bevollmächtigen, für sie eine Zuständigkeitsvereinbarung abzuschließen. Dann muss aber per argumentum a maiore ad minus gelten: Sie können auch einen Dritten ermächtigen, ihre „Grundvereinbarung“ über eine Zuständigkeitsvereinbarung hinsichtlich des zuständigen Gerichts zu ergänzen.1104
XI. Internationaler Bezug der Zuständigkeitsvereinbarung 1666 Ob die Zuständigkeitsvereinbarung (auch) die internationale Zuständigkeit berührt (Rz. 947, 1633, 1706) oder lediglich aus der Perspektive der örtlichen Zuständigkeit relevant ist, lässt sich ex ante nie mit Sicherheit sagen. Beispiel: Ein Münchner und ein Hamburger Kaufmann vereinbaren die Zuständigkeit des LG München I. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses liegt ein reiner Inlandsfall vor. Dies ändert sich jedoch, wenn der Hamburger sich zur Ruhe setzt und nach Göteborg verzieht. Auch eine umgekehrte Fallkonstellation ist denkbar. Ein Münchner und ein Wiener vereinbaren die Zuständigkeit des LG München I. Der Wiener verlegt seinen Wohnsitz nach Bayern. 1667–1670
XII. Maßgeblicher Zeitpunkt 1. Internationale Zuständigkeitsvereinbarung (§ 38 II ZPO) 1671 Die Frage des maßgeblichen Zeitpunkts ist für die Anwendung des § 38 II ZPO (Rz. 1612) wichtig. Nach herrschender Meinung kommt es auf den Zeitpunkt der Zuständigkeitsvereinbarung an. Zu diesem Zeitpunkt muss eine der Vertragsparteien ihren allgemeinen Gerichtsstand im Ausland haben.1105 2. Abgrenzung zwischen Kaufleuten und Nichtkaufleuten 1672 Zuständigkeitsvereinbarungen, an denen andere als die in § 38 I ZPO genannten Personen beteiligt sind, bedürfen der Form des § 38 II 2 bzw. III, Rz. 1621. Maßgeblicher Zeitpunkt ist der Abschluss der Zuständigkeitsvereinbarung. Formfreie Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit sind also nur wirksam, wenn die Vertragsparteien bei Abschluss der Vereinbarung zu dem in § 38 I
1104 Ohne Stellungnahme Pfeiffer, Handbuch der Handelsgeschäfte, 1999, § 22 Rz. 31. 1105 Staudinger/Hausmann, Neubearbeitung 2002, Anh. II zu Art. 27–37 EGBGB Rz. 179.
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Zuständigkeitsvereinbarungen ZPO genannten Personenkreis gehören. Spätere Veränderungen berühren die Wirksamkeit der Vereinbarung nicht.1106 Umgekehrt wird die Unwirksamkeit durch späteren Erwerb der Kaufmannseigenschaft nicht geheilt. Einzel- und Gesamtrechtsnachfolge bindet die wirksam geschlossene Zuständigkeitsvereinbarung, auch wenn die Rechtsnachfolger die in § 38 I ZPO genannten Eigenschaften nicht besitzen. 3. Anwendungsbereich der europäischen Zuständigkeitsordnung Die Frage des Zeitpunkts spielt auch eine große Rolle im Verhältnis zwischen 1673 der Abgrenzung des Anwendungsbereichs der EuGVVO bzw. des LugÜ zum autonomen Recht, Rz. 1645.1107
XIII. Gerichtswahl und Rechtswahl (Zuständigkeitsvereinbarungen und Vereinbarungen über das anwendbare Recht) Forum und ius sind zu trennen auch im Bereich der Parteivereinbarungen. Die 1674 Rechtswahl bedeutet keine Gerichtswahl, Rz. 1755, 1775.1108 Die Gerichtswahl ist an sich keine Rechtswahl,1109 doch bei der ausschließlichen Prorogation ein starkes Indiz. Qui elegit iudicem, elegit ius.1110
XIV. Selbständigkeit der Zuständigkeitsvereinbarung gegenüber materiell-rechtlichem Hauptvertrag Ebenso wie die Schiedsvereinbarung (§ 1040 I 2 ZPO) ist die Zuständigkeitsver- 1674a einbarung als Prozessvertrag1111 selbständig im Verhältnis zum materiell-rechtlichen Hauptvertrag.1112 Der Rechtsgedanke des § 139 BGB kommt nicht zur Anwendung. Bei wirksamer Zuständigkeitsvereinbarung kann das forum pro1106 Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 3117. 1107 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 886. 1108 Anderer Auffassung Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 2932. 1109 Vischer/Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht2, 2000, Rz. 172. 1110 Martiny in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 86; Martiny in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Art. 27 EGBGB Rz. 48; Soergel/von Hoffmann, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 27 EGBGB Rz. 47. Eine „verdeckte“ Rechtswahl sieht BGH vom 4.2.1991, NJW 1991, 1420 = RIW 1991, 1046 = IPRspr. 1991 Nr. 171 in Gerichtsstandsklausel in Konnossementbedingungen. Vgl. auch Rabe, Seehandelsrecht4, 2000, vor § 556 Rz. 133. 1111 Zur umstrittenen Qualifikation der Zuständigkeitsvereinbarung Pfeiffer, Handbuch der Handelsgeschäfte, 1999, § 22 Rz. 1; Wagner, Prozessverträge, 1998, 346; Staudinger/Hausmann, Neubearbeitung 2002, Anhang II zu Art. 27–37 EGBGB Rz. 185; Vischer/Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht2, 2000, Rz. 1166. Zu Schadensersatzansprüchen aus Verletzung der Zuständigkeitsvereinbarung bei Klage am forum derogatum Schlosser in Festschrift Lindacher, 2007, 111. 1112 Ebenso aus österreichischer Sicht Simotta in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 104 JN Rz. 6.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit rogatum über die Wirksamkeit bzw. Unwirksamkeit des materiell-rechtlichen Hauptvertrages entscheiden bzw. muss sich das forum derogatum einer meritorischen Entscheidung enthalten. Umgekehrt folgt aus der Unwirksamkeit der Zuständigkeitsvereinbarung nicht automatisch die Unwirksamkeit der materiellrechtlichen Vereinbarung.
XV. Lex fori 1675 Außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 23 EuGVVO bzw. des Art. 23 LugÜ II (früher Art. 17 EuGVÜ/LugÜ I)1113 und der sonstigen Staatsverträge (Rz. 1792) bestimmt ausschließlich das deutsche Recht über Zulässigkeit, Form und Wirkung einer Zuständigkeitsvereinbarung.1114 Dies gilt sowohl für den Prorogations- wie auch den Derogationsaspekt. Die Zulässigkeit der Begründung der internationalen Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland durch Parteivereinbarung beurteilt sich stets nach deutschem Recht. Ausschließlich das deutsche Prozessrecht bestimmt, wann deutsche Gerichte eine internationale Prorogation anzunehmen haben.1115 Deshalb ist es für das deutsche Gericht irrelevant, dass das ausländische Recht den Abschluss eines Derogations- bzw. Prorogationsvertrags von der Wahrung der Schriftform abhängig macht, wenn eine solche nach § 38 I ZPO nicht erforderlich ist.1116 1676 Irrelevant ist, ob sich der ausländische Staat, dessen internationale Zuständigkeit derogiert wurde, für ausschließlich international zuständig erachtet, Rz. 1744. Das Gleiche gilt für die Frage der Derogation der an sich gegebenen internationalen Zuständigkeit Deutschlands (Rz. 1757).1117 Auch hier bestimmt allein das deutsche Recht, ob und unter welchen Voraussetzungen der Ausschluss des Zu1113 Zur Abgrenzung gegenüber dem genuin nationalen Recht Kleinknecht, Die verbraucherschützenden Gerichtsstände im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, Diss. Mainz 2007, 127. 1114 BGH vom 18.3.1997, NJW 1997, 2885, 2886 = RIW 1997, 778 = IPRax 1998, 470 (Gottwald/Baumann) = IPRspr. 1997 Nr. 142; OLG Koblenz vom 8.2.1996, NJW-RR 1997, 638 = RIW 1997, 328 = IPRspr. 1996 Nr. 139; OLG Frankfurt vom 1.10.1998, RIW 1999, 461, 463 = IPRax 1999, 247 (Hau 232) = IPRspr. 1998 Nr. 156; Schack IPRax 1990, 19; Staudinger/Hausmann, Neubearbeitung 2002, Anh. II zu Art. 27–37 EGBGB Rz. 208 ff. 1115 Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 296, 307; Kralik ZZP 74 (1961), 42 Fußn. 85; Habscheid in Festschrift Schima, 1969, 188; R. Geimer NJW 1971, 323; BGH vom 17.5.1972, BGHZ 59, 23 = AWD 1972, 356 (von Hoffmann 416) = NJW 1972, 1622 (R. Geimer) = IPRspr. 1972 Nr. 140. 1116 OLG Bremen vom 18.7.1985, RIW 1985, 894 = IPRspr. 1985 Nr. 142. 1117 RG vom 19.1.1935, SeuffArch 89 Nr. 117 = Giur.comp.d.i.p. 6 (1940) 238 Nr. 203 (Eckstein) = IPRspr. 1935–1944 Nr. 530; RG vom 9.6.1936, JW 1936, 3185 = IPRspr. 1935–1944 Nr. 532; OLG Koblenz vom 27.3.1987, NJW-RR 1988, 1401 = IPRspr. 1987 Nr. 125; OLG München vom 31.3.1987, NJW 1987, 2166 = RIW 1988, 479 = IPRspr. 1987 Nr. 126. Siehe auch Mankowski in Dieterich/Neef/Schwab (ed.), Arbeitsrecht-Blattei sub Arbeitsgerichtsbarkeit V – E. Internationale Zuständigkeit 160.5.5 Rz. 528.
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Zuständigkeitsvereinbarungen gangs zu den deutschen Gerichten möglich und wirksam ist, vgl. z.B. Rz. 1769; davon zu unterscheiden ist die Beurteilung von aus deutscher Sicht relevanten Umständen am (ausländischen) forum prorogatum. So kann z.B. die Annahmebereitschaft des forum prorogatum (Rz. 1763) bzw. die Frage, ob dort ein Stillstand der Rechtspflege eingetreten ist (Rz. 1024) nur nach dem dort geltenden Recht geklärt werden. Aber die Konsequenz, dass in solchen Fällen die Derogation der internationalen Zuständigkeit Deutschlands unwirksam ist und deshalb der Zugang zu den deutschen Gerichten eröffnet ist, beruht auf der deutschen lex fori.1118
XVI. Zustandekommen einer internationalen Zuständigkeitsvereinbarung 1. Prorogations- bzw. Derogationsstatut Von der Frage der Zulässigkeit und der Wirkungen einer Zuständigkeitsverein- 1677 barung, die ausschließlich nach der deutschen lex fori zu beurteilen sind (Rz. 1757), zu trennen ist die Frage nach dem Statut für das Zustandekommen einer internationalen Zuständigkeitsvereinbarung.1119 Dieses ist nicht identisch mit dem Statut des Hauptvertrages.1120 Für die Zuständigkeitsvereinbarung als Prozessvertrag1121 gelten eigene Regeln. Aus der Einordnung der Zuständigkeitsvereinbarung als Prozessvertrag1122 folgt nicht automatisch die Geltung der lex fori. Vielmehr ist ein eigenes Statut für das Zustandekommen der Zuständigkeitsvereinbarung zu fordern.1123 Auszugehen ist von den deutschen Rechtsgrundsätzen über das Zustandekommen von Verträgen. Dies gilt auch für die Frage, ob eine in den AGB enthaltene Gerichtsstandsklausel Vertragsbestandteil
1118 Anders Hau IPRax 1999, 232, 236, der nur sekundär über ordre public-Erwägungen zur deutschen lex fori kommt. 1119 Siehe auch von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht9, 2007, § 3 Rz. 82. 1120 R. Geimer NJW 1971, 391. Umfassende Nachweise z.B. bei Gottschalk/Breßler, Missbrauchskontrolle von Gerichtsstandsvereinbarungen im europäischen Zivilprozessrecht, ZEuP 2007, 56, 57. 1121 OLG Koblenz vom 8.2.1996, NJW-RR 1997, 638 = RIW 1997, 328 = IPRspr. 1996 Nr. 139; Pfeiffer, Handbuch der Handelsgeschäfte, 1999, § 22 Rz. 1, 17; Staudinger/ Hausmann, Neubearbeitung 2002, Anh. II zu Art. 27–37 EGBGB Rz. 185, 208; Wagner, Prozessverträge, 1998, 557; anders aus österreichischer Sicht Simotta in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 104 JN Rz. 2; Heiss/Zobel IPRax 2004, 266, 267. 1122 RG vom 19.1.1935, SeuffArch 89 Nr. 117 = Giur.comp.d.i.p. 6 (1940) 238 Nr. 203 (Eckstein) = IPRspr. 1935–1944 Nr. 530; RG vom 9.6.1936, JW 1936, 3185 = IPRspr. 1935–1944 Nr. 532; OLG Saarbrücken vom 13.10.1999, NJW 2000, 670 = IPRspr. 1999 Nr. 129; Staudinger/Hausmann, Neubearbeitung 2002, Anh. II zu Art. 27–37 EGBGB Rz. 185. 1123 R. Geimer NJW 1972, 391. Weniger dezidiert Soergel/Kronke, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 38 EGBGB Anh. IV Rz. 31: „Die Parteien können ausdrücklich oder schlüssig ein vom Hauptvertrag getrenntes, eigenes Prorogationsstatut vereinbaren“.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit geworden ist.1124 Die lex fori muss jedoch in bestimmten Fällen zugunsten der Anwendung ausländischer Regeln über das Zustandekommen von Vereinbarungen zurückgedrängt werden. So gilt z.B. der Satz des deutschen internationalen Zivilverfahrensrechts, dass auch unter Kaufleuten eine internationale Zuständigkeitsvereinbarung dann nicht zustande gekommen ist, wenn nach dem Recht des Aufenthaltsortes das Schweigen auf ein Bestätigungsschreiben rechtlich nicht relevant ist.1125 1678 Der Bundesgerichtshof geht bisher1126 einen anderen Weg. Er qualifiziert die Zuständigkeitsvereinbarung als einen „materiell-rechtlichen Vertrag über prozessrechtliche Beziehungen“, dessen Zustandekommen sich nach bürgerlichem Recht richte.1127 Er beurteilt das Zustandekommen einer Zuständigkeitsvereinbarung nach dem allgemeinen Vertragsrecht derjenigen Rechtsordnung, nach der sich auch das zugehörige, den Inhalt des gesamten Vertrages bildende materielle Rechtsverhältnis der Parteien richtet.1128
1124 Unklar OLG Hamburg vom 30.12.1985, RIW 1986, 462 = IPRspr. 1985 Nr. 36. Ausführlich Rauscher ZZP 104 (1991), 284 ff. Anderer Auffassung (lex causae des materiell-rechtlichen Hauptvertrages OLG Dresden vom 2.6.1999, IPRspr. 1999 Nr. 115.). 1125 R. Geimer NJW 1972, 1622. – Beispiel (belgisches Recht): OLG Hamm vom 18.10.1982, NJW 1983, 523 = RIW 1983, 56, 207 = IPRspr. 1982 Nr. 19. Zum gleichen Ergebnis kommen die Anhänger der materiell-rechtlichen Theorie (Rz. 1679) durch Anwendung des Art. 31 II EGBGB. 1126 Gelegentlich lässt aber der BGH die Frage offen, „ob für Gerichtsstandsvereinbarungen ein eigenes Prorogationsstatut anerkannt werden kann.“ So BGH vom 21.11.1996, BGHZ 134, 127 = NJW 1997, 397 = IPRax 1999, 367 (Dörner/Staudinger 338) = RIW 1997, 149, 152 = ZZP 110 (1997), 353 (Pfeiffer) = LM § 38 Nr. 32 (R. Geimer) = IPRax 1999, 367 (Dörner/Staudinger) = WiB 1997, 494 (Ralle) = ZIP 1996, 2184 = IPRspr. 1996 Nr. 160. 1127 BGH vom 15.4.1970, NJW 1971, 323 (R. Geimer) = IPRspr. 1970 Nr. 12; BGH vom 22.9.1971, BGHZ 57, 72 = AWD 1971, 589 = MDR 1972, 44 = NJW 1972, 391 (R. Geimer) = IPRspr. 1971 Nr. 133; BGH vom 30.5.1983, RIW 1983, 872, 874 = NJW 1983, 2772 = IPRax 1985, 27 (Trappe 8) = IPRspr. 1983 Nr. 128b; hierzu Mann NJW 1984, 2741 sowie Rabe TranspR 1985, 83; BGH vom 24.11.1988, NJW 1989, 1431 = IPRspr. 1988 Nr. 165 = IPRax 1990, 41 (Schack 19); BGH vom 18.3.1997, NJW 1997, 2885, 2886 = RIW 1997, 778 = IPRax 1998, 470 (Gottwald/Baumann) = IPRspr. 1997 Nr. 142; BAG vom 29.6.1978, NJW 1979, 1119 = JZ 1979, 647 (R. Geimer) = IPRspr. 1978 Nr. 144; OLG Köln vom 9.9.1996, RIW 1997, 233 = VersR 1997, 1556 = IPRspr. 1996 Nr. 155; OLG Frankfurt vom 1.10.1998, RIW 1999, 461, 463 = IPRax 1999, 247 (Hau 232) = IPRspr. 1998 Nr. 156; OLG Dresden vom 2.6.1999, IPRspr. 1999 Nr. 115; offen gelassen von BAG vom 27.1.1983, NJW 1984, 1320 = RIW 1984, 316 = IPRax 1985, 276 (E. Lorenz 256) = IPRspr. 1983 Nr. 131 und OLG Bremen vom 18.7.1985, RIW 1985, 894 = IPRspr. 1985 Nr. 142, weitere Nachweise bei Schütze IPRax 1984, 247; Schütze IPRax 1985, 112; Schütze Deutsches internationales Zivilprozessrecht, 1985, 46. 1128 BGH vom 18.3.1997, NJW 1997, 2885 = IPRax 1998, 470 (Gottwald/Baumann) = RIW 1997, 778 = IPRspr. 1997 Nr. 142.
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Zuständigkeitsvereinbarungen Damit verquickt er das Schuldstatut des Hauptvertrages (Art. 3 ff. Rom I-Verord- 1679 nung1129, vormals Art. 27 ff. EGBGB) mit dem Prorogationsstatut1130 und beschwört unentwirrbare Komplikationen herauf.1131 Die Gültigkeit der Rechtswahl (diese Frage wird für die Anhänger der materiell- 1680 rechtlichen Theorie des BGH unvermeidlich) richtet sich nach herrschender Meinung nach dem Vertragsstatut, d.h. nach dem Recht, das die Parteien tatsächlich zu wählen beabsichtigt haben, Art. 3 V, 10 I Rom I-Verordnung, vormals Art. 27 IV, 31 I EGBGB.1132 2. Vertragsschluss Die gesetzliche Zuständigkeitsordnung können die Parteien für ihren konkreten 1681 Fall nur im gegenseitigen Einvernehmen abwählen. Daher ist es notwendig, zu prüfen, ob ein Vertragsschluss stattgefunden hat. Diese Prüfung verschwimmt oft mit der Erörterung, ob die Formerfordernisse beachtet wurden. Dogmatisch sind jedoch beide Aspekte klar zu trennen, ebenso wie das Zustandekommen der Zuständigkeitsvereinbarung von dem Zustandekommen des (materiell-rechtlichen) Hauptvertrages, Rz. 1719. Wird eine in einem schriftlichen Vertragsentwurf enthaltene Gerichtsstandsklausel nach Unterzeichnung durch einen Teil von der anderen Vertragspartei abgeändert, so trägt diese die Beweislast dafür, dass die Vereinbarung schon durch mündliche Verständigung zustande gekommen ist.1133
1129 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. EU Nr. L 177 vom 4.7.2008, S. 6. 1130 Beispiel: BGH vom 15.12.1986, BGHZ 99, 207 = NJW 1987, 1145 = RIW 1987, 215 = LM § 38 ZPO Nr. 26 = WM 1987, 273, 274= IPRax 1988, 26 (Basedow 15) = EWiR 1987, 405 (Geimer) = IPRspr. 1986 Nr. 128b betreffend Gerichtsstandsklausel in Konnossement. Trotz Art. 37 Nr. 1 EGBGB wurde Art. 31 I EGBGB analog angewandt, hierzu Sandrock RIW 1986, 845. Vgl. auch Rabe, Seehandelsrecht4, 2000, vor § 556 Rz. 133 sowie Mankowski in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 1519. 1131 Martiny AWD 1972, 165 ff.; Ebsen/Jayme AWD 1972, 300; von Hoffmann RabelsZ 36 (1972), 510 ff. Siehe auch Rz. 1649. Bedenken äußert auch OLG München IPRax 1983, 122. Gleichwohl folgen dieser Linie: Gottwald/Baumann IPRax 1998, 445; Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 482; OLG Hamburg TranspR 1985, 90 (Rabe 83) = VersR 1985, 858 (Röhrcke 1117) = IPRspr. 1984 Nr. 147 sowie RIW 1988, 56 (maßgeblich sei Rechtswahlklausel im Konnossement); OLG Koblenz vom 9.1.1987, NJW-RR 1988, 1334 = RIW 1987, 144, 147 = IPRax 1987, 308 (Schwarz 291) = IPRspr. 1987 Nr. 122; LG München I vom 27.11.1990, RIW 1991, 150 = IPRspr. 1990 Nr. 181. 1132 BGH vom 22.9.1971, BGHZ 57, 72, 77; OLG Saarbrücken 13.10.1999 NJW 2000, 670 = IPRspr. 1999 Nr. 129. Nachweise bei Mann NJW 1984, 2740; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 3121. Anders aber BGH vom 30.5.1983, RIW 1983, 872, 873 = NJW 1983, 2772 = IPRax 1985, 27 (Trappe 8) = IPRspr. 1983 Nr. 128b; hierzu Mann NJW 1984, 2741 sowie Rabe TranspR 1985, 83. Roth ZZP 93 (1980), 156 lässt sogar eine auf die Zuständigkeitsvereinbarung beschränkte Rechtswahl zu. Vgl. auch R. Geimer IPRax 1991, 35 Fußn. 52. 1133 BGH vom 18.3.1993, IPRspr. 1993 Nr. 137.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 3. Konkretisierung des Streitgegenstandes 1682 Die gesetzliche Zuständigkeitsordnung kann nicht pauschal und ohne Bezug zu einem konkreten Rechtsstreit von den Parteien verändert werden. Notwendig ist eine Konkretisierung der Vereinbarung auf einen bestimmten bereits entstandenen Rechtsstreit oder einen künftigen Rechtsstreit, der aus einem bestimmten Rechtsverhältnis entspringt, § 40 I ZPO, vgl. auch § 1029 I ZPO.1134 Die Streitigkeiten, für welche die Zuständigkeitsvereinbarung gelten soll, müssen genau bezeichnet werden. Eine pauschale Unterwerfung für beliebige, nicht näher bezeichnete Rechtsstreitigkeiten unter ein bestimmtes Forum ist unzulässig. Die Folgen einer solchen Vereinbarung wären für die Parteien nicht absehbar. Es würde ihre Zuständigkeitsinteressen zu stark beeinträchtigen.1135 1683 Aktuell wird das Problem der Konkretisierung in der Regel nur bei Zuständigkeitsvereinbarungen vor Entstehen der Streitigkeit. Haben die Parteien bei Abschluss des Hauptvertrages vereinbart, dass alle sich aus der vertraglichen Beziehung eventuell ergebenden Streitigkeiten von einem bestimmten Gericht entschieden werden sollen, so ist das Rechtsverhältnis ausreichend gekennzeichnet. Künftige Rechtsverhältnisse brauchen nur nach Art und Gegenstand bestimmbar zu sein, z.B. Geschäfte im Rahmen einer bestehenden Geschäftsverbindung, Rz. 1781d.1136 Das Bestimmtheitserfordernis für künftige Rechtsverhältnisse darf nicht zu streng ausgelegt werden.1137 Entscheidend ist der Erwartungshorizont des (präsumtiven) Beklagten. Eine Partei darf nicht dadurch überrascht werden, dass der Streitgegenstand eine andere Beziehung betrifft als diejenige, anlässlich derer die vertragliche Begründung oder Derogation eines Gerichtsstandes vorgenommen wurde. So genügt eine Gerichtsstandsklausel im Rahmenvertrag für die sich aus Einzellieferungen ergebenden Streitigkeiten. Z.B. wird ein Vertragshändlervertrag durch den Abschluss der auf ihn bezogenen einzelnen Kaufverträge zwischen den Parteien durchgeführt.1138 Erfasst werden im Rahmen des betreffenden Vertragsverhältnisses auch Ansprüche auf Auskunft, Rechnungslegung, Darlehensrückzahlung sowie solche aus Bürgschaften, Wechseln und Garantien.1139 1134 OLG München vom 27.4.1999, RIW 1999, 621 = IPRspr. 1999 Nr. 112; Jung, Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit nach dem EWG-Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen und nach § 38 Abs. 2 ZPO, Diss. Bochum 1980, 112; Staudinger/Hausmann, Neubearbeitung 2002, Anh. II zu Art. 27–37 EGBGB Rz. 210. Siehe auch Wagner, Prozessverträge, 1998, 593. 1135 R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 23 EuGVVO Rz. 156; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 3156. Vgl. auch Wagner, Prozessverträge, 1998, 559. 1136 Zu eng OLG Koblenz vom 31.7.1992, RIW 1993, 141 = WM 1992, 1736 = ZIP 1992, 1234 = EWiR 1992, 989 (R. Geimer) = IPRspr. 1992 Nr. 195. 1137 EuGH vom 10.3.1992, Rs 214/89 Slg. 1992 I 1756, 1769 Rz. 30 ff. = NJW 1992, 1671 = IPRax 1993, 32 (Koch 19), ergangen aufgrund Vorlagebeschluss des OLG Koblenz vom 1.6.1989, OLGZ 1989, 483 = RIW 1989, 739 = EWiR 885 (R. Geimer) = IPRspr. 1989 Nr. 192. 1138 R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 23 EuGVVO Rz. 157; Kindler/Haneke IPRax 1999, 435, 436. 1139 Enger OLG Oldenburg vom 19.7.1997, IPRax 1999, 458.
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Zuständigkeitsvereinbarungen 4. Insbesondere: Zuständigkeitsvereinbarungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Gegenstand der Willenseinigung: Eine in AGB enthaltene Gerichtsstandsklausel 1684 ist nur dann als vereinbart anzusehen, wenn – in Schriftform (§ 38 III ZPO) bzw. halber Schriftform (§ 38 II ZPO) – unmissverständlich zum Ausdruck gekommen ist, dass der Gerichtsstand tatsächlich Gegenstand einer Willenseinigung zwischen den Parteien war, mag auch die Einbeziehung der AGB im Übrigen formlos wirksam sein. Denn anderenfalls wäre einer Umgehung der Formvorschrift1140, die unter anderem im Streitfalle die sichere Feststellung einer Einigung der Parteien über den Gerichtsstand gewährleisten soll, Tür und Tor geöffnet.1141 Diese Überlegung trifft grundsätzlich auch für den Anwendungsbereich des au- 1685 tonomen Rechts zu (§ 38 ZPO).1142
1140 § 38 II ZPO bzw. Art. 17 I EuGVÜ/LugÜ I bzw. Art. 23 EuGVVO/LugÜ II. 1141 So zu Art. 17 EuGVÜ EuGH vom 14.12.1976 Rs 24/76 – Colzani/Rüwa Slg. 1976, 1831 = NJW 1977, 494 = RIW 1977, 104; EuGH vom 14.12.1976 Rs 25/76 – Segoura/ Bonakdarian Slg. 1976, 1851 = NJW 1977, 495; EuGH vom 19.6.1984, Rs 71/83 – Russ/Nova Slg. 1984, 2417 = RIW 1984, 909 = IPRax 1985, 152 (Basedow 133); BGH vom 4.5.1977, RIW 1977, 649; BGH vom 28.3.1996, NJW 1996, 1819 = IPRax 1997, 416 (Koch 406) = IPRspr. 1996 Nr. 147; OLG Hamburg vom 11.9.1974, RIW 1975, 498; OLG Hamburg vom 19.9.1984, RIW 1984, 916; OLG Celle vom 2.3.1984, RIW 1985, 571 = IPRax 1985, 284 (Duintjer Tebbens) = IPRspr. 1984 Nr. 134; OLG Nürnberg vom 28.11.1984, NJW 1985, 1296 = RIW 1985, 890 = IPRspr. 1984 Nr. 150 (nicht ausreichend: „Bitte Rückseite (= AGB) beachten“); LG Heidelberg vom 30.11.1982 IPRax 1984, 99 (Jayme) = IPRspr. 1982 Nr. 162A; OLG Zweibrücken vom 4.11.1983, IPRspr. 1983 Nr. 142; OLG Saarbrücken vom 2.10.1991, NJW 1992, 987 = RIW 1992, 670 = IPRax 1992, 165 (Rauscher 143) = IPRspr. 1991 Nr. 180. Zur Einbeziehung der ADSp (§ 65b: Gerichtsstand für alle Rechtsstreitigkeiten, die aus dem Auftragsverhältnis oder im Zusammenhang damit entstehen, ist für alle Beteiligten, soweit sie Vollkaufleute sind, der Ort derjenigen Handelsniederlassung des Spediteurs, an die der Auftrag gerichtet ist) OLG Schleswig vom 25.5.1987, NJW-RR 1988, 283 = IPRspr. 1987 Nr. 129; OLG Dresden vom 24.11.1998, RIW 1999, 968, 969 = IPRax 2000, 121 (Haubold) = IPRspr. 1998 Nr. 162; LG Duisburg vom 17.4.1996, RIW 1996, 774 = IPRspr. 1996 Nr. 148; AG Köln vom 6.2.1985, RIW 1986, 384 = IPRspr. 1985 Nr. 133; Vgl. auch OLG Braunschweig vom 28.10.1999, TranspR-IHR 2000, 4 = IPRspr. 1999 Nr. 130. Weitere Nachweise bei Bydlinski in Münchener Kommentar zum HGB, vor § 1 ADSp Rz. 28 ff. Siehe auch Rz. 1693; Rauscher ZZP 104 (1991) 284 ff. Allgemein zur Anwendbarkeit des AGBG im autonomen deutschen Recht Pfeiffer, Handbuch der Handelsgeschäfte, 1999, § 22 Rz. 60 ff.; Wagner, Prozessverträge, 1998, 131; Pfeiffer NJW 1999, 3674, 3685. 1142 LG Hamburg vom 31.1.1984, IPRax 1985, 282 (Samtleben 261) = IPRspr. 1984 Nr. 130. Zur Frage der Einbeziehung der Allgemeinen deutschen Spediteurbedingungen (ADSp) BGH RIW 1982, 55; LG Mannheim vom 11.8.1981, RIW 1982, 55; OLG Hamburg vom 31.10.1985, RIW 1987, 149; OLG Dresden vom 24.11.1998 RIW 1999, 968, 969 = IPRax 2000, 121 (Haubold) = IPRspr. 1998 Nr. 162; Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 3124, 3133; Bydlinski in Münchener Kommentar zum HGB, 1997, vor § 1 ADSp Rz. 28 ff. Zu Konnossementen BGH vom 30.5.1983, RIW 1983, 872, 874 = NJW 1983, 2772 = IPRax 1985, 27 (Trappe 8) = IPRspr. 1983 Nr. 128b; hierzu Mann NJW 1984, 2741 sowie Gottwald in Festschrift
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit Etwas anderes soll jedoch für Zuständigkeitsvereinbarungen nach § 38 III ZPO (Rz. 1607) gelten, da diese Vorschrift eine ausdrückliche Vereinbarung verlangt, Rz. 1622, 1693.1143 1686 Ein ausdrücklicher Hinweis auf die (in AGB enthaltene) Gerichtsstandsklausel ist nach der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 17 EuGVÜ (nunmehr Art. 23 EuGVVO),1144 die auch zur Auslegung des § 38 ZPO heranzuziehen ist, nicht erforderlich, arg. Art. I Abs. 2 des Protokolls (Luxemburg-Vorbehalt). Es reicht, wenn die Parteien im Text ihres Vertrages auf ein Angebot Bezug genommen haben, das seinerseits ausdrücklich auf die eine Gerichtsstandsklausel enthaltenden, dem Vertragspartner zugegangenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen hingewiesen hatte. Notwendig ist aber ein deutlicher Hinweis, dem eine Partei bei Anwendung normaler Sorgfalt nachgehen kann.1145 Eine mittelbare oder stillschweigende Verweisung auf vorangegangenen Schriftwechsel genügt nicht, da in diesem Fall keine Gewissheit darüber besteht, dass sich die Einigung auf die Gerichtsstandsklausel erstreckt. Die Gerichtsstandsklausel wird aber anerkannt, wenn die Bezugnahme auf beigefügte AGB in der schriftlichen Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes enthalten ist und wenn das Angebot schriftlich angenommen wird.1146 1687 Enthält ein Bestätigungsschreiben, das eine Partei der anderen (nach mündlichem Abschluss eines Vertrages ohne Zuständigkeitsvereinbarung) übersendet, erstmals einen Hinweis auf eine Gerichtsstandsklausel, so kommt dadurch eine Zuständigkeitsvereinbarung nicht zustande; denn es fehlt an einer Einigung, es sei denn, der Empfänger des Bestätigungsschreibens nimmt das Bestätigungsschreiben schriftlich an, dann ist die Formalternative der beiderseitigen Schriftlichkeit erfüllt.1147 Das Schweigen auf ein Bestätigungsschreiben ist also kompetenzrechtlich belanglos. Die Form (halbe Schriftlichkeit) ist zwar gewahrt. Es fehlt aber an einer Einigung der Parteien.1148
1143 1144
1145 1146 1147
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Firsching, 1985, 96; kritisch Rabe RIW 1984, 589; Rabe TranspR 1985, 83; Rabe, Seehandelsrecht4, 2000, vor § 556 Rz. 133 ff. Vgl. auch Rz. 1677. Zu den Banken-AGB (Nr. 6 II) Mühlhausen WM 1986, 990. LAG Düsseldorf vom 7.2.1984, RIW 1984, 651 = IPRspr. 1984 Nr. 132. EuGH vom 14.12.1976, Rs 24/76 – Colzani/Rüwa Slg. 1976, 1831, 1841 Rz. 10 = NJW 1977, 494; R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 23 EuGVVO Rz. 86; Staudinger/Hausmann, Neubearbeitung 2002, Anh. II zu Art. 27–37 EGBGB Rz. 194. OLG Düsseldorf vom 16.3.2000, RIW 2001, 63 = WM 2000, 2192 = IPRspr. 2000 Nr. 119. OLG Köln vom 27.2.1998, VersR 1999, 639 = TranspR 1999, 454 = IPRspr. 1998 Nr. 140. EuGH vom 14.12.1976, Rs 25/76 – Segoura/Bonakdarian Slg. 1976, 1851 = NJW 1977, 495; BGH vom 9.3.1994, NJW 1994, 2699 = RIW 1994, 508 = EWS 1994, 177 = JR 1995, 456 (Dörner) = EuZW 1994, 635 = EWiR 1994, 985 (Mankowski) = IPRspr. 1994 Nr. 137. Vgl. auch OLG Nürnberg vom 30.7.1998, TranspR 1998, 414 = IPRspr. 1998 Nr. 150. OLG Celle vom 2.3.1984, RIW 1985, 571 = IPRax 1985, 284 (Duintjer Tebbens 262) = IPRspr. 1984 Nr. 134; M. J. Schmidt RIW 1992, 173; Rauscher ZZP 104 (1991) 284 ff.
Zuständigkeitsvereinbarungen Ausnahme: Laufende Geschäftsbeziehungen zwischen den Parteien auf der 1688 Grundlage von AGB. Auch wenn bei mündlichem Vertragsschluss keine Einigung über die in den AGB enthaltene Gerichtsstandsklausel stattgefunden hat, weil auf die bereits früher verwandten Geschäftsbedingungen nicht mehr von neuem ausdrücklich Bezug genommen wurde, kommt eine formgültige Zuständigkeitsvereinbarung zustande, wenn dem Bestätigungsschreiben durch die andere Vertragspartei nicht widersprochen wurde.1149 Lesbarkeit (ohne Lupe und ohne Mühe) der AGB ist nicht generell Vorausset- 1689 zung für die wirksame Einbeziehung der AGB. Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an.1150 Missbrauchskontrolle: Art. 29 EGBGB, der eine Rechtswahl für Verbraucherver- 1690 träge verbietet, insoweit dem Verbraucher der durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts seines Aufenthaltsstaates gewährte Schutz entzogen wird, ist auch nicht analog anwendbar. Eine Missbrauchskontrolle nach §§ 138, 242, 307 II, 310 BGB ist möglich.1151 1691 Sie darf jedoch nicht zur grundsätzlichen Unzulässigkeit von Zuständigkeitsvereinbarungen zwischen Nichtkaufleuten führen. Anders ist jedoch bedauerlicherweise der Trend der (die internationalen Aspekte bisher nicht ausreichend berücksichtigenden) Rechtsprechung, auch unter dem Eindruck von Anh. Nr. 3q der Klauselrichtlinie 93/13/EWG.1152
1149 EuGH vom 14.12.1976, Rs 25/76 – Segoura/Bonakdarian Slg. 1976, 1851; hierzu Kohler IPRax 1991, 300 zu 3; OLG Zweibrücken vom 4.11.1983, IPRspr. 1983 Nr. 142; OLG Hamm vom 7.3.1984, IPRspr. 1984 Nr. 166. 1150 Rabe RIW 1984, 589; OLG Bremen vom 18.7.1985, RIW 1985, 894, 985 = IPRspr. 1985 Nr. 142; anders BGH vom 30.5.1983, RIW 1983, 872 = NJW 1983, 2772 = IPRax 1985, 27 (Trappe 8) = IPRspr. 1983 Nr. 128b; hierzu Mann NJW 1984, 2741 sowie Rabe TranspR 1985, 83. Großzügiger als BGH auch OLG Hamburg vom 18.10.1984, VersR 1985, 858 (Rabe 83; Röhrcke 1117) = IPRspr. 1984 Nr. 147; LG Hamburg vom 18.5.1984, IPRspr. 1984 Nr. 138. 1151 Nachweise z.B. Gottschalk/Breßler, Missbrauchskontrolle von Gerichtsstandsvereinbarungen im europäischen Zivilprozessrecht, ZEuP 2007, 56, 58. Siehe auch Leible/ Röder, Missbrauchskontrolle von Gerichtsstandsvereinbarungen im Europäischen Zivilprozessrecht, RIW 2007, 481. 1152 Hierzu EuGH vom 27.6.2000, verb. Rs C-240/98 bis C 244/98 – Océano Grupo Editorial SA/Rocío Murciano Quintero und Salvat Editores SA/José M. Sánchez Alcón Prades u.a. RIW 2000, 700 = IPRax 2001, 128 (Hau 96) = ZIP 2000, 1165 = DB 2000, 2056 (Staudinger); Borges RIW 2000, 933; Leible RIW 2001, 422; Pfeiffer NJW 1999, 3674, 3685; Pfeiffer in Festschrift Schütze, 1999, 671; Reich ZEuP 1998, 984, 990; BGH vom 18.4.1985, BGHZ 94, 156, 157 = NJW 1985, 2090 = RIW 1985, 649 = IPRax 1987, 305 (Nicklisch 286) = IPRspr. 1985 Nr. 137; OLG Karlsruhe vom 30.12.1981, NJW 1982, 1950 = IPRspr. 1981 Nr. 171; OLG Hamburg vom 30.12.1985, RIW 1986, 462 = IPRspr. 1985 Nr. 36. Enger auch Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 3134. – Nachweise bei Rauscher ZZP 104 (1991), 271; Friederike E. Sandrock, Die Vereinbarung eines „neutralen“ internationalen Gerichtsstandes, 1997, 92.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 1692 Im Anwendungsbereich der EuGVVO und des LugÜ scheidet eine Kontrolle nach §§ 307 II, 310 BGB aus, da insoweit nur Einheitsrecht gilt.1153 – Vgl. auch Rz. 1491a. 1693 In den Fällen des § 38 III ZPO ist eine ausdrückliche schriftliche (Rz. 1622) Zuständigkeitsvereinbarung erforderlich. Notwendig ist daher ein ausdrücklicher Hinweis auf die Gerichtsstandsklausel, Rz. 1622, 1692a. Unter Kaufleuten sind Gerichtsstandsklauseln üblich, daher führt z.B. § 307 II Nr. 1 BGB in Verbindung mit Art. 41 CMR nicht zur Unwirksamkeit von § 65b ADSp (Rz. 1684).1154 5. Unsicherheiten bei der Bestimmung der Vertragspartei 1694 Solche machen eine (internationale) Zuständigkeitsvereinbarung nicht unwirksam. Hauptbeispiel: Seefrachtvertrag (Konnossemente).1155 Das materielle Recht hält Regelungen bereit, um bei Zweifeln über die Person des Vertragspartners zu einer Bestimmung desselben zu kommen. Schon die Notwendigkeit, im Falle der Reklamation von Ladungsschäden den Anspruchsgegner ausfindig zu machen, zwingt die Ladungsbeteiligten, nach den Regeln des auf das Vertragsverhältnis anwendbaren materiellen Rechts den Verfrachter zu bestimmen. Ist dies geschehen, so steht damit zugleich fest, bei welchem Gericht der Verfrachter (ausschließlich) in Anspruch genommen werden kann.1156 6. Geschäfts- und Vertragssprache 1695 Da die Wortbedeutung in zwei oder mehreren Sprachen selten identisch ist, ein übersetztes Wort in einer anderen Sprache noch eine Nebenbedeutung haben kann und nicht selten hat, der Sinngehalt des übersetzten Wortes damit vom zu übersetzenden Wort abweichen kann, wird in Verträgen meist bestimmt, welcher Text verbindlich sein soll (Verbindlichkeitssprache).1157 1696 Mit der Verbindlichkeit eines in einer bestimmten Sprache abgefassten Textes ist aber die Frage der Willenseinigung über den Text noch nicht mitentschieden, je1153 R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 23 EuGVVO Rz. 70; OLG Saarbrücken vom 2.10.1991, NJW 1992, 987 = RIW 1992, 670 = IPRax 1992, 165 (Rauscher 143) = IPRspr. 1991 Nr. 180. – Vgl. auch Art. 5 II des schweizer. IPR-Gesetzes. Danach ist die Derogation der internationalen Zuständigkeit der Schweiz unwirksam, „wenn einer Partei ein Gerichtsstand des schweizer. Rechts missbräuchlich entzogen werden wird“. Weniger dezidiert Martiny in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Art. 31 EGBGB Rz. 30. 1154 Zu § 6 II Banken-AGB (ausschließlich Zuständigkeit für Prozesse gegen die Bank am Sitz der jeweils kontoführenden Niederlassung/Filiale) Mühlhausen WM 1986, 990; RG vom 9.6.1936, JW 1936, 3185 = IPRspr. 1935–1944 Nr. 532 (Rz. 1463). 1155 OLG Rostock vom 27.11.1996, TranspR 1997, 113 = IPRspr. 1996 Nr. 161. 1156 OLG Bremen vom 18.7.1985, RIW 1985, 894 = IPRspr. 1985 Nr. 142. Zur Widerlegung der Vermutung des § 644 S. 1 HGB BGH vom 4.2.1991, NJW 1991, 1420 = RIW 1991, 1046 = WM 1991, 1124 = MDR 1991, 610 = TranspR 1991, 243 (Karsten Schmidt 217) = Europ. TransportR 1991, 512 = IPRspr. 1991 Nr. 171. 1157 Beckmann RIW 1981, 79; Reinhart IPRax 1982, 226; Spellenberg in Festschrift Ferid, 1988, 463.
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Zuständigkeitsvereinbarungen denfalls dann nicht, wenn die Vertragssprache eine andere ist als die Verbindlichkeitssprache. Wird aufgrund Vereinbarung oder tatsächlicher Übung eine Sprache als Vertragssprache gewählt, so müssen gleichwohl die Verhandlungsergebnisse (= Inhalt des Vertrages) nicht notwendig in dieser Sprache niedergelegt werden.1158 Werden Vertragsverhandlungen ausschließlich in einer bestimmten Sprache geführt, so muss danach eine Gerichtsstandsvereinbarung zumindest auch in dieser Sprache textlich gefasst werden. Sind einer Auftragsbestätigung Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) in einer Sprache beigefügt, deren sich die Vertragsparteien bei ihren Verhandlungen nicht bedient haben, so werden diese in der Regel nicht Vertragsbestandteil, jedenfalls dann nicht, wenn eine Vertragspartei die andere Sprache nicht beherrscht,1159 sofern nicht ein unmissverständlicher Hinweis in der Verhandlungssprache auf die anderssprachigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufmerksam macht.1160 Im Anwendungsbereich des Art. 17 EuGVÜ/LugÜ I und des Art. 23 EuGVVO/ 1697 LugÜ II gilt europäisches Einheitsrecht. Der nationale Gesetzgeber ist nicht befugt, die Verwendung einer bestimmten Sprache vorzuschreiben.1161 7. Zeitschranke des § 38 III Nr. 1 ZPO Grundsatz. Nichtkaufleute können grundsätzlich erst nach Entstehen der Streitigkeit Zuständigkeitsvereinbarungen schließen. § 38 III Nr. 1 ZPO. Hierfür ge-
1158 Anderer Auffassung OLG Stuttgart vom 19.7.1962, MDR 1964, 412 = IPRspr. 1962–1963 Nr. 210; AG Wangen vom 4.1.1978, IPRspr. 1978 Nr. 134; OLG Düsseldorf vom 2.11.1973, AWD 1974, 103 = IPRspr. 1973 Nr. 136, da nur dann sichergestellt sei, dass beide Seiten sich über den Text geeinigt haben, und nur dann es zu einer Willenseinigung gekommen sei, die klar und deutlich ist. 1159 OLG Hamm vom 20.9.2005, IPRax 2007, 125 = IPRspr 2005 Nr. 117. Hierzu Spellenberg, Doppelter Gerichtsstand in fremdsprachigen AGB, IPRax 2007, 98. Siehe auch AG Wangen vom 4.1.1978, IPRspr. 1978 Nr. 134. Zur „Textverschaffungspflicht“ in der Verhandlungssprache nach § 2 AGBG OLG Frankfurt vom 28.1.1987, EWiR 1987, 631 (Thamm) = IPRspr. 1987 Nr. 15 sowie – im kaufmännischen Verkehr – OLG Stuttgart vom 16.6.1987, RIW 1989, 56 = IPRax 1988, 293 (Schwarz 278) = IPRspr. 1987 Nr. 130. – Zur Pflicht des Gerichts, sich bei der Auslegung einer fremdsprachigen Vertragsklausel sachverständig beraten zu lassen, BGH vom 16.10.1986, RIW 1987, 150 = NJW 1987, 591 = IPRspr. 1986 Nr. 3. 1160 OLG Frankfurt NJW-RR 2003, 704 = IPRspr. 2002 Nr. 161. Siehe auch OLG Hamm vom 6.12.2005, OLG-Report 2006, 327, 328. 1161 EuGH vom 24.6.1981, Rs 150/80 – Elefanten Schuh/Jacqmain Slg. 1981, 1671 = RIW 1981, 709 = IPRax 1982, 234 (Leipold 222) = Rev. crit. 1982, 143 (Gaudemet/Tallon). Vgl. auch BGH vom 31.10.1989, WM 1989, 1941 = WuB VII B 1. Art. 17 EuGVÜ Nr. 1.90 (Welter) = IPRax 1991, 326 (Kohler 299) = IPRspr. 1989 Nr. 197. Zur „Willenseinigung“ im Sinne von Art. 17 EuGVÜ/LugÜ bzw. nunmehr Art. 23 EuGVVO, wenn die Gerichtsstandsklausel in fremdsprachigen AGB enthalten ist, Kohler IPRax 1991, 300 in Auseinandersetzung mit OLG Hamm vom 10.10.1988, IPRax 1991, 324. – Siehe auch den Vorlagebeschluss des BGH vom 26.3.1992, RIW 1992, 756 = IPRax 1992, 373 (Jayme 357) = EuZW 1992, 514 (R. Geimer) = EWS 1992, 282 = MDR 1992, 996 = IPRspr. 1992 Nr. 181b.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit nügt irgendeine Unsicherheit bzw. die Äußerung unterschiedlicher Rechtsansichten.1162 Dass eine Gerichtsstandsvereinbarung deshalb nicht wirksam zugleich mit dem (Haupt-)Vertrag abgeschlossen werden kann, dessen künftige Streitigkeiten sie regeln soll, stimmt zwar meist, aber nicht immer, z.B. dann nicht, wenn die Vereinbarung zur außergerichtlichen Beilegung eines Streites geschlossen wird. Beispiel: Eine Partei erhebt gegen die andere Ansprüche. Die Streitigkeit ist damit entstanden. Es kommt zu einem Vergleich mit Gerichtsstandsvereinbarung. Auch ein Beitritt zu einer bereits wirksam mit einer Zuständigkeitsvereinbarung nach § 38 I, II oder III ZPO versehenen fremden Schuld ist möglich. Dieser erfasst – wenn nichts anderes vereinbart wurde – auch die Zuständigkeitsvereinbarung, ohne dass die Voraussetzungen des § 38 III ZPO im Hinblick auf den Beitretenden neu geprüft werden müssten. 1699 Ausnahmen. Wenn mindestens eine der Parteien bei Abschluss der Zuständigkeitsvereinbarung1163 ihren allgemeinen Gerichtsstand im Ausland hat (dabei spielt es keine Rolle, ob sie daneben noch einen Wohnsitz und/oder eine Niederlassung oder eine sonstige Anknüpfung im Sinne von §§ 20 ff. ZPO im Inland hat, Rz. 1614), gilt die Zeitschranke des § 38 III Nr. 1 ZPO nicht, § 38 II 1 ZPO. 1700 Weiter kann bereits vor Entstehen der Streitigkeit ein inländischer Gerichtsstand für den Fall vereinbart werden, dass eine Partei ihren Wohnsitz/Sitz im Inland aufgibt (und in das Ausland verlegt). 8. Stellvertretung 1701 Stellvertretung ist grundsätzlich zulässig. Auch Nicht-Rechtsanwälte können – vorbehaltlich der Beschränkungen des Rechtsberatungsgesetzes – zum Abschluss einer Zuständigkeitsvereinbarung ermächtigt werden. Die Prozessvollmacht umfasst das Recht, Zuständigkeitsvereinbarungen zu schließen.1164 1702 Die Vollmacht kann auch im Anwendungsbereich des § 38 III Nr. 1 ZPO bereits vor Entstehen der Streitigkeit wirksam erteilt werden. Vollmachten im Klauselwerk von AGB sind aber unwirksam, soweit sie offensichtlich darauf abstellen, die Zeitschranke des § 38 III Nr. 1 ZPO zu umgehen.
1162 R. Geimer NJW 1986, 1439. Enger Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 510 Fußn. 1159. 1163 Hierzu näher BGH vom 21.11.1996, BGHZ 134, 127 = NJW 1997, 397 = IPRax 1999, 367 (Dörner/Staudinger 338) = RIW 1997, 149, 151 = ZZP 110 (1997), 353 (Pfeiffer) = LM § 38 Nr. 32 (R. Geimer) = WiB 1997, 494 (Ralle) = ZIP 1996, 2184 = IPRspr. 1996 Nr. 160. 1164 Vgl. auch Reiser, Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem IPR-Gesetz, 1989, 80.
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Zuständigkeitsvereinbarungen 9. Darlegungs- und Beweislast für das Zustandekommen einer Zuständigkeitsvereinbarung Die Darlegungs- und Beweislast für das Zustandekommen einer Zuständigkeitsvereinbarung trifft diejenige Partei, die sich auf die Wirksamkeit der Zuständigkeitsvereinbarung beruft.1165
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10. Beweismittel Die Formvorschriften (Rz. 1619) bedeuten keine Beschränkung der Beweismittel: bei Verlust der Urkunde kann mit allen zulässigen Beweismitteln der Abschluss einer formgerechten Vereinbarung bewiesen werden.1166
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11. Klage auf Feststellung der Wirksamkeit bzw. der Wirkungen einer Zuständigkeitsvereinbarung Für die Zulässigkeit einer solchen Klage ist der Gedanke maßgebend, dass nicht 1705 nur bei Dauerrechtsverhältnissen die Parteien nicht im Unklaren darüber gelassen werden dürfen, wo sie gerichtspflichtig sind, Rz. 1870.1167 12. Teilunwirksamkeit einer Zuständigkeitsvereinbarung Ist die Zuständigkeitsvereinbarung im Hinblick auf einen an der Vereinbarung Beteiligten (z.B. gegenüber dem Bürgen) unwirksam, so berührt dies im Zweifel nicht die Wirksamkeit gegenüber den übrigen Beteiligten.1168
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XVII. Wirkungen einer Zuständigkeitsvereinbarung 1. Kompetenzverschiebung Durch eine wirksame Zuständigkeitsvereinbarung wird die gesetzliche Zuständigkeitsordnung modifiziert: – Die Bundesrepublik Deutschland wird international zuständig, obwohl sie „an sich“ nach Maßgabe der §§ 12 ff. ZPO nicht international zuständig wäre (Fall der Prorogation). – Die Bundesrepublik Deutschland wird international unzuständig, obwohl sie „an sich“ nach §§ 12 ff. ZPO international zuständig wäre (Fall der Derogation).
1165 R. Geimer IPRax 1986, 87; OLG Saarbrücken vom 13.10.1999, NJW 2000, 670 = IPRspr. 1999 Nr. 129. 1166 R. Geimer IPRax 1986, 87; zustimmend Simotta in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 104 JN Rz. 244. 1167 R. Geimer WM 1986, 122. Allgemein zur Zulässigkeit von Feststellungsklagen über kompetenzrechtlich relevante Rechtsfragen Mansel ZZP 109 (1996), 61, 65. 1168 OLG München vom 26.5.2003, OLG-Report 2005, 19.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 1708 In vielen Fällen hat die Zuständigkeitsvereinbarung keine praktische Bedeutung für den Richter im Erkenntnisverfahren, da das forum prorogatum bereits kraft Gesetzes zuständig ist. Vgl. Rz. 947, 1633, 1668. 1709–1712 2. Prüfungspflicht des Gerichts? 1713 Derogation: Eine Prüfung von Amts wegen scheidet jedenfalls dann aus, wenn der Beklagte am Verfahren teilnimmt. Aber auch wenn dies nicht der Fall ist, ist der Richter im Erkenntnisverfahren nicht verpflichtet, von Amts wegen zu prüfen, ob die an sich nach Art 2 ff. EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ bzw. §§ 12 ff. ZPO zu bejahende internationale Zuständigkeit Deutschlands etwa derogiert ist. Er hat ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten nur dann abzulehnen, wenn sich aus dem Vortrag des Klägers ergibt, dass eine wirksame Derogationsvereinbarung zustande gekommen ist. 1714 Im Übrigen hat der Beklagte die prozessuale Last, sich in den Prozess einzuschalten und die internationale Zuständigkeit Deutschlands zu rügen, Rz. 1425, 1809, 1820.1169 1715 Hängt dagegen die internationale Zuständigkeit Deutschlands von einer Prorogation ab, da ein „gesetzlicher“ Zuständigkeitsanknüpfungspunkt in concreto fehlt, so darf der Richter ein Versäumnisurteil gegen den Beklagten nur dann erlassen, wenn die Zuständigkeitsprüfung positiv verlaufen ist. 3. Pflichten der Parteien 1716 Eine wirksame Zuständigkeitsvereinbarung erzeugt (prozessuale) Pflichten1170 für die Parteien nach Maßgabe dessen, was Gegenstand der Einigung der Parteien war. Haben die Parteien einen ausschließlichen Gerichtsstand vereinbart, so darf keine Partei am forum derogatum klagen, sofern nicht vernünftige Zweifel an der Wirksamkeit dieser Vereinbarung bestehen. Die wirksame Zuständigkeitsvereinbarung erschöpft sich also nicht in prozessualen Befugnissen bzw. Lasten. Sie begründet – auch als Prozessvertrag1171 – echte Pflichten. Im Falle der ausschließlichen Prorogation sind die Parteien verpflichtet, nicht in den derogierten Staaten zu klagen.1172 Sie dürfen vielmehr ihren Streit nur vor die Gerichte des als ausschließlich international zuständig prorogierten Mitgliedstaates brin-
1169 Hierzu auch Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA, Diss. Dresden 2001, 83. 1170 Hierzu näher Köster a.a.O. 2001, 81 ff. 1171 Nachweise zur Rechtsnatur z.B. bei Killias, Die Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem Lugano-Übereinkommen, 1993, 10; Reithmann/Martiny/Hausmann, Internationales Vertragsrecht, 5. Aufl., 1996, Rz. 2090. 1172 Zum „Verpflichtungscharakter“ der Gerichtsstandsvereinbarung Jegher, Abwehrmassnahmen gegen ausländische Prozesse, Diss. Basel 2003, 130 ff. Zu Schadensersatzansprüchen aus Verletzung der Zuständigkeitsvereinbarung bei Klage am forum derogatum Schlosser in Festschrift Lindacher, 2007, 111.
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Zuständigkeitsvereinbarungen gen.1173 Jede Partei hat also einen Anspruch auf „Realerfüllung“ der Zuständigkeitsvereinbarung.1174 Diese Verpflichtung ist aber nur bedingt gerichtlich durchsetzbar. Klagt eine Par- 1717 tei vertragswidrig am forum derogatum, so bleibt dem Beklagten nur die Möglichkeit, den Derogationseinwand im Gerichtsstaat zu erheben. Eine Klage auf Unterlassung der Klageerhebung bzw. auf Rücknahme der Klage am forum derogatum ist unzulässig, Rz. 1116.1175 Verstößt eine Partei gegen diese Verpflichtungen, so steht der anderen ein Anspruch auf Schadensersatz wegen der Kosten und sonstigen Aufwendungen zu.1176 Denkbar ist jedoch, dass die abredewidrig handelnde Partei sich schadensersatzpflichtig macht, wenn sie ohne einigermaßen nachvollziehbaren Grund die Zuständigkeitsvereinbarung konterkariert, Rz. 1122.1177
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XVIII. Objektive Grenzen des Umfangs einer Zuständigkeitsvereinbarung 1. Maßgebend ist der Wille der Parteien Eine Zuständigkeitsvereinbarung betrifft – wenn nicht ausdrücklich etwas ande- 1719 res vereinbart ist – nicht nur die örtliche, sondern auch die internationale Zuständigkeit, Rz. 947, 1633, 1668. Im Zweifel werden auch (mit den vertraglichen konkurrierende) deliktische Ansprüche mitumfasst,1178 Rz 1771. Die Zuständigkeitsvereinbarung erfasst das gesamte Vertragsverhältnis einschließlich Nachträ-
1173 1174 1175 1176
Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung, Bd. I/1, 1983, 943. Vgl. Berti in Festschrift Siehr, 2000, 33, 41. R. Geimer WM 1986, 122. Nachweise bei G. Wagner, Prozessverträge, 1998, 254 ff.; Rauscher/Mankowski Vorbem. Art. 2 Rz. 20h; Schlosser RIW 2006, 486, 487. 1177 Hierzu näher Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA, Diss. Dresden 2001, 73 ff. Zum „Verpflichtungscharakter der Gerichtsstandsvereinbarung“ siehe auch Jegher, Abwehrmaßnahmen gegen ausländische Prozesse, Diss. Basel 2003, 130. Zu Schadensersatzansprüchen aus Verletzung der Zuständigkeitsvereinbarung bei Klage am forum derogatum Pfeiffer, Die Absicherung von Gerichtsstandsvereinbarungen durch Vereinbarung eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs, in Festschrift Lindacher, 2007, 77; Schlosser, Materiell-rechtliche Wirkungen von (nationalen und internationalen) Gerichtsstandsvereinbarungen, in Festschrift Lindacher, 2007, 111; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, RIW 2007, 801, 805. 1178 v. Falkenhausen RIW 1983, 420; R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 23 EuGVVO Rz. 206; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 177; Schack IPRax 1990, 20 Fußn. 20; BGH vom 24.11.1964, NJW 1965, 300; OLG München vom 8.3.1989, RIW 1989, 901 = ZZP 1990, 84 (Hubert Schmidt) = IPRspr. 1989 Nr. 186; OLG Stuttgart vom 9.11.1990, RIW 1991, 333, 334 = IPRax 1992, 86 (Roth 68); OLG Hamburg vom 25.5.1978, RIW 1979, 495; OLG Stuttgart vom 8.11.2007, MDR 2008, 709; enger OLG Hamburg vom 12.2.1981, RIW 1982, 669 = VersR 1982, 341 = IPRspr. 1981 Nr. 156 sowie Vischer in Festschrift Jayme, 2004, 993.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit gen, Ergänzungen und Vergleich1179 (soweit letztere in rechtlichem Zusammenhang mit dem ursprünglichen Vertrag stehen)1180 sowie Streitigkeiten über das wirksame Zustandekommen und das Bestehen des Hauptvertrages.1181 § 139 BGB ist insoweit nicht anwendbar.1182 In den „Anwendungsbereich“ einer Zuständigkeitsvereinbarung fallen grundsätzlich auch Wechsel- und Scheckansprüche (Rz. 1767) sowie der einstweilige Rechtsschutz (Rz. 1767). 2. Konnossemente 1720 Die Konnossement-Klausel „Any dispute arising under this Bill of Lading shall be decided in the country where the Carrier has his principal place of business“1183 umfasst auch Ansprüche aus unerlaubter Handlung. Streitigkeiten unter dem Konnossement entstehen meist aus Ladungsschäden. Ladungsschäden aber führen in der Regel sowohl zu Ansprüchen aus dem Frachtvertrag als auch zu Ansprüchen aus unerlaubter Handlung (Eigentumsverletzung). All diese Streitigkeiten sollen allein durch das prorogierte Gericht entschieden werden. Die Parteien wollen nicht über denselben Lebenssachverhalt teils vor inländischen, teils vor ausländischen Gerichten prozessieren, je nachdem, ob der Anspruchsteller denselben Anspruch mit Vorschriften des Vertragsrechts oder des Rechts der unerlaubten Handlung begründet.1184 Auch Deliktsansprüche sind im Übrigen Ansprüche „unter dem Konnossement“. Solche Ansprüche kann der Empfänger aber nur stellen, wenn ihm gemäß § 650 HGB durch Übergabe des Konnossements das Eigentum an dem Ladungsgut übertragen worden ist. 1721 Ob nach englischer Rechtsauffassung derartige Gerichtswahlklauseln nur die vertraglichen Ansprüche betreffen, ist unerheblich, Rz. 1675. Über die Zuständigkeit ist nach deutschem Recht zu entscheiden; dass die Klausel in englischer Sprache abgefasst ist, ist keine Verweisung auf englisches Recht. Englisch ist nämlich die in der internationalen Schifffahrt übliche Sprache, auch in Fällen, die mit englischem Recht nichts zu tun haben.1185 1722 Bestritten ist, ob eine Zuständigkeitsvereinbarung auch Ansprüche wegen vorsätzlich falscher Konnossementsausstellung mitumfasst.1186
1179 BGH vom 3.11.1983, MDR 1984, 649 = LM Nr. 23 zu § 38 ZPO = IPRspr. 1983 Nr. 196. 1180 OLG Koblenz vom 9.1.1987, NJW-RR 1988, 1334 = RIW 1987, 144, 147 = IPRax 1987, 308 (Schwarz 291) = IPRspr. 1987 Nr. 122. 1181 Jayme/Kohler IPRax 1992, 353; Staudinger/Hausmann, Neubearbeitung 2002, Anh. II zu Art. 27–37 EGBGB Rz. 187. 1182 OLG München vom 13.2.1985, Riv. dir. int. proc. 1986, 931 = IPRspr. 1985 Nr. 133A (Rz. 1115). 1183 Hierzu Mankowski in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 1519 ff.; Rabe, Seehandelsrecht4, 2000, vor § 556 Rz. 133 ff. 1184 BGH vom 24.11.1964, NJW 1965, 300; OLG Hamburg vom 25.5.1978, VersR 1978, 1115 = RIW 1979, 495 = IPRspr. 1978 Nr. 141. 1185 OLG Hamburg vom 29.5.1978, VersR 1978, 1115 = RIW 1979, 495 = IPRspr. 1978 Nr. 141. 1186 Dafür OLG Bremen vom 18.7.1985, RIW 1985, 894, 895 = IPRspr. 1985 Nr. 142.
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Zuständigkeitsvereinbarungen Steht die Gerichtsstandsklausel unter der Überschrift „US-Trade, Period of Responsibility“, so liegt für Streitigkeiten über Vorgänge außerhalb des US-Verkehrs keine Zuständigkeitsvereinbarung vor.1187
XIX. Subjektive Grenzen der Wirkungen einer Zuständigkeitsvereinbarung 1. Grundsatz: Wirkung nur inter partes Die Zuständigkeitsvereinbarung wirkt grundsätzlich nur zwischen den Partei- 1723 en1188 und ihren Rechtsnachfolgern (Einzel- und Gesamtrechtsnachfolgern),1189 gegenüber letzteren aber ausnahmsweise nicht, wenn die Vereinbarung ausdrücklich auf die ursprünglichen Parteien beschränkt wurde, also die Rechtsnachfolger ausklammert. Die Zuständigkeitsvereinbarung wirkt gegenüber den Erben, bei der Abtretung einer Forderung gegenüber dem neuen Gläubiger, bei einer Pfändung gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger (vgl. auch Rz. 3276), ferner für und gegen den zur Prozessführung ermächtigten Gesellschafter der oHG, für die eine Prorogation abgeschlossen wurde, ebenso für und gegen den Gesellschafter einer oHG/KG, der persönlich für die Schulden der Gesellschaft haftbar gemacht wird,1190 sowie für und gegen den Vertragsübernehmer.1191 Dagegen ist der Bürge kein Rechtsnachfolger des Hauptschuldners, der Schuld- 1724 übernehmer nicht der des Erstschuldners.1192 Die für eine Wechselforderung getroffene Zuständigkeitsvereinbarung bindet den gutgläubigen Erwerber nur, wenn sie aus dem Wechsel selbst hervorgeht. Die Vereinbarung eines späteren Gemeinschuldners vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bindet den Insolvenzverwalter. Dabei kommt es nicht darauf an, wie man seine Stellung einordnet (gesetzlicher Zwangsverwalter oder Partei kraft Amtes).
1187 OLG Bremen vom 5.12.1985, TranspR 1986, 153 = IPRspr. 1985 Nr. 46. – Zu Gerichtsstandsklauseln in Konnossementen siehe auch OLG Hamburg vom 2.2.1989, TranspR 1989, 279 = IPRspr. 1989 Nr. 65; OLG Hamburg vom 23.3.1989, VersR 1990, 680 = TranspR 1990, 680 = IPRspr. 1989 Nr. 66; OLG Rostock vom 27.11.1996, RIW 1997, 1043 = TranspR 1997, 113 = IPRspr. 1996 Nr. 161. 1188 Zulässig sind auch multipolare Vereinbarungen, also solche zwischen mehr als zwei (sich kontradiktorisch gegenüberstehenden) Parteigruppen bzw. der Beitritt eines Dritten zu einer bereits wirksam abgeschlossenen Zuständigkeitsvereinbarung, OLG Köln vom 13.3.1998, NJW-RR 1998, 1350 = IPRspr. 1998 Nr. 141. 1189 OLG Bremen vom 18.7.1985, RIW 1985, 894, 985 = IPRspr. 1985 Nr. 142; R. Geimer NJW 1985, 534; R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 23 EuGVVO Rz. 201; Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 470, Fußn. 1078; Simotta in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 104 JN Rz. 304. Siehe auch Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 1029 Rz. 63 ff. 1190 OLG Bamberg vom 22.9.1988, RIW 1989, 221, 222. 1191 OLG Koblenz vom 8.2.1996, NJW-RR 1997, 638 = RIW 1997, 328 = IPRspr. 1996 Nr. 139. 1192 OLG Frankfurt vom 6.11.1979, MDR 1980, 318 = RIW 1980, 60 = IPRspr. 1979 Nr. 71; Pfeiffer, Handbuch der Handelsgeschäfte, 1999, § 22 Rz. 14.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 1725 Wenn ein Ehegatte im Rahmen des § 1357 BGB ein Geschäft abschließt, so wirkt die hierfür getroffene Zuständigkeitsvereinbarung auch gegen den anderen Ehegatten.1193 1726 Bei mehreren Beklagten ist die internationale Zuständigkeit in Richtung gegen jeden von ihnen getrennt zu prüfen. Die Zuständigkeitsvereinbarung mit dem Beklagten A eröffnet nicht die internationale Zuständigkeit gegen den Beklagten B. 1727 Die Gerichtswahlklausel im Konnossement gilt im Zweifel auch im Verhältnis zwischen Verfrachter und Empfänger, §§ 656 I HGB. Streitigkeiten aus dem Konnossement entstehen regelmäßig zwischen Verfrachter und Empfänger. Gerade für solche Streitigkeiten ist die Zuständigkeitsvereinbarung sinnvoll.1194 Das Gleiche gilt für den Prozessstandschafter.1195 1728 Das Konnossement ändert oder modifiziert nicht die rechtlichen Beziehungen zwischen dem Befrachter und dem Verfrachter, §§ 656 IV HGB. Das Konnossement verbrieft die Verpflichtung des Verfrachters, die zur Beförderung übernommenen Güter an den durch die Urkunde legitimierten Empfänger auszuliefern, §§ 648 I, 653 HGB. Den daraus resultierenden Auslieferungsanspruch des letzteren, der in Inhalt und Wirksamkeit von dem Frachtvertrag unabhängig ist, kann dieser aber nur dann mit Erfolg geltend machen, wenn er weiß, welche Person der aus der Urkunde verpflichtete Verfrachter ist. Deshalb sieht § 643 Nr. 1 HGB vor, dass der Name des Verfrachters im Konnossement anzugeben ist. Fehlt er, so gilt nach § 644 S. 1 HGB der Reeder, dessen Vertreter ein solches Konnossement ausgestellt hat, als Verfrachter. Diese Vorschrift ist eine Schutzbestimmung für den legitimierten Ladungsempfänger. Sie gilt aber nicht im Rahmen des Frachtvertrages. Deshalb sind für Streitigkeiten aus dem Frachtvertrag die Gerichte der Bundesrepublik Deutschland international zuständig, wenn im Konnossement das Gericht am Sitz des deutschen – nicht namentlich genannten – Verfrachters als zuständig vereinbart wurde.1196 1729 Nur ausnahmsweise gibt es aber auch Konnossementsklauseln, die nur zwischen Verfrachter und Befrachter, nicht aber zwischen Verfrachter und Empfänger sinnvoll sind.1197
1193 Anderer Auffassung Zöller/Vollkommer, ZPO27, 2009, § 38 Rz. 7. 1194 OLG Hamburg vom 25.5.1978, VersR 1978, 1115 = RIW 1979, 495 = IPRspr. 1978 Nr. 141; OLG Hamburg vom 12.2.1981, RIW 1982, 669 = VersR 1982, 341 = IPRspr. 1981 Nr. 156. Vgl. auch EuGH vom 19.6.1984, Rs 71/83 – Russ/Nova Slg. 1984, 2471 = RIW 1984, 909 (Schlosser) = IPRax 1985, 152 (Basedow) sowie EuGH vom 27.10.1998, Rs C-51/97 – Réunion européenne SA u.a./Spliethoff’s Bevrachtingskontoor BV u.a. Slg. 1998, I6511 = IPRax 2000, 186 (Koch). 1195 OLG Rostock vom 27.11.1996, TranspR 1997, 113 = IPRspr. 1996 Nr. 161. 1196 BGH 23.11.1978 BGHZ 73, 4 = NJW 1979, 1102 (Karsten Schmidt) = RIW 1979, 340 = IPRspr. 1978 Nr. 148. 1197 OLG Hamburg vom 25.5.1978, VersR 1978, 1115 = RIW 1979, 495 = IPRspr. 1978 Nr. 141.
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Zuständigkeitsvereinbarungen 2. Ausnahme: Zuständigkeitsvereinbarungen zugunsten Dritter Das inter partes-Prinzip gilt dann nicht, wenn der (an der Zuständigkeitsverein- 1730 barung nicht beteiligte) Dritte begünstigt wird, d.h. seine Klagemöglichkeiten erweitert werden. In Betracht kommt also nur die Schaffung (an sich nicht gegebener) neuer Gerichtsstände durch Prorogation, nicht aber die Einschränkung der vorhandenen zu Lasten der Klagemöglichkeiten des Dritten, Rz. 1665.1198 Der Beklagte muss aber an der Zuständigkeitsvereinbarung beteiligt gewesen sein. Denn seine Gerichtspflichtigkeit kann nicht ohne seine Mitwirkung bei der Zuständigkeitsvereinbarung erweitert werden. Dem hier vertretenen Standpunkt neigt auch der EuGH zu.1199 Zu Recht weist der EuGH auf Art. 12 Nr. 2 EuGVÜ (nunmehr: Art. 13 Nr. 2 EuGVVO) hin. Der dort genannte Begünstigte ist nicht Vertragspartei. 3. Keine Zuständigkeitsvereinbarung zu Lasten Dritter Es geht nicht an, die Gerichtspflichtigkeit des Beklagten ohne dessen Beteiligung an der Zuständigkeitsvereinbarung zu erweitern. Solche Vereinbarungen sind im Hinblick auf den (unbeteiligten) Dritten unwirksam, Rz. 1663.1200 Der Empfänger der Güter muss sich die Zuständigkeitsvereinbarung im Konnossement entgegenhalten lassen; denn er ist nicht Dritter, sondern Rechtsnachfolger (§ 656 I HGB).1201
1731
4. Wirksamkeit der Zuständigkeitsvereinbarung gegenüber dem falsus procurator Kommt der vom Vertreter geschlossene Vertrag mit dem Vertretenen nicht zu- 1731a stande, weil die (behauptete) Vollmacht fehlt oder unwirksam ist, so kann der Vertragspartner den falsus procurator im forum prorogatum des (gescheiterten) Vertrages belangen. Es wäre arglistig, wollte sich der als Vertreter Handelnde darauf berufen, die Zuständigkeitsvereinbarung sei nicht mit ihm geschlossen.1202
1198 R. Geimer NJW 1985, 533; zustimmend Simotta in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 104 JN Rz. 305. 1199 EuGH vom 19.6.1984, Rs 71/83 – Russ/Nova Slg. 1984, 2471 = RIW 1984, 909 (Schlosser) = IPRax 1985, 152 (Basedow 133). Weiter gehend Mankowski IPRax 1996, 427 sowie Gebauer IPRax 2001, 471, 472. 1200 R. Geimer NJW 1985, 533. 1201 EuGH vom 19.6.1984, Rs 71/83 – Russ/Nova Slg. 1984, 2417 = RIW 1984, 909 (Schlosser) = IPRax 1985, 152 (Basedow 133). Zur Drittwirkung von Gerichtsstandsvereinbarungen bei Vertragsketten Gebauer IPRax 2001, 471. 1202 Rauscher IPRax 1992, 146; Rauscher/Mankowski, Europäisches Zivilprozessrecht, 2. Aufl., 2006, Art 23 Brüssel I-VO Rz. 43e. Anders wohl LG Karlsruhe vom 6.4.2001, RIW 2002, 153. Offen gelassen von OLG Koblenz vom 24.6.2004, IHR 2005, 169, 171 = IPRax 2006, 469 (Weller 444) = NJOZ 2004, 3346 = IPRspr. 2004 Nr. 116.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 5. Beitritt zu einer Zuständigkeitsvereinbarung? 1731b
Darüber hinaus will Rauscher1203 die Gerichtsstandsvereinbarung erstrecken „auf Dritte, die der Vereinbarung nachweisbar zugestimmt haben und die aufgrund der Gerichtsstandsvereinbarung wegen eines Anspruchs herangezogen werden sollen, der vertraglicher Natur ist“. Er will die einmal formgerecht gefasste Gerichtsstandsvereinbarung – ohne dass die Form im Verhältnis zu dem Dritten gewahrt wäre – dem Dritten „aufgrund seines Willens und in einer in Betracht kommenden vertraglichen Mitverpflichtung“ zurechnen.
XX. Aufhebung oder Änderung der Zuständigkeitsvereinbarung 1732 Die Parteien können die Zuständigkeitsvereinbarung jederzeit aufheben oder ändern. Dies gilt auch dann, wenn die Parteien die ausschließliche internationale Zuständigkeit Deutschlands vereinbart hatten. Die Bundesrepublik Deutschland hat kein „Mitspracherecht“, wenn es um die Aufhebung ihrer durch Prorogation geschaffenen internationalen Zuständigkeit geht, Rz. 855. 1733 Die Aufhebung der Zuständigkeitsvereinbarung hat – wenn der Prozess bereits beim forum prorogatum rechtshängig ist – für die deutsche internationale Zuständigkeit keine Bedeutung, wenn (auch) der Tatbestand des § 39 ZPO verwirklicht ist.1204 Im Übrigen dürfte perpetuatio fori (§ 261 I Nr. 1 ZPO) eingetreten sein.1205 1734 Klagt eine Partei am forum derogatum und lässt sich die andere vorhaltlos ein (§ 39 ZPO), dann liegt darin eine (konkludente) Aufhebung der ausschließlichen Prorogation (des anderen Staates),1206 Rz. 1418. Die Aufhebung einer Zuständigkeitsvereinbarung zugunsten eines Dritten ist im Zweifel ohne Dritten möglich.1207
1203 Rauscher IPRax 1992, 146. 1204 Misst man der Aufhebung nur ex nunc-Wirkung bei, erscheint die Anwendbarkeit des § 39 ZPO zweifelhaft, weil diese Vorschrift (internationale) Unzuständigkeit voraussetzt. Bei ex tunc-Wirkung lag zwar bei ex post-Betrachtung Unzuständigkeit vor, bei ex ante-Betrachtung bestand aber für Beklagten kein Anlass zur Rüge der internationalen Unzuständigkeit. 1205 Daher ist es sinnvoll, in der Aufhebungsvereinbarung die konkreten Folgen zu regeln. Nahe liegt es, den Kläger zur Zurücknahme seiner Klage zu verpflichten. 1206 EuGH vom 24.6.1981, Rs 150/80 – Elefanten Schuh/Jacqmain Slg. 1981, 1671 = RIW 1981, 709 = IPRax 1982, 234 (Leipold 222) = Rev. crit. 1982, 143 (Gaudemet-Tallon); OLG Stuttgart vom 15.2.1989, IPRax 1989, 247 = IPRspr. 1989 Nr. 183; OLG Koblenz vom 3.3.1989, RIW 1989, 310 = IPRspr. 1989 Nr. 185; OLG Koblenz vom 28.3.1991, RIW 1991, 592 = IPRspr. 1991 Nr. 172. Dies übersieht BGH vom 8.7.1981, NJW 1981, 2644 = WM 1981, 938 = RIW 1981, 703 = ZZP 96 (1983), 364 (kritisch Pfaff) = IPRspr. 1981 Nr. 165. 1207 R. Geimer NJW 1985, 534.
608
Zuständigkeitsvereinbarungen
XXI. Unterschiedliche Rechtsquellen Das Zusammenspiel von europäischem Gemeinschaftsrecht bzw. staatsvertragli- 1735 chen Regelungen mit dem genuin autonomen deutschen Recht bewirkt mitunter, dass für ein und dieselbe Zuständigkeitsvereinbarung unterschiedliche Rechtsquellen maßgeblich sind. So kann z.B. Art. 23 EuGVVO/LugÜ für die internationale und § 38 ZPO für die örtliche Zuständigkeit bedeutsam sein, Rz. 1646.
XXII. Ausschließlichkeit des forum prorogatum? Ob eine internationale Prorogation die ausschließliche oder nur die konkurrierende internationale Zuständigkeit des prorogierten Staates begründet, entscheidet der Wille der Parteien. Dieser ist durch Auslegung zu ermitteln.1208
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Eine Vermutung zugunsten der Ausschließlichkeit besteht – anders als im Anwendungsbereich des Art. 23 EuGVVO/LugÜ – nicht.1209 Für Ausschließlichkeit spricht aber, wenn ohne Ausschluss des Wahlrechts des Klägers (§ 35 ZPO, Rz. 1105) die Zuständigkeitsvereinbarung keinen erkennbaren Sinn hätte.1210
1737
1208 R. Geimer EWiR 1985, 167; Kohler IPRax 1986, 343; Pfeiffer, Handbuch der Handelsgeschäfte, 1999, § 22 Rz. 40; RG vom 19.1.1935, SeuffArch 89 Nr. 117 = Giur.comp.d.i.p. 6 (1940) 238 Nr. 203 (Eckstein) = IPRspr. 1935–1944 Nr. 530 (Rz. 1676); OLG Hamburg vom 4.2.1982, RIW 1983, 124, 125 = IPRspr. 1982 Nr. 133; BGH vom 20.12.1972, NJW 1973, 951 (R. Geimer) = IPRspr. 1972 Nr. 144. Dort wurde die Klausel „Zuständiger Gerichtshof für alle Streitfälle ist Mailand oder ein anderer Rechtssitz in Italien“ als Vereinbarung der ausschließlichen internationalen Zuständigkeit Italiens ausgelegt. Dies gelte zumindest für Ansprüche gegen die Vertragspartei, deren Heimatgerichte zuständig sein sollen. Die Klausel „Gerichtsort Türkei“ auf einem in türkischer Währung ausgestellten Schuldschein legt das LG München I vom 2.2.1978, IPRspr. 1978 Nr. 136 als Vereinbarung der ausschließlichen internationalen Zuständigkeit der Türkei aus, obwohl beide Parteien in Deutschland wohnen. BGH vom 12.3.1984, NJW 1984, 2037 = RIW 1985, 78 = IPRax 1985, 216 (Roth 198) = IPRspr. 1984 Nr. 135 lässt offen, ob die Wendung „. . . wir beugen uns der Rechtsprechung der englischen Gerichte“ als ausschließliche Prorogation zu verstehen ist. OLG München vom 11.5.1989, RIW 1989, 643 = IPRspr. 1989 Nr. 191 spricht sich im Zweifel nur für „Wahlgerichtsstand“ aus. Weitere Nachweise bei Staudinger/Hausmann, Neubearbeitung 2002, Anhang II zu Art. 27–37 EGBGB Rz. 220. Vgl. auch aus österreichischer Sicht Simotta in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 104 JN Rz. 311. 1209 OLG Hamburg vom 4.2.1982, RIW 1983, 125 = IPRspr. 1982 Nr. 133; OLG München vom 31.3.1987, NJW 1987, 2166 = RIW 1988, 479 = IPRspr. 1987 Nr. 126; OLG Frankfurt vom 17.10.1996, IPRax 1998, 35 (Pfeiffer 17) = IPRspr. 1996 Nr. 137. Anders Art. 17 I EuGVÜ/LugÜ sowie Art. 23 EuGVVO, R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 23 EuGVVO Rz. 166; OLG Hamm vom 22.2.1999, RIW 2000, 382 = IPRspr. 1999 Nr. 106; engl. High Court of Justice vom 26.7.1991 – Kurz v. Stella GmbH RIW 1992, 139 (Ebert-Weidenfeller) sowie Art. 5 I 2 des schweizer. IPR-Gesetzes. 1210 BGH vom 3.11.1983, LM § 38 ZPO Nr. 23 = IPRspr. 1983 Nr. 196. Zurückhaltender dagegen BGH vom 23.7.1998, IPRax 1999, 246 (Schulte 229) = LM Nr. 1 zu LuganoÜbk. = IPRspr. 1998 Nr. 137. Vgl. auch Pfeiffer, Handbuch der Handelsgeschäfte,
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 1738 Denkbar ist auch eine einseitige Ausschließlichkeit. Eine Partei darf nur an einem Forum klagen, die andere behält ihre Wahlfreiheit nach § 35 ZPO (Rz. 1105).1211
XXIII. Prorogation: Begründung der internationalen Zuständigkeit Deutschlands durch Zuständigkeitsvereinbarung 1. Anspruch auf Justizgewährung 1739 Eine wirksame Zuständigkeitsvereinbarung begründet einen Anspruch auf Justizgewährung im Inland. Die deutschen Gerichte haben keinen Ermessensspielraum. Eine forum non conveniens-Prüfung findet – anders als z.B. nach genuin englischem Recht außerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO bzw. des LugÜ1212 bzw. nach US-Recht1213 – nicht statt, Rz. 1084.1214 Zu Unrecht weist das LG Hamburg1215 eine Zuständigkeitsvereinbarung zurück mit der Begründung, „mangels ausreichender Inlandsbeziehung sei das gewählte Gericht in eine ungleich schlechtere Lage versetzt, den Tatbestand zu klären und ein gerechtes Urteil zu sprechen als das reguläre Gericht am Wohnsitz des Beklagten“. Woher weiß das LG Hamburg, dass das Wohnsitzgericht eine gerechtere Entscheidung fällen kann? Vgl. Rz. 1084.1216 2. Erweiterung der Gerichtspflichtigkeit des Beklagten 1740 Ist Deutschland nach §§ 12 ff. ZPO international unzuständig, so führt eine wirksame Prorogation zu einer Erweiterung der Gerichtspflichtigkeit des Beklagten. 3. Maßgeblichkeit deutschen Rechts für die Begründung der internationalen Zuständigkeit Deutschlands durch Parteivereinbarung 1741 Den Zugang zu den deutschen Gerichten regelt allein das deutsche Verfahrensrecht. Deshalb kommt es auch auf den Standpunkt des (nach den Regeln des deut-
1211 1212 1213 1214 1215 1216
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1999, § 22 Rz. 43. Weitere Nachweise zur Ausschließlichkeit internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen bei Weyland in Gedächtnisschrift Arens, 1993, 417. Beispiel: OLG Bamberg vom 22.9.1988, RIW 1989, 221 = IPRax 1990, 105 (Printing 83) = IPRspr. 1988 Nr. 163. Nachweise bei Schack IPRax 1991, 273. Nachweise bei Sandrock in Festschrift Stiefel, 1987, 629. Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 3158. LG Hamburg vom 6.8.1975, WM 1976, 985 = RIW 1976, 228 = IPRspr. 1975 Nr. 141. Gegen forum non conveniens-Erwägungen überzeugend LG München I vom 25.11.1982, IPRax 1984, 318 (Jayme 303) = IPRspr. 1983 Nr. 129a und OLG München vom 22.6.1983, IPRax 1984, 319 (Jayme 303) = IPRspr. 1983 Nr. 129b sowie Rabe, Seehandelsrecht4, 2000, vor § 556 Rz. 161 f. Vgl. auch OLG Hamburg vom 21.7.1983, VersR 1983, 1149 = IPRspr. 1983 Nr. 138, welches das Argument, englische Gerichte könnten am besten englische Klauseln auslegen, nicht akzeptiert. – Für die Schweiz (Art. 5 III IPR-Gesetz), s. Reiser, Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem IPR-Gesetz, 1989, 134.
Zuständigkeitsvereinbarungen schen internationalen Privatrechts bestimmten) in der Sache anzuwendenden ausländischen Rechts nicht an, Rz. 1675. Ausschließlich das deutsche Prozessrecht bestimmt, wann deutsche Gerichte eine internationale Prorogation anzunehmen haben.1217 Deshalb ist es für das deutsche Gericht irrelevant, dass das ausländische Recht den Abschluss eines Derogations- bzw. Prorogationsvertrages von der Wahrung der Schriftform abhängig macht.1218 Auch Art. 11 EGBGB kommt nicht zur Anwendung, Rz. 1624. Zur Form nach deutschem Recht Rz. 1619. Ausländisches Recht kommt nur dann zum Zuge, wenn das deutsche Prozess- 1742 kollisionsrecht darauf verweist (praktisch nur aktuell für die Frage des Zustandekommens der Willenseinigung der Parteien), nicht jedoch, wenn das für die Sachfrage maßgebliche deutsche internationale Privatrecht ausländisches Recht für anwendbar erklärt.1219 Die nach deutschem Recht zulässige Prorogation der internationalen Zuständig- 1743 keit Deutschlands ist auch dann anzunehmen, wenn sie nach dem Recht des/der derogierten Staates(n) unzulässig ist, sogar dann, wenn der Heimat- oder Wohnsitzstaat einer Partei eine solche Vereinbarung unter Strafandrohung verbietet. Das allgemeine Völkergewohnheitsrecht gebietet nichts Gegenteiliges, Rz. 176, 1014.1220 Auch kommt es nicht darauf an, ob sich der ausländische Staat, dessen inter- 1744 nationale Zuständigkeit derogiert wurde, für ausschließlich international zuständig erachtet.1221 Nur soweit das deutsche Recht eine ausschließliche Zuständigkeit des fremden Staates anerkennt (Rz. 1642), ist eine Prorogation ausgeschlossen.1222 4. Inlandsbezug nicht erforderlich Auch wenn der Rechtsstreit keinerlei Beziehungen zu Deutschland aufweist, ist 1745 die Vereinbarung der deutschen internationalen Zuständigkeit zulässig.1223 1217 Kralik ZZP 74 (1961), 42 Fußn. 85; Walther J. Habscheid in Festschrift Schima, 1969, 188; R. Geimer NJW 1971, 323; BGH vom 17.5.1972, BGHZ 59, 23 = AWD 1972, 356 (von Hoffmann 416) = BB 1972, 764 (Trinkner) = NJW 1972, 1622 (R. Geimer) = IPRspr. 1972 Nr. 140. Siehe auch von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht9, 2007, § 3 Rz. 82. 1218 BGH vom 17.5.1972, BGHZ 59, 23. 1219 R. Geimer NJW 1971, 1622; OLG Bremen vom 18.7.1985, RIW 1985, 894 = IPRspr. 1985 Nr. 142; OLG Nürnberg vom 28.11.1984, NJW 1985, 1296 = RIW 1985, 890 = IPRspr. 1984 Nr. 150. 1220 Wengler, Internationales Privatrecht in RGR-Kommentar12, VI, 1981, § 3b (§ 14). 1221 Treffend OLG Düsseldorf vom 18.11.1971, AWD 1973, 401 (Kropholler) = VersR 1973, 177 = IPRspr. 1972 Nr. 30. 1222 Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 3155; Soergel/Kronke, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 38 EGBGB Anh. IV Rz. 37. Für Zulässigkeit einer Prorogation der internationalen Zuständigkeit Deutschlands entgegen § 40 II ZPO BGH vom 30.1.1969, AWD 1969, 115 = MDR 1969, 479 = LM Nr. 8 zu § 38 ZPO IPRspr. 1968–1969 Nr. 202. Siehe auch Rz. 940a. 1223 Kralik ZZP 74 (1961), 42; Matscher, Zuständigkeitsvereinbarungen im österreichischen und internationalen Zivilprozessrecht, 1967, 37 bei Fußn. 96; Nagel/Gott-
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 1746 Die Gefahr, die deutschen Gerichte könnten mit Streitigkeiten ohne jede Inlandsberührung überlastet werden, ist theoretisch wohl gegeben. Eine gesetzliche Abwehr erscheint aber nicht vonnöten.1224 Allenfalls könnte durch eine Erhöhung der Gerichtskosten der „Ansturm“ zu den deutschen Gerichten gedrosselt werden, wenn unbedingt der Gesetzgeber aktiv werden will.1225 1747 Zu Recht betont Schröder,1226 dass der Wunsch nach einem neutralen Gericht ebenso legitim sei wie die Wahl eines neutralen Rechts: „Gerade im Interesse der Zuständigkeitsgleichheit unter den Parteien kann es erwünscht sein, dass Gerichte angegangen werden, die beiden Parteien gegenüber gleiche Distanz aufweisen und vielleicht auch dem sonst zu erwartenden nationalen Egoismus fern stehen.“ – Vgl. auch Rz. 868i. 1748 Nicht erforderlich ist ein „internationaler Vertrag“, d.h. ein Vertrag, der Wertbewegungen auslöst, die den Geltungsbereich einer Rechtsordnung überschreiten.1227 Jung1228 zieht nicht überzeugende Parallelen zum kollisionsrechtlichen Verweisungsvertrag im internationalen Schuldrecht (Problem dort: Besteht die Freiheit der Rechtswahl auch für reine Inlandsfälle?). Er vergleicht Nichtvergleichbares. Die Frage des anzuwendenden Rechts und der Rechtsgang (Welche Staaten sind zur Sachentscheidung international zuständig?) haben keine Berührungspunkte. Sie sind streng voneinander zu trennen. Zu Unrecht hält Jung1229 eine Prorogation auf deutsche Gerichte für unzulässig, weil der Rechtsstreit nur Bezugspunkte zu einem ausländischen Staat (= ein reiner Inlandsfall aus dessen Sicht) aufweist.1230
1224 1225 1226 1227 1228
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wald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 3 Rz. 266; Pagenstecher RabelsZ 11 (1937), 417; Pfeiffer, Handbuch der Handelsgeschäfte, 1999, § 22 Rz. 30; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 3158; von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht9, 2007, § 3 Rz. 82. Der österreichische Gesetzgeber hat durch Neufassung des § 104 JN mit Wirkung ab 1.1.1998 (Erweiterte Wertgrenzen-Novelle 1997) klargestellt, dass ein Inlandsbezug (zu Österreich) nicht Voraussetzung für die Annahme der Prorogation ist, hierzu Matscher JBl 1998, 488; Heiss/Mayr IPRax 1999, 305, 306. Matscher, Zuständigkeitsvereinbarungen im österreichischen und internationalen Zivilprozessrecht, 1967, 37. Liberaler Loewe ZfRV 1983, 185. Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 468. Hierzu ausführlich F. E. Sandrock, Die Vereinbarung eines „neutralen“ internationalen Gerichtsstandes, 1997, 91 ff. Nachweise zur Theorie vom internationalen Vertrag bei F. E. Sandrock, Die Vereinbarung eines „neutralen“ internationalen Gerichtsstandes, 1997, 85 ff. Jung, Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit nach dem EWG-Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen und nach § 38 Abs. 2 ZPO, Diss. Bochum 1980, 89 ff. Jung a.a.O. 95. Abzulehnen insoweit auch Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 543 bei Fußn. 1238.
Zuständigkeitsvereinbarungen 5. Vollstreckungsmöglichkeit im Inland Eine Vollstreckungsmöglichkeit in Deutschland ist ebenfalls nicht Voraussetzung für die Annahme einer internationalen Prorogation, Rz. 982, 1957.1231
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6. Annahme der Prorogation ohne Rücksicht auf Anerkennung der deutschen Entscheidung im Ausland Für die Annahme der Prorogation durch die deutschen Gerichte ist nicht Vo- 1750 raussetzung, dass die Entscheidung des deutschen Gerichts in dem Staat, dessen an sich nach § 328 I Nr. 1, §§ 12 ff. ZPO gegebene internationale Zuständigkeit derogiert wurde, anerkannt wird; der Kompetenzanspruch fremder Staaten ist für den deutschen Richter unbeachtlich.1232 Eine vernünftige, die Zuständigkeitsinteressen der Parteien gerecht abwägende Zuständigkeitsordnung kann hierauf nicht Rücksicht nehmen. Ist die internationale Zuständigkeit mehrerer Staaten derogiert, bliebe auch unklar, auf welchen fremden Staates Kompetenzrecht abzustellen wäre.1233 7. Nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten Zur Annahme einer internationalen Zuständigkeitsvereinbarung (Prorogation) in 1751 nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist ein deutsches Gericht nach herrschender Meinung nicht berechtigt.1234 In Ehe-, Kindschafts-, Abstammungsund Lebenspartnerschaftssachen steht spätestens seit der IPR-Reform 1986 bzw. der FG-Reform 2009 fest, dass der Gesetzgeber Prorogationen nicht zulassen will. In den sonstigen (nach Ausklammerung der vorgenannten Statusverfahren verbleibenden) nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist die Prorogation der deutschen internationalen Zuständigkeit zuzulassen. Dies ergibt sich nun auch aus dem Wortlaut des § 40 II 1 Nr. 1 ZPO n.F., Rz. 1399, 1773.
1231 OLG München IPRax 1983, 122; R. Geimer NJW 1971, 232; R. Geimer NJW 1972, 1622; Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozessrecht – Überlegungen zur Bewältigung von multi-fora disputes, 1996, 188; Trinkner BB 1972, 767; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 3160. 1232 Zustimmend von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht9, 2007, § 3 Rz. 84. 1233 R. Geimer NJW 1971, 324; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 3 Rz. 367; Schütze AWD 1973, 370; Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 548; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 3159; Reiser, Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem IPR-Gesetz, 1989, 117; Rabe, Seehandelsrecht4, 2000, vor § 556 Rz. 166; F. E. Sandrock, Die Vereinbarung eines „neutralen“ internationalen Gerichtsstandes, 1997, 70. Anderer Auffassung Walchshöfer ZZP 80 (1967), 220; Walchshöfer NJW 1972, 2166; Trinkner BB 1972, 767. 1234 Jung, Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit nach dem EWG-Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen und nach § 38 Abs. 2 ZPO, Diss. Bochum 1980, 114; Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 527; OLG Hamburg vom 6.9.1985, IPRax 1986, 153 (Henrich 139) = IPRspr. 1985 Nr. 152.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 8. Örtliche Zuständigkeit 1752 Gerichtsstand der inländischen Partei: Im Interesse des Verbraucherschutzes können nach autonomem deutschen Recht, d.h. außerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO bzw. des LugÜ und der völkervertraglich vereinbarten Spezialregimes, gemäß § 38 II 3 ZPO nur solche Fora im Inland gewählt werden, für die ohnehin ein gesetzlicher Anknüpfungspunkt gegeben ist, Rz. 1615. Ratio legis: Falls die Parteien nicht die (ausschließliche) Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts vereinbaren (dann kommt § 38 II 3 ZPO nicht – spiegelbildlich – zur Anwendung, Rz. 1616), sondern die internationale Zuständigkeit Deutschlands prorogieren, soll die inländische Partei denselben Schutz wie in Inlandsfällen genießen.1235 Es darf nur der allgemeine Gerichtsstand oder ein besonderer Gerichtsstand der inländischen Partei vereinbart werden.1236 Ausländische Unternehmen können daher bei Geschäften im Inland nicht etwa den Ort ihrer inländischen Niederlassung zum Nachteil des allgemeinen oder eines besonderen Gerichtsstandes der anderen Partei (mit Wohnsitz im Inland) prorogieren. Damit soll eine Umgehung des grundsätzlichen Prorogationsverbots in Inlandsfällen (vor Entstehen der Streitigkeit, § 38 III Nr. 1 ZPO) durch Scheinauslandsgeschäfte, bei denen inländische Unternehmen ihre Verträge mit inländischen Kunden über ausländische Tochtergesellschaften abschließen und auf diesem Umweg als Gerichtsstand den des inländischen Unternehmenssitzes (= inländische Niederlassung der ausländischen Gesellschaft) vereinbaren, unmöglich gemacht werden.1237 Bei Verstoß gegen § 38 II 3 ZPO gelten die gesetzlichen Regeln über die örtliche Zuständigkeit, Rz. 1617, 1753. § 38 II 3 ZPO gilt aber nicht für Zuständigkeitsvereinbarungen nach Entstehen der Streitigkeiten, Rz. 1618. 1753 Fehlen einer Vereinbarung über die örtliche Zuständigkeit: Eine Zuständigkeitsvereinbarung kann sich auf die Festlegung der internationalen Zuständigkeit Deutschlands beschränken. Anders die herrschende Meinung: Danach geht eine internationale Prorogation ohne gleichzeitige Vereinbarung eines örtlich zuständigen deutschen Gerichts ins Leere.1238 Fehlt eine Vereinbarung über die örtliche Zuständigkeit oder ist diese wegen Verstoßes gegen § 38 II 3 ZPO (Rz. 1616, 1752) unwirksam, dann greift wegen der örtlichen Zuständigkeit die
1235 Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 507. 1236 Katholnigg BB 1974, 397. 1237 M. Vollkommer Rpfleger 1974, 135; Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 507. 1238 Neuner, Internationale Zuständigkeit, 1929, 37; Matthies, Die deutsche internationale Zuständigkeit, 1955, 55; Reu, Die staatliche Zuständigkeit im IPR, 1938, 100; Jung, Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit nach dem EWG-Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen und nach § 38 Abs. 2 ZPO, Diss. Bochum 1980, 115; wie hier Pagenstecher RabelsZ 11 (1937), 381 Fußn. 2 a.E.; Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 524. Weitere Nachweise bei R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 117 Fußn. 96; Staudinger/Hausmann, Neubearbeitung 2002, Anh. II zu Art. 27–37 EGBGB Rz. 212.
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Zuständigkeitsvereinbarungen gesetzliche Zuständigkeitsordnung Platz.1239 Fehlt ein Gerichtsstand nach §§ 12 ff. ZPO, sind die Gerichte in Berlin analog §§ 15 I 2, 27 II ZPO zuständig, Rz. 965. Dies gilt auch in den Fällen des § 38 III ZPO.1240 Bereits der Wortlaut des Art. 23 EuGVVO ergibt, dass die Vereinbarung der inter- 1754 nationalen Zuständigkeit ohne gleichzeitige Vereinbarung des örtlich zuständigen Gerichts – im Anwendungsbereich des Brüssel I-Systems – wirksam ist. Der prorogierte Vertrags- bzw. Mitgliedstaat muss ein örtlich zuständiges Gericht zur Verfügung stellen, hilfsweise sind die Gerichte der Hauptstadt (in Deutschland analog § 15 I 2 ZPO: Berlin) zuständig.1241 9. Kein Gleichlauf zwischen forum und ius Ist in der Sache ausländisches Recht anzuwenden, so ist dies kein Grund, Rechtsschutz am forum prorogatum zu verweigern, Rz. 1963.1242
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Haben die Parteien keine ausdrückliche Rechtswahl getroffen, dann kann die Vereinbarung eines (für beide Parteien, Rz. 1659) ausschließlich zuständigen deutschen Gerichts ein Indiz sein, dass die Parteien deutsches Recht wählen wollen, Rz. 1674. – Siehe auch Rz. 716. 10. Einstweiliger Rechtsschutz Die Zuständigkeitsvereinbarung beschränkt sich im Zweifel nicht auf den Hauptsacheprozess, sondern umfasst auch den einstweiligen Rechtsschutz, Rz. 1767; § 802 ZPO ist insoweit nicht anzuwenden, Rz. 877a. Eine andere Frage ist, ob die Zuständigkeitsvereinbarung sich auch auf den einstweiligen Rechtsschutz beschränken kann, also nur für diesen eine internationale Zuständigkeit begründen, für das Hauptverfahren es aber bei der gesetzlichen Regelung belassen kann.
1239 Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 518. 1240 Wie hier, jedoch gegen analoge Anwendung der §§ 15 I 2, 27 II ZPO Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 468: „Der Kläger mag die örtliche Zuständigkeit in redlicher Gesinnung dort wählen, wo die Verfahrensbelange im Einzelfall sachgerecht wahrgenommen werden können. Derjenige Gerichtsstand verdient den Vorzug, in dem die Rechtspflege am besten verwaltet werden kann.“ Kritik: Diese Anknüpfungspunkte sind nicht justiziabel. Jedenfalls geht zu viel Zeit verloren über dem Streit, ob der Kläger „fair oder vernünftig“ gewählt hat (Schröder a.a.O. 468 Fußn. 2060 a.E.). 1241 R. Geimer WM 1976, 832; R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 2 EuGVVO Rz. 178 ff. Vgl. auch Peter Huber, Die englische forum non conveniens-Doktrin und ihre Anwendung im Rahmen des Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens, 1994, 170. Für Ordination nach § 28 JN aus österreichischer Sicht Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 28 JN Rz. 33 sowie Simotta in Fasching a.a.O. § 104 JN Rz. 294. 1242 Simotta in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 104 JN Rz. 239.
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1755a
Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 11. Selbständige Beweisverfahren 1756 Die internationale Zuständigkeit für selbständige Beweis- und Verklarungsverfahren ist unabhängig von der für die Hauptsache, Rz. 1246. Daher können aus Zulassung der Beweissicherung im Inland keine Rückschlüsse auf die Wirksamkeit einer Prorogation gezogen werden.1243
XXIV. Derogation: Ausschluss der an sich gegebenen internationalen Zuständigkeit Deutschlands 1. Zulässigkeit 1757 Die Derogation der an sich nach §§ 12 ff. ZPO gegebenen internationalen Zuständigkeit Deutschlands ist zulässig.1244 Andere Rechtsordnungen sind da zurückhaltender, Rz. 1638. Sie lassen zwar Prorogation auf die eigenen Gerichte zu, halten aber die Derogation der internationalen Zuständigkeit des eigenen Staates für unzulässig.1245 Über die Zulässigkeit der Derogation befindet allein das deutsche Recht, Rz. 1677. Die Derogation erfolgt entweder durch isolierten Derogationsvertrag oder durch die Vereinbarung der ausschließlichen internationalen Zuständigkeit eines anderen Staates bzw. der ausschließlichen Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts. Die letzte Variante ist die in der Praxis häufigste. 1758 Auch für Streitigkeiten aus Seefrachtverträgen, insbesondere aus Konnossementen, die eine Beförderung nach einem deutschen Bestimmungshafen betreffen, kann die internationale Zuständigkeit Deutschlands mit Wirkung gegen den deutschen Empfänger durch Vereinbarung der ausschließlichen Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts ausgeschlossen werden.1246 Das Verbot in Art. 21 der Hamburg-Regeln (Rz. 1792) wurde vom deutschen Gesetzgeber in das geltende Recht nicht übernommen. 2. Keine forum non conveniens-Erwägungen 1759 Die deutschen Gerichte haben die Derogation auch dann zu beachten, wenn sie diese für unzweckmäßig und/oder unvernünftig halten,1247 Rz. 1085, 1109.
1243 LG Hamburg vom 31.1.1984, IPRax 1985, 282 (Samtleben 261) = IPRspr. 1984 Nr. 130. 1244 BGH vom 3.12.1973, VersR 1974, 470 = IPRspr. 1973 Nr. 128b (hierzu Geimer WM 1975, 910); OLG Hamburg vom 25.5.1978, VersR 1978, 1115 = RIW 1979, 495 = IPRspr. 1978 Nr. 141; OLG Bremen vom 18.7.1985, RIW 1985, 894, 985 = IPRspr. 1985 Nr. 142. Nachweise auch bei Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 507. 1245 So z.B. der durch das IPR-Reformgesetz vom 31.5.1995 beseitigte Art. 2 Codice di procedura civile. Hierzu Happacher AWD 1966, 338. 1246 OLG Bremen vom 18.7.1985, RIW 1985, 894 = IPRspr. 1985 Nr. 142. 1247 R. Geimer EWiR 1985, 167. Verfehlt LG Kiel vom 18.1.1984, RIW 1985, 409 = IPRax 1985, 35 (Böhner 15): „Es ist kein vernünftiger Grund vorhanden, warum die Beklagte nicht vor ihrem Wohnsitzgericht, sondern in Frankreich den Prozess führen will“.
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Zuständigkeitsvereinbarungen Auch an der Derogation der (internationalen) Wohnsitzzuständigkeit ist nicht zu deuteln.1248 Hiervon zu unterscheiden ist die Prüfung, ob die Parteien überhaupt den Ausschluss der internationalen Zuständigkeit Deutschlands gewollt haben, Rz. 1736. 3. Auslandsbezug nicht erforderlich Die Derogation der internationalen Zuständigkeit Deutschlands setzt keinen Auslandsbezug voraus. Sie ist auch in reinen Inlandsfällen (ohne Auslandsbeziehung) möglich.1249
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Andere wollen eine Derogation nur bei „internationalem Bezug“ zulassen.1250 1761 Ein solcher sei nur dann gegeben, wenn eine Wertbewegung über die Grenze (für den Bereich einer Rechtsordnung) vorliegt. Wieder andere bejahen einen Verstoß gegen § 307 BGB, wenn ein Gerichtsstand in einem Staat vereinbart wird, der keinen Bezug zum Rechtsgeschäft hat.1251 Eine Beziehung des Streitgegenstandes gerade zum (ausländischen) forum prorogatum ist nicht erforderlich. Es gelten die gleichen Erwägungen wie oben Rz. 1747, und zwar auch in Arbeitssachen, Rz 1774.1252
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4. Derogation der internationalen Zuständigkeit Deutschlands zum Zweck der Ausschaltung international zwingenden Rechts In solchen Fällen hält die herrschende Meinung die Derogation für unwirksam.1253 Dagegen Rz. 1058, 1770.
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5. Nichtannahme der Prorogation durch ausländische Gerichte Die in der Vereinbarung der ausschließlichen internationalen Zuständigkeit ei- 1763 nes fremden Staates liegende Derogation der internationalen Zuständigkeit Deutschlands steht unter der (stillschweigenden) Bedingung, dass das forum
1248 BGH vom 18.9.1986, NJW 1987, 3080 = RIW 1986, 996 = IPRax 1987, 107 (Gottwald 81) = IPRspr. 1986 Nr. 143; F. E. Sandrock, Die Vereinbarung eines „neutralen“ internationalen Gerichtsstandes, 1997, 82. 1249 Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 3162. 1250 Trinkner AWD 1970, 580; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 168; von Hoffmann/ Thorn, Internationales Privatrecht9, 2007, § 3 Rz. 87. 1251 OLG Karlsruhe vom 30.12.1981, NJW 1982, 1950 = IPRspr. 1981 Nr. 171; F. E. Sandrock, Die Vereinbarung eines „neutralen“ internationalen Gerichtsstandes, 1997, 92 ff.; Pfeiffer NJW 1999, 3674, 3685. 1252 Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 3162. 1253 Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 540; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 3164; Martiny in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Art. 30 EGBGB Rz. 172; Gottschalk/Breßler ZEuP 2007, 56, 62; Rühl, Die Wirksamkeit von Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen im Lichte der Ingmar-Entscheidung des EuGH, IPRax 2007, 294, 296.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit prorogatum zur Justizgewährung (Entscheidung in der Sache) bereit und in der Lage ist, Rz. 1657.1254 Dies gilt auch für den Fall des Stillstandes der Rechtspflege im prorogierten Staat.1255 Das Gleiche gilt im Falle eines Embargos.1256 Nicht ausreichend für die Beseitigung des Derogationseffekts ist aber, dass sich die Durchführung des Gerichtsverfahrens am forum prorogatum weniger bequem bzw. vorteilhaft darstellt, als es den Parteien bei Vertragsschluss erschienen ist.1257 6. Fehlen eines rechtsstaatlichen Mindeststandards am forum prorogatum 1764 Mit der ausschließlichen Prorogation eines ausländischen Gerichts wollen die Parteien zwar auf Rechtsschutz im Inland, nicht aber überhaupt auf jeden Rechtsschutz verzichten. Sie erwarten vielmehr Justizgewährung am forum prorogatum. Deshalb ist die Derogation der internationalen Zuständigkeit Deutschlands unwirksam, wenn evident und unzweifelhaft beim forum prorogatum eine sachgerechte, den elementaren rechtsstaatlichen Garantien entsprechende Entscheidung des Rechtsstreits nicht gewährleistet ist.1258 Jedoch ist zu beachten, dass Unterschiede in der Gerichtsverfassung und im Ablauf des Verfahrens normal und daher hinzunehmen sind, Rz. 263.
1254 Rathke RIW 1984, 270; Schütze RIW 1982, 775; Schütze IPRax 1984, 247; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 1275; F. E. Sandrock, Die Vereinbarung eines „neutralen“ internationalen Gerichtsstandes, 1997, 77 ff.; OLG Bremen vom 18.7.1985, RIW 1985, 894, 895 = IPRspr. 1985 Nr. 142; OLG Koblenz vom 24.6.2004, IHR 2005, 169, 171 = IPRax 2006, 469 (Weller 444) = NJOZ 2004, 3346 = IPRspr. 2004 Nr. 116. Siehe auch aus schweizerischer Sicht Walter, Internationales Zivilprozessrecht der Schweiz4, 2007, § 4 V 7 (S. 137). 1255 BAG vom 29.6.1978, NJW 1979, 1119 = JZ 1979, 647 (R. Geimer) = AuR 1979, 189 (Grunsky) = IPRspr. 1978 Nr. 144; LAG Hamburg vom 21.9.1980, IPRspr. 1980 Nr. 137A; LAG Frankfurt/M. vom 10.6.1981, RIW 1982, 524 = IPRspr. 1981 Nr. 163. Hierzu Schütze RIW 1982, 775; Schütze, Deutsches internationales Zivilverfahrensrecht, 1985, 54. 1256 LG Köln vom 19.4.2000, IPRspr. 2000 Nr. 122. 1257 OLG Hamburg vom 22.12.1937, HansRGZ 1938 B 81 = IPRspr. 1935–1944 Nr. 716 (die Parteien können aber einvernehmlich die Zuständigkeitsvereinbarung aufheben, Rz. 1732). 1258 BGH vom 3.12.1973, VersR 1974, 470, 471 = WM 1974, 242 = AWD 1974, 221 (v. Hoffmann) = ZZP 78 (1975), 318 (Walchshöfer) = IPRspr. 1973 Nr. 128b (dazu Geimer WM 1975, 910); BAG vom 29.6.1978, NJW 1979, 1119, 1120 = JZ 1979, 647 (R. Geimer) = AuR 1979, 189 (Grunsky) = IPRspr. 1978 Nr. 144; Stein/Jonas/Bork, ZPO22, 2003, § 38 Rz. 33; Pfeiffer, Handbuch der Handelsgeschäfte, 1999, § 22 Rz. 35; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 1278; Rabe, Seehandelsrecht4, 2000, vor § 556 Rz. 165. – Maßgebender Zeitpunkt ist der der Klageerhebung, OLG Frankfurt vom 1.10.1998, RIW 1999, 461, 463 = IPRax 1999, 247 (Hau 232) = IPRspr. 1998 Nr. 156.
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Zuständigkeitsvereinbarungen 7. Nichtanerkennung des im forum prorogatum erlassenen Urteils in Deutschland Eine Derogation ist auch dann zulässig, wenn das Urteil des als ausschließlich international zuständig vereinbarten ausländischen Gerichts im Inland nicht anerkannt wird.1259 Es ist aber im Einzelfall sorgfältig zu prüfen, ob die Parteien auch für diesen Fall eine Derogation gewollt haben.
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Denn die Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstandes im Ausland kann 1766 zum Verlust jeden Rechtsschutzes führen, wenn der Schuldner sein gesamtes Vermögen in Deutschland hat. Soweit das deutsche Recht den Verzicht auf den Streitgegenstand freistellt, kann zwar auch auf den Rechtsschutz verzichtet werden. Doch einen generellen Verzicht auf jeden Rechtsschutz wollen die Parteien in der Regel gerade nicht vereinbaren. Deshalb steht die Prorogation in diesem Fall regelmäßig unter der (stillschweigenden) Bedingung, dass die ausländischen Gerichte die Prorogation annehmen und dass das ausländische Urteil in Deutschland anerkannt und vollstreckt werden kann.1260 Andere sprechen von Wegfall der Geschäftsgrundlage oder geben ein Anfechtungsrecht.1261 Daher kann – wenn das vom prorogierten ausländischen Gericht erlassene Urteil im In1259 BGH vom 13.12.1967, BGHZ 49, 124 = NJW 1968, 356 = ZZP 82 (1969), 302 (Walchshöfer) = IPRspr. 1966–1967 Nr. 222; BGH vom 21.12.1970, MDR 1971, 281 = NJW 1971, 325 (R. Geimer 1524) = LM Nr. 12 zu § 38 = IPRspr. 1970 Nr. 112; BGH vom 8.2.1971, NJW 1971, 985 (R. Geimer 1525) = IPRspr. 1971 Nr. 131; BGH vom 3.12.1973, VersR 1974, 470 = WM 1974, 242 = AWD 1974, 221 (v. Hoffmann) = ZZP 78 (1975), 318 (Walchshöfer) = IPRspr. 1973 Nr. 128b (dazu Geimer WM 1975, 910); OLG Koblenz vom 26.5.1983, RIW 1985, 153 = IPRax 1984, 267 (Schütze 246) = IPRspr. 1983 Nr. 136; OLG Saarbrücken vom 21.9.1988, NJW-RR 1989, 828 = IPRspr. 1988 Nr. 162; R. Geimer WM 1975, 910; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 170; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 3171; Friederike E. Sandrock, Die Vereinbarung eines „neutralen“ internationalen Gerichtsstandes, 1997, 80; von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht9, 2007, § 3 Rz. 86; Staudinger/Hausmann, Neubearbeitung 2002, Anh. II zu Art. 27–37 EGBGB Rz. 217. Anderer Auffassung OLG Hamburg vom 4.5.1972, VersR 1972, 1065 = IPRspr. 1972 Nr. 138; Bajons in Festschrift Kralik, 1986, 12; Matscher, Zuständigkeitsvereinbarungen im österreichischen und internationalen Zivilprozessrecht, 1967, 82; Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 463; Eickhoff, Inländische Gerichtsbarkeit und internationale Zuständigkeit für Aufrechnung und Widerklage, 1985, 135; Gottwald in Festschrift Firsching, 1985, 99; Milleker, Der negative internationale Kompetenzkonflikt, 1975, 141 Fußn. 12; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 513; Rabe, Seehandelsrecht4, 2000, vor § 556 Rz. 166. Gottwald/ Baumann IPRax 1998, 445 wollen die Derogation der internationalen Zuständigkeit Deutschlands bei Verbraucherverträgen von der Anerkennungsfähigkeit der Entscheidung des forum prorogatum in Deutschland abhängig machen. 1260 R. Geimer NJW 1971, 1525; R. Geimer WM 1975, 910; R. Geimer JZ 1979, 648; ähnlich nun auch Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 519 sowie R. Geimer Handbuch der Handelsgeschäfte, 1999, § 22 Rz. 36. Gegen stillschweigende Bedingung Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 3174. 1261 Nachweise bei Schütze IPRax 1984, 248.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit land nicht anerkannt wird – erneut in Deutschland geklagt werden (internationale Ersatzzuständigkeit),1262 Rz. 1033. Der Kläger muss aber erst am forum prorogatum klagen, Rz. 1782, 1853. Unzulässig ist es, die Nichtbeachtung der Derogationswirkung auf die Allerweltsformel zu stützen, die Derogation verstoße gegen Treu und Glauben, weil die Anerkennung des am forum prorogatum zu erstreitenden Urteils in Deutschland nicht möglich sei.1263 8. Einstweiliger Rechtsschutz 1767 Haben die Parteien die ausschließliche Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts vereinbart, so ist diese Abrede im Regelfall1264 dahin auszulegen, dass auch die internationale Zuständigkeit Deutschlands für den einstweiligen Rechtsschutz (Arrest und einstweilige Verfügung) abbedungen sein soll.1265 9. Wechsel- und Scheckansprüche 1767a Die ausschließliche Prorogation auf ein ausländisches Gericht erfasst im Zweifel auch Wechsel- und Scheckverfahren. Die ausdrückliche Vereinbarung, dass die erleichterte und beschleunigte Durchsetzungsmöglichkeit im Inland gemäß §§ 602 ff. ZPO ausgeschlossen sein soll, ist nicht erforderlich.1266 10. Derogationseffekt der Prorogation eines ausländischen Gerichts? 1768 Ist die internationale Zuständigkeit Deutschlands nach §§ 12 ff. ZPO an sich zu bejahen, so ist die Prorogation auf ein ausländisches Gericht für den deutschen Richter nur dann von Bedeutung, wenn durch die Zuständigkeitsvereinbarung die ausschließliche internationale Zuständigkeit des prorogierten Staates be1262 R. Geimer WM 1975, 911; R. Geimer JZ 1979, 648 (sofern nicht Ausschluss jeglichen Rechtsschutzes gewollt war); so ausdrücklich Art. 31 II CMR. Vgl. auch Art. 6 des Haager Übereinkommens vom 15.4.1968 (Rz. 1795) und Art. 9 des Haager Übereinkommens vom 25.11.1965 (Rz. 1795); hierzu Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 559. 1263 So aber OLG Köln vom 9.9.1996, IPRax 1998, 472 (Trunk 448) = RIW 1997, 233 = VersR 1997, 1556 = IPRspr. 1996 Nr. 155. 1264 Anders der Ausgangspunkt des § 1033 ZPO für das Verhältnis des Schiedsgerichts zu den staatlichen Gerichten. 1265 R. Geimer WM 1975, 912; OLG Stuttgart vom 19.12.2000, RIW 2001, 228 = IPRspr. 2000 Nr. 173. Zustimmend aus österreichischer Sicht Simotta in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 104 JN Rz. 330. § 802 ZPO (der auch für §§ 919, 937, 942 ZPO nach herrschender Meinung [Rz. 1642] gilt, Rz. 877) steht aber nicht entgegen, enger Koch in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht 1992, 180; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 418: Nur dann, „wenn die Parteien ihr gesamtes Rechtsverhältnis einer ausländischen Form unterstellen wollten“. Ablehnend aus schweizerischer Sicht auch BG vom 17.9.1999, SodaStream Ltd. gegen Urs Jäger und Instruktionsrichter des Handelsgerichts des Kantons Aargau (staatsrechtliche Beschwerde), BGE 125 III 451; hierzu Killias AJP/PJA 2001, 716. 1266 Ebenso für Schiedsklauseln OLG Frankfurt vom 24.9.1985, NJW 1986, 2202 = RIW 1986, 379 = MDR 1986, 328 = IPRspr. 1985 Nr. 199.
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Zuständigkeitsvereinbarungen gründet, die internationale Zuständigkeit Deutschlands also abbedungen werden sollte. Hierüber entscheidet der Wille der Parteien. Eine Vermutung zugunsten der Ausschließlichkeit kennt das autonome deutsche Recht nicht,1267 anders Art. 23 EuGVVO/LugÜ (Rz. 1736). 11. Derogationsverbote a) Ausschließliche internationale Zuständigkeit Deutschlands. Sofern man mit der herrschenden Meinung (Rz. 1642) davon ausgeht, dass es Fälle der ausschließlichen internationalen Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland gibt, scheitert insoweit – ebenso wie im Anwendungsbereich der EuGVVO und des LugÜ, Art. 23 V, 22 – die Derogation der deutschen internationalen Zuständigkeit.1268
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b) Gefahr der Nichtbeachtung von aus deutscher Sicht international zwingendem deutschen Recht durch das forum prorogatum. Der Bundesgerichtshof1269 hält die Derogation der an sich (nach §§ 12 ff. ZPO gegebenen) internationalen Zuständigkeit Deutschlands für unwirksam, wenn feststeht1270, dass das vom ausländischen forum prorogatum (noch) zu erlassende Urteil im Inland deshalb nicht anerkannt werden kann, weil das ausländische Gericht aus deutscher Sicht auch gegenüber ausländischen Urteilen durchzusetzendes, international zwingendes Recht nicht anwenden wird.1271 Ebenso, wenn das forum proroga-
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1267 Gottwald/Baumann IPRax 1998, 445, 447; Staudinger/Hausmann, Neubearbeitung 2002, Anh. II zu Art. 27–37 EGBGB Rz. 220. 1268 So z.B. Soergel/Kronke, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 38 EGBGB Anh. IV Rz. 37. 1269 BGH vom 12.3.1984, NJW 1984, 2037 = RIW 1985, 78 = IPRax 1985, 216 (Roth 198) = IPRspr. 1984 Nr. 135 (betr. §§ 53, 61 BörsenG [Rz. 2979]: Unverbindlichkeit eines ausländischen Börsentermingeschäfts). Großzügiger aber OLG Frankfurt WM 1996, 2107 = EWiR 1996, 2071 (Mankowski). Weitgehend überholt seit 1.7.2002 durch § 37d WpHG. Hierzu Kleinknecht, Die verbraucherschützenden Gerichtsstände im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, Diss. Mainz, 2007, 199; Mankowski in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 1281 ff. Siehe auch Rz. 2979 und Rz. 3926, Lindenmayr, Vereinbarung über die internationale Zuständigkeit und darauf anwendbares Recht (Diss. Passau 2000), 2002, 360 ff. sowie obiter Samtleben, Der Art. 23 EuGVO als einheitlicher Maßstab für internationale Gerichtsstandsvereinbarungen, in Festschrift Ansay, 2006, 343, 353; Rühl, Die Wirksamkeit von Gerichtsstands- und Schiedsvereinbarungen im Lichte der Ingmar-Entscheidung des EuGH, IPRax 2007, 294, 296. 1270 Es soll sogar für die Bejahung des Derogationsverbots ausreichen, wenn die nahe liegende Gefahr besteht, dass das forum prorogatum international zwingendes deutsches Recht nicht anwenden wird. Einer positiven Feststellung, dass dies so sein wird, bedarf es nicht, OLG München vom 17.5.2006, IPRax 2007, 322 (Rühl 294) = WM 2006, 1556 = IHR 2006, 166, 168 (Thume) = IPRspr. 2006 Nr. 11. Hierzu Rühl Eur. Rev. Priv. Law 2007, 891; Quinke SchiedsVZ 2007, 246. 1271 In concreto ging es um die Nichtbeachtung des aus deutscher Sicht relevanten Termin- bzw. Differenzeinwandes. Weitgehend überholt seit 1.7.2002 durch § 37d WpHG. Hierzu Kleinknecht, Die verbraucherschützenden Gerichtsstände im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, Diss. Mainz 2007, 199; Mankowski in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 1281 ff. Bereits seit der Neufassung des Börsengesetzes durch das Gesetz zur Änderung des Börsengesetzes
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit tum die Mindesthaftung nach den Haager Regeln (§ 662 HGB1272) oder international zwingendes Kartellrecht1273 nicht beachtet. Damit schießt er über das Ziel hinaus: Eine eindeutige Prognose, wie das forum prorogatum entscheiden wird, insbesondere welche Rechtssätze es anwenden bzw. ignorieren wird, ist nicht möglich. Entgegen dem Bundesgerichtshof ist die Derogation zu beachten und das ausländische Urteil abzuwarten. Verstößt dieses tatsächlich gegen den deutschen ordre public, weil es aus deutscher Sicht international durchzusetzende Normen bzw. Rechtsgrundsätze ignoriert, so ist im Hinblick auf die Nichtanerkennung im Inland eine Ersatzzuständigkeit zu eröffnen,1274 Rz. 1058. vom 11.7.1989 (BGBl. I 1412) war umstritten, ob und inwieweit § 61 BörsG noch internationale Geltung beansprucht hat, die auch im Anerkennungsstadium durchzusetzen ist. Die einen betrachteten Art. 29 IV Nr. 2 EGBGB als lex specialis zu Art. 34 EGBGB, de Lousanoff in Gedächtnisschrift Arens, 1993, 251, 253; de Lousanoff in Festschrift Nirk, 1992, 607; Schlosser in Festschrift Steindorff, 1990, 1379, 1390; die anderen wollen dagegen § 61 BörsG über Art. 34 EGBGB unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 29 IV Nr. 2 EGBGB anwenden, Jayme/Kohler IPRax 1989, 3347, 342; Kronke LM § 1025 ZPO Nr. 45. Vgl. auch Benicke WM 1997, 945; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht3, 2004, Rz. 15.185. Nachweise auch bei Kleinknecht, Die verbraucherschützenden Gerichtsstände im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, Diss. Mainz 2007, 199; Kowalke, Die Zulässigkeit von Gerichtsstands-, Schiedsgerichts-, und Rechtswahlklauseln bei Börsentermingeschäften, 2002; Redmann, Ordre public-Kontrolle von Gerichtsstandsvereinbarungen, Diss. Kiel, 2005; Weller, Ordre public-Kontrolle internationaler Gerichtsstandsvereinbarungen im autonomen Zuständigkeitsrecht, 2005. Zur aktuellen Rechtslage ausführlich Jordans, Schiedsgerichte bei Termingeschäften und Anlegerschutz, 2007, 28 ff., 50 ff. 1272 Hierzu Mankowski in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 1530; Rabe, Seehandelsrecht4, 2000, vor § 556 Rz. 163. 1273 Gottschalk/Breßler, Missbrauchskontrolle von Gerichtsstandsvereinbarungen im europäischen Zivilprozessrecht, ZEuP 2007, 56, 62. 1274 Mann NJW 1984, 2740; Büchner RIW 1984, 184; Staudinger/Hausmann, Neubearbeitung 2002, Anh. II zu Art. 27–37 EGBGB Rz. 218. Anderer Auffassung BGH vom 21.12.1970, MDR 1971, 281 = NJW 1971, 325 (R. Geimer 1524) = LM Nr. 12 zu § 38 = IPRspr. 1970 Nr. 112; BGH vom 8.2.1971, NJW 1971, 985 (R. Geimer 1525) = IPRspr. 1971 Nr. 131; BGH vom 30.5.1983, RIW 1983, 872, 873 = NJW 1983, 2772 = IPRax 1985, 27 (Trappe 8) = IPRspr. 1983 Nr. 128b; OLG Bremen vom 18.7.1985, RIW 1985, 894, 895 = IPRspr. 1985 Nr. 142; OLG Hamburg vom 9.1.1986, VersR 1986, 1022 = TranspR 1986, 109 = IPRspr. 1986 Nr. 128a; Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 226 bei Fußn. 724; Kohler IPRax 1983, 271 Fußn. 54; Gottwald in Festschrift Firsching, 1985, 101; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 3166. Vgl. Rz. 1058. Einschränkend LG Frankfurt a.M. vom 15.7.1991, RIW 1991, 863 = NJW-RR 1992, 109 = WuB VII A. § 38 ZPO Nr. 1.92 (Schütze) = EWiR 1992, 101 (Bork) = IPRspr. 1992 Nr. 182a; OLG Frankfurt vom 4.6.1992, NJW-RR 1993, 305 = WM 1993, 1670 = IPRspr. 1992 Nr. 182b für Derogation des § 23 ZPO: Die Beklagte hatte ihren Sitz in Zürich und war – anders als in den vom BGH entschiedenen Fällen – in Deutschland nicht aktiv geworden. Zudem werde vom Schweizer Recht zwar nicht der Termin-, aber doch der Differenzeinwand zugelassen. Weitere Nachweise bei Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 754. Nicht „verwertbar“ ist in diesem Zusammenhang BGH RIW 1991, 673 (da deutsches Recht vereinbart war, sei zu erwarten, dass ein deutsches Schiedsgericht dieses beachtet).
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Zuständigkeitsvereinbarungen c) Für deliktische Klagen besteht ein Derogationsverbot vor Eintritt des Scha- 1771 dens, soweit das deliktische Handeln nicht gleichzeitig eine Vertragsverletzung darstellt, Rz. 1719. Der Schädiger soll sich nicht von Gerichtsständen im Vorhinein freizeichnen und so die Klagemöglichkeiten des Geschädigten beeinträchtigen.1275 Dagegen besteht jedoch kein Prorogationsverbot: Die Klagemöglichkeiten des Geschädigten dürfen erweitert werden.1276 d) Derogationsfeste Gerichtsstände. Der Gerichtsstand des § 53 III KWG (Rz. 1643) kann nicht derogiert werden.1277
1772
e) Nichtvermögensrechtliche Streitigkeiten. Die internationale Staatsangehörigkeitszuständigkeit (Rz. 1323) kann nicht derogiert werden, Rz. 1344. Fraglich ist aber, ob in Ehe-, Kindschafts- und Lebenspartnerschaftssachen die auf dem gewöhnlichen Aufenthalt beruhende internationale Zuständigkeit Deutschlands derogiert werden kann, Rz. 1634, 1966.1278
1773
f) Arbeitssachen (Rz. 1786): Das Bundesarbeitsgericht1279 will eine Derogation 1774 der internationalen Zuständigkeit Deutschlands (Rz. 1786) nicht beachten, wenn „es im Einzelfall zum Schutz des Arbeitnehmers geboten ist, dass der Rechtsstreit vor deutschen Gerichten geführt wird“.1280 Fikentscher1281 meint sogar, das Schutzinteresse der Arbeiter und Angestellten jedenfalls der kleineren und mittleren Einkommensgruppen verbiete, die Vereinbarung der internationalen Zuständigkeit eines ausländischen Staates zuzulassen. Eine solche Sonderbehandlung der Zuständigkeitsvereinbarungen in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten ist aber im Gesetz nicht vorgesehen (auch nicht in Art. 21, 23 EuGVVO/LugÜ) und daher abzulehnen.1282
1275 So nun auch OLG Köln vom 9.9.1996, RIW 1997, 233, 234 = VersR 1997, 1556 = IPRspr. 1996 Nr. 155 für Klage aus § 826 BGB. Großzügiger Pfeiffer, Handbuch der Handelsgeschäfte, 1999, § 22 Rz. 29. 1276 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 637. – Vgl. auch die Erwägungen Max Vollkommers IPRax 1992, 209. 1277 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 905. Hinsichtlich der Kartellsachen siehe OLG Stuttgart vom 9.11.1990, RIW 1991, 333 = IPRax 1992, 86 (Roth 68). Für die Schweiz siehe Reiser, Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem IPR-Gesetz, 1989, 104. Siehe auch § 215 III VVG. Zu § 48 VVG a.F. Kleinknecht, Die verbraucherschützenden Gerichtsstände im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, Diss. Mainz 2007, 170 ff. 1278 Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 606a Rz. 86. 1279 BAG vom 20.7.1970, BAGE 22, 410 = NJW 1970, 2180. 1280 Nachweise bei Birk RabelsZ 46 (1982), 414; Jung, Vereinbarungen über die internationale Zuständigkeit nach dem EWG-Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen und nach § 38 Abs. 2 ZPO, Diss. Bochum 1980, 121; Martiny in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Art. 30 EGBGB Rz. 172; LAG Düsseldorf vom 7.2.1984, RIW 1984, 651 = IPRspr. 1984 Nr. 132; ArbG Kiel vom 20.10.1982, RIW 1984, 403 = IPRspr. 1982 Nr. 147A; ArbG Hamburg vom 8.6.1983, RIW 1984, 405 = IPRspr. 1983 Nr. 137. 1281 Fikentscher SAE 69, 37. 1282 Anders Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 3170; Staudinger/Hausmann, Neubearbeitung 2002, Anh. II zu Art. 27–37 EGBGB Rz. 216: Planwidrige Lücke im Gesetz, die durch analoge Anwendung des
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 1774a g) Im Anwendungsbereich des Art. 17 EuGVÜ/LugÜ I und des Art. 23 EuGVVO/ LugÜ II sind Derogationsverbote des genuin nationalen Rechts unbeachtlich. Art. 17 III und V EuGVÜ/LugÜ I enthält – ebenso wie Art. 23 V EuGVVO/LugÜ II – eine in sich abgeschlossene Regelung.1283 12. Wahl einer ausländischen Rechtsordnung als lex causae 1775 Forum und ius sind streng auseinander zu halten. Vereinbaren die Beteiligten die Anwendung ausländischen Rechts als lex causae, so liegt darin keine Derogation der internationalen Zuständigkeit Deutschlands, Rz. 1674. 13. Widerklage am forum derogatum 1776 Maßgebend ist der Wille der Parteien:1284 Ergibt die Auslegung, dass auch die Widerklagemöglichkeit derogiert sein soll, dann gilt dies aber nur so lange, wie sich der Kläger an die Zuständigkeitsvereinbarung hält. Klagt der Vertragspartner abredewidrig nicht am forum prorogatum und lässt sich der Beklagte ein (§ 39 ZPO), dann lebt die Widerklagemöglichkeit wieder auf, es sei denn, die Parteien haben diesen Fall ausdrücklich anders geregelt,1285 Rz. 1418, 1734. 14. Aufrechnung am forum derogatum 1777 Die Aufrechnung im deutschen Erkenntnisverfahren mit einer Forderung, hinsichtlich derer eine ausschließliche internationale Zuständigkeit eines ausländischen Staates vereinbart wurde, ist nach Auffassung des BGH unzulässig.1286 Siehe auch Rz. 3817.
1283 1284 1285
1286
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Art. 17 V EuGVÜ zu schließen sei. Siehe auch Franzen RIW 2000, 86. Weitere Nachweise bei Mankowski in Dieterich/Neef/Schwab (ed.), Arbeitsrecht-Blattei sub Arbeitsgerichtsbarkeit V – E. Internationale Zuständigkeit 160.5.5 Rz. 529 ff. R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 905, OLG Stuttgart vom 9.11.1990, RIW 1991, 333, 335 = IPRax 1992, 86 (Roth 68). R. Geimer NJW 1972, 2179; R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 23 EuGVVO Rz. 195. R. Geimer IPRax 1986, 212 Fußn. 37; Pfeiffer, Handbuch der Handelsgeschäfte, 1999, § 22 Rz. 37. Anderer Auffassung BGH vom 8.7.1981, NJW 1981, 2644 = WM 1981, 938 = RIW 1981, 703 = ZZP 96 (1983), 364 (kritisch Pfaff) = IPRspr. 1981 Nr. 165; BGH vom 3.4.1985, NJW-RR 1987, 227 = MDR 1985, 911 = GRUR 1986, 325 (Jacobs) = IPRspr. 1985 Nr. 136; v. Falkenhausen RIW 1982, 387; Hausmann in Reithmann/ Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 3198 ff. Die besten Argumente für die hier vertretene Ansicht finden sich bei BGH vom 20.1.1983, NJW 1983, 1266 = RIW 1983, 375 = IPRspr. 1983 Nr. 38. Dort werden deutlich die Nachteile und Risiken des Beklagten bei der Durchsetzung der Gegenforderung geschildert. Für den Bereich des CMR erklärt der BGH deshalb den vertraglichen Ausschluss der Widerklagemöglichkeit für unwirksam. BGH vom 20.12.1972, BGHZ 60, 85 = ZZP 86 (1973), 332 (Walchshöfer) = NJW 1973, 422 (kritisch R. Geimer 951) = AWD 1973, 165 = IPRspr. 1972 Nr. 143 und BGH vom 8.7.1981, NJW 1980, 2477 = RIW 1979, 713. Ebenso BGH vom 8.7.1981, NJW 1981, 2644 = WM 1981, 938 = RIW 1981, 703, 705 = ZZP 96 (1983), 364 (kritisch Pfaff) = IPRspr. 1981 Nr. 165 auch für den Fall, dass eine Partei abredewidrig am forum dero-
Zuständigkeitsvereinbarungen Entgegen der Ansicht des BGH ist unter Berücksichtigung aller Umstände des 1778 Einzelfalls durch Auslegung des Parteiwillens zu erforschen, ob die Parteien mit der Derogation der deutschen internationalen Zuständigkeit auch die Geltendmachung der Forderung im Wege der Aufrechnung vor deutschen Gerichten ausschließen wollten.1287 Eine Vermutung zugunsten des Ausschlusses der Aufrechnungsmöglichkeit be- 1779 steht nicht.1288 Treffend hebt der BGH1289 hervor, dass dem Beklagten sonst die Möglichkeit genommen werde, seine Gegenansprüche auf einfachem Weg in demselben Verfahren geltend zu machen. Statt dessen würde er auf ein gesondertes Verfahren mit unter Umständen anderem – möglicherweise auch ausländischem – Gerichtsstand verwiesen. Dies könne zur Vorleistung und zu erhöhten Schwierigkeiten und Risiken bei der Realisierung der Gegenforderung führen. 15. Streitverkündung am forum derogatum Wurde die internationale Zuständigkeit derogiert, so kann der Streitgegenstand der Zuständigkeitsvereinbarung gleichwohl Gegenstand einer Streitverkündung sein, sofern die Parteien nicht auch diese Möglichkeit ausschließen wollten.1290
1287
1288
1289 1290
gatum klagt. Der Beklagte habe es in der Hand, vor der Einlassung (§ 39 ZPO) die Aufhebung des Aufrechnungsverbots zu vereinbaren. Ebenso OLG Hamm RIW 1999, 787. Anderer Auffassung R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 23 EuGVVO Rz. 193; Gottwald IPRax 1986, 10; Nagel/ Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 3 Rz. 395 Fußn. 760; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 176. Vgl. auch (zu CMR) BGH vom 20.1.1983, NJW 1983, 1266 = RIW 1983, 375 = IPRspr. 1983 Nr. 38; OLG Hamm vom 7.10.1970, MDR 1971, 217 = IPRspr. 1970 Nr. 26; OLG Hamburg vom 11.11.1971, AWD 1973, 101 = VersR 1972, 784 = IPRspr. 1971 Nr. 134; LG Mainz vom 22.12.1978, IPRspr. 1978 Nr. 150; LG Berlin vom 19.3.1996, RIW 1996, 960 = IPRax 1998, 97 (Gebauer 79) = IPRspr. 1996 Nr. 32. Weitere Nachweise bei Staudinger/Hausmann, Neubearbeitung 2002, Anh. II zu Art. 27–37 EGBGB Rz. 226. Ebenso für Art. 17 EuGVÜ EuGH vom 9.11.1978, Rs 23/78 – Meeth/Glacetal Slg. 1978, 2133 = RIW 1978, 814 = NJW 1979, 1100 und EuGH vom 7.3.1985, Rs 48/84 – Spitzley/Sommer Slg. 1985, 787 = RIW 1985, 313 = IPRax 1985, 27 (Gottwald 10) = EWiR 1985, 781 (Schlosser); v. Falkenhausen RIW 1982, 388; Wagner IPRax 1999, 65, 75. Siehe auch Gäbel, Neuere Probleme der Aufrechnung, Diss. München 1983, 215. Nachweise bei Dageförde RIW 1990, 877. Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 3203. Anderer Auffassung Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 590. BGH vom 20.1.1983, NJW 1983, 1266 = RIW 1983, 375 (unwirksames Aufrechnungsverbot im internationalen Frachtvertrag gemäß CMR). R. Geimer NJW 1970, 387. Mansel ZZP 109 (1996), 62 stellt folgende „Zweifelsregel“ auf: Die Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstandes sei im Zweifel zugleich als ein die Streitverkündung auf das gewählte Forum beschränkender Prozessvertrag auszulegen. Dagegen Pfeiffer, Handbuch der Handelsgeschäfte, 1999, § 22 Rz. 81: „Die Derogationsabrede wirkt sich auf die Zulässigkeit der Streitverkündung nicht aus“.
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1780
Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 16. Beweissicherung am forum derogatum 1781 Die Derogation der internationalen Zuständigkeit Deutschlands umfasst im Zweifel auch nicht den Ausschluss der internationalen Zuständigkeit zur Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens nach §§ 485 ff. ZPO bzw. eines Verklarungsverfahrens nach §§ 522 ff. HGB, vgl. Rz. 1246, 1756, 2540. 17. Derogationseffekt der Vereinbarung der schiedsgerichtlichen Erledigung des Rechtsstreits 1781a Internationalrechtliche Fragestellungen ergeben sich erst, wenn ein ausländisches Schiedsgericht, d.h. ein Schiedsgericht mit Verfahrensort außerhalb Deutschlands (§§ 1025 I, 1043 I ZPO) vereinbart ist. Es handelt sich nicht um einen Fall der internationalen Unzuständigkeit Deutschlands, Rz. 3801. Gleichwohl ist § 328 I Nr. 1 ZPO analog anzuwenden, Rz. 2907. 18. Wirksamkeit der Derogation trotz Fehlens eines Prozesskostenhilfesystems bzw. trotz fehlender Kostenerstattung am forum prorogatum 1781b
Das Fehlen eines Prozesskostenhilfesystems oder fehlende Kostenerstattung an dem von den Parteien vereinbarten bzw. durch Satzung etc. (Rz. 1781d) festgelegten Forum führt grundsätzlich nicht zur Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung am forum prorogatum mit der Folge der Unwirksamkeit oder Kündbarkeit der Gerichtsstandsklausel.1291 Die vom Bundesgerichtshof in einer umstrittenen Entscheidung zur Schiedsvereinbarung entwickelte Rechtsprechung1292 kann nicht auf (ausschließliche) Zuständigkeitsvereinbarungen übertragen werden.
XXV. Gerichtsstandsbestimmung 1781c Im Wege der Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 I Nr. 3 ZPO kann der Prorogations- bzw. Derogationseffekt nicht unterlaufen werden.1293
XXVI. Gerichtsstandsklauseln in Satzungen und Gesellschaftsverträgen 1781d
Der EuGH1294 betrachtet die Satzung als solche als Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne von Art. 17 EuGVÜ bzw. nunmehr Art. 23 EuGVVO. An diese sind die Gesellschafter/Aktionäre unabhängig von der Art und Weise des Erwerbs ihrer
1291 1292 1293 1294
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Mit gleicher Tendenz Schütze RIW 2006, Heft 6 Die erste Seite (I). BGH vom 14.9.2000, NJW 2000, 3720. BGH vom 19.3.1987, NJW 1988, 646. EuGH vom 10.3.1992, Rs C 214/89 – Powell Duffryn/Petereit Slg. 1992 I 1745 = RIW 1992, 492 = IPRax 1993, 32 (Koch 19) = ZIP 1992, 472 = EuZW 1992, 252 = EWiR 1992, 353 (R. Geimer) = ZEuP 1994, 138 (Karré-Abermann) = Rev. crit. 1992, 528 (Gaudemet-Tallon). Hierzu z.B. auch Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, 2003, 103.
Zuständigkeitsvereinbarungen Beteiligung gebunden.1295 Damit modifizierte der EuGH seine bisherige Rechtsprechung zum autonom auszulegenden Erfordernis der tatsächlichen Willenseinigung der Parteien und zum Formerfordernis der (halben) Schriftlichkeit; dies ist aber im Interesse der Praktikabilität (Zuständigkeitskonzentration der gesellschaftsrechtlichen Streitigkeiten am Sitz der Gesellschaft über Art. 22 Nr. 2 EuGVVO/LugÜ hinaus) unvermeidlich.1296 Zu kritisieren ist aber die Renationalisierung der Frage des wirksamen Zustandekommens einer Gerichtsstandsklausel in der Satzung bzw. in dem Gesellschaftsvertrag, weil der EuGH insoweit auf die nationalen Rechtsgrundsätze im Gesellschaftsrecht verweist. Im autonomen deutschen Recht führt die Anwendung von § 38 ZPO zu unbefriedigenden Ergebnissen. Daher sollte man § 1066 ZPO analog anwenden.1297
XXVII. Kompetenzkonflikt im Zusammenhang mit der unterschiedlichen Beurteilung der Wirksamkeit einer ausschließlichen Zuständigkeitsvereinbarung durch das forum prorogatum und das forum derogatum 1. Negativer Kompetenzkonflikt Ein solcher tritt ein, wenn das forum prorogatum die Zuständigkeitsverein- 1782 barung für unzulässig oder unwirksam hält und deshalb keine Entscheidung in der Sache erlässt, umgekehrt aber das forum derogatum die Vereinbarung für wirksam und daher die eigene internationale Zuständigkeit für ausgeschlossen hält.1298 Ist die internationale Zuständigkeit Deutschlands derogiert, so ist die Ablehnung einer Sachentscheidung durch das aus deutscher Sicht wirksam vereinbarte forum prorogatum ein Grund, die Derogation der internationalen Zuständigkeit als gegenstandslos zu betrachten, Rz. 1763, auch wenn bereits eine rechtskräftige Klageabweisung als unzulässig durch das forum derogatum vorliegt. Im umgekehrten Fall (Deutschland ist nach §§ 12 ff. ZPO international unzu- 1783 ständig, einziger Zuständigkeitsanknüpfungspunkt wäre die Prorogation, die aber aus deutscher Sicht unwirksam ist) wäre an die Eröffnung einer Notzuständigkeit (Rz. 1030) zu denken, wenn sonst die totale Justizverweigerung droht (weil das forum derogatum „hart“ bleibt), Rz. 1812.
1295 Zu eng jedoch hinsichtlich der Bestimmtheit des Streitgegenstandes (Rz. 1682) OLG Koblenz vom 31.7.1992, RIW 1993, 141 = WM 1992, 1736 = ZIP 1992, 1234 = EWiR 1992, 989 (R. Geimer) = IPRspr. 1992 Nr. 195. 1296 Skeptisch aber Jayme/Kohler IPRax 1992, 351. 1297 Bork ZHR 157 (1993), 59, 64. 1298 Eine vergleichbare Konstellation liegt vor, wenn das staatliche Gericht die Schiedsvereinbarung für wirksam hält und sich daher für unzuständig erklärt und andererseits das Schiedsgericht die Schiedsvereinbarung für unwirksam erachtet und deshalb eine Sachentscheidung ablehnt. Vgl. auch Rz. 1781a.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 2. Positiver Kompetenzkonflikt 1784 Es gibt keine Bindung des forum derogatum an die Entscheidung des forum prorogatum zur Frage der Wirksamkeit der Zuständigkeitsvereinbarung, Rz. 1872. Der deutsche Richter beurteilt die Wirksamkeit der Zuständigkeitsvereinbarung nach der für ihn maßgeblichen Rechtsordnung (Rz. 1675, 1677), der ausländische nach seiner lex fori oder eventuell nach der von seinem internationalen Privatrecht bestimmten lex causae. An der Verschiedenheit des Prüfungsmaßstabes scheitert daher von vornherein eine Bindung. Anders ist es im geschlossenen Zuständigkeits- und Anerkennungssystem der EuGVVO und des LugÜ.1299 1785 Jedoch bringen die Regeln über die Beachtung der ausländischen Rechtshängigkeit (Rz. 2688) eine gewisse Abmilderung. Der später angerufene Richter muss die Entscheidung des zuerst angerufenen abwarten, wenn die Anerkennungsprognose positiv ist.1300
XXVIII. Arbeitssachen 1786 Für arbeitsrechtliche Streitigkeiten (Rz. 1187, 1774) sind Zuständigkeitsvereinbarungen nicht ausgeschlossen.1301 § 2 I ArbGG betrifft nur die Abgrenzung zu den ordentlichen Gerichten, regelt also nicht die internationale Zuständigkeit.1302 1787 Bezüglich der Zulässigkeit von Derogationen will das Bundesarbeitsgericht jedoch auf den Einzelfall abstellen, Rz. 1774. 1788
1299 R. Geimer in Festschrift Kralik, 1986, 185; R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 23 EuGVVO Rz. 210 ff. Vgl. auch Schack IPRax 1991, 272. 1300 Ebenso EuGH vom 27.4.2004, Rs C-159/02 – Turner/Grovit RIW 2004, 541 (Krause 533; Mankowski 497). 1301 BAG vom 5.12.1966, BAGE 19, 164 = NJW 1967, 1152 = IPRspr. 1966–1967 Nr. 51; vom BAG 18.12.1967, WM 1968, 524 = BB 1968, 590 = AP Nr. 11 zu IPR-ArbeitsR (Beitzke) = SAE 69, 33 = IPRspr. 1966–1967 Nr. 52, BAG vom 20.7.1970, NJW 1970, 2180 = MDR 1970, 1043 = AWD 1970, 577 (Trinkner) = AP Nr. 4 zu § 38 – Internationale Zuständigkeit (E. Lorenz) = SAE 71, 178 (Fikentscher) = IPRspr. 1970 Nr. 190c (dort auch die Entscheidung der Vorinstanzen: ArbG Rheine und LAG Hamm); BAG vom 5.9.1972, AP Nr. 159 zu § 242 BGB – Ruhegehalt (Grunsky/Wuppermann) = MDR 1973, 529 = IPRspr. 1972 Nr. 142; BAG vom 29.6.1978, NJW 1979, 1119 = JZ 1979, 647 (R. Geimer) = IPRspr. 1978 Nr. 144; BAG vom 27.1.1983, NJW 1984, 1320 = RIW 1984, 316 = IPRax 1985, 276 (E. Lorenz 256) = IPRspr. 1983 Nr. 131; Fikentscher SAE 69, 33; Martiny in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Art. 30 EGBGB Rz. 172; Staudinger/Hausmann, Neubearbeitung 2002, Anh. II zu Art. 27–37 EGBGB Rz. 216. 1302 Vorrangig sind jedoch Art. 17 V EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 23 V, Art. 21 EuGVVO.
628
Zuständigkeitsvereinbarungen
XXIX. Freiwillige Gerichtsbarkeit Zuständigkeitsvereinbarungen sind im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit grundsätzlich unzulässig.1303
1789
XXX. Schiedsgerichtliche Erledigung Eine vorsorgliche Zuständigkeitsvereinbarung für den Fall, dass eine Schieds- 1790 klausel unwirksam ist, ist zulässig und sinnvoll.1304 Eine Umdeutung einer unwirksamen Schiedsvereinbarung in eine wirksame (konkludent geschlossene) Gerichtsstandsvereinbarung ist ohne Hinzutreten weiterer Umstände nur selten möglich.1305
XXXI. Erfüllungsortvereinbarung Ist eine Erfüllungsortvereinbarung im Hinblick auf § 29 II ZPO unbeachtlich (Rz. 1490), so ist zu prüfen, ob sie im Wege der Umdeutung als Gerichtsstandsklausel aufrechterhalten werden kann.1306
1791
XXXII. Staatsverträge Literatur: Kaufmann-Kohler, La clause d’élection de for dans les contrats internationaux, 1980; Vischer/Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht2, 2000, Rz. 1173. Sieht man von Art. 23 LugÜ (Rz. 1643) und dem Haager Übereinkommen (Rz. 244a) ab, so sind staatsvertragliche Regelungen, die für die internationale Entscheidungszuständigkeit (compétence directe) von Bedeutung sind, relativ selten; sie sind in einzelnen Spezialabkommen verstreut, z.B. in
1303 OLG Düsseldorf vom 29.3.1978, FamRZ 1978, 622; Pagenstecher RabelsZ 11 (1937) 411; Mitzkus, Internationale Zuständigkeit im Vormundschafts-, Pflegschafts- und Sorgerecht, 1982, 196; Adam, Internationaler Versorgungsausgleich, 1985, 97, Fußn. 37. Ausnahme: § 344 I 2 FamFG; siehe auch Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Gerichtsbarkeit15, 2003, Rz. 6 vor § 3. 1304 BGH vom 3.11.1983, MDR 1984, 649 = LM Nr. 23 zu § 38 ZPO = IPRspr. 1983 Nr. 196; BGH vom 3.4.1985, NJW RR 1987, 227 = WM 1985, 1507 = MDR 1985, 911 = GRUR 1986, 325 (Jacobs) = LM Nr. 18 zu § 33 ZPO = IPRspr. 1985 Nr. 136. 1305 OLG Hamburg vom 6.1.1972, MDR 1972, 429 = VersR 1972, 854 = AWD 1972, 162 = IPRspr. 1972 Nr. 136. 1306 Stein/Jonas/H. Roth, ZPO22, 2003, § 29 Rz. 55; OLG Nürnberg vom 28.11.1984, NJW 1985, 1296 = RIW 1985, 890, 893 = IPRspr. 1984 Nr. 150.
629
1792
Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit – Art. 31 I CMR;1307 Prorogationen sind zulässig, jedoch nicht mit ausschließlicher Wirkung (Derogationsverbot).1308 Das LG München I1309 will für Zustandekommen einer Zuständigkeitsvereinbarung mit der BGH-Rechtsprechung (Rz. 1678) die lex causae anwenden. – § 738 HGB, der Art. 1 und 2 des Übereinkommens vom 10.5.1952 über die zivilrechtliche Zuständigkeit bei Schiffszusammenstößen1310 transformiert, Rz. 225. Diese Spezialübereinkommen haben Vorrang vor dem EuGVÜ, Art. 57 EuGVÜ, bzw. vor der EuGVVO, Art. 71 I. 1793 Zuständigkeitsvereinbarungen lassen folgende Übereinkommen erst nach Eintritt des Schadens bzw. Entstehen der Streitigkeit zu: – Art. 21 V, 23 des VN-Übereinkommens über die Beförderung von Gütern auf See vom 31.3.1978 (Hamburger Regeln).1311 – Art. 9 des Übereinkommens über Personenbeförderung auf See 1961. – Art. 17 des Athener Übereinkommens vom 13.12.1974 über die Passagier- und Gepäckbeförderung in der Fassung der Protokolle von 1976 und 1990 (für Deutschland nicht in Kraft).1312 1794 Ein absolutes Verbot von Zuständigkeitsvereinbarungen bringt Art. 13 des Übereinkommens über die Haftung für Passagiergepäck auf See 1967.
1307 Hierzu Fremuth/Thume, Frachtrecht, 1997, Art. 31 CMR, Rz. 10; Mankowski in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 1419; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 3 Rz. 346 ff.; Kreuzer/Wagner, Europäisches Internationales Zivilverfahrensrecht, in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Stand: Juni 2007 (19. Ergänzungslieferung) sub Q Rz. 96 ff. 1308 OLG Hamburg vom 26.4.1984, VersR 1984, 687 = TranspR 1984, 194 (v. Dannenberg) = IPRspr. 1984 Nr. 136. Vgl. AG Köln vom 6.2.1985, RIW 1986, 384 = IPRspr. 1985 Nr. 133 betreffend § 65b ADSp. 1309 LG München I vom 27.11.1990, RIW 1991, 150 = IPRspr. 1990 Nr. 181. 1310 BGBl. 1972 II 663; abgedruckt bei Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 639 und Rabe, Seehandelsrecht4, 2000, § 739 Anh. II. Hierzu Basedow VersR 1978, 496. 1311 Deutsche Übersetzung European Transport Law 14 (1979), 553; hierzu Basedow RabelsZ 49 (1985) 189; Mankowski in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 1573; Rabe, Seehandelsrecht4, 2000, vor § 556 Rz. 210 ff.; Kreuzer/ Wagner, Europäisches Internationales Zivilverfahrensrecht, in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Stand: Juni 2007 (19. Ergänzungslieferung) sub Q Rz. 125. 1312 Hierzu z.B. Vischer/Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht2, 2000, Rz. 487. In Deutschland siehe die Anlage zu § 664 HGB, die in Ablehnung an das Athener Übereinkommen formuliert ist, Rz. 1469. Hierzu Mankowski in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 1706; Rabe, Seehandelsrecht4, 2000, Anl § 664 Art. 14 Rz. 2.
630
Zuständigkeitsvereinbarungen Die Haager Übereinkommen
1795
– über die Zuständigkeit des vertraglich vereinbarten Gerichts beim internationalen Kauf beweglicher Sachen vom 15.4.19581313 und – über die Wahl des Gerichtsstandes vom 25.11.19651314 sind gescheitert. Einen neuen Anlauf machte die Haager Konferenz mit dem Übereinkommen vom 30.6.2005 (Rz. 244a).1315 Ob dieses weltweite Verbreitung erlangen wird, ist derzeit nicht absehbar. Die Regeln über die (internationale) Zuständigkeitsvereinbarung in den Anerkennungs- und Vollstreckungsverträgen betreffen nur die internationale Anerkennungszuständigkeit (compétence indirecte).
1796
1797–1804
XXXIII. Internationale Anerkennungszuständigkeit 1. Prorogation des Erststaates Da der Erstrichter seine internationale Entscheidungszuständigkeit aufgrund sei- 1805 nes nationalen Zuständigkeitsrechts prüft, kann es vorkommen, dass für ihn die Gerichtsstandsvereinbarung gar nicht entscheidungserheblich ist. Zu denken ist etwa an die Fälle der Art. 14, 15 Code civil oder des forum legis. Die Zuständigkeitsvereinbarung erlangt dann erst bei der Prüfung der internationalen Anerkennungszuständigkeit Bedeutung.1316 Umgekehrt ist auch denkbar, dass der Erstrichter seine internationale Zuständigkeit auf eine Zuständigkeitsvereinbarung gestützt hat, während aus der Sicht des Zweitstaates der Erststaat kraft Gesetzes international zuständig ist, z.B. nach §§ 328 I Nr. 1, 23 ZPO, Rz. 1393, 2896. Der Zweitrichter prüft nur die internationale Zuständigkeit des Erststaates, nicht auch die örtliche Zuständigkeit des Erstgerichts, Rz. 2898.
1806
Noch weitgehend ungeklärt ist, nach welchen Grundsätzen das Prorogationsstatut vom Zweitrichter zu bestimmen ist (Fragen der Zulässigkeit und Wirksamkeit der Zuständigkeitsvereinbarung). Ist das Recht des Zweitstaates auch dann heranzuziehen, wenn die Zuständigkeitsverlagerung aufgrund der Prorogation den Zweitstaat gar nicht tangiert?
1807
Beispiel: Ein Kairoer und ein Zagreber vereinbaren die Zuständigkeit der Gerichte in New York.1317
1313 Hierzu F. E. Sandrock, Die Vereinbarung eines „neutralen“ internationalen Gerichtsstandes, 1997, 262 ff. 1314 Hierzu F. E. Sandrock a.a.O. 265 ff. 1315 Hierzu R. Wagner RabelsZ 73 (2009), 100. 1316 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1538. 1317 Für großzügige Bejahung Stojan, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile, 1986, 115.
631
Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 2. Derogation der internationalen Zuständigkeit des Erststaates 1808 a) Sachentscheidung des forum derogatum. Ist die internationale Zuständigkeit des Erststaates aus deutscher Sicht derogiert, hat aber das erststaatliche Gericht gleichwohl eine Sachentscheidung erlassen, dann ist die internationale Unzuständigkeit nur auf Rüge des Beklagten zu beachten. Eine Versagung der Anerkennung von Amts wegen kommt nicht in Betracht. 1809 Die Rüge der Derogation ist präkludiert, wenn der Beklagte diesen Einwand nicht bereits im Erstverfahren vorgebracht hat, Rz. 1425, 1714, 1820, 2907. Dem (im Erststaat verurteilten) Beklagten kann nicht gestattet werden, im Verfahren vor dem Zweitrichter, der über die Anerkennung des ausländischen Urteils zu befinden hat, im Wege neuen Tatsachenvortrags erstmals den Einwand der Derogation der an sich nach dem Recht des Zweitstaates gegebenen internationalen Zuständigkeit des Erststaates zu erheben. 1810 Beispiel: Wird ein in Moskau wohnhafter Beklagter dort verklagt und lässt er dort gegen sich Versäumnisurteil ergehen, dann kann er gegen die Anerkennung dieses Urteils in Deutschland nicht geltend machen, Russland sei international unzuständig, weil die ausschließliche Zuständigkeit eines deutschen Gerichts prorogiert (und damit die internationale Zuständigkeit Russlands derogiert) gewesen sei. Dem Beklagten wäre zuzumuten gewesen, vor dem Gericht in Moskau den Derogationseinwand zu erheben. Durch den vertraglichen Ausschluss der an sich gegebenen internationalen Zuständigkeit des Erststaates wird die Last zur Einlassung vor dem an sich international zuständigen Gericht des Erststaates nicht im Ganzen beseitigt, sondern nur die Einlassungspflicht zur Hauptsache. Hält sich der Kläger nicht an die Zuständigkeitsvereinbarung oder besteht über ihre Wirksamkeit Streit und erhebt er deswegen Klage in einem nach dem Recht des Zweitstaates an sich international zuständigen Staat, so ist es dem Beklagten zuzumuten, dass er vor dem Gericht dieses Staates erscheint bzw. sich ordnungsgemäß vertreten lässt, um den Unzuständigkeitseinwand zu erheben. Damit wird keine Einlassungspflicht vor allen Gerichten dieser Erde nach freier Wahl des Klägers postuliert. Einlassungspflichtig ist der Beklagte nur vor den Gerichten solcher Staaten, die nach deutscher Auffassung (§ 328 I Nr. 1 ZPO) bei Nichtberücksichtigung der Derogation international zuständig wären, Rz. 906. 1811 b) Klageabweisung als unzulässig durch forum derogatum. Nach § 328 ZPO sind anerkennungsfähig nur Sachentscheidungen, keine Prozessurteile, auch wenn diese nach dem Recht des Erststaates res iudicata-Wirkung entfalten, Rz. 2788.1318 1812 Eine Bindung des forum prorogatum via Anerkennung der Klageabweisung als unzulässig im forum derogatum ist daher abzulehnen. Gleichwohl sollte das forum prorogatum nach Möglichkeit eine Abweisung der bei ihm erhobenen Klage wegen Unzulässigkeit oder Unwirksamkeit der Prorogation verhindern, weil sonst ein negativer internationaler Kompetenzkonflikt droht, Rz. 1783. 1318 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1415; R. Geimer in Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 328 Rz. 39. Siehe auch OLG München vom 10.10.2002, SpuRt 2003, 199 = IPRspr. 2002 Nr. 223 = DIS-Datenbank, www.disarb.de. Hierzu Martens/Feldhoff-Mohr SchiedsVZ 2007, 11, 19.
632
Prüfung
11. Kapitel: Prüfung der internationalen Zuständigkeit I. Zweck der Zuständigkeitsprüfung Soweit nicht eine (von der herrschenden Meinung postulierte) ausschließliche 1813 internationale Zuständigkeit Deutschlands auf dem Spiele steht, an deren Beachtung ein unmittelbares staatliches Interesse besteht,1319 dient die Prüfung von Amts wegen dem Schutz des Beklagten.1320
II. Terminanberaumung Ist nach Auffassung des Vorsitzenden für die Klage/den Antrag die internationale Zuständigkeit Deutschlands nicht gegeben, so ist dies kein Grund, die Zustellung der Klage und die Terminbestimmung zu unterlassen.1321 Über die Frage der internationalen Zuständigkeit ist vielmehr stets aufgrund mündlicher Verhandlung zu entscheiden, gegebenenfalls kann gesonderte Verhandlung gemäß § 280 I ZPO angeordnet werden, Rz. 1848.
1814
Dies gilt nicht nur in den Fällen, in denen die internationale Zuständigkeit 1815 Deutschlands gemäß § 39 ZPO bzw. Art. 24 EuGVVO/LugÜ begründet werden kann, sondern auch dann, wenn der Vorsitzende der Auffassung ist, dass die ausschließliche internationale Zuständigkeit eines ausländischen Staates1322 zu bejahen ist1323 oder aus sonstigen Gründen die vom Kläger/Antragsteller behauptete internationale Zuständigkeit Deutschlands offensichtlich nicht gegeben sei.
III. Prüfung von Amts wegen 1. Überblick Die internationale Zuständigkeit ist als (eigene) Prozessvoraussetzung (Rz. 1008) 1816 von Amts wegen zu prüfen.1324 Nur wenn feststeht, dass die internationale Zu1319 Zu der hier vertretenen These, dass es solche Konstellationen überhaupt nicht gibt, oben Rz. 878; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1548. Anders für die Schweiz z.B. Vischer/Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht2, 2000, Rz. 1198 ff. 1320 Unrichtig daher BAG vom 26.2.1985, NJW 1985, 2910 = EWiR 1985, 659 (Birk) = IPRspr. 1985 Nr. 48: Die internationale Zuständigkeit müsse von Amts wegen beachtet werden, „da es um die Ausübung staatlicher Hoheitsrechte und die Belange der Gerichtsbarkeit geht“. 1321 Unrichtig daher LG Hamburg vom 23.8.1994, NJW-RR 1995, 183 = RIW 1995, 244 = IPRspr. 1994 Nr. 142: Klage gegen einen Matrosen an Bord eines in einem deutschen Hafen ankernden Schiffs unter ausländischer Flagge sei „frivol“. 1322 Art. 16 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 22 EuGVVO. 1323 OLG Frankfurt vom 5.11.1981, FamRZ 1982, 316 = IPRspr. 1981 Nr. 176. Anders für „frivole“ Klagen LG Hamburg vom 23.8.1994, NJW-RR 1995, 183 = RIW 1995, 244 = IPRspr. 1994 Nr. 142.l. 1324 BAG vom 27.1.1983, NJW 1984, 1320 = RIW 1984, 316 = IPRax 1985, 276 (E. Lorenz 256) = IPRspr. 1983 Nr. 131.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit ständigkeit Deutschlands gegeben ist, darf ein Sachurteil ergehen. Andererseits hängt die Bejahung der internationalen Zuständigkeit vom Verhalten des Beklagten ab. Er kann sich ausdrücklich oder konkludent (durch Verzicht auf die rechtzeitige Rüge der internationalen Unzuständigkeit) der Jurisdiktion der Bundesrepublik Deutschland unterwerfen, Rz. 1396. Deshalb bedarf der Satz, die internationale Zuständigkeit sei in jeder Lage des Verfahrens – ohne Rüge1325 – von Amts wegen zu prüfen,1326 der Einschränkung: Eine Amtsprüfung ist – im kontradiktorischen Verfahren – nur dort gerechtfertigt, wo die internationale Zuständigkeit nicht durch rügelose Einlassung des Beklagten/Antragsgegners nach § 39 ZPO oder nach Art. 24 EuGVVO/LugÜ begründet werden kann.1327 Soweit eine Prüfung von Amts wegen zu erfolgen hat, kann neuer Tatsachenvortrag nicht nach § 531 II ZPO zurückgewiesen werden; denn diese Vorschrift gilt nur für solche, die zur Begründung des Sachantrags dienen, nicht jedoch für neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, die sich auf von Amts wegen zu prüfende Prozessvoraussetzungen beziehen; für diese gilt § 532 ZPO.1328 2. In Betracht kommende Hypothesen Deshalb sind folgende Hypothesen zu unterscheiden:1329 1817 a) Der Beklagte nimmt am Verfahren teil: Die internationale Zuständigkeit ist nur dann zu prüfen, wenn er die internationale Unzuständigkeit rügt. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn weder § 39 ZPO noch Art. 24 EuGVVO/LugÜ zur Anwendung kommen können, Rz. 1402.1330 1818 Beispiel: Ehescheidungs-, Kindschafts-, Abstammungs- und Lebenspartnerschaftssachen. Ob die internationale Zuständigkeit Deutschlands gemäß §§ 98 ff. FamFG (früher §§ 606a I, 640a II, 661 III ZPO) zu bejahen ist oder nicht, hat das deutsche Gericht von Amts wegen zu prüfen. 1325 BAG vom 26.2.1985, NJW 1985, 2910 = EWiR 1985, 659 (Birk) = IPRspr. 1985 Nr. 48; BAG vom 3.5.1995, IPRax 1996, 416 (Mankowski 405) = MDR 1995, 1241 = EWiR 1995, 1191 (Mankowski) = IPRspr. 1995 Nr. 57. 1326 BGH Großer Senat des BGH vom 14.6.1965, BGHZ 44, 46, 52 = NJW 1965, 1665 = IPRspr. 1964–1965 Nr. 224; BGH vom 24.9.1986, BGHZ 98, 263 = NJW 1987, 592 = MDR 1987, 228 = RIW 1986, 991 = JR 1987, 157 (Schlosser) = IPRax 2000, 159 (Hausmann 140) = MDR 1987, 228 = LM Nr. 9 zu § 175 ZPO = EWiR 1987, 93 (R. Geimer) = Rpfleger 1987, 26 = WM 1986, 1444 = IPRspr. 1986 Nr. 144; BGH vom 23.2.1995, NJW-RR 1995, 810 = BB 1995, 945 = LM § 1 UWG Nr. 686/687 = IPRspr. 1995 Nr. 122; BGH vom 21.11.1996, BGHZ 134, 127, 129 = IPRspr. 1996 Nr. 160; BGH vom 25.2.1999, NJW 1999, 2442, 2443 = RIW 1999, 456 = WM 1999, 1182 = IPRax 2001, 331 (Pulkowski 306) = IPRspr. 1999 Nr. 110; OLG Koblenz vom 28.3.1991, RIW 1991, 592 = IPRspr. 1991 Nr. 172; KG vom 22.10.1997 FamRZ 1998, 378 = NJW 1998, 2062 = IPRspr. 1997 Nr. 87. 1327 R. Geimer RIW 1988, 221. Zustimmend Soergel/Kronke, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 38 EGBGB Anh. IV Rz. 45. 1328 OLG Düsseldorf vom 2.3.2004, OLGReport 2005, 69, 71. 1329 Siehe auch Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 606a ZPO Rz. 41. 1330 R. Geimer RIW 1986, 118. Im Ergebnis übereinstimmend Wieczorek/Rössler ZPO2, 1988, § 549 B IIIc 1.
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Prüfung b) Nimmt der Beklagte am Rechtsstreit nicht teil, so hat der Richter gemäß 1819 Art. 26 I EuGVVO/LugÜ II1331 von Amts wegen zu prüfen, ob Deutschland international zuständig ist. Kommt er zu dem Ergebnis, dass eine Zuständigkeitsanknüpfung im Sinne der Art. 2 ff. EuGVVO/LugÜ nicht gegeben ist, so hat er sich von Amts wegen für unzuständig zu erklären. Zu Recht bezeichnet der Jenard-Bericht (zu Art. 20 EuGVÜ) diese Vorschrift als eine „der wichtigsten Bestimmungen“; denn diese Bestimmung soll den Beklagtenschutz sicherstellen.1332 Der Beklagte braucht nicht am erststaatlichen Verfahren (= Erkenntnisverfahren) 1820 teilzunehmen, nur um die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts geltend zu machen. Ausnahmen gelten aber für die Fälle des vertraglichen Ausschlusses der an sich gegebenen Zuständigkeit des Gerichtsstaates durch Derogation1333 bzw. für den Einwand der Schiedsvereinbarung, Rz. 1809. Der Erstrichter braucht nicht von Amts wegen zu forschen, ob eine Derogation oder eine schiedsgerichtliche Erledigung vereinbart worden ist. Erfährt er jedoch davon, sei es aus dem Vortrag des Klägers, sei es aus anderen prozessordnungsgemäßen Quellen, dann hat er sich für unzuständig zu erklären, im Fall der Vereinbarung der schiedsgerichtlichen Erledigung jedoch nur, wenn nach seiner lex fori eine Rüge des Beklagten nicht erforderlich ist. So dürfen deutsche Gerichte die Schiedsvereinbarung nur auf Einrede des Beklagten beachten (§ 1032 I ZPO), es sei denn, in der Schiedsvereinbarung wurde vereinbart, dass die Schiedsvereinbarung auch von Amts wegen zu beachten sei.1334 Nicht so klar ist die Regelung im autonomen deutschen Prozessrecht. Beantragt 1821 der Kläger gegen den nicht erschienenen Beklagten ein Versäumnisurteil, so ist – jedenfalls nach dem Wortlaut des Gesetzes – das tatsächliche mündliche Vorbringen des Klägers auch bezüglich der Zuständigkeitstatsachen als zugestanden anzusehen. Eine Ausnahme gilt gemäß § 331 I 2 ZPO nur für das Vorbringen zur Vereinbarung des Erfüllungsortes (§ 29 II ZPO) und zur Zuständigkeitsvereinbarung.1335 Der Beklagtenschutz ist also weniger intensiv als nach dem europäischen Ein- 1822 heitsrecht. Die Abgrenzung des Anwendungsbereiches des Art. 26 I EuGVVO/ LugÜ zum autonomen deutschen Recht hat erhebliche praktische Bedeutung, es sei denn, man wendet wegen § 335 I Nr. 1 ZPO die Geständnisfiktion des § 331 ZPO hinsichtlich der Zuständigkeitstatsachen generell nicht an. Hierfür sprechen gute Gründe; denn nach dem Wortlaut des § 331 ZPO hätten alle Beklagten dieser Welt die prozessuale Last, sich vor einem deutschen Gericht einzulassen, nur um zu rügen, dass nach §§ 12 ff. ZPO Deutschland international unzuständig ist, Rz. 1526.1336 1331 Früher Art. 20 I EuGVÜ/LugÜ I. 1332 R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 Art. 26 EuGVVO Rz. 4. 1333 Art. 23 EuGVVO/LugÜ. 1334 R. Geimer WM 1986, 118. 1335 Hierzu OLG Karlsruhe vom 22.3.2002, MDR 2002, 1269. 1336 R. Geimer NJW 1973, 1151; R. Geimer WM 1986, 119. Für wortgetreue Anwendung des § 331 I ZPO Kubis, Internationale Zuständigkeit bei Persönlichkeits- und Imma-
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 3. Regelungsbereich des Brüssel I-Systems 1823 Auch bezüglich der Modalitäten der Prüfung von Amts wegen bringen die EuGVVO und das LugÜ Abgrenzungsprobleme.1337 Grundsätzlich bestimmt das nationale Recht, in welcher Weise die Prüfung von Amts wegen erfolgt. Insoweit räumen die EG-Verordnung und das Lugano-Übereinkommen den Mitglied- bzw. Vertragsstaaten einen Spielraum ein. So kann das nationale Recht den Richter verpflichten, zuständigkeitsrelevante Tatsachen nach der Inquisitionsmaxime selbst zu erforschen. Es kann jedoch auch anordnen, dass der Richter, der an der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts zweifelt, der interessierten Partei auferlegt, bestimmte Nachweise zu erbringen. 1824 Für alle Mitglied- bzw. Vertragsstaaten einheitlich gilt jedoch der europarechtliche Satz: Der Richter darf seine Zuständigkeit nicht aufgrund bloßer Behauptungen des Klägers/Antragstellers bejahen,1338 sondern nur dann, wenn er von der Existenz aller Umstände voll überzeugt ist, die seine Kompetenz begründen. Solange er diese Überzeugung nicht hat, kann bzw. muss er den Kläger auffordern, die notwendigen Beweise zu liefern. Werden die Beweise nicht erbracht, so ist die Klage als unzulässig abzuweisen. Andererseits besteht ein Verbot der Amtsprüfung bei kontradiktorischem Verfahren, Art. 24 EuGVVO/LugÜ. 4. Doppelrelevante Tatsachen 1825 Vorstehendes gilt auch für die sog. doppelrelevanten Tatsachen, also für solche, deren Vorliegen oder Nichtvorliegen sowohl für den Kompetenzbestand als auch für die Begründetheit der Klage relevant ist.1339 1826 Nach herrschender Meinung genügt für die Begründung der Zuständigkeit nach § 29 ZPO/Art. 5 Nr. 1 EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ bzw. nach § 32 ZPO/Art. 5 Nr. 3 EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ die Behauptung des Klägers/Antragstellers, die (tatsächlichen) Voraussetzungen des Kompetenztatbestandes lägen vor, Rz. 1494, 1526.1340 Dies genügt aber nicht; vielmehr ist erforderlich, dass der äußere Tat-
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terialgüterrechtsverletzungen, 1999, 97. Siehe auch Schoibl in Festschrift Schütze, 1999, 777. Zu Art. 20 EuGVÜ/LugÜ R. Geimer WM 1986, 241; Ost, Doppelrelevante Tatsachen im Internationalen Zivilverfahrensrecht – Zur Prüfung der internationalen Zuständigkeit bei den Gerichtsständen des Erfüllungsortes und der unerlaubten Handlung, Diss. Heidelberg 2002, 164 ff.; Schoibl in Festschrift Schütze, 1999, 777; Schoibl in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, Anh. zu § 42 JN Rz. 1 ff. Anders die herrschende Meinung: Es genüge, wenn der Kläger die Zuständigkeitstatsachen schlüssig behauptet, vgl. z.B. BGH vom 30.10.2003, RIW 2004, 228; KG vom 30.1.2001, NJW-RR 2001, 1509, 1510. Nachweise bei Stein/Jonas/H. Roth, ZPO22, 2003, § 1 Rz. 21, § 29 Rz. 57 § 32 Rz. 15. BGH vom 25.11.1993, NJW 1994, 1411, 1413 = ZZP 108 (1995), 359 (H. Koch) = LM § 32 ZPO Nr. 15 (R. Geimer); BGH vom 28.2.1996, BGHZ 132, 105 = NJW 1996, 1411 = FamRZ 1996, 601 = IPRax 1997, 187 (Mankowski 173) = JZ 1997, 88 (Gottwald) = LM § 29 ZPO Nr. 8 (R. Geimer) = ZZPInt 2 (1997), 117 (U. Wolf) = IPRspr. 1996 Nr. 142; OLG München vom 23.7.1996, NJW-RR 1997, 229 = TranspR 1997, 33 = IPRspr. 1996 Nr. 151; Mansel IPRax 1989, 86; Kubis, Internationale Zuständigkeit bei
Prüfung bestand eines Vertragsabschlusses bzw. eines Delikts etc. gegeben ist.1341 Ob die subjektiven Voraussetzungen vorliegen oder nicht, spielt keine Rolle. Dies ist vielmehr eine Frage der Begründetheit der Klage. Für die Zuständigkeitsprüfung irrelevant ist z.B. der Einwand des Dissenses oder der Irrtumsanfechtung. Nicht ausreichend ist jedoch die unsubstantiierte Behauptung des Klägers, es habe ein Vertragsabschluss stattgefunden, sonst würde im Versäumnisfall die Gerichtspflichtigkeit des Beklagten unzumutbar ausgeweitet werden. Nimmt der Beklagte am Verfahren nicht teil, bzw. rügt der Beklagte die internationale Unzuständigkeit, so hat das Gericht im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung1342 zu untersuchen, ob Tatsachen vorliegen, die möglicherweise auf einen Vertragsabschluss hindeuten.1343 Ob dagegen ein Vertrag wirksam zustande gekommen ist, gehört nicht mehr zur Zuständigkeitsprüfung, sondern zur Begründetheit der Klage. § 29 ZPO und Art. 5 Nr. 1 EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ umfassen also auch solche Fälle, in denen gerade darum gestritten wird, ob ein Vertrag vorliegt oder nicht.1344 Gleiches gilt für die Zuständigkeitsprüfung gemäß § 32 ZPO bzw. Art. 5 Nr. 3 1827 EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ. Das Gericht hat zu untersuchen, ob der vom Kläger behauptete Geschehensablauf, der u.U. die Klage begründen könnte, tatsächlich stattgefunden hat. Ob dieser Sachverhalt jedoch das Klagebegehren stützen kann, ist nicht eine Frage der Zulässigkeit der Klage, sondern der Begründetheit. Wird z.B. die Klage auf einen Verkehrsunfall gestützt, so muss das Gericht im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung untersuchen, ob überhaupt ein Zusammenstoß oder ein sonstiger Schädigungsvorgang stattgefunden hat.
IV. Maßgeblicher Zeitpunkt für das Vorliegen der Zuständigkeitstatsachen 1. Eintritt der Zuständigkeitsvoraussetzungen erst während des Rechtsstreits Es ist ausreichend, dass die Zuständigkeitstatsachen erst während des Rechtsstreits eingetreten sind; denn es wäre unsinnig, eine Klage abzuweisen, die so-
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Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechtsverletzungen, 1999, 95; M. Stürner IPRax 2006, 450, 451; Weller, IPRax 2000, 202, 204. Anders Schumann in Festschrift Nagel, 1987, 420. Umfangreiche Nachweise bei Ost, Doppelrelevante Tatsachen im Internationalen Zivilverfahrensrecht – Zur Prüfung der internationalen Zuständigkeit bei den Gerichtsständen des Erfüllungsortes und der unerlaubten Handlung, Diss. Heidelberg 2002, 23 ff., 57, 61, 65. R. Geimer BerDGVR 33 (1994), 213, 241; zustimmend Trunk IPRax 1998, 448, 450; Rosenkranz IPRax 2007, 524, 525. Noch weiter geht Mankowski, Die Lehre von den doppelrelevanten Tatsachen auf dem Prüfstand der internationalen Zuständigkeit, IPRax 2006, 454. Er verlangt vollen Beweis aller Tatbestandselemente. Art. 26 I EuGVVO/LugÜ. R. Geimer WM 1986, 119. Großzügiger BGH RIW 1986, 992 = EWiR 1986, 991 (R. Geimer), der sich mit „schlüssigem Vortrag der die Zuständigkeit begründenden Tatsachen“ begnügt. Differenzierend Kubis, Internationale Zuständigkeit bei Persönlichkeits- und Immaterialgüterrechtsverletzungen, 1999, 99 ff.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit fort wiederholt werden könnte. Maßgebender Zeitpunkt ist die letzte mündliche Verhandlung bzw. der dieser gleichgestellte Zeitpunkt; auch in der Revisionsinstanz ist die Einbürgerung noch zu beachten.1345 Es genügt, dass die Voraussetzungen für die Bejahung der internationalen Zuständigkeit während des Revisionsverfahrens unstreitig oder offenkundig eingetreten sind.1346 1829 Ist die Einbürgerung beantragt und kommt es für die Bejahung der deutschen internationalen Zuständigkeit auf die deutsche Staatsangehörigkeit einer Partei an, weil die Voraussetzungen des § 98 I Nr. 2–4 FamFG (früher § 606a I 1 Nr. 2–4 ZPO) nicht vorliegen, so ist der Eherechtsstreit auszusetzen.1347 Gleiches gilt auch für Lebenspartnerschaftssachen, § 103 I Nr. 1 FamFG (früher § 661 III ZPO). 2. Fortfall der Zuständigkeitsvoraussetzungen während des Rechtsstreits 1830 Es ist bestritten, ob der Grundsatz der perpetuatio fori (§ 261 III Nr. 2 ZPO) auch für die internationale Zuständigkeit1348 gilt.1349 1345 BGH vom 17.12.1969, BGHZ 53, 128 = FamRZ 1970, 139 = MDR 1970, 309 = NJW 1970, 1007 = IPRspr. 1968–1969 Nr. 209; BGH vom 21.2.1975, StAZ 1975, 338 = IPRspr. 1975 Nr. 55; BGH vom 27.10.1976, NJW 1977, 498 = FamRZ 1977, 46 = IPRspr. 1976 Nr. 87. 1346 Mankowski in Festschrift Heldrich, 2005, 867, 875. 1347 OLG Hamburg JW 1937, 963; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 606a Rz. 40. 1348 Er gilt nicht für die Gerichtsbarkeit, Rz. 843g. 1349 Dafür Hellwig, Lehrbuch des Deutschen Civilprozessrechts, 1903, 98; Soergel/Kronke, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 38 EGBGB Anh. IV Rz. 46; Neuner, Internationale Zuständigkeit, 1929, 43; Bergmann JW 1932, 601; Massfeller DJ 1936, 8681; Matthies, Die deutsche internationale Zuständigkeit, 1955, 76 ff.; Reu, Die staatliche Zuständigkeit im IPR, 1938, 194; Rabel, Conflicts of Laws I2 1958, 484; Pagenstecher RabelsZ 22 (1937), 449 ff. (mit der Einschränkung, dass der Zweck eines deutschen Gesetzes nicht vereitelt werden dürfe); R. Geimer JZ 1979, 648; OLG Celle vom 24.10.1989, RIW 1990, 320 = IPRspr. 1989 Nr. 196. Ebenso aus schweizerischer Sicht Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 112. Dagegen Damrau in Festschrift Bosch, 1976, 103 ff. mit weiteren Nachweisen; Jakobs, Die perpetuatio fori im internationalen Recht des Zivilprozesses und der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Diss. Köln 1962, 75, 85 (Ausnahme: § 24 ZPO, wenn Grundstück durch Grenzänderung nicht mehr zum deutschen Staatsgebiet gehört, und Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit in den Fällen des § 98 I Nr. 1 FamFG, vormals § 606a ZPO). Nachweise bei Mitzkus, Internationale Zuständigkeit im Vormundschafts-, Pflegschafts- und Sorgerecht, 1982, 247 ff.; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 111; Pollinger, Intertemporales Zivilprozessrecht, Diss. München 1988, 60 ff.; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 606a ZPO Rz. 294. Durch die Neufassung des Satzes 2 des § 29 JN mit Wirkung ab 1.1.1998 durch die Erweiterte Wertgrenzen-Novelle 1997 (WGN 1997) hat der österr. Gesetzgeber klargestellt, dass der Grundsatz der perpetuatio fori auch für die internationale Zuständigkeit gilt, hierzu Heiss/Mayr IPRax 1999, 305, 306. Zu unterscheiden von dem vorstehenden Fragenkomplex ist die Frage der perpetuatio fori bei der Prüfung der internationalen Zuständigkeit des Erststaates aus Anlass der Anerkennung bzw. Vollstreckung ausländischer Entscheidungen, Rz. 2902.
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Prüfung Aus der Rechtsnatur des Arrestprozesses als eines summarischen Eilverfahrens 1831 ergibt sich, dass hier Rechtshängigkeit bereits mit Einreichung des Antrags begründet wird, also nicht erst mit seiner Zustellung.1350 3. Stellungnahme Das Problem der perpetuatio competentiae internationalis1351 wird in der Praxis vorwiegend in Statussachen, vor allem in Ehesachen,1352 aktuell.
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Beispiel: Der letzte/einzige sich in Deutschland gewöhnlich aufhaltende Ehegatte (§ 98 I Nr. 4 FamFG, vorher § 606a I 1 Nr. 4 ZPO, Rz. 1279) einer Ausländerehe (bei Beteiligung eines deutschen Partners käme § 98 I Nr. 1 FamFG [früher § 606a I 1 Nr. 1 ZPO] zum Zuge, Rz. 1323) verzieht ins Ausland oder wird dorthin gegen seinen Willen von der Ausländerbehörde abgeschoben.1353 Im Anwendungsbereich der §§ 12–40 ZPO sind nur wenige Fälle bekannt geworden: Internationale Zuständigkeit gemäß § 23 ZPO, da dem Beklagten eine inländische Forderung zustand. Diese ging während des Prozesses durch Aufrechnung bzw. Erfüllung unter.1354 Angesichts der Vielzahl der Zuständigkeitsanknüpfungen (§§ 20–40 ZPO) dürfte 1833 bei Wegfall der tatsächlichen Voraussetzungen eines Gerichtsstandes die internationale Zuständigkeit Deutschlands meistens unberührt bleiben, da eine andere Zuständigkeitsanknüpfung Platz greift: Wer seinen Wohnsitz während des Prozesses ins Ausland verlegt, hat meistens noch Vermögen im Inland (§ 23 ZPO), z.B. Ansprüche auf Lohnsteuerrückerstattung, Ansprüche aus der Sozialversicherung oder Lebensversicherung etc. oder aus einem Kontokorrentverhältnis mit einer deutschen Bank. Gleichwohl sind Fälle denkbar, in denen die deutsche internationale Zuständig- 1834 keit von der (unmittelbaren oder analogen) Anwendung des § 261 III Nr. 2 ZPO abhängt: ein exterritorialer Deutscher, der nie in Deutschland wohnte, verliert seine Exterritorialität (§ 15 ZPO); ein ausländisches Unternehmen löst seine Niederlassung in Deutschland auf (§ 21 ZPO); das streitgegenständliche Grundstück wird durch Grenzverschiebung Ausland (§ 24 ZPO).1355 1350 OLG Hamburg vom 8.6.1989, IPRax 1990, 400 (Mankowski/Kerfack 372) = RIW 1990, 225 = TranspR 1989, 374 (Mankowski TranspR 1990, 213) = IPRspr. 1989 Nr. 67. 1351 von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht9, 2007, § 3 Rz. 69 ff. 1352 Hierzu Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 606a ZPO Rz. 294 ff. 1353 OLG Hamm vom 12.6.1985, IPRspr. 1985 Nr. 58. 1354 RG vom 7.6.1904, RGZ 58, 258 wandte § 263 II Nr. 2 = jetzt § 261 III Nr. 2 ZPO an. Siehe auch OLG Hamburg vom 22.8.1995, NJW-RR 1996, 203 = IPRspr. 1996 Nr. 115a: „Zumindest im Rahmen des § 23 ZPO, der allein an das inländische Vermögen anknüpft, ist der Grundsatz der perpetuatio fori uneingeschränkt zu bejahen. Andernfalls könnte sich der ausländische Beklagte durch Verlagerung seines Vermögens während des Prozesses ohne weiteres dem inländischen Verfahren entziehen.“ Dieses Urteil wurde vom BGH vom 24.4.1996, NJW 1996, 2096 = FamRZ 1996, 855 = IPRax 1998, 211 (Michaels 192) = MDR 1996, 819 = ZEV 1996, 225 (Mankowski) = IPRspr. 1996 Nr. 115b bestätigt. 1355 Weitere Beispiele bei Damrau in Festschrift Bosch, 1976, 116.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 1835 In all diesen Fällen bleibt die internationale Zuständigkeit Deutschlands trotz Wegfalls der Zuständigkeitstatsachen unberührt.1356 Maßgebend sollte der Schutz des Vertrauens des Klägers in den fortbestehenden Anspruch auf Justizgewährung sein.1357 Die Zulässigkeit der Klage soll im Interesse der Rechtssicherheit für den Kläger möglichst voraussehbar sein. Verschiebungen der Zuständigkeitstatsachen nach Klageerhebung können nicht zu seinen Lasten gehen. Sein Anspruch auf Justizgewährung im Inland (Rz. 1906) sollte nicht durch nachträgliche Veränderungen des Sachverhalts, die ja vorwiegend in der Sphäre des Beklagten, sicher aber nicht in der des Klägers liegen, in Frage gestellt werden. Auf einem anderen Blatt steht, ob dem Kläger mit einem deutschen Urteil noch genützt ist. Dies zu entscheiden, ist aber allein seine Sache. Will er aufgrund der neuen Situation den Rechtsstreit nicht mehr weiter betreiben, so sollte man ihm die Möglichkeit geben, ohne Einwilligung des Beklagten die Klage zurückzunehmen. 1836 Beispiel: Beklagter verzieht ins Ausland und transferiert auch dorthin sein Vermögen. 1837 Die in der bisherigen Diskussion gegen die perpetuatio vorgebrachten Argumente überzeugen nicht: Wenn es für die internationale Zuständigkeit Deutschlands nicht auf die Anerkennung des deutschen Urteils durch das Ausland ankommt, dann spielt dieser Gesichtspunkt auch im Rahmen des hier erörterten Problems keine Rolle. Das Gleiche gilt für das Souveränitätsargument in den Fällen des § 24 ZPO.1358 4. Perpetuatio competentiae internationalis in der freiwilligen Gerichtsbarkeit 1838 Auch für die freiwillige Gerichtsbarkeit wird die perpetuatio competentiae internationalis kontrovers diskutiert.1359 Art. 1 MSA stellt auf den Zeitpunkt ab, in dem die Schutzmaßnahme erfolgen soll. Die einmal begründete internationale Zuständigkeit Deutschlands entfällt, wenn der Minderjährige während der Rechtshängigkeit des Verfahrens seinen 1356 BAG vom 29.6.1978, NJW 1979, 1119 = JZ 1979, 647 (R. Geimer) = IPRspr. 1978 Nr. 144. 1357 R. Geimer NJW 1987, 3085. 1358 Nach Damrau a.a.O. 113 verlangt das staatliche Interesse die Prozessabweisung: Der inländische Prozessapparat werde dadurch am geringsten belastet. Dieses Interesse ist aber gegenüber dem Justizgewährungsanspruch des Klägers zweitrangig. 1359 OLG Düsseldorf FamRZ 1981, 1005; BayObLG vom 11.2.1982, FamRZ 1982, 640 = IPRspr. 1982 Nr. 194; Mitzkus, Internationale Zuständigkeit im Vormundschafts-, Pflegschafts- und Sorgerecht, 1982, 259. Für perpetuatio fori Walther J. Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit7, 1983, § 11 III A 3d; dagegen KG vom 5.11.1997, NJW 1998, 1565 = IPRax 1998, 274, 275 (Henrich 247); Brehm, Freiwillige Gerichtsbarkeit3, 2002, Rz. 182, „wenn in einer besonderen Schutzpflicht die internationale Zuständigkeit begründet war und dieser Anknüpfungspunkt weggefallen ist“. Skeptisch auch Adam, Internationaler Versorgungsausgleich, 1985, 108 Fußn. 53. Die Frage offen lassend BGH vom 5.6.2002, BGHZ 151, 63 = NJW 2002, 2955 = FamRZ 2002, 1182 (Henrich) = IPRax 2003, 145 (Bauer) = MDR 2002, 1250 = IPRspr. 2002 Nr. 100.
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Prüfung gewöhnlichen Aufenthalt in einen anderen Vertragsstaat verlegt.1360 Zieht er jedoch in einen Nichtvertragsstaat, dann gilt das autonome deutsche internationale Zivilverfahrensrecht.1361 Hat das deutsche Gericht vor Aufenthaltswechsel bereits eine (einstweilige) Anordnung erlassen, so bleibt diese nach Art. 5 I MSA bestehen, auch wenn sie noch in der Rechtsmittelinstanz voll überprüft werden kann.1362 5. Internationale Insolvenzzuständigkeit Der Wegfall der bei Antragstellung gegebenen Zuständigkeitstatsachen lässt die 1839 internationale Zuständigkeit Deutschlands nicht entfallen, Rz. 3470. Es genügt aber auch, wenn während des Eröffnungsverfahrens die Zuständigkeitstatsachen eintreten.1363
V. Reihenfolge der Prüfung der internationalen Zuständigkeit im Gefüge der einzelnen Prozessvoraussetzungen Nach herrschender Meinung ist die örtliche Zuständigkeit vor der internationalen Zuständigkeit zu prüfen.1364 Dies kann nur bedeuten, dass nur das nach den Regeln der §§ 12 ff. ZPO bzw. der §§ 122, 152, 170, 232, 267, 270 FamFG1365 ermittelte deutsche Gericht die Befugnis haben soll, rechtskraftfähig über das Vorliegen oder Nichtvorliegen der deutschen internationalen Zuständigkeit zu entscheiden.1366 Hierzu sollte jedoch jedes deutsche Zivilgericht befugt sein. Vgl. auch Rz. 1547.
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Vor der internationalen Zuständigkeit ist aber in jedem Fall die Zulässigkeit des 1841 Rechtsweges zu prüfen.1367 Wurde z.B. ein Scheidungsantrag vor einem Verwaltungsgericht anhängig gemacht, so erfolgt Antragsabweisung wegen Unzulässig-
1360 AG Bingen vom 28.3.1985, IPRspr. 1985 Nr. 73; OLG Stuttgart vom 6.7.1989, OLGZ 1989, 419 = NJW-RR 1989, 1355 = FamRZ 1989, 1110, 1111 = IPRspr. 1989 Nr. 130. 1361 KG vom 5.11.1997, NJW 1998, 1565 = IPRax 1998, 274, 275 (Henrich 247). 1362 OLG Hamburg vom 1.11.1985, IPRax 1986, 386 (Henrich) = IPRspr. 1985 Nr. 91. 1363 LG Stuttgart vom 16.11.1981, RIW 1983, 955 = IPRspr. 1982 Nr. 205. Siehe auch Art. 2 III des deutsch-österreichischen Konkurs- und Vergleichsvertrages. 1364 OLG Bremen vom 5.5.2000, informacones 2001, 114 = IPRspr. 2000/124; so schon Raape, Staatsangehörigkeitsprinzip und Scheidungsakt, 1943, 106 f.; Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 215, 322; Matthies, Die deutsche internationale Zuständigkeit, 1955, 62 ff.; Walchshöfer ZZP 80 (1967), 222 ff.; Pohle ZZP 81 (1968), 171; Beitzke FamRZ 1967, 592 bei Fußn. 6; kritisch Neuhaus FamRZ 1961, 540; Kralik ZZP 74 (1961), 36. 1365 Früher §§ 606, 640a I, 661 III ZPO. 1366 R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 104 Fußn. 42; R. Geimer NJW 1974, 1046; für Prüfung der internationalen Zuständigkeit vor der örtlichen Zuständigkeit Schima JBl. 1961, 508; Einmahl RabelsZ 34 (1970), 762 f. Für Prüfung frei nach Gesichtspunkten der Praktikabilität Roth IPRax 1989, 281. 1367 Weniger dezidiert Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 606a ZPO Rz. 42.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit keit des Rechtsweges oder Verweisung an ein Zivilgericht, nicht jedoch Abweisung mangels deutscher internationaler Zuständigkeit. Die diffizile Frage der internationalen Zuständigkeit bleibt der Entscheidung der ordentlichen Gerichte (Zivilgerichte) vorbehalten. 1842 Die internationale Zuständigkeit setzt zwar rechtslogisch die Bejahung der Gerichtsbarkeit voraus.1368 Dies hindert jedoch nicht, die Klage wegen internationaler Unzuständigkeit abzuweisen und die Frage der Gerichtsbarkeit offen zu lassen, Rz. 846.
VI. Entscheidung über die internationale Zuständigkeit 1. Endurteile 1843 Eine ausdrückliche Entscheidung zur internationalen Zuständigkeit ergeht in der Regel nicht. Vielmehr prüft das Gericht die internationale Zuständigkeit nur incidenter (präjudizielle Prüfung). Kommt es zu dem Ergebnis, dass die internationale Zuständigkeit fehlt, so weist es die Klage durch Prozessurteil ab, Rz. 1010. Bejaht es die internationale Zuständigkeit, so erwähnt es dies in der Regel in den Gründen der Entscheidung. Vgl. aber Rz. 1848. 1844 In beiden Fällen ist die Zuständigkeitsfrage nach herrschender Meinung gleichwohl Gegenstand der res iudicata-Wirkung, obwohl sie nicht im Tenor entschieden ist. Das Prozessurteil stellt fest, dass die internationale Zuständigkeit zum Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung fehlt.1369 Dies kann in einem zweiten Prozess bei unverändertem Sachverhalt und unveränderten Parteirollen nicht in Frage gestellt werden. (Im zweiten Prozess ist aber die Behauptung nicht präkludiert, der Beklagte habe nunmehr seinen Wohnsitz ins Inland verlegt oder in der Zwischenzeit Vermögen im Inland erworben etc.) 1845 Auch ein in der Sache (positiv oder negativ) entscheidendes Urteil (Sachurteil) enthält die von der res iudicata-Wirkung erfasste Feststellung der Zulässigkeit der Klage, mithin auch die Feststellung, dass die internationale Zuständigkeit zum Zeitpunkt des Urteilserlasses gegeben ist. Es handelt sich nicht um eine bloße Vorfrage, die an der Rechtskraft nicht teilnimmt, sondern um einen selbständigen Teilausspruch des Urteils, der nur in dem Tenor nicht ausdrücklich hervorgehoben ist.1370
1368 Vgl. auch Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 479 ff. 1369 Innerprozessual verneint OLG Düsseldorf vom 11.8.1994, RIW 1996, 598 = IPRspr. 1995 Nr. 140a (bestätigt durch BGH vom 17.1.1985, IPRspr. 1995 Nr. 140b) eine Bindung des Rechtsmittelgerichts an seine eigene die internationale Zuständigkeit Deutschlands bejahende Entscheidung, wenn der Rechtsstreit nach Zurückverweisung an die untere Instanz im „zweiten Durchgang“ wieder zum Rechtsmittelgericht kommt. Im konkreten Fall hatte das OLG Düsseldorf 1989 die internationale Zuständigkeit gemäß § 23 ZPO bejaht und die Sache an das LG zurückverwiesen. Nunmehr wollte es unter Hinweis auf BGHZ 115, 90 (Rz. 1077a) § 23 ZPO nicht mehr anwenden, weil eine „objektive“ Zuständigkeitserschleichung vorliege. 1370 R. Geimer WM 1986, 120.
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Prüfung Beispiel: Wurde die Klage als zurzeit unbegründet abgewiesen (z.B. wegen noch nicht eingetretener Fälligkeit), so kann im zweiten Prozess (Kläger behauptet nunmehr die Fälligkeit) wegen der Feststellungswirkung des ersten Urteils nicht die Zulässigkeit der zweiten Klage insgesamt und daher auch nicht die internationale Zuständigkeit verneint werden.1371
1846
Fehlentscheidungen zur Frage der internationalen Zuständigkeit werden mithin nach herrschender Meinung mit Eintritt der Unanfechtbarkeit nicht nur für den konkreten Prozess „geheilt“, sondern qua Postulierung einer res iudicata-Wirkung auch mit Wirkung für künftige Prozesse perpetuiert.1372
1847
2. Zwischenurteil Denkbar ist auch der Erlass eines Zwischenurteils (§ 280 ZPO), aber nur, wenn – 1848 möglicherweise erst in der Rechtsmittelinstanz (Rz. 1863) – die internationale Zuständigkeit bejaht wird (anderenfalls erfolgt Prozessabweisung durch Endurteil, Rz. 1843).1373 Stellt dieses Urteil generell fest, dass die Klage zulässig ist, wird wiederum nur incidenter über die internationale Zuständigkeit entschieden; anders ist es aber, wenn es feststellt, dass die Prozessvoraussetzung „internationale Zuständigkeit“ gegeben ist. Bejaht das Zwischenurteil verbis expressis nur die örtliche Zuständigkeit, dann liegt darin auch die Feststellung, dass die internationale Zuständigkeit gegeben ist.1374 Eine Ausnahme ist nur in den Fällen zu machen, in denen die Doppelfunktionsregel nicht gilt, Rz. 949. Ein Zwischenurteil entfaltet nur eine innerprozessuale Bindungswirkung, keine res iudicata-Wirkung für nachfolgende Verfahren.
1849
3. Keine Verweisung ins Ausland Verneint das Gericht die internationale Zuständigkeit der Bundesrepublik 1850 Deutschland, dann ist die Klage als unzulässig abzuweisen. Eine Verweisung an ein ausländisches Gericht findet nicht statt, Rz. 1010.
1371 Plastisch die Konzeption Walther J. Habscheids (Der Streitgegenstand im Zivilprozess und im Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, 1956, 141 ff.), der Streitgegenstand umfasse – neben der Rechtsfolgebehauptung – auch die Verfahrensbehauptung des Klägers, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Klage gegeben seien. Blomeyer (Zivilprozessrecht – Erkenntnisverfahren2, 1985, § 40 II) meint, jedes Verfahren habe zwei Streitgegenstände, einen sachlichen und einen prozessualen (= Vorliegen der Prozessvoraussetzungen). 1372 Kritisch R. Geimer WM 1986, 120. 1373 Ausführlich Ost, Doppelrelevante Tatsachen im Internationalen Zivilverfahrensrecht – Zur Prüfung der internationalen Zuständigkeit bei den Gerichtsständen des Erfüllungsortes und der unerlaubten Handlung, Diss. Heidelberg 2002, 62 ff. 1374 Anderer Auffassung OLG München vom 22.6.1983, IPRax 1984, 319 (Jayme 303) = IPRspr. 1983 Nr. 129b.
643
Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 4. Keine Feststellung, welche(r) Staat(en) international zuständig wäre(n) 1851 Ob die aus deutscher Sicht (§ 328 I Nr. 1 ZPO) international zuständigen Gerichte sich der Sache annehmen werden, also sich aufgrund ihres eigenen Zuständigkeitsrechts für international zuständig erachten und auch sonst bereit sind, Rechtsschutz zu gewähren, braucht das deutsche Gericht grundsätzlich nicht zu prüfen. 1852 Eine Ausnahme gilt nur, wenn eine Not- bzw. Ersatzzuständigkeit Deutschlands (Rz. 1030) geltend gemacht wird. 1853 Von Amts wegen, also ohne Antrag bzw. ohne Rüge des Klägers, braucht das Gericht jedoch nicht zu untersuchen, ob Deutschland im konkreten Fall eine internationale Not- bzw. Ersatzzuständigkeit eröffnen muss. Den Kläger trifft also die Darlegungs – und Beweislast dafür, dass nirgendwo anders auf dieser Welt ihm Rechtsschutz gewährt wird. Dieser Beweis wird sich in vielen Fällen nur führen lassen, wenn der Kläger eine prozessabweisende Entscheidung des/der aus der Sicht des deutschen Rechts (§ 328 I Nr. 1 ZPO) international zuständigen Staates/-en vorlegt. Die Rechtskraft der deutschen (ersten) Prozessabweisung steht dann der Wiederholung des Rechtsstreits vor deutschen Gerichten nicht entgegen. Vgl. auch Rz. 1766, 1782. 5. Bindungswirkung gemäß § 281 II ZPO 1854 Verweist ein deutsches Gericht an ein anderes wegen örtlicher Unzuständigkeit, so gilt die Bindung gemäß § 281 II ZPO auch für die internationale Zuständigkeit, wenn das verweisende Gericht die Frage der internationalen Zuständigkeit geprüft hat.1375 Vgl. auch Rz. 1848. 6. Bindungswirkung gemäß § 36 I Nr. 6 ZPO und § 5 FamFG 1854a Nach herrschender Meinung wird im Zuständigkeitsbestimmungsverfahren nur über die örtliche Zuständigkeit bindend entschieden. Das so als örtlich zuständig bestimmte Gericht hat über das Vorliegen der internationalen Zuständigkeit Deutschlands zu befinden. Für Prüfung der internationalen (Un-) Zuständigkeit Deutschlands bereits im Verfahren nach § 36 I Nr. 6 ZPO/§ 5 FGG (nunmehr § 5 Nr. 1 FamFG) plädiert aber Herbert Roth.1376 Dann hätte wohl – was Roth nicht erörtert – (im Falle der internationalen Unzuständigkeit) das Bestimmungsgericht den Antrag/die Klage als unzulässig zu verwerfen/abzuweisen. 7. Prozessvergleich 1854b
Eine Entscheidung über die internationale Zuständigkeit erübrigt sich, wenn die Parteien einen Prozessvergleich (§ 794 I Nr. 1 ZPO) schließen. Dessen Beurkun-
1375 Anderer Auffassung OLG Karlsruhe vom 15.7.1988, NJW-RR 1989, 187 = IPRspr. 1988 Nr. 160; Schütze RIW 1995, 630; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 108. 1376 Herbert Roth IPRax 1989, 281.
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Prüfung dung ist auch zulässig, wenn Deutschland für die Sachentscheidung international unzuständig wäre, Rz. 1216a. Vgl. auch Rz. 554a. 8. Vollstreckbare Urkunde Auch die Errichtung einer vollstreckbaren Urkunde (§ 794 I Nr. 5 ZPO) setzt 1854c nicht die internationale Zuständigkeit Deutschlands für den hypothetischen Rechtsstreit über den zu titulierenden Anspruch voraus, 1216.
VII. Nachprüfung der Entscheidung über die internationale Zuständigkeit durch die Rechtsmittelgerichte 1. Unanwendbarkeit von § 513 II und § 545 II ZPO §§ 513 II, 545 II ZPO stehen einer Nachprüfung der internationalen Zuständig- 1855 keit nicht entgegen, Rz. 1009. Diese betreffen nur die örtliche und sachliche Zuständigkeit.1377 Das Gleiche gilt für § 571 II 2 und § 576 II ZPO sowie für §§ 65 IV, 72 II FamFG. 1377 BGH vom 28.11.2002, BGHZ 153, 82 = NJW 2003, 426, 427 (Leible 407) = RIW 2003, 147 = IHR 2003, 32 = IPRax 2003, 346 (Piekenbrock/Schulze 328) = JZ 2003, 850 (Staudinger) = ZIP 2003, 685 = ZZPInt 8 (2003), 481 (Mörsdorf-Schulte 407) = ZZP 117 (2004), 87 (Oberhammer) = LMK 2003, 79 (Pfeiffer) = IPRspr. 2002 Nr. 157; BGH vom 27.5.2003, NJW 2003, 2916 = IPRax 2004, 59 (Mörsdorf-Schulte 59) = NZI 2003, 545 = LMK 2004, 14 (Leible); BGH vom 16.12.2003, BGHZ 157, 224 = MDR 2004, 707 = RIW 2004, 300 = BB 2004, 459 = WM 2004, 376, 377; BGH vom 7.12.2004 IPRax 2006, 40 (Looschelders 14) = MDR 2005, 587 = RIW 2005, 307, 309 = WM 2005, 339, 341 = NJW-RR 2005, 581, 583 = BGH-Report 2005, 595 (Schneider) = IPRspr. 2004 Nr. 130; hierzu Mankowski RIW 2005, 561, 568 und Kröll EWiR 2005, 635; BGH vom 24.2.2005, BGHZ 162, 246 = NJW 2005, 1788 = MDR 2005, 1066 = BGHReport 2005, 997 = GRUR 2005, 519 = WRP 2005, 735 = IPRspr. 2005 Nr. 98; BGH vom 19.4.2007, BGHReport 2007, 1193, 1194; OLG Celle vom 14.8.2002, IPRax 2003, 252 (Pfeiffer 233); OLG Düsseldorf vom 3.4.2003, RIW 2004, 230; Staudinger IPRax 2001, 298; Mankowski RIW 2004, 587, 591; Mankowski in Dieterich/Neef/Schwab (ed.), Arbeitsrecht-Blattei sub Arbeitsgerichtsbarkeit V – E. Internationale Zuständigkeit 160.5.5 Rz. 15; Piekenbrock/Schulze IPRax 2003, 1; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 606a ZPO Rz. 38. Zum alten Recht BGH Großer Senat vom 14.6.1965, BGHZ 44, 46 = NJW 1965, 1665 = IPRspr. 1964–1965 Nr. 224; BGH vom 30.5.1983, RIW 1983, 872, 874 = NJW 1983, 2772 = IPRax 1985, 27 (Trappe 8) = IPRspr. 1983 Nr. 128b; hierzu Mann NJW 1984, 2741 sowie Rabe TranspR 1985, 83; BGH vom 5.5.1981, BGHZ 84, 17 = NJW 1982, 1947 = RIW 1982, 592 = IPRax 1983, 33, 34 (Beitzke 16) = IPRspr. 1982 Nr. 136; BGH vom 11.1.1990, NJW 1990, 990 = RIW 1990, 221 = IPRax 1991, 183 (Flessner/Schulz 162) = IPRspr. 1990 Nr. 164; BGH vom 2.7.1991, BGHZ 115, 90 = NJW 1991, 3092 (R. Geimer 3072) = MDR 1991, 988 = RIW 1991, 856 (Fischer RIW 1992, 57) = JZ 1992, 51 (Schack) = LM § 23 ZPO Nr. 7 (Pfeiffer) = IPRax 1992, 160 (Schlosser 140) = DWiR 1991, 245 (Schütze 239) = IPRspr. 1991 Nr. 166b; BGH vom 4.12.1996, NJW-RR 1997, 690 = IPRspr. 1996 Nr. 162; OLG München IPRax 1983, 122 (Jayme 105); BAG vom 27.1.1983, NJW 1984, 1320 = RIW 1984, 316 = IPRax 1985, 276 (E. Lorenz 256) = IPRspr. 1983 Nr. 131; BGH vom 21.11.1996, BGHZ 134, 127 = NJW 1997, 397 = IPRax 1999, 367 (Dörner/Staudinger 338) = RIW 1997, 149 = ZZP 110 (1997), 353 (Pfeiffer)
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 1856 Stellt sich bei der Nachprüfung durch das Rechtsmittelgericht heraus, dass zwar ein Gerichtsstand im Inland gegeben, die internationale Zuständigkeit Deutschlands also zu bejahen ist, dass aber ein anderes Gericht örtlich zuständig ist, so greift allerdings das Verbot der §§ 513 II, 545 II, 571 II 2, 576 II ZPO bzw. §§ 65 IV, 72 II FamFG ein. Denn insoweit geht es nur um die örtliche Zuständigkeit.1378 1856a Bei der Prüfung der internationalen Zuständigkeit ist der Bundesgerichtshof – da es sich um eine Prozessvoraussetzung handelt (Rz. 1008) – an die tatsächlichen Feststellungen des Oberlandesgerichts nicht gebunden. Ob z.B. der Beklagte seinen Wohnsitz in Deutschland hat, prüft er selbständig auch in tatsächlicher Hinsicht.1379 Soweit dabei ausländisches Recht relevant sein kann, ist er ebenfalls an die Feststellungen des OLG nicht gebunden, Rz. 2606.1380 2. Bedeutung des § 39 ZPO und des Art. 24 EuGVVO/LugÜ 1857 In (vermögensrechtlichen) Rechtsstreitigkeiten, in denen die internationale Zuständigkeit durch rügelose Einlassung des Beklagten1381 begründet werden kann, darf – sofern der Beklagte am Verfahren teilgenommen hat – das Berufungsgericht bzw. das Revisionsgericht die internationale Zuständigkeit nur auf Rüge prüfen.1382 Daher kann auch die Frage, ob Deutschland international unzu-
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= LM § 38 Nr. 32 (R. Geimer) = WiB 1997, 494 (Ralle) = ZIP 1996, 2184 = IPRspr. 1996 Nr. 160; BAG vom 26.2.1985, NJW 1985, 2910 = IPRspr. 1985 Nr. 48; BAG AP § 13 BUrlG Nr. 11 = IPRspr. 1985 Nr. 49. Rechtsvergleichend Ishikawa in Festschrift Geimer, 2002, 365. Hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit gilt § 513 II ZPO nicht nur für End-, sondern auch für Zwischenurteile, BGH vom 10.11.1997, NJW 1998, 1230. So schon zu §§ 512a, 549 ZPO a.F. BGH vom 10.12.1976, BGHZ 68, 16 = NJW 1977, 900 = MDR 1977, 654 = JZ 1977, 849 = IPRspr. 1976 Nr. 212; BGH vom 16.12.1997, NJW 1998, 988 = RIW 1998, 475 = IPRax 1999, 172 (Knapp 161) = IPRspr. 1997 Nr. 163; OLG Hamburg vom 31.10.1985, RIW 1987, 149 = IPRspr. 1985 Nr. 45. BGH vom 2.7.1991, BGHZ 115, 90 = NJW 1991, 3092 (R. Geimer 3072) = MDR 1991, 988 = RIW 1991, 856 (Fischer RIW 1992, 57) = JZ 1992, 51 (Schack) = LM § 23 ZPO Nr. 7 (Pfeiffer) = IPRax 1992, 160 (Schlosser 140) = DWiR 1991, 245 (Schütze 239) = IPRspr. 1991 Nr. 166b (Rz. 1077a). Zur selbständigen Auslegung einer Zuständigkeitsvereinbarung durch das Revisionsgericht, wenn das OLG sich auf allgemeine Hinweise zu den Auslegungskriterien beschränkt hat, BGH vom 23.7.1998, NJW-RR 1999, 137 = RIW 1998, 964 = IPRax 1999, 246 (Schulze) = LM Nr. 1 zu Lugano-Übk. (R. Geimer) = IPRspr. 1998 Nr. 137. § 39 ZPO, Art. 18 EuGVÜ/LugÜ, Art. 24 EuGVVO. R. Geimer NJW 1971, 324; R. Geimer WM 1977, 68; R. Geimer WM 1986, 118; Martin, Prozessvoraussetzungen und Revision, 1974, 67 bei Fußn. 224; OLG München vom 22.3.1974, WM 1974, 583 = IPRspr. 1974 Nr. 149; BAG vom 10.4.1975, WM 1976, 194 = RIW 1975, 521 = IPRspr. 1975 Nr. 30b; BGH vom 21.11.1996, BGHZ 134, 127 = NJW 1997, 397 = IPRax 1999, 367 (Dörner/Staudinger 338) = RIW 1997, 149 = ZZP 110 (1997), 353 (Pfeiffer) = LM § 38 Nr. 32 (R. Geimer) = WiB 1997, 494 (Ralle) = ZIP 1996, 2184 = IPRspr. 1996 Nr. 160. Offen gelassen von BGH vom 24.9.1986, BGHZ 98, 263 = NJW 1987, 592 = MDR 1987, 228 = RIW 1986, 991 = JR 1987, 157 (Schlosser) = IPRax 2000, 159 (Hausmann 140) = MDR 1987, 228 = LM Nr. 9 zu § 175 ZPO = EWiR 1987, 93 (R. Geimer) = Rpfleger 1987, 26 = WM 1986, 1444 = IPRspr. 1986 Nr. 144. Anderer Auffassung BAG NJW 1985, 2910.
Prüfung ständig ist, weil eine internationale Zuständigkeitsvereinbarung nicht wirksam zustande gekommen sei, nur auf Rüge geprüft werden.1383 Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 39 ZPO und des Art. 24 EuGVVO/ LugÜ ist die internationale Zuständigkeit auch in der Berufungs- und Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen. Einer Verfahrensrüge bedarf es grundsätzlich nicht; eine Ausnahme gilt nur dann, wenn keine öffentlichen Interessen auf dem Spiele stehen, vgl. Rz. 1820.1384
1858
Der Beklagte muss während des ganzen Prozesses an seiner Rüge der internatio- 1859 nalen Unzuständigkeit festhalten. Hat er zwar rechtzeitig in limine litis die internationale Unzuständigkeit geltend gemacht, aber danach zu erkennen gegeben, dass er diese Rüge nicht mehr weiter verfolge, dann ist gemäß § 39 ZPO oder bzw. Art. 24 EuGVVO/LugÜ die internationale Zuständigkeit begründet. Legt der Beklagte Rechtsmittel ein, so muss er auch in der Rechtsmittelinstanz 1860 die Rüge der internationalen Unzuständigkeit weiterverfolgen. Anderenfalls liegt in dem Verzicht auf die Aufrechterhaltung des Einwandes der internationalen Unzuständigkeit eine vorbehaltlose Einlassung, mit der Folge, dass Deutschland international zuständig wird. Diese Rechtsfolge ergibt sich nicht erst aus der Prüfungsbeschränkung des § 532 ZPO, sondern bereits aus § 39 ZPO, Art. 24 EuGVVO/LugÜ.1385 Fazit: Soweit die deutsche internationale Zuständigkeit durch die rügelose Ein- 1861 lassung des Beklagten begründet werden kann (Rz. 1396), darf – sofern der Beklagte am Verfahren teilgenommen hat – das Berufungsgericht bzw. das Revisionsgericht die internationale Zuständigkeit nur auf Rüge prüfen, Rz. 1412. 3. Entscheidung des Rechtsmittelgerichts, wenn es in der Zuständigkeitsfrage zu einem anderen Ergebnis kommt als die Vorinstanz Verneint das Gericht erster Instanz die internationale Zuständigkeit und weist deshalb die Klage ab, kommt aber das Berufungsgericht zu dem Ergebnis, dass die internationale Zuständigkeit zu bejahen sei, so hebt es die Prozessabweisung auf und verweist den Rechtsstreit gemäß § 538 II Nr. 3 ZPO an die untere Instanz zurück.1386
1383 R. Geimer NJW 1971, 324. Anderer Auffassung BGH vom 30.1.1969, MDR 1969, 479 = IPRspr. 1968–1969 Nr. 202. Wie hier BAG vom 18.12.1967, WM 1968, 524 = BB 1968, 590 = AP Nr. 11 zu IPR-ArbeitsR (Beitzke) = IPRspr. 1966–1967 Nr. 52; BAG vom 18.6.1971, NJW 1971, 2143 (R. Geimer NJW 1972, 407) = IPRspr. 1971 Nr. 132. 1384 Doch dann kommt wohl auch § 39 ZPO wieder zum Zuge. 1385 R. Geimer NJW 1971, 342; R. Geimer WM 1986, 110 Fußn. 15. Wegen des Verhältnisses zum Rügeverlust Stein/Jonas/Bork, ZPO22, 2003, § 39 Rz. 16; OLG Köln vom 16.3.1988, NJW 1988, 2182 = RIW 1988, 555 = IPRspr. 1988 Nr. 157. Dagegen fordert BAG NJW 1985, 2910 eine Prüfung von Amts wegen. 1386 OLG Nürnberg vom 28.11.1984, NJW 1985, 1296 = RIW 1985, 890, 893 = IPRspr. 1984 Nr. 150.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 1863 Der Richter erster Instanz ist analog § 563 II ZPO an die Rechtsmeinung des Berufungsgerichts gebunden. Des Erlasses eines Zwischenurteils (Rz. 1848) durch das Berufungsgericht bedarf es nicht, jedoch ist ein solches zulässig.1387 1864 Ein solches Zwischenurteil ist selbständig rechtsmittelfähig, § 280 II 1 ZPO. Wird gegen das Zwischenurteil der Berufungsinstanz keine Revision eingelegt oder ist diese nicht statthaft, so ist die Frage der internationalen Zuständigkeit verbindlich entschieden. Dies hat für die erste und zweite Instanz keine praktische Bedeutung; denn die erste Instanz ist analog § 563 II ZPO gebunden und die zweite Instanz nach § 318 ZPO an ihre eigene Entscheidung. Bedeutsam wird die verbindliche Entscheidung über die internationale Zuständigkeit (§ 280 II 1 ZPO) nur für die Revisionsinstanz. Gelangt der Rechtsstreit „im zweiten Durchgang“, d.h. durch Rechtsmittel gegen die zweite landgerichtliche Entscheidung (die nach der Rückverweisung ergangen ist), durch Revision gegen das (bestätigende) Urteil des Oberlandesgerichts zum Bundesgerichtshof, so ist auch für diesen die Frage der internationalen Zuständigkeit verbindlich entschieden. Anders wäre es, wenn nur eine Aufhebung und Rückverweisung erfolgt wäre. 1865 Wenn das Gericht erster Instanz durch Zwischenurteil die deutsche internationale Zuständigkeit bejaht hat, das Berufungsgericht diese aber verneint, hat das Berufungsgericht nicht etwa das Zwischenurteil aufzuheben und die Sache gemäß § 538 II Nr. 3 ZPO an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen. Es hat vielmehr selbst die Klage durch Prozessurteil abzuweisen, Rz. 1843, 1848.1388 4. Anspruchskonkurrenz 1866 Ist nur für eine Anspruchsgrundlage die internationale Zuständigkeit gegeben, für die andere jedoch nicht, so ist nach herrschender Meinung1389 die Kognitionsbefugnis des angegangenen Gerichts beschränkt (anders die hier vertretene Meinung, Rz 1492, 1523).1390 1867 Beispiel: Eine internationale Zuständigkeit für vertragliche Anspruchsgrundlagen entfällt, weil der Erfüllungsort nicht im Inland liegt (§ 29 ZPO, Art. 5 Nr. 1 EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ). Ist aber ein Gerichtsstand gemäß § 32 ZPO bzw. Art. 5 Nr. 3 EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ gegeben, so ist nach der (hier abgelehnten) herrschenden Meinung die Kognitionsbefugnis des Gerichts auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung beschränkt. Die Eingrenzung der Kognitionsbefugnis führt zur Beschränkung des Streit- und Urteilsgegenstandes. Die Rechtskraft umfasst nicht diejenigen Anspruchsgrundlagen, die nicht Gegenstand der Kognitions1387 R. Geimer WM 1986, 121; R. Geimer IPRax 1986, 82. 1388 Beispiel: OLG Saarbrücken vom 2.10.1991, NJW 1992, 987 = RIW 1992, 670 = IPRax 1992, 165 (Rauscher 143) = IPRspr. 1991 Nr. 180. 1389 BGH vom 10.12.2002, BGH 153, 173 = NJW 2003, 828 = VersR 2003, 663 (Spickhoff) = ZIP 2003, 1860 = JZ 2003, 687 (Mankowski) = JR 2003, 374 (Humberg) = LMK 2003, 71 (Patzina) = IPRspr. 2002 Nr. 160; siehe auch Stein/Jonas/H. Roth, ZPO22, 2003, § 1 Rz. 7 ff. 24; § 29 Rz. 22; § 32 Rz. 16. 1390 Wie hier aber OLG Stuttgart vom 7.12.2005, NJW-RR 2006, 1362 = OLGR 2006, 452 = IPRspr. 2005 Nr. 128; hierzu Handorn, Internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte kraft Sachzusammenhangs, IHR 2007, 25.
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Prüfung befugnis waren, sofern sich das Gericht daran gehalten hat. Entscheidet jedoch das unzuständige Gericht unter Überschreitung seiner Kognitionsbefugnis auch über die vertraglichen Ansprüche und wird die Entscheidung unanfechtbar, so kann der Kläger im Gerichtsstaat seine vertraglichen Ansprüche nicht mehr geltend machen.1391 Hinsichtlich der Anspruchsgrundlage, für die eine internationale Zuständigkeit 1868 nicht gegeben ist, ist nach früher herrschender Meinung die Klage als unzulässig abzuweisen. Doch geschieht dies nicht im Tenor, sondern in den Gründen des Urteils. Wie ist zu tenorieren, wenn ein Zwischenurteil (§ 280 ZPO) erlassen werden soll? In diesem Fall ist aus der Sicht der früher herrschenden Meinung (Rz. 1492, 1523) im Tenor das Fehlen der internationalen Zuständigkeit bezüglich der einen Anspruchsgrundlage festzustellen. Durch Rechtsmittel gelangt der gesamte Zuständigkeitsstreit in die nächste Instanz, also auch bezüglich der Anspruchsgrundlage, hinsichtlich der die internationale Zuständigkeit verneint wird.1392
VIII. Klage auf Feststellung, dass Deutschland für einen bestimmten Rechtsstreit international zuständig ist Eine solche Feststellungsklage ist grundsätzlich unzulässig, da kein Feststellungsinteresse besteht. Es geht nicht an, die Frage, ob die internationale Zuständigkeit für einen hypothetischen Rechtsstreit zu bejahen sei, in einem (gesonderten) Feststellungsprozess zu klären.1393 Siehe auch Rz. 1113.
1869
Anders ist es, wenn zwischen den Parteien streitig ist, ob eine Zuständigkeitsvereinbarung wirksam ist, oder wenn Meinungsverschiedenheiten über deren Umfang bestehen, Rz. 1705.
1870
IX. Keine Bindung an die Zuständigkeitsentscheidung eines ausländischen Gerichts Das deutsche Gericht prüft die internationale Entscheidungszuständigkeit 1871 Deutschlands ohne Bindung an eine (positive oder negative) Zuständigkeitsentscheidung eines ausländischen Gerichts, Rz. 1784. Hat das ausländische Gericht seine Zuständigkeit mit der Begründung verneint, die deutschen Gerichte seien zuständig, etwa weil der Beklagte in München wohne, so ist diese Entscheidung für den deutschen Richter nicht bindend. Dieser prüft vielmehr anhand des für ihn maßgeblichen Zuständigkeitsrechts,1394 ob eine Zuständigkeit im Inland eröffnet ist. Dies gilt selbst dann, wenn in concreto die Prüfungsmaßstäbe (für den 1391 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 139; 393, 466. 1392 R. Geimer WM 1986, 121. Anderer Auffassung BGH vom 16.10.1984, NJW 1985, 561 = IPRax 1986, 102 (kritisch R. Geimer 86) = IPRspr. 1984 Nr. 145. 1393 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 941; R. Geimer WM 1986, 121. 1394 Art. 2 ff. EuGVÜ/LugÜ/EuGVVO oder §§ 12 ff. ZPO, Rz. 1263; 1278, 1643, 1887 ff.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit ausländischen und den inländischen Richter) übereinstimmen. Deshalb ist z.B. im Anwendungsbereich der EuGVVO und des LugÜ der deutsche Richter bei seiner Zuständigkeitsprüfung1395 auch dann nicht gebunden, wenn ein Gericht eines anderen Vertragsstaates die Klage wegen internationaler Unzuständigkeit abgewiesen hat mit der Begründung, der Wohnsitz des Beklagten bzw. der Erfüllungsort für die eingeklagte vertragliche Verbindlichkeit etc. liege in Deutschland.1396 Etwas anderes gilt für das Verhältnis zwischen forum prorogatum und forum derogatum, wenn die Wirksamkeit der Zuständigkeitsvereinbarung1397 in Zweifel gezogen wird. Von den Bindungsproblemen zu trennen ist die Frage, wie ein negativer internationaler Kompetenzkonflikt zu lösen ist. Da Rechtsschutzverweigerung verboten ist, ist die Eröffnung einer internationalen Notzuständigkeit in Betracht zu ziehen, Rz. 1030.
X. Heilung des Mangels der internationalen Zuständigkeit 1872 Ab Unanfechtbarkeit mit ordentlichen Rechtsmitteln ist der Mangel der internationalen Zuständigkeit Deutschlands geheilt, Rz. 1011.
XI. Exkurs I: Prüfung der internationalen Anerkennungszuständigkeit 1873 Hier liegt bereits eine Sachentscheidung vor (Rz. 2788), die zur Anerkennung im Inland ansteht. Im Rahmen der Prüfung der Anerkennungsvoraussetzungen bzw. der Versagungsgründe hat der deutsche Zweitrichter auch zu prüfen, ob die internationale Zuständigkeit des Erststaates aus deutscher Sicht anzuerkennen ist. Diese Prüfung dient dem Schutz des Beklagten (des Erstprozesses) vor unzumutbaren Foren. Sie ist deshalb nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag/Rüge des Beklagten durchzuführen, Rz. 1939, 2903. Dieser kann also darüber befinden, ob das ausländische Urteil trotz fehlender internationaler Zuständigkeit anerkannt werden soll.
XII. Exkurs II: Prüfung der internationalen Zuständigkeit im Zwangsvollstreckungsverfahren 1873a Hier geht es nicht um die Frage der Gerichtsbarkeit (Rz. 405), sondern um die Frage, ob das deutsche Kompetenzrecht (Rz. 1219 ff.) eingehalten worden ist. Beispiel: Pfändungsbeschluss ultra vires, Rz. 1571.
1395 Art. 20 I EuGVÜ/LugÜ sowie Art. 26 I EuGVVO. 1396 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 347, 986. Anderer Auffassung Schlosser-Bericht Nr. 191. 1397 Art. 17 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 23 EuGVVO.
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Entscheidungszuständigkeit nach sekundärem Gemeinschaftsrecht
12. Kapitel: Regelung der internationalen Entscheidungszuständigkeit durch sekundäres Gemeinschaftsrecht I. Die europäische Zuständigkeitsordnung der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 Auf der Basis von Art. 65 EGV (nunmehr Art. 81 AEUV) wurde die Verordnung 1874 (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22.12.2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen1398 (Rz. 245c) erlassen. Diese „vergemeinschaftet“ mit Wirkung zum 1.3.2002 die Brüsseler Konvention vom 27.9.1968/29.11.1996 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen,1399 Rz. 246. Die bisherigen Konventionsnormen sind nunmehr nahezu inhaltsgleich sekundäres Gemeinschaftsrecht. Aufgrund des Protokolls über die Position Dänemarks (Art. 69 EGV) gilt die EGVerordnung nicht für Dänemark.1400 Insoweit blieb das EuGVÜ auch nach Inkrafttreten der EG-Verordnung bis zum Inkrafttreten des Übereinkommens vom 19.10.2005 der Europäischen Gemeinschaft mit Dänemark1401 am 1.7.2007 in Kraft.
1874a
Die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 ersetzt zwar nicht die nationalen Prozessord- 1874b nungen durch eine europäische Zivilprozessordnung. Sie ist keine umfassende Kodifikation. Aber in entscheidenden Punkten wurde europäisches Einheitsrecht geschaffen, welches das nationale Recht verdrängt oder doch zumindest überlagert. Es kommt zu einem interessanten Zusammenspiel zwischen europäischem Gemeinschaftsrecht und nationalem Prozessrecht.1402 Den Regeln über die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von gerichtlichen Entscheidungen und sonstigen Titeln (Art. 32 ff.) wird eine Zuständigkeitsordnung (Art. 2 ff.) vorangestellt. Zwischen diesen beiden Hauptkomplexen stehen Vorschriften über die internationale Beachtung der (früheren) Rechtshängigkeit bei identischem oder konnexem Streitgegenstand (Art. 27–30). Daneben regelt die Verordnung eine Reihe von Punkten, die schon im Erkenntnisverfahren (Erstprozess) auf das nationale Prozessrecht einwirken; so kennt sie z.B. Vorschriften über die Prüfung der internationalen Zuständigkeit (Art. 25, 26 I) und die Sicherung des rechtlichen Gehörs für den Beklagten (Art. 26 II-IV).
1874c
Die Verordnung begründet für die Mitgliedstaaten eine Pflicht zur Justizgewährung, wenn eine Kompetenzanknüpfung im Sinne von Art. 2 ff. gegeben ist. Aus
1874d
1398 1399 1400 1401 1402
ABl. EG Nr. L 12 vom 16.1.2001, S. 1. BGBl. 1972 II 773; 1998 II 1411. Vgl. Ziffer 21 der Präambel. ABl. EU Nr. L 299 vom 16.11.2005, S 62. Hierzu mit weiteren Nachweisen R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 2 EuGVVO Rz. 86 ff.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit Sicht des Klägers/Antragstellers bedeutet dies – ohne Rücksicht auf seine Staatsangehörigkeit – die Fundierung seines Justizgewährungsanspruchs.1403 1874e Das Zuständigkeitssystem der EuGVVO kommt grundsätzlich nur dann zur Anwendung, wenn der Beklagte seinen Wohnsitz (Art. 59) bzw. Sitz (Art. 60) in einem der Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit Ausnahme Dänemarks (Rz. 1874a) hat,1404 Art. 2 I, 3 I, Rz. 1264. Ist dies nicht der Fall, so ist die internationale Zuständigkeit des Gerichtsstaates nicht nach europäischem Gemeinschaftsrecht, sondern nach dem nationalen Zuständigkeitsrecht zu beurteilen, Art. 4 I. 1874f Selbst wenn grundsätzlich Art. 2 ff. nicht anwendbar sind, können jedoch einzelne Bestimmungen der Verordnung, welche die Zuständigkeit betreffen, gleichwohl zum Zuge kommen. So gilt z.B. für internationale Zuständigkeitsvereinbarungen europäisches Einheitsrecht (Art. 23), wenn wenigstens der Kläger in einem Vertragsstaat wohnt, obwohl nach der Grundregel der Art. 2, 4 im Übrigen das nationale Zuständigkeitsrecht Platz greift, Rz. 1645. 1874g Wenn keine der Parteien in einem Vertragsstaat wohnt, ist Art. 23 nicht anzuwenden. Gleichwohl legt für solche Fälle Art. 23 III eine Kompetenzkompetenz des forum prorogatum fest. 1874h
Sonderregeln über den Anwendungsbereich gelten auch für Art. 22. Diese Vorschrift stipuliert einen Katalog ausschließlicher internationaler Zuständigkeiten. Sie beansprucht Geltung ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des Beklagten. Auch hier ergeben sich Überschneidungen zwischen nationalem Zuständigkeitsrecht (wenn der Beklagte nicht in einem Mitgliedstaat wohnt) und Gemeinschaftsrecht. Denn grundsätzlich ist zwar nationales Zuständigkeitsrecht maßgeblich, Art. 4 I. Dieses wird jedoch in einem Teilaspekt vom europäischen Gemeinschaftsrecht überlagert.
1874i Da für die Anwendbarkeit der europäischen Zuständigkeitsordnung der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22.12.2000 grundsätzlich der Wohnsitz/Sitz des Beklagten entscheidend ist, kommt es bei einer Rechtsbeziehung zwischen einer Person mit Wohnsitz/Sitz innerhalb des geographischen Anwendungsbereichs der Verordnung und einer solchen mit Wohnsitz/Sitz in einem dritten Staat oder ohne irgendeinen Wohnsitz/Sitz auf die Parteirolle an, also darauf, wer wen verklagt. 1874j
Für Klagen gegen den Versicherer mit Sitz in einem Nichtmitgliedstaat reicht auch eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung innerhalb des geographischen Anwendungsbereichs der Verordnung für die (partielle) Anwendbarkeit des europäischen Zuständigkeitsrechts aus, Art. 9 II. Für Streitigkeiten aus dem Bereich der Zweigniederlassung, Agentur oder sonstigen Niederlassung gelten dann die Zuständigkeitsregeln der Art. 9 ff. einschließlich Art. 5 1403 R. Geimer WM 1976, 830; zustimmend z.B. Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht8, 2005, vor Art. 2 Rz. 2; Peter Huber, Die englische forum non conveniens-Doktrin und ihre Anwendung im Rahmen des Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens, 1994, 171. 1404 Genauer: Im geographischen Anwendungsbereich der Verordnung. Vgl. Ziffer 21 der Präambel.
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Entscheidungszuständigkeit nach sekundärem Gemeinschaftsrecht Nr. 5. Für andere Klagen gegen den Versicherer, die nicht mit dem Betrieb der Zweigniederlassung, Agentur oder sonstigen Niederlassung zusammenhängen, kommt dagegen das nationale Zuständigkeitsrecht zur Anwendung, Art. 8 in Verbindung mit Art. 4 I. Die gleiche Regelung gilt auch für Verbrauchersachen. Für Klagen gegen den 1875 Vertragspartner des Verbrauchers (Verkäufer, Kreditgeber etc.), der in keinem Mitgliedstaat seinen Sitz hat, aber in einem Vertragsstaat eine Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung unterhält, gilt die Zuständigkeitsordnung der Verordnung (Art. 15 ff.), soweit der Streitgegenstand aus dem Betrieb dieser Niederlassung bzw. Agentur herrührt, Art. 15 III.1405 Im Übrigen kommt nationales Zuständigkeitsrecht zum Zuge. Auch für Streitigkeiten aus individuellen Arbeitsverträgen findet sich in Art. 18 1876 II eine Parallelregelung.1406 In den Fällen des Art. 9 II, Art. 15 II und Art. 18 II kommt es zu einer Spaltung 1877 des maßgeblichen Kompetenzrechts: Für Klagen, welche den Betrieb der Zweigniederlassung, Agentur oder sonstigen Niederlassung betreffen, gilt europäisches Gemeinschaftsrecht, für sonstige Klagen dagegen nationales Zuständigkeitsrecht. Diese Erweiterung des Anwendungsbereiches gilt nur für Klagen gegen den Ver- 1878 sicherer, den Vertragspartner des Verbrauchers und den Arbeitgeber. Für Klagen in umgekehrter Richtung bleibt es bei der beschriebenen Grundregel: Wohnt der Versicherungsnehmer, Versicherte, Begünstigte oder sonst wie am Versicherungsvertragsverhältnis Beteiligte, der Verbraucher bzw. der Arbeitnehmer nicht in einem Mitgliedstaat, so kommt nicht Art. 12 bzw. Art. 16 II bzw. Art. 20 zur Anwendung, sondern das nationale Zuständigkeitsrecht, Art. 4 I. – Vgl. Rz. 1288.
II. Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung Art. 1 II EuGVVO enthält einen umfangreichen Katalog von Materien, die aus 1879 dem Anwendungsbereich der Verordnung ausgeklammert sind. Zur partiellen Ausfüllung des Ausschlusstatbestandes des Art. 1 II Nr. 1 wurde 1880 die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 (EuEheVO, Rz. 245c)1407 erlassen, die im Verhältnis zu Dänemark nicht gilt.
1405 R. Geimer EuZW 1993, 564; R. Geimer RIW 1994, 59; R. Geimer EWiR 2004, 971. 1406 Hierzu z.B. C. Müller, Die internationale Zuständigkeit deutscher Arbeitsgerichte und das auf den Arbeitsvertrag anwendbare Recht: Regelungen des Arbeitnehmerschutzes in der EuGVVO und im EGBGB, Diss. Bielefeld 2004. 1407 Bis 28.2.2005 galt die Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 des Rates vom 29.5.2000 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemein-
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit
13. Kapitel: Regelung der internationalen Entscheidungszuständigkeit in völkerrechtlichen Vereinbarungen I. Vorrang vor §§ 12 ff. ZPO 1881 Die vom deutschen Gesetzgeber innerstaatlich in Kraft gesetzten Abkommen und Übereinkommen verdrängen als Spezialregelungen in ihrem Anwendungsbereich – soweit sie die internationale (und örtliche) Zuständigkeit normieren – die Regeln des autonomen deutschen Rechts (§§ 12 ff. ZPO). 1881a Die meisten einschlägigen völkerrechtlichen Verträge sind self executing, d.h. sie sind so formuliert, dass sie ohne weiteres – nach ihrer innerstaatlichen Inkraftsetzung – von den nationalen Gerichten angewandt werden können, Rz. 223. Es gibt aber auch Fälle, in denen der deutsche Gesetzgeber den Inhalt des völkerrechtlichen Übereinkommens in ein nationales Gesetz umgegossen hat mit der Folge, dass die deutschen Gerichte das Übereinkommen nicht unmittelbar anwenden. So wurden z.B. der Inhalt des Brüsseler Übereinkommens vom 10.5.1952 zur Vereinheitlichung von Regeln über die zivilgerichtliche Zuständigkeit für Schiffszusammenstöße1408 durch das Seerechtsänderungsgesetz1409 in das HGB (§§ 738 ff.) transponiert, Rz. 225.
II. Normierung der internationalen Entscheidungszuständigkeit 1882 In dem hier zu behandelnden Zusammenhang interessieren nur die Verträge, welche die internationale Zuständigkeit mit Wirkung für das Erkenntnisverfahren regeln (internationale Entscheidungszuständigkeit; compétence directe). Außer Betracht bleiben die Regelungen der internationalen Anerkennungszuständigkeit (compétence indirecte). Diese geben nur eine Richtschnur für die Beurteilung der internationalen Zuständigkeit fremder Staaten aus Anlass der Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung ausländischer Urteile. Solche finden sich z.B. in den Zuständigkeitskatalogen der Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge.1410
samen Kinder der Ehegatten, ABl. EG Nr. L 160 vom 30.6.2000, S. 19. Vorausgegangen war das (nicht Kraft getretene) Übereinkommen vom 26.5.1998 über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten (ABl. EG Nr. C 221/1 vom 16.7.1998) im Rahmen der dritten Säule des EUV in der Maastrichter Fassung (Brüssel II). Dieses wurde nach dem „Säulenwechsel“ von Amsterdam (Rz. 245a) auf der Grundlage des Art. 65 EGV durch die EG-Verordnung Nr. 1347/2000 des Rates vom 29.5.2000 ersetzt. 1408 BGBl. 1972 II 663. Hierzu Kreuzer/Wagner, Europäisches Internationales Zivilverfahrensrecht, in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Stand: Juni 2007 (19. Ergänzungslieferung) sub Q Rz. 125. 1409 BGBl. 1972 I 966. 1410 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1497.
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Entscheidungszuständigkeit in völkerrechtlichen Vereinbarungen Ist die internationale Entscheidungszuständigkeit (also nicht bloß die internationale Anerkennungszuständigkeit) in einem völkerrechtlichen Vertrag geregelt, so ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, ob dieser Vertrag nur die Jurisdiktionssphären der vertragsschließenden Staaten begrenzen soll in dem Sinne, dass es ihnen freigestellt bleibt, ob sie bei Vorliegen einer Zuständigkeitsanknüpfung ihre Gerichte in der Sache entscheiden lassen, oder ob sie zur Justizgewährung verpflichtet sind. Im Zweifel ist letzteres gewollt. Die Vertragsstaaten müssen daher durch Gesetz ein kompetentes Gericht zur Verfügung stellen. Tun sie dies nicht, ist das Gericht der Hauptstadt örtlich zuständig, Rz. 965.1411
1882a
III. Brüsseler Übereinkommen Die Brüsseler Konvention vom 27.9.1968/29.11.1996 über die gerichtliche Zu- 1883 ständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen1412 hat den europäischen Integrationsprozess auf prozessualem Gebiet enorm gefördert, Rz. 246. Sie hat zwar mit dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 (Rz. 1874) am 1.3.2002 in weiten Bereichen ihre praktische Bedeutung verloren. Doch blieb sie bis 1.7.2007 in Kraft im Verhältnis zu Dänemark, Rz. 1874a. Auch gilt sie fort außerhalb der in Art. 349 AEUV/Art. 299 EGV definierten Territorien der Mitgliedstaaten.1413 Schließlich gilt das Zuständigkeitsrecht des EuGVÜ für alle vor dem 1.3.2002 erhobenen Klagen bzw. eingebrachten Anträge.1414
1884
IV. Lugano-Übereinkommen Durch das Lugano-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die 1885 Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16.9.19881415 werden die Zuständigkeitsregeln der Brüsseler Konvention (Rz. 1883) auf die EFTA-Staaten ausgedehnt. Hinzu kommen die Staaten, die nach Art. 62 LugÜ beitreten durften.1416 Das Verhältnis beider Konventionen zueinander regelt Art. 54b LugÜ.1417 Diese 1886 Vorschrift definiert mittelbar auch das Verhältnis zur Verordnung (EG) Nr. 44/2001. Sedes materiae im (neuen) revidierten Lugano-Übereinkommen vom 30.10.2007 (LugÜ II) ist Art. 64. 1411 1412 1413 1414 1415
Vgl. auch Kohler in Festschrift Matscher, 1993, 251. BGBl. 1972 II 773; 1998 II 1411. Art. 68 EuGVVO. Art. 66 EuGVVO. ABl. EG Nr. L 319 vom 25.11.1988 = BGBl. 1995 II 221; für Deutschland seit 1.3.1995 in Kraft. Hierzu R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – EuGVVO Einl. Rz. 37; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, Anh. I Art. 1 EuGVVO Rz. 3. 1416 Mit Wirkung zum 1.2.2000 ist Polen beigetreten, BGBl. 2000 II 1246; hierzu Sawczuk in Festschrift Schütze, 1999, 733; Wagner WiRO 2000, 47; Martiny/Ernst IPRax 2001, 29. Seit 1.5.2004 gilt vorrangig die EuGVVO. 1417 Für die deutschen Gerichte ist es derzeit praktisch bedeutsam im Verhältnis zu Island, Norwegen und zur Schweiz.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit
V. Völkerrechtliche Verträge, die Vorrang vor der europäischen Zuständigkeitsordnung haben gemäß Art. 57 EuGVÜ/LugÜ I bzw. nach Art. 71 I EuGVVO bzw. Art. 67 LugÜ II 1887 1. Das Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr (Convention relative aux Transports Internationaux Ferroviaires [COTIF]) vom 9.5.19801418 in der Fassung des Protokolls vom 3.6.1999 (COTIF 1999)1419 umfasst als Anhang A die Einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag, die über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen und Gepäck (CIV),1420 und als Anhang B die Einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern (CIM).1421 Nach Art. 52 § 1 ERCIV ist für Ansprüche wegen Tötung und Verletzung von Reisenden ausschließlich der Staat international zuständig, auf dessen Gebiet sich der Unfall des Reisenden ereignet hat. Im Übrigen können die durch das Übereinkommen begründeten Ansprüche nur vor den Gerichten des Staates geltend gemacht werden, dem die in Anspruch genommene Eisenbahn angehört, Art. 52 § 2 ER-CIV und Art. 56 ER-CIM.1422 1888 2. Art. 31 des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (Convention relative au Contrat de transport international de marchandises par route [CMR]) vom 19.5.19561423 normiert die internationale Zuständigkeit nicht nur für (vertragliche) Ansprüche, die sich unmittelbar aus dem CMR ergeben, sondern für alle Ansprüche im Hinblick auf eine unter das CMR fallende Beförderung, insbesondere auch deliktische.1424 1418 BGBl. 1985 II 130, 666, in Kraft seit 1.5.1985, BGBl. 1985 II 1001. Hierzu z.B. Mankowski in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 1442 ff.; Schmidt-Bendun, Haftung der Eisenbahnverkehrsunternehmen: Auf dem Wege zu einem harmonisierten Eisenbahn- und Luftverkehrsrecht in Europa, Diss. Bielefeld 2007 Vischer/Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht2, 2000, Rz. 479. 1419 Protokoll von Vilnius, BGBl. 2002 II 2140, 2142. 1420 BGBl. 1985 II 179. 1421 BGBl. 1985 II 225. Hierzu z.B. Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 65 und Vischer/Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht2, 2000, Rz. 480. 1422 Zur internationalen Zuständigkeit der deutschen Gerichte für Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aus einem Zugzusammenstoß auf dem Badischen Bahnhof in Basel siehe OLG Karlsruhe vom 24.11.1978, VersR 1979, 655 = IPRspr. 1978 Nr. 149. Hierzu Kreuzer/Wagner, Europäisches Internationales Zivilverfahrensrecht, in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Stand: Juni 2007 (19. Ergänzungslieferung) sub Q Rz. 104 ff. 1423 BGBl. 1961 II 1119. Zum Anwendungsbereich OLG Hamburg vom 30.3.1989, TranspR 1989, 321 = IPRspr. 1989 Nr. 62; Fremuth/Thume, Frachtrecht, 1997, Art. 31 CMR Rz. 2; Kadletz in Pfeiffer, Handbuch der Handelsgeschäfte, 1999, § 18 Rz. 11; Mankowski in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 1419 ff.; Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 63; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 3 Rz. 346 ff.; Vischer/Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht2, 2000, Rz. 466; Kreuzer/Wagner a.a.O. Rz. 96 ff. 1424 BGH vom 31.5.2001, NJW-RR 2002, 31 = RIW 2001, 941 = IPRspr. 2001 Nr. 144.
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Entscheidungszuständigkeit in völkerrechtlichen Vereinbarungen Gemäß Art. 31 CMR hat der Kläger die Wahl zwischen dem Gerichtsstand des Aufenthaltsortes, der Niederlassung und der Geschäftsstelle des Beklagten und dem Gerichtsstand des Übernahme- oder des Ablieferungsortes des Transportgutes.1425 Weiterhin sind Prorogationen – allerdings nur auf Vertragsstaaten – zulässig; jedoch können die sonstigen Zuständigkeitsanknüpfungen nicht derogiert werden (also keine „ausschließliche internationale Zuständigkeit“ aufgrund von Zuständigkeitsvereinbarung, Rz. 1792). Ablieferungsort (Rz. 1470) ist der Erfüllungsort des Frachtvertrages.1426 Den Erfüllungsort bestimmt die nach deutschem internationalem Privatrecht ermittelte lex causae, Rz. 1482.1427 Deutschland ist völkerrechtlich verpflichtet, Justiz zu gewähren, wenn der Ablieferungsort im Inland liegt. Dies verkennt der Bundesgerichtshof, Rz. 968.1428 Daher wurde in das deutsche Zustimmungsgesetz zum CMR eine entsprechende Bestimmung über die örtliche Zuständigkeit am Ablieferungsort (Art. 1a) eingefügt.1429 3. Art. 28 des Warschauer Übereinkommens zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 12.10.19291430 in Verbindung mit Art. VIII des Guadalajaraer Zusatzabkommens vom 18.9.1961.1431
1889
Art. 28 Warschauer Übereinkommen. (1) Die Klage auf Schadensersatz muss in 1890 dem Gebiet eines der Hohen Vertragschließenden Teile erhoben werden, und zwar nach der Wahl des Klägers entweder bei dem Gericht des Ortes, wo der Luftfrachtführer seinen Wohnsitz hat oder wo sich seine Hauptbetriebsleitung oder diejenige seiner Geschäftsstellen befindet, durch die der Vertrag abgeschlossen worden ist, oder bei dem Gericht des Bestimmungsortes. (2) Das Verfahren richtet sich nach den Gesetzen des angerufenen Gerichts. 1425 Zu diesem Gerichtsstand z.B. BGH vom 19.4.2007, BGHReport 2007, 1193, 1194; OLG Hamm vom 25.6.2001, RIW 2002, 152 = IPRspr. 2001 Nr. 145. 1426 OLG Düsseldorf vom 1.3.1979, RIW 1980, 665. 1427 Bestritten ist, ob Art. 31 I b neben der internationalen auch die örtliche Zuständigkeit regelt. Bejahend Willenberg NJW 1968, 1024; LG Hamburg vom 22.1.1979, RIW 1980, 665; wohl auch BGH vom 9.12.1982, VersR 1983, 282 = IPRspr. 1982 Nr. 149. Gegen eine örtliche Zuständigkeit am Abnahmeort OLG Düsseldorf vom 23.10.1980, RIW 1980, 665 = VersR 1981, 1081 = IPRspr. 1980 Nr. 146A und BGH vom 6.2.1981, BGHZ 79, 332 = RIW 1981, 412 = NJW 1981, 1902 (Kropholler) = VersR 1981, 633 = IPRspr. 1981 Nr. 154; OLG Hamm vom 17.4.1986, RIW 1987, 470 = IPRspr. 1986 Nr. 132. 1428 BGH vom 6.2.1981, BGHZ 79, 332 = NJW 1981, 1902 = IPRspr. 1981 Nr. 154; wie hier jedoch KG vom 13.1.2000, NJW 2000, 2283 = EWiR 2000, 439 (R. Geimer) = IPRax 2001, 44 (Mankowski 33) = IPRspr. 2000 Nr. 114. 1429 Hierzu LG Hannover vom 4.9.1991, NJW 1992, 3109 = TranspR 1992, 327 IPRspr. 1991 Nr. 177. – Die Vereinbarung der ausschließlichen örtlichen Zuständigkeit ist zulässig, OLG Hamburg vom 30.4.1981, IPRspr. 1981 Nr. 151b. In Österreich ist man durch § 28 JN (Ordination) flexibler, Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 28 JN Rz. 29. 1430 RGBl. 1933 II 1040 in der Fassung des Änderungsübereinkommens vom 28.9.1955 (BGBl. 1958 II 312 = Haager Fassung). 1431 BGBl. 1963 II 1161. Hierzu z.B. Kadletz in Pfeiffer, Handbuch der Handelsgeschäfte, 1999, § 18 Rz. 54, 95; Mankowski in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 1465 ff. Vischer/Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht2, 2000, Rz. 470.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit Art. 29 Warschauer Übereinkommen. (1) Die Klage auf Schadensersatz kann binnen einer Ausschlussfrist von zwei Jahren erhoben werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem das Luftfahrzeug am Bestimmungsort angekommen ist, oder an dem es hätte ankommen sollen, oder an dem die Beförderung abgebrochen worden ist. (2) Die Berechnung der Frist bestimmt sich nach den Gesetzen des angerufenen Gerichts. Art. VIII Zusatzabkommen. Eine Klage auf Schadensersatz im Sinne des Artikels VII muss nach Wahl des Klägers entweder bei einem der Gerichte erhoben werden, bei denen eine Klage gegen den vertraglichen Luftfrachtführer nach Artikel 28 des Warschauer Abkommens erhoben werden kann, oder bei dem Gericht des Ortes, wo der ausführende Luftfrachtführer seinen Wohnsitz hat oder wo sich seine Hauptbetriebsleitung befindet. Art. VII betrifft Schadensersatzklagen bezüglich der von dem ausführenden Luftfrachtführer durchgeführten Beförderung. 1891 Art. 28 des Warschauer Übereinkommens1432 kommt nur zur Anwendung auf Klagen, die im dritten Kapitel des Warschauer Abkommens behandelt sind, also Klagen gegen den Frachtführer (Art. 17-Art. 19), nicht jedoch auf Klagen, die aus anderen Rechtsgründen gegen ihn erhoben werden, auch nicht auf Klagen des Frachtführers gegen seinen Vertragspartner (z.B. aus Art. 10 oder Art. 16) oder wegen Nichterfüllung des Beförderungsvertrages.1433 Umstritten ist, ob Art. 28 WA anzuwenden ist auf Klagen, die zwar nicht auf das Abkommen gestützt sind, für die aber das 3. Kapitel des Übereinkommens gewisse (einschränkende) Regeln aufstellt, z.B. Art. 22 III (Handgepäckbeförderung) oder Art. 25 WA (Klagen gegen Hilfspersonen des Frachtführers). Zuständigkeitsvereinbarungen sind nur nach Eintritt des Schadensfalls zulässig, Art. 32.1434 1892 Nach Art. 28 WA ist die Klage auf Schadensersatz vor den Gerichten eines Vertragsstaates zu erheben. Der Kläger kann wählen zwischen folgenden vier Gerichtsständen: Wohnsitz des Luftfrachtführers, Ort seiner Hauptbetriebsleitung, Ort seiner Geschäftsstelle, durch welche der Vertrag abgeschlossen worden ist (auch IATA-Agentur),1435 oder dem Bestimmungsort. Bestritten ist, ob das War1432 Hierzu Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 64; Kreuzer/Wagner, Europäisches Internationales Zivilverfahrensrecht, in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Stand: Juni 2007 (19. Ergänzungslieferung) sub Q Rz. 120 ff. 1433 OLG München RIW 1983, 127; OLG Frankfurt vom 31.1.1984, TranspR 1984, 297 = IPRspr. 1984 Nr. 41 (Nichtbeförderung eines Fluggastes wegen Überbuchung). 1434 Matscher, Zuständigkeitsvereinbarungen im österreichischen und internationalen Zivilprozessrecht, 1967, 61; unpräzis Kropholler, Internationales Einheitsrecht, 1975, 220. 1435 BGH vom 16.6.1982, BGHZ 84, 339 = RIW 1982, 910 = NJW 1983, 518 = IPRax 1984, 27 (Nagel 13) = IPRspr. 1982 Nr. 142; LG Frankfurt a.M. vom 5.3.1982, RIW 1982, 437 = ZLW 1983, 63 = IPRspr. 1982 Nr. 134. Anderer Auffassung OLG Hamburg vom 27.3.1980, VersR 1982, 303 = IPRspr. 1980 Nr. 142A; LG Hamburg vom 5.5.1982, RIW 1982, 756 (Moeser) = IPRspr. 1982 Nr. 137; Giemulla-Mölls NJW 1983, 1953; Nagel IPRax 1984, 13.
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Entscheidungszuständigkeit in völkerrechtlichen Vereinbarungen schauer Abkommen auch die örtliche Zuständigkeit abschließend regelt1436 oder ob die §§ 12 ff. ZPO ergänzend neben Art. 28 WA treten. Art. VIII des Guadalajaraer Zusatzabkommens erweitert das Wahlrecht des Klägers gemäß Art. 28 WA (4 Gerichtsstände) um weitere Zuständigkeitsanknüpfungen: Wohnsitz und Sitz der Hauptbetriebsleitung des ausführenden Frachtführers. Art. 28 WA ist auf Schadensersatzklage gegen Leute des Luftfrachtführers nicht anzuwenden.1437
1893
4. Art. 33 des Montrealer Übereinkommens zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 28.5.1999.1438
1893a
Das neue Übereinkommen ersetzt im Verhältnis zu den anderen Vertragsstaaten das Warschauer Abkommen ersetzen.1439 Es bestimmt in Art. 33 – Jurisdiction 1. An action for damages must be brought, at the option of the plaintiff, in the territory of one of the States Parties, either before the court of the domicile of the carrier or of its principal place of business, or where it has a place of business through which the contract has been made or before the court at the place of destination. 2. In respect of damage resulting from the death or injury of a passenger, an action may be brought before one of the courts mentioned in paragraph 1 of this Article, or in the territory of a State Party in which at the time of the accident the passenger has his or her principal and permanent residence and to or from which the carrier operates services for the carriage of passengers by air, either on its own aircraft, or on another carrier’s aircraft pursuant to a commercial agreement, and in which that carrier conducts its business of carriage of passengers by air from premises leased or owned by the carrier itself or by another carrier with which it has a commercial agreement. 3. For the purposes of paragraph 2,
1436 So LG Köln ZLR 11 [1962], 311. 1437 BGH vom 6.10.1981, RIW 1982, 49 (Schoner) = NJW 1982, 524 = ZLW 1982, 63 = IPRax 1983, 124 (Reifarth). 1438 BGBl. 2004 II 458; für Deutschland in Kraft seit 28.6.2004. Materialien in Bundestagsdrucksache 15/2285 und 15/2359. Hierzu Milde Uniform Law Review (Unidroit) 1999, 835, 857; Saenger NJW 1999, 169; Mankowski in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 1482; Martiny in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Art. 28 EGBGB Rz. 253 ff.; Reuschle, Montrealer Übereinkommen – Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr, 2005; Vischer/Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht2, 2000, Rz. 478. 1439 Kreuzer/Wagner, Europäisches Internationales Zivilverfahrensrecht, in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Stand: Juni 2007 (19. Ergänzungslieferung) sub Q Rz. 123 ff. Siehe auch Kleinknecht, Die verbraucherschützenden Gerichtsstände im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, Diss. Mainz 2007, 181. In den Anwendungsbereich des Art. 33 MÜ fallen nicht Ansprüche auf Ausgleich und Betreuungsleistungen wegen ausgefallener Flüge nach Art. 7 I (a) Der Verordnung (EG) Nr. 261/2004, OLG München vom 16.5.2007, OLGR 2008, 63.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit „commercial agreement“ means an agreement, other than an agency agreement, Made between carriers and relating to the provision of their joint services for carriage of passengers by air; (b) „principal and permanent residence“ means the one fixed and permanent abode of the passenger at the time of the accident. The nationality of the passenger shall not be the determining factor in this regard. 4. Questions of procedure shall be governed by the law of the court seised of the case. Art. 33 – Gerichtsstand (1) Die Klage auf Schadensersatz muss im Hoheitsgebiet eines der Vertragsstaaten erhoben werden, und zwar nach Wahl des Klägers entweder bei dem Gericht des Ortes, an dem sich der Wohnsitz des Luftfrachtführers, seine Hauptniederlassung oder seine Geschäftsstelle befindet, durch die der Vertrag geschlossen worden ist, oder bei dem Gericht des Bestimmungsorts. (2) Die Klage auf Ersatz des Schadens, der durch Tod oder Körperverletzung eines Reisenden entstanden ist, kann bei einem der in Absatz 1 genannten Gerichte oder im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats erhoben werden, in dem der Reisende im Zeitpunkt des Unfalls seinen ständigen Wohnsitz hatte und in das oder aus dem der Luftfrachtführer Reisende im Luftverkehr gewerbsmäßig befördert, und zwar entweder mit seinen eigenen Luftfahrzeugen oder aufgrund einer geschäftlichen Vereinbarung mit Luftfahrzeugen eines anderen Luftfrachtführers, und in dem der Luftfrachtführer sein Gewerbe von Geschäftsräumen aus betreibt, deren Mieter oder Eigentümer er selbst oder ein anderer Luftfrachtführer ist, mit dem er eine geschäftliche Vereinbarung geschlossen hat. (3) Im Sinne des Absatzes 2 bedeutet a) „geschäftliche Vereinbarung“ einen Vertrag zwischen Luftfrachtführern über die Erbringung gemeinsamer Beförderungsdienstleistungen für Reisende im Luftverkehr mit Ausnahme eines Handelsvertretervertrags, b) „ständiger Wohnsitz“ den Hauptwohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt des Reisenden im Zeitpunkt des Unfalls. Die Staatsangehörigkeit des Reisenden ist in dieser Hinsicht nicht entscheidend. (4) Das Verfahren richtet sich nach dem Recht des angerufenen Gerichts. 1894 5. Art. 34 II der Revidierten Rheinschifffahrtsakte vom 17.10.19681440 1895 6. Art. 25 II des Moselschifffahrtsübereinkommens vom 27.10.19561441 1896 7. Art. 1 und Art. 2 des Übereinkommens vom 10.5.1952 zur Vereinheitlichung von Regeln über die zivilgerichtliche Zuständigkeit bei Schiffszusammenstößen1442 1440 BGBl. 1969 II 597. Hierzu Basedow TranspR 1986, 94. 1441 BGBl. 1956 II 1837. 1442 BGBl. 1972 II 653, 663. Hierzu Basedow VersR 1978, 495; Schlosser-Bericht Nr. 121; Kreuzer/Wagner, Europäisches Internationales Zivilverfahrensrecht, in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Stand: Juni 2007 (19. Ergänzungslieferung) sub Q Rz. 125.
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Entscheidungszuständigkeit in völkerrechtlichen Vereinbarungen 8. Art. 7 des Übereinkommens vom 10.5.1952 zur Vereinheitlichung von Regeln 1897 über die vorsorgliche Beschlagnahme (Arrest) von Seeschiffen1443. Das Übereinkommen regelt nur die internationale Arrestzuständigkeit. Ansonsten enthält es keine abschließende Regelung der internationalen Entscheidungszuständigkeit, Art. 2, 2. Halbsatz. So ist z.B. § 32 ZPO anwendbar.1444 9. Art. 20 des Römischen Abkommens vom 7.10.1952 über die Regelung der 1898 von ausländischen Flugzeugen verursachten Flur- und Gebäudeschäden1445 begründet die ausschließliche internationale Zuständigkeit desjenigen Vertragsstaates, in dessen Hoheitsgebiet der Schaden entstanden ist. 10. Art. 13 des Pariser Übereinkommens vom 29.7.1960 über die Haftung gegen- 1899 über Dritten auf dem Gebiet der Kernenergie nebst Zusatzprotokoll vom 12.2.20041446 stipuliert die ausschließliche internationale Zuständigkeit des Genehmigungsstaates. 11. Brüsseler Zusatzübereinkommen vom 3.1.19631447
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12. Art. X Abs. 4 des Brüsseler Übereinkommens vom 25.5.1962 über die Haf- 1901 tung der Inhaber von Reaktorschiffen nebst Zusatzprotokoll1448 sieht die ausschließliche internationale Zuständigkeit des Genehmigungsstaates und des Staates, in welchem der Schaden eingetreten ist, vor. 13. Art. IX Abs. 1 des Internationalen Übereinkommens vom 29.11.1969 über 1902 die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden1449 schreibt die ausschließliche internationale Zuständigkeit desjenigen Vertragsstaates fest, in welchem der Schaden verursacht wurde bzw. eingetreten ist.1450 Dieses Übereinkommen wurde von Deutschland mit Wirkung vom 15.5.1998 gekündigt. Nunmehr gilt das 14. Art. IX des Internationale Übereinkommens vom 27.11.1992 über die zivilrechtliche Haftung für Ölverschmutzungsschäden (Haftungsübereinkommen)1451 sowie
1443 BGBl. 1972 II 653. Hierzu Kreuzer/Wagner a.a.O. Rz. 124. 1444 BGH vom 8.1.1985, VersR 1985, 335 = IPRspr. 1985 Nr. 129. Vgl. Schlosser-Bericht Nr. 121. Zu den immunitätsrechtlichen Aspekten Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 228. 1445 Nicht in Kraft für Deutschland. 1446 BGBl. 1975 II 959. Das Protokoll vom 12.2.2004 ist noch nicht in Kraft. Hierzu Kreuzer/Wagner, Europäisches Internationales Zivilverfahrensrecht, in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Stand: Juni 2007 (19. Ergänzungslieferung) sub Q Rz. 134. 1447 BGBl. 1975 II 992, 1021; Neubekanntmachung BGBl. 1976 II 310. 1448 BGBl. 1975 II 957, 997. 1449 BGBl. 1975 II 305. 1450 Näher Ramming, Zur Zuständigkeit deutscher Gerichte für Ansprüche wegen Ölverschmutzungsschäden, TranspR 2007, 13. 1451 BGBl. 1996 II 670. Hierzu Kreuzer/Wagner, Europäisches Internationales Zivilverfahrensrecht, in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Stand: Juni 2007 (19. Ergänzungslieferung) sub Q Rz. 128.
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Vierter Teil: Internationale Zuständigkeit 15. Art. 9 und Art. 10 des Internationalen Übereinkommens vom 23.3.2001 über die zivilrechtliche Haftung für Schäden durch Bunkerölverschmutzung1452 (noch nicht in Kraft)1453 1903 16. Art. 1 Haager Minderjährigenschutzabkommen vom 5.10.19611454 eröffnet internationale Zuständigkeit im Aufenthaltsstaat der Minderjährigen für Maßnahmen zum Schutz der Person und des Vermögens des Minderjährigen. Daneben besteht die internationale Staatsangehörigkeitszuständigkeit des Heimatstaates, Art. 4 MSA. 1903a 17. Art. 5 ff. Haager Übereinkommen vom 19.10.1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern.1455 1904 18. Art. 19 III des UNIDROIT-Entwurfs 1986 einer Gefahrgutkonvention.1456
VI. Örtliche Zuständigkeit 1905 Regelt der Staatsvertrag nicht nur die internationale, sondern auch die örtliche Zuständigkeit, dann ergeben sich keine Probleme. Andernfalls (keine Regelung der örtlichen Zuständigkeit) ist wie folgt zu differenzieren: Sieht der Vertrag nur eine Zuständigkeitsbegrenzung (limitation of jurisdiction) vor, so steht es Deutschland völkerrechtlich frei, ob es eine internationale Zuständigkeit eröffnet. Solche Vertragstypen sind selten. Meist verpflichten die Verträge auch zur Justizgewährung. Dann muss Deutschland auch ein örtliches Gericht zur Verfügung stellen, Rz. 968.1457
1452 BGBl. 2006 II 578; Bundestagsdrucksache 16/736. 1453 Hierzu Kreuzer/Wagner, Europäisches Internationales Zivilverfahrensrecht, in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Stand: Juni 2007 (19. Ergänzungslieferung) sub Q Rz. 130. 1454 BGBl. 1971 II 217. Dieses Übereinkommen soll ersetzt werden durch das KSÜ (Rz. 1903a), Rz. 244a. 1455 BGBl. 2009 II 602. 1456 Text RabelsZ 51 (1987), 478. 1457 Kohler in Festschrift Matscher, 1993, 251. Vgl. auch Art. 19 III des UNIDROIT-Entwurfs 1986 einer Gefahrgutkonvention, RabelsZ 51 (1987), 478: „Each contracting State shall ensure that its courts possess the necessary jurisdiction to entertain such actions for compensation.“
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Fünfter Teil: Justizgewährungsanspruch I. Überblick 1. Liberalismus der deutschen Zivilprozessordnung Dass auch einem ausländischen Kläger in Deutschland Justiz gewährt wird, ist – 1906 in Zivilsachen1 – so selbstverständlich, dass die deutsche ZPO darüber kein Wort verliert.2 Die grundsätzliche Gleichstellung von In- und Ausländern (Ausnahmen: Staatsangehörigkeitszuständigkeiten, Rz. 1323, 1947) war ein erklärtes Ziel der Verfasser der ZPO, die sich ganz bewusst distanzierten von dem Konzept der Art. 14, 15 Code civil.3 2. Ehedem: Das Gegenkonzept der Art. 14 und 15 Code civil In Frankreich und in den vom Code civil beeinflussten Rechtsordnungen wurde 1907 der Anspruch auf Justizgewährung als Bürgerrecht aufgefasst. Nur solche Rechtsstreitigkeiten wurden von französischen Gerichten zur Entscheidung angenommen, an denen ein Franzose beteiligt war, Rz. 1138.4 Für Prozesse unter Ausländern erklärte sich Frankreich für international unzuständig.5 Dieser Ansatz wurde erst durch die Patino-Entscheidung der Cour de Cassation6 überwunden. Ebenso wie im deutschen Recht (Rz. 943) tragen nun in Frankreich die Gerichtsstandsvorschriften auch internationale Zuständigkeit.7 3. Verbürgung der Gegenseitigkeit nicht erforderlich Rechtsschutzgewährung im Inland hängt nicht davon ab, dass der Heimat- bzw. Aufenthaltsstaat des Klägers „Gegenrecht hält“, d.h. ceteris paribus auch seiner-
1 Zum öffentlich-rechtlichen Rechtsschutz s. Art. 19 IV GG, Nachweise bei Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 25 Fußn. 25. 2 So aber der am 31.12.1998 außer Kraft getretene § 5 KO, für den es aber in der InsO keine Parallelvorschrift gibt. Die Gleichstellung der Ausländer sei außer Frage, Bundesratsdrucksache 1/92 S. 236; Trunk in Gilles, Transnationales Prozessrecht, 1995, 169. 3 R. Geimer in Festschrift Nagel, 1987, 36; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 435. Deutlich auch LG München I vom 29.2.2000, IPRspr. 2000 Nr. 182a sowie OLG München vom 26.10.2000, Zeitschrift für Sport und Recht 2001, 64 = IPRspr. 2000 Nr. 182b. 4 Nachweise z.B. bei Wilhelmi, Das Weltrechtsprinzip im internationalen Privat- und Strafrecht, Diss. Trier 2007, 288 ff. 5 Milleker, Der negative internationale Kompetenzkonflikt, 1975, 35. 6 Civ. Rev. crit. 38 (1949), 483 ff.; sehr klar auch arrêt Scheffel, Civ.20.10.1962, Rev. crit. 1963, 387 (Francescakis) = Dalloz 1963, 109 (Holleaux): „L’extranéité des parties n’est pas une cause d’incompétence des juridictions françaises“. 7 „La nationalité des parties (art. 14 et 15 C. civ.) ne constitue plus aujourd’hui qu’un critère supplémentaire de compétence“, Mayer/Heuzé, Droit international privé9, 2007, Nr. 282 in fine.
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Fünfter Teil: Justizgewährungsanspruch seits in einer vergleichbaren Situation seine Gerichte zur Verfügung stellt.8 Die Verbürgung der Gegenseitigkeit ist also nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit der Klage eines Ausländers. Dieses Erfordernis könnte bei (völkerrechtswidrigem) déni zwar auf völkerrechtlicher Ebene im Wege der Vergeltung eingeführt werden. Innerstaatlich fehlt aber seit Abschaffung des § 24 EGZPO9 eine Rechtsgrundlage, vgl. Rz. 648.
II. Rechtsgrundlagen 1. Völkerrecht 1909 a) Völkergewohnheitsrecht. Das völkerrechtliche Fremdenrecht garantiert im Rahmen des internationalen Mindeststandards Ausländern den Zugang zu den Gerichten, Rz. 129, 384.10 Es verlangt einen angemessenen gerichtlichen Rechtsschutz für Ausländer; die Verweigerung des Gerichtsschutzes ist ein Völkerrechtsdelikt gegenüber dem Heimatstaat des ausländischen Klägers.11 Die Pflicht zur Stellung einer Prozesskostensicherheit (§ 110 ZPO) ist völkerrechtlich zulässig.12 Siehe aber auch Rz. 246u.13 1910 Das völkerrechtliche Fremdenrecht betrifft nur den Rechtsstatus von Ausländern. Aber auch Inländer haben im Rahmen der durch das Völkerrecht geschützten Menschenrechte Anspruch auf Gerichtsschutz, vgl. Art. 10 der (allerdings völkerrechtlich unverbindlichen) Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10.12.1948: Danach hat „jeder Mensch in voller Gleichberechtigung Anspruch auf ein der Billigkeit entsprechendes und öffentliches Verfahren vor einem unabhängigen und unparteiischen Gericht, das über seine Rechte und Verpflichtungen . . . zu entscheiden hat“. Ebenso Art. 14 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte vom 19.12.196614 und Art. 6 EMRK, (Rz. 147, 1035) sowie künftig Art. 47 II EuGrundrechtecharta. 1911 Es wird behauptet, dass der nach allgemeinem Völkergewohnheitsrecht geschuldete Mindeststandard der Ausländerbehandlung im Grunde nichts anderes sei als die jedem Menschen zustehenden Menschenrechte, die jeder Staat gegenüber 8Hiervon zu unterscheiden ist die in § 917 II ZPO n.F. vorausgesetzte Situation: Einstweiliger Rechtsschutz in Deutschland wird nicht gewährt, wenn das (deutsche) HauptsacheUrteil im Ausland vollstreckt werden kann. 9Aufgehoben mit Wirkung zum 1.10.1998 durch Gesetz vom 6.8.1998, BGBl. I 2030, 2033. Hierzu Bericht des Rechtsausschusses, Bundestagsdrucksache 13/10871, S. 16. 10 BVerfGE 60, 303. 11 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 1213 Fußn. 4, 1272. 12 Gottwald in Habscheid/Beys, Grundfragen des Zivilprozessrechts, 1991, 9; Seidl-Hohenveldern/Hummer/Kriebaum in Neuhold/Hummer/Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. I Rz. 1301. 13 Zur begrifflichen Abgrenzung sei noch angemerkt: Die exhaustion of local remedy rule (Rz. 199) bedeutet keine Rechtsweggarantie. Ein Aufenthaltsstaat wird dadurch nicht verpflichtet, dem Ausländer gegen jede Maßnahme seiner Organe einen Rechtsweg zur Verfügung zu stellen; Jaenicke, Gerichtsschutz gegen die Exekutive, Bd. III: Rechtsvergleichung, Völkerrecht, hrsg. vom Max-Planck-Institut für ausländisches und öffentliches Recht und Völkerrecht, 1971, 294. 14 BGBl. 1973 II 1533.
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Rechtsgrundlagen allen seiner territorialen Jurisdiktion unterliegenden Individuen (gegenüber Ausländern ebenso wie gegenüber eigenen Staatsangehörigen) zu respektieren habe.15 Dem hat Jaenicke zu Recht widersprochen und darauf hingewiesen, dass die Forderung nach einer völkerrechtlichen Garantie bestimmter Menschenrechte und Grundfreiheiten viel jüngeren Datums ist als die Forderung nach Respektierung eines Mindeststandards für die Ausländerbehandlung.16 Der fremdenrechtliche Mindeststandard kann daher auf eine Privilegierung der 1912 Ausländer gegenüber Inländern hinauslaufen („Inländerdiskriminierung“). Darauf haben vor allem Vertreter der Staaten der Dritten Welt hingewiesen und deshalb die Forderung nach einer Gleichsetzung des fremdenrechtlichen Mindeststandards mit den völkerrechtlich garantierten Menschenrechten und Grundfreiheiten erhoben.17 Der Mindeststandard für Ausländer könne allenfalls gleichbedeutend sein mit der Gleichbehandlung von In- und Ausländern. Eine Besserbehandlung von Ausländern gegenüber Inländern könne nicht verlangt werden.18 Dabei wird jedoch der Vorrang des völkerrechtlichen Mindeststandards vor dem Gleichheitssatz der innerstaatlichen Verfassung übersehen.19 Dieser Meinungsstreit dürfte in Europa auf dem hier interessierenden Gebiet der 1913 völkerrechtlichen Garantie der Justizgewährung keine praktische Bedeutung haben, sofern der Ausbau der Rechtsschutzgarantien gemäß Art. 6 EMRK durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte20 weiter zügig vorangetrieben wird.21 Global gesehen bleibt es aber wichtig festzuhalten: Der völkerrechtlich garantier- 1914 te Mindeststandard für die Rechtsstellung der Fremden ist nicht abhängig davon, wie der verpflichtete Staat seinen eigenen Angehörigen behandelt.22 Auch eine vertragliche oder einseitige Unterwerfung des Einzelnen unter die für Inländer geltenden Bedingungen (Calvo-Klausel)23 ist unwirksam. Denn der völkerrechtliche Anspruch auf Gewährung eines bestimmten fremdenrechtlichen Mindeststandards steht dem jeweiligen Heimatstaat zu (Mediatisierung des Menschen im Völkerrecht, Rz. 132).24 Soweit das innerstaatliche Recht für Fremde günstiger ist als der völkerrecht- 1915 liche Mindeststandard, kann der solche weitergehenden Rechte gewährende
15 Nachweise bei Jaenicke, Gerichtsschutz gegen die Exekutive, Bd. III: Rechtsvergleichung, Völkerrecht, hrsg. vom Max-Planck-Institut für ausländisches und öffentliches Recht und Völkerrecht, 1971, 286. 16 Jaenicke a.a.O., 287. 17 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 1984, § 1214. 18 Nachweise bei Jaenicke a.a.O. 288. 19 Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht10, 2000, Rz. 553, 1597. 20 Hierzu z.B. Karl in Neuhold/Hummer/Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. I Rz. 1479 ff. 21 Vgl. OVG Koblenz vom 3.2.1988, NJW 1988, 1477. 22 Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, 143 Fußn. 64. 23 Nachweise bei Samtleben RabelsZ 47 (1983), 741 und Oschmann, Calvo-Doktrin und Calvo-Klauseln – Wechselnde Realitäten im Internationalen Wirtschaftsrecht Lateinamerikas, 1993, 149 ff., 255 ff. 24 Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht10, 2000, Rz. 1602.
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Fünfter Teil: Justizgewährungsanspruch Staat Ausländer verschiedener Staatsangehörigkeit verschieden behandeln. Eine Gleichbehandlung oberhalb des Mindeststandards schreibt das Völkergewohnheitsrecht nicht vor, Rz. 130.25 1916–1918 1919 b) Völkervertragsrecht. In Art. 16 der Genfer Flüchtlingskonvention26 und in Art. 16 des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechtsstellung von Staatenlosen27 wird der „freie und ungehinderte Zugang zu den Gerichten“ (libre accès devant les tribunaux) garantiert.28 Das Gleiche gilt für eine Reihe weiterer völkerrechtlicher Verträge; so z.B. Art. VI des deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages,29 Art. VIII Abs. 1 des deutsch-französischen Niederlassungsvertrages,30 Art. 1 II des deutsch-türkischen Rechtshilfeabkommens,31 Rz. 390. 1920 Nicht mehr anwendbar ist Art. 277 des Versailler Vertrages: „Die Staatsangehörigen der alliierten und assoziierten Mächte sollen auf deutschem Gebiete . . . freien Zutritt zu den Gerichten haben.“32 1921 Nach Art. 7 Satz 2 des Europäischen Niederlassungsabkommens vom 13.12.195533 sind die Vertragsstaaten verpflichtet, den Staatsangehörigen anderer Vertragsstaaten die gleichen Rechtsschutzgarantien zu gewähren, die den eigenen Staatsangehörigen zustehen. Eine gleichartige Regelung sieht die Europäische Niederlassungskonvention vom 20.1.196634 für Handelsgesellschaften und andere Vereinigungen, die nach dem Recht eines Vertragsstaates mit eigener Rechtspersönlichkeit oder eigenen Rechten ausgestattet sind, vor.35 1922 Der Umfang dieser Rechtsschutzgarantien ist unklar. Einigkeit besteht jedoch darüber, dass der Ausländer Zugang zu den Gerichten haben muss, dass ihm im Verfahren ausreichendes Gehör gewährt werden muss, dass das Verfahren Mindestgarantien für eine unparteiliche Rechtsfindung enthalten muss und dass das
25 Seidl-Hohenveldern/Stein, Völkerrecht10, 2000, Rz. 1594; Seidl-Hohenveldern/Hummer/Kriebaum in Neuhold/Hummer/Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. I Rz. 1295; von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht9, 2007, § 3 Rz. 101. 26 Hierzu Lass, Der Flüchtling im deutschen Internationalen Privatrecht, 1995, 176 ff. 27 Hierzu Erman/Hohloch, BGB12, 2008, Art. 5 EGBGB Rz. 60. Siehe auch Staudinger/ Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 606a ZPO Rz. 115. 28 Vgl. auch Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 1 Rz. 29. 29 Vertrag vom 29.10.1954, BGBl. 1956 II 487. 30 Vertrag vom 27.10.1956, BGBl. 1957 II 1661. 31 Abkommen vom 28.5.1929, RGBl. 1930 II 6. 32 Vgl. auch RGZ 104, 189 = IPRspr. 1926–27 Nr. 184 mit ausführlicher Übersicht über die Vertragspraxis des Deutschen Reichs. 33 BGBl. 1959 II, 998. 34 Laut Fundstellennachweis B des Bundesgesetzblatts, abgeschlossen am 31.12.2008, von Deutschland nicht ratifiziert. 35 Hierzu Jaenicke, Gerichtsschutz gegen die Exekutive, Bd. III: Rechtsvergleichung, Völkerrecht, hrsg. vom Max-Planck-Institut für ausländisches und öffentliches Recht und Völkerrecht, 1971, 301.
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Rechtsgrundlagen Verfahren nicht ungebührlich verzögert wird:36 Das Schwergewicht der Rechtsschutzgarantie wird in der institutionellen und organisatorischen Gewährleistung eines effektiven Verfahrens gesehen: Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Gerichts, Gewährleistung ausreichenden rechtlichen Gehörs, Gelegenheit zur Beweisführung, Vorkehrungen gegen Verschleppung des Verfahrens etc. Inwieweit neben diesen Verfahrensgarantien auch eine Rechtsweggarantie besteht, ist dagegen nicht eindeutig. Unbestritten ist, dass eine funktionierende zivile Gerichtsbarkeit vorausgesetzt wird, wobei der Zugang zu den Zivilgerichten dem Ausländer zur Verfolgung und Verteidigung seiner Rechte gegenüber anderen Privatpersonen oder juristischen Personen in gleicher Weise offen stehen muss wie den Inländern; die Forderung nach Sicherheitsleistung für die Prozesskosten37 und der (in Deutschland abgeschaffte) Ausschluss von der Gewährung der Prozesskostenhilfe machen den Zugang zu den Gerichten nicht unmöglich und gelten nach der bisherigen völkerrechtlichen Praxis als sachlich gerechtfertigte Differenzierung zwischen In- und Ausländern.38 Diese Rechtsschutzklausel gewähre nur das „ius standi in iudicio“ und gewähre keine besonderen prozessualen Vergünstigungen; diese seien im Haager Zivilprozessübereinkommen abschließend geregelt.39 2. Verfassungsrecht Im Grundgesetz fehlt eine ausdrückliche Norm. Jedoch ist heute unbestritten, dass der Anspruch auf Justizgewährung verfassungsrechtlich garantiert ist, Rz. 250.40
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III. Verflochtenheit eines effektiven Rechtsschutzes mit nahezu allen Bereichen des internationalen Verfahrensrechts 1. Regeln für die internationale Entscheidungszuständigkeit Auf der Hand liegt der Zusammenhang zwischen Justizgewährungsanspruch 1924 und den Normen über die internationale Zuständigkeit. Ist z.B. Deutschland international unzuständig, so bedeutet dies, dass seine Gerichte die Klage als unzulässig abweisen (Rz. 1010, 1843) und sich nicht mit der Sache beschäftigen, auch wenn außer Zweifel ist, dass die Klage begründet ist. Die Normen für die internationale Zuständigkeit beeinflussen ganz maßgeblich den Ausgang des Prozesses:41
36 Jaenicke a.a.O. 304, 307. 37 RG vom 16.10.1934, RGZ 146, 8 = JW 1935, 346 (Jonas) = Giur. comp. d.i.p. 6 (1940) 239 Nr. 204 (Eckstein) = IPRspr. 1935–1944 Nr. 504. 38 Jaenicke a.a.O. 294. 39 KG vom 5.11.1929, JW 1930, 1877 = IPRspr. 1930 Nr. 120. 40 Siehe auch R. Geimer ZfRV 1992, 323; Furtak, Die Parteifähigkeit in Zivilverfahren mit Auslandsberührung, 1995, 108; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 337 ff., 659; Wenckstern in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. II/1, 1994, Kap. I Rz. 165 (S. 52). 41 R. Geimer in Festschrift Nagel, 1987, 36.
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Fünfter Teil: Justizgewährungsanspruch Sie bestimmen das Kollisionsrecht und damit mittelbar das Recht, das in der Sache zum Zuge kommt, Rz. 94. Der Richter des Forumstaates wendet jeweils sein eigenes Kollisionsrecht an. Die kollisionsrechtlichen Systeme weichen stark voneinander ab. Aber selbst wenn sie in concreto übereinstimmen, können sich Divergenzen ergeben durch Beachtung/Nichtbeachtung der Rück- und/oder Weiterverweisung oder weil die Auslegung von Land zu Land verschieden ist. 1925 Das Forum bestimmt – nach dem weltweit praktizierten lex fori-Prinzip (Rz. 319) – das anwendbare Verfahrensrecht. Dies kann für den Ausgang des Rechtsstreits von ganz entscheidender Bedeutung sein. Dies gilt insbesondere für das Beweisrecht. 1926 Im Übrigen spielt – ganz allgemein – das „Rechtsklima“ am Forum eine große Rolle, Rz. 96, 1102. Dieses divergiert von Land zu Land, nicht zuletzt wegen der unterschiedlichen Juristenausbildung und der unterschiedlichen Rechtstraditionen. So wird z.B. der Grundsatz pacta sunt servanda von englischen Richtern viel strikter und härter gehandhabt als von deutschen, die unter Hinweis auf Treu und Glauben (Wegfall der Geschäftsgrundlage) eher geneigt sind, Einwendungen des Schuldners zu hören und Billigkeitsentscheidungen zu fällen. Auch die Generalklauseln des Familienrechts werden – um ein weiteres Beispiel zu nennen – unterschiedlich gehandhabt.42 1927 Schließlich kann die Verfahrensdauer eine Rolle spielen und der Umstand wie weltoffen bzw. provinziell die Richter im Forumstaat eingestellt sind. 2. Zustellungsrecht 1928 Das Zustellungsrecht ist prima vista „rein technisches Recht“. Bei näherem Hinsehen zeigt sich jedoch, dass es ganz substantielle Bedeutung hat für die Justizgewährung.43 Deutschland vertritt einen vom internationalen Standard abweichenden rigorosen Standpunkt. § 183 I 2 und IV 2 ZPO verlangt auch dann die beurkundete Übergabe der Klageschrift, wenn sich der Beklagte im Ausland aufhält. Damit wird – worauf die Vertreter der remise au parquet-Länder, die auf der 10. Haager Konferenz den Vorbehalt des Art. 15 II HZÜ (Rz. 229) durchgesetzt haben, immer wieder hinweisen – der Beklagtenschutz zu Lasten des Justizgewährungsanspruchs des Klägers übertrieben. 1929 Weil die Zustellung ein Hoheitsakt ist, dürfen deutsche Justizorgane im Ausland nicht tätig werden, Rz. 414, 2075. Es muss daher – vorbehaltlich § 183 I 2 1. Alternative und V ZPO – ausländische Rechtshilfe in Anspruch genommen werden, was oft zu langen Wartezeiten und Verzögerungen führt. Die Möglichkeit der Zu-
42 Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz im Recht der internationalen Zuständigkeit, 1998, 77; Adolphsen, Internationale Dopingstrafen, 2003, 343. 43 G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 305: Das Zustellungsrecht „dient . . . der Verwirklichung elementarer Postulate prozessualer Gerechtigkeit . . .“. Vgl. auch Schack FamRZ 2004, 1595.
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Rechtsgrundlagen stellung von Anwalt zu Anwalt (§ 195 ZPO), die unbestritten kein Hoheitsakt ist,44 wird nicht erwogen. Die Rechtsverfolgung vor deutschen Gerichten wird dadurch (de facto) ganz erheblich erschwert:45 Erst wenn die Klage dem Beklagten durch Gewährung ausländischer Rechtshilfe zugestellt worden ist, kann das weitere Verfahren durch Aufgabe zur (inländischen) Post (§ 184 ZPO vereinfacht werden.46 Dies bedeutet, dass der vor deutschen Gerichten Klagende ein Handicap hat im Vergleich zu ausländischen Rechtsordnungen, bei denen die Auslandszustellung im Inland erfolgt durch Niederlegung bei der Staatsanwaltschaft (remise au parquet47); siehe auch Rz. 1933. Es stellt sich daher sowohl aus völkerrechtlicher (Rz. 1910) als auch aus verfassungsrechtlicher Perspektive die Frage nach der Toleranzgrenze, Rz. 2090. Wann werden überlange (durch Einschaltung ausländischer Rechtshilfe bedingte) Wartefristen für den Kläger/Antragsteller unzumutbar? Dieses Problem taucht grundsätzlich in jedem Zivilprozess mit einem im Ausland sich aufhaltenden Beklagten auf, vor allem aber, wenn das Verfahren besonders eilbedürftig ist, wie z.B. im Wechsel- und Scheckprozess.48 Nach sechs Monaten sollte öffentlich zugestellt werden, Rz. 2090.49 Siehe auch Rz. 252. Eine Sechsmonatsfrist sieht auch Art. 9 III des deutsch-marokkanischen Vertra- 1929a ges vom 29.10.198550 vor, dagegen eine Achtmonatsfrist Art. 17 II des deutschtunesischen Rechtshilfevertrages vom 19.7.1966.51 Dadurch wird nicht nur ein Mindeststandard vorgeschrieben, welcher die für den Beklagten misslichen Auswirkungen der remise au parquet, der öffentlichen Zustellung und der Ersatzzustellung, die das rechtliche Gehör des Zustellungsadressaten auch nicht sicher wahrt, abmildern soll, sondern dem Kläger ein Anspruch auf Erlass einer Versäumnisentscheidung bzw. einer Entscheidung nach Lage der Akten gegeben. § 335 I Nr. 2 ZPO wird – möglicherweise (vgl. Rz. 2098) – auch modifiziert hin44 Hierzu G. Geimer a.a.O. 135. 45 Gottwald in Festschrift Schütze, 1999, 225. 46 BGH vom 24.9.1986, BGHZ 98, 263 = NJW 1987, 592 = MDR 1987, 228 = RIW 1986, 991 = JR 1987, 157 (Schlosser) = IPRax 2000, 159 (Hausmann 140) = MDR 1987, 228 = LM Nr. 9 zu § 175 ZPO = EWiR 1987, 93 (R. Geimer) = Rpfleger 1987, 26 = WM 1986, 1444 = IPRspr. 1986 Nr. 144. 47 Im Anwendungsbereich des Art. IV des EuGVÜ-Protokolls und der EuZustellungsVO ist die remise au parquet nicht mehr zulässig, EuGH vom 13.10.2005, Rs C-522/03 – Scania NJW 2005, 3627 = RIW 2005, 940 = IPRax 2006, 157 (Stadler 116). Unter Hinweis auf dieses Urteil wird nunmehr auch die weitere Anwendbarkeit von § 184 ZPO im Anwendungsbereich des europäischen Gemeinschaftsrechts verneint, Heiderhoff EuZW 2006, 235, 237; Sharma, Zustellungen im Europäischen Binnenmarkt, 2003, 73. Siehe auch Heckel, Die fiktive Inlandszustellung auf dem Rückzug – Rückwirkungen des europäischen Zustellungsrechts auf das nationale Recht, IPRax 2008, 218. 48 Offen gelassen von LG Kiel vom 20.5.1983, SchlHA 1983, 165 = IPRspr. 1983 Nr. 162. Dezidierter OLG Düsseldorf vom 14.10.2003, OLG-Report 2004, 456, 457. 49 Anderer Auffassung BGH vom 20.1.2009, NJW-RR 2009, 855 = LMK 2009, 280234 (Geimer); OLG Köln vom 26.5.2008, MDR 2008, 1061: Die Voraussetzungen des § 185 I Nr. 3 ZPO liegen in einer gewöhnlichen vermögensrechtlichen Streitigkeit – kein Eilverfahren – (noch) nicht vor, wenn eine Auslandszustellung innerhalb eines Jahres (voraussichtlich) erfolgreich durchgeführt werden kann. 50 BGBl. 1988 II 1054. 51 BGBl. 1969 II 889.
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Fünfter Teil: Justizgewährungsanspruch sichtlich Beklagter, denen in Tunesien zuzustellen ist.52 Die Sechsmonatsfrist greift auch im Anwendungsbereich des Haager Zustellungsübereinkommens vom 15.11.1965,53 da Deutschland eine Erklärung gemäß Art. 15 II HZÜ54 abgegeben hat (Rz. 2090). Wie nach Ablauf der Sechsmonatsfrist zu verfahren ist, ist umstritten. Besteht nun trotz § 335 I Nr. 2 ZPO Anspruch auf Erlass eines Versäumnisurteils oder einer Entscheidung nach Lage der Akten oder sind nach Verstreichen der Sechsmonatsfrist lediglich die in Art. 15 I HZÜ (Rz. 231) errichteten Hürden beseitigt, so dass dann nach § 185 Nr. 3 ZPO öffentliche Zustellung erfolgen muss? Letzteres dürfte zutreffen.55 1929b
Gemäß § 21 I ZPO kann gegen einen im Ausland Domizilierten im Inland Klage an dem Ort erhoben werden, an dem dieser zum Betrieb eines Gewerbes eine Niederlassung unterhält, von der aus unmittelbar Geschäfte abgeschlossen werden, Rz. 2108. Betrifft die Klage ein solches Geschäft, dann ist die Zustellung an den Beklagten im Ausland (§ 183 ZPO) nicht erforderlich. Es genügt – anders als in den Fällen der §§ 20, 22 ff. ZPO – eine Inlandszustellung (§ 178 I Nr. 2 ZPO) in der inländischen Niederlassung, Rz. 2110.56 3. Beachtlichkeit ausländischer Rechtshängigkeit auf der Grundlage des Prioritätsprinzips
1930 Anders als früher manche romanischen Rechtsordnungen, aber in Übereinstimmung mit dem Standard der internationalen Vertragspraxis beachtet das deutsche internationale Zivilprozessrecht die Rechtshängigkeit der Streitsache im Ausland, wenn mit der Anerkennung der von dem ausländischen Gericht zu treffenden Entscheidung zu rechnen ist, Rz. 2688. Die Rechtshängigkeit der Streitsache im Ausland steht dann der Sachentscheidung durch ein deutsches Gericht entgegen. Es wird also die Justizgewährung im Inland blockiert. Dies gilt zunächst während der Dauer des zuerst anhängigen Verfahrens. Endet dieses mit einer Entscheidung in der Sache, so kommt es darauf an, ob die ausländische Entscheidung im Inland anerkennungsfähig ist. Ist dies der Fall, erübrigt sich ein zweites Verfahren bzw. ein solches wäre unzulässig. Ein Anspruch auf
52 Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 515.36 Art. 17 Fußn. 76. 53 BGBl. 1977 II 1452. 54 BGBl. 1993 II 704. 55 G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 36. Bei öffentlicher Zustellung sollte man im Anwendungsbereich der Europäischen Vollstreckungstitel-Verordnung Nr. 805/2004 vom 21.4.2004 das zuzustellende Schriftstück parallel per e-mail versenden, wenn zwar eine „normale“ Zustellung nicht möglich ist, aber eine e-mail-Adresse des Beklagten existiert. Sendet der Beklagte eine Empfangsbestätigung im Sinne von Art. 13 I (d) der genannten Verordnung, so kann auch in den Fällen des § 185 ZPO eine Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel erfolgen, Rauscher/Pabst in Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht2 2006, Art. 13 Rz. 17. Allerdings ist nach Rauscher/Pabst Rz. 16 für die Empfangsbescheinigung per e-mail eine digitale Signatur erforderlich. 56 LG Frankfurt a.M. vom 9.12.1985, RIW 1987, 221 = IPRspr. 1985 Nr. 33.
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Rechtsgrundlagen eine gleich lautende Sachentscheidung besteht nicht.57 Insoweit ist der Anspruch auf Justizgewährung im Inland erloschen. Wird die ausländische Entscheidung im Inland nicht anerkannt, so muss zur Wiederholung des Rechtsstreits ein kompetentes Gericht im Inland bereitgestellt werden, wenn Justizverweigerung zu befürchten ist, Rz. 1030. Der Anspruch auf Justizgewährung lebt wieder auf.58 Endet das ausländische Verfahren ohne Entscheidung in der Sache, z.B. durch 1931 Klage-/Antragsrücknahme, so kann der Kläger/Antragsteller wieder von seinem Wahlrecht Gebrauch machen. Er hat Anspruch auf Justizgewährung im Inland, sofern dann noch ein Anknüpfungspunkt für die internationale Zuständigkeit Deutschlands gegeben ist und die sonstigen Prozessvoraussetzungen vorliegen. Dies gilt auch dann, wenn das ausländische Gericht die Klage bzw. den Antrag als unzulässig zurückgewiesen hat, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob das Prozessurteil nach dem Recht des Urteilsstaates Rechtskraftwirkungen entfaltet oder nicht. Denn im Inland anerkennungsfähig sind nur Entscheidungen in der Sache, nicht solche über prozessuale Vorfragen und Zwischenpunkte, Rz. 2788. Die durch die ausländische Rechtshängigkeit nach Maßgabe des Prioritätsprin- 1932 zips bewirkte Blockade einer Sachentscheidung durch die deutschen Gerichte ist nur dann vertretbar, wenn das ausländische Gericht das Verfahren zügig vorantreibt. Wird der Rechtsstreit ohne triftigen Grund verschleppt, so ist irgendwann der Punkt erreicht, wo der Justizgewährungsanspruch der Parteien tangiert wird und deshalb die ausländische Rechtshängigkeit nicht mehr beachtet werden darf. Sind die Parteirollen im inländischen und ausländischen Verfahren gleich, so entfällt aber die Sperrwirkung der ausländischen Rechtshängigkeit nur unter ganz besonderen Umständen.59 Denn der Kläger hat die Prozesstaktik selbst bestimmt. Zu Recht stellt der BGH strengere Anforderungen als an den Fall, in welchem der inländische Kläger im Ausland verklagt wird.60 Allgemein gilt aber für beide Fälle: Eine lange Verfahrensdauer allein reicht nicht aus. Es müssen besondere Umstände hinzutreten, welche die Sperrwirkung des ausländischen Verfahrens als eine für den inländischen Kläger unzumutbare Beeinträchtigung des Rechtsschutzes erscheinen lassen.61 57 Anderer Auffassung ist der Bundesgerichtshof, der eine gleich lautende Sachentscheidung erlassen will, Rz. 2801. 58 Zustimmend McGuire, Verfahrenskoordination und Verjährungsunterbrechung im Europäischen Prozessrecht, 2004, 59. 59 BGH vom 10.10.1985, NJW 1986, 2195 = RIW 1986, 218 = EWiR 1985, 1015 (R. Geimer) = WM 1986, 115 = IPRspr. 1985 Nr. 167; R. Geimer NJW 1984, 529. Anderer Auffassung EuGH vom 9.12.2003, Rs C-116/02 – Gasser/MISAT Srl RIW 2004, 289 (Thiele) = IPRax 2004, 243 (Grothe 205; Schilling 294). Hierzu zu Recht kritisch Heß in Festschrift Jayme, 2004, 339, 356. 60 BGH vom 28.11.1985, IPRax 1986, 293 (Rauscher 274) = RIW 1986, 217 = IPRspr. 1985 Nr. 169; OLG München vom 31.10.1984, IPRax 1985, 338 (Rauscher 317) = RIW 1986, 815 = IPRspr. 1984 Nr. 169. 61 OLG Frankfurt vom 8.12.1986, RIW 1987, 151, 153 = NJW-RR 1988, 572 = IPRax 1988, 24 (Schumann 13) = IPRspr. 1986 Nr. 168; zu streng OLG München vom 2.6.1998, RIW 1998, 631 = Forum Int. R. 1998, 11 (R. Geimer) = EWiR 1998, 977 (Mankowski) = IPRspr. 1998 Nr. 177.
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Fünfter Teil: Justizgewährungsanspruch 1933 Am Rande sei hier auch darauf aufmerksam gemacht, wie ungünstig sich das den Kläger benachteiligende strenge Zustellungsrecht des § 183 I 2 2. Alternative ZPO im Zusammenspiel mit den Regeln über die Beachtung ausländischer Rechtshängigkeit auswirken kann, wenn der vor dem deutschen Gericht Verklagte von der gegen ihn eingereichten Klage erfährt. Er kann in seinem Wohnsitzstaat oder in einem Drittstaat, in dem mittels remise au parquet62 oder Postbrief die Klage zugestellt wird, eine negative Feststellungsklage (zeitlich früher) erheben: Da die Rechtshängigkeit in Deutschland erst mit Zustellung der Klage eintritt (§§ 253 I, 261 I ZPO), kann die inländische Klage durch einen Parallelprozess im Ausland „überrundet“ werden mit der Folge, dass nach dem Prinzip der Priorität (§ 261 III Nr. 1 ZPO) im Inland eine Klagesperre eintritt, weil die zeitlich frühere Rechtshängigkeit im Ausland zu beachten ist. Ein auch für einen ganz idealistisch und universalistisch denkenden und über jeden Chauvinismus erhabenen Internationalisten wenig erfreuliches Ergebnis! Siehe aber auch Rz. 1115, 2699. Nach englischem Recht kann eine an sich nach RSC Order 11 erforderliche Auslandszustellung durch Order for Service by Alternative Method ersetzt werden, „if practical for any reason.“ Auch dadurch kann die Klageerhebung in Deutschland überrundet werden.63 4. Immunitätsrecht 1934 Die Vorschriften über Immunitäten führen zu einer Rechtlosstellung des Klägers (Rz. 641) und damit zu einer ganz entscheidenden Beeinträchtigung seines Justizgewährungsanspruchs. Déni de justice (Rz. 1909) liegt jedoch nicht vor, bloß weil der Aufenthaltsstaat dem Fremden die Durchsetzung seiner Ansprüche gegen einen dritten Staat verweigert.64 Jedoch muss in dem Staat, der im Ausland Immunität in Anspruch nimmt, ein Forum eröffnet werden,65 Rz. 783, 1273. 1935 Bei der Überwindung der Doktrin von der absoluten Immunität der Staaten spielte das Rechtsschutzpostulat eine bedeutende Rolle, Rz. 559.66 5. Parteifähigkeit 1936 Im Lichte des Justizgewährungsanspruchs gewinnt die Streitfrage, wie die Parteifähigkeit im internationalen Verfahrensrecht anzuknüpfen ist, eine neue Dimension: Ob nämlich das deutsche internationale Verfahrensrecht auf die Vorschriften über die Rechtsfähigkeit verweist oder ob es direkt auf das prozessuale Heimatrecht zusteuert. Aus der Sicht des Justizgewährungsanspruchs ist nicht ein Entweder-Oder sinnvoll, sondern ein Sowohl-als-Auch (Kumulationstheorie, Rz. 2203).
62 Im Anwendungsbereich des Art. IV des EuGVÜ-Protokolls und der EuZustellungsVO ist die remise au parquet nicht mehr zulässig, dazu Fußn. 47. 63 Hierzu R. Geimer in Festschrift Schütze, 1999, 205 sowie OLG Frankfurt vom 31.1.2002, IPRax 2002, 523 (Homann 502) = IPRspr. 2002 Nr. 187. 64 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 16. 65 R. Geimer ZfRV 1992, 404. 66 Damian, Staatenimmunität und Gerichtszwang, 1985, 16; v. Schönfeld NJW 1986, 2981.
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Rechtsgrundlagen 6. Verfahrensbeschleunigung Der Justizgewährungsanspruch kann erheblich tangiert werden bei Einschaltung 1937 ausländischer Rechtshilfeorgane (Ersuchen um Zustellung bzw. Beweisaufnahme). Das Gericht ist nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, Verzögerungen zu vermeiden. Es ist verpflichtet, wenn die Zustellung durch Rechtshilfe lange Zeit in Anspruch nehmen würde, von den Möglichkeiten des § 184 ZPO Gebrauch zu machen (Rz. 2122) oder sich mit einer schriftlichen Stellungnahme des Zeugen zu begnügen.67 7. Anerkennungsrecht Ein effektiver Rechtsschutz hängt – aus internationaler Sicht – auch in weitem 1938 Umfang von der internationalen Freizügigkeit gerichtlicher Entscheidungen und sonstiger Titel ab. Ein großzügiges Anerkennungsrecht ist deshalb erforderlich. Wir sind aber de lege lata von diesem Postulat noch weit entfernt, vor allem wegen des atavistischen Erfordernisses der Verbürgung der Gegenseitigkeit (§ 328 I Nr. 5 ZPO, § 109 IV FamFG).68 Dabei geht es nicht nur um einen ausgewogenen Schutz des Klägers/Antragstel- 1939 lers. Auch der Beklagte muss durch eine sinnvolle Auslegung der Anerkennungsvorschriften geschützt werden: Anerkennungshindernisse, die ausschließlich dem Schutz des Beklagten dienen, führen nur dann zur Verweigerung der Anerkennung, wenn sich der Beklagte darauf beruft, Rz. 1873. Wollte man z.B. die res iudicata-Wirkung eines die Klage als unbegründet abweisenden Urteils deshalb nicht anerkennen, weil der Urteilsstaat aus deutscher Sicht international unzuständig war (§ 328 I Nr. 1 ZPO) oder weil dem Beklagten das rechtliche Gehör verweigert worden war, so würde man den Normzweck in sein Gegenteil verkehren: Der Beklagte würde benachteiligt und dem Kläger ein ungerechtfertigter Vorteil gewährt. Dessen Justizgewährungsanspruch ist nämlich bereits mit Klageerhebung im Ausland verbraucht, Rz. 1930. Bei Nichtanerkennung könnte der Kläger seine Klage wiederholen, und diesmal vielleicht mit mehr Aussicht auf Erfolg, Rz. 1873.
67 Die Einholung einer solchen Aussage ist kein Eingriff in die Souveränität des Aufenthaltsstaates und damit nicht völkerrechtswidrig, Rz. 437, 2384. 68 Man denke nur an den armen Unterhaltsgläubiger, der für seine – unbestrittenermaßen bestehende – Forderung nach langem Prozess im Ausland einen Titel erlangt hat, diesen aber in Deutschland nicht vollstrecken kann, weil die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist, oder an den armen Geschiedenen, der bei uns noch als verheiratet bzw. sogar als Bigamist gilt, bloß weil das ausländische Familiengericht bzw. Zustellungsorgan einen Zustellungsfehler gemacht hat (§ 328 I Nr. 2 ZPO). Zu § 328 I Nr. 5 ZPO zuletzt BGH vom 24.10.2000, NJW 2001, 524 = IPRax 2001, 457 (Schütze 441) = IPRspr. 2000 Nr. 156.
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Fünfter Teil: Justizgewährungsanspruch
IV. Justizgewährungsanspruch und Kompetenzrecht 1. Zuständigkeitsanknüpfungspunkte in der Sphäre des Beklagten als Hemmschuh für den Justizgewährungsanspruch 1940 Ausgangspunkt des deutschen Kompetenzrechts ist die Regel actor sequitur forum rei, Rz. 1138, 1265. Damit hat es der Schuldner (Beklagte, Antragsgegner) in der Hand, durch Wohnsitzverlegung das Forum zu bestimmen und den Justizgewährungsanspruch des Klägers zu beeinflussen.69 Es bedarf daher zum Schutz des Klägers eines Korrektivs, Rz. 1127. Dies ist punktuell geschehen, z.B.: 1941 – für vertragliche Verpflichtungen durch den Gerichtsstand des Erfüllungsortes, Rz. 1481. Der Schuldner ist dort gerichtspflichtig, wo er nach materiellem Recht leisten muss. Diesen Zusammenhang zwischen Ort der Leistungsverpflichtung und dem Forum sollte man nicht auseinander reißen durch Stipulierung eines prozessualen Erfüllungsortsbegriffes, wie er von Anhängern der Theorie vom Forum am Ort der vertragscharakteristischen Leistung angestrebt wird. Die Faszination über den einheitlichen Vertragsgerichtsstand übersieht elementare Notwendigkeiten der Justizgewährung;70 1942 – für deliktische Klagen durch den Gerichtsstand sowohl am Ort der Handlung als auch am primären Schadensort, Rz. 1497. 1943 Den ganz großen Pendelschlag weg vom favor defensoris und hin zur Erleichterung der Rechtsverfolgung für den Kläger bringt der Vermögensgerichtsstand (§ 23 ZPO). Um die internationale Zuständigkeit Deutschlands zu eröffnen, genügt es, dass der Beklagte im Inland irgendeinen Vermögensgegenstand besitzt. Ein Zusammenhang zum Streitgegenstand muss nicht bestehen. Die Legitimität dieses Gerichtsstandes ist heftig umstritten, Rz. 1352. 2. Zuständigkeitsanknüpfungen in der Sphäre des Klägers/Antragstellers 1944 Aus der Sicht des Klägers/Antragstellers am „praktischsten“ für die Verwirklichung seines Justizgewährungsanspruchs sind Zuständigkeitsanknüpfungen in seiner Person. Vom Statusverfahren (Rz. 1145, 1533) abgesehen, sind jedoch Klägergerichtsstände im deutschen Recht selten. Sie dienen vorwiegend dem Schutz typischerweise besonders schutzbedürftiger Personen, wie z.B. Unterhaltsgläubigern und Konsumenten, Rz. 1157, 1297. 3. Ausschließliche internationale Zuständigkeit ausländischer Staaten 1945 Auch wenn ein Zuständigkeitsanknüpfungspunkt in concreto gegeben ist, wie z.B. Wohnsitz, Deliktsort, Erfüllungsort etc., entfällt die internationale Zuständigkeit Deutschlands nach herrschender Meinung, wenn für den Streitgegenstand ein ausländischer Staat ausschließlich international zuständig ist. Dadurch wird der Justizgewährungsanspruch des Klägers ganz erheblich tan69 Maßgebend ist der Zeitpunkt der Klageerhebung, Rz. 1828. 70 R. Geimer IPRax 1986, 87. Zu der Kompromisslösung des Art. 5 Nr. 1b EuGVVO mit seinen vielen Auslegungsproblemen (hierzu Mankowski IHR 2009, 46: „ein immer größer werdendes Rätsel“) siehe Rz. 1482.
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Keine Beachtung von Verboten ausländischer Gerichte giert.71 Die Bundesrepublik Deutschland als Wohnsitzstaat sollte – wie bereits oben Rz. 929 dargelegt – ihre Gerichte auch über ausländischen Grundbesitz (§ 24 ZPO) bzw. Wohnraum (§ 29a ZPO) entscheiden lassen. Der Beklagte hat kein schützenswertes Interesse, den Prozess nicht vor den deutschen Gerichten, sondern am forum rei sitae führen zu müssen. Sein Recht auf angemessene Verteidigung ist in seinem Wohnsitzstaat am besten gewährleistet.72 Für das forum rei sitae spricht zwar die Beweis- und Sachnähe des Belegenheitsstaates. Dieses Verfahrensinteresse ist aber nicht so stark, dass daraus die internationale Ausschließlichkeit folgt.73 4. Intertemporales Recht Intertemporal wendet der Bundesgerichtshof – mangels einer ausdrücklichen 1945a Übergangsbestimmung – die erst während des Prozesses in Kraft getretenen neuen Regeln über die internationale Zuständigkeit an.74 Dies trifft sicher in den Fällen zu, in denen die internationale Zuständigkeit Deutschlands im Vergleich zum bisherigen Rechtszustand erweitert wurde. Denn weshalb soll man die Klage wegen internationaler Unzuständigkeit als unzulässig abweisen, wenn der Kläger seine Klage sofort wieder einreichen kann und diesmal die internationale Zuständigkeit zu bejahen ist. Anders ist es jedoch bei Einschränkung der internationalen Zuständigkeit durch das neue Recht; denn das Vertrauen des Klägers auf die bestehende Justizgewährungsmöglichkeit im Inland ist zu schützen. Dabei ist es eine Frage des juristischen Geschmacks, ob man dieses Ergebnis auf § 261 III Nr. 2 ZPO stützen will.75
V. Keine Beachtung von Verboten ausländischer Gerichte, im Inland zu klagen Antisuit-injunctions76 sind keine Sachentscheidungen im Sinne von § 328 ZPO 1945b bzw. Art. 32 EuGVVO/LugÜ. Ihre Anerkennung kommt daher nicht in Betracht,
71 Z.B. OLG Karlsruhe vom 6.3.1984, IPRax 1985, 106 (Henrich 88) = IPRspr. 1984 Nr. 156. 72 Zustimmend KG vom 14.6.2001, KGReport Berlin 2001, 401; Wenner in Festschrift Jagenburg, 2002, 1013, 1021. 73 Ähnlich nun Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 487. Vgl. auch OLG Köln vom 23.10.1985, OLGZ 1986, 210 = MDR 1986, 239 = IPRspr. 1985 Nr. 145: „Die Auffassung . . ., wonach zwei deutsche Staatsbürger entgegen ihrer Rechtsverfolgungsabsicht gehalten sein könnten, . . . Streitigkeiten wegen tatsächlicher Vorgänge, die sich in Deutschland abgespielt haben, vor einem türkischen Gericht auszutragen, . . . dürfte kaum mit dem verfassungsrechtlichen Gebot der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes zu vereinbaren sein“. 74 Es ging um § 606a I ZPO n.F. 75 R. Geimer NJW 1987, 3085. 76 Nachweise bei Bermann, The Use of Anti-Suit Injunctions in International Litigation, Col. J. Trans.L. 28 (1990), 589; Berti, Englische anitsuit injunctions im europäischen Zivilprozessrecht, in Festschrift Siehr, 2000, 33; Hartley, Comity and the Use of Anti-Suit Injunctions in International Litigations, Am J. Comp. L. 35 (1987), 487; Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozessrecht – Überlegungen zur Bewälti-
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Fünfter Teil: Justizgewährungsanspruch Rz. 2792. Wir lassen uns nicht von ausländischen Gerichten vorschreiben, wann wir Rechtsschutz im Inland zu gewähren haben und wann nicht; wie auch umgekehrt nach der hier vertretenen Auffassung (Rz. 1119) die deutschen Gerichte nicht befugt sind, die Klageerhebung bzw. Antragstellung vor ausländischen Gerichten zu verbieten oder den Kläger zum Abbruch des ausländischen Verfahrens durch Klagerücknahme etc. aufzufordern, Rz. 1118.77
VI. Verbot individuellen Rechtsschutzes durch Anerkennung eines ausländischen Insolvenzverfahrens – vis attractiva concursus 1945c Die Anerkennung der Wirkungen ausländischer Insolvenzverfahren (Rz. 3394, 3500) führt zum Verlust bzw. zur Beeinträchtigung der – an sich nach §§ 12 ff. ZPO bzw. Art. 2 ff. EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ gegebenen – Rechtsschutzmöglichkeiten im Inland, wenn man sich entschließt, das lege concursus bestehende Verbot individueller Rechtsverfolgung78 bzw. die nach manchen ausländischen Rechtsordnungen viel stärker als im deutschen Recht eingreifende vis attractiva concursus79 und damit die ausschließliche internationale Zuständigkeit des aus-
gung von multi-fora disputes, 1996, 191; Jegher, Abwehrmaßnahmen gegen ausländische Prozesse, Diss. Basel 2003, 91 ff.; Krause, Anti-suit injunctions als Mittel der Jurisdiktionsabgrenzung, Diss. Hamburg 2005; Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten, 1989; Maack, Englische antisuit injunctions im europäischen Zivilrechtsverkehr, 1999; Mansel EuZW 1996, 335; Graf von Praschma, Die Einwirkung auf ausländische Prozesse in Unterlassungs- und Schadensersatzklagen, Diss. Saarbrücken 1971; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 769; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, RIW 2007, 801, 802; Stürner ZZP 109 (1996), 224.; Thiele RIW 2002, 383. Instruktiv der „Laker-Fall“. Hierzu Lange, Der Justizkonflikt zwischen den USA und Europa, dargestellt am Beispiel des Falles „Laker“ in Habscheid (ed.), Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 65. Jegher, Abwehrmaßnahmen gegen ausländische Prozesse, Diss. Basel 2003, 91 ff. Siehe auch Schlosser, Anti-suit injunctions zur Unterstützung von internationalen Schiedsverfahren, RIW 2006, 486; Schmidt, Anti-suit injunctions im Wettbewerb der Rechtssysteme, RIW 2006, 492; Stadler, Vielfalt der Gerichte – Einheit des Prozessrechts?, BerDGVR 42 (2007), 177, 200. 77 Siehe auch EuGH vom 27.4.2004 Rs C-159/02 – Turner/Grovit RIW 2004, 541 (Krause 533, Mankowski 497): Im Brüssel I-System sind antisuit injunctions unzulässig, EuGH vom 1.3.2005, Rs C-281/02 – Owusu, Slg. 2005 I – 1383 = EuZW 2005, 345. Positive Kompetenzkonflikte sind allein nach Art. 27 ff. EuGVVO zu lösen, Rz. 1118. Hierzu Vorlage des House of Lords 13.12.2001 (2001) UKHL 65. Siehe auch Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, RIW 2007, 801, 803 sowie Stadler, Vielfalt der Gerichte – Einheit des Prozessrechts?, BerDGVR 42 (2007), 177, 201. 78 Z.B. den automatic stay nach § 362 US Bankruptcy Code. Hierzu E. Habscheid, Grenzüberschreitendes (internationales) Insolvenzrecht der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland – Systeme und Wechselwirkungen rechtsvergleichend auch zu anderen Rechtsordnungen, insbesondere der Schweiz, 1998, 136 ff. 79 R. Geimer LM § 305 BGB Nr. 57. Zum US-Recht E. Habscheid a.a.O. 74 ff., 368; E. Habscheid ZIP 1999, 1113; E. Habscheid NZI 2003, 238, 240.
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Justizgewährung ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit ländischen Staates, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, für die Feststellung streitiger Forderungen anzuerkennen.80
VII. Blockade individuellen Rechtsschutzes in Deutschland durch deutsches Insolvenzverfahren Ein in Deutschland eröffnetes Insolvenzverfahren blockiert – ohne Rücksicht auf 1945d die lex causae der geltend zu machenden Forderung – individuellen Rechtsschutz in Deutschland, §§ 87, 89 InsO. Davon unberührt bleibt die Verweisung bestimmter Komplexe, z.B. Feststellung bestrittener Forderungen (§§ 179 ff. InsO, vgl. Rz. 3464) in den Zivilprozess durch das deutsche Insolvenzrecht.
VIII. Justizgewährung ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit der Parteien 1. Überblick Die Staatsangehörigkeit der Parteien ist grundsätzlich ohne Bedeutung für die 1946 Justizgewährung im Inland. Aus dem Umstand, dass er deutscher Staatsangehöriger ist, kann der Kläger keinen Anspruch auf Justizgewährung im Inland81 herleiten,82 Rz. 1020. Das Gleiche gilt für die Staatsangehörigkeit des Beklagten. Nur weil der Beklagte Deutscher ist, eröffnet Deutschland nicht den Zugang zu seinen Gerichten,83 Rz. 1021. Umgekehrt kann in reinen Ausländerprozessen der an sich nach §§ 12 ff. eröffnete Zugang zu den deutschen Gerichten nicht versperrt werden, Rz. 1171. 2. Staatsangehörigkeitszuständigkeit Die Gleichbehandlungsthese (Rz. 253, 1906) bedarf jedoch einer erheblichen 1947 Einschränkung im Kompetenzrecht. Die Gleichbehandlung von In- und Ausländern ist so lange einleuchtend, als im Kompetenzrecht nicht nach der Staatsangehörigkeit differenziert wird. Dies ist in §§ 12 ff. ZPO der Fall. Auch § 23 ZPO ist kein Ausländerforum in dem hier diskutierten strikten Sinn, weil er sich auch gegen Deutsche, die nicht im Inland wohnen, richtet und weil auch Ausländer in diesem Gerichtsstand klagen dürfen, Rz. 1172. Anders ist es jedoch in Ehe-, Kindschafts-, Abstammungs- und Lebenspartnerschaftssachen: Hier haben wir eine Konstellation, die mit der nach Art. 14, 15 Code civil vergleichbar ist (näher Rz. 1145): Die deutsche Staatsangehörigkeit einer jeden Partei, auch des 80 Für Anwendung des Art. 3 I EuInsVo (Rz. 245c) auf insolvenzrechtliche Anfechtungsklagen EuGH vom 12.2.2009, Rs C-339/07 RA Seagon als Insolvenzverwalter/Deko Marty Belgium N.V. 81 Anders Art. 14 Code civil sowie früher § 184 II DDR-ZPO. 82 Siehe auch Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 – Vergemeinschaftung, Anwendungsbereich und insbesondere die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, 2004, Rz. 367. 83 Anders Art. 15 Code civil und ehedem § 184 II DDR-ZPO. Vgl. auch Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 195.
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Fünfter Teil: Justizgewährungsanspruch Klägers/Antragstellers, vermittelt eine ausreichende Anknüpfung, um die internationale Zuständigkeit zu eröffnen. Ein sonstiger Bezug im Inland braucht nicht vorzuliegen, Rz. 1323 ff.84 1948 Beispiel: Ein Deutsch-Mexikaner heiratet in Brasilien eine Peruanerin. Jeder der Ehegatten kann in Deutschland das Scheidungsverfahren anhängig machen, § 98 I Nr. 1 FamFG, Rz. 1332.85 1949 Die internationale Staatsangehörigkeitszuständigkeit in der Ausprägung des deutschen Rechts dient also nicht nur dem Zweck, den eigenen Staatsbürgern eine „Heimatzuflucht“ zu gewährleisten, d.h. deutschen Rechtsschutz durch deutsche Gerichte zu geben,86 sondern verwirklicht insoweit „Zuständigkeitsgleichheit“, als sie dem ausländischen Ehegatten des Deutschen auch den Zugang zu deutschen Gerichten ermöglicht, Rz. 1333. 1950 Diese internationale Staatsangehörigkeitszuständigkeit wurde durch die IPR-Reform noch erweitert, Rz. 1337. Es reicht nun aus, wenn einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung deutscher Staatsangehöriger war. Welchem Staat nun die Ehegatten bei Scheidung angehören und wo sie sich aufhalten, spielt keine Rolle. 1951 Das Schlagwort „Heimatzuflucht“ hat den Blick dafür getrübt, dass die Gerichtspflichtigkeit des (nicht deutschen) Ehegatten des Deutschen (wenn dieser klagt) bzw. des Deutschen (wenn sein [nicht deutscher] Ehegatte klagt) außerhalb seines Wohnsitzes/Aufenthaltsstaates bzw. des Staates, in dem die Ehe (zuletzt) „gelebt“ wurde, erheblich erweitert wird. Dies gilt aber nicht nur für gemischtnationale Ehen, sondern auch für Ehen, in denen beide Ehegatten (nicht) effektiv Deutsche sind.87 1952 Im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 (EuEheVO, Rz. 245c) wird auf die Staatsangehörigkeit nur dann eine internationale Zuständigkeit gegründet, wenn beide Ehegatten die Staatsangehörigkeit des Gerichtsstaats besitzen, Art. 3 I (b). Ob dies AEUV/EGV-konform ist, erscheint fraglich, Rz. 246v. 3. Justizgewährung für Ausländer in Statussachen 1953 Die alleinige Verwendung der Staatsangehörigkeit als Kompetenzanknüpfung in Statusverfahren würde zur Verweigerung jeden Rechtsschutzes für Ausländer und Staatenlose führen. Dies ist indiskutabel, weil völkerrechtswidrig (déni de
84 Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 – Vergemeinschaftung, Anwendungsbereich und insbesondere die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, 2004, Rz. 370. Siehe auch Staudinger/ Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 606a ZPO Rz. 9. 85 Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung bei R. Geimer in Festschrift Schwind, 1993, 17, 24. 86 So z.B. Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, 89, 108, 176 Fußn. 21. Vgl. auch Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 86: „protektionistische Zuständigkeitspolitik“. 87 Nicht überzeugend Adam, Internationaler Versorgungsausgleich, 1985, 108.
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Justizgewährung ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit justice, Rz. 1909)88 und mit dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes (Rz. 250) unvereinbar, Rz. 130. Rechtsschutz wird nicht nur dann gewährt, wenn an dem Verfahren ein Deut- 1954 scher beteiligt ist, sondern auch in reinen Ausländersachen, Rz. 1171. Als Zuständigkeitsanknüpfung dient dann in Ehe-, Kindschafts-, Abstammungs- und Lebenspartnerschaftssachen (§§ 98 I Nr. 2–4, 99 I Nr. 2, 100 Nr. 2, § 103 I Nr. 2 FamFG, früher §§ 606a I 1 Nr. 2–4, 640a II 1 Nr. 2, 661 III ZPO) der gewöhnliche Aufenthalt (Rz. 299) einer Partei (auch des Klägers/Antragstellers) im Inland. Auf die Anerkennung der deutschen Entscheidung im Ausland kommt es nicht an, Rz. 1066. Eine Ausnahme gilt jedoch in Ehesachen, wenn nur (noch) einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat. Die deutsche internationale Entscheidungszuständigkeit entfällt aber nur dann, wenn offensichtlich ist, d.h. auf der Hand liegt, dass keiner der Heimatstaaten die deutsche Entscheidung anerkennen wird, § 98 I Nr. 4 FamFG, früher § 606a I 1 Nr. 4 ZPO. Diese Regelung verbessert die Möglichkeiten für Ausländer, im Inland Rechtsschutz zu erlangen. Eine positive Anerkennungsprognose (§ 606b Nr. 1 ZPO a.F.) ist zur Eröffnung der internationalen Zuständigkeit Deutschlands nicht mehr erforderlich, wenn beide Ehegatten im Inland ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, § 98 I Nr. 2 FamFG. Gleichwohl bestehen gegen § 98 I Nr. 4 FamFG schwere verfassungsrechtliche Bedenken, weil die in Deutschland sich aufhaltenden Ausländer in zwei Gruppen aufgeteilt werden, nämlich in solche, denen es gestattet ist, Rechtsschutz vor deutschen Gerichten zu erlangen, und solche, denen der Rechtsschutz im Inland verweigert wird.89 Das den Rechtsschutz im Inland einschränkende Anerkennungserfordernis ist 1954a aus der Sicht des deutschen internationalen Zivilverfahrensrechts systemwidrig, Rz. 1066; es ist daher einschränkend auszulegen. In keinem Fall darf es im Wege der Analogie auf andere Statusverfahren ausgedehnt werden, insbesondere nicht auf Kindschafts- und Abstammungssachen90 oder auf Adoptionen91 (Rz. 992). Für Lebenspartnerschaftssachen hat dies der Gesetzgeber klar normiert, § 103 I Nr. 2 FamFG. Es fragt sich, ob die kompetenzrechtliche Benachteiligung von Ehegatten (weniger Rechtsschutzmöglichkeiten im Inland) mit Art. 3 I und 6 I GG vereinbar ist.
1954b
IX. Keine Justizgewährung aufgrund Maßgeblichkeit deutschen Rechts Allein aus dem Umstand, dass in der Sache deutsches Recht zur Anwendung kommt, ergibt sich kein Anspruch auf Justizgewährung in Deutschland. Es gibt 88 Heldrich, Internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht, 1969, 88 Fußn. 86, 135 Fußn. 73. 89 Zustimmend Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 496 ff. Zurückhaltender Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 606a ZPO Rz. 24. 90 Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 640a Rz. 6; OLG Nürnberg vom 30.10.1985, NJW-RR 1986, 301 = IPRax 1986, 305 = IPRspr. 1985 Nr. 84. 91 Siehe auch Klinkhardt in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Art. 22 EGBGB Rz. 71 ff.
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Fünfter Teil: Justizgewährungsanspruch keinen positiven Gleichlauf zwischen forum und ius und deshalb auch kein forum legis, Rz. 1041.
X. Keine Rechtsschutzverweigerung bei fremder lex causae 1956 Umgekehrt gibt es aber auch keinen negativen Gleichlauf. Der Umstand, dass in der Sache ausländisches Recht zur Anwendung kommt und dass der Staat der lex causae die deutsche Entscheidung nicht anerkennt, ist kein Grund, die an sich gegebene internationale Zuständigkeit Deutschlands zu verneinen, Rz. 1064, 1755.
XI. Forum non conveniens 1957 Besonders gefährlich für den Justizgewährungsanspruch des Klägers wäre es, würde sich die deutsche Rechtsprechung den aus dem anglo-amerikanischen Rechtsbereich stammenden forum non conveniens-Theorien anschließen, Rz. 1072. Justizgewährung im Inland (Rz. 1075) darf nicht mit der Begründung verweigert werden – die Beweise müssten im Ausland erhoben werden, selbst dann nicht, wenn der ausländische Staat die Erledigung von Rechtshilfeersuchen – allgemein oder im konkreten Fall – ablehnt. In solchen Fällen darf auch das Verfahren nicht ausgesetzt werden;92 – für die Vollstreckung des beantragten Leistungsurteils fehle pfändbares Vermögen des Beklagten (Schuldners) im Inland bzw. für das beantragte Feststellungsurteil fehle das Rechtsschutzbedürfnis im Inland; – durch Versagung der Prozesskostenhilfe (§ 114 ZPO) mit der Begründung, der Kläger könne „billiger“ im Ausland klagen;93 – wegen Scheiterns der Zustellung an den Beklagten im Ausland: dies ist kein Grund, die Justizgewährung im Inland zu verweigern. Es muss – als ultima ratio – öffentliche Zustellung erfolgen, § 185 Nr. 2 ZPO, Rz. 1091, 1229.94 1958–1962 92 Vgl. OLG Köln vom 16.3.1983, FamRZ 1983, 825 (Grunsky) = IPRspr. 1983 Nr. 160. 93 Ebenso (aber weniger dezidiert) OLG Frankfurt vom 19.5.1982, IPRspr. 1982 Nr. 140 = IPRax 1983, 46; OLG Köln vom 30.10.1985, FamRZ 1985, 1278 = MDR 1986, 244 = ROW 1986, 200 = EWiR 1986, 205 (R. Geimer) = IPRspr. 1985 Nr. 171. 94 Diese kann im Beschwerdeweg erzwungen werden, OLG Köln RIW 1988, 301. Aus innerstaatlicher Sicht ist die öffentliche Zustellung gleichwertig und gleichrangig wie eine „normale“ Zustellung an den Zustellungsadressaten. Die öffentliche Zustellung ist verfassungskonform, Gregor Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungrechts, 1999, 11. Die gegen den Beklagten in absentia ergangene gerichtliche Entscheidung ist existent und wirksam, obwohl er unverschuldet keine Ladung und auch sonst keine Kenntnis vom Verfahren erhalten hat. Das Urteil kann auch nicht ohne weiteres wieder beseitigt werden. Eine Analogie zu § 579 I Nr. 4 ZPO kommt nach BGH vom 11.12.2002, NJW 2003, 1326 selbst dann nicht zum Zuge, wenn der Gegner die öffentliche Zustellung arglistig erschlichen hat. In Betracht kommen nach Maßgabe von § 581 ZPO
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Ausschluss des Rechtsschutzes im Inland
XII. Justizgewährung am forum prorogatum Es spielt keine Rolle, ob die internationale Zuständigkeit Deutschlands in con- 1963 creto auf Gesetz oder auf einer Zuständigkeitsvereinbarung (Rz. 1739) beruht. Haben – bei Fehlen einer gesetzlichen Zuständigkeitsanknüpfung – die Parteien die internationale Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland vereinbart, dann haben sie Anspruch auf Justizgewährung wie in den „gesetzlichen“ Fällen. Eine Zurückweisung des Klageantrags aus forum non conveniens-Gründen ist unzulässig, Rz. 1084, 1755.95 Dies gilt auch dann, wenn nach deutschem internationalem Privatrecht in der Sache nicht deutsches, sondern ausländisches Recht zur Anwendung kommt, wenn Beweiserhebungen (nur) im Ausland möglich sind oder wenn der Rechtsstreit keinerlei Beziehungen zum Inland aufweist, Rz. 1745.
XIII. Ausschluss des Rechtsschutzes im Inland Die Parteien können die internationale Zuständigkeit Deutschlands und da- 1964 mit den Zugang zu den deutschen Gerichten auch durch isolierten Derogationsvertrag oder durch Vereinbarung der ausschließlichen internationalen Zuständigkeit eines anderen Staates oder durch Vereinbarung der Zuständigkeit eines inländischen oder ausländischen Schiedsgerichts ausschließen, Rz. 1757. Damit entfällt der Rechtsschutz durch die deutschen Gerichte. Im Rahmen und 1965 nach näherer Maßgabe der Vereinbarung der Parteien entfällt der Justizgewährungsanspruch im Inland. Dieser kann aber u.U. wieder aufleben, wenn es am forum prorogatum nicht zu einer Sachentscheidung kommt, sei es, weil das forum prorogatum Zuständigkeitsvereinbarungen generell nicht annimmt oder weil es in concreto die Zuständigkeitsvereinbarung nicht für zustande gekommen hält oder sonst für unwirksam erachtet, oder weil es wegen Stillstands der Rechtspflege zu keinem Urteil kommt oder weil schließlich das am forum prorogatum erlassene Sachurteil in Deutschland nicht anerkannt bzw. vollstreckt werden kann, aber vollstreckungsfähiges Vermögen sich nur im Inland befindet, Rz. 1032, 1763 ff.
(rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung) nur die Nr. 1 und 4 des § 580 ZPO. Ob das Bundesverfassungsgericht diese BGH-Rechtsprechung billigen wird, ist derzeit offen. Bei öffentlicher Zustellung im Anwendungsbereich der Europäischen Vollstreckungstitel-Verordnung Nr. 805/2004 vom 21.4.2004 sollte man das zuzustellende Schriftstück parallel per e-mail versenden. Siehe dazu auch Fußn. 55. 95 Zustimmend Simotta in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 104 JN Rz. 239.
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Fünfter Teil: Justizgewährungsanspruch 1966 Bestritten ist, ob § 40 II 1 ZPO der Derogation der internationalen Zuständigkeit Grenzen setzt. Kropholler96 will diese Vorschrift ohneModifikationen anwenden mit der Folge, dass in nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten eine Derogation ausgeschlossen ist. Fraglich ist, ob Derogation der internationalen Aufenthaltszuständigkeit in Statussachen möglich ist. Sicher ist aber: die internationale Staatsangehörigkeitszuständigkeit ist derogationsfest, Rz. 1344, 1773. 1967 Vom Verzicht auf den Streitgegenstand (auf das materielle Recht), der nach der vom deutschen internationalen Privatrecht bestimmten lex causae zu beurteilen ist, zu unterscheiden ist der Verzicht auf Rechtsschutz durch die deutschen Gerichte. Rechtsverzicht und Verzicht auf Rechtsschutz sind mithin deutlich auseinander zu halten. Über letzteren befindet ausschließlich die deutsche lex fori, Rz. 1677, 1757. 1968 Vom generellen Rechtsschutzverzicht (all over the world) logisch zu trennen ist der Verzicht auf Rechtsschutz gerade durch die Gerichte der Bundesrepublik Deutschland (genereller: durch die Gerichte des Staates A oder der Staaten A, B, C . . .). Daraus folgt: – Ein Rechtsschutzverzicht ist denkbar auch in den Fällen, in denen die lex causae einen Verzicht auf das materielle Recht bzw. die betreffende Rechtsposition nicht zulässt. – Ein Verzicht auf Rechtsschutz gerade durch die deutschen Gerichte ist nicht immer schon dann ausgeschlossen, wenn ein genereller Rechtsschutzverzicht unzulässig ist. Beispiel: Ein Verzicht auf die Erhebung der Scheidungsklage – etwa bei Eingehung oder während der Ehe in einem Ehevertrag – ist sicher unwirksam. Denkbar ist aber, dass die Parteien sich verpflichten, den Scheidungsantrag – sollte ein solcher notwendig werden – in einem der Heimatstaaten bzw. im gemeinsamen Heimatstaat zu stellen. In diesem Zusammenhang wäre es sinnvoll, die aus dem (gemeinsamen) Aufenthalt im Inland fließende internationale Zuständigkeit Deutschlands zu derogieren.97 1969 Logisch nicht zwingend ist schließlich eine Kongruenz zwischen Erweiterung der internationalen Zuständigkeit über die im Gesetz vorgesehenen Zuständigkeitsanknüpfungspunkte hinaus (internationale Prorogation) einerseits und dem Verzicht auf Rechtsschutz durch die deutschen Gerichte (internationale Derogation) andererseits, Rz. 1637. Beide Komplexe sind auseinander zu halten. So ist es denkbar, für den Derogationsaspekt andere Regeln zu entwickeln als für den Prorogationsaspekt. So zeigt die Rechtsvergleichung, dass viele Staaten zwar Prorogationen (= Erweiterung ihrer internationalen Zuständigkeit) aufgeschlossen gegenüberstehen, aber Derogationen ihrer an sich (kraft Gesetzes) gegebenen internationalen Zuständigkeit ablehnen.98 Vgl. Rz. 1788. 96 Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 528. 97 Dieser Fragenkomplex wird kontrovers diskutiert, Rz. 1773. 98 Siehe z.B. die Hinweise auf ein australisches Gesetz und die Rechtsprechung in den USA und in Belgien in Bill of Lading, Report by the Secretariat of UNCTAD (1971) 50, Nr. 299 f. In den USA bahnt sich erst seit der grundlegenden Entscheidung M/S Bremen
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Ausländische Staaten und juristische Personen Mit Sicherheit folgt aus der Bejahung einer Derogationsmöglichkeit nicht, dass 1970 Deutschland (gesetzlich) verpflichtet wäre, ceteris paribus eine Prorogation anzunehmen: Auch wenn hinsichtlich eines bestimmten ausländischen Staates spiegelbildlich die Voraussetzungen vorliegen, unter denen wir eine Derogation der deutschen internationalen Zuständigkeit zulassen, folgt daraus noch nicht, dass wir zur Annahme der Prorogation verpflichtet sind. Haben z.B. Angehörige der Staaten A/B die internationale Aufenthaltszuständigkeit des Staates C ausgeschlossen, dann bedeutet dies noch nicht, dass sie (in nicht vermögensrechtlichen Streitigkeiten) die internationale Zuständigkeit Deutschlands vereinbaren können. Das gilt auch umgekehrt. Aus der (de lege ferenda theoretisch möglichen) Zulassung der Prorogation in Ehesachen folgt z.B. noch nicht die Zulässigkeit der Derogation der an sich nach § 98 FamFG gegebenen internationalen Zuständigkeit. Schließlich besteht keine Kongruenz zur internationalen Anerkennungszuständigkeit (§ 328 I Nr. 1 ZPO, § 109 I Nr. 1 FamFG).99
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Hat der Kläger/Antragsteller (in einer Sache, für die nach §§ 12 ff. ZPO auch die 1972 internationale Zuständigkeit Deutschlands gegeben ist) die Gerichte eines anderen Staates angerufen, dann entfällt sein Anspruch auf Justizgewährung, sofern aus deutscher Sicht die Rechtshängigkeit zu beachten ist, Rz. 2688, 2725. Ausschluss durch Vereinbarung eines (ausländischen) Schiedsgerichts: Da es 1973 um den Ausschluss der deutschen Jurisdiktion geht, beurteilt sich die objektive Schiedsfähigkeit nach der deutschen lex fori, Rz. 3811.100
XIV. Zugang zu den deutschen Gerichten auch für ausländische Staaten und juristische Personen des öffentlichen Rechts Auch ausländischen Staaten und Körperschaften des öffentlichen Rechts (Rz. 565, 567, 634, 706) steht der Zugang zu den deutschen Gerichten offen, Rz. 2211.101 So kann z.B. der Träger der niederländischen Arbeitslosenversicherung die Rückzahlung zu viel geleisteter Arbeitslosenunterstützung vor deutschen Gerichten (Sozialgerichten) einklagen.102
99 100 101 102
v. Zapata Offshore Co., 92 S. Ct. 1907 (1972) eine Wende an. Hierzu Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht3, 2003, 32 sowie Wagner, Prozessverträge, 1998, 181 ff. Kropholler in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I, 1982, Kap. III Rz. 149. Birk BerDGesVR 18 (1978), 360. Dormann Bessenich, Der ausländische Staat als Kläger, 1993. Anderer Auffassung LG Offenburg vom 30.12.1960, IPRspr. 1960–1961 Nr. 172; BSG vom 26.1.1983, BSGE 54, 250 = IPRspr. 1983 Nr. 130. Skeptisch gegenüber BSG auch Mann in Festschrift Kegel, 1987, 365, 374; Roloff, Die Geltendmachung ausländischer öffentlichrechtlicher Ansprüche im Inland, 1994, 45, 111. Hierzu auch Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006, 278.
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Fünfter Teil: Justizgewährungsanspruch 1975 Die Gerichte lehnen es aber bisher ab, sich „zum Büttel eines fremden Staates“103 machen zu lassen und durch Anwendung des der Eingriffsverwaltung zuzurechnenden ausländischen öffentlichen Rechts den Hoheits- oder Machtanspruch des ausländischen Staates de facto auf das Inland zu erstrecken.104 Nach dieser nahezu weltweit praktizierten Doktrin müssen die Gerichte alles unterlassen, was kausal für die Durchsetzung einer öffentlich-rechtlichen Forderungen eines fremden Staates wäre, also nicht nur das direkte Zusprechen eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs, sondern auch alle gerichtlichen Maßnahmen, die indirekt einen solchen Anspruch realisieren. Das inländische Gericht darf nach diesem Ansatz keine Maßnahmen treffen, durch die der ausländische Staat bekommen würde, was ihm nach seinem öffentlichen Recht zusteht.105 Begründet wird dies mit drei Argumenten:106 1. Souveränitätsargument: Die gerichtliche Durchsetzung einer fremden öffentlich-rechtlichen Forderung tangiere die Souveränität des Forumstaats, weil sie im Ergebnis die Staatsgewalt des fremden Staates auf das Inland ausweite. 2. Gewaltenteilungsargument: Betroffen seien bei der Durchsetzung fremder öffentlich-rechtlicher Forderungen die äußeren Angelegenheiten des Forumstaates; diese seien aber eine Domäne der Exekutive, Art. 32 I GG. Die Gerichte würden daher gegen das Gewaltenteilungsprinzip der Verfassung verstoßen, wollten sie sich solcher Forderungen annehmen. 3. Interessenargument: Generell habe der Forumstaat kein Interesse, dass seine Gerichte die Interessen fremder Staaten durchsetzen.107 Bei näherem Zusehen erweisen sich jedoch alle vorgenannten Argumentationslinien im Zeitalter der Globalisierung als wenig stichhaltig.108 Dies hat Dutta jüngst ausführlich dargelegt.109 „No state can be said to have a legitimate policy against payment of its neighbor’s taxes.“110 Weder das Völkerrecht, noch das Recht der Europäischen Gemeinschaften noch das deutsche Grundgesetz noch das einfache deutsche Recht verbieten den deutschen Gerichten, im öffentlichen
103 BGH vom 18.2.1957, BGHZ 23, 333. Weitere Nachweise bei Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006, 23, 57, 312; Dutta, Vollstreckung in öffentlichrechtliche Forderungen ausländischer Staaten, IPRax 2007, 109; Ohler, Die Kollisionsordnung des Allgemeinen Verwaltungsrechts – Strukturen des deutschen Internationalen Verwaltungsrechts, 2005, 362. 104 Ausführlich Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Band 2000, Einleitung Rz. 49 ff. vor Art. IX EGJN. 105 Dutta, a.a.O., 431. 106 Umfassende Nachweise bei Dutta, a.a.O., 5 ff., 18 ff. 107 Dutta, a.a.O., 312 ff. 108 Dutta, a.a.O., 220 ff. 109 Dutta, a.a.O., 5 ff., 431. 110 Milwaukee County v. M.E. White Co, 56 SCt 229 (1935) 234 (Stone J).
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Ausländische Staaten und juristische Personen Recht fremder Staaten wurzelnde Ansprüche im Inland durchzusetzen.111 Auch haben die Gerichte (Art. 92 ff. GG) hierfür die verfassungsrechtliche Kompetenz; Art. 32 I GG steht nicht entgegen. Das Gewaltenteilungsargument ist mithin ohne Substanz. Das deutsche Verfahrensrecht und das deutsche Kollisionsrecht sind durchaus in der Lage, die Durchsetzung fremder öffentlich-rechtlicher Ansprüche zu meistern. Diese Erkenntnis ist neu und harrt noch ihrer Verwirklichung in der Rechtspraxis. Daher wird im Folgenden ein Überblick über den derzeitigen Stand der Rechtsprechung gegeben. Einem ausländischen Staat wird zur Durchsetzung seiner Steuer- und Gebühren- 1976 forderungen der inländische Justizapparat bisher nicht zur Verfügung gestellt.112 Vgl. Rz. 264a. Ebenso nicht zur Durchsetzung seines Konfiskationsrechts.113 Ist es dem früheren Eigentümer gelungen, die enteignete Sache ins Ausland zu schaffen, dann stehen die deutschen Gerichte für eine rei vindicatio (zugunsten des enteignenden Staates) nicht bereit.114 Allerdings gibt es Abkommen, in denen sich die Staaten zur (gegenseitigen) Vollziehung von Steuerbescheiden verpflichten.115 So haben sich z.B. Deutschland und Dänemark in Art. 33 des Steuerabkommens vom 22.11.1995116 zur gegenseitigen Beitreibung von steuerlichen Ansprüchen verpflichtet, als handele es sich um eigene.117
111 Ganz im Gegenteil gibt es eine Reihe von völkerrechtlichen Verträgen und sekundäreuroparechtlichen Rechtsakten, die zur Durchsetzung ausländischer öffentlich-rechtlicher Forderungen verpflichten, so z.B. Art. 30 EuInsVO (Durchsetzung von Steuerforderungen und Ansprüchen der Sozialversicherungsträger, Virgós Schmitt-Bericht Nr. 265) sowie die Richtlinie 93/7/EWG vom 15.3.1993 über die Rückführung illegal ausgeführter Kulturgüter, ABl. EG 1993 Nr. L 74, S. 74 (Rz. 1982). Näher hierzu Dutta, a.a.O., 232 ff. 112 KG vom 19.11.1908, OLGE 20 (1910), 91; OLG Hamburg vom 25.11.1959, IPRspr. 1958–1959 Nr. 61; Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 232; Kegel/Schurig, Internationales Privatrecht9, 2004, § 23 I; Mann RabelsZ 21 (1956), 1 = Beiträge zum IPR, 1976, 201; Frank RabelsZ 34 (1970), 57; Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht10, 2000, Rz. 1509; Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 328 Fußn. 69; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 2 Rz. 25; Roloff, Die Geltendmachung ausländischer öffentlichrechtlicher Ansprüche im Inland, 1994, 37, 107. Siehe auch Dormann Bessenich, Der ausländische Staat als Kläger, 1993, 75 ff. und Schnyder, Wirtschaftskollisionsrecht, 1990, 240 Rz. 296. Anders soll es jedoch sein, wenn ein Hoheitsträger einen Bürgen aufgrund einer Bürgschaft für Zölle und andere öffentliche Abgaben in Anspruch nimmt, OLG Frankfurt vom 17.11.1999, OLGR 2000, 71 = IPRspr. 1999 Nr. 133; EuGH vom 15.5.2003 – Rs C-266/01 Préservatrice foncière TIRAD SA/Staat der Nederlanden Slg. 2003 I 4867 = IPRax 2003, 528 (R. Geimer 512). 113 Umfassende Nachweise bei Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006, 82 ff. 114 Staudinger/Stoll, Internationales Sachenrecht13, 1996 Rz. 147, 150. 115 Nachweise bei Papier/Olschewski DVBl. 1976, 475; Roloff a.a.O. 173. 116 BGBl. 1996 II 2565. 117 Nachweise z.B. bei Schlosser, Jurisdiction and International Judicial and Administrative Co-Operation, RdC 284 (2000), 9, 341 ff.
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Fünfter Teil: Justizgewährungsanspruch 1977 Schwierig sind die Abgrenzungen.118 Ist z.B. der Zugang zu den deutschen Gerichten auch dann versperrt, wenn der ausländische Staat bzw. eine ausländische öffentlich-rechtliche Körperschaft die Erstattung von Aufwendungen verlangen? Beispiel: Die Stadt Wien musste erhebliche Kosten aufwenden, um die Einsturzgefahr für ein Haus abzuwenden, das einem in Deutschland wohnhaften Eigentümer gehörte. Sie erließ einen Erstattungsbescheid und verklagte den Eigentümer vor dem LG Hamburg.119 Dieses hielt den Rechtsweg für eröffnet, auch wenn es einräumt, dass dies bei „strenger Betrachtung“ nicht der Fall sei. Es gehe nicht darum, ausländisches hoheitliches Handeln auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland durchzusetzen. Vielmehr sei das Klagebegehren darauf gerichtet, vermögensrechtliche Ersatzansprüche auf Zahlung von Geld zu verfolgen. Dieses Argument ist nicht überzeugend: Auch der ausländische Steuerbescheid verlangt „nur“ Zahlung von Geld. Gewichtiger ist die weitere Erwägung: Es komme nicht darauf an, dass das österreichische Recht Ersatzansprüche der geltend gemachten Art als öffentlich-rechtliche Ansprüche qualifiziere; entscheidend sei vielmehr die „Natur“ des materiellen Anspruchs. Hier biete sich der Vergleich mit Schadensersatz- oder Erstattungsansprüchen zivilrechtlicher Art an; der Erstattungsanspruch aus Ersatzvornahme ähnele einem auch zwischen zwei Privaten denkbaren und möglichen Ersatzanspruch, etwa aus Geschäftsführung ohne Auftrag. 1978 Wenn aber überhaupt von deutschen Gerichten Rechtsschutz gewährt werden soll, dann wären hierzu aufgrund der Normen über die Verteilung der Rechtsprechungsaufgaben zwischen den verschiedenen Zweigen der deutschen Gerichtsbarkeit die Verwaltungsgerichte berufen, § 40 VwGO.120 Daran hat auch das Bundesverwaltungsgericht keinen Zweifel gelassen in einem Gebührenrechtsstreit zwischen einem deutschen Lufttransportunternehmen und der Europäischen Organisation zur Sicherung der Luftfahrt (Eurocontrol).121 1979 In dem hier erörterten Zusammenhang geht es um die Frage, ob und wann der ausländische Staat bzw. dessen juristische Person Anspruch auf Erlass einer 118 Vischer IPRax 1991, 209; Pfeiffer Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 712. Siehe auch AG Münster vom 23.11.1994, DAR 1995, 165 (Schulte) = IPRspr. 1994 Nr. 146 (Parkraumbenützungsgebühr einer niederländischen Gemeinde; hierzu Schmittmann/Kocker DAR 1996, 293; Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006, 139) sowie Eichenhofer, Internationales Sozialrecht, 1994, Rz. 639. 119 LG Hamburg vom 9.3.1977, IPRspr. 1977 Nr. 115. Hierzu auch Roloff a.a.O. 47, 111 sowie Dutta, a.a.O., 372. 120 Abzulehnen – weil zu pauschal Vischer IPRax 1991, 210: „Der Verwaltungsrechtsweg ist in aller Regel dem ausländischen Staat verschlossen, da die Verwaltungsgerichtsbarkeit auf die Anwendung des eigenen öffentlichen Rechts beschränkt ist.“ Nicht überzeugend auch Dutta, a.a.O., 372: „Das inländische Recht kann dem ausländischen Staat gar nicht die Verfügungsbefugnis über seine öffentlichrechtlichen Forderungen nehmen. Mithin erscheint der Beibringungsgrundsatz des Zivilprozesses besser auf die Durchsetzung fremder öffentlichrechtlicher Forderungen zu passen“. 121 BVerwG vom 16.9.1977, BVerwGE 54, 291 = NJW 1978, 1759 = JZ 1979, 133 = IPRspr. 1977 Nr. 129. Hierzu Schwenk ZLW 27 (1978), 71.
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Ausländische Staaten und juristische Personen Sachentscheidung durch das deutsche Gericht hat. Hiervon zu unterscheiden ist die Gewährung von Rechtshilfe. Diese wird auch auf Gebieten geleistet, in denen bisher aus den in Rz. 1977 genannten Gründen eine Sachentscheidung nicht zu erlangen ist. So ist die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Strafrechts und des Steuer-, Zoll- und sonstigen Abgabenrechts besonders intensiv.122 Die Inanspruchnahme der deutschen Rechtshilfe führt ausländische Staaten mitunter weiter als die Erhebung der rei vindicatio vor deutschen Gerichten, wenn es um die Rückschaffung von in Deutschland gelegenen Vermögenswerten geht, die ein ehemaliges Staatsoberhaupt oder ein sonstiger Amtsträger sich durch eine (auch aus deutscher Sicht) strafbare Handlung angeeignet hat. Zu denken wäre an Beschlagnahme und Übergabe an den ersuchenden Staat.123 Sofern nach den vorstehenden Ausführungen einem ausländischen Staat oder 1980 einer ausländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts der Zugang zu den deutschen Gerichten nach herrschender Doktrin versperrt ist, kann diese Blockade nicht durch eine Zession an eine natürliche Person oder eine juristische Person des Privatrechts beseitigt werden.124 Dies liegt auf der Hand, wenn der Zessionar die Ansprüche zwar im eigenen Namen, aber intern für Rechnung des Zedenten geltend macht. Nicht anders zu beurteilen ist die Rechtslage, wenn er ein eigenes Interesse an der Durchsetzung der auf ihn übergegangenen öffentlich-rechtlichen Forderung hat. Denn die Rechtsnatur des Anspruchs ist nach der Zession die gleiche. Auch der von § 426 II BGB bzw. § 774 II BGB bzw. von den Parallelvorschriften der lex causae angeordnete Forderungsübergang ändert den Charakter als öffentlich-rechtliche Forderung nicht.125 Jedoch kann der privatrechtlich zu qualifizierende Rückgriffsanspruch aus Vertrag, Geschäftsführung oder ungerechtfertigter Bereicherung in Deutschland eingeklagt werden, sofern nach den allgemeinen Regeln ein Anknüpfungspunkt für die internationale Zuständigkeit gegeben ist.126 Man hat jedoch zu Recht einen Rückgriffs122 Nachweise z.B. bei Dutta, a.a.O., 246 ff. 123 Vischer IPRax 1991, 211, 213; Dormann Bessenich, Der ausländische Staat als Kläger, 1993, 207 ff., 216 ff. In Art. 20 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13.12.1957 (BGBl. 1964 II 1369) haben sich die Vertragsstaaten verpflichtet, auf Verlangen des ersuchenden Staates Gegenstände zu beschlagnahmen und dem zu ersuchenden Staat zu übergeben, die aus der strafbaren Handlung herrühren und im Zeitpunkt der Festnahme im Besitz der verlangten Person gefunden worden sind oder später entdeckt werden. Siehe auch § 66 IRG und Koch IPRax 1993, 192 sowie die umfangreichen Nachweise bei Jenn, Illegal nach Deutschland verbrachtes Staatsvermögen, Diss. München 2004. 124 Anderer Auffassung Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006, 91. 125 OLG Hamburg vom 25.11.1959, IPRspr. 1958–1959 Nr. 61; BAG AP Nr. 9 und 20 zu § 670 BGB. Anderer Auffassung BGH vom 2.4.1973, NJW 1973, 1077, 1078 (allerdings in einem Fall ohne Auslandsberührung; hierzu Stolterfoht JZ 1975, 658): „Die als Steuerforderung entstandene Forderung diene in der Hand des Bürgen der Durchsetzung seines privatrechtlichen Rückgriffsanspruchs gegen den Hauptschuldner und keinen öffentlichen Belangen mehr. Deshalb kann sie in seiner Hand auch nur noch eine privatrechtliche Forderung sein, für die der ordentliche Rechtsweg gegeben ist“. 126 OLG Hamm OLGE 1912, 333; RG IPRspr. 1928 Nr. 37; Roloff, Die Geltendmachung ausländischer öffentlichrechtlicher Ansprüche im Inland, 1994, 38, 121.
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Fünfter Teil: Justizgewährungsanspruch anspruch in einem besonders gelagerten Fall abgelehnt, weil es in Wirklichkeit um die Durchsetzung einer verschleierten Steuerforderung für einen ausländischen Staat ging.127 1981 Mit der Globalisierung der Menschheitsprobleme und der daraus resultierenden Notwendigkeit der internationalen Zusammenarbeit wird das Prinzip der Unklagbarkeit öffentlich-rechtlich zu qualifizierender ausländischer Ansprüche immer fragwürdiger. Beispiel: Abweisung der Klage des haitianischen Staates gegen seinen ehemaligen Diktator Duvalier.128 1982 Innerhalb der Europäischen Union ist nunmehr der öffentlich-rechtliche Anspruch auf Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern durch die Richtlinie 93/7/EWG vom 15.3.1993129 und seine Klagbarkeit vor den Gerichten der Mitgliedstaaten anerkannt. Das deutsche Gesetz zur Umsetzung dieser Richtlinie vom 18.5.2007 (Kulturgüterrückgabegesetz)130 eröffnet in § 13 I den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten.131
XV. Ausschluss öffentlich-rechtlicher Ansprüche für Ausländer 1983 Von dem Ausschluss der Durchsetzung von Ansprüchen nach ausländischem öffentlichen Recht vor deutschen Gerichten zu unterscheiden ist der Ausschluss von öffentlich-rechtlichen Ansprüchen deutschen Rechts für Ausländer. Beispiel: Ausschluss von Amtshaftungsansprüchen bei fehlender Verbürgung der Gegenseitigkeit (Rz. 192a), der jedoch nicht gilt, sofern der Anspruch kraft Gesetzes in statu nascendi auf einen Inländer bzw. inländischen Sozialversicherungsträger übergegangen ist.132
127 OLG Hamburg vom 25.11.1959, IPRspr. 1958, 1959 Nr. 61. Zur Behandlung der Steuerforderungen in der Insolvenz siehe unten Rz. 3381. Rechtsvergleichend zum US-Recht E. Habscheid, Grenzüberschreitendes (internationales) Insolvenzrecht der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland – Systeme und Wechselwirkungen rechtsvergleichend auch zu anderen Rechtsordnungen, insbesondere der Schweiz, 1998, 100. 128 Cass. civ. Rev. crit. 1991, 386 (Bischoff 388); hierzu Roloff a.a.O. 101, 140. 129 ABl. EG Nr. L 74 S. 74. Geändert durch Richtlinie 96/100/EG vom 17.2.1997, ABl. EG Nr. L 60 S. 59. Nachweise hierzu bei Peya, Die Ausfuhr von Kulturgütern im nationalen und Gemeinschaftsrecht, Diss. Münster 2002. 130 BGBl. I 757. Der vollständige Titel des Gesetzes lautet: Gesetz zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut und zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern. 131 Hierzu Fuchs IPRax 2000, 281, 283; Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006, 235, 367. 132 OLG Frankfurt vom 9.5.1985, VersR 1985, 1191 = IPRspr. 1985 Nr. 38.
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Einstweiliger Rechtsschutz Es liegt hier keine verfahrensrechtliche Fragestellung vor; denn es wird nicht das Klagerecht für einen bestehenden materiell-rechtlichen Anspruch ausgeschlossen, vielmehr fehlt es an einem solchen.
XVI. Einstweiliger Rechtsschutz Der Justizgewährungsanspruch umfasst auch das Recht auf Erlass einstweiliger Maßnahmen (Arreste, einstweilige Verfügungen und einstweilige Anordnungen) nach Maßgabe der deutschen lex fori.133
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Die Staatsangehörigkeit der Parteien und das in der Sache anwendbare Recht sind in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung, §§ 620, 916, 935, 940 ZPO sowie §§ 49 ff. 119 FamFG sind daher immer – ohne Rücksicht auf die lex causae – anzuwenden.134 Beispiel: Art. 59 III Schweizer Bundesverfassung a.F. bestimmte135 in Erfüllung 1985 eines Postulates der Aufklärung: „Die Schuldnerhaft ist abgeschafft.“ Ein persönlicher Arrest ist nach Schweizer Recht unzulässig. Gleichwohl kann ein solcher nach § 918 ZPO angeordnet werden, auch wenn die Forderung Schweizer Recht unterliegt.136 Umgekehrt besteht kein Anspruch auf einstweiligen Rechtsschutz nach auslän- 1986 dischem Recht. Die Rechtsordnungen divergieren sehr stark.137 So kann z.B. – auch wenn englisches Recht lex causae ist – von einem deutschen Gericht keine world-wide freezing (früher: Mareva) injunction (Rz. 399b)138 erlassen werden.139 Haben die Parteien die ausschließliche Zuständigkeit eines ausländischen Ge- 1987 richts vereinbart, so ist damit in der Regel auch die internationale Zuständigkeit 133 Zustimmend Kofmel Ehrenzeller, Der vorläufige Rechtsschutz im internationalen Verhältnis, 2005, 413. 134 OLG Düsseldorf vom 13.2.1978, WM 1978, 359 = IPRspr. 1978 Nr. 138; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, IZPR Rz. 5. Anderer Auffassung Grunsky ZZP 89 (1976), 258. Rechtsvergleichende Hinweise zu den verschiedenen nationalen Systemen Schlosser, Jurisdiction and International Judicial and Administrative Co-Operation, RdC 284 (2000), 9, 157 ff.; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht3, 2009, Art. 31 EuGVVO Rz. 32 f. 135 Vgl. Art. 30 der revidierten BV. Hierzu Walther ZZPInt 5 (2000), 295, 297. 136 Nachweise bei Fritzsche/Walder, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht I, 1984, § 1 Rz. 6. 137 Rechtsvergleichende Hinweise bei Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 426; Meier 48, Dohmann 157 und Koch 193 in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992. 138 Hierzu die umfangreichen Nachweise bei Kofmel Ehrenzeller, Der vorläufige Rechtsschutz im internationalen Verhältnis, 2005, 153 ff. und Heinze, Grenzüberschreitende Vollstreckung englischer freezing injunctions – Die Dadourian Guidelines, IPRax 2007, 343. Siehe auch Grunert, Die „world-wide“ Mareva Injunction, 1998. 139 Doch wies Schlosser (berichtet von Heß IPRax 1992, 201) mit einleuchtenden Argumenten darauf hin, dass auch nach deutschem Recht durch einstweilige Verfügung ein vergleichbares allgemeines Verfügungsverbot erlassen werden könne. Zu den Unterschieden OLG Karlsruhe vom 19.12.1995, ZZPInt 1 (1996), 91 (Zuckermann/Grunert) = IPRspr. 1995 Nr. 166.
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Fünfter Teil: Justizgewährungsanspruch Deutschlands für den einstweiligen Rechtsschutz (Arrest und einstweilige Verfügung) abbedungen, Rz. 1767. Wird das vom prorogierten ausländischen Gericht erlassene Urteil im Inland nicht anerkannt, dann kann in Deutschland erneut geklagt werden, sofern nicht Ausschluss jeglichen Rechtsschutzes gewollt war, Rz. 1766.
XVII. Rechtsschutzbedürfnis 1988 Der an sich eröffnete Zugang zu den deutschen Gerichten darf nicht wieder mit dem Argument verschlossen werden, in Deutschland bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis. Der Kläger könne sich vielmehr woanders viel besser und viel sachnäher eine Entscheidung beschaffen. Die bereits oben Rz. 1957 abgelehnten forum non conveniens-Gesichtspunkte dürfen nicht unter dem neuen Etikett „Rechtsschutzbedürfnis“ doch noch zu einer Prozessabweisung führen.140 Es steht vielmehr im Belieben des Klägers, ob er von der ihm eröffneten internationalen Zuständigkeit Gebrauch machen will oder nicht. Eine Reihenfolge oder Prioritätenliste für die einzelnen Zuständigkeitsanknüpfungen, z.B. Wohnsitz- vor Vermögens- oder Erfüllungsortsgerichtsstand, kennt das deutsche Recht nicht. Sie darf auch nicht über die Allerweltsformel „Rechtsschutzbedürfnis“ eingeführt werden.141
XVIII. Wesenseigene Zuständigkeit 1989 Unter diesem wenig bildhaften Begriff wird die Frage diskutiert, ob und in welchen Fällen deutsche Gerichte in Anwendung des vom deutschen internationalen Privatrecht berufenen ausländischen Rechts eine im deutschen Recht nicht vorgesehene Tätigkeit ausüben können, die aus deutscher Sicht völlig wesensfremd ist. Man ist sich zwar darüber einig, dass eine dem deutschen Rechtssystem völlig wesensfremde und daher von der deutschen Justiz nicht zu bewältigende Tätigkeit abgelehnt werden kann.142 Doch sind solche Konstellationen in der Praxis bisher nicht vorgekommen. Dass die vom ausländischen Recht vorgeschriebene richterliche Tätigkeit als solche dem deutschen Recht unbekannt ist, rechtfertigt noch nicht, dass die deutschen Gerichte die Vornahme einer solchen Handlung ablehnen.143 Nur wenn diese das deutsche Rechtssystem 140 Weniger dezidiert Soergel/Kronke, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 38 EGBGB Anh. IV Rz. 113. 141 OLG München vom 15.2.1980, IPRax 1983, 120, 122 (Jayme 105)= IPRspr. 1981 Nr. 13; KG vom 4.12.1989, NJW 1990, 842 (Rupf) = IPRax 1990, 184 (Wandt 166) = IPRspr. 1989 Nr. 61. Anderer Auffassung BGH vom 11.3.1982, WM 1982, 619 = MDR 1982, 828 = IPRspr. 1982 Nr. 172 = IPRax 1982, 249 (v. Hoffmann) für den Fall, dass der Kläger ein deutsches Feststellungsurteil im ausländischen Rechtsstreit verwenden will. 142 Haunhorst, Die „wesenseigene (Un-)Zuständigkeit“ deutscher Gerichte, 1994; Nagel/ Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 3 Rz. 314. Siehe auch Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts6, 2006, § 57 II 2. 143 Beitzke FamRZ 1967, 594.
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Wesenseigene Zuständigkeit schlechthin sprengen würde, ist eine Ablehnung indiziert.144 Meist kann aber schon dadurch geholfen werden, dass man die deutschen Verfahrensvorschriften analog anwendet oder das deutsche Erkenntnisverfahren den ausländischen Verfahrensvorschriften anpasst.145 So kann z.B. das deutsche Gericht zur Wiederaufnahme des ehelichen Lebens nach türkischem Recht auffordern.146 Die Fälle der wesenseigenen Unzuständigkeit (Rz. 1001)147 sind von dem An- 1989a wendungsbereich des ordre public (Art. 6 EGBGB) klar zu unterscheiden. Die Frage der wesenseigenen Unzuständigkeit kann nur dann auftauchen, wenn die in Betracht kommende ausländische Rechtsnorm bereits die Hürde des inländischen ordre public passiert hat. Wäre dies nicht der Fall, so würde das aus deutscher Sicht maßgebliche Ersatzrecht zum Zuge kommen. Bei den unter dem Stichwort „wesensfremde Tätigkeit“ diskutierten Fällen geht 1989b es vielmehr um folgende Hypothese: Das ausländische Sachrecht ist zwar mit dem deutschen ordre public vereinbar, es ist also nicht diametral entgegengesetzt zu den Grundwerten der inländischen Rechtsordnung. Die vom deutschen Richter verlangte Tätigkeit stellt diesen aber vor verfahrensmäßig unüberwindliche Probleme. Das „Angleichungspotential“148 des deutschen Verfahrensrechts ist total erschöpft.149 144 Solche Fälle sind in der deutschen Praxis nicht oder äußerst selten vorgekommen. Vgl. auch Klinkhardt in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Art. 22 EGBGB Rz. 77. 145 Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 606a Rz. 14; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 702; R. Geimer in Symposion Außerstreitreform, 1992, 122 ff. (Veröffentlichungen des Ludwig Boltzmann-Institutes für Rechtsvorsorge und Urkundenwesen, Bd. XI); R. Geimer in Festschrift Jayme, 2004, 241, 247. So ist eine dem deutschen Recht unbekannte Klage auf Trennung von Tisch und Bett (z.B. Art. 150 ff. Codice civile; hierzu z.B. OLG Karlsruhe vom 21.3.1991, FamRZ 1991, 1308 = IPRspr. 1991 Nr. 88) einschließlich des Ausspruchs über die Verantwortlichkeit für die Trennung (Art. 151 II Codice civile) analog §§ 606 ff. ZPO (nunmehr §§ 122 ff. FamFG) zu behandeln, BGH vom 1.4.1987, NJW 1988, 636 = IPRax 1988, 173 (Hepting) = IPRspr. 1987 Nr. 59; OLG München vom 4.4.1978, NJW 1978, 1117 = IPRspr. 1978 Nr. 64; OLG Düsseldorf vom 15.10.1980, FamRZ 1981, 146 = IPRspr. 1980 Nr. 154; OLG Schleswig vom 8.1.1980, DAVorm 1982, 709 = IPRspr. 1981 Nr. 68. Zuständig ist das Familiengericht (§ 23b I Nr. 1 GVG); anderer Auffassung OLG Frankfurt vom 30.12.1977, FamRZ 1978, 520 = IPRspr. 1977 Nr. 133b. Im Statusverfahren (§§ 122 ff. FamFG) ist auch über einen Antrag auf gerichtliche Bestätigung der einvernehmlichen Trennung (Art. 158 Codice civile) zu entscheiden, AG Offenbach a.M. vom 7.10.1977, FamRZ 1978, 509 (Jayme) = IPRspr. 1977 Nr. 135. – Weitere Einzelheiten, um die Anerkennung deutscher Scheidungsurteile in Italien sicherzustellen, bei OLG Bremen vom 16.12.1982, IPRax 1985, 46, 47 (Jayme); Grundmann NJW 1986, 2167. Überholt nunmehr durch die umfassende Anerkennungspflicht nach Art. 21 ff. EuEheVO. 146 A.A. OLG Stuttgart vom 28.6.2005, IPRax 2007, 131 (zu Recht kritisch Heiderhoff 118). 147 Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 606a ZPO Rz. 308. 148 Dessauer, IPR, Ethik und Politik, 1986, 634. 149 Nur wenn das deutsche System schlechthin gesprengt werden würde, ist eine Ablehnung indiziert. Daher unzutreffend KG vom 11.1.1993, FamRZ 1994, 839 = IPRspr.
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Fünfter Teil: Justizgewährungsanspruch
XIX. Anspruch auf Zwangsvollstreckung 1990 Der Justizgewährungsanspruch ist nicht auf das Erkenntnisverfahren beschränkt. Er umfasst auch den Anspruch auf Durchführung der Zwangsvollstreckung. Das liegt auf der Hand bei Vorliegen eines deutschen Vollstreckungstitels. Dem Gläubiger kann nicht entgegengehalten werden, er könne im Ausland viel effektiver, ergiebiger, leichter oder sonst wie vorteilhafter vollstrecken. Dies zu beurteilen ist nicht Aufgabe der deutschen Vollstreckungsorgane.150 1991 Der Justizgewährungsanspruch umfasst aber auch das Recht des Gläubigers auf Vollstreckbarerklärung seines im Ausland erlangten Titels, sofern die Vollstreckbarerklärungsvoraussetzungen gegeben sind bzw. kein Versagungsgrund vorliegt, Rz. 3114. Die öffentlichen Interessen des Inlandes (Abfluss inländischer Vermögenswerte in das Ausland) werden durch die devisen- und außenwirtschaftlichen Bestimmungen und etwaige sonstige Ausfuhrverbote (z.B. für Kulturgüter)151 geschützt. 1993 Nr. 150, das Scheidung von Juden israelischer Staatsangehörigkeit in Deutschland ablehnt, weil Mitwirkung des Rabbinatsgerichts unverzichtbar sei. Hierzu näher Herfarth, Die Scheidung nach jüdischem Recht im internationalen Zivilverfahrensrecht, Diss. Heidelberg 2000, 166; Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts5, 2004, § 59 II 2 g.E.; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 5 Rz. 85. Das Gleiche gilt für KG vom 27.11.1998, IPRax 2000, 126 (Herfahrt) = IPRspr. 1998 Nr. 163A: Die Scheidung irakischer Staatsangehöriger schiitischen Glaubens sei in Deutschland nicht möglich, da eine – dem deutschen Recht wesensfremde – Mitwirkung des Sharia-Gerichts nicht in Betracht komme. Rechtsvergleichend Herfarth IPRax 2002, 17 sowie Einhorn, Jewish Divorce in the International Arena, in Festschrift Siehr, 2000, 135. Im gleichen Sinne wie hier (das Urteil des KG vom 27.11.1998 aufhebend) BGH vom 6.10.2004, BGHZ 160, 322 = FamRZ 2004, 1952 (Henrich) = IPRax 2005, 346 (Rauscher 313) = NJW-RR 2005, 81 = LMK 2005, 8 (Finger) = IPRspr. 2004 Nr. 135. Siehe auch die Nachweise bei Hirschfeld, Die Anwendung von Get Statutes und die Anerkennung von auf Get Statutes beruhenden ausländischen Urteilen in Deutschland, 2006, sowie OLG Oldenburg vom 7.3.2006, FamRZ 2006, 950 = IPRax 2007, 137 JuS 2006, 1133 (Hohloch) = IPRspr. 2006 Nr. 56: Der Zwang, an einer Get-Scheidung in Israel mitzuwirken, sei im Hinblick auf Art. 4 GG mit dem deutschen ordre public unvereinbar. 150 Siehe auch Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 113 und Rz. 1230, 2143 sowie allgemein R. Geimer NJW 1991, 3071. Das Grundgesetz verbietet vollstreckungsfreie Oasen in Deutschland. 151 Zur Ausfuhr des in das „Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes“ bzw. in das „Verzeichnis national wertvoller Archive“ eingetragene Kultur- bzw. Archivgut ist die Genehmigung des Bundesministers des Innern erforderlich. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn bei Abwägung der Umstände des Einzelfalles wesentliche Belange des deutschen Kulturbesitzes überwiegen, §§ 1 IV, 5 I, 10 III, 12 I des Gesetzes zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung in der Fassung vom 8.7.1999 (BGBl. I 1754). Nachweise bei Peya, Die Ausfuhr von Kulturgütern im nationalen und Gemeinschaftsrecht, Diss. Münster 2002; Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006, 235. Siehe auch das Kulturgüterrückgabegesetz (KultGüRückG – Gesetz zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von
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Justizgewährung des deutschen Zivilprozessrechts
XX. Justizgewährung nach Maßgabe der Ausgestaltung des deutschen Zivilprozessrechts Ist der Zugang zu den deutschen Gerichten eröffnet, so entscheidet über Art und Umfang der Justizgewährung sowie die Ausgestaltung des Verfahrens die deutsche lex fori. Eine kollisionsrechtliche Verweisung auf ausländische Rechtsordnungen ist abzulehnen, Rz. 49. Dies gilt z.B. für:
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1. Gerichtsverfassung Auch wenn in der Sache das Recht eines US-Bundesstaates oder englisches 1993 Recht zur Anwendung kommt, kann der Kläger nicht die Bildung einer Jury (Rz. 50) verlangen. Oder würde nach französischem Recht das Handelsgericht zuständig sein, so kommt die Sache gleichwohl vor eine allgemeine Zivilkammer, sofern nicht die Voraussetzungen gemäß §§ 95 ff. GVG für die Verhandlung vor der Kammer für Handelssachen vorliegen.152 2. Notwendigkeit der Einreichung einer Klageschrift Die Klageschrift hat im deutschen Zivilprozess (§ 253 ZPO) eine viel größere Be- 1994 deutung als in manchen ausländischen Rechtsordnungen.153 Insbesondere ist der Kläger gezwungen, nicht nur sein Klagebegehren vorzutragen, sondern auch den Sachverhalt schlüssig darzustellen und Beweismittel anzugeben. Dies gilt auch für ausländische Kläger und für Streitgegenstände, die nach ausländischem Recht zu beurteilen sind. So kann z.B. ein US-Bürger nicht etwa verlangen, dass erst einmal pre-trial discovery (Rz. 88) betrieben wird. Ist das Recht eines US-Bundesstaates lex causae, dann genügt nicht etwa der lapidare Satz „You have hurt me and I want some of your money.“154 Die ratio des § 253 ZPO, Kulturgut und zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern) vom 18.5.2007, BGBl. I 757. Hierzu Halsdorfer, Der Beitritt Deutschlands zum UNESCO-Kulturgutübereinkommen und die kollisionsrechtlichen Auswirkungen des neuen KultGüRückG, IPRax 2008, 395. 152 Vgl. auch Basedow in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 150. 153 Hierzu tiefschürfend Reinhard, Klageerhebung und Beklagtenschutz nach USamerikanischem und deutschem Zivilprozessrecht: Eine Untersuchung anhand der US-amerikanischen Federal Rules of Civil Procedure und der ZPO am Beispiel ausgewählter Rechtsfragen, Diss. Freiburg 2006; Varga, Beweiserhebung in transatlantischen Schiedsverfahren – Eine Suche nach Kompromissen zwischen deutscher und US-amerikanischer Beweisrechtstradition, Diss. Saarbrücken 2006, 65. 154 Erforderlich ist nur „a short and plain statement of the claim“, FRCP 8 (a). Die US-Klageschriften gleichen einem „Schuss in den Nebel“, Reufels RIW 1999, 667, 668. Zum „notice pleading“ Stürner JZ 2006, 60, 62. Zu unbezifferten Klageanträgen siehe aber auch Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 122. Ausführliche Nachweise auch bei Reinhard, Klageerhebung und Beklagtenschutz nach US-amerikanischem und deutschem Zivilprozessrecht: Eine Untersuchung anhand der US-amerikanischen Federal Rules of Civil Procedure und der ZPO am Beispiel ausgewählter Rechtsfragen, Diss. Freiburg 2006, 35 ff.
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Fünfter Teil: Justizgewährungsanspruch der für In- wie Ausländer, ganz gleich wo sie sich aufhalten, gilt, beschreibt treffend Bruns:155 „Es ist die erste Stufe der Objektivierung eines Rechtsstreits; der Kläger, der Bilanz ziehen muss, wird aus der Dumpfheit bloßer Gefühlsreaktion, wie sie zu allen Zeiten einen Teil der Prozesse motiviert, herausgehoben . . .“. 3. Verhandlungsgrundsatz 1995 Der Verhandlungsgrundsatz in der Ausformung des deutschen Rechts gilt auch dann, wenn in der Sache ausländisches Recht zur Anwendung kommt, Rz. 2266, 2271. 4. Präklusion 1996 Das Gleiche gilt für die Präklusionsvorschriften, Rz. 361, 2273. 5. Beweisverfahren 1997 Die vom deutschen internationalen Privatrecht bestimmte lex causae fixiert das Beweisthema. Sie legt die darzulegenden und gegebenenfalls zu beweisenden Tatsachen fest. Dagegen sagt die deutsche lex fori, wie zu beweisen ist. Sie bestimmt die Zulässigkeit der Beweismittel und die technische Durchführung der Beweiserhebung, Rz. 2260, 2268. Beispiel A: Im deutschen Zivilprozess ist die Parteieinvernahme ein subsidiäres Beweismittel, § 445 ZPO. Dies ist auch dann zu berücksichtigen, wenn die lex causae, wie z.B. das US-amerikanische Recht, eine Vernehmung von Parteien unbeschränkt zulässt. Beispiel B: Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung gilt auch dann, wenn die lex causae, wie z.B. das französische Recht (Rz. 2339), an Beweisregeln festhält. 1997a Die lex fori gilt auch für die Substantiierung der Beweisanträge. Ist der Beweisantrag nicht hinreichend bestimmt, lehnt ihn das deutsche Gericht ab, ohne Rücksicht darauf, wie ceteris paribus ein Gericht im lex causae-Staat prozedieren würde.156 6. Versäumnisverfahren 1998 Auch hier gilt allein die deutsche lex fori, Rz. 359. Ist nach deutschem internationalem Privatrecht in der Sache z.B. das Recht eines US-Bundesstaates anzuwenden, dann steht der Erlass eines Versäumnisurteils nicht im Ermessen des Gerichts, wie dies das amerikanische Zivilprozessrecht157 vorsieht.
Einschränkend nunmehr Bell Atlantic Corp. v. Twombly, 550 U.S. 127 S. Ct. 1955 (2007): Der Kläger muss Tatsachen vortragen, die den Antrag aus Sicht des Gerichts plausibel machen, d.h. nicht nur denkbar. Hierzu Hay, US-Amerikanisches Recht4, 2008, Rz. 156. 155 Bruns, Zivilprozessrecht2, 1979, Rz. 137c. 156 Zum US-Recht Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 113. 157 Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht3, 2003, 42.
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Sicherheitsleistung für Prozesskosten 7. Instanzenzug Die Parteien haben Anspruch auf Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen durch Rechtsmittelinstanzen nur nach Maßgabe der deutschen Vorschriften.
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XXI. Dispositionsgrundsatz Wo kein Kläger, da kein Richter. Weltweit gilt im Zivilprozess der Grundsatz, 2000 dass eine richterliche Entscheidung nur auf Antrag vorzunehmen ist.158 Im Einzelnen verlaufen die Grenzen dieses Grundsatzes von Rechtsordnung zu Rechtsordnung verschieden, insbesondere bezüglich der Frage einer Klageänderung und Klagerücknahme ohne Zustimmung des Gegners und bezüglich der Frage, wann von Amts wegen ein Verfahren einzuleiten ist. Aus der Sicht des deutschen Rechts kommt hier vorwiegend der Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Betracht. All diese Fragen werden von der lex fori und nicht von der lex causae entschieden. Die lex fori bestimmt z.B. über „Justizgewährung auch von Amts wegen“.
XXII. Pflicht zur Entscheidung Das Gericht muss eine Sachentscheidung auch dann erlassen, wenn der Sach- 2001 verhalt oder der Inhalt des nach deutschem internationalem Privatrecht maßgeblichen ausländischen Rechts nicht (eindeutig) aufklärbar ist. Eine absolutio ab instantia bei einem non liquet wäre eine Verletzung des Justizgewährungsanspruchs. Dies gilt auch dann, wenn der Richter der lex causae eine Sachentscheidung ablehnen dürfte. Dies ist für den deutschen Richter ohne Bedeutung. Bei Unaufklärbarkeit des maßgeblichen ausländischen Rechtssatzes kommen die Regeln über das Ersatzrecht (Rz. 2292, 2598) zum Zuge, bei einem non liquet im Tatsächlichen die Regeln über die Beweislast. Die Beweislastvorschriften sind der lex causae zu entnehmen, Rz. 2340. Fehlen solche, so kommen ersatzweise die deutschen Beweislastvorschriften zum Zuge.
XXIII. Sicherheitsleistung für Prozesskosten Wird der Beklagte mit einer (unbegründeten) Klage überzogen, so wird – jeden- 2002 falls im Idealfall – die Klage als unbegründet abgewiesen. Der Beklagte hat jedoch die Last, sich zu verteidigen. Er wird in der Regel einen Anwalt beauftragen. Hierdurch entstehen ihm nicht unerhebliche Kosten. Der Beklagte erhält zwar im Falle seines Obsiegens einen Titel auf Erstattung der Kosten gemäß §§ 91 ff. ZPO bzw. §§ 81 ff. FamFG, die immer gelten ohne Rücksicht auf das in der Sache anzuwendende Recht (lex causae).159 Die Durchsetzung dieses Kostentitels und damit die Effektivität der Kostenerstattung ist jedoch sein Risiko. Dieses besteht gleichermaßen in In- und Auslandsfällen. Jedoch tritt es beson158 Rechtsvergleichende Hinweise bei Hartwieg JZ 1997, 381, 388. 159 Siehe z.B. Mankowski NJW 2005, 2346.
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Fünfter Teil: Justizgewährungsanspruch ders deutlich zu Tage, wenn der Kläger im Ausland seinen Wohnsitz/Aufenthalt bzw. nur dort Vermögen hat. Deshalb geben viele Prozessordnungen dem Beklagten die Möglichkeit, vom Kläger Sicherheit für die dem Beklagten entstehenden Kosten zu verlangen. Von der Sicherheitsleistung wird die Justizgewährung abhängig gemacht. Wird die Sicherheit nicht geleistet, so wird auf Antrag des Beklagten die Klage für zurückgenommen erklärt bzw. das Rechtsmittel verworfen, § 113 ZPO. Dies ist rechtspolitisch sinnvoll; denn in vielen Fällen mit Auslandsberührung muss der Beklagte seinen Kostenerstattungsanspruch im Ausland durchsetzen. Dies ist oft wegen des Fehlens der Anerkennungs- und Vollstreckungsbereitschaft des ausländischen Staates bezüglich deutscher Titel nicht möglich oder zu schwierig und wirtschaftlich wegen geringer Werte oft sinnlos.160 2003 Sedes materiae im deutschen Recht ist § 110 ZPO. Dieser schützt den Beklagten, ohne Rücksicht auf seine Staatsangehörigkeit und auf seinen Wohnsitz. Auch ausländische Beklagte und Beklagte mit Wohnsitz außerhalb Deutschlands haben einen Anspruch gegen den Kläger auf Prozesskostensicherheit selbst dann, wenn beide Parteien dem gleichen Staat angehören.161 Diese kosmopolitische Sicht ist zu begrüßen. 2004 Kritikbedürftig war jedoch § 110 ZPO insoweit, als er auf die Staatsangehörigkeit des Klägers abstellte. Nur ausländische Kläger hatten früher Sicherheit zu leisten, nicht jedoch deutsche.162 Dies war nicht stimmig.163 Denn dasselbe Risiko läuft ein Beklagter auch mit einem Auslandsdeutschen.164 2004a Umgekehrt wurde die Rechtsverfolgung ausländischer Kläger im Inland durch § 110 ZPO oft grundlos erschwert. Beispiel: Eine amerikanische Großbank mit zahlreichen Niederlassungen im Inland klagt eine Forderung ein. Sie musste Sicherheit leisten, obwohl der Kostenerstattungsanspruch gegen den Beklagten nicht gefährdet ist.165 2004b
Bei Staatenlosen kam es darauf an, ob sie in Deutschland ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.166
160 Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 243. Ausführliche Nachweise bei Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland4, 2009, Rz. 228 ff. 161 OLG Hamburg vom 15.12.1982, NJW 1983, 526 = RIW 1983, 787 = IPRspr. 1982 Nr. 129. 162 Die Effektivität der deutschen Staatsangehörigkeit spielte keine Rolle, Mansel, Personalstatut, Staatsangehörigkeit und Effektivität, 1988, Rz. 468. 163 Aber nach BVerfGE 30, 409 mit dem Grundgesetz vereinbar. 164 Die Durchsetzungsprobleme gegen den im Ausland domizilierten deutschen Kläger sind für den siegreichen Beklagten genau die gleichen wie gegenüber einem Ausländer, Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 244. 165 OLG Frankfurt vom 28.9.1972, MDR 1973, 232 = AWD 1974, 53 = IPRspr. 1972 Nr. 134. 166 Art. 16 II und III des VN-Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen, BGBl. 1976 II 473.
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Sicherheitsleistung für Prozesskosten Gegen EG- und wohl auch gegen EWR-Marktbürger war § 110 ZPO im Anwen- 2004c dungsbereich des AEUV/EGV bzw. des EWRV wegen Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot des jeweiligen Vertrages ohnehin nicht mehr anzuwenden, Rz. 246u. Gerechter ist es, darauf abzustellen, wo der Kläger wohnt bzw. wo er vollstreckungsfähiges Vermögen hat, wenn man sich nicht dazu entschließt, generell – auch für reine Inlandsfälle – dem Beklagten einen Anspruch auf Sicherheitsleistung zu gewähren. Deshalb ist der deutsche Gesetzgeber von der Staatsangehörigkeits- zu der Aufenthaltsanknüpfung übergegangen.167 Nach § 110 I ZPO n.F. sind – ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit – solche Kläger auf Verlangen des Beklagten zur Sicherheitsleistung für die Prozesskosten verpflichtet, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb der Europäischen Union bzw. außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums haben.168 Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Kläger/Antragsteller nicht innerhalb der Europäischen Union bzw. außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, trägt der Beklagte/Antragsgegner/Streithelfer, der eine Kaution nach § 110 I ZPO verlangt.169 Klagt eine juristische Person oder eine Personenvereinigung, z.B. oHG oder KG, so ist der Sitz der tatsächlichen Hauptverwaltung (Rz. 2208) – außerhalb des EGund des EWR-Bereichs – entscheidend.170
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Reformiert wurden auch die Befreiungstatbestände des § 110 II ZPO.171 Danach kann der Beklagte keine Prozesskostensicherheit verlangen,
2005
1. wenn aufgrund völkerrechtlicher Verträge Sicherheitsleistung ausgeschlossen ist. Auch ohne eine solche ausdrückliche Vorschrift läge der Vorrang der staatsvertraglichen Regelung klar auf der Hand.
167 Hierzu Schütze RIW 1999, 10; Schütze IPRax 2001, 193; Schütze RIW 2002, 299. 168 Die Neufassung ist ohne Übergangsregelung am 1.10.1998 in Kraft getreten. Sie erfasst auch bereits anhängige Verfahren, BGH vom 13.12.2000, NJW 2001, 1219 = RIW 2001, 369 = WM 2001, 537 = MDR 2001, 468 = IPRspr. 2000 Nr. 106. 169 OLG Hamm vom 12.10.2004, IPRspr. 2004 Nr. 93. 170 Zur sitzlosen Spaltgesellschaft LG Hamburg vom 13.3.1974, AWD 1974, 410 = IPRspr. 1974 Nr. 135. 171 Gemäß § 110 II Nr. 1 ZPO a.F. entfiel die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung bei Verbürgung der Gegenseitigkeit, ausführlich Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht, 1985, 86 ff.; OLG Hamburg vom 11.9.1986, TranspR 1987, 69 = IPRspr. 1986 Nr. 44. Es genügte, wenn z.B. dem Kläger in den USA ein Verfahren vor den Federal Courts zur Verfügung steht, in dem er keine Prozesskostensicherheit leisten muss. Dann war die Gegenseitigkeit auch im Verhältnis zu den Staatsgerichten des betreffenden Bundesstaats verbürgt, auch wenn nach dem für diese maßgeblichen Recht eine Sicherheitsleistung verlangt wird. Es reichte mithin aus, dass dem deutschen Kläger ein Verfahren eröffnet ist, in dem er nicht prozesskostenpflichtig ist, auch wenn er in concreto das andere (sicherheitspflichtige) Verfahren gewählt hat, OLG Hamm vom 4.6.1997, RIW 1997, 960 (Schütze 1039) = IPRax 1998, 474 (Haas/Stangl 452) = IPRspr. 1997 Nr. 133. Früher waren Klagen im Urkunden- bzw. Wechselprozess (Nr. 2 a.F.) und Klagen aus Rechten, die im Grundbuch eingetragen sind (Nr. 5 a.F.), generell von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung befreit. Diese Befreiungstatbestände wurden gestrichen, um dem Beklagteninteresse den Vorrang einzuräumen (vor dem Interesse an einem beschleunigten Verfahren), Bundestagsdrucksache 13/10871 S. 18.
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Fünfter Teil: Justizgewährungsanspruch Während nach dem derzeit noch geltenden Art. 17 des Haager Zivilprozessübereinkommens vom 1.3.1954172 die Befreiung des Klägers/Intervenienten von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung auf Angehörige der Vertragsstaaten beschränkt ist, wird das Benefizium der Inländerbehandlung durch Art. 14 des für Deutschland noch nicht in Kraft getretenen Haager Übereinkommens vom 25.10.1980 zur Erleichterung des internationalen Zugangs zu den Gerichten (Rz. 244a, 2761) auf alle Personen ausgedehnt, die in einem Vertragsstaat ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit. Art. 9 des Europäischen Niederlassungsabkommens vom 13.12.1955173 verbietet die Anordnung einer Sicherheitsleistung für Ausländer aus den anderen Vertragsstaaten unabhängig vom Wohnort des Klägers, nicht jedoch für juristische Personen (Art. 30).174 Weitere Befreiungsklauseln enthalten viele andere Staatsverträge, die Spezialmaterien regeln. So verdrängt z.B. Art. 36 I der Revidierten Rheinschifffahrtsakte (Rz. 1894) § 110 I ZPO. Ebenso Art. 9 II des Übereinkommens vom 20.6.1956 über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland.175 2. wenn die Entscheidung über die Erstattung der Prozesskosten an den Beklagten aufgrund völkerrechtlicher Verträge vollstreckt würde.176 3. wenn der Kläger im Inland ein zur Deckung der Prozesskosten ausreichendes Grundvermögen oder dinglich gesicherte Forderungen besitzt. Verringert sich das inländische Vermögen des Klägers nach Beginn des Prozesses, so kann der Beklagte Sicherheit verlangen, soweit das inländische Vermögen nicht (mehr) ausreicht, § 111 ZPO. 4. bei Widerklagen. Ratio legis ist folgende Erwägung: Der Widerkläger hat das Forum nicht gewählt. Die Widerklage ist nur ein qualifiziertes Verteidigungsmittel. Deshalb ist der Widerkläger von der Sicherheitsleistung befreit. Anders ist es jedoch, wenn der Beklagte eine selbständige Klage erhebt, obwohl er Widerklage erheben könnte.177 5. bei Klagen, die aufgrund einer öffentlichen Aufforderung erhoben werden. Gedacht war an Klagen nach § 957 ZPO. Dieser ist am 1.9.2009 außer Kraft getreten. Siehe nunmehr § 439 FamFG. 6. bei Bewilligung der Prozesskostenhilfe, § 122 I Nr. 2 ZPO.
172 BGBl. 1958 II 576. 173 BGBl. 1955 II 998. 174 OLG Düsseldorf vom 10.2.1993 NJW 1993, 2447 = EuZW 1993, 326 = IPRspr. 1993 Nr. 128; OLG Saarbrücken vom 6.10.1995, EWS 1996, 76 = IPRspr. 1995 Nr. 136. 175 BGBl. 1959 II 149. 176 Hierzu Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, Anhang IV; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 4 Rz. 70 ff. 177 Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 249.
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Sicherheitsleistung für Prozesskosten Arrest- und einstweilige Verfügungsverfahren sind im Ausnahmekatalog des 2006 § 110 II ZPO nicht aufgeführt. Da aber die Sicherheitsleistung nur auf Antrag des Beklagten angeordnet wird, kommt bei Erlass einer einstweiligen Verfügung oder eines Arrestes ohne mündliche Verhandlung in der Regel die Anordnung einer Sicherheitsleistung gegen den Antragsteller nicht in Betracht. Etwas anderes gilt, wenn der Antragsgegner eine Schutzschrift eingereicht hat, in der er Sicherheit verlangt.178 Ähnlich ist die Situation im Mahnverfahren. Wenn ein Antrag des Schuldners fehlt, ist eine Sicherheitsleistung des Gläubigers nicht erforderlich. Nach Übergang in das Streitverfahren ist jedoch Sicherheit zu leisten.179 Da im selbständigen Beweisverfahren nach §§ 485 ff. ZPO grundsätzlich180 kei- 2006a ne Kostenentscheidung ergeht und deshalb ein Kostenerstattungsanspruch des Antragsgegners nicht auf dem Spiel steht, besteht eine Verpflichtung zur Sicherheitsleistung nicht.181 Verfahren auf Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel sind aufgrund der 2006b einschlägigen Verträge von der Prozesskostensicherheit befreit.182 Der Kläger ist nicht verpflichtet, dem Nebenintervenienten (auf der Beklagtenseite) Sicherheit zu leisten.183
2006c
Über Art und Höhe der Sicherheit entscheidet das Gericht nach freiem Ermes- 2007 sen, § 109 ZPO. Geld ist bei der Gerichtskasse einzuzahlen. Es handelt sich aber nicht um Gerichtskosten; denn § 110 ZPO schützt die gegnerische Partei, nicht den Justizfiskus.184 Eine andere Frage ist, ob der Beklagte vom Kläger/Antragsteller auch insoweit Sicherheit wegen der Gerichtskosten verlangen kann, als er gegenüber der Staatskasse haftet. Diese ist zu bejahen. Siegt der Kläger, so kann er nach Unanfechtbarkeit des Urteils Rückgabe der Sicherheit verlangen, § 109 ZPO. Die – verzichtbare – Einrede der mangelnden Prozesskostensicherheit muss in erster Instanz vor der Verhandlung zur Hauptsache bzw. innerhalb der Klageerwiderungsfrist für alle Instanzen erhoben werden; sie unterliegt der Präklusion nach §§ 283, 296 III, 532 S. 3 ZPO.185 178 OLG Düsseldorf vom 10.2.1993, NJW 1993, 2447 = EuZW 1993, 326 = IPRspr. 1993 Nr. 128. 179 Schütze WM 1980, 1438; OLG Köln vom 13.2.1986, IPRax 1986, 368 (Schütze 350) = NJW 1987, 76 = IPRspr. 1986 Nr. 120. 180 Ausnahme: §§ 97, 494a II ZPO. 181 Siehe aber § 525 II HGB, der eine Kostenerstattungspflicht stipuliert. 182 Schütze in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1192, sowie II, 1972, 152. Ebenso generell auch für das autonome deutsche Recht, jedoch zu weitgehend OLG Frankfurt vom 10.11.1993, RIW 1994, 686 = IPRspr. 1993 Nr. 130. 183 Ausnahme bei streitgenössischer Nebenintervention, OLG Hamburg vom 7.9.1989, NJW 1990, 650 = RIW 1990, 754 = IPRspr. 1989 Nr. 175. 184 OLG Stuttgart vom 28.5.1985, RIW 1986, 382 = MDR 1985, 1033 = IPRspr. 1985 Nr. 126. Die Überweisung an die Zahlstelle des Prozessgerichts ist daher ungenügend, BGH vom 25.7.2002, NJW 2002, 3259. 185 BGH vom 30.6.2004, RIW 2004, 862, 863; OLG Hamburg vom 4.2.1982, RIW 1983, 124 = IPRspr. 1982 Nr. 133; BGH vom 23.11.1989, NJW-RR 1990, 378 = MDR 1990, 432 =
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Fünfter Teil: Justizgewährungsanspruch 2008 Über die Verpflichtung zur Sicherheitsleistung wird im Streitfall durch Zwischenurteil (nicht durch Beschluss)186 entschieden; dieses ist selbständig anfechtbar, sofern das Gericht die Einrede des § 110 ZPO verwirft, § 280 II 1 ZPO. Dagegen kann ein Zwischenurteil, welches der Einrede stattgibt und Sicherheitsleistung anordnet, nicht selbständig angefochten werden, sondern erst das im nachfolgenden Verfahrensabschnitt ergehende Endurteil (§ 113 S. 2 ZPO).187 Bei Einvernehmen der Parteien (auch über die Höhe) ergeht (nur) Beschluss. Auch dieser ist nicht selbständig anfechtbar. 2008a Stellt sich heraus, dass die Voraussetzungen für die Sicherheitsleistung weggefallen sind, z.B. weil während des Prozesses die Voraussetzungen für einen der Befreiungstatbestände des § 110 II ZPO bzw. des § 122 I Nr. 2 ZPO eingetreten sind, kann die Entscheidung geändert werden.188 Vice versa gilt das Gleiche, § 111 ZPO. 2008b
Sicherheitsleistung durch Bürgschaft: Eine im EU-Ausland als Zollbürge zugelassene Bank kann bei hinreichendem EU-Auslandsbezug des Rechtsstreits zugelassen werden, wenn sich die Bank in der Bürgschaftsurkunde der Geltung deutschen Rechts und der internationalen Zuständigkeit Deutschlands unterwirft sowie einen in Deutschland ansässigen Zustellungsbevollmächtigten bestellt.189
XXIV. Prozess- und Verfahrenskostenhilfe 2009 Von ganz entscheidender Bedeutung für einen effektiven Rechtsschutz im internationalen Kontext ist die Prozesskostenhilfe für wirtschaftlich schwache Per-
186 187 188 189
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LM Nr. 12 zu § 112 ZPO = IPRspr. 1989 Nr. 176; OLG Frankfurt vom 26.4.1991, RIW 1992, 767 = MDR 1992, 188 = IPRspr. 1991 Nr. 161; OLG Stuttgart vom 16.3.1992, RIW 1993, 421 = IPRspr. 1992 Nr. 175. OLG Oldenburg vom 7.9.2004, OLGR 2004, 594. BGH vom 3.12.1976, BGHZ 102, 232, 234; OLG Saarbrücken vom 16.9.1998, NJW-RR 1998, 1771 = RIW 1999, 466 = IPRspr. 1998 Nr. 133. OLG Hamburg vom 5.2.1991, RIW 1992, 315 = NJW 1991, 3103 = IPRspr. 1991 Nr. 160. OLG Hamburg vom 4.5.1995, NJW 1995, 2859 = RIW 1995, 775 = EWS 1995, 280 (Toth) = EWiR 1995, 1035 (Mankowski) = IPRspr. 1995 Nr. 133; OLG Düsseldorf vom 18.9.1995, RIW 1996, 512 = WM 1995, 1993 = EWS 1996, 187 = WuB VII A. § 108 ZPO Nr. 1.96 (Mankowski) = EWiR 1995, 1139 (Zeller) = WiB 1996, 87 (Ralle) = IPRspr. 1995 Nr. 135. Hierzu ausführlich Fuchs RIW 1996, 280: Mit Art. 49 ff. EGV (Garantie des freien Dienstleistungsverkehrs) nicht zu vereinbaren wäre die Forderung, der Bürge (§ 239 BGB) müsse im Inland seinen allgemeinen Gerichtsstand haben. Nach Art. 18 der Zweiten Bankenrechtskoordinierungsrichtlinie 89/646/EWG müssen die Mitgliedstaaten die notwendigen Vorkehrungen treffen, dass die Bankgeschäfte, wie die Übernahme von Bürgschaften, „im Wege des Dienstleistungsverkehrs von jedem Kreditinstitut ausgeübt werden können, das durch die zuständigen Behörden eines anderen Mitgliedstaats gemäß dieser Richtlinie zugelassen und kontrolliert wird, soweit die betreffenden Tätigkeiten durch die Zulassung abgedeckt sind.“ Diese (unmittelbar nicht anwendbare) Richtlinie ist in Deutschland unzureichend umgesetzt, weil § 239 BGB nicht angepasst worden ist. Überholt OLG Koblenz vom 29.3.1995, RIW 1995, 775 = EWS 1995, 282 = IPRspr. 1995 Nr. 131.
Prozesskostenhilfe sonen. In diesem Punkt ist § 114 ZPO bzw. § 76 FamFG sehr großzügig. Man gewährt In- und Ausländern Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie im Inland ihren Wohnsitz/Aufenthalt haben.190 Nach § 121 III ZPO kann der im Ausland sich aufhaltenden Partei sogar ein Verkehrsanwalt beigeordnet werden.191 Nur für juristische Personen und parteifähige Vereinigungen mit (tatsächlichem) Verwaltungssitz im Ausland sah das Gesetz Prozesskostenhilfe bisher nicht vor, § 116 S. 1 Nr. 2 ZPO.192 Dies bedeutet eine Diskriminierung193 von juristischen Personen und parteifähigen Vereinigungen aus dem Bereich der Europäischen Union bzw. dem Europäischen Wirtschaftsraum. Daher wurde durch das EGProzesskostenhilfegesetz194 § 116 S. 1 Nr. 2 ZPO entsprechend ausgeweitet.
2009a
Deutsche Prozesskostenhilfe wird nur für Verfahren vor deutschen Gerichten 2009b gewährt, also nicht für die Prozessführung im Ausland,195 auch wenn es um die Anerkennung eines deutschen Urteils im Ausland geht.196 Diese Differenzierung ist sachgerecht und mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 I GG) zu vereinbaren.197 Prozesskostenhilfe ist auch für die (notwendige) Inanspruchnahme ausländischer Rechtshilfe zu gewähren, z.B. für die Zustellung eines deutschen Unterhaltstitels ins Ausland198 oder in den Fällen des § 132 BGB, nicht jedoch für deutscher Rechtshilfehandlungen zur Unterstützung eines ausländischer Gerichtsverfahrens, sofern dies nicht über § 114 ZPO hinaus ausdrücklich gesetzlich vorgeschrieben ist.
2009c
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung muss Aussicht auf 2009d Erfolg bieten; sie darf nicht mutwillig erscheinen, § 114 I ZPO. Mutwilligkeit ist immer dann gegeben, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen oder einen billigeren Weg wählen würde, insbesondere auch dann, wenn mit Rücksicht auf die kaum bestehenden 190 OLG Düsseldorf vom 15.11.1993, RIW 1994, 879 = MDR 1994, 301 = IPRspr. 1993 Nr. 131. Siehe auch Eichenhofer, Internationales Sozialrecht, 1994, Rz. 648. 191 Verneinend für „normales“ Scheidungsverfahren OLG Karlsruhe vom 6.4.1998, FamRZ 1999, 304. 192 Jedoch gewähren viele Staatsverträge Prozesskostenhilfe auch für juristische Personen ausländischen Rechts, z.B. Art. 44 EuGVÜ/LugÜ (vgl. nunmehr auch Art. 50 EuGVVO), Art. 20 HZPÜ, Art. 14 des deutsch-britischen Rechtshilfevertrages, Art. 18 des deutsch-griechischen Rechtshilfevertrages, Art. 17 des deutsch-marokkanischen Rechtshilfevertrages, Art. 5 des deutsch-türkischen Rechtshilfevertrages. 193 Art. 12 EGV, Art. 4 EWR-Abkommen. 194 Bundesratsdrucksache 267/04. 195 Wax in Münchener Kommentar zur ZPO3, 2008, § 114 Rz. 27. 196 Siehe aber z.B. Art. 44 EuGVÜ/LugÜ (vgl. nunmehr auch Art. 50 EuGVVO), Art. 15 UVÜ 1973, Art. 14 des deutsch-spanischen Vertrages, hierzu R. Geimer in Geimer/ Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 1152, 1194; Baumann in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 795.148; Karl in Geimer/Schütze a.a.O.663.45 ff. Art. 14 Fußn. 4. 197 Anderer Auffassung Bungert, Das Recht ausländischer Kapitalgesellschaften, 1994, 469; sympathisierend Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 4 Rz. 98. 198 LG Freiburg DAVorm 1985, 345 = IPRspr. 1985 Nr. 131.
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Fünfter Teil: Justizgewährungsanspruch Aussichten für die Beitreibung des Anspruchs eine nicht die Prozesskostenhilfe beanspruchende Partei von einer Prozessführung absehen würde.199 Vgl. auch Rz. 1094a. 2009e In der Europäischen Union wurde die grenzüberschreitende Übermittlung und Bearbeitung von Prozesskostenhilfeanträgen durch die Richtlinie 2002/8/EG vom 27.1.2003200 vereinfacht und beschleunigt. In Deutschland findet man die zur Umsetzung erforderlichen Normen in §§ 1076 ff. ZPO.
XXV. Beratungshilfe 2009f Hilfe für die Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens nach dem Beratungshilfegesetz vom 18.6.1980201 wird – ebenso wie die Prozesskostenhilfe – auch Ausländern mit Wohnsitz im Ausland gewährt.202 Das Beratungsbedürfnis muss aber in Deutschland zu lokalisieren sein, z.B. Anerkennung eines ausländischen Scheidungsurteils im Inland.
XXVI. Einreise 2010 Wenig diskutiert ist die Frage, ob der Kläger Anspruch auf persönliche Anwesenheit vor Gericht hat und daher verlangen kann, dass eine (gegebenenfalls erforderliche) Einreisebewilligung erteilt wird. Ein solcher Anspruch auf Einreise zum Zwecke der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung bzw. zur Beratung mit dem inländischen Anwalt wird mitunter bejaht.203 Das Völkergewohnheitsrecht kennt kein allgemeines Recht auf Einreise in einen fremden Staat.204 Vgl. auch Rz. 2596.
199 Daher hat das LG Wuppertal vom 22.1.1985, Rpfleger 1985, 210 = IPRspr. 1985 Nr. 157 zu Recht (zustimmend auch Zöller/Philippi, ZPO27, 2009, § 114 Rz. 29) Prozesskostenhilfe abgelehnt, wenn gegen einen in Pakistan lebenden Unterhaltsschuldner ein Titel begehrt wird, dessen Vollstreckung in Pakistan aussichtslos erscheint. So schon OLG Hamburg vom 15.10.1935, HansRGZ 35 B 584 = IPRspr. 1935, 1944 Nr. 89. Ist nur zweifelhaft, ob Vollstreckung im Ausland möglich ist, muss dem Antrag auf Prozesskostenhilfe stattgegeben werden, OLG Hamm vom 13.9.1985, IPRax 1986, 234 (Böhmer 216) = IPRspr. 1985 Nr. 180; ähnlich OLG Zweibrücken vom 12.2.1999, IPRax 1999, 475 (Mansel). Strenger OLG Celle vom 5.1.1998, IPRax 1999, 171 (Mankowski 155): Es sei mutwillig im Sinne von § 114 ZPO, wenn der im Ausland lebende und dort durch einen Verkehrsunfall geschädigte Kläger Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen den in Deutschland niedergelassenen Versicherer begehrt, anstatt die Klage im Ausland am forum delicti commissi zu erheben. 200 ABl. EG Nr. L 26, S. 41. 201 BGBl. I 689. 202 BVerfG vom 20.8.1992, NJW 1993, 383. 203 Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 1 Rz. 29, § 4 Rz. 10; skeptisch aber Gottwald noch in Habscheid/Beys, Grundfragen des Zivilprozessrechts, 1991, 29. 204 Verdross/Simma Universelles Völkerrecht3, 1984, § 1210; weitere Nachweise z.B. bei Maaßen, Die Rechtsstellung des Asylbewerbers im Völkerrecht. Überlegungen zu den
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Einreise Die gleiche Problematik taucht auf aus der Sicht des Beklagten. Hier wird die 2011 Verweigerung eines Anspruchs auf Einreise noch prekärer. Während der Kläger es sich noch überlegen kann, ob er vor einem deutschen Gericht einen Prozess beginnt, obwohl er keine Möglichkeit hat, persönlich an diesem teilzunehmen, kann man ernsthaft darüber streiten, ob es zulässig ist, dass Deutschland eine im Ausland wohnhafte Person im Inland zwar gerichtspflichtig macht (Rz. 1193), ihr aber die Möglichkeit verwehrt, persönlich vor Gericht anwesend zu sein. Beispiel: Ein deutscher Ehemann beantragt bei einem deutschen Amtsgericht die Scheidung von seiner ausländischen Frau (Nicht-EU-Angehörige). Daraufhin hat die deutsche Ausländerbehörde die Aufenthaltsgenehmigung nicht verlängert.205 Jedenfalls garantiert Art. 7 HBÜ die Teilnahme der Parteien und ihrer Vertreter an der Beweisaufnahme vor deutschen Rechtshilfegerichten, Rz. 2511. Daraus folgt auch ein Anspruch auf Einreise.206 Fraglich ist, ob ein solcher auch aus den Inländergleichbehandlungsklauseln (Rz. 390, 1921) abzuleiten ist.
XXVII. Sicheres Geleit Das deutsche Gericht kann sicheres Geleit (§ 295 StPO) anordnen, Rz. 2390. Ein 2012 genereller Anspruch von Parteien und Dritten (Zeugen, Sachverständigen) hierauf besteht jedoch nicht.207 Nach ihrer Einreise unterliegen sie den allgemeinen Gesetzen der Bundesrepublik Deutschland. Es können an sie (persönliche) Zustellungen durchgeführt werden, sie können wegen anderer Streitgegenstände mit persönlichem Arrest belegt werden; es können auch strafrechtliche Maßnahmen im Zusammenhang mit dem anhängigen Rechtsstreit oder wegen anderer Komplexe gegen sie eingeleitet werden (z.B. wegen Falschaussage, Prozessbetrug etc.).208 Wenn und solange sich jemand allein im Zusammenhang mit einem Gerichtsverfahren (solely on business with the court) in den USA aufhält, ist er gegen die Zustellung einer sub poena in einem anderen Verfahren immun.209 Eine solche Regel kennt das deutsche Recht nicht.
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völkerrechtlichen Rahmenbedingungen einer europäischen Asylrechtsharmonisierung, Diss. Köln 1997, 35, 191. Anders BVerwG vom 21.5.1985, NJW 1985, 2099 für Ehegatten mit Staatsangehörigkeit eines EG-Mitgliedstaates (vor Herstellung der vollkommenen Freizügigkeit in der Europäischen Union): Diese seien bis zur Rechtskraft der Scheidung zu einem weiteren Aufenthalt berechtigt. Besonders deutlich Art. 11 HZPÜ: Benachrichtigung von Zeit und Ort der mündlichen Verhandlung, „damit die beteiligte Partei ihr beizuwohnen in der Lage ist“. Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 4 Rz. 11; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 294. Weitere Nachweise bei G. M. Bauer, Das sichere Geleit unter besonderer Berücksichtigung des Zivilprozessrechts, 2006, 193 ff. BGH vom 24.2.1988, MDR 1988, 598. Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 158 Fußn. 77.
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Fünfter Teil: Justizgewährungsanspruch
XXVIII. Rechtshilfe 2013 Unter dem Stichwort „Justizgewährung“ wird in der Regel nur über die Frage diskutiert, ob durch inländische Gerichte in der Sache („on the merits“) Rechtsschutz gewährt wird, d.h. ob – im Erkenntnisverfahren über das Bestehen/Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses eine Feststellung getroffen wird und eventuell zur Leistung verurteilt wird, oder – ein Rechtsverhältnis durch Richterspruch gestaltet wird oder – im Vollstreckungsverfahren ein inländischer oder im Inland für vollstreckbar erklärter ausländischer Vollstreckungstitel (Rz. 3100) durchgesetzt wird, nicht jedoch, ob die deutschen Justizorgane für einen im Ausland anhängigen Prozess Hilfestellung gewähren. Aus kosmopolitischer Sicht (Weltrechtspflege) kann man jedoch unter Justizgewährung im weiteren Sinne auch die Rechtshilfe deutscher Justizorgane für Verfahren vor ausländischen Gerichten begreifen. Dabei wäre es eine unzulässige Verengung, wenn man die Perspektive darauf beschränken würde, dass hier Deutschland „ausländischen Staaten“ Rechtshilfe gewährt. Es geht vielmehr darum, die Aufgaben und Ziele des Zivilprozesses nicht an den nationalen Grenzpfählen enden zu lassen; es sollte also der Gedanke im Vordergrund stehen, dass die inländischen Justizorgane mithelfen, Wahrheitsfindung und Befriedung (ut sit finis litium) auch an anderen Punkten der Erde zu ermöglichen. Diesen Zwecken dient es z.B., wenn deutsche Justizorgane Zustellungen für ausländische Gerichte vornehmen oder Beweiserhebungen durchführen.210 2014 Diese Betrachtungsweise ist aber aus der Sicht der kontinentaleuropäischen Staaten erschwert durch eine starke Hervorhebung von Souveränitätsgesichtspunkten. Während es aus der Sicht der common law-Staaten keineswegs anstößig ist, dass ausländische Gerichte auf ihrem Territorium Zustellungen veranlassen (Rz. 414) und selbst oder durch commissioners (Rz. 458, 2426) Beweiserhebungen durchführen, wird in Deutschland und in den meisten europäischen Staaten die Auffassung vertreten, hier liege hoheitliches Handeln ausländischer Staatsorgane vor und damit ein Eingriff in die Souveränität des Staates, auf dessen Territorium diese Handlungen vorgenommen werden. 2015 Die Gewährung deutscher Rechtshilfe ist nicht davon abhängig, dass der ausländische Staat, dessen Gericht um Rechtshilfe ersucht, aus deutscher Sicht international zuständig ist211 und dass die Anerkennungsprognose positiv ist,212 dass 210 Vgl. auch Schnyder, Wirtschaftskollisionsrecht, 1990, 73 Rz. 100: „Eine besonders qualifizierte Form der internationalen Zusammenarbeit stellt die internationale Rechtshilfe dar. Sie bedeutet Förderung eines ausländischen Untersuchungs- oder Gerichtsverfahrens durch die Tätigkeit inländischer Behörden“. 211 Zustimmend Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 6 Rz. 17. 212 Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 271; Witte, Der US-amerikanische RICO-Act und deutsche Unternehmen, 1998, 175; Jametti Greiner, Der Begriff der Entscheidung im schweizerischen internationalen Zivilverfahrensrecht, 1998, 7 Fußn. 25.
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Rechtshilfe also die vom ausländischen Gericht zu erlassende Entscheidung voraussichtlich anerkannt wird.213 Die Rechtshilfe wird isoliert und „wertneutral“ gewährt. Die Teleologie des ausländischen Verfahrens bleibt außer Betracht. Die deutsche Rechtshilfe wird nicht als Beihilfe“214 zu einem aus deutscher Sicht unzulässigen oder unerwünschten ausländischen Verfahren“ gesehen; daher ist Rechtshilfe nicht zu verweigern, wenn der ersuchende Staat aus deutscher Sicht international unzuständig ist, ja auch dann,215 – wenn die Bundesrepublik Deutschland eine ausschließliche internationale Zuständigkeit beansprucht oder aus ihrer Sicht ein dritter Staat ausschließlich international zuständig ist; – wenn das Gerichtsverfahren im ersuchenden Staat dem deutschen Recht völlig wesensfremd ist, Art. 12 II 2. Halbsatz HBÜ: „Die Erledigung darf nicht deswegen abgelehnt werden, weil der ersuchte Staat . . . ein Verfahren nicht kennt, das dem entspricht, für welches das Ersuchen gestellt wird“,216 – wenn abzusehen ist, dass das ausländische Verfahren zu einer Entscheidung führen wird, die mit dem deutschen ordre public nicht zu vereinbaren ist, Rz. 2487, 2756; – wenn in der gleichen Sache bereits im Inland eine Entscheidung ergangen ist oder in einem dritten Staat und diese im Inland anzuerkennen ist. Auf das Tätigwerden der deutschen Justizorgane zum Zwecke der Rechtshilfe 2016 haben nach allgemeinem Völkergewohnheitsrecht ausländische Staaten keinen Anspruch.217 Ein völkerrechtlicher Anspruch besteht nur nach Maßgabe der geltenden Staatsverträge. Das Gleiche gilt für den in concreto Betroffenen, also denjenigen, der an der Durchführung der Rechtshilfebehandlung ein Interesse hat (denkbar wäre allenfalls ein aus einem Menschenrecht fließendes Recht, Rz. 151). Auch das innerstaatliche Recht gewährt keinen Anspruch.218 Der Betroffene hat allenfalls einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung, die nach §§ 23 ff. EGGVG überprüfbar ist, Rz. 3637. Hinzu kommt, dass die Effektivität der Rechtshilfe mitunter an Grenzen stößt. 2017 Es kann z.B. eine Zustellung oder Beweiserhebung gegenüber einer hierzu nicht bereiten Person nur durchgeführt werden, wenn eine gesetzliche Grundlage be213 Vgl. Art. 4, 11 III HZPÜ, Art. 13 HZÜ, Art. 12 HBÜ. Hierzu Nagel, Nationale und internationale Rechtshilfe, 1971, 61, 188; Nagel IPRax 1984, 240 Fußn. 5; Junker a.a.O. 271 Fußn. 111. 214 Zum völkerrechtlichen Beihilfebegriff siehe Art. 16 der Resolution 56/83 vom 12.12.2001 der Generalversammlung der Vereinten Nationen zur Staatenverantwortlichkeit, angenommen durch die Resolution des Generalversammlung, in deutscher Sprache abgedruckt bei Neuhold/Hummer/Schreuer (ed.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts4, 2004, Bd. II D 325 S. 511. Siehe auch Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006, 176, 192, 203. 215 Junker a.a.O. 268. 216 Junker a.a.O. 270 Fußn. 106. 217 Nachweise: Harvard Law School AmJ IntL 33 (Supp 1939) 43. 218 Zustimmend Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr, 1995, 81.
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Fünfter Teil: Justizgewährungsanspruch steht. Solche Gesetze wurden jedoch nur zur Ausführung der Staatsverträge erlassen. Im vertragsfreien Raum besteht also keine gesetzliche Handhabe für Zwangsmaßnahmen gegen einen nicht bereiten Zustellungsadressaten, Zeugen oder Sachverständigen, Rz. 2151, 2321, 2445. 2018–2070
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Sechster Teil: Internationales Zustellungsrecht Literatur: Adolphsen, Europäisches und internationales Zivilprozessrecht in Patentsachen, 2005, Rz. 295 ff.; Amiel, Recent Developments in the Interpretation of Article 10 (a) of the Hague Convention on the Service Abroad of Judicial and Extrajudicial Documents in Civil or Commercial Matters, Suffolk Transnational Law Revue 24 (2001), 387; Bernasconi, Provisional Version of the new Practical Handbook on the operation of the Hague Convention of 15 November 1965 on the service abroad of judicial and extrajudicial documents in civil or commercial matters, Preliminary Document No. 1 of July 2003 for the attention of the Special Commission of October/November 2003, ftp://ftp.hcch.net/doc/lse_pd01e.pdf; Bischof, Die Zustellung im internationalen Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 1997; Born/Rutledge, International Civil Litigation in the United States Courts4, 2006, 815 ff.; Campbell/Cotter, Serving Process and Obtaining Evidence abroad, The Comparative Law Yearbook of International Business, Special Issue, 1998; von Dannwitz, Verfassungsfragen des deutsch-amerikanischen Rechtsverkehrs, DÖV 2004, 501; Fleischhauer, Inlandszustellung an Ausländer – Eine rechtsvergleichende Untersuchung des deutschen, US-amerikanischen und französischen Zivilprozessrechts unter verfassungs- und völkerrechtlichen Aspekten, 1996; Fritz, Punitive/exemplary damages in den USA und ihre Qualifikation als Zivilsache, 2004; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999; Gottwald, Sicherheit vor Effizienz? – Auslandszustellung in der Europäischen Union, in Festschrift Schütze, 1999, 225; Heß, Die Zustellung von Schriftstücken im europäischen Justizraum, NJW 2001, 15; Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006; Koch/Horlach/Thiel, US-Sammelklage gegen deutsches Unternehmen? – „Napster“ und die bittere Pille danach, RIW 2006, 356; Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr, 1995; Lange, Internationale Rechts- und Forderungspfändung: Eine Untersuchung zu den Chancen und Risiken „grenzüberschreitender“ Vollstreckungsmaßnahmen in Forderungen und sonstige Vermögensrechte unter besonderer Berücksichtigung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 und des Zustellungsreformgesetzes, Diss. Saarbrücken 2004, 275 ff.; Linke, Die Probleme der internationalen Zustellung in Gottwald, Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Vereinigung für Internationales Verfahrensrecht, Bd. 10, 1999, 95 ff.; Mankowski, Crossing the Rhine – On the Enforceability of U.S. Class Action Judgments and Settlements in Germany, Contratto e impresa/Europa XII (2007), 613, 644 ff.; Manteuffel, Zustellung von Klageschriften von Deutschland in die USA – Service of Process from the USA to Germany, IDR 2005, 37; Merkt, Abwehr der Zustellung von „punitive damages“ – Klagen, 1995; Nagel, Nationale und internationale Rechtshilfe, 1971; Otto, Der prozessuale Durchgriff – die Nutzung forumansässiger Tochtergesellschaften in Verfahren gegen ihre auswärtigen Muttergesellschaften im Recht der USA, der Europäischen Gemeinschaften und der Bundesrepublik Deutschland, zugleich ein Beitrag im Justizkonflikt mit den USA, 1993, 157; Otto, Tücken der Zustellung im internationalen Rechtsverkehr 707
Sechster Teil: Internationales Zustellungsrecht – Rechtsstaatlicher Schutz vor Schikane und Rechtsmissbrauch, in Festschrift Birk, 2008, 575; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtshilfeverkehr in Zivilsachen, 1987; Pfennig, Die internationale Zustellung, 1988; H. Roth, Heilung von Zustellungen im internationalen Zivilrechtsverkehr, in Festschrift Walter Gerhardt, 2004, 799; Sauerwein, Die Anwendung moderner Kommunikationstechnologie im nationalen und internationalen Zivilverfahrensrecht, Diss. Konstanz 2002; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 581 ff.; Schlosser, Jurisdiction and International Judicial and Administrative Co-Operation, RdC 284 (2000), 9, 89 ff.; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 202; Schütze, Übersetzungen im europäischen und internationalen Zivilprozessrecht – Probleme der Zustellung, RIW 2006, 352; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland4, 2009, Rz. 233 ff.; Siegrist, Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet, 1987; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 18 EheGVO Rz. 49 ff.; Strasser, Die Inlandszustellung an Auslandsgesellschaften, ZIP 2008, 2111; Rolf Stürner/Therese Müller, Aktuelle Entwicklungen im deutsch-amerikanischen Rechtshilfeverkehr, IPRax 2008, 339; Wiehe, Zustellungen, Zustellungsmängel und Urteilsanerkennung am Beispiel fiktiver Inlandszustellungen in Deutschland, Frankreich und den USA, 1993; Wilske/Krapfl, Zur Qualität von Übersetzungen bei Zustellung ausländischer gerichtlicher Schriftstücke, IPRax 2006, 10; Zeidler, Can Service of Process of a U.S. Complaint on a Defendant in Germany Be Prevented? Lessons from the Bertelsmann Decision, IDR 2005, 40. Literatur zur EG-Zustellungsverordnung: Bajons, Internationale Zustellung und Recht auf Verteidigung, in Festschrift Schütze, 1999, 49; Marie Odile Baur, Erläuternder Bericht zum Europäischen Übereinkommen vom 26. Mai 1997 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EZÜ), ABl.EG Nr. C 261 vom 27.8.1997, S. 26; Brenn, Europäische Zustellungsverordnung, 2002; Calvo Caravaca/Carrascosa González, Derecho Internacional Privado, 2002, vol. I 430; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 298 ff.; Gottwald, Sicherheit vor Effizienz? – Auslandszustellung in der Europäischen Union in Zivil- und Handelssachen, in Festschrift Schütze, 1999, 228; Gsell, Direkte Postzustellung an Adressaten im EU-Ausland nach neuem Zustellungsrecht, EWS 2002, 115; Hausmann, Auslegungsprobleme der Europäischen Zustellungsverordnung, EuLF II 2007, 1; Hausmann, Problems of interpretation regarding the European Regulation on Service, EuLF I 2007, 8; Heckel, Die fiktive Inlandszustellung auf dem Rückzug – Rückwirkungen des europäischen Zustellungsrechts auf das nationale Recht, IPRax 2008, 218; Heiderhoff, Keine Inlandszustellung an Adressaten mit ausländischem Wohnsitz mehr?, EuZW 2006, 235; Heidrich, Amts- und Parteizustellungen im internationalen Rahmen: Status quo und Reformbedarf, EuZW 2005, 743; Heß, Die Zustellung von Schriftstücken im Europäischen Justizraum, NJW 2001, 15; Heß, Neues deutsches und europäisches Zustellungsrecht, NJW 2002, 2417; Heß, Rechtspolitische Überlegungen zur Umsetzung von Art. 15 der Europäischen Zustellungsverordnung – VO (EG) Nr. 1393/2007, IPRax 2008, 477; Jastrow, Auslandszustellung im Zivilverfahren – Erste Praxiserfahrungen mit der EG-Zustellungsverordnung, NJW 708
Literatur 2002, 3382; Jastrow, Europäische Zustellung und Beweisaufnahme 2004 – Neuregelungen im deutschen Recht und konsularische Beweisaufnahme, IPRax 2004, 2; Jastrow in Gebauer/Wiedmann (ed.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss – Die richtlinienkonforme Auslegung des BGB und anderer Gesetze – Erläuterung der wichtigsten EG-Verordnungen, 2005, Kap. 28 (S. 1269 ff.): Europäische Zustellungsverordnung; Kenneth, Enforcement of Judgments in Europe, 2000, 201; Kondring, Voraussetzungen, Wirkung, Wirksamkeit und Rechtswirkung der Zustellung: Eine scheinbar babylonische Begriffsverwirrung um das auf die internationale Zustellung anwendbare Recht. Zugleich ein Beitrag zur entgegenstehenden Rechtshängigkeit, IPRax 2007, 138; Kormann, Das neue Europäische Mahnverfahren im Vergleich zu den Mahnverfahren in Deutschland und Österreich, Diss. Passau 2007, 129 ff.; de Lind van Wijngaarden-Maack, Internationale Zustellung nach der EuZVO und internationale Zuständigkeit bei Klage auf Feststellung des Nichtbestehens eines Exklusivvertriebsvertrages, IPRax 2004, 212; Lindacher, Europäisches Zustellungsrecht – Die VO (EG) Nr. 1348/2000 – Fortschritt, Auslegungsbedarf, Problemausblendung, ZZP 114 (2001), 179; Linke, Probleme der internationalen Zustellung in Gottwald (ed.), Grundfragen der Gerichtsverfassung, 1999, 95; Linke, Europäisches Zustellungsrecht, ERA Forum 2005, 205; Mankowski, Übersetzungserfordernisse und Zurückweisungsrecht des Empfängers im europäischen Zustellungsrecht – Zugleich ein Lehrstück zur Formulierung von Vorlagefragen, IPRax 2009, 180; J. Meyer, Europäisches Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke, IPRax 1997, 401; Micklitz/Rott, Vergemeinschaftung des EuGVÜ in der Verordnung (EG) Nr. 44/2001, EuZW 2001, 325 und EuZW 2002, 15, 19; Möller, Auslandszustellung durch den Gerichtsvollzieher, NJW 2003, 1571; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2006, § 7 Rz. 45; Panzarola, La notificazione degli atti giudiziarie ed extragiudiziali negli Stati membri dell’ Unione Europea, Le nuove Legge Civili 23 (2000), 1161; Schack, Einheitliche und zwingende Regeln der internationalen Zustellung, in Festschrift Geimer, 2002, 931; englische Version: Schack, Transnational Service of Process: a Call for uniform and Mandatory Rules, Rev. dr. unif. 2001, 827; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht3, 2002, Rz. 614; Sharma, Zustellungen im Europäischen Binnenmarkt, 2003; Holger Schmidt, Parteizustellung im Ausland durch Einschreiben mit Rückschein – Ein gangbarer Weg? – Anmerkungen zum neuen Zustellungsrecht und dem EG-Beweisaufnahmedurchführungsgesetz, IPRax 2004, 13; Stadler, Neues europäisches Zustellungsrecht, IPRax 2001, 514; Stadler, Die Reform des deutschen Zustellungsrechts und ihre Auswirkungen auf die internationale Zustellung, IPRax 2002, 471; Stadler, Vielfalt der Gerichte – Einheit des Prozessrechts?, BerDGVR 42 (2007), 177, 190 ff.; Stadler in Musielak, Zivilprozessordnung6, 2008, Texte zum europäischen Prozessrecht Anh. 1 (S. 2811 ff.); Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 18 EheGVO Rz. 20 ff.; Tarko, Ein Europäischer Justizraum: Errungenschaften auf dem Gebiet der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen, ÖJZ 1999, 401; Tarko, Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Europäischen Union, 2001; Tarko, Die EU als einheitlicher Justizraum: Errungenschaften auf dem Gebiet der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in Barrett (ed.), Creating a European Judicial Space – Die Schaf709
Sechster Teil: Internationales Zustellungsrecht fung eines europäischen Justizraumes – Perspectives d’amélioration dans la coopération judiciaire en matière civile dans l’Union européende, 2001, 17; Walter, Internationales Zivilprozessrecht der Schweiz4, 2007, § 7 IV (S. 337 ff.). Das österr. Bundesministerium für Justiz hat am 23. April 2001 einen „Einführungserlass“ bekannt gegeben (österr. JABl. 2001/17, 77), abgedruckt auch bei Brenn a.a.O. 161.
1. Kapitel: Rechtsquellen I. Völkerrechtliche Verträge 1. Haager Übereinkommen vom 1.3.1954 über den Zivilprozess1 2071 Einschlägig sind Art. 1–7 HZPÜ.2 Die Vorschriften kommen derzeit noch zur Anwendung für Zustellungen aus Deutschland nach Armenien, Bosnien-Herzegowina, Kirgisistan, Libanon, Marokko, Mazedonien, Moldau, Montenegro, Serbien, Suriname, Usbekistan, Vatikan und vice versa. Im Verhältnis zu Island ist allerdings noch das Vorgängerübereinkommen vom 17.7.19053 anzuwenden. 2. Haager Übereinkommen vom 15.11.1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- und Handelssachen4 2072 Das HZÜ soll hinsichtlich der internationalen Zustellungen (Art. 1–7 HZPÜ) das HZPÜ ablösen, Art. 22 HZÜ.5 Das HZÜ ist für Deutschland seit 26.6.1979 in
1 BGBl. 1958 II 576. 2 Hierzu OLG München vom 22.6.1972, NJW 1972, 2186 = IPRspr. 1972 Nr. 157. Das HZPÜ ist in Deutschland in Kraft seit 1.1.1960 (BGBl. 1959 II 1388), und gilt im Verhältnis zu Ägypten, Argentinien, Armenien, Belarus, Belgien, Bosnien und Herzegowina, China, Dänemark, Finnland, Frankreich, Israel, Italien, Japan, ehemaliges Jugoslawien, Kirgisistan, Kroatien, Lettland, Libanon, Luxemburg, Marokko, Mazedonien, Republik Moldau, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Russische Föderation, Schweden, Schweiz, Serbien und Montenegro, Slowakei, Slowenien, Spanien, Suriname, Tschechische Republik, Türkei, Ukraine, Ungarn, Usbekistan, Nachfolgestaaten der UdSSR (Einzelheiten im Verhältnis zu GUS-Staaten siehe BGBl. 1993 II 1936 ff.), Vatikanstadt und Zypern (im Verhältnis zu Estland und Island gilt noch die alte Fassung vom 17.7.1905 [RGBl. 1909, 409] samt Protokoll vom 4.7.1924 [1926 II 553]). Mit folgenden Staaten wurden (insbesondere den Übermittlungsweg vereinfachende) Zusatzabkommen geschlossen: Belgien, Dänemark, Frankreich, Luxemburg, Marokko, Niederlande, Norwegen, Österreich, Schweden und mit der Schweiz. 3 RGBl. 1909, 409. Hierzu deutsches Ausführungsgesetz vom 5.4.1909, RGBl. 430. 4 BGBl. 1977 II 1453. 5 Hierzu Hollmann RIW 1982, 784; Wölki RIW 1985, 530; Böckstiegel/Schlafen NJW 1978, 1073.
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Rechtsquellen Kraft.6 Es ist derzeit relevant für Zustellungen aus Deutschland nach Ägypten, Albanien, Antigua und Barbuda, Argentinien, Bahamas, Barbados, Botsuana, China, Indien, Israel, Japan, Kanada, Korea, Kroatien, Kuweit, Malawi, Mexiko, Monaco, Norwegen, Pakistan, Russische Föderation, San Marino, Schweiz, Seychellen, Sri Lanka, St. Vincent und die Grenadinen, Türkei, Ukraine, Venezuela, USA,7 Weißrussland und vice versa. 3. Bilaterale Rechtshilfeverträge Solche bestehen mit Griechenland, Tunesien, der Türkei, dem Vereinigten Kö- 2073 nigreich (das deutsch-britische Abkommen gilt auch für viele Staaten des ehemaligen Commonwealth of Nations).8 Die Verträge mit Griechenland und dem Vereinigten Königreich werden jedoch durch die EG-Zustellungsverordnung (Art. 20) überlagert. Das deutsch-britische Rechtshilfeabkommen hat jedoch weiterhin Bedeutung für Zustellungen nach Australien, Bahamas, Barbados, Dominika, Fidschi, Gambia, Grenada, Guyana, Jamaika, Kanada, Kenia, Lesotho, Malawi, Malaysia, Malta, Mauritius, Nauru, Neuseeland, Nigeria, Salomonen, Sambia, Seychellen, Sierra Leone, Singapur, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Swasiland, Tansania, Trinidad und Tobago und vice versa. Dies gilt auch insoweit, als diese aus dem ehemaligen British Empire bzw. Commonwealth of Nations hervorgegangenen Staaten das Haager Zustellungsübereinkommen (Rz. 2072) in Kraft gesetzt haben, Art. 25 HZÜ. 4. Europäische Menschenrechtskonvention Bajons9 leitet aus Art. 6 I EMRK, der effektiven Rechtsschutz garantiert, eine völ- 2074 ker(vertrags)rechtliche Pflicht zur Rechtshilfe ab. Ob sich diese Ansicht durchsetzen wird, bleibt abzuwarten. Im Ergebnis würde der Regelungsspielraum der
6 BGBl. 1979 II 779, 1980 II 1281.Vertragsstaaten sind: Ägypten, Antigua und Barbuda, Argentinien, Bahamas, Barbados, Belarus, Belgien, Botswana, Bulgarien, China, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Israel, Italien, Japan, Kanada, Korea, Kuweit, Lettland, Luxemburg, Malawi, Mexiko, Niederlande, Norwegen, Pakistan, Polen, Portugal, Rumänien, Russische Föderation, San Marino, Schweden, Schweiz, Seychellen, Slowakische Republik, Slowenien, Spanien, Sri Lanka, Tschechische Republik, Türkei, Ukraine, Venezuela, USA, Vereinigtes Königreich und Zypern. Literaturnachweise z.B. bei Mankowski, Crossing the Rhine – On the Enforceability of U.S. Class Action Judgments and Settlements in Germany, Contratto e impresa/Europa XII (2007), 613, 644 ff. 7 Zur Handhabung des HZÜ in den USA Born/Rutledge, International Civil Litigation in the United States Courts4, 2006, 855 ff. 8 Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 100 ff. Im Verhältnis zum Vereinigten Königreich hat die EU-ZustellungsVO Vorrang, Art. 20. Siehe auch Rz. 2370. 9 Bajons, Zivilverfahren, 1991, Rz. 31 sowie in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 38 JN Rz. 2. Hierzu z.B. Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 206, 211.
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Sechster Teil: Internationales Zustellungsrecht Vertragsstaaten der EMRK beim Abschluss von Rechtshilfeverträgen erheblich eingeschränkt, Rz. 2374.10 Siehe auch Rz. 246w.
II. EG-Zustellungsverordnung vom 13.11.2007 2074a Die Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 vom 29.5.2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten11 und deren Nachfolgerin, die Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 vom 13.11.200712 (Rz. 245c), sind keine eigenständigen Schöpfungen; sie lehnten sich vielmehr stark an die Regelungen des Haager Zustellungsübereinkommens an. Sie bringt daher keinen Durchbruch in Richtung Harmonisierung des Zustellungsrechts in der Europäischen Union. Insbesondere wurde das aus dem Blickwinkel des Art. 6 I EMRK bzw. künftig – sobald normativ verbindlich – des Art. 47 II EuGrundrechtecharta äußerst bedenkliche, aber im romanischen Rechtskreis sehr verbreitete System der remise au parquet (Rz. 2093) nicht beseitigt.13
III. Autonomes deutsches Recht 2075 Die Zustellung ins Ausland ist in §§ 183, 184, 829 II, 835 ZPO, § 8 InsO geregelt. § 183 IV ZPO verlangt förmlich beurkundete Übergabe des zuzustellenden Schriftstücks im Ausland. Da die förmliche Zustellung ein staatlicher Hoheitsakt ist14 – anders das common law, das Zustellung durch Privatpersonen kennt15 –, dürfen deutsche Zustellungsorgane auf dem Territorium eines auswärtigen Staates nicht tätig werden, es sei denn, es geschieht mit dessen Zustimmung (Beispiel: Zustellung durch deutsche Konsularbeamte, Rz. 447). 2076 Eine Auslandszustellung ist aber nur bei Verfahrensbeginn notwendig, sofern nach § 183 ZPO die Klage bzw. das sonstige verfahrenseröffnende Schriftstück zugestellt worden ist. Die umständliche Zustellung gemäß § 183 ZPO ist im Hinblick auf § 184 ZPO nur erforderlich für die Verfahrenseinleitung, Rz. 2122. Eine 10 Skeptisch auch Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr, 1995, 81 Fußn. 5. 11 ABl. EG Nr. 2000 Nr. L 160, S 37. Hierzu G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 298 ff.; Heß NJW 2001, 15, 19; Jastrow NJW 2002, 3382; Jastrow IPRax 2004, 11; Lindacher ZZP 114 (2001), 179. 12 ABl. EU Nr. L 324, S. 79 vom 10.12.2007. 13 Im Anwendungsbereich des Art. IV des EuGVÜ-Protokolls und der EuZustellungsVO ist die remise au parquet nicht mehr zulässig, EuGH vom 13.10.2005, Rs C-522/03 – Scania NJW 2005, 3627 = RIW 2005, 940 = IPRax 2006, 157 (Stadler 116). Unter Hinweis auf dieses Urteil wird nunmehr auch die weitere Anwendbarkeit von § 184 ZPO im Anwendungsbereich des europäischen Gemeinschaftsrechts verneint, Heiderhoff EuZW 2006, 235, 237; Sharma, Zustellungen im Europäischen Binnenmarkt, 2003, 73. Siehe auch Heckel, Die fiktive Inlandszustellung auf dem Rückzug – Rückwirkungen des europäischen Zustellungsrechts auf das nationale Recht, IPRax 2008, 218. 14 G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 23, 129; Rohe in Wieczorek/Schütze, ZPO3, 2007, vor § 166 Rz. 19, vor §§ 183, 184 Rz. 1. 15 Scoles/Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws4, 2004, § 12.6.
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Rechtsquellen solche Reduzierung der Notwendigkeit der Auslandszustellung ist – im Interesse des Justizgewährungsanspruchs des Klägers und im Interesse eines ordnungsgemäßen Funktionierens der Justiz16 – dringend geboten. Es ließe sich nämlich kein Prozess mehr ordnungsgemäß durchführen, wenn für jede Mitteilung an den Zustellungsadressaten der Weg nach § 183 ZPO zwingend vorgeschrieben wäre.17 Ist nach § 183 ZPO ordnungsgemäß zugestellt, so genügt die Zustellung nach § 184 ZPO auch bei Klageerweiterung.18
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Im Adhäsionsprozess (Kombination von Straf- und Zivilprozess) genügt es nicht, wenn die Strafklage ordnungsgemäß zugestellt worden ist. Wird erst während des Strafprozesses die Zivilklage erhoben, muss nach § 183 ZPO erneut zugestellt werden, Rz. 2927. Auch die Zustellung der Urteile erfolgt nach § 184 ZPO, einschließlich der Ver- 2078 säumnisurteile, die im schriftlichen Verfahren erlassen worden sind (§ 331 III ZPO), Rz. 2115. Fehlerhaftigkeit/Mangel der nach § 183 ZPO erforderlichen Auslandszustellung führt nicht zur Nichtigkeit/Wirkungslosigkeit der deutschen Sachentscheidung.19
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IV. Verhältnis des völkerrechtlichen Vertragsrechts zum autonomen deutschen Recht Die Staatsverträge über Auslandszustellungen gehen vor, soweit sie nach ihrem Regelungsgegenstand in das nationale Recht eingreifen bzw. dieses überlagern, wie z.B. Art. 15 HZÜ.20 Die Haager Übereinkommen wollten aber das nationale Zustellungsrecht, insbesondere die remise au parquet, unberührt lassen. Dieses bestimmt autonom, ob eine Auslandszustellung notwendig ist oder ob eine (fiktive) Inlandszustellung genügt.21 Auch für 16 BGH vom 24.7.2000, NJW 2000, 3284, 3285 = MDR 2000, 1333 = WM 2000, 1972 = IHR 2001, 120 = IPRspr. 2000 Nr. 139. 17 Hierauf weist auch der BGH vom 4.12.1991, RIW 1992, 398 hin. Siehe auch Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr, 1995, 87. 18 Anderer Auffassung Stürner JZ 1992, 333; Rohe in Wieczorek/Schütze, ZPO27, 2007, § 184 Rz. 41. 19 Anderer Auffassung LG Hamburg vom 23.5.1991, RIW 1991, 767 = MDR 1991, 1089 = IPRspr. 1991 Nr. 205: Mangels Rechtshängigkeit sei das Urteil wirkungslos. Nach der hier vertretenen Auffassung ist das Urteil zwar wirksam, aber aufhebbar, Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 183 Rz. 34. Siehe aber auch Rohe in Wieczorek/Schütze, ZPO3, 2007, vor §§ 183, 184 Rz. 102 f. 20 Im Bereich der Europäischen Union wiederum vorrangig Art. 19 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29.5.2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten – ABl. EG Nr. L 160 vom 30.6.2000, S. 37. (Rz. 245c). 21 BGH vom 10.11.1998, NJW 1999, 1187, 1188 = LM § 174 ZPO Nr. 8 (R. Geimer) = RIW 1999, 295 (Kiethe/Groeschke 249) = MDR 1999, 311 = IPRax 2000, 23 (Fleischhauer 13) = IPRspr. 1998 Nr. 171 (S. 329); BGH vom 25.2.1999, NJW 1999, 2442, 2443 = RIW 1999,
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Sechster Teil: Internationales Zustellungsrecht prozesseinleitende Schriftstücke schreiben die Staatsverträge eine (echte) Auslandszustellung nicht vor.22 2081 Die völkerrechtlichen Verträge verpflichten mithin die Vertragsstaaten nicht, ausländische Rechtshilfe in Anspruch zu nehmen.23 Die deutsche Delegation 456 = WM 1999, 1182 = IPRax 2001, 331 (Pulkowski 306) = IPRspr. 1999 Nr. 110; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 180; Schack in Festschrift Geimer, 2002, 931; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 183 Rz. 20; weitere Nachweise z.B. bei Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer USamerikanischen class action in Deutschland, 2006, 95 ff.; Rohe in Wieczorek/Schütze, ZPO3, 2007, vor §§ 183, 184 Rz. 22. Anders verläuft aber die Entwicklung im europäischen Gemeinschaftsrecht. Im Anwendungsbereich des Art. IV des EuGVÜ-Protokolls und der EuZustellungsVO ist die remise au parquet nicht mehr zulässig, EuGH vom 13.10.2005, Rs C-522/03 – Scania NJW 2005, 3627 = RIW 2005, 940 = IPRax 2006, 157 (Stadler 116). Unter Hinweis auf dieses Urteil wird nunmehr auch die weitere Anwendbarkeit von § 184 ZPO im Anwendungsbereich des europäischen Gemeinschaftsrechts verneint, Heiderhoff EuZW 2006, 235, 237; Sharma, Zustellungen im Europäischen Binnenmarkt, 2003, 73. 22 So deutlich die deutsche Denkschrift zum HZÜ und HBÜ, Bundestagsdrucksache 7/4982 S. 38, 40: „Das Übereinkommen geht nicht so weit, einheitlich für alle Vertragsstaaten festzulegen, in welchen Fällen zur Einleitung und während eines gerichtlichen Verfahrens eine Zustellung im Ausland notwendig ist. Es bestimmt sich vielmehr allein nach dem Recht des Gerichts, vor dem ein Verfahren schwebt, in welchen Fällen die Zustellung im Ausland bewirkt werden muss.“ Allerdings diametral anders eine amicus curiae-Stellungnahme der deutschen Bundesregierung vor dem US Supreme Court: Für die Zustellung von US-Klagen an deutsche Beklagte (mit Aufenthalt außerhalb der USA) gelte ausschließlich das Haager Zustellungsübereinkommen, vgl. Bericht von Heidenberger (damals Prozessbevollmächtigter der Bundesrepublik Deutschland) RIW 1988, 90, 91. Der US Supreme Court ist der Exklusivitätstheorie nicht gefolgt, Volkswagen Aktiengesellschaft v. Schlunk, 486 U.S. 694 (1988). Hierzu z.B. Born/Rutledge, International Civil Litigation in the United States Courts4, 2006, 890 ff. Auch das deutsche Schrifttum lehnt diesen Ansatz überwiegend ab, Junker JZ 1989, 121, 123; Stürner JZ 1992, 325, 327; Baumbach/Henkel RIW 1997, 727, 729; weitere Nachweise bei Otto, Der prozessuale Durchgriff – die Nutzung forumansässiger Tochtergesellschaften in Verfahren gegen ihre auswärtigen Muttergesellschaften im Recht der USA, der Europäischen Gemeinschaften und der Bundesrepublik Deutschland, zugleich ein Beitrag im Justizkonflikt mit den USA, 1993, 112; Hopt/ Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 97. Siehe auch Baumgartner, The Proposed Hague Convention on Jurisdiction and Foreign Judgments: Trans-Atlantic Lawmaking for Transnational Litigation, 2003, 100, und Alio, Haftungsrisiken deutscher Unternehmen beim Vertrieb ihrer Produkte in den USA, IHR 2007, 177, 181. Anderer Auffassung (für Exklusivität des HZÜ) Heidenberger/Barde RIW 1988, 683; Koch IPRax 1989, 313. 23 Bundestagsdrucksache 8/217 S. 42: „Eine verbindliche Verpflichtung für einen Vertragsstaat, notwendige Zustellungen an Personen im Ausland gemäß dem Übereinkommen auch im Ausland durchführen zu lassen, wenn nach dem Recht des Vertragsstaates die Zustellung bereits im Inland bewirkt werden kann, enthält das Übereinkommen nicht.“ Ebenso Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 612; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht2, 2003, Art. 1 HZÜ Rz. 5. Ist der Zustellungstatbestand nach dem autonomen Recht so ausgestaltet, dass der Zustellungsvorgang außerhalb des Gerichtsstaats (genauer: auf dem Territorium eines an-
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Rechtsquellen konnte sich mit ihrer Forderung nicht durchsetzen, in das innerstaatliche Zustellungsrecht einzugreifen, insbesondere die remise au parquet zu verbieten. Als Kompromiss wurde Art. 15 HZÜ konzipiert.24 Über die Notwendigkeit der Auslandszustellung sagen die völkerrechtlichen Verträge nichts aus. Wo zuzustellen ist, am Heimatort/Aufenthaltsort im Ausland oder im Geschäftslokal im Inland (§§ 178 ff. ZPO25), bestimmt das deutsche Recht, Rz. 2108. Ob ausländische Rechtshilfe in Anspruch genommen werden soll, ist somit nach dem autonomen deutschen Recht zu beurteilen.26 Die Zustellungsverträge regeln nur das Wie (Übermittlungswege, Zustellungsver- 2082 fahren nach der lex fori bzw. in „besonderen Formen“), falls Zustellung im Ausland nach autonomem deutschem Recht erforderlich ist, begründen aber keine völkerrechtliche Verpflichtung, im Interesse der Beteiligten (insbesondere des Beklagten/Antragsgegners) deren Menschenrecht auf ein faires Verfahren zu realisieren, vor allem fiktive Zustellungen zu vermeiden und daher die im Vertrag festgelegten Übermittlungswege in Anspruch zu nehmen, falls der Zustellungsempfänger im Ausland wohnt bzw. sich dort aufhält.27
V. Völkerrechtliche Schranken für Mitteilungen an Adressaten im Ausland Die Übermittlung einer Ladung, eines Schriftsatzes, z.B. einer Streitverkün- 2083 dung,28 oder einer gerichtlichen Entscheidung durch schlichten Postbrief ist keine Verletzung der Souveränität des ausländischen Staates (in dem der Empfänger sich aufhält); denn der deutsche Hoheitsakt wird in Deutschland vollzogen:29 Dort ergeht die Ladung bzw. wird das Urteil oder der Beschluss erlas-
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deren Staates) stattzufinden hat, kommt allein das Haager Zustellungsübereinkommen zum Zuge, d.h. die dort vorgesehenen Übermittlungswege sind abschließend und exklusiv, Nachweise bei Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 98. Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in Unterhaltssachen, 1989, 75; Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr, 1995, 137; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 34. Siehe auch unten Rz. 2361. Weniger deutlich Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 79. Ein dem Zustellungsadressaten zurechenbare Rechtsschein eines inländischen Geschäftslokals genügt, OLG Hamburg vom 6.9.2005, OLG-Report 2006, 297. OLG München vom 28.9.1988, IPRax 1990, 111 (Roth 90) = IPRspr. 1988 Nr. 176. OLG Oldenburg vom 22.8.1991, RIW 1991, 950 = IPRax 1992, 169 (Nagel 150) = IPRspr. 1991 Nr. 209; US Supreme Court Volkswagenwerk AG v. Schlunck 486 U.S. 694 (1988); hierzu Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 235; Roth IPRax 1990, 92 Fußn. 41. Anderer Auffassung Heidenberger RIW 1988, 683; Koch IPRax 1989, 313; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht2, 2003, Art. 1 HZÜ Rz. 7. Danach habe das HZÜ den Vertragsstaaten eine verbindliche Grenze für die Konstruktion von Inlandszustellungen an im Ausland sich aufhaltende Adressaten stipuliert. Koch in Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 127. Zustimmend Rohe in Wieczorek/Schütze, ZPO3, 2007, vor §§ 183, 184 Rz. 33.
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Sechster Teil: Internationales Zustellungsrecht sen, Rz. 416, 2174. Die Übersendung ins Ausland auf dem Postwege dient lediglich der Benachrichtigung über einen im Inland vollzogenen Hoheitsakt.30 2084 Nach den Haager Übereinkommen ist die Zustellung durch die Post grundsätzlich zulässig, Art. 6 Nr. 1 HZPÜ, Art. 10 Buchstabe a HZÜ. Die Postzustellung wird auch von den meisten Vertragsstaaten geduldet.31 Art. 6 II HZPÜ und Art. 21 II HZÜ geben jedoch ein Widerspruchsrecht, von dem Deutschland und u.a. auch die Schweiz Gebrauch gemacht haben, Rz. 418, 2176. 2085 Die Postzustellung „nach außen“, also in Vertragsstaaten, die nicht widersprochen haben, wäre also völkerrechtlich zulässig, Rz. 418. Die deutsche Praxis32 legte jedoch – innerstaatlich – den deutschen Vorbehalt gegen Postzustellung „allseitig“ aus und verweist darauf, dass das Gesetz (§ 183 I Nr. 2 ZPO n.F., § 199 ZPO a.F., § 6 AusfG-HZÜ) die Postzustellung ins Ausland – anders als § 183 I Nr. 1 ZPO n.F. und § 37 II StPO a.F. – grundsätzlich nicht zulässt. Dieser Standpunkt war aber bereits vor Inkrafttreten des Zustellungsreformgesetzes vom
30 Vgl. § 184 ZPO, § 23 AusfG deutsch-österreichischer Konkursvertrag (BGBl. 1985 I 538); § 10 AsylVfG; BGH vom 10.11.1998, NJW 1999, 1187 = LM § 174 ZPO Nr. 8 (R. Geimer) = IPRax 2000, 23 (Fleischhauer 13) = JZ 1999, 414 (H. Roth) = IPRspr. 1998 Nr. 171; H. Roth IPRax 1990, 93 Fußn. 61. Anderer Auffassung Rosenbaum, Die Zwangsvollstreckung in Forderungen im internationalen Rechtsverkehr, 1930, 45; Wengler, Völkerrecht II, 1964, 962; Schmitz, Fiktive Auslandszustellung, 1980, 102. Kritisch auch Schlosser in Festschrift Stiefel, 1987, 685; Nachweise bei Gottwald in Festschrift Habscheid, 1989, 123; Stürner in Walther J. Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 21; Linke, Internationales Zivilprozessrecht4, 2006, Rz. 219; Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 254, 323. Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses, 1989, 285 Fußn. 72 differenziert, ob das zugestellte Schriftstück bloße Mitteilungs- bzw. Hinweisfunktion hat oder sanktionsbewehrt (sub poena) ist. Siehe auch z.B. § 121 österreichische ZPO und § 37 II StPO a.F. In Art. 52 des Schengener Durchführungsübereinkommens (Schengen II) sind unmittelbare Postzustellungen ausdrücklich zugelassen; hierzu Schomburg NJW 1995, 1931. Weitere Nachweise bei G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 198 ff., 222 ff. Rahm/Künkel/Breuer, Handbuch des Familiengerichtsverfahrens, Kap. VIII Rz. 39 empfehlen in Verkennung der völkerrechtlichen Problematik, in Ehesachen die Antragsschrift formlos mit der Post zu übersenden mit der Anfrage, ob der Beklagte/Antragsgegner einen Prozessbevollmächtigten bestellen will. Hierzu kritisch R. Geimer NJW 1991, 1432 und G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 147. Eine Heilung nach § 189 ZPO kommt nicht in Betracht, weil gar kein Zustellungsversuch gewollt war, vielmehr nur eine formlose Mitteilung; OLG Thüringen vom 19.12.1996, FamRZ 1998, 1446. Jedoch kann durch rügelose Einlassung die Rechtshängigkeit begründet werden. Zustimmend Rohe in Wieczorek/Schütze, ZPO3, 2007, vor §§ 183, 184 Rz. 37 a.E. 31 Vgl. Zusammenstellung zu § 31 des österreichischen Rechtshilfeerlasses für Zivilrechtssachen, 1997 bei Duchek/Schütz/Tarko, Zwischenstaatlicher Rechtsverkehr in Zivilrechtssachen – Rechtshilfeerlass 1997, Staatsverträge über Rechtshilfe und Vollstreckung, 1998, 59. Zur Zulässigkeit der Postzustellung im Verhältnis zur früheren Deutschen Demokratischen Republik BGH vom 22.1.1997, NJW 1997, 2051. 32 OLG Düsseldorf vom 8.2.1999, Rpfleger 1999, 287 = IPRspr. 1999 Nr. 140; weitere Nachweise bei Kondring RIW 1996, 722, 723 und Rohe in Wieczorek/Schütze, ZPO3, 2007, vor §§ 183, 184 Rz. 35.
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Rechtsquellen 26.6.200133 unter dem Blickwinkel des Art. 103 I GG zu modifizieren, Rz. 418 und ist seit 1.7.2002 durch § 183 I Nr. 1 ZPO überholt.34 Dies gilt erst recht für die aktuelle Fassung des § 183 I ZPO durch das Gesetz zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung und Zustellung.35 Die EG-Zustellungsverordnung36 (Rz. 245c) hat nach ihrem Art. 20 Vorrang vor dem Haager Zustellungsübereinkommen und den sonstigen Übereinkommen. Nach Art. 14 steht es jedem Mitgliedstaat frei, Personen, die ihren Wohnsitz/Sitz in einem anderen Mitgliedstaat haben, gerichtliche und außergerichtliche37 Schriftstücke unmittelbar durch die Post zustellen zu lassen. Die Empfangs-Mitgliedstaaten können dieser Direktzustellung nicht mehr widersprechen.
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Die Zustellung an Personen auf einem unter ausländischer Flagge fahrenden 2085b Schiff, das in einem inländischen Hafen ankert, ist völkerrechtlich erlaubt. Es spielt dabei keine Rolle, ob es sich (zollrechtlich) um einen Freihafen handelt. Es liegt eine Inlandszustellung vor, die auch ohne Zustimmung des Kapitäns an Bord nach § 177 ZPO vorgenommen werden kann, Rz. 415a.38 Die Zustellung an aus Deutschland entsandte Mitglieder einer deutschen Aus- 2085c landsvertretung, z.B. Zustellung eines Scheidungsantrags an Ehefrau des Botschafters oder einer Vaterschaftsfeststellungsklage an einen (zum Schutz der deutschen Botschaft) entsandten Angehörigen des Bundesgrenzschutzes ist Inlandszustellung, § 183 III ZPO.39
VI. Verfassungsrechtlicher Anspruch auf rechtliches Gehör Das Völkergewohnheitsrecht verpflichtet die Staaten nicht, einander gegenseitig Rechtshilfe bei der Durchführung von Zustellungen zu leisten. Wirkt der ausländische Staat bei der Zustellung nicht mit, dann verbleibt nach der Konzeption der ZPO nur die öffentliche Zustellung, § 185 Nr. 2 ZPO. Dies bedeutet aber in den meisten Fällen, dass der Zustellungsadressat von der Zustellung nichts erfährt.40
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Daher kann es mit der öffentlichen Zustellung allein nicht sein Bewenden ha- 2087 ben. Art. 103 I GG gebietet dem deutschen Gericht, zusätzlich alle Möglichkeiten von Amts wegen auszuschöpfen, dass der Zustellungsempfänger auch tatsäch33 BGBl. I 1206. 34 Allerdings auf Einschreiben mit Rückschein beschränkt, H. Schmidt IPRax 2004, 13, 14. Anderer Ansicht Heß NJW 2002, 2417, 2424 wegen fehlender Gegenseitigkeit. Hierauf stellt aber das Haager Zustellungsübereinkommen – anders als die Parallelvorschrift des Europäischen Zustellungsübereinkommens in Verwaltungssachen – nicht ab, G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 184. 35 BGBl. I 2122. Hierzu G. Vollkommer/St. Huber NJW 2009, 1105, 1109. 36 ABl. EU Nr. L 324 vom 10.12.2007, S. 79. 37 Art. 16. 38 Anderer Auffassung LG Hamburg vom 23.8.1994, NJW-RR 1995, 183 = RIW 1995, 244 = IPRspr. 1994 Nr. 142. 39 Anders wohl die Praxis, die auch in diesen Fällen das Prüfungsverfahren nach § 9 ZRHO verlangt. 40 BGH vom 19.12.2001, NJW 2002, 827 sowie BGH vom 11.12.2002, NJW 2003, 1326.
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Sechster Teil: Internationales Zustellungsrecht lich Kenntnis von dem zuzustellenden Schriftstück erlangt.41 Neben der öffentlichen Zustellung (§ 185 Nr. 3 ZPO) muss das Gericht, ersatzweise der Kläger/ Antragssteller, das zuzustellende Schriftstück auf dem Postwege (Einschreiben mit Rückschein) ins Ausland versenden,42 Rz. 131, 252, 418. Das Gericht muss notfalls Schreiben in „neutraler Aufmachung“ versenden, wenn zu befürchten ist, dass Schreiben mit Absenderangabe von der ausländischen Post nicht weitergeleitet wird.43 Missglückt auch die Übermittlung auf dem Postwege und ist auch eine sonstige Kontaktaufnahme per Telefon, Telefax oder Telex nicht möglich, so ist in den Fällen des § 185 ZPO ein Verfahrenspfleger zu bestellen.44
VII. Völkerrechtlicher Anspruch auf rechtliches Gehör 2088 Der Beklagte hat – aus menschenrechtlicher Sicht – sogar einen völkerrechtlichen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs. Dies ist die Kehrseite seiner Gerichtspflichtigkeit im Inland.45 2089 Den gleichen Anspruch hat auch der Heimat- bzw. Aufenthaltsstaat des Beklagten, Rz. 131, 132, 1909. Dieser kann ihn jedoch nicht gegen den Willen des betroffenen Individuums durchsetzen. Beispiel: Entschließt sich der Beklagte, gegen ein ihm vorteilhaftes Urteil, das aufgrund eines Verfahrens zustande gekommen ist, das seinen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat, keine „local remedies“ einzulegen, dann kann der Heimat- bzw. Aufenthaltsstaat dies nicht mehr aus eigenem Recht tun.
VIII. Gefährdung bzw. Vereitelung des Justizgewährungsanspruchs durch überlange Verzögerung der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftsatzes 2090 Deutschland hat erst am 19.11.1992 einen Vorbehalt gemäß Art. 15 II HZÜ46 erklärt (Rz. 232). Gleichwohl war schon vorher sowohl aus der völkerrechtlichen 41 Vgl. auch BVerfG vom 26.10.1987, NJW 1988, 2361. 42 Nagel, Nationale und internationale Rechtshilfe, 1971, 47; Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 254. Vgl. auch Passauer FamRZ 1990, 15 und den Fall des OLG Frankfurt vom 22.9.1987, NJW-RR 1988, 682 = RIW 1988, 133 = IPRspr. 1987 Nr. 20. 43 OLG Köln vom 30.10.1985, FamRZ 1985, 1278 = MDR 1986, 244 = ROW 1986, 200 = EWiR 1986, 205 (R. Geimer) = IPRspr. 1985 Nr. 171; KG vom 13.7.1983, ROW 1984, 191 = ZaöRV 1985, 116 (Haverland) = IPRspr. 1983 Nr. 163. 44 R. Geimer NJW 1974, 1631. – Zum Spannungsverhältnis zwischen Art. 32 I GG und Art. 103 I GG R. Geimer NJW 1989, 2177, 2205. Bei öffentlicher Zustellung im Anwendungsbereich der Europäischen Vollstreckungstitel-Verordnung Nr. 805/2004 vom 21.4.2004 sollte man das zuzustellende Schriftstück bei Vorliegen einer e-mail-Adresse parallel per e-mail versenden. Zur Empfangsbestätigung Rz. 1929a Fußn. 55. 45 Ähnlich Wengler, Internationales Privatrecht in RGR-Kommentar12, VI, 1981, § 14a 1 nach Fußn. 22. 46 BGBl. 1993 II 704.
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Rechtsquellen als auch aus der verfassungsrechtlichen Perspektive (Verbot der Justizverweigerung) die Frage der Zumutbarkeit für den Kläger zu stellen, Rz. 1929. Nach sechs Monaten sollte man die öffentliche Zustellung bewilligen,47 aber gleichzeitig versuchen, den Zustellungsadressaten durch Post und/oder Telefax, notfalls per Telefon von dem gegen ihn anhängigen Verfahren zu unterrichten,48 Rz. 1929 a.E.
IX. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Art. 16 HZÜ Das Haager Zustellungsübereinkommen bemüht sich, die Fälle der (tatsäch- 2091 lichen) Verweigerung des rechtlichen Gehörs durch fehlgeschlagene Auslandszustellungen möglichst zu reduzieren:49 Nach Art. 16 HZÜ (Rz. 231) kann der Zustellungsempfänger unter erleichterten Bedingungen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erreichen. Diese ist dem (kontumazierten) Beklagten aber nur dann zu bewilligen, wenn er ohne sein Verschulden nicht so rechtzeitig von dem (verfahrenseinleitenden) Schriftstück Kenntnis erlangt hat, dass er sich hätte verteidigen können, bzw. nicht so rechtzeitig von der Entscheidung, dass er sie hätte anfechten können. Der Bundesgerichtshof verlangt auch von juristisch nicht gebildeten Laien, sich alsbald nach Zugang einer nachteiligen Entscheidung über Form und Frist zu erkundigen. Dies gilt gleichermaßen für In- und Ausländer.50 Art. 16 HZÜ macht weiter die Einschränkung, dass der Richter die Wiedereinsetzung verweigern kann, wenn die Verteidigung des Beklagten von vornherein aussichtslos erscheint oder wenn der Antrag nicht innerhalb „angemessener Frist“ gestellt worden ist (maximal ein Jahr). Die Wiedereinsetzungsmöglichkeit nach Art. 16 HZÜ (Rz. 2091) soll also nur die ultima ratio sein, wenn keinerlei 47 A.A. BGH vom 20.1.2009, NJW-RR 2009, 855 = LMK 2009, 280234 (Geimer). Vgl. auch OLG Köln vom 27.11.1997, NJW-RR 1998, 1683 = FamRZ 1998, 561 = Informaciones II/1998, 35 = IPRspr. 1997 Nr. 175. 48 R. Geimer NJW 1989, 2204 sowie R. Geimer NJW 1991, 1432. Gegen diesen Sechsmonats-Vorschlag Fischer ZZP 107 (1994), 171; Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr, 1995, 156. 49 Auch schon nach autonomem deutschen Recht begründet bei der öffentlichen Zustellung die fehlende Kenntnis der Partei von der Zustellung einer Entscheidung dann die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn sie unverschuldet ist, was dann der Fall ist, wenn die Partei nicht mit ihr rechnen musste, z.B. weil sie dem Gegner zeitgerecht einen Zustellungsbevollmächtigten benannt hat oder der Gegner auf andere Weise die öffentliche Zustellung durch Falschangaben erschlichen hat, oder wenn sie auf Grund besonderer Umstände nicht in der Lage war, Kenntnis von der Zustellung zu erlangen. Jedoch soll nach Ablauf der Jahresfrist des § 234 III ZPO eine Wiedereinsetzung nicht mehr möglich sein; diese Frist laufe ohne Rücksicht auf die Kenntnis der betroffenen Partei von dem gegen sie laufenden Verfahren bzw. dem gegen sie ergangenen Urteil. „Billigkeitsgesichtspunkte“ hätten außer Acht zu bleiben, OLG Hamm MDR 1997, 1150; hierzu kritisch G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 44. – Siehe auch unten Rz. 2105. 50 BGH vom 22.2.1989, FamRZ 1989, 1287 (Hausmann) = IPRspr. 1989 Nr. 203. Tendenziell großzügiger nun wohl BGH vom 24.7.2000, NJW 2000, 3284 = MDR 2000, 1333 = WM 2000, 1972 = IHR 2001, 120 = IPRspr. 2000 Nr. 139 sowie OLG Köln vom 1.2.1999, FamRZ 1999, 1083 = IPRspr. 1999 Nr. 138.
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Sechster Teil: Internationales Zustellungsrecht Anfechtungsmöglichkeiten nach nationalem Recht vom Beklagten ausgenutzt werden konnten. Auf dänischen Wunsch wurden jedoch Entscheidungen über den Personenstand von der Wiedereinsetzungsmöglichkeit ausgenommen. Dies ist aus deutscher Sicht nicht verständlich. 2091b
Der Antrag gemäß Art. 16 I HZÜ ist statthaft gegen alle Entscheidungen, gleich wie diese nach der lex fori zu qualifizieren sind. Wichtig ist nur, dass der Beklagte am Verfahren (nie) teilgenommen hat. Im Ergebnis übereinstimmend, jedoch missverständlich ist die Feststellung in der deutschen Denkschrift, kontradiktorische Urteile seien ausgeklammert, weil „sich der Beklagte dann auf das Verfahren eingelassen hat und spätere Zustellungen meist im Inland an einen Prozess- oder Zustellungsbevollmächtigten bewirkt werden“.51 Dies ist nicht ganz korrekt. Es kommt nicht darauf an, wie nach dem Recht des Gerichtsstaates das Urteil einzuordnen ist; vielmehr ist entscheidend, ob der Beklagte am Verfahren teilgenommen hat oder nicht. Daher ist der Begriff des Versäumnisurteils konventionsimmanent zu interpretieren. Dies kommt auch im Text des Übereinkommens klar zum Ausdruck (wo von einer Entscheidung gegen den Beklagten die Rede ist, der sich nicht auf das Verfahren eingelassen hat).
2091c Für eine großzügige Gewährung der Wiedereinsetzung nach Art. 16 I HZÜ spricht auch der Umstand, dass der Schutz des Art. 15 I HZÜ durch den Vorbehalt des Art. 15 II, den die meisten remise au parquet-Staaten (Rz. 2093), aber auch Deutschland52 erklärt haben, erheblich eingeschränkt wird. Daher muss über die Möglichkeit der Wiedereinsetzung ein gewisser Ausgleich hergestellt werden.
X. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Art. 19 IV und V der EG-Zustellungsverordnung 2091d
Die Regelung des Art. 16 HZÜ wurde – einschließlich des verunglückten, weil sachlich nicht gerechtfertigten Art. 16 II HZÜ (Rz. 2091a) – in Art. 19 IV und V der EG-Zustellungsverordnung Nr. 1393/2007 vom 13.11.200753 (Rz. 245c) übernommen. Diese Verordnung beansprucht nach ihrem Art. 20 in ihrem Anwendungsbereich Vorrang vor dem Haager Zustellungsübereinkommen.
XI. Rechtsvergleichende Hinweise 2092 Das deutsche Recht schützt – zu Lasten des Klägers (was die Vertreter der remise au parquet-Länder54 hervorheben)55 – die Belange des Zustellungsempfängers
51 52 53 54
Bundestagsdrucksache 8/217 S. 48. Am 19.11.1992, BGBl. 1993 II 704. ABl. EU Nr. L 324 vom 10.12.2007, S. 79. Hierzu z.B. Heckel, Die fiktive Inlandszustellung auf dem Rückzug – Rückwirkungen des europäischen Zustellungsrechts auf das nationale Recht, IPRax 2008, 218, 221; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 7 Rz. 14; Rohe in Wieczorek/ Schütze, ZPO3, 2007, vor §§ 183, 184 Rz. 5. 55 Vgl. die deutsche Denkschrift zum Haager Zustellungsübereinkommen, Bundestagsdrucksache 8/217 S. 48.
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Rechtsquellen wesentlich besser als das französische Recht und die von diesem beeinflussten Rechtssysteme des romanischen Rechtskreises: Auch wenn die Zustellung im Ausland zu erfolgen hat, ist nach deutschem Recht reale Übergabe des Schriftstücks an den Zustellungsadressaten erforderlich. Sie muss durch ein Zustellungszeugnis nachgewiesen werden (§ 183 IV ZPO).56 Völlig anders ist das französische Konzept: Sobald eine Zustellung im Ausland 2093 erforderlich wird, macht man vom Grundsatz der Aushändigung des Schriftstücks an den Empfänger eine Ausnahme: Die Zustellung erfolgt durch remise au parquet, d.h. Aushändigung einer Abschrift des zuzustellenden Schriftstücks an die zuständige Staatsanwaltschaft. Damit ist der Zustellungsvorgang abgeschlossen.57 Der Zugang an den Zustellungsadressaten wird – wie nach § 184 ZPO – fingiert.58 Dieser wird zwar von der remise au parquet benachrichtigt. Diese notification hat aber keine selbständige rechtliche Bedeutung.59 Das deutsche Recht bevorzugt die Amtszustellung, d.h. die Zustellungen werden 2093a in den meisten Fällen nicht von der Partei, sondern vom Gericht veranlasst,
56 Hierzu BGH vom 13.11.2001, MDR 2002, 350 = NJW 2002, 521 = RIW 2002, 237 = VersR 2003, 345 = IHR 2003, 44 = LM § 202 ZPO Nr. 1 = IPRspr. 2001 Nr. 168. 57 Zu den verschiedenen „Zustellungstatbeständen“ G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 30 ff. Siehe auch Schlosser, Jurisdiction and International Judicial and Administrative Co-Operation, RdC 284 (2000), 9, 107. 58 Heckel, Die fiktive Inlandszustellung auf dem Rückzug – Rückwirkungen des europäischen Zustellungsrechts auf das nationale Recht, IPRax 2008, 218, 221 f. Im Anwendungsbereich des Art. IV des EuGVÜ-Protokolls und der EuZustellungsVO ist die remise au parquet nicht mehr zulässig, EuGH vom 13.10.2005, Rs C-522/03 – Scania NJW 2005, 3627 = RIW 2005, 940 = IPRax 2006, 157 (Stadler 116). Unter Hinweis auf dieses Urteil wird nunmehr auch die weitere Anwendbarkeit von § 184 ZPO im Anwendungsbereich des europäischen Gemeinschaftsrechts verneint, Heiderhoff EuZW 2006, 235, 237; Sharma, Zustellungen im Europäischen Binnenmarkt, 2003, 73. 59 Vgl. Art. 683 ff. Nouveau Code de procédure civile (hierzu ausführlich Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr, 1995, 88 und Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 197, 203) sowie OLG Saarbrücken vom 24.11.1997, RIW 1998, 632; Art. 142 Codice di procedura civile; Art. 40 II belg. Code Judiciaire (Moons RIW 1989, 903); Art. 69 Nr. 10 lux. Code de Procédure civile.; Art. 4 niederländisches Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering; Art. 135, 137 griechisches Zivilprozessgesetz; Art. 9 tunesische ZPO; Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in Unterhaltssachen, 1989, 49; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 29, 39, 147; Pfennig, Die internationale Zustellung in Zivil- und Handelssachen, 1988, 127; Walther J. Habscheid und Schlosser in Wedekind, Justice and Efficiency, 1989, 180; OLG Düsseldorf vom 19.10.1984, RIW 1985, 493 = IPRax 1985, 289 (Schumacher 265). – Rechtsvergleichende Nachweise bei Nagel, Nationale und internationale Rechtshilfe, 1971, 98; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 597. Hiermit vergleichbar ist die Zustellung an den „secretary of state“ in den USA, Pfeil-Kammerer 77; Linke, Die Probleme der internationalen Zustellung in Gottwald, Grundfragen der Gerichtsverfassung – Internationale Zustellung, Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Vereinigung für Internationales Verfahrensrecht, Bd. 10, 1999, 103; Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 107.
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Sechster Teil: Internationales Zustellungsrecht §§ 166 II, 270 ZPO.60 Dagegen sehen viele ausländische Prozessordnungen – ebenso wie die deutsche Civilprozessordnung in ihrer ursprünglichen Fassung – die Parteizustellung vor, d.h. die interessierte Partei hat die Zustellung zu veranlassen. Vgl. z.B. Art. 55 Nouveau Code de Procédure civile, Art. 163 IV Codice di procedura civile, Civile Procedure Rules Part 6; Federal Rules of Civil Procedure 4 (c) (1).61
2. Kapitel: Zustellungen für deutsche Gerichtsverfahren I. Das deutsche Konzept: Grundsätzlich keine Zustellungsfiktion, sondern tatsächlich ausgeführte förmliche Zustellung im Ausland 1. Grundsatz 2094 Das deutsche Recht begnügt sich nicht – wie so manche ausländische Rechtsordnung (Rz. 2093) – mit einer Zustellungsfiktion (etwa nach dem Muster der remise au parquet), wenn die Zustellung an einen im Ausland sich aufhaltenden Beteiligten durchzuführen ist. Vielmehr ist für die Verfahrenseinleitung eine förmliche Zustellung im Ausland erforderlich, allerdings aufgelockert durch die Postzustellung (§ 183 I und V ZPO), Rz. 2098a.62 Nur nach ordnungsgemäß durchgeführter Auslandszustellung der Klage bzw. der Antragsschrift genügt im Allgemeinen die Aufgabe zur Post (§ 184 ZPO), Rz. 2114. Hier wird eine Inlandszustellung fingiert, Rz. 2116. 2095 Sofern nicht eine Direktzustellung (in der Regel durch die Post, § 183 I 2, V ZPO) in Betracht kommt (Rz. 2098a), erfolgt eine im Ausland zu bewirkende Zustellung gemäß § 183 I 2 zweite Alternative ZPO in den meisten Fällen mittels Ersuchen der zuständigen Behörde des fremden Staates oder der in diesem Staat residierenden diplomatischen oder konsularischen Vertretung des Bundes (§ 183 II ZPO). Diese Norm verlangt also im Verfahren vor den staatlichen Gerichten – anders als in Verfahren vor Schiedsgerichten, wo Übersendung per Einschreiben mit Rückschein genügt (Rz. 3860) – auch dann die förmlich beurkundete Zustellung (§ 183 IV ZPO), wenn eine Zustellung im Ausland erforderlich wird. Das deutsche Gericht darf auch in „Auslandsfällen“ auf den urkundlichen Nachweis63 nicht verzichten. Dies ist durch Art. 103 I GG nicht geboten 60 Näher G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 52. 61 Otto, Der prozessuale Durchgriff – die Nutzung forumansässiger Tochtergesellschaften in Verfahren gegen ihre auswärtigen Muttergesellschaften im Recht der USA, der Europäischen Gemeinschaften und der Bundesrepublik Deutschland, zugleich ein Beitrag im Justizkonflikt mit den USA, 1993, 86. 62 G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 30 spricht vom „System der effektiven Zustellung“. 63 BGH vom 13.11.2001, MDR 2002, 350 = NJW 2002, 521 = RIW 2002, 237 = VersR 2003, 345 = IHR 2003, 44 = LM § 202 ZPO Nr. 1 = IPRspr. 2001 Nr. 168. Siehe auch Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 154. Rechtsvergleichend Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 230, 253.
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Zustellungen für deutsche Gerichtsverfahren (danach wären auch andere Beweismittel für den [rechtzeitigen] Zugang der Klage- bzw. Antragsschrift ausreichend). Fraglich ist aber, ob dies noch geltendes Recht ist. Der Wortlaut des § 183 IV ZPO spricht zwar dafür. Diese Vorschrift verlangt ein Zustellungszeugnis der ersuchten Behörde. In den Fällen der Direktzustellung durch die Post (§ 183 I 2 erste Alternative ZPO) „genügt“ aber der Rückschein, § 183 IV 1 ZPO; d.h. der Beweis für die ordnungsgemäße Zustellung kann auch durch andere Beweismittel erbracht werden.64 Dies sollte man auch bei den anderen Zustellungsformen zulassen. Das deutsche Gericht darf ein Versäumnisurteil oder eine Entscheidung nach Lage der Akten erst erlassen, wenn der Beklagte/Antragsgegner ordnungsgemäß und rechtzeitig geladen war.65 Widrigenfalls ist zu vertagen, § 337 ZPO. Wichtig sind auch § 184 II 2 ZPO und § 339 II ZPO (individuelle Fristbestimmung). In den Fällen des § 175 ZPO a.F., § 32 III 3 AVAG a.F. wollte aber der Bundesgerichtshof66 keine Fristverlängerung geben, da es sich um eine (fiktive) Inlandszustellung handle, er gewährte nur unter Umständen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Rz. 2116.67 Ausnahme: Auf einen Zustellungsnachweis kommt es nicht an, wenn der Be- 2096 klagte am deutschen Verfahren teilnimmt oder sich auch nur in einer Form „gemeldet“ hat, aus der zur Überzeugung des Gerichts zweifelsfrei hervorgeht, dass der Beklagte die Klage bzw. verfahrenseinleitende Antragsschrift erhalten hat. 2. Sonderregelung im deutsch-tunesischen und im deutsch-marokkanischen Vertrag Eine besondere Regelung enthält Art. 17 III des deutsch-tunesischen Vertrages: 2097 Danach ist die Entscheidung nach acht Monaten seit der Übermittlung des Zustellungsantrags zu erlassen. Eine Parallelnorm findet sich in Art. 9 III des deutsch-marokkanischen Vertrages. Dort beträgt die Frist sechs Monate. Fraglich ist, ob dadurch nicht nur ein Minimumstandard vorgeschrieben wird, 2098 welcher die für den Beklagten misslichen Auswirkungen der remise au parquet68, der öffentlichen Zustellung bzw. der Ersatzzustellung (welche das rechtliche Gehör des Zustellungsempfängers auch nicht sicher gewährleistet, weil offen bleibt, ob die Ersatzperson die zuzustellenden Schriftstücke an den Beklagten weitergeleitet hat) abmildern soll, oder ob – in Modifizierung des
64 Rohe in Wieczorek/Schütze, ZPO3, 2007, § 183 Rz. 47. 65 § 335 I Nr. 2 ZPO, Art. 20 II EuGVÜ/LugÜ, Art. 15 I HZÜ, Art. 17 I deutsch-tunesischer Vertrag, Art. 9 I deutsch-marokkanischer Vertrag. Siehe auch Art. 26 II EuGVVO sowie Art. 19 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29.5.2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten, ABl. EG Nr. L 160 vom 30.6.2000, S. 37 (Rz. 245c). 66 BGH RIW 1992, 398. 67 Vgl. auch BGH vom 10.11.1998, NJW 1999, 1187 = LM § 174 ZPO Nr. 8 (R. Geimer) = MDR 1999, 311 = IPRax 2000, 23 (Fleischhauer 13) = JZ 1999, 414 (H. Roth) = IPRspr. 1998 Nr. 171. Vgl. auch BGH vom 24.7.2000, NJW 2000, 3284 = MDR 2000, 1333 = WM 2000, 1972 = IHR 2001, 120 = IPRspr. 2000 Nr. 139. 68 Art. 9 der tunesischen ZPO.
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Sechster Teil: Internationales Zustellungsrecht § 335 I Nr. 2 ZPO – der Kläger einen Anspruch auf Erlass eines Versäumnisurteils bzw. einer Entscheidung nach Lage der Akten hat;69 Rz. 1929. Die Formulierung „kann der Richter auch“ würde also nicht bedeuten, dass nur ein internationaler Minimumstandard eingeführt werden sollte, wie dies durch Art. 15 HZÜ geschehen ist, Rz. 229. 3. Zustellungsreformgesetz vom 25.6.2001 2098a Das am 1.7.2002 in Kraft getretene Zustellungsreformgesetz70 brachte insofern eine Lockerung, als es in § 183 I Nr. 1 und III ZPO a.F. (nunmehr § 183 I 2 und V ZPO n.F.) für die Zustellung im Ausland die Übersendung durch Einschreiben mit Rückschein zulässt, soweit aufgrund völkerrechtlicher Vereinbarungen bzw. nach Art. 14 der EG-Zustellungsverordnung (Rz. 245c) Schriftstücke unmittelbar durch die Post zugestellt werden dürfen. In diesem Fall genügt der Rückschein als Zustellungsnachweis, § 183 IV 1 ZPO. Fehlt es an einer völkerrechtlichen Vereinbarung, ist außerhalb des Anwendungsbereichs der EG-Zustellungsverordnung die unmittelbare Postzustellung (ohne Einschaltung der Rechtshilfekanäle des Aufenthaltsstaates des Zustellungsadressaten) nach dem Wortlaut des § 183 I ZPO unzulässig.71 Die ratio legis verbietet aber eine solche nicht, wenn der betroffene Staat die Direktzustellung auch ohne völkerrechtliche Vereinbarung duldet.72 Eine weitere Liberalisierung strebt das Gesetz zur Verbesserung der grenzüberschreitenden Forderungsdurchsetzung und Zustellung vom 30.10.200873 durch „strukturierte“ Neufassung des § 183 ZPO an.
II. Verfahren nach § 183 I 2 ZPO 2098b
Im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 vom 13.11.2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Ziviloder Handelssachen in den Mitgliedstaaten74 ist eine Zustellung unmittelbar durch die Post nach Art. 14 nur in der Versandform des Einschreibens mit Rückschein oder mit „gleichwertigem Beleg“ zulässig, §§ 183 V, 1068 I ZPO.
2099 Die Zustellung ins Ausland erfolgt bei Zustellung im Amtsbetrieb auf Veranlassung des Vorsitzenden, ohne dass es eines besonderen Antrages des Klägers bedarf,75 bei Zustellung im Parteibetrieb (§§ 191 ff. ZPO) auf Grund eines von der Partei an den Vorsitzenden des Prozessgerichts gerichteten Antrages, der nicht dem Anwaltszwang (§ 78 ZPO) unterliegt.76 69 So Bülow in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 515.36, Art. 17 Fußn. 76. 70 BGBl. I 1206; Bundestagsdrucksache 14/4554 und 14/5564. 71 H. Schmidt IPRax 2004, 13, 14. 72 Stadler IPRax 2002, 471, 473. 73 BGBl. I 2122. 74 ABl. EU Nr. L 324 vom 10.12.2007, S. 79. 75 §§ 270, 183 I Nr. 2 ZPO. 76 RGZ 17, 392.
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Zustellungen für deutsche Gerichtsverfahren Im Zwangsvollstreckungsverfahren, z.B. Zustellung eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (§§ 828, 829, 835 ZPO) ist der Vollstreckungsrichter bzw. der Rechtspfleger für die Anordnung der Auslandszustellung zuständig.
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Gleiches gilt für den Notar hinsichtlich der Zustellung seiner (vollstreckbaren) Kostenrechnung (§ 156 Kostenordnung) sowie der sonstigen von ihm veranlassten Zustellungen (§ 20 BNotO).77
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III. Vereinbarungen über die Modalitäten der Zustellung Die Parteien können – z.B. in Zusammenhang mit einer Zuständigkeitsverein- 2101 barung – § 183 I 2 ZPO abbedingen und durch eine andere Mitteilungsform ersetzen, die ebenfalls geeignet ist, das rechtliche Gehör des Zustellungsadressaten zu gewährleisten, z.B. Einschreiben mit oder ohne Rückschein. Daran ist das Gericht auch für die von Amts wegen vorzunehmenden Zustellungen (§ 166 II ZPO) gebunden. Der hoheitliche Charakter der Zustellung steht dem nicht entgegen; denn der Beklagte kann auf den Schutz des § 183 I ZPO verzichten.78
IV. Heilung von Zustellungsmängeln Zustellungsmängel werden auch im internationalen Rechtsverkehr nach § 189 2102 bzw. § 295 ZPO geheilt.79
77 Zustimmend Rohe in Wieczorek/Schütze, ZPO3, 2007, § 183 Rz. 22. 78 Im Ergebnis wie hier Schlosser in Festschrift Matscher, 1993, 387, 392; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 359; H. Schmidt IPRax 2004, 13, 14. Anderer Auffassung Heß RIW 1989, 258 Fußn. 91; Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr, 1995, 132; Rohe in Wieczorek/ Schütze, ZPO3, 2007, vor §§ 183, 184 Rz. 6. Siehe auch G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 283. Zum „waiver of notice“ im US-Recht vgl. Scoles/Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws4, 2004, § 12.5. 79 R. Geimer NJW 1972, 1624; Kondring a.a.O. 184 ff., 204; R. Geimer RIW 1996, 722, 724; Linke, Internationales Zivilprozessrecht4, 2006, Rz. 238; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 618; Schütze/Tscherning/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens2, 1990 Rz. 596 Fußn. 183; Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 145 mit weiteren Nachweisen. Im Ergebnis übereinstimmend BGH vom 13.7.1978, RzW 1979, 186 = IPRspr. 1978 Nr. 152, der § 295 ZPO anwendet; OLG Hamm vom 28.6.1988, FamRZ 1988, 1292 = IPRspr. 1988 Nr. 172; OLG Hamm vom 1.9.1999, FamRZ 2000, 898 = IPRspr. 1999 Nr. 142; OLG Köln vom 26.3.2002, NJW-RR 2002, 1682 = VersR 2003, 269 = TranspR 2003, 111 = IPRspr 2002/165; OLG Stuttgart vom 2.5.2002, GmbHR 2002, 1123 (Emde) = EWir 2002, 1167 (Gerkan) = NZG 2003, 136 = IPRspr 2002 Nr. 178. Anderer Auffassung BGH vom 24.2.1972, BGHZ 58, 177 = NJW 1972, 1004 (R. Geimer 1624) = IPRspr. 1972 Nr. 151; OLG Hamm vom 30.9.1994, RIW 1996, 156 (Kondring 722) = IPRspr. 1994 Nr. 161. Offen gelassen von BGH vom 22.11.1988, NJW 1989, 1154 = RIW 1989, 481 = WM 1989, 238 = MDR 1989, 345 = VersR 1989, 168 = IPRspr. 1988 Nr. 178 und LG Frankfurt a.M. vom 12.4.1989, RIW 1989, 486 = NJW 1990, 652 =
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Sechster Teil: Internationales Zustellungsrecht Eine unter Verletzung des Völkerrechts durchgeführte Zustellung ist – trotz Art. 25 GG – innerstaatlich gleichwohl wirksam.80
V. Mahnverfahren 2103 Im Mahnverfahren ist Zustellung ins Ausland grundsätzlich unzulässig, § 688 III ZPO.81 Ausnahmen gelten nach §§ 1, 32 I AVAG für die EU-Staaten im Anwendungsbereich der EuGVVO bzw. des EuGVÜ/LugÜ, der Vertragsstaaten des Haager Übereinkommens vom 2.10.1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen82 sowie im Verhältnis zu Israel und Norwegen.83 Siehe auch § 688 II Nr. 3 ZPO (Rz. 2105a).
VI. Vereitelung der Zustellung durch den Zustellungsadressaten 2104 Will der Zustellungsadressat unerreichbar sein (indem er seine Anschrift verheimlicht), so hat er sich eine durch das Scheitern der Zustellung bedingte Beeinträchtigung seines rechtlichen Gehörs selbst zuzuschreiben, Rz. 250.84 Vgl. auch die Wertung des Gesetzgebers in § 1028 ZPO. Auch muss ein Wohnsitzbzw. Sitzwechsel erst beachtet werden, wenn der Beklagte ihn dem Gericht oder dem Gegner angezeigt hat.85
VII. Öffentliche Zustellung 2105 Aber auch in den Fällen, in denen der Zustellungsadressat es nicht zu vertreten hat, dass er keine Zustelladresse hat oder dass sein Aufenthalt unbekannt ist, er-
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IPRax 1990, 177 (Roth) = MDR 1990, 757. Siehe auch Schlosser in Festschrift Matscher, 1993, 396. Vogler/Wilkitzki, IRG-Kommentar, 1992, vor § 68 Rz. 6 unter Hinweis auf BVerfGE 63, 343. Vgl. den von Weinschenk RIW 1980, 548 berichteten Fall. Hierzu Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 116. Rohe in Wieczorek/Schütze, ZPO3, 2007, vor §§ 183, 184 Rz. 16. BGBl. 1986 II 825. Anders § 448 II Nr. 3 österr. ZPO. Danach darf ein Zahlungsbefehl nicht erlassen werden, „wenn der Beklagte seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Ausland hat.“ Hierzu Heiss/Mayr IPRax 1999, 305, 307. BGH vom 2.10.1991, RIW 1992, 56 = WM 1992, 286 = IPRax 1993, 324 (Linke 295) = IPRspr. 1991 Nr. 209; LG Kiel vom 20.5.1983, SchlHA 1983, 165 = IPRspr. 1983 Nr. 162. Ebenso in einem Inlandsfall OVG Münster vom 20.8.1987, NJW 1989, 121 L = NVwZRR 1988, 57. Vgl. auch BGH vom 4.10.1989, FamRZ 1990, 143; OLG Zweibrücken FamRZ 2005, 997 = NJOZ 2004, 4287 = IPRspr. 2004 Nr. 176; OLG Schleswig vom 15.2.2007, OLGR 2007, 305; Schwab/Gottwald in Habscheid, Effektiver Rechtsschutz und verfassungsmäßige Ordnung, 1983, 54 Fußn. 334; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 12; Rohe in Wieczorek/Schütze, ZPO3, 2007, vor § 183, 184 Rz. 4 sowie § 185 Rz. 19. BGH vom 10.11.1998, NJW 1999, 1187, 1189 = LM § 174 ZPO Nr. 8 (R. Geimer) = RIW 1999, 295 (Kiethe/Groeschke 249) = MDR 1999, 311 = IPRax 2000, 23 (Fleischhauer 13) = IPRspr. 1998 Nr. 171.
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Zustellungen für deutsche Gerichtsverfahren folgt öffentliche Zustellung nach § 185 Nr. 1 ZPO.86 Die Rechtsprechung lässt jedoch die subjektive Unkenntnis nicht genügen, sondern verlangt die objektive Unmöglichkeit der Ermittlung der Anschrift dessen, an den zugestellt werden soll.87 Dass eine Anfrage beim Einwohnermeldeamt erfolglos war, reicht nicht aus, um eine öffentliche Zustellung zu bewilligen.88 So soll der Antragsteller gehalten sein, einen internationalen Suchdienst einzuschalten.89 Doch dürfen die Anforderungen an die Nachforschungslast nicht übertrieben werden, um den Anspruch auf effektive Justizgewährung nicht ad absurdum zu führen.90 Öffentlich zuzustellen ist auch, wenn die Zustellung im Ausland scheitert oder 2105a keinen Erfolg verspricht, § 185 Nr. 3 ZPO.91 Maßgebend ist die Feststellung der Justizverwaltung (§ 9 ZRHO).92 Die Gewährung des Rechtsschutzes durch die deutschen Gerichte darf in diesen Fällen nicht mit der Begründung verweigert werden, der Kläger solle sich an die ausländischen Gerichte wenden, Rz. 251.93 Vorstehendes gilt auch bei überlanger Dauer des ausländischen Rechtshilfewegs, da zu dem vom Grundgesetz und durch Art. 6 I EMRK bzw. (künftig) durch Art. 47 II EuGrundrechtecharta gewährleisteten Justizgewährungsanspruch auch gehört, dass Rechtsschutz „in angemessener Zeit erlangt werden kann“ (effektiver Rechtsschutz), Rz. 2090. Das im internationalen Kontext ohnehin nur beschränkt statthafte Mahnverfahren (Rz. 2103) ist gemäß § 688 II Nr. 3 ZPO unzulässig, wenn die Zustellung des Mahnbescheids nach § 185 ZPO erfolgen müsste. Siehe auch § 1089 I 2 ZPO. Eine öffentliche Zustellung an eine Nicht-Partei war nach dem Wortlaut des 2105b § 203 I ZPO a.F. unzulässig. Anders nunmehr § 185 Nr. 1 ZPO, Rz. 2143. Demnach war die öffentliche Zustellung an einen gesetzlichen Vertreter, Prozessbevollmächtigten, Zeugen oder Drittschuldner (Rz. 2142) nicht möglich. Zuläs-
86 Zur Zustellung an Binnenschiffer auf angeblich gewohnheitsrechtlicher Basis Blankenheim MDR 1992, 926. 87 Grundlegend BGH vom 19.12.2001, NJW 2002, 827. 88 OLG Zweibrücken NJW 1983, 630. 89 AG Landstuhl vom 23.9.1992, FamRZ 1993, 212 = IPRspr. 1992 Nr. 210; AG Landstuhl vom 29.9.1993, FamRZ 1994, 309 = IPRspr. 1993 Nr. 159. 90 Wurde die öffentliche Zustellung bewilligt und durchgeführt, so ist diese Zustellungsform völlig gleichwertig mit allen anderen. Die ergangene gerichtliche Entscheidung ist existent und wirksam, obwohl der Beklagte unverschuldet keine Ladung und auch sonst keine Kenntnis vom Verfahren erhalten hat. Das Urteil kann auch nicht ohne weiteres wieder beseitigt werden. Zwar gibt es die Möglichkeit der Wiedereinsetzung, aber nur zeitlich befristet, § 234 III ZPO, Rz. 2091. Eine Analogie zu § 579 I Nr. 4 ZPO lehnt BGH NJW 2003, 1326 selbst dann ab, wenn der Gegner die öffentliche Zustellung arglistig erschlichen hat. In Betracht kommen nach Maßgabe von § 581 ZPO (rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung) nur die Nr. 1 und 4 des § 580 ZPO. 91 BGH vom 2.10.1991, RIW 1992, 56 = WM 1992, 286 = IPRax 1993, 324 (Linke 295) = IPRspr. 1991 Nr. 209; OLG Düsseldorf vom 14.10.2003, OLG-Report 2004, 456, 457. 92 OLG Frankfurt vom 22.9.1987, RIW 1988, 133 = IPRax 1990, 43 = IPRspr. 1987 Nr. 20; OLG Köln vom 23.3.1987, RIW 1988, 301 = IPRax 1987, 233 (Mansel 210) = IPRspr. 1987 Nr. 140. Rohe in Wieczorek/Schütze, ZPO3, 2007, § 185 Rz. 26. 93 OLG Köln vom 30.10.1985, FamRZ 1985, 1278 = MDR 1986, 244 = ROW 1986, 200 = EWiR 1986, 205 (R. Geimer) = IPRspr. 1985 Nr. 171.
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Sechster Teil: Internationales Zustellungsrecht sig war aber die öffentliche Zustellung an den Streitverkündungsgegner und den Nebenintervenienten sowie an den Gläubiger und den Schuldner im Zwangsvollstreckungsverfahren. Durch die öffentliche Zustellung wird das verfassungsmäßige Recht des Zustellungsadressaten auf rechtliches Gehör in den meisten Fällen vereitelt. Dies wurde vom Bundesverfassungsgericht im Interesse einer funktionierenden Rechtspflege hingenommen.94 Auf jeden Fall können Manipulationen des Prozessgegners nicht toleriert werden. Die von einer Partei in Kenntnis des Aufenthalts des Prozessgegners erwirkte öffentliche Zustellung eines Urteils ist rechtsmissbräuchlich und grenzt an Prozessbetrug. Dem Prozessgegner ist deshalb auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der nicht eingehaltenen Frist zur Anfechtung des Urteils (§ 233 ZPO) zu gewähren.95 Eine förmliche Aufhebung des die öffentliche Zustellung bewilligenden Gerichtsbeschlusses ist nicht erforderlich.96
VIII. Zustellung an Dritte 2106 § 183 ZPO gilt auch für Zustellungen an Dritte (= Nicht-Parteien), z.B. Streitverkündungsempfänger, Zeugen, Sachverständige etc. Die deutsche lex fori befindet darüber, ob förmliche Zustellung erforderlich ist.97
IX. Maßgeblichkeit der lex fori für Zustellungsverfahren 2107 Über das Zustellungsverfahren entscheidet auch bei ausländischem Sachstatut allein die deutsche lex fori: Ist z.B. in der Sache französisches Recht anzuwenden, so kann das deutsche Gericht gleichwohl nicht durch remise au parquet zustellen98 oder bei Maßgeblichkeit des Rechtes eines US-Bundesstaates nach den FRCP.
X. Notwendigkeit der Auslandszustellung 2108 Auch hierüber befindet allein die deutsche lex fori, Rz. 2081. So ist z.B. Auslandszustellung nicht erforderlich, wenn der Beklagte eine Zweitwohnung99
94 Zusammenstellung der Judikatur bei Roth JZ 1991, 91. Siehe auch Graßhof in Festschrift Merz, 1992, 133, G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 10 sowie BVerfG vom 3.6.1991, NJW 1992, 224. 95 BGH vom 6.4.1992, MDR 1992, 997. 96 Überholt BGH vom 6.10.1971, BGHZ 57, 108, 110. 97 Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 363 Rz. 13. 98 Im Anwendungsbereich des Art. IV des EuGVÜ-Protokolls und der EuZustellungsVO ist die remise au parquet nicht mehr zulässig, EuGH vom 13.10.2005, Rs C-522/03 – Scania NJW 2005, 3627 = RIW 2005, 940 = IPRax 2006, 157 (Stadler 116). 99 OLG Köln vom 16.8.1988, RIW 1989, 814 = NJW-RR 1989, 443 = IPRspr. 1988 Nr. 175; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 18 EheGVO Rz. 54.
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Zustellungen für deutsche Gerichtsverfahren oder ein Geschäftslokal (§ 178 ZPO)100 im Inland hat (Rz. 1929b) oder bereits einen inländischen Rechtsanwalt oder Zustellungsbevollmächtigten bestellt hat101 oder sich der Zustellungsadressat (zufällig) im Inland aufhält, § 177 ZPO.102 Der Gerichtsvollzieher darf die Zustellung nicht unter Hinweis auf § 27 GVGA verweigern; widrigenfalls kommt Amtshaftung (Art. 34 GG, § 839 BGB) in Betracht. Hält sich der Zustellungsadressat – wenn auch nur vorübergehend – im Ge- 2109 richtsstaat auf, so wird eine Auslandszustellung entbehrlich, wenn es gelingt, die Zustellung im Inland durchzuführen.103 Bei Zustellung an einen sich nur vorübergehend im Inland aufhaltenden Adressaten (§ 177 ZPO)104 will Koch105 „im Interesse der Gewährleistung rechtlichen Gehörs und eines fairen Verfahrens für den Adressaten“ die Kautelen der Rechtshilfeverträge analog anwenden; er verlangt insbesondere analog Art. 5 III HZÜ und Art. 48 II EuGVÜ/LugÜ106 eine „Übersetzung in die Adressatensprache“. Diese Privilegierung von Durchreisenden ist vom Gesetz nicht vorgesehen. Gerichtssprache ist Deutsch (§ 184 GVG) auch für Ausländer.107 Die herrschende Meinung108 betrachtet sogar das Hotelzimmer des durchreisenden Fremden als Wohnung im Sinne des § 178 I Nr. 1 ZPO, um eine Ersatz100 OLG Düsseldorf vom 11.5.1978, MDR 1978, 930 = IPRspr. 1978 Nr. 140; BAG vom 19.3.1996, MDR 1997, 71 = IPRax 1997, 335 (Schack 318) = BB 1997, 1642 = ZIP 1996, 2031, 2034 = EWiR 1996, 1055 (Mankowski) = IPRspr. 1996 Nr. 194; BGH vom 25.2.1999, NJW 1999, 2442, 2443 = RIW 1999, 456 = WM 1999, 1182 = IPRax 2001, 331 (Pulkowski 306) = IPRspr. 1999 Nr. 110. Ein dem Zustellungsadressaten zurechenbare Rechtsschein eines inländischen Geschäftslokals genügt, OLG Hamburg vom 6.9.2005, OLG-Report 2006, 297. 101 BGH vom 22.11.1988, NJW 1989, 1154 = RIW 1989, 481 = WM 1989, 238 = MDR 1989, 345 = VersR 1989, 168 = IPRspr. 1988 Nr. 178; maßgeblicher Zeitpunkt: OLG Hamburg vom 6.11.1987, NJW-RR 1988, 1277 = IPRspr. 1987 Nr. 170. Der Schadensregulierungsbeauftragte einer ausländischen Versicherungsgesellschaft gemäß Richtlinie 2000/26/EG vom 16.5.2000 (Vierte Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie) hat keine Zustellungsempfangsvollmacht. Daher ist das verfahrenseinleitende Schriftstück der Beklagten im Ausland an deren Sitz zuzustellen. KG vom 5.3.2008, OLGR 2008, 556. 102 Siehe auch Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 98; Rohe in Wieczorek/Schütze, ZPO3, 2007, vor §§ 183, 184 Rz. 23. 103 Stürner JZ 2006, 60, 62. 104 Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 362. 105 Koch in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 203. 106 Siehe Art. 55 II EuGVVO. 107 Zustimmend Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr, 1995, 255; Rohe in Wieczorek/Schütze, ZPO3, 2007, vor §§ 183, 184 Rz. 23. Eine solche Zustellung ist nach deutschem Zustellungsrecht (§ 177 ZPO, § 3 II VwZG, § 14 SGB X) möglich. Es handelt sich um eine normale Inlandszustellung. Differenzierend Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 18 EheGVO Rz. 56 ff. 108 Rohe in Wieczorek/Schütze, ZPO3, 2007, § 178 Rz. 18; Stein/Jonas/Roth ZPO22, 2005, § 178 Rz. 7: „Zimmer eines Durchreisenden im Gasthof“.
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2109a
Sechster Teil: Internationales Zustellungsrecht zustellung an das Hotelpersonal zu ermöglichen. Diese Begriffsakrobatik geht aber zu weit.109 2109b
An Gesellschaften und juristische Personen mit dem Sitz der tatsächlichen Verwaltung im Ausland kann im Inland an deren vertretungsberechtigte Organe zugestellt werden, sofern diese sich im Inland aufhalten.110
2110 Im Fall des § 21 ZPO ist Auslandszustellung nicht erforderlich; es genügt die Zustellung an die inländische Zweigniederlassung,111 Rz. 3252. 2111 Im deutschen Recht ist – anders als in den Vereinigten Staaten von Amerika112 – ein „Zustellungsdurchgriff“ unzulässig. Daher kommt eine Zustellung an 100 %ige inländische Tochtergesellschaft für die ausländische Muttergesellschaft nicht in Betracht.113
109 Fleischhauer, Inlandszustellung an Ausländer, 1996, 284; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 48, 149. 110 G. Geimer a.a.O. 149. 111 Vgl. auch LG Frankfurt a.M. vom 9.12.1985, RIW 1987, 221 = IPRspr. 1985 Nr. 33. Zur Ersatzzustellung im Geschäftslokal siehe Rz. 3252. 112 Volkswagen Aktiengesellschaft v. Schlunk, 486 U.S. 694 (1988): „service on an affiliated corporation“. Der Fall betraf eine Klage gegen die Volkswagen AG in Wolfsburg, die deren US-Tochtergesellschaft in den USA zugestellt worden war. Hierzu Fleischhauer, Inlandszustellung an Ausländer, 1996, 143 ff.; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 150; Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 237; Stürner JZ 2006, 60, 62; Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 105. Man streitet darüber, ob diese Methode der Umgehung der Auslandszustellung mit dem HZÜ vereinbar ist, Nachweise bei Merkt, Abwehr der Zustellung von „punitive damages“-Klagen, 1995, 176 Fußn. 651. Bejahend Schlosser, EU-Zivilprozessrecht2, 2003, Art. 1 HZÜ Rz. 7; verneinend z.B. Volken, Die internationale Rechtshilfe in Zivilsachen, 1996, 49 Rn. 65 ff. 113 Böhmer NJW 1990, 3052; Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr, 1995, 175, 185; Rohe in Wieczorek/Schütze, ZPO3, 2007, vor §§ 183, 184 Rz. 24. Anders Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 252 mit der vor allem aus der Perspektive des Art. 103 I GG einleuchtenden Erwägung, die Bekanntgabe an die Tochtergesellschaft sei einer fiktiven Zustellung vorzuziehen. Auch Fleischhauer (Inlandszustellung an Ausländer, 1996, 293) will den „Zustellungsdurchgriff über die Grenze“ in den deutschen Zivilprozess implementieren. Denn es sei ungerecht, den Kläger auf die Auslandszustellung zu verweisen, wenn eine ausländische Gesellschaft im Inland durch eine hier ansässige Tochtergesellschaft am inländischen Marktgeschehen teilnimmt . . . Das strikte gesellschaftsrechtliche Trennungsprinzip werde den individuellen Bedürfnissen der Beteiligten nicht gerecht. Zudem sei davon auszugehen, dass international operierende Unternehmen in ihrem internen Bereich besser als staatliche Behörden für die schnelle Weiterleitung einmal zugestellter Schriftstücke sorgen können.
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Zustellungen für deutsche Gerichtsverfahren
XI. Fiktive Inlandszustellung gemäß § 184 I 2 ZPO 1. Überblick Die Zustellung im Ausland ist entbehrlich, wenn gemäß § 184 I 2 ZPO die Zu- 2112 stellung an einen im Ausland befindlichen Adressaten im Inland durch Aufgabe der Sendung zur Post bewirkt werden kann, also regelmäßig in einem bereits rechtshängigen Verfahren (Rz. 2076);114 das Gleiche gilt in den Fällen der §§ 829 II 4, 835 III 1, 841, 844 II, 875 II ZPO und außerhalb der ZPO gemäß § 4 ZVG; § 127 I Nr. 5 PatG; § 31 EuRAG (Rz. 2227a), § 8 I 2 InsO (Ausnahme: Zustellung an Gläubiger im Verbraucherinsolvenzverfahren, § 307 I 3 InsO).115 Die Befugnis zur Zustellung durch Aufgabe zur Post entfällt, sobald der Zustellungsadressat doch noch einen Zustellungsbevollmächtigten oder Prozessbevollmächtigten bestellt oder wenn er seinen Wohnsitz in das Inland verlegt und dies dem Gericht bzw. dem Gegner mitteilt.116
2112a
Anders als § 32 III 3 AVAG a.F., § 15 S. 3 VwVerfG, § 14 S. 2 SGB X und § 123 2113 S. 2 AO117 sowie nunmehr § 184 II 2 ZPO n.F. verlangten §§ 174, 175 I 2 ZPO a.F. nicht, dass der Zustellungsadressat auf seine Obliegenheit, einen Zustellungsbevollmächtigten im Inland zu bestellen (Rz. 2233a), hingewiesen worden
114 § 175 ZPO a.F. war keine legislatio in fraudem legis internationalis (so aber Schlosser in Festschrift Stiefel, 1987, 683), auch geht es nicht nur um das Spannungsverhältnis zwischen dem staatlichen Souveräntitätsanspruch und dem Anspruch der (beklagten) Prozesspartei auf ein faires Verfahren (Schlosser in Festschrift Matscher, 1993, 387); vielmehr diente § 175 ZPO a.F. und nunmehr § 184 ZPO n.F. neben dem Postulat der Prozessökonomie dem Justizgewährungsanspruch des Klägers. Dies heben BGH vom 10.11.1998, NJW 1999, 1187 = LM § 174 ZPO Nr. 8 (R. Geimer) = RIW 1999, 295 (Kiethe/Groeschke 249) = MDR 1999, 311 = IPRax 2000, 23 (Fleischhauer 13) = IPRspr. 1998 Nr. 171, sowie BGH vom 24.7.2000, NJW 2000, 3284, 3285 = MDR 2000, 1333 = WM 2000, 1972 = IHR 2001, 120 = IPRspr. 2000 Nr. 139 deutlich hervor. Wurde gemäß § 183 I Nr. 1 ZPO direkt durch die Post zugestellt, kann nach § 184 I 1 ZPO nicht angeordnet werden, dass der Zustellungsadressat einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen hat. Diese Einschränkung ist sachlich nicht gerechtfertigt; denn sie entwertet die praktischen Möglichkeiten der Direktzustellung. Unnötige Verzögerungen durch neue Auslandszustellungen und Verteuerungen insbesondere durch notwendig werdende Übersetzungen sind die Folge. Rechtsvergleichend zu den Methoden der Inlandszustellung nach US-Recht Hopt/ Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 103 ff. 115 Zur Zustellung nach der InsO Sabel ZIP 1999, 305. 116 Fleischhauer, Inlandszustellung an Ausländer, 1996, 308; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 40. 117 § 123 S. 2 der Abgabenordnung lautet: „Ein Beteiligter ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, Sitz oder Geschäftsleitung im Inland hat der Finanzbehörde auf Verlangen innerhalb einer angemessenen Frist einen Empfangsbevollmächtigten im Inland zu benennen. Unterlässt er dies, so gilt ein an ihn gerichtetes Schriftstück einen Monat nach der Aufgabe zur Post und ein elektronisch übermitteltes Dokument am dritten Tage nach der Absendung als zugegangen. Dies gilt nicht, wenn feststeht, dass das Schriftstück den Empfänger nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt erreicht hat. Auf die Rechtsfolgen der Unterlassung ist der Beteiligte hinzuweisen“.
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Sechster Teil: Internationales Zustellungsrecht ist. Ein solcher Hinweis – als Voraussetzung der Wirksamkeit der Zustellung – war aber entgegen der herrschenden Meinung118 durch Art. 103 I GG zwingend geboten,119 Rz. 252a. 2114 Die Zustellung der Klage bzw. der Antragsschrift an einen im Ausland lebenden Beklagten durch Aufgabe zur Post (§ 184 I 2 ZPO) ist fehlerhaft, Rz. 2094. Eine solche Zustellung setzt voraus, dass die im Ausland wohnende Partei keinen Zustellungsbevollmächtigten bestellt hat, obwohl sie dazu gemäß § 184 I ZPO verpflichtet war.120 Eine solche Prozessförderungspflicht besteht aber erst nach Rechtshängigkeit, also nach rechtswirksamer Zustellung der Klage bzw. der Antragsschrift bzw. des Mahnbescheides.121 Vorher ist nach § 183 I ZPO zu verfahren. 2115 Auch die Zustellung von Urteilen, einschließlich von Versäumnisurteilen, kann durch Aufgabe zur Post gemäß § 184 I 2 ZPO erfolgen, Rz. 2078.122 Nichts anderes gilt im Anwendungsbereich der bi- und multilateralen Verträge. Diese regeln nur die Art und Weise der Zustellung, nicht jedoch die Frage, wann eine Zustellung im Ausland erforderlich ist, Rz. 2082.123 Auch Vollstreckungsbescheide können nach § 184 I 2 ZPO zugestellt werden, sofern bei Zustellung des Mahnbescheids gemäß § 183 I 2 ZPO der Schuldner aufgefordert worden war, innerhalb angemessener Frist einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu ernennen.124
118 BGH vom 24.9.1986, BGHZ 98, 263 = NJW 1987, 592 = MDR 1987, 228 = RIW 1986, 991 = JR 1987, 157 (Schlosser) = IPRax 2000, 159 (Hausmann 140) = MDR 1987, 228 = LM Nr. 9 zu § 175 ZPO = EWiR 1987, 93 (R. Geimer) = Rpfleger 1987, 26 = WM 1986, 1444 = IPRspr. 1986 Nr. 144; BGH vom 10.11.1998, NJW 1999, 1187 = LM § 174 ZPO Nr. 8 (R. Geimer) = RIW 1999, 295 (Kiethe/Groeschke 249) = MDR 1999, 311 = IPRax 2000, 23 (Fleischhauer) = IPRspr. 1998 Nr. 171; BGH vom 3.2.1999, NJW 1999, 1871 = RIW 1999, 454 = IPRax 2000, 21 (H. Roth 11) = LM § 175 ZPO Nr. 13 (R. Geimer) = IPRspr. 1999 Nr. 139; OLG München vom 30.9.1997, MDR 1997, 1150 = NJW-RR 1998, 357 = RIW 1998, 969 = IPRspr. 1997 Nr. 174. 119 Hausmann IPRax 1988, 143 Fußn. 33; Fleischhauer a.a.O. 270, 309; G. Geimer a.a.O. 41 mit weiteren Nachweisen. 120 OLG München vom 10.4.1987, RIW 1989, 57 = IPRax 1988, 164 (Hausmann 140) = IPRspr. 1987 Nr. 142. 121 BGH vom 13.11.2001 MDR 2002, 350 = NJW 2002, 521 = RIW 2002, 237 = VersR 2003, 345 = IHR 2003, 44 = LM § 202 ZPO Nr. 1 = IPRspr. 2001 Nr. 168. 122 OLG Köln MDR 1986, 244; BGH vom 10.11.1998, NJW 1999, 1187 = LM § 174 ZPO Nr. 8 (R. Geimer) = RIW 1999, 295 (Kiethe/Groeschke 249) = MDR 1999, 311 = IPRax 2000, 23 (Fleischhauer) = IPRspr. 1998 Nr. 171; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 42. Zur Wiedereinsetzung (§ 233 I ZPO), wenn die Sendung verloren geht, BGH vom 24.7.2000, NJW 2000, 3284 = MDR 2000, 1333 = WM 2000, 1972 = IHR 2001, 120 = IPRspr. 2000 Nr. 139. 123 Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 46. Anders jedoch OLG Düsseldorf vom 11.1.2008, OLGR 2008, 501 für den Anwendungsbereich der EUZustellungsVO (Rz. 245c). 124 Anderer Auffassung Linke, Internationales Zivilprozessrecht4, 2006, Rz. 223.
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Zustellungen für deutsche Gerichtsverfahren Die Zustellung durch Aufgabe zur Post ist nach der Fiktion des § 184 II 1 ZPO 2116 reine Inlandszustellung.125 § 339 II ZPO kommt nach herrschender Meinung deshalb nicht zur Anwendung.126 Die Rechtsmittel- bzw. Rechtsbehelfsfristen liefen gemäß § 175 I 2 ZPO a.F. nach herrschender Meinung ab Aufgabe zur Post, ohne Rücksicht darauf, dass eine realistische Chance auf (rechtzeitigen) Zugang beim Empfänger besteht, ja selbst dann, wenn die Sendung als unzustellbar zurückkommt.127 Doch gebot und gebietet Art. 103 I GG, die Fristen richterlich zu bestimmen.128 Wesentlich moderater ist nunmehr § 184 II ZPO formuliert: Danach gilt das Schriftstück zwei Wo125 BGH vom 10.11.1998, NJW 1999, 1187 = LM § 174 ZPO Nr. 8 (R. Geimer) = RIW 1999, 295 (Kiethe/Groeschke 249) = IPRax 2000, 23 (Fleischhauer 13) = MDR 1999, 311 = IPRspr. 1998 Nr. 171; BGH vom 3.2.1999, NJW 1999, 1871 = RIW 1999, 454 = IPRax 2000, 21 (H. Roth 11) = LM § 175 ZPO Nr. 13 (R. Geimer) = IPRspr. 1999 Nr. 139. 126 BGH vom 24.9.1986, BGHZ 98, 263 = NJW 1987, 592 = MDR 1987, 228 = RIW 1986, 991 = JR 1987, 157 (Schlosser) = IPRax 2000, 159 (Hausmann 140) = MDR 1987, 228 = LM Nr. 9 zu § 175 ZPO = EWiR 1987, 93 (R. Geimer) = Rpfleger 1987, 26 = WM 1986, 1444 = IPRspr. 1986 Nr. 144; BGH vom 1.12.1991, MDR 1992, 515 = NJW 1992, 1701, 1702 = RIW 1992, 398; BGH vom 13.11.2001 MDR 2002, 350 = NJW 2002, 521 = RIW 2002, 237 = VersR 2003, 345 = IHR 2003, 44 = LM § 202 ZPO Nr. 1 = IPRspr. 2001 Nr. 168. Die Frage, ob die Einspruchsfrist nach § 339 II ZPO individuell zu bestimmen ist, brauchte im Fall von BGH vom 10.11.1998, NJW 1999, 1187 nicht entschieden zu werden; gleichwohl bekundet der BGH auch in dieser Entscheidung deutlich Sympathie für die Anwendung des § 339 I ZPO, da der Zustellungstatbestand des § 175 ZPO a.F. (jetzt § 184 ZPO) (Einwurf in den deutschen Briefkasten) als Inlandszustellung konstruiert ist, hierzu G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 38. 127 OLG München vom 15.3.1940, DR 1940, 991 (Schönke) = IPRspr. 1935, 1944 Nr. 623; KG vom 3.2.1936, JW 1936, 1689 (Maßfeller) = IPRspr. 1935, 1944 Nr. 657. 128 G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 43. Anders BGH vom 4.12.1991, RIW 1992, 398: „Derartige Fälle lassen sich aber mit Hilfe einer Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 339 II ZPO nicht allgemein lösen, sondern allenfalls entschärfen. Das geeignete Mittel . . . ist vielmehr das Institut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Einen entsprechenden Weg geht Art. 16 I (a) HZÜ.“ Der BGH verlangt auch von juristisch nicht vorgebildeten Laien, dass sie sich alsbald nach Zugang einer (nachteiligen) Entscheidung über Form und Frist einer Anfechtung dieser Entscheidung, insbesondere über die Wirkung einer Zustellung durch Aufgabe zur Post erkundigen. Diese prozessuale Last trifft gleichermaßen In- und Ausländer, BGH vom 22.2.1989, FamRZ 1989, 1287 (Hausmann) = IPRspr. 1989 Nr. 203. Kritischer Bachmann FamRZ 1996, 1276, 1277. Offen gelassen von BGH vom 10.11.1998, NJW 1999, 1187 = LM § 174 ZPO Nr. 8 (R. Geimer) = RIW 1999, 295 (Kiethe/Groeschke 249) = MDR 1999, 311 = IPRax 2000, 23 (Fleischhauer 13) = IPRspr. 1998 Nr. 171. Allerdings ist allein der Umstand, dass die im Ausland wohnende Partei entgegen § 184 I ZPO n.F. bzw. § 174 II ZPO a.F. keinen Zustellungsbevollmächtigten im Inland bestellt hat, kein ausreichender Grund, die Wiedereinsetzung zu verweigern, BGH vom 24.7.2000, NJW 2000, 3284 = MDR 2000, 1333 = WM 2000, 1972 = IHR 2001, 120 = IPRspr. 2000 Nr. 139. Die Rechtsprechung des BGH wurde (bisher) vom Bundesverfassungsgericht nicht beanstandet. Vgl. BVerfG vom 19.2.1997, NJW 1997, 1772 = IPRspr. 1997 Nr. 171. Hierzu Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 96. Kritisch G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 44.
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Sechster Teil: Internationales Zustellungsrecht chen nach Aufgabe zur Post als zugestellt. Das Gericht kann eine längere Frist bestimmen. 2117 § 184 ZPO gilt auch für die anschließende Zwangsvollstreckung (Rz. 3246), nicht jedoch für (selbständige) Annexverfahren, wie z.B. nach § 240 FamFG. Denn das Verfahren zur Festsetzung des Regelunterhalts knüpft zwar an den vorausgegangenen Unterhaltsprozess an, wird aber erst durch einen selbständigen Antrag in Gang gesetzt.129 2. Ausführung der Zustellung durch Aufgabe zur Post 2118 Der Bundesgerichtshof130 erachtet eine Zustellung durch Aufgabe zur Post als unwirksam, wenn auf dem zu übergebenden Schriftstück nicht das Land vermerkt ist, wohin die Sendung habe gelangen sollen. Dies sei, wenn eine Postsendung für einen Empfänger im Ausland bestimmt ist, ein Teil der Adresse, der für den ordnungsgemäßen störungsfreien Postweg wesentlich sei. Der (bisherige) Standpunkt des Bundesgerichtshofs ist zu starr; er läuft im Einzelfall auf Förmelei hinaus, etwa wenn eine Sendung nach Zürich oder nach Rom geht.131 3. Drohende internationale Entscheidungsdisharmonie wegen der Gefahr der Nichtanerkennung der deutschen Entscheidung im Ausland 2119 Die Zustellungsfiktion des § 175 ZPO a.F., vor allem aber der harte – mit Art. 103 I GG nicht zu vereinbarende – Standpunkt der Rechtsprechung zur Frage der Rechtsmittel- und Rechtsbehelfsfristen (da es sich um eine „Inlandszustellung“ handelt, gewährt man schlicht und einfach nur die Fristen für „Inlandsfälle“, Rz. 2116) gefährdet(e) die internationale Entscheidungsharmonie, da die Gefahr besteht, dass das deutsche Urteil im Ausland nicht anerkannt wird. 2120 Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ132 bzw. die einschlägigen Parallelvorschriften der sonstigen Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge133 bzw. das jeweilige autonome Anerkennungsrecht dürften zwar in der Regel nicht zum Zuge kommen, 129 LG Aachen vom 14.10.1982, Rpfleger 1983, 74 = IPRspr. 1982 Nr. 165. 130 BGH vom 7.3.1979, BGHZ 73, 378, 388 = MDR 1979, 750 = RIW 1979, 714. 131 OLG Köln vom 30.10.1985, FamRZ 1985, 1278 = MDR 1986, 244 = ROW 1986, 200 = EWiR 1986, 205 (R. Geimer) = IPRspr. 1985 Nr. 171. Kritisch auch Hausmann IPRax 1988, 143 Fußn. 33. Großzügiger allerdings nunmehr BGH vom 10.11.1998 NJW 1999, 1187 = LM § 174 ZPO Nr. 8 (R. Geimer) = RIW 1999, 295 (Kiethe/Groeschke 249) = MDR 1999, 311 = IPRax 2000, 23 (Fleischhauer 13) = IPRspr. 1998 Nr. 171 und BGH vom 13.6.2001, NJW-RR 2001, 1361 = MDR 2001, 1130 = VersR 2001, 505 (2003, 345) = IPRspr. 2001 Nr. 164 bei falscher Schreibweise des Zustellungsortes im Ausland: Der BGH spricht sich gegen übertriebene formalistische Anforderungen bei der Schreibweise der Zustellungsanschrift aus und zieht deshalb die Unwirksamkeit der Zustellung allenfalls dann in Betracht, wenn die unvollständige oder unrichtige Schreibweise zu einer realistischen Verwechslungsgefahr führt. Eine solche ist trotz inkorrekter Schreibweise des Bestimmungsortes nicht gegeben, wenn die Postleitzahl stimmt. 132 Prinzipiell anerkennungsfreundlicher nunmehr Art. 34 Nr. 2 EuGVVO; hierzu Gottwald in Festschrift Schumann, 2001, 149. 133 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1472.
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Zustellungen für deutsche Gerichtsverfahren wenn die Eröffnung des deutschen Verfahrens ordnungsgemäß (durch Zustellung an den Beklagten gemäß § 183 ZPO) und die Ladung rechtzeitig134 erfolgt ist, m.a.W. der Beklagte von dem gegen ihn in Deutschland eingeleiteten Verfahren rechtzeitig Kenntnis erlangt hat.135 Doch kann das deutsche Verfahren im Ausland auch unter dem Gesichtspunkt des ordre public kontrolliert werden,136 und hierbei kann unter Umständen die rigorose Anwendung des § 175 ZPO a.F. ein Anerkennungshindernis darstellen.137 Dieses Risiko dürfte nach Inkrafttreten des ausgewogeneren § 184 ZPO n.F. kleiner geworden sein. Will die interessierte Partei (in der Regel der Kläger bzw. Antragsteller) dennoch 2121 das Risiko der Nichtanerkennung der deutschen Entscheidung möglichst vermeiden, dann ist auf ihren Antrag zusätzlich nach § 183 I 2 ZPO zuzustellen, auch wenn die Voraussetzungen des § 184 ZPO gegeben sind.138 Wird kumulativ nach § 184 ZPO und § 183 ZPO zugestellt, dann sind die Rechtsmittelfristen individuell (richterlich) zu bestimmen.139 4. Ermessensspielraum des Gerichts? Weder das Gericht noch die Geschäftsstelle haben – entgegen dem Wortlaut des 2122 Gesetzes – im Regelfall einen Ermessensspielraum. Ohne Antrag der interessierten Partei muss nach § 184 I 2 ZPO verfahren werden. Das Gericht darf nicht von sich aus – im Interesse der internationalen Entscheidungsharmonie bzw. zur Wahrung der Autorität der deutschen Justiz, für welche das ausländische Verdikt der ordre public-Widrigkeit des deutschen Verfahrens kein Kompliment ist – den zeitraubenden Weg des § 183 I 2 2. Alternative ZPO wählen. Denn weder die deutsche internationale Entscheidungszuständigkeit noch die Durchführung des deutschen Verfahrens hängen davon ab, dass das Ausland die zu erwartende deutsche Entscheidung anerkennt.140
134 Hierzu R. Geimer IPRax 1988, 271. 135 Ausgenommen die Fälle, in denen die deutsche Klage/Antragsschrift de facto den Beklagten nicht erreicht hat, z.B. wegen öffentlicher Zustellung. Grundlegend zum Spannungsverhältnis mit dem Erfordernis rechtlichen Gehörs BGH vom 19.12.2001, NJW 2002, 827. 136 Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 34 Nr. 1 EuGVVO. Hierzu R. Geimer in Geimer/ Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1468. 137 Zurückhaltend jedoch gegenüber § 175 ZPO a.F. das Schweizerische Bundesgericht in ständiger Rechtsprechung, BGE 102a I a 308, 103 Ia 199, 105 Ib 45, zustimmend Egli RIW 1991, 983. 138 Linke, Internationales Zivilprozessrecht4, 2006, Rz. 2274; Schlosser in Festschrift Stiefel 1987, 692; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 614; LG Berlin vom 15.12.1988, NJW 1989, 1434 = IPRspr. 1988 Nr. 179. Enger OLG München vom 10.4.1987, RIW 1989, 57 = IPRax 1988, 164 (Hausmann 140, 144) = IPRspr. 1987 Nr. 142. 139 Schlosser in Festschrift Stiefel, 1987, 693; Hausmann IPRax 1988, 146; Roth IPRax 1990, 92. 140 Einzige Ausnahme: § 98 I Nr. 4 FamFG (früher § 606 I 1 Nr. 4 ZPO), Rz. 1954a.
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Sechster Teil: Internationales Zustellungsrecht 2123 Der Anspruch auf Justizgewährung hat Vorrang, Rz. 68, 1929, 1937.141 Den Kläger/Antragsteller mit universalistischen Ideen zu bevormunden, gestattet die ZPO nicht. Dieser kann z.B. an einer schnellen Entscheidung interessiert sein, weil er nur so Zugriff auf im Inland belegenes Vermögen erlangen kann. Auch in Ehesachen kann z.B. eine „rasche Scheidung“ sinnvoll sein, weil der Antragsteller in Deutschland bleiben will und ihm die Anerkennung der deutschen Entscheidung in seinem Heimatstaat oder in dem seines (früheren) Ehepartners gleichgültig sein kann. Das Gleiche trifft für die Aufhebung einer Lebenspartnerschaft (§ 269 I Nr. 1 FamFG) zu. 5. Kritik 2124 Es zeigt sich wieder, dass das Festhalten an der förmlichen Auslandszustellung (§ 183 I 2 ZPO) und die Ablehnung der Anwendung des § 189 ZPO durch den Bundesgerichtshof (Rz. 2102) es äußerst schwer machen, die wirklich skandalösen Fälle, die Schlosser bei seiner harten Kritik an § 175 ZPO a.F. im Auge hatte,142 abzugrenzen von den Fällen, in denen dem Zustellungsadressaten das rechtliche Gehör unstreitig gewährt wurde (weil außer Zweifel steht, dass er das zu übermittelnde Schriftstück samt Ladung etc. erhalten hat), er aber sein Heil in Förmelei143 sucht, um so seiner Gerichtspflichtigkeit in Deutschland zu entgehen oder zumindest den deutschen Prozess zu verschleppen und um für das Anerkennungsstadium einen „internationalen Revisionsgrund“ zu konstruieren. Ein solches rechtsmissbräuchliches Verhalten zu fördern, kann nicht Aufgabe der Justiz in einem zusammenwachsenden Europa und in einer immer stärker vernetzten Welt sein.144 6. Familienverfahren und Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit 2125 § 15 II FamFG lässt – neben der Zustellung nach §§ 166 bis 195 ZPO, also auch nach §§ 183, 184 ZPO – die Bekanntgabe durch Aufgabe zur Post zu.145
XII. Verhältnis zwischen Judikative und Exekutive 2126 Den Zustellungsempfänger bestimmt das Gericht. Insoweit kann die Justizverwaltung keine Weisung geben, allenfalls bei offensichtlichen Irrtümern notwendige Hinweise. Die Anordnung der Auslandszustellung146 erfolgt in richterli141 R. Geimer NJW 1989, 2204. 142 Schlosser in Festschrift Stiefel, 1987, 683: „legislatio in fraudem legis internationalis“. 143 Dass die Förmlichkeiten des Zustellungsrechts kein Selbstzweck sind, sondern das rechtliche Gehör sicherstellen sollen, betont (in anderem Zusammenhang) sehr deutlich der BGH (NJW 2001, 1946). 144 R. Geimer EuZW 1991, 445. 145 Zum alten Recht (§ 16 FGG) 5. Aufl. sowie OLG Bamberg vom 16.11.1998, FamRZ 1999, 938. 146 Diese ist als prozessleitende Verfügung grundsätzlich nicht selbständig mit der Beschwerde anfechtbar, OLG München vom 23.6.2008, OLGR 2008, 812; jedoch ist Be-
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Zustellungen für deutsche Gerichtsverfahren cher Unabhängigkeit (Art. 97 GG). Die Ausführung fällt in den Bereich der Pflege der auswärtigen Beziehungen, für welche die Bundesregierung zuständig ist, Art. 32 I GG. Diese überlässt die praktische Durchführung zwar den Ländern. Gleichwohl bleibt die Erledigung – wie bei der Weiterleitung von Ersuchen um Beweisaufnahme – materiell Sache des Bundes, Rz. 263, 2395. Trotz der Zustimmung des Bundes zur ZRHO ist die Zuständigkeit nicht auf die Länder übertragen. Dies wäre verfassungswidrig. Es handelt sich nicht um eigene Angelegenheiten der Länder (Art. 84 I GG); sie führen die ihnen vom Bund übertragenen Aufgaben vielmehr im Auftrag des Bundes aus.147 Dort ist sie Angelegenheit der Justizverwaltung; sie gehört daher nicht zum Bereich der Rechtsprechung.148 Die Justizverwaltung ist berechtigt, die Weiterleitung des Rechtshilfeersuchens 2127 abzulehnen, wenn die Weiterleitung keinen Erfolg verspricht, z.B. weil der ersuchte Staat aller Voraussicht nach diesem Ersuchen nicht Folge leisten wird oder weil das Ersuchen gegen internationale Gepflogenheiten verstoßen würde149 oder die Bundesregierung bzw. das Auswärtige Amt außenpolitische Bedenken erhebt.150 § 839 II BGB gilt nicht. Daher kommt Staatshaftung (Art. 34 GG) in Betracht, 2128 wenn der deutschen Justizverwaltung oder dem Auswärtigen Amt ein Fehler vorzuwerfen ist.151 Ist in einem völkerrechtlichen Vertrag der unmittelbare Verkehr der Gerichte 2129 vereinbart, so liegt gleichwohl materiell keine Rechtsprechung (Art. 92 GG) vor. Das Gericht nimmt vielmehr kraft Delegation eine Aufgabe der Justizverwaltung wahr und ist insoweit weisungsgebunden.152 Die „auswärtige Gewalt“ und die aus Art. 32 I GG resultierenden Befugnisse der Regierung bzw. der Exekutive
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schwerde gegen Anordnung eines Kostenvorschusses (in diesem Zusammenhang, z.B. für Übersetzungskosten etc.) statthaft; dabei wird die Rechtmäßigkeit der Auslandszustellung geprüft, KG OLGR 2008, 556; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 183 ZPO Rz. 47. Anderer Auffassung Schlosser in Gedächtnisschrift Constantinesco, 1983, 660; Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 115; Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr, 1995, 78. Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 89 Fußn. 60; Pfennig, Die internationale Zustellung in Zivil- und Handelssachen, 1988, 47; R. Geimer NJW 1989, 2177, 2205. Kritisch Linke, Internationales Zivilprozessrecht4, 2006, Rz. 459; Linke, Die Probleme der internationalen Zustellung in Gottwald, Grundfragen der Gerichtsverfassung – Internationale Zustellung, Veröffentlichungen der Wissenschaftlichen Vereinigung für Internationales Verfahrensrecht, Bd. 10, 1999, 100. OLG Frankfurt vom 22.9.1987, NJW-RR 1988, 682 = RIW 1988, 133, 134 = IPRspr. 1987 Nr. 20. Siehe auch LG Bonn vom 11.2.1987, IPRax 1987, 231 (Mansel 210) = IPRspr. 1987 Nr. 140a und OLG Köln vom 23.3.1987, RIW 1988, 301 = IPRax 1987, 231 (Mansel 210) = IPRspr. 1987 Nr. 140. Vgl. auch vice versa, Rz. 2155 sowie Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 131 Fußn. 144 und Heidrich EuZW 2005, 743. Das Gleiche gilt für Art. 2 I EuZustellungsVO, Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 1069 Rz. 1.
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Sechster Teil: Internationales Zustellungsrecht (Justizverwaltungen der Länder) sind durch den Abschluss der völkerrechtlichen Vereinbarung innerstaatlich keineswegs „verbraucht“.153
XIII. Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Rechtshilfebehörde 2130 Die Entscheidungen der Prüfungsstelle (§ 9 ZRHO) bzw. der Zentralen Stelle sind Justizverwaltungsakte.154 Gegen die Ablehnung der Auslandszustellung durch die Justizverwaltung ist der Antrag der Partei(en) auf gerichtliche Entscheidung zum Oberlandesgericht zulässig, §§ 23 ff. EGGVG.155 Anfechtungsberechtigt sind sowohl diejenige Partei, die an der Durchführung der Zustellung interessiert ist, als auch der Parteivertreter als „ersuchende Stelle“;156 nicht jedoch der ausländische Staat, welcher die Zustellung beantragt hat.157 2131 Das ersuchende Gericht kann keine (gegenteilige) Weisung an die Justizverwaltung erlassen.158
XIV. Durchführung der Auslandszustellung nach § 183 I 2 ZPO 2132 Die Auslandszustellung wird vom Vorsitzenden veranlasst, Rz. 2099. Er sendet das Zustellungsersuchen – gegebenenfalls mit Begleitschrift (§§ 24, 25 ZRHO) – an die Prüfungsstelle, §§ 9, 28 ZRHO. Diese hat festzustellen, ob die Bestimmungen der einschlägigen Staatsverträge und der ZRHO beachtet sind. Ist anzunehmen, dass ein fremder Staat die Durchführung eines deutschen Gerichtsaktes als Eingriff in seine Hoheitsrechte betrachten wird (Zustellung einer Klage gegen den fremden Staat),159 ist der Landesjustizverwaltung zu berichten, § 28 II ZRHO. Die Prüfungsstelle leitet das Ersuchen nach Prüfung, gegebenenfalls nach Behebung von Mängeln weiter, § 29 ZRHO.
153 Anderer Auffassung Karen Ilka Mössle a.a.O 133 im Anschluss an Schlosser in Gedächtnisschrift Constantinesco, 1983, 661. 154 OLG Köln RIW 1988, 55; Stadler IPRax 1992, 147 Fußn. 6; Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 132. 155 OLG Düsseldorf vom 11.1.1980, IPRspr. 1980 Nr. 177; OLG Frankfurt vom 21.3.1991, OLGZ 1992, 89 = RIW 1991, 417 = IPRax 1992, 166 (Stadler 147) = IPRspr. 1991 Nr. 199. 156 OLG München vom 9.5.1989, RIW 1989, 483, 484 = NJW 1989, 3102 (Greger) = IPRax 1990, 175 (Stürner/Stadler 157) = IPRspr. 1989 Nr. 205. 157 R. Geimer NJW 1989, 2177. Vgl. auch Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 92. Zur Frage, ob ein Rechtsanspruch auf Auslandszustellung besteht, Schlosser, EU-Zivilprozessrecht3, 2009, Art. 1 HZÜ Rz. 17. 158 OLG Köln vom 30.10.1985, FamRZ 1985, 1278, 1279 = IPRspr. 1985 Nr. 171. 159 Früher auch bei Zustellung von Pfändungs- und Überweisungsabschlüssen an einen Drittschuldner, die sich gegen ausländisches, nicht der deutschen Zwangsgewalt unterworfenes Vermögen richten, Rz. 2165.
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Zustellungen für deutsche Gerichtsverfahren Das Gericht stellt entweder
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– Antrag auf formlose Zustellung (remise volontaire ou amiable), aufgrund deren die Zustellung durch einfache Übergabe des Schriftstücks an den Empfänger bewirkt werden soll, sofern er zur Annahme bereit ist, § 5 Nr. 1a ZRHO, Art. 2 S. 2 HZPÜ, Art. 5 II HZÜ160 oder – Antrag auf förmliche Zustellung, aufgrund deren die Zustellung entweder in der Form, die durch die Gesetzgebung des ersuchten Staates für eine gleichartige Zustellung vorgeschrieben ist, oder in einer besonderen Form bewirkt werden soll, die das ersuchende deutsche Gericht gewünscht hat, § 5 Nr. 1b ZRHO, Art. 3 II 1 HZPÜ, Art. 5 I HZÜ,161 Art. 7 I EuZustellungsVO. Im vertragslosen Verkehr kommt nur eine formlose Zustellung in Betracht. Im vertraglich geregelten Verkehr (Rz. 2071) ist im Zustellungsersuchen anzugeben, ob formlose oder förmliche Zustellung verlangt wird und gegebenenfalls ob die förmliche Zustellung nach dem Zustellungsrecht des ersuchten Staates oder in besonderen Formen erfolgen soll, § 32 II ZRHO.162
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Eine förmliche Zustellung (auch gegen den Willen des Zustellungsadressaten) 2135 ist nur bei Einschaltung der ausländischen Rechtshilfeinstanzen (Behörden des ersuchten Staates) möglich (aktive Rechtshilfe), nicht jedoch im Wege der Zustellung durch die deutschen Auslandsbehörden (§ 183 II ZPO). Diese dürfen nur formlos zustellen.163 Diese formlose Zustellung ist eine vollgültige Zustellung im Sinne der ZPO. Sie wird durch das Zustellungszeugnis der ersuchten Auslandsvertretung nachgewiesen, § 16 KonsularG, Rz. 3138. Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks in die Amtssprache des um Zu- 2136 stellung ersuchten ausländischen Staates (nicht Sprache, deren der Zustellungsadressat präsumtiv kundig ist) schreiben die Haager Übereinkommen164 und die bilateralen Rechtshilfeverträge und Zusatzvereinbarungen zu den Haager Übereinkommen nur für förmliche Zustellungen vor.165 Bei formloser Zustellung geht man davon aus, dass sich der Empfänger zur Annahme des fremdsprachigen Schriftstückes nur entschließen wird, wenn er dessen Inhalt versteht oder bereit und in der Lage ist, sich eine Übersetzung zu verschaffen.166 160 Hau IPRax 1998, 456 sowie G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 66. 161 Hierzu auch Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr, 1995, 102. 162 Anders ist es im Anwendungsbereich der EU-ZustellungsVO: Keine formlose Zustellung, § 65k III ZRHO. 163 § 13 I ZRHO. 164 Art. 5 III HZÜ, Art. 3 II HZPÜ. Hierzu G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 89 ff. Allgemein zur Verkomplizierung des internationalen Rechtsverkehrs durch das Übersetzungserfordernis Schlosser, Jurisdiction and International Judicial and Administrative Co-Operation, RdC 284 (2000), 9, 102 ff. 165 Siehe auch Wilske/Krapfl, Zur Qualität von Übersetzungen bei Zustellung ausländischer gerichtlicher Schriftstücke, IPRax 2006, 10. 166 BGH vom 20.9.1990, NJW 1991, 641 = RIW 1990, 1010; OLG Düsseldorf vom 2.9.1998, RIW 1999, 464; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 18 EheGVO Rz. 51.
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Sechster Teil: Internationales Zustellungsrecht 2136a Die Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 vom 13.11.2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten167 (Rz. 245c) bringt eine gewisse Auflockerung. Anders als nach Art. 5 III HZÜ darf die förmliche Zustellung auch dann nicht verweigert werden, wenn das zuzustellende fremdsprachige Schriftstück nicht von einer Übersetzung begleitet ist. Die Übermittlungsstelle hat den Antragsteller (d.h. das ersuchende Gericht) nach Art. 5 zu informieren, dass der Empfänger die Entgegennahme nach Art. 8 verweigern kann oder das Schriftstück binnen einer Woche zurücksenden darf, wenn das zuzustellende Schriftstück nicht in der bzw. einer der Amtssprachen des Empfangsmitgliedstaates oder in einer Sprache abgefasst ist, welche der Empfänger verstehen kann.168 2136b
In Strafsachen schreibt Art. 52 II des Schengener Durchführungsübereinkommens vom 14.6.1990 (Schengen II)169 für die Übermittlung gerichtlicher Urkunden unmittelbar durch die Post (ohne Einschaltung der Rechtshilfeinstanzen des Aufenthaltsstaates des Zustellungsadressaten) eine Übersetzung vor, „wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Zustellungsempfänger der Sprache, in der die Urkunde abgefasst ist, unkundig ist.“170 Eine solche Rücksichtnahme kennt das autonome deutsche Zustellungsrecht nicht. § 183 ZPO verlangt nicht die Beifügung einer Übersetzung in die Amtssprache bzw. eine der Amtssprachen des Aufenthaltsstaates des Zustellungsadressaten, Rz. 2650.
2137 Übermittlungswege: Es gibt vier staatsvertraglich vereinbarte Möglichkeiten der Übermittlung:171 – der diplomatische Weg, bei dem die diplomatische Vertretung des ersuchenden Staates die Erledigung des Zustellungsersuchens durch die zustellende Behörde des ersuchten Staates vermittelt, – der konsularische Weg, bei dem der Konsul des ersuchenden Staates die Erledigung wie bei a) vermittelt oder selbst vornimmt (vgl. Art. 5j WÜK), – der ministerielle Verkehr: Zuleitung an eine „Zentrale Behörde“, Art. 2 ff., Art. 21 HZÜ und – der unmittelbare Verkehr zwischen den Behörden beider Staaten (aufgrund besonderer Vereinbarungen, z.B. zwischen Deutschland und Belgien, Dänemark, Frankreich,172 Luxemburg, Marokko, Niederlande, Norwegen, Österreich, Schweden, Schweiz).173
167 168 169 170 171
ABl. EU Nr. L 324 vom 10.12.2007, S. 79. G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 93 ff. BGBl. 1993 II, 1010. Hierzu Schomburg NJW 1995, 1931. Hierzu Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr, 1995, 92. 172 Ausführlich Schumacher IPRax 1985, 265. 173 Zur Fortgeltung der bilateralen Vereinbarungen in der Europäischen Union (mit Ausnahme Dänemarks) siehe Art. 20 EG-ZustellungsVO.
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Zustellungen für deutsche Gerichtsverfahren In der Europäischen Union soll durch die Einrichtung von Übermittlungs-, Emp- 2137a fangs- und Zentralstellen ein Beschleunigungseffekt erreicht werden.174
XV. Zustellung durch die deutschen Auslandsvertretungen Die deutschen Auslandsvertretungen nehmen Zustellungen in eigener Zustän- 2138 digkeit vor, soweit der Adressat deutscher Staatsangehöriger und zur Entgegennahme der Zustellung bereit ist. In allen anderen Fällen sind in der Regel die zuständigen ausländischen Behörden zu ersuchen, § 16 KonsularG und § 32 ZRHO.175 Für die Ausführung der Zustellung durch Konsularbeamte gelten nicht die §§ 168 ff. ZPO. Es genügt deren Zeugnis, § 183 IV 2 ZPO, § 20 ZRHO.176 Dieses darf sich nicht auf die Feststellung der erfolgten Zustellung beschränken; es muss vielmehr Auskunft geben, wann, an wen und in welcher Form das zuzustellende Schriftstück übergeben worden ist. Bescheinigt der deutsche Konsularbeamte, dass ein Schriftstück zu einem bestimmten Zeitpunkt zugestellt worden ist, so wird damit konkludent bezeugt, dass dieses Schriftstück zu dem genannten Zeitpunkt dem Empfänger persönlich ausgehändigt worden ist, weil Konsularbeamte ohnehin keine „Zwangszustellungen“ an Ersatzpersonen vornehmen dürfen.177 Allerdings besteht die Möglichkeit, den Nachweis der Unrichtigkeit des Zeugnisses zu führen.178 Ob deutsche Konsularbeamte nicht nur an deutsche, sondern auch an andere Staatsangehörige (des Empfangsstaates oder eines dritten Staates) und Staatenlose zustellen dürfen, hängt davon ab, wie großzügig der Empfangsstaat ist.179
2139
Kann die deutsche Auslandsvertretung die Zustellung in eigener Zuständigkeit 2140 bewirken, so soll sie gleichwohl die Zustellung nur besorgen, wenn mit der Anerkennung und Vollstreckung des deutschen Urteils im Ausland zu rechnen ist, §§ 32 IV, 13 III ZRHO. Dies ist wohl zu viel der Fürsorge. Beantragt jedoch der Kläger/Antragssteller ausdrücklich Zustellung durch Inanspruchnahme ausländischer Rechtshilfe (nicht durch die deutsche Auslandsvertretung), so ist diesem Antrag stattzugeben, um zu verhindern, dass später bei der Anerkennung und Vollstreckung Schwierigkeiten auftreten.
174 Hierzu skeptisch G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 211. 175 Hecker/Müller-Chorus/Bindseil, Handbuch der konsularischen Praxis2, 3. Ergänzungslieferung (Stand: August 2007), 2008, § 5 Rz. 43; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 72, 111. 176 Pfeil-Kammerer a.a.O. 136; Kronke IPRax 1995, 256; OLG Hamm vom 30.9.1994, RIW 1996, 156 (Kondring 722) = IPRspr. 1994 Nr. 161. 177 BVerwG vom 20.5.1999, NJW 2000, 683. 178 § 418 II ZPO. 179 Übersicht über die Staatenpraxis im Länderteil der ZRHO.
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Sechster Teil: Internationales Zustellungsrecht
XVI. Fristwahrung 2141 Zur Fristwahrung (z.B. nach § 929 II und III 2 ZPO) genügt Einreichung des Zustellungsgesuchs beim Vorsitzenden, § 167 ZPO. Die Rückwirkungsfiktion180 soll auch dann eingreifen, wenn Auslandszustellung vom Gericht verzögert wurde.181 Diese Rückwirkung gilt auch bei Maßgeblichkeit ausländischen Rechts in der Hauptsache.182 Im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 vom 13.11.2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Ziviloder Handelssachen in den Mitgliedstaaten183 (Rz. 245c) kommt es nach deren Art. 9 II auf das Recht des Übermittlungsmitgliedstaates an.184
XVII. Forderungspfändung 2142 Lehnt die ausländische (nach § 183 I 2 ZPO ersuchte) Rechtshilfebehörde – oder schon die deutsche Justizverwaltung (§ 28 II ZRHO, Rz. 1229) – die Zustellung ab, so war auch der Weg über § 203 ZPO a.F. nicht gangbar. Eine öffentliche Zustellung an Drittschuldner kam nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht in Betracht, weil der Drittschuldner nicht Partei im Sinne von § 203 I ZPO a.F. ist, Rz. 1081.185 2143 Nunmehr schließt § 185 ZPO n.F. eine öffentliche Zustellung nicht mehr aus.186 Allerdings ist die Zahlung an den Vollstreckungsschuldner (= Gläubiger des Drittschuldners) in Unkenntnis der Pfändung nach § 804 ZPO in Verbindung mit §§ 1275, 407 BGB schuldbefreiend, Rz. 3249.
XVIII. Zustellung und Immunitätsrecht 1. Zustellung an ausländische Staaten 2144 Soweit ein fremder Staat für acta iure gestionis der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt, wird die Zustellung grundsätzlich auf diplomatischem Wege bewirkt, 180 Hierzu z.B. BGH vom 18.5.1995, NJW 1995, 2230, 3380; BGH vom 11.7.2003, NJW 2003, 2830 = RIW 2004, 147 = MDR 2003, 1368 = IPRspr. 2003 Nr. 158; AG Köln vom 9.10.2003, FamRZ 2004, 468 = IPRspr. 2003 Nr. 163; Brand NJW 2004, 1138. 181 OLG Hamburg vom 6.11.1987, NJW-RR 1988, 1277 = IPRspr. 1987 Nr. 170. – Anders OLG Köln vom 16.2.1987, NJW-RR 1987, 851 = IPRspr. 1987 Nr. 187, wenn Zustellungsadressat seinen Wohnsitz vom Ausland ins Inland verlegt. Vgl. auch LG Frankfurt a.M. vom 12.4.1989, RIW 1989, 484 (unzulässige Zustellung nach § 175 ZPO a.F., jetzt § 184 ZPO) und OLG Schleswig vom 29.7.1988, NJW 1988, 3104 = RIW 1989, 309 = IPRspr. 1988 Nr. 173 (Verspätung, weil Gläubiger förmlich Zustellung [hilfsweise] zu beantragen versäumt hatte). 182 So für § 270 III ZPO a.F. Däubler IPRax 1992, 83 gegen LAG München vom 22.8.1990, IPRax 1992, 97 = IPRspr. 1991 Nr. 62. 183 ABl. EU Nr. L 324 vom 13.12.2007, S. 79. 184 Hierzu G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 54. 185 Ausführlich 4. Aufl. Rz. 2142. 186 Rohe in Wieczorek/Schütze, ZPO3, 2007, vor §§ 183, 184 Rz. 2.
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Zustellungen für deutsche Gerichtsverfahren Rz. 415, 648a, 651.187 In der Regel werden die Auslandsvertretungen Deutschlands mit der Übermittlung der Zustellung betraut, § 35 ZRHO. Die Zustellung an einen fremden Staat über dessen diplomatische Mission in Deutschland kommt auch dann nicht in Betracht, wenn das Einverständnis des Missionschefs vorliegt, da dieser in der Regel zur Entgegennahme nicht ermächtigt ist, Rz. 651.188 Lehnt der fremde Staat die Annahme der Zustellung ab, so ist öffentlich zuzustellen, Rz. 2105. Nach Art. 16 II des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität 2145 (Rz. 666) ist das Außenministerium des beklagten Staates auch dann zur Entgegennahme der (prozesseinleitenden) Schriftstücke verpflichtet, wenn es der Ansicht ist, das deutsche Gericht sei nicht zuständig bzw. der beklagte Staat könne Immunität geltend machen. Wenn der beklagte Staat gleichwohl die Annahme verweigert, dann ist wiederum nach § 185 Nr. 3 ZPO zu verfahren.189 2. Zustellung an Personen, die Immunität genießen Fraglich ist, ob in der Zustellung an einen Diplomaten ein „Akt deutscher 2146 Zwangsgewalt“ zu sehen ist, wie dies Pfennig190 behauptet.191 Beispiel: Ein in Berlin akkreditierter ausländischer Diplomat betätigt sich im Inland freiberuflich. In Zusammenhang mit dieser Tätigkeit besteht deutsche Gerichtsbarkeit, Art. 31 I (c) WÜD, Rz. 769. In diesem Verfahren notwendig werdende (Zwangsgewalt beinhaltende) Maßnahmen seien ihm gegenüber aber – auf inländischem Territorium – unzulässig. Auch wenn er im konkreten Einzelfall keine Immunität genieße, so bleibe der Beklagte doch Diplomat und in dieser Eigenschaft grundsätzlich von der deutschen Zwangsgewalt befreit. Deshalb könnten dem Diplomaten gegenüber – obwohl er bei bestimmten Klagen ausnahmsweise der deutschen Gerichtsbarkeit unterliegt – Zustellungen nicht anders als auf diplomatischem Wege bewirkt werden. Diese Differenzierung ist nicht überzeugend. Mehr Gewicht hat jedoch der Hin- 2147 weis auf den besonderen Status der Räumlichkeiten der diplomatischen Missionen und der Privatwohnung des Diplomaten, Art. 22 I, Art. 30 WÜD, Art. 31 I WÜK. Der Grundsatz ne impediatur legatio (Rz. 593, 796) verbietet Inlandszustellungen an Diplomaten im Empfangsstaat,192 nicht jedoch an den Konsul, weil dessen Privatwohnung nicht von der Immunität erfasst ist. 187 Heß RIW 1989, 225; Pfennig, Die internationale Zustellung in Zivil- und Handelssachen, 1988, 111, 123; Mann NJW 1990, 618. Siehe auch Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 490 ff. sowie Matscher in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, Art. IX EGJN Rz. 201. 188 Pfennig a.a.O. 122. 189 Pfennig a.a.O. 122. 190 Pfennig a.a.O. 111, 114. 191 Zur Rechtslage in Österreich Ballon in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, §§ 32, 33 JN Rz. 3. 192 Ipsen, Völkerrecht5, 2004, § 35 Rz. 46.
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Sechster Teil: Internationales Zustellungsrecht 2148 Die direkte Zustellung an einen Diplomaten ist nach Pfennig193 – als Akt deutscher Zwangsgewalt – nur zulässig und wirksam, wenn der Entsendestaat insoweit auf die Immunität des Diplomaten verzichtet (= Einwilligung in die Zustellung), Art. 32 I, II WÜD, Art. 45 I, III WÜK, Rz. 791. Lehnt der Entsendestaat des Diplomaten, Konsul etc. die Durchführung der Zustellung ab, so ist öffentlich zuzustellen, § 185 Nr. 4 ZPO.194 Hierzu oben Rz. 2105.
XIX. Freiwillige Gerichtsbarkeit 2149 Das FGG195 hatte nicht pauschal auf die Zustellungsvorschriften der ZPO verwiesen. § 16 II FGG bestimmte lediglich, dass die Bekanntmachung gerichtlicher Verfügungen „durch Zustellung nach den für die Zustellung von Amts wegen geltenden Vorschriften der ZPO“ erfolgt, wenn mit ihr der Lauf einer Frist in Gang gesetzt wird; durch die Landesjustizverwaltung kann jedoch für Zustellungen im Ausland eine einfachere Art der Zustellung angeordnet werden.“ Diese Befugnis findet sich in § 15 II FamFG nicht mehr. 2150 Die oben Rz. 2075 und 2085 erörterten völkerrechtlichen und verfassungsrechtlichen Grundsätze gelten auch für die freiwillige Gerichtsbarkeit. Jedoch hat es den Anschein, dass sich die Gerichte im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht sonderlich darum kümmern. Sie benutzen nicht die bewährten Rechtshilfekanäle, sondern verständigen die Beteiligten im Ausland auf dem Postwege oder per Telefax oder Telefon. Dies ist nicht unproblematisch.196
3. Kapitel: Zustellungen für ausländische Gerichtsverfahren in Deutschland I. Aktive Rechtshilfe für ausländische Staaten: Zustellung von Schriftstücken im Rahmen eines vor ausländischen Gerichten anhängigen Verfahrens in Deutschland durch deutsche Rechtshilfebehörden 1. Rechtsgrundlagen 2151 Die Zustellung für ausländische Gerichte ist – anders als in Strafsachen (§ 59 IRG) – weder in der ZPO noch im GVG geregelt.197 Einzige gesetzliche Grundlage sind – außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 vom 193 194 195 196
Pfennig a.a.O. 114. Pfennig a.a.O. 118. Außer Kraft getreten mit Ablauf des 31.8.2009. R. Geimer in Symposion Außerstreitreform, 1992, 100 (Veröffentlichungen des Ludwig Boltzmann-Institutes für Rechtsvorsorge und Urkundenwesen, Bd. XI); R. Geimer in Festschrift Jayme, 2004, 241, 251. 197 Zur Rechtslage in den USA Restatement (Third) Foreign Relations Law § 472 (2) (1987); Born/Rutledge, International Civil Litigation in the United States Courts4, 2006, 902 ff.
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Zustellungen für ausländische Gerichtsverfahren in Deutschland 13.11.2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten198 und des § 1068 II ZPO199 – die Ausführungsgesetze zu den in Rz. 2071 ff. genannten Verträgen. In Betracht kommen200 – § 1 II des Ausführungsgesetzes vom 5.4.1909201 zum Haager Zivilprozessabkommen vom 17.7.1905202 – § 2 des Ausführungsgesetzes vom 18.12.1958203 zum Haager Übereinkommen über den Zivilprozess vom 1.3.1954204 – §§ 4 II, 5 des Ausführungsgesetzes vom 22.12.1977205 zum Haager Zustellungsübereinkommen vom 15.11.1965206 – Art. 1 der Ausführungsverordnung vom 5.3.1929207 zum deutsch-britischen Abkommen über den Rechtsverkehr vom 20.3.1928208 – Art. 1 der Ausführungsverordnung vom 26.8.1931209 zum deutsch-türkischen Abkommen über den Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen vom 28.5.1929210 – Art. 1 § 1 der Ausführungsverordnung vom 31.5.1939211 zum deutsch-griechischen Abkommen über die gegenseitige Rechtshilfe in Angelegenheiten des bürgerlichen und Handels-Rechts vom 11.5.1938212 198 ABl. EU Nr. L 324 vom 10.12.2007, S. 79. 199 Bis 1.1.2004 galt der inhaltsgleiche § 2 II des EG-Zustellungsdurchführungsgesetzes. Hierzu amtliche Begründung, Bundestagsdrucksache 14/5910 S. 7: „Absatz 2 stellt für den herkömmlichen Rechtshilfeverkehr klar, dass die Rechtshilfegerichte ein Zustellungsersuchen, welches sie auf dem herkömmlichen Rechtshilfeweg erhalten haben, auch in der Weise erledigen können, dass sie das zuzustellende Schriftstück durch Einschreiben mit Rückschein weiterleiten. Dieser Klarstellung bedarf es, weil die Verordnung selbst nicht regelt, wie eine Empfangsstelle mit einem ihr übermittelten Schriftstück zu verfahren hat. Aus Artikel 7 Abs. 1 der Verordnung geht lediglich hervor, dass die Empfangsstelle die Zustellung zu bewirken oder zu veranlassen hat, und zwar nach dem Recht des Empfangsmitgliedstaats oder in einer von der Übermittlungsstelle gewünschten besonderen Form, die dem Recht des Empfangsmitgliedstaats aber nicht widersprechen darf. Mit der im EG-Zustellungsdurchführungsgesetz vorgesehenen Regelung wird sichergestellt, dass die Weiterleitung zuzustellender Schriftstücke durch Einschreiben mit Rückschein auch dann mit der deutschen Rechtsordnung vereinbar ist, wenn es sich um eine Zustellung auf dem herkömmlichen Rechtshilfeweg handelt“. 200 Vorrangig ist jedoch das europäische Gemeinschaftsrecht, Art. 20 EuZustellungsVO. 201 RGBl. 1909, 430. 202 RGBl. 1909 II 409. 203 BGBl. 1958 I 939. 204 BGBl. 1958 II 576. 205 BGBl. 1977 II 3105. 206 BGBl. 1977 II 1452. 207 RGBl. 1929 II 135. 208 RGBl. 1928 II 623. 209 RGBl. 1931 II 537. 210 RGBl. 1930 II 6. 211 RGBl. 1939 II 847. 212 RGBl. 1939 II 848.
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Sechster Teil: Internationales Zustellungsrecht – § 3 des Ausführungsgesetzes vom 29.4.1969213 zum deutsch-tunesischen Vertrag vom 19.7.1966 über Rechtsschutz und Rechtshilfe, die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen sowie über die Handelsschiedsgerichtsbarkeit214. Im vertragslosen Verkehr erfolgt die Zustellung aufgrund Verwaltungsvorschrift (§§ 66 ff. ZRHO). Außerhalb des Anwendungsbereichs der Zustimmungsgesetze zu den Staatsverträgen und außerhalb des Anwendungsbereichs der EuZustellungsVO (§§ 1067 ff. ZPO) fehlt somit die gesetzliche Grundlage für „Zwangszustellungen“ (= Zustellungen an nicht annahmebereite Adressaten), § 70 II ZRHO.215 – Siehe auch Rz. 2321, 2445. 2152 Die Zustellung ist Aufgabe des Bundes (Art. 32 I GG); für diesen werden die Justizverwaltungen der Länder tätig. Sie handeln nach Auffassung der Bundesregierung (Rz. 263) im Auftrag des Bundes.216 – Siehe auch Rz. 2395. Die Ausführung ausländischer Zustellungsersuchen gehört nicht zum Bereich der Rechtspflege; sie ist vielmehr eine Aufgabe der Justizverwaltung, die dem Rechtspfleger übertragen ist.217 2153 Die Zustellung wird grundsätzlich nach der deutschen lex fori durchgeführt. Auf Wunsch des ausländischen Gerichts erfolgt sie aber in einer besonderen Form gemäß Art. 7 I EuZustellungsVO, Art. 3 II HZPÜ, Art. 5 I Buchst. b HZÜ, § 72 II ZRHO.218 2154 Um Zustellung ersuchen in der Regel Gerichte oder Behörden. Anträge von Privatpersonen sind jedoch statthaft, wenn diesen – wie z.B. im US-Zivilprozess üblich – aufgegeben wurde, selbst für die Zustellung zu sorgen, § 2 II 2 ZRHO, Rz. 3749.219 2155 Da Zustellung von Schriftstücken für ausländische Gerichtsverfahren keine richterliche Aufgabe (Art. 97 GG) ist (§ 66 ZRHO220), kommt § 839 II BGB nicht zur Anwendung. Daher (unbeschränkte) Staatshaftung (Art. 34 GG, § 839 BGB), wenn Zustellung infolge Verschuldens der deutschen Justizverwaltung nicht rechtzeitig durchgeführt wird, z.B. weil nicht schnell genug eine deutsche Über213 BGBl. 1969 I 333. 214 BGBl. 1969 II 889. 215 R. Geimer NJW 1989, 645. Die bloße Entgegennahme des Schriftstücks bedeutet nicht ohne weiteres Annahmebereitschaft. Der Widerspruch (Protest) gegen die Zustellung kann auch danach erklärt werden, BGH vom 21.12.2006, NJW 2007, 775, 778. 216 Vogler NJW 1982, 469. Kritisch Rellermeyer Rpfleger 2000, 479. Fundamental-Nachweise bei Röben, Außenverfassungsrecht – Eine Untersuchung zur auswärtigen Gewalt des offenen Staates, 2007. 217 § 29 RPflG bzw. § 66 ZRHO. 218 BGH MDR 1976, 310. 219 Schlosser, EU-Zivilprozessrecht3, 2009, Art. 3 HZÜ Rz. 1.; Schlosser, Jurisdiction and International Judicial and Administrative Co-Operation, RdC 284 (2000), 9, 101. Enger Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr, 1995, 129. 220 BGH vom 11.7.2003, NJW 2003, 2830, 2831 = RIW 2004, 147, 149 = MDR 2003, 1368 = IPRspr. 2003 Nr. 158; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 61; vgl. auch allgemein Schlosser, Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit2, 1989, Rz. 493.
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Zustellungen für ausländische Gerichtsverfahren in Deutschland setzung beschafft wurde221 und deshalb der Beklagte im Ausland (z.B. in Belgien) seine Rechtsbehelfsfristen versäumt hat und nun gegen ihn (dort) vollstreckt wird oder wenn sonst – z.B. aufgrund Formfehlers des Rechtspflegers222 – ein Schaden entstanden ist.223 – Siehe auch vice versa Rz. 2128. 2. Ablehnung von ausländischen Zustellungsersuchen Im vertragslosen Verkehr ist Deutschland völkerrechtlich frei, Rechtshilfe zu ge- 2156 währen oder abzulehnen. Innerstaatlich ist die Justizverwaltung jedoch – im Rahmen des Art. 3 I GG – an ihre Verwaltungspraxis gebunden. Im Anwendungsbereich der Verträge darf Deutschland die Durchführung der Zustellung nur verweigern, wenn seine Hoheitsrechte (Souveränität) oder seine Sicherheit gefährdet würden, Art. 4 HZPÜ, Art. 13 HZÜ, § 59 III ZRHO, sowie die Parallelnormen in den bilateralen Verträgen.224 Keinerlei Weigerungsrecht besteht mehr gegenüber Zustellungsersuchen von Gerichten der Mitgliedstaaten der Europäischen Union; denn in der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 vom 13.11.2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- und Handelssachen in den Mitgliedstaaten225 (Rz. 245c) fehlt ein entsprechender Vorbehalt.226 Auch Klagen, die punitive oder treble damages227 zum Gegenstand haben, be- 2157 treffen eine Zivilsache (Art. 1 HZÜ)228 und sind zuzustellen. Art. 13 HZÜ kommt nicht zum Zuge.229 221 Moons RIW 1989, 904. 222 Vgl. OLG Karlsruhe vom 31.7.1984, OLGZ 1985, 201 = RIW 1986, 62 = IPRspr. 1984 Nr. 172. 223 R. Geimer IPRax 1988, 275 Fußn. 57. 224 Hierzu G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 68 ff. und aus österreichischer Sicht Bajons in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 38 JN Rz. 35 ff. 225 ABl. EU Nr. L 324 vom 10.12.2007, S. 79. 226 Hierzu G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 213; de Lind van Wijngarden-Maack IPRax 2003, 153, 154 Fußn. 13; Krause RIW 2004, 533, 535 Fußn. 19; Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 129. 227 OLG Celle vom 20.7.2006, OLGR 2006, 686, 687 = IPRspr. 2006 Nr. 170. Hierzu z.B. R. Stürner/Th. Müller IPRax 2008, 339; Zekoll/Rahlf JZ 1999, 384 sowie Sikora, Die Anerkennung und Vollstreckung US-amerikanischer Urteile in England: Punitive damages, Treble damages nach RICO und der Protection of Trading Interests Act, 1998. Siehe auch die Nachweise bei Mahlzahn, GATT-widrige Treble Damages-Klagen auf der Grundlage der US Antidumping Act 1916: Eine Untersuchung der Rechtsstellung beklagter deutscher Unternehmen im US-amerikanischen und deutschen Recht, Diss. Würzburg 2003; Schütze, Prozessführung und -risiken im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 2004, 242 = Festschrift Boguslawskij, 2004, 325; Wilhelmi, Das Weltrechtsprinzip im internationalen Privat- und Strafrecht, Diss. Trier 2007, 26. 228 Anderer Auffassung OLG Koblenz vom 27.6.2005, IPRax 2006, 25 (Piekenbrock) = ZIP 2006, 1020. Hierzu Alio, Haftungsrisiken deutscher Unternehmen beim Vertrieb ihrer Produkte in den USA, IHR 2007, 177, 181. 229 BVerfG vom 7.12.1994, BVerfGE 91, 335 = NJW 1995, 649 = RIW 1995, 320 = IPRax 1996, 112 (Tomuschat 83) = EWiR 1995, 161 (R. Geimer) = EuZW 1995, 218 (Kronke) =
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Sechster Teil: Internationales Zustellungsrecht Dass der (um Zustellung ersuchende) Gerichtsstaat aus deutscher Sicht international unzuständig ist (§ 328 I Nr. 1 ZPO, § 109 I Nr. 1 FamFG), ist kein Grund, die Zustellung zu verweigern, selbst dann nicht, wenn Deutschland eine ausschließliche internationale Zuständigkeit in Anspruch nimmt, Art. 13 II HZÜ.230 2158 Die Zustellung einer Klage bzw. eines ausländischen Urteils ist auch dann durchzuführen, wenn dieses in Deutschland nicht anerkennungsfähig ist, insbesondere wenn es gegen den deutschen ordre public verstößt, Rz. 2487, 2756.231 2159 Wann die Durchführung eines ausländischen Zustellungsersuchens die Hoheitsrechte und die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, konnte bisher niemand klar definieren, Rz. 254b.232 Rolf Stürner233 hält dies für denkbar z.B. bei Klagen auf Eingehung einer Ehe oder auf Unterlassung jedweder beruflichen Tätigkeit, empfiehlt aber zu Recht in kritischer Auseinader-
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JZ 1995, 716 (Stadler) = IPRspr. 1994 Nr. 160b; OLG Celle vom 20.7.2006, OLGR 2006, 686, 687 = IPRspr. 2006 Nr. 170; OLG Frankfurt vom 1.6.2004, IPRspr. 2004 Nr. 154a; BVerfG vom 11.6.2004, NJW 2004, 3552 = WM 2004, 1402 = IPRspr. 2004 Nr. 154b; BVerfG vom 24.1.2007, RIW 2007, 211. Siehe aber (wohl überholt) BVerfG vom 25.7.2003, NJW 2003, 2598 (Zekoll 2885); hierzu Oberhammer IPRax 2004, 40 und Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 77 ff. mit weiteren umfassenden Nachweisen. Für Zustellung im Anschluss an BVerfG vom 17.12.1994 Kronke BerDGVR 38 (1998), 35; Mörsdorf-Schulte, Funktion und Dogmatik US-amerikanischer punitive damages, 1999, 14 ff.; Witte, Der US-amerikanische RICO-Act und deutsche Unternehmen, 1998, 175. Brockmeier, Punitive damages, multiple damages und deutscher ordre public, 1999, 77. Anderer Auffassung Merkt, Abwehr der Zustellung von „punitive damages“ – Klagen, 1995, 113 sowie Braun ZIP 2003, 2225 und neuerdings auch Schütze in Festschrift Boguslawskij, 2004, 325, 328. Rechtsvergleichendes auch bei Ebert, Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, Habilitation Kiel 2004. G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 69. Ebenso aus österreichischer Perspektive Bajons in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 38 JN Rz. 36. Vogler/Wilkitzki, IRG-Kommentar, 1992, § 59 IRG Rz. 18. Zum Verhältnis zu § 328 I Nr. 4 ZPO OLG München vom 9.5.1989, RIW 1989, 483, 484 = NJW 1989, 3102 (Greger) = IPRax 1990, 175 (Stürner/Stadler 157) = IPRspr. 1989 Nr. 205; OLG Frankfurt vom 21.3.1991, OLGZ 1992, 89 = RIW 1991, 417 = IPRax 1992, 166 (Stadler 147) = IPRspr. 1991 Nr. 199; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 69; Volken, Die internationale Rechtshilfe in Zivilsachen, 1996, 43 Rz. 2.45. Kritisch Brockmeier, Punitive damages, multiple damages und deutscher ordre public, 1999, 99. R. Geimer ZZP 103 (1990), 489; Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 119 ff.; Rasmussen-Bonne in Festschrift Hay, 2005, 323; OLG Düsseldorf vom 19.2.1992, RIW 1992, 846; OLG Frankfurt vom 21.3.1991, OLGZ 1992, 89 = RIW 1991, 417 = IPRax 1992, 166 (Stadler 147) = IPRspr. 1991 Nr. 199. Für restriktive Handhabung dieser Vorbehaltsklausel Stürner/Stadler IPRax 1990, 157, 159; Stadler IPRax 1992, 150 Fußn. 35; Koch/Horlach/Thiel RIW 2006, 356. Umfangreiche Nachweise bei Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 135 ff. Stürner JZ 2006, 60, 61.
Zustellungen für ausländische Gerichtsverfahren in Deutschland setzung mit dem Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts234 äußerste Zurückhaltung.235 Denn auch im deutschen Zivilprozess besteht kein Zustellungsverbot für schikanöse, missbräuchliche oder sonstige exorbitante Klagen. Das deutsche System ist deshalb in diesem Punkt z.B. dem US-System nicht überlegen. Im Zustellungsstadium kann keine wirksame präventive Missbrauchsbekämpfung stattfinden;236 denn auch die Zustellungsverweigerung schützt nicht vor Verurteilung und Vollstreckung im Ausland.237 Die Rechtshilfebehörde ist grundsätzlich – falls nicht eine Rückfrage nach Art. 4 HZÜ erforderlich ist – bei der Prüfung, ob ein Ablehnungsgrund vorliegt, auf die vom ausländischen Gericht übersandten Unterlagen, z.B. die Klageschrift nebst Begleitpapieren, beschränkt. Sie darf keine Ermittlungen über Hintergrund, Anlass und Berechtigung des Klagebegehrens vornehmen. Die Rechtshilfebehörde hat auch nicht den Zustellungsempfänger vor der Zustellung zu hören.238 Die Zustellung von Klagen, mit denen punitive oder treble damages239 vor USGerichten geltend gemacht werden, kann nicht unter Hinweis auf den vorgenannten Vorbehalt abgelehnt werden.240 Das Gleiche gilt für die Zustellung 234 BVerfG vom 25.7.2003, BVerfGE 108, 238 = NJW 2003, 2598 (Zekoll 2885) = JZ 2003, 956 (Heß 923) = IPRax 2004, 61 = IPRspr 2003/176. Es handelt sich um eine einstweilige Abordnung. Es kam wegen Erledigungserklärung der Zustellungsadressatin nicht zur Entscheidung in der Hauptsache. Hierzu Oberhammer IPRax 2004, 40; Braun ZIP 2003, 2225; Heß AG, 2006, 809, 815; Koch/Horlach/Thiel RIW 2006, 356; Prütting in Festschrift Jayme, 2004, 709, 715; Schack AG, 2006, 823; Zeidler IDR 2005, 40. 235 Weiteres Beispiel bei Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 152: Klage auf Verurteilung zur Schuldknechtschaft im Sinne von Art. 1 (a) des Zusatzübereinkommens über die Abschaffung der Sklaverei, des Sklavenhandels und sklavenähnlicher Einrichtungen und Praktiken vom 7.9.1956, BGBl. 1958 II 203. 236 In diese Richtung tendiert aber OLG Celle vom 1.6.2007, OLGR 2008, 88. 237 Wesentlich zurückhaltender mit Tendenz zu der hier vertretenen Auffassung BVerfG vom 24.1.2007, RIW 2007, 211 sowie BVerfG vom 14.6.2007, WM 2007, 1392 = WuB VII C. § 13 HZÜ (R. Geimer). Hierzu auch Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, RIW 2007, 801, 803 sowie R. Stürner/Th. Müller IPRax 2008, 339. 238 OLG Düsseldorf vom 19.2.1992, RIW 1992, 846. 239 Anderer Auffassung OLG Koblenz vom 27.6.2005, IPRax 2006, 25 (Piekenbrock) = ZIP 2006, 1020. Kritisch Koch/Horlach/Thiel RIW 2006, 356 und Alio IHR 2007, 177, 181. 240 OLG München vom 9.5.1989, NJW 1989, 3102 (Greger) = RIW 1989, 483 = IPRax 1990, 157 (Stürner/Stadler) = IPRspr. 1989 Nr. 205; OLG Frankfurt vom 21.3.1991, OLGZ 1992, 89 = RIW 1991, 417 = IPRax 1992, 166 (Stadler 147) = IPRspr. 1991 Nr. 199; OLG München vom 15.7.1992, NJW 1992, 3113 = RIW 1993, 70 = WM 1992, 1465 = IPRax 1993, 309 (Koch/Zekoll 288) = IPRspr. 1992 Nr. 216; KG vom 5.7.1994, OLGZ 1994, 587 = IPRspr. 1994 Nr. 159; BVerfG vom 7.12.1994, BVerfGE 91, 335 = NJW 1995, 649 = RIW 1995, 320 = IPRax 1996, 112 (Tomuschat 83) = EWiR 1995, 161 (R. Geimer) = EuZW 1995, 218 (Kronke) = JZ 1995, 716 (Stadler) = IPRspr. 1994 Nr. 160b; BVerfG vom 24.1.2007, RIW 2007, 211; BVerfG vom 14.6.2007, WM 2007, 1392 = WuB VII C. § 13 HZÜ (R. Geimer); Kronke BerDGVR 38 (1998), 35; Witte, Der US-amerikanische RICO-Act und deutsche Unternehmen, 1998, 175. Siehe auch Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, RIW 2007, 801, 803. Zum Strafschadensersatz siehe auch Knapp, Die US-amerikanische Produkthaftung in der Praxis der deutschen Automobilindustrie, 1997, 103; Mahlzahn, GATT-widrige
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Sechster Teil: Internationales Zustellungsrecht einer US-amerikanischen Anti-Dumping-Klage, auch wenn die Streitschlichtungsorgane der Welthandelsorganisation (WTO) festgestellt haben, dass die für die Klage maßgeblichen Vorschriften des US-Rechts gegen die GATT-Vorschriften verstoßen.241 Abgelehnt wurde aber die Zustellung einer antisuit injunction (Verbot eines ausländischen Gerichts, einen in Deutschland anhängigen Prozess fortzuführen, Rz. 1014).242 Treble Damages-Klagen auf der Grundlage der US Antidumping Act 1916: Eine Untersuchung der Rechtsstellung beklagter deutscher Unternehmen im US-amerikanischen und deutschen Recht, Diss. Würzburg 2003; Sikora, Die Anerkennung und Vollstreckung US-amerikanischer Urteile in England: Punitive damages, Treble damages nach RICO und der Protection of Trading Interests Act, 1998. Siehe nun aber auch BVerfG vom 25.7.2003, BVerfGE 108, 238 = NJW 2003, 2598 (Zekoll 2885) = JZ 2003, 956 (Heß 923) = IPRax 2004, 61 = IPRspr. 2003 Nr. 176. Hierzu Oberhammer IPRax 2004, 40; Braun ZIP 2003, 2225; Prütting in Festschrift Jayme, 2004, 709, 715; R. Stürner JZ 2006, 60; Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 131. 241 OLG Frankfurt vom 13.2.2001, NJW-RR 2002, 357 = RIW 2001, 464 = IPRspr. 2001 Nr. 174. 242 OLG Düsseldorf vom 10.1.1996, RIW 1996, 237 = IPRax 1997, 260 (Hau 245) = EuZW 1996, 351 (Mansel 335) = EWiR 1996, 321 (Mankowski) = IPRspr. 1996 Nr. 167 = ZZP 109 (1996), 221 (kritisch Stürner); zustimmend Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, RIW 2007, 801, 803. Der Kritik Stürners a.a.O. folgen Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 529; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 79; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht2, 2003, Art. 13 HZÜ Rz. 2 g.E. – Da die EG-Zustellungsverordnung keinen ordre public-Vorbehalt vorsieht, kann die Zustellung von antisuit injunctions nicht verweigert werden, Rz. 2156; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, RIW 2007, 801, 803. Solche sind aber im Brüssel I-System unzulässig, EuGH vom 27.4.2004, Rs C-159/02 – Turner/Grovit RIW 2004, 541 (Krause 533, Mankowski 497), Rz. 1118, 1945b; EuGH vom 1.3.2005, Rs C-281/02 – Owusu, Slg. 2005 I – 1383 = EuZW 2005, 345; EuGH vom 10.2.2009, Rs C-185/07 – Allianz SpA, vormals Riunione Adriatica Di Sicurità SpA/ West Tankers Inc., SchiedsVZ 2009, 120 = IHR 2009, 86. Siehe auch die Nachweise bei Bermann, The Use of Anti-Suit Injunctions in International Litigation, Col. J. Trans.L. 28 (1990), 589; Berti, Englische anitsuit injunctions im europäischen Zivilprozessrecht, in Festschrift Siehr, 2000, 33; Hartley, Comity and the Use of Anti-Suit Injunctions in International Litigations, Am J. Comp. L. 35 (1987), 487; Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozessrecht – Überlegungen zur Bewältigung von multi-fora disputes, 1996, 191; Jegher, Abwehrmaßnahmen gegen ausländische Prozesse, Diss. Basel 2003, 91 ff.; Krause, Anti-suit injunctions als Mittel der Jurisdiktionsabgrenzung, Diss. Hamburg 2005; Kurth, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen Gerichten, 1989; Maack, Englische antisuit injunctions im europäischen Zivilrechtsverkehr, 1999; Mansel EuZW 1996, 335; Graf von Praschma, Die Einwirkung auf ausländische Prozesse in Unterlassungs- und Schadensersatzklagen, Diss. Saarbrücken 1971; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 769; Stürner ZZP 109 (1996), 224; Thiele RIW 2002, 383. Instruktiv der „Laker-Fall“. Hierzu Lange, Der Justizkonflikt zwischen den USA und Europa, dargestellt am Beispiel des Falles „Laker“ in Habscheid (ed.), Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 65. Siehe auch Schlosser, Anti-suit injunctions zur Unterstützung von internationalen Schiedsverfahren, RIW 2006, 486;
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Zustellungen für ausländische Gerichtsverfahren in Deutschland Noch nicht klar genug ist, wann durch die Berufung auf die deutsche Souveränität nicht nur unmittelbare Staatsinteressen (vgl. Rz. 2493), sondern auch Belange der privaten Beteiligten geschützt werden können.243 Nach §§ 28 II, 59 III Nr. 1 ZRHO kann eine Gefährdung der Hoheitsrechte der 2160 Bundesrepublik Deutschland gegeben sein, wenn es sich bei dem Ersuchen um einen Antrag auf Zustellung einer Klage, eines Mahnbescheides, einer Streitverkündung u.ä. gegen Deutschland oder eines seiner Länder handelt. Nach der bis 1998 geltenden Fassung des § 59 II ZRHO sollte das Gleiche gelten 2161 für ausländische Ersuchen um Zustellung einstweiliger Verfügungen und einstweiliger Anordnungen. Dies war unlogisch.244 Denn es kann keinen Unterschied machen, ob einem im Inland ansässigen Prozessbeteiligten ein im Ausland gegen ihn ergangenes Urteil zugestellt wird, was unbestritten möglich ist, oder eine im Ausland gegen ihn ergangene einstweilige Verfügung.245 Dem kann nicht entgegengehalten werden, für die Entscheidung über dingliche 2162 Arreste oder einstweilige Verfügungen sei ausschließlich der Staat international zuständig, auf dessen Gebiet sich die Vermögensgegenstände befinden bzw. wo die Handlung oder Unterlassung durchgesetzt werden soll.246 Deshalb könne dieser Staat ein ausländisches Ersuchen um Zustellung dinglicher Arreste oder einstweiliger Verfügungen als Eingriff in seine Souveränität betrachten. Diese Ansicht vermischte die Durchsetzung bzw. Vollstreckung der vorläufigen Entscheidung einerseits und das (logisch vorgängige) Stadium der Anordnung andererseits. Selbstverständlich ist nur der Belegenheitsstaat in der Lage, den dinglichen Arrest oder die einstweilige Verfügung/Anordnung unmittelbar durchzusetzen. Es ist jedoch eine andere (zu bejahende) Frage, ob nicht auch ein anderer Staat zur Entscheidung über den Erlass eines dinglichen Arrestes bzw. einer einstweiligen Verfügung international zuständig ist. Das einstweilige Rechtsschutzverfahren ist nämlich kein Vollstreckungsverfahren, sondern ein summarisches Erkenntnisverfahren, Rz. 399b.247 Soweit es nur um die Zustel-
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Schmidt, Anti-suit injunctions im Wettbewerb der Rechtssysteme, RIW 2006, 492; Stadler, Vielfalt der Gerichte – Einheit des Prozessrechts?, BerDGVR 42 (2007), 177, 201. R. Geimer ZZP 103 (1990), 490. Zur Stürnerschen „Schutzschildtheorie“ (hierzu zuletzt Stürner JZ 2006, 60, 65) siehe Rz. 2184. Vgl. auch Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses, 1989, 288: „Staatliche Souveränität umfasst auch den Schutz eigener Staatsbürger oder im Staatsgebiet Anwesender vor fremden Hoheitsakten, die diese zu Werkzeugen des fremden Staates auf heimischem Territorium machen.“ Skeptisch R. Geimer ZfRV 1992, 403; Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 151. Darauf hatte vor allem Nagel, Nationale und internationale Rechtshilfe, 1971, 125 hingewiesen. So im Anschluss an Nagel a.a.O. Pfennig, Die internationale Zustellung in Zivil- und Handelssachen, 1988, 100. So aber Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 665, 668. Nicklisch RIW 1978, 639; Eilers, Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes im europäischen Zivilrechtsverkehr – Internationale Zuständigkeit, Anerkennung und Voll-
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Sechster Teil: Internationales Zustellungsrecht lung eines ausländischen Arrestes oder einer einstweiligen Verfügung geht, können die Sicherheit oder die Hoheitsrechte Deutschlands nicht betroffen sein. 2163 Eine andere Frage ist, ob Deutschland völkervertraglich verpflichtet ist, im Ausland erlassene Arreste und einstweilige Verfügungen zu vollstrecken. Dies ist nicht eine Frage der internationalen Rechtshilfe, sondern des Anerkennungsrechts.248 2164 Etwas anderes soll für die Zustellung von ausländischen Arresten und einstweiligen Verfügungen dann gelten, wenn diese „von zusätzlichen Entscheidungen“ begleitet werden, mit denen die Durchsetzung der Hauptentscheidung im ersuchten Staat verfolgt werden soll.249 Hier handle es sich um ein Übergreifen in die allein dem ersuchten Staat zustehenden Regelungsbefugnisse; den damit verbundenen Eingriff in seine Hoheitsgewalt brauche der betroffene Staat keineswegs zu dulden.250 Was darunter zu verstehen ist, bleibt im Dunklen. Sollten Zwangsgeldandrohungen gemeint sein, so ist das Argument nicht zwingend; denn solche gibt es auch im Hauptsacheverfahren.251 dass Deutschland z.B. eine einstweilige Verfügung mit einer Zwangsgeldandrohung zustellt, gefährdet seine Sicherheit genauso wenig wie die Zustellung eines ausländischen im Hauptsacheverfahren ergangenen Urteils, das eine Zwangsgeldandrohung enthält. Denn entscheidend ist die zwangsweise Durchsetzung. Eine solche findet aber erst aufgrund der deutschen Vollstreckbarerklärung statt. Die Zustellung als solche kann deutsche Hoheitsrechte nicht tangieren.252 Siehe auch Rz. 424 ff. 2165 Vorstehendes gilt auch für die Zustellung von Zwangs(geld)androhungen (z.B. in Unterlassungsverfügungen253) die Zustellung ausländischer Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse. Die alte Fassung des § 59 III Nr. 1 ZRHO sah dann eine Gefährdung der Sicherheit Deutschlands, wenn das Substrat der Pfändung Vermögen im Inland betrifft. Wurde z.B. ein Erbanteil gepfändet und lag das zum Nachlass gehörende Vermögen ausschließlich im Ausland, so war die Ausführung des ausländischen Zustellungsersuchens auch nach § 59 II ZRHO a.F. unbedenklich. Anders war es jedoch, wenn das von der ausländischen Maßnahme erfasste Vermögen (vorwiegend) in Deutschland lag. Auch diese Einschränkung war logisch nicht zwingend. Denn durch die Zustellung eines ausländischen Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses durch die deutschen Rechtshilfebehörden wird nichts ausgesagt zur Frage der Anerkennung und Vollstreckung (Durchsetzung) des ausländischen Aktes im Inland, Rz. 408. Diesem Argument haben sich nun auch die deutschen Justizverwaltungen als
248 249 250 251 252 253
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streckung, 1991 30, 39; Koch in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 178, 196, 201. Vgl. auch KG vom 4.9.1998, IPRax 2001, 236 (Mennicke) = IPRspr. 1998 Nr. 170. Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 121 bei Fußn. 111. Hierzu ausführlich Eilers a.a.O. 267 ff. Koch a.a.O. 190. Pfennig, Die internationale Zustellung in Zivil- und Handelssachen, 1988, 101. Vgl. auch Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 592. Vgl. z.B. Art. 43 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 49 EuGVVO. Gottwald IPRax 1999, 395, 396. KG vom 4.9.1998, IPRax 2001, 236 (Mennicke) = IPRspr. 1998 Nr. 170.
Zustellungen für ausländische Gerichtsverfahren in Deutschland Rechtshilfebehörden angeschlossen und auf Änderung des 59 III Nr. 1 ZRHO254 gedrängt, Rz. 1229. Sie lehnen ausländische Ersuchen um Zustellung an in Deutschland domizilierte Drittschuldner nicht mehr ab. 3. Keine Nachforschungen nach dem Aufenthaltsort des Zustellungsempfängers Wo die deutschen Rechtshilfebehörden zustellen sollen, muss der ersuchende ausländische Staat mitteilen. Die deutschen Rechtshilfebehörden sind nicht verpflichtet (aber berechtigt), nach der Adresse des Zustellungsempfängers zu forschen. Arg. Art. 1 II HZÜ.255 Ausnahme: Art. 31 II des deutsch-marokkanischen Vertrages.256
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Im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 vom 13.11.2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Ziviloder Handelssachen in den Mitgliedstaaten257 hat nach Art. 6 II die Empfangsstelle auf schnellstmöglichem Wege Verbindung zu der Übermittlungsstelle aufzunehmen, um die fehlenden Angaben oder Schriftstücke zu beschaffen. 4. Zustellungszeugnis Nach Durchführung der Zustellung sendet die deutsche Rechtshilfebehörde das 2167 Zustellungszeugnis (Art. 10 I EuZustellungsVO, Art. 6 HZÜ, §§ 76 ff. ZRHO) an den ersuchenden Staat.258 5. Rechtsmittel Gegen die Ablehnung des Zustellungsersuchens des ausländischen Gerichts 2168 kann die betroffene Partei gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff. EGGVG beantragen, ebenso gegen die Zustellungsverfügung und ihre Durchführung, auch wenn das Zustellungszeugnis bereits ins Ausland versandt worden ist, Rz. 3637.259 Mitunter muss auch das Bundesverfassungsgericht mit einstweiligen Anordnungen nach § 32 I BVerfGG eingreifen.260 254 255 256 257 258 259
Z.B. BayJMBl. 1999, 48; hierzu Gottwald IPRax 1999, 395. Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 58. Siehe auch Art. 6 II EuZustellungsVO. ABl. EU Nr. L 324 vom 10.12.2007, S. 79. Pfeil-Kammerer a.a.O. 107. OLG Düsseldorf vom 19.2.1992, RIW 1992, 846; OLG Frankfurt vom 21.3.1991, OLGZ 1992, 89 = RIW 1991, 417 = IPRax 1992, 166 (Stadler 147) = IPRspr. 1991 Nr. 199; kritisch Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses, 1989, 147, die eine Verletzung des HZÜ annimmt, wenn das nach Art. 6 HZÜ erteilte Zustellungszeugnis aufgrund eines nach nationalem Recht möglichen Rechtsbehelfs wieder beseitigt wird. Sie will Zustellungsadressaten (in Deutschland) aber die Möglichkeit geben, der Zentralen Behörde bereits den Erlass einer Zustellungsverfügung bzw. die Rücksendung des Zustellungszeugnisses durch einstweilige Anordnung analog § 123 VwGO zu verbieten (Zulässigkeit in Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG sehr bestritten, aber im Hinblick auf Art. 19 IV GG zu bejahen). 260 Siehe z.B. BVerfG vom 25.7.2003, NJW 2003, 2598 (Zekoll 2885).
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Sechster Teil: Internationales Zustellungsrecht
II. Passive Rechtshilfe: Dulden von Zustellungen durch ausländische Stellen (ohne Einschaltung deutscher Rechtshilfebehörden) auf deutschem Territorium 1. Zustellung durch konsularische oder diplomatische Vertreter a) an eigene Staatsangehörige des Entsendestaates 2169 Diese ist – sofern sie ohne Anwendung von Zwang erfolgt (so genannte formlose Zustellung) und der Konsul die Grenzen seines Amtsbezirks nicht überschreitet – nach allgemeinem Völkergewohnheitsrecht zulässig.261 2170 Diese Regel des Völkergewohnheitsrechts wird bestätigt durch die Haager Übereinkommen. Danach hat der Empfangsstaat kein Recht, der Zustellung an eigene Staatsbürger des Entsendestaates zu widersprechen.262 b) an Deutsche 2171 Eine Duldungspflicht stipuliert das Völkergewohnheitsrecht nicht. Die Haager Übereinkommen263 geben ein Widerspruchsrecht, von dem Deutschland Gebrauch gemacht hat.264 Bei Doppelstaatern hat die deutsche Staatsangehörigkeit Vorrang. Nichts anderes gilt im Anwendungsbereich der EG-Zustellungsverordnung Nr. 1393/2007 vom 13.11.2007 (Rz. 245c), da Deutschland gemäß Art. 13 II in Verbindung mit § 1067 ZPO Zustellungen durch diplomatische oder konsularische Vertretungen nur an Staatsangehörige des Übermittlungsmitgliedstaates (= Entsendestaates) zulässt.265
261 Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 101.8 Fußn. 35; Pfennig a.a.O. 35. 262 Art. 6 I Nr. 3 i.V.m. II 2 HZPÜ, Art. 8 II HZÜ. – Vgl. auch die Zusatzvereinbarungen mit Norwegen (Art. 4) und Schweden (Art. 2) sowie die Rechtshilfeverträge mit Griechenland (Art. 6), Marokko (Art. 7), Tunesien (Art. 16), Türkei (Art. 17), Vereinigtes Königreich (Art. 5). Die gleiche Formulierung findet sich nun auch in Art. 13 II der VO (EG) Nr. 1393/2007 vom 13.11.2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten, ABl. EU Nr. L 324 vom 10.12.2007, S. 79 (Rz. 245c). 263 Art. 6 II HZPÜ, Art. 8 II HZÜ. 264 Ebenso Art. 13 II der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000. 265 Hierzu die amtliche Begründung zu § 1 ZustDG = 1067 ZPO, Bundestagsdrucksache 14/5910 S. 6: „Die Vorschrift macht die Zulässigkeit von Zustellungen, die im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland unmittelbar durch diplomatische oder konsularische Vertretungen anderer Mitgliedstaaten vorgenommen werden, von der Voraussetzung abhängig, dass der Adressat Staatsangehöriger des Übermittlungsmitgliedstaats ist. Als Zustellungsadressaten kommen danach nur natürliche Personen in Betracht. Dagegen sind ausländische juristische Personen in die Regelung nicht einbezogen, da sie ihren Sitz im Ausland haben. Die Regelung entspricht dem § 6 Satz 1 des Gesetzes vom 22. Dezember 1977 zur Ausführung des Haager Übereinkommens vom 15. November 1965 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke im Ausland in Zivil- oder Handelssachen und des Haager Übereinkommens vom 18. März 1970 über die Beweisaufnahme im Ausland in Zivil- oder Han-
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Zustellungen für ausländische Gerichtsverfahren in Deutschland c) an Staatsangehörige dritter Staaten Es gilt das Gleiche wie für Deutsche, jedoch sehen einige Staatsverträge vor, dass 2172 an Personen, welche die Staatsangehörigkeit des Entsendestaates und eines dritten Staates besitzen, zugestellt werden darf. Hauptbeispiel: Nach Art. 5 des deutsch-britischen Abkommens darf auch an Drittstaater auf deutschem Boden zugestellt werden.266 d) an Staatenlose Es gilt das Gleiche wie für Staatsangehörige dritter Staaten.
2173
2. Zustellung aus dem Ausland durch die Post a) Völkergewohnheitsrecht Das Völkergewohnheitsrecht verbietet die Postzustellung nicht, Rz. 419, 2083.267 2174 Enger formuliert Pfennig:268 „Infolge ständiger Übung und entsprechender rechtlicher Überzeugung“ existiere die Verpflichtung unter den Staaten formlose Mitteilungen über erfolgte Zustellungen ausländischer Gerichte auf dem Postwege (durch einfachen oder eingeschriebenen Brief) zu dulden. Pfennig269 macht einen Unterschied zwischen Mitteilungen über die bereits im Gerichtsstaat erfolgte Zustellung (wie bei § 184 ZPO und der remise au parquet270) und der Durchführung des Zustellungsaktes im Ausland. Die Zustellung unmittelbar durch die Post an einen im Ausland befindlichen Adressaten sei unzulässig, nicht jedoch – als rechtliches Minus – das Übersenden einer formlosen Mitteilung ins Ausland über die bereits im Inland (= Gerichtsstaat) bewirkte Zustellung. Jeder Staat müsse „das Übersenden solcher formlosen Mitteilungen ausländischer Behörden auf seinem Territorium dulden, um den sich auf seinem Staatsgebiet aufhaltenden Adressaten ein Mindestmaß an Schutz vor Übervorteilungen in ausländischen Gerichtsverfahren zuteil werden zu lassen“.271 Anders sei es jedoch, wenn „die Zustellung direkt in das Ausland gesendet wird“. Dann wäre „die Zustellung erst mit der Übergabe durch die Post an den Adressaten bewirkt, d.h.
266 267 268 269 270
271
delssachen (BGBl. I S. 3105), der für den grenzüberschreitenden Zustellungsverkehr mit Staaten fortgilt, in denen die Verordnung nicht anzuwenden ist“. Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 20.14 Fußn. 68. Linke, Internationales Zivilprozessrecht4, 2006, Rz. 219 Dies ist jedoch nicht unbestritten. Pfennig, Die internationale Zustellung in Zivil- und Handelssachen, 1988, 31 ff. Pfennig a.a.O. 35. Im Anwendungsbereich des Art. IV des EuGVÜ-Protokolls und der EuZustellungsVO ist die remise au parquet nicht mehr zulässig, EuGH vom 13.10.2005, Rs C-522/03 – Scania NJW 2005, 3627 = RIW 2005, 940 = IPRax 2006, 157 (Stadler 116). Unter Hinweis auf dieses Urteil wird nunmehr auch die weitere Anwendbarkeit von § 184 ZPO im Anwendungsbereich des europäischen Gemeinschaftsrechts verneint, Heiderhoff EuZW 2006, 235, 237; Sharma, Zustellungen im Europäischen Binnenmarkt, 2003, 73. Pfennig a.a.O. 65.
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Sechster Teil: Internationales Zustellungsrecht dass der dem Bewirken der Zustellung immanente staatliche Hoheitsakt auf ausländischem Territorium vollzogen würde“, was „unzweifelhaft einen Eingriff in die Souveränität des betreffenden Staates darstellen würde; dies wäre solange völkerrechtswidrig, wie nicht das ausdrückliche, zumindest durch Dulden stillschweigend zum Ausdruck gebrachte Einverständnis des ausländischen Staates vorliegt“.272 2175 Nach Klaus P. Mössle273 „haben Souveränitätsrechte keinen Ewigkeitsanspruch, sondern unterliegen einem ständigen Wandel“. Er plädiert de lege ferenda für eine sinnvolle Fortentwicklung des Zustellungsrechts: Keine Souveränitätsverletzung durch Postzustellung, wenn das zugestellte Schriftstück – gleich welchen Inhalts – mit einer amtlichen Übersetzung versehen ist und der „Heimatstaat“ (gemeint ist wohl der Aufenthaltsstaat, wo Zustellung erfolgt) des Zustellungsadressaten benachrichtigt wird, damit dieser den Zustellungsempfänger „auf Bedeutung und rechtliche Konsequenzen einer Zustellung aus dem Ausland hinweisen und nötigenfalls beraten“ kann. Anders de lege lata Stadler:274 Der Postbeamte werde vom ausländischen Staat (= Gerichtsstaat) „zur Amtshilfe missbraucht, da er den Inhalt oder Absender der zu transportierenden Schriftstücke nicht kontrolliert“.275 b) Haager Übereinkommen 2176 Nach den Haager Übereinkommen ist die Zustellung durch die Post grundsätzlich zulässig, Art. 6 Nr. 1 HZPÜ, Art. 10 lit. a) HZÜ, Art. 6 II HZPÜ und Art. 21 II lit. a HZÜ geben jedoch ein Widerspruchsrecht, von dem Deutschland Gebrauch gemacht hat, Rz. 418, 2084.276 Es wurde jedoch angezweifelt, ob dies auch für das HZPÜ wirksam geschehen ist.277 2177 Deutschland hat auch der unmittelbaren Postzustellung gemäß Art. 11 II des Europäischen Übereinkommens über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen vom 24.11.1977278 widersprochen. Dies wurde folgendermaßen begründet: Andernfalls könnten die deutschen Behörden nicht prüfen, „ob das Ersuchen den zum Schutz des Zustellungsempfängers aufgestellten Erfordernissen (Art. 5) entspricht“ und „ob das Ersuchen nach Art. 14 I (b) wegen eines Verstoßes gegen den ordre public abgelehnt werden muss“. Bei dieser Formulierung
272 Kritisch zu dieser feinsinnigen Unterscheidung der gängigen Doktrin Schlosser in Festschrift Stiefel 1987, 683 sowie Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 91. 273 Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung im internationalen Wirtschaftsrecht, 1990, 255. 274 Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses, 1989, 285 Fußn. 73. 275 Hierzu kritisch G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 170. 276 OLG Frankfurt vom 21.2.1991, RIW 1991, 587; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 608; Stadler a.a.O. Aus der Sicht der Schweiz Egli RIW 1991, 98; Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 227. 277 Jayme IPRax 1997, 195. 278 BGBl. 1981 II 533.
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Zustellungen für ausländische Gerichtsverfahren in Deutschland haben die Verfasser der deutschen Denkschrift279 übersehen, dass im Falle der passiven Rechtshilfe eben kein Ersuchen des ausländischen Staates an Deutschland (zur aktiven Rechtshilfe: hier Zustellung) ergeht; das ausländische Zustellungsorgan nimmt die Übermittlung des zuzustellenden Schriftstücks an den sich in Deutschland aufhaltenden Zustellungsempfänger vielmehr selbst in die Hand. Die Post ist dabei nur Bote. Diese unmittelbare Postzustellung auf Veranlassung des ausländischen Gerichts ist mit dem bisherigen offiziellen deutschen Souveränitätsverständnis nicht zu vereinbaren. Es gibt aber auch de lege lata Ausnahmen: z.B.280 § 24 des Ausführungsgesetzes zum deutsch-österreichischen Konkursvertrag281 sowie Art. 10 des deutsch-österreichischen Amts- und Rechtshilfevertrages in Verwaltungssachen vom 31.5.1988.282 Den von Deutschland gegen Art. 10 HZÜ erhobenen Widerspruch bezieht Pfennig283 nur auf die Zustellung auf dem Postweg, nicht auf Zustellungen, die mit der Methode des § 184 ZPO vergleichbar sind, Rz. 2174.284 c) Deutsch-britisches Abkommen Trotz Art. 6 ist die Zustellung unmittelbar durch die Post im Anwendungsbereich des deutsch-britischen Abkommens vom 20.3.1928 über den Rechtsverkehr285 in Deutschland unzulässig.286
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d) EG-Zustellungsverordnung Jeder Mitgliedstaat kann nach Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 vom 2178a 13.11.2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten287 (Rz. 245c) in seinem autonomen nationalen Zustellungsrecht die Direktzustellung durch die Post zulassen.288 Dieser Zustellungsmethode können die anderen Mitgliedstaaten – anders als nach den Haager Übereinkommen – nicht widersprechen. Sie müssen diese die üblichen Rechtshilfekanäle vermeidende Zustellungsart dulden. In den Anwendungsbereich des Art. 14 fallen nicht nur die gerichtlichen Schrift-
279 Bundestagsdrucksache 9/68 S. 32. 280 Weitere Beispiele bei G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 199. 281 BGBl. 1990 II 535. 282 BGBl. 1990 II 358. 283 Pfennig a.a.O. 66. 284 Vgl. auch Karen Ilka Mössle a.a.O. 158. Zur Zulässigkeit der Übersendung der notification (= Benachrichtigung von der remise en parquet, Rz. 2093) mit der Post skeptisch Karen Ilka Mössle a.a.O. 203. 285 RGBl. 1928 II 623. Zum Geltungsbereich siehe oben Rz. 2073. 286 OLG Frankfurt RIW 1991, 587; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 194. Anderer Auffassung Rauscher IPRax 1992, 71, 72; Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr, 1995, 114; Heidrich EuZW 2005, 743, 746. 287 ABl. EU Nr. L 324 vom 10.12.2007, S. 79. 288 In Deutschland ist dies in §§ 181 III, 1068 ZPO geschehen.
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Sechster Teil: Internationales Zustellungsrecht stücke, sondern nach Art. 16 auch die sonstigen (außergerichtlichen) im Sinne von Art. 1 der Verordnung. 2178b
In anderen Mitgliedstaaten ist die Zustellung in weitem Umfang Sache der Parteien und ihrer Vertreter. Soweit diese Staaten gemäß Art. 2 IV die dort innerstaatlich zugelassenen Zustellungspersonen als Übermittlungsstellen (Art. 2 I) benannt haben, können auch Privatpersonen, z.B. Rechtsanwälte, nach Art. 14 zustellen.289 3. Direkte Beauftragung von Zustellungsorganen im Aufenthaltsstaat des Zustellungsadressaten
2178c Die Möglichkeit, dass die Parteien und sonstigen Beteiligten – im Parteibetrieb – sich an die Zustellungsorgane im Aufenthaltsstaat des Zustellungsadressaten wenden und diesen direkt Zustellungsaufträge erteilen, sehen die Haager Übereinkommen (Art. 6 I Nr. 2, HZPÜ, Art. 10 lit. c HZÜ) sowie Art. 15 der EG-Zustellungsverordnung Nr. 1393/2007 vom 13.11.2007 (Rz. 245c) vor. Deutschland hat jedoch für den Anwendungsbereich der Haager Übereinkommen widersprochen.290 Das kann zu misslichen Situationen führen, wenn das maßgebliche ausländische Recht Parteizustellung vorschreibt. Nach Art. 15 n.F. der EG-Zustellungsverordnung können die Mitgliedstaaten dieser Zustellungsmethode nicht mehr widersprechen.291 2178d
Beispiel: Ein Gläubiger möchte in Deutschland gegen seinen hier ansässigen Schuldner vollstrecken und beauftragt einen deutschen Gerichtsvollzieher, den dänischen Vollstreckungstitel nach § 192 I ZPO zuzustellen.292 4. Zustellung durch Private
2179 Nach Völkergewohnheitsrecht ist die Zustellung durch Private erlaubt;293 im Anwendungsbereich der Haager Übereinkommen ist jedoch bestritten, ob diese die Zustellung durch Private ausschließen.294 5. Sanktionen bei Verletzung der deutschen Justizhoheit a) Keine automatische Nichtanerkennung der ausländischen Sachentscheidung 2180 Nicht jede völkerrechtswidrige (weil von Deutschland nicht geduldete) Zustellung führt automatisch zur Nichtanerkennung der ausländischen Entscheidung,
289 R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 3 – Art. 14 Rz. 9. Anderer Auffassung Emde NJW 2004, 1830. 290 Vgl. § 6 des Ausführungsgesetzes zum HZÜ. 291 Anders Art. 15 II der Vorgängerverordnung (EG) Nr. 1348/2000; hierzu 5. Auflage. 292 OLG Hamm vom 6.6.2003, FamRZ 2004, 1593 (Schack) = IPRax 2005, 146 (Fogt/ Schack 118) = IPRspr. 2003 Nr. 175. 293 Zustimmend Heidrich EuZW 2005, 743, 747. Anderer Ansicht G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 132. 294 Klaus P. Mössle a.a.O. 324.
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Zustellungen für ausländische Gerichtsverfahren in Deutschland die aus einem Verfahren hervorgegangen ist, in dem diese Zustellung passiert ist, Rz. 2768.295 Beispiel:296 Ein US-Gericht hat Postzustellung der Klage zugelassen,297 obwohl Deutschland dem widersprochen hat, Rz. 2176.298 Es ist klar zu unterscheiden zwischen den unmittelbar staatlichen Interessen 2181 Deutschlands und den Interessen der Parteien.299 Als deutsche Reaktion auf die Verletzung der deutschen Souveränität wäre zwar – auf der Ebene des Völkerrechts, und zwar auch im Anwendungsbereich der Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge – die Nichtanerkennung denkbar und zulässig. Sie ist aber nicht zwingend geboten. Auf innerstaatlicher Ebene sollte man bedenken, dass wir vice versa von deutschen Gerichten zu verantwortende völkerrechtswidrige Zustellungen hinnehmen (Rz. 2102) und dass generell jede Prinzipienreiterei und jeder Justamentstandpunkt schädlich sind, weil durch die Nichtanerkennung der inländische Justizapparat belastet wird (Wiederholung des im Ausland bereits entschiedenen Prozesses) und weil der völkerrechtliche Konflikt nicht auf dem Rücken der Parteien ausgetragen werden sollte, die de facto die Folgen der Nichtanerkennung zu spüren bekommen, und nicht der Staat, welcher die deutsche Souveränität verletzt hat.300 Im Übrigen wäre es aus deutscher Sicht in vielen Fällen ein „Eigentor“, wollte 2182 man das im Ausland zugunsten der deutschen Partei mühsam erstrittene Urteil in Deutschland nicht anerkennen und der (ausländischen) Gegenpartei eine Chance geben, vor einem deutschen Gericht vielleicht das Glück „zu wenden“. Es besteht keinerlei Veranlassung, die (deutsche) Partei um die Früchte ihres Prozesssieges zu bringen. Außerdem ist – was in der Literatur nicht klar genug herausgestellt wird – zu be- 2183 tonen, dass aus der Verletzung der deutschen Souveränität keine der Parteien Vorteile ziehen kann. Dies ist völkerrechtlich klar, da die völkerrechtliche Rechtsfähigkeit fehlt, Rz. 132. Aber auch innerstaatlich kann keine Partei aus der Souveränitätsverletzung als solcher ein Recht auf Nichtanerkennung herleiten. Sie kann nur geltend machen, ihr Recht auf rechtliches Gehör bzw. ihr Recht auf ein faires Verfahren sei verletzt. Aus dieser Sicht liegt die Anerkennung auf der Hand, wenn der Beklagte am ausländischen Rechtsstreit teilgenommen hat. Aber auch wenn er sich nicht eingelassen hat, aber feststeht, dass er die den aus- 2184 ländischen Rechtsstreit einleitenden Schriftstücke erhalten hat, besteht kein Anlass, den Versagungsgrund des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ I301 bzw. des § 328 I Nr. 2 ZPO einzusetzen. Denn die Souveränität Deutschlands ist kein Schutz295 296 297 298
Ausführlich G. Geimer a.a.O 109 ff., 165 ff. Siehe auch den Fall des OLG Frankfurt vom 21.2.1991, RIW 1991, 587. Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 126. Siehe auch den Fall des BGH vom 18.9.2001, RIW 2002, 63: Zustellung der Klageschrift durch Einschreiben mit Rückschein. 299 Diese Unterscheidung findet sich leider bei BGH vom 18.9.2001, RIW 2002, 63 nicht. 300 Vgl. z.B. den Scheidungsfall BGH vom 27.6.1990, NJW 1990, 3090. 301 Prinzipiell anerkennungsfreundlicher nunmehr Art. 34 Nr. 2 EuGVVO/LugÜ II.
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Sechster Teil: Internationales Zustellungsrecht schild für den einzelnen Bürger.302 Dessen schutzwürdige Rechtsposition (Art. 103 I GG) ist gewahrt, wenn feststeht, dass er die Klage (rechtzeitig) erhalten hat. Aus dem Umstand, dass der Gerichtsstaat gegenüber Deutschland ein völkerrechtliches Delikt begangen hat (Rz. 193), ergeben sich – auf der Ebene des innerstaatlichen Anerkennungsrechts – keine zwingenden Konsequenzen in Richtung Nichtanerkennung.303 Deutschland weiß seine Souveränität mit anderen Mitteln (Protest, Retorsionsmaßnahmen) zu verteidigen. – Siehe auch Rz. 2537. b) Keine strafbare Amtsanmaßung 2185 Die Mitwirkung eines deutschen Rechtsanwaltes bei der Übermittlung einer Klageschrift und Ladung vor ein ausländisches, z.B. ein US-Gericht,304 unter Umgehung der für die Gewährung von Rechtshilfe zuständigen deutschen Behörden, insbesondere die Abgabe eines Affidavits,305 verstößt möglicherweise gegen das Standesrecht, ist aber nicht als Amtsanmaßung (§ 132 StGB) strafbar, Rz. 464a.306
4. Kapitel: Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke 2186 Auch die Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke von Deutschland ins Ausland ist möglich. Sie ist in den internationalen und europäischen Rechtsinstrumenten ausdrücklich angesprochen. Außergerichtliche Schriftstücke sind solche, die mit einem gerichtlichen Verfahren nicht oder noch nicht in Zusammenhang stehen.307 Nach § 132 BGB (der auch bei ausländischem Schuldstatut zur Anwendung kommt) kann die an der Zustellung interessierte Partei bei dem
302 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 590; Egli RIW 1991, 982; R. Geimer ZfRV 1992, 402; kritisch auch Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 196; Fleischhauer, Inlandszustellung an Ausländer, 1996, 69; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 170, 174; Greiner, Die Class action im amerikanischen Recht und deutscher Ordre public, Diss. München 1998, 160. Nachweise zur „Schutzschildtheorie“ bei Hopt/ Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 151. 303 R. Geimer IPRax 1988, 275 Fußn. 57. Ebenso im Ergebnis BGH vom 27.6.1990, NJW 1990, 3090. 304 Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 84, 123. 305 Pfeil-Kammerer a.a.O. 126. 306 Anderer Auffassung Stürner ZVglRWiss 81 (1982) 170. Weitergehend als das deutsche StGB ist Art. 271 Schweizer StGB: Amtliche Handlungen in der Schweiz für einen fremden Staat sind (generell) strafbar, Egli RIW 1991, 983 Fußn. 72; Greiner ZZPInt 1996, 187, 197/198. 307 Bülow in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen35, 2008, 101.2 Fußn. 8.
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Zustellung außergerichtlicher Schriftstücke deutschen Gerichtsvollzieher die Zustellung beantragen. Dieser wendet sich im Anwendungsbereich der EuZustellungsVO (Rz. 245c) entweder an die Übermittlungsstelle (Art. 2) oder gemäß Art. 15 direkt an den Gerichtsvollzieher oder die sonstige Zustellungsperson im Aufenthaltsstaat des Zustellungsadressaten. Das Gleiche gilt für Zustellungen durch den deutschen Notar (§ 20 I 2 BNotO). Während Art. 1 HZPÜ und Art. 16 EuZustellungsVO generell für die „Zustel- 2187 lung von Schriftstücken“ ohne Einschränkung gelten, ist Art 17 HZÜ zurückhaltender formuliert. Dort ist von außergerichtlichen Schriftstücken die Rede, „die von Behörden und Justizbeamten eines Vertragsstaats stammen“. Doch ist diese Voraussetzung bereits erfüllt, wenn der Gerichtsvollzieher bzw. der Notar mit der Zustellung beauftragt wird und diese veranlasst. 2188–2199
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Siebenter Teil: Parteien und ihre Vertreter Literatur: Baumgarten, Der richtige Kläger im deutschen, französischen und englischen Zivilprozess. Ein Beitrag zur Prozessführungsbefugnis und funktionsverwandten Instituten, Diss. Potsdam 2001; Brombach, Das Internationale Gesellschaftsrecht im Spannungsfeld von Sitztheorie und Niederlassungsfreiheit, 2006; Furtak, Die Parteifähigkeit in Zivilverfahren mit Auslandsberührung, Diss. Heidelberg 1995; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 2250; von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht9, 2007, § 3 Rz. 102 f.; Knöfel, Grundfragen der internationalen Berufsausübung von Rechtsanwälten, Diss. Hamburg 2005; Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts6 2006, § 56 IV 5; Mock, Die actio pro socio im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht, RabelsZ 72 (2008), 264; Schmidtbleicher, Verwaltungssitzverlegung deutscher Kapitalgesellschaften im Europa: „Sevic“ als Leitlinie für „Cartesio“?, BB 2007, 613; Staudinger/Hausmann/Hepting/Weick/Winkler von Mohrenfels, Internationales Recht der natürlichen Personen – Art. 7, 9–12, 47 EGBGB, Neubearbeitung 2007; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Anh. zu § 606a ZPO Rz. 1; Teichmann, Binnenmarktkonformes Gesellschaftsrecht, 2006; G. Wagner, Scheinauslandsgesellschaften im Europäischen Zivilprozessrecht in Lutter (ed.),. Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland mit Rechts- und Steuerfragen des Wegzugs deutscher Gesellschaften, 2005, 223 ff.
I. Parteibegriff 2200 Der Parteibegriff des deutschen Zivilprozessrechts wird auch in Fällen mit Auslandsberührung nicht nach der lex causae, sondern nach der deutschen lex fori bestimmt1. Der Parteibegriff hat nicht nur theoretische, sondern auch praktische Bedeutung für den Prozessausgang. Die Parteien können als Subjekte des Prozessrechtsverhältnisses weder dem Gegner als Nebenintervenient beitreten noch Zeuge sein. Diese Unterscheidung wird z.B. im anglo-amerikanischen Prozess nicht so scharf gesehen.
II. Parteiänderung 2201 Auch für die Parteiänderung gilt die lex fori. Jedoch ist hervorzuheben, dass bei der Subsumtion der Tatbestandsbegriffe der deutschen lex fori nicht selten die Anwendung ausländischen Rechts erforderlich ist. So ist z.B. die Frage, wer nach dem Tode eines Menschen Rechtsnachfolger geworden ist, nach dem Erbstatut (Art. 25 EGBGB) zu beurteilen, bei Umwandlung der Rechtsform, bei Verschmelzungen und Abspaltungen das Gesellschafts- bzw. Unternehmensstatut. 1 Das Gleiche gilt für den Beteiligtenbegriff (§ 7 FamFG). Wer am deutschen Verfahren zu beteiligen ist, bestimmt im Grundsatz die deutsche lex fori, Rz. 2223.
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Parteifähigkeit
III. Parteifähigkeit 1. Verweisung auf das materielle und/oder prozessuale Personalstatut? Die Parteifähigkeit ist eine Prozessvoraussetzung, und damit gilt grundsätzlich 2202 die lex fori, Rz. 320. Da aber § 50 ZPO auf das bürgerliche Recht (Bestimmungen über die Rechtsfähigkeit) verweist, liegt darin eine kollisionsrechtliche Verweisung. Nach Pagenstecher2 kennt das deutsche internationale Zivilverfahrensrecht eine ungeschriebene Kollisionsnorm, wonach sich die Parteifähigkeit einer natürlichen Person nach deren prozessualem Heimatrecht bestimmt. Das deutsche internationale Zivilverfahrensrecht verweist danach nicht auf das materielle Recht (Normen über die Rechtsfähigkeit), sondern auf das Prozessrecht (Normen über die Parteifähigkeit) des Heimatstaates.3 So ist z.B. eine ausländische offene Handelsgesellschaft, die nach ihrem Gesellschaftsstatut nicht rechtsfähig ist (anders z.B. eine französische oHG), parteifähig, wenn das maßgebliche ausländische Recht eine dem § 124 HGB entsprechende Norm kennt. Das Gleiche gilt für die ausländischen Parallelnormen zur Parteifähigkeit der Kommanditgesellschaft (§ 161 II HGB), Reederei (§ 493 III HGB4), Partnerschaftsgesellschaft (§ 7 II PartGG).5 Die Gegenansicht will dagegen auf die Normen über die Rechtsfähigkeit abstel- 2202a len.6 Diese Unterscheidung dürfte bei natürlichen Personen nur selten praktische Bedeutung haben, weil wohl die meisten Prozessgesetze auf die Normen über die Rechtsfähigkeit Bezug nehmen. Allenfalls kann sie bei der Parteifähigkeit des nasciturus eine Rolle spielen. Deshalb hat die Frage, ob über § 50 ZPO auch Art. 12 S. 1 EGBGB anzuwenden ist, nur theoretische Relevanz. Im Übrigen sollte die richtige Antwort nicht „entweder – oder“ lauten, sondern 2203 „sowohl als auch“. Denn im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes ist die Parteifähigkeit alternativ an die Rechts- und an die Parteifähigkeit anzuknüpfen, Rz. 1936.7 Treffend betont Lüderitz,8 dass Parteifähigkeit Personenzusammenschlüssen und Vermögensmassen zuerkannt wird, um die Rechtsverfolgung im Erkenntnisverfahren und in der Zwangsvollstreckung zu erleichtern oder überhaupt erst zu ermöglichen. Parteifähig ist also
2 Pagenstecher ZZP 64 (1951), 249, 251, ebenso Furtak, Die Parteifähigkeit in Zivilverfahren mit Auslandsberührung, 1995, 54 ff., 120 ff. Weitere Nachweise bei Schemmann, Parteifähigkeit im Zivilprozess, 2002, 125. 3 Zustimmend Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 4 Rz. 14. 4 Hierzu Rabe, Seehandelsrecht4, 2000, § 489 Rz. 14. 5 Nachweise z.B. bei Staudinger/Ebke/Großfeld, Internationales Gesellschafts- und Unternehmensrecht, Neubearbeitung 2008. 6 Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 186 mit Nachweisen. Gründliche Auseinandersetzung mit den Thesen Pagenstechers bei Furtak, Die Parteifähigkeit in Zivilverfahren mit Auslandsberührung, 1995, 128 ff. 7 Ebenso nun Furtak, Die Parteifähigkeit in Zivilverfahren mit Auslandsberührung, 1995, 161 ff., 173; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 2254; skeptisch Schemmann, Parteifähigkeit im Zivilprozess, 2002, 126. 8 Soergel/Lüderitz, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 10 EGBGB Anh Rz. 29.
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Siebenter Teil: Parteien und ihre Vertreter – wer nach seinem Personalstatut rechtsfähig ist oder – wer nach seinem Personalstatut parteifähig ist. Dagegen möchte Grasmann9 analog § 55 ZPO die Parteifähigkeit ausländischer Rechtsgebilde nur anerkennen, wenn sie parteifähigen deutschen Gesellschaften entsprechen. 2. Schutz des inländischen Rechtsverkehrs 2204 Parteifähig ist darüber hinaus, wer nach dem Sitzrecht so organisiert ist wie eine inländische Einrichtung, die allgemeine oder passive Parteifähigkeit genießt, ohne dass es insoweit auf Parteifähigkeit im Ausland ankommt; denn für die Durchführung des inländischen Verfahrens ist es ohne Bedeutung, ob Personenzusammenschlüsse oder Vermögensmassen im Inland oder im Ausland verwaltet werden. Passiv parteifähig gemäß § 50 II ZPO ist daher der nicht rechtsfähige ausländische Verein im Inland auch dann, wenn er im Sitzstaat nicht als solcher verklagt werden kann.10 Es handelt sich um eine eigenständige Norm des internationalen Verfahrensrechts.11 2205 Rechtlich verselbständigte Zweigniederlassungen von Banken und Versicherungen im Inland, wie sie durch § 53 II Nr. 1 KWG, §§ 106–108 VAG vorgeschrieben werden, haben keine besondere Rechtspersönlichkeit; denn Träger der vermögensrechtlichen Rechte und Pflichten ist die ausländische juristische Person. Jedoch gilt zum Schutz des inländischen Rechtsverkehrs: Eine Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit Sitz im Ausland, die am inländischen Rechtsverkehr teilnimmt, kann in Deutschland verklagt werden, auch wenn sie nach dem Recht ihres Sitzes nicht parteifähig ist, sofern sie nach deutschem Recht passiv parteifähig ist. Es gilt „der allgemeine Rechtsgedanke, dass Gebilde ohne Rechtspersönlichkeit, die im Rechtsverkehr wie juristische Personen auftreten, unter bestimmten Voraussetzungen als solche wenigstens verklagt werden können, dann nämlich, wenn Erfordernisse des redlichen Geschäftsverkehrs dies verlangen“.12 2206 Aus den gleichen Gründen ist aus inländischer Sicht die Parteifähigkeit der juristischen Person trotz Erlöschens im Sitzstaat als noch vorhanden zu betrachten, solange sich im Inland noch Vermögen befindet. Beispiel: Eine Corporation nach dem Recht von Liberia bleibt trotz Verlustes ihrer Rechtsfähigkeit nach dem Gesellschaftsstatut in Deutschland bis zur voll-
9Grasmann, System des internationalen Gesellschaftsrechts, 1970, 478 Rz. 860. 10 LG Frankfurt a.M. und OLG Frankfurt IPRax 1982, 201. 11 Art. 12 EGBGB betrifft – soweit überhaupt via § 50 ZPO anwendbar – nur natürliche Personen. 12 BGH vom 28.1.1960, NJW 1960, 1204 = MDR 1960, 665 = RIW 1960, 155 = WM 1960, 662 = IPRspr. 1960–1961 Nr. 186. Ausführliche Analyse des BGH-Ansatzes bei Furtak, Die Parteifähigkeit in Zivilverfahren mit Auslandsberührung, 1995, 132 ff. Zu § 53 I 1 KWG LAG Frankfurt/M. vom 28.3.1994, ZIP 1994, 1626 (Trunk 1586) = EWiR 1994, 967 (Windbichler) = KTS 1995, 60 = IPRspr. 1994 Nr. 63.
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Parteifähigkeit ständigen Beendigung ihrer Liquidation aktiv und passiv parteifähig, solange sie in Deutschland noch Vermögen hat.13 Das Gleiche gilt für die passive Parteifähigkeit bei Sitzverlegung nach Deutschland.14 Ist für die inländische Zweigstelle eines ausländischen Kreditinstituts vom Bun- 2207 desaufsichtsamt für das Kreditwesen ein Abwickler bestellt, dann ist das Kreditinstitut für den Geschäftsbereich des Abwicklers parteifähig, ohne Rücksicht darauf, wie sich die Rechtslage nach dem maßgeblichen ausländischen Recht darstellt.15 3. Bestimmung des Personalstatuts juristischer Personen und Personenvereinigungen nach der Sitztheorie außerhalb des Anwendungsbereichs der Niederlassungsfreiheit des EG-Vertrages und des EWR-Abkommens Das deutsche internationale Gesellschaftsrecht stellt bei juristischen Personen für die Frage der Rechtsfähigkeit auf den Sitz der (tatsächlichen) Hauptverwaltung ab (Sitztheorie)16, d.h. auf das Recht, das am Ort des effektiven Verwaltungssitzes gilt.17 Dies ist der Ort, wo die Geschäftsführung bzw. die dazu 13 OLG Stuttgart vom 18.3.1974, NJW 1974, 1627 (Cohn NJW 1975, 499) = IPRspr. 1974 Nr. 7. 14 OLG Nürnberg vom 7.6.1984, RIW 1985, 494 = IPRax 1985, 342 (Rehbinder 324) = IPRspr. 1984 Nr. 120. Dazu Furtak, Die Parteifähigkeit in Zivilverfahren mit Auslandsberührung, 1995, 134 und kritisch Knobbe-Keuk ZHR 154 (1990), 336. 15 Ebenso für Klage auf Grundbuchberichtigung gegen liechtensteinische „Briefkastenfirma“, wenn diese in deutschem Grundbuch eingetragen ist, BGH vom 21.3.1986, BGHZ 97, 269 = NJW 1986, 2194 = MDR 1986, 743 = JZ 1986, 651 = RIW 1986, 822 = ZIP 1986, 643 = WM 1986, 641 = IPRspr. 1986 Nr. 19. Hierzu Furtak, Die Parteifähigkeit in Zivilverfahren mit Auslandsberührung, 1995, 133. 16 Zu der (bevorstehenden) Reform des deutschen internationalen Gesellschaftsrechts in Richtung Anknüpfung an das Gründungsrecht Sonnenberger (Hrsg.), Vorschläge und Berichte zur Reform des europäischen und deutschen Gesellschaftsrechts, 2007; Erman/Hohloch, BGB12, 2008, Art. 37 EGBGB Anh. II Rz. 29. 17 BGH vom 30.1.1970, BGHZ 53, 183 = MDR 1970, 403 = DNotZ 1970, 290 = NJW 1970, 998 = IPRspr. 1970 Nr. 7; BGH vom 5.11.1980, BGHZ 78, 318, 334 = IPRspr. 1980 Nr. 41; BGH vom 21.3.1986, BGHZ 97, 269 = NJW 1986, 2194 = RIW 1986, 822 = IPRspr. 1986 Nr. 19; BFH vom 13.11.1991, RIW 1992, 338 = GmbHR 1992, 315 = IPRspr. 1991 Nr. 26; BFH vom 12.6.1995, RIW 1996, 85 (H. Braun) = BB 1995, 2099 (Schuck) = DStR 1995, 1191 = IPRspr. 1996 Nr. 20; BayObLG vom 7.5.1992, RIW 1992, 674; OLG Hamburg vom 20.2.1986, NJW 1986, 2199 = IPRspr. 1986 Nr. 18; OLG Hamm vom 4.10.1996, RIW 1997, 237 = IPRax 1998, 358 (Bungert 339) = IPRspr. 1996 Nr. 23; KG vom 11.2.1997, NJW-RR 1997, 1127 = RIW 1997, 597 = DZWiR 1997, 332 (Thümmel) = GmbHR 1997, 708 = IPRax 1998, 360 (Bungert 339) = IPRspr. 1997 Nr. 19; OLG Brandenburg vom 29.7.1998, NJW-RR 1999, 543 = IPRspr. 1998 Nr. 23; BayObLG vom 26.8.1998, BayObLGZ 1998, 195 = RIW 1998, 966 = IPRax 1999, 364 (Behrens 323) = IPRspr. 1998 Nr. 24, OLG Düsseldorf vom 10.9.1998, JZ 2000, 203 (Ebke) = IPRspr. 1998 Nr. 25; LG Marburg vom 17.9.1992, NJW-RR 1993, 222 = RIW 1994, 63 = IPRspr. 1992 Nr. 26; OLG Zweibrücken vom 20.10.2000, NJW-RR 2001, 341 = RIW 2001, 373 = ZIP 2000, 2172 = NZI 2001, 32 = EWiR 2001, 233 (Paulus) = KTS 2001, 131 = IPRspr. 2000 Nr. 15; OLG München vom 12.9.2002, ZIP 2002, 2132. Nachweise bei Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 4 Rz. 19; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1995, 197 ff. Siehe auch unten Fußn. 66.
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Siebenter Teil: Parteien und ihre Vertreter berufenen Vertretungsorgane tätig werden.18 Es handelt sich um eine Gesamtverweisung.19 Verweist das Sitzrecht auf den Gründungsstaat (Registerstaat), so ist diese Verweisung zu beachten.20 2209 Beispiel A: Eine auf den niederländischen Antillen inkorporierte NV mit faktischem Sitz in London ist rechts- und parteifähig, da das englische Recht von der Gründungstheorie ausgeht und daher auf das Recht der niederländischen Antillen verweist.21 Beispiel B: Limited partnership kanadischen Rechts mit faktischem Sitz in der Schweiz. Art. 154 I IPR-Gesetz folgt der Gründungstheorie.22 Beispiel C: Eine nach dem Recht von Panama errichtete Gesellschaft hat ihren Verwaltungssitz in Genf23 oder Luxemburg.24 2210 Anders war es vor dem Beitritt des Fürstentums Liechtenstein zum EWR-Abkommen am 1.5.1995 bei einer liechtensteinischen Briefkastenfirma mit faktischem Sitz in München.25 Das deutsche Recht verweist nach der Sitztheorie nicht auf das liechtensteinische Recht. Fazit: Die liechtensteinische Gesellschaft war nach diesem Ansatz im Prinzip nicht aktiv parteifähig, gleichwohl aber passiv parteifähig, aus den oben Rz. 2204 genannten Gründen. Die Rechtsverfolgung gegen die als juristische Person sich gerierende Vermögensmasse wäre unnötig erschwert, wenn man ihr die passive Parteifähigkeit abspräche. Das EWR-Abkommen (Rz. 2215d) garantiert – ebenso wie der EG-Vertrag (Art. 48 in Verbindung mit Art. 43) in Art. 31 in Verbindung mit Art. 34 die Niederlassungsfreiheit.26 Daher muss Deutschland – 18 OLG Hamm vom 4.10.1996, RIW 1997, 236, 237 = IPRax 1998, 358 (Bungert 339)= IPRspr. 1996 Nr. 23b zu einer Cayman Islands Company. 19 Kindler in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, IntGesR (Bd. 11), Rz. 484 ff. 20 BGH vom 2.12.2004, TranspR 2005, 74 = IPRspr. 2004 Nr. 17; BGH vom 30.6.1965, NJW 1965, 1666 = IPRspr. 1964–1965 Nr. 4; LG Frankfurt a.M. vom 29.1.1982, IPRax 1982, 201 = IPRspr. 1982 Nr. 10; BAG vom 5.12.1966, BAGE 19, 164 = IPRspr. 1966–1967 Nr. 51; BayObLG vom 18.7.1985, BayObLGZ 1985, 272, 279 = RIW 1986, 295 = IPRspr. 1985 Nr. 214; BayObLG vom 21.3.1986, BayObLGZ 1986, 61, 67 = IPRax 1986, 368 (Großfeld 351) = NJW 1986, 3029 (Riegel 2999) = RIW 1986, 548 = IPRspr. 1986 Nr. 20; Furtak, Die Parteifähigkeit in Zivilverfahren mit Auslandsberührung, 1995, 87 ff., 90; Rindisbacher, Anerkennung gesellschaftsrechtlicher Gebilde im internationalen Privatrecht, 1996. Dagegen Sandrock/Austmann RIW 1989, 249. Enger auch Soergel/Lüderitz, BGB12, Bd. 10, 1996, vor Art. 7 EGBGB Rz. 267. Siehe auch Siehr, Internationales Privatrecht – Deutsches und europäisches Kollisionsrecht, 2001, 311. 21 Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht, 1985, 73. 22 Nachweise bei Rindisbacher, Anerkennung gesellschaftsrechtlicher Gebilde im Internationalen Privatrecht, 1996; siehe auch LG Hamburg vom 12.2.1986, IPRspr. 1986 Nr. 17 und LG Weiden vom 27.10.1995, NJW-RR 1996, 438 = IPRspr. 1995 Nr. 35. 23 OLG Frankfurt vom 24.4.1990, IPRax 1991, 403 (Großfeld/König 379). 24 OLG Jena vom 17.12.1997, IPRax 1998, 364 (Bechtel 348) = DB 1998, 1178 = IPRspr. 1997 Nr. 22. 25 BFH vom 23.6.1992, RIW 1992, 867 (Ebenroth/Auer 998) = IPRax 1993, 248 (Großfeld/ Luttermann 229) = GmbHR 1993, 184 = DB 1992, 2067 (Knobbe-Keuk) = EWS 1992, 315 = IPRspr. 1992 Nr. 24; LG Rottweil vom 8.1.1985, IPRax 1986, 110 (von der Seipen 91) = IPRspr. 1985 Nr. 20. 26 Der EFTA-Gerichtshof betont in ständiger Rechtsprechung, dass die Niederlassungsfreiheit nach dem EWR-Abkommen den gleichen Inhalt hat wie nach dem EG-Vertrag,
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Parteifähigkeit auf der Basis der Rechtsprechung des EuGH spätestens nach der Überseering- und der Inspire Art-Entscheidung – die Rechts- und Parteifähigkeit der liechtensteinischen Gesellschaften und juristischen Personen anerkennen, die nicht ihren tatsächlichen Verwaltungssitz im Fürstentum Liechtenstein haben.27 Im Übrigen ist – auch außerhalb des EG- und EWR-Bereichs und des Anwendungsbereichs des deutsch-amerikanischen Freundschaftsvertrags28 – die Problematik weitgehend dadurch entschärft, dass der BGH der Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Rechts- und damit auch die Parteifähigkeit zugebilligt und diese Doktrin zur Entschärfung der Sitztheorie eingesetzt hat; er qualifiziert einfach nach der strengen Sitztheorie als juristische Personen nicht anerkennungsfähige ausländische Gebilde seit seinem Jersey-Urteil29 zu Personengesellschaften um30, Rz. 2215n. Daher ist in den meisten Fällen nunmehr auch die aktive Parteifähigkeit der im Ausland gegründeten und registrierten juristischen Person mit Verwaltungssitz in Deutschland zu bejahen, da nach deutschem Recht zumindest eine rechts- und damit auch parteifähige Personengesellschaft (§ 14 II BGB) gegeben ist.31 Einer englischen Non Resident Limited, die nur formell in England gegründet 2210a und registriert ist, aber in Wahrheit ihre Geschäftstätigkeit in Deutschland – mit oder ohne Zweigniederlassung – entfaltet, fehlte vor der neuen Rechtsprechung des EuGH (Rz. 2215b) bzw. des BGH die Parteifähigkeit.32 Ihr „Direktor“ haftet analog § 11 II GmbHG.33
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EFTA-GH Slg. 1988, 205 Rz. 21 – Rainford-Towning; Slg. 2000–2001, 123 Rz. 7 – Brändle; Slg. 2000–2001, 163 Rz. 7 – Mangold; Slg. 2000–2001, 203 Rz. 7 – Tschannett. OLG Frankfurt vom 28.5.2003, IPRax 2004, 56 (Baudenbacher/Buschle 26) = IPRspr. 2003 Nr. 16. Umfangreiche Nachweise bei Kaulen, Zur Bestimmung des Anknüpfungsmoments unter der Gründungstheorie unter besonderer Berücksichtigung des deutsch-US-amerikanischen Freundschaftsvertrages, IPRax 2008, 389. BGH vom 1.7.2002, BGHZ 151, 204 = NJW 2002, 3539 = RIW 2002, 877 = WM 2002, 1929 = IPRax 2003, 62 (Kindler 41) = MDR 2002, 1382 (Haack) = BB 2002, 2031 (Gronstedt) = NZG 2002, 1009 = ZIP 2002, 1763 = GmbHR 2002, 1021 = IPRspr. 2002 Nr. 18. Hierzu Bayer BB 2003, 2357, 2362; Goette DStR 2002, 1678; Kindler IPRax 2003, 41; Leibke/Hoffmann DB 2002, 2203. Hierzu ausführlich Binz/Gerd Mayer BB 2005, 2361. BGH vom 1.7.2002, BGHZ 151, 204 = NJW 2002, 3539 = RIW 2002, 877 = WM 2002, 1929 = IPRax 2003, 62 (Kindler 41) = MDR 2002, 1382 (Haack) = BB 2002, 2031 (Gronstedt) = ZIP 2002, 1763 = GmbHR 2002, 1021 = NZG 2002, 1009 = IPRspr. 2002 Nr. 18. Hahn/Swoboda GmbHR 1984, 85; LG Köln vom 25.11.1985, RIW 1987, 54 = IPRspr. 1985 Nr. 23; ebenso für irische Limited LG Potsdam ZIP 1999, 2021. Anderer Auffassung OLG Frankfurt RIW 1999, 783 und OLG Frankfurt vom 23.6.1999, RIW 2000, 56 (Borges 167) = ZIP 1999, 1710 = IPRax 2001, 132 (Thorn 102) = IPRspr. 1999 Nr. 18, wenn die Gesellschaft überhaupt keinen tatsächlichen Verwaltungssitz hat. Der BGH (Beschluss vom 29.1.2001 – II ZR 383/99, IPRspr. 1999 Nr. 18 Fußn.1) hat die Revision nicht angenommen, „da der Klägerin in Deutschland jedenfalls den Status einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zuzuerkennen war; als solche besitzt sie für ihre im Geschäftsverkehr begründeten Rechte und Pflichten Rechts- und Parteifähigkeit“. Staudinger/Ebke/Großfeld, Internationales Gesellschafts- und Unternehmensrecht, Neubearbeitung 2008, Rz. 341.
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Siebenter Teil: Parteien und ihre Vertreter Die Verlegung des effektiven Verwaltungssitzes ins Ausland führte vor der Reform des GmbH-Rechts durch das Gesetz vom 23.10.200834 (Rz. 2215m) zur Auflösung einer nach deutschem Recht gegründeten Gesellschaft bzw. juristischen Person.35 Anders ist es nur dann, wenn sowohl das Recht des Gründungsstaates und das Recht am Sitz der neuen (effektiven) Verwaltung den Fortbestand der Rechtsfähigkeit bejahen. Dann ist dies auch aus deutscher Sicht zu respektieren.36 Für die Parteifähigkeit einer Personenhandelsgesellschaft (offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, partnership) ist das Recht am Ort der tatsächlichen Geschäftsführung maßgebend.37 2210b
Es besteht eine Vermutung, dass eine nach ausländischem Recht wirksam gegründete Gesellschaft ihren effektiven Verwaltungssitz im Ausland hat; diese Vermutung ist aber z.B. bei einer Non Resident Limited Company widerlegt.38
34 BGBl. I 2026. 35 BGH vom 11.7.1957, BGHZ 25, 134, 144; BayObLG vom 7.5.1992, BayObLGZ 1992, 113; KG ZIP 1997, A 44 Nr. 113; OLG Düsseldorf vom 26.3.2001, BB 2001, 901 (Emde) = IPRspr. 2001 Nr. 14; BayObLG vom 11.2.2004, BayObLGZ 2004, 24; Bungert RIW 1999, 109, 110. Dies gilt auch innerhalb der Europäischen Union. Art. 52, 54, 58 EGV stehen nach herrschender Meinung nicht entgegen, OLG Hamm vom 30.4.1997, NJW-RR 1998, 615 = RIW 1997, 874 = IPRax 1998, 363 (Bechtel 348) = ZIP 1997, 1696 (Neye) = EWS 1998, 470 (Kruse 444) = WiB 1997, 1242 (Mankowski) = EuZW 1998, 31 = IPRspr. 1997 Nr. 20. Zur Erleichterung der EU-weiten Niederlassung hat die Kommission einen „Vorschlag für eine Vierzehnte Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Verlegung des Sitzes einer Gesellschaft in einen anderen Mitgliedstaat mit Wechsel des für die Gesellschaft maßgeblichen Rechts“ vorgelegt. Text mit Begründung ZIP 1997, 1721. Diese Richtlinie hält Bechtel IPRax 1998, 348 für überflüssig, weil er bereits de lege lata eine grenzüberschreitende Sitzverlegung nach Deutschland für möglich hält. Weitere Nachweise auch bei Gillessen, Europäische transnationale Sitzverlegung und Fusion im Vereinigten Königreich und Irland, 2000. 36 OLG Jena IPRax 1998, 364 (Bechtel 348): Sitzverlegung von Panama nach Luxemburg. 37 OLG Frankfurt vom 11.7.1985, IPRax 1986, 373 (Ahrens 355) = IPRspr. 1985 Nr. 21; Kegel/Schurig, IPR9, 2004, § 17 III. Zur (fehlenden) Parteifähigkeit einer (spanischen) Wohnungseigentümergemeinschaft OLG Koblenz vom 17.10.1985, RIW 1986, 137 = IPRspr. 1985 Nr. 22. 38 OLG Oldenburg vom 4.4.1989, NJW 1990, 1422 = RIW 1990, 1019 = IPRspr. 1989 Nr. 26; vgl. auch KG vom 13.6.1989, NJW 1989, 3100 = RIW 1990, 496 = IPRspr. 1989 Nr. 29; KG vom 26.8.1997, NJW-RR 1998, 447 = IPRspr. 1997 Nr. 21; hierzu Michaels ZEuP 1999, 197; LG Stuttgart vom 31.7.1989, IPRax 1991, 118 (Fischer 100) = IPRspr. 1989 Nr. 30. Großzügiger LG Weiden vom 27.10.1995, NJW-RR 1996, 438 = IPRspr. 1995 Nr. 35: Ausreichend seien 4 bis 5 Sitzungen pro Jahr, auf denen die Geschäftspolitik und das zukünftige geschäftliche Engagement der Limited Company besprochen wird. Vgl. auch LG Traunstein vom 9.2.1998, IPRspr. 1998 Nr. 21. Zur Behauptungs- und Beweislast hinsichtlich des faktischen Sitzes/Verwaltungssitzes BGH vom 21.3.1986, BGHZ 97, 269 = NJW 1986, 2194 = RIW 1986, 822 = IPRspr. 1986 Nr. 19; OLG München vom 6.5.1986, NJW 1986, 2197 = RIW 1986, 820 = IPRspr. 1986 Nr. 21; OLG Hamm vom 4.10.1996, RIW 1997, 236, 237 = IPRax 1998, 358 (Bungert 339) = IPRspr. 1996 Nr. 23b; KG vom 11.2.1997, IPRax 1998, 360, 361 (Bungert 339) = DZWiR 1997, 332 (Thümmel) = IPRspr. 1997 Nr. 19. Zur (aktiven) Parteifähigkeit einer nach niederländischem Recht
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Parteifähigkeit Eine ausländische juristische Person, welche im Inland die Zwangsvollstreckung betreibt, ist für die Voraussetzungen ihrer Parteifähigkeit (insbesondere für den Sitz ihrer effektiven Verwaltung), darlegungs- und beweispflichtig.39 Umgekehrt gilt das Gleiche für den Wegfall der Parteifähigkeit wegen Statutenwechsels.40 Existiert der Staat nicht, nach dessen Gesetzen ein als juristische Person auftretendes Gebilde nach eigenen Angaben gegründet sein soll, so ist erfahrungsgemäß davon auszugehen, dass dieses Gebilde in keinem Staat seinen Hauptsitz hat und als juristische Person nicht besteht.41
2210c
Der ordre public (Art. 6 EGBGB) kann zur Anwendung kommen, wenn das Haf- 2210d tungskapital extrem niedrig ist.42 § 56 I ZPO verpflichtet die deutschen Gericht nicht, in jedem Rechtsstreit von Amts wegen eine umfassende Prüfung aller Prozessvoraussetzungen vorzunehmen. Steht bei einer juristischen Person außer Frage, dass sie ursprünglich rechtsund parteifähig (§ 50 I ZPO) war, so ist vom Fortbestand dieser Eigenschaft auszugehen, es sei denn, dass hinreichende Anhaltspunkte für das Gegenteil gegeben sind. Eine beklagte Partei, die behauptet, sie habe ihre Rechts- und Parteifähigkeit inzwischen verloren, muss daher Tatsachen darlegen, aus denen sich ausreichende Anhaltspunkte für die Richtigkeit dieser Behauptung ergeben. Die Behauptung, die Gesellschaft sei schon vor Jahren liquidiert worden, reicht nicht aus.43
2210e
Verliert die beklagte juristische Person während des Prozesses ihre Parteifähig- 2210f keit, so ist die ursprünglich zulässige Klage nicht durch Prozessurteil kostenpflichtig als unzulässig abzuweisen.44 Vielmehr ist die Hauptsache erledigt; über die Kostentragung ist nach § 91a ZPO zu entscheiden. 4. Völkerrechtssubjekte Ausländische Staaten sind in Deutschland aktiv parteifähig, auch wenn sie von 2211 Deutschland nicht anerkannt sind, Rz. 565. Die Zuerkennung der aktiven Partei-
39 40
41 42 43 44
gegründeten Stiftung islamischen Rechts OLG Köln vom 30.4.1999, OLGR Köln 1999, 377 = IPRspr. 1999 Nr. 16. LG Mainz vom 7.10.1996, Rpfleger 1997, 178 = IPRspr. 1996 Nr. 24. Die Parteifähigkeit ist zwar in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen. Eine Präklusion wegen verspäteten Vorbringens kommt nicht in Betracht. Allerdings kommt eine Prüfung des Wegfalls der unstreitig ursprünglich vorhandenen Parteifähigkeit nur in Betracht, wenn hinreichende Anhaltspunkte vorliegen. Behauptet die beklagte Partei, sie habe die Rechts- und Parteifähigkeit (inzwischen) verloren, so muss sie Tatsachen vorlegen, aus denen sich ausreichende Anhaltspunkte für die Richtigkeit ihrer Behauptung ergeben, BGH vom 4.5.2004, MDR 2004, 1197. KG vom 26.8.1997, NJW-RR 1998, 447 = IPRspr. 1997 Nr. 21; hierzu Michaels ZEuP 1999, 197 („My Own Private Switzerland“). LG Hamburg vom 12.2.1986, IPRspr. 1986 Nr. 17. Anderer Auffassung OLG Hamburg vom 21.1.1987, RIW 1988, 816 = IPRspr. 1987 Nr. 10. BGH vom 4.5.2004, BGHZ 159, 94 = NJW 2004, 2523 = WM 2004, 1404 = MDR 2004, 1197 = ZIP 2004, 1662 = IPRspr. 2004 Nr. 143. So aber OLG Rostock vom 28.6.2001, ZIP 2001, 1590 = EWiR 2002, 171 (M. Vollkommer).
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Siebenter Teil: Parteien und ihre Vertreter fähigkeit45 steht nicht im Belieben der Staaten; diese gebietet vielmehr das allgemeine Völkergewohnheitsrecht.46 Die Staaten sind im Prinzip auch passiv parteifähig; jedoch wird dies faktisch durch die Immunitätsregeln (Rz. 578) relativiert, wobei aber passive Parteifähigkeit kraft Völkerrechts und Immunität klar zu unterscheiden sind. Das Gleiche gilt für internationale Organisationen, soweit Deutschland Mitgliedstaat ist. Andernfalls ist streitig, ob nur relative Völkerrechtssubjektivität (im Verhältnis zu Mitgliedstaaten) ausreichend ist.47 5. Juristische Personen des öffentlichen Rechts 2212 Auch juristische Personen des öffentlichen Rechts steht der Zugang zu den deutschen Gerichten grundsätzlich offen, Rz. 1976. 6. Inländische Niederlassungen ausländischer Gesellschaften 2213 Inländische Niederlassungen ausländischer Gesellschaften sind wegen ihrer rechtlichen Unselbständigkeit (anders als bei selbständiger Tochtergesellschaft, z.B. deutsche GmbH) nicht selbst parteifähig. Partei ist vielmehr die ausländische Gesellschaft, Rz. 2003. Maßgeblich ist deren Gesellschaftsstatut. Zur Zustellung an die Niederlassung Rz. 2110. 7. Spaltgesellschaften 2214 Eine (nach Enteignung) in Deutschland verbliebene „Restgesellschaft“, die früher ihren Sitz im Ausland hatte,48 betrachten wir konsequenterweise als parteifähig. Das Gleiche gilt z.B. für englische private limited companies, die im Gesellschaftsregister des Companies House wegen Nichterfüllung ihrer Publizitätspflichten gelöscht worden sind.49
45 Hierzu auch Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006, 364; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 4 Rz. 26. 46 Kren Kostkiewicz, Staatenimmunität im Erkenntnis- und im Vollstreckungsverfahren nach schweizerischem Recht, 1998, 482. 47 Hofmann NJW 1988, 586 Fußn. 5. Dezidiert jedoch Wenckstern in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. II/1, 1994, Kap. I Rz. 90 (S. 30): „Insgesamt gesehen ist damit die Rechtsfähigkeit wohl sämtlicher internationaler Organisationen in der Bundesrepublik Deutschland gewährleistet, sofern sie nur in irgendeinem anderen Staat rechtsfähig sind.“ Vgl. auch Pfeiffer, Die Rechtskontrolle von Organen der Staatengemeinschaft: Internationale Organisationen und ihre Rechtsgeschäfte mit Privaten, 42 (2007), 93, 100; Kegel/Schurig, IPR9, 2004, § 17 II 3b. 48 BGH vom 30.9.1991, RIW 1991, 1041. Hierzu auch Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006, 341. Zur Theorie der Restgesellschaft weitere Nachweise bei OLG Thüringen vom 22.8.2007, RIW 2007, 864, 865 (Röder). 49 Das in Deutschland gelegene Vermögen der Limited fällt nicht nach Art. 654 ff. Companies Act der englischen Krone an, OLG Thüringen vom 22.8.2007, RIW 2007, 864 (Röder).
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Parteifähigkeit 8. Deutsch-amerikanischer Freundschaftsvertrag und deutsch-spanisches Investitionsschutzabkommen In Art. XXV (5) des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages mit den USA wird die Gründungstheorie anerkannt;50 ebenso z.B. im deutsch-spanischen Investitionsschutzabkommen.51
2215
9. Bedeutung von Art. 43, 48 EG-Vertrag und Art. 31, 34 EWR-Abkommen Das zur Ausführung des Art. 293 (ex 220) EGV geschlossene Übereinkommen 2215a vom 29.2.1968 über die gegenseitige Anerkennung von Gesellschaften und juristischen Personen52 ist wegen der Verweigerung der Ratifikation durch die Niederlande seinerzeit gescheitert. Doch auch ohne staatsvertragliche Regelung sind Deutschland und die anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union aufgrund Art. 49, 54 AEUV/Art. 43, 48 EGV verpflichtet, nach dem Recht eines anderen EG-Staates gegründete juristische Personen vorbehaltlos als rechts- und damit auch als parteifähig anzuerkennen.53 Es verstößt gegen Gemeinschafts- bzw. künftig Unionsrecht, wenn einer Gesellschaft, die nach dem Recht des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet sie ihren satzungsmäßigen Sitz hat, gegründet worden ist und von der nach dem Recht eines anderen Mitgliedstaats angenommen wird, dass sie ihren tatsächlichen Sitz dorthin verlegt hat, in diesem Mitgliedstaat die Rechtsfähigkeit und damit die Parteifähigkeit vor seinen nationalen Gerichten für das Geltendmachen von Ansprüchen aus einem Vertrag mit einer in diesem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft abgesprochen wird.54 50 BGH vom 29.1.2003, BGHZ 153, 353 = NJW 2003, 1607 = IPRax 2003, 265 (Behrens 193; Weller 324) = ZIP 2003, 720 = BB 2003, 810 (Kindler) = EWiR 2003, 661 (Mankowski) = IPRspr. 2003 Nr. 10; OLG Düsseldorf vom 4.5.1995, NJW-RR 1995, 1184 = IPRspr. 1995 Nr. 18; BGH vom 5.7.2004 RIW 2004, 787 (Ebke 740) = IPRax 2005, 339 (Stürner 305) = IPRspr. 2004 Nr. 15; BGH vom 13.10.2004, RIW 2005, 147 (Paal 735) = BB 2004, 2595 (Elsing 2596) = ZIP 2004, 2230 = IPRax 2005, 340 (Stürner 305) = IPRspr. 2004 Nr. 16. Anderer Auffassung (für Sitztheorie) Berndt JZ 1996, 187. Zum gleichen Ergebnis (Nichtanerkennung) kommt OLG Düsseldorf vom 15.12.1994, WM 1995, 808 = ZIP 1995, 1009 (Ebenroth/Kemner/Willburger) durch Anwendung des ordre public. Weitere Nachweise und Vorschläger zur Konkretisierung der Gründungstheorie bei Kaulen, Zur Bestimmung des Anknüpfungsmoments unter der Gründungstheorie – unter besonderer Berücksichtigung des deutsch-US-amerikanischen Freundschaftsvertrags, IPRax 2008, 389. 51 Ebenroth/Auer RIW 1992, Beil. 1 zu Heft 3. Siehe auch Bungert WM 1995, 2125 und Steiger RIW 1999, 169. Angesichts der Rechtsprechung des EuGH zur Niederlassungsfreiheit (Art. 43, 48 EGV, Rz. 2215a) dürfte dem deutsch-spanischen Abkommen keine große praktische Bedeutung im Hinblick auf das Gesellschaftsstatut zukommen. 52 BGBl. 1972 II 370. 53 EuGH vom 5.11.2002, Rs C-208/00 Überseering BV/Nordic Construction Company Baumanagement GmbH (NCC) RIW 2002, 945 (Leible/Hoffmann 925) = ZIP 2002, 967 (Eidenmüller 2233) = EWiR 2002, 1003 (Ney) = IPRax 2003, 65 (Wulf-Henning Roth 117; Berends 193). 54 Hierzu siehe auch die Stellungnahmen bei Sonnenberger, Vorschläge und Berichte zur Reform des europäischen und deutschen internationalen Gesellschaftsrechts – vorgelegt im Auftrag der zweiten Kommission des Deutschen Rates für Internationales Privatrecht, Spezialkommission internationales Gesellschaftsrecht, 2007.
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Siebenter Teil: Parteien und ihre Vertreter Macht eine solche Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat von ihrer Niederlassungsfreiheit Gebrauch, so ist dieser andere Mitgliedstaat verpflichtet, die Rechtsfähigkeit und damit die Parteifähigkeit zu achten, die diese Gesellschaft nach dem Recht ihres Gründungsstaats besitzt.55 2215b
Spätestens seit Inspire Art56 – richtigerweise schon seit Centros57 – hat der EuGH jeder Beschränkung der Zuzugsmöglichkeit von Gesellschaften, die in der Europäischen Union errichtet wurden, eine eindeutige Absage erteilt.58 Auch für Scheinauslandsgesellschaften gilt – im Anwendungsbereich des EG- und des EWR-Vertrages – nur noch die Gründungstheorie: Sie müssen EU- bzw. EWRweit nach dem Organisationsrecht ihres Gründungsstaates, z.B. als private company limited by shares etc., anerkannt werden und können unter ihrer Original55 Hierzu BayObLG vom 19.12.2002, BayObLG 2002, 413 = IPRax 2003, 244 (Behrens 193) = NZG 2002, 290 (Leible/Hoffmann) = ZIP 2003, 398 = IPRspr. 2002 Nr. 23; Zimmer BB 2003, 1; Lutter BB 2003, 7. Umfangreiche Nachweise bei Stork, Sitzverlegungen von Kapitalgesellschaften in der Europäischen Union: Zur Reichweite der Niederlassungsfreiheit unter Berücksichtigung der positiven und negativen Integration, 2003. Die Entscheidung erging aufgrund des Vorlagebeschlusses des BGH vom 30.3.2000, RIW 2000, 555 = EuZW 2000, 412 = ZIP 2000, 967 = BB 2000, 1106 = GmbHR 2000, 715 (Meilicke 693) = IPRspr. 2000 Nr. 13; hierzu Anträge des Generalanwalts Colomer ZIP 2002, 75 sowie Forsthoff BB 2002, 318. Schlussentscheidung: BGH vom 13.3.2003, BGHZ 154, 185 = NJW 2003, 1461 = NZG 2003, 431 = MDR 2003, 825 = IPRax 2003, 344 (Weller 324) = ZIP 2003, 718 (Leible/Hoffmann 925) = IPRspr. 2003 Nr. 13. Ohne Bedenken weiterhin für Sitztheorie und damit überholt durch die EuGH-Rechtsprechung OLG Brandenburg vom 31.5.2000, RIW 2000, 798 = IPRspr. 2000 Nr. 14; OLG Zweibrücken vom 20.10.2000, RIW 2001, 373 = IPRspr. 2000 Nr. 15. Siehe auch Forsthoff, Abschied von der Sitztheorie, BB 2002, 318 sowie die umfangreichen Nachweise bei Rammeloo, Corporations in Private International Law – A European Perspective, 2001 sowie bei Furrer, Zivilrecht im gemeinschaftsrechtlichen Kontext – Das Europäische Kollisionsrecht als Koordinierungsinstrument für die Einbindung des Zivilrechts in das europäische Wirtschaftsrecht, 2002, 297 ff. 56 EuGH vom 30.9.2003, Rs C-167/01, Kamer van Koophandel en Fabrieken voor Amsterdam/Inspire Art NJW 2003, 3331 (Zimmer 3585) = BB 2003, 2195 = GmbHR 2003, 1260 (Neilicke) = JZ 2004, 37 (Eidenmüller 24) = DNotZ 2004, 55 (Binge/Thölke 21) = RIW 2003, 957 (Spindler/Brenner) = IPRax 2004, 46 (Behrens) = ZIP 2003, 1885 (Ziemons) = EWiR 2003, 1029 (Drygala) = NZG 2003, 1100. Hierzu Altmeppen NJW 2004, 97; Bayer BB 2003, 2357, 2362; Geyrhalter/Gänßler DStR 2003, 2167; Kindler NZG 2003, 1086; Kleinert/Probst DB 2003, 2217; Leible/Hoffmann EuZW 2003, 677; Meilicke GmbHR 2003, 1271; Merkt RIW 2004, 1; Wachter GmbHR 2003, 1254 sowie 2004, 88; Weller DStR 2003, 1800. 57 EuGH vom 9.3.1999, Rs C-212/97 – Centros Ltd/Erhvervs- og Selskabsstyrelsen Slg. 1999 I-1459 = NJW 1999, 2027 (Kindler 1993) = EWS 1999, 140 = RIW 1999, 447 (Cascante) = EuZW 1999, 216 = DB 1999, 625 (Meilicke) = IPRax 1999, 360 (Behrens 323) = JZ 1999, 669 (Ebke 656; Ulmer 662) = NZG 1999, 298 (Leible); hierzu OLG Düsseldorf JZ 2000, 203 (Ebke) und österr. OGH vom 15.7.1999, JZ 2000, 199 (Mäsch); österr. OGH EuZW 2000, 256 (Höfling); Bayer BB 2003, 2357, 2360; Günther H. Roth ZIP 1999, 861; Sandrock BB 1999, 1337; Sedemund/Hausmann BB 1999, 810; Sonnenberger/Großerichter RIW 1999, 721; Höfling DB 1999, 1206; Thorn IPRax 2001, 102; Werlaff ZIP 1999, 867; Zimmer ZHR 2000, 23. 58 Zum folgenden ausführlich R. Geimer, Gesellschaften auf Wanderschaft in Europa, 2004.
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Parteifähigkeit Firma (z.B. Inspire Art Ltd.) ihre Geschäftstätigkeit ausüben. Insbesondere können sie wahlweise im Staat ihrer (tatsächlichen) Aktivitäten auch eine Zweigniederlassung nach Maßgabe der Zweigniederlassungsrichtlinie59 eintragen lassen.60 Die bisher herrschende Sitztheorie (Rz. 2208) hat der EuGH zugunsten der Gründungstheorie eliminiert für Gesellschaften und juristische Personen, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union registriert sind.61
2215c
Das Gleiche gilt für den EWR-Bereich. Das EWR-Abkommen garantiert – ebenso wie der EG-Vertrag (Art. 48 in Verbindung mit Art. 43) in Art. 31 in Verbindung mit Art. 34 die Niederlassungsfreiheit, Rz. 2210.62
2215d
Im Übrigen bleibt im Verhältnis zu dritten Staaten – außerhalb des Anwen- 2215e dungsbereichs von völkerrechtlichen Verträgen, welche ebenfalls die Gründungstheorie festschreiben, wie z.B. Art. XXV (5) 2 des deutsch-amerikanischen Freundschaftsvertrags63 oder eine Verpflichtung zur Inländergleichbehandlung, Meistbegünstigung64, Niederlassungsfreiheit oder sonstigen Schutz vor Diskriminierung vorsehen65 – derzeit noch die Sitztheorie (Rz. 2208) die maßgebliche kollisionsrechtliche Anknüpfung in Deutschland.66 Wie man de lege ferenda in den den nationalen Gesetzgebern noch verbliebenen Bereichen agieren wird, ist eine andere Frage.67 Innerhalb der Europäischen Union bzw. des Europäischen Wirtschaftsraums ist 2215f wiederum zwischen der Zuzugs- und Wegzugsperspektive zu unterscheiden. Die 59 ABl. EG Nr. L 395 vom 30.12.1989, S. 36. 60 Hierzu ausführlich Ringe, „Überseering im Verfahrensrecht“ – Zur den Auswirkungen der EuGH-Rechtsprechung zur Niederlassungsfreiheit von Gesellschaften auf das Internationale Zivilprozessrecht, IPRax 2007, 388. 61 Zu den weittragenden Konsequenzen dieser Rechtsprechung aus dem Blickwinkel des Gläubigerschutzes sehr eindringlich Bicker, Gläubigerschutz in der grenzüberschreitenden Konzerngesellschaft – Eine international-privatrechtliche Untersuchung am Beispiel der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland, 2007. 62 BGH vom 19.9.2005, NJW 2005, 3351 = ZIP 2005, 1869 = IPRspr. 2005 Nr. 7. 63 BGH vom 29.1.2003, IPRax 2003, 265 (Weller 324) = RIW 2003, 473 = ZIP 2003, 20 = DB 2003, 818 (Bungert 1043). 64 Hierzu Kindler in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, IntGesR (Bd. 11), Rz. 311 ff. 65 Vgl. BFH vom 29.1.2003, BB 2003, 1210 = RIW 2003, 627. Hierzu Spindler/Berner RIW 2003, 949, 956. 66 Binge/Thölke DNotZ 2004, 21, 28; OLG Hamburg vom 30.3.2007, BB 2007, 1519 (Binz/ Gerd Mayer), allerdings mit deutlichen Sympathien für einen „allgemeinen Übergang zur Gründungstheorie“. Dagegen will OLG Hamm vom 26.5.2006, BB 2006, 2487 (Wachter) = ZIP 2006, 1822 ganz offen die Rechts- und Parteifähigkeit einer schweizerischen AG auch nach dem Gründungsrecht beurteilen, weil nur dadurch der Grundsatz der Rechtssicherheit und -klarheit sowie die Einheitlichkeit der Anknüpfung im internationalen Gesellschaftsrecht gewahrt werden könne. Dagegen energisch BGH vom 27.10.2008, NJW 2009, 289. 67 Für Anwendung der Gründungstheorie auch im Verhältnis zu Drittstaaten Eidenmüller JZ 2003, 526, 528; Behrens IPRax 2003, 193, 206. Für Beibehaltung der Sitztheorie BGH a.a.O.; Ebke JZ 2003, 927, 930; Bayer BB 2003, 2357, 2364.
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Siebenter Teil: Parteien und ihre Vertreter Zuzugsfälle sind vom EuGH nun geklärt. Nach dem Centros-Urteil vom 9.3.1999 (Rz. 2215b) kann eine in einem anderen Mitgliedstaat gegründete und eingetragene Gesellschaft – auch wenn sie in diesem Staat keinerlei wirtschaftliche Aktivitäten entfaltet – in jedem anderen Mitgliedstaat eine Zweigniederlassung errichten und wirtschaftlich tätig werden. Der EuGH stellt im Ergebnis die Zweigniederlassung und die inländische Auslandsgesellschaft gleich. Damit verwirft er das Argument, die Zweigniederlassung der (englischen) Briefkastenfirma sei in Wirklichkeit deren Hauptniederlassung.68 Die Zweigniederlassungsrichtlinie komme daher nicht zur Anwendung. Eine Gesellschaft kann sich auch dann auf die Niederlassungsfreiheit berufen, wenn sie ihre Tätigkeit „ausschließlich oder nahezu ausschließlich im Mitgliedstaat der Niederlassung ausübt“; dabei sind die „Gründe, aus denen die Gesellschaft in dem anderen Mitgliedstaat errichtet wurde“, ohne Belang. 2215g Im Überseering-Urteil vom 5.11.2002 stellte der EuGH69 darüber hinaus klar, dass eine innerhalb der Europäischen Union gegründete Gesellschaft auch ihren faktischen Sitz in jeden anderen Mitgliedstaat verlegen kann, ohne ihre Rechtsund Parteifähigkeit nach dem Recht des Gründungsstaates zu verlieren. Die Sitztheorie darf also bei einem Zuzug nach Deutschland nicht mehr zur Verteidigung und Durchsetzung des eigenen deutschen Rechts, insbesondere Gesellschaftsrechts, eingesetzt werden, auch nicht in Form der Überlagerungstheorie.70 2215h
Die in den Niederlanden gegründete und dort nach wie vor registrierte Überseering BV hatte ihren tatsächlichen Verwaltungssitz nach Deutschland verlegt. Es ging darum, ob ihr deshalb die Anerkennung als juristische Person zu versagen und sie daher vor deutschen Gerichten als nicht rechts- und parteifähig zu behandeln sei. In seinem Vorlagebeschluss71 hatte der VII. Senat des Bundesgerichtshofs dargelegt, dass die von Überseering BV erhobene Zahlungsklage gegen einen Werkunternehmer, der mangelhaft gearbeitet hatte, wegen fehlender Parteifähigkeit 68 KG vom 18.11.2003, BB 2003, 2644 = ZIP 2003, 2297. Siehe auch OLG Zweibrücken vom 26.3.2003, RIW 2003, 542 = BB 2003, 864 = MDR 2003, 1363 (Haack) = IPRspr. 2003 Nr. 11 sowie Wachter GmbHR 2004, 88, 93. 69 EuGH vom 5.11.2002, Rs 208/00 – Überseering BV/Nordic Construction company Baumanagement GmbH Slg. 2002 I-9919 = RIW 2002, 945 = BB 2002, 2402 = NJW 2002, 3614 = JZ 2003, 947 (Ebke 927) = MDR 2003, 96 (Haack) = ZIP 2002, 2037 = DB 2002, 2425 = EWiR 2002, 1003 (Neye). Siehe auch Behrens IPRax 2003, 193; Kindler NJW 2003, 1073; Kindler in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, IntGesR (Bd. 11), Rz. 107; Leible/Hoffmann ZIP 2003, 925; Leible/Hoffmann NZG 2003, 259; Leible/Hoffmann RIW 2003, 925; Lutter BB 2003, 7; Paefgen WM 2003, 561; W.-H. Roth IPRax 2003, 117; Schulz NJW 2003, 2705; Schulz/Sester EWS 2002, 545; Weller IPRax 2003, 207, 324; Zimmer BB 2003, 1. 70 Bayer BB 2003, 2357, 2364; Behrens IPRax 2004, 20, 25. Das OLG Frankfurt vom 28.5.2003, IPRax 2004, 56 (Baudenbacher/Buschle 26) = IPRspr. 2003 Nr. 16 geht einen Schritt weiter und wendet die Grundsätze des Überseering-Urteils auch auf Gesellschaften an, die in einem (nicht zur EU gehörenden) EWR-Staat gegründet worden sind. 71 BGH vom 30.3.2000, IPRax 2000, 423 = ZIP 2000, 967 = RIW 2003, 474.
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Parteifähigkeit als unzulässig abzuweisen sei.72 Dieses Ergebnis folge aus der Anknüpfung des deutschen internationalen Gesellschaftsrechts an den Sitz der tatsächlichen Verwaltung. Dem widersprach der EuGH fundamental: Dass eine in einem anderen Mitglied- 2215i staat gegründete Gesellschaft nach Verlegung ihres Verwaltungssitzes nach Deutschland jedwede rechtliche Anerkennung vom Zuzugsstaat versagt werde, sie vielmehr unter Beachtung der deutschen Normen neu gegründet werden müsse und bis dahin als nicht existent angesehen werde, sei eine glatte Negierung der im EG-Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit. Hierfür gebe es keine Rechtfertigung. Denn auch zwingende Gründe des Gemeinwohls könnten in keinem Fall dazu führen, einer in einem anderen Mitgliedstaat wirksam gegründeten Gesellschaft die Rechts- und Parteifähigkeit abzusprechen.73 Fazit: Gesellschaften, die mit Billigung des Gründungsstaates aus diesem weg- 2215j und in einen anderen Mitgliedstaat ziehen, sind in vollem Umfang in allen anderen EU-Staaten anzuerkennen, und zwar sowohl hinsichtlich ihrer nach dem Gründungsstatut zu beurteilenden Rechts- und Parteifähigkeit, als auch hinsichtlich ihrer Prozessfähigkeit. Allerdings hält der EuGH Wegzugssperren des Gründungsstaates mit der Nie- 2215k derlassungsfreiheit des Gemeinschaftsrechts für vereinbar. In der Daily MailEntscheidung74 hat er dargelegt, „dass ein Mitgliedstaat die Möglichkeit hat, einer nach seiner Rechtsordnung gegründeten Gesellschaft Beschränkungen hinsichtlich der Verlegung ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes aufzuerlegen, damit sie die ihr nach dem Recht dieses Staates zuerkannte Rechtspersönlichkeit beibehalten kann.“75 Nach Ansicht der EuGH sind das Ob und Wie einer identitätswahrenden Sitz- 2215l verlegung nach dem nationalen Recht des Gründungsstaates zu beurteilen.76 Der Gründungsstaat kann mithin den Wegzug blockieren. Insofern kann er noch an der Sitztheorie festhalten.77 Daher steht die Niederlassungsfreiheit in der Interpretation von Daily Mail und Cartesio der Behinderung des Wegzugs durch den Gründungsstaat nicht entgegen. Dafür spricht prima vista, dass der Gründungsstaat die Voraussetzungen der Gründung der Gesellschaft und ihres Fortbestandes definieren darf.78 Daher muss er auch normieren dürfen, wann eine nach seinem Recht gegründete Gesellschaft als solche endet, d.h. nicht mehr existiert. Gesellschaften sind nämlich – anders als natürliche Personen – keine metajuristischen Phänomene, sondern juristische Geschöpfe, die einer bestimm-
72 So das Berufungsurteil des OLG Düsseldorf vom 10.9.1998, JZ 2000, 203 (Ebke). 73 Überseering Rz. 93: „Eine solche Maßnahme kommt nämlich der Negierung der den Gesellschaften in den Art. 43 EG und Art. 48 EG zuerkannten Niederlassungsfreiheit gleich“. 74 EuGH vom 27.9.1988, Slg. 1988, 5505 = NJW 1989, 2186 = RIW 1989, 304 = IPRax 1989, 381 (Behrens 354). Hierzu z.B. auch Bayer BB 2003, 2357, 2359. 75 Überseering Rz. 70. 76 Rz. 70 ff. 77 Eidenmüller ZIP 2002, 2233, 2242. 78 Zum folgenden sehr instruktiv Eidenmüller a.a.O. sowie JZ 2004, 24, 29.
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Siebenter Teil: Parteien und ihre Vertreter ten Rechtsordnung zuzuordnen sind und nur nach deren Maßgabe entstehen und vergehen. So sagt denn auch der EuGH in Daily Mail, dass eine nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründete Gesellschaft jenseits der Rechtsordnung, die ihre Gründung und Existenz regelt, keine Realität hat.79 Ähnlich formuliert z.B. Schön:80 „Wenn ein Mitgliedstaat seine eigenen ‚Geschöpfe‘ in ihrer zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit beschneidet, muss dies vom Gemeinschaftsrecht im Grundsatz hingenommen werden.“ Gleichwohl setzen Art. 43 und Art. 48 des EG-Vertrages bzw. Art. 31 und Art. 34 des EWR-Abkommens auch dem Recht des Gründungsstaats Schranken.81 Denn auf die durch das Gemeinschaftsrecht verbürgte Niederlassungsfreiheit kann sich eine einmal wirksam gegründete Gesellschaft auch gegenüber ihrem Gründungsstaat berufen.82 So weit will der EuGH derzeit (noch) nicht gehen. Beim „gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts“ könnten die Mitgliedstaaten es einer nach ihrem nationalen Recht gegründeten Gesellschaft verwehren, ihren Sitz in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen und dabei ihr Gründungsstatut beizubehalten, d.h. ihre Eigenschaft als Gesellschaft des nationalen Rechts des Mitgliedstaats, nach dessen Recht sie gegründet wurde.83 Allerdings gewährt der EuGH der wegziehenden Gesellschaft auf formwechselnde Sitzverlegung, d.h. sich in eine Gesellschaft nach dem nationalen Recht des Zuzugsstaats umzuwandeln, soweit dies nach diesem Recht möglich ist.84 Immerhin hat der
79 Daily Mail Rz. 19; Überseering Rz. 67, 81. Die englische Version ist prägnanter: „. . . a Company exists only by virtue of the national legalisation which determines its corporation and functioning.“ Hierzu Zimmer BB 2003, 1, 2. 80 Schön in Festschrift Lutter, 2000, 685, 702, 703. 81 Generalanwalt Colomer wollte in seinen Schlussanträgen (ZIP 2002, 75 = BB 2002, 326 [Forsthoff 318]) sub Rz. 26 den Regelungsspielraum des Gründungsstaates sogar sehr eng begrenzen. 82 Eidenmüller ZIP 2002, 2233, 2243: „Der Gründungsstaat kann mit einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft nicht einfach machen, was er will. Wegzugsbeschränkungen (einschließlich eines Statutenwechsels anlässlich bei Wegzug) sind Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit . . . rechtfertigungsbedürftig. Allerdings sind die Maßstäbe dafür nicht die gleichen wie im Zuzugsfall: Aufgrund der Freiheit der Entscheidung, überhaupt eine bestimmte Gesellschaftsform zuzulassen und die Gründungsvoraussetzungen zu bestimmen, muss der Gründungsstaat auch eine größere Freiheit als der Zuzugsstaat besitzen, wenn es um Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit durch einen intendierten Wegzug geht. Zudem können sich die Gründer bei der Gesellschaftsgründung das Gründungsrecht aussuchen und sich dementsprechend auch auf einschlägige Wegzugsbeschränkungen einstellen. Dies spricht dafür, dass jedes legitime Interesse des Gründungsstaates ausreicht, um eine bestimmte Wegzugsbeschränkung zu rechtfertigen“. 83 EuGH vom 13.12.2005, Rs C-411/03 – SEVIC Systems AG Slg. 2005, I-10805 = BB 2006, 11 = NJW 2006, 425 = IPRax 2006, 596 (Doralt 572) = ZIP 2005, 2311. 84 EuGH vom 16.12.2008, Rs C-210/06 – Cartesio, ZIP 2009, 24 = NJW 2009, 569 = NZG 2009, 61 = BB 2009, 11 = EWiR 2009, 141 (Schulz/Schröder). Hierzu Leible/Hoffmann BB 2009, 58; Kieninger EWS 2008, 297; Zimmer/Naendrupp NJW 2009, 545. Vorlage des Regionalgerichts Szeged; hierzu Neye EWiR 2006, 459. Schmidtbleicher, Verwaltungssitzverlegung deutscher Kapitalgesellschaften im Europa: „Sevic“ als Leitlinie für „Cartesio“?, BB 2007, 613.
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Parteifähigkeit EuGH schon die grenzüberschreitende Verschmelzung zugelassen.85 § 1 I UmwG ist nicht gemeinschaftsrechtskonform und darf im EG-Binnenmarkt und darüber hinaus auch nicht im EWR-Bereich angewendet werden. In seinen Schlussanträgen hatte Gerneralanwalt Tizzano sich generell gegen Wegzugsbeschränkungen gewandt:86 Auch solche nationale Maßnahmen seien durch die Niederlassungsfreiheit verboten, die „bloß geeignet sind, einen Wirtschaftsbeteiligten davon abzuschrecken, von der Niederlassungsfreiheit Gebrauch zu machen.“ Ein Mitgliedstaat dürfe nicht nur die Niederlassung ausländischer Wirtschaftsbeteiligter im Inland nicht verhindern oder beschränken, sondern dürfe auch die Niederlassung inländischer Wirtschaftsbeteiligter in einem anderen Mitgliedstaat nicht behindern. „Mit anderen Worten sind sowohl Beschränkungen des Zugangs zum nationalen Hoheitsgebiet als auch Beschränkungen des Wegzugs aus diesem Gebiet verboten.“ Dieser Ansatz war dem EuGH aber zu kühn. Der deutsche Gesetzgeber hat die Einmauerung der deutschen Gesellschaften beseitigt, d.h. er hat die Wegzugssperre für deutsche juristische Personen aufgehoben durch Streichung von § 4a II GmbHG und § 5 II AktG durch das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)87. Er hat die Regel über Bord geworfen, wonach eine in Deutschland registrierte Gesellschaft ihre Rechtsfähigkeit verliert, wenn deren Verwaltungssitz ins Ausland verlegt wird. Das deutsche Recht verlangt nicht mehr Identität von Satzungs- und Verwaltungssitz.88
2215m
10. Bedeutung von Art. XXVIII des General Agreement on Trade in Services Es wurde die Frage aufgeworfen, ob Art. XXVIII des General Agreement on Trade 2215n in Services (GATS)89 im gleichen Sinne zu interpretieren ist, wie dies der EuGH für Art. 54 AEUV/Art. 48 EGV getan hat. Dann müsste Deutschland – unter Außerachtlassung der Sitztheorie auch alle jene Gesellschaften und juristischen Personen anerkennen, die nach dem Recht eines der anderen 146 Mitgliedstaaten der WTO gegründet wurden. Dies ist jedoch zu verneinen.90 11. Relevanz der Gründungstheorie aufgrund von Art. 6 und Art. 14 EMRK? Die Maßgeblichkeit der Gründungstheorie will die französische Cour de cassation91 aus Art. 6 und Art. 14 EMRK herleiten. Doch nimmt die EMRK zum Theorienstreit nicht Stellung.92 85 EuGH vom 13.12.2005, Rs C-411/03 – SEVIC Systems AG, a.a.O.; hierzu Generalanwalt Tizzano DB 2005, 512 Rz. 44, 45 und 49 = ZIP 2005, 1227. 86 EuGH vom 16.12.2008 Rz. 112. Hierzu Leible/Hoffmann, Cartesio – fortgeltende Sitztheorie, grenzüberschreitender Formwechsel und Verbot materiell-rechtlicher Wegzugsbeschränkungen, BB 2009, 58, 60. 87 Gesetz v. 23.10.2008, BGBl. I 2026. 88 Zum alten Recht ausführlich 5. Auflage. 89 BGBl. 1994 II 1643. 90 Lehmann RIW 2004, 816. 91 Cass. civ. vom 12.11.1990, Recueil Dalloz Sirey 1992, 29 (Bouloc); hierzu Meilicke RIW 1992, 578. 92 Großfeld/Bonin JZ 1993, 370; Meilicke BB 1995, Beilage 9 zu Heft 31.
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2215o
Siebenter Teil: Parteien und ihre Vertreter 12. Parteifähigkeit der Insolvenzmasse 2215p
Nach deutschem Recht ist die Insolvenzmasse weder nach der Amts- noch nach der Vertretertheorie ein rechtsfähiges Sondervermögen; sie ist daher nicht parteifähig. Für sie ist vielmehr der Insolvenzverwalter kraft Amtes prozessführungsbefugt. Er ist Partei kraft Amtes. Ist jedoch die Insolvenzmasse nach dem maßgeblichen Insolvenzstatut rechtsfähig, dann ist sie auch in Deutschland rechtsund damit parteifähig, wenn das ausländische Insolvenzverfahren nach § 343 InsO in Deutschland anzuerkennen ist.93 13. Parteifähigkeit der hereditas iacens
2215q
Das Gleiche gilt, wenn nach dem maßgeblichen Erbstatut (Art. 25 EGBGB) die hereditas iacens rechtsfähig ist, wie z.B. im österreichischen Recht. 14. Parteifähigkeit der Europäischen Wirtschaftlichen Vereinigung und der Europäischen Aktiengesellschaft
2215r Die Parteifähigkeit der Europäischen Wirtschaftlichen Vereinigung ergibt sich aus Art. 1 II EWIVVO. Das Gleiche gilt für die Europäische Aktiengesellschaft (S.E.). 15. Exkurs: Anerkennungsstadium 2216 Der Umstand, dass die Gerichte des Erststaates die Frage der Parteifähigkeit nach anderen Regeln beurteilt haben und deshalb zu anderen Ergebnissen gekommen sind, als dies die deutschen Gerichte anhand des deutschen internationalen Zivilverfahrensrechts getan hätten, ist kein Grund, die Anerkennung des von ihnen erlassenen Sachurteils (Rz. 2788) zu verweigern.94 Davon zu trennen ist das Erfordernis der Parteifähigkeit im zweitstaatlichen Zwangsvollstreckungsverfahren.
IV. Prozessfähigkeit und gesetzliche Vertretung 1. Prozessuales Personalstatut 2217 Die Prozessfähigkeit eines Ausländers ist nach seinem prozessualen Heimatrecht zu bestimmen.95 Ist ein Ausländer nach seinem Heimatrecht prozessfähig, aber nicht geschäftsfähig, so steht auch aus deutscher Sicht seine Prozessfähig93 BGH vom 21.11.1996, BGHZ 134, 116 = NJW 1997, 657 = RIW 1997, 426 = IPRax 1998, 199 (Gottwald/Pfaller 170, Sonnentag 330) = JZ 1997, 568 (Leipold) = IPRspr. 1996 Nr. 234. 94 Ausführlich Furtak, Die Parteifähigkeit in Zivilverfahren mit Auslandsberührung, 1995, 179 ff. 95 Pagenstecher, ZZP 64 (1951), 276; Sonnenberger in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, IPR Einl. Rz. 459; Furtak, Die Parteifähigkeit in Zivilverfahren mit Auslandsberührung, 1995, 84 Fußn. 440; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 4 Rz. 32. Siehe auch KG vom 21.6.1991, FamRZ 1991, 1456 = IPRspr. 1991 Nr. 10: Erwerb der Geschäfts- und damit der Prozessfähigkeit durch Eheschließung.
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Prozessfähigkeit und gesetzliche Vertretung keit fest. Das Recht des Staates, dem der Ausländer angehört, bestimmt mithin über seine Prozessfähigkeit, ohne Rücksicht auf Wohnsitz, Aufenthalt und Geschäftsfähigkeit bzw. materiell-rechtliche Verpflichtungsfähigkeit.96 Zum Schutz des inländischen Rechtsverkehrs knüpft jedoch § 55 ZPO alternativ an das deutsche Recht an.97
2218
Beispiel: Dänisches Filmsternchen (16 Jahre) tritt mit Zustimmung seiner Eltern in Deutschland als Tänzerin und Actrice auf. Sie ist gemäß § 55 ZPO in Verbindung mit § 113 BGB insofern prozessfähig, als es um diese Tätigkeit geht. So kann sie ein deutsches Magazin verklagen wegen Verletzung ihres Rechts am eigenen Bild.98
2219
2. Gesetzliche Vertreter a) Natürliche Personen: Nicht das Heimatrecht des prozessfähigen bestimmt, 2220 wer gesetzlicher Vertreter ist. Es kommt vielmehr auf die Rechtsordnung an, die für die elterliche Sorge99 maßgeblich ist bzw. für die Betreuung oder Vormundschaft,100 soweit keine staatsvertragliche Sonderregelung besteht.101 Diese Rechtsordnung legt auch fest, ob der Vertreter allein handeln kann oder es einer besonderen Genehmigung oder Ermächtigung bedarf.102 Die deutsche lex fori kommt jedoch auch bei im Ausland wohnenden Ausländern zum Zuge, wenn das deutsche Gericht einen „besonderen“ Vertreter nach § 57 ZPO bestellt.103 b) Personenverbindungen und Vermögensmassen: Das Recht am Sitz der Hauptverwaltung (Rz. 2208) ist auch maßgeblich für die Frage, wer für Personenverbindungen und (selbständige) Vermögensmassen im Prozess als Organ bzw. gesetzlicher Vertreter handeln kann.104 § 55 ZPO ist auch auf Personenverbindungen anwendbar.105 96 Anderer Auffassung BGH vom 7.12.1955, JZ 1956, 535 (kritisch Neuhaus). Der Bundesgerichtshof geht noch von der mittlerweile überholten Theorie aus, wonach prozessfähig sei, wer nach seinem Heimatrecht geschäftsfähig ist. Diese Ansicht berücksichtigt nicht die Fälle, in denen Geschäftsfähigkeit und Prozessfähigkeit auseinander fallen. 97 Dies gilt für die Verfahrensfähigkeit im Bereich der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, BayObLG vom 26.3.2002, BayObLGZ 2002, 99 = FamRZ 2002, 1282 = IPRspr. 2002 Nr. 112. 98 KG vom 12.6.1940, Ufita 1940, 160 = IPRspr. 1935–1944 Nr. 514. Vgl. auch den (eine Gastarbeiterin betreffenden) Fall BVerwG vom 18.4.1972, IPRspr. 1972 Nr. 2. 99 Art. 21 EGBGB. 100 Art. 24 EGBGB. 101 Vgl. Stein/Jonas/Bork, ZPO22, 2004, § 55 Rz. 7. 102 Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 423; OLG Nürnberg vom 28.10.1980, FRES 7, 383 = IPRspr. 1980 Nr. 98. Zur Bestellung eines Ergänzungspflegers (Art. 1, 2 MSA, § 1909 BGB) KG vom 10.11.1981, OLGZ 1982, 175 = NJW 1982, 526 = IPRspr. 1981 Nr. 103. Auch Bestellung eines Prozesspflegers (§ 57 ZPO) ist nach Art. 8, 9 MSA möglich. 103 Linke FamRZ 2001, 721. 104 BGH vom 23.10.1963, BGHZ 40, 197 = MDR 1964, 134 = NJW 1964, 203 = IPRspr. 1962–1963 Nr. 184 (Vertretung der [früheren] Republik Jugoslawien in einem Rechtsstreit betreffend Grundbuchberichtigung). 105 Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 423; Grasmann, System des internationalen Gesellschaftsrechts, 1970 Rz. 860.
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2221
Siebenter Teil: Parteien und ihre Vertreter 2221a c) Vertretungsbefugnis des Bundesamts für Justiz als Zentrale Behörde nach § 8 II Auslandsunterhaltsgesetz: Das Bundesamt für Justiz kann auch ein im Ausland lebendes Kind im Vaterschaftsfeststellungsverfahren vertreten, wenn diese Feststellung Voraussetzung für die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen ist.106 3. Staatsverträge 2222 Nach Art. 1 des Haager Unterhaltsübereinkommens vom 24.10.1956107 ist für die Frage, wer Unterhaltsklage erheben kann, das Recht des Aufenthaltsstaates maßgebend.108 Das Übereinkommen bringt somit eine internationalverfahrensrechtliche Spezialregelung der gesetzlichen Vertretung im Unterhaltsprozess.109 4. Familienverfahren und Freiwillige Gerichtsbarkeit 2223 Sedes materiae ist nunmehr § 9 FamFG. Bis zum 31. August 2009 galten die gleichen Regeln wie im streitigen Zivilprozess.110 Anders die (bisherige) Praxis,111 die auf die Geschäftsfähigkeit abstellte. Dies ist unzureichend; zu prüfen waren nicht nur die beschränkte Geschäftsfähigkeit, sondern auch die Regelung der Prozess- bzw. Verfahrensfähigkeit nach dem Heimatrecht.112 Doch analog § 55 ZPO genügte, dass der Beteiligte für das in Betracht kommende Verfahren nach deutschem Recht verfahrensfähig ist.113 5. Exkurs: Anerkennungsstadium 2224 Der Umstand, dass die Gerichte des Erststaates die Frage der Prozessfähigkeit nach anderen Regeln beurteilt haben und daher zu anderen Ergebnissen gekommen sind, als dies die deutschen Gerichte anhand des deutschen internationalen Zivilverfahrensrechts getan hätten, ist für sich allein noch kein Grund, die Anerkennung zu verweigern.114
106 OLG Hamburg vom 8.10.2002, FamRZ 2003, 318 = = IPRspr. 2002 Nr. 183. 107 BGBl. 1961 II 1012. 108 Zu Art. 12 Genfer Flüchtlingskonvention (Personalstatut nach der lex asyli) OLG Hamm vom 26.11.1986, OLGZ 1983, 46 = IPRspr. 1982 Nr. 7; OLG Bamberg vom 14.1.1982, FamRZ 1982, 505 = IPRspr. 1982 Nr. 55. Vgl. auch Art. 16 des Übereinkommens über die Rechtsstellung von Staatenlosen. Hierzu Nachweise bei Erman/Hohloch, BGB12, 2008, Art. 5 EGBGB Rz. 75. 109 OLG Oldenburg vom 23.2.1982, IPRspr. 1982 Nr. 89; OLG Frankfurt vom 6.5.1983, FamRZ 1983, 917 = IPRspr. 1983 Nr. 94; OLG Bremen vom 25.10.1984, IPRax 1985, 296 (Henrich) = IPRspr. 1984 Nr. 92. 110 W. J. Habscheid, Freiwillige Gerichtsbarkeit7, 1983, § 15 II. 111 BGH vom 22.3.1961, BGHZ 35, 4; BGH vom 24.6.1967, BGHZ 52, 1. 112 BayObLGZ 1963, 35 = FamRZ 1964, 465 (betreffend Beschwerde einer beschränkt entmündigten Österreicherin gegen Ablehnung einer deutschen Ergänzungspflegschaft). 113 Dies gilt für die Verfahrensfähigkeit im Bereich der Freiwilligen Gerichtsbarkeit, BayObLG vom 26.3.2002, BayObLGZ 2002, 99 = FamRZ 2002, 1282 = IPRspr. 2002 Nr. 112. 114 So deutlich schon Staudinger/Beitzke, BGB10/11, 1972, Art. 7 EGBGB Rz. 33.
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Postulationsfähigkeit
V. Postulationsfähigkeit 1. Anwaltszwang Ob Anwaltszwang besteht, bestimmt die deutsche lex fori.115 Im Anwaltsprozess 2225 (§ 78 ZPO) müssen sich die Parteien durch einen beim Prozessgericht zugelassenen Anwalt vertreten lassen. Damit scheidet außerhalb des Anwendungsbereichs des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland vom 9.3.2000 (EuRAG, Rz. 2227)116 die Vertretung durch Anwälte aus, die (nur) bei einem ausländischen Gericht zugelassen bzw. in ein ausländisches Rechtsanwaltsregister eingetragen sind.117 2. Anwendung des § 79 ZPO Soweit kein Anwaltszwang herrscht, sind Ausländer Inländern gleichgestellt. 2226 Wo sie wohnen – ob im Inland oder Ausland – ist gleichgültig. Entscheidend ist vielmehr, dass sie die Besorgung von Rechtsangelegenheiten in Übereinstimmung mit § 79 II ZPO und dem Rechtsdienstleistungsgesetz erlaubtermaßen betreiben. Tun sie es aber nicht, so sind sie als Bevollmächtigte und Beistände vor deutschen Gerichten ausgeschlossen, ohne Rücksicht darauf, wo sie ihren Sitz haben. § 79 ZPO findet auch auf geschäftsmäßig tätige Prozessvertreter mit Wohnsitz/Sitz außerhalb Deutschlands Anwendung.118 Auch ausländische Rechtsanwälte (= Rechtsanwälte, die nicht Mitglied einer Anwaltskammer bei einem deutschen Gericht sind) fallen unter § 79 ZPO, sofern nicht §§ 25 ff. des Gesetzes über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland (EuRAG) vom 9.3.2000 zur Anwendung kommt.119 Für Rechtsanwälte aus anderen EG- bzw. EWR-Staaten ohne Niederlassung in 2227 Deutschland gilt Art. 5 Alternative 2 der Richtlinie des Rates der EG vom 22.3.1977 zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte, die den EG-Anwalt gegenüber dem deutschen Rechtsanwalt privilegiert, weil für ihn § 28 BRAO nicht zur Anwendung kommt. Entsprechendes gilt für Rechtsanwälte, die in EWR-Staaten niedergelassen sind. Nach wie vor dürfen (in Deutschland nicht niedergelassene) Anwälte aus anderen EG- bzw. EWR-Staaten in gerichtlichen Verfahren, für die nach der deutschen lex fori Anwaltszwang herrscht, als Vertreter nur im Einvernehmen mit einem deutschen Rechtsanwalt handeln, der selbst in dem Verfahren befugt ist,
115 Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 200. 116 BGBl. 2000 I 182, 1349. 117 Beispiel: LSG Baden-Württemberg vom 12.9.1984, NJW 1985, 582 = IPRspr. 1984 Nr. 194. 118 Unklar LSG Baden-Württemberg vom 12.9.1984, NJW 1985, 582 = IPRspr. 1984 Nr. 194. 119 Umfassende Nachweise bei Knöfel, Grundfragen der internationalen Berufsausübung von Rechtsanwälten, Diss. Hamburg 2005; Zöller/Vollkommer, ZPO27, 2009, § 79 Rz. 1.
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Siebenter Teil: Parteien und ihre Vertreter § 28 EuRAG („Gouvernantenklausel“).120 Der deutsche „Einvernehmens-Anwalt“ ist weder ein weiterer Bevollmächtigter des Mandanten, noch hat er zu überprüfen, ob der EG-Anwalt dessen Interessen „richtig“ wahrnimmt. Der deutsche Rechtsanwalt hat nur sicherzustellen, dass der europäische Rechtsanwalt bei der Vertretung „die Erfordernisse einer geordneten Rechtspflege beachtet“, d.h. das inländische Verfahrensrecht und das Berufsrecht einhält.121 Eine Prozesshandlung, die der ausländische Anwalt ohne das Einvernehmen mit dem deutschen Rechtsanwalt vornimmt oder für die der Nachweis des entsprechenden Einvernehmens zum Zeitpunkt ihrer Vornahme nicht vorliegt, ist unheilbar unwirksam, § 29 III EuRAG. Ein Schwebezustand soll vermieden werden; daher ist eine nachträgliche Genehmigung durch einen deutschen Rechtsanwalt oder durch den Mandanten selbst nicht möglich.122 Die Prozessführung des nicht postulationsfähigen ausländischen Rechtsanwalts kann auch nicht als Ganzes rückwirkend genehmigt werden.123 2227a Für Zustellungen bringt § 31 EuRAG eine Modifikation des § 172 ZPO. Um Auslandszustellungen an den dienstleistenden europäischen Rechtsanwalt zu vermeiden, hat dieser einen in Deutschland zugelassenen Rechtsanwalt als inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen, sobald er in Deutschland in Verfahren vor Gerichten oder Behörden tätig wird. Fehlt ein Zustellungsbevollmächtigter, so konnte früher durch Aufgabe zur Post (§ 175 I ZPO, hierzu Rz. 2112 ff.) zugestellt werden.124 Nach § 31 S. 3 zweiter Halbsatz EuRAG ist nach den allgemeinen Regeln an die Partei selbst zuzustellen. Da die Verfahrenseinleitung bereits ordnungsgemäß erfolgt ist, dürften Zustellungen auf dem umständlichen Weg des § 183 I 2 2. Alternative ZPO nicht erforderlich sein. Es kommt nun § 184 ZPO direkt zur Anwendung. Vgl. Rz. 2076. 2227b
Anwälte aus anderen EG- bzw. EWR-Staaten dürfen unter ihrer ausländischen Berufsbezeichnung (in der Amtssprache des Herkunftsstaates) – sie dürfen sich
120 „Für die Ausübung der Tätigkeiten, die mit der Vertretung . . . im Bereich der Rechtspflege verbunden sind, kann ein Mitgliedstaat den unter Art. 1 fallenden Rechtsanwälten als Bedingung auferlegen, . . . dass sie im Einvernehmen . . . mit einem bei dem angerufenen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt, der gegebenenfalls diesem Gericht gegenüber die Verantwortung trägt, . . . handeln.“ Von diesem Vorbehalt hat Deutschland in § 4 des Durchführungsgesetzes vom 16.8.1980 (BGBl. I 1453) Gebrauch gemacht. Der EuGH vom 25.2.1988, Rs 427/85 – Kommission/Bundesrepublik Deutschland Slg. 1988, 1123 = RIW 1988, 303 = NJW 1988, 887 = IPRax 1989, 33 (Commichau 12) = JuS 1988, 729 (Emmerich) erklärte den deutschen Vorbehalt für unwirksam. Daraufhin wurde das Gesetz zur Durchführung der Richtlinie des Rates der EG vom 22.3.1977 zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsdienstleistungsgesetz – RADG) mit Gesetz vom 14.3.1990 (BGBl. I 479) geändert. 121 EuGH vom 25.2.1988, Rs 427/85 – Kommission/Bundesrepublik Deutschland Slg. 1988, 1123 = NJW 1988, 887, 888 Nr. 23. 122 BFH DStR 1999, 1564. 123 LSG Baden-Württemberg vom 12.9.1984, AnwBl. 1985, 35 = IPRspr. 1984 Nr. 194. 124 Darin sieht der EuGH vom 11.6.2009 Rs C-564/07 – Kommission/Republik Österreich IPRax 2009, Heft 6 (R. Geimer) eine unzulässige Behinderung und damit einen Verstoß gegen Art. 49 EGV.
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Postulationsfähigkeit also nicht „Rechtsanwalt“ nennen – in Deutschland nur im Sinne einer grenzüberschreitenden Dienstleistung die Tätigkeiten eines deutschen Rechtsanwalts nach Maßgabe von §§ 25 ff. EuRAG als „dienstleistende europäische Rechtsanwälte“ ausüben. Wollen sie dauernd in Deutschland tätig sein, müssen sie nach der Freizügigkeitsrichtlinie 98/5/EG125 in Verbindung mit §§ 2 ff. EuRAG als „niedergelassene europäische Rechtsanwälte“ Mitglieder einer Rechtsanwaltskammer in Deutschland werden126 oder nach §§ 11 ff. EuRAG ihre Zulassung als deutscher Rechtsanwalt nach der BRAO betreiben.127 Einem EG-Anwalt darf die deutsche Zulassung nicht deshalb versagt werden, weil er bereits in einem anderen EGStaat zugelassen ist.128
2227c
Ein zulässigerweise in Deutschland tätiger EG- bzw. EWR-Anwalt hat die glei- 2227d chen Rechte und Pflichten wie ein in Deutschland zugelassener Rechtsanwalt. Er kann daher – soweit nicht eine anders lautende Vereinbarung in concreto geschlossen worden ist – gegenüber seinen inländischen Mandanten nach dem deutschen Rechtsanwaltsvergütungsgesetz abrechnen.129 Rechtsanwälte aus anderen Mitgliedstaaten der Welthandelsorganisation (WTO) sind nach Maßgabe von § 206 I BRAO zur Rechtsbesorgung befugt, allerdings beschränkt auf das Recht ihres Herkunftsstaates und das Völkerrecht. Noch enger sind die Befugnisse von Rechtsanwälten aus sonstigen Staaten. Sie sind auf das Recht ihres Herkunftsstaates beschränkt; zudem muss nach § 206 II BRAO die Gegenseitigkeit zum Herkunftsstaat verbürgt und durch eine Rechtsverordnung bestätigt sein.
2227e
Die Postulationsfähigkeit eines deutschen Gewerkschaftsvertreters, der für Mit- 2228 glieder einer niederländischen Gewerkschaft auftreten will, bejaht das LAG Niedersachsen.130 Der in Deutschland akkreditierte Botschafter und sein Attaché (Sozialattaché) 2229 darf als Prozessbevollmächtigter für Angehörige (Gastarbeiter) seines Heimatlandes nicht auftreten. Das Recht und die Pflicht, dem eigenen Staatsangehörigen diplomatischen Schutz angedeihen zu lassen (Art. 5 Buchst. i WÜK), umfasst nicht das Recht zur Prozessvertretung.131 125 ABl. EG Nr. 1998 Nr. L 77, S. 36 = EuZW 1998, 523. Hierzu Sobotta/Kleinschnittger EuZW 1998, 645; Lach NJW 2000, 1609; Kranz BB 2000, 989. 126 Diese Regelung verstößt nicht gegen den EGV. Der EuGH hat eine Klage Luxemburgs abgewiesen, EuGH vom 7.11.2000, Rs. C-168/98 NJW 2001, 137. 127 Zur Niederlassung eines Angehörigen eines Mitgliedstaates der Welthandelsorganisation (WTO) siehe § 206 BRAO. Hierzu Mankowski in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 2141. 128 EuGH vom 12.7.1984, Rs 107/83 – Ordre des avocats au barreau de Paris/Onno Klopp Slg. 1984, 2971 = NJW 1985, 1275. 129 LG Hamburg vom 18.3.1999, NJW-RR 2000, 510 = RIW 1999, 466 = IPRspr. 1999 Nr. 175; OLG Frankfurt vom 1.3.2000, NJW-RR 2000, 1367 = RIW 2001, 374 = IPRspr. 2000 Nr. 175 (Rz. 2975). 130 LAG Niedersachsen vom 5.11.1975, IPRspr. 1975 Nr. 31b. 131 ArbG Ludwigsburg vom 29.10.1971, IPRspr. 1971 Nr. 35 = BB 1972, 90; OVG Münster vom 27.10.1980, RIW 1981, 196 = NJW 1981, 1173 = IPRspr. 1979 Nr. 146; BayObLG
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Siebenter Teil: Parteien und ihre Vertreter 3. Auftreten ausländischer Anwälte bei Beweisaufnahme vor deutschem Rechtshilfegericht 2230 § 79 ZPO trifft hier nicht zu.132 4. Exkurs: Anerkennungsstadium 2231 Der Umstand, dass ausländische Rechtsordnungen keinen oder gegenüber dem deutschen Recht weniger umfangreichen Anwaltszwang kennen, ist für sich allein noch kein Grund zur Versagung der Anerkennung.133
VI. Prozessvollmacht 2232 Maßgebend ist der Ort, wo die Wirkungen der Vollmacht sich entfalten sollen. Bestand und Wirkung der Vollmacht richten sich nach den Sachnormen am Ort des Gerichts, bei dem von der Vollmacht Gebrauch gemacht wird.134 Für Prozessvollmachten, die in Verfahren vor deutschen Gerichten verwendet werden sollen, ist daher die deutsche lex fori anzuwenden135 einschließlich der deutschen Grundsätze über die Anscheinsvollmacht.136 Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Person, welche die Vollmacht erteilt hat, z.B. Geschäftsführer oder Prokurist, nach dem Gesellschaftsstatut berechtigt war, d.h. ausreichende Vertretungsmacht hatte.137 2233 Streng zu trennen von der Vollmacht ist der Anwaltsvertrag. Hier gibt es – wie auch sonst im internationalen Schuldrecht – die Möglichkeit der Rechtswahl, Art. 3 Rom I-Verordnung bzw. Art. 27 EGBGB; fehlt eine solche, so kommt es auf das Recht des Staates an, in dem der Dienstleister seinen gewöhnlichen Aufent-
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vom 4.1.1985, AnwBl. 1985, 277 = NJW 1985, 1300 L = IPRspr. 1985 Nr. 188. Anderer Auffassung LAG Bayern vom 12.2.1970, BB 1970, 757 = IPRspr. 1970 Nr. 37b; LAG Schleswig-Holstein vom 31.1.1969, AuR 1969, 313 = IPRspr. 1968–1969 Nr. 50b; ArbG Bamberg vom 8.4.1971, IPRspr. 1971 Nr. 34; ArbG Hamm vom 31.8.1877, DB 1977, 2288 = IPRspr. 1977 Nr. 45. Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 339. BayObLG vom 25.9.1973, NJW 1974, 418 (R. Geimer) = IPRspr. 1973 Nr. 156. OLG Frankfurt vom 11.7.1985, IPRax 1986, 373 (Ahrens 355) = IPRspr. 1985 Nr. 21; BGH vom 26.4.1990, IPRax 1991, 247 (Ackmann 221); IPG 2000/2001 Nr. 11 Rz. 6 (Köln); Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 2457; Spellenberg in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, vor Art. 11 EGBGB Rz. 219 ff. BGH vom 5.2.1958, AWD 1958, 56 = MDR 1958, 319 = ZZP 71 (1958), 471 = IPRspr. 1958–1959 Nr. 38; OLG Zweibrücken vom 29.1.1974, RzW 1974, 157 = RIW 1975, 347 = IPRspr. 1974 Nr. 191; OLG Hamm vom 21.3.1994, RIW 1994, 513 = IPRax 1996, 33, 35 (D. Otto 22) = IPRspr. 1994 Nr. 2; LG Frankfurt a.M. vom 3.11.1978, RIW 1980, 291 = MDR 1979, 411 = IPRspr. 1978 Nr. 8; IPG 2000/2001 Nr. 39 Rz. 30 (Leipzig); Nagel/ Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 4 Rz. 41. BGH vom 23.10.1963, BGHZ 40, 197, 203 = MDR 1994, 134 = NJW 1964, 203 = IPRspr. 1962–1963 Nr. 184. BGH vom 26.4.1990, IPRax 1991, 247 (Ackmann 221); KG vom 29.10.1997, IPRspr. 1997 Nr. 23.
Prozessstandschaft halt hat, Art. 4 I (b) Rom I-Verordnung138, bzw in dem die Partei, welche die charakteristische Leistung zu erbringen hat, ihre berufliche Niederlassung hat, Art. 28 II 2 EGBGB. Dies ist der Residenzort des Anwalts. Hat dieser auch in einem anderen Staat eine Niederlassung und ist nach Vertrag oder Sachlage die Leistung des Anwalts von der Niederlassung aus zu erbringen, so ist im Zweifel das Recht des Staates maßgebend, in dem sich diese Niederlassung befindet. Bei einer Sozietät wird im Zweifel ein Mandat allen Sozien erteilt; dies gilt nach herrschender Meinung uneingeschränkt auch für internationale Sozietäten.139
2233a
VII. Inländischer Zustellungsbevollmächtigter für im Ausland domizilierte Partei Wohnt der Beklagte bzw. Antragsgegner nicht in Deutschland, so kann das Ge- 2233b richt bei der Zustellung nach § 183 ZPO anordnen, dass die Partei innerhalb einer angemessenen Frist einen Zustellungsbevollmächtigten benennt, der im Inland wohnt oder dort einen Geschäftsraum hat, falls sie nicht einen Prozessbevollmächtigten bestellt hat.140 Wird kein Zustellungsbevollmächtigter benannt, so können spätere Zustellungen bis zur nachträglichen Benennung dadurch bewirkt werden, dass das Schriftstück unter der Anschrift der Partei zur Post gegeben wird. In der Anordnung ist auf diese Rechtsfolgen hinzuweisen, § 184 II 2 ZPO.
VIII. Prozessstandschaft 1. Lex fori-Prinzip Die Prozessführungsbefugnis ist Prozessvoraussetzung. Deshalb gilt grundsätz- 2234 lich die lex fori, soweit das deutsche internationale Zivilverfahrensrecht nicht auf ausländisches Recht verweist.141 So kann z.B. vor deutschen Gerichten keine
138 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. EU Nr. L 177 vom 4.7.2008, S. 6. 139 Grams BRAK-Mitt. 2001, 76, 77; Borgmann/Jungk/Grams, Anwaltshaftung4, 2005, Kap. VIII Rz. 7 ff. 140 Ebenso § 56 III VwGO, § 63 III SGG, § 53 III FGO. – Strenger war § 174 II ZPO a.F. Hierzu 5. Auflage. 141 BGH vom 4.6.1992, BGHZ 118, 312, 315 = MDR 1992, 1181 = NJW 1992, 3096, 3098 (Koch 3073) = RIW 1993, 132 (Schütze) = JZ 1993, 261 (Deutsch) = ZIP 1992, 1256 (Bungert 1707 sowie ZIP 1993, 815) = EuZW 1992, 705 = EWiR 1992, 827 (R. Geimer) = LM Nr. 38/39/40 zu § 328 ZPO (Kronke) = ZZP 106 (1993), 79 (Schack) = IPRax 1993, 310 (Koch/Rabel 288) = IPRspr. 1992 Nr. 218b; OLG Düsseldorf vom 28.5.1991, RIW 1991, 594; OLG Hamburg vom 21.9.1995, NJW-RR 1996, 510 = RIW 1996, 862, 863 = IPRspr. 1995 Nr. 169; OLG Karlsruhe vom 17.6.2004, VersR 2005, 1551 (Dumbs) = IPRspr. 2004 Nr. 33; LG Hamburg vom 23.4.1997, RIW 1998, 894 = IPRspr. 1997 Nr. 123; LG Aachen vom 10.12.1993, VuR 1994, 37 (Micklitz) = IPRspr. 1993 Nr. 126; LG München I vom 2.4.1992, VuR 1993, 62 = IPRspr. 1993 Nr. 117a für Prozessführungsbefugnis eines Schutzverbandes gemäß § 13 II Nr. 2 UWG a.F.; Reich RabelsZ 56 (1992) 445, 470; dagegen für Maßgeblichkeit der lex causae OLG München vom
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Siebenter Teil: Parteien und ihre Vertreter „Stellvertreter“-Klage erhoben werden, die in den USA als Class Action bekannt ist, Rz. 2663.142 2. Prozessführungsbefugnis aufgrund materiellen Rechts 2235 Eine solche Verweisung ist gegeben, wenn sich die Prozessführungsbefugnis auf eine Vorschrift des materiellen Rechts gründet; dann sind ihre Zulässigkeit und ihre Voraussetzungen nach der Rechtsnorm zu beurteilen, die nach deutschem bzw. in Deutschland geltendem internationalem Privatrecht maßgeblich ist.143 Die lex causae bestimmt, unter welchen Umständen eine Prozessführung durch einen Dritten (der nicht Inhaber des materiellen Rechts ist) zulässig ist. Welche Wirkungen diese hat (Rechtskraft, Vollstreckbarkeit, Kostenfolgen), regelt jedoch wieder die deutsche lex fori.144 2236 In Betracht kommen z.B. folgende Fälle:145 – die Befugnisse des Nießbrauchers und des Pfandgläubigers zur Einziehung und gerichtlichen Geltendmachung der (dinglich belasteten) Forderung:146
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15.6.1993, IPRspr. 1993 Nr. 117b sowie Grunsky ZZP 89 (1976), 241, 257 (hierzu oben Rz. 332). Für deutsche lex fori im Ergebnis auch BGH vom 26.11.1997, NJW 1998, 1227 = EuZW 1999, 32 = RIW 1998, 398 = WM 1998, 842 = EWiR 1998, 187 (Bunte) = IPRspr. 1997 Nr. 128: Ein deutscher Verbraucherverein ist nicht klagebefugt für ausschließlich gegen Ausländer im Ausland gerichtete Wettbewerbsverstöße eines deutschen Unternehmens. Siehe auch Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, 120 sowie Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 191. Ausführliche Nachweise zum US-amerikanischen Recht (F.R.C.P. 23 [a] [b]) z.B. bei Buxbaum, Defining the Function and Scope of Group Litigation: The Role of Class Actions for Monetary Damages in the United States, in Gottwald (ed.), Europäisches Insolvenzrecht – Kollektiver Rechtsschutz, 2008, 215, 220 ff.; Heß, Transatlantische Justizkonflikte, AG 2006, 809, 813; Hohl, Die US-amerikanische Sammelklage im Wandel, 2008; Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 3 ff.; Röhm/Schütze RIW 2007, 241. Siehe aber auch Mankowski, Crossing the Rhine – On the Enforceability of U.S. Class Action Judgments and Settlements in Germany, Contratto e impresa/Europa XII (2007), 613, 624 ff.; Gerhard Wagner, Neue Perspektiven im Schadensersatzrecht – Kommerzialisierung, Strafschadensersatz, in Verhandlungen des 66. Deutschen Juristentags, Bd. I, 2006, Gutachten A 68 ff. Zu Gesetzesinitiativen auf europäischer Ebene Mattil/Desoutter, Die europäische Sammelklage – Rechtsvergleichende und EU-rechtliche Betrachtungen, WM 2008, 521. Siehe auch Sonnenberger in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, EGBGB Einl. IPR Rz. 520 sowie Mock, Die actio pro socio im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht, RabelsZ 72 (2008), 264, 293. Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 427; Niederländer RabelsZ 20 (1955), 50; Wunderlich, Zur Prozessstandschaft im internationalen Recht, Diss. München 1970, 159; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 725. Vgl. auch Koch in Festschrift Siehr, 2000, 341, 349. Zur Klagebefugnis in Ehesachen ausführlich Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Anh. zu § 606a ZPO Rz. 111. Fragistas in Festschrift Hans Lewald, 1953, 482; Wunderlich a.a.O. 170.
Prozessstandschaft Die Prozessführungsbefugnis ist hier die flankierende Maßnahme zur Durchsetzung der materiellen Einziehungsbefugnis; §§ 1077, 1281 BGB kommen also nur zur Anwendung, wenn in der Sache deutsches Recht maßgeblich ist. Ansonsten ist die (ausländische) lex causae zu befragen; – die Befugnisse des Miterben, Ansprüche, die zum Nachlass gehören, gericht- 2237 lich geltend zu machen. Auch in diesem Fall ist die Prozessführungsbefugnis nur eine Widerspiegelung der materiell-rechtlichen Berechtigung der Miterben im Prozessrecht; diese ist mit dem materiellen Recht so eng abgestimmt und verflochten, dass es wenig sinnvoll erscheint, immer die deutsche lex fori (§ 2039 BGB) anzuwenden. Man denke nur an die Verlassenschaftsabhandlung des österreichischen Rechts oder die Nachlassabwicklung durch einen executor/administrator/trustee im anglo-amerikanischen Rechtskreis; – die Möglichkeiten der Gesellschafter, gegen Mitgesellschafter (actio pro so- 2238 cio),147 gegen Geschäftsführer (actio ut singuli) oder Gesellschaftsschuldner (derivative stockholder action) Ansprüche der Gesellschaft einzuklagen.148 Auch diese sind so stark mit dem maßgeblichen Gesellschaftsrecht verwoben, dass man mit starken Brüchen und Spannungen rechnen müsste, wenn man nicht auf die lex causae rekurrieren wollte;149 – die Befugnisse des Gesamtgläubigers einer unteilbaren Leistung;150 – die Befugnisse der Depotbank gemäß § 28 InvG; – Befugnis des einen Ehegatten, kraft Güterrechts die Rechte des anderen Ehegatten geltend zu machen; – Befugnis des Kommissionärs und des Gläubigers nach Art. 1166 Code civil, 2239 die Rechte seines Schuldners geltend zu machen (action oblique). Eine ähnliche Regelung kennt das italienische (azione surrogatoria) und das griechische Recht.151
147 Rechtsvergleichend Mock, Die actio pro socio im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht, RabelsZ 72 (2008), 264. 148 Hierzu z.B. Mankowski, Crossing the Rhine – On the Enforceability of U.S. Class Action Judgments and Settlements in Germany, Contratto e impresa/Europa XII (2007), 613, 635. Siehe auch Thümmel, Shareholder derivative suits im deutschen Aktienrecht? – Rechtsvergleichende Anmerkungen zu §§ 148, 149 AktG, in Gottwald (ed.), Europäisches Insolvenzrecht – Kollektiver Rechtsschutz, 2008, 235; Mock, Die actio pro socio im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht, RabelsZ 72 (2008), 264, 296 ff. Zu Gesetzesinitiativen auf europäischer Ebene Mattil/Desoutter, Die europäische Sammelklage – Rechtsvergleichende und EU-rechtliche Betrachtungen, WM 2008, 521. 149 Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 194. 150 Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 4 Rz. 47. 151 Birk ZZP 82 (1969), 70, 92. Zur Geltendmachung von Ansprüchen wegen Beschädigung des Guts gegen den Frachtführer durch den Empfänger von Gut und Frachtbrief im eigenen Namen (§ 75 II EVO, Art. 13 I 2 CMR), BGH vom 21.12.1973, NJW 1974, 412 = AWD 1974, 160 = IPRspr. 1973 Nr. 26.
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Siebenter Teil: Parteien und ihre Vertreter – Befugnis des Versicherungsnehmers, bei der Versicherung für fremde Rechnung die Ansprüche des Versicherten im eigenen Namen geltend zu machen (§ 75 II VVG);152 – Befugnis des Versicherungsnehmers, Ansprüche aus einem Versicherungsvertrag mit einem bei Lloyd’s vereinigten Einzelversicherer, gegen den bevollmächtigten Unterzeichner des im Versicherungsschein an erster Stelle aufgeführten Syndikats oder einen von diesem benannten Versicherer mit Wirkung gegen alle an dem Versicherungsvertrag beteiligten Versicherer geltend zu machen (Art. 14 EGVVG);153 – Befugnis des Kommissionärs; – Befugnis zur Geltendmachung von Unterhalt (Art. 18 VI Nr. 2 EGBGB; Art. 10 Nr. 2 Haager Unterhaltsabkommen vom 2.10.1973)154 und 2240 Prozessführungsbefugnis für die Abänderungsklage bezüglich ausländischer Titel:155 Hat ein Elternteil – z.B. im Scheidungsverfahren – gegen den anderen als Prozessstandschaft des Kindes (§ 1629 III BGB156 bzw. die Parallelnorm der lex causae) im Ausland einen Titel wegen des Unterhalts des Kindes erwirkt, so ist im deutschen Abänderungsverfahren das Kind die richtige Partei (Kläger), nicht die im Erstprozess prozessführungsbefugte Mutter.157 Das Gleiche gilt für das Vollstreckbarerklärungsverfahren.158 Bei Maßgeblichkeit italienischen Unterhaltsrechts handelt es sich nicht um eine Prozessstandschaft, vielmehr steht der Unterhaltsanspruch bezüglich minderjähriger Kinder dem anderen Ehegatten ex iure proprio zu.159 – Siehe auch Rz. 2695.
152 Hierzu Heiss IPRax 2005, 497, 499. 153 Martiny in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Art. 37 EGBGB Rz. 160. 154 Siehr in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Art. 18 EGBGB Rz. 27 sowie Art. 18 EGBGB Anh. I Rz. 280. 155 BGH vom 1.6.1983, NJW 1983, 1976 = MDR 1983, 1007 = FamRZ 1983, 806 = IPRax 1984, 320 (Spellenberg) = IPRspr. 1983 Nr. 95; BGH vom 29.4.1992, NJW-RR 1993, 5 = FamRZ 1992, 1060 = MDR 1993, 54 = IPRspr. 1992 Nr. 207. 156 Hierzu KG vom 22.10.1997, FamRZ 1998, 378 = NJW 1998, 2062 = IPRspr. 1997 Nr. 87. 157 AG Groß-Gerau vom 27.6.1985, FamRZ 1985, 1071 = IPRspr. 1985 Nr. 94; OLG Hamburg vom 26.2.1985, DAVorm 1985, 509 = IPRspr. 1985 Nr. 158. 158 AG Lahnstein vom 18.10.1985, NJW-RR 1986, 560 = FamRZ 1986, 289 = IPRspr. 1985 Nr. 182; OLG Stuttgart vom 23.1.1998, FamRZ 1999, 312 = IPRax 2001, 130 (Andrae 98) = IPRspr. 1998 Nr. 197; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 722 Rz. 64. Anders AG Stuttgart vom 16.1.1985, DAVorm 1986, 737 = IPRspr. 1985 Nr. 156: Das Kind könne gegen seinen Vater Unterhaltsklage („Erstklage“) erheben. 159 BGH vom 9.10.1985, NJW 1986, 662 = IPRax 1987, 314 (Jayme 295) = IPRspr. 1985 Nr. 166. – Zur Rechtslage bei Maßgeblichkeit türkischen Rechts AG Gummersbach vom 9.8.1985, NJW-RR 1986, 1391 = IPRax 1986, 235 (Schack 218) = IPRspr. 1985 Nr. 178.
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Prozessstandschaft § 8 III Nr. 2 UWG160 gibt einem deutschen Verbraucherschutzverein nicht die Prozessführungsbefugnis, nach ausländischem Recht161 zu beurteilende Wettbewerbsverstöße geltend zu machen, die sich ausschließlich im Ausland ereignet haben.162 Die im Lauterkeitsrecht herrschende Meinung geht jedoch davon aus, dass den in § 8 III UWG genannten Verbänden und Institutionen ein eigener materiell-rechtlicher Anspruch zusteht; sie klagen daher eigene Rechte ein.163 Nach diesem Ansatz befindet nicht die lex fori, sondern die lex causae über die Aktivlegitimation.164 Doch sind die Dinge auf dem Hintergrund der Richtlinie 98/27/EG vom 19. Mai 1998 über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucherinteressen165 in Bewegung geraten. Durch die gegenseitige Anerkennung der Klagebefugnisse der in den einzelnen Mitgliedstaaten bestehenden (sehr unterschiedlich organisierten) Schutzeinrichtungen wurden – aus praktischer Sicht – die meisten Hürden für grenzüberschreitende Unterlassungsklagen abgebaut.166 Wird eine Forderung in ein ausländisches Insolvenzverfahren einbezogen, so bestimmt das ausländische Insolvenzrecht, ob und mit welchen Rechtsfolgen sie aus der Masse freigegeben ist. Das Schuldstatut spielt keine Rolle.167 3. Prozessführungsbefugnis aufgrund Prozessrechts Basiert die Prozessführungsbefugnis auf einer Vorschrift des deutschen Prozessrechts, so spielt es keine Rolle, ob der Rechtsstreit gemäß dem deutschen internationalen Privatrecht nach deutschem oder ausländischem materiellen Recht zu entscheiden ist.
2241
a) Veräußerung der streitbefangenen Sache: So ist es z.B. im Fall des § 265 II ZPO unerheblich, ob sich die Abtretung nach deutschem oder ausländischem Recht beurteilt.168
2242
160 Hierzu Drexl in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, IntUnlWettbR (Bd. 11), Rz. 136. – Übersicht über „Klagen im Allgemeininteresse bei Assmann in Wieczorek/Schütze, ZPO3, 2008, Rz. 25 vor § 253. 161 Aus der Sicht des deutschen IPR. 162 Offen gelassen von BGH vom 26.11.1997, NJW 1998, 1227 = RIW 1998, 398 = IPRspr. 1997 Nr. 128. 163 Anderer Auffassung Walther J. Habscheid GRUR 1952, 222 und Hadding JZ 1970, 305, 311: Es handle sich um eine Prozessstandschaft. 164 Staudinger/Fezer/Koos, Internationales Wirtschaftsrecht, Neubearbeitung 2006, Rz. 611. 165 ABl. EG Nr. L 166 vom 11.6.1998, S. 51. Hierzu z.B. Teixeira de Sousa, Über die grenzüberschreitende Popularklage zum Schutz der Verbraucherinteressen – Bemerkungen über die Umsetzung der Richtlinie 98/27/EG vom 19. Mai 1998 in die portugiesische Rechtsordnung, in Festschrift Geimer, 2002, 1317 mit weiteren Nachweisen. 166 Rott/von der Ropp, Zum Stand der grenzüberschreitenden Unterlassungsklage in Europa, ZZPInt 9 (2004), 3, 21. 167 BGH vom 6.5.1985, NJW 1985, 2719 = EWiR 1985, 685 (Fleck) = IPRspr. 1985 Nr. 217. 168 Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 427; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 4 Rz. 48; Wunderlich, Zur Prozessstandschaft im internationalen Rechtsverkehr, Diss. München 1970, 160.
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Siebenter Teil: Parteien und ihre Vertreter 2243 b) Gewillkürte Prozessstandschaft: Ob eine Prozessführungsermächtigung zulässig ist oder nicht, ist ausschließlich nach deutschem Recht als der lex fori169 zu prüfen. Auch wenn eine solche nach dem Recht des Schuldstatuts nicht möglich ist, kann eine Forderung von einem Rechtsfremden eingeklagt werden, wenn die vom deutschen Recht geforderten Voraussetzungen vorliegen.170 Die Frage, ob ein Ausländer eine wirksame Ermächtigung abgegeben hat, ist nach dem Recht des Aufenthaltsortes des Erklärenden zu beurteilen.171 Die Rechtslage ist ähnlich wie beim Zustandekommen einer Zuständigkeitsvereinbarung, Rz. 1677. Die gewillkürte Prozessstandschaft basiert auf einem Prozessvertrag, der nach der deutschen lex fori zu beurteilen ist. Zulässigkeit und Wirkung des Vertrages bestimmen sich nach deutschem Prozessrecht, ebenso das Zustandekommen sowie die Wirksamkeit und der Umfang der Prozessführungsermächtigung.172 4. Versicherungsgeschäft der bei Lloyd’s vereinigten Einzelversicherer 2243a Ansprüche aus dem in Deutschland betriebenen Versicherungsgeschäft der bei Lloyd’s vereinigten Einzelversicherer können nur durch und gegen den Hauptbevollmächtigten gerichtlich geltend gemacht werden, § 110b II 1 VAG. 5. Auslandsinsolvenz 2244 Durch den Auslandskonkurs verliert der Gemeinschuldner die passive Prozessführungsbefugnis, sofern das ausländische Insolvenzverfahren im Inland anerkannt wird, Rz. 3508.173 6. Exkurs: Anerkennungsstadium 2245 Vorschriften des ausländischen Prozessrechts, die eine dem deutschen Recht nicht bekannte Prozessführungsbefugnis begründen, sind für den deutschen Richter im Erkenntnisverfahren unbeachtlich. Die Anerkennung des im Ausland ergangenen Urteils einschließlich etwaiger Rechtskrafterstreckung auf Dritte
169 Ebenso österreichischer Oberster Gerichtshof IPRax 1999, 383 (Kieninger). Das österreichische Recht kennt eine gewillkürte Prozessstandschaft nicht. Der OGH lehnt es ab, auf die (deutsche) lex causae abzustellen. Siehe auch Mock, Die actio pro socio im Internationalen Privat- und Verfahrensrecht, RabelsZ 72 (2008), 264, 293. 170 BGH vom 24.2.1994, BGHZ 125, 196, 200 = NJW 1994, 2549 = RIW 1995, 242 = LM § 237 KO Nr. 7/8 (Ehricke) = IPRax 1995, 168 (Gottwald 157) = WM 1994, 958, 959 = ZIP 1994, 547 = IPRspr. 1994 Nr. 198. 171 Gottwald IPRax 1995, 157. 172 Anderer Auffassung Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 193, wonach Erteilung, Bestand und Mangel der Übertragung der Prozessführungsbefugnis sich nach dem Schuldstatut richten. Offen gelassen von BGH vom 24.2.1994, BGHZ 125, 196 = NJW 1994, 2549 = IPRspr. 1994 Nr. 198. 173 Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 132 Rz. 31.
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Beteiligung Dritter am Rechtsstreit (z.B. im Falle einer class action174) in Deutschland ist dagegen nicht von vornherein ausgeschlossen. Unter dem Blickwinkel des § 328 I Nr. 3 ZPO kann die Prozessstandschaft relevant werden, wenn es um die Frage der Unvereinbarkeit der zur Anerkennung anstehenden ausländischen Entscheidung mit einer im Inland erlassenen geht. So scheitert die Anerkennung eines Urteils aufgrund einer im Ausland erhobenen negativen Feststellungsklage, wenn ein von einem Dritten als Prozessstandschaft erstrittenes deutsches Leistungsurteil vorliegt. 175
IX. Beteiligung Dritter am Rechtsstreit Die Stellung und die Befugnisse des Nebenintervenienten im deutschen Zivil- 2246 prozess sind immer nach § 67 ZPO zu beurteilen.176 Das Gleiche gilt für die Streitverkündung. Dass die lex causae möglicherweise weitergehende prozessuale Möglichkeiten vorsieht, etwa in Form der Garantieklage (assignation au garantie; third party procedure, Rz. 2820), ist ohne Bedeutung. 2247–2259
174 Zum US-Recht (F.R.C.P. 23 [a] [b]) z.B. Baumgartner, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile in der Schweiz: Neuere Entwicklungen in Stiftung für die Weiterbildung schweizerischer Richterinnen und Richter, Bd. 5, herausgegeben von Leuenberger/Guy, 2004, 111; Buxbaum, Defining the Function and Scope of Group Litigation: The Role of Class Actions for Monetary Damages in the United States, in Gottwald (ed.), Europäisches Insolvenzrecht – Kollektiver Rechtsschutz, 2008, 215, 220 ff.; Heß, Transatlantische Justizkonflikte, AG 2006, 809, 813; Hohl, Die US-amerikanische Sammelklage im Wandel, 2008; Knapp, Die US-amerikanische Produkthaftung in der Praxis der deutschen Automobilindustrie, 1997, 155. Vgl. auch die Nachweise bei Hopt/Basedow/Kötz/Baetge, Die Bündelung gleichgerichteter Interessen im Prozess, 1999; Heß JZ 2000, 373; Mankowski, Crossing the Rhine – On the Enforceability of U.S. Class Action Judgments and Settlements in Germany, Contratto e impresa/Europa XII (2007), 613, 624 ff. Siehe auch oben Rz. 341a. Zu Gesetzesinitiativen auf europäischer Ebene Mattil/Desoutter, Die europäische Sammelklage – Rechtsvergleichende und EU-rechtliche Betrachtungen, WM 2008, 521. 175 OLG Stuttgart vom 2.5.2002, GmbHR 2002, 1123 (Emde) = EWiR 2002, 1167 (Gerkan) = NZG 2003, 136 = IPRspr 2002 Nr. 178. 176 Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 5 Rz. 6.
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Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht Literatur: Blanchard, Die prozessualen Schranken der Formfreiheit: Beweismittel und Beweiskraft im EG-Schuldvertragsübereinkommen in deutsch-französischen Vertragsfällen, Diss. Heidelberg 2002; Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983; Daoudi, Extraterritoriale Beweisbeschaffung im deutschen Zivilprozess, 2000; Dörner, Beweissicherung im Ausland, 2000; Heinze, Beweissicherung im europäischen Zivilprozessrecht, IPRax 2008, 480; Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 376 [Kommentar zum Haager Beweisaufnahmeübereinkommen] und Nr. 662 [Kommentar zur Europäischen Beweisaufnahme-Verordnung]); Nigg, Das Beweisrecht bei internationalen Privatrechtsstreitigkeiten, 1999; Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 285 ff.; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 655 ff.; Schoch, Klagbarkeit, Prozessanspruch und Beweis im Lichte des internationalen Rechts, 1934; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 220; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Anh. zu § 606a ZPO Rz. 154 ff.; Tiwisina, Sachverständigenbeweis im deutschen und englischen Zivilprozess, Diss. Osnabrück 2005.
1. Kapitel: Internationales Beweisrecht im Spannungsfeld zwischen lex causae und lex fori I. Abgrenzungsproblematik 2260 Prima vista scheint die Grenzziehung zwischen den „Zuständigkeitsbereichen“ der lex causae und der lex fori ganz einfach zu sein: die lex causae bestimmt das Beweisthema, also die darzulegenden und gegebenenfalls zu beweisenden Tatsachen; dagegen regelt die lex fori, wie zu beweisen ist. Sie bestimmt die Zulässigkeit der Beweismittel und die technische Durchführung der Beweisaufnahme.1 Z.B. kann das deutsche Gericht keine telefonische Zeugenvernehmung nach FRCP 30 (6) (7)2 durchführen. 2261 Hier beginnen bereits die Zweifel und Abgrenzungsschwierigkeiten.3 Wie ist es mit den Regeln der romanischen und der angelsächsischen Rechtsordnungen, die einen Zeugenbeweis für bestimmte Rechtsgeschäfte verbieten (Rz. 2317, 1 Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 464; Birk, Schadensersatz und sonstige Restitutionsformen im IPR, 1969, 137; Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 266. 2 Nachweise bei Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 360. 3 Vgl. auch Erman/Hohloch, BGB12, 2008, Art. 11 EGBGB Rz. 14.
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Spannungsfeld zwischen lex causae und lex fori 2329)? Wie ist es mit dem Beweismaß (Rz. 2334)? Bestimmt das Beweismaß die lex causae oder die lex fori? Wie ist es mit der Beweislast? Die Regeln der Beweislast sind unbestritten der lex causae zu entnehmen, Rz. 2340. Wie ist es aber mit dem gewohnheitsrechtlichen Verfahrensrechtssatz des deutschen Zivilprozessrechts, wonach bei schuldhafter Vereitelung der Beweisführung eine Beweislastumkehr eintritt? Vor allem Coester-Waltjen und Buciek4 haben die starke Verflochtenheit der Beweisregelung mit dem materiellen Recht hervorgehoben. Sie plädieren deshalb für die Anwendbarkeit der lex causae, soweit nicht die Entscheidungseffizienz des Forums die Anwendung des Gerichtsrechts fordert. So sind nach Coester-Waltjen5 Regelungen, die auf eine Verkürzung der Wahrheitsermittlung abzielen, insbesondere indem sie die Dispositionsbeschränkungen der Beteiligten im materiellen Recht auch in das Beweisrecht verlängern (Rz. 2277), der lex causae zu entnehmen. Im Übrigen sei die lex fori zuständig.6 Eine Verkürzung der Wahrheitsermittlung bezwecken – Verbote unerwünschter Beweise (Rz.
2262
2293),7
– Beweisvermutungen,8 – Beweismaß- und Beweislastregelungen (Rz. 2334),9 – die Vorschriften über den Ausschluss des Zeugenbeweises (Rz. 2317).10 Diese Vorschriften wollen jeweils die gerichtliche Feststellung des Eintritts der 2263 im materiellen Recht vorgesehenen Rechtsfolge ermöglichen, ohne dass der diese Rechtsfolge auslösende Tatbestand mit absoluter Sicherheit nachgewiesen ist. Dabei sind folgende Varianten auseinander zu halten:11 – entweder man verlangt für den Nachweis einer Tatbestandsvoraussetzung nicht absolute Sicherheit, – oder man erleichtert den Eintritt einer Rechtsfolge dadurch, dass statt der Tatsachen der Tatbestandsvoraussetzungen andere leichter zu beweisende Tatsachen nachgewiesen werden können. Dies ist bei Vermutungen oder dem Ergänzungseid der Fall. Bei Anwendung dieser wahrheitsverkürzenden Vorschriften braucht der festgestellte Sachverhalt – anders als bei der Fiktion – nicht vom tatsächlichen Geschehen abzuweichen. Entscheidend ist allein, dass die Sachverhaltsaufklärung nicht zu der vollen Gewissheit vom Vorliegen eines Tatbestandsmerkmales führen muss.
4Buciek, Beweislast und Anscheinsbeweis im internationalen Recht. Eine Untersuchung zum Grundsatz des Verfahrens nach eigenem Recht, Diss. Bonn 1984. 5Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 658. 6Ähnlich Keller/Siehr, Allgemeine Lehren des IPR, 1986, 598. 7Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 291; Keller/Siehr a.a.O. 599. 8Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 309, 314, 329, 336. 9Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 259, 368, 385; Buciek a.a.O. 97, 278. 10 Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 446; Buciek a.a.O. 20, 26, 286; Nagel, Die Grundzüge des Beweisrechts im europäischen Zivilprozess, 1967, 283. 11 Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 624.
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2264
Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht 2265 Ganz verschiedene Gründe können den (ausländischen) Gesetzgeber bewegen, eine Regel über die Verkürzung der Wahrheitsermittlung aufzustellen. So kann sie dem Schutz einer Partei oder des Familien- oder Rechtsfriedens dienen oder der Lockerung bzw. Intensivierung der vertraglichen Bindung. Weiter kommen in Betracht Wahrscheinlichkeitserwägungen und Gesichtspunkte der Prozessökonomie (zur Vermeidung umständlicher Beweiserhebungen).12 In all diesen Fällen liegt – unabhängig von den legislatorischen Motiven im Einzelnen – eine materiell-rechtliche Verflochtenheit vor. 2266 Dies zeigt sich auch bei den Grenzen der Parteiherrschaft, insbesondere der Verfügungsbefugnisse über den Streitgegenstand, der Einflussnahmemöglichkeit der Parteien auf die Feststellung des Sachverhalts und den Verfahrensablauf sowie ihre Dispositionsmöglichkeiten über verfahrens- und beweisrechtliche Fragen.13 Auf die Sachverhaltsfeststellungen können die Parteien am stärksten im US-amerikanischen Zivilprozess Einfluss nehmen. Hier ist das kontradiktorische Verfahren (adversary system, Rz. 84) nahezu lupenrein verwirklicht.14 Die Parteien bestimmen den Verhandlungsgegenstand, die Beweismittel und den Gang des Verfahrens. Sie bringen die Beweismittel bei, sorgen für die Anwesenheit der Zeugen und Sachverständigen15 und führen im Prinzip die Vernehmung durch. Die Rolle des Richters ist passiv. Außer bei Sachverständigenbeweisen kann er nur in besonderen Verfahren (z.B. in Sorgerechtssachen zwischen den Eltern) von Amts wegen Beweise erheben.16 2267 Anders das moderne deutsche und französische Recht. Der Zivilprozess wird nicht mehr als Privatsache der Parteien, sondern als service public verstanden, Rz. 85. Deshalb hat der Richter weitgehendere Befugnisse.17 Eine Schranke für die Beweiserhebung durch den Richter kennt das deutsche Recht nur für den Zeugenbeweis (arg. §§ 144, 273 II, 287, 448 ZPO; § 128 I 3 FamFG). Im französischen Recht darf der Richter sogar sein Urteil auf Tatsachen stützen, die nicht ausdrücklich von den Parteien vorgetragen worden sind.18 Auch in England macht sich seit den Civil Procedure Rules 199919 ein Wandel vom adversary procedure zum case management bemerkbar.20
12 Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 626. 13 Rechtsvergleichende Hinweise bei Hartwieg JZ 1997, 381, 389. 14 Hierzu z.B. Varga, Beweiserhebung in transatlantischen Schiedsverfahren – Eine Suche nach Kompromissen zwischen deutscher und US-amerikanischer Beweisrechtstradition, Diss. Saarbrücken 2006, 82 ff. 15 Nachweise z.B. bei Timmerbeil, Witness Coaching und Adversary System: Der Einfluss der Parteien und ihrer Prozessbevollmächtigten auf Zeugen und Sachverständige im deutschen und US-amerikanischen Zivilprozess, 2004. 16 Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 31; rechtsvergleichend auch Schlosser, Zivilprozessrecht I2, 1992, Rz. 153. 17 Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 32; Schlosser, Zivilprozessrecht I2, 1992, Rz. 162 ff. 18 Art. 7 II Nouveau Code des procédure civile: parmi les éléments des débats; CoesterWaltjen a.a.O. Rz. 32; Schlosser JZ 1991, 599. 19 Part 32–35 CPR. 20 Hierzu Andrews ZZPInt 4 (1999), 3; Sobich JZ 1999, 775, 776.
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Spannungsfeld zwischen lex causae und lex fori
II. Beweisverfahren als Domäne der lex fori Für das Beweisverfahren gilt die lex fori. Dies sei an einigen Beispielen verdeutlicht und abgegrenzt. 1. Kein Kreuzverhör In den anglo-amerikanischen Rechtsordnungen steht die Parteiherrschaft viel 2268 stärker im Vordergrund als in den kontinentaleuropäischen, Rz. 2266. So führen z.B. die Parteien (durch ihre Anwälte) die Zeugenvernehmung allein durch.21 Die Vernehmung der Zeugen, zu denen man alle Auskunftspersonen – auch Parteien und Sachverständige – zählt, erfolgt – wie im römischen Zivilprozess22 – durch cross-examination. Die Partei, die den Zeugen benannt hat, vernimmt diesen zuerst (direct-examination), sodann darf der Gegner dem Zeugen Fragen stellen (cross-examination). Danach hat die erste Partei Gelegenheit zur redirectexamination; daran kann sich recross-examination des Gegners anschließen. Wollte der Richter den Zeugen selbst vernehmen, so wäre dies in den Augen eines angelsächsischen Juristen ein schwerer Mangel bei der Wahrheitsfindung. Denn „dann steigt er sozusagen hinunter in die Arena, und es kann sein, dass ihm der aufgewirbelte Staub die Sicht nimmt“.23 Anders ist es auf dem europäischen Kontinent. Hier liegt die Beweisaufnahme in der Hand des Richters. Dieser vernimmt die Zeugen selbst. Die Parteien haben nur das Recht, Fragen vorzulegen, sofern der Richter den Anwälten nicht gestattet, an die Zeugen unmittelbar Fragen zu richten, § 397 ZPO. Maßgebend ist die deutsche lex fori, nicht die lex causae. Daher können die Parteien bzw. ihre Anwälte auch bei Maßgeblichkeit englischen Rechts nicht ein Kreuzverhör veranstalten. 2. Beweisbeschluss Entsprechendes gilt auch für die Notwendigkeit eines Beweisbeschlusses (§§ 358 f. ZPO), den z.B. das US-amerikanische Recht nicht kennt.24 Dieser ist auch zu erlassen, wenn in der Sache das Recht eines US-Bundesstaates anzuwenden ist.25
21 Cohn ZZP 80 (1967), 231; Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 402, 406. 22 Nagel, Grundzüge des Beweisrechts, 1967, 146, 275. 23 Wie es der Court of Appeal in Sachen Jones v. National Coal Board (Weekly Law Reports 1957 II 767) einmal formulierte (zitiert bei Schlosser, Zivilprozessrecht I2, 1992, Rz. 153). 24 Nagel, Grundzüge des Beweisrechts, 272; Heck ZVglRWiss 84 (1985) 208; Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 77 Fußn. 25 (evidence decree). 25 Zur Relevanzkontrolle (Bedeutung des zu erhebenden Beweises für die Entscheidung des Rechtsstreits) im englischen Zivilprozess Stürner in Festschrift Stiefel, 1987, 765 und im US-Zivilprozess Stürner a.a.O. 764; v. Bodungen/Jestaedt ebenda 76.
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Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht 3. Einführung einer Urkunde in den Prozess 2270 Umgekehrt ist die Überwindung des Formalismus des Beweisverfahrens im deutschen Prozess auch dann zu beachten und durchzusetzen, wenn die lex causae einen solchen nicht vorsieht. Beispiel: Das französische Recht verlangt zur Einführung einer Urkunde in den Prozess eine sog. vérification d’écriture, zum Nachweis ihrer Fälschung eine inscription de faux.26 Maßgebend ist die deutsche lex fori, nicht die lex causae.27 4. Verhandlungsmaxime 2271 Die lex fori bestimmt auch den Umfang des Geltungsbereichs des Verhandlungsgrundsatzes. Grundsätzlich obliegt es den Parteien, die jeweils anspruchs- bzw. einrede- und einwendungsbegründenden Tatsachen in den Prozess einzuführen und – für den Fall des Bestreitens durch den Gegner – Beweis anzutreten, Rz. 1995, 2280. Hingegen muss im Geltungsbereich der Untersuchungsmaxime das Gericht von sich aus die entscheidungserheblichen Tatsachen ermitteln. Dagegen bestimmt grundsätzlich die lex causae, welche Partei darlegungs- und beweispflichtig ist, Rz. 2340. 5. Indizienbeweis 2272 Die deutsche lex fori legt fest, inwieweit nicht nur Tatsachen, die unmittelbar die Tatbestandsmerkmale der anzuwendenden Norm ausfüllen, Gegenstand der Beweiserhebung sein können, sondern auch mittelbare Tatsachen, aus denen sich Rückschlüsse auf einen tatbestandserheblichen Vorgang bzw. Zustand ziehen lassen (Zulässigkeit des Indizienbeweises).28 6. Zurückweisung verspäteter Angriffs- und Verteidigungsmittel 2273 Maßgebend ist die lex fori. Es kommt nicht darauf an, ob die lex causae eine den §§ 296, 531 ZPO vergleichbare Vorschrift kennt, Rz. 361. 7. Beweisverfahrensarten (Strengbeweis, Freibeweis, Glaubhaftmachung) 2274 Die lex fori bestimmt, – ob ein förmliches Beweisverfahren mit den von der ZPO zugelassenen fünf Beweismitteln (Augenschein, Zeugen, Sachverständige, Urkunden, Parteivernehmung) erforderlich ist (Strengbeweis, § 284, §§ 355–484 ZPO); oder
26 Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 404. 27 Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 411, 537. 28 Vgl. Rz. 2279 und den Fall des OLG Frankfurt vom 5.12.1986, FamRZ 1987, 155 = IPRspr. 1986 Nr. 54 (Eheaufhebung nach englischem Recht).
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Spannungsfeld zwischen lex causae und lex fori – ob der Richter die Möglichkeit zum Freibeweis hat, dessen Gestaltung in sei- 2275 nem Ermessen liegt.29 Hier muss der Richter nicht die Förmlichkeiten des Beweisverfahrens (§§ 355 ff. ZPO) einhalten; er ist insbesondere nicht auf die fünf gesetzlichen Beweismittel beschränkt. Er kann vielmehr Erkenntnisquellen jeglicher Art benutzen, wie z.B. amtliche Auskünfte, schriftliche Versicherungen von Privatpersonen oder Akten aus anderen Verfahren.30 So ist z.B. das Gericht bei der Ermittlung von Erfahrungssätzen nicht auf die gesetzlichen Beweismittel beschränkt. Hauptbeispiel auf dem Gebiet des internationalen Zivilverfahrensrechts ist die Feststellung des Inhalts ausländischer Rechtsnormen nach § 293 ZPO, Rz. 2583. Hier darf das Gericht alle Erkenntnisquellen benutzen, Rz. 2579;31 oder – ob schließlich Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO) genügt. 8. Beweiserleichterung nach § 287 ZPO Dem Beweisverfahren ist auch § 287 ZPO zuzuordnen. Deshalb hat der deutsche Richter bei ausländischer lex causae nach § 287 ZPO (einer den Beweis erleichternden bzw. erübrigenden Regel) zu verfahren, Rz. 2337.32
2276
9. Geständnis Die Bindung des Richters an ein Geständnis33 gilt grundsätzlich auch, wenn die lex causae etwas anderes vorschreiben sollte, Rz. 358. Anders ist es aber, wenn die Bedeutungslosigkeit des Geständnisses Ausdruck fehlender (materiell-rechtlicher) Dispositionsfreiheit ist; Rz. 357. So ist z.B. ratio legis des § 113 IV Nr. 5 ff. FamFG (vormals § 617 ZPO) die auch verfahrensmäßige Durchsetzung des Grundsatzes, dass die Auflösung der Ehe nicht zur Disposition der Ehegatten steht. Das Fehlen der Privatautonomie soll auch verfahrensrechtlich sichtbar gemacht werden. Die enge Verbindung der Beschränkung der Geständniswirkung mit der materiell-rechtlichen Begrenzung der Verfügungsbefugnis der Beteiligten führt zur Maßgeblichkeit der lex causae; deshalb ist § 113 IV Nr. 5 FamFG nur bei Anwendbarkeit deutschen Rechts zu beachten.34
29 Zustimmend z.B. Kreuzer/Wagner, Europäisches Internationales Zivilverfahrensrecht in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Stand: Juni 2007 (19. Ergänzungslieferung) sub Q Rz. 589. 30 Schlosser, Zivilprozessrecht I2, 1992, Rz. 340. 31 BGH vom 24.11.1960, NJW 1961, 410 = IPRspr. 1960–61 Nr. 5. 32 Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 466; für lex causae Birk, Schadensersatz und sonstige Restitutionsformen im IPR, 1969, 163; Niederländer RabelsZ 20 (1955), 33, 51. 33 § 288 ZPO. 34 Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 601.
797
2277
Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht
III. Beweisfrage 2278 Die lex causae bestimmt, welche Tatsachen vorliegen müssen bzw. nicht vorliegen dürfen, wenn dem Klagebegehren stattzugeben ist. Denn welche Tatsachen klagebegründend sind, kann sich nur nach dem anwendbaren materiellen Recht richten.35
IV. Beweiserheblichkeit 2279 Nach deutschem Recht sind alle Tatsachen, die nach Logik und Erfahrung vernünftigerweise eine Schlussfolgerung auf das Bestehen oder Nichtbestehen einer direkten Tatsache zulassen, beweiserheblich. Enger das französische Recht: Eine Tatsache, aus der auf das Vorliegen eines Tatbestandsmerkmals geschlossen werden kann (pertinent), ist nur dann beweiserheblich, wenn sie auch concluant ist, d.h. wenn sie die Überzeugung des Richters beeinflussen kann. Dies ist zu verneinen, wenn der Richter vom Vorliegen oder Nichtvorliegen der behaupteten Tatsache bereits überzeugt ist. Es kommen also bereits bei der Frage der Beweiserheblichkeit Momente der Beweiswürdigung ins Spiel.36 Für die Beweiserheblichkeit ist die lex fori maßgeblich. Sonst wäre die Entscheidungseffizienz nicht gewährleistet.37 – Siehe auch Rz. 2272.
V. Beweisbedürftigkeit 2280 Die meisten Rechtsordnungen gehen davon aus, dass nur bestrittene Tatsachen des Beweises bedürfen, wobei das Schweigen des Gegners als Nichtbestreiten ausgelegt wird.38 Der Grundsatz, dass nur bestrittene Tatsachen des Beweises bedürfen, ist Ausfluss der Verhandlungsmaxime. Maßgeblich ist die lex fori, Rz. 2271.39 2281 Die deutschen Gerichte haben einen abweichenden Standpunkt der lex causae grundsätzlich nicht zu beachten.40 Eine Ausnahme ist jedoch zu machen, wenn nach der lex causae auch unbestrittene Tatsachen des Beweises bedürfen.41 Denn die Beweisbedürftigkeit (trotz Nichtbestreitens) ist Ausdruck der fehlenden Parteiautonomie für die materiell-rechtliche Beziehung, die sich als verfahrensrechtliche Verfügungsbeschränkung fortsetzt.42 35 Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 267; Kreuzer/Wagner, Europäisches Internationales Zivilverfahrensrecht in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Stand: Juni 2007 (19. Ergänzungslieferung) sub Q Rz. 585. 36 Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 273. 37 Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 276. 38 Nachweise bei Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 277. 39 Kreuzer/Wagner, Europäisches Internationales Zivilverfahrensrecht in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Stand: Juni 2007 (19. Ergänzungslieferung) sub Q Rz. 585. 40 Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 281. 41 Für das deutsche Recht § 113 IV FamFG, Rz. 357, 2277; vgl. aber auch Rz. 2293. 42 Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 282 ff.
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Spannungsfeld zwischen lex causae und lex fori
VI. Offenkundige Tatsachen Offenkundige Tatsachen bedürfen auch dann keines Beweises und auch keines 2282 Vortrags durch die Parteien, um Prozessstoff zu werden,43 wenn in der Sache ausländisches Recht zur Anwendung kommt.44
VII. Beweisvermutungen Beweisvermutungen unterteilen sich
2283
– in sog. gesetzliche Vermutungen (presumptions of law; présomptions légales). Diese zerfallen wieder in unwiderlegbare (praesumtiones iuris et de iure; présomptions absolues; irrebuttable oder conclusive presumptions) und widerlegbare (praesumtiones iuris tantum; rebuttable oder disputable presumptions; présomptions simples) – die aus Lebenserfahrung und Erfahrungssätzen resultierenden tatsächlichen Vermutungen (presumptions of fact; présomptions du fait oder praesumtiones hominis).45 Maßgeblich ist die lex causae; dies bestimmt für vertragliche Schuldverhältnisse Art. 18 I Rom I-Verordnung46, davor Art. 14 I des Römischen Schuldvertragsübereinkommens = Art. 32 III 1 EGBGB,47 sowie für außervertragliche Art. 22 I Rom II-Verordnung.
2284
1. Gesetzliche Vermutungen a) Unwiderlegliche Vermutungen: Hier wird aufgrund eines Rechtssatzes aus 2285 dem Vorliegen einer Tatsache A auf das Gegebensein der für das Eintreten einer bestimmten Rechtsfolge C wesentlichen Tatsache B geschlossen, ohne dass die Möglichkeit besteht, das Nichtvorliegen der Tatsache B zu beweisen (im Unterschied zur Fiktion, bei der die fingierte Tatsache sicher nicht gegeben ist, kann die unwiderlegbar vermutete Tatsache vorliegen). Der Schluss kann aber auch
Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht16, 2004, § 111 Rz. 25 ff. Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 288. Hierzu Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 307. Verordnung (EG) Nr. 593/2008 vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. EU Nr. L 177 vom 4.7.2008, S. 6. 47 Hierzu überzeugend der Lagarde-Bericht, Bundestagsdrucksache 10/503 S. 68: „Die gesetzlichen Vermutungen, bei denen derjenige keine Beweise erbringen muss, zugunsten dessen diese Vermutungen bestehen, sind in Wirklichkeit Sachnormen, die bei vertraglichen Schuldverhältnissen zur Präzisierung der Verpflichtungen der Parteien beitragen und mithin nicht von dem für den Vertrag maßgeblichen Recht getrennt werden können.“ Vgl. auch Mansel, Personalstatut, Staatsangehörigkeit und Effektivität, 1988, Rz. 394; Martiny in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 286; Koch in Festschrift Siehr, 2000, 341, 353. – Für das internationale Sachenrecht siehe Kreuzer in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch3, 1998, nach Art. 38 EGBGB Anh. I Rz. 31 Fußn. 128.
43 44 45 46
799
Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht unmittelbar auf das Gegebensein eines bestimmten Rechts oder Rechtsverhältnisses, also nicht erst auf eine Tatsache im engeren Sinne, gerichtet sein.48 2286 Die unwiderlegbaren Vermutungen modifizieren den Tatbestand, an den eine gewisse Rechtsfolge angeknüpft ist, indem sie die Wahrheitsermittlung verkürzen und unwiderlegbar vom Vorliegen der Tatsache B ausgehen, obwohl nur das Gegebensein der Tatsache A nachgewiesen ist. Sie haben im Ergebnis die gleiche Wirkung wie eine Rechtsnorm, die als Tatbestandsvoraussetzung für das Eintreten der Rechtsfolge C das Vorliegen der Tatsache A verlangt. Mit der Normierung einer unwiderlegbaren Vermutung trifft der Gesetzgeber eine Regelung, die er ebenso gut mit einer rein materiell-rechtlichen Vorschrift erreichen könnte. Solche Vermutungen sind zwar nicht materiell-rechtliche Vorschriften, sie bleiben vielmehr Beweisvorschriften, weil sie die Frage betreffen, wie die Tatsache B vor Gericht nachzuweisen ist. Sie sind jedoch mit dem materiellen Recht so stark verflochten, dass sie der lex causae zu unterstellen sind.49 2287 b) Widerlegbare Vermutungen: Nach deutschem und französischem Recht führen alle widerlegbaren gesetzlichen Vermutungen zur Umkehr der Beweislast. Die beweispflichtige Partei braucht nur das Vorliegen der Tatsache A (Ausgangstatsache) nachzuweisen, der Gegner muss das Nichtvorliegen der vermuteten Tatsache B darlegen und unter Beweis stellen. Solange das Gericht vom Nichtvorliegen der Tatsache B nicht voll überzeugt ist, bleibt es bei der gesetzlichen Vermutung, dass B gegeben ist. Im anglo-amerikanischen Rechtskreis braucht der Gegner nur darzutun, dass das Vorliegen der vermuteten Tatsache B nicht wahrscheinlich ist. Diese Vermutungen tangieren also nur das evidential burden (burden of producing evidence). Wegen der materiell-rechtlichen Verflochtenheit dieser Regelung ist auf die lex causae abzustellen. So hat z.B. der deutsche Richter bei Maßgeblichkeit des Rechtes eines US-Bundesstaates die Wirkung einer Vermutung, die nur das burden of producing evidence berührt, in der Weise zu berücksichtigen, dass er bei nur wenig umfangreichem Beweismaterial die vermutete Tatsache für nicht gegeben hält. Damit erreicht er den gleichen Effekt wie im amerikanischen Zivilprozess durch einen positiven Bescheid auf eine motion for a directed verdict (Rz. 2344).50 2288 Dies gilt jedoch nicht für prozessuale Vermutungen, z.B. § 267 ZPO. Die Frage, ob eine Klageänderung zulässig ist, bestimmt ausschließlich die deutsche lex fori (Zustimmung zur Klageänderung, wenn Beklagter – ohne Widerspruch – sich zur abgeänderten Klage eingelassen hat). Deshalb gilt die Vermutung des § 267 ZPO ohne Rücksicht auf das in der Sache anwendbare Recht.51 48 Stein/Jonas/Leipold, ZPO22, 2008, § 292 Rz. 6. 49 Birk, Schadensersatz und sonstige Restitutionsformen im IPR, 1969, 149; Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 309. 50 Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 325. 51 So auch die amtliche Begründung zu Art. 32 III 1 EGBGB = Art. 14 I des Römischen Schuldvertragsübereinkommens = nunmehr Art. 18 I Rom I-Verordnung, Bundestagsdrucksache 10/504 S. 82: „Beweisvorschriften, die keinen direkten Bezug zu materiell-rechtlichen Normen des vertraglichen Schuldrechts aufweisen, sondern allein verfahrensrechtlicher Art sind, fallen nicht unter diese Regelung.“ Hierzu auch CoesterWaltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 329.
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Spannungsfeld zwischen lex causae und lex fori 2. Tatsächliche Vermutungen, insbesondere der Beweis des ersten Anscheins Art. 1053 Code civil fordert Erfahrungssätze, die „graves, précises et concor- 2289 dants“ sind. Im anglo-amerikanischen Recht muss es sich um ein „self-evident result of human reason and experience“ handeln. Im deutschen Recht verlangt man einen gewissen „Erfahrungssockel“.52 Klassischer Anwendungsfall für eine tatsächliche Vermutung ist im deutschen 2290 Recht der sog. Anscheins- oder prima facie-Beweis. Es geht dabei um einen Sachverhalt, bei dem „die Dinge nach der Erfahrung des täglichen Lebens in bestimmter Weise zu verlaufen pflegen, die besonderen Umstände des jeweiligen Falles bei einer Gesamtbetrachtung hinter das typische Erscheinungsbild des Geschehens völlig zurücktreten und der Schluss auf einen gleichen Geschehensablauf sich ohne weiteres auch in dem Einzelfalle aufdrängt“.53 In den angloamerikanischen Rechtsordnungen findet sich die (enger gefasste) Regel „res ipsa loquitur“: Danach wird das Verschulden desjenigen vermutet, in dessen Gefahrenkreis ein schädigendes Ereignis stattgefunden hat.54 Die tatsächlichen Vermutungen berühren die Beweislast nicht; sie unterliegen 2291 der freien richterlichen Beweiswürdigung. Im Hinblick auf die materiell-rechtliche Verflochtenheit der tatsächlichen Vermutung ist aber die jeweilige lex causae maßgebend.55
VIII. Beweis ausländischen Rechts Die Rechtsvergleichung bringt recht unterschiedliche Standpunkte zu Tage: Ei- 2292 nerseits Amtsermittlung im deutschen Recht (Rz. 2577), auf der anderen Seite Beweispflichtigkeit der Parteien im englischen und französischen Recht. In der Mitte stehen die US-amerikanischen Rechte mit der Möglichkeit der judicial notice.56 Die Art der Ermittlung des ausländischen Rechts im deutschen Verfahren bestimmt immer die deutsche lex fori. Es handelt sich aus deutscher Sicht nicht um ein Beweisproblem. Denn bei der Ermittlung ausländischen Rechts geht es nicht um den Beweis von Tatsachen, sondern um die Ermittlung des Inhalts einer ausländischen Norm, Rz. 2585. Gleichwohl tauchen ähnliche Probleme wie bei einem non liquet im Tatsächlichen auf, wenn der Inhalt der nach deutschem internationalem Privatrecht anwendbaren Norm nicht oder nicht in der für die zu treffende Entscheidung zur Verfügung stehenden Zeit ermittelt werden kann, Rz. 2001, 2598. 52 Nachweise bei Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 332. 53 BGH VersR 1956, 696. 54 Nachweise bei Buciek, Beweislast und Anscheinsbeweis im internationalen Recht, Diss. Bonn 1984, 162, 210; Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 333. 55 Buciek, Beweislast und Anscheinsbeweis im internationalen Recht, Diss. Bonn 1984, 257; Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 353; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Anh. zu § 606a ZPO Rz. 175. Anders die (noch) herrschende Meinung, welche den Anscheinsbeweis der lex fori zuordnet. Nachweise bei Schack BerDGVR 32 (1992) 341 und bei Buciek, Beweislast und Anscheinsbeweis im internationalen Recht, Diss. Bonn 1984, 145, 175. 56 Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 289.
801
Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht
IX. Beweisthemenverbote 2293 Das deutsche Recht kennt im Wesentlichen nur das Verbot des Ausforschungsbeweises.57 Anders z.B. das Verbot des Art. 322, Art. 322–1 Code civil, der in Abstammungsstreitigkeiten bei Übereinstimmung des Familienstandes und der Geburtsurkunde (außer in den Fällen der Kindesunterschiebung oder der Kindesverwechslung) den Nachweis der anderen Abstammung untersagt58 oder die Regel des englischen Rechts, dass im Schadensersatzprozess der Beweis über eine unentgeltliche Zuwendung Dritter an den Geschädigten verboten ist. Beide Beweisverbote verbieten „unerwünschte Beweise“: Eine an sich für den Tatbestand der materiell-rechtlichen Norm relevante Frage soll nicht aufgeklärt werden. Diese Verbote haben die gleiche Wirkung wie eine Vorschrift über die Unzulässigkeit der Ehelichkeitsanfechtungsklage bzw. eine Norm des Inhalts, dass für die Berechnung des Schadensersatzanspruchs die unentgeltlichen Zuwendungen Dritter außer Betracht bleiben. Statt durch (prozessuale) Beweisverbote hätte man den gleichen Effekt durch eine andere Fassung des Tatbestandes der materiellen Norm erzielen können. Wie der Gesetzgeber rechtstechnisch verfährt, bleibt in seinem Belieben. Entscheidend ist, dass der Regelungsgegenstand materiell-rechtlich eingefärbt ist. Deshalb ist für das Verbot unerwünschter Beweise die lex causae maßgeblich, vorbehaltlich des Eingreifens des deutschen ordre public (Art. 6 EGBGB).59 2294 Dagegen ist das Verbot des Ausforschungsbeweises (Rz. 1994, 2482) ein rein prozessrechtliches Institut ohne Verflechtungen mit dem materiellen Recht. Maßgebend ist deshalb immer die deutsche lex fori. Das deutsche Ausforschungsverbot kommt auch bei Anwendbarkeit ausländischen Sachrechts zur Anwendung. Noch weiter geht Schütze.60 Den Umfang der Wahrheitsermittlung bestimme allein und immer die deutsche lex fori. Das Grundgesetz garantiere dem Rechtsuchenden vor deutschen Gerichten ein im Rahmen der Verhandlungsmaxime der Wahrheit entsprechendes Urteil, das eine Beschränkung von Beweisen nur dann zulässt, wenn das deutsche Recht Beweisverbote aufstellt.
X. Beweisverbote des Estoppel 1. Vollmachtsmangel 2295 Eine Partei ist in bestimmten Fällen vom Beweis einer Tatsache ausgeschlossen (estopped), wenn aus ihrem früheren eindeutigen und klaren Verhalten das Gegenteil zu schließen war (Ausnahme: wenn damit eine Rechtsvorschrift umgangen würde).61 57 Stürner, Die Aufklärungspflicht der Parteien des Zivilprozesses, 1976, 108; Stein/Jonas/ Leipold, ZPO22, 2008, § 284 Rz. 42. 58 Hierzu Spellenberg FamRZ 184, 117 ff., 239 ff.; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Anh. zu § 606a ZPO Rz. 160. 59 Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 291. 60 Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 223. 61 Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 297.
802
Spannungsfeld zwischen lex causae und lex fori Beispiel: Der Vertretene darf den Mangel der Vertretungsmacht in bestimmten Fällen nicht nachweisen. Die gleiche Problematik wird im deutschen Recht materiell-rechtlich nach den Grundsätzen der Anscheins- und Duldungsvollmacht gelöst. Die Verflechtung der estoppel-Regelung mit dem die Vertretung regelnden Recht ist hier so offensichtlich, dass man diese Vorschrift der lex causae zuordnen muss.62 2. Estoppel by record Estoppel by record schließt den Beweis für Tatsachen aus, die mit der Tatsachen- 2296 feststellung eines früheren Urteils zusammenhängen.63 Eine estoppel-cause of action liegt vor, wenn die Tatsache, deren Beweis ausgeschlossen ist, Gegenstand des Klagebegehrens in einem Rechtsstreit bzw. des in diesem ergangenen Urteils war.64 Vom estoppel of issue spricht man, wenn diese Tatsache im Erstverfahren hätte geltend gemacht werden können (entspricht der Präklusionswirkung des deutschen Rechts). Dieser englischen Terminologie entsprechen in den Vereinigten Staaten von Amerika merger, bar und collateral estoppel.65 Bar (für den Beklagten) und merger (für den Kläger) schließen die in den früheren Verfahren erörterten Punkte und die Tatsachen, die dort hätten vorgebracht werden können, im zweiten Prozess aus, wenn es sich um den gleichen (eine Geldsumme betreffenden) Streitgegenstand handelt. Dagegen schließt die doctrine of collateral estoppel nur den Beweis über das Nichtvorliegen der im ersten Verfahren geltend gemachten wesentlichen Streitpunkte aus; sie gilt auch für andere Verfahren, nicht nur für solche, bei denen es um Zahlung einer Geldsumme geht. Diese Regelungen sollen die Belastung der Gerichte verringern (interest rei pu- 2297 blicae ut sit finis litium), den Gerichtsurteilen Respekt verschaffen sowie den Sieger im ersten Verfahren vor schikanösen Klagewiederholungen schützen (nemo bis vexari potest pro una et eadem causa).66 Sie verfolgen ähnliche Zwecke wie in den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen die Lehre von der materiellen Rechtskraft. Sie sind daher nicht qua kollisionsrechtlicher Verweisung zu beachten;67 vielmehr kommen die Regeln über die Anerkennung der Wirkungen ausländischer Urteile zum Zuge, auch wenn die lex causae hier ein Beweisproblem sieht. Estoppel by record ist – aus deutscher Sicht – eine prozessuale Urteilswirkung und daher vom deutschen Gericht nur zu beachten, wenn die Anerkennungsvoraussetzungen vorliegen bzw. keine Versagungsgründe geltend gemacht werden, Rz. 2787. 62 Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 298. 63 Siehe auch Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht3, 2003, 73. 64 Hierzu Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozessrecht – Überlegungen zur Bewältigung von multi-fora disputes, 1996, 71. 65 Hierzu Koshiayama, Rechtskraftwirkungen und Urteilsanerkennung nach amerikanischem, deutschem und japanischem Recht, 1996, 2, 128; Spindler, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Prozessvergleiche unter besonderer Berücksichtigung der U.S.-amerikanischen Class Action Settlements, Diss. Heidelberg, 2001, 133; Stürner in Festschrift Schütze, 1999, 913. 66 Cohn in Festschrift Nipperdey, 1965, 878. 67 So aber Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 304.
803
Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht
XI. Unsichere Beweise 2298 Mit dem Verbot des Beweises vom Hörensagen (hearsay evidence) im US-amerikanischen Zivilprozess wird die Wiedergabe einer von einem Dritten außerhalb der Gerichtsverhandlung gemachten Äußerung untersagt zum Beweis der Tatsache, die Gegenstand jener Äußerung ist. Der Dritte kann nicht unter Eid vernommen, er kann nicht einem cross-examination unterzogen werden und seine Abwesenheit in der Verhandlung verhindert eine sachgemäße Einschätzung seiner Glaubwürdigkeit durch die Jury. Solche Beweisverbote sind auf die Besonderheiten des amerikanischen Zivilprozesses zugeschnitten und deshalb vom deutschen Gericht nicht zu beachten.68
XII. Beweishindernisse 2299 Ist die Verwertung bestimmter Beweise generell oder für bestimmte Beweistatsachen verboten, spricht man von Beweishindernissen.69 So sind z.B. im Urkunden- und Wechselprozess nur Urkunden und die Parteivernehmung zugelassen, §§ 592, 595, 605 I ZPO. Andere Beweismittel sind ausgeschlossen. Hier ist die lex fori maßgeblich, Rz. 2633. Diese entscheidet nicht nur über die Zulässigkeit dieser besonderen Verfahrensart, sondern auch über die Ausgestaltung dieses Verfahrens in beweismittelrechtlicher Hinsicht.70 Die deutsche lex fori ist auch maßgeblich, wenn zu entscheiden ist, ob dem Zeugenbeweis die Schweigepflicht entgegensteht, § 383 III ZPO; der Antrag auf Vernehmung eines Arztes als Zeuge über Tatsachen aus dem Bereich des Arzt-Patienten-Verhältnisses ist daher auch abzulehnen, wenn der Arztvertrag bzw. die Rechtsbeziehung zwischen Arzt und Patient nach den Regeln des deutschen internationalen Privatrechts ausländischem Recht untersteht. Unzulässig ist auch die Vernehmung eines Zeugen, gleich welcher Nationalität, dem ein deutsches Gericht gemäß § 174 III GVG ein Schweigegebot auferlegt hat. Fraglich ist jedoch, ob ein von einem ausländischen Gericht verhängtes Schweigegebot zu beachten ist. Sicher ist jedenfalls, dass der Umfang eines solchen (gegebenenfalls zu beachtenden) Gebots nach der ausländischen Rechtsnorm (nach welcher der ausländische Richter verfahren ist) zu ermitteln ist71 und dass eine Anerkennung nach prozessualem Anerkennungsrecht (§ 328 ZPO) nicht in Betracht kommt, Rz. 2799. 2300 Eine ähnliche Problematik ergibt sich aus dem Verbot der Beweiserhebung über Vorgänge bei der richterlichen Entscheidungsfindung (Beratung und Abstimmung). Schließlich richtet sich der Umfang von Beweishindernissen infolge von Zeugnisverweigerungsrechten nach der lex fori, Rz. 2310.
68 69 70 71
Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 294. Stein/Jonas/Leipold, ZPO22, 2008, § 284 Rz. 57. Ebenso die amtliche Begründung zu Art. 32 III 2 EGBGB (Rz. 2303). Vgl. auch Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 270.
804
Spannungsfeld zwischen lex causae und lex fori
XIII. Beweisverwertungsverbote Die lex fori befindet darüber, wann und unter welchen Umständen die Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel72 verboten ist.73
2301
XIV. Beweismittel 1. Überblick Für Maßgeblichkeit der lex fori plädiert Schütze.74 Wer z.B. Zeuge sein kann, 2302 bestimme allein die deutsche lex fori. Da die Beweismittel ganz wesentlich die Wahrheitsermittlung bestimmen, könne man sich nicht durch ausländische Gesetze vorschreiben lassen, in welcher Weise die heimischen Gerichte Recht finden sollen.75 Hinzu komme ein praktischer Grund: Zahlreiche Verbote der Benutzung von Beweismitteln beruhen auf den Besonderheiten des ausländischen Verfahrens. So beruht das Verbot des Zeugenbeweises durch Hörensagen (hearsay rule des common law)76 auf der Zweiteilung des Verfahrens zwischen Richter und Jury, Rz. 2344. Art. 14 II des Römischen Schuldvertragsübereinkommens und nunmehr Art. 18 II der Rom I-Verordnung77 knüpfen – wie Art. 22 II Rom II-Verordnung – alternativ an die lex fori und das Formstatut an; demgemäß bestimmt Art. 32 III 2 EGBGB:78 „Zum Beweis eines Rechtsgeschäfts sind alle Beweismittel des deutschen Verfahrensrechts und, sofern dieses nicht entgegensteht, eines der nach Artikel 11 und 29 Abs. 3 maßgeblichen Rechte, nach denen das Rechtsgeschäft formgültig ist, zulässig.“ Hierzu erläutert die amtliche Begründung:79 „Für den Nachweis von Rechtsgeschäften lässt Satz 2 die Beweismittel des deutschen Verfahrensrechts als der lex fori und darüber hinaus diejenigen der Rechtsordnung zu, aus der sich gemäß den Art. 11 und 29 Abs. 3 EGBGB-E die Formgültigkeit des Rechtsgeschäfts ergibt. Damit ist sichergestellt, dass keine Er72 Nachweise bei Stein/Jonas/Leipold, ZPO22, 2008, § 284 Rz. 86. Rechtsvergleichende Hinweise bei Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2006, § 9 Rz. 46; Schwab/Gottwald in Habscheid, Effektiver Rechtsschutz, 1983, 72. 73 Zur Anerkennungsperspektive siehe unten Rz. 2962. 74 Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 225. Siehe auch Kreuzer/Wagner, Europäisches Internationales Zivilverfahrensrecht in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Stand: Juni 2007 (19. Ergänzungslieferung) sub Q Rz. 589. 75 Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 468. 76 F.R.Ev. 801 ff., Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht3, 2003, 65. 77 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. EU Nr. L 177 vom 4.7.2008, S. 6. 78 Vgl. auch Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Anh. zu § 606a ZPO Rz. 157. 79 Bundestagsdrucksache 10/504 S. 82.
805
2303
Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht wartungen enttäuscht werden, welche die Vertragsschließenden in Bezug auf die Beweisbarkeit eines Rechtsgeschäfts mit den für die Formgültigkeit dieses Rechtsgeschäfts maßgeblichen Regelungen verbinden. Soweit allerdings ein Beweis nach deutschem Verfahrensrecht nicht erbracht werden kann, ist eine Beweisführung nach Satz 2 nicht zulässig. Der Beweis kann also in keinem Fall mit einem Beweismittel geführt werden, das dem Recht des Gerichts grundsätzlich fremd ist (z.B. Vernehmung einer Partei als Zeuge vor einem deutschen Gericht). Nach Satz 2 ist es ferner ausgeschlossen, dass innerhalb einer bestimmten Verfahrensart, die – wie z.B. der deutsche Urkundenprozess – nur bestimmte Beweismittel zulässt, Beweismittel eingeführt werden können, die nach der lex fori unzulässig sind.“ 2304 Diese Explikationen basieren wiederum auf dem Bericht von Lagarde zu Art. 14 II des Römischen Schuldvertragsübereinkommens:80 „Der Text sieht die alternative Anwendung der lex fori und des für die Form des Rechtsgeschäfts maßgebenden Rechts vor. Diese liberale Lösung, die zum Beweis des Rechtsgeschäfts äußerst günstig ist, gilt bereits in Frankreich und in den Benelux-Ländern. Sie dürfte die einzige Lösung sein, die sowohl den Erfordernissen der lex fori wie dem Bemühen entspricht, die berechtigten Erwartungen der Parteien beim Abschluss ihres Rechtsgeschäfts zu beachten. Die lex fori ist normalerweise dazu berufen, die Beweisarten für das Rechtsgeschäft zu bestimmen. Wenn die lex fori beispielsweise den Nachweis eines Vertrages durch Zeugen zulässt, muss sie angewendet werden, ohne Rücksicht darauf, ob es in diesem Fall strengere Bestimmungen des Rechts gibt, das für das Rechtsgeschäft in materieller oder formeller Hinsicht maßgebend ist. 2305 Begnügt sich hingegen im entgegengesetzten Fall das für die Form des Rechtsgeschäfts maßgebende Recht mit einer mündlichen Vereinbarung und lässt zu, dass der Beweis dieser Vereinbarung durch Zeugen erbracht werden kann, würden die Erwartungen der Parteien, die ihr Vertrauen in dieses Recht gesetzt haben, zunichte gemacht, wenn ihnen die Erbringung dieses Beweises allein mit der Begründung verwehrt würde, dass das Recht des befassten Gerichts für alle Rechtsgeschäfte den Urkundenbeweis erfordert. Daher muss den Parteien gestattet werden, sich vor dem befassten Gericht auf die Beweisarten zu berufen, die von dem für die Form maßgebenden Recht zugelassen sind. 2306 Diese liberale Regelung darf jedoch nicht dazu führen, dass dem befassten Richter Beweisarten vorgeschrieben werden, deren Benutzung sein Prozessrecht nicht gestattet. Art. 14 regelt nicht die Frage der Beweisaufnahme, die das Recht eines jeden Vertragsstaats dem Recht des befassten Richters unterstellt. Die zulässige Anwendung der Beweisarten eines anderen Rechts als der lex fori darf nicht dazu führen, dass die Regeln der lex fori über die Beweisaufnahme außer Kraft gesetzt werden.
80 Bundestagsdrucksache 10/503 S. 69. Hierzu siehe auch Blanchard, Die prozessualen Schranken der Formfreiheit: Beweismittel und Beweiskraft im EG-Schuldvertragsübereinkommen in deutsch-französischen Vertragsfällen, Diss. Heidelberg 2002.
806
Spannungsfeld zwischen lex causae und lex fori So erklärt sich der Hinweis, der es dem Richter prinzipiell erlaubt, ohne sich da- 2307 bei auf die öffentliche Ordnung zu berufen, die in seinem Prozessrecht im Allgemeinen nicht zugelassenen Beweisarten abzulehnen, wie z.B. den Eid, die Zeugenaussage einer der Parteien oder den Beweis durch die öffentliche Meinung „commune renommée“. Bedacht wurde ferner der Fall der Rechte, die der Eintragung in ein öffentliches Register bedürfen, wobei die Auffassung vertreten wurde, dass die mit der Führung dieses Registers beauftragte Behörde nach dieser Bestimmung nur die Beweisarten zulassen kann, die in ihrem eigenen Recht vorgesehen sind. Nach Annahme des allgemeinen Grundsatzes war es erforderlich, das auf die Form anwendbare Recht, das alternativ mit der lex fori gelten soll, näher zu bestimmen. Der Text bezieht sich auf eines jeder in Art. 9 bezeichneten Rechte, nach de- 2308 nen das Rechtsgeschäft formgültig ist. Ist also das Rechtsgeschäft beispielsweise nach dem Recht rechtsgültig, das für das Rechtsgeschäft in materieller Hinsicht maßgeblich ist, nicht jedoch nach dem Recht des Ortes, an dem es vorgenommen wurde, können sich die Parteien nur auf die Beweisarten berufen, die im erstgenannten dieser beiden Rechte vorgesehen sind; dies gilt auch, wenn das zweitgenannte Recht in der Frage der Beweiserbringung liberaler ist. Der in beweisrechtlicher Hinsicht dem für die Form maßgebenden Recht eingeräumte Platz setzt natürlich voraus, dass dieses für die Form maßgebende Recht eingehalten worden ist. Ist das Rechtsgeschäft hingegen nach beiden Rechten (lex causae und lex loci actus) gemäß Art. 9 formgültig, so können sich die Parteien auf die Beweisarten berufen, die in einem dieser Rechte vorgesehen sind.“ Siehe auch Rz. 2319 und 2329. 2. Zeugen Wer Zeuge sein kann, ist nach der lex fori zu beurteilen.81 Eine Ausnahme gilt für die Beschränkung der Zeugnisfähigkeit von Abkömmlingen in Scheidungsprozessen. Durch diesen Ausschluss soll das Beweismaterial beschränkt werden. Die Abkömmlinge „wissen zu viel“. Auf ihre Aussagen soll die Scheidung nicht gestützt werden.82
2309
Auch bei Zeugnisverweigerungsrechten ist die deutsche lex fori maßgeblich.83 2310 Ein Ausländer kann sich nicht darauf berufen, dass er nach seinem Heimat- oder
81 Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 590 Fußn. 1824.In den Vereinigten Staaten von Amerika sind z.B. auch juristische Personen – durch ihre Repräsentanten – zur Aussage verpflichtet, FRCP 30 [B] [6], Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 153, 155; Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 98. 82 Grasmann ZZP 83 (1970), 219; Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 590 Fußn. 1825. 83 Siehe auch Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 376), Art. 11 HBÜ Rz. 7.
807
Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht Wohnsitzrecht84 nicht als Zeuge auszusagen braucht. Allen Zeugnisverweigerungsrechten85 ist gemeinsam: Sie wollen bestimmte Bereiche des menschlichen Lebens vor Aufdeckung im Prozess schützen. Im Vordergrund steht nicht die Verkürzung der Wahrheitsermittlung; diese wird lediglich als Nebeneffekt in Kauf genommen. Da mit dem Zeugnisverweigerungsrecht allein der Schutz bestimmter Privat- bzw. Berufsbereiche intendiert wird und keinerlei Bezug zum Streitgegenstand besteht, fehlt es an einer Verflechtung mit der lex causae. Daher ist immer nur die lex fori anzuwenden.86 2311 Exkurs: Soweit die Beweisaufnahme nicht der Vorbereitung einer Sachentscheidung eines deutschen Gerichts dient, sondern im Wege der Rechtshilfe für ein im Ausland anhängiges Verfahren durchgeführt wird, bringt das HBÜ ein zeugenfreundliches Konzept, das voraussichtlich auch auf die staatsvertraglich nicht geregelten Bereiche der Rechtshilfe (mittelfristig) ausstrahlen wird: Nach Art. 11 HBÜ (Rz. 2509) kann der Zeuge nicht nur auf die lex fori, sondern auch auf das Recht des ersuchenden Staates (also des Staates, in dem der Rechtsstreit anhängig ist, für den die Beweisaufnahme durchgeführt wird) rekurrieren, wenn er sich auf sein Recht zur Aussageverweigerung oder auf sein Aussageverbot berufen will, Rz. 2509.87 2312 Ob nach dem ausländischen Recht ein Weigerungsrecht besteht, hat der deutsche Richter zu entscheiden. Aus Art. 3 II HBÜ folgt nichts Gegenteiliges.88 2313 Verschwiegenheitspflicht: Mitunter kennen die Rechtsordnungen der US-Bundesstaaten eine Beweislastumkehr zu Lasten derjenigen Partei, die den zur Verschwiegenheit verpflichteten Zeugen nicht von seiner Pflicht entbinden will.89 Derartige Vorschriften regeln eine Verkürzung der Wahrheitsermittlung und sind materiell-rechtlich verflochten. Sie gehören in den Zuständigkeitsbereich der lex causae.90 Vgl. aber Rz. 2342.
84 Anders z.B. das US-amerikanische Recht, F.R.Ev. 501, Junker, Discovery im deutschamerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 125; hierzu auch Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses, 1989, 266. 85 Rechtsvergleichend v. Bodungen/Jestaedt in Festschrift Stiefel, 1987, 81; Stürner ebenda 773; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht3, 2003, 49; Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 124, 126 Fußn. 66, 210; Stürner ZVglRWiss 81 [1982], 166, 191, 203. 86 Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 597; Keller/Siehr, Allgemeine Lehren des IPR, 1986, 599. 87 Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 303, 417. Siehe auch Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 376), Art. 11 HBÜ Rz. 1. 88 Anderer Auffassung Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 303 Fußn. 14 und Lord Denning im Fall Westinghouse, der meinte, über das englische Privileg entscheide das Rechtshilfegericht in London, über das amerikanische (Vth Amendment) das US-Gericht, Junker a.a.O. 247. 89 Ähnlich die deutsche Rechtsprechung, wenn für die Nichtentbindung kein plausibler Grund vorliegt, OLG München NJW-RR 1987, 1021; OLG Frankfurt vom 19.9.1979, NJW 1980, 2758. 90 Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 385, 591.
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Spannungsfeld zwischen lex causae und lex fori Dagegen ist – wie oben Rz. 2310 dargelegt – das Zeugnisverweigerungsrecht der 2314 lex fori zu entnehmen. Kennt die lex fori kein Zeugnisverweigerungsrecht, so taucht die Frage der Beweislastumkehr selbst dann nicht auf, wenn die lex causae eine solche vorsieht. Geht die lex fori von der Zeugnisverweigerungsmöglichkeit aus, dann kann eine Beweislastumkehr der lex causae angewandt werden. Kann der Betroffene nach der lex fori den Zeugen von der Verschwiegenheitspflicht nicht befreien,91 so besteht keine Veranlassung zur Beweislastumkehr. Beispiel: Das englische Recht kennt kein Zeugnisverweigerungsrecht für Verhältnisse zwischen Arzt und Patient, folglich auch keine Beweislastumkehr.92
2315
Kennt die lex fori kein Zeugnisverweigerungsrecht, würde sich der Zeuge aber 2316 nach einem anderen Recht (z.B. nach seinem Heimatrecht) durch eine Aussage strafbar machen, sollte man von einer Sanktion für die Verletzung der Zeugnispflicht absehen (im Hinblick auf die Unfähigkeit des Zeugen, seiner Zeugenpflicht nachzukommen).93 Verbot des Zeugenbeweises: Für den Beweis bestimmter rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse fordern Art. 1341, 1985 Code civil (Rechtsgeschäfte mit einem Gegenstandswert von mehr als 1500 Euro94), Art. 2721 Codice civile und sec. 4 Statute of frauds eine Urkunde, auch wenn für die entsprechenden rechtsgeschäftlichen Erklärungen kein Formzwang besteht.95
2317
Das Verbot des Zeugenbeweises wurde im englischen Recht immer mehr einge- 2318 engt. Während sec. 4 Statute of frauds 1677 für alle Verträge Beweis durch die Vertragsurkunde verlangte, gilt dies heute nur noch für Grundstücksgeschäfte96 und für einige andere Geschäfte gemäß sec. 1 Law Reform (Enforcement of Contracts) Act 1954.97 91 Siehe auch Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 9 Rz. 70, 100 für das Zeugnisverweigerungsrecht des Arztes. 92 Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 591. 93 Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 592. Siehe auch Dannemann, Die ungewollte Diskriminierung in der internationalen Rechtsanwendung – Zur Anwendung, Berücksichtigung und Anpassung von Normen aus unterschiedlichen Rechtsordnungen, 2004, 136. 94 Näher Staudinger/Winkler von Mohrenfels, 2007, Art. 11 EGBGB Rz. 141; Rouhette in Nagel/Bajons, Grundzüge des zivilprozessualen Beweisrechts in Europa, 2003, 184; Spellenberg in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, vor Art. 11 EGBGB Rz. 17 ff.; Ausnahme: Art. 109 Code de commerce, hierzu z.B. Teske, Der Urkundenbeweis im französischen und deutschen Zivil- und Zivilprozessrecht, 1990, 44 ff.; Erman/Hohloch, BGB12, 2008, Art. 11 EGBGB Rz. 14. 95 Diese Bestimmungen gehen zurück auf die Ordonnance de Moulin 1566 und den Statute of frauds 1677; beide entstanden aus dem Misstrauen gegen den Zeugenbeweis.Nachweise für die Verbreitung des Verbots des Zeugenbeweises bei Buciek, Beweislast und Anscheinsbeweis im internationalen Recht, Diss. Bonn 1984, 20; Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 446; Donath IPRax 1994, 333; Kötz, Europäisches Vertragsrecht I, 1996, 127 ff.; Zellweger, Die Form der schuldrechtlichen Verträge im internationalen Privatrecht – Wurzeln und Rechtfertigung der Sonderanknüpfung, 1990, 89. 96 Sec. 40 Law of property Act 1925. 97 Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 446, 456; Buciek, Beweislast und Anscheinsbeweis im internationalen Recht, Diss. Bonn 1984, 20. Das englische Statute of frauds 1677 ist von den
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Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht 2319 Die kollisionsrechtliche Einordnung der Notwendigkeit des Urkundenbeweises für Rechtsgeschäfte war lebhaft umstritten. Die einen favorisierten die lex fori, andere qualifizierten diese Normen als Formvorschriften (so die herrschende Meinung in Deutschland), wieder andere stellten auf die Funktion dieser Regeln ab und ordneten diese der lex causae (Schuldstatut) zu, näher Rz. 2330.1986 hat der Gesetzgeber gesprochen: Art. 32 III 2 EGBGB bzw. nunmehr Art. 18 II der Rom I-Verordnung98 kumuliert die lex fori mit dem Formstatut, Rz. 2329. 2320 Ladung von Zeugen im Ausland (Rz. 2388): Die völkerrechtlichen Grenzen wurden bereits oben Rz. 379 diskutiert. Die Ladung von Zeugen, die sich im Inland aufhalten, und die Androhung von Zwangsmitteln für den Fall des Ausbleibens ist kraft Gebietshoheit völkerrechtlich unbedenklich, ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit des Zeugen.99 Gegen deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz/Aufenthalt im Ausland können nach allgemeinem Völkerrecht (Personalhoheit) Zwangsmaßnahmen im Inland angedroht werden. Doch fehlt eine gesetzliche Grundlage. Auch wenn man § 377 ZPO für „weltweit anwendbar“ hält, greifen doch in den allermeisten Fällen §§ 375 I Nr. 2 bzw. Nr. 3, 381 ZPO. Ausländer mit Wohnsitz bzw. Aufenthalt im Ausland können nur gebeten werden, freiwillig im Inland zu erscheinen. Die Androhung von Zwangsmaßnahmen gegen ihr inländisches Vermögen wäre völkerrechtswidrig. Bestritten ist, ob Zeugenladungen direkt durch die Post (Rz. 416) versandt werden dürfen100 oder ob – sofern eine Zustellung durch den deutschen Konsul nicht möglich ist – ausländische Rechtshilfe außerhalb des Anwendungsbereichs von § 183 I 2 1. Alternative und V ZPO (Direktzustellung durch die Post) in Anspruch genommen werden muss.101 2321 Vernehmung von Zeugen im Auftrag ausländischer Gerichte (Rechtshilfe): Die Vorschriften der deutschen Zivilprozessordnung gelten nur für Verfahren, die auf eine Entscheidung durch deutsche Gerichte intendieren, aber nicht für Zeugenvernehmungen, welche die deutschen Gerichte im Rahmen der Rechtshilfe oder ein Beauftragter des ausländischen Gerichts für ein im Ausland schwebendes Verfahren durchführen. Die ZPO bietet daher keine Handhabe, gegen einen nicht bereiten Zeugen Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, Rz. 2445. Gesetzliche Grundlage für solche Maßnahmen sind vielmehr – im Rahmen der völkervertraglich vereinbarten Rechtshilfe – die Zustimmungs- und Ausführungsgesetze zu den völkerrechtlichen Verträgen und Übereinkommen. Außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Verträge fehlt es aber an einer Grundlage für Zwangsmaß-
98 99 100 101
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meisten US-Einzelstaaten übernommen und in einigen Staaten bis heute, wenn auch mit Änderungen, in Kraft. Verordnung (EG) Nr. 593/2008 vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. EU Nr. L 177 vom 4.7.2008, S. 6. E. Geimer, Internationale Beweisaufnahme, 1998, 241, 249. Vgl. G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 288 ff. In Strafsachen ist die Ladung durch die Post in § 37 II StPO a.F. und z.B. in Art. 52 des Schengener Durchführungsübereinkommens (Schengen II) zugelassen, Schomburg NJW 1995, 1931; Rose, Der Auslandszeuge im Beweisrecht des deutschen Strafprozesses, 1999, 112, 125.
Spannungsfeld zwischen lex causae und lex fori nahmen.102 Anders ist es im Anwendungsbereich der Europäischen Beweisaufnahmeverordnung (Rz. 245c). Hier ist das europäische Gemeinschaftsrecht (Art. 13 EuBeweisVO) die Basis für Zwangsmaßnahmen. Exkurs: Anerkennungsstadium: Gewährt das Recht des Erststaates ein Zeugnis- 2322 verweigerungsrecht, welches das deutsche Recht nicht kennt, so ist dies für sich allein kein Grund, die Anerkennung zu verweigern, wenn das Zeugnisverweigerungsrecht tatsächlich in Anspruch genommen worden ist.103 Das Gleiche gilt im umgekehrten Fall: Das deutsche Recht kennt ein Zeugnisverweigerungsrecht, im Erststaat wurde ein solches jedoch nicht gewährt.104 3. Sachverständige Maßgeblich ist die deutsche lex fori (§§ 402 ff. ZPO). Dies gilt insbesondere für die Unterscheidung zwischen Zeugen und Sachverständigen.105 Direkte Zwangsmaßnahmen gegen sich im Ausland aufhaltende Sachverständige sind unzulässig, Rz. 2381.106
2323
4. Parteivernehmung Die Parteivernehmung ist im deutschen Recht nur ein subsidiäres Beweismittel;107 dagegen zählen andere Rechtsordnungen (z.B. die der US-Bundesstaaten) die Parteien zu den Zeugen.108 Viele Gesetzgeber halten die Aussage der Partei für weniger glaubwürdig als die eines Zeugen. Im common law will man dem mit obligatorischer Vereidigung begegnen. Im Übrigen gibt es im adversary system (Rz. 84) nur die von der Partei gestellten, vorbereiteten und bezahlten Zeugen und Sachverständigen, die genauso „parteilich“ sind wie die Partei selbst.109
102 Anders z.B. die Rechtslage in den USA, wo 28 U.S.C. §§ 1781, 1782 generell – ohne Rücksicht auf einen Staatsvertrag – eine rechtliche Grundlage für Zwangsmaßnahmen geben, Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 217. 103 Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 595. 104 Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 595. 105 Siehe auch Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 9 Rz. 182 ff. 106 Zur Stellung des Sachverständigen im Zivilprozess in den Vereinigten Staaten von Amerika Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 134. Siehe auch Tiwisina, Sachverständigenbeweis im deutschen und englischen Zivilprozess, Diss. Osnabrück 2005. 107 § 445 ZPO. 108 Rule 601 F.R.Ev.: „Every person is competent to be a witness except as otherwise provided in the rules.“ Nachweise z.B. bei Varga, Beweiserhebung in transatlantischen Schiedsverfahren – Eine Suche nach Kompromissen zwischen deutscher und USamerikanischer Beweisrechtstradition, Diss Saarbrücken 2006, 176. 109 Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 149; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht3, 2003, 64; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 184 Fußn. 18, 314; Nagel, Die Grundzüge des Beweisrechts im europäischen Zivilprozess, 1967, 302. Umfassende Nachweise bei Timmerbeil, Witness Coaching und Adversary System: Der Einfluss der Parteien und ihrer Prozessbevollmächtigten auf Zeugen und Sachverständige
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2324
Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht 2325 Die Parteivernehmung bestimmt sich stets nach der deutschen lex fori.110 Der formelle Parteieid und die damit verbundene Bindung des Richters an die Bekundung einer Partei wurde in Deutschland bereits durch die ZPO-Novelle 1924 abgeschafft. Anders noch der romanische Rechtskreis:111 Leistet die Partei den ihr zugeschobenen Eid, so ist der Richter daran gebunden. Diese Normen sind für die deutschen Richter unbeachtlich, Rz. 2339. 5. Urkunden 2326 Auch der Beweis durch eine Urkunde wird nach der deutschen lex fori beurteilt.112 Dies gilt nach herrschender Meinung auch für die Beweiskraft öffentlicher Urkunden, da es um die Einengung der freien Beweiswürdigung des (deutschen) Richters gehe.113 Die Gegenmeinung will wegen der engen Verbundenheit von materiellem und Verfahrensrecht den Umfang der einer Urkunde beizumessenden Beweiskraft nach dem Recht des Errichtungsstaates der Urkunde beurteilen.114 Die Vermutung der Echtheit (§ 437 ZPO) gilt für ausländische öffentliche Urkunden nur nach Maßgabe von § 438 II ZPO. 2327 Die prozessuale Verpflichtung der Parteien, Urkunden vorzulegen,115 richtet sich nach der deutschen lex fori. Dies gilt insbesondere für den Beweis durch Urkunden, die sich im Besitz des Prozessgegners befinden, §§ 142, 423 ZPO.116 Davon unberührt bleiben nach der lex causae zu behandelnde materiell-rechtliche Verpflichtungen aus Vertrag oder Gesetz (z.B. auf Auskunftserteilung).117 – Vgl. auch Rz. 440.
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im deutschen und US-amerikanischen Zivilprozess, 2004. Einschränkend jedoch nunmehr in England Part 32–35 CPR. Zustimmend OLG Hamm vom 21.3.1994, RIW 1994, 513 = IPRax 1996, 33, 35 (D. Otto 22)= IPRspr. 1994 Nr. 2. Perrot in Habscheid, Effektiver Rechtsschutz, 1983, 108; ausführlich Coester-Waltjen ZZP 113 (2000), 269, 272; Oberhammer ZZP 113 (2000), 295; Sutter-Somm ZZP 113 (2000), 327; Rouhette in Nagel/Bajons, Grundzüge des zivilprozessualen Beweisrechts in Europa, 2003, 186. Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 474. Neumayer RabelsZ 43 (1979), 225, 236; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 700. Bungert IPRax 1998, 339, 347; wohl auch Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 535 ff. §§ 142 I, 143, 273 II Nr. 1 und 2, 423 ZPO. Dabei kommt es nicht auf die Staatsangehörigkeit an, ebenso nicht darauf, ob die Partei im In- oder Ausland wohnt bzw. ihren Sitz hat, Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 9 Rz. 140, 160 ff.; Zekoll/Bolt NJW 2002, 3129. Hierzu z.B. Krapfl, Die Dokumentenvorlage im internationalen Schiedsverfahren, Diss. Köln 2007, 24 ff. Zwar kann auch die nicht beweisbelastete Partei vom Gericht von Amts wegen zur Herausgabe verpflichtet werden, BGH vom 26.6.2007, MDR 2007, 1333 = BGHReport 2007, 982 (Laumen). Allerdings setzt § 142 I ZPO voraus, dass eine Partei sich tatsächlich auf eine konkrete Urkunde bezogen hat. Siehe auch Kapoor, Die neuen Vorlagepflichten für Urkunden und Augenscheinsgegenstände in der Zivilprozessordnung, Diss. München 2008. Anders z.B. das US-Recht, Nachweise bei Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 418; Schlosser JZ 1991, 599.
Spannungsfeld zwischen lex causae und lex fori Hinsichtlich des Unterschieds zwischen öffentlichen und privaten Urkunden 2328 besteht weitgehende Übereinstimmung im deutschen und französischen Recht (§ 415 ZPO, Art. 1317 Code civil118). Einen völlig anderen Begriffsinhalt hat das public document in den anglo-amerikanischen Rechten, da diese an den kontinentaleuropäischen Rechtsentwicklungen des Lateinischen Notariats nicht partizipiert haben. Eine öffentliche Urkunde in diesem Sinne ist nur dann gegeben, wenn sich die Urkunde auf eine öffentliche Angelegenheit (public matter) bezieht und von einem public officer in seiner offiziellen Funktion ausgestellt ist. Das englische Recht verlangt außerdem, dass die öffentliche Urkunde der Öffentlichkeit zugänglich ist. Innerhalb der öffentlichen Urkunden unterscheidet man zwischen records, register certificates, judicial records etc.119 Notwendigkeit des Urkundenbeweises für Rechtsgeschäfte: Die doctrine moder- 2329 ne in Frankreich120 favorisiert eine Kumulation der Beweismittel. Sie wendet grundsätzlich die lex fori an, lässt aber daneben die lex loci actus zu, so dass stets das liberalere der beiden Rechte angewendet wird. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die rule of validation im common law.121 Diese Lehren sind von Art. 14 II des Römischen Schuldvertragsübereinkommens 1980 (= Art. 32 III 2 EGBGB) übernommen worden. Für den Nachweis eines Rechtsgeschäftes lässt Art. 32 III 2 EGBGB Beweismittel des deutschen Verfahrensrechts (lex fori) und darüber hinaus solche des Formstatuts zu, also nach Art. 11 EGBGB grundsätzlich lex causae und lex loci actus; für Verbraucherverträge gilt die Spezialvorschrift des Art. 29 III EGBGB. Damit ist – so die amtliche Begründung (Rz. 2303) – „sichergestellt, dass keine Erwartungen enttäuscht werden, die die Vertragsschließenden in Bezug auf die Beweisbarkeit eines Rechtsgeschäfts mit den für die Formgültigkeit dieses Rechts maßgeblichen Regelungen verbinden“. Der Beweis kann aber nicht mit einem Beweismittel geführt werden, welches dem deutschen Recht fremd ist, Rz. 1982. Die Kumulation widerspricht jedoch – wie Coester-Waltjen122 treffend hervor- 2330 hebt – dem Interesse der Parteien an Berechenbarkeit der Entscheidung. Die Notwendigkeit des Urkundenbeweises führt zu einer verkürzten Wahrheitsermittlung und damit im Ergebnis zu einer Lockerung der vertraglichen Bindung. Dies ist der entscheidende Punkt für die kollisionsrechtliche Anknüpfung. Die materiell-rechtliche Verflochtenheit wird dadurch deutlich. Maßgebend ist deshalb die lex causae. Die Vorschriften des von der lex causae möglicherweise unterschiedlichen Formstatuts spielen keine Rolle. Dies gilt de lege lata allerdings nur außerhalb des Anwendungsbereichs des Art. 32 III 2 EGBGB bzw. nunmehr des Art. 18 II Rom I-Verordnung123 und des Art. 22 II Rom II-Verordnung. Nach der in vielen anglo-amerikanischen Rechtsordnungen verbreiteten parol 2331 evidence rule (Notwendigkeit des Urkundenbeweises für Vertragsergänzungen
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Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 420. Nachweise bei Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 421. Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 147 ff. Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 503. Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 503. Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 520.
813
Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht und -änderungen) kann die Behauptung, dass der Inhalt einer schriftlichen Übereinkunft durch andere Absprachen ergänzt oder geändert wurde oder nicht, dem tatsächlich Vorgebrachten entspricht, nur durch weitere Urkunden, nicht aber durch andere Beweismittel bewiesen werden. Diese Regel ist auch vom deutschen Richter im Rahmen der lex causae-Verweisung zu beachten.124 Im deutschen Recht besteht zwar auch die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit des Urkundentextes bei schriftlichen Verträgen. Diese Vermutung ist jedoch widerlegbar. 6. Richterlicher Augenschein 2332 Es gilt die lex fori, insbesondere für prozessuale Duldungspflichten, für Besichtigungen, Untersuchungen, medizinische Eingriffe und die Duldung zur Entnahme von Blutproben in Abstammungsprozessen.125 7. Numerus clausus der Beweismittel 2333 Die deutsche Zivilprozessordnung lässt nur die vorgenannten fünf Beweismittel zu. Diese Beschränkung hat der deutsche Richter auch dann zu beachten, wenn nach deutschem internationalem Privatrecht in der Sache ausländisches Recht zur Anwendung kommt.126
XV. Beweismaß 2334 Nach der lex causae ist die Frage zu beantworten, welcher Grad an Wahrscheinlichkeit für die Erbringung des Beweises erforderlich ist.127 Wird der höchste Wahrscheinlichkeitsgrad („an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit“) verlangt oder genügt eine überwiegende Wahrscheinlichkeit?128 124 Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 521, 538. 125 Keller/Siehr, Allgemeine Lehren des IPR, 1986, 599; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007 § 9 Rz. 163 ff. Zu den völkerrechtlichen Grenzen Rz. 120, 442; Stefan Huber, Europäische Beweisaufnahmeverordnung, in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, Kap. 29 Rz. 37. 126 Vgl. auch Art. 14 II des Römischen Schuldvertragsübereinkommens = Art. 32 III 2 EGBGB (Rz. 2303). 127 Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 365 und Buciek, Beweislast und Anscheinsbeweis im internationalen Recht, Diss. Bonn 1984, 278. Anderer Auffassung Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 9 Rz. 51: Die lex fori legt das Beweismaß fest. 128 Diese Frage ist im deutschen Recht umstritten: Kegel in Festschrift Kronstein, 1967, 333; Bruns ZZP 91 (1978), 66; Musielak in Festschrift Kegel, 1977, 461 lassen jeweils überwiegende Wahrscheinlichkeit genügen. Dagegen fordert die herrschende Meinung (BGHZ 53, 256; Walter, Freie Beweiswürdigung, 1980, 173) den höchsten Wahrscheinlichkeitsgrad. Dies folge aus dem Anspruch des Beklagten auf ein richtiges und nicht nur ein möglicherweise richtiges Urteil. Zwar ist absolute Gewissheit über die Wahrheit oder Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung bzw. eines Erfahrungssatzes bzw. einer ausländischen Rechtsnorm (§ 293 ZPO) nicht erforderlich, Rz. 2586. Andererseits genügt ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit nicht. Der Richter muss vielmehr zwi-
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Spannungsfeld zwischen lex causae und lex fori Die anglo-amerikanischen Rechtsordnungen lassen überwiegende Wahrscheinlichkeit ausreichen. Es genügt „preponderance of probabilities“.129 Ähnlich wirkt das överviktsprinzip in den skandinavischen Rechtsordnungen.130
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Für die „Zuständigkeit“ der lex causae spricht die Nähe der Beweismaßregeln 2336 zum materiellen Recht. „Beweismaßbestimmung ist letzten Endes nichts anderes als Haftungsbestimmung, jede Verringerung der erforderlichen Beweisstärke immer zugleich Erweiterung der Ersatzansprüche und umgekehrt“.131 Ausnahme: § 287 ZPO (der u.a. auch das Beweismaß tangiert) sollte man aus 2337 Praktikabilitätsgründen und im Interesse der Effektivität der Abwicklung des Verfahrens auch dann anwenden, wenn in der Sache nach ausländischem Recht zu entscheiden ist, Rz. 2276.132
XVI. Beweiswürdigung Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung gilt auch dann, wenn in der Sache 2338 ausländisches Recht anzuwenden ist133 und dieses in stärkerem Umfang als das
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schen beiden Positionen einen Mittelweg suchen und sich mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen, BGH vom 17.2.1970, BGHZ 53, 245, 256. Ist dieser Grad von Gewissheit erreicht, dann ist der Hauptbeweis geführt. Dem Gegner bleibt es jedoch gestattet, den Gegenbeweis zu führen. Dieser zielt darauf ab, den Richter von der Annahme eines für das praktische Leben brauchbaren Grades von Gewissheit abzuhalten, Schlosser, Zivilprozessrecht I2, 1992, Rz. 341. Er ist daher bereits dann erfolgreich, wenn die Überzeugung des Richters von der Wahrheit der beweisbedürftigen Tatsache erschüttert wird, Stein/Jonas/Leipold, ZPO22, 2008, § 286 Rz. 128 ff. Siehe auch Baumgärtel und Kargados in Habscheid/Beys, Grundfragen des ZPR – die internationale Dimension, 1991, 690; Katzenmeier, ZZP 117 (2004), 187; R. Geimer RabelsZ 60 (1996), 370. Zum „Regelbeweismaß“ des § 272 österr. ZPO Rechberger/Simotta, Grundriss des österreichischen Zivilprozessrechts – Erkenntnisverfahren6, 2003, Rz. 580: „hohe Wahrscheinlichkeit“. Zum „flexiblen“ englischen Recht Gottwald in Festschrift Henrich, 2000, 165. Umfangreiche Nachweise auch bei Brinkmann, Das Beweismaß im Zivilprozess aus rechtsvergleichender Sicht, 2006. Maassen, Beweisaufnahmeprobleme im Schadenersatzprozess, 1975, 43; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht3, 2003, 66. Nachweise auch bei Paulus in Festschrift Walter Gerhardt, 2004, 747. Nachweise bei Buciek, Beweislast und Anscheinsbeweis im internationalen Recht, Diss. Bonn 1984, 280; Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 361; Motsch, Vom rechtsgenügenden Beweis, 1983, 56; Hinweise für Skandinavien Motsch a.a.O. 37 ff. und Musielak in Festschrift Kegel, 1977, 451; für Österreich Rechberger ZfRV 1985, 305. Zur conviction intime des französischen Rechts Nagel, Die Grundzüge des Beweisrechts im europäischen Zivilprozess, 1967, 72. Buciek, Beweislast und Anscheinsbeweis im internationalen Recht, Diss. Bonn 1984, 283; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Anh. zu § 606a ZPO Rz. 162. OLG Hamm vom 7.7.1987, FamRZ 1987, 1307 = IPRspr. 1987 Nr. 69; BGH vom 24.3.1987, NJW 1988, 648 = IPRax 1988, 227 (Gottwald 210) = IPRspr. 1987 Nr. 1. Zustimmend z.B. Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Anh. zu § 606a ZPO Rz. 161.
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Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht deutsche Recht (Beweiskraft des Protokolls, § 165 ZPO, des Tatbestandes, § 314 ZPO, und die verschieden ausgestaltete Beweiskraft der Urkunden134) gesetzliche Beweisregeln nach dem Muster der (dogmengeschichtlich überwundenen) legalen Beweistheorie kennt.135 Die Beweiswürdigung ist immer nach der lex fori vorzunehmen.136 An ausländische Beweisregeln ist der deutsche Richter nicht gebunden, insbesondere nicht an die Beweisregeln des angelsächsischen Prozesses, die aus dem Misstrauen gegenüber den Fähigkeiten der mit Laienrichtern besetzten Jury entstanden sind (Verbot des hearsay evidence, opinion evidence).137 „dass sich die Beweiswürdigung nach der lex fori richtet, ist allgemein anerkannt.“138 2339 Nicht gebunden ist daher der deutsche Richter an den einer Partei zugeschobenen Parteieid, den heute z.B. noch das französische Recht kennt, Rz. 2325.139
XVII. Beweislast 1. Grundsatz: Maßgeblichkeit der lex causae 2340 Die allgemeinen Beweislastregeln (burden of proof, charge de la preuve) sind materiell-rechtlich zu qualifizieren und daher der lex causae zu entnehmen.140 134 Siehe hierzu die Kommentare zu § 286 II und zu §§ 415 ff. ZPO. 135 Rechtsvergleichend Nagel, Die Grundzüge des Beweisrechts im europäischen Zivilprozess, 1967, 72; Perrot Nr. 27 in Habscheid, Effektiver Rechtsschutz, 1983, 112. 136 Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses, 1989, 265, OLG Hamm vom 26.4.1994, IPRspr. 1994 Nr. 113 betreffend einen Fall der Verweigerung der Blutentnahme (in Polen) zur Feststellung der Abstammung. 137 Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 293; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 223. 138 BGH vom 30.7.1954, JZ 1955, 702 (Gamillscheg) = ZZP 68 (1955), 89 = Rev. crit. 44 (1955), 58 (Mezger) = IPRspr. 1954–1955 Nr. 1; OLG Düsseldorf vom 25.11.1992, FamRZ 1993, 1083 = IPRspr. 1992 Nr. 83; Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 466; Birk, Schadensersatz und sonstige Restitutionsformen im IPR, 1969, 154; Kau/Wiehe RIW 1991, 35 Fußn. 37; OLG Nürnberg vom 21.9.1978, IPRspr. 1978 Nr. 16. Anderer Auffassung Buciek, Beweislast und Anscheinsbeweis im internationalen Recht, Diss. Bonn 1984, 288, der nur „gänzlich unvernünftige Beweisregeln“, wie z.B. „Entscheidungen durch Gottesurteil oder Zweikampf“ qua ordre public aus dem deutschen Verfahren heraushalten will. 139 Anders Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 618 (vorbehaltlich der Anwendung des ordre public im konkreten Einzelfall). Wie hier im Ergebnis OLG Hamm vom 21.3.1994, RIW 1994, 513 = IPRax 1996, 33, 35 (Dirk Otto 22) = IPRspr. 1994 Nr. 2. 140 Birk, Schadensersatz und sonstige Restitutionsformen im IPR, 1969, 144; CoesterWaltjen a.a.O. Rz. 371; Otto IPRax 1996, 23; Schack BerDGVR 32 (1992) 341; Schack IZVR Rz. 674; Martiny in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 287; Soergel/Kronke, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 38 EGBGB Anh IV Rz. 137; Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr. Einwendungen gegen einen titulierten Anspruch im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht; mit Vergleichen zum englischen, französischen, schweizerischen und US-amerikanischen Recht, 2000, 322; Kreuzer/Wagner, Europäisches Internationales Zivilverfah-
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Spannungsfeld zwischen lex causae und lex fori Dies gilt auch dann, wenn die Parteien im Rahmen der kollisionsrechtlichen Parteiautonomie das für einen Schuldvertrag maßgebliche Recht vereinbaren; das vereinbarte Recht entscheidet dann auch über die Beweislast.141 Kann der deutsche Richter – trotz gehöriger Anstrengungen – den Inhalt der ausländischen Beweislastnormen nicht ermitteln, gelten die zu § 293 ZPO entwickelten Regeln über das Ersatzrecht, Rz. 2592, 2598. Notfalls sind die deutschen Beweislastnormen anzuwenden, Rz. 2001. 2. Ausnahme: Maßgeblichkeit der lex fori Nicht die lex causae, sondern die lex fori bestimmt, welche Auswirkungen auf 2341 die Beweislast das Verhalten der Parteien im (deutschen) Verfahren hat, z.B. Terminversäumnisse, Schweigen auf Befragung und Verweigerung der Mithilfe bei der Ermittlung ausländischen Rechts.142 Beispiel: Umkehr der Beweislast als Sanktion für bestimmtes Verhalten: Dem Gegner des Beweisführers wird die dem an sich dem Beweisführer obliegende Beweislast zugeschoben, wenn er die Beweisführung vereitelt oder erschwert hat; es handelt sich um eine Verallgemeinerung des in §§ 427, 444 ZPO niedergelegten Gedankens.143 Maßgeblich ist – abgesehen von den oben Rz. 2313 erörterten Fällen – die deutsche lex fori.144
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3. Besonderheiten der angelsächsischen Rechtsordnungen: Aufgabenteilung zwischen Richter und Jury Eine subjektive Beweislast (Darlegungs- bzw. Behauptungslast, Beweisführungslast) gibt es nur dann, wenn einer Partei die Beibringung der Beweismittel obliegt, also nur im Verfahren mit Verhandlungsmaxime. Folge der subjektiven Beweislast ist es, dass das Gericht seine Anregung zur Bezeichnung der Beweis-
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rensrecht in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Stand: Juni 2007 (19. Ergänzungslieferung) sub Q Rz. 586; BGH vom 8.11.1951, BGHZ 3, 342, 346; OLG Celle vom 31.3.1987, RIW 1988, 137 = IPRspr. 1987 Nr. 17. Für das internationale Vertragsrecht ausdrücklich Art. 32 III 1 EGBGB (= Art. 14 des Römischen Schuldvertragsübereinkommens 1980. BGH vom 26.11.1964, BGHZ 42, 385, 388 = NJW 1965, 489 = MDR 1965, 461 = IPRspr. 1964–1965 Nr. 62; BGH vom 14.4.1969, = AWD 1969, 329 = IPRspr. 1968–1969 Nr. 1. Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses, 1989, 265; Giuliano/Lagarde-Bericht (Bundestagsdrucksache 10/503 S. 68) und amtl. Begründung zu Art. 32 III EGBGB (Bundestagsdrucksache 10/504 S. 82). Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht16, 2004, § 114 Rz. 20. Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 640a Rz. 32. Anderer Auffassung Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 386: Danach kommt es auf diejenige Rechtsordnung an, für die sich die Pflicht zur Unterlassung der Beweisvereitelung ergibt. Denn die Pflicht und die Sanktion seien kollisionsrechtlich einheitlich zu behandeln. Oft ergebe sich die Unterlassungspflicht als vertragliche Nebenpflicht, oft aber auch aus Prozessrecht. Damit kommt Coester-Waltjen im Ergebnis in den meisten Fällen wieder zur lex fori.
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2343
Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht mittel (§ 139 I ZPO) in erster Linie an die beweisbelastete Partei richten wird und dass ein vom nicht beweisbelasteten Gegner angebotener Beweis (Gegenbeweis) nicht zu erheben ist, wenn die beweispflichtige Partei selbst keinen Beweis angeboten hat.145 In anglo-amerikanischen Rechtssystemen spricht man von evidential burden, burden of going forward oder von burden of producing evidence; in Frankreich von charge de la preuve.146 2344 Im deutschen und französischen Recht regelt die Beweisführungslast im Wesentlichen nur die Beweisinitiative: Sie legt fest, wer – bei Vermeidung des Prozessverlustes – durch eigene Tätigkeit Beweis für eine streitige Tatsache zu führen hat. In anglo-amerikanischen Rechten hat die Beweisführungslast eine weitergehende Bedeutung für den Gang der Beweisaufnahme und die Beteiligung der Jury. Die Jury hat Tatsachen nur dann festzustellen, wenn Beweismaterial vorgebracht worden ist, das unterschiedliche Schlüsse zulässt. Wenn derjenige, der zuerst seine Beweise erbringen muss (z.B. der Kläger), seine Beweisaufnahme abgeschlossen hat, kann der Beklagte im Wege der „motion for directed verdict“ beantragen, dass der Richter ohne Einschaltung der Jury die Klage abweist, weil nicht einmal ein Minimum des Nachweises vom Kläger erbracht ist. Dem hat der Richter zu entsprechen, wenn das Beweismaterial des Klägers so wenig überzeugend ist, dass die Jury den geltend gemachten Anspruch keinesfalls zusprechen könnte.147 Anders ist es, wenn die Möglichkeit besteht, dass eine vernünftige Jury möglicherweise annehmen könnte (nicht müsste), dass die Behauptungen des Klägers durch seine Beweise bestätigt sind (prima facie-Beweis). In diesem Fall hat der Beklagte die Möglichkeit, seine Gegenbeweise zu erbringen. Tut er dies nicht, so wird der Fall der Jury zur Beurteilung überwiesen, die dann möglicherweise die Klage abweist, weil die Beweise des Klägers nicht überzeugend genug waren. Der Beklagte hat also nicht die Beweisführungslast für den Gegenbeweis. Bringt der Beklagte jedoch keine ausreichenden Beweise vor, so riskiert er, dass die Jury die Beweise des Klägers für ausreichend hält und deshalb zu dessen Gunsten erkennt.148 Die Beweisführungslast betrifft mithin in den anglo-amerikanischen Rechtsordnungen auch die Frage, wer innerhalb der einzelnen Beweisabschnitte Beweise antreten muss. Im Falle eines non liquet am Ende des Prozesses wird aber unabhängig davon, wer im Augenblick die Beweisführungslast hat, immer derjenige verlieren, der den legal burden trägt.149 Die Regeln über den evidential burden können im deutschen Prozess wegen Fehlens einer Jury nicht angewendet werden.150
145 146 147 148 149 150
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Stein/Jonas/Leipold, ZPO22, 2008, § 286 Rz. 51. Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 389. Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht3, 2003, 64, 66. Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 391. Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 393. Näher Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 398, 630.
Grundfragen
XVIII. Beweisvereitelung Die Folgen einer Beweisvereitelung richten sich nicht nach der lex causae, sondern nach der (deutschen) lex fori.151
2345
XIX. Pflicht zur Sachentscheidung Die Pflicht zur Sachentscheidung bei Unaufklärbarkeit des Sachverhalts richtet 2346 sich nach der deutschen lex fori; eine Sachentscheidung ist auch dann zu erlassen, wenn wegen des non liquet nach der lex causae eine solche verweigert werden müsste bzw. dürfte, Rz. 2001.
2. Kapitel: Internationales Beweisverfahrensrecht – Grundfragen Literatur: Adloff, Vorlagepflichten und Beweisvereitelung im deutschen und französisichen Zivilprozess, 2007; Adolphsen, Europäisches und internationales Zivilprozessrecht in Patentsachen, 2005, Rz. 348 ff.; Baumgartner, The Proposed Hague Convention on Jurisdiction and Foreign Judgments: trans-atlantic lawmaking for transnational litigation, 2003, 81 ff.; Baumgartner, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile in der Schweiz: Neuere Entwicklungen in Stiftung für die Weiterbildung schweizerischer Richterinnen und Richter, Bd. 5, herausgegeben von Leuenberger/Guy, 2004, 111, 119 (discovery bei class actions); Betetto, Introduction and Practical Cases on Council Regulation (EC) No 1206/2001 on Cooperation between the Courts of the Member States in the Taking Evidence in Civil or Commercial Matters, EuLF 2006, 137; Born/ Rutledge, International Civil Litigation in the United States Courts4, 2006, 907 ff.; Coester-Waltjen, Einige Überlegungen zur Beschaffung von Beweisurkunden aus dem Ausland, in Festschrift Schlosser, 2005, 147; Daoudi, Extraterritoriale Beweisbeschaffung im deutschen Zivilprozess, 2000; Dörner, Beweissicherung im Ausland, 2000; Davis, Taking Evidence by Video-Link in International Litigation in Essays in Memory of Peter E. Nygh, 2004, 69; Decker, Grenzüberschreitende Exhumierungsanordnungen und Beweisvereitelung – Zur Vaterschaftsfeststellung bei deutschem Vaterschaftsstatut und verstorbenem italienischen Putativvater, IPRax 2004, 229; Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland und ihre Verwertung im inländischen Zivilprozess. Zur Bedeutung des US-amerikanischen Discovery-Verfahrens für das deutsche Erkenntnisverfahren, Diss. Heidelberg 2000, 2002; Eschenfelder, Möglichkeiten deutscher Unternehmen, US-amerikanische Discovery auch vor deutschen Gerichten zu nutzen, IPRax 2006, 89; Eschenfelder, Verwertbarkeit von Discovery-Ergebnissen in deut151 Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 159, 320; OLG Hamm vom 26.4.1994, IPRspr. 1994 Nr. 113; BGH vom 9.4.1986, NJW 1986, 2371 = IPRax 1987, 176 (Schlosser 153) = JZ 1987, 42 (Stürner) = IPRspr. 1986 Nr. 94.
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Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht schen Zivilverfahren, RIW 2006, 443; Fumagalli, Conflitti tra giurisdizione nell’assunzione dio prove civili all’estero, 1990; Gebhardt, Pre-Trial Discovery von elektronisch gespeicherten Dokumenten, IDR 2005, 30; Ewald Geimer, Internationale Beweisaufnahme, 1998; Walther J. Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986; Hess/Zhou, Beweissicherung und Beweisbeschaffung im europäischen Justizraum, IPRax 2007, 183; Stefan Huber, Entwicklung transnationaler Modellregeln für Zivilverfahren am Beispiel der Dokumentenvorlage, 2008; Ibbeken, Das TRIPS-Übereinkommen und die vorgerichtliche Beweishilfe im gewerblichen Rechtsschutz, 2004; Jayme, Extraterritoriale Beweisverschaffung für inländische Verfahren und Vollstreckungshilfe durch ausländische Gerichte, in Festschrift Geimer, 2002, 375; Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987; Junker, Electronic Discovery gegen deutsche Unternehmen, 2008; Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 376 [Kommentar zum Haager Beweisaufnahmeübereinkommen] und Nr. 662 [Kommentar zur Europäischen Beweisaufnahme-Verordnung]); Knöfel, Internationale Beweishilfe für Schiedsverfahren, RIW 2007, 832; Knöfel, Vier Jahre Europäische Beweisaufnahmeverordnung – Bestandsaufnahme und aktuelle Entwicklungen, EuZW 2008, 267; Knöfel, Beweishilfe im deutsch-türkischen Rechtsverkehr, IPRax 2009, 46; Knöfel, Bismarcks Blaustift und das gesetzliche Internationale Zivilverfahrensrecht – Eine rechtshistorischvergleichende Skizze, ZfRV 2008, 273; Krapfl, Die Dokumentenvorlage im internationalen Schiedsverfahren, Diss. Köln 2007; Marauhn (ed.), Bausteine eines europäischen Beweisrechts, 2007; Andreas L. Meier, Die Anwendung des Haager Beweisübereinkommens in der Schweiz unter besonderer Berücksichtigung der Beweisaufnahme für U.S.-amerikanische Zivilprozesse, Diss. Basel 1999; Michailidou, Vorprozessuale Möglichkeiten zur Beweissammlung, Dike International 39 (2008), 370; Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung im internationalen Wirtschaftsrecht, 1990; Murray, Taking Evidence Abroad – Understanding American Exceptionalism, ZZPInt 10 (2005), 343; Musielak, Beweiserhebung bei auslandsbelegenen Beweismitteln, in Festschrift Geimer, 2002, 761; Nagel, Nationale und internationale Rechtshilfe, 1971; Nagel/Bajons, Beweis – Preuve – Evidence: Grundzüge des zivilprozessualen Beweisrechts in Europa, 2003; Nagel/Gottwald, Zivilprozessrecht6, 2006, § 8; Niehr, Die zivilprozessuale Dokumentenvorlage im deutsch-englischen Rechtshilfeverkehr, 2004; Norouzi, Die audio-visuelle Vernehmung von Auslandszeugen – Ein Beitrag zum transnationalen Beweisrecht im deutschen Strafprozess, 2008; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtshilfeverkehr, 1987; Reufels/Scherer, PreTrial Discovery nach Haager Beweisübereinkommen, IPRax 2005, 456; Richter, Bessere Aussichten für das Haager Beweisübereinkommen – Jüngste Gerichtsentscheidungen wecken Hoffnung, RIW 2005, 815; Rose, Der Auslandszeuge im Beweisrecht des deutschen Strafprozesses, 1999, Saathoff, Möglichkeiten und Verfahren gerichtlicher Hilfe bei der Beweisaufnahme zugunsten fremdnationaler Handelsschiedsgerichtsverfahren, Diss. Köln 1987; Schabenberger, Der Zeuge im Ausland im deutschen Zivilprozess, Diss. Freiburg/Br. 1996; Schlosser, Der Justizkonflikt zwischen USA und Europa, 1985; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht2, 2003; Schlosser, Jurisdiction and International Judicial and Administrative Co-Operation, RdC 284 (2000), 9, 113 ff.; Schoibl, Grenzüberschreitende 820
Grundfragen Rechtshilfe im Europäischen Justizraum: Die unmittelbare Beweisaufnahme in Zivil- und Handelssachen nach der Verordnung (EG) 1206/2001 – eine Skizze, in Festschrift zum 80. Geburtstag von Rudolf Machacek und Franz Matscher, 2008, 883; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland4, 2009, Rz. 262 ff.; Schuster, Verwertbarkeit im Ausland gewonnener Beweise im deutschen Strafprozess, 2006; Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses im deutschen und US-amerikanischen Zivilprozess und im Rechtshilfeverfahren, 1989; Stadler, Grenzüberschreitende Beweisaufnahme in der Europäischen Union – die Zukunft der Rechtshilfe in Beweissachen, in Festschrift Geimer, 2002, 1281; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Anh. zu § 606a ZPO Rz. 163 ff.; Rolf Stürner/Therese Müller, Aktuelle Entwicklungen im deutsch-amerikansichen Rechtshilfeverkehr, IPRax 2008, 339; Teske, Der Urkundenbeweis im französischen und deutschen Zivilund Zivilprozessrecht, 1990; Volken, Die internationale Rechtshilfe in Zivilsachen, 1996; Zhou, Einstweiliger Rechtsschutz in China und im Europäischen Justizraum (Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Niederlande), Diss. Heidelberg 2007. Literatur zur EG-Beweisaufnahmeverordnung: Berger, Die EG-Verordnung über die Zusammenarbeit der Gerichte auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivilund Handelssachen, IPRax 2001, 522; Dörschner, Beweissicherung im Ausland: Zur gerichtlichen vorprozessualen Beweisaaufnahme in Deutschland, Frankreich und der Schweiz am Beispiel des privaten Baurechts sowie zur Beweissicherung bei Auslandssachverhalten und zur Verwertung ausländischer vorsorglicher Beweisaufnahmen im deutschen Hauptsacheprozess, 2000;; Ewald Geimer, Internationale Beweisaufnahme, 1998; Hau, Gerichtssachverständige in Fällen mit Auslandsbezug, RIW 2003, 822; Hau, Grenzüberschreitende Beweisaufnahme im Europäischen Justizraum, ERA Forum 2005, 224; Heß/Müller, Die Verordnung 1206/01/EG zur Beweisaufnahme, ZZPInt 6 (2001), 149; Hess, Rechtspolitische Überlegungen zur Umsetzung von Art. 15 der Europäischen Zustellungsverordnung – VO (EG) Nr. 1393/2007, IPRax 2008, 477; Jastrow, Europäische Zustellung und Beweisaufnahme 2004 – Neuregelungen im deutschen Recht und konsularische Beweisaufnahme, IPRax 2004, 2; Stefan Huber in Gebauer/Wiedmann (ed.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss – Die richtlinienkonforme Auslegung des BGB und anderer Gesetze – Erläuterung der wichtigsten EG-Verordnungen, 2005, Kapitel 29 (S. 1337 ff.): Europäische Beweisaufnahmeverordnung; Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 662 [Kommentar zur Europäischen Beweisaufnahme-Verordnung]); Knöfel, Vier Jahre Europäische Beweisaufnahmeverordnung – Bestandsaufnahme und aktuelle Entwicklungen, EuZW 2008, 267; Markus, Neue Entwicklungen bei der internationalen Rechtshilfe in Zivil- und Handelssachen, Schweizerische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2002, 65; Mougenot, Le règlement européen sur l’obtention des preuves, Journal des Tribunaux 2001, 17; Achim Müller, Grenzüberschreitende Beweisaufnahme im Europäischen Justizraum, 2004; Neumayr/Kodek in Burgstaller/Neumayr, Internationales Zivilverfahrensrecht, 2005, Kapitel 83; Nigg, Das Beweisrecht bei internationalen Privatrechtsstreitigkeiten, Diss. St. Gallen 1999; Rechberger/Mc Guire, Die Umsetzung der EuBewVO im österreichischem Zivilprozessrecht – Der Vorrang der traditionellen Rechtshilfe im Spannungsverhältnis mit dem Unmit821
Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht telbarkeitsgrundsatz, ZZPInt 10 (2005), 81; Schädel, Die Bewilligung internationaler Rechtshilfe in Strafsachen in der Europäischen Union: Das Spannungsfeld von Nationalstaatlichkeit und Europäischer Integration, Diss. Bayreuth 2005; Schulze, Dialogische Beweisaufnahmen im internationalen Rechtshilfeverkehr – Beweisaufnahmen im Ausland durch und im Beisein des Prozessgerichts, IPRax 2001, 527; Stadler, Grenzüberschreitende Beweisaufnahme in der Europäischen Union – die Zukunft der Rechtshilfe in Beweissachen, in Festschrift Geimer, 2002, 1281; Stadler, Vielfalt der Gerichte – Einheit des Prozessrechts?, BerDGVR 42 (2007), 177, 191; Wilke, Der Urkundenbeweis in transnationalen deutsch-amerikanischen Prozessen und im Schiedsverfahren, IDR 2004, 88. Literatur zum Haager Beweisaufnahmeübereinkommen: Bimboese/Reufels, Pre Trial-Discovery und Haager Beweisübereinkommen: Entwicklungen und Praxishinweise, IDR 2004, 189; Busse, Umfang des Fragerechts bei Beweisaufnahmen nach dem Haager Beweisübereinkommen, IDR 2004, 193; Knöfel in Geimer/ Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 376 [Kommentar zum Haager Beweisaufnahmeübereinkommen]); Walter, Internationales Zivilprozessrecht der Schweiz4, 2007, § 7 VI (S. 365 ff.). Literatur zu ausländischen Rechtsordnungen: Österreich (§§ 39, 39a JN, § 291a ZPO) P. Mayr in Burgstaller/Neumayr, Internationales Zivilverfahrensrecht, 2005, Kapitel 82; Rechberger/Mc Guire, Die Umsetzung der EuBewVO im österreichischem Zivilprozessrecht – Der Vorrang der traditionellen Rechtshilfe im Spannungsverhältnis mit dem Unmittelbarkeitsgrundsatz, ZZPInt 10 (2005), 81. Literatur zu Parallelregelungen auf dem Gebiet des Strafverfahrens: Gazeas, Die Europäische Beweisanordnung – Ein weiterer Schritt in die falsche Richtung?, ZRP 2005, 18.
I. Überblick 2347 Die Beweisaufnahme erfolgt nach der deutschen ZPO wie sonst auch in Kontinentaleuropa152 durch das Gericht. Sie ist hoheitliche Tätigkeit.153 Deutsche Gerichte dürfen daher auf dem Gebiet fremder Staaten nicht agieren, es sei denn, der betroffene Staat erteilt hierzu seine Zustimmung, Rz. 120, 442.154 Aber auch im Falle der Zustimmung des ausländischen Staates bedarf das deutsche Gericht 152 Anders die common law-Staaten Rz. 2268. 153 BGH vom 15.9.1999, JZ 2000, 471 (Vassilaki). 154 Schlosser IPRax 1987, 153; Schlosser, Jurisdiction and International Judicial and Administrative Co-Operation, RdC 284 (2000), 9, 146 ff.; Stürner JZ 1987, 45; Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 319. Besonders großzügig sind die USA; Born/Rutledge, International Civil Litigation in the United States Courts4, 2006, 995zu taking of evidence in the United States without court assistance: Unlike some civil law jurisdictions, the United States imposes no general prohibition against the taking evidence on U.S. territory for use in foreign judicial proceedings.“ Siehe auch Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 434, 437. Innerhalb der Europäischen Union (mit Ausnahme Dänemarks) besteht ab 1.1.2004 ein Anspruch auf Zustimmung nach Maßgabe von Art. 17 der EG-Beweisaufnahmeverordnung Nr. 1206/2001 vom 28.5.2001 (Rz. 245c, 2378a).
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Grundfragen der Genehmigung der Bundesregierung, da die Pflege der auswärtigen Beziehungen (Art. 32 I GG)155 tangiert ist, § 38a ZRHO, Rz. 257.156 Zu Beweisaufnahmen in ihrem jeweiligen Empfangsstaat sind die deutschen 2348 Konsularbeamten in der Regel befugt.157 Daher sieht § 363 II ZPO primär diesen Weg vor. Dieser hat den Vorteil, dass der deutsche Konsularbeamte nach deutschem Verfahrensrecht verfährt und dass die zeitliche Verzögerung des deutschen Prozesses sich in der Regel in Grenzen hält, Rz. 2406.158 Jedoch sind die deutschen Konsularbeamten nicht befugt, Zwang anzudrohen 2349 oder gar Zwang auszuüben. Sie werden meist auch von den (Gerichts-)Behörden des Empfangsstaates nicht mit Zwangsmaßnahmen unterstützt. Art. 18 HBÜ ist mehr ein idealistisches Programm denn geltender Standard. Siehe aber Rz. 2372, 2434. Zudem ist den deutschen Konsularbeamten meist die Vernehmung von Angehörigen des Empfangsstaates und dritter Staaten untersagt. Daher bleibt nur die Möglichkeit, den ausländischen Staat, in dem sich die zu vernehmende Person aufhält bzw. der Beweisgegenstand sich befindet, um Rechtshilfe zu ersuchen, § 363 I ZPO. Nach Völkergewohnheitsrecht sind die Staaten zu einer solchen Zusammenarbeit nicht verpflichtet, Rz. 2016.159 Ein völkerrechtlicher bzw. gemeinschaftsrechtlicher Anspruch Deutschlands besteht nur im Rahmen der bestehenden völkerrechtlichen Verträge bzw. des europäischen Gemeinschaftsrechts (Rz. 245c).
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Wie sehr die strikte Handhabung der Souveränität durch die kontinentaleuropäischen Staaten – die common law-Staaten sind viel großzügiger, da sie die Vernehmung durch den Richter nicht kennen (adversary system, Rz. 2266, 2268)160 und daher die hoheitliche Qualifikation ablehnen – den internationalen Rechtsverkehr behindert und die Wahrung prozessualer Grundrechte gefährdet oder sogar unmöglich macht, hat Nagel eindringlich dargestellt.161 Die Folgen gegensei-
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155 Zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen der auswärtigen Gewalt allgemein Röben, Außenverfassungsrecht – Eine Untersuchung zur auswärtigen Gewalt des offenen Staates, 2007. 156 BGH vom 16.4.1985, NJW 1986, 664. 157 Noch sehr vage Art. 15 HZPÜ, konkreter Art. 15, 16 HBÜ (hierzu OLG Frankfurt vom 13.7.1995, NJW-RR 1996, 575 = IPRspr. 1995 Nr. 163) sowie die Rechtshilfeverträge mit Belgien (Art. 7), mit Frankreich (Art. 7), Griechenland (Art. 14), Marokko (Art. 12), Niederlande (Art. 7), Norwegen (Art. 8), Österreich (Art. 6), Tunesien (Art. 26), Türkei (Art. 17 II), Vereinigtes Königreich (Art. 11). 158 Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 354, 431; Linke, Internationales Zivilprozessrecht4, 2006, Rz. 324. 159 Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 674; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 57. 160 Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 434; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 309. Siehe auch die umfangreichen Nachweise bei Timmerbeil, Witness Coaching und Adversary System: Der Einfluss der Parteien und ihrer Prozessbevollmächtigten auf Zeugen und Sachverständige im deutschen und US-amerikanischen Zivilprozess, 2004. 161 Nagel, Nationale und internationale Rechtshilfe, 1971, 49. Siehe auch Pfennig, Die internationale Zustellung in Zivil- und Handelssachen, 1988, 22; R. Geimer NJW 1989, 2177.
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Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht tiger Behinderung von Beweisaufnahmen und anderer gerichtlicher Handlungen tragen nicht die beteiligten Staaten (diese halten nur Prinzipien hoch), die Folgen tragen vielmehr die Parteien (in der Regel die beweispflichtige Partei): Beweisaufnahmen, die für den Ausgang des Prozesses von eminenter Bedeutung sein können, unterbleiben oder finden nur mit erheblicher Verzögerung statt. Die Ergebnisse der ausländischen Beweisaufnahmen sind für das Prozessgericht nicht oder nur schwer verwertbar (so insbesondere für englische oder US-Gerichte), wenn nicht nach deren Prozessrecht verfahren worden ist. Folge: Der Rechtsstreit wird nicht aufgrund des wahren, sondern aufgrund eines fiktiven Sachverhalts – möglicherweise falsch – entschieden. Auf jeden Fall ist das elementare Recht auf Beweis162 als Ausfluss des Rechts auf rechtliches Gehör163 verkürzt. Der Grundsatz der Unmittelbarkeit bleibt weitgehend auf der Strecke164 Alle Versuche, dieses Dilemma zu überwinden, sind Stückwerk geblieben. So möchte z.B. die Europäische Beweisaufnahmeverordnung die unerfreulichen Auswirkungen der Spaltung des Beweisverfahrens, nämlich Beweisaufnahme durch das Rechtshilfegericht nach der dortigen lex fori einerseits und Anordnung der Beweisaufnahme und Beweiswürdigung durch das Prozessgericht nach dessen lex fori andererseits durch die Möglichkeit der Teilnahme (eines Mitglieds) des Prozessgerichts an der Beweisaufnahme im Ausland165 abmildern. 2352 Die Beweisaufnahme durch nicht richterliche Personen (deutscher Konsul; nicht richterliche Rechtshilfebehörde des ersuchten ausländischen Staates, z.B. USA: Erledigung durch US Attorney166) ist verfassungsgemäß, Rz. 260, 2416.
II. Rechtsquellen 1. Staatsverträge167 2353 a) Haager Übereinkommen über den Zivilprozess vom 1.3.1954:168 Es regelt in Art. 8–16 den Rechtshilfeverkehr, ergänzt durch bilaterale Zusatzvereinbarungen.
162 Zur Frage der inidividualrechtlichen Dimension des Haager Beweisübereinkommens siehe Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 376), HBÜ-Einl. Rz. 11 ff. 163 R. Geimer BerDGVR 33 (1994), 242. 164 Zu diesem Defizit sehr deutlich Rechberger/Mc Guire, Die Umsetzung der EuBewVO im österreichischem Zivilprozessrecht – Der Vorrang der traditionellen Rechtshilfe im Spannungsverhältnis mit dem Unmittelbarkeitsgrundsatz, ZZPInt 10 (2005), 81. 165 So genannte „dialogische“ Beweisaufnahme, Art 12 EuBeweisaufnahmeVO; hierzu Rechberger/Mc Guire ZZPInt 10 (2005), 81, 96. 166 Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 411. 167 Ausführliche Nachweise bei Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr, 100 ff. ZPO. 168 BGBl. 1958 II 576 und 1959 II 1388.
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Grundfragen b) Haager Übereinkommen vom 18.3.1970 über die Beweisaufnahme im Aus- 2354 land in Zivil- und Handelssachen169 Das HBÜ ersetzt im Verhältnis der Vertragsstaaten untereinander Art. 8–16 HZPÜ, Art. 29 HBÜ. Wichtig in der Praxis ist die Anwendung vor allem im Verhältnis zu den USA.170 Ziel des Übereinkommens war es vor allem, den common law-Ländern den Bei- 2355 tritt zu ermöglichen. Diese Länder kennen die Beweisaufnahme durch Gerichtsbeauftragte (commissioners) Rz. 458, 2421, 2426. Sedes materiae ist Art. 17 HBÜ und § 12 AusfG.171 Gegenüber Art. 11 III HZPÜ schränkt Art. 12 HBÜ die Gründe für die Ablehnung des Rechtshilfeersuchens in zwei Punkten ein: Zweifel an der Echtheit des Ersuchens sind kein Ablehnungsgrund. Auch darf die Ablehnung nicht darauf gestützt werden, dass der ersuchte Staat für den Rechtsstreit eine ausschließliche internationale Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder dass er für den Streitgegenstand den Rechtsweg zu den Gerichten nicht zulässt, d.h. ein Verfahren nicht kennt, das dem entspricht, für welches das Ersuchen gestellt wird. Zeugnisverweigerungsrechte bzw. Aussageverbote regelt Art. 11 HBÜ: Der Zeuge kann sich wahlweise auf das Recht des ersuchten Staates und auf das Recht des ersuchenden Staates berufen, Rz. 2509.172
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Gemäß Art. 33 I, 23 HBÜ hat Deutschland einen Vorbehalt bezüglich pre-trial discovery of documents erklärt, Rz. 2489.173
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169 BGBl. 1977 II 1472, 1979 II 780; deutsches Ausführungsgesetz, BGBl. 1977 I 3105. Vertragsstaaten sind: Argentinien, Australien, Barbados, Belarus, Bulgarien, China (einschließlich Macau), Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Israel, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Mexiko, Monaco, die Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, Singapur, Slowakei, Spanien, Sri Lanka, Südafrika, Tschechische Republik, Venezuela, USA, Vereinigtes Königreich, Zypern. Ausführlich Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 376), HBÜ-Einl. Rz. 2. 170 Wölki RIW 1985, 530; Heidenberger RIW 1984, 841. Zur Bedeutung des HBÜ in transatlantischer Perspektive auch Paulus ZZP 104 (1991), 409 und Schlosser, Jurisdiction and International Judicial and Administrative Co-Operation, RdC 284 (2000), 9, 130 ff. 171 Enger das Zusatzprotokoll zur interamerikanischen Konvention über die Beweisaufnahme im Ausland von Panama (1975), verabschiedet 1984 auf der Konferenz von La Paz. Man konnte eine Parallelnorm zu Art. 17 HBÜ nicht durchsetzen, Samtleben RabelsZ 56 (1992), 27 Fußn. 168, Text a.a.O. 156. 172 AG München vom 9.6.1981, RIW 1981, 850 und LG München I vom 10.6.1981, RIW 1981, 851 = IPRax 1982, 28, Nr. 8b. Drittstaatliche Weigerungsrechte scheiden aus, weil Deutschland keine Erklärung nach Art. 11 II HBÜ abgegeben hat. 173 Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 233 ff., 253; Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses, 1989, 305. Stürner ZVglRWiss 81 (1982) 201 will Art. 23 HBÜ, § 14 I AusfG nicht anwenden, wenn das US-Prozessgericht am Ende des pretrial discovery-Verfahrens die Entscheidungserheblichkeit einer genau bezeichneten Beweisaufnahme begründet darlegt. – Zum Entwurf der Urkundenvorlageverordnung gemäß § 14 II AusfG Böhmer NJW 1990, 3053; Koch/Kirchner AG 1988, 127; Greger ZRP 1988, 164; Junker JZ 1989, 127; Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses, 1989, 342. – Zum Parallelproblem im interamerikanischen Verhältnis siehe Art. 16 des Zusatzprotokolls von La Paz (1984), an dem die USA besonders interessiert waren. Hierzu Samtleben RabelsZ 56 (1992),
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Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht 2358 Deutsches und englisches, vor allem aber amerikanisches Zivilprozessrecht174 unterscheiden sich stark in Bezug auf die Vorlagepflicht von Urkunden. Dies kann prozessentscheidend sein. Nach US-Recht besteht ein grundsätzlich unbeschränktes Einsichtsgewährungsrecht und eine Vorlagepflicht bezüglich Urkunden sowohl für den Prozessgegner wie für Dritte; anders § 423 ZPO. 2359 Nach deutschem Recht kann nur die Aussage von Dritten (nicht der Parteien) erzwungen werden, §§ 380, 390 ZPO. Von §§ 142, 144, 372a ZPO sowie § 178 FamFG abgesehen, darf das deutsche Gericht im Übrigen unmittelbaren Zwang gegenüber Parteien und Dritten nicht anordnen, Rz. 2451, 2514. Es kann weder Urkundenvorlage175 noch Duldung der Augenscheineinnahme erzwingen.176 Kann nun ein deutsches Gericht auf dem Umweg über ein ausländisches Rechtshilfeersuchen nach der dortigen lex fori (z.B. USA, Rz. 2520) mehr Zwang mobi-
27. Zur Vorlage von Dokumenten und Zeugenvernehmungen für Zivilprozesse vor USGerichten (pretrial discovery) Stiefel/Petzinger RIW 1983, 242; Martens RIW 1981, 725; Schlosser ZZP 94 (1981), 369; Schlosser Justizkonflikt 17, 20; Stürner JZ 1981, 521; Stürner in Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 33; Nagel IPRax 1982, 139; von Hülsen RIW 1982, 225 und 537; Heidenberger RIW 1982, 874; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht3, 2003, 54; Schack IZVR Rz. 734; Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 374; Beckmann IPRax 1990, 202; Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 96. Zur discovery and inspection des englischen Prozesses Schaaf RIW 1989, 844; vgl. auch Wittuhn RIW 1989, 424 (Kanada). 174 Hierzu Lowenfeld IPRax 1984, 51; Bosch IPRax 1984, 127; Schack IPRax 1984, 186; Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 61; Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses, 1989, 76. 175 Zwar kann auch die nicht beweisbelastete Partei vom Gericht von Amts wegen zur Herausgabe verpflichtet werden. Allerdings setzt § 142 I ZPO voraus, dass eine Partei sich tatsächlich auf eine konkrete Urkunde bezogen hat. Dazu Rz. 57a Fußn. 104 a.E. 176 Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 327, 418. Rechtsvergleichend Schlosser in Festschrift Sonnenberger, 2004, 135. Eine allgemeine prozessuale Aufklärungspflicht der nicht risikobelasteten Partei und damit eine Abkehr vom Grundsatz nemo contra se edere tenetur lehnt die herrschende Meinung ab; dies sei eine Frage des materiellen Rechts. Es sei nicht Aufgabe des Prozessrechts einen solchen Anspruch praeter legem zu schaffen; denn keine Partei sei verpflichtet, ihrem Gegner erst die Mittel zum Prozesssieg zu verschaffen. Zurückhaltender aber im Ergebnis BGH vom 17.2.2004, BGHR 2004, 786 = MDR 2004, 898 = NJW-RR 2004, 989. Dagegen fordern eine generelle Mitwirkungspflicht bei der Aufklärung des Sachverhalts immer mehr Stimmen in der Literatur im Anschluss an Stürner, Die Aufklärungspflichten der Parteien im Zivilprozess, 1976, 92 ff., Nachweise bei Varga, Beweiserhebung in transatlantischen Schiedsverfahren – Eine Suche nach Kompromissen zwischen deutscher und US-amerikanischer Beweisrechtstradition, Diss. Saarbrücken 2006, 49; Waterstraat, ZZP 118 (2005), 459, 468. Nach diesem Ansatz wäre auch die nicht risikobelastete Partei – ohne Rücksicht auf das Bestehen eines materiell-rechtlichen Auskunftsanspruchs – zur Urkundenvorlage verpflichtet. Allerdings kann die Vorlage auch nach dieser Meinung nicht unmittelbar erzwungen werden, sondern nur mittelbar dadurch, dass der unsubstantiierte Tatsachenvortrag der darlegungs- und beweisbelasteten Partei widerlegbar als wahr fingiert wird.
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Grundfragen lisieren als es dies nach deutschem Prozessrecht könnte?177 Die Antwort lautet: Nein.178 In solchen Fällen ist ein Rechtshilfeersuchen unzulässig. Nach Junker erwächst aus diesem rechtlichen Minus des deutschen Rechts der betreffenden Person ein Weigerungsrecht im Sinne von Art. 11 HBÜ. Jedoch bedarf es gar nicht eines Rückgriffs auf diese Vorschrift. Vielmehr ist zu betonen: Art. 10 HBÜ erweitert nicht die Zwangsbefugnisse des deutschen Prozessgerichts nach der ZPO. Diese sind auch dann auf das durch die ZPO festgelegte Maß begrenzt, wenn ein ausländisches Rechtshilfegericht oder eine sonstige ausländische Instanz um Beweisaufnahme gebeten wird.179 Das HBÜ verpflichtet die Vertragsstaaten nicht, auf Ersuchen eines anderen Ver- 2360 tragsstaates einen Zeugen oder Sachverständigen vor ein ausländisches Gericht (= Gericht des ersuchenden oder eines dritten Staates) zu laden und im Weigerungsfall Zwangsmittel (nach der lex fori des ersuchten Staates) anzuwenden. Jedoch besteht nach Art. 3 HZPÜ sowie nach dem HZÜ (Rz. 2072) und den bilateralen Rechtshilfeverträgen die Verpflichtung, Zeugenladungen zuzustellen.180 Das HBÜ kennt aber – anders als Art. 10 des Europäischen Rechtshilfeübereinkommens in Strafsachen181 – keine Verpflichtung für den ersuchten Staat – neben der Zustellung der Ladung des ausländischen Gerichts (hierfür gilt nicht HBÜ, sondern HZÜ) – den Zustellungsempfänger (Zeugen, Sachverständigen) nochmals selbst aufzufordern, vor dem ausländischen Gericht zu erscheinen (= Befehl des ersuchten Staates), Rz. 2528. Heftig umstritten ist die Frage, inwieweit das HBÜ vorschreibt, ausländische 2361 Rechtshilfe in Anspruch zu nehmen.182 Nach richtiger Auffassung verpflichtet es nur die Vertragsstaaten, Rechtshilfe zu gewähren, wenn sie darum ersucht werden, verpflichtet aber nicht die Vertragsstaaten, solche in Anspruch zu nehmen. Vgl. auch Rz. 2081. Nach der Gegenmeinung183 wollte das HBÜ „Einschränkungen im Direktzugriff“ festlegen. Das HBÜ ist demnach – auch nach Auffassung der deutschen Bundesregierung – für den ausländischen Forumstaat (= Staat, in dem der Prozess statt177 Diese Frage stellt Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 419. 178 E. Geimer, Internationale Beweisaufnahme, 1998, 166; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 363 Rz. 37; zustimmend Berger, Grenzüberschreitende Beweisaufnahme zwischen Österreich und Deutschland, in Festschrift Rechberger, 2005, 39, 44. 179 Anderer Ansicht Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 376), Loseblatt, Art. 10 HBÜ Rz. 3. 180 E. Geimer, Internationale Beweisaufnahme, 1998, 45; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 288; Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 451. Dagegen soll nach Stürner JZ 1987, 608 Fußn. 10 die Zustellung einer Zeugenladung völkerrechtlich unzulässig sein; vielmehr stelle das Ersuchen um Rechtshilfe den einzig zulässigen Weg dar. Ebenso Leipold, Lex fori, Souveränität, Discovery: Grundfragen des Internationalen Zivilprozessrechts, 1989, 59 ff., 64 Fußn. 123. 181 Hierzu Bundestagsdrucksache IV/382 S. 45. 182 Nachweise bei Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses, 1989, 308 ff. 183 Z.B. Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses, 1989, 317.
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Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht findet, für den die Beweise benötigt werden) eine abschließende Regelung (nicht für Deutschland als Beweisaufnahmestaat, Art. 27 HBÜ) und verbietet ausländischen Gerichten, die im HBÜ geregelten Beweisaufnahmemethoden – unter Umgehung der deutschen Rechtshilfebehörden (Zentrale Behörden) – direkt anzuordnen. Entscheidend sei der Ort der Beweisaufnahme, irrelevant dagegen, ob die Beweisperson Partei oder ein Dritter ist und ob die Beweisaufnahme freiwillig oder zwangsbedroht ist.184 2363 Das HBÜ erfasst nur Beweisaufnahmen im Ausland. Ob eine solche notwendig ist, entscheidet nach der hier vertretenen Ansicht allein das deutsche autonome Recht. Insoweit ist Deutschland durch das HBÜ nicht gebunden.185 2364 Das HBÜ findet keine Anwendung, wenn die Beweisaufnahme zwar Personen außerhalb des Gerichtsstaates betrifft, jedoch im Inland (Forumstaat) stattfindet.186 Es verbietet insbesondere nicht gerichtliche Anordnungen gegenüber Parteien, Urkunden, die im Ausland liegen, vorzulegen oder Beweispersonen aus dem Ausland vor das Prozessgericht zu schaffen, Rz. 434, 440.187 2365 Bestritten ist, ob die Anordnung der Urkundenvorlage eine Beweisaufnahme im Forumstaat darstellt (also keine Beweisaufnahme im Ausland, so vor allem der US-amerikanische Standpunkt) oder ob die Beweisaufnahme im Lagestaat der Urkunde zu lokalisieren ist, in dessen Gebietshoheit völkerrechtswidrig eingegriffen wird.188 2366 Deutschland vertritt die Auffassung, die völkerrechtlich relevante Handlung finde auf deutschem Boden statt, wenn ein ausländisches Gericht (z.B. ein US District Court) die Vorlage von Urkunden anordnet. Es handle sich mithin um eine Beweisaufnahme im Ausland.189 Das ausländische Gericht greife auf Sachen zu, 184 Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 369/370, 392. Anders die US-Sicht, Rz. 432; von Bodungen/Jestaedt in Festschrift Stiefel, 1987, 70 Fußn. 20. 185 Diese Frage ist einer der Hauptstreitpunkte im deutsch-amerikanischen Justizkonflikt. Siehe z.B. Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 361, 401; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 725, 742; US Supreme Court, Societé nationale Aerospatiale v. US District Court for the Southern District of Iowa, 107 S. Ct. 2542 (1987) = JZ 1987, 984 (Übersetzung von Stadler) mit Anm. Stürner 988. Anderer Auffassung Heidenberger RIW 1988, 310; Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 288, 447, 456: Rechtshilfeweg sei zwingend, wenn der Inlandsbezug zum Gerichtsstaat nicht besteht. 186 Drobnig in Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 114; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 201. 187 Siehe auch Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 562), Einl. zur Europäischen Beweisaufnahme-Verordnung Rz. 29. 188 Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 367; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 209; Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 343. 189 Amicus Curiae Brief der Bundesregierung im Fall Aérospatiale, 25 ILM, 1539, 1546 (1986): „The Federal Republic of Germany also considers it a violation of its judicial sovereignty when a foreign court enforces the production in the United States of evidence which is located in Germany, since only a German court has the legal power to
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Grundfragen die ausschließlich deutscher Hoheitsgewalt (Gebietshoheit) unterliegen. Maßgebend sei nicht die Verwertung, sondern das Sammeln von Beweismaterial.190 Problematisch wird dieser Standpunkt jedenfalls bei der EDV-Datenspeicherung und -übermittlung.191 Darüber hinaus muss im Auge behalten werden, dass auch die Bundesregierung192 in anderem Zusammenhang die Auslandsbelegenheit von Dokumenten keineswegs als Hindernis für das deutsche Vorlageverlangen erachtet hat.193 Ebenso sind Anordnungen gegenüber ausländischen Dritten zulässig, die sich 2367 im Gerichtsstaat (Deutschland) befinden und als Auskunftsperson zur Verfügung stehen („Zeugnispflicht“, Rz. 380), auch wenn sie sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, z.B. bei Besuch einer Messe, einer Konferenz oder anlässlich eines Ferienaufenthaltes oder auch nur einer Durchreise.194 Bei der Anwendung des HBÜ sind viele Schwierigkeiten im Verhältnis zu den USA entstanden. Discovery im Ausland findet nach FRCP in vier Varianten statt.195 Die Partei kann (1) ein Rechtshilfeersuchen (letter rogatory) beantragen, FRCP 28 (b) (3); (2) beantragen, einen Beauftragten (commissioner) zu ernennen; in Betracht kommen in- oder ausländische Privatpersonen (z.B. ein Rechtsanwalt) oder ein Amtsträger (z.B. US Magistrate, deutscher Notar), FRCP 28 (b) (2); (3) dem Gegner schriftlich mitteilen (notice), dass die Beweisaufnahme (a) vor einem US-Konsul oder (b) vor einer anderen zu Eidesabnahme befugten in- oder ausländischen Person (z.B. US court reporter, deutscher Notar196) stattfinden wird, FRCP 28 (b) (1); (4) sich mit dem Gegner über irgendeine (andere) Methode der Beweiserhebung einigen (stipulation) FRCP 29.
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enforce compliance. Even though issued in the United States, such order constitutes an extraterritorial assertion of sovereignty, because it requires acts to be performed in the Federal Republic of Germany where the evidence must be gathered“. Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 209, 368, 375, 392. Vgl. auch Stürner ZVglRWiss 81 (1981) 211; Zekoll, US-amerikanisches Haftpflichtrecht vor deutschen Gerichten, 1987, 142. Zu „Datenoasen“ im Ausland Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 326. DB 1983, 1086. Nachweise auch bei Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 109 Fußn. 32. Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 354, 443; siehe auch R. Geimer ZfRV 1992, 336; Schlosser in Festschrift Lorenz, 1991, 504: „Die ‚judicial sovereignty‘ gibt es nicht“. Anderer Auffassung Stürner in Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 20. Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 370. Junker a.a.O. 372.
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Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht Die Beweiserhebungsmethoden (1), (2), (3a) sind im HBÜ geregelt und nur mit Erlaubnis der deutschen Zentralen Behörde statthaft. Außerhalb des Regelungsbereichs der HBÜ bleiben daher nur 3b und 4.197 2369 c) Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20.6.1956 über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland (BGBl. 1959 II 150): Art. 7. 2370 d) Deutsch-britisches Abkommen über den Rechtsverkehr vom 20.3.1928198: Es ist von großer praktischer Bedeutung, weil es auch in den meisten Staaten gilt, die aus den ehedem zum British Empire gehörenden Kolonien/Territorien entstanden sind.199 2371 Beweisaufnahmen durch den special examiner ermöglicht Art. 11 des deutschbritischen Rechtshilfevertrages. Die Auslandsvertretungen beider Staaten können ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit der zu vernehmenden Personen in eigener Zuständigkeit Beweisaufnahmen durchführen. Für die Beamten der deutschen Auslandsvertretung ergibt sich die funktionelle Zuständigkeit generell aus § 15 KonsularG. Einer speziellen Beauftragung bedarf es nicht. 2372 Im Gegensatz zum HZPÜ und zu den anderen zweiseitigen Abkommen sowie zur Haltung Deutschlands zu Art. 18 HBÜ (Rz. 451, 2433) muss nach Art. 12 (a) II das Gericht des Empfangsstaates „die erforderlichen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass die Zeugen und die sonstigen zu vernehmenden Personen erscheinen und ihre Aussagen machen und dass die Urkunden vorgelegt werden, wobei es, falls erforderlich, von seiner Zwangsgewalt Gebrauch macht“. Zwangsmaßnahmen sind aber nur gegen Angehörige des ersuchenden Staates (Entsendestaates) zulässig, Rz. 2434.200 2373 e) Sonstige Rechtshilfeabkommen:201 Griechenland (Abkommen vom 11.5.1938); Tunesien (Vertrag vom 19.7.1966); Türkei (Abkommen vom 28.5.1929); sowie die Zusatzvereinbarungen zum HZPÜ mit Belgien (25.4.1959), Frankreich (6.5.1961), Marokko (29.10.1985), Niederlande (30.8.1962), Norwegen (23.11.1979), Österreich (6.6.1959). Die Zusatzabkommen mit Dänemark (1.6.1910), Luxemburg (1.8.1909), Schweden (1.2.1910), Schweiz (30.4.1910) regeln nur den unmittelbaren Behördenverkehr, sind aber ansonsten für die Beweisaufnahme ohne Bedeutung.
197 Junker a.a.O. 373. 198 RGBl. II 623. Zum Vorrang der EuBeweisaufnahmeVO im Verhältnis zum Vereinigten Königreich siehe dort Art. 21. Nachweise auch bei Niehr, Die zivilprozessuale Dokumentenvorlage im deutsch-englischen Rechtshilfeverkehr, 2004. 199 Australien, Bahamas, Barbados, Dominica, Fidschi, Gambia, Grenada, Guayana, Jamaica, Kanada, Kenia, Lesotho, Santa Lucia, Malawi, Malaysia, Malta, Mauritius, Nauru, Neuseeland, Nigeria, Salomonen, Sambia, Seychellen, Sierra Leone, Singapur, St. Vincent und Grenadinen, Swasiland, Tansania, Trinidad und Tobago, Zypern. 200 Zur verfassungsrechtlichen Problematik dieser Vorschrift R. Geimer in Festschrift Matscher, 1993, 151. 201 Nachweise bei Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 102 ff. – Zur Beibehaltung der bilateralen Abkommen siehe Art. 21 II EG-BeweisaufnahmeVO.
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Grundfragen f) Europäische Menschenrechtskonvention: Bajons202 leitet aus Art. 6 EMRK 2374 (Recht auf effektiven Rechtsschutz) eine Pflicht zur Rechtshilfe her. Ob sich diese Ansicht durchsetzen wird, ist sehr fraglich. Siehe auch Rz. 2074. Nicht zu bestreiten ist aber, dass ein effizientes Beweisaufnahmeverfahren zur wirksamen Rechtsdurchsetzung bzw. Rechtsverteidigung gehört (Rz. 2351) und daher das Menschenrecht auf ein faires und effizientes Verfahren (Art. 6 I EMRK) involviert ist.203 g) Andere Rechtsgebiete: In Verwaltungssachen gilt das Europäische Übereinkommen über die Erlangung von Auskünften und Beweisen in Verwaltungssachen im Ausland vom 15.3.1978.204
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In Strafsachen ist das Europäische Übereinkommen über Rechtshilfe in Strafsa- 2376 chen vom 20.4.1959205 einschlägig. Dieses wird jedoch in der Europäischen Union in weiten Bereichen überlagert durch das Übereinkommen vom 29. Mai 2000 über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union.206 samt Protokoll vom 16. Oktober 2001.207 Besonders intensiv ist die internationale Zusammenarbeit der Finanz- und Zollbehörden.208
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2. Völkergewohnheitsrecht Das deutsche Gericht darf ohne Zustimmung des betroffenen ausländischen Staates nicht ins Ausland reisen und dort Beweisaufnahmen durchführen, auch wenn die Parteien und Beweispersonen kooperationsbereit sind, Rz. 120. Das deutsche Gericht darf aber Beweise aus dem Ausland beschaffen.
202 Bajons, Zivilverfahren, 1991, Rz. 31 sowie in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 38 JN Rz. 2. 203 R. Geimer BerDGVR 33 (1994), 213, 242. Weiter gehend Achim Müller, Grenzüberschreitende Beweisaufnahme im Europäischen Justizraum, 2004, 14. 204 BGBl. 1981 II 553; dazu Ausführungsgesetz BGBl. 1981 I 665. Siehe auch Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 257; Stürner ZVglRWiss 81 (1982), 174; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 192; Jellinek NVwZ 1982, 535; Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 304. 205 BGBl. 1964 II 1369, 1386, in Kraft seit 1.1.1977, BGBl. 1976 II 1799. 206 BGBl. 2005 II 650; hierzu Bundestagsdrucksache 15/4233. 207 BGBl. 2005 II 661; hierzu Bundestagsdrucksache 15/4230. 208 Dabei taucht die (im IZVR sich nicht stellende) Frage auf, ob ein Datenaustausch ohne Wissen der Betroffenen gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 I i.V.m. Art. 1 GG, BVerfGE 65, 1), Art. 103 I GG oder das Rechtsstaatsprinzip verstößt, Schwochert RIW 1991, 843, vgl. auch für Strafsachen Lagodny in Schomburg, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen4, 2005, § 59 Rz. 32, der sich gegen „ungezügelten Datenfluss“ ausspricht.
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2378
Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht 3. Verordnung (EG) Nr. 1206/2001 des Rates vom 28.5.2001 über die Zusammenarbeit zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Beweisaufnahme in Zivil- oder Handelssachen 2378a Deutschland hat die Initiative ergriffen und einen Entwurf209 vorgelegt, welcher die Grundsätze der EG-Zustellungsverordnung Nr. 1348/2000 vom 29.5.2000 (Rz. 245c) auf das Gebiet der Beweisaufnahme übertragen soll.210 Erfreulich schnell wurde die neue Verordnung erlassen.211 2378b
Im Vordergrund steht – wie bei den Haager Übereinkommen (Rz. 2353 ff.) – das Rogationsprinzip, d.h. Beweisaufnahme nicht durch das Gericht des Mitgliedstaates, in dem der Rechtsstreit anhängig ist, sondern wie bisher auf dessen Ersuchen (Art. 4 ff.) durch die Gerichte des ersuchten Mitgliedstaates, in welchem sich die Beweisperson aufhält oder der Beweisgegenstand sich befindet, Art. 10 ff. Ein allgemeiner ordre public-Vorbehalt (Rz. 2476) ist nicht vorgesehen. Ein Beweisaufnahmeersuchen kann nur nach Maßgabe von Art. 14 abgelehnt bzw. nicht erledigt werden.
2378c Die eigentliche Neuerung liegt – neben den Versuchen zur Beschleunigung der Übermittlungsvorgänge u.a. durch Einrichtung von Zentralstellen (Art. 3 EuBeweisaufnahmeVO) und der Abmilderung des Sprachen- bzw. Übersetzungsproblematik durch Verwendung standardisierter mehrsprachiger Formblätter – in der Zulassung der unmittelbaren Beweisaufnahme durch das Gericht des Gerichtsstaates nach dessen Recht. Einschlägig ist Art. 17 EuBeweisaufnahmeVO, der allerdings reichlich kompromissbehaftet ist: Der betroffene Mitgliedstaat kann Überwachungspersonen zu der Beweisaufnahme entsenden; er kann die unmittelbare Beweisaufnahme unter den Voraussetzungen des Art. 17 V ablehnen, d.h. untersagen, wenn die direkte Beweisaufnahme wesentlichen Rechtsgrundsätzen des eigenen Rechts widerspricht.212 Auch ist die unmittelbare Beweisaufnahme nach Art 17 EuBeweisaufnahmeVO nur statthaft, „wenn sie auf freiwilliger Grundlage und ohne Zwangsmaßnahmen erfolgen kann.“ Diese Einschränkung mindert die praktische Bedeutung dieser Beweisaufnahmemethode ganz erheblich.213 Da man bei der überholten Verabschiedung der EuBeweisaufnahmeVO die Beweisaufnahme durch diplomatische bzw. konsularische Vertreter schlichtweg vergessen hat, verbleibt es weiterhin bei dem vage gefassten Art. 15 des Haager Beweisaufnahmeübereinkommens.214
209 ABl. EG Nr. C 314 vom 3.11.2000, S. 1. Näher hierzu Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 562), Einl. zur Europäischen Beweisaufnahme-Verordnung Rz. 5. 210 Vgl. auch Bohnen DRiZ 1996, 411, 414; Bohnen in Zerdick, Die juristische Zusammenarbeit zwischen Frankreich, Spanien und Deutschland, 1999, 99, 101. 211 ABl. EG Nr. L 324 vom 10.12.2007, S. 79. Der Text ist unten im Anhang S. 1469 ff. abgedruckt. 212 In Deutschland wird die nach Art. 17 zuständige Stelle durch Landesverordnungen bestimmt, § 1074 III Nr. 2 ZPO. 213 Rechberger/Mc Guire, Die Umsetzung der EuBewVO im österreichischem Zivilprozessrecht – Der Vorrang der traditionellen Rechtshilfe im Spannungsverhältnis mit dem Unmittelbarkeitsgrundsatz, ZZPInt 10 (2005), 81, 95. 214 Dies ist allerdings nicht unbestritten.
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Vor deutschen Gerichten anhängige Verfahren
3. Kapitel: Beweisaufnahmen mit Auslandsbezug in Zusammenhang mit vor deutschen Gerichten anhängigen Verfahren I. Beschaffung von Beweismitteln aus dem Ausland 1. Die verschiedenen in Betracht kommenden Rechtsebenen In der völkerrechtlichen und zivilprozessualen Literatur – einschlägige Judikate 2379 behandeln das Thema nur marginal – wurden noch keine klaren Linien herausgearbeitet, wann Maßnahmen des deutschen Gerichts zur Beschaffung von Beweismitteln aus dem Ausland die Souveränität des Staates, aus dem die Beweismittel beschafft werden sollen, beeinträchtigen (völkerrechtliches Problem).215 Zudem ist noch nicht klar, inwieweit – auf innerstaatlicher Ebene – das Gericht in die Prärogative der Bundesregierung zur Pflege der auswärtigen Beziehungen (Art. 32 I GG) eingreift (verfassungsrechtliches Problem), Rz. 263.216 2. Entscheidungsfreiheit des deutschen Gerichts §§ 363, 364 ZPO schränken die Entscheidungsfreiheit der deutschen Gerichte 2380 hinsichtlich Herbeischaffung von Beweismitteln aus dem Ausland nicht ein,217 ebenso nicht das HBÜ, Rz. 2361.218 Diese Vorschriften normieren nur das Vorgehen, wenn das Gericht eine Beweisaufnahme im Ausland für richtig hält, nicht aber die Frage, ob eine solche stattfinden muss. Vielmehr kann das Gericht einen anderen Weg gehen und anstelle der Beweisaufnahme im Ausland darauf hinarbeiten, dass Beweismittel aus dem Ausland „importiert“ werden. Die Frage, ob und in welchem Umfang ein deutsches Gericht innerhalb der völkerrechtlichen Grenzen (Rz. 426, 437, 2320) die Herbeischaffung von Beweismit-
215 Nordmann, Die Beschaffung von Beweismitteln aus dem Ausland durch staatliche Stellen, 1979, 43 ff., 65 ff.; Siegrist, Hoheitsakte auf fremdem Staatsgebiet, 1987, 144; Stürner ZVglRWiss 81 (1982), 170 Fußn. 47; Gottwald in Festschrift Habscheid, 1989, 125, 128; v. Bodungen/Jestaedt in Festschrift Stiefel, 1987, 75; Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses, 1989, 275; Schlosser in Festschrift Lorenz, 1991, 497. Weitere Nachweise bei Daoudi, Extraterritoriale Beweisbeschaffung im deutschen Zivilprozess, 2000, 81 ff. Gegenstand der Kritik und diplomatischer Proteste ist die extensive US-Praxis, hierzu Born/Rutledge, International Civil Litigation in the United States Courts4, 2006, 912. Vgl. auch Rose, Der Auslandszeuge im Beweisrecht des deutschen Strafprozesses, 1999, 109 ff. 216 R. Geimer NJW 1989, 2205. Zu den verfassungsrechtlichen Grundlagen der auswärtigen Gewalt allgemein Röben, Außenverfassungsrecht – Eine Untersuchung zur auswärtigen Gewalt des offenen Staates, 2007. 217 OLG Schleswig vom 3.12.1988, RIW 1989, 910 = IPRspr. 1988 Nr. 183. Siehe auch Achim Müller, Grenzüberschreitende Beweisaufnahme im Europäischen Justizraum, 2004, 153; Musielak in Festschrift Geimer, 2002, 761, 763. 218 Bestritten, Nachweise bei Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 402; Schulze IPRax 2001, 527, 531.
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Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht teln aus dem Ausland anordnen bzw. den Parteien auferlegen und durch (mittelbaren) Zwang durchsetzen kann, ist nach der lex fori zu beantworten. Ist z.B. das Recht eines US-Bundesstaates Schuldstatut, dann kann das deutsche Gericht nicht etwa sub poena-Anordnungen nach FRCP219 verfügen. Es ist vielmehr nach deutschem Verfahrensrecht zu prozedieren. 3. Befugnisse des deutschen Gerichts a) Überblick 2381 Es ist noch einiges unklar.220 Sicher ist, dass das deutsche Gericht das persönliche Erscheinen einer im Ausland domizilierten Partei (Rz. 426) anordnen und das (unentschuldigte) Nichterscheinen durch Prozessnachteile ahnden kann.221 Fraglich ist jedoch, ob es Ordnungsgeld (§ 141 III ZPO) festsetzen kann, das im Wege des Vollstreckungszugriffs auf inländisches Vermögen eingetrieben wird.222 Sicher ist auch, dass gegen im Ausland wohnende Zeugen und Sachverständige, die nicht freiwillig vor einem deutschen Gericht erscheinen, keine Zwangsmaßnahmen ergriffen werden dürfen. Dies wäre zwar gegen deutsche Staatsangehörige kraft Personalhoheit völkerrechtlich zulässig,223 hierfür fehlt jedoch innerstaatlich die gesetzliche Grundlage, Rz. 2320.224 Unpräzise ist der im Anschluss an Riezler225 verbreitete Satz, die (öffentlichrechtliche) Zeugnispflicht (Pflicht zum Erscheinen, §§ 377, 380, 382 ZPO), zur wahrheitsgemäßen Aussage (§§ 393 ff., 376, 390 ZPO) und zur Beeidung der Aussagen (§§ 391, 390 ZPO) obliege – ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit – jedem, der der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen ist, Rz. 380; man meint wohl nur die Gebietshoheit (Rz. 119, 166, 372).226
219 Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 157. 220 Nachweise z.B. bei Schabenberger, Der Zeuge im Ausland im deutschen Zivilprozess, Diss. Freiburg/Br. 1996, 184 ff.; Rechberger/Mc Guire, Die Umsetzung der EuBewVO im österreichischem Zivilprozessrecht – Der Vorrang der traditionellen Rechtshilfe im Spannungsverhältnis mit dem Unmittelbarkeitsgrundsatz, ZZPInt 10 (2005), 81. 116 ff. 221 Zustimmend Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 445; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 606a ZPO Rz. 164. 222 Verneinend OLG München vom 5.9.1995, NJW-RR 1996, 59 = IPRspr. 1995 Nr. 134. 223 Anders wohl Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 451. 224 Nagel IPRax 1992, 302. 225 Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 474. 226 Zur völkerrechtlichen Zulässigkeit, von (sich im Ausland aufhaltenden) Inländern die Übermittlung von (körperlich existierenden) Dokumenten und (abstrakten) Informationen zu verlangen, Nordmann, Die Beschaffung von Beweismitteln aus dem Ausland durch staatliche Stellen, 1979, 104.
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Vor deutschen Gerichten anhängige Verfahren Unter „internationaler Beweiszuständigkeit“ versteht Klaus P. Mössle227 im An- 2382 schluss an den in den USA verwendeten Begriff jurisdiction over evidence228 „die Befugnis der Gerichte oder Behörden, im Ausland befindliche Beweismittel . . . direkt, d.h. ohne Inanspruchnahme von Rechtshilfe, durch extraterritoriale Auskunftsverlangen anzufordern und bei Nichtbefolgung der Anordnung Sanktionen zu verhängen“. Klaus P. Mössle229 sieht in der extraterritorialen Anwendung von Beweisbeschaffungsnormen „un troisième type de juridiction“.230 Die Befugnis, Beweisanordnungen mit Auslandsbezug zu erlassen, folgt noch nicht aus der allgemeinen internationalen Zuständigkeit, vgl. Rz. 1206. Beweisrechtliche Fragen internationaler Verfahren seien als „separates Phänomen“ aufzufassen.231 Für die internationale Zuständigkeit (in Richtung gegen den Beklagten) gibt es kaum völkerrechtliche Grenzen, Rz. 377. Erst recht gilt dies für die „internationale Beweiszuständigkeit“. Daher könnten extraterritoriale Auskunftsverlangen nur schwer einer völkerrechtlichen Kontrolle unterzogen werden.232 Eine solche strebt aber Mössle233 an. Er versucht die US-Doktrin zu verallgemeinern, die auf drei zentrale Begriffe des US-Zivilprozesses fixiert ist: – personal jurisdiction – internationale Zuständigkeit – control – Verfügungsmacht über die Beweismittel – comity – Grenzen extraterritorialer Auskunftsverlangen. Sind die Voraussetzungen nach dem Recht des Gerichtsstaats für Erlass und Durchsetzung extraterritorialer Auskunftsverlangen gegeben (internationale Zuständigkeit und Verfügungsmacht des Adressaten über die Beweismittel), dann soll auf völkerrechtlicher Ebene dem comity-Gedanken zum Durchbruch verholfen werden mit einer zweistufigen Prüfung: – völkerrechtliche Grenzen der Beweiszuständigkeit: Nur wenn und soweit Tatsachen, auf die sich die angeforderten Beweisstücke beziehen, sachgemäße Inlandsbezüge aufweisen, soll die Beweiszuständigkeit gegeben sein.234 – Ausübung der aus der Beweiszuständigkeit folgenden Befugnisse: Die allgemeine völkerrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme (Rz. 171) führt zur restriktiven Anwendung des nationalen Rechts.235 Die dann noch verbleibenden Konfliktfälle seien durch eine „Harmonisierung bzw. Optimierung“ zu entschärfen.236
227 Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 200. 228 Hermann, Conflicts of National Laws with International Business Activity: Issues of Extraterritoriality, 1982, 78. 229 Klaus P. Mössle a.a.O. 334. 230 Im Anschluss an Kaufmann-Kohler (Conflits en matière d’obtention de preuves à l’étranger, Schweizer. JbiR XLI [1985], 117). 231 Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 200. 232 Klaus P. Mössle a.a.O. 207. 233 Klaus P. Mössle a.a.O. 307 ff. 234 Klaus P. Mössle a.a.O. 433–448. 235 Klaus P. Mössle a.a.O. 452–459. 236 Klaus P. Mössle a.a.O. 459–464.
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Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht Bei der Konfliktlösung lehnt Mössle das Alles-oder-Nichts-Prinzip ab, da in der Regel beide Positionen, nämlich Aufklärungs- wie Abwehrrechte, „schutzfähig und schutzwürdig“ sind.237 Die beteiligten Staaten sollen die „verfahrensrechtlichen Voraussetzungen“ dafür schaffen, „dass sich die widerstreitenden Interessen jeweils möglichst weitgehend realisieren lassen“. Im Einzelnen schlägt Mössle238 vor: – Auskunftserteilung gegen Zusicherung der ausländischen Stelle, die Beweismittel nur im Rahmen des Verfahrens zu verwenden, für das sie angefordert werden; – Schutzanordnungen gem. FRCP 26 (c) statt Zeugnisverweigerung; – den von Lord Denning entwickelten „blue pencil approach“; – Verständigung auf Regierungsebene nach dem Vorbild des schweizerisch-USamerikanischen Memorandum of Understanding aus dem Jahre 1983 zur Verbesserung der Rechtshilfe auf dem Gebiet des Insiderrechts. 2383 All diese Vorschläge haben die wissenschaftliche Diskussion bereichert.239 Sie führen aber zu keiner konkreten Lösung der praktischen Probleme des internationalen Beweisverfahrensrechts. Insbesondere wird auch nicht klar, wo Mössle die Grenzen der deutschen lex lata ziehen will. § 377 ZPO kennt keinerlei geographische Grenzen. Auch bleiben die Normen des Völkergewohnheitsrechts für die Inanspruchnahme einer internationalen Beweiszuständigkeit auf weiten Strecken im Dunkeln. Angesichts dieser Prämissen ist es nur folgerichtig, dass Mössle die Unterscheidung zwischen Gerichtsbarkeit (= der vom Völkerrecht gesetzte Rahmen) und internationaler Zuständigkeit nicht plausibel darlegen kann. So bleibt offen, in welchen Fällen Deutschland keine internationale Beweiszuständigkeit beansprucht, obwohl es hierzu völkerrechtlich in der Lage wäre. Die von Klaus P. Mössle240 erwähnten Anknüpfungen Staatsangehörigkeit, Aufenthalt und geschäftliche Tätigkeit im Inland dürften den völkerrechtlichen Rahmen voll ausschöpfen. Dass in Deutschland die Diskussion über die internationale Beweiszuständigkeit erst in den Anfängen steckt, hängt vor allem damit zusammen, dass die deutsche ZPO – sieht man von dem Zwang gegen Zeugen und Sachverständige (Rz. 2448) und von den Fällen des § 372a ZPO ab – die unmittelbare Erzwingung der Beweisaufnahme – anders als z.B. der US-Zivilprozess und Art. 11 Nouveau Code de procédure civile (Rz. 2522) – nicht kennt.241
237 Klaus P. Mössle a.a.O. 450 f., 459. 238 Klaus P. Mössle a.a.O. 461 ff. 239 Hierzu z.B. Kindler ZZP 105 (1992), 378; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 36. Aus österreichischer Sicht Rechberger/Mc Guire, Die Umsetzung der EuBewVO im österreichischem Zivilprozessrecht – Der Vorrang der traditionellen Rechtshilfe im Spannungsverhältnis mit dem Unmittelbarkeitsgrundsatz, ZZPInt 10 (2005), 81, 116 ff. 240 Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 181. 241 R. Geimer ZfRV 1992, 336. Moderat auch §§ 142, 144 ZPO, Rz. 2514. Siehe z.B. OLG Frankfurt vom 18.10.2006, OLGReport 2007, 466, 468: „Die Neufassung der Vorschrift hat jedenfalls die in §§ 422 f. ZPO gezogenen Grenzen einer Vorlegungspflicht unbe-
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Vor deutschen Gerichten anhängige Verfahren b) Schriftliche Befragung (§ 377 III ZPO) von im Ausland sich aufhaltenden Beweispersonen (Parteien, Zeugen, Sachverständigen) durch das deutsche Gericht Eine solche ist völker- und verfassungsrechtlich zulässig, Rz. 437.242 Es bedarf 2384 auch keiner (dienstrechtlichen) Genehmigung im Hinblick auf die Prärogative der Exekutive (Art. 32 I GG). Sie kann sogar verfassungsrechtlich geboten sein, z.B. wenn anders der Zeuge überhaupt nicht zur Verfügung stünde.243 c) Telefonische Vernehmung Auch eine telefonische Vernehmung durch das deutsche Gericht der sich im Ausland aufhaltenden Beweisperson wäre völkerrechtlich zulässig, Rz. 436b;244 jedoch fehlt in Deutschland innerstaatlich eine Rechtsgrundlage.245
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d) Audiovisuelle Vernehmung Das Gleiche gilt für eine audiovisuelle Vernehmung.246 Jedoch fehlte es bis zur Zivilprozessreform 2001 im internen deutschen Recht – anders als im Strafprozess (§ 247a StPO) – an einer Norm, welche die Vernehmung im Wege der „Fern-
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rührt gelassen und nichts an dem bewährten Grundsatz des deutschen Zivilprozessrechts geändert, dass keine Partei gehalten ist, dem Gegner für seinen Prozesssieg das Material zu verschaffen, über das er nicht schon von sich aus verfügt“. Zustimmend Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Anh. zu § 606a ZPO Rz. 165; Stefan Huber, Europäische Beweisaufnahmeverordnung in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, Kap. 29 Rz. 41. Anders die herrschende Meinung (§ 39 I 2 ZRHO) „da der ausländische Staat darin einen unzulässigen Eingriff in seine Hoheitsrechte erblicken kann“, Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 452; Stürner in Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 23; Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses, 1989, 279, 301; OLG Hamm vom 8.12.1987, NJW-RR 1988, 703 = IPRspr. 1987 Nr. 146; BGH vom 10.5.1984, NJW 1984, 2039 = IPRspr. 1984 Nr. 164. Vgl. auch Vogler/Wilkitzki IRG, 1992, vor § 68 Rz. 6. Dannemann, Die ungewollte Diskriminierung in der internationalen Rechtsanwendung – Zur Anwendung, Berücksichtigung und Anpassung von Normen aus unterschiedlichen Rechtsordnungen, 2004, 381. Zustimmend Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 562), Einl. zur Europäischen Beweisaufnahme-Verordnung Rz. 29. Zur US-Praxis Born/Rutledge, International Civil Litigation in the United States Courts4, 2006, 933. Beispiel: House of Lords vom 10.2.2005 – Polanski v. Condé Nast Publications Ltd. [2005] UKHL 10; [2005] 1 WLR 637; [2005] 1 All ER 945; RIW 2006, 301 (Knöfel 303). Siehe auch BGH NStZ 95, 244 = StV 94, 173 (für Strafverfahren) sowie Schomburg NJW 1995, 1933. Anders z.B. in USA: FRCP 30 (b) 7, Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 360. Anderer Auffassung BGH vom 15.9.1999, JZ 2000, 471 (Vassilaki): Erforderlich sei Einverständnis des Aufenthaltsstaates der zu vernehmenden Person.
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2385a
Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht sehkonferenz“ gestattet. Nunmehr eröffnet § 128a ZPO eine solche Möglichkeit, wenn die Parteien ihr Einverständnis erklären.247 e) Anordnung der Vorlage von Urkunden, die sich im Ausland befinden 2386 Auch dies ist – entgegen der unter Rz. 2362, 2366 dargestellten Standpunkte – völkerrechtlich unbedenklich.248 Wegen der innerstaatlichen Rechtslage siehe aber Rz. 2359, 2408. f) Beauftragung von Sachverständigen, die sich im Ausland aufhalten 2387 Auch die Beauftragung von (ausländischen) Sachverständigen, die sich im Ausland (gewöhnlich) aufhalten, ist völkerrechtlich zulässig,249 ebenso das Tätigwerden von Sachverständigen im Ausland, welche das deutsche Gericht hierzu beauftragt hat, Rz. 441, 445.250 Beispiel:251 Das Handelsgericht Paris erlässt ordonnance de référé expertise, wonach ein französischer Sachverständiger beauftragt und ermächtigt wird, eine gewerbliche Anlage in Essen zu besichtigen. g) Ladung von Beweispersonen 2388 Die Ladung von deutschen Staatsangehörigen, die sich im Ausland aufhalten, ist – kraft Personalhoheit der Bundesrepublik Deutschland, die auch nicht von der Gebietshoheit des Aufenthaltsstaates überlagert bzw. verdrängt wird – mit (einfachem) Postbrief (= Nichteinschaltung/“Umgehung“ der ausländischen Rechtshilfebehörde, also nicht nach § 183 I 2 ZPO) zulässig, Rz. 381, 427, 2320.252 247 Auch im Anwendungsbereich der EuBeweisaufnahmeVO keine Genehmigung des betroffenen Mitgliedstaats (Art. 17) erforderlich, House of Lords vom 10.2.2005 – Polanski v. Condé Nast Publications Ltd. [2005] UKHL 10; [2005] 1 WLR 637; [2005] 1 All ER 945; RIW 2006, 301 (Knöfel 303). Anders die herrschende Meinung, Stefan Huber, Europäische Beweisaufnahmeverordnung, in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, Kap. 29 Rz. 41; Stadler in Musielak, Zivilprozessordnung6, 2008, § 128a Rz. 8; Stadler ZZP 115 (2002), 413, 441; Schulze IPRax 2001, 527, 529; Schultzky NJW 2003, 313, 314. 248 Vgl. § 90 II AO (oben Rz. 462), Stürner in Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 25. Zur Erzwingung der Beibringung von Beweisen aus dem Ausland Remien, Rechtsverwirklichung durch Zwangsgeld, 1992, 300 Fußn. 52. 249 Junker a.a.O. 402. Ablehnend Stadler ZZP 110 (1997), 253, 255. 250 Anders § 40 I ZRHO, eine bloße Verwaltungsvorschrift, der aber die herrschende Meinung ohne Wenn und aber folgt, z.B. Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses, 1989, 301; Stadler in Festschrift Geimer, 2002, 1281, 1287. Vgl. auch Art. 17 III der EG-Beweisaufnahmeverordnung Nr. 1206/2001 vom 28.5.2001 (Rz. 245c, 2378a). 251 OLG Hamm vom 14.6.1988, RIW 1989, 566 (Bloch) = IPRspr. 1988 Nr. 187. 252 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 715. Anders die herrschende Meinung, z.B. Stürner in Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 21; Nagel IPRax 1992, 301; Leipold, Lex fori, Souveränität, Discovery-Grundfragen des internationalen Zivilprozessrechts, 1989, 46; Stein/Jonas/Ber-
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Vor deutschen Gerichten anhängige Verfahren Des Weiteren ist die formlose Bitte/Anfrage an Ausländer, freiwillig ins Inland zu kommen, völkerrechtskonform, Rz. 437.253
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Die – aufgrund Ladung/Aufforderung des deutschen Gerichts – aus dem Aus- 2390 land anreisenden Zeugen haben keinen Anspruch auf freies Geleit.254 Das (auf Betreiben des Bundesrats255) von Deutschland nicht ratifizierte Haager Übereinkommen vom 25.10.1980 über die Erleichterung des internationalen Zugangs zur Rechtspflege,256 will freies Geleit sicherstellen. Sein Art. 20 bestimmt: „(1) Wird ein Zeuge oder Sachverständiger, der Angehöriger eines Vertragsstaats ist oder der seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat hat, von einem Gericht eines anderen Vertragsstaats oder von einer Partei mit Genehmigung dieses Gerichts wegen eines dort anhängigen Verfahrens namentlich vorgeladen, so darf er wegen Handlungen oder Verurteilungen aus der Zeit vor seiner Einreise in den ersuchenden Staat dort weder verfolgt noch in Haft gehalten noch einer sonstigen Beschränkung seiner persönlichen Freiheit unterworfen werden. (2) Der in Absatz 1 vorgesehene Schutz beginnt sieben Tage vor dem für die Vernehmung des Zeugen oder Sachverständigen festgesetzten Zeitpunkt; er endet nach Ablauf von sieben Tagen, nachdem der Zeuge oder Sachverständige durch
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ger, ZPO22, 2006, § 363 Rz. 11; Stein/Jonas/Leipold ZPO22, 2006, vor § 402 Rz. 62; OLG Hamm vom 8.12.1987, NJW-RR 1988, 703 = IPRspr. 1987 Nr. 146; Linke, Internationales Zivilprozessrecht4, 2006, Rz. 311 betont, dass die direkte, formlose, postalische Ladung nicht völkerrechtswidrig ist. Anders wohl Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 360. Weitere Nachweise bei Daoudi, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 2000, 95. Gottwald in Festschrift Habscheid, 1989, 128, Musielak in Festschrift Geimer, 2002, 761, 767. Vgl. auch BGH vom 11.7.1990, NJW 1990, 3088, 3090. In der Praxis überlässt man dies meist der beweispflichtigen Partei, Linke, Internationales Zivilprozessrecht4, 2006, Rz. 310. Siehe auch Eschenfelder, Möglichkeiten deutscher Unternehmen, USamerikanische Discovery auch vor deutschen Gerichten zu nutzen, IPRax 2006, 89, 95 ff.; Eschenfelder, Verwertbarkeit von Discovery-Ergebnissen in deutschen Zivilverfahren, RIW 2006, 443. BGH vom 24.2.1988, MDR 1988, 598. (Jedoch kann nach freiem Ermessen des Gerichts sicheres Geleit nach § 295 StPO bewilligt werden, BGH vom 12.6.1991, NJW 1991, 2500.) Nachweise bei Gertraud Maria Bauer, Das sichere Geleit unter besonderer Berücksichtigung des Zivilprozessrechts, 2006. Siehe auch Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 562), Art. 11 Europäische Beweisaufnahme-Verordnung Rz. 14. Vgl. auch Art. 12 Europäisches Übereinkommen über Rechtshilfe in Strafsachen (EuRhÜ – BGBl. 1960 II 1347, 2319) und Art. 52 III, 48 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14.6.1985 (Schengen II) in Verbindung mit Art. 12 EuRhÜ. Hierzu Rz. 2530, Lagodny in Schomburg, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen4, 2005, § 59 Rz. 54; Schomburg NJW 1995, 1932. Sie können – im Wege der deutschen Rechtshilfe (§§ 156 ff. GVG) – auch von einem grenznahen AG vernommen werden, OLG Schleswig vom 3.12.1988, RIW 1989, 910. Bundesratsdrucksache 182 Nr. 87. Text in RabelsZ 46 [1982], 768, 779 sowie z.B. bei Volken, Die internationale Rechtshilfe in Zivilsachen, 1996, Anhang D (S. 296). Siehe auch G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 291, sowie unten Rz. 2530.
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Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht die Justizbehörden davon unterrichtet wurde, dass er während der genannten Frist die Möglichkeit hatte, das Hoheitsgebiet zu verlassen, er aber dort geblieben oder nach Verlassen dieses Gebiets freiwillig dorthin zurückgekehrt ist.“257 2391 Die Praxis geht nicht selten den völkerrechtlichen Problemen der herrschenden Meinung scheinbar dadurch aus dem Weg, dass sie der (beweispflichtigen) Partei gestattet, selbst eine schriftliche Erklärung des Zeugen im Ausland einzuholen, die dann als Urkunde vorgelegt wird.258 Dies setzt aber – da Verstoß gegen Grundsatz der unmittelbaren Beweisaufnahme – Einverständnis (§ 295 ZPO) beider Parteien voraus.259 4. Verwertungsverbot bei völkerrechtswidriger Beweisbeschaffung 2392 Wurden aus dem Ausland unter Verstoß gegen Völkerrecht oder gegen deutsches Recht Beweise beschafft, besteht ein Verwertungsverbot.260 257 Hierzu bemerkt im Anschluss an den Rapport explicatif von Möller (Rapport explicatif sur la Convention tendant à faciliter l’accès international à la Justice, Conférence de La Haye de Droit International Privé, Actes et Documents de la Quatorzième session 6 au 25 octobre 1980, Tome IV: Entraide judiciaire/Judicial co-operation, S. 260, 286) Volken, Die internationale Rechtshilfe in Zivilsachen, 1996, Rz. 7.14 (S. 259): „Die Idee des freien Geleits ist vor allem in der internationalen Strafrechtshilfe bekannt. In der zivilen zwischenstaatlichen Rechtshilfe ist mit den Haager Zivilprozess-Übereinkünften von 1893 und 1905 das Ersuchungsschreiben eingeführt worden, so dass im zivilen Beweisaufnahmeverfahren international grundsätzlich Papier und Dokumente zirkulieren, nicht Menschen. In den modernen Wirtschaftsprozessen hat sich aber gezeigt, dass die Verteidigung oft effizienter und letztlich kostengünstiger ausfällt, wenn wichtige Zeugen oder Sachverständige unmittelbar vor dem Urteilsrichter vernommen bzw. angehört werden können. Das bedingt, dass dem angerufenen Zeugen oder Sachverständigen Gewähr dafür geboten wird, dass ihm aus seiner Hilfsbereitschaft im vorliegenden Verfahren nicht Nachteile erwachsen, die aus einem anderen Zusammenhang hergeleitet werden können. Aus diesem Grund soll dem Zeugen oder Sachverständigen, der Angehöriger eines Vertragsstaates ist oder in einem Vertragsstaat wohnt und in einem anderen Vertragsstaat auf Antrag einer Partei und mit richterlicher Billigung vor den Schranken des Urteilsgerichts erscheint, Verfolgungsimmunität zugesichert sein . . . Die Idee dieser Bestimmung, die auf schweizerischen Vorschlag aufgenommen wurde (Conférence de La Haye de Droit International Privé, Actes et Documents de la Quatorzième session 6 au 25 octobre 1980, Tome IV: Entraide judiciaire/Judicial co-operation, S. 149, document de travail No. 21), ist für das internationale Zivilprozessrecht neu. Vor allem die britischen Vertreter konnten sich mit ihr nicht anfreunden, weshalb hiergegen in Art. 28 eine Vorbehaltsmöglichkeit vorgesehen ist. Es ist aber nicht einzusehen, dass im zivilen Rechtsverkehr nicht Recht sein sollte, was im strafrechtlichen längst billig ist. Die Verweigerung des freien Geleits würde letztlich nicht den inkriminierten Zeugen oder Sachverständigen treffen, sondern die Prozesspartei, die auf deren Bericht oder Aussage vor Gericht angewiesen ist.“ Vgl. auch G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 292. 258 Leipold, Lex fori, Souveränität, Discovery – Grundfragen des Internationalen Zivilprozessrechts, 1989, 66. 259 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 723. 260 FG Baden-Württemberg vom 8.5.1990, RIW 1991, 178. Anderer Auffassung BVerfG vom 17.7.1985, NJW 1986, 1427; BVerfG vom 3.6.1986, NJW 1986, 3021; zustimmend
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Vor deutschen Gerichten anhängige Verfahren
II. Beweisaufnahme für deutsche Zivilprozesse im Ausland 1. Grundsätzliches Sie erfolgt aus den in Rz. 2347 dargestellten Gründen nur ausnahmsweise durch 2393 das Prozessgericht oder einen beauftragten Richter (Art. 17 HBÜ, § 361 ZPO261) selbst. Das Prozessgericht kann nach pflichtgemäßem Ermessen262 das Betreiben der Beweisaufnahme – anstatt nach § 363 I ZPO zu verfahren – dem Beweisführer überlassen. Der Weg nach § 364 ZPO steht alternativ, nicht nur subsidiär zur Verfügung.263 Maßgebend sind Gesichtspunkte der Zweckmäßigkeit. Empfehlenswert ist die Vorgehensweise nach § 364 ZPO besonders für Beweisaufnahmen in common law-Staaten. Auch wenn der ausländische Beweisaufnahmestaat gegen die Anwesenheit von 2394 deutschen Richtern keine Einwendungen hat, wie z.B. die USA, kann ein deutscher Richter Beweisaufnahmen im Ausland nur mit Genehmigung der Bundesregierung, die über die Landesjustizverwaltung einzuholen ist,264 selbst durchführen oder an Beweisaufnahmen der von ihm ersuchten ausländischen Rechtshilfebehörde (Art. 8 HBÜ) teilnehmen, § 38a ZRHO. Dies gilt auch dann, wenn der deutsche Richter bei einer Vernehmung durch den deutschen Konsul oder diplomatischen Vertreter (§ 363 II ZPO) zugegen sein will. Art. 97 GG ist nicht verletzt.265 Siehe auch Rz. 262, 446. Nach Auffassung der Bundesregierung handelt es sich bei einem Ersuchen an einen fremden Staat um Rechtshilfe „um ein Teilgebiet der Pflege der auswärtigen Beziehungen im Sinne des Art. 32 I GG“, Rz. 263, 2152. Es ist daher „ausschließlich Sache des Bundes, in Rechtshilfeangelegenheiten mit auswärtigen Staaten zu verkehren“. Die Rechtshilfeverträge werden von den Ländern „nicht als eigene Angelegenheit ausgeführt“. „Die Länder nehmen insoweit nur Befugnisse des Bundes wahr.“266 – Siehe auch Rz. 2126, 2453, 2465.
2395
2. Beschlussfassung über die im Ausland durchzuführende Beweisaufnahme Diese ist eine von der Unabhängigkeitsgarantie des Art. 97 I GG gedeckte richter- 2396 liche Handlung. Allerdings steht die Ausführung unter dem Vorbehalt des
261 262 263
264 265 266
Herdegen EuGRZ 1986, 1; kritisch Mann NJW 1986, 2167; Trechseler EuGRZ 1987, 75. Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen das deutsche Gericht seiner Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung (§ 286 I ZPO) genügt hat und seine Bemühungen um das Erscheinen eines im Ausland wohnenden Zeugen einstellen darf, der zwar auf wiederholte Ladung ausgeblieben ist, sein Erscheinen vor dem Prozessgericht jedoch grundsätzlich zugesagt hat, BGH vom 29.1.1992, IPRax 1992, 319 (Nagel 301) = ZZP 105 (1992), 500 (Leipold) = LM Nr. 23 zu § 286 (E) ZPO = IPRspr. 1992 Nr. 204. Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 432, 437. Koch in Alternativ-Kommentar zur ZPO, 1987, § 363 Rz. 6. LG Neubrandenburg vom 23.1.1996, MDR 1996, 1186 = IPRspr. 1996 Nr. 173a; OLG Rostock vom 22.4.1996, IPRspr. 1996 Nr. 173b. Anders die herrschende Meinung (für Subsidiarität). Einzelheiten: Junker DRiZ 1985, 161. BVerfG vom 17.4.1979, DRiZ 1979, 219. Bundestagsdrucksache IV/382 S. 49, 7/2836 S. 14.
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Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht Art. 32 I GG, Rz. 2395. Fazit: Ein deutsches Prozessgericht darf Beweiserhebung im Ausland beschließen. Die Exekutive kann jedoch die Ausführung verweigern.267 Dagegen können (nur) die Parteien (nicht aber das Gericht) gemäß §§ 23 ff. EGGVG vorgehen. Vgl. vice versa Rz. 2495. 2397 Die Notwendigkeit bzw. Zweckmäßigkeit der Beweiserhebung im Ausland (z.B. in den USA268) hat das Gericht zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung zu machen. Beide Parteien sind zu hören. 2398 Das deutsche Gericht hat den Antrag auf Beweiserhebung im Ausland abzulehnen, wenn feststeht, dass der ausländische Staat dem Rechtshilfeersuchen nicht nachkommen wird.269 Es muss aber versuchen, mit dem Zeugen unmittelbar Kontakt (schriftliche Befragung) aufzunehmen.270 3. Verständigung der Parteien von dem Beweistermin im Ausland 2399 Die Parteien sind zu verständigen, § 357 ZPO, Art. 11 II HZPÜ, Art. 7 HBÜ, Art. 11 EuBeweisaufnahmeVO. Ist dies unterblieben, steht es im Ermessen des Gerichts, ob es das Beweisergebnis verwendet,271 soweit die Belange der nicht verständigten Partei (Art. 103 I GG, konkretisiert durch Fragerecht, § 397 ZPO) nicht beeinträchtigt sind.272 4. Kosten für die Teilnahme am ausländischen Beweistermin 2400 Kosten aus Anlass der Teilnahme am Beweistermin im Ausland sind erstattungsfähig.273
267 Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 437; für den Bereich des Strafprozesses Rose, Der Auslandszeuge im Beweisrecht des deutschen Strafprozesses, 1999, 256. 268 Nachweise bei Junker a.a.O. 410. 269 OLG Köln vom 16.3.1983, FamRZ 1983, 825 (Grunsky) = IPRspr. 1983 Nr. 160. Siehe auch BGH vom 18.5.2000, NJW 2000, 2517 (Strafsache): Ablehnung der audiovisuellen Vernehmung eines am Erscheinen in der Hauptverhandlung verhinderten Auslandszeugen, wenn von ihr keine weitergehende oder bessere Sachaufklärung zu erwarten ist als durch das Vorlesen eines bereits vorliegenden richterlichen Vernehmungsprotokolls. 270 Zur Zulässigkeit von Beweisaufnahmen im Ausland vor der mündlichen Verhandlung BGH vom 25.3.1980, NJW 1980, 1848, 1849 = MDR 1980, 735 (unentschieden). Zur Zurückweisung von Beweisantritten (§ 528 II ZPO a.F., vgl. nunmehr § 531 ZPO), wenn die Zeugen im Ausland zu laden sind, BGH a.a.O.; zur Bedeutung von Verfahrensfehlern des ausländischen Gerichts bei der Beweisaufnahme LG Frankfurt a.M. vom 19.12.1980, IPRax 1981, 218 = IPRspr. 1980 Nr. 158a. 271 BGH vom 6.7.1960, BGHZ 33, 63 = NJW 1960, 1950. 272 Weiter LG Göttingen vom 22.6.1983, IPRspr. 1983 Nr. 170. Vgl. auch BGH vom 3.11.1987, NJW 1988, 2187 (Strafsache). 273 OLG Koblenz vom 14.1.1986, MDR 1986, 764 = IPRspr. 1986 Nr. 192.
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Vor deutschen Gerichten anhängige Verfahren 5. Verfahren des deutschen Prozessgerichts nach Durchführung der Beweisaufnahme im Ausland Nach Durchführung der Beweisaufnahme durch den deutschen Konsularbeam- 2401 ten (§ 363 II ZPO) bzw. die ausländische Rechtshilfebehörde (§ 363 I ZPO) sind die Parteien entsprechend § 362 ZPO zu benachrichtigen; gemäß § 285 ZPO ist Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen. 6. Verwertung der Ergebnisse der ausländischen Beweisaufnahme Die Verletzung der ausländischen lex fori ist unbeachtlich, § 369 ZPO, hierzu Rz. 2398.274 Unter Umständen ist eine Zeugenvernehmung zu wiederholen, wenn das Protokoll des ausländischen Rechtshilferichters über die Zeugenvernehmung zu farblos ist.275 Hat das deutsche Gericht um Vernehmung durch einen Richter ersucht, ist diese aber – unter Verletzung von Art. 9 II HBÜ – unterblieben und erfolgte die Vernehmung nur durch einen Polizeibeamten, so wird die Partei, die den Zeugen benannt hat, nicht beweisfällig.276
2402
Auch kann z.B. der deutsche Konsularbeamte über seine Eindrücke bei der Ver- 2403 nehmung eines Zeugen oder bei sonstigen Wahrnehmungen als Zeuge vernommen werden. Die Vernehmung darf nicht mit der Begründung abgelehnt werden, damit werde gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verstoßen. Auch die Vernehmung eines Zeugen, der aus eigener Kenntnis nur Bekundungen Dritter über entscheidungserhebliche Tatsachen wiedergeben kann, ist grundsätzlich zulässig. Der Zeuge vom Hörensagen bekundet ein Indiz, dem nicht in jedem Fall von vornherein jede Bedeutung für die Beweiswürdigung abgesprochen werden kann, mag sein Beweiswert in der Regel auch gering sein.277 Dies gilt insbesondere, wenn nach Auffassung des Gerichts die Aussage des im Ausland vernommenen Zeugen „zu farblos“ ist. Mit dieser Begründung darf eine im Ausland protokollierte Zeugenaussage nicht übergangen werden, denn die „Farbigkeit“ und Präzision der Niederschrift hängt in erster Linie nicht von dem Zeugen, sondern von dem Vernehmenden ab, insbesondere dann, wenn die Vernehmung in Abwesenheit der Partei und ihrer Prozessbevollmächtigten im Ausland erfolgt ist. Hinzu kommt, dass der Vernehmende oft keinerlei weitere Aktenkenntnis hat und nicht weiß, auf welche Einzelheiten es dem deutschen Gericht für die Beweiswürdigung ankommt.
274 Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 472–477; Nagel, Die Grundzüge des Beweisrechts im europäischen Zivilprozess, 1967, 424; Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 335 Fußn. 11. Zur Parallelproblematik im Strafprozess Rose, Der Auslandszeuge im Beweisrecht des deutschen Strafprozesses, 1999, 271 ff. 275 BGH vom 11.7.1990, NJW 1990, 3088, 3089. 276 OLG Celle vom 28.10.1993, NJW-RR 1994, 830 = IPRspr. 1993 Nr. 160. 277 BGH vom 10.5.1984, NJW 1984, 2039 = IPRspr. 1984 Nr. 164.
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Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht 7. Nichterledigung des deutschen Beweisaufnahmeersuchens im Ausland 2404 Erledigt die ersuchte ausländische Behörde das deutsche Rechtshilfeersuchen nicht innerhalb angemessener Frist, so ist der beweispflichtigen Partei gemäß § 364 ZPO eine Frist zu setzen, nach deren fruchtlosem Ablauf der angetretene Beweis unberücksichtigt gelassen wird, sofern nicht in der Zwischenzeit das Rechtshilfeersuchen von den ausländischen Behörden (positiv) erledigt wird, § 364 III 2 ZPO.278 8. Absehen von einer Beweisaufnahme analog § 244 III StPO? 2404a Weigert sich der sich im Ausland aufhaltende Zeuge einer Ladung vor das deutsche Prozessgericht nachzukommen, so soll nach der Rechtsprechung279 es möglich sein, analog § 244 III StPO von der Beweiserhebung abzusehen, wenn nur die Anhörung durch das deutsche Gericht zur Wahrheitsfindung beizutragen vermag.280 Auch sei das deutsche Gericht nicht verpflichtet, nach § 363 ZPO um Rechtshilfe zu ersuchen und an der Vernehmung des Zeugen durch die ausländische Rechtshilfebehörde teilzunehmen. Ein solches Procedere mag zwar in extremen Ausnahmesituationen gerade noch zulässig sein. In der Regel dürfte jedoch das verfassungsmäßige Recht auf Beweis281 verletzt sein.
III. Beweisaufnahme durch deutsche Konsularbeamte 1. Überblick 2405 Diese Beweisaufnahmemethode (ohne Inanspruchnahme ausländischer Rechtshilfebehörden) ist nach dem Gesetz (§ 363 II ZPO) der Regelfall282, in der Praxis jedoch die Ausnahme, weil die meisten Staaten nur die Vernehmung deutscher Staatsangehöriger, allenfalls Angehöriger dritter Staaten gestatten, nicht jedoch die Vernehmung der eigenen, Rz. 447, 2348. Zudem darf der Konsularbeamte keinen Zwang anwenden.283 2406 Die Beweisaufnahmemethode nach § 363 II ZPO ist vorteilhaft, weil die Beweisaufnahme nach dem deutschen Recht erfolgt (§ 15 III 1 KonsularG, vgl. vice versa Rz. 2420). 278 BGH vom 10.5.1984, NJW 1984, 2039 = IPRspr. 1984 Nr. 164. 279 OLG Saarbrücken vom 11.2.1998, NJW-RR 1998, 1685. 280 Vgl. auch die Nachweise zur Judikatur der Strafgerichte bei Rose, Der Auslandszeuge im Beweisrecht des deutschen Strafprozesses, 1999, 143, 413, 451. Zur Beweisantizipation bei ausländischen Zeugen wegen mangelnder Deutschkenntnisse, VerfGH Berlin vom 29.8.2003, NJW 2004, 1791. 281 R. Geimer ZfRV 1992, 410. 282 Anders § 13 I 2 ZRHO: „ausnahmsweise“. Kritisch zu dieser Verwaltungsvorschrift Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 431. 283 Einzelheiten zur konsularischen Beweisaufnahme bei Hecker/Müller-Chorus/Bindseil, Handbuch der konsularischen Praxis2, 3. Ergänzungslieferung (Stand: August 2007), 2008, § 5 Rz. 22 ff. Siehe auch E. Geimer, Internationale Beweisaufnahme, 1998, 123 ff.
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Vor deutschen Gerichten anhängige Verfahren Das Ergebnis der Beweisaufnahme ist deshalb für den deutschen Prozess leichter verwertbar. Der Konsularbeamte fungiert anstelle des Richters,284 auch wenn ein Mitglied des deutschen Prozessgerichts angereist ist, Rz. 262. Dies ist verfassungskonform, Rz. 260, 2352. Die Beweisaufnahme durch Konsularbeamte führt bei Mitwirkungsbereitschaft der zu vernehmenden Person sehr schnell zum Erfolg. Um nicht unnötig Zeit zu vergeuden, sollte die beweispflichtige Partei aber vorab klären, ob die zu vernehmende Person zur Aussage vor einem deutschen Konsul bereit ist. 2. Befugnisse der deutschen konsularischen Vertreter Auf der Ebene des Völkerrechts sind die Befugnisse der deutschen Konsular- 2407 beamten in Art. 5j WÜK, Art. 15, 16 HBÜ wegen der vielen Vorbehaltsmöglichkeiten (Art. 33 HBÜ) nicht abschließend geregelt, von denen (leider) auch Deutschland ausgiebigen Gebrauch gemacht hat. Die restriktive deutsche Haltung ist aber für den deutschen Prozessrichter ohne Bedeutung; entscheidend ist vielmehr die Haltung des ausländischen Beweisaufnahmestaates: Hat dieser keine Vorbehalte nach Art. 33 HBÜ erklärt, gelten Art. 15, 16 HBÜ als Mindeststandard. Der Empfangsstaat (= Beweisaufnahmestaat) ist nicht gehindert, liberaler zu sein, Art. 27 (b) HBÜ. Besonders großzügig sind die USA.285 Innerstaatlich sind die Befugnisse der deutschen Konsularbeamten in §§ 15, 19 KonsularG normiert.
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Der Konsul darf Zeugen vernehmen, selbständig schriftliche Auskünfte (§ 377 III ZPO) einholen und den Eid abnehmen.286 Nach dem HBÜ kann der Konsul Beweisaufnahmen jeder Art vornehmen, nach den bilateralen Verträgen sind seine Befugnisse meist auf die Vernehmung von Zeugen und die Aufforderung zur Vorlage von Urkunden beschränkt.287 Da die deutschen Gerichte im Zivilprozess – anders als im Strafprozess und möglicherweise auch im Verfahren der Freiwilligen Gerichtsbarkeit – die Vorlegung von Urkunden nicht mit unmittelbarem Zwang durchsetzen (vgl. Rz. 2514), dürfte die Befugnis der Konsularbeamten, um die Vorlage von Urkunden zu ersuchen, keine große praktische Bedeutung haben, weil dies die Gerichte auch selbst machen können.288 Wenn es dem ersuchenden Gericht für die Beweiswürdigung auf bestimmte Einzelheiten ankommt, so muss es dies dem Konsularbeamten mitteilen.289 Möglich 284 §§ 15, 19 KonsularG; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 181, 286; Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 354. 285 Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 430; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 180, 261, 288. Überblick im Länderteil der ZRHO. 286 Hierzu E. Geimer, Internationale Beweisaufnahme, 1998, 128. 287 R. Geimer in Festschrift Matscher, 1993, 146. 288 Die Anordnung der Urkundenvorlage richtet sich an die Partei, Rz. 2520. Sie ist keine Souveränitätsverletzung, Daoudi, Extraterritoriale Beweisbeschaffung im deutschen Zivilprozess, 2000, 134. Siehe auch Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 376), Art. 15 HBÜ Rz. 11. 289 BGH vom 10.5.1984, NJW 1984, 2039 = RIW 1984, 740 = IPRspr. 1984 Nr. 164.
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Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht ist auch, den deutschen Konsulatsbeamten, der die Vernehmung durchgeführt hat, als Zeugen über seine Eindrücke und Wahrnehmungen zu vernehmen, insbesondere dann, wenn das konsularische Protokoll zu „farblos“ ist, Rz. 2402. 3. Überwachung der Beweisaufnahme des deutschen Konsularbeamten durch Organe des Beweisaufnahmestaates 2410 Der Staat, der eine solche Beweisaufnahme auf seinem Staatsgebiet duldet, kann eine Kontrollperson (Art. 19 HBÜ) etablieren und auch sonstige Auflagen machen, Art. 16 II HBÜ, vor allem wenn es sich um seine eigenen Staatsangehörigen handelt. Anders ist die Rechtslage nach Art. 11 des deutsch-britischen Abkommens (Rz. 2370). Danach können die Konsularbeamten nicht nur die eigenen Staatsangehörigen des Entsendestaates, sondern alle sich in ihrem Amtsbezirk aufhaltenden Personen zur Vernehmung vorladen, wobei der Empfangsstaat auf jede Art von Überwachung oder Kontrolle verzichtet. 4. Teilnahmerecht der Parteien 2411 Die Parteien haben das Recht, in Person zugegen zu sein und sich durch „Rechtsberater“ (Art. 20 HBÜ), genauer durch Anwälte oder durch jede andere Person vertreten zu lassen, welche die Befugnis haben, vor den Gerichten eines der beiden Länder aufzutreten (Art. 11 lit. c deutsch-britisches Rechtshilfeabkommen). Auch ist der deutsche Konsul innerstaatlich verpflichtet, die Parteien des deutschen Zivilprozesses vom Beweisaufnahmetermin zu verständigen, § 15 III 1 KonsularG. Um Zeit und Kosten zu sparen, empfiehlt § 39 I 4 ZRHO bei den Parteien des deutschen Prozesses ein Einverständnis mit der schriftlichen Befragung der zu vernehmenden Person(en) (§ 377 III ZPO) einzuholen. Damit wird jedoch das Fragerecht der Parteien, das für das Gesamtergebnis der Aussage eminent wichtig sein kann, erheblich beeinträchtigt.
IV. Beweisaufnahme durch ausländische Rechtshilfebehörden 1. Notwendigkeit der Inanspruchnahme ausländischer Rechtshilfe 2412 Wo die konsularische Beweisaufnahme nach Lage der Dinge nicht in Betracht kommt, z.B. wegen größerer örtlicher Entfernung des Konsulats vom Wohnsitz des Zeugen oder wegen der Unzulässigkeit der Einvernahme nicht deutscher Personen durch deutsche Konsularbeamte oder weil der Empfangsstaat nach Art. 18 HBÜ gegen (widerspenstige) Beweispersonen keinen Zwang anwendet, erfolgt die Beweisaufnahme durch Ersuchen der ausländischen Behörde um Beweisaufnahme, § 363 I ZPO. Bestehen Zweifel, ob eine Beweiserhebung durch deutsche Konsularbeamte möglich ist, kommt ein Eventualersuchen in Betracht, § 13 IV ZRHO.
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Vor deutschen Gerichten anhängige Verfahren 2. Form und Inhalt des Ersuchens des deutschen Gerichts Akten dürfen nicht mitübersandt werden; daher ist wichtig, dass das deutsche 2413 Gericht die ausländische Rechtshilfeinstanz über den Sachverhalt eingehend informiert. Der deutsche Beweisbeschluss ist auch Grundlage für die Beweisaufnahme im Ausland. Gleichwohl verbietet § 19 II ZRHO die Übersendung solcher Beschlüsse. Deren Inhalt soll vielmehr in das Ersuchen mit aufgenommen werden. Das deutsche Gericht muss eine klare und leicht verständliche Darstellung des Sachverhalts (§ 16 ZRHO) geben.290 Der Zweck dieser Vorschrift ist: Einmal sollen die Regeln der Höflichkeit gegenüber dem ersuchten ausländischen Staat gewahrt werden, zum anderen wird dadurch das deutsche Prozessgericht gezwungen, die Beweisfragen besonders deutlich zu formulieren. Alle Fragen, auf deren Beantwortung es dem deutschen Prozessgericht besonders ankommt, sollen aufgeführt werden. Anders als nach §§ 396 I, 451 ZPO wird die Beweisperson mit einem Fragenkatalog konfrontiert.291 Im Übrigen muss das Ersuchen angeben, in welcher Eigenschaft die zu vernehmenden Personen gehört werden sollen (als Zeugen, Sachverständige oder Parteien) und ob die Vernehmung eidlich oder nicht eidlich erfolgen soll. Auf die Vorschriften der deutschen ZPO ist nur zu verweisen, wenn es durch den Gegenstand des Ersuchens oder sonst im Einzelfall geboten erscheint, z.B. bezüglich der Belehrung über Zeugnisverweigerungsrechte. Die einschlägigen deutschen Bestimmungen, nach denen ein Aussageverweigerungsrecht bestehen könnte, müssen im Wortlaut aufgeführt werden, mit der Bitte, eine entsprechende Belehrung vorzunehmen, § 37 II ZRHO. Diese soll sich auch darauf erstrecken, ob und wann eine zu vernehmende Person den Eid verweigern darf, § 37 III ZRHO. Wichtig ist z.B. der Hinweis, dass eine Partei berechtigt ist, die Aussage und/oder den Eid zu verweigern, § 37 IV ZRHO. Art. 3 HBÜ (Rz. 2458, 2474) umreißt exemplarisch den Inhalt von Rechtshilfeersuchen; diese sollen enthalten – die ersuchende Behörde und nach Möglichkeit die ersuchte Behörde, – den Namen und die Anschrift der Parteien sowie deren Vertreter, – die Art und den Gegenstand des Prozesses und eine gedrängte Darstellung des Sachverhalts, – die aufzunehmenden Beweise oder andere gerichtliche Handlungen, die durchgeführt werden sollen, – die Namen und Anschriften der zu vernehmenden Personen, – die an diese zu richtenden Fragen oder die Tatsachen, über die sie vernommen werden sollen, – die Urkunden und andere Gegenstände, die geprüft werden sollen, – den Antrag, die Vernehmung unter Eid oder sonstiger Bekräftigung vorzunehmen unter Angabe der dafür zu verwendenden Formeln, 290 Siehe auch Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 562), Art. 4 Europäische Beweisaufnahme-Verordnung Rz. 6. 291 Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 409.
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Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht – den Wunsch, die Vernehmung in einer besonderen Form durchzuführen, wobei diese anzugeben ist, – die Angabe darüber, unter welchen Voraussetzungen die zu vernehmende Person ein Zeugnisverweigerungsrecht hat oder sich auf Privilegien berufen kann, Art. 11 HBÜ, § 37 ZRHO. 3. Zuständiger Funktionsträger für die Beweisaufnahme im Ausland 2415 Das Recht des ersuchten Staates bestimmt die ausländische Rechtshilfebehörde, d.h. den Funktionsträger, der die Beweisaufnahme im ersuchten Staat für das deutsche Gericht vorzunehmen hat (Richter, Verwaltungsbehörde, neutrale Person z.B. Anwalt, Notar). Auch das HZPÜ und das HBÜ enthalten insoweit keine Festlegung; vorgesehen ist lediglich die Vernehmung durch eine autorité judiciaire (judicial authority).292 2416 Die Vernehmung durch einen Richter schreibt auch § 363 ZPO nicht vor (Rz. 2352). Eine solche ist aber nach dem Gesamtkonzept der deutschen ZPO erstrebenswert.293 Legt das deutsche Gericht auf richterliche Vernehmung wert, sollte es – zumindest im common law-Bereich – ausdrücklich darum ersuchen.294 Theoretisch (§ 38a ZRHO) könnte der deutsche Richter zum commissioner des US District Courts bestellt werden und so sein eigenes Rechtshilfeersuchen ausführen. Dann wäre aber der Weg des Art. 17 HBÜ vorzuziehen (das deutsche Gericht ernennt den Beauftragten). 4. Beweisaufnahme nach dem Recht des ersuchten Staates Die Beweisaufnahme im ersuchten Staat erfolgt grundsätzlich nach dem dort geltenden Recht. Jedoch sehen die Haager Übereinkommen (Art. 14 II HZPÜ, Art. 9 II HBÜ) vor, dass einem Antrag des ersuchenden Gerichts, „nach einer besonderen Form zu verfahren“, nach Möglichkeit zu entsprechen ist.295
292 Art. 9 I HBÜ, Art. 14 I HZPÜ. Anders Art. 10 der EG-BeweisaufnahmeVO Nr. 1206/ 2001 (Rz. 245c, 2378a). 293 Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 414. 294 Für USA siehe 28 U.S.C. § 1782 (a). Hierzu z.B. Born/Rutledge, International Civil Litigation in the United States Courts4, 2006, 1002; Schlosser, Jurisdiction and International Judicial and Administrative Co-Operation, RdC 284 (2000), 9, 148 ff. Siehe auch Steinbrück, US-amerikanische Beweisrechtshilfe für ausländische private Schiedsverfahren, IPRax 2008, 448. 295 Zur Beweisaufnahme durch ausländische Rechtshilfebehörden für deutsche Strafverfahren ausführlich Rose, Der Auslandszeuge im Beweisrecht des deutschen Strafprozesses, 1999, 224, 237 ff. Die deutsche Doktrin und die Rechtsprechung verlangen – anders als für den deutschen Zivilprozess, dass das deutsche Tatgericht im Strafprozess darauf hinwirkt, dass auch vom ausländischen Rechtshilfeorgan die deutschen Beweisaufnahmeregeln beachtet werden.
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Vor deutschen Gerichten anhängige Verfahren 5. Teilnahme der Beteiligten an der ausländischen Beweisaufnahme Bei der Vorbereitung des Ersuchens ist zu klären, ob die Beteiligten von ihrem Recht, der Beweisaufnahme beizuwohnen (§ 357 ZPO), Gebrauch machen wollen und deshalb auf die Benachrichtigung über den Beweistermin Wert legen. § 38 I ZRHO empfiehlt, die Beteiligten darauf hinzuweisen, dass die Benachrichtigung von dem Termin die Erledigung des Ersuchens durch die ausländische Rechtshilfebehörde in der Regel erheblich verzögert und dass es daher zweckmäßig ist, die Benachrichtigung nur dann zu verlangen, wenn die Absicht besteht, den Termin wahrzunehmen. Ein Verzicht der Beteiligten auf Terminsnachricht ist im Ersuchen zu vermerken. Ansonsten ist um Benachrichtigung vom Termin zu bitten.
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Auf der Ebene des Völkerrechts ist der Beweisaufnahmestaat Deutschland gegenüber nach Maßgabe der bestehenden Verträge zur Benachrichtigung verpflichtet.296
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Das ersuchende deutsche Gericht hat nach Eingang der Benachrichtigung durch 2419 die ausländische Behörde die Beteiligten von dem Termin sofort in Kenntnis zu setzen. Halten die Beteiligten sich im ersuchten Staat auf, so wird die ersuchte Behörde zu bitten sein, die Beteiligten direkt zu benachrichtigen. Zu diesem Zweck ist die genaue Anschrift der Beteiligten in dem Ersuchen anzugeben. Ebenso ist zu verfahren, wenn die unmittelbare Benachrichtigung der Beteiligten aus anderen Gründen zweckmäßig erscheint, § 38 III ZRHO. 6. Teilnahme deutscher Richter an der ausländischen Beweisaufnahme Hierzu Rz. 446; vice versa Rz. 2512. In der Europäischen Union (mit Ausnahme Dänemarks) regelt diesen Komplex Art. 12 der EG-Beweisaufnahmeverordnung vom 28.5.2001 (Rz. 245c, 2378a).
2419a
7. Weigerungsrechte der Beweispersonen Nach Art. 11 HBÜ können die Beweispersonen Weigerungsrechte sowohl nach deutschem Recht als auch nach dem Recht des ersuchten Staates geltend machen.297 Das deutsche Gericht hat vor Erlass seines Rechtshilfeersuchens nicht zu prüfen, ob nach dem Recht des ersuchten Staates Weigerungsrechte bestehen.298
296 Art. 11 II HZPÜ, Art. 7 HBÜ, Art. 10 II deutsch-griechisches Abkommen, Art. 9 lit. e) deutsch-britisches Abkommen, Art. 13 III deutsch-türkisches Abkommen und Art. 21 I deutsch-tunesischer Vertrag. Ab 1.1.2004 ist vorrangig Art. 11 der EG-Beweisaufnahmeverordnung Nr. 1206/2001 (Rz. 245c, 2378a) anzuwenden. 297 Vgl. vice versa Rz. 2509 sowie Art. 14 I der EG-BeweisaufnahmeVO Nr. 1206/2001 (Rz. 245c, 2378a). 298 BGH vom 20.11.1997, NJW-RR 1998, 411 = MDR 1998, 814 = IPRspr. 1997 Nr. 181.
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2419b
Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht 8. US-amerikanische pre-trial discovery für deutsche Prozesse? 2419c Pre-trial discovery für deutsche Prozesse lässt sich in den Vereinigten Staaten von Amerika sowohl im Rahmen der Beweishilfe (Rule 28 United States Code § 1782) als auch der Beweissicherung (Rule 27 [a] FRCP) organisieren.299 Ein solches Vorgehen befürwortet vor allem Eschenfelder.300 § 1782 lautet:301 (a) The district court of the district in which a person resides or is found may order him to give his testimony or statement or to produce a document or other thing for use in a proceeding in a foreign or international tribunal, including criminal investigations conducted before formal accusation. The order may be made pursuant to a letter rogatory issued, or request made, by a foreign or international tribunal or upon the application of any interested person an may direct that the testimony or statement be given, or the document or other thing be produced, before a person appointed by the court. By virtue of his appointment, the person appointed has power to administer any necessary oath and take the testimony or statement. The order may prescribe the practice and procedure of the foreign country or the international tribunal, for taking the testimony or statement or producing the document or other thing. To the extent that the order does not prescribe otherwise, the testimony or statement shall be taken, and the document or other thing produced, in accordance with the Federal Rules of Civil Procedure. A person may not be compelled to give his testimony or statement or to produce a document or other thing in violation of any legally applicable privilege. (b) This chapter does not preclude a person within the United States from voluntarily giving his testimony or statement, or prducing a document or other thing, for use in a proceeding in a foreign or international tribunal before any person and in any manner acceptable to him.
V. Anwendung deutschen Strafrechts für Eides- und sonstige Aussagedelikte 2419d
Die Straftatbestände der §§ 153–156 StGB (falsche uneidliche Aussagen, Meineid und falsche Versicherung an Eides Staat) kommen gemäß § 5 Nr. 10 StGB auch für im Ausland begangene Taten zur Anwendung302.
299 U.S. Supreme Court vom 21.6.2004 – Intel Corp. v. Advanced Micro Devices Inc., 124 S.Ct. 2466, 159 L.Ed.2d 355 (2004). Hierzu Rieckers RIW 2005, 19; Kraayvanger/Richter RIW 2007, 177. 300 Eschenfelder IPRax 2006, 89 sowie RIW 2006, 443. 301 Deutsche Übersetzung bei McDonald/Wetzler RIW 2000, 212, 213. Siehe auch Steinbrück, US-amerikanische Beweisrechtshilfe für ausländische private Schiedsverfahren, IPRax 2008, 448. 302 Nachweise bei Stoffers JA 1994, 77. Siehe auch RG WarneyerRspr. 1935, 47 = KTS 1935, 103 = IPRspr. 1935–1944 Nr. 614: Mit Eingang der im Ausland aufgenommenen Beweise beim deutschen Gericht seien die tatsächlich im Ausland (Aufenthaltsstaat der Beweisperson) abgegebenen Erklärungen bzw. gemachten Aussagen als im Inland
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Im Ausland anhängige Verfahren
4. Kapitel: Beweisaufnahmen auf deutschem Territorium für im Ausland anhängige Verfahren I. Grundfragen Aus common law-Sicht (vor allem des Vereinigten Königreichs und der USA) ist 2420 die Beweisaufnahme durch Einschaltung ausländischer (deutscher) Rechtshilfeinstanzen zwar möglich (letter of request),303 aber unbefriedigend, weil der enge Zusammenhang mit dem Ausgangsverfahren unterbrochen wird.304 So haben sich (früher) englische Gerichte geweigert, das im Wege der kontinentaleuropäischen Rechtshilfe erzielte Beweisergebnis zu verwerten, weil kein Kreuzverhör (Rz. 2268) stattgefunden hatte. Grundsätzlich müssen Beweisaufnahmen in England – in Übereinstimmung mit 2421 den kontinentaleuropäischen Verfahrensordnungen – in open court, d.h. vor dem Prozessgericht in öffentlicher Verhandlung erfolgen. Andere Beweisaufnahmemethoden lässt man nur zu, wenn es unbedingt erforderlich ist. Wenn Zeugen sich im Ausland aufhalten, kann das Prozessgericht u.a. die Vernehmung durch ein anderes Gericht oder einen special examiner (nichtrichterliche Person) anordnen. Häufig werden britische Konsuln als special examiner beauftragt. Im Übrigen können im Ausland lebende Zeugen ihre Aussagen schriftlich abgeben mit der eidesstattlichen Versicherung, dass ihre Angaben wahr seien. Diese „affidavits“ müssen vor einem Commissioner for Oaths (z.B. barristers, solicitors, attorneys) beschworen werden. Deutschland steht – wegen des generell engherzigen Souveränitätsverständnisses der civil law-Länder – der Beweisaufnahme durch konsularische Vertreter (Art. 15, 16 HBÜ) und erst recht durch sonstige Beauftragte (Art. 17 HBÜ) sehr skeptisch gegenüber, wie die vielen deutschen Vorbehalte (Art. 33 HBÜ) zeigen.
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Während nach den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen das Gericht die Beweiserhebung (auf Antrag der Parteien) anordnet (Beweisbeschluss, Beweisurteil, Rz. 2269) und selbst die Beweise erhebt, ist diese Methode den common law-Ländern fremd. Wollte der Richter z.B. Zeugen selbst vernehmen, so wäre dies in den Augen eines angelsächsischen Juristen ein schwerer Fehler, Rz. 2268.305 Die Beweisaufnahme ist vielmehr grundsätzlich Sache der Parteien und ihrer Anwälte,306 und zwar auch dann, wenn die Beweisaufnahme im Ausland erfolgen soll. Anders die kontinentaleuropäische Sicht: Werden Parteivertreter oder
303 304 305 306
vorgenommen zu betrachten. Angesichts der klaren Regelung in § 5 Nr. 10 StGB bedarf es dieser Konstruktion nicht. FRCP 28 (b), 28 U.S.C.A. § 1781. Memorandum of the US with Respect to the Revision of Chapter II of the 1954 Convention of Civil Procedure, Actes et Documents IV (1970), 14. Zum US-Verfahrensverständnis Stürner in Festschrift Stiefel, 1987, 763. FRCP 26 ff. Hierzu prägnant Stürner in Walther J. Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 11.
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2423
Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht Dritte als Beauftragte des Gerichts (commissioners) tätig, betrachten dies die civil law-Staaten als Verletzung ihrer Souveränität, Rz. 464.307 2424 Aber auch wenn kein Auftrag des (ausländischen) Gerichts in concreto vorliegt, soll pre-trial discovery (durch die Parteien/Vertreter) völkerrechtswidrig sein, weil gerichtsverwertbare Beweisstücke (FRCP 32) produziert werden.308 2425 Völlig anders ist die US-Sicht:309 Danach ist discovery ohne Gerichtsbeauftragten (Art. 17 HBÜ) reine Privatsache (solely private matter), solange die Zeugenvernehmung freiwillig und ohne staatlichen Zwang stattfindet (discovery does not need judicial attention).310
II. Beweisaufnahme ohne Einschaltung deutscher Stellen (Direktmethode) 1. Überblick 2426 Hier wird die Beweisaufnahme nicht von deutschen Justizorganen durchgeführt. Aus der Sicht der Bundesrepublik Deutschland handelt es sich um passive Rechtshilfe: Sie duldet das Tätigwerden ausländischer Amtsträger bzw. Beauftragter auf ihrem Territorium, wenn es auch aus deutscher Sicht „beruhigender“ wäre, die eigenen Gerichte als Rechtshilfebehörden tätig werden zu lassen.311 Eine lange Tradition hat die Beweisaufnahme durch diplomatische und konsularische Vertreter, Rz. 447.312 Hinzu kommt die Beweisaufnahme durch (sonstige) Beauftragte des Gerichts, die – sieht man von den bilateralen Abkommen 307 Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 173, 182, 263. 308 Stürner in Walther J. Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 23; er sieht darin – unzutreffend (Rz. 462) – sogar eine verbotene Amtsanmaßung (§ 132 2. Alt StGB), auch wenn der Betroffene freiwillig mitwirkt, Stürner ZVglRWiss 81 (1982) 170, 202 Fußn. 242. „Nur die schriftliche Bitte einer Prozesspartei an Dritte um Auskunft oder Urkundenübersendung, die sich völlig außerhalb der Förmlichkeiten des ‚pretrials‘ bewegt und ohne jede gerichtliche ‚order‘ erfolgt, wird man als unbedenklich bezeichnen dürfen.“ Vgl. auch a.a.O. 211. Großzügiger gegenüber „Beweisaufnahmen auf eigene Faust“ (private Beweisaufnahme) Rudolf BDGesVR 11 (1973) 33; Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 373. 309 Hierzu z.B. Murray, Taking Evidence Abroad – Understanding American Exceptionalism, ZZPInt 10 (2005), 343. 310 Actes et Documents IV (1970) 55/56; Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 368; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 180, 264. „Rechtliche Bedenken stehen . . . einer Beweisaufnahme durch Privatpersonen nicht entgegen. Allerdings kann die vernehmende Person – mangels rechtlicher Grundlage – in Deutschland keine förmliche Vernehmung, z.B. unter Eidesabnahme, durchführen.“ Drobnig, American-German Private International Law2, 1982, 341. 311 Rapport de la commission speciale, Actes et Documents IV (1970) 55. Siehe auch E. Geimer, Internationale Beweisaufnahme, 1998, 177 ff.; Schabenberger, Der Zeuge im Ausland im deutschen Zivilprozess, Diss. Freiburg/Br. 1996, 49. 312 Hierzu E. Geimer, Internationale Beweisaufnahme, 1998, 180 ff.
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Im Ausland anhängige Verfahren ab (vgl. Art. 12 des deutsch-britischen Abkommens, Rz. 2370) – erstmals in Art. 17 HBÜ geregelt ist, Rz. 2355. Die Beweisaufnahme durch das ausländische Prozessgericht würde das Postu- 2427 lat der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme am besten verwirklichen. Sie ist jedoch – jedenfalls in Zivilsachen – bisher unüblich und im HBÜ nicht vorgesehen. Dort findet sich nur die Variante, dass das ausländische Prozessgericht eines seiner Mitglieder zum Beauftragten ernennt, Art. 17 HBÜ, Rz. 458.313 Will das ausländische Gericht in voller Besetzung in Deutschland Beweise erhe- 2428 ben, ist die Zustimmung der Bundesregierung erforderlich, die wohl aufgrund (stillschweigender) Delegation (ZRHO) von der Landesjustizverwaltung zu erteilen ist.314 Siehe auch Rz. 2512. Die Beweisaufnahme durch Private ohne Auftrag des ausländischen Gerichts (pre-trial discovery), ist ebenfalls im HBÜ nicht angesprochen.315 Man streitet darüber, ob die Souveränität Deutschlands durch Aktivitäten Privater berührt wird, weil die Ergebnisse später einem ausländischen Gericht als „Beweise“ präsentiert werden sollen, Rz. 462, 464, 2424.316
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2. Überwachung durch deutsches Amtsgericht In Deutschland wird die Beweisaufnahme durch ausländische diplomatische 2430 und konsularische Vertreter hinsichtlich eigener Staatsangehöriger des ausländischen Entsendestaates von den deutschen Justizbehörden nicht überwacht (obwohl dies nach Art. 15 II HBÜ möglich wäre317). Auch unter Hinweis auf die Gefährdung ihrer Hoheitsrechte oder ihrer Sicherheit kann die Bundesrepublik Deutschland dem ausländischen Konsul die Vernehmung eigener Staatsangehöriger nicht verbieten; denn im Kapitel II des HBÜ findet sich keine Verweisung auf Art. 12 I (b) HBÜ. Ein Schutz der Angehörigen des Entsendestaates ist nach Auffassung der Bundesregierung nicht erforderlich, weil der Konsul den Schutz seiner Staatsangehörigen selbst zu wahren imstande ist, Art. 5 (a) WÜK.318 Dagegen wird die konsularische Vernehmung drittstaatlicher Staatsangehöriger (sofern diese nicht gleichzeitig Angehörige des Entsendestaates sind) und von Staatenlosen von
313 Ebenso Art. 17 III EuBeweisaufnahmeVO. 314 Zu großzügig Lagodny in Schomburg, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen4, 2005, § 59 IRG Rz. 39, der Handlungen ausländischer Funktionsträger, die – weil ohne Zwang erfolgend – auch von einem Privatmann vorgenommen werden dürfen (z.B. schlichte Befragung von Zeugen), auch ohne Genehmigung der Bewilligungsbehörde – selbst nach kontinentaleuropäischem Souveränitätsverständnis – für völkerrechtlich unbedenklich hält. 315 Vgl. für den umgekehrten Fall § 364 ZPO. 316 Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 373; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 267; Lagodny a.a.O. 317 Nagel, Nationale und internationale Rechtshilfe, 1971, 138; Pfeil-Kammerer, Deutschamerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 290, 294. 318 Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 181; R. Geimer in Festschrift Matscher, 1993, 150.
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2431
Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht den deutschen Rechtshilfebehörden kontrolliert. Insbesondere können Auflagen gemacht werden.319 Das Gleiche gilt in verstärktem Maße für die Beweisaufnahme durch Beauftragte des ausländischen Gerichts (Art. 17 HBÜ). Dieser Art der im common law-Bereich üblichen Beweisaufnahme steht man in Deutschland besonders skeptisch gegenüber, Rz. 461. 3. Verbot der Vernehmung deutscher Staatsangehöriger 2432 Eigene Staatsangehörige (Deutsche) will Deutschland auf deutschem Boden auf keinen Fall durch diplomatische oder konsularische Vertreter vernehmen lassen oder sonst einer Beweisaufnahme aussetzen, Art. 16 HBÜ, § 11 S. 1 AusfG. Verboten ist diese Beweisaufnahme auch, wenn sich deutsche Beweispersonen kooperationsbereit zeigen. Anders Art. 11 (a) deutsch-britischer Rechtshilfevertrag und der deutsch-amerikanische Notenwechsel.320 Deutschland will auf diese Weise die eigenen Staatsangehörigen schützen und seine Hoheitsrechte wahren.321 Ein absolutes Verbot ist jedoch vom Grundgesetz nicht vorgeschrieben und rechtspolitisch übertrieben.322 Es würde zum Schutz der deutschen Beweisperson eine Überwachung durch geeignete Auflagen genügen.323 Vernehmung auch deutscher Staatsangehöriger ist jedoch möglich nach Art. 17 HBÜ, vgl. auch Rz. 452a, 461.324 4. Keine Anwendung von Zwang 2433 Ausländische konsularische Vertreter und Beauftragte dürfen Zwang weder androhen noch anwenden, Art. 15–17 HBÜ. Sie könnten aber nach dem Konzept des HBÜ (Art. 18) den Empfangsstaat (Deutschland) um Zwangsmaßnahmen ersuchen. Deutschland unterstützt aber Konsuln und Beauftragte nicht mit Zwangsmaßnahmen. Nach Ansicht der Bundesregierung weicht die konsularische Beweisaufnahme so erheblich von dem allgemeinen Beweisaufnahmeverfahren ab, dass sie nur Personen zugemutet werden kann, die mit dieser Verfahrensweise einverstanden sind, Rz. 451.325 Erst recht unterstützt sie nicht die Tätigkeit von Beauftragten (Art. 17 HBÜ). 319 Art. 16 HBÜ, § 11 S. 2 und 3 AusfG, Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 234. 320 Berechtigte Kritik an dem engherzigen Standpunkt der Bundesrepublik Deutschland bei Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 352, 355; PfeilKammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 294. 321 Bundestagsdrucksache 8/217 S. 51. 322 Vgl. auch G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 231. 323 Junker a.a.O. 357; R. Geimer in Festschrift Matscher, 1993, 142. 324 Siehe auch Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 376), Art. 17 HBÜ Rz. 1. 325 Bundestagsdrucksache 8/217 S. 57. Kritisch Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 358; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 297.
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Im Ausland anhängige Verfahren Kooperationsbereitschaft besteht aber nach Art. 12 (a) (2) des deutsch-britischen Abkommens vom 20.3.1928 (Rz. 2370).326 Leistet z.B. ein kanadischer Staatsangehöriger der Aufforderung der kanadischen diplomatischen oder konsularischen Beamten (in dessen Eigenschaft als special examiner), als Partei oder Zeuge auszusagen, nicht Folge oder verweigert er bei der Vernehmung durch diesen die Aussage, so finden §§ 380, 390, 409 ZPO entsprechende Anwendung. Es kann jedoch nicht mehr Zwang angewendet werden als in einem deutschen Zivilprozess. Erforderlich ist ein Rechtshilfeersuchen (letter of request). Anders als im Falle des Art. 9 führt das ersuchte deutsche Amtsgericht die Beweisaufnahme als Rechtshilfegericht nicht selbst durch, sondern überlässt die Erledigung dem Beamten der Auslandsvertretung, Art. 12 (a) (1). Das kanadische Rechtshilfeersuchen bezieht sich mithin nur auf die Anwendung von Zwangsmitteln.
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Zuständig ist das Amtsgericht, in dessen Bezirk der kanadische diplomatische 2435 oder konsularische Beamte, der die Beweisaufnahme vorzunehmen hat, seinen Sitz hat.327 Die Entscheidung des deutschen Amtsgerichts erfolgt aufgrund der amtlichen Mitteilung des kanadischen Beamten von Amts wegen. Vor der Beschlussfassung sind der Zeuge oder die sonstigen zu vernehmenden Personen – und auf Verlangen auch der Staatsanwalt – zu hören. Gegen den Beschluss findet die Beschwerde (§§ 567 ff. ZPO) statt, die auch dem Staatsanwalt zusteht. 5. Befugnisse der Konsuln und Gerichtsbeauftragten Da man den Begriff der Beweisaufnahme nach dem Recht des ersuchten Staates 2436 definiert, können Konsularbeamte und commissioners in Deutschland – anders als in Ländern, die Bluttests zur Vaterschaftsfeststellung nicht kennen328 – Bluttests durchführen (sofern die notwendige medizinische Betreuung sichergestellt ist). Anders die bilateralen Vereinbarungen; diese beziehen sich in der Regel nur auf „Rechtshilfeersuchen, aufgrund deren eigene Staatsangehörige vernommen oder zur Vorlegung von Urkunden angehalten werden sollen“, z.B. Art. 6 der deutsch-österreichischen Vereinbarung oder Art. 12 des deutsch-marokkanischen Rechtshilfevertrages.329 Exkurs: Konsuln und Beauftragte dürfen nur Beweisaufnahmen durchführen, nicht aber „andere gerichtliche Handlungen“ vornehmen, Art. 1 I und III HBÜ (z.B. Sühnetermin in Ehesachen, Anhörung der Parteien). Insoweit ist der Anwendungsbereich des Kapitels II des HBÜ enger als der des Kapitels I.330
326 RGBl. 1928 II 623, 1935 II 848; BGBl. 1954 II 15. Hierzu Art. 2 III-V der deutschen Ausführungsverordnung vom 5.3.1929, RGBl. II 135. 327 Art. 2 II 1 Ausführungsverordnung. 328 Vgl. auch Jayme in Festschrift Geimer, 2002, 375. Siehe auch zum Haager Unterhaltsabkommen vom 24.10.1956 Siehr in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Art. 18 EGBGB Anh. II Rz. 54. 329 Nachweise bei R. Geimer in Festschrift Matscher, 1993, 146. 330 Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 280, 408; PfeilKammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 203.
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2437
Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht 2438 Konsularbeamte und Beauftragte dürfen Beweise nur für anhängige Gerichtsverfahren erheben, während Rechtshilfeersuchen (Kapitel I des HBÜ) auch für „künftige gerichtliche Verfahren“ zulässig sind, Art. 1 II HBÜ. Konsularbeamte dürfen nur innerhalb ihres Amtsbezirks Beweise erheben, Art. 15, 16 HBÜ, während Beauftragte (Art. 17 HBÜ) – im Rahmen der ihnen erteilten Genehmigung – territorial nicht beschränkt sind. 6. Schutz der Beweispersonen bei Beweisaufnahmen durch nichtdeutsche Stellen (Konsuln oder Beauftragte) 2439 Zum Schutz der Beweispersonen stipulieren Art. 19–21 HBÜ folgende Kautelen (Rz. 453):331 – Benachrichtigung der Zentralen Behörde vom Beweisaufnahmetermin, Art. 19 S. 2 HBÜ, – Anwesenheit einer deutschen Aufsichtsperson, Art. 19 S. 2 HBÜ, § 12 AusfG, – Beiziehung eines Rechtsberaters, Art. 20, 21 (c) HBÜ, – Ladung in deutscher Sprache, Art. 21 (b) HBÜ, – Belehrung in der Ladung, dass die Beweisperson nicht erscheinen muss, Art. 21 (c) HBÜ, – Hinweis auf Weigerungsrechte, Art. 11, 21 (e) HBÜ.
III. Aktive Rechtshilfe: Erledigung ausländischer Ersuchen um Beweisaufnahme durch deutsche Stellen 1. Rechtsgrundlagen 2440 a) Völkerrecht: Das Völkergewohnheitsrecht verpflichtet die Staaten nicht zu gegenseitiger Rechtshilfe. Eine solche Verpflichtung besteht nur aufgrund und im Rahmen der bestehenden völkerrechtlichen Verträge. Das wichtigste ist das HBÜ, welches das HZPÜ (Art. 816) ablöst.332 2441 Die Verträge gelten nur für Ersuchen in Zivil- und Handelssachen. Man streitet darüber, wie dieser Begriff zu qualifizieren ist. Eine vertragsautonome Interpretation – wie zu Art. 1 I EuGVÜ/LugÜ bzw. zu Art. 1 I EuGVVO vom EuGH propagiert – ist theoretisch denkbar und wurde in Den Haag von der Expertenkommission der Vertragsstaaten des HBÜ im April 1989 favorisiert, scheidet aber schon aus praktischen Gründen aus, weil eine supranationale Instanz fehlt, die eine solche einheitliche Auslegung sicherstellen könnte,333 Rz. 318.
331 Siehe auch Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 376), Art. 21 HBÜ Rz. 1. 332 Zur Praxis im Rechtshilferecht Bajons in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, Anh. B zu §§ 38–40 JN Rz. 1 ff. Das HBÜ wird ab 1.1.2004 in der Europäischen Union mit Ausnahme Dänemarks überlagert durch die vorrangig anzuwendende EG-BeweisaufnahmeVO Nr. 1206/2001 (Rz. 245c, 2378a). 333 Schlosser, EU-Zivilprozessrecht2, 2003, Art. 1 HBÜ Rz. 1.
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Im Ausland anhängige Verfahren Ein Abstellen auf das Recht des ersuchenden Staates334 würde jedem Vertrags- 2442 staat die Möglichkeit geben, den Umfang der Rechtshilfeverpflichtung der anderen Vertragsstaaten beliebig auszudehnen. So genügte es z.B., wenn die USA erklärten, Steuersachen seien civil matters, um Deutschland zur Rechtshilfe zu verpflichten. Die Beschränkung auf Zivil- und Handelssachen in Art. 1 HBÜ hätte im Ergebnis ihren Sinn verloren.335 Da rebus sic stantibus die rechtslogisch beste Lösung einer konventionsimmanenten Definition des Umfangs der Verpflichtung zur Gewährung von Rechtshilfe praktisch (Fehlen einer supranationalen Instanz) nicht durchsetzbar ist und die Qualifikation nach dem Recht des ersuchenden Staates zu unakzeptablen Ergebnissen führt, bleibt derzeit nur die Qualifikation nach dem Recht des ersuchten Staates.336 Maßgebend ist also die Unterscheidung des deutschen Rechts zwischen Zivilsachen (§ 13 GVG) und den öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten (§ 40 VwGO).337
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Rechtshilfe ist daher – da eine Zivilsache nach deutscher Rechtsvorstellung (§ 1 I ZRHO) vorliegt338 – zu gewähren z.B. in folgenden Fällen: In Insolvenzsachen sowie dann, wenn im Ausgangsverfahren in den USA punitive damages oder treble damages Streitgegenstand sind.339
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334 So Böckstiegel/Schlafen NJW 1978, 1974/76; Martens RIW 1981, 731; deutsche Denkschrift zum deutsch-marokkanischen Vertrag Bundestagsdrucksache 11/2026 S. 11, abgedruckt auch bei Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 470.13. 335 Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 259, 407. Vgl. Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 469 mit weiteren Nachweisen; Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses, 1989, 308; Basedow in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 143. 336 Junker IPRax 1986, 205; Junker, RIW 1986, 337, 346; Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 73. 337 Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 260. Offen gelassen von OLG München vom 9.5.1989, RIW 1989, 483, 484 = NJW 1989, 3102 (Greger) = IPRax 1990, 175 (Stürner/Stadler 157) = IPRspr. 1989 Nr. 205. 338 Anderer Auffassung OLG Koblenz vom 27.6.2005, IPRax 2006, 25 (Piekenbrock) = ZIP 2006, 1020. Kritisch Koch/Horlach/Thiel RIW 2006, 356 und Alio IHR 2007, 177, 181. 339 OLG Düsseldorf vom 19.2.1992, NJW 1992, 3110 = RIW 1992, 846 = IPRspr. 1992 Nr. 215; OLG Naumburg vom 9.2.2006, WuW/E DE-R 1774 = IPRspr. 2006 Nr. 165; OLG Düsseldorf vom 21.4.2006, OLGR 2006, 777 = RIW 2006, 629 = IPRspr. 2006 Nr. 167; OLG Frankfurt vom 15.3.2006, NJOZ 2006, 3575 = IPRspr. 2006 Nr. 166; OLG München vom 9.5.1989, RIW 1989, 483, 484 = NJW 1989, 3102 (Greger) = IPRax 1990, 175 (Stürner/Stadler 157) = IPRspr. 1989 Nr. 205; OLG München vom 15.7.1992, NJW 1992, 2113 = RIW 1993, 70 = IPRspr. 1992 Nr. 216; OLG München vom 7.6.2006, OLGR 2006, 801, 802 = IPRspr. 2006 Nr. 168; Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 263; Kronke BerDGVR 38 (1998), 175; Mörsdorf-Schulte, Funktion und Dogmatik US-amerikanischer punitive damages, 1999, 5; Stürner ZVglRWiss 81 (1982) 198; Stürner in Walther J. Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 10 Fußn. 18, 32 Fußn. 150; Siehr RIW 1991, 705; Witte, Der US-amerikanische RICO-Act und deutsche Unternehmen, 1998, 175. Anderer Auffassung Merkt, Abwehr der Zustellung von „punitive damages“-Klagen, 1995, 113. Zum Meinungsstand ausführlich Brockmeier, Punitive damages, multiple damages und deutscher ordre public, 1999, 75; Fritz, Punitive/exemplary damages in
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Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn ein US-Bundesstaat als parens patriae dreifachen Schadensersatz begehrt, der „seiner Wirtschaft als Ganzes“ zugefügt wurde. b) Innerstaatliche Ebene 2445 Eine gesetzliche Regelung findet sich in Zivilsachen – anders als in Strafsachen (§ 59 IRG) und in Steuer- und Abgabeangelegenheiten (§ 117 III AO) – weder in der ZPO noch im GVG,340 sondern nur in den Zustimmungs- bzw. Ausführungsgesetzen zu den völkerrechtlichen Verträgen, Rz. 2321.341 Das bedeutet, dass nur im vertraglich geregelten Bereich Zwangsmittel gegen sich sträubende Betroffene eingesetzt werden können, dass also nur in diesem Bereich eine Beweisaufnahme gegen den Willen des Betreffenden möglich ist, § 83 I ZRHO.342 Siehe auch Rz. 2151. 2446 Treffend hebt Stürner343 hervor, dass das deutsche Ausführungsgesetz zum HBÜ nur eine gesetzliche Grundlage für Formen der Beweisaufnahme gibt, die im HBÜ vorgesehen sind, nicht jedoch für sonstige nach deutschem Recht (im Verfahren vor deutschen Gerichten) mögliche, Art. 27 (c) HBÜ. Weiter kann man bezweifeln, ob für die Vernehmung in „besonderen Formen“ (Art. 9 II HBÜ344), die nicht etwa durch Verweis auf das Recht des ersuchten (oder eines dritten) Staates konkretisiert sind, eine ausreichende Gesetzesgrundlage vorhanden ist, denn dem deutschen Gesetz fehlt es insoweit an jeder Bestimmtheit.345 2447 Im vertragslosen Rechtshilfeverkehr verlangt § 3 ZRHO „gegenseitiges Entgegenkommen“. Das Gegenseitigkeitserfordernis wird aber nicht so strikt gehandhabt wie bei § 328 I Nr. 5 ZPO und § 109 IV FamFG. Vielmehr ist die Justizverwaltung flexibel.346
340
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den USA und ihre Qualifikation als Zivilsache, 2004. Siehe auch die Nachweise bei Mahlzahn, GATT-widrige Treble Damages-Klagen auf der Grundlage der US Antidumping Act 1916: Eine Untersuchung der Rechtsstellung beklagter deutscher Unternehmen im US-amerikanischen und deutschen Recht, Diss. Würzburg 2003. Siehe vice versa auch Ebert, Pönale Elemente im deutschen Privatrecht, Habilitation Kiel 2004. Man hat absichtlich die internationale Rechtshilfe nicht geregelt, um bei Vertragsverhandlungen mit fremden Staaten „flexibel“ bleiben zu können, Hahn, Materialien zur CPO, I, 1881, 131; Pfennig, Die internationale Zustellung in Zivil- und Handelssachen, 1988, 26 Fußn. 27. Sehr kritisch zur Zurückhaltung des deutschen Gesetzgebers Knöfel ZfRV 2008, 273. Im Anwendungsbereich der EuBeweisaufnahmeVO ist Rechtsgrundlage Art. 13. Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 220; Nehlert JR 1958, 122; Schlosser, Jurisdiction and International Judicial and Administrative CoOperation, RdC 284 (2000), 9, 154. Stürner ZVglRWiss 81 (1982) 202. Ausführlich Schlosser ZZP 94 (1981), 387. Ebenso zu Art. 13 EuBeweisaufnahmeVO Stefan Huber, Europäische Beweisaufnahmeverordnung in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, Kap. 29 Rz. 175. Nagel, Nationale und internationale Rechtshilfe, 1971, 66, 69 Fußn. 131. – In Strafsachen hat das IRG das Gegenseitigkeitsprinzip in weiten Bereichen aufgegeben. Ausnahme: § 5 IRG, Vogler/Wilkitzki, IRG, 1992, vor § 59 Rz. 6. Ohne Rücksicht auf Ge-
Im Ausland anhängige Verfahren 2. In Betracht kommende Rechtshilfehandlungen Die wichtigste ist die Vernehmung von Zeugen. Hier kann im vertraglich geregelten Verkehr nach Maßgabe von §§ 380, 390 ZPO Zwang gegen den Zeugen eingesetzt werden, Rz. 2514. Weiter kommen in Betracht:347
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Entnahme von Blutproben und körperliche Untersuchungen, § 372a ZPO. Im 2449 Falle der Weigerung des Betroffenen bestimmt sich das Verfahren nach § 372a ZPO in Verbindung mit §§ 386–390 ZPO, Art. 10 HBÜ. Gegen die Verhängung von Zwangsmaßnahmen (§ 390 ZPO) ist die (einfache) Beschwerde statthaft, § 390 III ZPO.348 Ob die Blutentnahme zur Aufklärung des Sachverhalts geeignet, verhältnis- 2450 mäßig und dem Zeugen zumutbar ist oder eine unzulässige Anforderung darstellt, hat nicht das ausländische Prozessgericht (vgl. § 387 I ZPO) bindend für das deutsche Rechtshilfegericht zu entscheiden, dieses befindet vielmehr selbst darüber anhand der Kriterien des § 372a I ZPO. Das deutsche Gericht prüft jedoch nur, ob die Voraussetzungen für die Duldungspflicht nach § 372a ZPO gegeben sind. Die dem Rechtshilfeersuchen zugrunde liegende Beweisanordnung des ausländischen Gerichts ist dagegen der Überprüfung durch das deutsche Rechtshilfegericht entzogen. Soweit der Zeuge seine durch den Beweisbeschluss erfolgte Einbeziehung in die Blutuntersuchung beanstandet, muss er sich an das ausländische (ersuchende) Gericht wenden.349 Sonstiger Augenschein: Dieser kann nach der ZPO nicht mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden, Rz. 2518.
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Parteivernehmung: Auch hier besteht nach deutschem Recht nicht die Möglichkeit, eine sich sträubende Partei zur Aussage zu zwingen. Das Gleiche gilt für die Vorlage von Urkunden, Rz. 2520. Sachverständige (Rz. 2516) können auf Ersuchen des ausländischen Gerichts be- 2452 stellt und vernommen werden. Jedoch sind solche Fälle wohl selten, auch der, dass der von einem ausländischen Gericht bestellte Sachverständige in Deutschland vom deutschen Rechtshilfegericht (eidlich) vernommen werden soll. 3. Rechtshilfe als Aufgabe des Bundes gemäß Art. 32 I GG Über die Zuständigkeit des Bundes herrscht Streit; die vor allem auf Art. 32 I GG 2453 gestützte Begründung der Bundesregierung wird von den süddeutschen Ländern nicht akzeptiert, weil die Rechtshilfe zur Rechtspflege gehöre und diese grundsätzlich Sache der Länder sei, Rz. 263a, 2395, 2465.
genseitigkeitserwägungen wird in Österreich gemäß § 38 JN Rechtshilfe gewährt, hierzu z.B. Bajons in Fasching, Kommentar zu den Zivilprozessgesetzen2, 1. Bd. 2000, § 38 JN Rz. 29. 347 Vgl. auch Lagodny in Schomburg, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen4, 2005, § 59 IRG Rz. 62. 348 Vgl. auch Jayme in Festschrift Geimer, 2002, 375. 349 OLG Düsseldorf vom 21.10.1985, FamRZ 1986, 191 = IPRspr. 1985 Nr. 170.
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Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht 4. Überblick über die fünf Abschnitte der internationalen Rechtshilfe a) Erster Abschnitt: Das ausländische Gericht ersucht um Rechtshilfe 2454 Ob und unter welchen Voraussetzungen das ausländische Gericht innerstaatlich zu einem Rechtshilfeersuchen befugt ist, ist eine Sache der dortigen lex fori, Art. 1 HBÜ.350 Die deutsche Rechtshilfebehörde bzw. die deutsche Zentrale Behörde hat diesen Punkt nicht nachzuprüfen.351 Deutschland gewährt Rechtshilfe grundsätzlich nur Staaten, nicht aber supranationalen Organisationen,352 es sei denn Deutschland hat sich in einem völkerrechtlichen Vertrag hierzu verpflichtet.353 2455 Oft übersenden im common law-Bereich (vgl. auch § 364 ZPO) Parteien bzw. deren Vertreter das Ersuchen an die deutsche Zentrale Behörde. Dies ist zulässig, auch wenn in Art. 1 I HBÜ von Ersuchen „gerichtlicher Behörden“ nach ihren „innerstaatlichen Rechtsvorschriften“ die Rede ist.354 2456 Das Rechtshilfeersuchen muss in deutscher Sprache übermittelt werden, Art. 4 I HBÜ; es genügt nicht Englisch oder Französisch, da Deutschland einen entsprechenden Vorbehalt erklärt hat, Art. 31 I, Art. 4 II HBÜ.355 2457 Übermittlungswege: Das HBÜ (Art. 2) sieht unmittelbaren Behördenverkehr über die Zentrale Behörde vor. Dies bedeutet eine erhebliche Beschleunigung gegenüber dem langwierigen diplomatischen und konsularischen Weg; jedoch hat sich – wegen des „Flaschenhalseffektes“ – auch diese Methode als nicht übertrieben effizient erwiesen. Deshalb dezentralisiert Art. 2 EuBeweisaufnahmeVO die Übermittlung. 2458 Inhaltliche Konkretisierung der gewünschten Beweisaufnahmehandlung: Art. 3 HBÜ (Rz. 2414) ersetzt im internationalen Rechtsverkehr – cum grano salis – den Beweisbeschluss, der den common law-Staaten nicht bekannt ist.356 Die Expertenkommission für das HBÜ hat ein (unverbindliches) Muster ausgearbeitet, das aber bisher in Deutschland nicht verwendet wird. Anders in den USA. Eine Legalisation des Beweisaufnahmeersuchens ist nicht erforderlich, Art. 3 III HBÜ.357
350 Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 238. 351 Siehe auch Lagodny in Schomburg, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen4, 2005, § 59 Rz. 11. 352 Denkschrift zum IRG, Bundestagsdrucksache 9/1338 S. 79. 353 Zu der Pflicht, den Organen der EG Rechtshilfe zu leisten (vice versa) EuGH vom 13.7.1990, Rs C-2/88 Imm. – Zwartveld u.a. Slg. 1990 I 3365 = NJW 1991, 2409. 354 OLG München vom 27.11.1980, RIW 1981, 556 = ZZP 94 (1981) 464; Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 231; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht2, 2003, Art. 1 HBÜ Rz. 2. Anders der US-Standpunkt vice versa, Junker a.a.O. 406. 355 Junker a.a.O. 231; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 271. 356 Schlosser ZZP 94 (1981), 385; Pfeil-Kammerer 268; Junker a.a.O. 308. Siehe auch Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 376), Art. 3 HBÜ Rz. 1. 357 Pfeil-Kammerer a.a.O. 270; Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 376), Art. 3 HBÜ Rz. 14.
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Im Ausland anhängige Verfahren b) Zweiter Abschnitt: Entscheidung über die Gewährung deutscher Rechtshilfe Rechtshilfebehörden sind im Anwendungsbereich des HBÜ die Landesjustizver- 2459 waltungen als Zentrale Behörden (Art. 2, 24 II HBÜ, § 7 AusfG, § 57 IV ZRHO358), im Übrigen die Prüfungsstellen, nämlich im Zweifel die Landgerichtspräsidenten, § 57 I ZRHO. Diese nehmen das ausländische Ersuchen entgegen und entscheiden, ob Rechtshilfe zu gewähren ist.359 Dabei ist fraglich, ob – entgegen der (bisherigen) Praxis – dem bei Durchführung der Rechtshilfe Betroffenen rechtliches Gehör zu gewähren ist.360 Sieht die Rechtshilfebehörde nach Prüfung des ausländischen Ersuchens in for- 2460 meller und materieller Hinsicht keinen Grund zur Ablehnung (hierzu Rz. 2470), übersendet sie die Akten an das Amtsgericht. c) Dritter Abschnitt: Durchführung der Beweisaufnahme Zuständigkeit: Zuständig ist im vertraglich geregelten Rechtshilfeverkehr – de lege lata – das Amtsgericht auch für Angelegenheiten, die zur Arbeitsgerichtsbarkeit gehören.361 Im vertragslosen Rechtshilfeverkehr gilt das Gleiche aufgrund Verwaltungsauftrags, § 82 I 2 ZRHO. Siehe auch Rz. 1206a.
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Nach § 82 II ZRHO finden die Vernehmungen stets vor dem Richter statt. Von der Ermächtigung des § 10 I GVG ist nicht Gebrauch zu machen; ein Referendar soll mit der Vernehmung nicht beauftragt werden. Umfang der Bindung des Amtsgerichts an die Weisungen der Bewilligungsbehörde: Die Zentrale Behörde bzw. die Prüfungsstelle (§ 9 ZRHO) entscheidet für das Rechtshilfegericht (Amtsgericht) verbindlich über (1) die Zulässigkeit der Rechtshilfe: Bei Ablehnung wird das Amtsgericht überhaupt nicht befasst. Bei Bejahung kann das Amtsgericht nicht eine gegenteilige Auffassung vertreten.362 So kann z.B. das Amtsgericht nicht – entgegen der Rechtsauffassung der Justizverwaltung – in Zweifel ziehen, dass eine Zivil- und Handelssache (Rz. 2441) vorliegt,363 und damit argumentieren, dass keine (völkerrechtliche) Verpflichtung Deutschlands zur Gewährung von Rechtshilfe und daher auch keine gesetzliche Grundlage zu zwangweisem Vorgehen gegeben sei.364 Dies alles gilt jedoch erst, wenn die Exekutive die Bedenken des Rechtshilfegerichts (§ 59 VI ZRHO) (ausdrücklich) zurückgewiesen hat. 358 Junker a.a.O. 230. 359 Zur Rechtslage nach Art. 2 EuBeweisaufnahmeVO Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 1072 Rz. 8. 360 Dafür Lagodny in Schomburg, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen4, 2005, § 59 IRG Rz. 41. 361 Vgl. § 2 I AusfG HZPÜ, § 8 AusfG HBÜ, Art. 1 und 2 AusfVO zum deutsch-britischen Abkommen, § 1 AusfG deutsch-griechisches Abkommen, § 1 AusfG deutsch-türkisches Abkommen, § 3 Abs. 1 AusfG deutsch-tunesischer Vertrag. Siehe auch Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 376), Art. 2 HBÜ Rz. 6. 362 Die Rechte der Betroffenen sind durch §§ 23 ff. EGGVG geschützt. 363 Martens RIW 1981, 730; Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 254. 364 Anders Schlosser in Gedächtnisschrift Constantinesco, 1983, 655.
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Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht (2) den Umfang der Beweisaufnahme.365 2463 (3) die Art der Durchführung: Die Bewilligungsbehörde kann dem Amtsgericht bindende Anweisungen bezüglich des anzuwendenden Rechts (Art. 9 HBÜ) geben.366 Sie kann dem Amtsgericht auch vorschreiben, dass die Auskunftsperson zu vereidigen ist (sofern kein Weigerungsrecht in concreto gegeben ist), dass ein Wortprotokoll367 anzufertigen ist und dass ein Kreuzverhör zugelassen wird. 2464 Die Zentrale Behörde bzw. Prüfungsstelle hat keine Weisungsbefugnis bezüglich der Weigerungsrechte (Art. 11 HBÜ), Rz. 2490.368 Sie kann aber die Erledigung des Beweisaufnahmegesuchs des ausländischen Gerichts bzw. der ausländischen Behörde ablehnen (und daher die Akten erst gar nicht an das Rechtshilfegericht weiterleiten), wenn ihr bekannt ist, dass der Zeuge bzw. die Auskunftsperson sich auf ein zweifelsfrei gegebenes Weigerungsrecht berufen wird, Rz. 2492.369 2465 Auch nach Bewilligung der Rechtshilfe und Übersendung der Rechtshilfeakten an das Amtsgericht bleibt die Landesjustizverwaltung als Beauftragte der Bundesregierung (dort ist der Bundesminister der Justiz federführend, Rz. 264a, 2395) Herrin des Rechtshilfeverfahrens. Sie darf den Amtsrichter anweisen, die Beweisaufnahme zu unterlassen, z.B. den Vernehmungstermin abzusetzen.370 2466 Die Beweisaufnahme für das ausländische Gerichtsverfahren erfolgt nach deutschem Recht, sofern nicht ausdrücklich im ausländischen Ersuchen besondere Wünsche geäußert werden, deren Erfüllung nicht zwingende deutsche Vorschriften entgegenstehen.371
365 Stürner ZVglRWiss 81 (1982) 206 Fußn. 267. 366 Anders Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 376), Art. 9 HBÜ Rz. 6. 367 Martens RIW 1981, 733. 368 Zustimmend R. Stürner/T. Müller, Aktuelle Entwicklungen im deutsch-amerikansichen Rechtshilfeverkehr, IPRax 2008, 339, 343. Wenig deutlich Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 212 Fußn. 6: „Das AG entscheidet im Zusammenwirken mit der Zentralen Behörde über die weitere Durchführung der Beweisaufnahme, z.B. über das anzuwendende Recht (Art. 9 HBÜ) und die Weigerungsrechte (Art. 11 HBÜ).“ Vgl. auch a.a.O. 341, 349. Siehe auch OLG Düsseldorf vom 14.6.2006, OLGR 2007, 393. 369 OLG Hamburg vom 3.5.2002, RIW 2002, 717, 718 (Busse) = IPRspr. 2002 Nr. 182. 370 Vogler/Wilkitzki, IRG, 1992, § 74 Rz. 33; Lagodny in Schomburg, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen4, 2005, § 74 Rz. 14. 371 § 83 I 1 ZRHO, Art. 14 HZPÜ, Art. 9 HBÜ, Art. 9 (i) deutsch-britisches Abkommen, Art. 13 deutsch-griechisches Abkommen, Art. 13 II deutsch-türkisches Abkommen, Art. 21 II deutsch-tunesischer Vertrag; Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 413; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 307.
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Im Ausland anhängige Verfahren d) Vierter Abschnitt: Rückgabe der Akten nach der Erledigung durch das Amtsgericht an die Rechtshilfebehörde (Prüfungsstelle bzw. Zentrale Behörde) Mit der Durchführung der Beweisaufnahme ist der dem Amtsgericht von der 2467 Rechtshilfebehörde erteilte Auftrag erledigt. Die Akten sind der Rechtshilfebehörde zurückzugeben, § 64 II ZRHO. Keinesfalls darf das Amtsgericht die Akten dem ersuchenden ausländischen Staat zusenden. Damit würde es in die Prärogative der Exekutive zur Pflege der auswärtigen Beziehungen, die von der Bundesregierung an die Landesregierungen und von dieser weiter auf die Prüfungsstellen delegiert wurde, eingreifen. Nur die Exekutive hat darüber zu befinden, ob die Ergebnisse der vom Rechtshilfegericht durchgeführten Beweisaufnahme dem ersuchenden Staat zugänglich gemacht werden. Theoretisch kann sich erst jetzt die Exekutive auf den Standpunkt stellen, dass ein Ablehnungsgrund (Rz. 2470 ff.) vorhanden ist. Dies gilt auch, wenn der unmittelbare Verkehr von Gericht zu Gericht vereinbart ist. Die Entscheidung, die Ergebnisse der Beweisaufnahme ins Ausland zu schicken, fällt in den Aufgabenbereich der Justizverwaltung, und zwar auch im Anwendungsbereich der EuBeweisaufnahmeVO. e) Fünfter Abschnitt: Rückleitung der Akten durch die Rechtshilfebehörde an den ersuchenden Staat Das Nähere regelt Art. 13 I HBÜ bzw. § 88 ZRHO. Die Verwertung der vom deut- 2468 schen Rechtshilfegericht aufgenommenen Beweise erfolgt nach der dortigen lex fori. Sofern nicht schon die Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Genehmigung des ausländischen Ersuchens (= Anordnung der Beweisaufnahme) ohne Erfolg ergriffen worden sind, vgl. Rz. 2495, kann sich auch nach Durchführung der Beweisaufnahme die Beweisperson oder die betroffene Partei im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG zur Wehr setzen. In Betracht kommt gegebenenfalls ein Eilantrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, welche die Versendung der Beweisgegenstände bzw. der Beweisaufnahmeprotokolle ins Ausland verbietet. Siehe auch Rz. 2500. Bestritten ist, ob der Antrag auf gerichtliche Entscheidung auch noch nach Absendung ins Ausland zulässig ist.372 Näher Rz. 2500.
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5. Ablehnung des ausländischen Ersuchens durch die Justizverwaltung a) Überblick Über die Gewährung oder Ablehnung der vom ausländischen Gericht erbetenen Rechtshilfe befindet allein die Exekutive (Rechtshilfebehörde), nicht das Rechts-
372 Verneinend Stadler IPRax 1992, 148; großzügiger OLG Frankfurt vom 21.3.1991, RIW 1991, 416 = IPRax 1992, 166 und in Strafsachen OLG Karlsruhe vom 26.6.1990, NJW 1990, 2208; Lagodny in Schomburg, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen4, 2005, vor § 59 IRG Rz. 36.
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Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht hilfegericht.373 Die Zentrale Behörde bzw. die Prüfungsstelle (§§ 9, 57 ZRHO) kann die Erledigung eines ausländischen Rechtshilfeersuchens ablehnen, mit der Begründung,374 – die Erledigung des Ersuchens falle in Deutschland nicht in den Bereich der Gerichte (within the functions of the judiciary; dans les attributions du pouvoir judiciaire)375 oder – das ausländische Verfahren, für das um Beweisaufnahme ersucht wird, betreffe keine Zivil- oder Handelssache (Rz. 2441) oder 2471 – es sei nicht sichergestellt, dass die Beweisaufnahme nur für das Ausgangsverfahren (Zivilverfahren) bestimmt sei. Der ersuchende Staat darf das ihm im Wege deutscher Rechtshilfe zur Verfügung gestellte Material nur für das Ausgangsverfahren verwenden, nicht z.B. (anschließend) für einen Strafprozess und/oder ein Verwaltungsverfahren. Die deutsche Rechtshilfebehörde darf daher eine Spezialitätszusage verlangen.376 2472 Die Ablehnung kann auch damit begründet werden, dass das ausländische Ersuchen nicht von einer gerichtlichen Behörde ausgehe, oder dass kein Ersuchen um Beweisaufnahme vorliege, Art. 1 I HBÜ. Die Briten grenzen bloße Beweisermittlung („Beweisfischzüge“) aus Art. 1 I HBÜ aus, anders die deutsche Praxis.377 2473 Auch der deutsche Vorbehalt gegen discovery of documents kann der Erledigung entgegenstehen, Art. 23 HBÜ, § 14 I AusfG, Rz. 2489.378 Bestritten ist, ob Art. 23 HBÜ ein Erledigungsverbot begründet, das auch bei freiwilliger Mitarbeit zu beachten ist, ob also die deutsche Rechtshilfebehörde oder das deutsche Rechtshilfegericht Urkunden entgegennehmen und weiterleiten darf, wenn ein Dritter diese freiwillig vorlegt.379 2474 Wenn der Inhalt des ausländischen Ersuchens – nach Auffassung der deutschen Bewilligungsbehörde – nicht den Bestimmtheitsanforderungen an das Beweisthema (Art. 3 [f] HBÜ) oder an das Beweismittel (Art. 3 [e, g] HBÜ) entspricht,
373 Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 244, 248, 273; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 213. 374 Wesentlich eingeschränkter die Ablehnungsbefugnisse nach Art. 14 EuBeweisaufnahmeVO. 375 Art. 12 I (a) HBÜ, Art. 11 III Nr. 2 HZPÜ, Art. 1 Nr. 2 deutsch-tunesischer Vertrag, Junker a.a.O. 244, 248, 273; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 215. 376 Stürner ZVglRWiss 81 (1982), 198; Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 248, 274; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 194, 206, 213. Siehe auch Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 376), Art. 1 HBÜ Rz. 34. 377 Junker a.a.O. 284. 378 Ausführlich Junker a.a.O. 285; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 233 ff., 253. Siehe auch Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, RIW 2007, 801, 806. 379 Dafür Reufels RIW 1999, 667, 671; Schlosser ZZP 94 (1982), 397. Dagegen von Hülsen RIW 1982, 549; Stürner ZVglRWiss 81 (1982) 202; Junker a.a.O. 333.
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Im Ausland anhängige Verfahren sollte man nicht sofort deutsche Rechtshilfe ablehnen, sondern Gelegenheit zur Nachbesserung geben.380 Im Übrigen handelt es sich bei Art. 3 HBÜ (Rz. 2414) nicht nur um eine bloße Ordnungsvorschrift, sondern auch um eine Schutznorm zugunsten der Beweispersonen (Schutz vor zu weitem Eindringen in deren Freiheitssphäre).381
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b) „Ordre public“-Vorbehalt Deutsche Rechtshilfe kommt nicht in Betracht, wenn die Erledigung des ausländischen Ersuchens die Hoheitsrechte oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet.382
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Beispiel: Ersuchen um Zeugenvernehmung oder Vorlage von Dokumenten, die Aufschluss über Staatsgeheimnisse geben sollen.383 Wesentlich prägnanter als die Vorbehaltsklauseln in den für die Rechtshilfe in 2477 Zivilsachen geltenden Haager Übereinkommen (Rz. 2353 ff.) und sonstigen Rechtshilfeverträgen (Rz. 2370 ff.) ist Art. 2 des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen (Rz. 2376)384 formuliert: Danach kann Rechtshilfe verweigert werden, „wenn der ersuchte Staat der Ansicht ist, dass die Erledigung des Ersuchens geeignet ist, die Souveränität, die Sicherheit, die öffentliche Ordnung (ordre public) oder andere wesentliche Interessen seines Landes zu beeinträchtigen“. Auch nach § 73 IRG ist Rechtshilfe für ausländische Verfahren unzulässig, wenn sie wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung widersprechen würde. Hierzu führt die Bundesregierung aus:385
2478
„Ausschlaggebend . . . ist die Erwägung, dass die kaum zu übersehende Vielfalt der in Betracht kommenden Rechtshilfeleistungen, die Unterschiedlichkeit ausländischer Rechtssysteme und die im Vergleich zum DAG herabgesetzten Anforderungen an die Zulässigkeitsvoraussetzungen eine ausdrückliche Bindung an den ordre public ratsam erscheinen lassen. So wird die Vorschrift bei den Arten der Rechtshilfe eine größere Rolle spielen, bei denen das Gesetz weniger strenge Anforderungen als bei der Auslieferung stellt, insbesondere bei der ‚kleinen Rechtshilfe‘ . . . Gleichwohl gilt die Vorschrift für alle Bereiche der Rechtshilfe. Unzulässig ist die Rechtshilfe nur, aber dann auch immer, wenn sie ‚wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung‘ widersprechen würde. Durch diese Fassung der Bestimmung ist klargestellt, dass nicht jedem ausländischen
380 Junker a.a.O. 307. Wesentlich „formloser“ ist insoweit § 59 I IRG: selbst mündliche Ersuchen werden akzeptiert, hierzu Lagodny in Schomburg, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen4, 2005, § 59 Rz. 4. 381 Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 253. 382 Art. 12 (b) HBÜ; Art. 11 III Nr. 3 HZPÜ; Art. 10 III deutsch-griechischer Vertrag; Art. 22 I Nr. 3 deutsch-tunesischer Vertrag; Art. 32 deutsch-marokkanischer Vertrag. 383 Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 472 Fußn. 21. 384 BGBl. 1964 II 1369. 385 Bundestagsdrucksache 9/1338 S. 93.
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Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht Verfahren, das in materiell-rechtlicher oder prozessualer Hinsicht Eigenarten aufweist, welche von unserem innerstaatlichen Recht abweichen, die Unterstützung durch Rechtshilfe versagt werden muss. Andererseits bedeutet das Abstellen darauf, ob die ‚Leistung der Rechtshilfe‘ gegen wesentliche Grundsätze der deutschen Rechtsordnung verstieße, keine Begrenzung der erforderlichen Prüfung auf die jeweilige Rechtshilfehandlung. Vielmehr sind auch und gerade solche Verstöße zu berücksichtigen, die sich nicht mit dem jeweils aktuellen Verfahrensabschnitt, sondern in dem zu fördernden ausländischen Verfahren insgesamt manifestieren und auf die rechtliche Bewertung der einzelnen Rechtshilfehandlung zurückwirken. 2480 Gegen wesentliche Grundsätze der deutschen Rechtsordnung wird die Rechtshilfe insbesondere dann verstoßen, wenn das ausländische Verfahren zu elementaren verfassungsrechtlichen oder völkerrechtlichen Geboten des Grundrechtsbzw. Menschenrechtsschutzes in offenbarem Widerspruch steht . . . Zu den wesentlichen Grundsätzen der deutschen Rechtsordnung gehört . . . der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Er hat nach der Rechtsprechung des BVerfG Verfassungsrang und gilt daher für den durch den Entwurf geregelten Sachbereich auch ohne ausdrückliche Regelung . . . Da eine . . . Festlegung auf bestimmte Abwägungskriterien im Bereich der Rechtshilfe – insbesondere wegen der Vielfalt und des grenzüberschreitenden Charakters der zu regelnden Sachverhalte – nicht durchführbar erscheint, verzichtet der Entwurf auf eine Ausformulierung . . .“. c) Grundrechtsschranken 2481 Wenig systematisiert und konturiert sind bisher die Grundrechtsschranken für die Bewilligung von Rechtshilfe für ausländische Gerichtsverfahren. Das Bundesverfassungsgericht386 fordert Ablehnung des ausländischen Zustellungsersuchens, „wenn das mit der Klage angestrebte Ziel offensichtlich gegen Grundsätze eines freiheitlichen Rechtsstaates verstößt.“387 Art. 16 II 1 GG bzw. die allgemeine Schutzpflicht des Staates388 stehen der Leistung von Rechtshilfe für ein ausländisches Verfahren gegen einen Deutschen nicht entgegen.389 2482 Grundrechtsschutz genießen alle Beweispersonen, genauer: alle, die Objekte der Beweisaufnahme für ein ausländisches Gericht sind. Das Ausforschungsverbot des deutschen Zivilprozesses390 ist über die rechtshilferechtliche Vorbehalts-
386 BVerfG vom 7.12.1994, BVerfGE 91, 335 = NJW 1995, 649 = RIW 1995, 320 = IPRax 1996, 112 (Tomuschat 83) = EWiR 1995, 161 (Geimer) = EuZW 1995, 218 (Kronke) = JZ 1995, 716 (Stadler) = IPRspr. 1994 Nr. 160b. 387 Nachweise bei Brockmeier, Punitive damages, multiple damages und deutscher ordre public, 1999, 125, 139; Fritz, Punitive/exemplary damages in den USA und ihre Qualifikation als Zivilsache, 2004; Merkt, Abwehr der Zustellung von „punitive damages“-Klagen, 1995, 123 ff., 142 ff.; Lagodny in Schomburg, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen4, 2005, § 59 IRG Rz. 20. 388 Hierzu R. Geimer ZfRV 1992, 402; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 236. 389 Für Strafsachen OLG Hamburg StV 1984, 521. 390 Stürner JZ 1981, 521 Fußn. 2, 6; Stein/Jonas/Leipold, ZPO22, 2008, § 284 Rz. 42.
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Im Ausland anhängige Verfahren klausel (Rz. 2476) auch gegenüber ausländischen Rechtshilfeersuchen durchzusetzen.391 Enger formuliert Schlosser:392 Ablehnung, wenn ausländisches Gericht verlangt
2483
(1) zur Ermittlung der Glaubwürdigkeit des Zeugen in weite Bereiche seines Privatlebens einzudringen oder (2) Dinge auszukundschaften, deren Geheimhaltung einem wichtigen nationalen Wirtschaftsinteresse entspricht (z.B. der Strategien eines Großunternehmens bei der Entwicklung/Verwertung neuer Technologien).393 Problematisch sind die im US-Zivilprozess üblichen „fishing expeditions“. Die Klageschrift braucht den geltend gemachten Anspruch weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht schlüssig darzulegen. Eine dem § 253 ZPO vergleichbare Norm fehlt, Rz. 1994. So wird z.B. ein Verkehrsunfall mit völlig „unverdächtigem“ Verlauf, also ohne jeden Anhaltspunkt für einen Produktfehler, oft dazu benutzt, die Vorlage einer detaillierten Dokumentation der Entwicklung und Herstellung des am Unfall beteiligten Kfz-Typs zu verlangen nach dem Motto „If you ransack enough files, something will turn up“.394 Damit wird nicht unerheblich in Unternehmensgeheimnisse eingegriffen.395 d) Staatliche Wirtschaftsinteressen Noch ungeklärt ist, ob und inwieweit über die Vorbehaltsklausel (Rz. 2476) auch 2484 staatliche Wirtschaftsinteressen der Bundesrepublik Deutschland gewahrt werden können. Dies gilt vor allem für Beweisaufnahmeersuchen im Zuge von Pro-
391 Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 322; deutsche Denkschrift Bundestagsdrucksache 7/4892 S. 58; auch OLG München vom 31.10.1980, OLGZ 1981, 232, 235 = RIW 1981, 554 = JZ 1981, 538 = ZZP 1981, 462 = IPRax 1982, 150 (Nagel 138) = IPRspr. 1980 Nr. 161a will möglichst großen Schutz vor Ausforschung gewähren. Hierzu auch Herrmann, Die Anerkennung US-amerikanischer Urteile in Deutschland unter Berücksichtigung des ordre public – Eine rechtsvergleichende Untersuchung zum „Justizkonflikt“ zwischen Deutschland und den USA, 2000, 191. Zurückhaltend aber OLG Düsseldorf vom 14.6.2006, OLGR 2007, 393. 392 Schlosser ZZP 94 (1981) 382. 393 Ähnlich Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 226. Umfassende Nachweise bei Stadler, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im deutschen und amerikanischen Zivilprozess und im Rechtshilfeverfahren, 1989 sowie Kersting, Der Schutz des Wirtschaftsgeheimnisses im Zivilprozess – eine rechtsvergleichende Untersuchung anhand der FRCP und der ZPO, 1995. 394 Stiefel RIW 1979, 518. Zu den Taktiken im Zusammenhang mit fishing expeditions Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 104, 149, 441; Paulus ZZP 104 (1991), 397; Kindler ZZP 105 (1992), 376; Reitz ZZP 104 (1992), 385; Schlosser, Jurisdiction and International Judicial and Administrative Co-Operation, RdC 284 (2000), 9, 143. 395 Hierzu von Hülsen RIW 1982, 228. Siehe auch Ploch-Kumpf, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Zivilprozess unter besonderer Berücksichtigung ihrer Bedeutung in der Gesamtrechtsordnung, 1996.
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Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht dukthaftpflichtprozessen, Kartellverfahren, Patentverletzungs- und Umweltschutzprozessen.396 2485 Für die Rechtshilfe in Strafsachen ist folgende Formel üblich: „Rechtshilfe ist abzulehnen, wenn durch deren Leistung ein Geschäfts-, Berufs- oder sonstiges Geheimnis eines in Deutschland von der Rechtshilfehandlung Betroffenen unbefugt verletzt und dadurch ihm ein mit dem Zweck der Rechtshilfe nicht zu vereinbarender Schaden entstehen könnte“.397 2486 Ebenso die amtliche Begründung398 zu § 72 des Entwurfs zum IRG (= § 73 IRG, Rz. 2478): „Als Beispiel für eine besondere Ausgestaltung des ordre public in Teilgebieten der Rechtshilfe kann auf den Grenzbereich zwischen strafrechtlicher Rechtsund steuerrechtlicher Amtshilfe verwiesen werden: Hier kann ein Verstoß gegen § 72 (= § 73 IRG) auch darin liegen, dass Tatsachen aus dem wirtschaftlichen Bereich, die nach deutschem Recht Geheimnisschutz genießen (Handels-, Industrie-, Gewerbe-, Berufsgeheimnisse, Geschäftsverfahren), durch die Rechtshilfe offenbart würden und dadurch einem deutschen Beteiligten ein mit ihrem Zweck nicht zu vereinbarender Schaden entstünde. Dass dieser Tatbestand in § 117 Abs. 3 Nr. 4 AO 1977 selbständig neben dem steuerrechtlichen ordre public genannt ist, hindert nicht, ihn im Rahmen der strafrechtlichen Rechtshilfe als Unterfall des § 72 zu werten.“ In diesem Kontext zu erwähnen ist auch die deutsche Denkschrift399 zu Art. 2 (b) des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20.4.1959:400 „Wesentliche Interessen des Staates können auch dann beeinträchtigt werden, wenn das Betriebsgeheimnis einer bestimmten Firma offenbart werden müsste. Entscheidend ist hierbei, ob der Staat selbst an dem Schutz des Betriebsgeheimnisses interessiert ist“.401
396 Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 355; enger Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 218. 397 BGH vom 23.6.1977, BGHSt 27, 222, 227/8; OLG Düsseldorf vom 31.3.1989, JMBl. NRW 1989, 173. Vgl. auch die Nachweise bei Daub, Die Verletzung von Unternehmensgeheimnissen im deutschen und US-amerikanischen Recht, 1996; Kersting, Der Schutz des Wirtschaftsgeheimnisses im Zivilprozess – eine rechtsvergleichende Untersuchung anhand der FRCP und der ZPO, 1995. Zum deutschen Recht Ploch-Kumpf, Der Schutz von Unternehmensgeheimnissen im Zivilprozess unter besonderer Berücksichtigung ihrer Bedeutung in der Gesamtrechtsordnung, 1996. 398 Bundestagsdrucksache 9/1338 S. 93. 399 Siehe oben Rz. 2376. 400 BGBl. 1964 II 1369, 1386. 401 Bundestagsdrucksache IV/382 S. 44.
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Im Ausland anhängige Verfahren e) Verhältnis zu § 328 ZPO und § 109 FamFG Eine Beweisaufnahme darf jedenfalls dann nicht abgelehnt werden, wenn das 2487 im ausländischen Prozess zu erwartende Urteil, für welches die Beweisaufnahme benötigt wird, Aussicht auf Anerkennung in Deutschland hat. Aber auch wenn der anerkennungsrechtliche ordre public atténué (Rz. 27) verletzt und damit eine Anerkennung ausgeschlossen ist, ist damit noch nicht automatisch der Ausschluss deutscher Rechtshilfe begründet, Rz. 2756.402 Die Unzumutbarkeitsschwelle ist vielmehr höher anzusetzen, vgl. auch Art. 12 2488 II HBÜ. Ein ausländisches Ersuchen um Beweisaufnahme ist nur dann abzulehnen, wenn die Beweisaufnahme durch deutsche Richter Beihilfe zu einem völkerrechtswidrigen oder zu einem absolut unmoralischen Verfahren bedeutete, das jeden – wie auch immer gearteten – Bezugs zur Rechtsidee ermangelt. Beispiel: Der ersuchende Staat hat völkerrechtswidrig Gerichtsgewalt über eine immune Person oder Sache (Staatsschiff) in Anspruch genommen. f) Pre-trial discovery of documents US-amerikanische Ersuchen um pre-trial discovery of documents scheitern be- 2489 reits am deutschen Vorbehalt gemäß Art. 23 HBÜ, Rz. 2357, 2473.403 Dieser macht aber Zeugenvernehmungen über den Inhalt von Urkunden nicht unzulässig;404 denn nach deutschem Recht ist die Vernehmung von Zeugen über den Inhalt von Urkunden, die nicht herausgegeben oder vorgelegt werden müssen, grundsätzlich zulässig. Im Übrigen besteht das Ausforschungsverbot nach deutschem Recht405 nur zum 2490 Schutz des Beweisgegners, welcher der beweisführenden Gegenpartei die Waffen zur Führung des Rechtsstreits grundsätzlich nicht zur Verfügung zu stellen braucht,406 nicht aber im Interesse von Zeugen, die durch Zeugnis- und Auskunftsverweigerungsrechte genügend geschützt sind.407 Da gemäß Art. 11 I (a) HBÜ das deutsche Rechtshilfegericht die Aussageverweigerungsrechte und -verbote des deutschen Rechts beachten muss, darf die Zentrale Behörde die Erledi-
402 OLG München vom 9.5.1989, RIW 1989, 483, 484 = NJW 1989, 3102 (Greger) = IPRax 1990, 175 (Stürner/Stadler 157) = IPRspr. 1989 Nr. 205; Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 677; Stürner ZVglRWiss 81 (1982) 205; Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer USamerikanischen class action in Deutschland, 2006, 126 ff.; Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 376), Art. 12 HBÜ Rz. 13. 403 Siehe auch Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 376), Art. 23 HBÜ Rz. 10, sowie Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland, RIW 2007, 801, 806. 404 Schlosser ZZP 94 (1981), 395; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 244. 405 Nachweise bei Chudoba, Der ausforschende Beweisantrag, 1993, besprochen von Stadler ZZP 107 (1994), 382. 406 BGH vom 26.6.1958, NJW 1958, 1491. 407 OLG München 27.11.1980 OLGZ 1981, 235 = IPRspr. 1980 Nr. 161b; OLG Düsseldorf vom 14.6.2006, OLGR 2007, 393.
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Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht gung des Rechtshilfeersuchens unter Hinweis auf das Ausforschungsverbot nicht von vornherein ablehnen.408 Andere nicht unter Art. 23 HBÜ fallende Formen von pre-trial discovery dürfen nicht pauschal unter Hinweis auf das deutsche Ausforschungsverbot nach Art. 12 I (b) HBÜ abgelehnt werden.409 g) Ablehnung des ausländischen Ersuchens um Beweisaufnahme mit der Begründung, das deutsche Rechtshilfegericht dürfe keine Beweisaufnahme durchführen, die es im eigenen Zivilprozess nicht anberaumen dürfe 2491 Ein solcher Vorbehalt findet sich weder im Text des HBÜ noch ist er mit dessen Sinn und Zweck zu vereinbaren.410 Im Gegenteil bestimmt Art. 12 II HBÜ ausdrücklich: „Die Erledigung [des ausländischen Ersuchens um Beweisaufnahme] darf nicht allein aus dem Grund abgelehnt werden, dass der ersuchte Staat ein Verfahren nicht kennt, das dem entspricht, für welches das Ersuchen gestellt wird.“ So ist z.B. der dem deutschen Recht nicht (mehr) bekannte „zugeschobene Eid“ abzunehmen, Rz. 2508.411 Schlüssig wäre aber die Ablehnung des ausländischen Ersuchens mit dem Hinweis, die erbetene Beweisaufnahme in einer besonderen Form nach Art. 9 II HBÜ sei wegen eines konkreten Verbots des deutschen Rechts nicht durchführbar. 2492 Denkbar ist auch die Verweigerung der vom ausländischen Gericht erbetenen Beweisaufnahme, weil in concreto ein Aussageverbot bzw. ein Aussageverweigerungsrecht (Art. 11 HBÜ) besteht, Rz. 2509. Doch dürften sich die meisten Weigerungsrechte nur auf einzelne Aspekte der gewünschten Vernehmung beziehen oder ihre Geltendmachung in der Entschließung der Beweisperson stehen. Deshalb kommt Ablehnung durch die Zentrale Behörde bzw. die Prüfungsstelle in den meisten Fällen nicht in Betracht, Rz. 2464.412 h) Ablehnung des ausländischen Ersuchens im unmittelbaren Staatsinteresse, ohne dass die subjektiven Rechte Einzelner betroffen sind 2493 Diese Hypothese hat die amtliche Begründung zu § 72 des Entwurfs (= § 73 IRG, Rz. 2478) im Auge:
408 Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 253. Vgl. auch Herrmann, Die Anerkennung US-amerikanischer Urteile in Deutschland unter Berücksichtigung des ordre public – Eine rechtsvergleichende Untersuchung zum „Justizkonflikt“ zwischen Deutschland und den USA, 2000, 191 ff. 409 Siehe auch OLG Düsseldorf vom 14.6.2006, OLGR 2007, 393. 410 Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 282, 322. Anderer Auffassung wohl Stürner ZVglRWiss 81 (1982) 201; von Hülsen RIW 1982, 554 Fußn. 141. 411 Zustimmend Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 562), Art. 10 Europäische Beweisaufnahme-Verordnung Rz. 22. 412 Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 253, 341, 345, 349.
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Im Ausland anhängige Verfahren „Gesichtspunkte, die in Art. 2 Buchst. b) des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen neben dem ordre public aufgeführt sind (Souveränität, Sicherheit, andere wesentliche Interessen des Landes), [können] weder unter die Definition des § 72 [des Entwurfs = § 73 IRG] subsumiert noch in diese Vorschrift ausdrücklich aufgenommen werden. Hierbei handelt es sich nämlich um Gesichtspunkte, die typischerweise nicht im Rahmen der (gerichtlichen und behördlichen) Zulässigkeitsprüfung, sondern im Rahmen der Ermessensentscheidung der Bewilligungsbehörde (§ 73) zu berücksichtigen sind. Umstände dieser Art, die zur Ablehnung der Rechtshilfe Anlass geben können, aber nicht müssen, werden vom Regelungsgehalt des Entwurfs nicht erfasst; ihre Einbeziehung verbietet sich schon wegen der Vielfalt möglicher Fallgestaltungen, auf die das Gesetz im vertragslosen Rechtshilfeverkehr Anwendung finden soll.“ Auch bei der Rechtshilfe in Zivilsachen kann die Ablehnung auf Gründe gestützt werden, die im unmittelbaren Staatsinteresse liegen. Bei einer solchen Hypothese sind subjektive Rechte einzelner Beteiligter nicht betroffen. Dies hat Auswirkungen auf die Rechtsmittelmöglichkeiten (Rz. 2495). i) Verfahren bei Ablehnung der erbetenen Rechtshilfe Lehnt die Zentrale Behörde bzw. die Prüfungsstelle die Erledigung des Rechtshilfeersuchens ab, so ist Deutschland völkerrechtlich verpflichtet, dies dem ersuchenden Staat mitzuteilen, Art. 13 II HBÜ, Art. 13 HZPÜ.
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6. Innerstaatliche Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Justizverwaltung a) gegen die Ablehnung der vom ausländischen Gericht erbetenen Beweisaufnahme Die negative Entscheidung der Justizverwaltung kann der interessierte Betroffene wegen Ermessensfehlgebrauchs (Rz. 3637) nach §§ 23 ff. EGGVG anfechten.413 Rechtsmittelbefugt ist die im ausländischen Verfahren beweispflichtige oder in sonstiger Weise an der Durchführung der Beweisaufnahme in Deutschland interessierte Partei, nicht aber auch der ausländische Staat, dessen Gericht um Rechtshilfe ersucht hat. Der aus dem HBÜ fließende völkervertragliche Anspruch auf Gewährung von Rechtshilfe kann nur auf völkerrechtlicher Ebene geltend gemacht werden (Art. 36 HBÜ). Mit der innerstaatlichen Inkraftsetzung des HBÜ hat der deutsche Gesetzgeber den Vertragsstaaten – außerhalb der völkervertraglichen Ebene – nicht die Möglichkeit geben wollen, innerstaatliche Rechtsmittel einzulegen, um die Erfüllung des HBÜ zu erzwingen.414
413 OLG München vom 31.10.1980, OLGZ 1981, 232 = RIW 1981, 554 = ZZP 94 (1981), 462 = IPRax 1982, 150 (Nagel 138) = IPRspr. 1980 Nr. 161a; OLG München vom 27.11.1980, OLGZ 1981, 135 = RIW 1981, 555 = JUZ 1981, 540 = ZZP 1981, 462 = IPRspr. 1980 Nr. 161b; von Hülsen RIW 1982, 553. 414 R. Geimer NJW 1989, 2177.
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2495
Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht b) gegen die Bewilligung der Rechtshilfe der vom ausländischen Gericht erbetenen Beweisaufnahme 2496 §§ 23 ff. EGGVG kommen auch zum Zuge, wenn die Bewilligungsbehörde, also die Zentrale Behörde bzw. die Prüfungsstelle, die Erledigung des Rechtshilfeersuchens – wie auch immer, z.B. konkludent durch Übersendung der Akten an das Amtsgericht (Rechtshilfegericht) – für zulässig erklärt.415 Dies ist für die Rechtshilfe in Zivilsachen – anders als in Strafsachen416 – unbestritten. 2497 In Strafsachen will eine Meinung allen Rechtsschutz hinsichtlich der Leistungsermächtigung in den „Vornahmerechtsschutz“ verlagern.417 2498 Anders ist es dagegen in Zivilsachen. Hier kann bereits gegen die Bewilligung der Rechtshilfe (= Anweisung der Justizverwaltung an das Amtsgericht, die Beweisaufnahme durchzuführen) Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt werden. So können z.B. die betreffenden Zeugen geltend machen, dass sie mit der Genehmigung ihrer Vernehmung als Zeugen im konkreten Fall zu Unrecht der erzwingbaren Verpflichtung zum Erscheinen und zur Aussage vor einem deutschen Richter für ein ausländisches Gerichtsverfahren unterworfen werden.418 2499 Die Durchführung der genehmigten Zeugenvernehmung kann auch in die Rechtssphäre des Arbeitgebers der als Zeugen in Betracht kommenden Arbeitnehmer eingreifen, wenn betriebliche Vorgänge Beweisthema sind. Tangiert ist dessen absolutes Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (Geheimhaltung vor Wettbewerbern).419 415 Stürner JZ 1981, 522; Stürner ZVglRWiss 81 (1982), 232. 416 Nachweise bei Lagodny in Schomburg, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen4, 2005, vor § 59 IRG Rz. 24 und Vogler NJW 1982, 468. 417 Lagodny a.a.O. vor § 59 IRG Rz. 38. Nach der Konzeption des IRG kann nur der von der „Herausgabe-Rechtshilfe“ Betroffene (= Herausgabe von Gegenständen z.B. zu Beweiszwecken) das OLG gemäß §§ 61, 66 IRG anrufen, nicht jedoch derjenige, der von sonstigen Rechtshilfemaßnahmen (z.B. Zeugenvernehmung) tangiert ist. Er kann seine Einwendungen nur im Vornahmeverfahren vor dem Rechtshilfegericht vortragen. Soweit dieses sie für begründet hält, kann es das OLG nach § 61 I 1 IRG anrufen, Lagodny in Schomburg, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen4, 2005, § 61 IRG Rz. 17. 418 Allerdings hat das Oberlandesgericht nicht zu prüfen, ob die vom ausländischen Gericht aufgestellten Beweisthemen bzw. die von ihm gestellten Fragen für die Entscheidung des ausländischen Rechtsstreits tatsächlich von Bedeutung sind. Denn ebenso wenig wie sich ein Zeuge darauf berufen kann, seine Befragung bedeute eine Ausforschung (Rz. 2490), kann er geltend machen, eine Frage sei für die Entscheidung des Rechtsstreits irrelevant. Insoweit kann sich der Zeuge bzw. die Auskunftsperson allein auf (bestehende) Zeugnis- bzw. Auskunftsverweigerungsrechte (Art. 9 HBÜ) berufen, z.B. hinsichtlich Fragen zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen auf §§ 383 I Nr. 6, 384 Nr. 3 ZPO. Fragen, die hiervon nicht erfasst werden, müssen aber beantwortet werden, auch wenn ihr Sinn oder ihre Entscheidungserheblichkeit nicht erkennbar sind, OLG Düsseldorf vom 14.6.2006, OLGR 2007, 393. 419 OLG München vom 27.11.1980, OLGZ 1981, 235 = RIW 1981, 555 = JZ 1981, 540 (Mann 840) = ZZP 94 (1981) 462 = IPRspr. 1980 Nr. 161b; Schlosser ZZP 94 (1981) 369. Hierzu Herrmann, Die Anerkennung US-amerikanischer Urteile in Deutschland unter Berücksichtigung des ordre public – Eine rechtsvergleichende Untersuchung zum „Justizkonflikt“ zwischen Deutschland und den USA, 2000, 193.
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Im Ausland anhängige Verfahren Selbst wenn die Beweisaufnahme vor dem deutschen Gericht abgeschlossen 2500 und die Akten bereits dem ausländischen Staat, der um Rechtshilfe ersucht hat, zurückgesandt worden sind, ist das Feststellungsinteresse weiter gegeben.420 Der Betroffene kann sich auch vorbeugend zur Wehr setzen und der Zentralen Behörde im Wege der einstweiligen Anordnung analog § 123 VwGO die Bewilligung der Beweisaufnahme verbieten lassen. Allerdings wird – angesichts der Anfechtungsmöglichkeiten (einschließlich der Möglichkeit der Anordnung aufschiebender Wirkung) – die Glaubhaftmachung eines Rechtsschutzbedürfnisses für vorbeugenden Rechtschutz schwierig sein.421 Das für die Durchführung der von der Justizverwaltung bewilligten Beweisauf- 2501 nahme zuständige Rechtshilfegericht hat kein Remonstrationsrecht oder eine sonstige Möglichkeit, die Entscheidung des OLG herbeizuführen.422 Ein betroffener Dritter ist auf das Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG nicht be- 2502 schränkt, er kann auch gegen die Beweisperson (Zeugen) auf Unterlassen der Aussage klagen bzw. einstweilige Verfügung beantragen, Rz. 1113.423 7. Verfahren vor dem deutschen Rechtshilfegericht a) Überblick Das Rechtshilfegericht darf die Durchführung der Beweisaufnahme nicht wegen 2503 Überlastung ablehnen.424 Ein Akteneinsichtsrecht der Beweisperson ist zu verneinen.425 Aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Recht auf ein faires Verfahren folgt das Recht, (auf eigene Kosten) einen Beistand zuziehen zu dürfen.426 Etwa erforderliche Aussagegenehmigungen sind von Amts wegen einzuholen, § 87 ZRHO.
420 Vgl. OLG Frankfurt vom 21.3.1991, OLGZ 1992, 89 = RIW 1991, 417 = IPRax 1992, 166 (Stadler 147) = IPRspr. 1991 Nr. 199 und für Strafsachen OLG Karlsruhe vom 26.6.1990, NJW 1990, 2208. Siehe auch Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 376), HBÜ-Einl. Rz. 18. 421 Einzelheiten bei Stadler IPRax 1992, 148. Siehe auch Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 376), HBÜ-Einl. Rz. 20. 422 Anders in Strafsachen § 61 I 1 IRG, hierzu OLG Stuttgart vom 19.12.1988, NJW 1989, 3104. 423 LG Kiel vom 30.6.1982, RIW 1983, 206 = IPRax 1984, 146 (U. Bosch 127) = ILM 1983, 740 = IPRspr. 1982 Nr. 131 (hierzu Stiefel/Petzinger RIW 1983, 242 sowie Stürner in Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 8, 31); skeptisch Stiefel/Petzinger RIW 1983, 247; ausführlich Schlosser, Justizkonflikt zwischen USA und Europa, 1985, 37; Stürner in Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 52. 424 OLG Hamm vom 2.9.1970, MDR 1971, 69. 425 Anderer Auffassung Lagodny in Schomburg, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen4, 2005, § 59 IRG Rz. 46. 426 Lagodny in Schomburg, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen4, 2005, § 59 IRG Rz. 44.
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Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht Die Kostenerstattung regeln Art. 14 II, 26 HBÜ, § 97 ZRHO.427 Zeugen und Sachverständige haben Anspruch auf Entschädigung nach §§ 401, 413 ZPO bzw. dem Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG). b) Bei der Beweisaufnahme vom deutschen Rechtshilfegericht anzuwendendes Recht 2505 Die Beweisaufnahme durch das deutsche Rechtshilfegericht erfolgt grundsätzlich nach deutschem Verfahrensrecht.428 Die Forderung der Wissenschaft, Beweise sollen grundsätzlich nach den Vorschriften des ausländischen Prozessgerichts, nicht nach der lex fori des ersuchten Staates aufgenommen werden, ist – da praktisch nur schwer durchführbar – nicht verwirklicht.429 Gegenüber Art. 14 II HZPÜ ist Art. 9 II HBÜ sogar noch rückschrittlicher, weil die vom ausländischen Prozessgericht gewünschte Beweisaufnahme „in besonderen Formen“ nicht nur dann abgelehnt werden kann, wenn sie mit den deutschen Gesetzen unvereinbar ist, sondern auch dann, wenn die Ausführung des Ersuchens nach der gerichtlichen Übung im ersuchten Staat (in Deutschland) oder wegen tatsächlicher Schwierigkeiten unmöglich ist.430 So wäre es kein Verstoß gegen die völkerrechtliche Vertragspflicht, wenn sich z.B. die kontinentaleuropäischen Staaten weigerten, ein Kreuzverhör nach den common law-Vorschriften durchzuführen.431 In jedem Fall sollte man in Deutschland, auch wenn keine völkerrechtliche Vertragspflicht besteht, dem ausländischen Wunsch nach einem Kreuzverhör und einem Wortprotokoll entsprechen.432 2506 Die stärkere Betonung der lex fori des ersuchten Staates in Art. 9 I HBÜ bewirkt, dass Beweise für ein und denselben Prozess nach unterschiedlichen Prozessvorschriften erhoben werden. Beispiel: Ein Teil der Beweise wird vor dem Prozessgericht nach der dortigen lex fori aufgenommen, ein anderer im Rechtshilfestaat A nach der dort geltenden lex fori und im Rechtshilfestaat B nach der dortigen (wieder anders ausgestalteten) lex fori.433 c) Vernehmung in der erleichterten Form der schriftlichen Befragung (§ 377 III ZPO) 2507 Sie ist nur dann vorzunehmen, wenn die ersuchende Behörde dies ausdrücklich wünscht oder für zulässig erklärt hat, § 84 ZRHO. Falls die zu vernehmende Person bei ihrer Vernehmung eine Aufzeichnung überreicht, muss das Protokoll er427 Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 421. 428 Art. 9 I HBÜ, Art. 14 I HZPÜ, § 83 I ZRHO. 429 Zum Kompromisscharakter des Art. 9 HBÜ kritisch Nagel, Nationale und internationale Rechtshilfe, 1971, 135. Siehe auch Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 376), Art. 9 HBÜ Rz. 10. 430 Hierzu Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 336. 431 Bestritten: Nagel, Nationale und internationale Rechtshilfe, 1971, 136; Junker a.a.O. 338; Stürner JZ 1981, 524. Dafür Schlosser ZZP 94 (1981) 388. 432 Schlosser ZZP 94 (1981), 372 Fußn. 7. 433 Nagel, Nationale und internationale Rechtshilfe, 1971, 136.
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Im Ausland anhängige Verfahren kennen lassen, dass sie über die in ihr Wissen gestellten Tatsachen befragt worden ist und sich darauf wie in dem überreichten Schriftstück geäußert hat, dass ihr dann das Schriftstück vorgelesen wurde und sie erklärt hat, der Inhalt entspreche ihrer soeben abgegebenen Aussage. Von diesem Verfahren ist jedoch bei Zeugen nur in besonderen Ausnahmefällen Gebrauch zu machen, da diese Erledigung unter Umständen nach den Gesetzen des ersuchenden Staates keine ordnungsgemäße Vernehmung darstellt und so zu Rechtsnachteilen für die beweisführende Partei führen kann, § 85 ZRHO. d) Eidesabnahme durch das deutsche Rechtshilfegericht Wird um die Vernehmung von Zeugen und um ihre Beeidigung oder andere Be- 2508 kräftigung „soweit zulässig“ oder „soweit ein gesetzlicher Hinderungsgrund nicht vorliegt“ ersucht, so hat die Beeidigung in den Fällen des § 393 ZPO zu unterbleiben. Im Begleitschreiben (§ 63 ZRHO) ist darzulegen, dass und weshalb die Beeidigung nicht erfolgt ist; hierfür genügt die bloße Anführung deutscher gesetzlicher Bestimmungen nicht, § 86 I ZRHO. Das Gleiche gilt, wenn ohne jede Einschränkung um eidesstattliche Vernehmung ersucht wird, § 86 II ZRHO. Ersuchen um eidesstattliche Vernehmung sind auch dann zu erledigen, wenn die erbetene Prozesshandlung für den gleichen Fall dem deutschen Recht unbekannt ist, z.B. zugeschobener Eid, § 86 III ZRHO. e) Weigerungsrechte der Beweispersonen Die Beweispersonen können sich wahlweise hinsichtlich der ihnen zustehenden Weigerungsrechte auf die deutsche lex fori oder auf das Recht des ersuchenden Staates berufen, Art. 11 I HBÜ, Rz. 2419b.434
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Eine Erklärung nach Art. 11 II HBÜ, wonach auch drittstaatliche Weigerungsrechte anerkannt werden, hat Deutschland nicht abgegeben.
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f) Teilnahmerechte der Parteien Die Parteien und ihre Vertreter (es besteht kein Anwaltszwang)435 dürfen immer 2511 anwesend sein.436 Art. 7 HBÜ begründet wohl auch einen Anspruch auf Einreise in die Bundesrepublik Deutschland,437 denn ohne einen solchen wäre das Teilnahmerecht sinnlos, Rz. 2012.438
434 Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 417; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 350; Stürner ZVglRWiss 81 (1982) 204; Schlosser ZZP 94 (1981) 398; ausführlich Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses, 1989, 325 ff. 435 Junker a.a.O. 339. 436 Siehe auch Berger, Grenzüberschreitende Beweisaufnahme zwischen Österreich und Deutschland, in Festschrift Rechberger, 2005, 39, 50. 437 Anderer Auffassung Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 562), Art. 11 Europäische Beweisaufnahme-Verordnung Rz. 14. 438 Vgl. auch BGH vom 19.3.1996, MDR 1996, 836.
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Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht g) Anwesenheit des ausländischen Prozessgerichts 2512 Mitgliedern des ersuchenden ausländischen Prozessgerichts kann die Teilnahme (Rz. 446) an der Beweisaufnahme, welche das deutsche Rechtshilfegericht durchführt, von der Zentralen Behörde gestattet werden, Art. 8 HBÜ, § 10 AusfG, § 82a ZRHO. Da im US-amerikanischen pre-trial discovery-Verfahren die Vernehmung der Beweispersonen nicht vom Richter, sondern von den Parteivertretern durchgeführt wird, will das Bundesministerium der Justiz amerikanische Parteivertreter unter Art. 8 HBÜ subsumieren.439 Von der hier beschriebenen Hypothese der aktiven Rechtshilfe (Beweisaufnahme durch deutsches Amtsgericht als Rechtshilfegericht in Anwesenheit von Mitgliedern des ersuchenden ausländischen Gerichts) scharf zu unterscheiden ist das Dulden der Beweisaufnahme durch das ausländische Gericht (Rz. 2428) oder eines seiner Mitglieder als beauftragtem Richter (Art. 17 HBÜ) auf deutschem Territorium als Anwendungsfall der passiven Rechtshilfe. 8. Zwangsmittel a) Androhung und Anwendung von Zwangsmitteln nur nach der deutschen lex fori 2513 Zwang kommt nur im vertraglich geregelten Rechtshilfeverkehr in Betracht, Rz. 2445. Dort sind Zwangsmittel nicht nur in den Fällen des Art. 9 I HBÜ (Beweisaufnahme nach deutschem Recht) zulässig, sondern auch – sofern man die oben Rz. 2446 geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht teilt – in der Alternative des Art. 9 II HBÜ, also bei Beweisaufnahme in den vom ausländischen Gericht gewünschten besonderen Formen, vorgesehen.440 2514 In beiden Fällen ist jedoch die Androhung bzw. Anwendung von Zwang nur insoweit zulässig, als diesen das deutsche Recht (also die ZPO) zulässt, Art. 10 HBÜ.441 In Betracht kommen Ordnungsgeld und Ordnungshaft, wenn ein Zeuge (= Dritter = Nicht-Partei) nicht erscheint, nicht aussagt oder den Eid verweigert, §§ 380, 390 ZPO.442 Die gleichen Zwangsmittel kann das Rechtshilfegericht gegen jede Person (auch Partei) ergreifen, welche die Untersuchung (§ 372a ZPO) zur Abstammungsfeststellung (= Sonderform der Augenscheineinnahme) verweigert. Im Übrigen kann die Durchführung des Augenscheins nicht erzwungen werden, z.B. nicht das Betreten einer Wohnung oder eines Betriebsgeländes. Daran hat auch § 144 III ZPO n.F. nichts geändert, arg. § 371 III ZPO n.F. Ebenso gestattet die deutsche ZPO dem Richter im deutschen Zivilprozess und damit – über die Ausführungsgesetze zu den Haager Übereinkommen und den sonstigen
439 Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 276. 440 Martens RIW 1981, 729; Pfeil-Kammerer a.a.O. 277. 441 Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 278, 314 ff., 327. Siehe auch Knöfel in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 562), Art. 13 Europäische Beweisaufnahme-Verordnung Rz. 9. 442 Gegen einen Sachverständigen kann nur Ordnungsgeld festgesetzt werden, § 409 I ZPO. Auch können ihm die durch sein Fehlverhalten verursachten Kosten auferlegt werden. Nicht in Betracht kommen aber Haft oder zwangsweise Vorführung.
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Im Ausland anhängige Verfahren Rechtshilfeverträgen – auch dem deutschen Rechtshilferichter nicht, die Parteivernehmung zu erzwingen. Das Gleiche gilt für Urkundenvorlagen.443 Jedoch kann gegen Dritte, die trotz gerichtlicher Anordnung Urkunden nicht vorlegen, Ordnungsgeld und Ordnungshaft nach §§ 142 II 2, 390 ZPO angeordnet werden.444 Andererseits darf der deutsche Rechtshilferichter die Zwangsmittel nach der ZPO auch dann einsetzen, wenn das ersuchende ausländische Gericht nach seiner lex fori über solche nicht verfügt.445 b) Vergleich der Zwangsmittel nach deutschem und US-Bundesrecht446 aa) Vernehmung von Aussagepersonen Zeugen: Auferlegung der Kosten, Ordnungsgeld, Haft (§§ 380, 390 ZPO), 2515 zwangsweise Vorführung (§ 380 II ZPO). In den USA: das Gleiche, mit Ausnahme von zwangsweiser Vorführung, FRCP 37 (a) (4) und (b) (1) (D).447 Sachverständige, die sich weigern, ihrer Pflicht zum Erscheinen und zur Erstel- 2516 lung eines Gutachtens nachzukommen: Kostenerstattung und Ordnungsgeld §§ 407, 409 ZPO. Das US-Recht (FRCP 706) kennt insoweit keine Zwangsmittel; jedoch ist zu beachten, dass Sachverständige eine andere Stellung haben. Bei einer Person, die eine Partei als Sachverständigen zur Aussage im trial hinzugezogen hat, kann das US-Prozessgericht Zwangsmittel nach FRCP 37 (b) 31, 30, 26 (b), (4) anwenden. Nach Pfeil-Kammerer448 kann das deutsche Prozessgericht gegen solche von der Partei ernannten Sachverständigen keine Zwangsmaßnahmen (§§ 407, 409 ZPO) anordnen, weil das deutsche Gericht Zwangsmaßnahmen nur gegenüber gerichtlich ernannten Sachverständigen kennt. Doch dürfte es sich bei dem von der Partei benannten Sachverständigen um einen sachverständigen Zeugen handeln, gegen den Zwangsmittel nach §§ 380, 390 ZPO zulässig sind. Vernehmung von Parteien: Die deutsche ZPO sieht keinen unmittelbaren Zwang 2517 vor, sondern nur prozessuale Nachteile, §§ 138 III, 427 S. 2, 444, 446 ZPO.449 Anders dagegen ist die Rechtslage in den USA: Zwangsmaßnahmen wie bei Zeu-
443 Im Falle der Weigerung der Partei sieht § 142 I ZPO keine Beugemittel vor. Zur Würdigung einer Weigerung siehe oben Rz. 57a Fußn. 104 a.E. 444 Stadler in Festschrift Beys, 2003, 1625, 1631; zum Vergleich mit dem US-amerikanischen discovery-Verfahren Zekoll/Bolt NJW 2002, 3129, 3133. 445 Zur umgekehrten Situation (mehr bzw. andere im Ausland zulässige Zwangsmittel in Beweisaufnahmeverfahren im Ausland aufgrund deutschen Ersuchens nach § 363 ZPO) siehe oben Rz. 2359. 446 Siehe auch Rz. 89 sowie Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 190, 326; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht3, 2003, 50; Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses, 1989, 66 ff. 447 Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 278. 448 Pfeil-Kammerer a.a.O. 281. 449 Stürner ZVglRWiss 81 (1982) 203; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 714.
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Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht gen. Man unterscheidet nicht zwischen Partei und Zeugen, also weitergehende Mitwirkungspflicht, FRCP 34, 35.450 bb) Duldung des Augenscheins 2518 Anordnung gegenüber Parteien: In Deutschland findet kein unmittelbarer Zwang statt. Anders in den USA. Hier ist Zwang möglich, FRCP 37 (b). Anordnungen gegenüber Dritten: In Deutschland gibt es grundsätzlich (siehe aber § 144 II ZPO) keinen Zwang, so aber in den USA, FRCP 45 (f). 2519 Sonderfälle: Körperliche Untersuchungen nach § 372a ZPO451 bzw. § 178 FamFG, meist zur Feststellung der Abstammung, werden nach der deutschen ZPO durch Ordnungsgeld oder Haft (§§ 372a II 1, 390 ZPO; § 178 II FamFG) durchgesetzt, bei wiederholter unberechtigter Weigerung auch durch unmittelbaren Zwang, § 372a II 2 ZPO. In den USA ist die Rechtslage weniger strikt als in Deutschland,452 Rz. 2523. cc) Vorlage von Urkunden 2520 Anordnungen gegenüber Parteien: In Deutschland drohen nur Prozessnachteile, §§ 142, 427 ZPO, § 258 HGB, kein (unmittelbarer) Zwang.453 Anordnungen gegenüber Dritten: Nach der deutschen ZPO ist eine zwangsweise Durchsetzung während desselben Zivilprozesses nicht möglich. Die beweisbeschwerte Partei muss gesondert auf Herausgabe klagen, §§ 427, 429 ZPO. Erforderlich ist eine Anknüpfung für die internationale Zuständigkeit Deutschlands in Richtung gegen den Dritten nach allgemeinem Kompetenzrecht (Wohnort/Sitz, Erfüllungsort etc.)454 Anders ist es in den USA, FRCP 34, 45.455 450 Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 96, 101, 156; Stadler, Der Schutz des Unternehmensgeheimnisses, 1989, 338. 451 Beispiel: OLG Hamm vom 26.4.1994, IPRspr. 1994 Nr. 113. 452 Pfeil-Kammerer a.a.O. 280. 453 Krapfl, Die Dokumentenvorlage im internationalen Schiedsverfahren, Diss. Köln, 2007, 24 ff.; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 740. Anders z.B. FRCP 34, 45. Zwar kann auch die nicht beweisbelastete Partei vom Gericht von Amts wegen zur Herausgabe verpflichtet werden. Allerdings setzt § 142 I ZPO voraus, dass eine Partei sich tatsächlich auf eine konkrete Urkunde bezogen hat. Durch dieses Erfordernis soll der Beibringungsgrundsatz gewahrt und eine Ausforschung von Amts wegen ohne entsprechenden Tatsachenvortrag einer Partei vermieden werden. Im Falle der Weigerung der Partei sieht § 142 I ZPO keine Beugemittel vor; dazu Rz. 57a Fußn. 104 a.E. Siehe auch Kapoor, Die neuen Vorlagepflichten für Urkunden und Augenscheinsgegenstände in der Zivilprozessoordnung, Diss. München 2008. 454 Die Durchsetzung erfolgt mit den in § 888 ZPO erwähnten Zwangsmitteln bei Auskunfts- und Vorlegungsansprüchen; ein Herausgabetitel bezüglich eines Dokuments wird jedoch ausschließlich durch Wegnahme nach § 883 ZPO vollstreckt, Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 442. 455 Stürner JZ 1981, 524.
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Im Ausland anhängige Verfahren Man streitet darüber, ob ein Gesetz oder eine Verordnung zur Ausführung des 2521 HBÜ (vgl. § 14 II AusfG) eine solche Vorlagepflicht zum Zwecke der Rechtshilfe für ausländische Prozesse anordnen dürfte, ohne dass Gleiches für den deutschen Zivilprozess eingeführt würde, oder ob dies dem Art. 3 I GG entgegenstünde.456 c) Rechtsvergleichendes Fazit Die deutsche Zivilprozessordnung erzwingt nur ein Minimum: Zeugenbeweis 2522 und körperliche Untersuchung, §§ 372a, 380, 390 ZPO, § 178 FamFG. Viel weiter geht dagegen z.B. Art. 11 Nouveau Code de procédure civile, der eine mit Erzwingungsstrafe (astreinte) bewehrte Vorlagepflicht aufgrund richterlicher Anordnung stipuliert.457 Das deutsche Rechtshilfegericht kann also Parteien – mangels gesetzlicher Grundlage in der ZPO, auf welche die deutschen Ausführungsgesetze verweisen – weder zur Aussage noch zur Urkundenvorlage noch zur Duldung der Ortsbesichtigung zwingen.458 Wer Partei ist und wer nicht, bestimmt die lex fori des ausländischen Prozessgerichts.459 Weiter gehen – per saldo – die Zwangsbefugnisse des Gerichts im US-Zivilpro- 2523 zess: Medizinische Untersuchungen kann der US-Richter zwar – anders als der deutsche (§ 372a ZPO; § 178 FamFG) – nicht unmittelbar erzwingen, FRCP 37 (b) (2) (D) (E). Im Übrigen kann er aber nach contempt of court-Regeln Parteien wie Dritte460 veranlassen, zu erscheinen, auszusagen, den Eid zu leisten, FRCP 30, 31, 45, sowie vorlagefähige Sachen (insbesondere Urkunden) beizubringen, FRCP 34, 45. Nur die Parteien (nicht Dritte) kann er zwingen, Fragebögen (written interrogatories) zu beantworten (FRCP 33) und Ortsbesichtigungen zu dulden, FRCP 34. 456 Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 330; Stürner JZ 1981, 524; Stürner ZVglRWiss 81 (1982), 159, 203; Pfeil-Kammerer a.a.O. 283, Schlosser ZZP 94 (1981), 395. 457 Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 328; Schlosser ZZP 94 (1981) 393; Schlosser in Festschrift Sonnenberger, 2004, 135; Stürner ZZP 98 (1985) 247; Kerameus, Enforcement Proceedings in International Encyclopedia of Comparative Law, Vol. XVI Chapter 10, 141; Klinker, Die Astreinte im französischen Zivilrecht (Diss. Münster 2001), 2002. 458 Eine allgemeine prozessuale Aufklärungspflicht der nicht risikobelasteten Partei und damit eine Abkehr vom Grundsatz nemo contra se edere tenetur lehnt die in Deutschland herrschende Meinung ab. Dazu Fußn. 176 mit Nachweisen. 459 Junker a.a.O. 327. 460 Stürner ZVglRWiss 81 (1982) 190/191. Moderater dagegen §§ 142 II, 144 II ZPO. Siehe z.B. OLG Frankfurt vom 18.10.2006, OLGReport 2007, 466, 468: „Die Neufassung der Vorschrift hat jedenfalls die in §§ 422 f. ZPO gezogenen Grenzen einer Vorlegungspflicht unberührt gelassen und nichts an dem bewährten Grundsatz des deutschen Zivilprozessrechts geändert, dass keine Partei gehalten ist, dem Gegner für seinen Prozesssieg das Material zu verschaffen, über das er nicht schon von sich aus verfügt.“ Zwar kann auch die nicht beweisbelastete Partei vom Gericht von Amts wegen zur Herausgabe verpflichtet werden, BGH 26.6.2007, MDR 2007, 1333 = BGHReport 2007, 982 (Laumen). Allerdings setzt § 142 I ZPO voraus, dass eine Partei sich tatsächlich auf eine konkrete Urkunde bezogen hat. Dazu Rz. 57a Fußn. 104 a.E.
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Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht 2524 Treffend heben Schlosser461 und Schack462 hervor, dass in den Vereinigten Staaten von Amerika das prozessrechtliche Institut „pre-trial discovery“ in großem Umfang diejenigen Bereiche abdeckt, die im deutschen Recht durch Ansprüche auf Auskunft und Urkundenvorlage materiell-rechtlich gesichert sind. Noch nicht ausreichend untersucht ist die Frage, inwieweit die US-Regeln im Wege der Anpassung einer kollisionsrechtlichen Verweisung zugänglich gemacht werden können. Siehe Rz. 57.
5. Kapitel: Ladung von Zeugen ins Ausland 2525 Von dem Komplex „Beweisaufnahme in Deutschland“ (entweder durch Funktionsträger des Gerichtsstaats, oder durch das deutsche Rechtshilfegericht) zu trennen ist die Ladung von Beweispersonen in Deutschland zu einer Beweisaufnahme im Ausland (= Gerichtsstaat). Hauptbeispiel ist die Zeugenladung.463
I. Ladung ohne Einschaltung deutscher Stellen 2526 Das Völkergewohnheitsrecht lässt die Ladung eines Zeugen ohne Einschaltung der deutschen Rechtshilfeinstanzen zu.464
II. Übermittlung der Ladung des ausländischen Gerichts durch die deutschen Rechtshilfeinstanzen 2527 Bittet der Gerichtsstaat Deutschland um Zustellung einer Ladung im Wege der Rechtshilfe, kann eine Souveränitätsverletzung nicht vorliegen.465 2528 Die deutsche Rechtshilfe beschränkt sich im Falle der Ladung durch das ausländische Gericht auf die Übermittlung der ausländischen Ladung (mit oder ohne Zwangsandrohung), Rz. 2360. Es erfolgt also keine (deutsche) Ladung von Beweispersonen vor ausländische Gerichte durch deutsche Rechtshilfebehörden oder Gerichte. Der Befehl an eine sich in Deutschland aufhaltende Beweisperson, vor dem ausländischen Gericht zu erscheinen, stammt von diesem, nicht von einer deutschen Behörde oder einem deutschen Gericht. Die deutschen Rechtshilfebehörden beschränken sich auf die Zustellung der ausländischen Ladung, enthalten sich aber einer eigenen Aufforderung an die Beweisperson, vor dem ausländischen Gericht zu erscheinen. Ob der Geladene der Aufforderung 461 Schlosser IPRax 1987, 155. 462 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 740. 463 Hierzu E. Geimer, Internationale Beweisaufnahme, 1998, 45; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 288. 464 Strittig. Näher oben Rz. 2320, 2388. Vgl. auch vice versa Nagel IPRax 1992, 301. 465 Anderer Auffassung Leipold, Lex fori, Souveränität, Discovery – Grundfragen des internationalen Zivilprozessrechts, 1989, 63, der stets Beweisaufnahme in Deutschland durch deutsches Rechtshilfegericht (Rz. 2440 ff.) verlangt.
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Ladung von Zeugen ins Ausland Folge leistet oder nicht, interessiert aus deutscher Sicht nicht. Das deutsche Gericht hat keine Rechtsgrundlage, den Geladenen zu zwingen, der ausländischen Ladung Folge zu leisten. Dies steht aus deutscher Sicht in dessen Belieben. Eine andere Frage ist, welche Auswirkungen das Fernbleiben nach dem Recht des ersuchenden Staates (= Gerichtsstaates) hat.466 Es gibt auch keine „Anerkennung“ der Ladungen ausländischer Gerichte, Rz. 2824. Eine Parallelvorschrift zu Art. 8 des Europäischen Übereinkommens über die 2529 Rechtshilfe in Strafsachen kennt das HBÜ nicht. Diese Vorschrift stipuliert Strafschutz für Beweispersonen, die der Ladung eines ausländischen Gerichts nicht Folge leisten. Sie lautet: „Der Zeuge oder Sachverständige, der einer Vorladung, um deren Zustellung ersucht worden ist, nicht Folge leistet, darf selbst dann, wenn die Vorladung Zwangsandrohungen enthält, nicht bestraft oder einer Zwangsmaßnahme unterworfen werden, sofern er sich nicht später freiwillig in das Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates begibt und dort erneut ordnungsgemäß vorgeladen wird.“
III. Freies Geleit Das HBÜ sichert Beweispersonen, die der Ladung eines ausländischen Gerichts 2530 Folge leisten, kein freies Geleit zu. Vgl. vice versa Rz. 2390. – Anders Art. 12 des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen: „(1) Ein Zeuge oder Sachverständiger, gleich welcher Staatsangehörigkeit, der auf Vorladung vor den Justizbehörden des ersuchenden Staates erscheint, darf in dessen Hoheitsgebiet wegen Handlungen oder Verurteilungen aus der Zeit vor seiner Abreise aus dem Hoheitsgebiet des ersuchten Staates weder verfolgt, noch in Haft gehalten, noch einer sonstigen Beschränkung seiner persönlichen Freiheit unterworfen werden. (2) Eine Person, gleich welcher Staatsangehörigkeit, die vor die Justizbehörden des ersuchenden Staates vorgeladen ist, um sich wegen einer ihr zur Last gelegten Handlung strafrechtlich zu verantworten, darf dort wegen nicht in der Vorladung angeführter Handlungen oder Verurteilungen aus der Zeit vor ihrer Abreise aus dem Hoheitsgebiet des ersuchten Staates weder verfolgt noch in Haft gehalten, noch einer sonstigen Beschränkung ihrer persönlichen Freiheit unterworfen werden. (3) Der in diesem Artikel vorgesehene Schutz endet, wenn der Zeuge, Sachverständige oder Beschuldigte währenaufeinander folgendenerfolgenden Tagen, nachdem seine Anwesenheit von den Justizbehörden nicht mehr verlangt wurde, die Möglichkeit gehabt hat, das Hoheitsgebiet des ersuchenden Staates zu verlassen, und trotzdem dort bleibt, oder wenn er nach Verlassen dieses Gebietes dorthin zurückgekehrt ist.“
466 Siehe auch Lagodny in Schomburg, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen4, 2005, § 59 IRG Rz. 54.
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Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht Die Parallelbestimmung für Zivil- und Handelssachen findet sich in Art. 20 des Haager Übereinkommens vom 25.10.1980 über die Erleichterung des internationalen Zugangs zur Rechtspflege, das jedoch von Deutschland nicht ratifiziert wurde, Rz. 2390.
6. Kapitel: Kein Verbot der freiwilligen Mitwirkung an einer vom ausländischen Gericht – ohne Einschaltung deutscher Rechtshilfeorgane – veranlassten Beweisaufnahme, die (angeblich) die Souveränität Deutschlands verletzt 2531 Wo die vom Völkergewohnheitsrecht gesetzten Grenzen verlaufen, weiß derzeit niemand. Sicher ist nur, dass das deutsche Souveränitätsverständnis467 zu eng ist und keine Grundlage in der Staatenpraxis findet, Rz. 432 ff. Es ist wohl kaum mit dem Gebot des Grundgesetzes zur internationalen Zusammenarbeit zu vereinbaren. 2532 Auf keinen Fall macht sich eine Partei oder ein Zeuge wegen Beihilfe zur Amtsanmaßung (§ 132 zweite Alternative StGB) strafbar, der freiwillig die Anordnungen des ausländischen Gerichts befolgt, Rz. 464a.468 2533 In Deutschland gibt es ein (sehr moderates) „Abwehrgesetz“ nur im Seerecht: § 11 Seeaufgabengesetz in der Fassung vom 18.9.1998 (BGBl. I 2986).469
7. Kapitel: Nichtanerkennung ausländischer Entscheidungen, die auf einem völkerrechtswidrigen Beweisverfahren beruhen? I. Verletzung der Justizhoheit Deutschlands 2534 Hat das erststaatliche Gericht nach der „Direktmethode“ unter Umgehung der deutschen Rechtshilfebehörden (Rz. 2426) völkerrechtswidrig, d.h. unter Verletzung des einschlägigen völkerrechtlichen Vertrages bzw. – soweit nicht vorhanden – des Völkergewohnheitsrechts, eine Beweisaufnahme in Deutschland
467 Nachweise bei Heidenberger RIW 1986, 491. 468 Beckmann IPRax 1990, 205 Fußn. 54. Anderer Auffassung Stürner ZvglRWiss 81 (1982), 202; Böhmer NJW 1990, 3054. 469 Oben Rz. 176; Klaus P. Mössle, Extraterritoriale Beweisbeschaffung, 1990, 300, 476. Zu den „blocking statutes“ anderer Staaten als Abwehr gegen US-Discovery (Rz. 176) Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 242, 395; Brinkhaus, Das britische Abwehrgesetz von 1980 (1990); Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 5 Rz. 311 ff.; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 744.
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Nichtanerkennung ausländischer Entscheidungen durchgeführt oder durch Konsularbeamte oder Gerichtsbeauftragte durchführen lassen, so sollte man darauf nicht pauschal mit der Nichtanerkennung der ausländischen Entscheidung antworten, Rz. 2768. Beispiele: Ein ausländisches Gericht hat bei der Ladung eines Zeugen eine un- 2535 mittelbare Zustellung durch die Post vorgenommen und damit gegen den von Deutschland erklärten Vorbehalt gemäß Art. 10 des HZÜ verstoßen. Der ausländische Richter hat an einer Beweisaufnahme ohne Genehmigung der Bundesregierung teilgenommen. Eine Beweisaufnahme durch den commissioner entspricht nicht den zwingenden Vorschriften des deutschen Rechts. Aus der Verletzung der Haager Zustellungs- oder Beweisübereinkommen oder 2536 auch des Völkergewohnheitsrechts hinsichtlich einzelner Prozesshandlungen im Zuge des ausländischen Erkenntnisverfahrens ergibt sich nicht unbedingt die Notwendigkeit, dem (Sach-)Urteil (das aufgrund dieses Verfahrens ergangen ist) nur deswegen die Anerkennung zu verweigern, weil in einer (Neben-)Frage des Verfahrens die deutsche Souveränität tangiert wurde. Vielmehr sollte man – angesichts der Unsicherheiten im Völkervertragsrecht und erst recht im Völkergewohnheitsrecht – nach der Schwere und Tragweite des „Übergriffs“ differenzieren und stets in Betracht ziehen, dass es nicht zwingend geboten ist, den Makel der Völkerrechtswidrigkeit von dem einzelnen (vielleicht bei der Gesamtschau der Dinge unbedeutenden) Beweisaufnahmeakt „durchschlagen“ zu lassen auf die vom ausländischen Gericht erlassene Sachentscheidung.470 Auch muss man klar unterscheiden, welches Schutzziel mit der Nichtanerken- 2537 nung verfolgt werden soll: Wahrung unmittelbarer staatlicher Interessen (Justizhoheit der Bundesrepublik Deutschland als Ausfluss ihrer Souveränität) oder Schutz der Bewohner des Inlands (nicht nur deutscher Bürger). Dagegen behauptete einst Rolf Stürner,471 „dass staatliche Souveränität nicht nur Gemeinwohlinteressen artikuliert, sondern einen Schutzschild für den einzelnen Bürger darstellt, um ihn vor Übergriffen eines ihm fremden Rechtes zu bewahren, das er weder kennt noch in demokratischem Verfahren beeinflussen kann“.472
II. Verletzung der Justizhoheit dritter Staaten Zwar gilt im internationalen Zivilverfahrensrecht – und speziell im internatio- 2538 nalen Anerkennungsrecht – nicht das Sankt-Florians-Prinzip, aber bei Verletzung drittstaatlicher Justizhoheit sollte man mit der Nichtanerkennung noch vorsichtiger hantieren als bei der Verletzung der eigenen.
470 Weitergehend Schütze in Festschrift Stiefel, 1987, 697. 471 Stürner in Festschrift Nagel, 1987, 455. Diese Position nun allerdings weitgehend räumend Stürner ZZP 109 (1996), 224, 232; Stürner JZ 2006, 60, 65. Siehe auch R. Stürner/T. Müller, Aktuelle Entwicklungen im deutsch-amerikansichen Rechtshilfeverkehr, IPRax 2008, 339, 341. Zur Schutzschildtheorie Nachweise z.B. bei Hopt/ Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 151. 472 Hierzu Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 85. Kritisch R. Geimer ZfRV 1992, 403. – Siehe auch Rz. 2184.
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Achter Teil: Internationales Beweis- und Beweisverfahrensrecht
8. Kapitel: Beweisaufnahme für schiedsgerichtliche Verfahren 2539 Die private Schiedsgerichtsbarkeit ist zwar echte Rechtsprechung.473 Die Schiedsrichter üben aber keine (vom Staat delegierten) Hoheitsfunktionen aus. Daher sind der Beweisaufnahme durch Schiedsrichter vom Völkerrecht keine territorialen Schranken gesetzt. Denn Schiedsrichter setzen keine Hoheitsakte. Daher können sie das völkerrechtliche Verbot der Vornahme von Hoheitsakten im Hoheitsgebiet eines fremden Staates nicht verletzen. Ersuchen die Schiedsrichter jedoch das staatliche Gericht (§ 1050 ZPO) um Zwangsmaßnahmen, muss das deutsche Gericht nach § 363 ZPO verfahren, also im Zweifel Rechtshilfe durch den Staat, in dem sich der Zeuge etc. befindet, erbitten.474
9. Kapitel: Beweissicherung im Ausland 2540 Die internationale Zuständigkeit Deutschlands für ein selbständiges Beweisverfahren (außerhalb eines anhängigen Rechtsstreits) basiert auf § 486 II und III ZPO.475 Das EuGVÜ/LugÜ bzw. die EuGVVO ist insoweit nicht anwendbar,476 Rz. 2824 a.E. 2541 In der Regel wird die Einleitung eines ausländischen Beweissicherungsverfahrens zweckmäßiger sein. Das Ergebnis kann aber im deutschen Hauptsacheverfahren nur im Wege des Urkundenbeweises477 verwertet werden.478 Erfolgt Beweisanordnung durch ein deutsches Gericht im Verfahren nach §§ 485 ff. ZPO, kommen §§ 363, 364 ZPO zur Anwendung.
473 Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, vor § 1025 Rz. 1. 474 Näher Schütze/Tscherning/Wais, Handbuch des Schiedsverfahrens2, 1990, Rz. 601. 475 Hierzu Rz. 1246, 1756, 1781; Ahrens in Festschrift Schütze, 1999, 1; Dörschner, Beweissicherung im Ausland, 2000, 4; Linke, Internationales Zivilprozessrecht4, 2006, Rz. 329. Rechtsvergleichend Schlosser, Jurisdiction and International Judicial and Administrative Co-Operation, RdC 284 (2000), 9, 151 ff. 476 R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 2 EuGVVO Rz. 92; anders Heß/G. Vollkommer IPRax 1999, 220, 223 bei Fußn. 51; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht2, 2003, Art. 32 EuGVVO Rz. 9; Hess/Zhou, Beweissicherung und Beweisbeschaffung im europäischen Justizraum, IPRax 2007, 183; Zhou, Einstweiliger Rechtsschutz in China und im Europäischen Justizraum (Deutschland, Großbritannien, Frankreich und Niederlande), Diss. Heidelberg 2007; Heinze, Beweissicherung im europäischen Zivilprozessrecht, IPRax 2008, 480. 477 Ahrens in Festschrift Schütze, 1999, 1, 13. 478 Für entsprechende Anwendung des § 493 ZPO Eschenfelder, Beweiserhebung im Ausland und ihre Verwertung im inländischen Zivilprozess. Zur Bedeutung des USamerikanischen Discovery-Verfahrens für das deutsche Erkenntnisverfahren (Diss. Heidelberg 2000), 2002, 238 ff.; Stefan Huber, Europäische Beweisaufnahmeverordnung in Gebauer/Wiedmann, Zivilrecht unter europäischem Einfluss, 2005, Kap. 29 Rz. 30. Dagegen OLG Köln NJW 1983, 2779; OLG Hamburg IPRax 2000, 530.
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Beweissicherung im Ausland Der vom deutschen Gericht ernannte (in- oder ausländische) Sachverständige 2542 darf im Ausland frei agieren. Er übt keine hoheitliche Tätigkeit aus und ist deshalb nicht der „verlängerte Arm“ des deutschen Gerichts, das ja selbst – ohne Zustimmung des betroffenen Staates – auf fremdem Territorium nicht tätig werden darf. Allerdings schreibt Art. 17 EuBeweisaufnahmeVO auch bei Sachverständigen eine Genehmigung des ersuchten Staates vor. Dies ist jedoch keine Kodifikation geltenden Völkergewohnheitsrechts, Rz. 445. 2543–2569
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Neunter Teil: Anwendung ausländischen Rechts durch die deutschen Gerichte Literatur: Adamczyk, Die Überprüfung der Anwendung ausländischen Rechts durch den Bundesgerichtshof und das schweizerische Bundesgericht im Zivilprozess, 1999; Buchta, Die nachträgliche Bestimmung des Schuldstatuts durch Prozessverhalten im deutschen, österreichischen und schweizerischen Recht, 1986; Caduff, Die Feststellung des anwendbaren Rechts im Prozess (Art. 16 IPRG), 2000; Calvo Caravaca/Carrascosa González, Derecho Internacional Privado I, 2002, 271; Heldrich, Probleme bei der Ermittlung ausländischen Rechts in der gerichtlichen Praxis, in Festschrift Nakamura, 1996, 243; Jansen/Michaels, Die Auslegung und Fortbildung ausländischen Rechts, ZZP 116 (2003), 3; Jaspers, Nachträgliche Rechtswahl im internationalen Schuldvertragsrecht unter besonderer Berücksichtigung der Rechtspraxis in England, Frankreich, Dänemark und Deutschland, Diss. Saarbrücken 2002, 279 ff.; Jayme, Die Expertise über fremdes Recht, in Nicklisch (ed.), Der Experte im Verfahren, 2006, 109; Jayme, Verwertung eines gerichtlich eingeholten Sachverständigengutachtens zum ausländischen Recht in einem anderen Verfahren – Zur Verfassungswidrigkeit des § 411a ZPO, IPRax 2006, 587; Körner, Fakultatives Kollisionsrecht in Frankreich und Deutschland, 1995; Küster, Die Ermittlung ausländischen Rechts im deutschen Zivilprozess und ihre Kostenfolgen, 1995; Lesage-Mathieu, Dispositives Kollisionsrecht im prozessualen Kontext, Diss. Heidelberg 2004; Lindacher, Zur Mitwirkung der Parteien bei der Ermittlung ausländischen Rechts, in Festschrift Schumann, 2001, 283; Lindacher, Zur Anwendung ausländischen Rechts, in Festschrift Beys, 2003, 909 (zur EG-rechtlichen Dimension); Reithmann/Martiny/Hausmann, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 91; Rogoz, Ausländisches Recht im deutschen und englischen Zivilprozess, 2008; Sangiovanni, Die neue italienische Rechtsprechung zur Ermittlung des ausländischen Rechts, IPRax 2006, 513; Schellack, Selbstermittlung oder ausländische Auskunft unter dem europäischen Rechtsauskunftsübereinkommen, 1998; Schilken, Zur Rechtsnatur der Ermittlung ausländischen Rechts, in Festschrift Schumann, 2001, 374; Schütze, Feststellung und Revisibilität europäischen Rechts im deutschen Zivilprozess, Gedächtnisschrift Baur, 1992, 93; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 251; Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland4, 2009, Rz. 311 ff.; Spickhoff, Fremdes Recht vor inländischen Gerichten: Rechts- oder Tatfrage?, ZZP 112 (1999), 265; Spickhoff, Die neue Sachverständigenhaftung und die Ermittlung ausländischen Rechts, in Festschrift Heldrich, 2005, 419; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Anh zu § 606a ZPO Rz. 80 ff.; Theiss, Die Behandlung fremden Rechts im deutschen und italienischen Zivilprozess, 1990; Walter, Internationales Zivilprozessrecht der Schweiz4, 2007, § 6 II (S. 298 ff.); Weckesser-Georgi, Die letztinstanzielle Überprüfung der Behandlung ausländischen Rechts in zivilgerichtlichen Verfahren: Eine Untersuchung aus europäischer Perspektive, Diss. Humboldt-Univer-
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Pflicht zur kollisionsrechtlichen Entscheidung sität zu Berlin 2006; Wiedemann, Revisibilität ausländischen Rechts im Zivilprozess, Diss. Erlangen 1991
I. Pflicht zur kollisionsrechtlichen Entscheidung Das deutsche internationale Privatrecht (das sind die von Deutschland ratifizier- 2570 ten und innerstaatlich in Kraft gesetzten kollisionsrechtlichen Staatsverträge bzw. – soweit solche fehlen [Art. 3 II 1 EGBGB] – die Art. 3 ff. EGBGB) bestimmt darüber, ob und gegebenenfalls welches ausländische Recht zur Anwendung kommt. Dabei ist eine etwaige Rück- oder Weiterverweisung des ausländischen Rechts zu beachten, Art. 4 I EGBGB. Die kollisionsrechtliche Frage darf der Richter nur dann offen lassen, wenn sie vom Ergebnis her nicht entscheidungserheblich ist. Die Regeln des deutschen Kollisionsrechts muss der deutsche Richter von Amts 2571 wegen beachten. Er muss die internationalprivatrechtliche Frage stellen, Rz. 2594.1 Er muss daher die Regeln des deutschen internationalen Privatrechts kennen. § 293 ZPO bezieht sich nur auf den Inhalt der vom deutschen internationalen Privatrecht berufenen ausländischen Rechtsordnung. Der (etwa entgegengesetzte) Standpunkt der lex causae ist für den deutschen Richter unbeachtlich. Der deutsche Richter darf nicht etwa so lange deutsches Recht anwenden, bis ei- 2572 ne Partei oder ein sonstiger Verfahrensbeteiligter die Anwendung ausländischen Rechts reklamiert.2 Das Kollisionsrecht ist vielmehr zwingend in dem Sinne, dass der Richter in jeder Lage des Verfahrens von sich aus prüfen muss, ob das deutsche internationale Privatrecht die Anwendung des deutschen oder eines ausländischen Rechts vorschreibt.3 Anders ist im Ansatz die Theorie vom fakultativen Kollisionsrecht.4 Diese ist jedoch nicht geltendes Recht.5
1 BGH vom 7.4.1993, NJW 1993, 2305 = RIW 1993, 585 = EWiR 1993, 671 (Otte) = IPRspr. 1993 Nr. 103; BGH vom 21.9.1995, NJW 1996, 54 = RIW 1995, 1027 = EWiR 1995, 1187 (R. Geimer) = IPRspr. 1995 Nr. 1. Hierzu Mäsch NJW 1996, 1453. Die nach deutschem Internationalen Privatrecht für ein bestimmtes ausreichend konkretisiertes Rechtsverhältnis (z.B. Güterstand von Eheleuten) maßgebliche Rechtsordnung kann rechtskraftfähig durch eine Zwischenfeststellungsklage (§ 256 II ZPO) festgestellt werden, OLG Frankfurt vom 6.12.1999, IPRspr. 1999 Nr. 57. 2 BGH vom 23.1.1985, NJW-RR 1986, 484 = JZ 1985, 951 = MDR 1985, 1001 = IPRspr. 1985 Nr. 1; OLG Hamm vom 15.4.1985, IPRspr. 1985 Nr. 28; Kegel/Schurig, IPR9, 2004, § 15 II. Anders früher Cour de cassation vom 12.5.1959, Rev. crit. 1960, 62 (Batiffol). 3 BGH vom 25.9.1997, NJW 1998, 1321 = RIW 1998, 318 = WM 1998, 733 = IPRax 1999, 45 (Stoll 29) = IPRspr. 1997 Nr. 60; Hay/Hampe RIW 1998, 760, 761. 4 Nachweise bei Körner, Fakultatives Kollisionsrecht in Frankreich und Deutschland, 1995; Reichert-Facilides, Fakultatives und zwingendes Kollisionsrecht, 1995; Mansel, Personalstatut, Staatsangehörigkeit und Effektivität, 1988, Rz. 385; Otte IPRax 1996, 329 Fußn. 25. 5 von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht I2, 2003, § 5 Rz. 66; Erman/Hohloch, BGB12, 2008, Einl Art. 3 EGBGB Rz. 49; Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts6, 2006, § 7 II 2.
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Neunter Teil: Anwendung ausländischen Rechts 2573 Dieser Theorie nähert sich – im internationalen Schuldrecht – allerdings die Rechtsprechung im praktischen Ergebnis, weil sie eine Rechtswahl im Prozess durch schlüssiges Verhalten zulässt.6 Erörtern die Parteien den Rechtsstreit nach deutschem Recht, so liegt darin im Zweifel die Wahl des deutschen Rechts.7 Unproblematisch sind aber die Fälle, wenn beide Parteivertreter in der mündlichen Verhandlung erklären, der Prozess solle nach deutschem Recht entschieden werden. Daran ist das Gericht – soweit eine Rechtswahl möglich ist – gebunden, auch wenn diese Vereinbarung erst in der Rechtsmittelinstanz getroffen wurde;8 auf den Erklärungswillen soll es dabei nicht ankommen.9 Zu Recht wird kritisch darauf hingewiesen,10 dass es sich bei der Handhabung der Praxis nicht um die Berücksichtigung eines rechtsgeschäftlichen Willens, sondern um eine Präklusion handelt, weil die kollisionsrechtliche Problematik den Parteien und ihren
6Hierzu E. Lorenz RIW 1992, 702; Hay/Hampe RIW 1998, 760, 761. Dem entspricht in den vom französischen Rechtsdenken beeinflussten Ländern das Beiseiteschieben des Internationalen Privatrechts durch einen „accord procédural“. 7BGH vom 29.9.1982,WM 1982, 1249 = IPRspr. 1982 Nr. 1; BGH vom 24.9.1986, BGHZ 98, 263 = NJW 1987, 592 = MDR 1987, 228 = RIW 1986, 991 = JR 1987, 157 (Schlosser) = IPRax 2000, 159 (Hausmann 140) = MDR 1987, 228 = LM Nr. 9 zu § 175 ZPO = EWiR 1987, 93 (R. Geimer) = Rpfleger 1987, 26 = WM 1986, 1444 = IPRspr. 1986 Nr. 144; BGH vom 20.9.1995, BGHZ 130, 371 = WM 1995, 2073 = LM § 242 (Cd) BGB Nr. 341 (M. Weber) = IPRspr. 1995 Nr. 31; BGH vom 9.12.1998, BGHZ 140, 167 = NJW 1999, 950 = IPRspr. 1998 Nr. 48; BGH vom 9.6.2004, NJW-RR 2004, 1482 = VersR 2005, 811 = IPRspr. 2004 Nr. 44; OLG Schleswig vom 19.9.1989, IPRspr. 1989 Nr. 48; OLG Bremen vom 5.12.1985, TranspR 1986, 153 = IPRspr. 1985 Nr. 46; OLG Hamm vom 9.6.1995, NJW-RR 1996, 179 = RIW 1996, 689 = IPRax 1998, 269 (Schlechtriem 256) = IPRspr. 1995 Nr. 29; OLG Saarbrücken vom 24.2.1995, RIW 1996, 605 = VersR 1996, 1525 = TranspR 1995, 291 = IPRspr. 1995 Nr. 47; OLG Karlsruhe vom 8.5.1998, MDR 1998, 1470 = IPRspr. 1998 Nr. 27; OLG Düsseldorf vom 19.12.1997, NJW-RR 1998, 1716 = IPRspr. 1997 Nr. 61; OLG Köln vom 28.5.2001, IHR 2002, 21 = IPRspr. 2001 Nr. 28; OLG Köln vom 19.9.2001, MDR 2002, 150 = IPRspr. 2001 Nr. 40; OLG Karlsruhe vom 29.11.2001, NJW-RR 2002, 1206 = IPRspr. 2001 Nr. 34; LG Braunschweig vom 30.7.2001, IHR 2002, 71 = IPRspr. 2002 Nr. 28a; OLG Braunschweig vom 25.4.2002, IPRspr. 2002 Nr. 28b; OLG Rostock vom 10.10.2001, IHR 2003, 17 = IPRspr. 2002 Nr. 29; OLG Köln vom 2.8.2002, VersR 2002, 1374 = IPRspr. 2002 Nr. 32. OLG Düsseldorf vom 28.5.1986, RIW 1987, 793 = IPRspr. 1986 Nr. 43 wendet § 528 ZPO a.F. (nunmehr § 531 ZPO) an: Der Vortrag, nicht deutsches, sondern ausländisches Recht anzuwenden, würde den Rechtsstreit verzögern, weil nach § 293 ZPO ein Gutachten eingeholt werden müsste. Kritisch Epping, Die Schiedsvereinbarung im internationalen privaten Rechtsverkehr nach der Reform des deutschen Schiedsverfahrensrechts, 1999, 51. 8BGH vom 8.5.1985, BGHZ 94, 268 = NJW 1985, 2405 = IPRax 1987, 110 (Fikentscher/ Waibl) = IPRspr. 1985 Nr. 4; LG Heidelberg vom 21.6.1985, IPRax 1987, 26 (Boll 11) = IPRspr. 1985 Nr. 26b. 9BGH vom 26.10.1983, RIW 1984, 151; BGH vom 15.1.1986, NJW-RR 1986, 456 = IPRax 1986, 292 (Schack 272) = IPRspr. 1986 Nr. 29. 10 Martiny in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 91; Schack NJW 1984, 2736; Schack IPRax 1986, 272. Zurückhaltend auf rechtsvergleichender Basis auch Vischer/Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht2, 2000, Rz. 177 ff.
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Pflicht, den Inhalt des ausländischen Rechts zu ermitteln Anwälten nicht bekannt sein muss.11 Andererseits fördert die stillschweigende Rechtswahl der lex fori durch Prozessverhalten die Beschleunigung und Vereinfachung des Verfahrens.12 Auch der Zessionar (= Nichtvertragspartner) kann eine solche stillschweigende Rechtswahl bewirken,13 ebenso der Prozessstandschaft (= Nichtinhaber des materiellen Rechts). Die Rechtswahl wirkt nur inter partes. Sie lässt Rechte Dritter unberührt.14
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Auch in Eilfällen – vgl. §§ 916 ff. ZPO, §§ 49 ff., 119, 248 FamFG – ist die inter- 2575 nationalprivatrechtliche Frage zu stellen. Das Gericht hat sich jedoch auf präsente Erkenntnisquellen zu beschränken, Rz. 2593. Der Antragsteller kann aber das (ihm günstigere) ausländische Recht glaubhaft darlegen.15 lässt sich der Inhalt des ausländischen Rechts nicht zeitgerecht feststellen, dann kann auf das deutsche Recht zurückgegriffen werden.16 Dies ist keine Ausnahme vom Prinzip der zwingenden Anwendung des Kollisionsrechts, vielmehr geht es um die Frage des Ersatzrechts (Rz. 2598), wenn das ausländische Recht nicht (rechtzeitig) festgestellt werden kann. Im Urkundenprozess ist bei der Ermittlung ausländischen Rechts wie im norma- 2575a len Zivilprozess zu verfahren. Insbesondere darf ein Sachverständigengutachten eingeholt werden.17 In Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes genügt die bloße Glaubhaftmachung auch für die Prüfung ausländischen Rechts.18 Bei Sicherheitsleistung nach § 921 ZPO sind an den Grad der Glaubhaftmachung keine „überzogenen Ansprüche“ zu stellen.
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II. Pflicht, den Inhalt des vom deutschen internationalen Privatrecht berufenen ausländischen Rechts zu ermitteln 1. Rechtsnormqualität ausländischen Rechts Ausländische Rechtsnormen sind für den deutschen Richter Rechtssätze, nicht Tatsachen.19 Deshalb hat der deutsche Richter auch ausländisches Recht von 11 Anders FRCP 44.1 und Art. IV des einzelstaatlichen Uniform Interstate and International Procedure Act; hierzu Hay/Hampe RIW 1998, 760, 761. 12 W. Lorenz in Festschrift Coing II, 1982, 274. 13 OLG Frankfurt vom 14.8.1984, RIW 1984, 919 = IPRspr. 1984 Nr. 26. 14 LG Heidelberg vom 3.4.1991, IPRax 1992, 170 (Meyer-Grünberg 153) = IPRspr. 1992 Nr. 52a; OLG Karlsruhe vom 27.3.1992, IPRspr. 1992 Nr. 52b. 15 OLG Frankfurt vom 7.11.1968, NJW 1969, 991; Lindacher in Festschrift Schumann, 2001, 283, 289. 16 OLG Köln vom 3.12.1993, GRUR 1994, 646 = IPRspr. 1993 Nr. 3. 17 BGH vom 13.5.1997, NJW-RR 1997, 1154 = RIW 1997, 687 (Küster RIW 1998, 275) = IPRspr. 1997 Nr. 2. 18 OLG Hamburg vom 8.6.1989, RIW 1990, 225 = IPRax 1990, 400 (Mankowski/Kerfack 372) = TranspR 1989, 374 (Mankowski TranspR 1990, 213) = IPRspr. 1989 Nr. 67. 19 Schief BAG vom 20.7.1967, AWD 1967, 411 = AP Nr. 10 zu IPR – Arbeitsrecht = IPRspr. 1966–1967 Nr. 50b, wo die Feststellung des Inhalts des ausländischen Rechts als „Tatsachenfeststellung“ gesehen wird, unentschieden BAG vom 26.2.1985, NJW 1985, 2910
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Neunter Teil: Anwendung ausländischen Rechts Amts wegen zu ermitteln, Rz. 2572.20 Auch ein Geständnis bzw eine Geständnisfiktion aufgrund Säumnis entbindet den Richter nicht, den Inhalt des vom europäischen bzw. deutschen Internationalen Privatrecht berufenen ausländischen Rechts zu ermitteln.21 2578 Der Beweis ausländischen Rechts als Tatsache ist aber nach Schütze22 zulässig und erforderlich bei materiell-rechtlicher Verweisung. Ein ausländischer Rechtssatz verliert nach Schütze seinen Charakter als Rechtsnorm, wenn er nicht aufgrund kollisionsrechtlicher, sondern materiell-rechtlicher Verweisung angewendet wird. Denn es könne keinen Unterschied machen, ob die Parteien z.B. die Verzinsungspflicht im Falle des Verzugs ausdrücklich oder durch Verweisung auf ein bestimmtes (kollisionsrechtlich im übrigen nicht anwendbares) Recht vereinbaren. Wer sich auf den Inhalt einer aufgrund materiell-rechtlicher Verweisung anwendbaren ausländischen Norm berufe, trage auch die volle Beweislast.
= IPRspr. 1985 Nr. 48. – Grundsätzlich anders noch heute die englische Praxis, hierzu ausführlich Spickhoff ZZP 112 (1999), 265, 276 und früher die französische Doktrin; Batiffol/Lagarde, Droit international privé, tome I8, 1993, Nr. 328: „La loi est appliquée comme un fait observé.“ Dagegen aber überzeugend nunmehr Cass. Civ. 18.9.2002, Bull. Civ. I Nr. 2 (besprochen u.a. von Mégnin IPRax 2005, 459); Mayer/Heuzé, Droit international privé9, 2007, Nr. 179; Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 54 ff., 61 ff.; Lindacher in Festschrift Schumann, 2001, 283. So auch ital. Corte di Cassazione (S. U.), vom 23.1.1990, Nr. 362 Giur. ital. 1990 I 1, 260 (Campolo) = RIW 1991, 247. Zum klassischen Faktizitätsprinzip (fact approach to foreign law) des common law Scoles/Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws4, 2004, § 12.15; Hay, USAmerikanisches Recht4, 2008, Rz. 200; Ost, EVÜ und fact doctrine, Diss. Heidelberg 1995, 46 ff. Der US-amerikanische Richter war im Grundsatz kraft seines Kollisionsrechts nicht verpflichtet, ausländisches Recht zu ermitteln und als solches anzuwenden. Die (interessierte) Partei musste sich vielmehr auf ausländisches Recht berufen und seinen Inhalt beweisen. Ausländisches Recht wurde von der Jury als Tatfrage behandelt mit der Folge der Unnachprüfbarkeit in der Rechtsmittelinstanz. Auch heute müssen die Parteien nach FRCP 44.1 und Art. IV des Uniform Interstate and International Procedure Act sich auf das ausländische Gericht rechtzeitig berufen (reasonable notice). Ist dies rechtzeitig erfolgt, dann soll nach FRCP 44.1. die Entscheidung über den Inhalt des ausländischen Rechts „be treated as a ruling on a question of law.“ Hierzu Hay/Hampe RIW 1998, 761. In England und Wales sieht man nunmehr the proof of foreign law immerhin als „a question of fact of a peculiar kind“, Cheshire, North & Fawcett, Private International Law14, 2008, 113. Zurückhaltender aber Morris, McLean & Beevers, The Conflict of Laws7, 2009, Rz. 1-015. 20 BGH vom 20.3.1980, BGHZ 77, 32 = NJW 1980, 2022 = RIW 1980, 432= IPRax 1981, 52 (Samtleben 43) = IPRspr. 1980 Nr. 183; BGH vom 23.10.1980, IPRspr. 1980 Nr. 3; BGH vom 23.1.1985, NJW-RR 1986, 484 = JZ 1985, 951 = MDR 1985, 1001 = IPRspr. 1985 Nr. 1; OLG Hamm vom 15.4.1985, IPRspr. 1985 Nr. 28; OLG Frankfurt vom 2.3.1999, FamRZ 2000, 37 = IPRspr. 1999 Nr. 1. 21 OLG Koblenz vom 28.3.2002, IPRspr. 2002 Nr. 1. 22 Schütze NJW 1969, 1652.
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Pflicht, den Inhalt des ausländischen Rechts zu ermitteln 2. „Beweis“ ausländischen Rechts Dogmatische Grundlagen: Der deutsche Richter hat sich von Amts wegen 2579 Kenntnis von allen für die Entscheidung nach deutschem internationalem Privatrecht (Rz. 2571) maßgeblichen ausländischen Rechtsnormen zu verschaffen.23 Es steht aber in seinem Ermessen, in welcher Weise er seiner Verpflichtung zur Ermittlung des Inhalts des ausländischen Rechts nachkommen will.24 Es genügt jedoch nicht, den einschlägigen Gesetzestext zu ermitteln; es muss auch dessen Auslegung und Anwendung in der ausländischen Rechtspraxis geklärt werden.25 Dies muss aus den Entscheidungsgründen des Urteils klar genug hervorgehen. Als Faustregel gilt: An die Ermittlungspflicht sind umso höhere Anforderungen zu stellen, je komplexer und je fremder im Vergleich zum deutschen das anzuwendende Recht ist. Bei Anwendung einer dem deutschen Recht verwandten Rechtsordnung und klarer Rechtsnormen sind die Anforderungen geringer.26 Die Rechtsmittelgerichte27 wachen darüber, ob der Tatrichter seiner Pflicht aus- 2580 reichend nachgekommen ist, das für die Entscheidung des konkreten Rechtsstreits maßgebende ausländische Recht von Amts wegen zu ermitteln.28 Eine Verletzung der prozessrechtlichen Ermittlungsverpflichtung des Tatrichters kann auch vor dem Bundesgerichtshof als Revisionsgericht mit der Verfahrensrüge (§ 551 III Nr. 3 [b] ZPO) beanstandet werden.29 Dabei kann das Revisions23 BGH vom 23.1.1985, NJW-RR 1986, 484 = JZ 1985, 951 = MDR 1985, 1001 = EWiR 1985, 1001 (Köndgen) = IPRspr. 1985 Nr. 1; OLG Hamm vom 15.4.1985, IPRspr. 1985 Nr. 28; BGH vom 30.4.1992, BGHZ 118, 151, 159 = NJW 1992, 2026 = MDR 1992, 765 = RIW 1992, 761 = IPRax 1993, 87 (Hanisch) = LM § 106 KO Nr. 9 (R. Geimer) = IPRspr. 1992 Nr. 265; BGH vom 6.3.1995, NJW 1995, 2097 = RIW 1995, 945 = JZ 1995, 784 (Stoll) = LM § 293 ZPO Nr. 21 (Kronke) = IPRspr. 1995 Nr. 61; BGH vom 25.9.1997, NJW 1998, 1321 = RIW 1998, 318 = IPRax 1999, 45 (Stoll 29) = IStR 1998, 223 (Goette) = LM nach Art. 38 EGBGB 1986 Nr. 3 (Dörner) = IPRspr. 1997 Nr. 60; BGH vom 30.1.2001, WM 2001, 502 = IPRax 2002, 302 (Hüßtege 292) = IPRspr. 2001 Nr. 1; BGH vom 26.6.2001, BGHReport 2001, 894 = IPRspr. 2001 Nr. 2; OLG München vom 9.1.1996, RIW 1996, 329= IPRspr. 1996 Nr. 26; BVerwG vom 24.10.1995, NVwZ-RR 1996, 471 = InfAuslR 1996, 225 = IPRspr. 1995 Nr. 3. 24 BGH vom 30.3.1976, NJW 1976, 1581 = LM Art. 7 ff. EGBGB (Deutsches intern. Privatrecht) Nr. 42 = MDR 1976, 832 = RIW 1976, 373, 378 = BB 1976, 672 = IPRspr. 1976 Nr. 2; BSG vom 21.6.1989, MDR 1989, 1131 = IPRspr. 1989 Nr. 2; BGH vom 30.1.2001, WM 2001, 502 = IPRax 2002, 302 (Hüßtege 292) = IPRspr. 2001 Nr. 1. Gottwald IPRax 1988, 211. 25 BVerwG vom 20.3.1989, DVBl. 1989, 893 = IPRspr. 1989 Nr. 1; BGH vom 24.11.1989, NJW-RR 1990, 248 = IPRspr. 1989 Nr. 3. 26 BGH vom 13.12.2005, BGHZ 165, 248 = NJW 2006, 762, 764 = RIW 2006, 389 (Mankowski 321) = EuZW 2006, 285 = IPRax 2006, 272 (Pfeiffer 238) = IPRspr. 2005 Nr. 13. 27 Die Kontrolle der ersten Instanz durch das Berufungsgericht (§ 529 II ZPO) erfolgt von Amts wegen; einer Verfahrensrüge bedarf es nicht, OLG Köln vom 1.7.2005, OLGR 2005, 538 = IPRspr. 2005 Nr. 1. 28 BGH vom 29.6.1987, NJW 1988, 647 = LM § 293 ZPO Nr. 14 = WM 1987, 1265; BGH vom 7.10.1991, NJW 1992, 362 = RIW 1992, 315 = IPRax 1993, 178 (Kreuzer 157) = LM § 434 BGB Nr. 11 = WM 1992, 29, 30 = IPRspr. 1991 Nr. 72; Fastrich ZZP 97 [1984] 423, 425. 29 BGH vom 21.1.1991, NJW-RR 1991, 1211 = LM § 293 ZPO Nr. 16 = WM 1991, 862, 863 = WuB VII A. § 293 ZPO 2.91 (Thode) = IPRspr. 191 Nr. 1b; BGH vom 30.4.1992, BGHZ 118, 151, 162 = NJW 1992, 2026 = MDR 1992, 765 = RIW 1992, 761 = IPRax 1993, 87
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Neunter Teil: Anwendung ausländischen Rechts gericht die Verfahrensrüge in vollem Umfang aufgrund eigener Kenntnis des ausländischen Rechts nachprüfen. Eine Bindung an die Feststellungen der Berufungsinstanz besteht insoweit nicht.30 2581 Diese Rügemöglichkeit ist jedoch nicht unbeschränkt, Rz. 2616. Sie ist nicht gegeben, wenn mit ihr in Wirklichkeit die Nachprüfung (bisher) irrevisiblen ausländischen Rechts bezweckt wird.31 Ferner liegt es im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters, auf welche Weise er sich die Kenntnis von dem maßgeblichen ausländischen Recht verschafft. Vom Revisionsgericht darf lediglich überprüft werden, ob der Tatrichter die Grenzen dieses Ermessens überschritten hat.32 2582 Vom Revisionsgericht nachprüfbar ist, ob die Ermittlung ausländischen Rechts verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen ist. Revisibel ist auch die Frage, ob das Gericht bei Ermittlung des fremden Rechts alle ihm zugänglichen Erkenntnisquellen ausgeschöpft hat.33 Ermessensfehlerhaft und insoweit revisibel ist es, wenn das OLG, das ersichtlich keine Spezialkenntnisse hat, der Anregung, sachverständigen Rat einzuholen, nicht folgt.34 Es darf sich nicht auf eine bloße „Plausibilitätsprüfung“ beschränken.35
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(Hanisch) = LM § 106 KO Nr. 9 (R. Geimer) = IPRspr. 1992 Nr. 265; BGH vom 23.1.1996, NJW-RR 1996, 732 = RIW 1996, 426 = MDR 1996, 1124 = IPRspr. 1996 Nr. 39; BGH vom 6.11.1998, informaciones 1999, 121 = IPRspr. 1998 Nr. 3; BGH vom 10.4.2002, NJW 2002, 3335 (Pfeiffer 3306) = RIW 2002, 556 = WM 2002, 2387 = MDR 2002, 1024 = IHR 2003, 47 = LM § 554a ZPO Nr. 24 (Geimer) = IPRspr. 2002 Nr. 2; BGH vom 23.4.2002, NJW-RR 2002, 1359 = WM 2002, 1186 = MDR 2002, 899 = ZIP 2002, 1155 = BB 2002, 1227 = IHR 2002, 38 = IPRspr. 2002 Nr. 3; BGH vom 23.6.2003, NJW 2003, 961 = MDR 2003, 1128 = RIW 2003, 961 = IPRspr 2003 Nr. 1; ausführlich zur Revisibilität Pfeiffer NJW 2002, 3306. BGH vom 10.4.2002, NJW 2002, 3335 (Pfeiffer 3306) = RIW 2002, 556 = WM 2002, 2387 = MDR 2002, 1024 = IHR 2003, 47 = LM § 554a ZPO Nr. 24 (Geimer) = IPRspr. 2002 Nr. 2. BGH vom 29.6.1987, NJW 1988, 647 = LM § 293 ZPO Nr. 14 = WM 1987, 1265 = IPRax 1988, 228 (Gottwald 210) = IPRspr. 1987 Nr. 2; BGH vom 29.3.1990, RIW 1990, 581; BGH vom 22.9.2004, NJW-RR 2005, 357 = IPRspr. 2004 Nr. 1. Allerdings verschwimmen die Grenzen zur Irrevisibilität immer mehr, je kasuistischer die Rechtsprechung des BGH zur revisionsgerichtlichen Überprüfung des § 293 ZPO wird, Rz. 2616; Jansen/Michaels ZZP 116 (2003), 3, 46; Spickhoff ZZP 112 (1999), 265, 275. BGH vom 21.1.1991, NJW 1991, 1418 = NJW-RR 1991, 1211 = RIW 1991, 514 (Sommerlad 856) = IPRax 1992, 324 (Kronke 303) = LM § 293 ZPO Nr. 16 = WM 1991, 862, 863, WuB VII A § 293 ZPO 2.91 (Thode)= IPRspr. 1991 Nr. 1b; BGH vom 12.10.1993, IPRax 1995, 38 (Scheffler 20) = IPRspr. 1993 Nr. 2. Weniger streng BVerwG vom 28.9.1993, FamRZ 1994, 627 = NVwZ 1994, 387 = IPRspr. 1993 Nr. 1. Sehr kritisch zur (fall- und ergebnisbezogenen) Handhabung des BGH Wieczorek/Schütze, ZPO3, 2008, § 293 Rz. 29, 32: „Der BGH … stellt (in vielen Fällen) – wenn ihm das Ergebnis nicht gefällt – Fehler bei der Ermittlung des Inhalts ausländischen Rechts fest.“ BGH vom 24.11.1960, NJW 1961, 410, 411. BGH vom 10.5.1984, NJW 1984, 2763 = RIW 1984, 644, 646 (Mezger) = MDR 1985, 125 = WM 1984, 1014 = IPRax 1985, 158 (Schlosser 141) = IPRspr. 1984 Nr. 196; BGH vom 18.1.1990, BGHZ 110, 104 = NJW 1990, 2199 = RIW 1990, 493, 494 = MDR 1990, 703 = WM 1990, 1126 = IPRax 1991, 244 (Schlosser 218) = EWiR 1990, 723 (Bredow) = IPRspr. 1990 Nr. 238. BVerwG vom 4.10.1995, InfAuslR 1966, 21 = IPRspr. 1995 Nr. 2.
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Pflicht, den Inhalt des ausländischen Rechts zu ermitteln Für die Ermittlung des Inhalts des ausländischen Rechts gelten die Grundsätze 2583 des Freibeweises. Das Gericht ist nicht verpflichtet, nach §§ 355 ff. ZPO zu verfahren. Es steht in seinem Ermessen, ob und inwieweit es eine förmliche Beweisaufnahme durchführen will. Hält es aber eine solche für erforderlich, so muss es bei der Beweisaufnahme – 2584 obwohl das ausländische Recht keine Tatsache ist – die Vorschriften der §§ 355 ff. ZPO beachten. Insoweit hat der Tatrichter keinen Ermessensspielraum.36 Obwohl der Grundsatz iura novit curia trotz der missverständlichen Fassung 2585 des § 293 ZPO auch für die Anwendung ausländischen Rechts gilt und dieses nicht als Tatsache betrachtet wird, erfolgt die Ermittlung des ausländischen Rechts in der Praxis in einem förmlichen Beweisverfahren aufgrund eines Beweisbeschlusses.37 Streng genommen darf sich die „Beweiserhebung“ nur auf die Erstattung eines Gutachtens zum Inhalt des relevanten Rechtssatzes beziehen. Das maßgebliche Kollisionsrecht (IPR) müsste das deutsche Gericht als Teil des deutschen Rechts selbst kennen, Rz. 2571. Gleichwohl ist es in der Praxis üblich, auch die kollisionsrechtlichen Fragen zum Gegenstand des Gutachtens zu machen. Der BGH hat auf den Beweis ausländischen Rechts durch einen „Sachverständigen“ die Regeln der §§ 402 ff. ZPO angewandt, insbesondere § 411 III ZPO; danach kann das Gericht das Erscheinen des Sachverständigen anordnen zum Zwecke der Erläuterungen seines schriftlich erstatteten Gutachtens.38 Übereinstimmender Vortrag der Parteien: Ein Geständnis oder Nichtbestreiten der Parteien bindet das Gericht nicht; denn ausländisches Recht ist keine Tatsache, sondern hat Rechtsnormqualität. Aus dem Konsens der Parteien kann nicht auf die Richtigkeit des Parteivorbringens über den Inhalt des ausländischen Rechts geschlossen werden.39 Wenn aber die Parteien dem Staat angehören, dessen Recht zu ermitteln ist, spricht eine Vermutung dafür, dass diese Darstellung des ausländischen Rechts zutrifft. Sieht der Richter in einer solchen Lage von der Erhebung weiterer Beweise ab, so stellt dies keinen Verstoß gegen die ihm obliegende Ermittlungspflicht dar.40
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Bedeutung des Verhaltens der Parteien für die Ermittlungspflicht des Gerichts: Vortrag und sonstige Beiträge – etwa Privatgutachten – der Parteien sind also
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36 BGH vom 10.10.1974, IPRspr. 1974 Nr. 1b; BGH vom 10.7.1975, NJW 1975, 2142 = WM 1975, 1058 = IPRspr. 1975 Nr. 1; Kritik bei Geisler ZZP 91 (1978), 176; BGH vom 24.4.1980, MDR 1980, 931 = IPRax 1981, 57 (Nagel 47) = IPRspr. 1980 Nr. 157. 37 Bendref MDR 1983, 892. 38 BGH vom 10.7.1975, NJW 1975, 2142 = WM 1975, 1058 = IPRspr. 1975 Nr. 1. Siehe auch Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008, § 335 Rz. 98. 39 LAG Hamm vom 19.1.1989, BB 1989, 2191 = IPRspr. 1989 Nr. 68. 40 BAG vom 10.4.1975, WM 1976, 194 = MDR 1975, 874 = RIW 1975, 521 = IPRspr. 1975 Nr. 30b; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Anh. zu § 606a ZPO Rz. 98.
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Neunter Teil: Anwendung ausländischen Rechts nicht ohne Bedeutung für das Ermittlungsermessen des Gerichts.41 Tragen die Parteien eine bestimmte ausländische Rechtspraxis kontrovers vor, wird der Richter regelmäßig umfassendere Ausführungen zur Rechtslage machen – gegebenenfalls sämtliche ihm zugänglichen Erkenntnismittel zu erschöpfen haben, als wenn der Vortrag der Parteien zu dem Inhalt des ausländischen Rechts übereinstimmt42 oder sie zu dem Inhalt dieses Rechts nicht Stellung nehmen, obwohl sie dessen Anwendbarkeit kennen oder mit ihr rechnen.43 Zu Recht warnt der BGH44 vor Generalisierungen, Rz. 2617. Alles hängt vielmehr von den Besonderheiten des einzelnen Falls ab. Haben die Parteien zu den Erkenntnisquellen einer ausländischen Rechtsordnung unschwer Zugang, wird man von ihnen in der Regel erwarten können, dass sie das ausländische Recht konkret darstellen.45 2588 Keine Darlegungs- und Beweislast: Die Parteien dürfen nicht nur dem Richter bei der Ermittlung des ausländischen Rechts helfen, z.B. Privatgutachten vorlegen. Sie trifft vielmehr in gewissem Umfang de facto auch die Last, an der Aufklärung des Inhalts des maßgeblichen ausländischen Rechts mitzuwirken. Zwar hat der Richter das ausländische Recht selbst zu ermitteln; die Parteien müssen ihn hierbei jedoch nach Kräften unterstützen, wenn sie sich selbst ohne besondere Schwierigkeiten Zugang zu den Erkenntnisquellen des fremden Rechtskreises verschaffen können. lässt es eine Partei an einer ihr zumutbaren Mitwirkung fehlen, so kann das Gericht zu deren Nachteil von weiteren Ermittlungen absehen und davon ausgehen, dass durchgreifend neue Erkenntnisse nicht zu gewinnen sind.46 Dies dürften aber nur seltene Ausnahmefälle sein. 2589 Als Grundsatz gilt: Mangels objektiver Beweislast darf keine Partei wegen Nichtbeibringung einen Nachteil erleiden.47 In jedem Fall hat jede Partei aufgrund 41 BGH vom 20.3.1980, BGHZ 77, 32 = NJW 1980, 2022 = RIW 1980, 432= IPRax 1981, 52 (Samtleben 43) = IPRspr. 1980 Nr. 183; BGH vom 30.3.1976, NJW 1976, 1581 = LM Art. 7 ff. EGBGB (Deutsches intern. Privatrecht) Nr. 42 = MDR 1976, 832 = RIW 1976, 373, 378 = BB 1976, 672 = IPRspr. 1976 Nr. 2; von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht I2, 2003, § 5 Rz. 72; Gottwald IPRax 1988, 210, 211; Hutzel IPRax 1990, 77, 78; Sommerlad/Schrey NJW 1991, 1377, 1380; Prütting in Münchener Kommentar zur ZPO2, 2000, § 293 Rz. 51 f. 42 BAG vom 10.4.1975, BAGE 27, 99, 109 f. = NJW 1975, 2160 L = WM 1976, 194, 196 f. 43 KG vom 30.11.1981, VersR 1982, 1199. 44 BGH vom 30.4.1992, BGHZ 118, 151 = NJW 1992, 2026 = MDR 1992, 765 = RIW 1992, 761 = IPRax 1993, 87 (Hanisch) = LM § 106 KO Nr. 9 (R. Geimer) = IPRspr. 1992 Nr. 265. 45 Gottwald IPRax 1988, 210, 212; Thode EWiR 1990, 515; auch Stein/Jonas/Leipold, ZPO22, 2008, § 293 Rz. 47. 46 BGH vom 30.3.1976, NJW 1976, 1581, 1583 = LM Art. 7 ff. EGBGB (Deutsches intern. Privatrecht) Nr. 42 = MDR 1976, 832 = RIW 1976, 373, 378 = BB 1976, 672 = IPRspr. 1976 Nr. 2. 47 BGH vom 23.12.1981, NJW 1982, 1215 = FamRZ 1982, 263 = RIW 1982, 199 und 435 = MDR 1982, 566 = IPRax 1983, 193 = IPRspr. 1981 Nr. 2; LAG Hamm vom 19.1.1989, BB 1989, 2191 = IPRspr. 1989 Nr. 68; OLG Frankfurt vom 2.3.1999, FamRZ 2000, 37 = IPRspr. 1999 Nr. 1; Khadjavi-Gontard/Hausmann RIW 1983, 8 Fußn. 64; Spickhoff ZZP 112 (1999), 265, 273. Anderer Auffassung OLG Hamm vom 9.6.1980, WM 1981, 882 = IPRspr. 1980 Nr. 1b: für Darlegungslast derjenigen Partei, die sich auf die Anwendbar-
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Pflicht, den Inhalt des ausländischen Rechts zu ermitteln Art 103 I GG das Recht, Darlegungen zum Inhalt des ausländischen Rechts zu machen und Nachweise zu präsentieren. Der Richter darf diese nicht ignorieren. Er muss sie zur Kenntnis nehmen und sich damit auseinander setzen.48 Ob Parteivorbringen zur Ermittlung ausländischen Rechts nach §§ 282 I, 531 2590 ZPO als verspätet zurückgewiesen werden kann, ließ der Bundesgerichtshof bisher offen.49 Verfolgt die Partei ihren in der ersten Instanz (erfolglos) gestellten Antrag auf Einholung eines Rechtsgutachtens nicht mehr in der Berufungsinstanz, dann ist es in der Regel nicht ermessensfehlerhaft, wenn das Berufungsgericht nicht von Amts wegen ein Gutachten einholt.50 Ein wissenschaftliches Gutachten51 genügt den Anforderungen des § 293 ZPO nicht, wenn der Gutachter keine spezielle Kenntnis des ausländischen Rechts und der ausländischen Rechtspraxis hat.52 Reine „Lehrbuchgutachten“ genügen nicht, weil sie die Handhabung der ausländischen Rechtspraxis (Rz. 2596) nicht erfassen und auswerten.53 Bei der Formulierung der Beweisanordnung gemäß § 293 ZPO muss der Richter jeden Anschein der Parteilichkeit durch Bevorzugung einer Partei vermeiden. Er kann z.B. abgelehnt werden,54 wenn der Sachverständige unabhängig von dem Vortrag des Beklagten Ausführungen dazu machen soll, welche Einwendungen ihm nach dem maßgeblichen ausländischen Recht zustehen könnten, weil dem Beklagten so die Möglichkeit eröffnet wird, seinen Sachvortrag entsprechend anzupassen.55
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Pflicht zur Sachentscheidung bei einem non liquet: Ist der Inhalt der einschlägi- 2591 gen ausländischen Norm nicht feststellbar, so darf deshalb eine Sachentschei-
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keit ausländischen Rechts beruft. Diese müsse den Inhalt der ausländischen Rechtsnorm substantiiert darlegen. Ausführlich zur Mitwirkung der Parteien bei der Ermittlung ausländischen Rechts Lindacher in Festschrift Schumann, 2001, 283. Lindacher in Festschrift Schumann, 2001, 283, 284. BGH vom 10.5.1984, NJW 1984, 2763 = RIW 1984, 644, 646 (Mezger) = MDR 1985, 125 = WM 1984, 1014 = IPRax 1985, 158 (Schlosser 141) = IPRspr. 1984 Nr. 196; BGH vom 18.1.1990, BGHZ 110, 104 = NJW 1990, 2199 = RIW 1990, 493, 494 = MDR 1990, 703 = WM 1990, 1126 = IPRax 1991, 244 (Schlosser 218) = EWiR 1990, 723 (Bredow) = IPRspr. 1990 Nr. 238. Verneinend RGZ 151, 44. Dafür Lüderitz, Internationales Privatrecht2, 1992, Rz. 179. Ohne Stellungnahme Spickhoff ZZP 112 (1999), 265, 273. BGH vom 30.4.1992, BGHZ 118, 151, 159 = NJW 1992, 2026 = MDR 1992, 765 = RIW 1992, 761 = IPRax 1993, 87 (Hanisch) = LM § 106 KO Nr. 9 (R. Geimer) = IPRspr. 1992 Nr. 265; BGH vom 23.6.2003, NJW 2003, 961 = MDR 2003, 1128 = RIW 2003, 961 = IPRspr 2003 Nr. 1. Hierzu nicht ohne Skepsis Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts6, 2006, § 59 III 2. BGH vom 21.1.1991, NJW 1991, 1418, 1419 = NJW-RR 1991, 1211 = RIW 1991, 514 (Sommerlad 856) = IPRax 1992, 324 (Kronke 303) = LM § 293 ZPO Nr. 16 = WM 1991, 862, 863, WuB VII A § 293 ZPO 2.91 (Thode)= IPRspr. 1991 Nr. 1b. Hierzu kritisch Samtleben NJW 1992, 3057. Ebenso OLG Düsseldorf vom 24.4.1996, NJW-RR 1997, 3 = FamRZ 1996, 1154 = IPRspr. 1996 Nr. 2. §§ 42 II, 44 II ZPO. OLG Koblenz vom 4.9.1996, IPRspr. 1996 Nr. 3.
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Neunter Teil: Anwendung ausländischen Rechts dung nicht verweigert werden. Diese ist nach dem Ersatzrecht zu erlassen, Rz. 2598. 3. Versäumnisverfahren 2592 Die Geständnisfiktion der §§ 331 I, 539 II ZPO gilt nur für Tatsachen, nicht für Behauptungen über den Inhalt ausländischer Rechtsnormen.56 Auch im Versäumnisverfahren ist der Richter daher der Pflicht zur Ermittlung des ausländischen Rechts nicht enthoben. Er muss sich von der Richtigkeit des Inhalts des anzuwendenden ausländischen Rechtssatzes überzeugen.57 4. Vorläufiger Rechtsschutz – Notwendigkeit einer Eilentscheidung 2593 Das Gleiche gilt im Arrest- sowie im einstweiligen Verfügungs- und Anordnungsverfahren. Allerdings wird im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Eilentscheidung oft das maßgebliche Recht nicht feststellbar sein. Für solche Fälle gelten die in Rz. 2598 dargestellten Regeln über die Anwendung von Ersatzrecht wegen Nichtfeststellbarkeit des Inhalts des an sich anzuwendenden ausländischen Rechts. Dagegen möchte Prütting58 in jedem Einzelfall abwägen, ob dem Justizgewährungsanspruch auf Eilentscheidung (Rz. 1984) Vorrang gegeben werden soll gegenüber dem Interesse des Beklagten/Antragsgegners an einer gründlichen und daher im Zweifel richtigeren Entscheidung.
III. § 293 ZPO als Ausnahme vom Grundsatz „iura novit curia“ 2594 Grundsätzlich muss der deutsche Richter das Recht kennen, d.h. selbständig feststellen, auslegen und anwenden. Hiervon macht das Gesetz nur in den in § 293 ZPO aufgezählten Fällen eine Ausnahme.59 Das bedeutet, dass das Gericht in (scheinbar) international gelagerten Fällen nicht vorab ein (Zeit und Kosten verschlingendes) Gutachten anfordern darf, um sich „die Arbeit leichter zu machen“. Es muss vielmehr anhand des in Deutschland geltenden Kollisionsrechts (Rz. 2570 ff.) zunächst „aus eigener Kraft“ klären, welches Recht zur Anwendung kommt. Erst wenn feststeht, dass – mit großer Wahrscheinlichkeit – aus-
56 Spickhoff ZZP 112 (1999), 265, 273. Anderer Auffassung OLG München vom 23.10.1985, NJW 1976, 489 (Küppers) = IPRspr. 1975 Nr. 2. 57 OLG Koblenz vom 28.3.2002, IPRspr. 2002 Nr. 1; Prütting in Münchener Kommentar zur ZPO2, 2000, § 293 Rz. 55; Stein/Jonas/Leipold, ZPO22, 2008, § 293 Rz. 55. 58 Prütting in Münchener Kommentar zur ZPO3, 2008, § 293 Rz. 56. Siehe auch LG München I vom 24.8.2001, IPRspr. 2001 Nr. 113 sowie die weiteren Nachweise bei Hohloch BerDGVR 42 (2007), 252 Fußn. 5; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 428 ff. 59 Dies wird aus europarechtlicher Sicht kritisiert, Rz. 246x. Das Unions- und das Gemeinschaftsrecht verbiete, „dass Rechtsverhältnisse gerade dann mit Sonderrecht belegt werden, wenn sie, den Binnenmarkt verwirklichend, die Binnengrenzen übergreifen“; „Rechtliche Nachteile, die wegen der Überschreitung der Binnengrenzen auferlegt werden, sind per se verboten“, Flessner ZEuP 2006, 737, 740. Mit gleicher Tendenz Remien, Aufbruch nach Europa – 75 Jahre Max-Planck-Institut, 2001, 617.
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Ausnahme vom Grundsatz „iura novit curia“ ländisches Recht maßgeblich ist, kann dessen Inhalt nach § 293 ZPO ermittelt werden. Der deutsche Richter darf also nicht auf die durch § 293 ZPO ermöglichten Hil- 2595 fen zurückgreifen bei der Feststellung, Auslegung und Anwendung des gesamten inländischen Gesetzesrechts, des Rechtes der Europäischen Gemeinschaften und des Völkergewohnheitsrechts, soweit es in Deutschland über Art. 25 S. 1, 59 II GG aktualisiert und damit innerstaatlich geltendes Recht ist. Bei Zweifeln ist gegebenenfalls dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, Art. 100 II GG (hierzu Rz. 274).
IV. Anwendung ausländischen Rechts Der deutsche Richter hat ausländisches Recht so anzuwenden, wie es der Rich- 2596 ter des betreffenden Landes auslegt und anwendet.60 Vor allem hat er sich zu hüten, den ausländischen Rechtsregeln eine eigene Interpretation zu geben. Er hat sich an die ausländische Praxis und Lehre zu halten. Sonst wäre der Sinn der kollisionsrechtlichen Verweisung verfehlt: Das Ergebnis wäre ein fiktives, weil mit der tatsächlichen Handhabung des ausländischen Rechts nicht übereinstimmendes Normengebilde.61 Das gilt auch für das internationale Einheitsrecht, wie z.B. das Wechselrecht. Auch hier darf nicht einfach die deutsche Rechtsprechung herangezogen werden, Rz. 2618.62 Eine Prüfung der Vereinbarkeit eines ausländischen Gesetzes oder sonstiger Nor- 2597 men mit der Verfassung des betreffenden Staates darf der deutsche Richter nur vornehmen, wenn auch dem ausländischen Gericht eine solche Prüfung gestattet ist.63 Der deutsche Richter darf aber auch das ausländische Recht fortentwickeln für Sonderfallgestaltungen, welche die Gerichte des Staates, dessen Recht anzuwenden ist, (bisher) nicht entschieden haben. Hierfür sind der Geist und die Systemzusammenhänge des ausländischen Rechts maßgebend. Der deutsche Richter
60 BGH vom 30.1.2001, WM 2001, 502 = IPRax 2002, 302 (Hüßtege 292) = IPRspr. 2001 Nr. 1; BGH vom 26.6.2001, BGHReport 2001, 894 = IPRspr. 2001 Nr. 2; BGH vom 23.6.2003, NJW 2003, 961 = MDR 2003, 1128 = RIW 2003, 961 = IPRspr. 2003 Nr. 1. 61 KG vom 8.2.1980, IPRspr. 1980 Nr. 85; BGH vom 23.12.1981 NJW 1982, 1215 = FamRZ 1982, 263 = RIW 1982, 199 und 435 = MDR 1982, 566 = IPRax 1983, 193 = IPRspr. 1981 Nr. 2; BGH vom 21.1.1991, NJW 1991, 1418, 1419 = NJW-RR 1991, 1211 = RIW 1991, 514 (Sommerlad 856) = IPRax 1992, 324 (Kronke 303) = LM § 293 ZPO Nr. 16 = WM 1991, 862, 863, WuB VII A § 293 ZPO 2.91 (Thode)= IPRspr. 1991 Nr. 1b; BGH vom 30.1.2001, WM 2001, 502 = IPRax 2002, 302 (Hüßtege 292) = IPRspr. 2001 Nr. 1; BGH vom 26.6.2001, BGHReport 2001, 894 = IPRspr. 2001 Nr. 2; LAG München vom 22.8.1990, IPRax 1992, 97, 99 (Däubler 82) = IPRspr. 1991 Nr. 62; KG vom 27.6.2001, FamRZ 2002, 166, 167 = IPRspr. 2001 Nr. 3; Henrich IPRax 1982, 10. 62 OLG Frankfurt vom 26.3.1985, RIW 1985, 488 = IPRspr. 1985 Nr. 42; vgl. auch Schütze in Festschrift Matscher, 1993, 430. – Großzügiger Kegel/Schurig, IPR9, 2004, § 15 III. 63 Kegel/Schurig, IPR9, 2004, § 15 III. – Zur Anerkennungsperspektive R. Geimer ZfRV 1992, 413.
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Neunter Teil: Anwendung ausländischen Rechts darf nicht auf dem Umweg über die „Fortentwicklung“ dem ausländischen Recht den „deutschen Geist einhauchen“.64
V. Ersatzrecht, wenn der Inhalt des ausländischen Rechts nicht festgestellt werden kann 2598 Die Beweislastregeln finden keine Anwendung. Keine Partei ist beweisfällig geworden. Eine Klageabweisung bei einem non liquet (bezüglich des Inhalts des ausländischen Rechtssatzes) ist unzulässig. Ein gegenteiliger Standpunkt der lex causae ist für den deutschen Richter ohne Bedeutung.65 – Vgl. Rz. 2001, 2292. 2599 Ist trotz aller Sorgfalt der Inhalt des ausländischen Rechts nicht festzustellen, will der Bundesgerichtshof ohne große Umschweife deutsches Recht anwenden, jedenfalls dann, wenn starke Inlandsbeziehungen bestehen und die Beteiligten nicht widersprechen.66 2600 Überzeugender ist der Ansatz der Wissenschaft: Danach ist die deutsche lex fori nur dann anzuwenden, wenn über das ausländische Recht keinerlei Informationen zu erlangen sind.67 Anders ist es aber, wenn nur unvollständige Aufschlüsse über das in Betracht kommende ausländische Recht zu bekommen sind. Dann gilt der Grundsatz der größtmöglichen Annäherung an den unbekannten tatsächlichen Rechtszustand. So kann etwa das luxemburgische Recht auch durch Heranziehung belgischer Urteile erhellt werden.68 64 Das AG Charlottenburg IPRax 1983, 128 (Rumpf 114) hielt es für richtig, türkisches Recht (Prozesskostenpflicht unter Ehegatten) fortzuentwickeln, ebenso OLG Stuttgart vom 1.3.1984, DAVorm 1984, 423 = IPRspr. 1984 Nr. 1 und AG Kitzingen vom 2.5.1985, IPRax 1985, 298 = IPRspr. 1985 Nr. 89; Prütting in Münchener Kommentar zur ZPO2, 2000, § 293 Rz. 58; großzügiger Däubler IPRax 1992, 83 und Erman/Hohloch, BGB12, 2008, Einl. Art. 3 EGBGB Rz. 51. 65 BGH vom 24.11.1960, NJW 1961, 410 = IPRspr. 1960–61 Nr. 5; Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 58, 289; Prütting in Münchener Kommentar zur ZPO2, 2000, § 293 Rz. 59. 66 BGH vom 26.10.1997, BGHZ 69, 387 = NJW 1978, 496 = MDR 1978, 390 = IPRspr. 1977 Nr. 98b; BGH vom 23.1.1985, NJW-RR 1986, 484 = IPRspr. 1985 Nr. 1 (Rz. 2133); ähnlich OLG Stuttgart vom 1.3.1984, StAZ 1984, 423 = IPRspr. 1984 Nr. 1; OLG Frankfurt vom 2.3.1999, FamRZ 2000, 37 = IPRspr. 1999 Nr. 1; KG vom 27.6.2001, FamRZ 2002, 166, 167 = IPRspr. 2001 Nr. 3; KG vom 6.11.2001, FamRZ 2002, 840, 842; Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts6, 2006, § 31 III; Lindacher in Festschrift Schumann, 2001, 283, 284. Ebenso § 4 II österr. IPR-Gesetz und Art. 16 II Schweizer IPR-Gesetz. 67 Von der Nichtfeststellbarkeit des Inhalts des ausländischen Rechts zu unterscheiden ist der Fall des Eingreifens des ordre public (Art. 6 EGBGB) im Hinblick auf den (aus deutscher Sicht nicht akzeptablen, weil stark anstößigen) Inhalt des ausländischen Rechts: Auch hier ist nach dem Grundsatz des geringstmöglichen Eingriffs in die lex causae in erster Linie das ausländische Recht in modifizierter Form anzuwenden; nur dann, wenn dies unmöglich oder unbefriedigend wäre, ist die Ersatznorm aus dem deutschen Recht zu entwickeln, OLG Koblenz vom 4.3.2004, FamRZ 2004, 1877 = IPRspr. 2004 Nr. 3. 68 Kegel/Schurig, IPR9, 2004, § 15 V 2; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 265; Wieczorek/
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Revisibilität ausländischen Rechts In keinem Fall geht es an, wegen Nichtfeststellbarkeit des Inhalts des nach deutschem internationalem Privatrecht berufenen ausländischen Rechts „die Flinte ins Korn zu werfen“ und aus forum non conveniens-Erwägungen die Klage als unzulässig abzuweisen,69 Rz. 1075.
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VI. Revisibilität ausländischen Rechts 1. Neues Recht seit 1. September 2009 Seit der Neufassung des § 545 I ZPO durch das FGG-Reformgesetz70 und Inkraft- 2601 treten des § 72 I FamFG ist ausländisches Recht vom Revisions- bzw. Rechtsbeschwerdegericht in vollem Umfang zu prüfen und anzuwenden. Die bisherigen Kognitionsbeschränkungen (Rz. 2602 ff.) sind entfallen71. 2. Bisheriges Recht: Irrevisibilität ausländischen Rechts Ausländisches Recht war vor Neufassung des § 545 I ZPO im Zivilprozess – an- 2602 ders als in der freiwilligen Gerichtsbarkeit (bis 31.8.2009, vgl. § 27 S. 2 FGG; der Arbeitsgerichtsbarkeit (§ 73 I ArbGG) und im Strafverfahren (§ 337 StPO) – nicht revisibel, §§ 545 I, 560 ZPO a.F.,72 auch wenn es inhaltlich mit deutschem Recht übereinstimmt.73 Das ausländische Recht war auch insoweit irrevisibel, als die Verletzung von Auslegungsregeln und AGB gerügt wird, denn auch die Auslegung sei Rechtsanwendung auf der Basis der ausländischen Rechtsordnung.74
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Schütze ZPO3, 2008, § 293 Rz. 37; weitere Beispiele bei Heldrich in Festschrift Ferid, 1978, 217. In diese Richtung tendiert auch BGH vom 23.12.1981, NJW 1982, 1215 = FamRZ 1982, 263 = IPRspr. 1981 Nr. 2. Hierfür plädieren aber Hay/Hampe RIW 1998, 760, 764. Art. 29 Nr. 14a des Gesetzes vom 17.12.2008, BGBl. I 2586, 2702. Es hat den Anschein, dass der Gesetzgeber diese (von der Wissenschaft heiß ersehnte) Reform gewissermaßen unbewusst dekretiert hat. Im Mittelpunkt der Diskussion um die Neufassung des § 545 ZPO stand das Anliegen, die Revisibilität des Landesrechts auch solcher Bundesländer zu ermöglichen, die nur ein Oberlandesgericht haben. Hierzu Ambrosius ZRP 2007, 143. Auch hat man in der Eile vergessen, § 576 I ZPO anzupassen. Nachweise z.B. bei Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Anh. zu § 606a ZPO Rz. 101 ff. Rechtsvergleichend Adamczyk, Die Überprüfung der Anwendung ausländischen Rechts durch den Bundesgerichtshof und das schweizerische Bundesgericht im Zivilprozess, 1999. RG vom 18.6.1935, JW 1935, 3465 = IPRspr. 1935–1944 Nr. 1; RG vom 29.10.1938, RGZ 159, 33 = IPRspr. 1935–1944 Nr. 37. Umgekehrt ist z.B. der Code civil revisibel, als er als deutsches Partikularrecht (im Rheinland) fortgilt, BGH vom 25.10.1984, BGHZ 92, 326, 328; Spickhoff ZZP 112 (1999), 265, 275. BGH vom 16.6.1969, BGH WM 1969, 1140 = AWD 1969, 415 = IPRspr. 1968–1969 Nr. 3; BGH vom 29.9.1982, WM 1982, 1249 = IPRspr. 1982 Nr. 1; BGH vom 12.12.1986, WM 1987, 353 = IPRspr. 1986 Nr. 4; BFH vom 29.5.1984, RIW 1984, 923 = IPRspr. 1984 Nr. 4; BGH vom 14.1.1986, MDR 1986, 582 = WM 1986, 461 = ZIP 1986, 653 = EWiR 1986, 533 (Köndgen) = IPRspr. 1990 Nr. 1. Siehe auch Martiny in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 173.
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Neunter Teil: Anwendung ausländischen Rechts Ob es sich allerdings um aus- oder inländische AGB handelt, entschied der Bundesgerichtshof ohne jede Beschränkung. Insoweit bestand Revisibilität.75 Ein Wechsel der Anknüpfungstatsachen war zu beachten.76 Das Verbot der Nachprüfung war von der Wissenschaft heftig kritisiert worden.77 Besonders problematisch war die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach auch die Auslegung auf der Grundlage ausländischen Rechts formulierter AGB (die von einem ausländischem Unternehmen im Inland verwendet werden = AGB, die „das Gepräge einer ausländischen Rechtsordnung haben“) irrevisibel sind.78 2603 Die Begründungen für die Irrevisibilität ausländischen Rechts waren von geringer Überzeugungskraft. Das höchste Gericht solle sein Ansehen nicht gefährden. Ihm solle die Blamage der unrichtigen Auslegung des ausländischen Rechtssatzes erspart bleiben. Im Übrigen habe der Bundesgerichtshof nur die Aufgabe, die „Einheitlichkeit der Anwendung und Fortbildung des nationalen Rechts“ zu wahren.79 Siehe auch Rz. 2629. 2604 Die Gerichte haben die Aufgabe, einen Rechtsstreit auf der Grundlage der nach deutschem internationalem Privatrecht maßgeblichen Rechtsordnung zu entscheiden. Die Instanzgerichte sind oft nicht in der Lage, ausländisches Recht anzuwenden. Wer wäre hierzu besser berufen als das höchste Gericht, welches mit besonders qualifizierten Richtern besetzt ist und die beste Bibliothek besitzt? Wenn der Gesetzgeber schon vorschreibt, ausländisches Recht durch inländische Richter anwenden zu lassen, sollte er die Anwendung durch die bestqualifizierten Richter nicht ausschließen. Gleichwohl hielt der Bundesgerichtshof80 an der bisherigen Linie fest, „auch wenn diese Regelung im Hinblick auf zunehmende internationale Verflechtungen zuweilen als unzweckmäßig angesehen wird.“ Er verschärfte aber die Nachprüfung des § 293 ZPO und zwang so mittelbar die Instanzgerichte, sich mehr Mühe bei der Ermittlung des Inhalts des maßgeblichen ausländischen Rechts zu machen. Die Irrevisibilität ausländischen Rechts im Europäischen Binnenmarkt soll zudem gegen Art. 12 EG und die Grundfreiheiten verstoßen, Rz. 246x.
75 BGH vom 19.9.1990, IPRax 1991, 329 (Mankowski 305). 76 Mansel, Personalstatut, Staatsangehörigkeit und Effektivität, 1988, Rz. 393. 77 Nachweise bei Dessauer, IPR, Ethik und Politik, 1986, 397; Dessauer IPRax 1985, 332 Fußn. 21; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 273; Theiss, Die Behandlung fremden Rechts im deutschen und im italienischen Zivilprozess, 1990, 221; Krause, Ausländisches Recht und deutscher Zivilprozess, 1990, 71. 78 BGH vom 14.1.1986, MDR 1986, 582 = WM 1986, 461 = ZIP 1986, 653 = EWiR 1986, 533 (Köndgen) = IPRspr. 1990 Nr. 1. Ebenso für DDR-AGB BGH vom 11.6.1986, NJW-RR 1987, 43 = WM 1986, 1115 = IPRspr. 1986 Nr. 2. Kritisch Basedow in Münchener Kommentar zum BGB4, 2001, § 5 AGBG Rz. 29. 79 Dagegen richtig Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 273; Dessauer, IPR, Ethik und Politik, 1986, 399. 80 BGH vom 24.3.1987, NJW 1988, 648 = IPRax 1988, 227 (Gottwald 210) = IPRspr. 1987 Nr. 1.
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Revisibilität ausländischen Rechts Das Verbot der Nachprüfung ausländischen Rechts durch das Rechtsbeschwer- 2605 degericht galt bis 31. August 2009 nicht im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit; da § 545 I ZPO a.F. in § 27 S. 2 FGG nicht in Bezug genommen worden war, konnte die weitere Beschwerde auch auf die Verletzung ausländischen Rechts gestützt werden.81 Das Gleiche gilt für arbeitsgerichtliche Verfahren, § 73 I ArbGG,82 und für Strafverfahren.83 Internationale Entscheidungszuständigkeit der deutschen Gerichte: Hängt die 2606 internationale Zuständigkeit Deutschlands von der (richtigen Anwendung) ausländischen Rechts ab, so war und ist der Bundesgerichtshof auch nach altem im Rahmen der Zuständigkeitsprüfung zur Nachprüfung berechtigt.84 Beispiel A: Das Zustandekommen einer Zuständigkeitsvereinbarung (Prorogati- 2607 on eines deutschen Gerichts) hängt von einer nach ausländischem Recht zu beantwortenden Vorfrage (Geschäfts-/Prozessfähigkeit) ab.85 Beispiel B: Derogation der an sich kraft Gesetzes gegebenen internationalen Zuständigkeit Deutschlands. Es gilt das Gleiche wie für A. Beispiel C: Derogation wie B, durch Vereinbarung eines ausländischen Schiedsgerichts. Es gilt das Gleiche wie für A. Von der Prognose über die Anerkennungsfähigkeit der (zu erwartenden) ausländischen Entscheidung hängt die Zulässigkeit der im Inland erhobenen Klage ab,
81 BGH vom 12.7.1965, BGHZ 44, 121, 127 = IPRspr. 1964–65 Nr. 94b; OLG Düsseldorf vom 22.3.1985, MittRhNotK 1985, 198 = IPRspr. 1985 Nr. 114; OLG Hamburg vom 26.7.1989, OLGZ 1990, 25 = NJW-RR 1990, 76 = IPRspr. 1989 Nr. 17; Spickhoff ZZP 112 (1999), 265, 275. 82 BAGE 27, 99; Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG2, 2000, § 73 Rz. 2; Spickhoff ZZP 112 (1999), 265, 275. 83 RGSt 10, 285, 287. 84 So zu § 606a I 1 Nr. 4 ZPO Dessauer, IPR, Ethik und Politik, 1986, 405, 429; Kegel/Schurig, IPR9, 2004, § 15 IV 2; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 606a Rz. 67; Jansen/Michaels ZZP 116 (2003), 3, 45. Anderer Auffassung BGH vom 11.1.1984, BGHZ 89, 325 = NJW 1984, 1302 = IPRax 1984, 208 (Henrich 186) = IPRspr. 1984 Nr. 58. Ohne Stellungnahme BGH vom 6.10.2004, BGHZ 160, 322 = FamRZ 2004, 1952 (Henrich) = IPRax 2005, 346 (Rauscher 313) = NJW-RR 2005, 81 = LMK 2005, 8 (Finger) = IPRspr. 2004 Nr. 135. 85 BGH vom 8.2.1968, WM 1968, 369 = AWD 1968, 189 = IPRspr. 1968–1969 Nr. 198; BGH vom 4.2.1991, NJW 1991, 1420 = RIW 1991, 1046 = WM 1991, 1124 = MDR 1991, 610 = TranspR 1991, 243 (Karsten Schmidt 217) = Europ. TransportR 1991, 512 = IPRspr. 1991 Nr. 171. Anderer Auffassung BGH vom 16.6.1969, WM 1969, 1140 = AWD 1969, 415 = IPRspr. 1968–1969 Nr. 3. Vgl. auch BGH vom 23.7.1998, MDR 1998, 1496 = NJW-RR 1999, 137 = RIW 1998, 964 = IPRax 1999, 246 (Schulze 229) = LM Lugano-Übk. Nr. 1 (R. Geimer) = IPRspr. 1998 Nr. 137. Der BGH hat die Vereinbarung der Beteiligten selbst ausgelegt und begründet dies u.a. auch damit, dass es bei der Frage der Ausschließlichkeit der Prorogation eines ausländischen Gerichts (und damit Derogation der an sich nach §§ 12 ff. ZPO gegebenen internationalen Zuständigkeit Deutschlands) um die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen durchzuführende Prüfung der internationalen Zuständigkeit gehe. Damit deutet sich möglicherweise eine Entwicklung zur (intensiveren) Prüfung der von einer Zuständigkeitsvereinbarung abhängigen internationalen Zuständigkeit Deutschlands durch das Revisionsgericht an.
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Neunter Teil: Anwendung ausländischen Rechts Rz. 2688. Deshalb war und ist die revisionsgerichtliche Nachprüfung auch hier statthaft und notwendig.86 2609 Im Rahmen der Gegenseitigkeitsprüfung nach § 328 I Nr. 5 ZPO bzw. § 109 IV FamFG bestand und besteht keine Kognitionsbeschränkung nach §§ 545, 560, 576 ZPO und § 72 I FamFG.87 Denn der Inhalt des ausländischen Rechts wird durch die Bezugnahme in § 328 ZPO zum Bestandteil der deutschen Anerkennungsnorm. Das Gleiche gilt z.B. für die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Zustellung nach dem Recht des Ursprungsstaates gemäß § 328 I Nr. 2 ZPO bzw. § 109 I Nr. 2 FamFG. Bei der Ermittlung und Feststellung des Inhalts des ausländischen Rechts und dessen Auslegung war und ist das Revisions- bzw. das Rechtsbeschwerdegericht durch §§ 545, 560, 576 ZPO, § 72 I FamFG nicht an die Feststellungen des OLG gebunden. Es unterliegt insoweit keinen Kognitionsbeschränkungen, da es um die Anwendung deutschen Rechts geht (wenngleich es sich der Aufklärungsmethoden des § 293 ZPO bedienen darf): § 328 I Nr. 2 ZPO und § 109 I Nr. 2 FamFG bzw. die durch das deutsche Zustimmungsgesetz in das nationale Recht Deutschlands transformierten Anerkennungsversagungsgründe des einschlägigen völkerrechtlichen Vertrages88 verweisen zwar auf das Recht des Ursprungsstaates. Aufgrund dieser Verweisung wird aber insoweit der Inhalt des ausländische Rechts Bestandteil der deutschen Anerkennungsvorschriften. Diese wären ohne die „Auffüllung“ durch den Inhalt der ausländischen Normen – weil unvollständig – nicht zu handhaben. §§ 545, 560, 576 ZPO und § 72 I FamFG kommen daher nicht zum Zuge.89 2610 Hat der Tatsachenrichter ausländisches Recht nicht angewendet, weil er es schlicht übersehen hat,90 oder weil die ausländische Rechtsnorm erst nach Urteilserlass in Kraft trat,91 so hindert § 545 I ZPO a.F. die Nachprüfung nicht.92 Hat das Berufungsgericht – aus welchen Gründen auch immer – keine Feststellungen zum Inhalt einer (aus der Sicht des BGH zur Anwendung kommenden)
86 BGH vom 10.10.1985, NJW 1986, 2195 = RIW 1986, 218 = EWiR 1985, 1015 (R. Geimer) = WM 1986, 115 = IPRspr. 1985 Nr. 167. 87 BGH vom 30.9.1964, BGHZ 42, 194 = NJW 1994, 2350 = IPRspr. 1964–1965 Nr. 259 (zu § 549 I ZPO a.F.); so schon RG vom 10.12.1926, RGZ 115, 113; siehe auch Jansen/Michaels ZZP 116 (2003), 3, 45; Linke, Internationales Zivilprozessrecht4, 2006, Rz. 284; Schütze in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, E1 Rz. 101 sowie in Wieczorek/Schütze, ZPO3, 2007, § 328 Rz. 59. Ebenso zu § 110 ZPO a.F. BGH vom 11.11.1981, NJW 1982, 1223 = MDR 1982, 194 = WM 1982, 194 = IPRspr. 1981 Nr. 143; hierzu Schütze JZ 1983, 585. 88 Z.B. Art. 34 Nr. LugÜ-II bzw. Art. 27 Nr. 2 LugÜ-I; Art. 6 HUVÜ. 89 R. Geimer LMK 2008, 253019. 90 BGH vom 23.10.1963, BGHZ 40, 197, 200 = MDR 1964, 134 = NJW 1964, 203 = IPRspr. 1962–1963 Nr. 184; BFH vom 15.4.1996, DB 1996, 1657 = IPRspr. 1996 Nr. 1. 91 BGH vom 21.2.1962, BGHZ 36, 348 = IPRspr. 1962–1963 Nr. 2; BGH vom 23.10.1963, BGHZ 40, 197, 200; BGH vom 10.10.1985, NJW 1986, 2195 = RIW 1986, 218 = EWiR 1985, 1015 (R. Geimer) =WM 1986, 115 = IPRspr. 1985 Nr. 167. 92 BGH vom 21.2.1962, BGHZ 36, 348 = IPRspr. 1962–1963 Nr. 2; BSG vom 21.6.1989, MDR 1989, 1131 = IPRspr. 1989 Nr. 2; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 279; Spickhoff ZZP 112 (1999), 265, 275.
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Revisibilität ausländischen Rechts ausländischen Rechtsordnung getroffen hat, konnte und kann der BGH die aus seiner Perspektive relevanten ausländischen Rechtsnormen selbst zu ermitteln (nach den Regeln des § 293 ZPO).93 Er kann aber auch aufheben und zurückverweisen. 3. Unrichtige Anwendung des deutschen Internationalen Privatrechts Das Revisionsgericht ist befugt, die richtige Anwendung des deutschen interna- 2611 tionalen Privatrechts zu überprüfen. Insoweit kann die Anwendung eines falschen Rechts infolge unterlassener oder unrichtiger kollisionsrechtlicher Prüfung als Verletzung deutschen Rechts gerügt werden. Dies darf jedoch nicht dazu führen, dass auf dem Umweg über die Nachprüfung des deutschen internationalen Privatrechts in jeder fehlerhaften Anwendung ausländischen Rechts gleich eine Verletzung des deutschen internationalen Privatrechts gesehen wird.94 Im Hinblick auf eine Rückverweisung auf deutsches Recht (Art. 4 I EGBGB) ist 2612 das Revisionsgericht befugt, die ausländischen Kollisions- und Sachnormen zu überprüfen, soweit die unrichtige Anwendung bzw. Nichtanwendung deutschen Rechts in Frage steht. Liegt dagegen keine Rückverweisung auf deutsches, sondern eine Weiterverweisung auf ein (drittes) fremdes Recht vor, so besteht keine Nachprüfungsbefugnis.95 Das Revisionsgericht hat auch zu prüfen, ob die nach dem in Deutschland gel- 2613 tenden internationalen Privatrecht zulässige Rechtswahl (Art. 3 ff. Rom I-Verordnung96, Art. 14 Rom II-Verordnung, Art. 10 III-V, Art. 14 II und III, 15 II, 25 II, 27 I EGBGB) wirksam zustande gekommen ist. Das Revisionsgericht ist jedoch an die tatsächlichen Feststellungen gebunden, § 559 II ZPO Ausnahme (vorbehaltlich Rz. 2602: AGB, denen ausländisches Recht das „Gepräge“ gibt): Zulässig ist die Nachprüfung sog. typischer Vertragsklauseln in Formularverträgen. Für eine größere Zahl von gleichartigen Rechtsverhältnissen gleichmäßig verwendete Klauseln, z.B. hinsichtlich der Rechtswahl, darf das Revisionsgericht unter den Voraussetzungen des § 545 I ZPO97 selbst auslegen.98
93 BGH vom 12.11.2003, NJW-RR 2004, 308 = WM 2004, 1183 = MDR 2004, 448 = IPRspr. 2003/3. 94 BGH vom 8.1.1985, BGHZ 93, 214 = NJW 1985, 1285 = IPRspr. 1985 Nr. 37; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 280. Großzügiger Fastrich ZZP 94 (1984), 423; rechtsvergleichend Kerameus ZZP 99 (1986), 166. 95 BGH vom 2.5.1966, BGHZ 45, 351, 354 = AWD 1966, 331 = MDR 1966, 918 = NJW 1966, 2270 = IPRspr. 1966–1967 Nr. 3; Raape/Sturm, Internationales Privatrecht7, 1977, 313. 96 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, ABl. EU Nr. L 177 vom 4.7.2008, S. 6. 97 BGH vom 17.11.1969, NJW 1970, 321. 98 BAG vom 21.3.1985, IPRspr. 1985 Nr. 49.
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Neunter Teil: Anwendung ausländischen Rechts 4. Nachprüfung des ausländischen Rechts auf seine Vereinbarkeit mit dem deutschen ordre public – „Eviction de la loi normalement compétente par l’ordre public“ 2614 § 545 I ZPO verbietet nicht die Nachprüfung, ob den vom Tatrichter angewandten Normen der deutsche ordre public99 entgegensteht. Denn der ordre public ist Bestandteil der deutschen Rechtsordnung.100 Dabei ist aber das Revisionsgericht an die tatrichterlichen Feststellungen über den Inhalt der in Rede stehenden ausländischen Norm gebunden. Es kann nicht etwa den ordre public-Verstoß verneinen, weil in Wahrheit der ausländische Rechtssatz anders laute oder anders auszulegen sei. Es kann auch die Anwendbarkeit des ordre public verneinen, obgleich diese Frage das OLG bejaht hatte.101 5. Nachprüfung des § 293 ZPO 2615 Die Frage, ob der Richter seiner Pflicht, den Inhalt des maßgeblichen ausländischen Rechts festzustellen, nachgekommen ist, ist revisibel, denn es geht um die Einhaltung des § 293 ZPO, Rz. 2579, 2587. Das Gericht darf die Parteien nicht mit der Anwendung ausländischen Rechts überraschen. Die Parteien müssen die Möglichkeit haben, zur Maßgeblichkeit dieses Rechts und zu seinem Inhalt Stellung zu nehmen. Anderenfalls ist das rechtliche Gehör verletzt. Der Bundesgerichtshof verschärft zusehends die revisionsgerichtliche Kontrolle der Ermittlung ausländischen Rechts durch die Instanzgerichte. Dies ist zu begrüßen.102 2616 Die revisionsgerichtliche Kontrolle des § 293 ZPO glich vor Neufassung des § 545 ZPO einer Gratwanderung, Rz. 2581. Einerseits sollte das Verbot der Nachprüfung ausländischen Rechts in der Revisionsinstanz – wie sehr dieses auch rechtspolitisch umstritten sein mag – nicht auf dem Umweg über die Verfahrensrüge der Verletzung des § 293 ZPO unterlaufen werden können, andererseits bedurfte es aus rechtsstaatlichen Gründen einer wirksamen Kontrolle der Instanzgerichte angesichts des weltweit zu konstatierenden home-trends und der damit zusammenhängenden Reserviertheit gegenüber ausländischen Rechtsordnungen und der Hilflosigkeit, ausländisches Recht zu handhaben. Es musste verhindert werden, dass es im Belieben der unteren Gerichte steht, ob und mit welcher Intensität sie ausländisches Recht ermitteln. Leider lassen sich die An-
99 Art. 6 EGBGB, § 328 I Nr. 4, § 1059 II Nr. 2 (b), § 1061 ZPO in Verbindung mit Art. V (2) (b) VNÜ; § 109 I Nr. 4 FamFG, § 343 I 2 Nr. 2 InsO. 100 Zustimmend Adamczyk, Die Überprüfung der Anwendung ausländischen Rechts durch den Bundesgerichtshof und das schweizerische Bundesgericht im Zivilprozess, 1999, 129; Jansen/Michaels ZZP 116 (2003), 3, 45, jeweils mit weiteren Nachweisen. 101 OGH für die britische Zone vom 22.9.1950, OGHZ IV, 251, 254 = NJW 1951, 73 = IPRspr. 1950–1951 Nr. 1; BAG vom 26.2.1985, NJW 1985, 2910 = IPRspr. 1985 Nr. 48. 102 BGH vom 16.10.1986, RIW 1987, 150 = NJW 1987, 591 = IPRspr. 1986 Nr. 3; BGH vom 30.4.1992, BGHZ 118, 151 = NJW 1992, 2026 = MDR 1992, 765 = RIW 1992, 761 = IPRax 1993, 87 (Hanisch) = LM § 106 KO Nr. 9 (R. Geimer) = IPRspr. 1992 Nr. 265; Fastrich ZZP 94 (1984), 435; Sommerlad RIW 1991, 856.
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Revisibilität ausländischen Rechts forderungen nicht generell-abstrakt bestimmen. Dies hat der BGH103 deutlich dargelegt. Er hat sich damit Flexibilität bei der Nachprüfung vorbehalten, ob den Anforderungen der § 293 ZPO Genüge getan wurde. Dies bedeutet, dass es auf die „jeweiligen Umstände des Einzelfalls“ ankommt. Die Chancen einer auf die Verletzung des § 293 ZPO gestützten Revision lassen sich also schwer abschätzen.104 Im Einzelnen argumentiert der Bundesgerichtshof wie folgt: Die Anforderungen, 2617 die an Umfang und Intensität der Ermittlungspflicht des Tatrichters zu stellen sind, lassen sich nur in sehr eingeschränktem Maße generell-abstrakt bestimmen. So wird es regelmäßig ermessensfehlerhaft sein, wenn der Tatrichter seiner Entscheidung statt des maßgebenden Rechts eines bestimmten Staates das Recht eines anderen Staates zugrunde legt105 oder wenn er überhaupt nicht zu erkennen gibt, ob und auf welche Weise er zu klären versucht hat, ob ein von ihm angewendeter Rechtssatz in dem ausländischen Recht besteht.106 Es genügt auch nicht, wenn der Richter das ausländische Recht nur in seinen „Grundlagen“ und nicht als Ganzes ermittelt hat.107 An die Ermittlungspflicht werden um so höhere Anforderungen zu stellen sein, 2618 je komplexer oder je fremder das anzuwendende Recht im Vergleich zum eigenen ist.108 Stimmt eine Norm des ausländischen Rechts mit einer Vorschrift des inländischen überein, ist sie gar von diesem Recht übernommen, wird es namentlich bei auch sonst verwandten Rechtsordnungen nicht selten nahe liegen, der ausländischen Bestimmung dieselbe Bedeutung wie der entsprechenden in103 BGH vom 30.4.1992, BGHZ 118, 151 = NJW 1992, 2026 = MDR 1992, 765 = RIW 1992, 761 = IPRax 1993, 87 (Hanisch) = LM § 106 KO Nr. 9 (R. Geimer) = IPRspr. 1992 Nr. 265;; BGH vom 10.4.2002, NJW 2002, 3335 (Pfeiffer 3306) = RIW 2002, 556 = WM 2002, 2387 = MDR 2002, 1024 = IHR 2003, 47 = LM § 554a ZPO Nr. 24 (R. Geimer) = IPRspr. 2002 Nr. 2; BGH vom 23.4.2002, NJW-RR 2002, 1359 = WM 2002, 1186 = MDR 2002, 899 = ZIP 2002, 1155 = BB 2002, 1227 = IHR 2002, 38 = IPRspr. 2002 Nr. 3; BGH vom 22.9.2004, NJW-RR 2005, 357 = IPRspr 2004 Nr. 1. 104 Sehr deutlich z.B. Jansen/Michaels ZZP 116 (2003), 3, 46, welche die Rechtsprechung des BGH als „kaum konsistent oder vorhersehbar“ bezeichnen: „Will der BGH ein bestimmtes Ergebnis nicht akzeptieren, kann er es darauf zurückführen, die Instanzgerichte hätten nicht genügend ermittelt . . . Billigt er dagegen das Ergebnis, so kann er sogar . . . Lücken bei der Ermittlung für irrelevant erklären, weil sie das richtige Ergebnis nicht beeinflusst hätten . . . Vorschläge in der Literatur für eine objektive Abgrenzung von Ermittlung und Anwendung dürften schon deshalb wenig Aussicht auf Umsetzung haben, weil der BGH sich wahrscheinlich nicht die flexible Möglichkeit wird nehmen lassen wollen, argumentativ nicht überzeugende Urteile ebenso aufzuheben wie deskriptiv falsche“. 105 BGH vom 15.12.1986, BGHZ 99, 207 = NJW 1987, 1145 = RIW 1987, 215 = LM § 38 ZPO Nr. 26 = WM 1987, 273, 274= IPRax 1988, 26 (Basedow 15) = EWiR 1987, 405 (R. Geimer) = IPRspr. 1986 Nr. 128b. 106 BGH vom 29.6.1987, NJW 1988, 647 = LM § 293 ZPO Nr. 14 = WM 1987, 1265. 107 BGH vom 8.5.1992, NJW 1992, 3106 = RIW 1992, 673 = WM 1992, 1510 = MDR 1992, 899 = IPRspr. 1992 Nr. 1. 108 Vgl. etwa BGH vom 21.1.1991, NJW 1991, 1418, 1419 = NJW-RR 1991, 1211 = RIW 1991, 514 (Sommerlad 856) = IPRax 1992, 324 (Kronke 303) = LM § 293 ZPO Nr. 16 = WM 1991, 862, 863, WuB VII A § 293 ZPO 2.91 (Thode) = IPRspr. 1991 Nr. 1b.
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Neunter Teil: Anwendung ausländischen Rechts ländischen beizumessen.109 Zwingend ist dies freilich nicht, weil das ausländische Gesetz im Einklang mit der gesamten ausländischen Rechtsordnung auszulegen ist, so dass auch wörtlich übereinstimmende Normen zweier Rechtsordnungen nicht notwendig dieselben Rechtsfolgen haben müssen.110 Angesichts der nunmehr eingeführten Revisibilität ausländischen Rechts (§ 545 I ZPO n.F.; § 72 I FamFG, Rz. 2601) hängt der Erfolg der Revision in Auslandsfällen nicht allein davon ab, ob die Verfahrensrüge der Verletzung des § 293 ZPO das Plazet des BGH findet oder nicht.
VII. Recht der Europäischen Gemeinschaften 2618a Für die Feststellung des in Deutschland geltenden primären und sekundären Gemeinschaftsrechts gilt § 293 ZPO nicht.111
VIII. Keine Kostenvorschusspflicht 2619 Da ausländisches Recht von Amts wegen zu ermitteln ist, darf keine Partei zum Kostenvorschuss aufgefordert werden. Geschieht dies dennoch, dürfen den Parteien durch die Nichtzahlung des angeforderten Vorschusses keine Rechtsnachteile entstehen.112
IX. Rechtstatsächliches – Foralpraxis praeter legem 2620 Es wird – ohne dass genaue rechtstatsächliche Untersuchungen vorliegen – die starke Vermutung geäußert, dass vor allem in untergerichtlichen Verfahren die Maßgeblichkeit ausländischen Rechts gar nicht in Erwägung gezogen oder sogar bewusst ignoriert wird. Schwimann spricht von einer Foralpraxis praeter legem.113 2621 Bei Entscheidungen zum internationalen Schuldrecht wird oft erst in der Revisionsinstanz die Frage nach der maßgeblichen Rechtsordnung gestellt; zuvor war der gesamte Rechtsstreit in zwei Instanzen ohne weiteres Nachdenken nach deutschem Recht abgewickelt und entschieden worden. 2622 Der Bundesgerichtshof hat hier jeweils eine stillschweigende Wahl des deutschen Rechts angenommen. Das ist jedoch bedenklich; denn von einer „Rechtswahl“ kann wohl dann nicht gesprochen werden, wenn den Parteien die kollisionsrechtliche Problematik überhaupt nicht bekannt war, Rz. 2573. 109 Fastrich ZZP 97 (1984), 423, 430; BGH vom 4.2.1960, LM § 602 ZPO Nr. 1 = WM 1960, 374, 375 = IPRspr. 1960–1961 Nr. 4 unter Nr. 4; BGH vom 28.5.1971, WM 1971, 1094, 1095 = IPRspr. 1971 Nr. 2. 110 BGH vom 13.7.1959, NJW 1959, 1873 = LM § 549 ZPO Nr. 49 = WM 1959, 1110 = IPRspr. 1958–1959 Nr. 3. 111 Schütze in Wege zu einem europäischen Zivilprozessrecht, 1992, 93. 112 Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht, 1985, 120. 113 Schwimann ZfRV 1979, 216; Buciek, Beweislast und Anscheinsbeweis im internationalen Recht, Diss. Bonn 1984, 2.
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Vorlage der Auslegungsfrage zum ausländischen Recht
X. Europäisches Übereinkommen vom 7.6.1968 betreffend Auskünfte über ausländisches Recht114 Vorgesehen ist nur eine Antwort auf abstrakte Rechtsfragen, nicht die Erstellung 2623 eines Gutachtens für den konkreten Rechtsstreit. Daher machen die deutschen Gerichte von den im Übereinkommen vorgesehenen Auskunftsmöglichkeiten nur sehr zurückhaltend Gebrauch.115
XI. Völkerrecht Völkerrecht ist kein ausländisches Recht im Sinne von § 293 ZPO. Es gilt vielmehr der Grundsatz iura novit curia.116 Bei Zweifeln ist nach Art. 100 II GG zu verfahren, Rz. 2595.
2624
XII. Völkerrechtliche Verpflichtung zur Anwendung ausländischen Rechts Ein Staat, der grundsätzlich nur eigenes Recht auf alle Sachverhalte „all over the 2625 world“ anwenden wollte, verstieße gegen das Völkerrecht, Rz. 168. Siehe aber auch Rz. 175, 271a.
XIII. Exkurs I: Internationale Gerichte Völkerrechtliche Gerichte wenden nur Völkerrecht als Recht an. Sie beachten nationales Recht nur als Tatsachen.117
2626
XIV. Exkurs II: Vorlage der Auslegungsfrage zum ausländischen Recht an das jeweilige ausländische Höchstgericht In der Literatur118 erörtert und von der Internationalen Vereinigung der Rich- 2627 ter119 vorgeschlagen wurde ein Vorlageverfahren an das jeweilige nationale Höchstgericht des Staates, dessen Recht aus der Sicht des konkret angerufenen Gerichts maßgeblich ist. Ein solches Vorlageverfahren ist jedoch bisher nicht eingeführt worden. 2628–2629
114 BGBl. 1974 II 938. 115 Einzelheiten bei Prütting in Münchener Kommentar zur ZPO2, 2000, § 293 Rz. 35 ff. sowie Schellak, Selbstermittlung oder ausländische Auskunft unter dem europäischen Rechtsauskunftsübereinkommen, 1998. 116 Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 45 Fußn. 108. 117 Heß, Staatenimmunität bei Distanzdelikten, 1992, 330 Fußn. 66. 118 Nachweise z.B. bei Jansen/Michaels ZZP 116 (2003), 3, 49. 119 Resolution vom 24. September 1966, RabelsZ 32 (1968), 150.
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Zehnter Teil: Durchführung in Deutschland anhängiger Verfahren mit Auslandsberührung I. Überblick 2630 Steht fest, dass für einen konkreten Rechtsstreit die Gerichtsbarkeit (Rz. 371 ff.) und die internationale Zuständigkeit Deutschlands (Rz. 844 ff.) zu bejahen ist, dann ist der Prozess grundsätzlich nach der deutschen lex fori durchzuführen, Rz. 319. Gleichwohl ergeben sich bei Auslandsberührungen eine Reihe von Abgrenzungsfragen, die – soweit sie nicht bereits in den voranstehenden Kapiteln abgehandelt worden sind – im Folgenden kurz skizziert werden sollen.
II. Rechtsschutzgewährung durch die Gerichte 2631 Allein das deutsche Recht regelt die Verteilung der staatlichen Aufgaben zwischen Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung. Ob in concreto eine Verwaltungsangelegenheit oder eine Rechtsprechungsaufgabe gegeben ist, entscheidet nicht die ausländische lex causae, sondern das deutsche Recht.
III. Aufteilung unter die verschiedenen Gerichtsbarkeiten 2632 Das Gleiche gilt für die Aufteilung der Rechtsprechungsaufgaben auf die einzelnen Gerichtsbarkeiten. Deshalb befindet z.B. das deutsche Recht darüber, ob ein konkreter Fall in den Bereich der streitigen oder der freiwilligen Gerichtsbarkeit gehört, vgl. z.B. früher die „Zweispurigkeit“ bei der Ehelichkeitsanfechtung (§ 1599 BGB) und im Vaterschaftsfeststellungsprozess (§ 1600d BGB): Entscheidung im Zivilprozess (streitige Gerichtsbarkeit), wenn beide Parteien (Vater und Kind) (noch) leben; jedoch Zuweisung an die freiwillige Gerichtsbarkeit nach Tod von Vater oder Kind.1 Seit 1.9.2009 wurde durch das FamFG (§§ 169 ff.) diese Verfahrensdiversität beseitigt.
IV. Besondere Formen des Zivilprozesses 2633 Ob und wie ein Anspruch im Wechsel- bzw. Scheckprozess geltend gemacht werden kann, entscheidet nicht die lex causae, sondern die deutsche lex fori.2 Diese bestimmt auch über die Beschränkung der Beweismittel, Rz. 2329. Das Gleiche gilt auch für das Mahnverfahren. § 688 I ZPO n.F. lässt – im Interesse
1 § 1600e II BGB, §§ 55b, 56c FGG; KG FamRZ 1998, 382 (betreffend Restitutionsverfahren). Siehe auch Siehr in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Art. 19 EGBGB Rz. 54. 2 LG Mainz vom 13.12.1974, WM 1975, 149 = IPRspr. 1974 Nr. 27; BGH vom 7.12.1981, IPRax 1982, 189, siehe auch Rz. 2299 und Basedow in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 150 Fußn. 52.
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Klagearten der elektronischen Datenverarbeitung – das Mahnverfahren nur mehr für Ansprüche auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme in Euro zu.3 Welche Prozesse als Ehesachen (§ 121 FamFG) bzw. als Abstammungssachen (§ 169 Nr. 1 und Nr. 4 FamFG) oder als Lebenspartnerschaftssachen (§ 269 I Nr. 1 und Nr. 2 FamFG) im Statusverfahren zu entscheiden sind, bestimmt allein das deutsche Recht. Dies schließt nicht aus, die deutschen Verfahrensvorschriften so auszulegen, dass Streitgegenstände, die als solche dem deutschen Recht nicht bekannt sind, unter diese besonderen Verfahrensarten zu subsumieren sind. So ist z.B. anerkannt, dass die Klage auf Trennung von Tisch und Bett (die das deutsche materielle Recht nicht mehr kennt) im Statusverfahren nach § 121 FamFG zu erheben ist.4
2634
V. Klagearten Die Art und Weise der Rechtsschutzgewährung fällt in den „Zuständigkeitsbereich“ der lex fori. So beurteilt sich die Zulässigkeit einer Klage auf künftige Leistung (§ 259 ZPO) nach der deutschen lex fori, nicht nach der lex causae.5 Das Gleiche gilt für Stufenklagen.6
2635
Auch die Zulässigkeit von Feststellungsklagen richtet sich nach deutschem 2636 Recht,7 Rz. 985. Etwas anderes gilt jedoch für die Zulässigkeit der Vaterschaftsfeststellungsklage. Hierüber befindet die lex causae.8 3 Dies verstößt nicht gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV, EuGH vom 29.10.1980, Rs 22/80 – Boussac Saint-Frères/Gerstenmeier Slg. 1980, 3427 = RIW 1981, 486, Rz. 246t. Zur Geltendmachung von Fremdwährungsforderungen im Mahnverfahren BGH vom 5.5.1988, BGHZ 104, 268 = NJW 1988, 1964 = RIW 1988, 736 = WM 1988, 1032 = IPRax 1989, 293 (Hanisch 276). 4 Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 606a Rz. 14. 5 Diese beantwortet lediglich die materiell-rechtliche Frage, ob ein Anspruch auf künftige Leistung besteht. 6 Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 5 Rz. 2, 19; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, IZPR Rz. 9; Beispiele: AG Düsseldorf vom 4.7.1995, IPRspr. 1995 Nr. 64; OLG Frankfurt vom 9.4.1998, RIW 1998, 807 = VersR 1999, 1428 = IPRspr. 1998 Nr. 22. 7 Remien, Rechtsverwirklichung durch Zwangsgeld, 1992, 297 Fußn. 36; Schack BerDGVR 32 (1992) 335, 340. Anderer Auffassung Niederländer RabelsZ (1955) 50; Grunsky 89 (1976), 258; Böhm in Festschrift Fasching, 1988, 117; KG FamRZ 1968, 646 = IPRspr. 1968–69/78. Lässt die lex causae die Klage auf Feststellung von Tatsachen zu, so ist dies für den deutschen Richter unbeachtlich. Umgekehrt gilt das Gleiche: Kennt die lex causae die Feststellungsklage nicht oder nicht in dem Umfang wie das deutsche Recht, so kann gleichwohl gemäß § 256 ZPO eine Feststellung begehrt werden. AA Niederländer RabelsZ 50 (1955), 50; Grunsky ZZP 89 (1976) 258 Fußn. 58. Nachweise bei Birk 177 Fußn. 30. Ob ein Feststellungsinteresse gegeben ist, beurteilt sich nach der lex fori, Riezler IZPR 133, Schnorr v. Carolsfeld in Festschrift Lent, 1956, 252 Fußn. 33a g.E; MüllerFreienfels JZ 1957, 148; kritisch Birk 180 und H. Roth in Festschrift Stree/Wessels, 1993, 1058. 8 Anders tendenziell M. Jacobs, Der Gegenstand des Feststellungsverfahrens – Rechtsverhältnis und rechtliches Interesse bei Feststellungsstreitigkeiten vor Zivil- und Arbeitsgerichten, 2005.
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Zehnter Teil: In Deutschland anhängige Verfahren 2637 Die Zulässigkeit einer (vorbeugenden) Unterlassungsklage vor deutschen Gerichten9 richtet sich nach der lex fori,10 ihre Begründetheit nach der lex causae.11 2638 Ob eine richterliche Rechtsgestaltung notwendig ist, bestimmt die lex causae. Die Durchführung des Klageverfahrens vor dem deutschen Gericht erfolgt jedoch wieder nach der lex fori. 2639 Beispiele: Während nach §§ 119 ff. BGB eine durch Irrtum, Täuschung oder Drohung beeinflusste Willenserklärung durch eine Anfechtungserklärung (§ 142 BGB) vernichtet wird, bedarf es nach französischem Recht einer Anfechtungsklage (action en nullité, Art. 1304 C.c.).12 Bei Nichterfüllung des gegenseitigen Vertrages hat der vertragstreue Vertragspartner ein Rücktrittsrecht, § 326 I 2 BGB; nach französischem Recht muss er eine Klage auf Auflösung des Vertrages erheben, Art. 1184 C.c.13 Ebenso Art. 1668, 2226 II Codice civile. Aufrechnung und Verjährung (Rz. 351) können bei Maßgeblichkeit englischen oder US-amerikanischen Rechts nicht außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens eingewandt werden. Es muss der Richter eingeschaltet werden.14 Aus deutscher Sicht handelt es sich hierbei nicht um die Anwendung ausländischen Prozessrechts, sondern ausländischen materiellen Rechts, dessen Anwendung das deutsche internationale Privatrecht gebietet (vorbehaltlich Rück- oder Weiterverweisung).15 2640 Nach englischem Recht ist eine bigamische Ehe ohne weiteres nichtig. Einer Aufhebungsklage (§ 1314 I BGB)16 bedarf es nicht.17 Bei unterschiedlicher Staatsangehörigkeit der Verlobten (Art. 13 EGBGB) sind auf die Wirksamkeit der Eheschließung beide Rechtsordnungen kumulativ anzuwenden. Es gilt der „Grundsatz des ärgeren Rechts“. Liegt nach einer Rechtsordnung eine Nichtehe
9Zur internationalen Zuständigkeit nach EuGVÜ bzw. nach der EuGVVO siehe die (erledigte) Vorlage zum EuGH durch BGH vom 17.3.1994, RIW 1994, 591, 678 = EWS 1994, 215 (Mankowski 305) = GRUR 1994, 530 = GRUR Int. 1994, 762, 963 = IPRspr. 1994 Nr. 138. 10 Böhm in Festschrift Fasching, 1988, 121. 11 Anderer Auffassung Schack BerDGVR 32 (1992) 335 sowie LG Frankfurt a.M. vom 22.4.1994, NJW-RR 1994, 1493 = JbItR 8 (1995), 246 = IPRspr. 1994 Nr. 48. Weitere Nachweise bei Fricke, Der Unterlassungsanspruch gegen Presseunternehmen zum Schutz des Persönlichkeitsrechts im _IPR, Diss. München 2003. 12 Hierzu Klein, Die Unwirksamkeit von Verträgen nach französischem Recht, 2009. – Ebenso Art. 1427 Codice civile und Art. 1485, 1357 des niederländischen Burgerlijke Wetboek; OLG Oldenburg vom 5.11.1975, IPRspr. 1975 Nr. 15. 13 Zur Zurückdrängung des Grundsatzes der richterlichen Vertragsauflösung Cour de cassation (1. Chambre civile) vom 20.2.2001, Bull. Civ. I Nr. 40 = D 2001 Jur 1568 (Jamin) = RIW 2002, 866, 869. 14 Kegel IPRax 1983, 23; Walther J. Habscheid ZfRV 1985, 308; R. Geimer IPRax 1986, 210. 15 Martiny in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 312. 16 Früher Nichtigkeitsklage, § 23 EheG. 17 LG Hamburg vom 16.5.1973, FamRZ 1973, 602 = IPRspr. 1973 Nr. 34 (zulässig jedoch eine nach der deutschen lex fori zu beurteilende Feststellungsklage).
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Klagearten vor bzw. eine nichtige Ehe, auf deren Nichtigkeit sich jedermann – ohne/vor Durchführung eines (gerichtlichen) Nichtigkeits- bzw. Aufhebungsverfahrens – berufen kann, so ist es unerheblich, welchen Standpunkt die andere Rechtsordnung einnimmt.18 Ähnlich war es vor der Reform des deutschen Kindschaftsrechts bei der Gel- 2640a tendmachung der Nichtehelichkeit eines Kindes ohne Durchführung eines besonderen gerichtlichen Verfahrens.19 Die Erbunwürdigkeit tritt nach französischem Recht (Art. 272 C.c.) eo ipso ohne Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens ein (anders §§ 2340, 2342 BGB).20
2640b
Gegen die Zulässigkeit der Rechtsgestaltung durch den deutschen Richter auf- 2641 grund ausländischen Rechts lässt sich nicht mit dem Hinweis auf den numerus clausus der Gestaltungsurteile argumentieren. Denn das deutsche internationale Privatrecht bestimmt ja die Anwendbarkeit der ausländischen Norm, welche die Rechtsgestaltung durch den Richter vorsieht.21 Art. 17 II EGBGB begründet – unabhängig von der maßgeblichen lex causae22 – 2641a ein Scheidungsmonopol der deutschen Gerichte auch bei ausländischem Scheidungsstatut. Daher ist eine Scheidung von Ausländern in Deutschland durch Rechtsgeschäft aus deutscher Sicht nicht wirksam; anerkannt wird aber eine ausschließlich im Ausland vollzogene Privatscheidung,23 sofern hierfür die Voraussetzungen des nach Art. 17 EGBGB maßgeblichen ausländischen Rechts eingehalten sind.24 Unwirksam ist aber aus deutscher Perspektive eine im Ausland 18 Die Klagebefugnis (insbesondere Dritter) richtet sich nach der lex causae. Dies gilt jedoch nicht für die Klagebefugnis des Staatsanwalts bzw. der in § 1316 I Nr. 1 BGB vorgesehenen, durch Landesverordnung bestimmten Verwaltungsbehörde, Staudinger/ Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Anh. zu § 606a ZPO Rz. 115. Vgl. auch Rz. 3064. 19 Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 640a Rz. 25; AG Hamburg vom 16.9.1983, DAVorm 1983, 748 = IPRspr. 1983 Nr. 76; KG IPRax 1984, 42; 85, 48 = IPRspr. 1983 Nr. 77; BGH vom 15.2.1984, BGHZ 90, 129 = NJW 1984, 1299 = FamRZ 1984, 576 = MDR 1984, 563 = IPRax 1986, 35 (Klinkhardt 21) = IPRspr. 1984 Nr. 96. 20 Schlechtriem, Ausländisches Erbrecht im deutschen Verfahren, 1966, 89. 21 IPG 1975 Nr. 39 (München) – Herabsetzungsklage, Art. 522, 525 Schweizer ZGB. Vgl. auch Staudinger/Dörner, Internationales Erbrecht – Art. 25, 26 EGBGB, Neubearbeitung 2007, Art. 25 EGBGB Rz. 846. 22 Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 5 Rz. 17. 23 Vorbehaltlich Art. 6 EGBGB. Allerdings soll – bei Maßgeblichkeit eines ausländischen Scheidungsstatuts (Art. 17 EGBGB) – allein die Einseitigkeit der Scheidungserklärung (Verstoßung, talaq) durch den Ehemann als solche nicht gegen den deutschen ordre public verstoßen. Jedoch sei der verfahrensrechtliche ordre public unter dem Gesichtspunkt des (fehlenden) rechtlichen Gehörs der Ehefrau verletzt, wenn diese von der Verstoßungsabsicht des Ehemanns keine Kenntnis erlangt hat und sie auch im Nachhinein mit der Scheidung nicht einverstanden war, OLG-Präsidentin Frankfurt/Main vom 22.3.2004, StAZ 2004, 367 = IPRspr. 2004 Nr. 4. Nachweise auch bei Gärtner, Die Privatscheidung im deutschen und gemeinschaftsrechtlichen Internationalen Privat- und Verfahrensrecht – Außergerichtliche Ehescheidungen im Spannungsfeld von kultureller Diversität und Integration, 2008. 24 BGH vom 2.2.1994, NJW-RR 1994, 642 = FamRZ 1994, 434, 435 = MDR 1994, 690 = IPRax 1995, 111 (Henrich 86) = LM Art. 17 EGBGB Nr. 6 (R. Geimer) = IPRspr. 1994
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Zehnter Teil: In Deutschland anhängige Verfahren durchgeführte rechtsgeschäftliche Scheidung (z.B. durch Verstoßung bzw. Übergabe des Scheidebriefs) mit oder ohne Mitwirkung einer ausländischen staatlichen Behörde, eines Notars oder einer religiösen Instanz,25 sofern nach deutschem internationalen Privatrecht26 (Art. 17 EGBGB) deutsches Recht als Scheidungsstatut maßgeblich ist.27 Denn dieses verlangt Scheidung durch Richterspruch, § 1564 S. 1 BGB. Ein Verbot der révision au fond (Rz. 2910) mit der Folge einer nur auf den ordre public beschränkten Sachprüfung kommt nicht in Betracht, weil § 328 ZPO auf Privatscheidungen nicht anzuwenden ist.28 Maßgeblich ist vielmehr der IPR-approach über Art. 17 EGBGB. Betroffen von der unbeschränkten Durchsetzung des § 1564 S. 1 BGB sind nicht nur Ehen zwischen deutschen Staatsangehörigen, sondern auch deutsch-ausländische Ehen29 und Ehen zwischen Ausländern mit verschiedenen Staatsangehörigkeiten und gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, für die gemäß Art. 17 EGBGB deutsches Recht als Scheidungsstatut maßgeblich ist.30
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Nr. 77; BayObLG vom 7.4.1998, BayObLGZ 1998, 103, 106 = FamRZ 1998, 1594 = IPRspr. 1998 Nr. 71; OLG Braunschweig vom 19.10.2000, FamRZ 2001, 561 (Gottwald) = IPRspr. 2000 Nr. 168. Sehr großzügig OLG-Präsidentin Frankfurt/Main vom 19.11.2001, StAZ 2003, 137 = IPRspr. 2002/203. Zur Rabbinatsscheidung R. Geimer LM Art. 17 EGBGB 1986 Nr. 6; Hirschfeld, Die Anwendung von Get Statutes und die Anerkennung von auf Get Statutes beruhenden ausländischen Urteilen in Deutschland, 2006. Ebenso schon vor der IPR-Reform 1986 die Rechtsprechung des BGH, BGH vom 14.10.1981 BGHZ 82, 34 = NJW 1982, 517 = FamRZ 1982, 44 = MDR 1982, 126 = IPRax 1983, 37, 38 (Kegel 22) = IPRspr. 1981 Nr. 192 und BGH vom 21.2.1990, BGHZ 110, 267 = NJW 1990, 2194 = MDR 1990, 624 = FamRZ 1990, 607 = IPRspr. 1990 Nr. 216: § 1564 S. 1 BGB habe verfahrensrechtlichen Gehalt insoweit, als er ein gerichtliches Verfahren vorschreibe. Die deutsche lex fori bestimme nicht nur, in welcher Form ein eingeleitetes Verfahren abläuft, sondern auch, ob und welches Verfahren im Inland zur Verfolgung eines bestimmten rechtlichen Ziels beschritten werden muss. Wäre die verfahrensrechtliche Qualifikation richtig, könnten deutsche Eheleute den Scheidungsprozess durch rechtsgeschäftliche Scheidung im Ausland (z.B. Thailand) ersetzen. Anderer Auffassung Kegel IPRax 1983, 23. Dies ist nach der vorherrschenden Meinung auch dann der Fall, wenn das maßgebliche Scheidungsstatut in Anwendung von Art. 17 I EGBGB (es kommt auf den Zeitpunkt der Scheidungserklärung an) mangels Anknüpfungspunkte gemäß Art. 14 I Nr. 1 – Nr. 3 EGBGB nicht festgestellt werden kann. Es ist dann vom deutschen Recht auszugehen, welches eine Privatscheidung verbietet, Rz. 2600. Direkt auf das deutsche Recht zusteuernd KG vom 6.11.2001, FamRZ 2002, 840, 842 = IPRspr. 2001 Nr. 193. BGH vom 2.2.1994, NJW-RR 1994, 642 = FamRZ 1994, 434 = MDR 1994, 690 = IPRax 1995, 111 (Henrich 86) = LM Art. 17 EGBGB Nr. 6 (R. Geimer) = IPRspr. 1994 Nr. 77. BGH vom 2.2.1994, NJW-RR 1994, 642 = FamRZ 1994, 434, 435 = MDR 1994, 690 = IPRax 1995, 111 (Henrich 86) = LM Art. 17 EGBGB Nr. 6 (R. Geimer) = IPRspr. 1994 Nr. 77. Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. Siehe auch Erman/Hohloch, BGB12, 2008, Art. 17 EGBGB Rz. 46 und zu den Privat- und Schlichtungsscheidungen in Japan z.B. Nishitani IPRax 2002, 49, 52.
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Präklusionsvorschriften
VI. Klagefristen Nach herrschender Meinung sind die Fristen31 für statusverändernde Klagen in 2642 Ehe-, Lebenspartnerschafts-, Abstammungs- und Erbschaftssachen materiellrechtlich zu qualifizieren, mit der Folge, dass bei ausländischem Statut wegen Ablaufs der Frist im Inland die Klage aussichtslos ist, obwohl bei Maßgeblichkeit deutschen Rechts die Frist noch nicht abgelaufen wäre. Beispiele: Nach Art. 119 des türkischen ZGB beträgt die Frist zur Anfechtung der Ehe ein halbes Jahr.32 Nach griechischem Recht endet die Frist für die Anfechtung der Ehelichkeit eines Kindes nach Eintritt der Volljährigkeit, Art. 1469 S. 1 Nr. 3, 1470 Nr. 3 griech. ZGB.33 Die Abweichung von der Zweijahresfrist des § 1600b BGB ist nicht ordre public-widrig, auch nicht die Sechsmonatsfrist des tschechischen Rechts.34 Der ordre public (Art. 6 EGBGB) ist jedoch verletzt, wenn die lex causae nur dem Ehemann (= Scheinvater), nicht aber dem Kind eine Anfechtungsmöglichkeit gibt.35 Dies gilt jedoch nur, sofern die Klage- bzw. Antragsfristen (vorwiegend) einen materiell-rechtlichen „Hintergrund“ haben. Anders ist es jedoch, wenn die ratio legis auf verfahrensökonomischen Erwägungen basiert, z.B. die Regel, dass Scheidungsunterhalt nur im Verbund mit dem Scheidungsantrag und nicht mehr später in einem eigenen Verfahren geltend gemacht werden kann.36
VII. Präklusionsvorschriften Die Prozessförderungspflicht der Parteien (§ 282 ZPO) ist unabhängig davon, ob in der Sache deutsches oder ausländisches Recht zur Anwendung kommt: Verspäteter Tatsachenvortrag ist auch bei ausländischer lex causae nach der deutschen lex fori (§§ 296, 531 ZPO) zurückzuweisen. Ist das Vorbringen nach deutschem Recht rechtzeitig, so ist es zu berücksichtigen, auch wenn es nach den Regeln der lex causae verspätet ist.37
31 Übersicht über die verschiedenen Arten der Klagefristen aus der Sicht des deutschen Rechts z.B. bei Assmann in Wieczorek/Schütze, ZPO3, 2008, Rz. 115 ff. vor § 253. 32 Hierzu z.B. AG Lüdenscheid vom 23.12.1997, NJW-RR 1998, 866 = FamRZ 1999, 441 = IPRspr. 1997 Nr. 65. 33 AG Waldkirch vom 29.3.1985, IPRspr. 1985 Nr. 81. 34 BGH vom 20.6.1979, BGHZ 75, 33, 43 = IPRspr. 1979 Nr. 83. 35 OLG Nürnberg vom 30.10.1985, NJW-RR 1986, 301 = IPRspr. 1985 Nr. 84 (Rz. 1954). 36 Dann ist die lex fori maßgeblich. 37 Deshalb hat z.B. das LAG München vom 22.8.1990, IPRax 1992, 97, 100 (Däubler 82) = IPRspr. 1991 Nr. 62 in einem Kündigungsschutzprozess gegen einen in Italien domizilierten Arbeitgeber zu Recht Art. 416 I codice di procedura civile nicht angewandt. (Nach dieser Vorschrift müssen alle Einwendungen, die nicht von Amts wegen zu beachten sind, bereits in der Klageerwiderung vorgebracht werden.).
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2643
Zehnter Teil: In Deutschland anhängige Verfahren
VIII. Streitgegenstand 2644 Der Streitgegenstand wird nicht durch die kollisionsrechtliche Einordnung begrenzt.38 Wird in Frankreich Klage aus einem Vertrag erhoben und behauptet, dieser unterstehe französischem Recht, so ist Identität des Streitgegenstandes gegeben und französische Rechtshängigkeit zu beachten39, wenn aus dem gleichen Vertrag in Deutschland geklagt wird, aber mit der Behauptung, Vertragsstatut sei deutsches Recht. Ebenso ist es auch bei deliktischen Klagen.
IX. Urteilsgegenstand 2645 Gleiches gilt für den Urteilsgegenstand. Dem widersprechen allerdings die Anhänger der Lehre von der kollisionsrechtlichen Relativität der Rechtskraft. Diese lässt sich wie folgt skizzieren.40 2646 Hat ein deutsches Gericht eine bestimmte Rechtsordnung angewendet, so begrenzt dies seinen Ausspruch. Das Gericht hat lediglich das Rechtsverhältnis nach der im Forumstaat zur Zeit des Urteilserlasses anzuwendenden Rechtsordnung beurteilt. Wird in einem neuen Verfahren die gleiche Frage vorfragenweise beurteilt und wird darauf – was vor allem bei unselbständiger Vorfragenanknüpfung der Fall sein kann – eine andere Rechtsordnung als im Vorprozess angewendet, so steht die Rechtskraft eines früheren Urteils einer anderen Beurteilung nicht entgegen.41 Mithin wird die inländische Rechtskraft relativiert, soweit eine Vorfrage ausländischem Kollisionsrecht unterstellt wird.42 Diese Problematik wird vorwiegend anlässlich der Wiederheirat nach einer Ehescheidung erörtert. 2647 Vice versa ist man der Auffassung, die materielle Rechtskraft eines ausländischen Scheidungsurteils werde durch das angewandte Recht relativiert: Maßgeblich sei die vom Erstgericht zugrunde gelegte Rechtsordnung, da das Urteil auf ihrer Basis gesprochen wurde. Die Anerkennung der Rechtskraft eines Scheidungsurteils bedeute mithin nur eine Bindung an die in dem Urteil getroffene Feststellung, dass nach dem vom Erstgericht angewandten Recht ein Gestaltungsgrund vorgelegen habe. Ist aber nach deutscher (= zweitstaatlicher) Auffas-
38 Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 386. 39 Art. 21 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 27 EuGVVO. 40 Nachweise bei Isenburg-Epple, Die Berücksichtigung ausländischer Rechtshängigkeit nach dem Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen vom 27.9.1968, 1992, 249; Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts6, 2006, § 32 V, § 60 VI 2; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 11 Rz. 125. 41 Wengler, Internationales Privatrecht in RGR-Kommentar12, VI, 1981, 388; Wengler JZ 1964, 622; Hausmann, Kollisionsrechtliche Schranken von Scheidungsurteilen, Diss. München 1980, 49; Hoyer, Die Anerkennung ausländischer Ehescheidungen in Österreich, 1972, 42. 42 Neuhaus, Grundbegriffe des IPR2, 1977, 295, 349.
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Gerichtssprache sung ein anderes Recht maßgebend, so soll die Rechtskraft nicht entgegenstehen.43 Die res iudicata-Wirkung eines Urteils ist danach „nur eine Feststellung der 2648 Rechtslage in dieser Rechtsordnung und für die Rechtsordnung des Forumstaates“ (Wengler). Stellt sich die vom ausländischen Gericht entschiedene Frage (Feststellung einer konkreten Rechtsfolge) in einem anderen Zusammenhang als Vorfrage, so kommt dem Urteil Rechtskraft nur insoweit zu, als sie nach demselben Recht zu beantworten ist, nach dem sie im Forumstaat (als Hauptfrage) durch das ausländische Gericht beantwortet worden ist.44 Beispiel: Scheidung von Italienern in London nach englischem Recht. Über die Zulässigkeit der Wiederholung der Scheidungsklage vor einem deutschen Gericht befindet das nach deutschem internationalem Privatrecht in der Hauptsache anzuwendende italienische Recht; entscheidend sei, ob es die englische Scheidung anerkennt. Wenn nein, könnte und müsste im Inland nochmals geschieden werden.45 Eigenartigerweise wird die Diskussion über die kollisionsrechtliche Relativität 2649 (nur) zur res iudicata-Wirkung, nicht zur Gestaltungswirkung geführt. Entscheidend ist der Gedanke, dass das Urteil – losgelöst von der zugrunde gelegten Rechtsordnung – aufgrund des richterlichen Imperiums eine endgültige Feststellung/Gestaltung der Rechtslage trifft. Anders ist die Verbindlichkeit des Fehlurteils nicht erklärbar. Dies gilt auch internationalrechtlich. Selbst wenn die IPR-Systeme aller Staaten der Erde vereinheitlicht wären, wäre es durchaus möglich, dass der Erstrichter infolge falscher Rechtsanwendung oder falscher Tatsachenfeststellung eine (unrichtige) Anknüpfung wählt.
X. Gerichtssprache Es gilt die lex fori;46 die Gerichtssprache ist in Deutschland deutsch, § 184 2650 GVG.47 Eine Übersetzung des zuzustellenden Schriftstücks sieht das autonome deutsche Recht nicht vor, auch nicht bei Zustellung nach § 183 I ZPO oder nach
43 Hausmann, Kollisionsrechtliche Schranken von Scheidungsurteilen, Diss. München 1980, 183, 207. 44 Wengler, Internationales Privatrecht in RGR-Kommentar12, VI, 1981, 389. 45 Hausmann, Kollisionsrechtliche Schranken von Scheidungsurteilen, Diss. München 1980, 183. Ablehnend auch Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 390. 46 Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 43; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 81. 47 In den Heimatkreisen der sorbischen Bevölkerung darf vor Gericht sorbisch gesprochen werden, Anlage I des Einigungsvertrages (Kapitel III Sachgebiet A Abschnitt III 1r). Anders als vor den Zivilgerichten können sich EU-Bürger vor deutschen Sozial- und Verwaltungsgerichten im Anwendungsbereich der VO (EWG) 1408/71 nach deren Art. 84 IV einer Amtssprache der EU bedienen; hierzu Eichenhofer, Internationales Sozialrecht, 1994, Rz. 646.
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Zehnter Teil: In Deutschland anhängige Verfahren § 184 ZPO, Rz. 2136b; ebenso keine Rechtsmittelbelehrung.48 Fehlende Sprachkenntnisse können Auswirkungen auf die Handhabung des deutschen Prozessrechts haben. So kann bei einem Ausländer, der die deutsche Sprache nicht beherrscht und die deutschen Verhältnisse nicht kennt, die Versäumung einer Rechtsmittelfrist auf unabwendbarem Zufall (§ 233 ZPO) beruhen.49 Der Bundesgerichtshof verlangt aber auch von Ausländern, dass sie sich unverzüglich über den Inhalt des in deutscher Sprache verfassten Schriftstücks informieren, insbesondere sich über Rechtsmittel- und Wiedereinsetzungsmöglichkeiten erkundigen.50 2650a Der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 I GG) kann verletzt sein, wenn schriftliche Erklärungen von Zeugen (§ 377 III ZPO) in einer fremden, den Prozessbeteiligten nicht geläufigen Sprache erst in der Berufungsverhandlung oder am Tag davor bei Gericht vorgelegt werden und einer Partei die zur Überprüfung der beigegebenen Übersetzung beantragte Schriftsatznachfrist versagt wird.51 2651 Rechtsmittel müssen nach herrschender Meinung immer in deutscher Sprache eingelegt werden. Die Gerichte können erwarten, in deutscher Sprache angegangen zu werden. Sie sollen nicht gezwungen sein, zunächst Übersetzungen zu veranlassen, um Eingaben sachgerecht bearbeiten zu können. Die herrschende Meinung hält eine in fremder Sprache abgefasste Eingabe für unwirksam und unbeachtlich,52 nicht nur für unzulässig.53 Doch ist sehr fraglich, ob dieser rigide Standpunkt mit Art. 103 GG und Art. 6 EMRK vereinbar ist.54 2652 Das in Art. 6 III lit. e EMRK gewährleistete Recht auf unentgeltliche Beiziehung eines Dolmetschers gilt nicht für den Zivilprozess,55 auch wenn Streitgegenstand eine unerlaubte Handlung ist, die den Tatbestand einer strafbaren Hand-
48 BGH vom 22.11.1995, NJW-RR 1996, 387 = FamRZ 1996, 347 (kritisch Bachmann 1276) = IPRspr. 1995 Nr. 164. Zur Notwendigkeit der Übersetzung G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 89 ff., 119, 240, 279 mit weiteren Nachweisen. 49 BGH vom 23.3.1977, VersR 1977, 646 = IPRspr. 1977 Nr. 144. Siehe auch R. Geimer ZfRV 1992, 328 und zum Strafprozess BayObLG vom 13.12.1995, NJW 1996, 1836 (Zustellung der Ladung an der deutschen Sprache unkundigen Ausländer). 50 BGH vom 22.11.1995, NJW-RR 1996, 387 = FamRZ 1996, 347 (Bachmann 1276) = IPRspr. 1995 Nr. 164. 51 BGH vom 16.5.1977, WM 1977, 948 = IPRspr. 1977 Nr. 137. Siehe auch vice versa zu § 142 III ZPO BAG vom 19.3.1996, MDR 1997, 71 = IPRax 1997, 335 (Schack 318) = BB 1997, 1642 = ZIP 1996, 2031, 2032 = EWiR 1996, 1055 (Mankowski) = IPRspr. 1996 Nr. 194. 52 OLG München vom 3.9.1940, HRR 1941 Nr. 46 = IPRspr. 1935–1944 Nr. 626; KG vom 8.10.1985, OLGZ 1986, 125 = MDR 1986, 156 = IPRspr. 1985 Nr. 127. 53 So aber OLG Koblenz vom 14.6.1978, FamRZ 1978, 714 = IPRspr. 1978 Nr. 131: Eine unter Missachtung des § 184 GVG in einer fremden Sprache verfasste Beschwerdeschrift (z.B. nach § 621e ZPO) entbehrt der gebotenen Form und führt zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels. 54 Kritisch R. Geimer NJW 1989, 2204 im Hinblick auf Art. 103 GG. Siehe auch Leipold in Festschrift Matscher, 1993, 291. 55 Zur Erstattungsfähigkeit von Übersetzungskosten OLG Frankfurt vom 31.7.1980, RIW 1980, 803 = MDR 1980, 58 = IPRspr. 1980 Nr. 180.
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Abänderungsverfahren lung oder Ordnungswidrigkeit erfüllt. Der Beklagte ist kein Angeklagter im Sinne von Art. 6 III EMRK.56 Maßgebend ist allein § 185 GVG. Die vorsorgliche Beiziehung eines Dolmetschers liegt im Ermessen des Gerichts.57 Stellt sich aber in der mündlichen Verhandlung heraus, dass dies überstürzt war, weil alle Beteiligten Deutsch sprechen, sind die Kosten niederzuschlagen.58 Der Anwendungsbereich des § 184 GVG erfasst die Verhandlung, die schriftli- 2652a che Kommunikation des Gerichts mit den Parteien sowie die Abfassung seiner Entscheidungen sowie die Schriftsätze der Parteien, nicht jedoch die Überzeugungsbildung des Gerichts über das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Prozessvoraussetzungen im Wege des Freibeweises. Deshalb kann das Gericht z.B. fremdsprachige Urkunden gemäß § 142 III ZPO verwerten, ohne eine Übersetzung anfertigen lassen zu müssen.59
XI. Abänderungsverfahren Logische Voraussetzung für die Abänderung eines ausländischen Titels durch 2653 ein deutsches Gericht ist, dass dieser im Inland anzuerkennen ist.60 Nach herrschender Meinung muss die lex causae die Abänderung zulassen;61 es kommt wegen der engen Verflechtung mit dem materiellen Unterhaltsrecht also grundsätzlich nicht auf die deutsche lex fori (§ 323 ZPO; §§ 238 ff. FamFG) an, sondern auf das nach Art. 18 EGBGB ermittelte Unterhaltsstatut. Einleuchtender ist jedoch die verfahrensrechtliche Qualifikation.62 Zulässigkeit, Voraussetzungen und Umfang der Abänderung ausländischer Unterhaltsentscheidungen sind auch bei ausländischem Unterhaltsstatut nach § 323 ZPO bzw. §§ 238 ff. FamFG zu beurteilen.63 Irrelevant ist die Haltung des ausländischen Urteilsstaates (des-
56 EGMR vom 21.2.1984, NJW 1985, 1273. Vgl. auch BVerfG vom 21.5.1987, NJW 1988, 1462. 57 Kissel/Mayer GVG4, 2000, § 185 Rz. 5. 58 LAG Hamm vom 26.9.1985, MDR 1986, 172 = IPRspr. 1985 Nr. 195. 59 OLG Hamm vom 4.10.1996, RIW 1997, 236, 237 = IPRspr. 1996 Nr. 23b. 60 Kartzke NJW 1988, 106; AG Langen vom 24.7.1987, IPRspr. 1987 Nr. 71. 61 OLG Düsseldorf IPRax 1982, 152; OLG Nürnberg vom 3.7.1995, FamRZ 1996, 353 = IPRspr. 1995 Nr. 173; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 5 Rz. 26; Soergel/Kronke, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 38 EGBGB Anh IV Rz. 189; Spellenberg IPRax 1984, 304. 62 Musger IPRax 1992, 108, 109; Baumann IPRax 1994, 435, 438. 63 Z.B. OLG Nürnberg vom 3.7.1995, FamRZ 1996, 353 = IPRspr. 1995 Nr. 173; OLG Köln vom 20.7.2004, NJW-RR 2005, 876 = FamRZ 2005, 534 = IPRspr. 2004 Nr. 175. Zu den schwierigen Abgrenzungen zwischen lex causae und lex fori, die das inländische Abänderungsverfahren beherrscht (Rz. 319), ausführlich Musger IPRax 1992, 108, 111, der die „Wesentlichkeitsregel“ (vgl. § 323 ZPO: Abänderung nur bei wesentlicher Veränderung der Verhältnisse) ohne Rücksicht auf den Standpunkt der lex causae anwenden will: „Wir ändern Unterhaltsentscheidungen nur ab, wenn eine wesentliche Änderung der Verhältnisse vorliegt. Diese Vorgehensweise hat primär den Zweck, unsere Gerichte von Unterhaltsstreitigkeiten um unerhebliche Beträge freizuhalten; weiter soll das Vertrauen der Parteien auf rechtskräftige Entscheidungen geschützt werden. Diese Ratio ist eindeutig verfahrensrechtlich; mit dem Unterhaltsanspruch an sich hat sie nichts zu
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Zehnter Teil: In Deutschland anhängige Verfahren sen Entscheidung abgeändert werden soll) zur Frage der prinzipiellen Abänderbarkeit. Die Abänderungsklage bzw. das FamFG-Beschlussverfahren ist – wenn um Rechtsschutz in Deutschland nachgesucht wird – auch dann der richtige Rechtsbehelf, wenn die lex causae eine Nachforderungsklage vorsieht.64 2654 Die Abänderungsklage auf Erhöhung des im ausländischen Titel festgesetzten Betrages kann mit der Klage aus § 722 ZPO verbunden werden. Der Einwand, die im Ausland titulierte Forderung habe sich wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse (§ 323 I ZPO) verringert, ist im Verfahren nach § 722 ZPO zulässig, allerdings nur in den Zeitgrenzen des § 323 II ZPO.65 Der Abänderungseinwand darf aber nicht zu einer Verzögerung der an sich begründeten Vollstreckbarerklärung führen. Daher ist – wenn nicht auch der Abänderungsantrag entscheidungsreif ist – analog § 302 ZPO vorab über die Vollstreckbarerklärung zu entscheiden und sodann im „Nachverfahren“ über den Abänderungsantrag. Wenn man die entsprechende Anwendung der Vorschriften über das Vorbehaltsurteil ablehnt, wäre nach § 145 ZPO zu verfahren, d.h. die Exequaturklage wäre von der Abänderungsklage zu trennen.66
tun.“ Siehe auch die Nachweise bei Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000, 268, 307, 348. 64 BGH vom 6.11.1991, NJW 1992, 438, 439 = FamRZ 1992, 298 = IPRspr. 1991 Nr. 6; Baumann IPRax 1994, 438; OLG Nürnberg vom 3.7.1995, FamRZ 1996, 353 = IPRspr. 1995 Nr. 173. Für Anwendung des § 323 ZPO in allen Fällen KG vom 5.2.1993, NJW-RR 1994, 138 = FamRZ 1993, 976 = IPRax 1994, 455 (Baumann 435) = IPRspr. 1993 Nr. 156; KG vom 24.2.1993, IPRspr. 1993 Nr. 76; OLG Schleswig vom 16.4.1993, SchlHA 1993, 173 = IPRspr. 1993 Nr. 78; Stein/Jonas/Leipold, ZPO22, 2008, § 323 Rz. 26; Leipold in Festschrift Nagel, 1987, 189. Im Sonderfall des § 10 II AUG erfolgt Abänderung der support order stets nach § 323 ZPO, Bundestagsdrucksache 10/3662 S. 15; Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in Unterhaltssachen, 1989, 170. 65 Anderer Auffassung BGH vom 31.1.1990, NJW 1990, 1419 = FamRZ 1990, 504 = IPRax 1991, 111 (Böhmer 90) = IPRspr. 1990 Nr. 205, der aber nicht auf die Frage eingeht, ob § 323 ZPO als lex fori immer anzuwenden ist oder nur dann, wenn deutsches Recht Abänderungsstatut ist. Ausführlich Henrich IPRax 1989, 53; Baumann IPRax 1990, 32; Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000, 416 ff. Siehe auch die Nachweise bei OLG Köln vom 20.7.2004, NJW-RR 2005, 876 = FamRZ 2005, 534 = IPRspr. 2004 Nr. 175. 66 Da das Vollstreckbarerklärungsverfahren nach dem EuGVÜ/LugÜ bzw. der EuGVVO – jedenfalls in seiner Anfangsphase nicht kontradiktorisch ausgestaltet ist (Art. 34 I EuGVÜ/LugÜ, Art. 41 EuGVVO, § 6 I AVAG), kommt eine Verbindung des Exequaturantrags mit dem Abänderungsantrag nicht in Betracht, BGH vom 31.1.1990, NJW 1990, 1419 = FamRZ 1990, 504 = IPRax 1991, 111 (Böhmer 90) = IPRspr. 1990 Nr. 205. Anders ist es jedoch, wenn das Verfahren kontradiktorisch geworden ist. Legt der Schuldner gegen die Vollstreckbarerklärung Beschwerde zum Oberlandesgericht ein, kann sowohl der Gläubiger als auch der Schuldner den Abänderungsantrag zulässigerweise stellen, R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 45 EuGVVO Rz. 22.
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Prozessvergleich
XII. Prozessvergleich Auch bei Maßgeblichkeit ausländischen Sachrechts richten sich die prozessuale 2655 Zulässigkeit und die prozessualen Wirkungen (Prozessbeendigung, Vollstreckbarkeit) eines Prozessvergleichs (Rz. 1854b) nach der deutschen lex fori.67 Auch wenn z.B. nach der lex causae der Vergleich als solcher den Prozess nicht beendet, sondern ein „Kompromissurteil“ (= Urteil, das aufgrund der Vergleichsvereinbarungen ergeht und mit diesen inhaltlich übereinstimmt: so z.B. judgement by consent des englischen Rechts oder jugement convenu bzw. jugement de donné acte des belg. Rechts) erforderlich ist,68 ist dies für den deutschen Richter ohne Bedeutung. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen, insbesondere die Frage, ob der Anspruch verzichtbar ist und damit Gegenstand eines Vergleichs sein kann etc., und die materiell-rechtlichen Wirkungen des Vergleichs sind nach der lex causae zu beurteilen, Rz. 554a.69 Ein vor einem deutschen Gericht abgeschlossener Vergleich entfaltet keine res 2656 iudicata-Wirkung,70 auch wenn die lex causae eine solche kennt.71 Soll diese angestrebt werden, muss Anerkenntnisurteil beantragt werden. Angesichts der fehlenden res iudicata-Wirkung ist es denkbar, dass über die Frage des anwendbaren Rechts – und damit über die Vergleichsbefugnis der Parteien – auch nach Abschluss des Prozessvergleichs weiter gestritten werden kann. Beispiel: Das Gericht geht davon aus, dass Güterrechtsstatut deutsches Recht sei und regt Abschluss eines Vergleichs auf der Basis des deutschen Rechts an. Denkbar wäre, dass die Nichtigkeit des Prozessvergleichs damit begründet wird, in Wahrheit sei nicht deutsches, sondern ein ausländisches Recht (nach deutschem IPR) maßgebend und nach diesem seien die Parteien nicht vergleichsbefugt. Etwas anderes gilt, wenn die Parteien von der Rechtswahlmöglichkeit des Art. 15 II EGBGB Gebrauch gemacht haben und im Prozessvergleich ausdrücklich stipuliert haben, dass sie für ihre güterrechtlichen Beziehungen deutsches Recht (als Aufenthaltsstaat) wählen. Fraglich ist, ob der Abschluss eines
67 Zum „Statut“ des Prozessvergleichs Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr. Einwendungen gegen einen titulierten Anspruch im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht; mit Vergleichen zum englischen, französischen, schweizerischen und US-amerikanischen Recht, 2000, 320 ff. Siehe auch die umfangreichen Nachweise bei Frische, Verfahrenswirkungen, Rechtskraft – internationale Anerkennung und Vollstreckung von Prozessvergleichen und Schiedssprüchen mit vereinbartem Wortlaut, 2005. 68 Vgl. Guldener, Schweizer. ZPR3, 1979, 397 Fußn. 25; Schlosser, Zivilprozessrecht II, 1984, Rz. 66; Schlosser, Das Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit2, 1989, Rz. 809. Weitere Nachweise bei Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000, 15, 46, 68, 72, 129, 144, 146, 156, 182, 186, 191, 269, 288. 69 Birk ZZP 82 (1969) 68 Fußn. 72. 70 Schlosser, Zivilprozessrecht II, 1984, Rz. 115. 71 Für eine solche de lege ferenda Atteslander-Dürrenmatt, Der Prozessvergleich im internationalen Verhältnis: Unter besonderer Berücksichtigung anerkennungs- und vollstreckungsrechtlicher Fragen im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr der Schweiz, Diss Bern 2006.
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Zehnter Teil: In Deutschland anhängige Verfahren Prozessvergleichs vor einem deutschen Gericht und ersichtlich auf der Basis des deutschen Güterrechts bereits eine „stillschweigende“ Rechtswahl beinhaltet. 2657 Da keine materielle Rechtskraftwirkung in Betracht kommt, kann die Frage der Wirksamkeit des Vergleichs durch Fortsetzung des Rechtsstreits72 geprüft werden, Rz. 1544b: Stellt das Gericht die Wirksamkeit des Prozessvergleichs fest, so ist durch Endurteil bzw. „End“beschluss (§ 38 FamFG) zu entscheiden, das nach herrschender Meinung der Rechtskraft fähig ist. Damit sind alle Einwendungen abgeschnitten. Hält das Gericht jedoch den Prozessvergleich für unwirksam, so kann es durch Zwischenurteil die fortbestehende Rechtshängigkeit feststellen. Dieses Zwischenurteil ist der Rechtskraft nicht fähig. Es entfaltet nur eine innerprozessuale Bindungswirkung. Das folgende Urteil, das in der Sache entscheidet, entfaltet wohl keine Rechtskraftwirkung bezüglich der Wirksamkeit des Prozessvergleichs, weil es sich nur um einen präjudiziellen Punkt handelt. Gleichwohl macht es den Prozessvergleich gegenstandslos. Noch eine dritte Hypothese ist denkbar: In dem fortgesetzten Rechtsstreit schließen die Parteien einen neuen Prozessvergleich, über dessen Wirksamkeit dann wieder gestritten werden könnte. Sofern die Einwendungen gegen diesen identisch sind mit denen gegen den ersten Prozessvergleich, wird man wohl eine Präklusion bejahen müssen (gestützt auf § 242 BGB, der auch im Prozessrecht gilt). 2658 Die Vollstreckbarkeit des vor einem deutschen Gericht abgeschlossenen Prozessvergleichs (Rz. 1854b) richtet sich – ohne Rücksicht auf die lex causae – nach der deutschen lex fori, ebenso auch die Beurteilung der Frage, wie diese zu beseitigen ist. Die materiell-rechtliche Nichtigkeit bzw. Unwirksamkeit des Vergleichs führt nach herrschender Meinung dazu, dass der Prozessvergleich „als Begleitform des materiell-rechtlichen Vergleichs“ seine Wirksamkeit verliert,73 ihm somit jede verfahrensrechtliche Wirksamkeit fehlt. Die Vollstreckbarkeit muss dem Prozessvergleich demnach nicht durch prozessuales Gestaltungsurteil nach §§ 795, 767 ZPO genommen werden.74 Endgültig ist sie eliminiert, wenn – möglicherweise in einem Zwischenurteil – die Unwirksamkeit des Vergleichs festgestellt ist. 2659 Beim im Ausland gerichtlich bestätigten Vergleich stellt der Bundesgerichtshof75 darauf ab, ob der Vergleich nach der richterlichen Bestätigung seinen vertraglichen Charakter verliert und Bestandteil des Urteils des staatlichen Gerichts wird, mit der Folge, dass auch res iudicata-Wirkung (Feststellungswirkung) eintritt. Nach gerichtlicher Bestätigung hätten die scheidungsrechtlichen Folgen ihren Rechtsgrund im Scheidungsurteil und nicht im Parteiwillen. Handelt es sich nach dem Recht des Erststaates um ein staatliches Urteil, so will der Bundesgerichtshof die Regeln über die Vollstreckbarerklärung von gericht72 Herrschende Meinung, Schlosser, Zivilprozessrecht I2, 1992, Rz. 335. 73 BGH vom 24.10.1984, FamRZ 1985, 166 = NJW 1985, 1962. 74 Schlosser, Zivilprozessrecht II, 1984, Rz. 115, 151. Die herrschende Meinung will analog §§ 707, 719, 769 ZPO die Vollstreckbarkeit beseitigen. 75 BGH vom 6.11.1985, NJW 1986, 1440 = FamRZ 1986, 45 = MDR 1986, 660 = RIW 1986, 554 (Wolff 728) = IPRax 1986, 294 (Dopffel 277) = EWiR 1986, 207 (R. Geimer) = IPRspr. 1985 Nr. 184; vgl. unten Rz. 2863.
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Entscheidungen im Hinblick auf ihre Verwendung im Ausland lichen Entscheidungen anwenden. Behält der Vergleich auch nach der gerichtlichen Bestätigung nach dem Recht des Erststaates den Charakter einer Parteivereinbarung, so gelten die einschlägigen Vorschriften für Vergleiche. Praktische Konsequenz: Gelten die Regeln über die Vollstreckbarerklärung von gerichtlichen Entscheidungen, so ist die internationale Zuständigkeit des Erststaates zu prüfen (§ 328 I Nr. 1 ZPO; § 109 I Nr. 1 FamFG). In jedem Fall ist jedoch für die im Vergleich geregelte Unterhaltsleistungspflicht die internationale Zuständigkeit zu bejahen, da sich alle Parteien der Zuständigkeit des Erststaates unterworfen hatten, § 39 ZPO.76 Siehe auch Rz. 2863. Allgemein zum Prozessvergleich: Rz. 554a, 1216a, 1854b, 2861.
XIII. Abfassung deutscher Entscheidungen im Hinblick auf ihre Verwendung im Ausland In diesem Zusammenhang zu erwähnen sind auch die Regeln über die Begrün- 2660 dung von deutschen Entscheidungen. Urteile können an sich in abgekürzter Form (ohne Tatbestand und Entscheidungsgründe) hergestellt werden, § 313a und b ZPO; nicht jedoch, wenn zu erwarten ist, dass solche Entscheidungen im Ausland geltend gemacht werden sollen, § 313a IV Nr. 5, § 313b III ZPO. Sind sie gleichwohl in abgekürzter Form abgefasst worden, so kann eine nachträgliche Vervollständigung verlangt werden, § 313a V ZPO, § 30 AVAG.77 Der Antrag auf Vervollständigung ist auch nach Insolvenzeröffnung zulässig.78 Des Weiteren sind Arrestbefehle, einstweilige Anordnungen oder Verfügungen, die im Ausland geltend gemacht werden sollen, mit einer Begründung zu versehen, vgl. z.B. § 30 IV AVAG. Es soll mit der (nachträglichen) Begründung der Gefahr vorgebeugt werden, dass die Anerkennung deutscher Entscheidungen am ordre public des Anerkennungsstaates scheitert.79 Der gleichen Linie folgt § 245 FamFG (bisher § 790 ZPO): Diese Vorschrift will 2660a die Anerkennungs- und Vollstreckungschancen für dynamisierte Unterhaltstitel (§§ 1612a, 1612b BGB) im Ausland verbessern. Bei diesen Titeln ist der Unterhalt im Tenor nicht als bezifferte Größe, sondern als Prozentsatz des Mindestunterhalts fixiert. Sie sind nur in Zusammenhang mit der Regelbetrag-Verordnung konkretisierbar. Es besteht daher die Gefahr, dass die Vollstreckung im Ausland wegen Unbestimmtheit des Titels abgelehnt wird. Um dem vorzubeugen, eröffnet § 245 FamFG die Möglichkeit, auf dem dynamisierten Unterhaltstitel den zu zahlenden Unterhalt genau zu beziffern.
76 R. Geimer EWiR 1986, 208. Vgl. auch R. Geimer IPRax 2000, 366, 369. 77 Ebenso §§ 8, 9 AusfG zum Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommen 1958 (OLG Hamm vom 7.11.1984, DAVorm 1985, 167 = IPRspr. 1984 Nr. 173), §§ 8, 9 AusfG zum deutsch-belgischen Abkommen und zum deutsch-britischen Abkommen, §§ 17, 18 AusfG zum deutsch-niederländischen Vertrag, §§ 12, 13 AusfG zum deutsch-tunesischen Vertrag. 78 OLG Frankfurt vom 27.4.2000, IPRax 2002, 35 (Rinne/Sejas 28). 79 Zur großzügigen Linie des italienischen Kassationshofes Jayme IPRax 1992, 269.
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Zehnter Teil: In Deutschland anhängige Verfahren
XIV. Folgen der Fehlerhaftigkeit eines Gerichtsurteils 2661 Da der Rechtsstreit irgendwann einmal endgültig entschieden werden muss, nimmt die deutsche Rechtsordnung – wie übrigens die meisten anderen auch – die Existenz fehlerhafter Entscheidungen in Kauf und verleiht ihnen trotz ihrer möglichen Mängel Rechtsverbindlichkeit, wenn sie unanfechtbar geworden sind. Der Rechtssatz, der alle endgültigen gerichtlichen Entscheidungen verbindlich macht, findet auf alle deutschen Entscheidungen Anwendung, ohne Rücksicht darauf, welches Recht in der Sache anwendbar ist, bzw. tatsächlich – im Fall des Fehlurteils – angewandt worden ist. Ist z.B. das Recht eines US-Bundesstaates lex causae, so sind die Folgen einer fehlerhaften Entscheidung eines deutschen Gerichts nicht nach diesem Recht zu beurteilen, sondern nach dem vorgenannten Satz des deutschen Rechts.
XV. Klagebefugnis von Verbänden 2662 Die Klagebefugnis von Verbänden ist nicht nach der lex causae, sondern nach der lex fori zu beurteilen, Rz. 341.80
XVI. Gruppen- und sonstige Stellvertreterklagen 2663 Das Gleiche gilt für Gruppen- und sonstige Stellvertreterklagen, Rz. 2234. Auch wenn nach deutschem internationalem Privatrecht in der Sache z.B. US-amerikanisches Recht anzuwenden ist, kann vor deutschen Gerichten keine Class Action nach rule 23 (a) (b) FRCP81 erhoben werden. Mit dieser Stellvertreterklage macht der Kläger für sich und als Repräsentant für die mitunter gar nicht namentlich benannten Mitglieder einer Gruppe von Geschädigten (class) Schadensersatzansprüche geltend. Die Wirkungen der streitigen Endentscheidung bzw. des gerichtlich bestätigten verfahrensbeendenden Vergleichs82 erfassen auch die am Verfahren nicht beteiligten Mitglieder der Class, sofern diese nicht rechtzeitig gegenüber dem Gericht ihre opt-out-Option (Austritt aus der class) zugunsten einer individuellen Rechtsverfolgung erklärt haben.83
80 Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 720. 81 Text bei Buxbaum, Defining the Function and Scope of Group Litigation: The Role of Class Actions for Monetary Damages in the United States, in Gottwald (ed.), Europäisches Insolvenzrecht – Kollektiver Rechtsschutz, 2008, 215, 234. 82 Hierzu näher Buxbaum a.a.O. 220 ff.; Heß, Transatlantische Justizkonflikte, AG, 2006, 809, 813; Hohl, Die US-amerikanische Sammelklage im Wandel, 2008, Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 56. 83 Ausführliche Darstellung der class action z.B. bei Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat, 2006, 3, 161; H. Schneider, Class Actions – Rechtspolitische Fragen in den USA und Anerkennung in Deutschland; Röhm/Schütze RIW 2007, 241 jeweils mit weiteren Nachweisen.
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Kostenerstattungspflicht der unterlegenen Partei
XVII. Kostenerstattungspflicht der unterlegenen Partei Für Verfahren vor deutschen Gerichten gelten §§ 91 ff. ZPO sowie §§ 80 ff. 2664 FamFG immer, ohne Rücksicht auf das in der Sache anzuwendende Recht (lex causae).84 Ob Kosten zu erstatten sind, bestimmt mithin die deutsche lex fori. Die Höhe der zu erstattenden Kosten des ausländischen Verkehrsanwalts richtet sich im Grundsatz nach dem Recht, welches auf den Vertrag zwischen der erstattungsberechtigten Partei und ihrem ausländischen Verkehrsanwalt anzuwenden ist. Der BGH hat aber eine Obergrenze eingezogen; er begrenzt die erstattungsfähigen Gebühren ausländischer Anwälte der Höhe nach auf das deutsche Gebührenrecht.85 Damit deckelt er Anwaltshonorare auf das deutsche Maß.86 2665–2684
84 Siehe z.B. Mankowski NJW 2005, 2346 mit weiteren Nachweisen. 85 BGH vom 8.3.2005, NJW 2005, 1373. Siehe auch OLG Celle vom 25.4.2008, OLGR 2008, 543. 86 Ablehnend Mankowski NJW 2005, 2346, 2348. Zustimmend Zöller/Herget, ZPO27 2009, § 91 Rz. 13 („ausländischer Anwalt“).
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Elfter Teil: Im Ausland anhängiges Verfahren zione di Bruxelles del 27 settembre 1968, Resp. civ. 1978, 811; Prütting, Die Rechtshängigkeit im internationalen Zivilprozessrecht und der Begriff des Streitgegenstandes nach Art. 21 EuGVÜ, in Gedächtnisschrift Lüderitz, 2000, 623; Rabe, Seehandelsrecht4, 2000, Rz. 143 ff. vor § 556 HGB; Rauscher, Rechtshängigkeit nach dem EuGVÜ, IPRax 1985, 317; Rauscher, Intertemporale Anwendung des Art. 21 EuGVÜ, IPRax 1999, 80; Rauscher/Gutknecht, Teleologische Grenzen des Art. 21 EuGVÜ, IPRax 1993, 21; Rüssmann, Die Streitgegenstandslehre und die Rechtsprechung des EuGH – nationales Recht unter gemeineuropäischem Einfluss?, ZZP 111 (1998), 399; Schütze, Die Berücksichtigung der Rechtshängigkeit eines ausländischen Verfahrens nach dem EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen, RIW/AWD 1975, 78; Schütze, Die Wirkungen ausländischer Rechtshängigkeit in inländischen Verfahren, ZZP 104 (1991), 136; Schütze/ Kratzsch, Aussetzung des Verfahrens wegen konnexer Verfahren nach Art. 22 EuGVÜ, RIW 2000, 939; Schwander, Ausländische Rechtshängigkeit nach IPRGesetz und Lugano-Übereinkommen, in Festschrift Vogel, 1991, 395; Stafyla, Die Rechtshängigkeit des EuGVÜ nach der Rechtsprechung des EuGH und der englischen, französischen und deutschen Gerichte, 1998; Tiefenthaler, Die Streitanhängigkeit nach Art. 21 Lugano-Übereinkommen, ZfRV 1997, 67; Walker, Die Streitgegenstandslehre und die Rechtsprechung des EuGH, ZZP 1998, 429; Walker, Die Streitgegenstandslehre und die Rechtsprechung des EuGH – nationales Recht unter gemeineuropäischem Einfluss, ZZP 111 (1998), 429; Walter, Ausländische Rechtshängigkeit und Konnexität nach altem und neuem Lugano-Übereinkommen, in Spühler (ed.), Internationales Zivilprozess- und Verfahrensrecht II, 2003, 127; Wieczorek/Schütze, ZPO3, 2008, Anh. zu § 261; Wittibschlager, Rechtshängigkeit in internationalen Verhältnissen, 1994; Chr. Wolf, Rechtshängigkeit und Verfahrenskonnexität nach EuGVÜ, EuZW 1995, 365; M. Wolf, Einheitliche Urteilsgeltung im EuGVÜ, in Festschrift Schwab, 1990, 561; Zeuner, Zum Verhältnis zwischen internationaler Rechtshängigkeit nach Art. 21 EuGVÜ und Rechtshängigkeit nach Regeln der ZPO, in Festschrift Lüke, 1997, 1003; Zeuner, Beobachtungen und Gedanken zum Verhältnis zwischen europarechtlichen Normen und nationalem Recht, in Festschrift Bydlinski, 2002, 495.
I. Überblick 2685 Bis zum Inkrafttreten des Reformgesetzes vom 31.5.1995, das eine totale Kehrtwendung brachte (Art. 7), verkündete der berühmt-berüchtigte Art. 3 Codice di procedura civile ebenso wie viele andere romanische Prozessordnungen als Prinzip splendid isolation: „La giurisdizione italiana non è esclusa dalla pendenza davanti a un giudice straniero della medesima causa o di altra con questa connessa.“1 Anders der Ansatz im deutschen, österreichischen und schweizeri1 So auch früher die herrschende Meinung in Frankreich (Nachweise bei Isenburg-Epple, Die Berücksichtigung ausländischer Rechtshängigkeit nach dem Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen vom 27.9.1968, 1992, 52) und noch heute in den USA. Dort bleibt die Rechtshängigkeit in einem anderen Bundesstaat und erst recht eine solche im Ausland unbeachtet, Otto, Der prozessuale Durchgriff – die Nutzung fo-
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Überblick schen Recht2 sowie die französische Rechtsprechung.3 Hier huldigt man dem universalistischen Ideal einer die nationalen Grenzen transzendierenden Rechtspflege: Man beachtet grundsätzlich die ausländische Rechtshängigkeit und will damit einen Beitrag leisten zu einer (einigermaßen) geordneten Rechtspflege im internationalen Bereich. Dies ist konsequent angesichts
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– des Axioms der internationalen Fungibilität der Gerichte (Rz. 37); – der grundsätzlichen Anerkennungsbereitschaft gegenüber ausländischen Urteilen: Wenn die Wirkungen des im Ausland abgeschlossenen Verfahrens bei uns beachtet werden, d.h. qua Anerkennung der res iudicata- und Gestaltungswirkung sich die Durchführung des gleichen Verfahrens mit dem gleichen Streitgegenstand erübrigt (ja sogar unzulässig ist; ne bis in idem, Rz. 2801 f.), ist es konsequent, mit dem „Internationalismus“ zeitlich früher anzufangen und bereits das noch nicht abgeschlossene ausländische Verfahren zu beachten. Gewissermaßen in der Mitte zwischen den romanischen und den deutschrecht- 2687 lichen Systemen steht das common law, das doppelte Rechtshängigkeit zwar grundsätzlich akzeptiert,4 aber im Einzelfall mit antisuit injunctions nach forum non conveniens-Regeln einzuschränken versucht.5
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rumansässiger Tochtergesellschaften in Verfahren gegen ihre auswärtigen Muttergesellschaften im Recht der USA, der Europäischen Gemeinschaften und der Bundesrepublik Deutschland, zugleich ein Beitrag im Justizkonflikt mit den USA, 1993, 118. Art. 9 IPR-Gesetz; Nachweise bei Keller/Siehr, Allgemeine Lehren des IPR, 1986, 595. Cour de cassation civ. 1, 26.11.1974, Soc. Miniera di Fragne, JDI 1975, 108 (Ponsard) = RC 1975, 491 (Holleaux), hierzu Audit, Droit international privé2, 1997, Nr. 380. Zur „parallel proceedings rule“ Stadler, Vielfalt der Gerichte – Einheit des Prozessrechts?, BerDGVR 42 (2007), 177, 200. Born/Rutledge, International Civil Litigation in the United States Courts4, 2006, 522 ff., 540 ff.; Cube, Die internationale Zuständigkeit der englischen Gerichte, 2004, 84 ff., 147 ff.; Eschenfelder, Möglichkeiten deutscher Unternehmen, US-amerikanische Discovery auch vor deutschen Gerichten zu nutzen, IPRax 2006, 89; Eschenfelder, Verwertbarkeit von Discovery-Ergebnissen in deutschen Zivilverfahren, RIW 2006, 443; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1655 Fußn. 34; Walther J. Habscheid in Festschrift Zweigert, 1982, 109, 122; Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozessrecht – Überlegungen zur Bewältigung von multi-fora disputes, 1996, 63, 117, 120; Hau ZZP 9 (2004), 191, 193; Hay in Assmann/Bungert, Handbuch des US-amerikanischen Handels-, Gesellschafts- und Wirtschaftsrechts, Bd. I, 2001, Rz. 106; Peter Huber, Die englische forum non conveniens-Doktrin und ihre Anwendung im Rahmen des Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens, 1994, 87 ff.; Krause, Anti-suit injunctions als Mittel der Jurisdiktionsabgrenzung, Diss. Hamburg 2005; Otte, Umfassende Streitentscheidung durch Beachtung von Sachzusammenhängen – Gerechtigkeit durch Verfahrensabstimmung?, 1998, 268 ff.; von Rönn, Die Anwendung des Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens im Vereinigten Königreich, 1996, 124; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht3, 2003, 33; Schlosser, Jurisdiction and International Judicial and Administrative Co-Operation, RdC 284 (2000), 9, 78 ff.; Wittibschlager, Rechtshängigkeit in internationalen Verhältnissen, 1994, 32. Nachweise auch bei Maack, Englische antisuit injunctions im europäischen Zivilrechtsverkehr, 1999 sowie bei Berti, Englische
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Elfter Teil: Im Ausland anhängiges Verfahren
II. Berücksichtigung der ausländischen Rechtshängigkeit nur bei positiver Anerkennungsprognose 1. Autonomes deutsches Recht 2688 Der in Rz. 2686 letztgenannte Gesichtspunkt führt aber sogleich zu einer Eingrenzung der inländischen Bereitschaft zur Beachtung ausländischer Rechtshängigkeit und zu einer teleologischen Reduktion des (für Auslandsberührung nicht konzipierten) § 261 III Nr. 1 ZPO:6 Der Einwand der Rechtshängigkeit eines Prozesses vor einem ausländischen Gericht ist grundsätzlich nur dann zu beachten, wenn mit der Anerkennung der vom ausländischen Gericht zu fällenden Entscheidung voraussichtlich zu rechnen ist.7 2689 Schütze wendet ein, die herrschende Lehre sei unpraktikabel, weil eine Anerkennungsprognose regelmäßig unmöglich sei; diese sei ein reines Ratespiel.8
antisuit injunctions im europäischen Zivilprozessrecht, in Festschrift Siehr, 2000, 33 und Nygh, Forum non conveniens and Lis alibi opendens: the Australian Experience, in Festschrift Siehr, 2000, 511. Vgl. auch House of Lords (13.12.2001 [2001] UKHL 65); hierzu Thiele RIW 2002, 383 sowie die weiteren Nachweise bei Schlosser, Anti-suit injunctions zur Unterstützung von internationalen Schiedsverfahren, RIW 2006, 486; C.S. Schmidt, Anti-suit injunctions im Wettbewerb der Rechtssysteme, RIW 2006, 492; Stadler, Vielfalt der Gerichte – Einheit des Prozessrechts?, BerDGVR 42 (2007), 177, 200. 6 Sieht man von dem nur für Havarie-Streitigkeiten geltenden § 738a HGB ab, so fehlt im deutschen autonomen Recht eine ausdrückliche Regelung der Beachtlichkeit ausländischer Rechtshängigkeit. Anders z.B. Art. 9 schweizer. IPRG und Art. 7 ital. IPRG. Zur österreichischen Sicht Matscher, Zur prozessualen Behandlung der inländischen Gerichtsbarkeit (der inländischen Zuständigkeit), in Festschrift Schlosser, 2005, 561, 576. 7 RG vom 26.1.1892, JW 1892, 124; RG vom 23.6.1893, JW 1893, 350; RG vom 13.4.1901, RGZ 49, 340, 344; RG vom 28.10.1911, JW 1912, 79; RG vom 18.3.1930, HansRGZ 1930 B 311; RG vom 25.8.1938, RGZ 158, 145 = JW 1938, 2844 = IPRspr. 1935–1944 Nr. 635; BGH vom 26.1.1983, NJW 1983, 1269 = FamRZ 1983, 366 = IPRax 1984, 152 (Luther 141) = IPRspr. 1983 Nr. 165; BGH vom 24.10.2000, NJW 2001, 524 = IPRax 2001, 457 (Schütze 441) = IPRspr. 2000 Nr. 156; OLG Frankfurt vom 21.10.1980, RIW 1980, 875 = MDR 1981, 237 = IPRax 1982, 71 = IPRspr. 1980 Nr. 160; OLG Saarbrücken vom 2.7.1997, RIW 1999, 64 = WM 1998, 833 = IPRspr. 1997 Nr. 54; OLG Schleswig vom 15.2.2007, OLGR 2007, 305, 307; ebenso österr. OGH vom 8.9.2005, ZfRV 2006, 37; Bosch, Rechtskraft und Rechtshängigkeit im Schiedsverfahren, 1991, 168; Dohm, Die Einrede ausländischer Rechtshängigkeit im deutschen internationalen Zivilprozessrecht, 1996, 252; Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozessrecht – Überlegungen zur Bewältigung von multi-fora disputes, 1996, 114, 153; Hausmann IPRax 1982, 52 Fußn. 10; Krause-Ablass/ Bastuck in Festschrift Stiefel, 1987, 446; Kaiser RIW 1983, 667; Mitzkus, Internationale Zuständigkeit im Vormundschafts-, Pflegschafts- und Sorgerecht, 1982, 376; Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000, 503; Siehr IPRax 1989, 94 Fußn. 7. Ebenso Art. 9 I schweizer. IPRG, hierzu Wittibschlager, Rechtshängigkeit in internationalen Verhältnissen, 1994, 123.In Österreich wird für das autonome Recht die Auffassung vertreten, dass die frühere ausländische Streitanhängigkeit kein Prozesshindernis für die gleiche Klage im Inland begründet, Rechberger/Simotta, Grundriss des österreichischen Zivilprozessrechts – Erkenntnisverfahren6, 2003, Rz. 531. 8 Schütze NJW 1964, 337; zurückhaltender jedoch nun Wieczorek/Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht2, 2005, 397 ff.; Wieczorek/Schütze, ZPO3, 2008, Anh. zu § 261 Rz. 4.
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Berücksichtigung der ausländischen Rechtshängigkeit Man könne nicht voraussagen, ob das ausländische Verfahren an Mängeln kranken werde bzw. ob der ausländische Richter einen ordre public-widrigen Spruch fällen werde. Auch zur Frage der Verbürgung der Gegenseitigkeit sei eine zuverlässige Prognose nicht möglich. Schließlich sei der Gedanke der internationalen Prozessökonomie nicht überzeugend. Der Streit über die Anerkennungsfähigkeit des ausländischen Urteils erfordere meist einen höheren Aufwand als die Entscheidung über den Anspruch selbst. Eine Doppelprozessführung des Klägers sei nicht zu beanstanden, wenn der Beklagte (Schuldner) in beiden Gerichtsstaaten Vermögen habe, weil der Gläubiger nicht wisse, wo er vollstrecken werde. Deswegen habe er ein billigenswertes Interesse, seinen Anspruch (gleichzeitig) in verschiedenen Staaten einzuklagen, um ein späteres langwieriges Vollstreckbarerklärungsverfahren zu vermeiden. Die Gefahr divergierender Entscheidungen erzwinge nicht die Beachtung der ausländischen Rechtshängigkeit. Die inländische Entscheidung habe immer Priorität. Deshalb könne es aus der Sicht des Inlandes rechtslogisch nicht zu einer Kollision von Urteilswirkungen kommen. Dieser Ansatz mag zwar in manchen Fällen zu praktikablen Ergebnissen führen, er ist jedoch mit dem universalistischen Grundkonzept des deutschen internationalen Verfahrensrechts (Rz. 2685) nicht vereinbar. Die (frühere) ausländische Rechtshängigkeit wird auch dann beachtet, wenn 2690 dies vice versa das ausländische Gericht nicht täte, Rz. 2706.9 2. Völkerrecht Nach allgemeinem Völkergewohnheitsrecht sind die Staaten – jedenfalls im Grundsatz – nicht verpflichtet, Entscheidungen anderer Staaten anzuerkennen, Rz. 151, 165, 2757; daraus folgt, dass die Staaten auch nicht zur Beachtung der ausländischen Rechtshängigkeit verpflichtet sind.10 Eine völkerrechtliche Bindung besteht jedoch im Vertragsrecht. Die meisten völkerrechtlichen Verträge verlangen eine positive Anerkennungsprognose.11
2691
Dagegen ist nach Art. 21 ff. EuGVÜ/LugÜ I bzw. nach Art. 27 EuGVVO/LugÜ II 2692 die Rechtshängigkeit vor Gerichten anderer Vertragsstaaten immer zu beachten. Eine Anerkennungsprognose ist unzulässig.12 Ebenso ist es im Anwendungsbereich des Art. 8 des Protokolls über die gerichtliche Zuständigkeit und die An-
9Zustimmend OLG Schleswig vom 15.2.2007, OLGR 2007, 305, 307. 10 Wengler, Internationales Privatrecht in RGR-Kommentar12, VI, 1981, § 3b. 11 Art. 11 des deutsch-italienischen Abkommens, Art. 15 des deutsch-belgischen Abkommens, Art. 17 des deutsch-österreichischen Vertrages, Art. 18 des deutsch-griechischen Vertrages, Art. 18 des deutsch-niederländischen Vertrages, Art. 44 des deutsch-tunesischen Vertrages, Art. 22 des deutsch-israelischen Vertrages, Art. 21 des deutsch-norwegischen Vertrages, Art. 21 des deutsch-spanischen Vertrages. Siehe auch Art. 31 II CMR sowie Siehr IPRax 1989, 93 Fußn. 6 und Wittibschlager, Rechtshängigkeit in internationalen Verhältnissen, 1994, 44 ff. zu den von der Schweiz abgeschlossenen Abkommen. 12 Nachweise bei Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozessrecht – Überlegungen zur Bewältigung von multi-fora disputes, 1996, 156. Anderer Auffassung Schütze RIW 1975, 79.
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Elfter Teil: Im Ausland anhängiges Verfahren erkennung von Entscheidungen über den Anspruch auf Erteilung eines europäischen Patents vom 5.10.1973 (Anerkennungsprotokoll).13 Weniger strikt ist dagegen Art. 20 des Haager Übereinkommens über die Anerkennung von Ehescheidungen und Ehetrennungen.14 Danach kann das in einem Vertragsstaat anhängige Ehescheidungs- oder Ehetrennungsverfahren ausgesetzt werden, wenn der eheliche Stand eines Ehegatten Gegenstand eines Verfahrens in einem anderen Vertragsstaat ist. Ist ein ausländischer Staat Partei, so ist – sofern dieser Vertragsstaat des Europäischen Übereinkommens vom 16.5.1972 über Staatenimmunität (Rz. 666) ist – die ausländische Rechtshängigkeit von Amts wegen zu beachten, Art. 19 I. Auf die Anerkennungsfähigkeit kommt es nicht an.
III. Identität des Streitgegenstandes 2693 Der Einwand der ausländischen Rechtshängigkeit greift (bei positiver Anerkennungsprognose) nur bei Identität des Streitgegenstandes.15 Es muss also im Inund Ausland der gleiche Streitgegenstand (Rz. 2644) rechtshängig sein.16 So besteht bei parallelem Eheaufhebungs- und Ehescheidungsverfahren im In- und Ausland keine Identität des Streitgegenstandes.17 Das Gleiche gilt für das Verhältnis zwischen Trennung von Tisch und Bett einerseits und Scheidung dem Bande nach.18 Ebenso nicht im Verhältnis zwischen Antrag auf Prozesskostenhilfe und Hauptsache;19 zwischen Beweissicherungsverfahren und Hauptsacheprozess;20 zwischen Scheckklage und Klage aus dem Grundverhältnis.21
13 BGBl. 1976 II 982. Dieses Protokoll ist Bestandteil des revidierten Europäischen Patentübereinkommens 2000 (Art. 164 I). Hierzu Kreuzer/Wagner, Europäisches Internationales Zivilverfahrensrecht, in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Stand: Juni 2007 (19. Ergänzungslieferung) sub Q Rz. 139. 14 Für Deutschland nicht in Kraft. 15 Nachweise z.B. bei Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Anh. zu § 606a ZPO Rz. 21 ff. 16 BGH vom 24.10.2000, NJW 2001, 524 = IPRax 2001, 457 (Schütze 441) = IPRspr. 2000 Nr. 156. Zur Abgrenzung der Verfahrensgegenstände OLG Stuttgart vom 2.5.2002, GmbHR 2002, 1123 (Emde). 17 OLG Karlsruhe vom 2.2.1984, IPRax 1985, 36 (Schlosser 16) = IPRspr. 1984 Nr. 165; OLG Karlsruhe vom 22.4.1993, FamRZ 1994, 47 = IPRspr. 1993 Nr. 163; OLG Düsseldorf vom 20.3.1985, NJW 1986, 2202 = IPRax 1986, 29 (Schumann 14, 15) = IPRspr. 1985 Nr. 164; Gruber FamRZ 1999, 1563 mit weiteren Nachweisen. Anders jedoch das Konzept des Art. 19 EuEheVO. 18 AG Siegburg vom 11.6.1996, NJW-RR 1997, 388 = FamRZ 1997, 503 = IPRspr. 1996 Nr. 170. Auch die vorläufige Scheidung nach kalifornischem Recht trennt das Eheband nicht, AG Stuttgart vom 4.7.1996, IPRspr. 1996 Nr. 64. 19 BGH vom 22.6.1983, BGHZ 88, 17 = NJW 1984, 568 = RIW 1983, 695 = WM 1983, 914 = JZ 1983, 903 (Kropholler) = IPRax 1984, 202 (Roth 183) = IPRspr. 1983 Nr. 176. 20 OLG Hamm vom 7.3.1984, IPRspr. 1984 Nr. 166. 21 OLG Hamburg vom 21.12.1984, WM 1986, 383 = IPRspr. 1984 Nr. 171A.
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Identität des Streitgegenstandes Eine bloße Verbundbefangenheit, also die Möglichkeit, dass das ausländische Gericht nach seiner lex fori im Rahmen des Verbundverfahrens ohne Antrag einer Partei von Amts wegen bestimmte Folgesachen22 regeln darf oder muss, führt noch nicht zur Blockade des Rechtsschutzes in Deutschland.23
2694
Dagegen postuliert der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) ei- 2694a nen weiten Verfahrensgegenstandsbegriff. Auf den Streitgegenstandsbegriff der jeweiligen lex fori bzw. lex causae kommt es nicht an.24 Vielmehr ist der Begriff „derselbe Anspruch“ autonom auszulegen. Der EuGH hat es abgelehnt, Art. 21 EuGVÜ (nunmehr Art. 27 EuGVVO) eng auszulegen und im Übrigen nach Art. 22 EuGVÜ (nunmehr Art. 28 EuGVVO) zu verfahren. Er orientiert sich an dem Unvereinbarkeitsbegriff des Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ (nunmehr Art. 34 Nr. 3 EuGVVO).25 Nach seiner Ansicht kommt es nicht auf den Klageantrag, sondern darauf an, ob der „Kernpunkt“ beider Verfahren der gleiche ist.26 Diese Kernpunkttheorie schränkt den Justizgewährungsanspruch des Klägers massiv ein.27
2694b
Die Rechtsprechung des EuGH zwingt mittelbar die nationalen Rechtsordnun- 2694c gen, die materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen dafür
22 Vgl. vice versa für das deutsche Recht Zöller/Philippi, ZPO27, 2009, § 623 Rz. 23a. 23 Linke IPRax 1992, 159; Heiderhoff, Die Berücksichtigung ausländischer Rechtshängigkeit in Ehescheidungsverfahren, 1998, 200 ff. Anderer Auffassung Gruber FamRZ 1999, 1563, 1564. 24 Für Übernahme dieses Ansatzes auch im Bereich des autonomen deutschen internationalen Verfahrensrechts OLG Schleswig vom 15.2.2007, OLGR 2007, 305, 308. 25 Vgl. nunmehr Art. 34 Nr. 3 EuGVVO. 26 EuGH vom 8.12.1987, Rs 144/86 – Gubisch/Palumbo Slg. 1987, 4861 Rz. 16 und 17 = NJW 1989, 665 = RIW 1988, 818; EuGH vom 6.12.1994, Rs C-406/92 – The owner of the cargo lately laden on board the ship Tatry/The owners of the ship Maciej rataj Slg. 1994 I 5439 = EuZW 1995, 309 (C. Wolf 365) = EWiR 1995, 463 (Otte) = JZ 1995, 616 (Peter Huber 603) = IPRax 1996, 108 (Schack 80); BGH vom 8.2.1995, NJW 1995, 1758 = RIW 1995, 413 = EuZW 1995, 378 (R. Geimer) = LM EGÜbk. Nr. 53 (R. Geimer) = IPRax 1996, 192 (Hau 177) = IPRspr. 1995 Nr. 165; OLG München vom 3.12.1999, RIW 2000, 712; Isenburg-Epple, Die Berücksichtigung ausländischer Rechtshängigkeit nach dem Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen vom 27.9.1968, 1992, 140 ff., 205 ff. Eingehende Analyse der EuGH-Rechtsprechung bei Gottwald, Dogmatische Grundfragen des Zivilprozesses im geeinten Europa, 2000, 85, 86; Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000, 513 ff.; Rüßmann ZZP 111 (1998), 399; McGuire, Verfahrenskoordination und Verjährungsunterbrechung im Europäischen Prozessrecht, 2004, 85 ff. und Walker ZZP 111 (1998), 429 sowie aus österreichischer Sicht bei Rechberger/Simotta, Grundriss des österreichischen Zivilprozessrechts – Erkenntnisverfahren6, 2003, Rz. 265/1. 27 Kritisch daher z.B. Isenburg-Epple, Die Berücksichtigung ausländischer Rechtshängigkeit nach dem Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen vom 27.9.1968, 1992, 212, 259; Leipold in Gedächtnisschrift Arens, 1993, 227; Linke RIW 1988, 824 und in Gerichtshof der EG, Internationale Zuständigkeit und Urteilsanerkennung in Europa, 1993, 159; Otte EWiR 1995, 464; M. Wolf in Festschrift Schwab, 1990, 561; C. Wolf EuZW 1995, 366. Zustimmend jedoch Peter Huber JZ 1995, 603, 605; Schack IPRax 1989, 139, 140; wohl auch Rüßmann IPRax 1995, 76, 79. Ausführlich auch Carl, Einstweiliger Rechtsschutz bei Torpedoklagen, Diss. Hamburg, 2007.
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Elfter Teil: Im Ausland anhängiges Verfahren zu schaffen, dass die Schnittstelle zwischen Gemeinschafts- bzw. Konventionsrecht und autonomem Recht für die Rechtsschutz Suchenden nicht zur Falle wird: So kann z.B. die früher erhobene negative Feststellungsklage die spätere Leistungsklage nur blockieren, wenn – entgegen der bisher in Deutschland herrschenden Meinung28 – auch die negative Feststellungsklage die Verjährung unterbricht oder aber zumindest der Gläubiger als Beklagter der negativen Feststellungsklage Leistungswiderklage erheben kann.29 2694d Art. 21 EuGVÜ (nunmehr Art. 27 EuGVVO) kommt nach Auffassung des EuGH zum Zuge, wenn die eine Partei auf Leistung und die andere auf negative Feststellung (auf Nichtbestehen der Leistungspflicht) klagt.30 2694e Das Gleiche gilt für die Klage auf Verurteilung aus einer primären oder sekundären vertraglichen Leistungspflicht einerseits und die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Vertrages, auch wenn die negative Feststellungsklage die zeitlich frühere ist.31 2694f Der (vermeintliche) Schuldner kann also seinem Gläubiger durch eine negative Feststellungsklage zuvorkommen und nach Auffassung des EuGH so – entgegen der zum autonomen deutschen Prozessrecht vertretenen Auffassung32 – dessen Leistungsklage blockieren.33 2694g Aufrechnung: Nach deutschem Recht wird die zur Aufrechnung gestellte Forderung durch die bloße Verwendung als Verteidigungsmittel nicht rechtshängig, obwohl die Entscheidung über die Aufrechnung auch Rechtskraftwirkungen für die Aufrechnungsforderung nach § 322 II ZPO hervorbringen kann.34 Sie kann selbständig eingeklagt werden; allerdings wird eine Aussetzung (§ 148 ZPO) empfohlen.
28 BGH vom 8.6.1978, BGHZ 72, 23 = NJW 1978, 1975. 29 Christian Wolf EuZW 1995, 306. Vgl. auch die Fallgestaltung BGH vom 21.1.1993, NJWRR 1993, 741 = WM 1993, 1102 = IPRspr. 1993 Nr. 162. 30 EuGH vom 6.12.1994, Rs C-406/92 – The owner of the cargo lately laden on board the ship Tatry/The owners of the ship Maciej rataj Slg. 1994 I 5439 = EuZW 1995, 309 (C. Wolf 365) = EWiR 1995, 463 (Otte) = JZ 1995, 616 (Peter Huber 603) = IPRax 1996, 108 (Schack 80). Vgl. auch BGH vom 11.12.1996, BGHZ 134, 201 = NJW 1997, 870 = RIW 1997, 421 = IPRax 1997, 348 = JZ 1997, 797 (Peter Huber) = EWiR 1997, 455 (R. Geimer) = IPRspr. 1996 Nr. 171. 31 EuGH vom 8.12.1987, Rs 144/86 – Gubisch/Palumbo Slg. 1987, 4861 = NJW 1989, 665 = RIW 1988, 818; BGH vom 8.2.1995, NJW 1995, 1758 = RIW 1995, 413 = EuZW 1995, 378 (R. Geimer) = LM EGÜbk. Nr. 53 (R. Geimer) = IPRax 1996, 192 (Hau 177) = IPRspr. 1995 Nr. 165; OLG München vom 22.12.1993, RIW 1994, 511 = EWS 1994, 106 = EuZW 1994, 511 = IPRspr. 1993 Nr. 165; Rüßmann IPRax 1995, 78 zu OLG Hamm vom 3.12.1993, IPRax 1995, 104 = IPRspr. 1993 Nr. 164. 32 BGH vom 20.1.1989, NJW 1989, 2064; OLG Hamm vom 28.8.1990, MDR 1991, 546. 33 EuGH vom 6.12.1994, Rs C-406/92 – The owner of the cargo lately laden on board the ship Tatry/The owners of the ship Maciej rataj Slg. 1994 I 5439 = EuZW 1995, 309 (C. Wolf 365) = EWiR 1995, 463 (Otte) = JZ 1995, 616 (Peter Huber 603). 34 OLG Frankfurt vom 26.7.1996, IPRspr. 1996 Nr. 153; R. Geimer IPRax 1986, 214.
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Prioritätsprinzip Daher wird die Anwendung des Art. 21 EuGVÜ/LugÜ bzw. des Art. 27 EuGVVO abgelehnt;35 in Betracht kommt dann nur die Ermessensaussetzung nach Art. 22 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 28 EuGVVO.36
IV. Identität der Parteien Notwendig ist in jedem Falle die Identität der Parteien.37 Streiten die Eheleute 2695 z.B. in Italien im Trennungsverfahren über den Kindesunterhalt, so steht dies einer Unterhaltsklage des Kindes vor einem deutschen Gericht nicht entgegen.38 Dies gilt aber nur, wenn der Unterhalt ex iure proprio geltend gemacht wird, nicht aber, wenn ein Ehegatte gegen den anderen als Prozessstandschaft Ansprüche des Kindes einklagt, Rz. 2240.39
V. Konnexität beider Verfahren Eine Erweiterung bringt Art. 22 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 28 EuGVVO: Identität 2696 des Streitgegenstandes ist nicht erforderlich. Es genügt Konnexität (Art. 22 III EuGVÜ/LugÜ, Art. 28 III EuGVVO) beider Verfahren.40
VI. Prioritätsprinzip Die ausländische Rechtshängigkeit ist nur dann von Bedeutung, wenn das ausländische Verfahren früher begonnen wurde.41 Wird der gleiche Streitgegenstand zum gleichen Zeitpunkt sowohl im In- wie auch im Ausland anhängig gemacht, bringt das Prioritätsprinzip keine Lösung. In einem solchen Falle sollte man dem inländischen Verfahren den Vorzug geben.42 35 OLG Hamm vom 25.9.1985, IPRax 1986, 233 (R. Geimer 208) = RIW 1986, 383 = IPRspr. 1985 Nr. 165. 36 Offen gelassen von OLG Koblenz 30.11.1990, RIW 1991, 63 = EuZW 1991, 158, 160 = IPRspr. 1990 Nr. 194. 37 Hierzu Dohm, Die Einrede ausländischer Rechtshängigkeit im deutschen internationalen Zivilprozessrecht, 1996, 287; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Anh. zu § 606a ZPO Rz. 20. 38 BGH vom 9.10.1985, NJW 1986, 662 = IPRax 1987, 314 (Jayme 295) = IPRspr. 1985 Nr. 166. 39 Weiteres Beispiel: OLG Saarbrücken vom 2.7.1997, RIW 1999, 64 = WM 1998, 833 = IPRspr. 1997 Nr. 54. Danach blockiert die Klage des vermeintlichen Schuldners auf Herausgabe des Wechsels nicht die Klage des Gläubigers auf Zahlung der Wechselsumme. 40 Hierzu R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 28 EuGVVÜ Rz. 11 sowie Geimer IPRax 2001, 193 und Schütze/Kratzsch RIW 2000, 939. 41 Allgemein zum Prioritätsprinzip Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozessrecht – Überlegungen zur Bewältigung von multi-fora disputes, 1996, 62; Otte, Umfassende Streitentscheidung durch Beachtung von Sachzusammenhängen – Gerechtigkeit durch Verfahrensabstimmung?, 1998, 135. 42 Zustimmend Dohm, Die Einrede ausländischer Rechtshängigkeit im deutschen internationalen Zivilprozessrecht, 1996, 136, 302; Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Inter-
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Elfter Teil: Im Ausland anhängiges Verfahren 2698 Der Beginn der ausländischen Litispendenz ist – im Anwendungsbereich des autonomen deutschen Rechts – grundsätzlich nach der ausländischen lex fori zu bestimmen.43 Die spiegelbildliche Anwendung der §§ 253 ff. ZPO scheitert an der Verschiedenheit der ausländischen Prozessnormen über den Beginn des Prozesses.44 Nach vielen Rechtsordnungen tritt die Rechtshängigkeit bereits mit Einreichung bzw. Registrierung der Klage bei Gericht ein, ohne dass es auf die Zustellung an den Beklagten ankäme.45 Art. 9 II schweizer. IPRG versucht sogar noch, diesen Termin auf den möglichst frühesten Zeitpunkt vorzuverlegen. Es genügt die Einleitung eines Sühneverfahrens.46 2699 Jedoch muss der Grundsatz der Maßgeblichkeit der ausländischen lex fori modifiziert werden, insbesondere dann, wenn nach ausländischem Recht „Rechtshängigkeit“ bereits mit Einreichung der Klage/des Antrags bei Gericht eintritt.47 Denn dann wäre der in Deutschland Klagende stets im Hintertreffen:48 Da die Rechtshängigkeit beim deutschen Gericht erst mit der (wegen § 183 I 2 2. Alternative ZPO besonders komplizierten) Zustellung der Klage bzw. des Scheidungsantrags eintritt (§§ 253 I, 261 I ZPO; § 124 FamFG),49 könnte das vor dem deutschen Gericht anhängig gemachte Verfahren durch einen Parallelprozess im Ausland überrundet werden mit der Folge, dass nach dem Prioritätsprinzip (§ 261 III Nr. 1 ZPO) im Inland eine Klagesperre eintritt, weil die zeitlich frühere Rechtshängigkeit des später begonnenen ausländischen Prozesses zu beachten
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nationalen Zivilprozessrecht – Überlegungen zur Bewältigung von multi-fora disputes, 1996, 131, 143. BGH vom 18.3.1987, NJW 1987, 3083 (kritisch R. Geimer) = FamRZ 1987, 580 (Gottwald) = IPRax 1989, 104 (Siehr 93) = IPRspr. 1987 Nr. 145; BGH vom 12.2.1992, NJW-RR 1992, 642 = FamRZ 1992, 1058 = IPRax 1994, 40 (Linke 17) = IPRspr. 1992 Nr. 211; OLG Bamberg vom 5.11.1999, FamRZ 2000, 1289 = IPRspr. 1999 Nr. 148. R. Geimer NJW 1984, 528; Kaiser/Prager RIW 1983, 667; Bürgle IPRax 1983, 284. Anderer Auffassung Linke IPRax 1982, 231. Hinweise bei Dohm, Die Einrede ausländischer Rechtshängigkeit im deutschen internationalen Zivilprozessrecht, 1996, 116 ff. Zur Rechtslage in der Schweiz Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozessrecht – Überlegungen zur Bewältigung von multi-fora disputes, 1996, 146; Wittibschlager, Rechtshängigkeit in internationalen Verhältnissen, 1994, 8 und 114. So z.B. in Dänemark (LG Köln vom 17.3.1999, TranspR 2000, 382 = IPRspr. 1999 Nr. 144), in der Türkei (OLG Frankfurt vom 11.3.1999, FamRZ 2000, 35 = IPRspr. 1999 Nr. 143) sowie in vielen Bundesstaaten der USA, Otto, Der prozessuale Durchgriff – die Nutzung forumansässiger Tochtergesellschaften in Verfahren gegen ihre auswärtigen Muttergesellschaften im Recht der USA, der Europäischen Gemeinschaften und der Bundesrepublik Deutschland, zugleich ein Beitrag im Justizkonflikt mit den USA, 1993, 119. Anders aber das Konzept des Art. 30 EuGVVO. Anders ist es in der Verwaltungsgerichtsbarkeit: Hier tritt Rechtshängigkeit bereits mit Einreichung bei Gericht ein, §§ 81, 90 VwGO; eine dort eingereichte Zivilklage kann nach § 17a GVG an die Zivilgerichte verwiesen werden. Vgl. den Fall des BVerwG vom 5.2.2001, IPRax 2004, 112 (Grothe 83).
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Prioritätsprinzip ist, Rz. 1933.50 Ein solcher Wettlauf der Kläger darf nicht unter unfairen Bedingungen stattfinden. Das racing to the courthouse darf nicht durch Unterschiede in der Ausgestaltung 2700 des Beginns der Rechtshängigkeit in den einzelnen nationalen Gesetzen verzerrt werden und dadurch sein Ausgang willkürlich werden. Dies verbietet auch Art. 6 I EMRK und künftig Art. 47 II EuGrundrechtecharta.51 Daher ist die These nicht richtig, für die Beurteilung des Beginns der Rechtshän- 2701 gigkeit im Ausland solle ausschließlich die dortige lex fori maßgeblich sein. Denn bei strikter Anwendung dieser Regel würde die Justizgewährung durch deutsche Gerichte unangemessen beschnitten werden. Dass der im Inland Klagende das Rennen um das Forum gewinnt, ist nahezu aussichtslos. Man wird erinnert an die Fabel vom Wettlauf zwischen Hase und Igel.52 Deshalb ist – entgegen der BGH-Rechtsprechung53 – für den Prioritätstest auf den vergleichbaren Entwicklungsstand beider Verfahren abzustellen.54 Die Anwendung des ordre public (so der BGH) wäre deplatziert. Denn es gilt 2702 nicht, die Grundwerte der inländischen Rechtsordnung zu verteidigen (die – wie der BGH richtig hervorhebt – nicht tangiert sind), sondern eine Regel des deutschen internationalen Zivilprozessrechts zu definieren, unter welchen Voraussetzungen ausländische Rechtshängigkeit zu einer Blockade der Justizgewährung im Inland führt. Dabei handelt es sich ebenso wenig um ein ordre public-Problem, wie bei der Frage der Konkurrenz zwischen einem inländischen und einem ausländischen Urteil.55 Es geht vielmehr um die Bedingungen, unter denen der Rechtshängigkeit im Ausland Priorität eingeräumt wird. Dabei müssen die legitimen Interessen desjenigen, der sich (zeitlich früher) an ein deutsches Gericht wendet, berücksichtigt werden.
50 Hierzu Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozessrecht – Überlegungen zur Bewältigung von multi-fora disputes, 1996, 35, 55. 51 Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozessrecht – Überlegungen zur Bewältigung von multi-fora disputes, 1996, 148. 52 Vgl. auch Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozessrecht – Überlegungen zur Bewältigung von multi-fora disputes, 1996, 148 mit weiteren Nachweisen. 53 BGH vom 18.3.1987, NJW 1987, 3083 (R. Geimer) = FamRZ 1987, 580 (Gottwald) = IPRax 1989, 104 (Siehr 93) = IPRspr. 1987 Nr. 145; BGH vom 12.2.1992, NJW-RR 1992, 642 = FamRZ 1992, 1058 = IPRax 1994, 40 (Linke 17) = IPRspr. 1992 Nr. 211. 54 OLG Hamm vom 6.7.1988, NJW 1988, 3102, 3103 (R. Geimer) = IPRspr. 1988 Nr. 181; R. Geimer NJW 1987, 3084; Heiderhoff, Die Berücksichtigung ausländischer Rechtshängigkeit in Ehescheidungsverfahren, 1998, 195; Heiderhoff IPRax 1999, 392, 394; Linke, Internationales Zivilprozessrecht4, 2006, Rz. 204; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 757; Schack IPRax 1991, 271; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 606a Rz. 33. Auch das OLG Karlsruhe vom 21.12.1990, IPRax 1992, 171, 173 (insoweit ablehnend Sonnenberger IPRax 1992, 157 sub 6) möchte „die legitimen Interessen desjenigen, der sich zeitlich früher mit einer Klage (Scheidungsantrag) an ein deutsches Gericht wendet“, schützen. Anderer Auffassung jedoch Dohm, Die Einrede ausländischer Rechtshängigkeit im deutschen internationalen Zivilprozessrecht, 1996, 292 ff., 301. 55 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1667.
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Elfter Teil: Im Ausland anhängiges Verfahren 2703 Der Bundesgerichtshof 56 ist zu zurückhaltend, wenn er nur mit der exceptio doli arbeiten will; denn bis heute ist es auch auf anderen Feldern des internationalen Verfahrensrechts nicht gelungen, klar abzustecken, wann derjenige, der von prozessualen Möglichkeiten (für ihn vorteilhaften) Gebrauch macht, arglistig handelt, Rz. 1015. Es entstehen viel weniger Abgrenzungsschwierigkeiten, wenn man in den Fällen, in denen die Rechtshängigkeit nach der ausländischen lex fori bereits mit der Einreichung der Klage bei Gericht beginnt, es auch vice versa bei der Beantwortung der Prioritätsfrage genügen lässt, dass die in Deutschland erhobene Klage bei Gericht eingereicht ist.57 2704 EuGH-Rechtsprechung: Nicht Anhängigkeit, d.h. Einreichung der Klage/des Antrags,58 sondern (endgültige) Rechtshängigkeit (bestimmt nach dem nationalen Recht, nicht nach europäischem Einheitsrecht) war nach der bisherigen (überholten) Judikatur des EuGH der maßgebliche Anknüpfungspunkt des Art. 21 EuGVÜ/LugÜ.59 Nunmehr bringt Art. 30 EuGVVO eine differenziertere Lösung. Wird im Falle einer ausschließlichen Prorogation gleichwohl das forum derogatum zuerst angerufen, muss das später angerufene forum prorogatum gemäß Art. 27 EuGVVO bzw. Art. 21 EuGVÜ/LugÜ aussetzen.60 2704a Ob ein Sühneverfahren, das dem eigentlichen Rechtsstreit (obligatorisch) vorgeschaltet ist, bereits Rechtshängigkeit im Ausland begründet, die inländischen Rechtsschutz blockiert,61 hängt davon ab, ob dieses ein selbständiges Verfahren oder ob es integraler Bestandteil des „Gesamtprozesses“ ist.62 Siehe auch Rz. 2727. 2704b
Selbständige Entscheidung der Prioritätsfrage: Ob die ausländische Rechtshängigkeit früher eingetreten ist als die deutsche, entscheidet das deutsche Gericht selbständig und ohne Bindung an die Rechtsansicht und die tatsächlichen Feststellungen des ausländischen Gerichts. Dies gilt auch im Anwendungsbereich des Art. 27 EuGVVO bzw. Art. 21 EuGVÜ/LugÜ, des Art. 12 EuUnterhaltsverfahrensVO (Rz. 245c) sowie des Art. 19 EuEheVO63. Jedes in Betracht kommende Gericht eines Vertragsstaates hat selbständig zu prüfen, ob es das „zuerst“ oder 56 BGH vom 12.2.1992, NJW-RR 1992, 642 = FamRZ 1992, 1058 = IPRax 1994, 40 (Linke 17) = IPRspr. 1992 Nr. 211. 57 R. Geimer EWiR 1987, 310. Anderer Auffassung BGH vom 12.2.1992, NJW-RR 1992, 642 = FamRZ 1992, 1058 = IPRax 1994, 40 (Linke 17) = IPRspr. 1992 Nr. 211. 58 So aber Rauscher IPRax 1985, 317 um zu vermeiden, dass Spezialgerichtsstände dadurch überrundet werden, dass später eingereichte Klage im Wohnsitzstaat de facto schneller zugestellt wird. 59 EuGH vom 7.6.1984, Rs 129/83 – Zelger/Salinitri Slg. 1984, 2397 = NJW 1984, 2759 = RIW 1984, 737 (Linke) = IPRax 1985, 336 (Rauscher 317) = Rev. crit. 1985, 374 (Holleaux). 60 EuGH vom 9.12.2003, Rs C-116/02 – Erich Gasser GmbH/MISAT Srl, RIW 2004, 289 (Thiele 285) = EuZW 2004, 188; siehe auch LG Bonn vom 26.6.2003, RIW 2004, 460; R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A1-Einl. Rz. 113; Art. 23 EuGVVO Rz. 215. 61 So ausdrücklich Art. 9 I schweizer. IPRG. 62 Ähnlich Sonnenberger IPRax 1992, 156. 63 R. Geimer in Festschrift Schweizer, 1999, 175, 184. Zustimmend Dilger, Die Regelungen zur internationalen Zuständigkeit in Ehesachen in der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003
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Prioritätsprinzip das „später“ angerufene Gericht ist. Denn das Brüsseler bzw. das Luganer Übereinkommen bzw. die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 überträgt – anders als im Fall des Art. 17 I 3 EuGVÜ/LugÜ64 bzw. Art. 23 III EuGVVO – keinem der beteiligten Gerichte die alleinige Kompetenz für die verbindliche Entscheidung der Frage, welches Gericht zuerst angerufen worden ist. In den wenigen Bereichen, in denen das Übereinkommen bzw. die EG-Verordnung ausnahmsweise eine Bindung an die Feststellungen eines Gerichts eines anderen Vertragsstaats stipuliert, ist dies im Konventions- bzw. Verordnungstext ausdrücklich niedergelegt, wie z.B. in Art. 28 II EuGVÜ/Art. 28 III LugÜ bzw. in Art. 35 II EuGVVO. Aus dem Fehlen einer solchen Bindungsregel folgt, dass es bei der selbständigen Prüfungsbefugnis eines jeden mit der Sache befassten Gerichts verbleibt. Möglichkeit, das Übergehen der früheren Rechtshängigkeit abzuwehren: Die 2704c Prüfung im Rahmen des Art. 21 EuGVÜ/LugÜ I bzw. des Art. 27 EuGVVO/ LugÜ II ist die einzige effektive Bremse gegen (willkürliche) Ignorierung der früheren deutschen Rechtshängigkeit durch ausländische Gerichte, Rz. 1118. Denn die Missachtung der früheren deutschen Rechtshängigkeit durch das ausländische Gericht ist – anders als nach § 328 I Nr. 3 ZPO und § 109 I Nr. 3 FamFG – für sich allein kein Grund, die Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung einer unter Verletzung des Prioritätsprinzips ergangenen Entscheidung aus einem anderen Vertragsstaat zu versagen. Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ/LugÜ I bzw. Art. 34 Nr. 3 EuGVVO/LugÜ II setzt ein bereits ergangenes deutsches Urteil voraus, mit dem die zur Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung anstehende ausländische Entscheidung unvereinbar ist. Eine deutsche Entscheidung ist aber hier nicht ergangen, da das deutsche Verfahren ausgesetzt ist. Missbräuchliche Inlandszustellung trotz objektiver Notwendigkeit einer Aus- 2704d landszustellung: Wollte man eine Bindung an die Feststellungen des Gerichts des jeweils anderen Vertragsstaates bejahen, so würde dies die Gefahr missbräuchlicher Inlandszustellungen in Fällen heraufbeschwören, in denen nach objektiver Rechtslage eine Auslandszustellung erforderlich ist. So wäre z.B. nicht hinzunehmen, dass englische Gerichte nur aufgrund klägerischer Behauptungen von einem Wohnsitz in England ausgehen und deshalb service of claim form (writ) within the jurisdiction genügen lassen, obwohl richtig eine Auslandszustellung (service out of jurisdiction) erforderlich gewesen ist. Bei Prüfung nach englischem Recht könnte z.B. das deutsche Gericht zu dem Ergebnis kommen, dass service within the jurisdiction nicht ausreichend war, weil richtig service out of jurisdiction notwendig gewesen wäre im Hinblick darauf, dass gegebenenfalls nach dem Ergebnis der deutschen Beweisaufnahme der Beklagte nicht mehr in England oder Wales zum fraglichen Zeitpunkt gewohnt hat. Die Feststellungen des ausländischen Gerichts über den Zeitpunkt bzw. über die 2704e Wirksamkeit der Zustellung sind keine Entscheidungen im Sinne von Art. 25 EuGVÜ/LugÜ I bzw. Art. 32 EuGVVO/LugÜ II, deren Wirkungen ohne Rücksicht auf ihre sachliche Richtigkeit kraft Anerkennung auf Deutschland zu erstrecken – Vergemeinschaftung, Anwendungsbereich und insbesondere die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, 2004, Rz. 344. 64 Vgl. Mankowski JZ 1998, 900.
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Elfter Teil: Im Ausland anhängiges Verfahren wären. Denn unter Art. 25 ff. EuGVÜ/LugÜ I bzw. Art. 32 EuGVVO/LugÜ II fallen nur Entscheidungen in der Sache, Rz. 2788.65 2704f Positiver Konflikt: Die hier beschriebene Prüfungsmöglichkeit kann zu Konfliktsituationen führen, wenn jedes befasste Gericht sich für das zuerst angerufene hält und daher der Auffassung ist, das jeweils andere habe sein Verfahren nach Art. 21 I EuGVÜ/LugÜ I bzw. Art. 27 I EuGVVO/LugÜ II auszusetzen bzw. habe sich für unzuständig im Sinne von Art. 21 II EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 27 II EuGVVO zu erklären, d.h. die Klage als unzulässig durch Prozessurteil abzuweisen. Das EuGVÜ/LugÜ bzw. die EuGVVO sieht keinen Mechanismus vor, eine solche Konfliktsituation aufzulösen, um widersprüchliche Entscheidungen in der gleichen Sache zu vermeiden.66 2704g Es kann aber auch zum negativen Konflikt kommen. Hier handelt es sich um folgende Konstellation: Das (vermeintlich) später angerufene Gericht setzt aus, jedoch sieht das andere Gericht (zu dessen Gunsten die Aussetzung erfolgte), die Dinge vice versa anders: Es vertritt die Meinung, es sei das „später angerufene“ Gericht und entscheidet daher nicht in der Sache.67 2704h
Ende der Rechtshängigkeit im Ausland: Art. 21 EuGVÜ/LugÜ und Art. 27 EuGVVO setzt – ebenso wie das autonome deutsche Recht – fortbestehende frühere Rechtshängigkeit im Ausland voraus. Die Sperre für eine Sachentscheidung in Deutschland entfällt – ohne Rücksicht auf die Beantwortung der Prioritätsfrage – jedenfalls dann, wenn die Rechtshängigkeit im Ausland endet, gegebenenfalls durch abschließende Entscheidung in der Sache oder durch Vergleich bzw. Klagerücknahme. Eine „stipulation of dismissal“ steht einer neuen Klage nicht entgegen.68
2704i Maßgeblich für das Ende ist – da entsprechendes Gemeinschafts- bzw. Konventionsrecht fehlt – primär das autonome Recht des jeweiligen Mitglied- bzw. Vertragsstaates. Wenn im Ausland die Rechtshängigkeit aufgehört hat, gibt es kein Verfahrenshindernis mehr für die Durchführung des in Deutschland anhängigen Rechtsstreits. Der Verweis auf das nationale Recht für das Ende der Rechtshängigkeit ist im Anwendungsbereich des EuGVÜ/LugÜ bzw. der EuGVVO aber nur der gedank65 R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 32 EuGVVO Rz. 16. Vgl. auch Schlosser, EU-Zivilprozessrecht2, 2003, Art. 32 EuGVVO Rz. 8. 66 Treffend hebt Lenenbach, Die Behandlung von Unvereinbarkeiten zwischen rechtskräftigen Zivilurteilen nach deutschem und europäischem Zivilprozessrecht, 1997, 127 hervor, dass viele Konstellationen denkbar sind, „in denen es trotz Art. 21 EuGVÜ zu unvereinbaren Urteilen kommen kann“. 67 So der Fall des Schweizerischen Bundesgerichts, Urteil v. 26.9.1997, FORUM International 3 (1998), 14, in dem die Parallelvorschrift des Art. 21 LugÜ anzuwenden war: Der mit der Zahlungsklage befasste High Court of Justice setzte das Verfahren aus, weil er frühere Rechtshängigkeit in Zürich für gegeben hielt. Die schweizerischen Gerichte kamen jedoch zu dem Ergebnis, dass – trotz Art. 9 II schweizer. IPR-Gesetz – die Rechtshängigkeit im Sinne von Art. 21 LugÜ erst nach derjenigen in London eingetreten sei. 68 OLG Nürnberg vom 14.10.1998, NZG 1999, 319 = IPRspr. 1998 Nr. 178.
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Seerecht liche Ausgangspunkt. Er bedarf der Anpassung und Modifizierung durch das System des EuGVÜ/LugÜ bzw. der EuGVVO. Es kommt darauf an, ob die im ausländischen Verfahren ergangenen Entscheidungen (z.B. Versäumnisurteile) mit ordentlichen Rechtsmitteln bzw. Rechtsbehelfen im Sinne von Art. 30, Art. 38 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 37 und Art. 46 EuGVVO nicht mehr angreifbar sind. Dies ist vor allem für das englische Recht von Bedeutung. Dieses kennt nämlich die in Kontinentaleuropa übliche Unterscheidung zwischen ordentlichen und außerordentlichen Rechtsmitteln nicht.69 Die Bedeutung des nationalen Rechts für die Abstimmung zwischen Ende der 2704j Rechtshängigkeit einerseits und der res iudicata andererseits ist durch das EuGVÜ/LugÜ bzw. die EuGVVO eingeschränkt. Der Gerichtsstaat kann diese Grenze nicht nach freiem Belieben ziehen. Denn es kann im Hinblick auf den europäischen Justizgewährungsanspruch nicht angehen, dass ein Mitglied- bzw. Vertragsstaat die Rechtshängigkeit vor seinen Gerichten andauern lässt und so nach Art. 21 EuGVÜ/LugÜ bzw. nach Art. 27 EuGVVO den Rechtsschutz vor den Gerichten der anderen Staaten blockiert, aber andererseits keine abschließende (der materiellen Rechtskraft dauerhaft fähige) Entscheidung von seinen Gerichten produzieren lässt. Anerkennung der materiellen Rechtskraft der ausländischen Sachentschei- 2704k dung: Einer Sachentscheidung der deutschen Gerichte könnte – trotz Wegfalls der Rechtshängigkeitssperre – die Rechtskraft der im ausländischen Verfahren ergangenen Entscheidungen entgegenstehen. Dies hängt davon ab, welche Wirkungen diese nach dem Recht des jeweiligen Gerichtsstaates (Erststaates) entfalten und ob diese Wirkungen in Deutschland nach Art. 25 ff. EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 33 ff. EuGVVO oder nach dem gegebenenfalls anerkennungsfreundlicheren nationalen Recht (§ 328 ZPO) anzuerkennen sind.
VII. Seerecht Verbis expressis ist im autonomen Recht die Relevanz der ausländischen Rechts- 2705 hängigkeit nur im Seerecht geregelt. Anlässlich der Ratifikation des Brüsseler Internationalen Übereinkommens vom 10.5.1952 zur Vereinheitlichung von Regeln über die zivilgerichtliche Zuständigkeit bei Schiffszusammenstößen70 wurde der deutsche Gesetzgeber zu § 738a I HGB71 inspiriert: „Ist eine [seerechtliche] Klage auf Schadenersatz . . . bei einem ausländischen Gericht anhängig, so hat die Klage die in § 261 Abs. 3 Nr. 1 der Zivilprozessordnung bestimmte Wirkung der Rechtshängigkeit, wenn die Zuständigkeit des Gerichts auf einer dem § 738 Abs. 1 [HGB] entsprechenden Regelung beruht und wenn das Gericht des Staates, vor dem die Klage auf Schadenersatz anhängig ist,
69 Schlosser-Bericht Rz. 204. 70 BGBl. 1973 II 169. Hierzu Kreuzer/Wagner, Europäisches Internationales Zivilverfahrensrecht, in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Stand: Juni 2007 (19. Ergänzungslieferung) sub Q Rz. 125. 71 Seerechtsänderungsgesetz vom 12.6.1972, BGBl. I 966.
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Elfter Teil: Im Ausland anhängiges Verfahren im Falle einer vor einem deutschen Gericht anhängigen Klage die Wirkungen der Rechtshängigkeit anerkennen würde.“72
VIII. Kein Gegenseitigkeitserfordernis 2706 Von § 738a I HGB abgesehen, verlangt das deutsche Recht nicht die Verbürgung der Gegenseitigkeit. Nur mittelbar kommt über § 328 I Nr. 5 ZPO73 bzw. § 109 IV FamFG dieser Gesichtspunkt ins Spiel. Es betrifft aber nur die Anerkennungsprognose (Rz. 2688), nicht jedoch die Relevanz der Rechtshängigkeit als solche.74
IX. Beachtung von Amts wegen 2707 Die Beachtung der ausländischen Rechtshängigkeit steht nicht im Ermessen des deutschen Gerichts. Es ist auch nicht auf die Rüge bzw. den Vortrag der Parteien angewiesen.75 Es hat vielmehr von Amts wegen die ausländische Litispendenz zu beachten. Gleichwohl hat das deutsche Gericht den Umfang des ausländischen Streitgegenstandes – zur Prüfung der Identität mit dem inländischen – nicht von Amts wegen aufzuhellen, wenn die Partei des deutschen Prozesses, die sich auf die Rechtshängigkeit beruft, einen substantiierten Vortrag unterlassen hat.76 2708 Mitunter sehen völkerrechtliche Verträge vor, dass die ausländische Rechtshängigkeit nur auf Antrag einer Partei zu beachten ist.77 Gleichwohl ist es nicht vertragswidrig, die ausländische Rechtshängigkeit von Amts wegen zu beachten.78 Vgl. auch Rz. 2807.
X. Ehesachen 2709 Bei der Anerkennungsprognose in Ehesachen kommt – außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 (EuEheVO, Rz. 245c) – das 72 Hierzu Basedow VersR 1978, 496 ff.; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 643. 73 Vgl. z.B. BGH vom 26.1.1983, NJW 1983, 1269 = FamRZ 1983, 366 = IPRax 1984, 152 (Luther 141) = IPRspr. 1983 Nr. 165, OLG Schleswig vom 15.2.2007, OLGR 2007, 305, 307. 74 Beispiel bei Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 757. 75 Anders OLG Schleswig vom 15.2.2007, OLGR 2007, 305, 307 unter Hinweis auf den zivilprozessualen Beibringungsgrundsatz. 76 OLG Hamm vom 25.9.1985, RIW 1986, 383 = IPRax 1986, 233, 234 (R. Geimer 208, 216) = IPRspr. 1985 Nr. 165. Ebenso aus der Sicht des Art. 19 EuEheVO Dilger in Geimer/ Schütze, Der internationale Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen (Nr. 545), Art. 19 EuEheVO Rz. 27. 77 Art. 11 des deutsch-italienischen Abkommens, Art. 15 des deutsch-belgischen Abkommens, Art. 44 des deutsch-tunesischen Vertrages, Art. 22 des deutsch-israelischen Vertrages. 78 R. Geimer NJW 1984, 528.
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Aussetzung Feststellungsmonopol der Landesjustizverwaltung bzw. des Oberlandesgerichtspräsidenten nach § 107 FamFG zum Zuge, Rz. 3015. Ist bereits im Ausland ein Urteil ergangen, so darf das Gericht dessen Anerkennungsfähigkeit – auch als Vorfrage – nicht selbständig beurteilen, Rz. 3025.79 Es muss vielmehr das Verfahren aussetzen, bis eine Entscheidung der Landesjustizverwaltung bzw. des Oberlandesgerichtspräsidenten ergangen ist. Diese bindet das Gericht, § 107 IX FamFG. Die Aussetzung steht nicht im Ermessen des Gerichts.80 Auch in der Revisionsinstanz ist § 107 FamFG in jeder Lage des Verfahrens zu beachten; eine Verfahrensrüge ist nicht erforderlich.81 Anders ist es, wenn noch keine ausländische Entscheidung ergangen ist. Dann 2710 kommt § 107 FamFG nicht zum Zuge. Das deutsche Gericht ist befugt, über die Anerkennungsprognose selbst zu befinden.82
XI. Zwischenurteil Über die Frage, ob die ausländische Rechtshängigkeit im Inland zu beachten ist 2711 (und einem inländischen Sachurteil entgegensteht), kann durch Zwischenurteil (§ 280 ZPO) entschieden werden.83
XII. Aussetzung § 261 III Nr. 1 ZPO gibt keine Aussetzungsmöglichkeit, um den Ausgang des aus- 2712 ländischen Verfahrens abwarten zu können.84 Eine Aussetzung ist jedoch angesichts der Unsicherheit der Anerkennungsprognose zu befürworten; daher ist § 148 ZPO analog anzuwenden, Rz. 2724.85
79 Anderer Auffassung Schumann IPRax 1986, 15 Fußn. 8. 80 Unzutreffend OLG Frankfurt vom 7.10.1980, IPRspr. 1980 Nr. 159; OLG Bremen vom 25.10.1984, IPRax 1985, 296 = IPRspr. 1984 Nr. 92. 81 Dies wurde nicht beachtet in BGH vom 5.2.1975, BGHZ 64, 19 = NJW 1975, 1072 (kritisch R. Geimer 2141) = IPRspr. 1975 Nr. 98. 82 Vgl. OLG Hamburg vom 27.1.1986, IPRax 1987, 37 = IPRspr. 1986 Nr. 166. 83 OLG Frankfurt vom 9.4.1975, VersR 1975, 646 = IPRspr. 1975 Nr. 156. 84 Für Prozessabweisung ohne Wenn und Aber Stein/Jonas/Roth, ZPO22, 2005, § 148 Rz. 60. 85 BGH vom 10.10.1985, RIW 1986, 218 = NJW 1986, 2195 = EWiR 1985, 1015 (R. Geimer) = IPRspr. 1985 Nr. 167; Mitzkus, Internationale Zuständigkeit im Vormundschafts-, Pflegschafts- und Sorgerecht, 1982, 337 Fußn. 27; Neuhaus/Kropholler RabelsZ 44 (1980), 340; Dohm, Die Einrede ausländischer Rechtshängigkeit im deutschen internationalen Zivilprozessrecht, 1996, 272 ff.; Eschenfelder, Möglichkeiten deutscher Unternehmen, US-amerikanische Discovery auch vor deutschen Gerichten zu nutzen, IPRax 2006, 89; Eschenfelder, Verwertbarkeit von Discovery-Ergebnissen in deutschen Zivilverfahren, RIW 2006, 443; Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozessrecht – Überlegungen zur Bewältigung von multi-fora disputes, 1996, 160.
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Elfter Teil: Im Ausland anhängiges Verfahren
XIII. Präjudizialität des ausländischen Verfahrens 2713 Auch wenn der im Ausland anhängig gemachte Prozess nur einen Präjudizialpunkt des inländischen Streitgegenstandes betrifft, will die herrschende Meinung dem deutschen Gericht eine Aussetzungsmöglichkeit nach § 148 ZPO bei positiver Anerkennungsprognose geben. Auf das Prioritätsprinzip und Identität der Parteien komme es nicht an.86 2714 Doch ist hier Zurückhaltung geboten, da die Justizgewährung im Inland nicht unzumutbar beschnitten werden darf. Insbesondere kann es nicht angehen, dass die im Inland verklagte Partei „ihren“ Prozess dadurch unterläuft, dass sie im Ausland einen (eine Vorfrage des inländischen Prozesses betreffenden) Rechtsstreit – nachträglich – anhängig macht.87 2715 Wenn überhaupt, ist eine „internationale Aussetzung“ nur diskutabel, wenn das ausländische Gericht nach seinem internationalem Privatrecht voraussichtlich seiner Entscheidung die gleiche lex causae zugrunde legen wird wie das deutsche Gericht. Die zu erwartende ausländische Entscheidung mag zwar auch bei Anwendung anderen Sachrechts anerkennungsfähig sein, weil eine kollisionsrechtliche Kontrolle nicht stattfindet (Rz. 2965) und auch mangels Identität des Streitgegenstandes das Anerkennungshindernis des § 328 I Nr. 3 ZPO bzw. des § 109 I Nr. 3 FamFG nicht entgegensteht, sie kann aber nicht „hilfreich“ sein für die Rechtsfindung des deutschen Gerichts; deshalb scheidet bei divergierendem internationalem Privatrecht eine Aussetzung von vornherein aus.88
XIV. Relevanz der Beweisaufnahme in einem im Ausland schwebenden Verfahren 2716 Liegt weder Identität des Streitgegenstandes (Rz. 2693) noch der Parteien (Rz. 2695) noch ein Fall der Präjudizialität (Rz. 2713) vor, so kann der im Ausland anhängige Prozess für das deutsche Gericht gleichwohl in tatsächlicher Hinsicht von Bedeutung sein im Hinblick auf Beweisaufnahmen bzw. Beweiswürdigungen. Dies berechtigt jedoch nicht zur Aussetzung.
86 Einschränkend OLG Frankfurt vom 12.11.1985, NJW 1986, 1443 = RIW 1986, 469 = IPRax 1986, 297 (Nagel 282, Löber 283) = IPRspr. 1985 Nr. 168. 87 Auch wenn der ausländische Gerichtsstaat grundsätzlich ausländische (hier deutsche) Rechtshängigkeit nach dem Prioritätsprinzip beachtet, steht die frühere (deutsche) Rechtshängigkeit nicht entgegen, da Identität des Streitgegenstandes nicht gegeben ist. 88 R. Geimer NJW 1987, 3085. Anderer Auffassung Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozessrecht – Überlegungen zur Bewältigung von multi-fora disputes, 1996, 116. Weiter als hier vorgeschlagen geht auch Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000, 508.
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Positive Anerkennungsprognose
XV. Positive Anerkennungsprognose Nach autonomem deutschem Recht und den meisten Staatsverträgen89 setzt die 2717 Beachtung der zeitlich früheren ausländischen Rechtshängigkeit eine positive Anerkennungsprognose voraus, Rz. 2688. Dieses Erfordernis wirft neben der Prüfung der Verbürgung der Gegenseitigkeit (§ 328 I Nr. 5 ZPO; § 109 IV FamFG)90 viele praktische Rechtsanwendungsprobleme auf, wenn das ausländische Verfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist. Denn durch das Prozessverhalten der Beklagten im Ausland kann sich die „Anerkennungslage“ verschieben. So kann die aus deutscher Sicht (§ 328 I Nr. 1 ZPO in Verbindung mit §§ 12 ff. ZPO) „an sich“ nicht gegebene internationale Anerkennungszuständigkeit durch Unterwerfung unter die Jurisdiktion des Gerichtsstaates oder durch vorbehaltlose Einlassung in der Rechtsmittelinstanz begründet werden, Rz. 1422. Auch kann die dem Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 34 Nr. 2 EuGVVO bzw. § 328 I Nr. 2 ZPO „an sich“ nicht genügende Verfahrenseröffnung geheilt werden.91 Angesichts der internationalen Prozessförderungslast der Parteien kann die Berücksichtigung eines Verfahrensverstoßes (unter dem Gesichtspunkt des ordre public) präkludiert sein, Rz. 2922, 2955. Auch die Beachtung des Einwandes der ordre public-Widrigkeit der (zu erwar- 2718 tenden) Sachentscheidung des ausländischen Gerichts in Deutschland kann davon abhängen, ob die (beschwerte) Partei alle ihr zur Verfügung stehenden Rechtsmittel bzw. Rechtsbehelfe eingelegt hat, Rz. 2991a. Hat das ausländische Gericht noch keine Sachentscheidung erlassen, kann die Frage nicht beantwortet werden, ob insoweit die Anerkennung an § 328 I Nr. 4 ZPO scheitert.92 Bei einem non liquet ist wie folgt zu entscheiden: Die ordre public-Widrigkeit 2719 des ausländischen Verfahrens, insbesondere seiner Einleitung, führt nur dann zur negativen Anerkennungsprognose, wenn eine Heilungsmöglichkeit ausgeschlossen ist.93 Das Gleiche gilt für die ordre public-Widrigkeit der Sachentscheidung des ausländischen Gerichts, wenn diese nach der dortigen Rechtslage durch Rechtsmittel oder Rechtsbehelfe beseitigt werden kann. Bloße Mutmaßungen über die präsumptive ordre public-Widrigkeit der noch nicht erlassenen Entscheidung zur Sache (Anwendung von Rechtsregeln oder -grundsätzen, die dem anerkennungsrechtlichen ordre public [Rz. 26] widersprechen, bzw. Nichtanwendung von Normen bzw. Rechtsprinzipien, die aus deutscher Sicht „absolut international zwingend“, also auch in der Anerkennungsphase durchzusetzen sind) können nicht zur Ignorierung der ausländischen Rechts-
89 Ausnahme: Art. 21 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 27 EuGVVO; hierzu R. Geimer IPRax 2001, 191; Schütze/Kratzsch RIW 2000, 939. 90 Vgl. z.B. OLG Hamm vom 28.11.1996, IPRspr. 1996 Nr. 184; BGH vom 24.10.2000, NJW 2001, 524 = IPRax 2001, 457 (Schütze 441) = IPRspr. 2000 Nr. 156. 91 Hierzu z.B. Rauscher IPRax 1992, 16; Gottwald in Festschrift Schumann, 2001, 149. 92 Zustimmend Dohm, Die Einrede ausländischer Rechtshängigkeit im deutschen internationalen Zivilprozessrecht, 1996, 262; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 755; Schütze RabelsZ 31 (1967), 233, 246. 93 Enger OLG Hamburg vom 3.7.1990, IPRax 1992, 38 (Rauscher 14).
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Elfter Teil: Im Ausland anhängiges Verfahren hängigkeit führen. Die vom BGH94 zur Nichtbeachtung der Derogation der internationalen Zuständigkeit Deutschlands angestellten Überlegungen zur hypothetischen Rechtsanwendungsprozedur des ausländischen Gerichts wurden bereits oben Rz. 1058 kritisiert. Sie haben auch bei der Anerkennungsprognose im Zusammenhang mit § 261 III Nr. 1 ZPO keine Berechtigung. 2720 Soweit in der Anerkennungsphase eine Anerkennungsvoraussetzung bzw. ein Versagungsgrund nur auf Rüge der betroffenen Partei zu prüfen ist (vgl. Rz. 2903, 2937, 2957, 2991), gilt dies auch für die Entscheidungsphase des § 261 III Nr. 1 ZPO. Eine Prüfung von Amts wegen kommt nicht in Betracht. Vielmehr ist auch hier eine Rüge der betroffenen Partei erforderlich, um zu einer negativen Anerkennungsprognose zu kommen. 2721 Soweit man entgegen der hier vertretenen Auffassung (Rz. 878) und dem eindeutigen Trend in der modernen Gesetzgebung95 für den Bereich des autonomen deutschen Rechts96 etwa in Anlehnung an Art. 22 EuGVVO Fälle ausschließlicher internationaler Zuständigkeit Deutschlands bejaht, scheidet insoweit eine Anerkennung und damit eine Berücksichtigung der ausländischen Rechtshängigkeit von vornherein aus.
XVI. Abgrenzung zur Anerkennung der res iudicata- und der Gestaltungswirkung der bereits im Ausland ergangenen Entscheidung 2722 Ist das Verfahren im Ausland bereits endgültig abgeschlossen, liegt keine Rechtshängigkeit im Ausland (mehr) vor, die analog § 261 III Nr. 1 ZPO zu beachten wäre. Es geht vielmehr um die Frage, ob und inwieweit die Wirkungen der im ausländischen Verfahren ergangenen Sachentscheidung (res iudicata-, Gestaltungswirkung etc.) anzuerkennen sind; wurde das Verfahren im Ausland ohne eine Sachentscheidung abgeschlossen, z.B. durch Rücknahme der Klage bzw. des Antrags, ist dies für das deutsche Gericht irrelevant, weil keine Sachentscheidung vorliegt, die Gegenstand der Anerkennung sein könnte, Rz. 2788. Wurde es durch Vergleich erledigt, so ist dessen Beachtung in der Regel kein Problem des Prozessrechts und damit der Zulässigkeit des inländischen Prozesses, sondern des materiellen Rechts und damit der Begründetheit der Klage. Ausnahme: Wenn – anders als nach deutschem Recht – der Vergleich res iudicata-Wirkung entfaltet, Rz. 2864. 2723 Anders als nach deutschem Recht (§ 705 ZPO) treten nach manchen ausländischen Rechtsordnungen die Wirkungen der gerichtlichen Entscheidung bereits mit deren Erlass ein, obwohl der Rechtsstreit noch nicht abgeschlossen ist, weil er durch Einlegung von Rechtsmitteln bzw. Rechtsbehelfen noch fortgesetzt werden kann. So entfaltet das Urteil eines französischen Gerichts bereits mit Erlass 94 BGH vom 12.3.1984, NJW 1984, 2037 = RIW 1985, 78 = IPRax 1985, 216 (Roth 198) = IPRspr. 1984 Nr. 135. 95 § 106 FamFG (vormals §§ 606a I 2, 640a II 2, 661 III ZPO, §§ 35b II, 43b I 2, 69e FGG). 96 Vgl. zur Parallelfrage in der Schweiz Vischer/Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht2, 2000, Rz. 1198 ff.
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Positive Anerkennungsprognose autorité de la chose jugée, die allerdings nach Rechtsmitteleinlegung suspendiert wird.97 Nach Unanfechtbarkeit erlangt die Entscheidung force de la chose jugée, Rz. 2804. Dies hat Auswirkungen auf das inländische Verfahren: Ist in Frankreich bereits eine Entscheidung ergangen, kann deren autorité de la chose jugée im deutschen Verfahren geltend gemacht werden. Dogmatisch geht es nicht um die Beachtung der ausländischen Rechtshängigkeit, sondern der Wirkungen der im Ausland ergangenen Entscheidung.98 Allerdings verschiebt sich die Rechtslage wieder, wenn und solange die Wirkungen des ausländischen Urteils durch Einlegung von Rechtsmitteln nach dem Recht des Urteilsstaates suspendiert werden. Daher ist die „Anerkennung“ noch nicht definitiver Urteilswirkungen bei funktionaler Betrachtungsweise doch nichts anderes als die Beachtung der Anhängigkeit des ausländischen Verfahrens.99 Jedenfalls zeigt die hier dargestellte Konstellation, dass die Aussetzung des inländischen Verfahrens die richtige Reaktion auf den Prozess im Ausland ist und nicht die Prozessabweisung wegen (derzeitiger) Unzulässigkeit des inländischen Verfahrens, Rz. 2712.
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XVII. Justizverweigerung im Ausland Die durch die ausländische Rechtshängigkeit nach Maßgabe des Prioritätsprinzips bewirkte Blockade einer Sachentscheidung durch die deutschen Gerichte ist nur dann vertretbar, wenn das ausländische Gericht das Verfahren zügig vorantreibt. Wird der Rechtsstreit ohne triftigen Grund verschleppt, so ist irgendwann der Punkt erreicht, wo der Justizgewährungsanspruch der Parteien tangiert wird. Dann kann und muss das inländische Gericht entscheiden.100 Vgl.
97 Hierzu Buschmann, Rechtshängigkeit im Ausland als Verfahrenshindernis unter besonderer Berücksichtigung der Klageerhebung im französischen Zivilprozess, 1996. 98 R. Geimer RIW 1976, 142; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 328 Rz. 47; Linke IPRax 1992, 160. 99 Zustimmend Dohm, Die Einrede ausländischer Rechtshängigkeit im deutschen internationalen Zivilprozessrecht, 1996, 140. 100 BGH vom 26.10.1960, NJW 1961, 124 = IPRspr. 1960–1961 Nr. 200; OLG Frankfurt vom 9.4.1975, VersR 1975, 646 = IPRspr. 1975 Nr. 156; BGH vom 26.1.1983, NJW 1983, 1269 = FamRZ 1983, 366 = IPRax 1984, 152 (Luther 141) = IPRspr. 1983 Nr. 165; hierzu R. Geimer NJW 1984, 529. Vgl. auch BGH vom 16.6.1982, FamRZ 1982, 917 = IPRspr. 1982 Nr. 168 und BGH vom 10.10.1985, NJW 1986, 2195 = RIW 1986, 218 = EWiR 1985, 1015 (R. Geimer) =WM 1986, 115 IPRspr. 1985 Nr. 167; OLG Düsseldorf vom 20.3.1985, NJW 1986, 2202 = IPRax 1986, 29 (Schumann 14) = IPRspr. 1985 Nr. 164; OLG Frankfurt vom 8.12.1986, RIW 1987, 151 = NJW-RR 1988, 572 = IPRax 1988, 24 (Schumann 13) = IPRspr. 1986 Nr. 168. Zurückhaltender OLG München vom 2.6.1998, RIW 1998, 631 = FORUM Int. 1998, 11 (R. Geimer) = EWiR 1998, 977 (Mankowski) = IPRspr. 1998 Nr. 177. Art. 9 I schweizer. IPRG setzt für Beachtung ausländischer Rechtshängigkeit voraus, „dass das ausländische Gericht in angemessener Frist eine Entscheidung fällt. Hierzu Wittibschlager, Rechtshängigkeit in internationalen Verhältnissen, 1994, 129. Weitere Nachweise bei Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 19 EheGVO Rz. 25.
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Elfter Teil: Im Ausland anhängiges Verfahren Rz. 1932. Der gegenteilige Standpunkt des EuGH101 ist mit Art. 6 I EMRK bzw. künftig Art. 47 II EuGrundrechtecharta102 nicht vereinbar.
XVIII. Negative Feststellungsklage 2726 Besonderheiten ergeben sich im Verhältnis zwischen der negativen Feststellungsklage zur später erhobenen Leistungsklage. Hier gerät das Prioritätsprinzip ins Wanken, wenn man der Ansicht ist, dass das Feststellungsinteresse (§ 256 ZPO) mit Erhebung der Leistungsklage wegfällt,103 oder wenn man mit der herrschenden Meinung (Rz. 1115) die Identität des Streitgegenstandes im Verhältnis zwischen negativer Feststellungsklage und Leistungsklage leugnet, Rz. 1114, 1933.104 Etwas anderes gilt aber im Anwendungsbereich des EuGVÜ und des LugÜ sowie der EuGVVO. Nach Auffassung des EuGH blockiert Art. 21 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 27 EuGVVO die negative Feststellungsklage die später erhobene Leistungsklage, Rz. 2694d.105 Diese für alle EuGVVO-Mitglied- und EuGVÜ-Vertragsstaaten verbindliche Auslegung kann nicht durch die nationalen Gerichte unterlaufen werden, indem sie unter Berufung auf ihre Prozessordnung das Feststellungsinteresse für die negative Feststellungsklage entfallen lassen.106
XIX. Ausländisches Schlichtungsverfahren 2727 Ein ausländisches (vorprozessuales) Schlichtungsverfahren blockiert grundsätzlich nicht den (an sich zulässigen) Zivilprozess in Deutschland.107
101 EuGH vom 9.12.2003, Rs C-116/02 – Gasser GmbH/MISAT Srl RIW 2004, 289 (Thiele) = EuZW 2004, 188 = IPRax 2004, 243 (Grothe 205; Schilling 294). 102 Ebenso Heß in Festschrift Jayme, 2004, 339, 356. 103 LG Hamburg vom 1.10.1980, IPRspr. 1980 Nr. 23. 104 Weitere Nachweise bei Dohm, Die Einrede ausländischer Rechtshängigkeit im deutschen internationalen Zivilprozessrecht, 1996, 283 ff.; Hau; Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozessrecht – Überlegungen zur Bewältigung von multi fora disputes, 1996, 151 ff.; Gruber, Das Verhältnis der negativen Feststellungsklage zu den anderen Klagearten im deutschen Zivilprozess – Plädoyer für eine Neubewertung, ZZP 117 (2004), 133. 105 EuGH vom 6.12.1994, Rs C-406/92 – The owner of the cargo lately laden on board the ship Tatry/The owners of the ship Maciej rataj Slg. 1994 I 5439 = EuZW 1995, 309 (C. Wolf 365) = EWiR 1995, 463 (Otte) = JZ 1995, 616 (Peter Huber 603) = IPRax 1996, 108 (Schack 80). 106 BGH vom 11.12.1996, BGHZ 134, 201 = NJW 1997, 870 = RIW 1997, 421 = WiB 1997, 329 (Mankowski) = JZ 1997, 797 (Peter Huber) = EWiR 1997, 455 (R. Geimer) = IPRspr. 1996 Nr. 171. 107 OLG Stuttgart vom 4.10.1988, IPRax 1990, 113 (Kono 93) = IPRspr. 1988 Nr. 89.
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Ausländische Insolvenzverfahren
XX. Aufrechnung trotz Rechtshängigkeit im Ausland Eine Aufrechnung trotz Rechtshängigkeit der zur Aufrechnung verwendeten Forderung im Ausland ist bei deutschem Sachstatut zulässig und wirksam. Fraglich ist nur, ob diese Regel des deutschen Rechts nach dem lex-fori-Prinzip (Rz. 319) stets – ohne Rücksicht auf den Standpunkt der lex causae – anzuwenden ist.
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XXI. Verjährungshemmung aufgrund der Klageerhebung im Ausland Maßgeblich ist die lex causae.108 Bei deutschem Schuldstatut oder aufgrund be- 2729 sonderer Vorschrift, z.B. Art. 32 III CMR, genügt, dass der Gerichtsstaat nach § 328 I Nr. 1 ZPO bzw. § 109 I Nr. 1 FamFG international zuständig ist, Rz. 2831, und dass die Zustellung der Klageschrift „demnächst“ (§ 167 ZPO109) erfolgt ist.110
XXII. Familienverfahren und (sonstige) Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit Auch im Bereich der Familenverfahren und der freiwilligen Gerichtsbarkeit 2730 führt die zeitlich frühere Rechtshängigkeit im Ausland zur Blockade für eine deutsche Sachentscheidung.111
XXIII. Ausländische Insolvenzverfahren Denkbar ist, dass aus deutscher Sicht (§ 3 I InsO, vgl. Rz. 1239) sowohl Deutsch- 2731 land als auch ein ausländischer Staat zur Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens mit universellem Geltungsanspruch international zuständig sind, z.B. in dem Fall, dass der (nicht gewerbliche) Gemeinschuldner mehrere Wohnsitze hat. Möglich ist auch eine Konkurrenz der internationalen Zuständigkeit mehre-
108 Zum österreichischen Recht (§ 1497 ABGB) IPG 2000/2001 Nr. 2 Rz. 48 (Passau); zum belgischen Recht (Art. 2244 Code civil: citation en justice) IPG 2000/2001 Nr. 4 Rz. 22 (Köln). 109 KG vom 4.9.1998, IPRax 2001, 236 (Mennicke) = IPRspr. 1998 Nr. 170; BGH vom 11.7.2003, NJW 2003, 2830, 2831 = RIW 2004, 146 = MDR 2003, 1368 = IPRspr. 2003 Nr. 158; OLG Köln vom 28.11.2002, IPRax 2005, 149 (Försterling 124); AG vom 9.10.2003, FamRZ 2004, 468: Die vor Ablauf der Verjährungsfrist eingereichte Klage hemmt die Verjährungsfrist auch dann, wenn die Klage im Ausland nicht zugestellt werden kann und daraufhin erst nach Fristablauf im Inland öffentlich zugestellt wird. Ausführliche Nachweise bei McGuire, Verfahrenskoordination und Verjährungsunterbrechung im Europäischen Prozessrecht, 2004, 221 ff. sowie bei Rohe in Wieczorek/ Schütze, ZPO3, 2007, § 167 Rz. 53. 110 LG Duisburg vom 2.7.1985, IPRspr. 1985 Nr. 43. 111 So für Sorgerechtsverfahren OLG München FamRZ 1993, 349. Weitere Nachweise bei Oelkers, Internationales Betreuungsrecht, 1996, 200. Anders für MSA OLG Köln MDR 1999, 1199 (Vogel).
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Elfter Teil: Im Ausland anhängiges Verfahren rer ausländischer Staaten. Man streitet darüber, ob hier das Prioritätsprinzip (§ 3 II InsO) zum Zuge kommt.112 2732 In keinem Fall steht die Eröffnung eines Partikularinsolvenzverfahrens im Ausland (das sich auf das im Insolvenzeröffnungsstaat belegene Vermögen des Schuldners beschränkt) der Eröffnung eines deutschen Insolvenzverfahrens mit universellem Geltungsanspruch entgegen. Auch vice versa (Hauptinsolvenzverfahren im Ausland mit universellem Geltungsanspruch) kann in Deutschland unter den Voraussetzungen des § 354 II InsO ein auf das in Deutschland gelegene Vermögen – ohne Rücksicht auf dessen Wert113 – beschränktes Partikularverfahren eröffnet werden, Rz. 3411.
XXIV. Gleichzeitige Zwangsvollstreckung im In- und Ausland 2733 Die gleichzeitige Zwangsvollstreckung aus dem gleichen Titel im In- und Ausland ist zulässig, solange keine Überbefriedigung zu befürchten ist.
XXV. Eingeschränkte Durchsetzung des Prioritätsprinzips im Anerkennungsstadium 2734 Wenn das deutsche Gericht die zeitlich frühere Rechtshängigkeit im Ausland trotz positiver Anerkennungsprognose missachtet und eine Sachentscheidung erlässt, können dagegen – weil eine Sachurteilsvoraussetzung fehlt – Rechtsmittel eingelegt werden. Wird die Entscheidung jedoch unanfechtbar, so geht sie der ausländischen Entscheidung stets vor, § 328 I Nr. 3 ZPO, § 109 I Nr. 3 FamFG, Rz. 2891. 2735 Ignoriert das ausländische Gericht die frühere Rechtshängigkeit in Deutschland, so ist dies für sich allein ein Versagungsgrund nach § 328 I Nr. 3 ZPO, nicht jedoch nach Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 34 Nr. 3 EuGVVO.114 Im Anwendungsbereich des EuGVÜ/LugÜ bzw. der EuGVVO kann die Versagung der Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung auch nicht auf die ordre public-Klausel des Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 34 Nr. 1 EuGVVO gestützt werden, weil Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 34 Nr. 3 EuGVVO die Kollision von Verfahren in verschiedenen Vertragsstaaten für das Stadium der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung abschließend regelt. 2736 Bei der Konkurrenz einer ausländischen mit einer drittstaatlichen Entscheidung kommt es nach § 328 I Nr. 3 ZPO bzw. § 109 I Nr. 3 FamFG nicht auf den Beginn der jeweiligen ausländischen Verfahren, sondern auf den Zeitpunkt der Entscheidung (der mit dem Anerkennungszeitpunkt identisch ist, Rz. 2798) an.115 112 Zweifelnd Leipold in Festschrift Waseda Universität, 1988, 797. Dagegen Hanisch ZIP 1985, 1236 Fußn. 30. 113 Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008, § 354 Rz. 9 ff. 114 Hierzu siehe auch Otte, Umfassende Streitentscheidung durch Beachtung von Sachzusammenhängen – Gerechtigkeit durch Verfahrensabstimmung?, 1998, 146 ff., 207. 115 Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 328 Rz. 199.
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Bilanzierungspflicht hinsichtlich des Prozessrisikos
XXVI. Bilanzierungspflicht hinsichtlich des Prozessrisikos Jedenfalls bei voraussichtlicher Anerkennungsfähigkeit der zu erwartenden ausländischen Entscheidung besteht Pflicht zur Bilanzierung nach §§ 252 ff. HGB.116
2737
2738–2750
116 Zu den Einzelheiten Röhm/Schütze RIW 2007, 241.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen Literatur: Acocella, Internationale Zuständigkeit und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Zivilsachen im schweizerisch-italienischen Rechtsverkehr, 1989; Alsina Naudi, Die Umsetzung des europäischen Zivilprozessrechts in Spanien: Zuständigkeit, einstweiliger Rechtsschutz, Anerkennung und Vollstreckung, 2005; Atteslander-Dürrenmatt, Der Prozessvergleich im internationalen Verhältnis: Unter besonderer Berücksichtigung anerkennungs- u vollstreckungsrechtl Fragen im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr der Schweiz, Diss Bern 2006; Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in Unterhaltssachen, 1989; Baumgartner, The Proposed Hague Convention on Jurisdiction and Foreign Judgments: trans-atlantic lawmaking for transnational litigation, 2003; Baumgartner, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile in der Schweiz: Neuere Entwicklungen, in Leuenberger/Guy (ed.), Stiftung für die Weiterbildung schweizerischer Richterinnen und Richter, Bd. 5, 2004, 111; Börner, Die Anerkennung ausländischer Titel in den arabischen Staaten, 1996; Brockmeier, Punitive damages, multiple damages und deutscher ordre public, 1999; Buchner, Kläger- und Beklagtenschutz im Recht der internationalen Zuständigkeit – Lösungsansätze für eine zukünftige Gerichtsstands- und Vollstreckungskonvention, 1998; Calvo Caravaca/Carrascosa González, Derecho Internacional Privado I, 2002, 311 ff.; Dörig, Anerkennung und Vollstreckung US-amerikanischer Entscheidungen in der Schweiz, 1998; Dornblüth, Die europäische Regelung der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von Ehe- und Kindschaftsentscheidungen, 2003; Doser, Gegenseitigkeit der Anerkennung ausländischer Entscheidungen (§ 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO), dargestellt am Beispiel Südafrika, 1999; Fadlalla, Die Problematik der Anerkennung ausländischer Gerichtsurteile, 2004; Martin Frank, Das verfahrenseinleitende Schriftstück in Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ, Lugano-Übereinkommen und in Art. 6 Haager Unterhaltsübereinkommen 1973 (Begriffsbestimmung auf der Grundlage einer rechtsvergleichenden Untersuchung zu Verfahrensänderungen und deren Mitteilung an den abwesenden Beklagten im Recht der Mitgliedstaaten), 1998; Frick, Ordre public und Parteiautonomie: Der Verzicht auf das Eingreifen des ordre public, dargestellt anhand des deutschen Internationalen Familien- und Erbrechts, Diss. Münster 2005; Fricke, Anerkennungszuständigkeit zwischen Spiegelbildgrundsatz und Generalklausel, 1990; R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966; R. Geimer., Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995; Gerasimchuk, Die Urteilsanerkennung im deutschrussischen Rechtsverkehr, 2007; Goertz, Die subjektiven Grenzen der Rechtskraft US-amerikanischer Urteile, 2005; Goetze, Vouching-In und Third Party-Practice, 1993; Ulrike Graf, Die Anerkennung ausländischer Insolvenzentscheidungen, 2003; Greiner, Die Class action im amerikanischen Recht und deutscher Ordre public, Diss. München 1998; Hausmann, Die kollisionsrechtlichen Schranken der Gestaltungskraft von Scheidungs-Urteilen, 1980; Hay, On Comity, Recipro952
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen de Lugano, AJP/PJA 1995, 1133; Boehm, Geltendmachung und Vollstreckung von Unterhalt im Ausland, DAVorm 2000, 1041; Boehm, Vollstreckung deutscher Unterhaltsentscheidungen in Italien, DAVorm 2000, 1054; Coester-Waltjen, Mahnbescheid und Zahlungsbefehl – ein Blick über die Grenzen, in Festschrift Henckel, 1995, 53; Consolo, Evoluzioni delle sentenze straniere in: Salerno (ed.), Convenzioni internazionali e legge di riforma del diritto internazionale privato, 1997, 239; Donzallas, La Convention de Lugano, Bd. II, 1997, Rz. 2145 ff.; Edelmann, Neues aus Lugano: Ein Blick auf neuere Entwicklungen in Fragen der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in der Schweiz gemäß LuganoÜbereinkommen, in Festschrift 100 Jahre Aargauischer Anwaltsverband, 2005, 377; Frauenberger-Pfeiler, Lugano-Abkommen: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen, ecolex 1996, 735; Geimer, Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen nach dem EWG-Übereinkommen vom 27.9.1968, RIW/ AWD 1976, 139; Goetz, Anerkennungshindernisse nach dem EuGVÜ, Diss. Erlangen 1997; Grabinski, Zur Bedeutung des Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens (Brüsseler Übereinkommens) und des LuganoÜbereinkommens in Rechtsstreitigkeiten über Patentverletzungen, GRUR Int. 2001, 199, 212; Grundmann, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer einstweiliger Maßnahmen nach IPRG und Lugano-Übereinkommen, Diss. Basel 1996; Guidicelli, Cross Border Injunctions für Europäische Patente, 2001; Hau, Durchsetzung von Zuständigkeits- und Schiedsvereinbarungen mittels Prozessführungsverboten im EuGVÜ: Neuere Rechtsprechung des Court of Appeal zu obligation-based injunctions, IPRax 1996, 44; Hau, Anerkennungsrechtliche Aspekte der Prozessaufrechnung, IPRax 2000, 437; Jametti Greiner, Der Begriff der Entscheidung im schweizerischen internationalen Zivilverfahrensrecht, 1998, 300 ff.; Jametti Greiner, Neues Lugano-Übereinkommen: Stand der Arbeiten, in Spühler (ed.), Internationales Zivilprozess- und Verfahrensrecht II, 2003, 113; Huet, Convention de Bruxelles (Reconnaissance et exécution desjugements), Repertoire Dalloz de Droit Coummunautaire, vol 1, Loseblatt; Kaufmann-Kohler, Commandement de payer, mainlevée porovisoire, action en libération de dette et Convention de Lugano. Réflexions à l’occasion d’un arrêt du Tribunal fédéral, SJ 1995, 537; Kaufmann-Kohler, L’exécution des décisions étrangères selon la Convention de Lugano: Titres susceptibles d’exécution, mainlevée définitive, procédure d’exequatur, mesures conservatoires, SJ 1997, 561; Killias, Rechtsprechung zum Lugano-Übereinkommen (2004), SZIER 2005, 685; Kondring, Die Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereiches des EuGVÜ im Urteils- und Vollstreckungsverfahren, EWS 1995, 217; Krafft, „Exorbitante“ Gerichtsstände im IZPR der Schweiz, Diss. Zürich 1998; Kren, Anerkennbare und vollstreckbare Titel nach IPR-Gesetz und Lugano-Übereinkommen, in Festschrift Vogel 1991, 419; Krause, Anti-suit injunctions als Mittel der Jurisdiktionsabgrenzung, Diss. Hamburg 2005; Lenenbach, Die Behandlung von Unvereinbarkeiten zwischen rechtskräftigen Zivilurteilen nach deutschem und europäischem Zivilprozessrecht, 1997; Luzzatto, Il riconoscimento di sentenze e provvedimenti stranieri nella riforma del diritto internazionale privato italiano in: Salerno, Convenzioni internazionali e legge di riforma del diritto internazionale privato, 1997, 215; Maack, Englische antisuit injunctions im europäischen Zivilrechtsverkehr, 1999; Mankowski, Prozessvergleiche im europäischen Rechtsverkehr, EWS 1994, 379; Markus, Lugano-Überein956
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen zwischen den US-amerikanischen Bundesstaaten, Diss. Tübingen 2003; Völker, Zur Dogmatik des ordre public, 1998; Winkel, Grenzüberschreitendes Sorge- und Umgangsrecht und dessen Vollstreckung, 2001; Weinschenk, Anerkennung und Vollstreckung bundesdeutscher Urteile in den Vereinigten Staaten, 1988; Weyde, Anerkennung und Vollstreckung deutscher Entscheidungen in Polen, 1997; Christian Wolf, Die Anerkennungsfähigkeit von Entscheidungen im Rahmen eines niederländischen kort geding-Verfahrens nach dem EuGVÜ, EuZW 2000, 11; Wurmnest, Recognition and Enforcement of U.S. Money Judgments in Germany, Berkeley Journal of International Law 23 (2005), 175. Literatur zur Verordnung (EG) Nr. 805/2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels: Siehe unten Rz. 3174.
1. Kapitel: Anerkennung ausländischer Entscheidungen I. Überblick 2751 Die Anerkennung ausländischer Entscheidungen ist grundsätzlich nur denkbar vor dem Hintergrund der Fiktion der Gleichwertigkeit der Gerichte in aller Welt, Rz. 37. Es handelt sich um eine Fiktion, weil die Verschiedenheit der Rechts- und Gerichtssysteme auf der Hand liegt. Die Anerkennung erfolgt grundsätzlich auch dann, wenn ausländische Entscheidungen in ihrer Qualität inländischen Urteilen nicht entsprechen. § 328 ZPO setzt – ebenso wie §§ 109 FamFG und § 343 InsO – Unterschiede bezüglich der verfahrensmäßigen Standards und Garantien für die Gerichte und Parteien voraus und enthält deshalb eine Reihe von Schutzvorschriften.1 Toleranzgrenze ist der inländische ordre public (§ 328 I Nr. 4 ZPO, § 109 I Nr. 4 FamFG). 2752 Für die Anerkennung relevant ist das ausländische Sachurteil in der Fassung der letzten Rechtsmittelentscheidung; denn Gegenstand der Anerkennung sind die Wirkungen der ausländischen (zur Anerkennung anstehenden) Entscheidung, so wie sie nach dem Recht des Erststaates eintreten. Die Anerkennungsfrage wird also nicht für die Urteile der einzelnen Instanzen separat gestellt, Rz. 1548, 2791. Wurde z.B. die Klage vom ausländischen Rechtsmittelgericht in einem ordre public-widrigen Verfahren abgewiesen, dann kann nicht etwa erwogen werden, das Urteil der Vorinstanz, das der Klage stattgegeben hatte und gegen das keine ordre public-Bedenken bestehen, anzuerkennen.2 Denn dann würden auf das Inland Urteilswirkungen „erstreckt“, die im Erststaat gar nicht vorhanden sind. Anders ist es jedoch unter Umständen, wenn erst das Rechtsmittelgericht den (den deutschen ordre public verletzenden) Verfahrensverstoß 1 Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 120. 2 R. Geimer JZ 1969, 16. – Siehe aber auch unten Rz. 2890b sowie Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit – Zur Bedeutung nationaler Rechtsordnungen und der Entscheidungen nationaler Gerichte für die Wirksamkeit internationaler Schiedssprüche, 2007, 313, 334.
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Anerkennung begangen, z.B. ein an sich statthaftes Rechtsmittel aus extrem unsachlichen Gründen ohne Sachprüfung verworfen hat, Rz. 2957a. Vorstehende Erwägungen gelten auch nicht für Entscheidungen, die in einem 2752a neuen (separaten) Verfahren ergangen sind. So wird z.B. für Abänderungsurteile (§ 323 ZPO) die Anerkennungsfrage selbständig gestellt.3 Fraglich, ob dies auch für (kassatorische) Entscheidungen im Wiederaufnahmeverfahren gilt.4 Die Anerkennung erfolgt ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit der Partei- 2753 en. Denkbar sind jedoch Differenzierungen bei den Anerkennungsvoraussetzungen bzw. Versagungsgründen. Z.B. schützten § 328 I Nr. 2 und 3 ZPO a.F. nur deutsche Staatsangehörige. Auch bei der internationalen Anerkennungszuständigkeit wird auf die Staatsangehörigkeit in Statussachen abgestellt, §§ 98 ff. FamFG in Verbindung mit § 109 I Nr. 1 FamFG. Auswirkungen der Anerkennung auf das internationale Privatrecht in Folge- 2754 verfahren: Ist ein ausländisches Urteil anzuerkennen, so hat dies unter Umständen auch Auswirkungen auf die kollisionsrechtliche Anknüpfung in Folgeverfahren, die von deutschen Gerichten zu entscheiden sind.5 Die Einzelheiten sind – außerhalb von Art. 18 IV EGBGB6 – noch nicht geklärt. Hat z.B. ein deutscher Staatsangehöriger der Scheidung im Heimatstaat seines (ausländischen) Ehepartners zugestimmt, so haben die deutschen Gerichte im Scheidungsfolgeverfahren das Scheidungsstatut zugrunde zu legen, nach dem das ausländische Gericht die Ehe geschieden hat.7 Siehe auch Rz. 3152. 3 Z.B. OLG Köln vom 20.7.2004, NJW-RR 2005, 876 = FamRZ 2005, 534 = IPRspr. 2004 Nr. 175. 4 Vgl. auch Rz. 3944 (Aufhebung eines Schiedsspruchs). 5 Siehe auch BGH IPRax 1983, 183, 184: „Die materiell bestehende kollisionsrechtliche Lage kann … dadurch überlagert werden, dass über den Anspruch durch das Gericht eines anderen Staates bereits rechtskräftig entschieden ist.“ Hierzu auch R. Wagner, Anerkennung und Wirksamkeit ausländischer familienrechtlicher Rechtsakte nach autonomem deutschem Recht, FamRZ 2006, 744, 746. 6 Hierzu z.B. OLG München vom 21.12.1993, IPRspr. 1993 Nr. 88 (Verlust des Unterhaltsanspruchs, der im Scheidungsverfahren nicht geltend gemacht worden ist, nach serbischem Recht); OLG Hamm vom 9.1.1992, NJW-RR 1992, 710 = FamRZ 1992, 673 = IPRspr. 1992 Nr. 113 (für Privatscheidung); OLG Hamm vom 20.7.1993, NJW-RR 1994, 136 = FamRZ 1994, 582 (Henrich) = IPRspr. 1993 Nr. 82; OLG Hamm vom 11.3.1992, NJW-RR 1993, 1352 = FamRZ 1994, 573 = IPRspr. 1993 Nr. 77 (vorrangig ist Art. 18 V EGBGB). 7 OLG Frankfurt vom 4.5.1981, FamRZ 1982, 77 = IPRspr. 1981 Nr. 73 mit nicht überzeugender Begründung, im Ergebnis aber zutreffend. – Vgl. auch BGH vom 1.6.1983, NJW 1983, 1976 = FamRZ 1983, 806 = IPRax 1984, 320 (Spellenberg 304) = IPRspr. 1983 Nr. 95; danach ist bei Abänderung (§ 323 ZPO) des anerkannten Unterhaltsurteils vom Unterhaltsstatut auszugehen, welches der ausländische Richter seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. BGH vom 26.11.1986, NJW 1987, 1146 = RIW 1987, 312 = FamRZ 1987, 370, 372 = IPRspr. 1986 Nr. 183 zur Neuverurteilung aufgrund der res iudicata eines CSSR-Unterhaltstitels: „Dann aber bleibt, nachdem das Urteil in Deutschland anzuerkennen ist, das tschechoslowakische Recht auch für die Folgezeit maßgeblich.“ Zustimmend Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 946: Beurteilung der Erfüllung (Rz. 3115) nach dem vom Erstgericht tatsächlich angewandten Recht. Vgl. z.B. auch die Nachweise bei Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 722 Rz. 88 und bei Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000, 304, 319.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen 2755 Zeitablauf: Nach Art. 24 des deutsch-israelischen Vertrages kann nach Ablauf von 25 Jahren seit Unanfechtbarkeit die Anerkennung verweigert werden. Diese Regel ist nicht verallgemeinerungsfähig. Sie ist eng auszulegen und passt im Grunde nur für die Vollstreckbarerklärung, nicht jedoch für die Anerkennung der res iudicata- und Gestaltungswirkung. 2756 Internationale Rechtshilfe und Urteilsanerkennung: Rechtshilfe muss auch gewährt werden, wenn die Anerkennungsprognose negativ ist, also mit der Anerkennung der Entscheidung nicht zu rechnen ist, die (voraussichtlich) in dem (ausländischen) Verfahren ergehen wird, für das deutsche Rechtshilfe verlangt wird,8 Rz. 2158, 2487. – Umgekehrt präjudiziert die Gewährung deutscher Rechtshilfe nicht die Anerkennung der ausländischen Entscheidung.9
II. Rechtsgrundlagen 1. Europäisches sekundäres Gemeinschaftsrecht 2756a Nach dem „Säulenwechsel“ von Amsterdam (Rz. 245c) ist die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen und sonstigen Titeln innerhalb der Europäischen Union – mit Ausnahme des Verhältnisses zu Dänemark – weitgehend durch sekundäres Gemeinschaftsrecht geregelt. In Betracht kommen vor allem Art. 33 ff. EuGVVO, Art. 13 ff. EuEheVO, Art. 16 ff. EuUnterhaltsVO sowie Art. 16 ff. EuInsVO. 2. Völkerrecht 2757 Nach allgemeinem Völkergewohnheitsrecht besteht keine Pflicht zur Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen und sonstiger Vollstreckungstitel.10 Eine Ausnahme gilt jedoch für die Anerkennung von Statusentscheidungen aus der Perspektive der Menschenrechte, Rz. 151, 165.11 Auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen und sonstiger Titel spielt das Völkervertragsrecht eine große Rolle. 2758 Multilaterale Übereinkommen: Vor Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 hatte die größte praktische Bedeutung in West-Europa das Brüsseler
Anders aber bei Statutenwechsel (Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes) OLG Köln vom 20.7.2004, NJW-RR 2005, 876 = FamRZ 2005, 534 = IPRspr. 2004 Nr. 1754. 8Nagel, Nationale und internationale Rechtshilfe, 1971, 97, 125. Dies übersieht Stiefel RIW 1979, 516, Fußn. 40. 9Nagel, Nationale und internationale Rechtshilfe, 1971, 62; Junker, Discovery im deutschamerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 271; Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 64, 68. 10 Zustimmend z.B. R. Wagner, Anerkennung und Wirksamkeit ausländischer familienrechtlicher Rechtsakte nach autonomem deutschem Recht, FamRZ 2006, 744, 746. 11 Zustimmend für den Bereich insolvenzrechtlicher Entscheidungen z.B. Kolmann, Kooperationsmodelle im internationalen Insolvenzrecht. Empfiehlt sich für das deutsche internationale Insolvenzrecht eine Neuorientierung?, Diss. Regensburg, 2001, 7.
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Anerkennung Übereinkommen, dessen Konzept durch das Luganer Übereinkommen vom 16.9.1988 auch auf die EFTA-Staaten ausgedehnt worden ist. Das Haager Übereinkommen vom 1.6.1970 über die Anerkennung von Scheidungen sowie Trennungen von Tisch und Bett12 hat Deutschland nicht ratifiziert. Das Gleiche gilt für das CIEC-Übereinkommen vom 8.9.1967.
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Von großer Bedeutung für die Praxis ist die Anerkennungspflicht
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– nach Art. 7 des Haager Minderjährigenschutzübereinkommens (MSA) vom 5.10.1961,13 betreffend die Anerkennung von Schutzmaßnahmen nach Art. 1 und 4; sowie – nach dem Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973,14 welches das Haager Übereinkommen vom 15.4.195815 im Verhältnis zwischen den Vertragsstaaten ersetzt.16 Deutschland hat gemäß Art. 34 einen Vorbehalt hinsichtlich Art. 26 Nr. 2 gemacht. Es gilt nicht für Titel in Unterhaltssachen zwischen Verwandten in der Seitenlinie und zwischen Verschwägerten.17 Daneben gibt es eine Fülle von Übereinkommen, welche die Anerkennungs- und Vollstreckungspflicht für Entscheidungen auf Spezialgebieten regeln,18 wie z.B. – Art. 18 ff. des Haager Übereinkommens über den Zivilprozess vom 1.3.195419 betreffend Kostenentscheidungen.20 – Art. 40 der Revidierten Rhein-Schifffahrtsakte vom 17.10.196821 sowie Art. 32 des Vertrags über die Schiffbarmachung der Mosel vom 27.10.195622 betreffend die Entscheidungen der Rhein- und Mosel-Schifffahrtsgerichte;23 12 Text im Internet unter http://www.hcch.net/e/conventions/text18e.html. Hierzu Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. II Rz. 286. 13 BGBl. 1971 II 219. Künftig Art. 23 des Übereinkommens vom 19.10.1996 (KSÜ), Rz. 244a. 14 BGBl. 1986 II 826. 15 BGBl. 1961 II 1006. 16 Art. 29, nicht jedoch für Zahlungen vor dem 1.4.1987, Art. 24. 17 BGBl. 1987 II 220. Ausführlich zum UVÜ Baumann, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Unterhaltsentscheidungen, 1989; Baumann in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, 795-83. 18 Vgl. auch R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 79. 19 BGBl. 1958 II 576; deutsches Ausführungsgesetz BGBl. 1958 I 939. 20 LG Hamburg vom 14.7.1980, IPRspr. 1980 Nr. 169; OLG Frankfurt vom 12.1.1983, IPRax 1984, 32 (Panckstadt 17) = IPRspr. 1983 Nr. 172. Das Übereinkommen vom 1.3.1954 soll abgelöst werden von Art. 15 ff. des Haager Übereinkommens vom 15.10.1980 zur Erleichterung des internationalen Zugangs zu den Gerichten (für Deutschland noch nicht in Kraft, Rz. 244a); Text RabelsZ 46 (1982), 768; hierzu Böhmer RabelsZ 46 (1982), 654. 21 BGBl. 1969 II 597, 1974 II 1385; deutsches Ausführungsgesetz BGBl. 1952 I 641. Hierzu Kreuzer/Wagner, Europäisches Internationales Zivilverfahrensrecht, in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Stand: Juni 2007 (19. Ergänzungslieferung) sub Q Rz. 126. 22 BGBl. 1956 II 1838. 23 Nachweise bei Wolff in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts Bd. III 2, 1984, Kap. IV Rz. 510.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen – Art. 18 § 1 des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9.5.1980 in der Fassung des Protokolls vom 3.6.1999 (COTIF 1999)24 – (Rz. 1887)25 – Art. 31 III des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) vom 19.5.1956 (Rz. 1888)26 – Art. X Abs. 4 des Brüsseler Übereinkommens über die Haftung der Inhaber von Reaktorschiffen vom 25.5.196227 betreffend Entscheidungen, die auf der Grundlage dieses Übereinkommens erlassen wurden. 2762 Bilaterale Verträge: Zur Zeit sind mit folgenden Staaten Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge in Kraft, wobei darauf hinzuweisen ist, dass diese durch das EuGVÜ/LugÜ bzw. die EuGVVO sowie die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 (EuEheVO, Rz. 245c) überlagert werden:28 Schweiz,29 Italien,30 Belgien,31 Österreich,32 Vereinigtes Königreich,33 Griechenland,34 Niederlande,35 Tunesien,36 Israel,37 Norwegen,38 und Spanien39. 2763 Anhang I: Wichtige Konventionen, an denen Deutschland nicht beteiligt ist: Nordische Konvention über die Anerkennung von Zivilurteilen vom 16.3.1932;40 Konvention von Montevideo vom 8.5.1979; Interamerikanische Konvention über die extraterritorialen Wirkungen ausländischer Urteile und 24 Protokoll von Vilnius, BGBl. 2002 II 2140, 2142. Hierzu Kreuzer/Wagner a.a.O. Rz. 104 ff.; Schmidt-Bendun, Haftung der Eisenbahnverkehrsunternehmen: Auf dem Wege zu einem harmonisierten Eisenbahn- und Luftverkehrsrecht in Europa, Diss. Bielefeld 2007. 25 BGBl. 1985 II 130, 666. Hierzu Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. II Rz. 445. 26 BGBl. 1961 II 1119. Hierzu Martiny a.a.O. Rz. 430 betreffend Entscheidungen, die im Rahmen der vom CMR geschaffenen Zuständigkeiten von den Gerichten der Mitgliedstaaten erlassen worden sind. Siehe auch Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 3 Rz. 346 ff. sowie Kreuzer/Wagner, Europäisches Internationales Zivilverfahrensrecht, in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Stand: Juni 2007 (19. Ergänzungslieferung) sub Q Rz. 96 ff. 27 BGBl. 1975 II 977, 1980 II 721, noch nicht in Kraft. 28 Art. 56 EuGVÜ/LugÜ sowie Art. 69 EuGVVO. 29 Abkommen vom 2.11.1929, RGBl. 1930 II 1066. 30 Abkommen vom 9.3.1936, RGBl. 1937 II 145, BGBl. 1952 II 986. 31 Abkommen vom 30.6.1958, BGBl. 1959 II 765. 32 BGBl. 1960 II 1245; ergänzt durch Art. 22 ff. des Vertrages vom 25.5.1979 über Konkursund Vergleichs-/Ausgleichsrecht, BGBl. 1985 II 410, welcher wiederum durch Art. 43 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (Rz. 3357) mit Wirkung zum 31.5.2001 außer Kraft getreten ist. 33 Abkommen vom 14.7.1960, BGBl. 1961 II 301. 34 Vertrag vom 4.11.1961, BGBl. 1963 II 109. 35 Vertrag vom 30.8.1962, BGBl. 1965 II 26. 36 Vertrag vom 19.7.1966, BGBl. 1969 II 890. 37 Vertrag vom 20.7.1977, BGBl. 1980 II 925. 38 Vertrag vom 17.7.1977, BGBl. 1981 II 341. 39 Vertrag vom 14.11.1983, BGBl. 1987 II 34. 40 Kegel/Schurig, IPR9, 2004, § 4 III 1.
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Anerkennung Schiedssprüche;41 die Haager Übereinkommen (Rz. 244a) über die Anerkennung 1992 von Scheidungen und Trennungen von Tisch und Bett vom 1.6.197042 und über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile in Zivil- und Handelssachen vom 24.4.1966 mit Zusatzprotokoll vom 1.2.1971.43 Anhang II: Entwürfe: Art. 20 des UNIDROIT-Entwurfs 1986 einer Gefahrgutkonvention.44 3. Autonomes deutsches Recht Außerhalb des Anwendungsbereichs der Verträge regelt die Anerkennung und 2764 Vollstreckbarerklärung ausländischer Entscheidungen das deutsche autonome Recht. Die Anerkennung behandeln § 328 ZPO, §§ 107 ff. FamFG, § 738a II HGB, § 343 InsO. Unterhaltstitel im Anwendungsbereich des Auslandsunterhaltsgesetzes vom 26.2.1959 (AUG):45 Dieses Gesetz führte eine förmliche Gegenseitigkeitserklärung ein. Das Bundesamt für Justiz nimmt als Zentrale Behörde die Interessen der ausländischen Unterhaltsgläubiger (kostenlos) wahr, § 12 AUG. Die Bestimmungen des deutschen autonomen Rechts (§§ 328, 722, 723 ZPO; §§ 109 f. FamFG) mussten nicht geändert werden, da sie dem Registriersystem des Revised Uniform Reciprocal Enforcement of Support Act (RURESA)46 im Wesentlichen entsprechen.47 §§ 10, 11 AUG bringen lediglich für „support orders“ und „provisional maintenance orders“ besondere Bestimmungen.
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4. Verhältnis des anerkennungsfreundlicheren autonomen Rechts zum (strengeren) Vertragsrecht Die völkervertragliche Regelung hat nur Vorrang, soweit sie anerkennungsfreundlicher ist. Sie verdrängt aber prinzipiell nicht das anerkennungsfreundlichere autonome Recht.48 Art. 3 II EGBGB findet nicht Anwendung, da diese Vor-
41 Hierzu Samtleben RabelsZ 44 (1980), 299; Text a.a.O. 387. 42 Text Jayme/Hausmann, Internationales Privat- und Verfahrensrecht10, 2000, 423 Nr. 183. 43 Kegel/Schurig, IPR9, 2004, § 22 V 2. 44 RabelsZ 51 (1987) 478. 45 BGBl. 1959 II 149 in der Fassung des Gesetzes vom 4.3.1971, BGBl. II 105. Hierzu Bundestagsdrucksache 10/3662; Böhmer IPRax 1987, 139; Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in Unterhaltssachen, 1989, 107; Schlosser, Jurisdiction and International Judicial and Administrative Co-Operation, RdC 284 (2000), 9, 287 ff. 46 Abgedruckt bei Schütze, Deutsch-amerikanische Urteilsanerkennung, 1992, 177. 47 Bundestagsdrucksache 10/3662 S. 15. 48 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1381; Majoros RabelsZ 46 (1982), 95; Herrmann, Die Anerkennung US-amerikanischer Urteile in Deutschland unter Berücksichtigung des ordre public – Eine rechtsvergleichende Untersuchung zum „Justizkonflikt“ zwischen Deutschland und den USA, 2000, 30; R. Wagner, Anerkennung und Wirksamkeit ausländischer familienrechtlicher Rechtsakte nach autonomem deutschem Recht, FamRZ 2006, 744, 745.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen schrift nur für das internationale Privatrecht gilt, nicht für das internationale Zivilverfahrensrecht. Die Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge wollen die internationale Freizügigkeit gerichtlicher Entscheidungen fördern. Sie begründen grundsätzlich (Rz. 2770) keine Pflicht zur Verweigerung der Anerkennung. Die Vertragsstaaten sind daher frei, ihr anerkennungsfreundlicheres autonomes Recht anzuwenden (Rz. 2769). Ob sie dies tun, ist eine Frage des innerstaatlichen Rechts.49 2767 Erfreulich ist die klare Stellungnahme des Bundesgerichtshofs50 hinsichtlich des Verhältnisses der Regelungen in den Anerkennungs- und Vollstreckungsverträgen zum anerkennungsfreundlicheren § 328 ZPO. Man kann nunmehr davon ausgehen, dass die in den meisten Anerkennungsverträgen vorgesehene kollisionsrechtliche Kontrolle entfällt, da das autonome deutsche Recht eine vergleichbare Anerkennungsschranke nicht mehr kennt, Rz. 2965. 2767a Soweit das EuGVÜ/LugÜ zur Anwendung kommt, kann insoweit nicht auf den durch Art. 55 EuGVÜ/LugÜ außer Kraft gesetzten bilateralen (anerkennungsfreundlicheren) Anerkennungsvertrag zurückgegriffen werden.51 5. Verhältnis des anerkennungsfreundlicheren nationalen Rechts zum (strengeren) europäischen Gemeinschaftsrecht 2767b
Ein Rückgriff auf das anerkennungsfreundlichere nationale Anerkennungsrecht kommt jedoch nicht mehr in Betracht im Anwendungsbereich des europäischen Gemeinschaftsrechts (EuGVVO, EuEheVO, EuUnterhaltsVO, EuInsVO, Rz. 245c).52
49 R. Geimer IPRax 1992, 11; R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 82; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1383; Stein/Jonas/Roth ZPO22, 2006, § 328 Rz. 3; ähnlich Walther J. Habscheid, Schweizer Zivilprozess- und Gerichtsorganisationsrecht2, 1990, Rz. 533; Matscher ZZP 103 (1990), 311; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 807 (anders aber für Verhältnis zu EuGVÜ/LugÜ); OLG Hamm vom 5.7.1978, RIW 1978, 689 = IPRspr. 1978 Nr. 162; BGH vom 18.3.1987, NJW 1987, 3083 (Geimer) = FamRZ 1987, 580, 582 (Gottwald) = IPRax 1989, 104 (Siehr 96) = IPRspr. 1987 Nr. 145; BayObLG vom 29.3.1990, RR 1990, 842 = FamRZ 1990, 897, 898 = StAZ 1990, 225 = IPRspr. 1990 Nr. 218; OLG Frankfurt vom 29.1.1998, FamRZ 1998, 917 = IPRax 1998, 373 (Jayme)= IPRspr. 1998 Nr. 163. Vgl. auch Stojan, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile, 1986, 33. Zurückhaltender Spickhoff ZZP 108 (1995), 480. 50 BGH vom 18.3.1987, NJW 1987, 3084 (R. Geimer) = FamRZ 1987, 582 (Gottwald) = IPRax 1989, 104 (Siehr 96) = IPRspr. 1987 Nr. 145. 51 BGH vom 18.2.1993, NJW 1993, 2688 = RIW 1993, 673 = EuZW 1993, 579 = IPRax 1993, 396 (Rauscher 376) = EWiR 93, 982 (Bungert). Zum Nebeneinander der verschiedenen Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge Mankowski IPRax 2000, 188. 52 Ebenso Schlosser, EU-Zivilprozessrecht2, 2003, Art. 34 EuGVVO Rz. 1 sowie Ludwig, Neuregelungen des deutschen Internationalen Insolvenzrechts, Diss. Köln 2004, 118; R. Wagner, Anerkennung und Wirksamkeit ausländischer familienrechtlicher Rechtsakte nach autonomem deutschem Recht, FamRZ 2006, 744, 745.
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Anerkennung
III. Anerkennungsverbote 1. Völkerrecht Das Völkergewohnheitsrecht verbietet allen Staaten, gerichtliche Entscheidun- 2768 gen anzuerkennen, die unter Verletzung der Regeln über die Immunitäten, Exemtionen und sonstigen Befreiungen von der Gerichtsbarkeit erlassen wurden, es sei denn, der betreffende Staat hat die Verletzung seiner Souveränität pardoniert.53 Kein Anerkennungsverbot besteht jedoch, wenn einzelne Verfahrenshandlungen in dem Verfahren, das zu dem anzuerkennenden ausländischen Urteil geführt hat, (möglicherweise) als Eingriff in die Souveränität eines anderen Staates zu bewerten sind, Rz. 2180, 2534.54 Das Völkergewohnheitsrecht stellt keine internationale Zuständigkeitsordnung auf, Rz. 848; deshalb verbietet es auch nicht, solche Urteile anzuerkennen und zu vollstrecken, die in beziehungsarmen Gerichtsständen ergangen sind, sofern nicht der internationale Menschenrechtsschutz (Art. 6 EMRK), der unzumutbare Foren verbietet (Garantie eines fairen Verfahrens), entgegensteht.55 Die Staatsverträge über die Anerkennung und Vollstreckung begründen in der 2769 Regel nur eine Verpflichtung zur Anerkennung (wenn kein Versagungsgrund vorliegt), stellen jedoch keine Anerkennungsverbote auf. Auch wenn ein Versagungsgrund vorliegt, ist der Zweitstaat völkerrechtlich nicht verpflichtet, dem Urteil die Anerkennung zu verweigern. Er kann gewissermaßen „freiwillig“, d.h. ohne aufgrund des einschlägigen Vertrages verpflichtet zu sein, die Anerkennung aussprechen.56 53 R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 76; R. Geimer RIW 1975, 82; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1361, 1487; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 160; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 285. – Ablehnend Sonnenberger in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Einl. IPR Rz. 127 für entschädigungslose Enteignungen; ebenso Wendehorst in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, nach Art. 46 Anh. Rz. 10. Völlig verquer die herrschende Meinung im internationalen Enteignungsrecht, Wendehorst a.a.O. Rz. 16 mit weiteren Nachweisen. 54 Wie z.B. Zeugenladungen, unmittelbare Zustellung (unter Umgehung der Zustellungs-/ Rechtshilfeorgane des Staates, in dem sich der Zustellungsempfänger aufhält), Pfennig, Die internationale Zustellung in Zivil- und Handelssachen, 1988, 87; Verstoß gegen Art. 6 HZPÜ/Art. 10 HZÜ (Postzustellung trotz Widerspruchs Deutschlands, vgl. BGH vom 27.6.1990, NJW 1990, 3090 = FamRZ 1990, 1100 = StAZ 1990, 296 = IPRspr. 1990 Nr. 220), G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 174. Stiefel/Stürner VersR 1987, 830 wollen aber innerstaatlich den ordre public einsetzen. Dies ist in dieser Allgemeinheit abzulehnen. Nicht überzeugend auch Pfeil-Kammerer, Deutsch-amerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 128 und OLG Frankfurt vom 1.9.1987, IPRspr. 1987 Nr. 157 (Zustellung der Klage durch niederländischen Konsul anstatt durch deutsche Rechtshilfebehörde). 55 R. Geimer BerDGVR 33 (1994), 226. Ausführlich zur „indirekten Wirkung“ des Art. 6 EMRK Matscher in Festschrift Kollhosser II, 2004, 427. 56 R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 58 ff.; R. Geimer, Anerkennung auslän-
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen 2770 Die Staaten können sich aber gegenseitig verpflichten, bestimmte Urteile nicht anzuerkennen, so Art. 23 des deutsch-norwegischen Vertrages. In der Regel richten sich solche Anerkennungsverbote gegen dritte Staaten. Die Vertragsstaaten des EuGVÜ/LugÜ bzw. die durch die EuGVVO bzw. die EuEheVO gebundenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind z.B. verpflichtet, Urteilen die Anerkennung zu verweigern, wenn ein anderer Vertragsstaat international ausschließlich zuständig ist, Art. 16 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 22 EuGVVO.57 Wurde in einem völkerrechtlichen Vertrag die internationale Entscheidungszuständigkeit geregelt, so bedeutet dies noch nicht, dass alle anderen Staaten verpflichtet wären, Urteilen die Anerkennung zu verweigern, die unter Missachtung dieser Zuständigkeitsregeln erlassen wurden.58 Es sollte vielmehr durch den einschlägigen Vertrag (nur) eine sachgerechte Verteilung der Rechtsprechungsaufgaben bzw. eine vernünftige Bewertung der Zuständigkeitsinteressen der Parteien erfolgen. 2771 Gegenstand der völkerrechtlichen Normierung war also nicht die Gerichtsbarkeit, sondern die internationale Zuständigkeit. Im Vordergrund steht hierbei der Schutz des Beklagten vor unzumutbaren Gerichtsständen.59 Es wäre z.B. wenig sinnvoll, einem klageabweisenden Sachurteil eines nach Art. 28 Warschauer Abkommen (Rz. 1889) international unzuständigen Staates allein wegen dessen Unzuständigkeit die Anerkennung zu verweigern; dem Kläger hier noch einmal eine Chance zu geben, wäre unbillig. Unmittelbare Staatsinteressen stehen nicht auf dem Spiel. Sein Rechtsanwendungsinteresse (Durchsetzung auch international zwingenden Rechts, wie z.B. Devisenrecht oder Kartellrecht) ist durch den ordre-public-Vorbehalt (Rz. 26) ausreichend gewahrt. Im Übrigen enthält das Warschauer Abkommen keine Normen über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung. Maßgebend hierfür sind die bilateralen Anerkennungsverträge, in Ermangelung solcher das autonome Recht. Erlässt z.B. ein israelisches Gericht in einem in Art. 28 Warschauer Abkommen nicht aufgeführten Gerichtsstand ein Sachurteil, so ist Deutschland zur Anerkennung verpflichtet, wenn ein Zuständigkeitsanknüpfungspunkt im Sinne des Art. 7 des deutsch-israelischen Vertrages gegeben ist. Art. 25 dieses Vertrages greift nicht ein, da das Warschauer Abkommen die Anerkennung nicht normiert. Besonders klar in dem hier vertretenen Sinne ist die Regelung des EuGVÜ/LugÜ und nunmehr der EuGVVO: Auch wenn der Erstrichter bewusst die Zuständigkeitsordnung des Übereinkommens bzw. der EG-Verordnung verletzt hat, darf
discher Entscheidungen in Deutschland, 1995, 81; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1362; Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in Unterhaltssachen, 1989, 107. 57 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 315. 58 Anderer Auffassung Matscher JBl 1979, 245, der übersieht, dass hier nicht Souveränitätsinteressen der Vertragsstaaten auf dem Spiele stehen. Daher auch abzulehnen Bajons ZfRV 1971, 106. 59 R. Geimer in Festschrift Nakamura, 1996, 169.
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Anerkennung die Anerkennung grundsätzlich nicht verweigert werden, auch nicht unter Berufung auf den ordre public.60 Ein Anerkennungsverbot kann sich auch aus der Europäischen Menschen- 2772 rechtskonvention vom 4.11.195061 ergeben, wenn durch Anerkennung eine konventionswidrige Situation herbeigeführt werden würde oder wenn das Urteil in einem gegen die EMRK (insbesondere Art. 6)62 verstoßenden Verfahren zustande gekommen ist.63 Es gibt kein Beurteilungsmonopol des Auswärtigen Amtes (Art. 32 I GG) hinsichtlich (völkerrechtlicher) Teilaspekte der Anerkennung bzw. Nichtanerkennung ausländischer Hoheitsakte, Rz. 272, 522.
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2. Recht der Europäischen Gemeinschaften Auch das Recht der Europäischen Gemeinschaften kann Anerkennungsverbote 2773a etablieren. Ein solches sieht z.B. die gegen den Helms-Burton-Act (Rz. 245c g.E., 537) gerichtete EG-Verordnung vom 22.11.1996 zum Schutz vor den Auswirkungen der extraterritorialen Anwendung von einem Drittland erlassener Rechtsakte sowie von darauf beruhenden oder sich daraus ergebender Maßnahmen vor.64 3. Verfassungsrecht Verfassungsrechtliche Anerkennungsverbote sind denkbar, weil das Grundgesetz und insbesondere dessen Grundrechtsschutz nicht vor Sachverhalten mit Auslandsberührung Halt macht.65 Sie werden über die anerkennungsrechtliche ordre public-Klausel durchgesetzt. Dies heben § 328 I Nr. 4 ZPO, § 109 I Nr. 4 60 Art. 28 III Hs. 2 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 35 III 2 EuGVVO sowie Art. 25 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 (Rz. 245c). 61 BGBl. 1952 II 685, 953; Neufassung in der Bekanntmachung vom 17.5.2002, BGBl. II 1054. 62 Künftig siehe auch Art. 47 II EuGrundrechtecharta. 63 Matscher in Festschrift Neumayer, 1986, 477; Matscher IPRax 1992, 335; Matscher ZZP 103 (1990), 316; Boll, Die Anerkennung des Auslandskonkurses, 1990, 35 Fußn. 189; R. Geimer IPRax 1992, 13 Fußn. 110; R. Geimer BerDGVR 33 (1994), 213, 215; R. Geimer IPRax 2006, 298; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 328 Rz. 9, 194, 232; Schlosser, Unzulässige Diskriminierung nach Bestehen oder Fehlen eines EG-Wohnsitzes im europäischen Zivilprozessrecht, in Festschrift Heldrich, 2005, 1007. Siehe auch Kinsch, The Impact of Human Rights on the Application of Foreign Law and on the Recognition of Foreign Judgments – A Survey of the Cases decided by the European Human Rights Institutions, in Essays in Memory of Peter E. Nygh, 2004, 197; Kofmel Ehrenzeller, Der vorläufige Rechtsschutz im internationalen Verhältnis, 2005, 467 ff. 64 ABl. EG Nr. L 309 vom 29.11.1996; hierzu Jayme/Kohler IPRax 1997, 391. Vgl. auch Reinmuth, Das US-Embargo gegen Kuba und internationales Recht, 2001. 65 R. Geimer ZfRV 1992, 407; R. Geimer Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 18 ff.; Völker, Zur Dogmatik des ordre public – Die Vorbehaltsklauseln bei der Anerkennung fremder gerichtlicher Entscheidungen und ihr Verhältnis zum ordre public des Kollisionsrechts, 1998, 119. Siehe auch die umfangreichen Nachweise bei Becker, Grundrechtsschutz bei Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht, 2004.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen FamFG (früher § 16a Nr. 4 FGG) und § 343 I 2 Nr. 2 InsO ausdrücklich hervor. Die Überprüfung des Entscheidungsinhalts des ausländischen Urteils (Rz. 28, 2912) auf seine Grundrechtskonformität mit geringerer Intensität als im deutschen Erkenntnisverfahren (ordre public atténué de réconnaissance) ist verfassungskonform.66 Was die Überprüfung des dem ausländischen Urteil vorausgegangenen erststaatlichen Verfahrens anbelangt, betont das Bundesverfassungsgericht67 treffend, dass der Betroffene alles ihm Zumutbare im ausländischen Urteilsstaat unternehmen muss, um die angeblichen Mängel des erststaatlichen Verfahrens bereits dort zu beseitigen, gegebenenfalls im Rechtsmittelwege. Aus Art. 25 GG folgt nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die Verpflichtung für alle Gerichte und Behörden der Bundesrepublik Deutschland, „alles zu unterlassen, was einer unter Verstoß gegen allgemeine Regeln des Völkerrechts vorgenommenen Handlung nichtdeutscher Hoheitsträger im Geltungsbereich des Grundgesetzes Wirksamkeit verschafft“. Auf diese Weise ist der vom Völkergewohnheitsrecht umfasste menschenrechtliche Mindeststandard zu realisieren. 2775 Nicht der gesamte Bestand der Verfahrensgrundrechte ist im Anerkennungsstadium mit der gleichen Intensität durchzusetzen, wie man es in Verfahren vor deutschen Gerichten täte.68 Ohne Abstriche wird jedoch auch im Anerkennungsstadium dem Art. 103 I GG Geltung verschafft.69
IV. Anerkennung bedeutet Wirkungserstreckung 1. Gegenstand der Anerkennung 2776 Gegenstand der Anerkennung sind die (prozessrechtlichen, Rz. 2786) Wirkungen des ausländischen Urteils (Rz. 2788), und zwar diejenigen, die diesem nach dem Recht des Urteilsstaates zukommen. Diese Urteilswirkungen sind für den deutschen Richter – da auf dem Recht eines ausländischen Staates beruhend – an sich unbeachtlich. Sie sind für ihn nur dann relevant, wenn dies das deut-
66 R. Geimer ZfRV 1992, 407; siehe auch BGH vom 24.2.1999, BGHZ 140, 395 = NJW 1999, 2372 = RIW 1999, 457 und 536 = EuZW 1996, 732 = IPRax 1999, 371 (G. Schulze 342) = JR 1999, 841 (A. Staudinger) = JZ 1999, 1117 (H. Roth) = MDR 1999, 757 = ZIP 1999, 483, 484 = IPRspr. 1999 Nr. 154 unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 2 I GG, dass Verträge nicht als Mittel der Fremdbestimmung dienen dürfen (BVerfG vom 19.10.1993, BVerfGE 89, 214, 231 = ZIP 1993, 1775 = EWiR 1994, 23 [Köndgen]), umzusetzen durch Auslegung und über die Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB: „Soweit es . . . um die Handlungsfreiheit des Schuldners geht, darf . . . nicht mehr nach dem Maßstab des § 138 Abs. 1 BGB geprüft werden, ob gemäß deutschen Vorstellungen ein Leistungsurteil des vorliegenden Inhalts zu erlassen wäre“. 67 BVerfG vom 21.5.1987, NJW 1988, 1462. 68 Vgl. BGE 103 Ia 532. 69 R. Geimer IPRax 1992, 14 Fußn. 111b. Vgl. auch BGH vom 18.1.1990, BGHZ 110, 104 = NJW 1990, 2199 = RIW 1990, 493, 494 = MDR 1990, 703 = WM 1990, 1126 = IPRax 1991, 244 (Schlosser 218) = EWiR 1990, 723 (Bredow) = IPRspr. 1990 Nr. 238: „Diesbezüglich gelten für inländische und ausländische Verfahren dieselben Regeln“.
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Anerkennung sche Recht70 anordnet, also die Wirkungen des ausländischen Urteils auf das Inland erstreckt. Diese Erstreckung der einem ausländischen Urteil nach dem Recht des Erststaates (Rz. 2848) zukommenden Wirkungen auf das Inland durch das deutsche Recht und die darauf basierende Beachtlichkeit der ausländischen Entscheidung nennt man Anerkennung.71 Der Umfang der Wirkungen eines im Inland anerkannten ausländischen Urteils ist also nach dem Recht des Erststaates zu beurteilen.72 Beispiel: Nach einigen Rechtsordnungen wirkt die im Scheidungsverfahren der Eltern getroffene Regelung des Kindesunterhalts kraft Rechtskrafterstreckung aufgrund Prozessstandschaft für und gegen das Kind.73 Maßgeblich sind allein diese Wirkungen. Das Recht eines dritten Staates kommt deshalb nur dann zum Zuge, wenn das Recht des Urteilsstaates auf dieses verweist, z.B. wenn sich die Grenzen der res iudicata-Wirkung gemäß der erststaatlichen Rechtsordnung nach der lex causae richten. Ein ausländisches Urteil kann nicht qua Anerkennung im Inland mehr Wirkungen hervorrufen als im Erststaat. So kann ein ausländisches Ehetrennungsurteil nicht als Scheidungsurteil im Inland anerkannt werden.74
70 Bzw. das europäische Gemeinschaftsrecht (Rz. 2773a). 71 R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 25; R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 85; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1385; Otte, Umfassende Streitentscheidung durch Beachtung von Sachzusammenhängen – Gerechtigkeit durch Verfahrensabstimmung?, 1998, 180; Herrmann, Die Anerkennung US-amerikanischer Urteile in Deutschland unter Berücksichtigung des ordre public – Eine rechtsvergleichende Untersuchung zum „Justizkonflikt“ zwischen Deutschland und den USA, 2000, 43; R. Wagner, Anerkennung und Wirksamkeit ausländischer familienrechtlicher Rechtsakte nach autonomem deutschem Recht, FamRZ 2006, 744, 746; siehe auch Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008, Rz. 35 vor §§ 335 ff. Zustimmend aus schweizerischer Sicht Jametti Greiner, Der Begriff der Entscheidung im schweizerischen internationalen Zivilverfahrensrecht, 1998, 10 ff., 24 „kontrollierte Wirkungsübernahme“. Umfangreiche Nachweise auch bei Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 121. 72 So für die objektiven und subjektiven Grenzen der Rechtskraft RG Seufferts Archiv 83 Nr. 215 S 368; OLG Saarbrücken NJW 1958, 1046; Lenenbach, Die Behandlung von Unvereinbarkeiten zwischen rechtskräftigen Zivilurteilen nach deutschem und europäischen Zivilprozessrecht, 1997, 155. Vgl. auch Mäsch FamRZ 2002, 1069, 1075; Stadler in Musielak, Zivilprozessordnung6, 2008, § 328 ZPO Rz. 34. 73 BGH vom 1.6.1983, NJW 1983, 1976 = MDR 1983, 1007 = IPRax 1984, 320 (Spellenberg 304) = FamRZ 1983, 806 = IPRspr. 1983 Nr. 95. Zur Rechtskrafterstreckung auch auf das Kind bei Abweisung der gegen die Mutter gerichteten Abstammungsklage KG vom 17.8.1983, ROW 1984, 96 = IPRspr. 1983 Nr. 185. Nachweise bei R. Geimer in Geimer/Schütze, Urteilsanerkennung I 1011, 1020, II 22; IPG 1976 Nr. 46 (Hamburg) sub B I 1; Spellenberg IPRax 1984, 306; Boll, Die Anerkennung des Auslandskonkurses, 1990, 44. 74 OLG Hamburg vom 12.7.1983, IPRspr. 1983 Nr. 184.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen 2778 Dagegen will Matscher75 die prozessrechtlichen Wirkungen einer anzuerkennenden Entscheidung im Zweitstaat nach dessen Prozessrecht beurteilen.76 2779 Die Gleichstellungstheorie (Nostrifizierungstheorie) ist zutreffend nur für die Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel. Hier geht es aber gerade nicht um Anerkennung (keine Erstreckung der erststaatlichen Vollstreckbarkeit auf das Inland), sondern um die originäre Verleihung der Vollstreckbarkeit nach inländischem Recht, Rz. 3100. Diese dem ausländischen Titel im Inland verliehene Vollstreckbarkeit könnte theoretisch inhaltlich abweichen von der Vollstreckungswirkung, die inländischen Titeln zukommt. Doch ist dies nicht der Fall, Rz. 3162. Insoweit kann man von Gleichstellung sprechen.77 2. Grenzen der Wirkungserstreckung 2780 Im Inland können nur solche Urteilswirkungen anerkannt werden, die als solche dem deutschen Recht bekannt sind, wenn sie auch nicht im Einzelnen mit den Wirkungen eines deutschen Urteils übereinzustimmen brauchen.78 Nach einer
75 Matscher JBl. 1960, 270; Matscher in Festschrift Schima, 1969, 277 ff.; Matscher ZZP 86, 404 sowie ZZP 103 (1990), 307. Ihm folgt die österreichische Lehre, Nachweise bei Musger IPRax 1992, 111 Fußn. 29. 76 Rechtsvergleichend Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 353, 375 ff., 381 ff. Zu den Anerkennungstheorien R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 86; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 1149; Bungert ZIP 1992, 1719; Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozessrecht Überlegungen zur Bewältigung von multi-fora disputes, 1996, 70; Borges, Das Doppelexequatur von Schiedssprüchen – Die Anerkennung ausländischer Schiedssprüche und Exequaturentscheidungen, 1997, 31; Lenenbach, Die Behandlung von Unvereinbarkeiten zwischen rechtskräftigen Zivilurteilen nach deutschem und europäischen Zivilprozessrecht, 1997, 152 ff.; Ludwig, Neuregelungen des deutschen Internationalen Insolvenzverfahrensrechts, Diss. Köln 2004, 60 ff. Lapidar (ohne Erörterung der Problematik) BGH vom 1.6.1983, NJW 1983, 1976, 1977 = FamRZ 1983, 806 = IPRax 1984, 320 (Spellenberg 304, 306) = IPRspr. 1983 Nr. 95: „Mit der Anerkennung . . . wird der ausländische einem inländischen Titel gleichgestellt und in die hiesige Rechtsordnung übernommen.“ Weniger kritisch Lenenbach, Die Behandlung von Unvereinbarkeiten zwischen rechtskräftigen Zivilurteilen nach deutschem und europäischen Zivilprozessrecht, 1997, 157. 77 Unzutreffend BGH vom 27.6.1984, NJW 1985, 552 = IPRax 1985, 224 (Henrich 207) = IPRspr. 1984 Nr. 168, wo die res iudicata-Wirkung eines niederländischen Urteils, das die Unterhaltsklage mangels Leistungsfähigkeit des Beklagten abgewiesen hatte, – ohne die Problematik zu sehen – nach deutschem Recht beurteilt wird. 78 R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 27; Müller ZZP 79 (1966), 203; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht, 1985, 133; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 370; von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht I2, 2003, § 5 Rz. 112; Stojan, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile, 1986, 175; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 796. Anderer Ansicht Gottwald ZZP 103 (1990), 262; Spellenberg in Stoll (ed.), Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen Internationalen Insolvenzrechts, 1992, 193. Nachweise bei Borges, Das Doppelexequatur von Schieds-
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Anerkennung anderen Doktrin79 soll der Grundsatz der Maßgeblichkeit des ausländischen Rechts bei der Bestimmung des Umfangs der Urteilswirkungen auch dann gelten, wenn einem vergleichbaren deutschen Urteil geringere Wirkungen zukämen, wenn also der Umfang der Urteilswirkungen des ausländischen Urteils größer ist. Wenn z.B. nach dem Recht des Erststaates (z.B. US-Recht80: issue preclusion, claim preclusion)81 eine Rechtskraftwirkung auch hinsichtlich der rechtlichen Vorfragen – im Gegensatz zum deutschen Recht – eintritt, so soll das ausländische Urteil diese Wirkung auch im Inland entfalten. Der deutsche Gesetzgeber hat aber mit gutem Grund die Bindung an die Ent- 2781 scheidung von rechtlichen Vorfragen (sofern sie nicht Gegenstand einer Zwischenfeststellungsklage, § 256 II ZPO, sind) abgelehnt: Er wollte die Perpetuierung von Fehlentscheidungen vermeiden. Dieser Grundsatz muss auch gegenüber ausländischen Entscheidungen durchgesetzt werden. Soweit die erststaatliche Urteilswirkung umfangreicher ist als die vergleichbare 2782 deutsche, scheitert nicht etwa die Anerkennung des Urteils im Ganzen. Nicht anerkannt wird lediglich die dem deutschen Recht unbekannte Wirkung. So wird in dem vorgenannten Beispiel die Feststellungswirkung des ausländischen Urteils hinsichtlich der Entscheidung über den Streitgegenstand (deutsche Vergleichsnorm § 322 I ZPO) anerkannt, die darüber hinausgehende Bindung an die festgestellten Tatsachen jedoch nicht.82 Diese Begrenzung der ausländischen Urteilswirkungen gilt nicht für die Gestaltungswirkung. Von Gestaltungsurteilen ein Stück abzuschneiden und den Rest bei der Anerkennungskontrolle passieren zu lassen, macht wenig Sinn.83
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sprüchen. Die Anerkennung ausländischer Schiedssprüche und Exequaturentscheidungen, 1997, 31 sowie bei Furtak, Die Parteifähigkeit in Zivilverfahren mit Auslandsberührung, 1995, 184; Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000, 240 ff.; Regen, Pozessbetrug als Anerkennungshindernis, 2008, Rz. 512 ff.; Spieker genannt Döhmann, Die Anerkennung von Rechtskraftwirkungen ausländischer Urteile – eine Untersuchung zur Fortgeltung des ne-bis-idem, Diss. Bonn 2002, 63; R. Wagner, Anerkennung und Wirksamkeit ausländischer familienrechtlicher Rechtsakte nach autonomem deutschem Recht, FamRZ 2006, 744, 750 f. Bungert IPRax 1992, 226. Wie hier nun aber Stein/Jonas/Roth ZPO22, 2006, § 328 Rz. 8. Stiefel/Stürner VersR 1987, 842; Spindler, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Prozessvergleiche unter besonderer Berücksichtigung der U.S.-amerikanischen Class Action Settlements, Diss. Heidelberg 2001, 133. Ebenso nach englischem und französischem Recht, Nachweise bei W. Lüke ZZP 119 (2006),131, 133. Doch gelten hier Art. 32 ff. EuGVVO bzw. Art. 21 ff. EuEheVO. Im Anwendungsbereich dieser Verordnungen erfolgt eine unbegrenzte Wirkungserstreckung, Rz. 2784. Zu weitgehend jedoch AG Hamburg I vom 24.1.1985, IPRax 1986, 114 = IPRspr. 1985 Nr. 71. Gegen eine Wirkungsbegrenzung jedoch z.B. Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 125. Schlosser RIW 1983, 480. Siehe auch Otte, Umfassende Streitentscheidung durch Beachtung von Sachzusammenhängen – Gerechtigkeit durch Verfahrensabstimmung?, 1998, 186.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen 2784 Ausnahme: Die vorbeschriebenen Begrenzungen durch das Recht des Zweitstaates gelten nicht für den Bereich des EuGVÜ/LugÜ und der EuGVVO.84 2785 Sind nach dem Recht des Erststaates die Wirkungen der gerichtlichen Entscheidungen auf das Gebiet des Erststaates beschränkt, was im Zivilprozess praktisch nicht vorkommt, da die res iudicata-Wirkung und Gestaltungswirkung aus der Sicht des Erststaates universell gelten sollen (Ausnahme: gegenständlich beschränkte Insolvenzverfahren, Rz. 3436, 3457), so ist kraft Anerkennungsbefehl des deutschen Rechts gleichwohl Wirkungserstreckung möglich. 3. Materiell-rechtliche Urteilswirkungen 2786 Gemäß § 328 ZPO, § 738a II HGB, § 109 FamFG und § 343 InsO können nur prozessrechtliche Wirkungen anerkannt werden.85 Ob ein ausländisches Urteil auf dem Gebiet des materiellen Rechts eine Wirkung (Tatbestandswirkung) hervorrufen kann oder nicht, ist eine Frage der einschlägigen materiellen Rechtsordnung, die nach den Kollisionsnormen des deutschen internationalen Privatrechts zu bestimmen ist, Rz. 2827 f. 2787 Die Qualifikation richtet sich nach deutschem Recht.86 Ob das Recht des Erststaates eine Urteilswirkung als prozessual oder materiell-rechtlich qualifiziert, ist gleichgültig. So spielt es z.B. keine Rolle, dass das angelsächsische Recht die Frage der Bindung an die Entscheidung des Vorprozesses (Rechtskraft) als Beweisproblem sieht, Rz. 2297.87 4. Entscheidungen in der Sache 2788 Anerkennungsfähig sind nur Entscheidungen in der Sache.88 Hierher gehören vor allem Erkenntnisse, die der Klage stattgeben oder diese als unbegründet ab84 R. Geimer RIW 1976, 141; R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht2, 2004, A 1 – Art. 32 EuGVVO Rz. 45; Linke, Internationales Zivilprozessrecht4, 2006, Rz. 334; Otte a.a.O. 186. Anderer Auffassung Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 796. 85 Zustimmend z.B. R. Wagner, Anerkennung und Wirksamkeit ausländischer familienrechtlicher Rechtsakte nach autonomem deutschem Recht, FamRZ 2006, 744, 750. 86 Zustimmend Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 373; Borges, Das Doppelexequatur von Schiedssprüchen. Die Anerkennung ausländischer Schiedssprüche und Exequaturentscheidungen, 1997, 25; Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000, 254; Spieker genannt Döhmann, Die Anerkennung von Rechtskraftwirkungen ausländischer Urteile – eine Untersuchung zur Fortgeltung des ne-bis-idem, Diss Bonn 2002, 57. 87 Zu estoppel by record Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 299; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 358; Stürner in Festschrift Schütze, 1999, 913. 88 Zustimmend OLG München vom 10.10.2002, SpuRt 2003, 199 = IPRspr. 2002 Nr. 223 = DIS-Datenbank, www.dis-arb.de (hierzu Martens/Feldhoff-Mohr SchiedsVZ 2007, 11, 19); Borges a.a.O. 30; Schütze in Wieczorek/Schütze, ZPO und Nebengesetze3, 2007, § 328 ZPO Rz. 10; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 185. Ebenso aus schweizerischer Sicht Jametti Greiner, Der Begriff der Entscheidung im schweizerischen internationalen Zivil-
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Anerkennung weisen. Nicht anerkennungsfähig sind Prozessabweisungen oder sonstige Entscheidungen über prozessuale Fragen, auch wenn diese nach dem Recht des Erststaates in materielle Rechtskraft erwachsen sollten. Für den deutschen Richter sind sie ohne Bedeutung. Die Feststellung des ausländischen Gerichts, dass eine Prozessvoraussetzung nach dem Recht des Erststaates gegeben ist oder nicht, spielt für die Entscheidung des deutschen Richters keine Rolle, auch wenn zufällig die Normen des Erststaates mit den deutschen übereinstimmen.89 Zu den Sachentscheidungen zählen auch Urteile, die – in § 323 ZPO bzw. §§ 238 ff. FamFG vergleichbaren Fällen – ein deutsches oder drittstaatliches Urteil abändern.90
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Ob eine Sachentscheidung oder ein Prozessurteil vorliegt, ist nach deutschen 2790 Rechtsvorstellungen einzuordnen; weist z.B. das Erstgericht eine Klage wegen Verjährung durch Prozessurteil ab, weil es die Verjährung prozessrechtlich qualifiziert hat (vgl. Rz. 351), so handelt es sich aus deutscher Sicht gleichwohl um eine Sachentscheidung.91 Eine Sachentscheidung in dem hier verstandenen Sinn setzt nicht voraus, dass das ausländische Gericht seine Entscheidung nach vollständiger (eigener) Sachprüfung erlassen hat. Z.B. fällt auch ein Anerkenntnisurteil im Sinne der jeweiligen ausländischen Parallelnorm zu § 307 ZPO in den Anwendungsbereich des § 328 ZPO bzw. des § 109 FamFG.92 Ausländische Rechtsmittelentscheidungen, die auch aus deutscher Anerken- 2791 nungssicht relevante Punkte tangieren, d.h. Tatbestandsmerkmale der deutschen Anerkennungsnorm (§ 328 ZPO), sind nicht selbständig anerkennungsfähig, Rz. 1549. So ist z.B. die (nach dem Recht des Erststaates rechtskraftfähige) Feststellung des Erstrichters, dem Beklagten sei die Klage ordnungsgemäß und rechtzeitig zugestellt und auch sonst sei – während des Verfahrens – das Recht auf
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verfahrensrecht, 1998, 105. Differenzierend aus US-Sicht Scoles/Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws4, 2004, § 24.24. Siehe auch unten Rz. 3891, 3942. R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 89; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1415, II 25; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 383; Weitere Nachweise bei Furtak, Die Parteifähigkeit in Zivilverfahren mit Auslandsberührung, 1995, 181 ff.; BGH vom 27.6.1984, NJW 1985, 552, 553 = FamRZ 1984, 1001 = IPRax 1985, 224 (Henrich 207) = IPRspr. 1984 Nr. 168. Ausnahme: Rechtskräftige Feststellung der Wirksamkeit einer Zuständigkeitsvereinbarung, Rz. 1705. Vgl. auch R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht2, 2004, A 1 – Art. 23 EuGVVO Rz. 209. R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 459; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 307; Stadler in Musielak, Zivilprozessordnung6, 2008, § 328 ZPO Rz. 5. Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 475. Borges, Das Doppelexequatur von Schiedssprüchen. Die Anerkennung ausländischer Schiedssprüche und Exequaturentscheidungen, 1997, 35. – Zur ausländischen Entscheidung, die einen Schiedsrichter ernennt oder absetzt oder einen Schiedsspruch aufhebt bzw. die Aufhebungsklage abweist, siehe Rz. 3934.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen rechtliches Gehör nicht verletzt worden, für den deutschen Zweitrichter nicht bindend.93 2792 Keine Sachentscheidungen in dem eben erörterten Sinne sind Entscheidungen ausländischer Gerichte, durch die es einer Partei untersagt wird, während eines (im Erststaat laufenden Zivilrechtsstreits) in einem anderen Land (in Deutschland oder in einem Drittstaat) Klage zu erheben. Solche Verbote sind vor allem im angelsächsischen Bereich üblich (injunctions restraining foreign proceedings).94 Sie werden nicht anerkannt, weil allein das deutsche Recht bestimmt, wann ein Verfahren vor deutschen Gerichten zulässig ist, Rz. 1014, 1945b.95 5. Ausländische Vollstreckungsakte 2793 Ausländische Entscheidungen über Vollstreckungsmaßnahmen, insbesondere ausländische Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse fallen primär nicht in den Anwendungsbereich des § 328 ZPO. Vielmehr gelten für die Beachtung ausländischer Zwangsvollstreckungsmaßnahmen besondere Regeln, Rz. 3283.96 2794 Einzelzwangsvollstreckung: § 328 ZPO ist nicht unmittelbar (da er Sachentscheidung im Erkenntnisverfahren im Auge hat),97 aber analog ohne Nr. 2 (arg. § 172 I 2 ZPO) und Nr. 5 anzuwenden. Verfehlt ist der nur internationalprivatrechtliche Ansatz („materiell-rechtlicher approach“): Versteigerung als Eigentumserwerbs- bzw. -verlusttatbestand, daher Anwendung der lex rei sitae-Regel, die – vorbehaltlich Art. 6 EGBGB – zur unkontrollierten Anerkennung der materiell-rechtlichen Wirkungen des ausländischen Zwangsvollstreckungsaktes führt.98 93 R. Geimer JZ 1969, 16; R. Geimer IPRax 1985, 6; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 1057. 94 Sie sind jedoch im Brüssel I-System (Art. 27 ff. EuGVVO) unzulässig, EuGH vom 27.4.2004 Rs C-159/02 – Turner/Grovit, RIW 2004, 541 (Krause 533, Mankowski 497). 95 Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 477; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 774; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 190. Differenzierend Gottwald ZZP 103 (1990), 267. Für Anerkennungsfähigkeit im Grundsatz aber Stürner ZZP 109 (1996), 224. Differenzierend Schlosser, EU-Zivilprozessrecht2, 2003, Art. 34–36 EuGVVO Rz. 5. 96 BAG vom 19.3.1996, IPRax 1997, 335 (Schack 318) = EWiR 1996, 1055 (Mankowski) = ZIP 1996, 2031 = IPRspr. 1996 Nr. 194; Marquardt, Das Recht der internationalen Forderungspfändung, Diss. Köln 1975, 100 ff.; Stein/Jonas/Brehm, ZPO22, 2005, § 829 Rz. 105, die sich aber wieder eng an § 328 ZPO/§ 16a FGG (nunmehr § 109 FamFG) anlehnen. Skeptisch Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 239. Anerkennungsfreundlich im Anwendungsbereich der EuGVVO Schlosser, EU-Zivilprozessrecht2, 2003, Art. 32 EuGVVO Rz. 5. Zurückhaltender R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 32 EuGVVO Rz. 49. 97 Ebenso Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 205 passim. 98 So aber BGH vom 22.9.1988, NJW 1989, 1352 = RIW 1989, 61 = WM 1988, 1739 = IPRspr. 1988 Nr. 58 (wo von „Anwendung“ der Vorschriften des Zwangsvollstreckungsrechts die Rede ist; es geht aber um die Anerkennung eines ausländischen Rechtsanwendungsaktes, also nicht um unmittelbare Anwendung ausländischen Rechts) und
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Anerkennung Der IPR-Ansatz tendiert zu einer bloßen Ausrichtung an Machtverhältnissen (die 2795 sich schlagartig verändern können) und vernachlässigt die durch das Grundgesetz maßgeblich beeinflussten Grundwertungen unserer Rechtsordnung. Vor allem aber wird der elementare verfahrensrechtliche Aspekt der ausländischen Zwangsvollstreckung ausgeblendet. Auch ein noch so „gerechtfertigter“ ausländischer Zwangsvollstreckungsakt (Extrembeispiel: Vollstreckung eines deutschen Titels im Ausland) wird bei uns nicht anerkannt, wenn er auf einem ordre public-widrigen Verfahren beruht.99 Insolvenzrechtliche Entscheidungen werden nach Maßgabe von § 343 InsO 2796 anerkannt, Rz. 3387, 3500. 6. Durchführung eines Anerkennungsverfahrens nicht erforderlich Die Anerkennung erfolgt unmittelbar kraft Gesetzes.100 Die Wirkungen eines 2797 ausländischen Urteils werden – soweit die Anerkennungsvoraussetzungen gegeben sind – ipso iure auf das Inland erstreckt, ohne dass es eines besonderen Anerkennungsaktes bedarf.101 Man spricht deshalb auch von automatischer Anerkennung. Dies ist logisch nicht die einzige Möglichkeit der Anerkennung ausländischer Entscheidungen. Denkbar ist auch, die Wirkungserstreckung von der Durchführung eines besonderen Anerkennungsverfahrens abhängig zu machen. Nach dieser Variante kann der ausländische Richterspruch im Inland erst beachtet werden, wenn seine Anerkennungsfähigkeit ausdrücklich festgestellt ist. Eine solche Regelung sieht § 107 FamFG für Entscheidungen in Ehesachen vor, Rz. 3015. 7. Zeitpunkt der Anerkennung Aus dem System der automatischen Urteilsanerkennung kraft Gesetzes (Rz. 2992) folgt, dass die Wirkungen des erststaatlichen Urteils in dem gleichen Zeitpunkt, zu dem sie im Erststaat eintreten, auf den Zweitstaat erstreckt werden, Rz. 29a.102 Es kommt also nicht auf den Zeitpunkt an, in dem die Fra-
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100 101 102
KG vom 29.9.1987, NJW 1988, 341 = ROW 1988, 252 = JuS 1988, 739 (Hohloch); ähnlich Soergel/Kronke, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 38 EGBGB Anh IV Rz. 218; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 958. Wie hier Kreuzer IPRax 1990, 365. Ähnlich die gegen die herrschende Meinung im internationalen Enteignungsrecht vorgetragene Lehre Kreuzers im Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch3, 1998, Anh. III nach Art. 38 Rz. 16, 20, 23, 35. Tertium comparationis: Anerkennung privatrechtsbeeinträchtigender Entscheidung eines ausländischen Hoheitsträgers. Zurückhaltender nunmehr aber Wendehorst in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Anh. nach Art. 46 EGBGB Rz. 25, 56. Schütze in Wieczorek/Schütze, ZPO und Nebengesetze3, § 328 ZPO Rz. 61. Das Gleiche gilt für Art. 32 ff. EuGVVO. Siehe z.B. McGuire, Verfahrenskoordination und Verjährungsunterbrechung im Europäischen Prozessrecht, 2004, 165 ff. So nun ausdrücklich § 108 I FamFG. Siehe auch Regen, Prozessbetrug als Anerkennungshindernis, 2008, Rz. 173; R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 95; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1603; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 298; Linke, Internationales Zivilprozess-
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen ge der Anerkennung geprüft wird103 oder in dem die „Inlandsbeziehung“ eintritt.104
V. Anerkennungsfähige Urteilswirkungen 1. Überblick 2799 Anerkennungsfähig sind grundsätzlich alle prozessrechtlichen Urteilswirkungen, welche die gerichtliche Entscheidung nach dem Recht des Erststaates hervorbringt, so die Feststellungswirkung (materielle Rechtskraft), Präklusionswirkung, Gestaltungswirkung, Streitverkündungs- und Interventionswirkung. Soweit die ausländische Entscheidung keine anerkennungsfähige Wirkung entfaltet, kommt eine Anerkennung (mangels auf das Inland erstreckungsfähiger erststaatlicher Wirkungen) nicht in Betracht.105 2800 Entscheidungen ausländischer Gerichte, welche die Berichtigung des ausländischen Personenstandsregisters anordnen, sind als solche nicht Gegenstand einer Anerkennung. Die Wirkung des Urteils erschöpft sich in der Berichtigung des ausländischen Registers. Ihm kommt daher keine weitergehende Bedeutung als der berichtigten Eintragung selbst zu, Rz. 2845, 2860. Diese dient als Beweismittel bei der Feststellung der Richtigkeit der beurkundeten Tatsache, z.B. des Geburtsdatums.106 Anzuerkennen (nach § 109 FamFG [vormals § 16a FGG]) ist jedoch ein ausländisches Adoptionsdekret, welches das Geburtsdatum des Kindes bewusst ändert, um Nachforschungen der leiblichen Verwandten zu erschweren. Es handelt sich beim neuen (fiktiven) Geburtsdatum um eine (anerkennungsfähige) richterliche Rechtsgestaltung.107 2. Materielle Rechtskraft (Feststellungswirkung) 2801 Prozessabweisung bei Wiederholung des gleichen Rechtsstreits: Das Vorliegen einer rechtskräftigen ausländischen Entscheidung führt in einem inländischen Rechtsstreit zwischen denselben Parteien über denselben Streitgegenstand zur
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recht4, 2006, Rz. 366; Pollinger, Intertemporales Zivilprozessrecht, Diss. München 1988, 204. So BGH vom 21.4.1998, BGHZ 138, 331 = NJW 1998, 2358 = RIW 1998, 626, 628 = ZIP 1998, 1024 = IPRax 1999, 466 (Gerfried Fischer 450) = IPRspr. 1998 Nr. 185; BGH vom 25.1.2005, NJW-RR 2005, 1071 = RIW 2005, 463 = EWiR 2005, 823 (Balzer) = ZIP 2005, 478, 480 = IPRspr. 2005 Nr. 12;vgl. auch OLG Hamm vom 9.1.1992, NJW-RR 1992, 710 = FamRZ 1992, 673 = IPRspr. 1992 Nr. 113 (für Privatscheidung); Herrmann, Die Anerkennung US-amerikanischer Urteile in Deutschland unter Berücksichtigung des ordre public – Eine rechtsvergleichende Untersuchung zum „Justizkonflikt“ zwischen Deutschland und den USA, 2000, 58 ff., 62. So Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht, 1985, 163. Siehe z.B. auch Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008, Rz. 35 vor §§ 335 ff. BSG vom 29.1.1985, IPRax 1985, 352 (Henrich). OLG Karlsruhe vom 28.10.2003, NJW 2004, 516 = IPRax 2005, 39 (kritisch Looschelders 28).
Anerkennung Klageabweisung als unzulässig, also nicht zu einem neuen mit der ausländischen Entscheidung inhaltlich übereinstimmenden Sachurteil. Nach der in Deutschland herrschenden ne bis in idem-Theorie ist eine Klage mit dem gleichen Streitgegenstand, die bereits rechtskräftig entschieden wurde, grundsätzlich unzulässig. Die Rechtsprechung lässt jedoch Ausnahmen zu, wenn ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass einer zweiten inhaltsgleichen Entscheidung besteht. Der BGH hält dieses besondere Rechtsschutzbedürfnis in der Regel für gegeben, wenn es um die Anerkennung ausländischer Urteile geht.108 Praktisch hat der BGH damit die ne bis in idem-Lehre für ausländische Urteile außer Kraft gesetzt. Er erlässt ein zweites, mit dem ausländischen inhaltlich übereinstimmendes Sachurteil.109 Dies ist nicht gerechtfertigt.110
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Klageabweisung als unzulässig erfolgt aber nur bei Identität des Streitgegenstandes, ansonsten ist bei Präjudizialität (für Vorfragen des Zweitprozesses) das deutsche Gericht an die ausländische res iudicata gebunden. Bleibt offen, ob das ausländische Gericht eine Sachentscheidung mit res iudicata-Wirkung getroffen hat, besteht für das deutsche Gericht insoweit keine Bindung.111
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Den subjektiven und objektiven Umfang der res iudicata sowie den Zeitpunkt, ab dem die erststaatliche Entscheidung Rechtskraftwirkung entfaltet, bestimmt ausschließlich der Erststaat, Rz. 2777, 2798. Die meisten Prozessordnungen kennen eine dem § 705 ZPO vergleichbare Regel, wonach Entscheidungen erst nach Eintritt der formellen Rechtskraft, d.h. nach Eintritt der Unanfechtbarkeit mit ordentlichen Rechtsmitteln, der materiellen Rechtskraft fähig sind. Anders ist jedoch die Rechtslage in Frankreich und im anglo-amerikanischen Rechtsbereich, Rz. 2856. In Frankreich entfaltet das Urteil sofort mit Erlass autorité de la chose jugée. Diese Wirkung wird allerdings mit Einlegung eines ordentlichen Rechts-
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108 BGH vom 20.3.1964, AWD 1965, 94 = MDR 1964, 587 = NJW 1964, 1626 = IPRspr. 1964–1965 Nr. 245; BGH vom 9.4.1986, NJW 1986, 2193 = FamRZ 1986, 665, 667 = IPRspr. 1986 Nr. 95; BGH vom 26.11.1986, NJW 1987, 1146 = RIW 1987, 312 = FamRZ 1987, 370 = IPRspr. 1986 Nr. 183; OLG Stuttgart vom 2.5.2002, GmbHR 2002, 1123 (Emde) = EWiR 2002, 1167 (Gerkan) = NZG 2003, 136 = IPRspr 2002 Nr. 178. Siehe auch Stadler in Musielak, Zivilprozessordnung6, 2008, § 328 ZPO Rz. 37. 109 Dem BGH folgen z.B. OLG Düsseldorf vom 17.3.1988, FamRZ 1989, 97, 98 (Henrich)= IPRspr. 1988 Nr. 195; OLG Braunschweig vom 28.2.1989, NJW-RR 1989, 1097 = IPRspr. 1989 Nr. 4; OLG Hamm vom 7.6.1989, FamRZ 1989, 1333 = IPRspr. 1989 Nr. 115; OLG Hamm vom 19.9.1990, FamRZ 1991, 718 = IPRspr. 1990 Nr. 190; KG vom 5.2.1993, NJW-RR 1994, 138 = FamRZ 1993, 976 = IPRax 1994, 455 (Baumann 435) = IPRspr. 1993 Nr. 156; OLG München vom 24.7.1996, NJW-RR 1997, 571 = RIW 1996, 856 = Forum Int 1996, 193 (Simons) = IPRspr. 1996 Nr. 179; OLG Stuttgart vom 2.5.2002, GmbHR 2002, 1123 (Emde); Baumann IPRax 1990, 29; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 887. Weitere Nachweise z.B. bei Bungert IPRax 1992, 231. 110 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1698. Zustimmend z.B. Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 142; Winkel, Grenzüberschreitendes Sorge- und Umgangsrecht und dessen Vollstreckung, Diss. Regensburg 2001, 229. 111 OLG Hamburg vom 12.12.1989, FamRZ 1990, 535.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen mittels suspendiert. Mit Unanfechtbarkeit erlangt die Entscheidung dann volle „materielle Rechtskraft“ (force de la chose jugée). Dieser Unterschied hat insbesondere Auswirkungen auf die Beachtung der Rechtshängigkeit, Rz. 2723. Der Rechtshängigkeitseinwand gilt nach französischem Recht nur solange, als kein Urteil vorliegt, also während der ersten Instanz. Ist bereits ein erstinstanzliches Urteil ergangen, kann autorité de la chose jugée in einem neuen Prozess über den gleichen Streitgegenstand geltend gemacht werden.112 Im gleichen Zeitpunkt, in dem die res iudicata-Wirkung im Erststaat nach dem dort geltenden Recht eintritt, wird sie auf das Inland erstreckt, Rz. 2798. 2805 Das Recht des Erststaates regelt auch den Konflikt mehrerer im Erststaat ergangener Sachentscheidungen.113 2806 Wurde gegen die Klageforderung im Erstverfahren eine Gegenforderung zur Aufrechnung gestellt und erstreckt sich nach dem Recht des Erststaates die Rechtskraft der Entscheidung auch auf die Gegenforderung, so ist auch diese Urteilswirkung anerkennungsfähig, da sie auch dem deutschen Recht (§ 322 II ZPO) als solche bekannt ist. Alle Anerkennungsvoraussetzungen müssen jedoch auch hinsichtlich der Gegenforderung gegeben sein. So scheidet z.B. eine Anerkennung aus, wenn die Gegenforderung öffentlich-rechtlicher Natur ist oder wenn aus deutscher Sicht (§ 328 I Nr. 1 ZPO) der Erststaat für die Entscheidung über das Bestehen der Gegenforderung international nicht zuständig war.114 2807 In vielen Ländern ist die Rechtskraft nur auf Einrede der begünstigten Partei zu beachten.115 So in Frankreich, Belgien, Italien, Griechenland, England und den USA.116 In Frankreich und Belgien betont man, dass die Rechtskraft im Privatinteresse geschaffen sei und ausschließlich ein Mittel der siegreichen Partei sei, ihre wohlerworbenen Rechte zu verteidigen.117 Da ein Urteil im Inland keine stärkere Wirkung haben kann als im Erststaat, darf der deutsche Zweitrichter die ausländische Rechtskraftwirkung nur auf Rüge einer Partei beachten.118 Dies hat
112 R. Geimer RIW 1976, 142; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 380. Zum US-Recht Engelmann/Pilger, Die Grenzen der Rechtskraft im Recht der Vereinigten Staaten, 1973, 32. 113 Es geht dabei ausschließlich um ein innerstaatliches Problem des Erststaates, nämlich um die parallele Behandlung des in Deutschland durch § 580 Nr. 7a ZPO normierten Komplexes. Hierzu Lenenbach, Die Behandlung von Unvereinbarkeiten zwischen rechtskräftigen Zivilurteilen nach deutschem und europäischen Zivilprozessrecht, 1997, 18 ff. 114 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1702 und II, 1971, 25. Siehe auch Hau IPRax 2000, 437, 439. 115 Für Beachtung von Amts wegen plädiert man in Deutschland; vgl. z.B. Homfeldt, Die Beachtung der Rechtskraft im Zivilprozess von Amts wegen, Diss. Passau, 2001. 116 Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht3, 2003, 72. 117 Walther J. Habscheid in Festschrift Fragistas, 1967, 19 ff.; Walther J. Habscheid, Schweizerisches Zivilprozess- und Gerichtsorganisationsrecht2, 1990, Rz. 488. 118 Anderer Auffassung Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 392. Wie hier im Ergebnis OLG Schleswig vom 15.2.2007, OLGR 2007, 305, 307.
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Anerkennung auch Auswirkungen auf die Anwendung des § 328 I Nr. 3 ZPO. Siehe auch Rz. 2708. Steht das Recht des Urteilsstaates auf dem Standpunkt der materiell-recht- 2808 lichen Rechtskrafttheorie, z.B. die in den USA herrschende Doktrin,119 oder der prozessualen Rechtskrafttheorie in der Form des Widerspruchsverbots, so fragt es sich, ob der deutsche Richter – wenn er die Rechtskraftwirkung des ausländischen Urteils beachten muss, da die Anerkennungsvoraussetzungen gegeben sind – sich nach diesen Theorien zu verhalten hat, oder ob er sich die in Deutschland herrschende ne bis in idem-Lehre zu Eigen zu machen hat. Die letztere Alternative dürfte die richtige Lösung sein. Die Bindungswirkung des ausländischen Urteils nach dem Recht des Erststaates ist im Wege der Anpassung an die Rechtslage in Deutschland anzugleichen. Wie sich der deutsche Richter im Zweitprozess bei Identität des Streitgegenstandes zu verhalten hat, regelt ausschließlich das deutsche Recht. Die Vorschriften über die Anerkennung ausländischer Urteile behandeln nicht die Frage, wie der deutsche Richter die Rechtskraft des ausländischen Urteils zu beachten hat. Sie bestimmen vielmehr nur, dass er sie zu beachten hat. Die prozessuale Technik ist ausschließlich Sache der deutschen lex fori. In den deutschen Normen für die Anerkennung ausländischer Urteile liegt also keine Verweisung auf die Rechtskrafttheorien des Urteilsstaates.120 Auf die Anerkennung bzw. Nichtanerkennung der Rechtskraft eines auslän- 2809 dischen Urteils hat es keinen Einfluss, ob nach dem deutschen internationalen Privatrecht die Rechtsordnung des Erststaates für die Beurteilung des Streitgegenstandes maßgeblich ist oder nicht, Rz. 42. Sind die Anerkennungsvoraussetzungen nicht gegeben, so kann das ausländische Urteil auch dann nicht anerkannt werden, wenn auf den Streitfall das Recht des Erststaates nach deutschem internationalem Privatrecht anzuwenden wäre; selbst dann nicht, wenn nach dem Recht des Erststaates die materiell-rechtliche Rechtskrafttheorie maßgeblich ist, wenn also durch das ausländische Urteil ein neues Recht geschaffen worden ist. Liegen die Anerkennungsvoraussetzungen nicht vor, so darf der deutsche Richter die durch das ausländische Urteil nach dem Recht des Erststaates geschaffene Rechtslage nicht anerkennen, auch wenn das deutsche internationale Privatrecht auf das Recht des Erststaates verweist, Rz. 42. Ist nach deutschem internationalem Privatrecht das Recht eines dritten Staates anzuwenden, ist also nach deutschem internationalem Privatrecht das Recht des Urteilsstaates nicht zur Beurteilung des Streitfalls berufen, so hat dies für die Frage der Anerkennung oder Nichtanerkennung der Rechtskraft des ausländischen Urteils keine Bedeutung. Auf den Standpunkt des dritten Staates zur Frage der Anerkennung oder Nichtanerkennung des Urteils kommt es nicht an. Die Wahrung des deutschen internationalen Privatrechts ist nicht Voraussetzung für Anerken119 Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht3, 2003, 72. 120 R. Geimer NJW 1977, 2023; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1698; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 391; Matscher in Festschrift Schima, 1969, 280; Spieker genannt Döhmann, Die Anerkennung von Rechtskraftwirkungen ausländischer Urteile – eine Untersuchung zur Fortgeltung des ne-bis-idem, Diss Bonn 2002, 79.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen nung ausländischer Urteile. Anders die Lehre von der kollisionsrechtlichen Relativität der Rechtskraft, Rz. 44.121 2810 Der Streit- und Urteilsgegenstand wird durch das vom Erstrichter in concreto angewandte Kollisionsrecht nicht begrenzt, Rz. 2644.122 Ausnahme: Wenn die erststaatliche Entscheidung nur den kollisionsrechtlichen Streit über die Frage der anwendbaren Rechtsordnung entscheidet. Hierbei handelt es sich wohl meist nicht um eine Sachentscheidung (Rz. 2788). 2811 Die Grundsätze über das Verhältnis der Rechtskraft eines ausländischen Urteils zu dem nach deutschem internationalem Privatrecht anzuwendenden materiellen Recht gelten nicht nur, wenn Identität des Streitgegenstandes vorliegt, sondern auch dann, wenn die Entscheidung des ausländischen Gerichts präjudiziell für die Entscheidung des deutschen Richters im zweiten Prozess ist. Liegen die Anerkennungsvoraussetzungen vor, so hat der deutsche Richter die Rechtskraftwirkung des ausländischen Urteils auch dann zu beachten, wenn der Inhalt der ausländischen Entscheidung im Widerspruch steht zu der rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts nach derjenigen Rechtsordnung, die nach deutschem internationalem Privatrecht für die Beurteilung des Sachverhalts maßgeblich ist.123 Es gibt in gewissem Umfang für Folgeverfahren Auswirkungen der Anerkennung auf die kollisionsrechtliche Anknüpfung, Rz. 2754. Als Grundsatz ist jedoch festzuhalten: Die „Überlagerung“ und Verdrängung des internationalen Privatrechts durch das Anerkennungsrecht124 findet nur statt, soweit der Umfang der anerkannten ausländischen Rechtskraft reicht. Im Übrigen (= in den nicht rechtskräftig entschiedenen Bereichen) gilt die vom deutschen internationalen Privatrecht berufene lex causae.125
121 Nachweise bei R. Geimer NJW 1974, 1027 Fußn. 12; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1401; Hausmann, Kollisionsrechtliche Schranken von Scheidungsurteilen, Diss. München 1980, 49, 183, 206; Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts6, 2006, § 60 VI 2; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 385 ff.; Bungert IPRax 1992, 227; Furtak, Die Parteifähigkeit in Zivilverfahren mit Auslandsberührung, 1995, 185, 211; Isenburg/ Epple, Die Berücksichtigung ausländischer Rechtshängigkeit nach dem Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen vom 27.9.1968, 1992, 26, 215 ff. 122 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1699; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 386. 123 Zustimmend Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 190. 124 Es handelt sich dabei um das „zweite IPR“ i.S. Wenglers, vgl. Rz. 2966; R. Geimer in Festschrift Jayme, 2004, 241, 253. Hierzu auch Benicke, Typenmehrheit im Adoptionsrecht und deutsches Internationales Privatrecht, 1995, 180; R. Wagner, Anerkennung und Wirksamkeit ausländischer familienrechtlicher Rechtsakte nach autonomem deutschem Recht, FamRZ 2006, 744, 747 ff. 125 Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 384.
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Anerkennung 3. Präklusionswirkung Soweit ein ausländisches Urteil nach dem Recht des Urteilsstaates eine von der 2812 materiellen Rechtskraft zu unterscheidende Präklusionswirkung entfaltet, ist diese grundsätzlich anerkennungsfähig.126 4. Gestaltungswirkung Die Anerkennung der Gestaltungswirkung127 hängt nur von § 328 ZPO bzw. § 109 FamFG ab, irrelevant ist die Anerkennung durch die lex causae, Rz. 42.128 Es ist also nicht erforderlich, dass das anzuerkennende Urteil von demjenigen Staat erlassen wurde, dessen Rechtsordnung nach deutschem internationalem Privatrecht auf das zu gestaltende Rechtsverhältnis anwendbar wäre, bzw. dass das in einem dritten Staat erlassene Urteil von dem Staat, dessen Rechtsordnung nach deutschem internationalem Privatrecht anzuwenden wäre, anerkannt wird.
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Anders die materiell-rechtliche Theorie (lex causae-Theorie).129 So könnte z.B. 2814 nach dieser Meinung ein ausländisches Scheidungsurteil nur dann in Deutschland anerkannt werden, wenn das Urteil im lex causae-Staat (Art. 17 EGBGB) erlassen wurde oder wenn dieser die in einem dritten Staat ergangene Ehescheidung anerkennt. Diese Ansicht verkennt, dass es bei der Anerkennung ausländischer Urteile wie auch sonst im internationalen Zivilverfahrensrecht keinen Gleichlauf zwischen internationaler Zuständigkeit und dem anwendbaren materiellen Recht gibt, Rz. 1069. Eine kollisionsrechtliche Begrenzung bzw. Relativierung der Gestaltungswirkung ist abzulehnen, Rz. 44.130
126 R. Geimer RIW 1976, 143; R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 152; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1703; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 393; Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000, 243, 258. Zustimmend aus schweizerischer Sicht Jametti Greiner, Der Begriff der Entscheidung im schweizerischen internationalen Zivilverfahrensrecht, 1998, 14. 127 Zur Gestaltungswirkung aus Sicht des deutschen Rechts z.B. Büscher in Wieczorek/ Schütze, ZPO und Nebengesetze3, 2007, § 325 Rz. 8. 128 Zustimmend z.B. Schütze in Wieczorek/Schütze, ZPO und Nebengesetze3, 2007, § 328 ZPO Rz. 4; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 133. 129 Hierzu Nachweise z.B. bei Nitzinger, Das Betreuungsrecht im Internationalen Privatrecht, 1998, 117; Oelkers, Internationales Betreuungsrecht, 1996, 270. Siehe auch Stadler in Musielak, Zivilprozessordnung6, 2008, § 328 ZPO Rz. 38. 130 R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 39 ff.; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1401, 1394; Linke, Internationales Zivilprozessrecht4, 2006, Rz. 363; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 779. Für Scheidungsurteile wird dies auch durch Art. 13 II Nr. 3 EGBGB (vgl. hierzu BGH vom 27.11.1996, NJW 1997, 2114) bestätigt. Vice versa gibt es auch keine kollisionsrechtliche Relativität der Wirkungen eines deutschen Urteils, Mäsch IPRax 2004, 103 gegen BayObLG vom 12.9.2002, IPRax 2004, 121.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen 2815 Die Gestaltungswirkung tritt kraft Anerkennung im Inland zu dem gleichen Zeitpunkt wie im Erststaat ein; dies folgt aus dem Prinzip der automatischen Urteilsanerkennung, Rz. 2798. 2816 Reichweite der Gestaltungswirkung: Die vom Erstgericht ausgesprochene Gestaltung ist zwar abstrakt und isoliert von einer konkreten Rechtsordnung anzuerkennen, insbesondere ohne Rücksicht auf die Frage, ob der Erstrichter sein internationales Privatrecht richtig angewandt hat und ob dieses mit den kollisionsrechtlichen Vorschriften des deutschen internationalen Privatrechts übereinstimmt.131 Die vom Erstrichter seiner Entscheidung zugrunde gelegte Rechtsordnung ist jedoch heranzuziehen, soweit es um die Bestimmung des Urteilsinhalts geht, vor allem auch deshalb, um zu klären, ob es sich um ein Gestaltungs- oder ein Feststellungsurteil handelt.132 Hebt z.B. ein französisches Gericht wegen Leistungsstörung einen Vertrag nach Art. 1184 Cc auf, so entfaltet dieser Akt Gestaltungswirkung. Anders ist es dagegen, wenn das französische Gericht deutsches Recht zugrunde gelegt hat und deshalb die bereits durch Gestaltungserklärung einer Partei (Rücktritt) erfolgte Auflösung des Vertrages feststellt, Rz. 2640. 2817 Der Umfang der materiell-rechtlichen Gestaltung ist nach dem Recht des Erststaates (einschließlich dessen IPR) zu beurteilen. Der Umfang der Gestaltungswirkung beurteilt sich auch nach der vom ausländischen Richter intendierten Rechtsänderung und beschränkt sich auf diese. Eine ausländische Trennung von Tisch und Bett ist keine Ehescheidung. Wird im Ausland nur die Ehe geschieden, nicht jedoch über die Scheidungsfolgen befunden, so beschränkt sich die Wirkung des ausländischen Scheidungsurteils auf die Eheauflösung. Über die Scheidungsfolgen kann – soweit die internationale Zuständigkeit Deutschlands gegeben ist – im Inland entschieden werden, und zwar nach den Regeln des deutschen internationalen Privatrechts. 2818 In keinem Fall können im Inland dem ausländischen Richterspruch stärkere (größere) Wirkungen beigelegt werden, als er selbst intendiert hat. Dies folgt aus dem Wesen der Wirkungserstreckung. Dekretiert z.B. der ausländische Richter eine „starke Adoption“, welche die Beziehungen des Kindes zu seinen leiblichen Eltern vollständig auflöst, so ist ihre Anerkennung aus deutscher Sicht unproblematisch. Die Wirkung des ausländischen Richterspruchs ist jedoch auf die Statusänderung (Statusbegründung) beschränkt. Die Adoptionswirkungen beurteilen sich nach der vom deutschen internationalen Privatrecht (Art. 22 EGBGB) berufenen lex causae. Wurde im Erststaat nur eine „schwache Adoption“ ausgesprochen, so kann sie im Inland nicht umfangreichere Wirkungen entfalten als im Erststaat. Der Umstand, dass das deutsche Recht nur eine starke Adoption kennt, steht der Anerkennung nicht entgegen. Die Entscheidung ist jedoch einer Volladoption nicht gleichgestellt.133 131 Zustimmend Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts6, 2006, § 32 V. 132 Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 413. 133 Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 420; AG Schöneberg vom 5.11.1982, IPRax 1983, 190 (Jayme 169). Vgl. auch Erman/Hohloch, BGB12, 2008, Art. 22 EGBGB Rz. 28.
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Anerkennung Nach der hier vertretenen prozessualen Theorie hat das Anerkennungsrecht Vor- 2819 rang vor dem (nach deutschem internationalem Privatrecht ermittelten) Eheschließungsstatut, das dem erststaatlichen Urteil die Anerkennung versagt.134 Dagegen wollen die Anhänger des materiell-rechtlichen Ansatzes das Heimatrecht des Ausländers, das für seine Ehefähigkeit maßgeblich ist (Art. 13 EGBGB), auch über die Anerkennung befinden lassen, und zwar auch über die Beachtung eines deutschen Scheidungsurteils, mit der Konsequenz, dass die Nichtanerkennung des deutschen oder drittstaatlichen Scheidungsurteils durch die lex causae die Eheunfähigkeit bewirkt. Damit führt sich die materiell-rechtliche Theorie selbst ad absurdum, wenn man an die Unbeachtlichkeit eines deutschen Scheidungsurteils denkt. Hat aber ein deutsches Scheidungsurteil Vorrang vor dem Eheschließungsstatut, so muss dies konsequenterweise auch für eine im Inland anerkannte ausländische Scheidung (aus einem Drittstaat) gelten.135 5. Streitverkündungs- und Interventionswirkung Streitverkündungs- und Interventionswirkungen eines ausländischen Urteils 2820 sind anerkennungsfähig, sofern diese Wirkungen nach dem Recht des Urteilsstaates im Großen und Ganzen den §§ 66 ff. ZPO136 vergleichbar sind. Problematisch ist nur, welche Anerkennungsvoraussetzungen hierfür erfüllt sein müssen. Die Voraussetzungen in § 328 I Nr. 1–5 ZPO sind primär auf die Anerkennung der Rechtskraft und der Gestaltungswirkung zugeschnitten. Man wird sich wohl mit dem Vorliegen der internationalen Zuständigkeit (§ 328 I Nr. 1 ZPO) und der Vereinbarkeit mit dem ordre public (§ 328 I Nr. 4 ZPO) begnügen können.137 Anerkennungsfähig sind auch Urteile, die aufgrund einer Garantieklage (Gewährleistungsklage)138 oder in einem third party procedure139 ergangen sind. 134 Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 429. 135 So auch ausdrücklich Art. 13 II Nr. 3 EGBGB. 136 Diedrich, Die Interventionswirkung: Ausprägung eines einheitlichen Konzepts zivilprozessualer Bindungswirkung, Diss. Saarbrücken 2001. 137 Anders die herrschende Meinung, die das Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen des § 328 ZPO verlangt, Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 400; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 11 Rz. 132; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 923; Stadler in Musielak, Zivilprozessordnung6, 2008, § 328 ZPO Rz. 39. 138 Hier kann der Beklagte des Hauptprozesses gegen einen Dritten, den er im Falle des Unterliegens seinerseits regresspflichtig machen will, Garantieklage – assignation en garantie – erheben. Zum italienischen Recht z.B. Korf, Die Garantieklage im italienischen Zivilprozessrecht, Diss. Freiburg 2004. Vgl. auch Art. 6 Nr. 2 EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ (hierzu R. Geimer WM 1979, 350 und OLG Hamburg vom 26.9.1974, RIW 1975, 499 = IPRspr. 1974 Nr. 176b; OLG Düsseldorf vom 27.11.1996, RIW 1997, 330 = IPRax 1998, 478 (Reinmüller 460) = IPRspr. 1996 Nr. 183), Art. 3 I Nr. 10 des deutschbelgischen Abkommens (OLG Hamm vom 28.4.1977, IPRspr. 1977 Nr. 144) und Art. 4 I Buchst. i des deutsch-niederländischen Vertrages. Weitere Nachweise bei Nagel/ Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 11 Rz. 129. 139 Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht3, 2003, 43; Knapp, Die US-amerikanische Produkthaftung in der Praxis der deutschen Automobilindus-
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen Diese entfalten gegenüber dem Dritten die gewöhnlichen Urteilswirkungen, nämlich Rechtskraftwirkung und Vollstreckbarkeit.140 Es geht also nicht um die Anerkennung der Wirkungen einer Streitverkündung nach dem Modell des deutschen Rechts; die Garantieurteile sind jedoch in ihrer prozessualen Auswirkung für den in den Hauptprozess hineingezogenen Dritten vergleichbar mit der deutschen Streitverkündungswirkung. Der Bundesgerichtshof will die internationale Zuständigkeit des Erststaates zum Erlass eines Garantieurteiles nur dann anerkennen, wenn nach § 328 I Nr. 1 in Verbindung mit §§ 12 ff. ZPO ein Zuständigkeitsanknüpfungspunkt auch in Richtung gegen den Dritten (= Garantiebeklagten) gegeben ist.141 Nach der hier vertretenen Ansicht kommt es nur darauf an, dass die internationale Zuständigkeit für den Hauptprozess (in Richtung gegen den Beklagten [= Garantiekläger]) gegeben ist.142 2821 Wenn wir schon für Deutschland das Recht in Anspruch nehmen, im Wege der Streitverkündung Dritte vor deutsche Gerichte zu zitieren, auch wenn keiner der in §§ 12 ff. ZPO aufgeführten Zuständigkeitsanknüpfungspunkte in Bezug auf den Streitverkündungsempfänger vorliegt, und auf sie durch das Damoklesschwert der Streitverkündungswirkung (§§ 74 III, 68 ZPO) mittelbar Druck ausüben, sich am Prozess zu beteiligen, so können wir ceteris paribus fremden Staaten nicht das Recht absprechen, Garantieurteile gegen Dritte zu erlassen.143 2822 Die unbeschränkte Gerichtspflichtigkeit des Streitverkündungsempfängers kann durch Prozessvertrag ausgeschlossen werden.144 Durch Derogationsvertrag kann der Dritte die Möglichkeit der Streitverkündung bzw. Erhebung der Garantieklage im Ausland ausschließen. Dann ist die internationale Zuständigkeit des Erst-
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trie, 1997, 158; Herrmann, Die Anerkennung US-amerikanischer Urteile in Deutschland unter Berücksichtigung des ordre public – Eine rechtsvergleichende Untersuchung zum „Justizkonflikt“ zwischen Deutschland und den USA, 2000, 168 ff. OLG Hamburg vom 5.8.1993, NJW-RR 1995, 191 = IPRax 1995, 391 (Mansel 362) = IPRspr. 1993 Nr. 177. BGH vom 15.10.1969, NJW 1970, 387 (R. Geimer) = IPRspr. 1968–1969 Nr. 229 und OLG Karlsruhe vom 10.10.1973, NJW 1974, 1059 = RIW 1975, 47 = IPRspr. 1973 Nr. 155. R. Geimer NJW 1970, 387; R. Geimer ZZP 85 (1972), 196; R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 155; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1506 Fußn. 49, 1706. R. Geimer ZZP 85 (1972), 196 gegen Milleker ZZP 84 (1971), 91; Fricke, Anerkennungszuständigkeit zwischen Spiegelbildgrundsatz und Generalklausel 1990, 111; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 924. Milleker und Schack wollen aber dem Garantieurteil „zumindest die Wirkung einer Streitverkündung“ beilegen. Dagegen Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 705. – Vgl. auch Mezger IPRax 1984, 334 Fußn. 21 und Koch in Alternativ-Kommentar zur ZPO, 1987, § 328 Rz. 20 sowie ZVglRWiss 85 (1986), 54, der die Streitverkündung und Drittklage im Verhältnis USA/Deutschland (vgl. insbesondere FRCP 14) behandelt. Zur third party action (impleader) auch Thümmel RIW 1988, 361; Junker, Discovery im deutsch-amerikanischen Rechtsverkehr, 1987, 365; Koch in Walther J. Habscheid, Der Justizkonflikt mit den Vereinigten Staaten von Amerika, 1986, 126. Zur Rechtslage in der Schweiz Walther J. Habscheid, Schweizerisches Zivilprozess- und Gerichtsorganisationsrecht2, 1990, Rz. 328 sub 6. R. Geimer ZZP 85 (1972), 196, 206; Mansel ZZP 109 (1996), 61, 65.
Anerkennung staates zum Erlass einer Entscheidung gegen den Dritten nicht anzuerkennen. Voraussetzung ist jedoch, dass der Dritte den Einwand der Derogation im Erstverfahren geltend gemacht hat. Die Notwendigkeit der Rüge der internationalen Unzuständigkeit im Erstverfahren entfällt nur dann, wenn nach dem Recht des Erststaates der Vortrag der Derogation von vornherein unschlüssig wäre.145 Fehlt in Richtung gegen den Streitverkündungsempfänger eine von Amts wegen 2823 zu prüfende Anerkennungsvoraussetzung (z.B. Streitverkündung an Immunen, Rz. 639) oder liegt ein Versagungsgrund vor (den er auch geltend macht), dann entfällt die Anerkennung der Streitverkündung, nicht jedoch automatisch die der anderen Urteilswirkungen; z.B. ist die inter partes wirkende Rechtskraftwirkung anerkennungsfähig, wenn kein Versagungsgrund vorliegt bzw. die betroffene Partei sich auf diesen (z.B. § 328 I Nr. 2 ZPO) nicht beruft.
VI. Nicht anerkennungsfähige Urteilswirkungen Nicht anerkennungsfähig sind
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– Vollstreckungswirkung (Vollstreckbarkeit) nach dem Recht des Erststaates, Rz. 2779, 3100;146 – per definitionem innerprozessuale Bindungswirkungen. Diese haben nur innerhalb des schwebenden Verfahrens im Erststaat eine Bedeutung;147 – Wirkungen von ausländischen Entscheidungen über prozessuale Punkte (Rz. 2788); – Ladungen eines ausländischen Gerichts an eine Partei oder einen Dritten, z.B. Zeugen oder Sachverständigen (Rz. 2526 ff.); – die Beweiswirkung des ausländischen Urteils (Rz. 3056);148 – ausländische Beweisbeschlüsse/Beweisurteile/Beweisaufnahmen. Diese ent- 2825 falten keine rechtlichen Wirkungen, die Gegenstand einer selbständigen Anerkennung sein könnten.149 Es geht nicht um die Frage der „Anerkennung“, sondern darum, ob die Ergebnisse der ausländischen Beweisaufnahme Gegenstand freier Beweiswürdigung (§ 286 ZPO; Rz. 2338) sein können. Dies ist zu bejahen, soweit Ladung bzw. Benachrichtigung zum bzw. vom Beweisaufnahmetermin entsprechend §§ 493 II, 364 IV, 357 II 2 ZPO unter Beachtung der 145 Anderer Auffassung Bernstein in Festschrift Ferid, 1978, 88. 146 Für „formalisierte“ Anerkennung der Vollstreckungswirkung aber Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000, 408. 147 Zustimmend z.B. Jametti Greiner, Der Begriff der Entscheidung im schweizerischen internationalen Zivilverfahrensrecht, 1998, 14; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht2, 2003, Art. 32 EuGVVO Rz. 8. 148 R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 33 EuGVVO Rz. 65; anders für Ergebnisse von Beweissicherungsverfahren Heß/G. Vollkommer IPRax 1999, 220, 223 bei Fußn. 51; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht2, 2003, Art. 32 EuGVVO Rz. 9. 149 OLG Hamm vom 14.6.1988, RIW 1989, 566; Schlosser-Bericht Nr. 187; R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 32 EuGVVO Rz. 39; Stürner IPRax 1984, 301.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen Souveränität der Bundesrepublik Deutschland bzw. dritter Staaten (so die herrschende Meinung; vgl. aber Rz. 2537) erfolgt ist und kein Verwertungsverbot besteht. 2826 – Tatbestandswirkungen:150 Ob und inwieweit ein ausländisches Urteil solche im Inland entfaltet, beurteilt sich nicht nach Prozessrecht.151 Dies ist vielmehr eine Frage des materiellen Rechts. Die jeweils anwendbare Rechtsordnung (lex causae) hat über die Frage der Anerkennung der ausländischen Tatbestandswirkungen zu entscheiden.152 Hierbei ist zunächst zu klären, welche Rechtsordnung nach deutschem internationalem Privatrecht auf das zu beurteilende Rechtsverhältnis zur Anwendung kommt (lex causae).153 Diese hat über die Frage der Anerkennung der ausländischen Tatbestandswirkungen zu entscheiden.154
VII. Tatbestandswirkungen ausländischer gerichtlicher Entscheidungen aus deutscher Sicht 2827 Welche Tatbestandswirkungen das deutsche materielle Recht ausländischen Urteilen beilegt, kann nicht generell entschieden werden. Es ist vielmehr die jeweils einschlägige Norm auszulegen. Dabei ist zu prüfen, ob der Gesetzgeber dann, wenn er an den Erlass eines Urteils eine bestimmte Rechtsfolge geknüpft hat, nur den Erlass eines inländischen Urteils im Auge hatte, oder ob er diese Rechtsfolge auch dann anordnen wollte, wenn im Ausland ein Urteil ergangen ist. 2828 Beispiel: Wann verlängert ein ausländisches Urteil die Verjährungsfrist gemäß § 197 I BGB? Man wird in Anlehnung an § 328 I Nr. 1 ZPO verlangen müssen, dass der Erststaat international zuständig war155 und die Klage bzw. der verfahrenseröffnende Antrag bzw. Mahnbescheid zugestellt worden ist, Rz. 2729; denn dann ist gewährleistet, dass es nach deutscher Auffassung dem Beklagten zuzumuten ist, im Urteilsstaat sein Recht zu nehmen.156 150 Zu den Tatbestandswirkungen aus Sicht des deutschen Rechts z.B. Büscher in Wieczorek/Schütze, ZPO und Nebengesetze3, 2007, § 325 Rz. 5. 151 Zustimmend z.B. Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 160. 152 R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 42; Frankenstein I 599; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 432. 153 Zum österreichischen Recht (§ 1497 ABGB) IPG 2000/2001 Nr. 2 Rz. 48 (Passau); zum belgischen Recht (Art. 2244 Code civil: citation en justice) IPG 2000/2001 Nr. 4 Rz. 22 (Köln). 154 OLG Karlsruhe vom 26.9.1940, DR 1941, 209 = IPRspr. 1935–1944 Nr. 458 („materiellrechtliche Anerkennung“, Mansel, Personalstatut, Staatsangehörigkeit und Effektivität, 1988, Rz. 476). Vgl. IPG 1972 Nr. 37 (Hamburg) 378. 155 Siehe auch OLG Bremen vom 9.10.2003, OLGR 2004, 65 = IPRspr 2003 Nr. 41. Diametral anders C. Wolf, Verjährungshemmung auch durch Klage vor einem international unzuständigen ausländischen Gericht?, IPRax 2007, 180. 156 Anders Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozessrecht – Überlegungen zur Bewältigung von multi-fora disputes, 1996, 165, der sich auf ordre
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Anerkennung Darüber hinaus wird man jedoch keine weiteren Anforderungen an ein auslän- 2828a disches Urteil stellen können, um die Rechtsfolgen des § 197 I BGB auszulösen. Insbesondere kommt es nicht auf die ordnungsgemäße Ladung157 und auf den Inhalt der ausländischen Entscheidung an. Darauf hat der Gläubiger in der Regel keinen Einfluss. Auch wenn die Rechtskraft- oder Gestaltungswirkung des ausländischen Urteils wegen nicht ordnungsgemäßer Ladung oder wegen ordre public-Widrigkeit im Inland nicht anerkannt wird, so ist es doch sinnvoll, dem Kläger die Verjährungsunterbrechung zuzubilligen, damit er seine Klage vor einem deutschen Gericht wiederholen kann.158 Die im Ausland vorgenommene Prozesshandlung hemmt die Verjährung nur, 2829 falls und soweit sie den im deutschen Recht dazu vorgesehenen Handlungen gleichwertig ist.159 Bei Maßgeblichkeit deutschen Rechts bestimmen allein §§ 203 ff. BGB die Dauer der Hemmung der Verjährung.
public-Kontrolle (§ 328 I Nr. 4 ZPO) beschränkt. Ausführliche Nachweise z.B. bei McGuire, Verfahrenskoordination und Verjährungsunterbrechung im Europäischen Prozessrecht, 2004, 221 ff. und Piekenbrock, Befristung, Verjährung, Verschweigung, Verwirkung – Eine rechtsvergleichende Grundlagenstudie zu Rechtsänderungen durch Zeitablauf, 2006. 157 So aber Manfred Wolf in Festschrift Beys, 2003, 1741, 1747. 158 R. Geimer IPRax 1984, 83 gegen die herrschende Meinung, die alle Voraussetzungen des § 328 ZPO verlangt, RG vom 18.9.1926, JW 1926, 374; RG vom 8.7.1930, RGZ 129, 395, 387; LG Breslau vom 25.3.1937, ZOR 1937/38, 588 (Eitner) = IPRspr. 1935–1944 Nr. 55; OLG Breslau vom 19.12.1938, JW 1939, 344 = IPRspr. 1935–1944 Nr. 57; OLG Düsseldorf vom 9.12.1977, NJW 1978, 1752 = RIW 1979, 59 = IPRspr. 1977 Nr. 8; LG Deggendorf vom 24.11.1981, IPRax 1983, 125 (Frank 108) = TranspR 1983, 46 = IPRspr. 1981 Nr. 41A; Soergel/Lüderitz, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 10 EGBGB Anh Rz. 121; Spellenberg in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Art. 32 EGBGB Rz. 100 ff., dagegen Neumeyer JW 1926, 375 und Katinszky RabelsZ 9 (1935), 746 ff.; Frank IPRax 1983, 108; Linke in Festschrift Nagel, 1987, 221; McGuire, Verfahrenskoordination und Verjährungsunterbrechung im Europäischen Prozessrecht, 2004, 230; Siehr IPRax 1989, 95 Fußn. 19; Siehr RabelsZ 50 (1986) 597; Vischer/ Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht2, 2000, Rz. 1151. Differenzierend Soergel/ von Hoffmann, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 32 EGBGB Rz. 46. Weitere Nachweise bei Looschelders IPRax 1998, 296, 301 Fußn. 55 und McGuire a.a.O., 212 ff. Siehe auch Hauck, „Schiedshängigkeit“ und Verjährungsunterbrechung nach § 220 BGB, 1996, 125. Der Bundesgerichtshof hat die Streitfrage bisher unentschieden gelassen, BGH vom 30.6.1964, LM Nr. 14 zu § 328 ZPO a.E. Siehe jedoch BGH vom 17.4.2002, NJWRR 2002, 937 = FamRZ 2003, 221 = WM 2002, 2389 = MDR 2002, 1142 = IPRspr. 2002 Nr. 25: Der schweizerische Zahlungsbefehl steht einem deutschen Mahnbescheid hinsichtlich der verjährungsunterbrechenden Wirkung nach § 209 I i.V.m. II Nr. 1 BGB a.F. (nun § 212 II BGB) gleich. Anders OLG München vom 22.5.2000, FamRZ 2000, 104 = IPRax 2001, 579 (Walter 547). Das AG Waiblingen vom 21.12.1982, IPRspr. 1982 Nr. 179 stellt nicht auf die lex causae, sondern auf das Recht des Urteilsstaates ab. Zur verjährungsunterbrechenden Wirkung eines ausländischen Beweissicherungsverfahrens LG Hamburg vom 15.9.1998, TranspR 1999, 35 = EWiR 1999, 345 (Mankowski) = IPRax 2001, 45 (Spickhoff 37) = IPRspr. 1998 Nr. 28. 159 OLG Köln vom 18.9.1980, RIW 1980, 877 = IPRspr. 1980 Nr. 13 bejaht zu Recht Gleichwertigkeit für schweizer. Zahlungsbefehl im schweizerischen Betreibungsverfahren, obwohl das Betreibungsamt kein Gericht ist.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen 2830 Nach einer in der Minderheit gebliebenen Meinung160 ist jedes ausländische Urteil in der Lage, die Rechtsfolge des § 197 I BGB auszulösen, ohne dass es auf § 328 ZPO ankommt. Danach ist die Klageerhebung eine qualifizierte Mahnung. Dann ist es nur folgerichtig, wenn man jede Klageerhebung im Ausland genügen lässt, um die Verjährungsverlängerung eintreten zu lassen.161 Anders die herrschende Meinung:162 Ein ausländisches Urteil löst nur dann die Folgen des § 204 I BGB aus, wenn es gemäß § 328 ZPO anzuerkennen ist. 2831 Die herrschende Meinung führt zu nicht vertretbaren Ergebnissen.163 Oft würde eine Verjährungsverlängerung entfallen, da es an der Verbürgung der Gegenseitigkeit fehlt (§ 328 I Nr. 5 ZPO). Der Kläger könnte seine Klage in Deutschland in den meisten Fällen nicht mehr erfolgreich wiederholen, da die Verjährung eingetreten ist. Das Erfordernis der Verbürgung der Gegenseitigkeit ist als (untaugliches) Druckmittel gedacht, ausländische Staaten zu veranlassen, auch deutsche Urteile anzuerkennen. Über die Berechtigung dieses Mittels mag man streiten. Jedenfalls dürfte klar sein, dass der Gesetzgeber damit nicht in die materiellrechtlichen Rechtsverhältnisse und deren Behandlung im internationalen Rechtsverkehr eingreifen wollte. Es wäre wohl verkehrt, wenn man die privatrechtliche Frage der Verlängerung der Verjährungsfrist von der politischen Frage abhängig machen wollte, ob im Verhältnis zum Erststaat die Gegenseitigkeit verbürgt ist.164 2832 Die Gegenansicht, wonach jede Klageerhebung im Ausland die Verjährungsfristverlängerung herbeiführt, ist zu weitgehend. Es bliebe dem Gläubiger überlassen, durch Klageerhebung irgendwo im Ausland (also auch in einem Staate, zu dem weder die Parteien noch der Streitgegenstand irgendeine Beziehung haben) sich den Rechtsvorteil der Verjährungsfristverlängerung zu verschaffen. Dies kann zu Missbräuchen führen.165 2833 Die verschiedenen Hypothesen einer Verjährungshemmung durch Klage in einem international zuständigen Staat (§ 328 I Nr. 1 ZPO) bei Maßgeblichkeit deutschen Rechts:166
160 Neumayer JW 1926, 375, Katinszky RabelsZ 9 (1935), 746 und Frank IPRax 1983, 108; Grothe in Münchener Kommentar zum BGB4, 2001, § 209 Rz. 6. 161 So z.B. C. Wolf, Verjährungshemmung auch durch Klage vor einem international unzuständigen ausländischen Gericht?, IPRax 2007, 180 mit vielen Nachweisen. 162 Nachweise bei Raape/Sturm IPR6 I, 1977, 358 Fußn. 104; von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht I2, 2003, § 5 Rz. 116; Mankowski, Crossing the Rhine – On the Enforceability of U.S. Class Action Judgments and Settlements in Germany, Contratto e impresa/Europa XII (2007), 613, 655 f.; Taupitz IPRax 1996, 145. 163 So im Ergebnis auch C. Wolf, Verjährungshemmung auch durch Klage vor einem international unzuständigen ausländischen Gericht?, IPRax 2007, 180, allerdings von einem völlig anderen Ansatz aus. 164 Zustimmend Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozessrecht – Überlegungen zur Bewältigung von multi-fora disputes, 1996, 164. 165 Zustimmend Taupitz IPRax 1996, 143. 166 Hierzu Frank IPRax 1983, 111; Taupitz ZZP 102 [1989] 288; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 782.
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Anerkennung – Ausländisches Verfahren endet ohne Urteil, z.B. durch Klagerücknahme: Hier liegt kein Fall der Urteilsanerkennung vor. Verjährungshemmung, sofern Klage innerhalb von 6 Monaten wiederholt wird, § 204 II BGB. – Ausländisches Verfahren endet durch Prozessabweisung (Prozessurteil): Mit 2834 der Unanfechtbarkeit des ausländischen Urteils (maßgebend ist das Recht des Erststaates) beginnt die Sechsmonatsfrist des § 204 II BGB.167 – Ausländisches Verfahren endet durch Entscheidung in der Sache:
2835
a) Klageabweisung als unbegründet: – Urteil wird anerkannt: Die Frage der Verjährungshemmung stellt sich nicht mehr, da feststeht, dass der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nicht besteht.168 – Urteil wird nicht anerkannt: Analog § 204 II BGB beginnt die Sechsmonatsfrist, jedoch nach der hier vertretenen Meinung nur dann, wenn der Erststaat international zuständig war.169 b) Der Kläger obsiegt: – Urteil wird anerkannt: Ab Unanfechtbarkeit des ausländischen Urteils läuft die 30-Jahres-Frist des § 197 BGB. – Urteil wird nicht anerkannt: Analog § 204 II BGB läuft eine Sechsmonatsfrist für neue Klage, vorausgesetzt, der Urteilsstaat war international zuständig. – Ausländisches Verfahren endet durch Vergleich: Handelt es sich um einen 2836 nach dem Recht des Erststaates vollstreckbaren Vergleich, so kommt es darauf an, ob die Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung nach dem maßgeblichen Vertrag bzw. autonomen Recht gegeben sind. Vorstehendes gilt ceteris paribus auch für die Verjährungshemmung durch 2837 Streitverkündung im Ausland.170 Meist kommt es jedoch aufgrund einer action en garantie oder einer third party procedure zu einer Sachentscheidung gegen den Dritten (Streitverkündungsempfänger), Rz. 2820. Ein Verfahren im Inland hemmt die Verjährung stets, also auch dann, wenn die 2838 lex causae anders entscheidet, etwa wegen Nichtanerkennung des deutschen Urteils oder Nichtbeachtlichkeit der Streitverkündung aus der Sicht des Schuldstatuts.171 Nach Art. 13 ff. des New Yorker UNCITRAL-Übereinkommens über die Verjäh- 2839 rungsfrist beim internationalen Kauf beweglicher Sachen vom 14.6.1974 mit Wiener Änderungsprotokoll vom 11.4.1980172 wird die Verjährungsfrist durch 167 Frank IPRax 1983, 110; Looschelders IPRax 1998, 296, 298. 168 Schütze WM 1967, 248. 169 Anderer Auffassung Frank IPRax 1983, 111; Looschelders IPRax 1998, 296, 303 bei Fußn. 85. 170 Taupitz ZZP 102 (1989), 288. 171 Soergel/Lüderitz, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 10 EGBGB Anh. Rz. 121. 172 Text RabelsZ 39 (1975) 343; 51 (1987) 187; für Deutschland nicht in Kraft, obwohl von der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik ratifiziert, arg. Art. 12 Eini-
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens unterbrochen. Diese Wirkung ist, sofern die Klageerhebung in einem Vertragsstaat erfolgt ist, auch in den anderen Vertragsstaaten zu beachten, vorausgesetzt, dass der Gläubiger alle angemessenen Schritte unternommen hat, um sicherzustellen, dass der Schuldner sobald als möglich verständigt wird, Art. 30. Obwohl Deutschland nicht Vertragsstaat ist, kann das Übereinkommen vom deutschen Richter anzuwenden sein, wenn das Sachrecht eines Vertragsstaates lex causae ist. 2840 Fraglich ist, ob die Hemmung der Verjährung während Bestehens der Ehe gemäß § 207 BGB immer dann endet, wenn in irgendeinem Staat ein Scheidungsurteil ergangen ist. Dies ist wohl zu bejahen; denn die ratio legis lässt sich wie folgt umschreiben: Eine Ehe soll durch Geltendmachung von Ansprüchen zwischen Ehegatten nicht belastet werden. Dieses Anliegen ist nicht mehr zu realisieren, wenn ein Ehegatte gegen den anderen ein Scheidungsurteil erwirkt hat. Die Frage, ob die Wirkungen dieses Urteils im Inland anerkannt werden oder nicht, spielt keine Rolle.173 2841 Der Bürge hat einen Anspruch gegen den Schuldner auf Befreiung, wenn der Gläubiger gegen ihn einen vollstreckbaren Titel erwirkt hat, § 775 I Nr. 4 BGB, ohne Rücksicht darauf, ob dieser im Inland vollstreckbar ist oder nicht. Denn das Telos dieser Norm ist auf Freistellung des Bürgen schlechthin gerichtet, ohne Rücksicht darauf, an welchem Punkt der Erde er in Anspruch genommen wird.174 2842 Nach herrschender Meinung wird der Schuldausspruch des ausländischen Scheidungsurteils durch das prozessuale Anerkennungsrecht (§ 328 ZPO) auf das Inland erstreckt.175 Nach der Gegenansicht handelt es sich um eine Tatbestandswirkung, für welche die nach deutschem internationalem Privatrecht zu ermittelnde lex causae maßgeblich ist.176 2843 Entscheidungen, die einen Güterstand für beendet erklären, sind Gestaltungsurteile, die ohne Rücksicht auf die lex causae anzuerkennen sind.177 2844 Die erbrechtliche Relevanz einer ausländischen Adoption betrachtet das Kammergericht178 nicht als Fall der (prozessualen) Anerkennung, sondern als mate-
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gungsV (Rz. 244c); hierzu Enderlein in Jayme/Furtak, Der Weg zur deutschen Rechtseinheit, 1991, 65. Siehe auch Landfermann RabelsZ 39 (1975), 271; Magnus RabelsZ 51 [1987], 123. Anderer Auffassung Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 431, wie hier im Ergebnis OLG Celle vom 21.12.1966, FamRZ 1967, 56 = NJW 1967, 783 = IPRspr. 1966–1967 Nr. 259. Anderer Auffassung Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 433. Dieser dürfte aus inländischer Sicht nur in ganz seltenen Fällen noch von Bedeutung sein. Jayme/Siehr FamRZ 1969, 188; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 434. Ebenso BGH vom 1.4.1987, NJW 1988, 636 = IPRax 1988, 173 (Hepting) = IPRspr. 1987 Nr. 59 für Feststellung der Verantwortlichkeit für die Trennung (Art. 151 II ital. Codice civile). Anderer Auffassung Frankenstein, Internationales Privatrecht III, 1934, 398. KG vom 23.9.1987, NJW 1988, 1471.
Anerkennung riell-rechtliche Frage der nach dem deutschen internationalen Privatrecht (Art. 25 EGBGB) ermittelten Erbrechtsordnung. Wenn allerdings das Adoptionsstatut (Art. 22 EGBGB) dem Adoptivkind das gesetzliche Erbrecht versagt, habe es damit sein Bewenden. Gerichtsurteile, welche die Berichtigung von Personenstandsregistern anord- 2845 nen,179 entfalten keine selbständige anerkennungsfähige Wirkung. Sie haben keine weitergehenden Rechtswirkungen als die Eintragung selbst, deren Wirkungen nach der vom deutschen internationalen Privatrecht bestimmten lex causae zu beurteilen sind. Sie dienen als Beweismittel bei der Feststellung der Richtigkeit der beurkundeten Tatsache, Rz. 2860, 2800.180 Auch wenn Zwangsvollstreckungsakte und Insolvenzmaßnahmen materiellrechtliche Wirkungen erzeugen (z.B. Pfändungspfandrecht, Eigentumsverlust bzw. -erwerb aufgrund Zwangsversteigerung), gilt § 328 analog, nicht das IPR, Rz. 2795, 3536.
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Zu den materiell-rechtlichen Wirkungen (§ 136 BGB) von Verfügungsverboten ausländischer Gerichte sind noch viele Fragen offen.181
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VIII. Anerkennung in dritten Staaten Maßgeblich für die Anerkennung sind lediglich die Wirkungen, die einem Urteil 2848 nach dem Recht des Erststaates zukommen. Wirkungen, die einem ausländischen Urteil von der Rechtsordnung eines dritten Staates beigelegt werden, kommen für die Anerkennung im Inland nicht in Betracht.182 So kann z.B. ein Exequatururteil, durch das ein ausländisches Urteil in einem dritten Staat für vollstreckbar erklärt wird, nicht anerkannt werden.183 179 Vgl. die deutschen Parallelnormen in §§ 48 ff. PStG n.F. 180 BSG vom 29.1.1985, = IPRax 1986, 13 = IPRspr. 1985 Nr. 203 und BSG vom 29.11.1985, StAZ 1986, 253 = IPRspr. 1985 Nr. 210. 181 Basedow in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 149. 182 Zustimmend z.B. Furtak, Die Parteifähigkeit in Zivilverfahren mit Auslandsberührung, 1995, 183. 183 Kallmann, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile und gerichtlicher Vergleiche, 1946, 38; R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 26 Fußn. 7; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 381; Kegel in Festschrift Müller-Freienfels, 1986, 392; Kropholler BerDGVR 28 (1988), 115; Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts6, 2006, § 60 III 2a; Linke, Internationales Zivilprozessrecht4, 2006, Rz. 355; Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in Unterhaltssachen, 1989, 17; Verwilghen-Bericht Nr. 40; Jametti Greiner, Der Begriff der Entscheidung im schweizerischen internationalen Zivilverfahrensrecht, 1998, 100; Stojan, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile, 1986, 171; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 812, 936; Spieker genannt Döhmann, Die Anerkennung von Rechtskraftwirkungen ausländischer Urteile – eine Untersuchung zur Fortgeltung des ne-bis-idem, Diss. Bonn 2002, 159; Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit – Zur Bedeutung nationaler
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen 2849 Dagegen plädiert Schütze184 für eine Doppelexequierung: Würde man dieser Gegenansicht folgen, so würden die vom deutschen Recht aufgestellten Anerkennungsvoraussetzungen umgangen werden.185 2850 In einen anderen Zusammenhang gehört die staatliche Delibation einer (vorher nach staatlichem Zivilrecht unbeachtlichen) Entscheidung eines kirchlichen Gerichts (Rz. 2872) sowie die Verurteilung zur Zahlung der Kosten des drittstaatlichen Exequaturverfahrens.186
IX. Anwendungsbereich des § 328 ZPO 1. Urteil 2851 Als Urteil definiert die herrschende Meinung im Anschluss an die Rechtsprechung des Reichsgerichts jede Entscheidung, die nach geordnetem Verfahren endgültig über eine aufgestellte Rechtsbehauptung ergeht, wobei Form und Bezeichnung der Entscheidung ohne Bedeutung sind; sie muss jedoch von einem „Gericht“ erlassen worden sein, also von einer mit staatlicher Autorität bekleideten Stelle, die nach den in Frage kommenden ausländischen Gesetzen aufgrund eines förmlichen, beiden Parteien rechtliches Gehör gewährenden Verfahrens zur Entscheidung von privatrechtlichen Streitigkeiten berufen ist.187 2852 Diese Begriffsbildung ist zu eng; denn auch Entscheidungen, die das rechtliche Gehör verletzen oder sonst gegen elementare Prinzipien eines geordneten Verfahrens verstoßen, fallen unter § 328 ZPO. Allerdings besteht ein Versagungsgrund, § 328 Nr. 2 bzw. Nr. 4 ZPO. Ob dieser zur Verweigerung der Anerkennung führt, hängt vom Verhalten der beschwerten Partei ab. Rügt sie den Mangel des erststaatlichen Verfahrens nicht, so kann die Anerkennung nicht etwa von Amts wegen oder auf Antrag der Gegenpartei versagt werden. Auch kann der Verfahrensverstoß im Anerkennungsstadium dann nicht geltend gemacht werden, wenn die beschwerte Partei nicht alle ihr nach dem Recht des Erststaates zustehenden ordentlichen Rechtsmittel und Rechtsbehelfe ausgeschöpft hat, Rz. 2922, 2955. 2853 Unter § 328 ZPO fallen nicht nur Urteile im technischen Sinne, sondern alle gerichtlichen Entscheidungen, die einen Rechtsstreit zwischen Parteien aufgrund eines rechtlich geordneten Verfahrens in der Sache rechtskraftfähig entscheiden
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Rechtsordnungen und der Entscheidungen nationaler Gerichte für die Wirksamkeit internationaler Schiedssprüche, 2007, 570 ff.; Solomon, Internationale Zuständigkeit zur Vollstreckbarerklärung ausländischer Entscheidungen, AG, 2006, 832, 840. Schütze ZZP 77 (1964), 287; Schütze in Wieczorek/Schütze, ZPO und Nebengesetze3, 2007, § 328 Rz. 94. R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 87, 171, 200; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 371; II Rz. 64. R. Geimer IPRax 1990, 192. RG vom 30.6.1886, RGZ 16, 427; RG vom 2.11.1937, JW 1938, 468 = IPRspr. 1935–1944 Nr. 644b; BGH vom 9.5.1956, BGHZ 20, 323, 329 = IPRspr. 1954–1955 Nr. 63; OLG Düsseldorf vom 22.2.1983, FamRZ 1983, 421, 422 = IPRspr. 1983 Nr. 198a.
Anerkennung bzw. eine Gestaltung vornehmen.188 Unerheblich ist, ob es sich um ein Feststellungs-, ein Leistungs- oder ein Gestaltungsurteil handelt, ob zu einem Handeln oder Unterlassen verurteilt wurde, ob die Entscheidung mit Gründen versehen ist oder nicht. Kein Urteil im Sinne von § 328 ZPO sind Entscheidungen während des Laufes des erststaatlichen Verfahrens wie Ladungen, Beweisbeschlüsse (Rz. 2825), also solche, die zeitlich vor der Sachentscheidung (Rz. 2788) liegen.189 Anerkennungsfähig sind auch
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– klageabweisende Urteile, sofern sie der materiellen Rechtskraft nach dem Recht des Erststaates fähig sind und eine Sachentscheidung enthalten;190 – Entscheidungen, die in einem summarischen Verfahren oder in einem Verfahren ohne Beweiserhebung erlassen wurden, wie z.B. Vollstreckungsbescheide;191
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– Versäumnis- und Anerkenntnisurteile;192 – Vorbehaltsurteile, soweit sie (ausnahmsweise) der Rechtskraft fähig sind.193 Unanfechtbarkeit (formelle Rechtskraft) ist entgegen der herrschenden Mei- 2856 nung194 – anders als bei der Vollstreckbarerklärung (§ 723 II 1 ZPO) – nicht erforderlich.195 Es kommt lediglich darauf an, wann nach dem Recht des Erststaates die Urteilswirkungen eintreten, Rz. 2798. So entfalten in vielen vom Code de procédure civile beeinflussten Staaten Urteile bereits mit ihrem Erlass (nicht erst nach Beendigung des Rechtsstreits) autorité de la chose jugée, Rz. 2804. Dies ist für den Bereich des § 109 FamFG (früher § 16a FGG) unbestritten. Bei Entscheidungen, die in einem einstweiligen Verfügungs-, Anordnungs- oder Arrestverfahren ergangen sind, kommt es bei funktionaler Betrachtungsweise
188 Das Gleiche gilt für den Entscheidungsbegriff der §§ 108 ff. FamFG. 189 Diese entfalten übrigens keine anerkennungsfähigen Wirkungen. 190 Unabhängig davon kann die Kostenentscheidung nach § 722 ZPO für vollstreckbar erklärt werden. 191 Vgl. z.B. OLG Düsseldorf vom 21.2.1996, NJW-RR 1997, 124 = RIW 1996, 431 = IPRspr. 1996 Nr. 175. Ebenso aus schweizerischer Sicht Jametti Greiner, Der Begriff der Entscheidung im schweizerischen internationalen Zivilverfahrensrecht, 1998, 105, 328. 192 Rechtsvergleichend Steinhauer, Versäumnisurteile in Europa. Eine rechtsvergleichende Studie über die Versäumnisgefahr im deutschen, österreichischen, französischen, italienischen und englischen Recht anlässlich eines Entwurfs zur Schaffung einer einheitlichen europäischen Zivilprozessordnung, Diss. Freiburg/Br. 1996. Siehe auch Roland M. Müller, Anerkennung und Vollstreckung schweizerischer Zivilurteile in den USA, 1994, 39. 193 Zu der vom giudice istruttore erlassenen ordinanza ingiuntiva di pagamento OLG Stuttgart vom 15.5.1997, NJW-RR 1998, 280 = RIW 1997, 684. 194 Hierzu z.B. R. Wagner, Anerkennung und Wirksamkeit ausländischer familienrechtlicher Rechtsakte nach autonomem deutschem Recht – Eine Anleitung für die Praxis mit Hinweisen auf Reformbestrebungen, FamRZ 2006, 744, 749. 195 Zustimmend Schlosser RIW 2001, 81, 89/90. Anders die herrschende Meinung; Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in Unterhaltssachen, 1989, 169; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 821; BayObLG FamRZ 1990, 898; rechtsvergleichend Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 450.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen darauf an, ob sie de facto geeignet sind, die Streitsache endgültig zu erledigen196 und entsprechende prozessuale Wirkungen zu entfalten, Rz. 3107.197 Tun sie dies ausnahmsweise, fallen sie unter § 328 ZPO.198 Doch dürften solche Fälle extrem selten sein, weil nun einmal der einstweilige Rechtsschutz nicht endgültig ist.199 Dagegen wird zumindest im Schrifttum dem § 16a FGG bzw. nunmehr dem § 109 FamFG ein weites Anwendungsfeld für Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zugewiesen.200 2858 Kostenentscheidungen sind anerkennungsfähig, sofern sie die Kostenerstattungspflicht zwischen den Parteien rechtskräftig feststellen (andernfalls fehlt es an einer anerkennungsfähigen Urteilswirkung). In jedem Fall kann ihnen das Exequatur (§ 722 ZPO) erteilt werden, Rz. 3109 (anders ist es bei Kostenanforderungen des Gerichtsstaates wegen der Gerichtskosten, da diese Titel öffentlichrechtlich zu qualifizieren sind).201 2859 Ausländische Urteile, die einen deutschen Titel abändern, sind anerkennungsfähig.202 Unerheblich ist, ob die ausländische Entscheidung als „Abänderungsentscheidung“ gekennzeichnet ist. Allein wichtig ist, dass eine frühere Entscheidung zwischen denselben Parteien und über den gleichen Streitgegenstand im Ergebnis abgeändert worden ist.203 196 Zustimmend Hohloch BerDGVR 42 (2007), 254: „Richtig ist jedenfalls, eine ausländische Eilentscheidung anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären, wenn sie funktional der im Unterhaltsrecht wichtigen Leistungsverfügung im Sinne von § 940 ZPO entspricht. Hier liegt das Bedürfnis des Unterhaltsgläubigers an einer Vollstreckung auf der Hand“. 197 Maßnahmen des vorläufigen Rechtsschutzes erwachsen per definitionem nicht in materielle Rechtskraft, Kofmel Ehrenzeller, Der vorläufige Rechtsschutz im internationalen Verhältnis, 2005, 119 mit weiteren Nachweisen. 198 Zustimmend Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in Unterhaltssachen, 1989, 112; Schütze in Wieczorek/Schütze, ZPO und Nebengesetze3, 2007, § 328 ZPO Rz. 19; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 223. Im gleichen Sinne für common law undertakings Schlosser RIW 2001, 81, 90. Vgl. auch Mäsch FamRZ 2002, 1069. 199 Allgemein zu den Grundlagen des einstweiligen Rechtsschutzes auf breiter rechtsvergleichender Grundlage Kofmel Ehrenzeller, Der vorläufige Rechtsschutz im internationalen Verhältnis, 2005. 200 R. Wagner, Anerkennung und Wirksamkeit ausländischer familienrechtlicher Rechtsakte nach autonomem deutschem Recht, FamRZ 2006, 744, 749. 201 Zu den Vollstreckbarerklärungsvoraussetzungen Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 480; R. Geimer IPRax 1986, 215; 1992, 8; 1993, 292. Vgl. auch OLG Schleswig vom 15.3.1997, RIW 1997, 513. 202 Soergel/Kronke, BGB12, Bd. 10, 1996, Art. 38 EGBGB Anh IV Rz. 195; Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000, 243, 504; Staudinger/ Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 188. 203 AG Landstuhl vom 7.10.1983, IPRax 1984, 102 = IPRspr. 1983 Nr. 177; OLG Köln vom 15.12.1986, IPRax 1988, 30; OLG Zweibrücken vom 10.3.1998, FamRZ 1999, 33 = IPRspr. 1998 Nr. 85; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 307; Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in Unterhaltssachen, 1989, 58; Henrich IPRax
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Anerkennung Kein Urteil liegt vor, wenn es sich um lediglich eine Urkundstätigkeit des Gerichts handelt, Rz. 2800. Die ausländische richterliche Behörde muss nach Prüfung des ihr unterbreiteten Sachverhalts eine Entscheidung erlassen, für die sie die Verantwortung übernimmt.204 Dies ist nicht der Fall bei einverständlicher Scheidung, die lediglich zur Urkunde des ausländischen Standesbeamten zu erklären ist. Ein Urteil liegt jedoch vor, wenn eine Parteivereinbarung vom Gericht konstitutiv bestätigt wird;205 ebenso, wenn die Vereinbarung vom Gericht gebilligt wird und dann zu einem abgekürzten Verfahren führt, das mit einer gerichtlichen Entscheidung endet.206 Die Grenze zwischen Prozessvergleich und gerichtlicher Entscheidung ist fließend. In einigen Ländern wird der Vergleich in das richterliche Urteil aufgenommen.207 Dieses Urteil bildet dann den Vollstreckungstitel. Es ist einem deutschen Anerkenntnisurteil vergleichbar.208 Beispiel: Hat das ausländische Gericht die Unterhaltsvereinbarung der Eltern über die Unterhaltsleistung für die Kinder überprüft und genehmigt, liegt eine eigenständige richterliche Entscheidung vor.209 Gerichtliche Vergleiche haben in der Regel (siehe aber Rz. 2864) nach dem Recht des Errichtungsstaates keine anerkennungsfähigen Wirkungen;210 das
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1988, 22; Regen, Prozessbetrug als Anerkennungshindernis, 2008, Rz. 853. Siehe auch Art. 8 Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommen 1973. RG vom 22.4.1932, RGZ 136, 147 = JW 1932, 2274 (Raape) = IPRspr. 1932 Nr. 146. Für Sorgerechtsregelung OLG Breslau vom 9.5.1938, IPRspr. 1935–1944 Nr. 313. Für New Yorker Unterhaltsentscheidung (Agreement and Order for Support) LG Berlin vom 6.11.1961, IPRspr. 1960–1961 Nr. 192. Für class action settlement Heß JZ 2000, 347. Nachweise auch bei Hoppe, Die Einbeziehung ausländischer Beteiligter in US-amerikanische class actions: Unter Berücksichtigung des Class Action Fairness Act 2005, Diss. Köln 2005. Judgement by consent, jugement convenu, jugement de donné acte. Siehe auch die umfangreichen Nachweise bei Frische, Verfahrenswirkungen, Rechtskraft – internationale Anerkennung und Vollstreckung von Prozessvergleichen und Schiedssprüchen mit vereinbartem Wortlaut, 2005. Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000, 271, 288; Spindler, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Prozessvergleiche unter besonderer Berücksichtigung der U.S.-amerikanischen Class Action Settlements, Diss. Heidelberg, 2001, 5. OLG Breslau vom 9.5.1938, DR 1939, 869 (Lauterbach) = IPRspr. 19351944 Nr. 313. Ebenso für eine Genehmigung nach dem Familiengesetz der früheren CSSR OLG München vom 29.5.1984, IPRspr. 1984 Nr. 176 sowie für Inkorporation eines Unterhaltsabkommens nach schweizer. ZGB BGH vom 6.11.1985, NJW 1986, 1440 = FamRZ 1986, 45 = MDR 1986, 660 = RIW 1986, 554 (Wolff 728) = IPRax 1986, 294 (Dopffel 277) = EWiR 1986, 207 (R. Geimer) = IPRspr. 1985 Nr. 184. Vgl. auch Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht3, 1979, 379 Fußn. 25; Walder, Prozesserledigung ohne Anspruchsprüfung, 1966, 149. Zustimmend aus schweizerischer Sicht Jametti Greiner, Der Begriff der Entscheidung im schweizerischen internationalen Zivilverfahrensrecht, 1998, 140. Rechtsvergleichende Hinweise bei Koch in Festschrift Schumann, 2001, 267, 273 ff. Wenig informativ in diesem Punkt dagegen Spindler, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Prozessvergleiche unter besonderer Berücksichtigung der U.S.-amerikanischen Class Action Settlements, Diss. Heidelberg 2001, 184.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen Gleiche gilt für vollstreckbare Urkunden (§ 794 I Nr. 5 ZPO).211 Daher scheidet eine Anerkennung aus.212 Möglich ist jedoch jeweils die Vollstreckbarerklärung.213 Siehe auch Rz. 2658. 2864 Bei ausländischen Vergleichen kommt eine Anerkennung dann in Betracht, wenn der Vergleich nach dem Recht des Erststaates prozessrechtliche Wirkungen hat, die einer Anerkennung fähig sind, insbesondere eine res iudicata-Wirkung entfaltet (welche das deutsche Recht Vergleichen nicht beilegt, Rz. 2656).214 Der Umstand allein, dass einem ausländischen Vergleich mehr prozessrechtliche Wirkungen zukommen als einem deutschen, verstößt nicht gegen den ordre public.215 Hat der ausländische Prozessvergleich res iudicata-Wirkung,216 so ist die Frage der Wirksamkeit des Vergleichs nach der aus der Sicht des deutschen internationalen Privatrechts richtigen lex causae präkludiert. Die typische Vergleichsproblematik entfällt sowieso, wenn der Vergleich in ein Urteil des staatlichen Gerichts (= Kompromissurteil) aufgenommen wird, Rz. 2861. 2865 Hat der ausländische Prozessvergleich – ebenso wie der deutsche – keine res iudicata-Wirkung, kommt nur seine Vollstreckbarerklärung in Betracht, Rz. 2862. Dann sind alle Einwendungen zulässig, auch der Einwand der Unwirksamkeit nach der vom deutschen internationalen Privatrecht bestimmten lex causae.217 Ist es jedoch nach dem Recht des Erststaates so, dass dem Prozessvergleich – bei materiell-rechtlicher Unwirksamkeit – die Vollstreckbarkeit nicht per se mangelt, sondern erst durch eine prozessuale Gestaltungsklage genommen werden muss, so kann der deutsche Exequaturrichter den Prozessvergleich für vollstreckbar erklären; denn die Vollstreckbarkeit nach dem Recht des Erststaates ist – solange keine Aufhebung erfolgt ist – gegeben. Er kann sich auf die Wahrung des deutschen ordre public beschränken. Dieser ist jedoch nicht schon bei Verletzung einer zwingenden Vorschrift einer ausländischen Rechtsordnung tangiert. 2865a „Anerkennung“ des nicht vollstreckungsfähigen Inhalts von öffentlichen Urkunden und sogar auch von Privaturkunden nach Art. 46 EuEheVO? Während Art. 57 und Art. 58 EuGVVO – dogmatisch richtig – nur die Vollstreckbarerklärung von vollstreckbaren Urkunden und gerichtlichen Vergleiche normieren, spricht Art. 46 EuEheVO auch von deren Anerkennung: Eine solche dürfte aber mangels anerkennungsfähiger (prozessualer) Wirkungen (Rechtskraft bzw Präklusionswirkung) im Gros der Fälle nicht in Betracht kommen.
211 Rechtsvergleichende Hinweise bei Jametti Greiner a.a.O., 193 ff. 212 Ungenau daher Roland M. Müller, Anerkennung und Vollstreckung schweizerischer Zivilurteile in den USA, 1994, 40. 213 Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 530. Anders die herrschende Meinung, z.B. Gottwald, in Münchener Kommentar § 328 ZPO Rz. 49. 214 Zur Rechtskraft von Vergleichen Stürner, Formen der konsensualen Prozessbeendigung in Gottwald, Konsensuale Streitbeilegung, 2001, 5, 23. 215 Zustimmend Koch in Festschrift Schumann, 2001, 267, 269. 216 So z.B. einige kantonale Rechtsordnungen in der Schweiz, Gillard, La transaction judiciaire en procédure civile, 2003, 182. 217 Enger Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000, 487.
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Anerkennung Rauscher218 will aber den Anerkennungsbegriff des Art. 46 EuEheVO viel weiter fassen und auch auf nichtprozessuale Wirkungen erstrecken.219 Die Einbeziehung der in Art. 46 EuEheVO genannten Urkunden in das Anerkennungssystem der Verordnung gehe deutlich über das eigentliche Ziel der Verstärkung der Vollstreckungs-Hinderungsgründe hinaus. Sie bedeute, dass konsensuale Rechtsakte, die bis dato der Wirksamkeitsprüfung nach dem vom Internationalen Privatrecht berufenen materiellen Recht unterlagen, auch in ihrem materiellen Inhalt, insbesondere hinsichtlich ihrer Gestaltungswirkungen, anzuerkennen sind. Damit eröffne die Bestimmung einen weit über ihren Anlass hinausweisenden potentiellen Gestaltungsbereich im europäischen Eherecht.220 Auch Paraschas221 tendiert sehr dezidiert in die gleiche Richtung:222 Die öffent- 2865b liche Urkunde und Parteivereinbarung müsse nicht notwendigerweise einen vollstreckungsfähigen Inhalt haben; sie seien gerichtlichen Entscheidungen auch dann gleichgestellt, wenn sie „lediglich“ feststellend oder gestaltend wirken, wie z.B. eine Bestätigung des gesetzlichen Sorgerechts oder die Verteilung des Sorgerechts nach Scheidung, wenn die Urkunde darüber hinaus keine Verpflichtung zu einem Tun (Herausgabe des Kindes) oder Unterlassen enthält. Dies ergebe sich deutlich auch aus Erwägungsgrund Nr. 22 der EuEheVO. Eine Beschränkung auf den nur vollstreckungsfähigen Inhalt der in Art. 46 EuEheVO genannten Urkunden habe der europäische Gesetzgeber nicht gewollt. Wenn z.B. die Eltern eine Vereinbarung über das Sorgerecht und den Umgang wirksam geschlossen haben, so sei die Urkunde nicht nur hinsichtlich des Umgangsrechts anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären; vielmehr sei sie auch bezüglich des Sorgerechts anzuerkennen, auch wenn die Vereinbarung in diesem Punkt nur gestaltend wirkt. Die Anerkennung sei eine echte Wirkungserstreckung: Die Vereinbarung entfalte in allen anderen Mitgliedstaaten die gleichen Wirkungen, die sie im Ursprungsmitgliedstaat hat. Diese Wirkungserstreckung trete unmittelbar ex lege ein; sie könne aber auch Gegenstand eines Feststellungsverfahrens nach Art. 21 III EuEheVO sein.223 Vorstehendes gelte auch, wenn eines (fernen) Tages ein Mitgliedstaat die reine Konsensualscheidung (ohne behördliche Mitwirkung bzw. Registrierung) einführen würde. Sollte sich dieser (zur hier vertretenen Meinung diametral entgegengesetzte) Ansatz durchsetzen, wäre der „Kompetenzbereich“ des Internationalen Privatrechts zugunsten des internationalen Anerkennungsrechts ganz erheblich beschnitten.
218 Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht2, 2006, Art. 46 Brüssel IIa-VO Rz. 1. 219 Ausführlich in diesem Sinne schon Ancel/Muir Watt Rev. crit. d.i.p. 2001, 437, 441. 220 Widersprüchlich aber Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht2, 2006, Art. 46 Brüssel IIa-VO Rz. 7: „Nicht erfasst sind Urkunden und Vereinbarungen, die keinen vollstreckungsfähigen Inhalt haben. Damit sind insbesondere Privatscheidungen auch auf diesem Weg nicht einzubeziehen“. 221 Paraschas in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 545), Art. 46 EuEheVO Rz. 4, 10. 222 Ebenso z.B. Dornblüth, Die europäische Regelung der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung von Ehe- und Kindschaftsentscheidungen, 2003, 63. 223 Paraschas in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 545), Art. 46 EuEheVO Rz. 10; Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht2, 2006, Art. 46 Brüssel IIa-VO Rz. 8.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen 2866 Die „Anerkennung“ der (materiell-rechtlichen) Wirkungen rechtsgeschäftlicher Akte, insbesondere von Statusveränderungen (Vertragsadoption, Privatscheidung etc.224), fällt nicht unter § 328 ZPO bzw. § 109 FamFG.225 Maßgebend ist vielmehr die vom deutschen internationalen Privatrecht bestimmte lex causae (materiell-rechtliche Anerkennung).226 2. Zivilrechtliche Streitgegenstände 2867 § 328 ZPO betrifft nur Urteile, durch die über zivilrechtliche Ansprüche im weiteren Sinn (einschließlich der arbeits- und handelsrechtlichen Ansprüche) entschieden wird mit Ausnahme der Entscheidungen in Familiensachen (§§ 1, 111 FamFG); für diese gelten §§ 107 ff. FamFG.227 Der Begriff „Zivilsache“ wird von der deutschen lex fori bestimmt.228 Er ist weit zu fassen. Darunter fallen alle bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten im Sinne von § 13 GVG, nicht jedoch die Zivilprozesssachen kraft Zuweisung, da es sich materiell um öffentlich-rechtliche Streitigkeiten handelt.229 Ist Streitgegenstand aus deutscher Sicht eine öffentlichrechtliche Forderung, so scheidet die Anwendung des § 328 ZPO aus, auch wenn diese äußerlich durch ein ausländisches Zivilurteil „eingekleidet“ wurde.230 2868 Zu den Zivilsachen gehören auch Entscheidungen in Kartellsachen, soweit sie Ansprüche unter Privatpersonen betreffen, z.B. solche wegen der Rückabwicklung nichtiger Verträge oder Schadensersatzansprüche wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens.231 US-Entscheidungen, die den Beklagten zu dreifachem Schadensersatz (treble damages) verurteilen, sind nicht nur nach amerikanischer Auffassung, sondern auch nach der Qualifikation des deutschen Rechts Zivilurteile; denn sie erfüllen keinen staatlichen Strafanspruch, sondern verpflichten 224 Nachweise bei Erman/Hohloch, BGB12, 2008, Art. 17 EGBGB Rz. 46; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 7 FamRÄndG Rz. 38; Gärtner, Die Privatscheidung im deutschen und gemeinschaftsrechtlichen Internationalen Privat- und Verfahrensrecht – Außergerichtliche Ehescheidungen im Spannungsfeld von kultureller Diversität und Integration, 2008. 225 Zustimmend z.B. R. Wagner, Anerkennung und Wirksamkeit ausländischer familienrechtlicher Rechtsakte nach autonomem deutschem Recht, FamRZ 2006, 744, 747, 751. 226 Mansel, Personalstatut, Staatsangehörigkeit und Effektivität, 1988, Rz. 477; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 556 ff. 227 Zur Anerkennung ausländischer Entscheidungen über öffentlich-rechtliche Ansprüche Schnyder, Wirtschaftskollisionsrecht, 1990, 239 Rz. 294 ff. Zum US-Recht Scoles/ Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws4, 2004, § 24.43. Allgemein zum „public law taboo“ Schlosser, Jurisdiction and International Judicial and Administrative CoOperation, RdC 284 (2000), 9, 330 ff. 228 Zur Qualifikationsmethode siehe auch Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006, 37 ff. 229 Zustimmend Schütze in Wieczorek/Schütze, ZPO und Nebengesetze3, 2007, § 328 ZPO Rz. 18. Anderer Auffassung Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 503. 230 Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006, 101 ff. 231 Zustimmend z.B. Schütze in Wieczorek/Schütze, ZPO und Nebengesetze3, § 328 ZPO Rz. 17.
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Anerkennung zu privatem Schadensersatz, soweit dieser nicht – wie in einigen US-Bundesstaaten – wiederum an die Staatskasse abzuliefern ist.232 Eine andere Frage ist, ob der Abschreckungseffekt des dreifachen Schadensersatzes mit dem deutschen ordre public zu vereinbaren ist, Rz. 2974. Die Einordnung als Zivilsache bejaht grundsätzlich auch der Bundesgerichtshof.233
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3. Gericht Die Entscheidung muss von einem staatlichen Gericht erlassen worden sein. Da- 2870 bei sind an den Begriff des Gerichtes nicht die strengen Anforderungen des Art. 92 GG zu stellen, Rz. 263. Ein Urteil eines ausländischen Gerichts liegt bereits dann vor, wenn die Entscheidung von einer mit staatlicher Autorität bekleideten Stelle erlassen worden ist, die nach den betreffenden ausländischen Gesetzen aufgrund eines geregelten Verfahrens zur Entscheidung von privatrechtlichen Streitigkeiten berufen ist.234 Die völkerrechtliche Anerkennung des Urteilsstaates ist nicht Voraussetzung für die Anwendung des § 328 ZPO.235 Unter § 328 ZPO fallen auch die Entscheidungen von Arbeits- und Handels- 2871 gerichten, ja sogar von Straf- und Verwaltungsgerichten, sofern diese (etwa im Adhäsionsverfahren) über zivilrechtliche Ansprüche entscheiden. Letzteres ist jedoch bestritten, Rz. 116.236 Sprüche privater Gerichte, z.B. von Vereinsgerichten, fallen nicht unter § 328 2872 ZPO, aber unter Umständen unter § 1061 ZPO.237 Ebenso nicht Entscheidungen 232 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 818. Anderer Auffassung Schütze in Wieczorek/Schütze, ZPO und Nebengesetze3, 2007, § 328 ZPO Rz. 18 mit weiteren Nachweisen. 233 BGH vom 4.6.1992, BGHZ 118, 312 = MDR 1992, 1181 = NJW 1992, 3096, 3102 (Koch 3073) = RIW 1993, 132 (Schütze 141) = JZ 1993, 261 (Deutsch) = ZIP 1992, 1256 (Bungert 1707 sowie ZIP 1993, 815) = EuZW 1992, 705 = EWiR 1992, 827 (R. Geimer) = LM Nr. 38/39/40 zu § 328 ZPO (Kronke) = ZZP 106 (1993), 79 (Schack) = IPRax 1993, 310 (Koch/Rabel 288) = IPRspr. 1992 Nr. 218b. Ebenso Stiefel/Stürner VersR 1987, 837. Anderer Auffassung Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 504, der bereits den zivilrechtlichen Charakter in Zweifel zieht. 234 BGH vom 11.10.1956, BGHZ 22, 24 = NJW 1957, 61 = WM 1956, 1504 = IPRspr. 1956–1957 Nr. 191. 235 Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 535; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 227. 236 Dafür Frankenstein, Internationales Privatrecht I, 1926, 348; Nussbaum, Deutsches Internationales Privatrecht, 1932, 430; Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 530; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1425, 1691, II 46 bei Fußn. 4; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 498, 504, 519. Anderer Auffassung Pagenstecher, RheinZ 12, 139 ff.; IPG 1965/66 Nr. 70 (OLG München). Zur besseren Unrechts-Bewältigung durch den Zivilprozess vgl. aber Scheffler, Die Bewältigung hoheitlich begangenen Unrechts durch fremde Zivilgerichte, Diss. Konstanz 1997, 303. 237 Schütze JZ 1982, 636; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 526.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen geistlicher (= kirchlicher) Gerichte.238 Ausnahme: wenn sie im staatlichen Auftrag (kraft erststaatlicher Delegation) tätig werden.239 Es kommt mithin darauf an, welcher Akt – aus der Sicht des weltlichen Rechts – in der Lage ist, zivilrechtliche Rechtsfolgen hervorzurufen. Diese erzeugt bei Scheidung von Italienern nicht der Spruch des (römisch-katholischen) Kirchengerichts nach kanonischem Recht, sondern (erst) das staatliche (italienische) Delibationsurteil. Dieses kann Gegenstand der Anerkennung in Deutschland sein.240 Allerdings ist im Verhältnis zu Portugal, Italien, Spanien und Malta seit Inkrafttreten der EuEheVO nicht mehr das autonome Recht maßgebend. Die Pflicht zur Anerkennung ergibt sich nunmehr aus europäischem Gemeinschaftsrecht, Art. 21 ff. (modifiziert durch Art. 63) EuEheVO.241 238 Hiervon zu unterscheiden sind Gestaltungen aufgrund Rechtsgeschäfts, z.B. „Privatscheidungen“, Rz. 2641a, 3020. Zu den Privat- und Schlichtungsscheidungen in Japan z.B. Nishitani IPRax 2002, 49. Sie sind nicht anerkennungsfähig, wenn die für die Scheidung maßgebliche Übereinkunft in Deutschland geschlossen wurde, Präsidentin des OLG Frankfurt vom 10.7.2000, StAZ 2001, 37; OLG Frankfurt vom 4.12.2000, IPRspr. 2000 Nr. 167. 239 Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 530; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1421. 240 Jayme IPRax 1990, 32; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 214. Anders Landesjustizverwaltung Baden-Württemberg vom 27.4.1987, IPRax 1990, 51 = IPRspr. 1988 Nr. 201a, wo man auf den Spruch des kirchlichen Gerichts zurückgreift und diesem – da in Deutschland zu lokalisieren – im Hinblick auf das Scheidungsmonopol der deutschen Gerichte (in Deutschland, Rz. 3020) die Anerkennung verweigert. Vgl. auch Erman/Hohloch, BGB12, 2008, Art. 17 EGBGB Rz. 29. 241 Die Konkordate betreffen die Ungültigerklärung (Anullierung) nach römisch-katholischem Ritus geschlossenen und staatlicherseits zivilrechtlich anerkannten Ehen (Konkordatsehen), Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht2, 2006, Art. 63 Brüssel IIa-VO Rz. 1. Nach Art. XXV des Konkordats mit Portugal und Art. 1625, 1626 cc sind für die Annullierung von katholisch geschlossenen Ehen ausschließlich die Kirchengerichte zuständig. Deren Entscheidungen werden staatlicherseits ohne Überprüfung anerkannt. Allerdings bedarf es einer staatlichen Bestätigung, Bischoff in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 545), Art. 63 EuEheVO Rz. 4. Nach Art. 34 des Konkordats mit Italien sind die kirchlichen Gerichte für die Ungültigerklärung einer Konkordatsehe zuständig, allerdings nicht ausschließlich. Die Konkordatsehe hat erst nach Eintragung in das staatliche Personenstandsregister (trascrizione) zivilrechtliche Wirkung. Entscheidungen der Kirchengerichte, welche die Ehe für ungültig erklären, werden nicht automatisch staatlicherseits anerkannt, sondern erst nach Überprüfung durch die staatlichen Gerichte in einem Delibationsverfahren, welches Art. 796 ff. c.p.c. a.F. nachgebildet ist, Spellenberg ZZPInt 6 (2001), 109, 122; Bischoff in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 545), Art. 63 EuEheVO Rz. 3; Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht2, 2006, Art. 63 Brüssel IIa-VO Rz. 3. Die Rechtslage nach Art. VI (2) des Konkordats mit Spanien entspricht im Wesentlichen der in Italien. Die Ungültigerklärung einer Ehe durch die Kirchengerichte bedarf ebenso wie in Italien einer staatlichen Delibation nach Art. 80 cc. Das Gleiche gilt in Malta gemäß Art. 5 des Konkordats, Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht2, 2006, Art. 63 Brüssel IIa-VO Rz. 4 f. Nachweise auch bei Waldmann, Das System der Kon-
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Anerkennung Auf Entscheidungen von Verwaltungsbehörden kommt § 328 ZPO unmittelbar nicht zur Anwendung. Eine analoge Anwendung sollte man zulassen z.B. für Standesamtsscheidungen242 und Unterhaltsentscheidungen, z.B. „Beitragsresolutionen“ des dänischen Rechts.243
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4. Streitige Gerichtsbarkeit § 328 ZPO hat nur Entscheidungen der streitigen Zivilgerichtsbarkeit im mate- 2874 riellen Sinne im Auge. Für Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt § 109 FamFG (Rz. 2882). Im Gegensatz zu § 328 I Nr. 5 ZPO244 verlangt § 109 FamFG nur für die in Absatz 4 genannten Materien die Verbürgung der Gegenseitigkeit. kordatsehe in Italien – Entwicklung und aktuelle Probleme der Kooperation zwischen Staat und katholischer Kirche, Diss. Bonn 2003. Der Vorbehalt in Art. 63 EuEheVO berechtigt Portugal einem die Ungültigerklärung einer kanonischen Ehe aussprechenden Urteil aus einem anderen Mitgliedstaat die Anerkennung zu verweigern, wenn nach dem Konkordat für die Entscheidung die ausschließliche Zuständigkeit des Kirchengerichts besteht oder wenn die zur Anerkennung anstehende Entscheidung auf andere Ungültigkeitsgründe gestützt ist als die im Katalog des Konkordats zugelassenen, Bórras-Bericht Nr. 121 ff.; Bischoff in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 545), Art. 63 EuEheVO Rz. 5; Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht2, 2006, Art. 63 Brüssel IIa-VO Rz. 7. In den Konkordaten mit Italien, Spanien und Malta ist – anders im Konkordat mit Portugal – keine ausschließliche Zuständigkeit der Kirchengerichte stipuliert. Daher kommt eine Anerkennungsverweigerung nach Art. 63 nur dann in Betracht, wenn die Annullierungsentscheidung aus einem Mitgliedstaat auf einem im betreffenden Konkordat nicht vorgesehenen bzw. nicht zugelassenen Ungültigkeitsgrund beruht, Rauscher Art. 63 Brüssel IIa-VO Rz. 6. Die anderen Mitgliedstaaten sind nach Art. 63 II und III EuEheVO verpflichtet, Urteile kirchlicher Gerichte, die eine Ehe für ungültig erklären, nach Maßgabe von Art. 21 ff. EuEheVO anzuerkennen, soweit und sobald diese im Ursprungsmitgliedstaat zivilrechtliche Wirkungen entfalten. Dies ist in Portugal eo ipso nach Erteilung der staatlichen Bestätigung der Fall, in Italien, Spanien und Malta jedoch erst nach Delibation durch die staatlichen Gerichte. Anzuerkennen ist dann die staatliche Delibationsentscheidung, Bischoff in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 545), Art. 63 EuEheVO Rz. Bischoff in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 545) Art. 63 EuEheVO Rz. 4; Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht2, 2006, Art. 63 Brüssel IIa-VO Rz. 7. Für antragsabweisende Entscheidungen begründet die Verordnung wie auch sonst keine Anerkennungspflicht. Die Konkordate verbieten – jedenfalls in ihren aktuellen Fassungen – nicht die Ehescheidungen durch die staatlichen Gerichte. Daher ist insoweit Art. 63 EuEheVO nicht einschlägig. Es gelten vielmehr die allgemeinen Vorschriften (Art. 21 ff. EuEheVO), auch soweit die staatlichen Gerichte der Mitgliedstaaten kanonische Ehen scheiden, Bischoff in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr (Nr. 545), Art. 63 EuEheVO Rz. 5; Spellenberg in Festschrift Schumann, 2001, 423, 436. 242 Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 219; OLG Koblenz vom 2.3.2004, IPRax 2005, 354 (R. Geimer 325). 243 Zur Anerkennung von privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakten bezüglich Namensänderungen LG Bremen vom 15.4.1985, StAZ 1986, 9 = IPRspr. 1985 Nr. 7a und OLG Bremen vom 12.7.1985, StAZ 1986, 9 = IPRspr. 1985 Nr. 7b. 244 Z.B. BGH vom 24.10.2000, NJW 2001, 524 = IPRax 2001, 457 (Schütze 441) = IPRspr. 2000 Nr. 156. Siehe auch R. Wagner, Anerkennung und Wirksamkeit ausländischer fa-
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen Im Interesse einer erleichterten Anerkennung sind auch Streitsachen dem § 109 FamFG zuzuordnen, wenn diese vom deutschen Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit zugewiesen sind, Rz. 2883. Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 328 ZPO liegen jedenfalls alle Beschlüsse und Verfügungen, die im klassischen Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit ergangen sind, denen also keine echten Parteistreitigkeiten zugrunde liegen.245 Beispiele: Entmündigungen, auch wenn diese – wie früher im deutschen Recht – im Zivilprozess angeordnet werden;246 Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil usw. 5. Insolvenzrechtliche Entscheidungen 2875 Einem ausländischen Insolvenzverfahren wird die Anerkennung im Inland nicht mehr verweigert, § 343 InsO, Rz. 3500. 6. Schiedssprüche 2876 Maßgebend ist nicht § 328 ZPO, sondern § 1061 ZPO. 7. Entscheidungen der Gerichte der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik 2877 Entscheidungen der Gerichte der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik waren auch vor dem 3.10.1990 aus westdeutscher Sicht nie ausländische Urteile. § 328 ZPO wurde aber – mit Modifikationen und Adaptionen – angewandt. Nun gilt Art. 18 des Einigungsvertrages.247 8. Entscheidungen völkerrechtlicher Gerichte 2878 Die zivilrechtlichen Wirkungen internationaler Gerichte sind meist in den Vereinbarungen näher geregelt, die das betreffende Gericht etablieren; im Übrigen kann bei Regelungslücken auf § 328 ZPO, § 109 FamFG zurückgegriffen werden.248
245 246
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milienrechtlicher Rechtsakte nach autonomem deutschem Recht, FamRZ 2006, 744, 749. Anders noch BGH vom 11.5.1953, JZ 1954, 244 (Makarov) = IPRspr. 1952–1953 Nr. 305. Klinkhardt in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Art. 24 EGBGB Rz. 43; Spellenberg in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Art. 12 EGBGB Rz. 38. Gegen Anerkennungsfähigkeit der Entmündigung eines Deutschen im Hinblick auf Abschaffung der Entmündigung durch das Betreuungsgesetz Erman/Hohloch, BGB12, 2008, Art. 8 EGBGB Rz. 3. Differenzierter dagegen Palandt/Thorn, BGB68, 2009, Art. 7 EGBGB Rz. 9: Anerkennung der Entmündigung durch Aufenthaltsstaat nur mit den Wirkungen einer weitestgehenden Betreuung nach deutschem Recht. Beispiel: BGH vom 22.1.1997, NJW 1997, 2051. R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1422; Rensmann, Anationale Schiedssprüche – Eine Untersuchung zu den Wirkungen ana-
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Anerkennung
X. Verbürgung der Gegenseitigkeit Die Anerkennung nach autonomem deutschem Recht kommt nur dann in Be- 2879 tracht, wenn im Verhältnis zum Erststaat die Gegenseitigkeit verbürgt ist, d.h. wenn die Anerkennung und Vollstreckung eines deutschen Urteils in dem Urteilsstaat auf keine wesentlich größeren Schwierigkeiten stößt als vice versa unter den gleichen Umständen ein Urteil aus dem Erststaat in Deutschland, § 328 I Nr. 5 ZPO. Ausnahmen: § 328 II ZPO, § 109 IV FamFG. Entscheidend ist, dass das Anerkennungsrecht und die Praxis der Gerichte im Wesentlichen gleichwertige (nicht notwendig gleichartige) Bedingungen für die Anerkennung und Vollstreckung eines deutschen Urteils im Urteilsstaat schaffen,249 Rz. 2909. Erforderlich ist ein Vergleich des erststaatlichen Anerkennungsrechts mit dem 2880 deutschen. Dieser umfasst das materielle und das Verfahrensrecht. Völlige Deckungsgleichheit ist nur theoretisch denkbar und deshalb nicht zu fordern. Erschwerungen in einem Bereich können durch Erleichterungen in anderer Hinsicht ausgeglichen werden. Es genügt partielle Verbürgung für die in Betracht kommende Urteilsgattung. 2881 Dagegen reicht partielle Verbürgung bezüglich einzelner Urteilswirkungen (z.B. nur für die Rechtskraft) nicht aus.250
XI. Anerkennung gemäß § 109 FamFG Für die Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Familiensachen (§§ 1, 2882 111 FamFG) und ausländischer Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit gilt § 109 FamFG (bis zum 31.8.2009 § 16a FGG).251 Die Qualifikation erfolgt nach der deutschen lex fori. Ob in concreto § 109 FamFG und nicht § 328 ZPO anzuwenden ist, ist mithin nach deutschen Rechtsvorstellungen zu beurteilen. Die Abgrenzung zwischen dem Anwendungsbereich des § 328 ZPO und dem § 109 FamFG erfolgt also weder nach dem Recht des Erststaates (Entscheidungsstaa-
tionaler Schiedssprüche im nationalen Recht, 1997, 254 ff.; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 328 Rz. 90. 249 BGH vom 24.10.2000, NJW 2001, 524 = IPRax 2001, 457 (Schütze 441) = IPRspr. 2000 Nr. 156; Nachweise z.B. bei Doser, Gegenseitigkeit der Anerkennung ausländischer Entscheidungen (§ 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO), dargestellt am Beispiel Südafrika, 1999. 250 Länderübersichten bei Schütze in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, E1 Rz. 127 ff.: Schütze, Rechtsverfolgung im Ausland4, 2009, Rz. 394; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 1309. 251 Hierzu R. Geimer in Festschrift Ferid 80, 1988, 89; Richardi, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit unter besonderer Berücksichtigung des autonomen Rechts, Diss. Konstanz 1991; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 176; R. Wagner, Anerkennung und Wirksamkeit ausländischer familienrechtlicher Rechtsakte nach autonomem deutschem Recht, FamRZ 2006, 744, 748 ff.; Winkel, Grenzüberschreitendes Sorge- und Umgangsrecht und dessen Vollstreckung, Diss. Regensburg 2001, 238 ff.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen tes) noch nach der (von deutschem internationalen Privatrecht bestimmten) lex causae.252 2883 Der Anwendungsbereich des – gegenüber § 328 ZPO anerkennungsfreundlicheren, weil auf das Erfordernis der Verbürgung der Gegenseitigkeit (Rz. 2879) weitgehend253 verzichtenden § 109 FamFG ist im Sinne des favor recognitionis weit auszulegen:254 – Handelt es sich um eine Angelegenheit, die das deutsche Recht den Familiensachen bzw. der freiwilligen Gerichtsbarkeit zuweist, ist der anerkennungsfreundlichere § 109 FamFG anzuwenden, auch wenn eine echte Streitsache vorliegt. – Darüber hinaus gilt § 109 FamFG, wenn es sich bei materieller Betrachtungsweise nicht um eine Streitsache, sondern um eine Rechtsfürsorgeangelegenheit handelt. Erfolgt z.B. die Entmündigung, wie früher in Deutschland, im Zivilprozess, so ist gleichwohl § 109 FamFG maßgeblich (nicht § 328 ZPO). Wurde z.B. die Ehe in Österreich – einvernehmlich – im Außerstreitverfahren geschieden, kam vor Inkrafttreten der EuEheVO gleichwohl nicht § 16a FGG, sondern § 328 ZPO zur Anwendung.255 Nach dem 1.9.2009 gilt vice versa: Wurde die Ehe im Ausland im Zivilprozess geschieden, ist Grundlage der Anerkennung nicht mehr § 328 ZPO, sondern § 109 FamFG. 2884 Ausländische Erbscheine können nicht anerkannt werden, selbst dann nicht, wenn das ausländische Gericht einen „deutschen Erbschein“ nach deutschem BGB erteilt hat; denn der Erbschein entfaltet keine prozessualen Wirkungen, die Gegenstand der Anerkennung nach § 109 FamFG sein könnten, insbesondere keine Rechtskraftwirkung.256 252 LG München I vom 2.6.1997, IPRax 1998, 117 (Jayme) = IPRspr. 1997 Nr. 121; R. Geimer in Festschrift Ferid, 1988, 95; Basedow in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 148. 253 Siehe aber § 119 IV FamFG. 254 R. Geimer in Festschrift Ferid, 1988, 89, 92; R. Geimer in Festschrift Jayme, 2004, 241, 253; Oelkers, Internationales Betreuungsrecht, 1996, 272 ff.; wohl auch R. Wagner, Anerkennung und Wirksamkeit ausländischer familienrechtlicher Rechtsakte nach autonomem deutschem Recht, FamRZ 2006, 744, 749. 255 KG vom 22.7.2003, FamRZ 2004, 275, 277; R. Geimer in Symposion Außerstreitreform, 1992, 114 (Veröffentlichungen des Ludwig Boltzmann-Institutes für Rechtsvorsorge und Urkundenwesen, Bd. XI); Richardi, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit unter besonderer Berücksichtigung des autonomen Rechts, Diss. Konstanz 1991, 97. Anderer Auffassung Frankenstein, Internationales Privatrecht, III, 1934, 25. 256 KG vom 16.6.1938, JW 1938, 2359 = JFG 17, 342 = IPRspr. 1935–1944 Nr. 733; OG Danzig vom 21.1.1939, DFG 1939, 40 = IPRspr. 1935–1944 Nr. 734; R. Geimer in Festschrift Ferid, 1988, 89, 117 Fußn. 23; Staudinger/Dörner, Internationales Erbrecht – Art. 25, 26 EGBGB, Neubearbeitung 2007, Art. 25 EGBGB Rz. 874; Deutsches Notarinstitut, Gutachten DNotI-Report 2000, 81; Odersky, Die Abwicklung deutsch-englischer Erbfälle, 2001, 142; differenzierend Birk in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Art. 25 EGBGB Rz. 360 ff.; Erman/Hohloch, BGB12, 2008, Art. 25 EGBGB Rz. 55. Nachweise auch bei Gronle, Nachweis nach § 35 GBO durch ausländische Erbscheine, Diss. Würzburg, 2001. Aus schweizerischer Sicht Berther, Die in-
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Anerkennung Nach österreichischem Recht ist die Erbteilung und die Erfüllung der Vermächt- 2885 nisse und Pflichtteilsrechte im Verfahren außer Streitsachen in der Verlassenschaftsabhandlung zu erledigen. Hierher gehört auch die Übertragung von Grundstücken auf einzelne Miterben, Pflichtteilsberechtigte oder Vermächtnisnehmer. Die Eintragung erfolgt aufgrund einer Amtsbestätigung des Verlassenschaftsgerichts (§ 178 AußerstreitG a.F.257), die keine sachenrechtliche Erklärung der Beteiligten ist (§ 178 AußerstreitG a.F. ist lex specialis zum § 684 S. 2 ABGB). Eine solche Amtsbestätigung bezüglich eines deutschen Grundstücks genügt nicht zur Eintragung in das deutsche Grundbuch. Insoweit ist eine Auflassung erforderlich. Die österreichische Einantwortungsurkunde ist insoweit bedeutungslos.258 Auch für die Anerkennung ausländischer Adoptionen ist § 109 FamFG maß- 2886 gebend,259 nicht die lex causae.260
257 258
259
260
ternationale Erbschaftsverwaltung bei schweizerisch-deutschen, -österreichischen und englischen Erbfällen, 2001; Dallafior, Die Legitimation des Erben – Eine rechtsvergleichende und internationalprivatrechtliche Studie, 1990; Kuhn, Anerkennung und Wirkung ausländischer Erbausweise im schweizerischen Recht, SZIER 2002, 1. Zur Anerkennung der Befugnisse eines englischen administrators Hausmann in Festschrift Heldrich, 2005, 649. Ab 1.1.2005 § 182 III AußerstreitG n.F. Vgl. vice versa KG vom 16.3.1944, DR 1944, 916 = IPRspr. 1935–1944 Nr. 743; siehe auch R. Geimer in Symposion Außerstreitreform, 1992, 118 (Veröffentlichungen des Ludwig Boltzmann-Institutes für Rechtsvorsorge und Urkundenwesen, Bd. XI). Vorrang haben jedoch die völkerrechtlichen Übereinkommen, z.B. das Anerkennungsregime des Haager Übereinkommens vom 29.5.1993 über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption, BGBl. 2001 II 1034, in Verbindung mit dem deutschen Gesetz vom 5.11.2001 zur Regelung von Rechtsfragen auf dem Gebiet der internationalen Adoption und zur Weiterentwicklung des Adoptionsvermittlungsrechts, BGBl. I 2950. Dieses brachte in Art. 2 das Gesetz über die Wirkungen der Annahme als Kind nach ausländischem Recht (Adoptionswirkungsgesetz – AdWirkG). Hierzu Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts6, 2006, § 49 II; S. Lorenz in Festschrift Sonnenberger, 2004, 497; RNotZ 2002, 353; Steiger DNotZ 2002, 184; Süß MittBayNot 2002, 88; 90; DNotI 2003, 53; Weitzel NJW 2008, 186; Winkelsträter, Anerkennung und Durchführung internationaler Adoptionen in Deutschland – unter Berücksichtigung des Haager Übereinkommens über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption vom 29. Mai 1993, Diss. Bielefeld 2007; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 328 Rz. 92, 285. Nachweise auch bei Frank, Neuregelungen auf dem Gebiet des internationalen Adoptionsrechts unter besonderer Berücksichtigung der Anerkennung von Auslandsadoptionen, StAZ 2003, 257; Schlauß, Die Anerkennung von Auslandsadoptionen in der vormundschaftsgerichtlichen Praxis – Ergebnisse einer Auswertung der Verfahren auf Anerkennung und Wirkungsfeststellung durch die Bundeszentralstelle für Auslandsadoption, FamRZ 2007, 1699; R. Wagner, Anerkennung und Wirksamkeit ausländischer familienrechtlicher Rechtsakte nach autonomem deutschem Recht, FamRZ 2006, 744, 751; Winkelsträter, Anerkennung und Durchführung internationaler Adoptionen in Deutschland – unter Berücksichtigung des Haager Übereinkommens über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption vom 29. Mai 1993, Diss. Bielefeld 2007. BayObLG vom 21.6.2000, BayObLGZ 2000, 180 = StAZ 2000, 300 = IPRspr. 2000 Nr. 190; OLG Karlsruhe vom 28.10.2003, NJW 2004, 516 = IPRax 2005, 39 (kritisch
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen 2887 Das Gleiche gilt für die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung einer Kindesherausgabeanordnung eines ausländischen (Familien-)Gerichts261 bzw. einer Sorgerechtsregelung.262 Auch für die Anerkennung ausländischer Todeserklärungen kommt nur § 109 FamFG zur Anwendung.263
XII. Anerkennung gemäß § 343 InsO 2887a Hierzu unten Rz. 3500 ff.
Looschelders 28); AG Celle vom 18.3.2004, JAmt 2004, 377 (Busch) = IPRspr. 2006 Nr. 201; AG Hamm vom 18.3.2004, JAmt 2004, 375 (Busch) = IPRspr. 2006 Nr. 202; hierzu Beyer JAmt 2006, 329; OVB Berlin vom 27.5.2004, InfAuslR 2005, 440 = IPRspr. 2004 Nr. 207; Erman/Hohloch, BGB12, 2008, Art. 22 EGBGB Rz. 24; Fuchs IPRax 2001, 116; Griep, Anerkennung von Auslandsadoptionen, 1989; Krapf-Buhmann, Die Anerkennung ausländischer Adoptionen im Inland, Diss. München 1989; BVerwG vom 29.5.1986, StAZ 1987, 20 = Rpfleger 1986, 383 = IPRspr. 1986 Nr. 104. Das LG Nürnberg-Fürth IPRax 1987, 179 (Klinkhardt) = IPRspr. 1986 Nr. 200 will eine im Ausland ohne die erforderliche Einwilligung eines Elternteils vorgenommene Adoption eines deutschen Kindes anerkennen, wenn die Adoption nach deutschem Recht wegen Ablaufs der Dreijahresfrist (§ 1762 II BGB) und Eintritt der Volljährigkeit des Kindes (§ 1763 BGB) nicht mehr aufhebbar wäre. Noch weitergehend zutreffend LG Berlin vom 29.5.1990, FamRZ 1990, 1393; AG und LG Offenburg vom 8.7.1988, StAZ 1988, 355 = IPRspr. 1988 Nr. 220b; AG Rottweil vom 14.7.1990, NJW 1991, 1425 = FamRZ 1991, 229 = IPRspr. 1990 Nr. 242; LG Stuttgart vom 29.7.1999, StAZ 2000, 47 = IPRspr. 1999 Nr. 186; BayObLG vom 11.11.1999, BayObLGZ 1999, 352 = IPRspr. 1999 Nr. 190. Siehe auch Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts6, 2006, § 49 V. Zur (vorsorglichen) Wiederholung einer im Ausland vor einer kirchlichen Behörde (Rz. 2872) durchgeführten Adoption AG Höxter vom 17.9.1986, IPRax 1987, 124 = IPRspr. 1986 Nr. 105; Schurig IPRax 1986, 221; Beitzke IPRax 1990, 38; zurückhaltend Palandt/Thorn, BGB68, 2009, Art. 22 EGBGB Rz. 18. Ablehnend AG Brühl vom 26.11.1999 IPRax 2001, 141 (Fuchs 146) = IPRspr. 1999 Nr. 193. Zur Rechtslage in der Schweiz (Art. 78 IPRG) Dörig, Anerkennung und Vollstreckung US-amerikanischer Entscheidungen in der Schweiz, 1998, 248. Dagegen will Staudinger/Dörner, Internationales Erbrecht – Artikel 25, 26 EGBGB, Neubearbeitung 2007, Art. 25 EGBGB Rz. 567 bei der Ermittlung präjudizieller Rechtsverhältnisse auf die nach Art. 22 EGBGB ermittelte lex causae abstellen. 261 OLG Hamm vom 4.12.1986, FamRZ 1987, 506 = IPRax 1987, 326 = IPRspr. 1986 Nr. 204; OLG Bamberg vom 23.7.1986, FamRZ 1987, 185 = IPRspr. 1986 Nr. 89 (Italien) und BGH vom 28.5.1986, NJW-RR 1986, 1130 = IPRax 1987, 317 (Mansel 298). 262 OLG Bamberg vom 24.11.1999, IPRspr. 1999 Nr. 192. 263 BGH vom 27.10.1993, NJW-RR 1994, 264 = FamRZ 1994, 498 (Bosch) = MDR 1994, 171 = IPRspr. 1993 Nr. 7; Erman/Hohloch, BGB12, 2008, Art. 9 EGBGB Rz. 11; für IPRapproach aber Staudinger/Dörner, Internationales Erbrecht – Art. 25, 26 EGBGB, Neubearbeitung 2007, Art. 25 EGBGB Rz. 74. Vor Inkrafttreten des § 16a FGG (nunmehr § 109 FamFG) siehe aber auch BSG vom 27.4.1989, BSGE 65, 48 = IPRspr. 1989 Nr. 5. Zur Rechtslage in der Schweiz Dörig, Anerkennung und Vollstreckung US-amerikanischer Entscheidungen in der Schweiz, 1998, 227.
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Anerkennung
XIII. Anerkennungsvoraussetzungen Fällt die zur Anerkennung anstehende Entscheidung in den Anwendungsbereich eines völkerrechtlichen Vertrages (Rz. 2758) oder ist die Gegenseitigkeit verbürgt (Rz. 2879 f.)264, so sind die Wirkungen der ausländischen Entscheidung im Inland anzuerkennen, wenn die Anerkennungsvoraussetzungen des einschlägigen Vertrages bzw. des § 328 ZPO bzw. des § 109 FamFG gegeben sind.265 Versucht man diese in eine logische Ordnung zu bringen, so ergibt sich folgendes Bild:
2888
1. Wirksamkeit der anzuerkennenden ausländischen Entscheidung nach dem Recht des Erststaates Wirkungen eines ausländischen Urteils können auf das Inland nur dann er- 2889 streckt werden, wenn sie nach der Rechtsordnung des Erststaats überhaupt eintreten. Die Anerkennung setzt logisch voraus, dass die ausländische zur Anerkennung anstehende Entscheidung nach dem Recht des Erststaates wirksam geworden ist. Unwirksame oder noch nicht wirksame Entscheidungen können nicht anerkannt werden. Urteile, die nach dem Recht des Erststaates nichtig oder unwirksam (ungültig) sind, können nicht Grundlage der Anerkennung sein. Solche Fälle sind selten, vgl. Rz. 2898.266 Bloße Anfechtbarkeit (Aufhebbarkeit) genügt nicht.267 Das Gleiche gilt für Entscheidungen, die nach dem Recht des Erststaates noch nicht wirksam geworden sind.
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Beispiel: Nach dem maßgeblichen Recht des Scheidungsorts ist die Eintragung der Scheidung (Transkription) in ein Register (konstitutiv) erforderlich, um dem Urteil volle Wirksamkeit zu verleihen; mitunter ist die Registrierung innerhalb einer bestimmten Frist erforderlich.268 – Vgl. Rz. 3027. Vice versa kommt eine Anerkennung nicht mehr in Betracht, wenn die ausländische Entscheidung in ihrem Ursprungsstaat aufgehoben worden ist.269 264 Hierzu Nachweise z.B. bei Doser, Gegenseitigkeit der Anerkennung ausländischer Entscheidungen (§ 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO), dargestellt am Beispiel Südafrika, 1999. 265 Gleiches gilt im Anwendungsbereich des europäischen Gemeinschaftsrechts (Rz. 2773a). 266 Vgl. auch Börner, Die Anerkennung ausländischer Titel in den arabischen Staaten, 1996, 142 ff.; Regen, Prozessbetrug als Anerkennungshindernis, 2008, Rz. 553. 267 BGH vom 4.6.1992, BGHZ NJW 1992, 3102 = ZIP 1992, 1256 (Bungert). Allgemeine Nachweise bei Hein, Das wirkungslose Urteil, 1996. Zur schweizerischen Sicht Dörig, Anerkennung und Vollstreckung US-amerikanischer Entscheidungen in der Schweiz, 1998, 338; zur polnischen Sicht Weyde, Anerkennung und Vollstreckung deutscher Entscheidungen in Polen, 1997, 84. 268 BayObLG vom 28.3.1977, BayObLGZ 1977, 71 = FamRZ 1977, 395 = IPRspr. 1977 Nr. 161; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 491; siehe auch die Nachweise bei Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 198 ff. 269 BayObLG vom 20.2.1998, FamRZ 1998, 1305 = IPRspr. 1998 Nr. 199. Vgl. auch den Fall des BGH vom 26.6.2003, BGHZ 155, 279 = NJW 2003, 3488 = VersR 2004, 1312 =
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2890a
Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen 2890b
In der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit ist die Anerkennungsfrage auch für das Aufhebungsurteil des Ursprungsstaates zu stellen. Denkbar ist, dass dieses nicht anerkannt wird mit der Folge, dass der Schiedsspruch nur im Ursprungsstaat als nicht (mehr) existent gilt, während er in anderen Staaten sehr wohl noch seine Wirkungen entfaltet, Rz. 3944. Auch bei staatlichen Urteilen könnte man die Frage stellen, ob die in einem skandalösen Rechtsmittel- oder Wiederaufnahmeverfahren oder in sonst willkürlicher Weise erfolgte Kassation eines an sich nicht beanstandbaren Sachurteils ohne weiteres hinzunehmen ist. Die Antwort wurde bereits oben Rz. 2752 gegeben. 2. Festlegung des Vorrangs bei Kollision mehrerer Entscheidungen über die gleiche Sache
2891 § 328 I Nr. 3 ZPO270 behandelt zu Recht die Frage des Vorrangs bei Kollision mehrerer Entscheidungen nicht als Anwendungsfall des ordre public.271 Die Vorschrift ist Art. 27 Nr. 3 und 5 EuGVÜ/LugÜ272 nachgebildet. Das Prioritätsprinzip gilt nur bei Konkurrenz mehrerer ausländischer Entscheidungen; inländische Entscheidungen, auch wenn sie zu Unrecht die frühere ausländische Rechtshängigkeit missachtet haben (Rz. 2697), sollen immer Vorrang haben.273 Diese Bevorzugung inländischer Urteile ist nicht gerechtfertigt.274 Missachtet das ausländische Gericht die frühere Rechtshängigkeit der gleichen Sache in
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LMK 2003, 215 (R. Geimer) = IPRspr. 2003 Nr. 116; bestätigt durch BVerfG vom 15.2.2006, NJW 2006, 2542 = EuGRZ 2006, 105 = IPRspr. 2006 Nr. 103: Overruling des Areopag durch den Obersten Gerichtshof Griechenlands, hierzu oben Rz. 626c; Heß BerDGVR 40 (2003), 107, 127; Stürner in Festschrift Georgiades, 2005, 1299, 1307. Siehe auch Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit – Zur Bedeutung nationaler Rechtsordnungen und der Entscheidungen nationaler Gerichte für die Wirksamkeit internationaler Schiedssprüche, 2007, 313. Hierzu Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozessrecht – Überlegungen zur Bewältigung von multi-fora disputes, 1996, 101, 106; Lenenbach, Die Behandlung von Unvereinbarkeiten zwischen rechtskräftigen Zivilurteilen nach deutschem und europäischen Zivilprozessrecht, 1997. So aber vor der IPR-Reform 1986 die herrschende Meinung BayObLGZ 1983, 21, Nachweise bei Landesjustizverwaltung Nordrhein-Westfalen vom 11.7.1984, IPRspr. 1984 Nr. 185. Nunmehr Art. 34 Nr. 3 EuGVVO. Zur primautée de la décision fran¢aise même postérieure Cour de cassation vom 24.9.2002 und vom 27.4.2004, Rev. crit. de droit international privé 93 (2004), 610, 611 (Muir Watt). Besser wäre es gewesen, die Kollision – wie in Österreich, vgl. § 530 VI österr. ZPO (hierzu Musger IPRax 1992, 109 bei Fußn. 9) – nach den gleichen Grundsätzen zu lösen, die gemäß § 580 Nr. 7 ZPO bei Vorliegen zweier inländischer Entscheidungen über den gleichen Streitgegenstand gelten. Unter § 328 I Nr. 3 ZPO fallen nicht deutsche Prozessvergleiche, Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 328 Rz. 207; AG Gelsenkirchen vom 14.12.1994, FamRZ 1995, 1160 = IPRspr. 1994 Nr. 173.
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Anerkennung Deutschland, so ist dies für sich allein bereits ein Grund, die Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung zu versagen.275 Es stehen nicht unmittelbare Staatsinteressen auf dem Spiel. Deshalb kann ein ausländisches Urteil, das aufgrund eines später als der deutsche Rechtsstreit anhängig gemachten (Scheidungs-)Verfahrens ergangen ist, anerkannt werden, wenn es der Beklagte unterlassen hat, das ausländische Gericht auf die zeitliche Priorität des deutschen Verfahrens hinzuweisen (sofern im Inland noch keine rechtskräftige Entscheidung vorliegt).276 Endet das inländische Verfahren ohne Entscheidung in der Sache, so entfällt das 2892 vorgenannte Anerkennungshindernis für die ausländische Entscheidung.277 Wird z.B. das inländische Verfahren durch Klagerücknahme oder Prozessurteil (Prozessabweisung wegen internationaler Unzuständigkeit oder wegen Prozessunfähigkeit) erledigt, so gibt es keine Konkurrenz zwischen den Wirkungen verschiedener Urteile.278 3. Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit des Erststaates (= der Befugnis des Erststaates zur Entscheidung über den Streitgegenstand aus der Sicht des Zweitstaates) Liegt nach dem Recht des Erststaates ein wirksames Urteil (Rz. 2889) vor und 2893 führen auch keine Konkurrenzprobleme mit anderen (in- oder ausländischen) Urteilen über den gleichen Streitgegenstand (Rz. 2891) zur Versagung der Anerkennung bzw. zur Nichtbeachtung, ist zu prüfen, ob dem Erststaat aus deutscher Sicht die Befugnis zukam, über den Streitgegenstand zu entscheiden. Gegenstand dieser Prüfung ist nicht die Frage, ob die vom ausländischen Gericht erlassene Entscheidung richtig oder falsch ist (hierzu Rz. 2911, 2961), sondern die Frage, ob der Urteilsstaat überhaupt in der Sache eine Entscheidung – gleich welchen Inhalts – erlassen durfte.279 Diese Prüfung erstreckt sich darauf, ob der Erststaat Gerichtsbarkeit besaß und ob er für die Entscheidung über das Klagebegehren international zuständig war. a) Gerichtsbarkeit des Erststaates: Voraussetzung für die Anerkennung ist, dass dem Erststaat für den Streitgegenstand Gerichtsbarkeit (facultas jurisdictionis)
275 Vgl. den Fall des OLG Stuttgart vom 2.5.2002, GmbHR 2002, 1123 (Emde): Einlageschuld wegen verdeckter Sacheinlage eines GmbH-Gesellschafters aus Kapitalerhöhung. Das später angerufene kalifornische Gericht verneinte aufgrund negativer Feststellungsklage das Bestehen eines Anspruchs der GmbH auf (nochmalige) Einzahlung. § 328 I Nr. 3 ZPO ist insoweit weiter gefasst als Art. 27 Nr. 3 EuGVÜ/LugÜ und Art. 34 Nr. 3 EuGVVO Rz. 2735. 276 Landesjustizverwaltung Nordrhein-Westfalen vom 11.7.1984, IPRspr. 1984 Nr. 185. Anderer Auffassung Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 433. 277 Zustimmend Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 431. 278 So für den Fall der Klagerücknahme bzw. Erledigung der Hauptsache OLG Frankfurt vom 29.5.1995, FamRZ 1997, 92 = IPRspr. 1995 Nr. 174. 279 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1464.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen zukam. Diese Anerkennungsvoraussetzung ist im Gesetz nicht ausdrücklich genannt, ist aber analog § 328 I Nr. 1 ZPO bzw. § 109 I Nr. 1 FamFG zu fordern, Rz. 533. – Z.B. kann ein Urteil nicht anerkannt werden, das einen im Erststaat akkreditierten und daher immunen Diplomaten (vgl. §§ 18 ff. GVG) verurteilt hat, Rz. 205a.280 Das Gleiche gilt vor allem auch bei Verletzung der Staatenimmunität.281 2895 Bei der Prüfung der Gerichtsbarkeit des Erststaates findet weder eine Präklusion neuer Tatsachen noch eine Bindung an die tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichts statt. Es ist vielmehr mit Hilfe der Untersuchungsmaxime der Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären.282 Eine Fehlentscheidung des Zweitrichters (unrichtige Bejahung der Gerichtsbarkeit) ist nicht nichtig, Rz. 3002. 2896 b) Internationale Zuständigkeit des Erststaates (internationale Anerkennungszuständigkeit): Die Anerkennung setzt voraus, dass der Erststaat nach deutschem Recht international zuständig war. Für die internationale Zuständigkeit fremder Staaten stellt das deutsche Recht keine besonderen Normen auf; § 328 I Nr. 1 ZPO bzw. § 109 I Nr. 1 FamFG verweist vielmehr auf die für deutsche Gerichte geltenden Zuständigkeitsvorschriften.283 Das deutsche Recht284 billigt also grundsätzlich fremden Staaten den gleichen Jurisdiktionsbereich zu, den es für die deutschen Gerichte in Anspruch nimmt, aber auch nur diesen. Man spricht vom Spiegelbildprinzip.285 Die internationale Zuständigkeit des Erststaates ist grundsätzlich (Ausnahmen: Rz. 858) immer dann und nur dann gegeben, wenn bei Anwendung der deutschen Zuständigkeitsvorschriften irgendein 280 R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 75; R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 113; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1487; Stein/Jonas/Roth ZPO22, 2006, § 328 Rz. 57; Stadler in Musielak, Zivilprozessordnung6, 2008, § 328 ZPO Rz. 8; OLG Frankfurt vom 21.10.1980, MDR 1981, 237 = RIW 1980, 875 = IPRax 1982, 71 (Hausmann 51) = IPRspr. 1980 Nr. 160. Vgl. auch Börner, Die Anerkennung ausländischer Titel in den arabischen Staaten, 1996, 155. 281 Vgl. BGH vom 26.6.2003, BGHZ 155, 279 = NJW 2003, 3488 = VersR 2004, 1312 = LMK 2003, 215 (R. Geimer) = IPRspr. 2003 Nr. 116; bestätigt durch BVerfG vom 15.2.2006, NJW 2006, 2542 = EuGRZ 2006, 105 = IPRspr. 2006 Nr. 103; Heß BerDGVR 40 (2003), 107, 127; Stürner in Festschrift Georgiades, 2005, 1299, 1307. 282 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1492; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 827. 283 Erweitert durch § 109 II und III FamFG (vormals §§ 606a II und 661 III Nr. 2 und 3 ZPO). 284 Siehe auch § 109 I Nr. 1 FamFG und § 343 Nr. 1 InsO. 285 Fricke, Anerkennungszuständigkeit zwischen Spiegelbildgrundsatz und Generalklausel, 1990, 81, 107; R. Geimer NJW 1988, 651; R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 6, 114; R. Geimer RabelsZ 60 (1996), 371; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1499, 1505, 1710; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 644; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 836. Kritisch Gottwald ZZP 103 (1990), 272. Historisches bei Fricke, Die autonome Anerkennungszuständigkeitsregel im deutschen Recht des 19. Jahrhunderts – zugleich ein Beitrag zur Entstehungsgeschichte des § 328 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, 1993.
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Anerkennung Gericht des Erststaates zuständig wäre, Rz. 1301, 1345, 1390, 1422, 1438, 1442, 1464, 1480, 1496, 1531, 1563, 1576, 1594, 1805. Dies führt vor allem in vermögensrechtlichen Streitigkeiten im Hinblick auf § 23 ZPO zu einer sehr großzügigen Bejahung der internationalen Zuständigkeit fremder Staaten, Rz. 1390. Vgl. auch Rz. 2909. Umgekehrt ist bei Fehlen der Voraussetzungen des § 328 Nr. 1 ZPO – auf Rüge des Beklagten bzw. Antragsgegners – die Anerkennung auch dann zu versagen, wenn die Zuständigkeitsanknüpfung des Urteilsstaates keineswegs exorbitant, sondern durchaus sinnvoll ist, Rz. 849.286
2897
Es geht hier nicht um die Frage, ob Deutschland fremden Staaten kein weitergehendes Vertrauen entgegenbringt,287 sondern um den Beklagtenschutz. Eine Generalklausel würde die Rechtssicherheit grundlos gefährden288 und wäre – angesichts des aus Art. 20 II GG ableitbaren Bestimmtheitserfordernisses – verfassungswidrig. § 328 I Nr. 1 ZPO bringt eine abschließende Regelung aller jurisdiktionellen 2897a Fragen: Steht bei spiegelbildlicher Anwendung des deutschen Kompetenzrechts die internationale Zuständigkeit des Erststaates fest, dann kann dieses Ergebnis nicht durch Rückgriff auf den ordre public (§ 328 I Nr. 4 ZPO) wieder in Frage gestellt werden.289 Das Gleiche gilt für Gegenseitigkeitserwägungen nach § 328 I Nr. 5 ZPO, Rz. 2909. Ist der Erststaat international zuständig, so ist es gleichgültig, welchem seiner Gerichte er die Rechtsprechungsaufgabe zuweist. Die örtliche Zuständigkeit und die Zulässigkeit des Rechtsweges sind ein reines Internum des fremden Staates. Von Bedeutung ist nur, ob „die“ Gerichte eines ausländischen Staates (d.h. irgendeines von ihnen) zuständig sind.290 Für die Anerkennung ohne Bedeutung ist, ob der Erstrichter sein Zuständigkeitsrecht richtig angewandt hat. Eine Anerkennung kommt also auch dann in Betracht, wenn der Erstrichter – nach seinem Recht – gar nicht zur Sache hätte entscheiden dürfen. Ausnahme: Der Verstoß gegen das erststaatliche Kompetenzrecht führt zur Nichtigkeit der Entscheidung (Rz. 2889), eine Hypothese, die in der Praxis wohl kaum vorkommt.
2898
Dies gilt auch, soweit die internationale Zuständigkeit des Erststaates auf einer 2899 Zuständigkeitsvereinbarung (Prorogation) der Parteien beruht, Rz. 1805. Stützt das ausländische Gericht seine internationale Zuständigkeit auf eine auch nach deutscher Auffassung wirksame internationale Prorogation, so ist der Erststaat international zuständig und das Urteil anzuerkennen, auch wenn der deutsche
286 Anders die französische Rechtsprechung „si le litige se rattache d’une matière caractérisée au pays dont le juge a été saisi et si le choix de la jurisprudence n’a pas été frauduleux“, Cass. civ., 6.2.1985, Rev. crit. dr. i. p. 1985, 369; zum englischen Recht Fricke, Anerkennungszuständigkeit zwischen Spiegelbildgrundsatz und Generalklausel, 1990, 14. 287 So aber von Bar/Mankowski, Internationales Privatrecht I2, 2003, Rz. 394 Fußn. 382. 288 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 833. 289 So auch Wazlawik RIW 2002, 691, 695. 290 RG vom 21.3.1902, RGZ 51, 135, 137; von Hoffmann/Hau RIW 1998, 344, 346.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen Zweitrichter zu dem Ergebnis kommen sollte, dass ein anderes Gericht des Erststaates, nicht also das Erstgericht, prorogiert worden war.291 2900 Bei Mehrrechtsstaaten mit jeweils eigenem Gerichtsaufbau (z.B. USA) genügt Zuständigkeitsbezug zum gesamten Hoheitsgebiet des Urteilsstaates. Nicht erforderlich ist, dass Gerichte gerade des Teilstaats/Rechtspflegegebiets, dessen Urteil zur Anerkennung ansteht, bei hypothetischer Anwendung deutschen Kompetenzrechts zuständig wären. Denn die Aufteilung der Rechtsprechungsaufgabe innerhalb des Gesamtstaates ist nach § 328 I Nr. 1 ZPO irrelevantes Internum des Urteilsstaates.292 Nach der Gegenansicht, bei der Prüfung der internationalen Anerkennungszuständigkeit komme es bei nicht zentralistisch verfassten Staaten darauf an, dass der nach § 328 I Nr. 1 in Verbindung mit §§ 12 ff. ZPO relevante Zuständigkeitsanknüpfungspunkt gerade in dem Gliedstaat zu lokalisieren sei, in dem das erststaatliche Verfahren stattgefunden hat, würden Elemente der Gerichtsverfassung des ausländischen Staates in die Prüfung der internationalen Zuständigkeit des Erststaates hineingetragen mit nicht akzeptablen Folgen für die internationale Gerichtspflichtigkeit des Beklagten: Diese wäre bei Zentralstaaten territorial weiter als bei föderalen Gebilden. Das wäre mit Art. 3 I GG schwerlich zu vereinbaren. Zudem wäre unklar, worauf abzustellen wäre bei Staaten, die eine ähnliche Verschränkung der Bundes- und einzelstaatlichen Gerichtsbarkeit kennen wie in Deutschland. Wie wäre zu entscheiden, wenn die endgültige Verurteilung nicht das einzelstaatliche Gericht ausspricht, sondern das beim Gesamtstaat angesiedelte Oberste Gericht des Erststaates? 2901 Zweck der Prüfung gemäß § 328 I Nr. 1 ZPO bzw. § 109 I Nr. 1 FamFG ist der Beklagtenschutz. Nur deshalb belassen wir es nicht bei der Prüfung, ob unsere eigene Jurisdiktionssphäre gewahrt ist.293
291 R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 117; R. Geimer ZZP 85 (1972), 196; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1538. Unzulässig daher die Prüfung in BGH vom 26.3.1969, BGHZ 52, 30 = NJW 1969, 1536 = IPRspr. 1968–1969 Nr. 225. 292 LG Heilbronn vom 6.2.1991, RIW 1991, 343 = IPRspr. 1991 Nr. 201; ebenso nun auch Haas/Stangl IPRax 1998, 452, 455; von Hoffmann/Hau RIW 1998, 344, 349; Schütze in Wieczorek/Schütze, ZPO und Nebengesetze3, 2007, § 328 ZPO Rz. 26; Stadler in Musielak, Zivilprozessordnung6, 2008, § 328 ZPO Rz. 9. Anderer Auffassung LG München I vom 28.6.1988, RIW 1988, 738 = IPRspr. 1988 Nr. 188; OLG Hamm vom 4.6.1997, RIW 1997, 960, 961 (Schütze 1041) = IPRax 1998, 474 (Haas/Stangl 452) = IPRspr. 1997 Nr. 133; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 906; Jayme IPRax 1991, 262; Sieg IPRax 1996, 77, 79, Stein/Jonas/ ZPO22, 2006, § 328 Rz. 77. Vgl. auch Gebauer/Schulze IPRax 1999, 478, 483 sowie Wazlawik IPRax 2002, 273. Ausführliche Nachweise bei Baumgartner, The Proposed Hague Convention on Jurisdiction and Foreign Judgments: Trans-Atlantic Lawmaking for Transnational Litigation, 2003, 108; Schärtl, Das Spiegelbildprinzip im Rechtsverkehr mit ausländischen Staatenverbindungen unter besonderer Berücksichtigung des deutsch-amerikanischen Rechtsverkehrs, 2005. 293 So aber z.B. das polnische Anerkennungsrecht, Weyde, Anerkennung und Vollstreckung deutscher Entscheidungen in Polen, 1997, 95.
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Anerkennung Eine solche negative Zuständigkeitsprüfung käme nur zur Verteidigung von (von Deutschland beanspruchten) ausschließlichen internationalen Zuständigkeiten in Betracht. Solche gibt es aber – entgegen der herrschenden Meinung294 – nicht, Rz. 878. Über die positive Prüfung der internationalen Zuständigkeit des Erststaates setzen wir die deutschen Vorstellungen über die Gerichtspflichtigkeit des Beklagten durch. Indem wir unsere Zuständigkeitsnormen zugrunde legen, fixieren wir denjenigen Staat bzw. diejenigen Staaten, vor deren Gerichten es dem Beklagten zugemutet werden kann, sich gegen die Klage zu verteidigen.295 Keinesfalls verfolgt Deutschland mit § 328 I Nr. 1 ZPO die Durchsetzung von Rechtsanwendungsinteressen. Das deutsche Interesse, bestimmte (den deutschen Grundvorstellungen diametral entgegenstehende) ausländische Rechtsnormen nicht via Anerkennung in Deutschland (mittelbar) „exekutieren“ zu müssen, wird nicht über Nr. 1, sondern über den ordre public-Vorbehalt der Nr. 4 durchgesetzt.296 Entscheidend ist der Zeitpunkt der ausländischen Klageerhebung bzw. Antragstellung. Jedoch ist § 261 III Nr. 2 ZPO analog anwendbar.297
2902
Der Kläger (der das ausländische Erkenntnisverfahren in Gang gesetzt hat) kann sich nicht auf die nach deutschem Recht gegebene internationale Unzuständig-
2903
294 Ebenso für die Schweiz Vischer/Huber/Oser, Internationales Vertragsrecht2, 2000, Rz. 1198 ff. 295 R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 123; R. Geimer ZZP 87 (1974), 336; R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 48; R. Geimer in Festschrift Nakamura, 1996, 169; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1549; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 640; Haas/Stangl IPRax 1998, 452, 454; BGH vom 3.12.1992, IPRax 1994, 204, 206; Ost, Doppelrelevante Tatsachen im Internationalen Zivilverfahrensrecht – Zur Prüfung der internationalen Zuständigkeit bei den Gerichtsständen des Erfüllungsortes und der unerlaubten Handlung, Diss. Heidelberg 2002, 135. Weitergehend Borges, Das Doppelexequatur von Schiedssprüchen. Die Anerkennung ausländischer Schiedssprüche und Exequaturentscheidungen, 1997, 401: § 328 I Nr. 1 ZPO schütze auch das staatliche Interesse des Anerkennungsstaates an der Wahrung seiner Zuständigkeitsregelung.Ähnlich BGH vom 29.4.1999, BGHZ 141, 286 = JZ 2000, 107 (Stürner/Bormann 81) = NJW 1999, 3198 = RIW 1999, 698, 700 = LM § 328 Nr. 4852 (R. Geimer) = IPRax 2001, 230 (Haas 195) = IPRspr. 1999 Nr. 160; Vorinstanz: OLG Hamm vom 4.6.1997, IPRspr. 1997 Nr. 133: Neben dem Beklagtenschutz solle Nr. 1 sicherstellen, dass das Verfahrensrecht des Erststaates wenigstens im Ansatz auf international akzeptierte Grundsätze Rücksicht nimmt. An erster Stelle sieht der BGH also die ratio legis in der „Internationalpädagogik“: Dieser Gedanke erweist sich jedoch nicht als tragfähig, R. Geimer in Festschrift Nakamura, 1996, 169. 296 R. Geimer NJW 1974, 1026, 1029; R. Geimer NJW 1975, 1079; so auch BGH vom 29.4.1999, BGHZ 141, 286 = JZ 2000, 107 (Stürner/Bormann 81) = NJW 1999, 3198 = RIW 1999, 698, 700 = LM § 328 Nr. 4852 (R. Geimer) = IPRax 2001, 230 (Haas 195) = IPRspr. 1999 Nr. 160: „Den Schutz des Beklagten vor der Anwendung bestimmten ausländischen Rechts übernimmt allein § 328 I Nr. 4.“ – Vgl. Rz. 905. 297 BGH vom 29.4.1999, BGHZ 141, 286 = JZ 2000, 107 (Stürner/Bormann 81) = NJW 1999, 3198 = RIW 1999, 698, 700 = LM § 328 Nr. 4852 (R. Geimer) = IPRax 2001, 230 (Haas 195) = IPRspr. 1999 Nr. 160; BayObLGZ 1990, 219. Vgl. auch Pollinger, Intertemporales Zivilprozessrecht, Diss. München 1988, 227 ff.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen keit des Erststaates berufen.298 Nur auf Rüge des Beklagten (des ausländischen Erstverfahrens) oder seines Rechtsnachfolgers darf die positive Prüfung der internationalen Zuständigkeit des Erststaates erfolgen. Sie ist nie von Amts wegen vorzunehmen.299 Wir wollen den Beklagten nicht gegen seinen Willen schützen. Dies gilt nicht nur für die Anerkennung von Urteilen von vermögensrechtlichen Streitigkeiten, sondern auch für die Anerkennung aller sonstigen Entscheidungen, auch solcher in Ehe-, Kindschafts-, Abstammungs- und Lebenspartnerschaftssachen. Wenn nach den via § 328 I Nr. 1 ZPO spiegelbildlich angewandten deutschen Zuständigkeitsnormen nicht der Urteilsstaat, sondern nur ein dritter Staat für die Scheidung international zuständig wäre, der Beklagte dies aber nicht rügen will (weil er es bei der Scheidung belassen will), dann haben die deutschen Gerichte und Behörden keine Veranlassung, ex officio „internationalpädagogisch“ im Sinne Schröders300 auf dem Rücken der Parteien, welche die Folgen der hinkenden Scheidung tragen müssen, tätig zu werden301 und durch die Nichtanerkennung ein Zeichen für eine bessere Zuständigkeitsverteilung in dieser Welt zu setzen.302 2904 Dabei spielt es keine Rolle, ob der Kläger im Ausland obsiegt hat oder unterlegen ist. Z.B. kann eine Ehefrau, die sich im Ausland scheiden ließ, aber nach dem Tode des Ehemannes gerne in den Genuss der Witwenrente der deutschen Sozialversicherung kommen möchte, die Nichtanerkennung des ausländischen Scheidungsurteils nicht mit der Begründung beantragen, nicht der Erststaat, sondern ein dritter Staat sei nach deutschem Recht international zuständig.303
298 Zustimmend z.B. Mankowski, Crossing the Rhine – On the Enforceability of U.S. Class Action Judgments and Settlements in Germany, Contratto e impresa/Europa XII (2007), 613, 620; Aus Sicht der herrschenden Lehre wäre allenfalls eine Ausnahme zu machen für den Fall, dass Deutschland eine eigene internationale ausschließliche Zuständigkeit beansprucht, weil unmittelbare Staatsinteressen berührt sind, vgl. aber Rz. 874, 878. 299 Zustimmend OLG Koblenz vom 16.10.2003, RIW 2004, 302 = NJOZ 2004, 3369 = IPRspr. 2003 Nr. 184. 300 Schröder, Internationale Zuständigkeit, 1971, 778. 301 Anders aber noch Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 269: im „inländischen öffentlichen Interesse“ sei „zu überprüfen, ob das ausländische Gericht aufgrund exorbitanter Zuständigkeiten entschieden und damit deutschen Vorstellungen internationaler Gerichtsbarkeit und Gerechtigkeit widersprochen hat.“ Ähnlich Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 171 ff. 302 R. Geimer NJW 1974, 1028; R. Geimer ZZP 87 (1974), 336; zustimmend Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 468 Fußn. 130. Anderer Auffassung BayObLG in ständiger Rechtsprechung, z.B. BayObLG vom 19.9.1991, NJW-RR 1992, 514 = FamRZ 1992, 584, 586 = StAZ 1992, 176 = IPRspr. 1991 Nr. 217. 303 R. Geimer NJW 1968, 800; R. Geimer RIW 1980, 307; Stein/Jonas/Roth, ZPO22, 2006, § 328 Rz. 85; Gottwald ZZP 103 (1990), 274. Anderer Auffassung Hausmann, Kollisionsrechtliche Schranken von Scheidungsurteilen, Diss. München 1980, 259; Fricke, Anerkennungszuständigkeit zwischen Spiegelbildgrundsatz und Generalklausel, 1990, 102; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 882, der jedoch im Ergebnis mit der hier vertretenen Auffassung übereinstimmt, weil auch er dem Kläger,
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Anerkennung Umgekehrt kann nur der Kläger (Widerbeklagter) rügen, der Erststaat sei für die 2905 Widerklage international nicht zuständig.304 Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen der internationalen Zustän- 2905a digkeit des Erststaates trägt im Falle des Bestreitens (Rz. 2903) derjenige, der sich auf die Anerkennungfähigkeit der ausländischen Entscheidung beruft.305 Im Rahmen der vorstehend umschriebenen Prüfung der internationalen Zustän- 2906 digkeit des Erststaates ist der deutsche Zweitrichter an die rechtlichen und tatsächlichen Feststellungen des ausländischen Erstgerichts nicht gebunden,306 es sei denn, ein Staatsvertrag schreibt ausdrücklich eine Bindung vor.307 Der Zweitrichter darf neue Beweise erheben; auch findet eine Präklusion neuer, im Erstverfahren nicht vorgebrachter Tatsachenbehauptungen nicht statt. Dies gilt auch dann, wenn der Beklagte im Erstverfahren nicht vertreten war und daher Versäumnisurteil ergangen ist.308 Auch die sog. doppelrelevanten Tatsachen sind zu prüfen, wenngleich diese auch meritorische Bedeutung haben, Rz. 1496, 1531.309
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der die internationale Unzuständigkeit rügt, das Verbot des venire contra factum proprium entgegensetzt. R. Geimer NJW 1972, 2180. OLG Koblenz vom 16.10.2003, RIW 2004, 302 = NJOZ 2004, 3369 = IPRspr. 2003 Nr. 184. R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 126 ff. Zustimmend Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 258. So z.B. Art. 28 II EuGVÜ/LugÜ (nunmehr Art. 35 II EuGVVO), Art. 9 UVÜ, Art. 5 I deutsch-belgisches Abkommen (BGH vom 9.4.1973, BGHZ 60, 344 = NJW 1973, 1552 = AWD 1973, 404 = ZZP 87 [1974], 332 [R. Geimer] = IPRspr. 1973 Nr. 153), Art. 5 I deutsch-niederländischer Vertrag, Art. 8 II deutsch-israelischer Vertrag (BGH vom 18.9.2001, RIW 2002, 63), Art. 8 III deutsch-norwegischer Vertrag, Art. 9 II deutschspanischer Vertrag, Art. 3 II deutsch-österreichischer Konkurs- und Vergleichsvertrag, Art. 24 ErwSÜ. BGH vom 26.3.1969, BGHZ 52, 30 = MDR 1969, 660 = NJW 1969, 1536 = IPRspr. 1968–1969 Nr. 225 im Anschluss an R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 142; R. Geimer NJW 1971, 2181; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1564; zustimmend Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 791; Gottwald ZZP 103 (1990), 277 sowie in Münchener Kommentar zur ZPO3, 2008, § 328 ZPO Rz. 63; Ost, Doppelrelevante Tatsachen im Internationalen Zivilverfahrensrecht – Zur Prüfung der internationalen Zuständigkeit bei den Gerichtsständen des Erfüllungsortes und der unerlaubten Handlung, Diss. Heidelberg 2002, 136 mit weiteren Nachweisen. Anders grundsätzlich Spickhoff ZZP 108 (1995), 486. Umfangreiche Nachweise bei Regen, Prozessbetrug als Anerkennungshindernis, 2008, Rz. 350 ff. BGH vom 25.11.1993, BGHZ 124, 237 = NJW 1994, 1413 = RIW 1994, 331 = IPRax 1995, 101 (Gottwald 75) = LM § 32 ZPO Nr. 15 (R. Geimer) = ZZP 108 (1995), 359 (Koch) = IPRspr. 1993 Nr. 180 im Anschluss an R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 102, 163. Hierzu mit weiteren Nachweisen Ost aaO. 139.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen 2907 Von diesem Grundsatz sind jedoch zwei Ausnahmen zu machen: Der Einwand, die an sich gegebene internationale Zuständigkeit des Erststaates sei durch Parteivereinbarung derogiert worden, kann im Zweitverfahren nur geltend gemacht werden, wenn der Einwand der Derogation schon im Erstverfahren vorgebracht wurde, Rz. 1809.310 Das Gleiche gilt für den Einwand, die internationale Zuständigkeit des Erststaates sei durch die Vereinbarung eines Schiedsgerichts ausgeschlossen. Hier ist § 328 I Nr. 1 ZPO analog heranzuziehen.311 2908 Im Bereich des EuGVÜ/LugÜ, der EuGVVO, der EuEheVO, der EuUnterhaltVO sowie der EuInsVO wird die internationale Zuständigkeit des Erststaates grundsätzlich nicht geprüft. Ausnahmen: Art. 28 I, 54 II EuGVÜ, Art. 28 II LugÜ sowie Art. 35, 66 II EuGVVO.312 Dies gilt auch für den Bereich der EuInsO, obwohl der Text der Verordnung nicht eindeutig ist, Rz. 3514.313 2909 Soweit die Verbürgung der Gegenseitigkeit gemäß § 328 I Nr. 5 ZPO Voraussetzung für die Anerkennung der ausländischen Entscheidung in Deutschland ist (Rz. 2879), führt dies grundsätzlich nicht zu einer Verengung des durch § 328 I Nr. 1 in Verbindung mit §§ 12 ff. ZPO eröffneten Jurisdiktionsbereichs des Urteilsstaates nach dem Motto:314 Die internationale Zuständigkeit eines fremden Staates, die nach § 328 I Nr. 1 ZPO an sich zu bejahen wäre, wird nur dann anerkannt, wenn vice versa aus der Sicht des Urteilsstaates in einem spiegelbildlichen Fall die internationale Zuständigkeit Deutschlands gegeben wäre.315 Ist
310 R. Geimer RIW 1980, 308; R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 123; Reiser, Gerichtsstandsvereinbarungen nach dem IPR-Gesetz, 1989, 142. Anderer Auffassung Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 714. 311 R. Geimer ZZP 87 (1974), 336; R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 210; R. Geimer in Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 328 Rz. 148; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. II Rz. 172; OLG Celle vom 8.12.1977, RIW 1979, 131 = IPRspr. 1977 Nr. 155. Anderer Auffassung Schlosser in Festschrift Kralik 1986, 299; Schlosser, Recht der internationalen privaten Schiedsgerichtsbarkeit2, 1989, Rz. 400 g.E.; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht2, 2003, Art. 3436 EuGVVO Rz. 5a; Spickhoff ZZP 108 (1995) 488, welche die Anwendung des § 328 I Nr. 4 ZPO empfehlen. Vgl. auch Rz. 3960. 312 Ebenso nach dem durch das EuGVÜ bzw. die genannten Verordnungen (EG) weitgehend obsolet gewordenen deutsch-österreichischen und deutsch-griechischen Vertrag, R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1507; R. Geimer IPRax 1987, 144. 313 Gegen Nachprüfung Peter Huber ZZP 114 (2001), 133, 146; Kolmann, Kooperationsmodelle im internationalen Insolvenzrecht, 2001, 282; für Nachprüfung Mankowski EWiR 2003, 767, 768; Mankowski EWiR 2003, 1240; Mankowski RIW 2004, 481, 587, 598. 314 Das Gleiche gilt für § 109 IV FamFG. 315 R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 125; Schütze AWD 1970, 495. Anderer Auffassung BGHZ 52, 251 (258); BGH vom 3.12.1992, EWiR 1993, 195 (Schlechtriem) = WuB 93/VIIA § 328 Abs. 1 ZPO (kritisch Schütze); BGH vom 25.4.1996, RIW 1996, 966 = IPRspr. 1996 Nr. 177; Vorinstanz: OLG Düsseldorf vom 25.4.1995, RIW 1995, 947 = IPRspr. 1995 Nr. 167; BGH vom 29.4.1999, BGHZ 141, 286 = JZ 2000, 107 (Stürner/Bormann 81) = NJW 1999, 3198 = RIW 1999, 698, 700 = LM § 328 Nr. 4852 (R. Geimer) = IPRax 2001, 230 (Haas 195) = IPRspr. 1999
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Anerkennung nach § 328 I Nr. 1 ZPO die internationale Zuständigkeit des Erststaates zu bejahen, weil nach dem Spiegelbildprinzip ein Zuständigkeitsanknüpfungspunkt im Sinne von §§ 12 ff. ZPO gegeben ist, will der Bundesgerichtshof gleichwohl noch Gegenseitigkeitserwägungen (Nr. 5) anstellen. Es soll darauf ankommen, ob – spiegelbildlich zu dem vom erststaatlichen Gericht entschiedenen Fall – nach erststaatlichem Recht und dortiger Gerichtspraxis ein deutsches Gericht international zuständig gewesen wäre. Trotz Vorliegens eines Zuständigkeitsanknüpfungspunktes nach § 328 I Nr. 1 in Verbindung mit §§ 12 ff. ZPO wird nach Ansicht des Bundesgerichtshofs die internationale Zuständigkeit „ausnahmsweise“ nicht anerkannt, „wenn der Urteilsstaat exorbitante Zuständigkeiten nur für sich selbst beansprucht, sie aber anderen Staaten nicht in vergleichbarem Umfang zugesteht.“316 Bei der Vollstreckbarerklärung ausländischer Prozessvergleiche und auslän- 2909a discher vollstreckbarer Urkunden (Rz. 3107) braucht317 kein besonderer Zuständigkeitsbezug zum Errichtungsstaat gegeben zu sein, Rz. 1854b und c. § 328 I Nr 1 ZPO bzw. § 109 I Nr. 1 FamFG begründet kein Klageverbot in einem 2909b aus deutscher Sicht international unzuständigen Staat. Wer dort klagt, riskiert die Nichtanerkennung der dort ergangenen Entscheidung im Inland.318 Der Kläger handelt aber grundsätzlich nicht rechtswidrig; er ist daher dem Beklagten nicht zu Schadensersatz319 verpflichtet. Anders ist es allerdings bei offensichtlichen mutwilligen Verstößen gegen eine 2909c vertragliche Verpflichtung, nur in einem bestimmten Staat zu klagen bzw. nicht zu klagen, wenn die Wirksamkeit bzw. Ausschließlichkeit der Zuständigkeitsvereinbarung oder Schiedsvereinbarung außer Zweifel steht, nicht jedoch wenn die Wirksamkeit der Vereinbarung bzw. der Inhalt des Gewollten bzw. die subjektive Reichweite mit halbwegs nachvollziehbaren Argumenten in Abrede gestellt werden kann. Auch wenn der Beklagte in concreto aus Vertrag oder aus § 826 BGB einen Unterlassungsanspruch hat, ist dieser nicht einklagbar, weil das Rechtsschutz-
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Nr. 160. Vgl. auch BGH vom 24.10.2000, NJW 2001, 524, 525 = IPRax 2001, 457 (Schütze 441) = IPRspr. 2000 Nr. 156 sowie OLG Koblenz vom 16.10.2003, RIW 2004, 302 = NJOZ 2004, 3369 = IPRspr. 2003 Nr. 184. Umfassende Nachweise bei Schindler, Durchbrechungen des Spiegelbildprinzips bei der Anerkennung ausländischer Entscheidungen unter vergleichender Berücksichtigung des portugiesischen und brasilianischen Rechts, Diss. Heidelberg 2004. Unter Berücksichtigung des Spiegelbildprinzips, sofern man hier überhaupt eine kompetenzrechtliche Frage sieht, Rz. 1216a und b. Siehe auch die umfangreichen Nachweise bei Frische, Verfahrenswirkungen, Rechtskraft – internationale Anerkennung und Vollstreckung von Prozessvergleichen und Schiedssprüchen mit vereinbartem Wortlaut, 2005. Sofern der Beklage die internationale Unzuständigkeit im Anerkennungsstadium nicht rügt; dieser kann mancherlei Gründe haben, dies nicht zu tun, Rz. 2903. Etwa wegen höherer Prozesskosten bzw. wegen fehlender Prozesskostenerstattung oder wegen einer Verurteilung zu mehr als in dem vom Beklagten „angedachten“ Forum nach dortigem Kollisionsrecht möglich.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen bedürfnis fehlt, Rz. 1118. Der (im Ausland) Verklagte kann aber unter Umständen nach allgemeinen Grundsätzen (§ 256 ZPO) negative Feststellungsklage erheben, Rz. 1119. 4. Beschränkte Überprüfung der Sachentscheidung 2910 Grundsätzlich darf der deutsche Richter die Richtigkeit der ausländischen Entscheidung nicht nachprüfen (Verbot der révision au fond), und zwar weder das dem ausländischen Urteil vorangegangene Verfahren noch die tatsächlichen oder rechtlichen Feststellungen im Urteil selbst. Fehler im Verfahren oder in der Urteilsfindung sind grundsätzlich für die Anerkennung belanglos. Fehlerhafte ausländische Urteile sind genauso hinzunehmen wie fehlerhafte inländische. Es kann nämlich nicht erwartet werden, dass die ausländischen Gerichte „tüchtiger“ sind und weniger fehlerhafte Urteile erlassen als die inländischen.320 2911 Vom Grundsatz, ausländische Entscheidungen nicht zu überprüfen, ist jedoch dann eine Ausnahme zu machen, wenn höherwertige Interessen eine Durchbrechung dringend erfordern. Diese Fälle werden in § 328 I Nr. 4 ZPO321 und § 109 I Nr. 4 FamFG generalklauselartig umschrieben.322
320 R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 41; R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 57; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 321; Ost, Doppelrelevante Tatsachen im Internationalen Zivilverfahrensrecht – Zur Prüfung der internationalen Zuständigkeit bei den Gerichtsständen des Erfüllungssortes und der unerlaubten Handlung, Diss. Heidelberg 2002, 138; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 249. Tendenziell ebenso auch BGH vom 24.2.1999, BGHZ 140, 395 = NJW 1999, 2372 = RIW 1999, 457 und 536 = EuZW 1996, 732 = IPRax 1999, 371 (G. Schulze 342) = JR 1999, 841 (A. Staudinger) = JZ 1999, 1117 (H. Roth) = MDR 1999, 757 = ZIP 1999, 483, 484 = IPRspr. 1999 Nr. 154. 321 Die ordre public-Prüfung nach § 328 I Nr. 4 ZPO erfasst nur die gerichtliche Entscheidung (bzw. den sonstigen Titel [§ 722 ZPO]) als solche und das Verfahren, in dem sie erlassen wurde, nicht jedoch die Frage nach der Jurisdiktion des Erststaates. Letztere ist abschließend nach § 328 I Nr. 1 ZPO zu beantworten, Rz. 2897a. 322 Die Neufassung der ordre public-Klausel durch das IPR-ReformG bringt inhaltlich keine Änderung mit Ausnahme der im Anschluss an die Haager Konventionspraxis eingefügte Vokabel „offensichtlich“ (die in Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ/LugÜ fehlt, nicht aber in Art. 34 Nr. 1 EuGVVO. Daraus ließe sich ableiten, dass Nr. 4 die Toleranzschwelle des ordre public zugunsten der Anerkennung verschiebt. Eine aussagekräftige und vor allem randscharfe Abgrenzung ist aber auch nach der Neufassung nicht möglich.Im Anwendungsbereich des EuGVÜ bzw. der EuGVVO beansprucht der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften das „letzte Wort“ bei der Beantwortung der Frage, wo für die nationalen Gerichte die Grenzen der ordre public-Prüfung verlaufen, EuGH vom 28.3.2000, Rs C-7/98 – Krombach/Bamberski NJW 2000, 1853 = ZIP 2000, 859 (R. Geimer) = EWiR 2000, 441 (Hau) = IPRax 2000, 364 (Piekenbrock 364); hierzu auch Jayme in Heft 6 der vom Ludwig Boltzmann Institut für Europarecht in Wien herausgegebenen Vorlesungen und Vorträge, 2000; Matscher IPRax 2001, 428.
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Anerkennung Die Tatsache allein, dass ein ausländisches Urteil zwingendes deutsches Recht 2912 nicht beachtet oder falsch anwendet, reicht nicht aus, um § 328 I Nr. 4 ZPO zu bejahen.323 Die nicht beachtete bzw. falsch angewandte deutsche Norm muss vielmehr in allen Fällen Durchsetzung erheischen, Rz. 28. Der ordre public-Vorbehalt greift im Übrigen – zur Wahrung grundlegender (unverzichtbarer) Werte der deutschen Rechtsordnung – nur in ganz krassen Fällen durch.324 Im Verhältnis zur kollisionsrechtlichen Vorbehaltsklausel des Art. 6 EGBGB ist zu beachten, dass auch in den Fällen, in denen die Anwendung eines ausländischen Gesetzes durch den deutschen Richter wegen Art. 6 EGBGB ausscheidet, die Anerkennung eines ausländischen Urteils, das auf einem solchen Gesetz beruht, nicht von vornherein ausgeschlossen ist (ordre public atténué de réconnaissance); Rz. 27.325 Die ordre public-Prüfung bezieht sich sowohl auf das dem zur Anerkennung anstehenden ausländischen Urteil vorangegangene Verfahren (z.B. im Erstverfahren trotz Rechtsmitteleinlegung nicht behobener schwerer Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs oder gegen elementare Grundsätze für rechtsstaatliche Verfahren) (Rz. 2945 ff.) als auch auf die Urteilsfindung selbst (Rz. 2961 ff).326 Auch wenn das ausländische Gericht völlig korrekt agiert hat, kann drittens der anerkennungsrechtliche ordre public zur Anwendung kommen, wenn eine Partei durch Täuschung oder sonstiges extrem unfaires Verhalten die Wahrheits- bzw. Rechtsfindung durch das sich untadelig verhaltende ausländische Gericht vereitelt hat (Rz. 2986 ff.). a) Überprüfung des ausländischen Verfahrens Gegenstand der ordre public-Prüfung ist nicht nur die Frage, ob der Inhalt der 2913 ausländischen Entscheidung den Grundwertungen der deutschen Rechtsordnung völlig zuwiderläuft.327 Sie erfasst vielmehr auch das Verfahren im Erststaat, auf dem die zur Anerkennung anstehende ausländische Sachentscheidung beruht, Rz. 2945. Während der Ablauf des erststaatlichen Verfahrens nur auf die Einhaltung elementarer (unverzichtbarer) Forderungen prozessualer Gerechtig323 BGH vom 16.9.1993, NJW 1993, 3269, 3270; BGH NJW 1993, 1801, 1802; BGH vom 24.2.1999, RIW 1999, 536 = ZIP 1999, 483, 484 = IPRax 1999, 371 (Schulze 342); OLG Frankfurt vom 11.11.1998, RIW 1999, 146. Für restriktive Anwendung des anerkennungsrechtlichen ordre public OLG Köln vom 23.1.2002, InVo 2002, 521 = IPRspr. 2002 Nr. 186. Siehe auch Thoma, Die Europäisierung und die Vergemeinschaftung des nationalen ordre public, Diss. Hamburg 2007. 324 Vgl. auch Roland M. Müller, Anerkennung und Vollstreckung schweizerischer Zivilurteile in den USA, 1994, 117 ff. 325 Zustimmend Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 130 ff.; Mankowski, Crossing the Rhine – On the Enforceability of U.S. Class Action Judgments and Settlements in Germany, Contratto e impresa/Europa XII (2007), 613, 623. 326 Siehe auch Jordans, Schiedsgerichte bei Termingeschäften und Anlegerschutz, 2007, 122 ff. 327 Hierzu unten Rz. 2961 ff.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen keit geprüft wird, mithin „einfache Verfahrensfehler“ die Anerkennung nicht gefährden, ist die Prüfung der Ordnungsmäßigkeit des Beginns des erststaatlichen Verfahrens viel dichter: Es wird die Einhaltung des im Erststaat geltenden Zustellungsrechts (einschließlich der dort in Kraft gesetzten einschlägigen völkerrechtlichen Verträge) kontrolliert. Jeder Zustellungsfehler führt nach dem Wortlaut des § 328 I Nr. 2 ZPO und des § 109 I Nr. 2 FamFG, der jedoch teleologisch zu reduzieren ist (Rz. 2922), zur Versagung der Anerkennung. Eigenartigerweise prüft der deutsche Richter nicht – wie sonst bei der Kontrolle des erststaatlichen Verfahrens – die Einhaltung unverzichtbarer elementarer Verfahrensprinzipien des deutschen Rechts, sondern als „Superrevisionsinstanz“ die Einhaltung des ausländischen Zustellungsrechts. Dies ist ein Systembruch, für den es keine plausible Erklärung gibt.328 aa) Einleitung des Prozesses im Erststaat 2914 Es kann vorkommen, dass der Beklagte von dem gegen ihn schwebenden Rechtsstreit keine Kenntnis erlangt (weil ihn die Klageschrift nicht erreichte), und er deshalb nicht in der Lage war, sich zu verteidigen. Für die rechtstechnische Bewältigung dieses Komplexes ist die konturenarme ordre public-Klausel wenig geeignet. Die Praxis der Gerichte würde zu stark divergieren; deshalb gibt der Gesetzgeber dem Richter einigermaßen klare Maßstäbe an die Hand, die aber über das eigentliche Ziel, nämlich die Wahrung des rechtlichen Gehörs des Beklagten, hinausschießen. § 328 I Nr. 2 ZPO329 schreibt wie Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ eine doppelte Prüfung vor: Erstens muss die Zustellung der Ladung bzw. des das Verfahren einleitenden Schriftstücks nach dem Recht des Urteilsstaates wirksam erfolgt sein. Zum Zweiten kann die Anerkennung selbst bei ordnungsgemäßer Ladung versagt werden, wenn die Ladung dem Beklagten nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte. Gelungener ist dagegen die Fassung des Art. 34 Nr. 2 EuGVVO330. Danach wird die Anerkennung nur dann versagt, wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat, das verfahrenseinleitende Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück nicht so rechtzeitig und in einer Weise zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte, es sei denn, der Beklagte hat gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt, obwohl er die Möglichkeit dazu hatte.
328 Der gleiche Strukturfehler findet sich in Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ. Er wurde jedoch in Art. 34 Nr. 2 EuGVVO ausgemerzt. Nachdem der deutsche Gesetzgeber bei der Neufassung des § 328 I Nr. 2 ZPO schon einmal sich am Vorbild des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ orientiert hat, sollte er nicht zögern, auch die nunmehr reformierte Version des Art. 34 Nr. 2 der neuen Verordnung in das nationale Anerkennungsrecht zu übernehmen. Zustimmend Gottwald in Festschrift Schumann, 2001, 149, 157. Siehe auch R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A1 – Art. 34 EuGVVO Rz. 90. 329 Ebenso § 109 I Nr. 2 FamFG. 330 Hierzu Gottwald in Festschrift Schumann, 2001, 149; Rauscher in Festschrift Beys, 2003, 1285.
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Anerkennung Bei der Auslegung des § 328 I Nr. 2 ZPO stehen unmittelbare Staatsinteressen 2915 nicht auf dem Spiel. Vielmehr sind (nur) die widerstreitenden Interessen der Parteien abzuwägen: Der Beklagte will nur solche Urteile gegen sich gelten lassen, die in Verfahren ergangen sind, von denen er so rechtzeitig Kenntnis erlangen konnte, dass er sich verteidigen konnte. Andererseits will der siegreiche Kläger nicht um die Früchte seines Sieges gebracht werden, nur weil das Gericht oder das Zustellungsorgan irgendeinen von ihm nicht zu vertretenden und von ihm auch nicht abwendbaren Formfehler begangen hat. Schließlich widerspräche es dem Grundanliegen des § 328 ZPO, die internationale Urteilsanerkennung zu fördern, wollte man die Anerkennung an bloßen Formfragen scheitern lassen, obwohl feststeht, dass der Beklagte rechtzeitig vom Prozess Kenntnis erlangt hat. Deshalb darf die Auslegung des § 328 I Nr. 2 ZPO nicht in Förmelei erstarren. Eine teleologische Reduktion ist erforderlich.331 Eventuelle Zustellungsmängel sind in Anwendung des in § 189 ZPO nieder- 2916 gelegten allgemeinen Rechtsgedankens als geheilt anzusehen, wenn der Beklagte das zuzustellende Schriftstück tatsächlich erhalten hat.332 Dies gilt auch dann, wenn das Erstgericht mit der von ihm veranlassten Zustellung gegen völkerrechtliche Verträge oder gegen Völkergewohnheitsrecht verstoßen hat.333 Vgl. auch Rz. 690. Die herrschende Meinung334 will nur dann eine Heilung von Zustellungsmän- 2917 geln zulassen, wenn eine solche das Recht des Erststaates vorsieht. Sicher ist die Zustellung ordnungsgemäß § 328 I Nr. 2 ZPO, wenn das Recht des Erststaates ei331 R. Geimer IPRax 1985, 6; R. Geimer IPRax 1988, 271; R. Geimer IPRax 1992, 10; R. Geimer EuZW 1991, 447; Linke, Internationales Zivilprozessrecht4, 2006, Rz. 408; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 371. Dagegen Stürner JZ 1992, 326. Wie hier tendenziell BGH vom 21.3.2001, NJW 2001, 1946 = Rpfleger 2001, 360 und OLG Köln vom 6.12.2002, IPRax 2004, 115 (R. Geimer 97) = IPRspr. 2002 Nr. 196. Zustimmend neuerdings auch Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 87: „Der Zweck der Zustellung liegt heute in erster Linie in der Wahrung des rechtlichen Gehörs des Beklagten (Mitteilungsfunktion) und in einer Beweisfunktion in Bezug auf die Verfahrenseinleitung.„ Siehe auch US Supreme Court: „… the core function of service is to supply notice of the pendancy of a legal action, in a manner and in a time that affords the defendant a fair opportunity to answer the complaint and present defenses and objections“, Henderson v. United States, 517 US 654, 656. 332 R. Geimer NJW 1972, 1625; R. Geimer NJW 1973, 2143; R. Geimer EuZW 1990, 354; R. Geimer LM § 328 Nr. 42; Kondring, Die Heilung von Zustellungsfehlern im internationalen Zivilrechtsverkehr, 1995, 298 ff., 323. 333 Vgl. EuGH vom 14.2.1972, Rs 52/69 – Geigy/Kommission Slg. XVIII (1972), 787, 825. Hierzu Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht2 I 1, 1989, 327 Fußn. 63. Vgl. auch die Nachweise bei G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 170. 334 Im Anschluss an EuGH vom 3.7.1990, Rs 305/88 – Lancray/Peters Slg. 1990, 2725 = RIW 1990, 927 = EuZW 1990, 352 (R. Geimer) = IPRax 1991, 177 (Rauscher 155) = Rev. crit. 1991, 161 (Droz); BGH vom 20.9.1990, NJW 1991, 641 = RIW 1990, 1010 = IPRspr. 1990 Nr. 200 und OLG Köln vom 12.4.1989, OLGZ 1990, 381 = NJW-RR 1990, 127 =
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen nen Fehler als geheilt ansieht. Darüber hinaus kommt aber der in § 189 ZPO niedergelegte Rechtsgedanke auch dann zum Tragen, wenn das Recht des Erststaates eine solche Vorschrift nicht oder nicht in dem gleichen Umfang wie § 189 ZPO kennt. § 189 ZPO ist also auch im Anerkennungsstadium mit Blick auf ausländische Entscheidungen anzuwenden. 2918 Daher fragt sich, ob es im Hinblick auf das Erfordernis der Rechtzeitigkeit sinnvoll ist, bei der Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Klagezustellung auf das im Erststaat geltende Zustellungsrecht abzustellen. Denn diese Prüfung ist umständlich und Zeit raubend und überfordert nicht selten den Zweitrichter. Vor allem hat sie nur akademische Bedeutung.335 Denn sie entscheidet letztlich nicht über Anerkennung oder Nichtanerkennung. Trotz ordnungsgemäßer Zustellung (nach dem Recht des Erststaates) kann die Anerkennung an dem „Rechtzeitigkeitserfordernis“ scheitern, zum anderen ist eine Anerkennung trotz Zustellungsmängeln möglich, wenn feststeht, dass der Zustellungsempfänger das zuzustellende Schriftstück (rechtzeitig) erhalten hat. Entscheidend ist vielmehr, ob das auch im Anerkennungsstadium durchzusetzende Recht des Beklagten auf rechtliches Gehör im Erstprozess gewahrt worden ist.336 Klarer war insoweit ehedem § 193 II Nr. 3 DDR-ZPO: „Die Anerkennung ist ausgeschlossen, wenn der unterlegenen Prozesspartei das rechtliche Gehör infolge von Zustellungsmängeln oder sonstigen Verfahrensverstößen versagt war.“337 2919 Zustellung (= körperliche Übergabe) an den Beklagten persönlich ist aus deutscher Sicht nicht erforderlich. Es genügt Ersatzzustellung an Hausgenossen etc.338 Verlangt dagegen das Recht des Erststaates Zustellung „zu eigenen Handen“, wie z.B. das österreichische Recht,339 dann ist die Zustellung nicht ordnungsgemäß im Sinne von § 328 I Nr. 2 ZPO. Es ist jedoch – ohne Rücksicht auf Heilungsmöglichkeit nach dem Recht des Erststaates – Heilung analog § 189 ZPO möglich. Zustellung an Bevollmächtigten genügt,340 sofern Vollmacht wirksam und in ausreichendem Umfang erteilt ist.341
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RIW 1990, 229 = IPRax 1991, 114 (Linke 92) = IPRspr. 1989 Nr. 213. Zustimmend Stadler IPRax 2002, 282, 285. Daher wurde sie auch im Text des Art. 34 Nr. 2 EuGVVO gestrichen. Hierzu Gottwald in Festschrift Schumann, 2001, 149. Ähnlich nun auch Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 383, 389. Hierzu Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in Unterhaltssachen, 1989, 53; Gottwald IPRax 1984, 60. BGH vom 6.5.2004, NJW 2004, 2386 = IPRax 2006, 47 (Hau 20) lässt jedoch Nachweis zu, dass die Person, der die Sendung übergeben wurde, nicht Bediensteter des Adressaten ist. § 106 österr. ZPO, § 21 österr. ZustellG. Hierzu z.B. Rechberger/Simotta, Grundriss des österreichischen Zivilprozessrechts – Erkenntnisverfahren7, 2009, Rz. 466. Bedenklich weit geht jedoch OLG Düsseldorf vom 28.5.1991, RIW 1991, 594 = VersR 1991, 1161 = IPRspr. 1992 Nr. 218a. Danach soll Zustellung an Strafverteidiger des Beklagten genügen. Vgl. den Fall der LJV Baden-Württemberg vom 22.12.2000, FamRZ 2001, 1379 = IPRspr. 2002 Nr. 202a und des OLG Stuttgart vom 30.1.2002, IPRspr. 2002 Nr. 202b: Zustellung an (nicht bevollmächtigte) Mutter der Beklagten.
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Anerkennung Sieht das Recht des Erststaates die Zustellung an einen vom Erstgericht bestell- 2920 ten Zustellungsbevollmächtigten, Verfahrenspfleger oder Kurator vor, dann ist diese Form der Zustellung – da konform mit dem Recht des Erststaates – ordnungsgemäß im Sinne von § 328 I Nr. 2 ZPO. Doch fehlt es in der Regel an der Rechtzeitigkeit, weil sich der Beklagte die Kenntnis des „Zwangsvertreters“ nicht zurechnen lassen muss. Ist die Zustellung an den „Zwangsvertreter“ durch das Recht des Erststaates nicht gedeckt, besteht Heilungsmöglichkeit nach § 189 ZPO wenn der vom ausländischen Gericht bestellte Verfahrenspfleger (Kurator) die prozesseinleitende Ladung oder Verfügung dem Beklagten durch die Post oder auf andere Weise übermittelt hat.342 Da Deutschland der Postzustellung (Art. 6 HZPÜ, Art. 10 HZÜ) widersprochen hat (Rz. 2176), ist eine gleichwohl veranlasste Zustellung durch die Post völkerrechtswidrig. Trotzdem ist Anerkennung nicht grundsätzlich ausgeschlossen, Rz. 2768. Vielmehr ist Heilung nach § 189 ZPO zu prüfen.343 Der Versagungsgrund des § 328 I Nr. 2 ZPO und des § 109 I Nr. 2 FamFG entfällt, 2921 wenn der Beklagte/Antragsgegner von dem gegen ihn laufenden erststaatlichen Verfahren Kenntnis erlangt hat und es ihm nach dem Recht des Erststaates möglich gewesen war, noch in den Prozess durch Einlegung von Rechtsmitteln oder Rechtsbehelfen gegen eine bereits ergangene gerichtliche Entscheidung einzugreifen.344 In Betracht kommen nicht nur ordentliche Rechtsmittel, sondern auch der außerordentliche Rechtsbehelf gemäß Art. 16 HZÜ (Rz. 229) bzw. Art. 19 IV EuZustellungsVO (Rz. 245c). In diesen Fällen hatte es der Beklagte in der Hand, sich rechtliches Gehör vor dem Erstgericht zu verschaffen. Sehr klar war schon Art. 2 Buchst. c Nr. 2 des deutsch-niederländischen Vertrages vom 30.8.1962345 formuliert. Danach ist der Einwand der nicht rechtzeitigen Ladung dann unbeachtlich, wenn „der Kläger nachweist, dass der Beklagte gegen die Entscheidung keinen Rechtsbehelf eingelegt hat, obwohl er davon Kenntnis erhalten hat“. Diese Regel findet sich auch in Art. 34 Nr. 2 EuGVVO. Sie fehlt aber im Text sowohl des EuGVÜ/LugÜ als auch des § 328 I Nr. 2 ZPO, ebenso wie in
342 Anderer Auffassung BayObLG vom 24.11.1978, IPRspr. 1978 Nr. 176; OLG Hamm vom 7.3.1979, MDR 1979, 680 = IPRspr. 1979 Nr. 195 und 203; OLG Köln vom 29.2.1980, MDR 1980, 1030 = IPRspr. 1980 Nr. 164. 343 Anderer Auffassung OLG Köln vom 25.5.1990, RIW 1990, 668 = EuZW 1990, 488 = IPRspr. 1990 Nr. 199. Differenzierend Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 374. 344 R. Geimer NJW 1973, 2143; R. Geimer EuZW 1990, 352; R. Geimer EuZW 1991, 445; R. Geimer LM § 328 ZPO Nr. 42. Zustimmend OLG Köln vom 12.11.2001, OLGR 2002, 212 = IPRspr. 2005 Nr. 148a. Dieser Beschluss wurde jedoch vom BGH kassiert, BGH vom 20.1.2005, EuLF 2005, I-78 = InVo 2005, 427 = NJOZ 2005, 1301 = IPRspr. 2005 Nr. 148b. Anderer Auffassung EuGH vom 27.11.1992, Rs C-123/91 – Minalmet/Brandeis Slg. 1992 I 5661 = JZ 1993, 357 (Stürner) = RIW 1993, 65 = EuZW 1993, 39 = Rev. crit. 1993, 85; hierzu Jayme/Kohler IPRax 1993, 362. Dem EuGH folgt auch für § 328 ZPO BGH vom 2.12.1992 LM § 328 ZPO Nr. 42 (R. Geimer); ebenso OLG Frankfurt vom 21.2.1991, RIW 1991, 587; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 851. 345 BGBl. 1965 II 27.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen Art. 22 (b) und Art. 23 (c) EuEheVO. Gleichwohl kommt sie als allgemeines Rechtsprinzip der internationalen Urteilsanerkennung zum Zuge. Es kann nicht Aufgabe des § 328 I Nr. 2 ZPO sein, dem Beklagten zu ermöglichen, die Anerkennung dadurch zu verhindern, dass er am Erstprozess nicht teilnimmt und die ordnungsgemäße Zustellung vereitelt. Sonst wären die Regeln über die internationale Zuständigkeit entwertet. Ist der Erststaat international zuständig, so bedeutet dies (auch), dass aus deutscher Sicht der Beklagte dort sein Recht nehmen muss. Ist es dem Beklagten nach den Wertungen der einschlägigen Konvention bzw. des § 328 I Nr. 1 in Verbindung mit §§ 12 ff. ZPO zumutbar, sich im Erststaat zu verteidigen, dann erscheint es im Interesse der Förderung des internationalen Rechtsverkehrs (Freizügigkeit der Urteile) richtig, diese abstrakte Gerichtspflichtigkeit auch konkret dahin zu verdichten, dass der Beklagte sich in den laufenden Erstprozess einschalten muss, will er nicht die Anerkennung der ausländischen Versäumnisentscheidung riskieren. Dies ist ein Unterfall des allgemeinen Grundsatzes, dass nur derjenige die ordre public-Widrigkeit des erststaatlichen Verfahrens vor dem Zweitrichter rügen kann, der alle ihm nach dem Recht des Erststaates zustehenden Möglichkeiten (erfolglos) ausgeschöpft hat, um die Unregelmäßigkeit des erststaatlichen Verfahrens durch die Gerichte des Erststaates beseitigen zu lassen, Rz. 2955. Beispiel: Die prozesseinleitende Verfügung des High Court of Justice346 wird dem in Deutschland wohnhaften Beklagten – etwa wegen einer Verzögerung durch die deutschen Rechtshilfebehörden – nicht rechtzeitig vor dem ersten Termin zugestellt. Kann er nun, wie es die herrschende Meinung behauptet, untätig dem Fortgang des Prozesses in London zuschauen, weil er weiß, dass wegen Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ das zu erwartende englische Urteil in Deutschland nie Aussicht auf Anerkennung hat? Trifft ihn – nicht auch internationalrechtlich – die prozessuale Last, den Ladungsmangel im englischen Prozess zu rügen und Vertagung zu erwirken? Diese Frage ist zu bejahen, und zwar bereits auch vor Inkrafttreten des Art. 34 Nr. 2 EuGVVO am 1.3.2002. 2922 Fazit: Hat der Beklagte zwar von der den Erstprozess einleitenden Ladung keine Kenntnis erlangt, etwa weil die Zustellung der Klage mittels öffentlicher Zustellung bzw. remise au parquet347 oder Zustellung an eine Ersatzperson oder einen vom Gericht bestellten Verfahrenspfleger erfolgte, aber in einem späteren Stadium des erststaatlichen Verfahrens erfahren, dass gegen ihn eine Klage im Erststaat anhängig ist, dann trägt er die prozessuale Last, sich in das Verfahren einzuschalten. Tut er dies nicht, so kann er sich im deutschen Zweitverfahren nicht
346 Hierzu näher von Rönn, Die Anwendung des Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommens im Vereinigten Königreich, 1996, 53. 347 Im Anwendungsbereich des Art. IV des EuGVÜ-Protokolls und der EuZustellungsVO ist die remise au parquet nicht mehr zulässig, EuGH 13.10.2005, Rs C-522/03 – Scania NJW 2005, 3627 = RIW 2005, 940 = IPRax 2006, 157 (Stadler 116). Unter Hinweis auf dieses Urteil wird nunmehr auch die weitere Anwendbarkeit von § 184 ZPO im Anwendungsbereich des europäischen Gemeinschaftsrechts verneint, Heiderhoff EuZW 2006, 235, 237; Sharma, Zustellungen im Europäischen Binnenmarkt, 2003, 73.
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Anerkennung auf § 328 I Nr. 2 ZPO berufen.348 Der BGH konnte sich aber dieser Sichtweise bisher nicht anschließen.349 Die herrschende Meinung350 gibt dem Beklagten, der sich seiner Gerichtspflich- 2923 tigkeit nicht stellen will (weil er im Gerichtsstaat kein nennenswertes Vermögen hat), ein leicht zu handhabendes Instrument, die Anerkennung in seinem Wohnsitzstaat und in anderen Staaten zu verhindern: Er muss – aus seiner Sicht – alles daran setzen, die ordnungsgemäße (unmittelbare) Zustellung zu verhindern. Schließlich ist ja bekannt, dass mitunter Vorstände von Aktiengesellschaften „geschlossen abtauchen“, um eine Ersatzzustellung zu bewirken.351 Hinzu kommt, dass das Zustellungsrecht mit vielen Formvorschriften befrachtet ist, die in der Praxis – aus Unachtsamkeit der Zustellungsorgane – oft verletzt werden. Dies bedeutet für den Kläger eine nicht zumutbare Verzögerung und oft auch Vereitelung des effektiven Rechtsschutzes. Er hat in der Regel – mangels Beschwer – nach dem Recht des Erststaates keine Rechtsbehelfsmöglichkeiten, um Zustellungsfehler zu rügen.352 Nachdem der EuGH die Chance verpasst hatte, das EuGVÜ stimmiger und in sich schlüssiger zu interpretieren, musste der europäische Gesetzgeber eingrei-
348 R. Geimer NJW 1973, 2143; R. Geimer IPRax 1985, 6; R. Geimer IPRax 1988, 271; R. Geimer EuZW 1990, 355; R. Geimer EuZW 1991, 445; KG vom 20.2.1976, NJW 1977, 1016, 1018; LG Karlsruhe vom 14.5.1971, IPRspr. 1971 Nr. 146. Im Ergebnis übereinstimmend BGH vom 22.1.1997, NJW 1997, 2051. Vgl. auch (innerstaatlich) BVerfG vom 20.7.1989, NJW 1990, 107; BVerfG vom 24.1.1991, NJW 1991, 1411; Staudinger/ Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 22 EheGVO Rz. 17. Anders (aber durch Art. 34 Nr. 2 EuGVVO überholt) EuGH vom 27.11.1992, Rs C-123/91 – Minalmet/Brandeis Slg. 1992 I 5661 = JZ 1993, 357 (Stürner) = RIW 1993, 65 = EuZW 1993, 39 = Rev. crit. 1993; EuGH vom 10.10.1996, Rs C-78/95 – Bernardus Hendrikman und Maria Feyen/Magenta Druck & Verlag GmbH Slg. 1996, I-4943 = NJW 1997, 1061 = IPRax 1997, 333 (Rauscher 314) = EuZW 1996, 732 = ZZPInt 1997, 136 (H. Roth) = Rev. crit. 1997, 555 (Droz) = Clunet 1997, 621 (Huet) = Riv.dir.int.priv.proc. 1997, 497 = [1996] All E.R. (EC) 121; BGH vom 2.12.1992, BGHZ 120, 305 = NJW 1993, 598 = RIW 1993, 232 = FamRZ 1993, 311 = JZ 1993, 618 (Schack) = JR 1993, 410 (Rauscher) = ZZP 106 (1993), 391 (Schütze) = LM § 328 ZPO Nr. 42 (R. Geimer) = EWiR 1993, 201 (Otte) = IPRspr. 1992 Nr. 239; BGH vom 24.2.1999, BGHZ 140, 395 = NJW 1999, 2372 = RIW 1999, 457 und 536 = EuZW 1996, 732 = IPRax 1999, 371 (G. Schulze 342) = JR 1999, 841 (A. Staudinger) = JZ 1999, 1117 (H. Roth) = MDR 1999, 757 = ZIP 1999, 483, 484 = IPRspr. 1999 Nr. 154; OLG München vom 17.11.1994, GRUR 1995, 836 und 1996, 144 = IPRspr. 1994 Nr. 170; OLG Hamm vom 5.2.2002, IPRax 2004, 258 (König 236) = IPRspr. 2002 Nr. 188; LJV BadenWürttemberg vom 22.12.2000, FamRZ 2001, 1379 = IPRspr. 2002 Nr. 202a; OLG Stuttgart vom 30.1.2002, IPRspr. 2002 Nr. 202b; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 851; Stürner JZ 1992, 332; Braun, Der Beklagtenschutz nach Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ, 1992, 175. 349 BGH vom 22.7.2004, NJW 2004, 3189. 350 Nachweise z.B. bei Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 405. 351 Vgl. auch G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 12. 352 R. Geimer EuZW 1991, 447.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen fen.353 Er hat die erste Alternative des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ stark abgeschwächt. Denn im zusammenwachsenden Europa müssen auch die nationalen Justizapparate miteinander verknüpft und vernetzt werden. Sie können nicht isoliert und beziehungslos nebeneinander stehen bleiben. Genauso wie der Streit über Zuständigkeitsfragen vom EuGVÜ/LugÜ (grundsätzlich) im Erststaat konzentriert wird,354 muss der Streit über diffizile Zustellungsfragen dort seinen Schwerpunkt haben. Nur wenn der Beklagte im Erststaat keine Möglichkeit hatte, sich rechtliches Gehör zu verschaffen, sollte als „Notanker“ Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ bzw. § 328 I Nr. 2 ZPO greifen. Es kann aber auf die Dauer nicht angehen, dass ein nationaler Richter dem anderen nationalen Richter bescheinigt, sein Verfahren sei nicht ordnungsgemäß, da das rechtliche Gehör des Beklagten bei Verfahrenseinleitung verletzt worden sei, nur weil der Beklagte aus irgendwelchen taktischen Gründen es ablehnt, sich gegen die außerhalb seines Wohnsitzstaates erhobene Klage zu verteidigen und daher alles daransetzt, die (ordnungsgemäße) Zustellung in Frage zu stellen. Deshalb ist die neue Formulierung in Art. 34 Nr. 2 EuGVVO sehr gelungen. Um so mehr ist es zu bedauern, dass die Parallelbestimmungen in Art. 22 (b) und Art. 22 (c) EuEheVO auf halbem Wege stehen bleiben. Dort fehlt der Satz, dass derjenige sich auf den Versagungsgrund der nicht rechtzeitigen bzw. nicht ordnungsgemäßen Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks nicht berufen kann, der es versäumt hat, von den ihm im Erststaat zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfsmöglichkeiten Gebrauch zu machen.355 2925 Justizpolitisch ist der heutige Zustand mehr als unerfreulich, denn die Verweigerung der Anerkennung führt – unnötig – zu hinkenden Rechtsverhältnissen, zur Wiederholung der Prozesse (unnötige Belastung der Justiz) bzw. zu Rückforderungsprozessen. Die Ladung bzw. das verfahrenseinleitende Schriftstück braucht – entgegen der herrschenden Meinung – nur in der Gerichtssprache des Erststaates übermittelt worden sein, auch wenn das im Erststaat maßgebliche Zustellungsrecht bzw. das einschlägige Übereinkommen eine Übersetzung vorschreibt.356 Auf die Einhaltung des erststaatlichen Zustellungsrechts hat der Erstrichter zu achten, 353 Wie bereits in den Vorauflagen dieses Buches gefordert. 354 Art. 28 III 2 EuGVÜ/Art. 28 IV 2 LugÜ, Art. 35 III 2 EuGVVO, Art. 24 S. 2 EuEheVO. 355 Diese Dichotomie der Versagungsgründe führt zu wenig überzeugenden Lösungen, wenn es um die Anerkennung von im Entscheidungsverbund ergangenen Eheurteilen geht. Für die Anerkennung der Statusentscheidung (Scheidung, also Trennung des Ehebandes) ist Art. 15 der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 maßgeblich (vgl. Art. 1 I), ebenso für die Regelung der elterlichen Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten, nicht jedoch für den unterhaltsrechtlichen Teil der Entscheidung. Hier kommt Art. 34 Nr. 2 EuGVVO zum Zuge; für die sonstigen Scheidungsfolgen verbleibt es – soweit nicht eine staatsvertragliche Sonderregelung eingreift – beim autonomen Recht des § 328 I Nr. 2 ZPO. Zu den verschiedenen Rechtsquellen bei der Anerkennung von Eheverbundsentscheidungen R. Geimer IPRax 1994, 5. 356 Z.B. Art. IV EuGVÜ/LugÜ-Protokoll und die Erklärung der Bundesrepublik Deutschland zu Art. 5 III HZÜ (Bundestagsdrucksache 7/4892 S. 44; Pfeil-Kammerer, Deutschamerikanischer Rechtsverkehr in Zivilsachen, 1987, 103) in Verbindung mit § 3 AusfG, hierzu OLG Hamm RIW 1988, 131; BGH vom 17.12.1987, RIW 1988, 300; Bau-
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Anerkennung nicht aber der Zweitrichter. Wird dem Beklagten eine Ladung eines Gerichts zugestellt, dann hat er es in der Hand, die notwendigen Schritte beim Erstgericht zu unternehmen, um der einschlägigen Vorschrift Geltung zu verschaffen.357 Im Übrigen verlangen das HZPÜ (Art. 2 Satz 2, Art. 3 II) und die bilateralen Rechtshilfeverträge/Zusatzvereinbarungen zum HZPÜ sowie das HZÜ (Art. 5 III) bei formloser Zustellung (§ 69 ZRHO) – anders als bei förmlicher Zustellung (§ 71 I ZRHO)358 – keine deutsche Übersetzung,359 (Rz. 245c). Großzügiger auch bei förmlichen Zustellungen sind nunmehr Art. 5 I und Art. 8 I (b) EuZustellungsVO. Danach genügt die Abfassung in einer Sprache des Übermittlungsstaates, welche der Empfänger versteht. Der in Berlin wohnende Franzose, welcher der deutschen Sprache unkundig ist, kann danach nicht eine deutsche Übersetzung verlangen, wenn ihm ein französisches Gericht ein Schriftstück in seiner Muttersprache übersendet. Im Stadium der Anerkennung genügt es also, wenn das verfahrenseinleitende Schriftstück in der Gerichtssprache des Erststaates zugestellt worden war. Das Fehlen einer Übersetzung ist für sich allein noch kein Versagungsgrund.360 Al-
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mann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in Unterhaltssachen, 1989, 47. R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 131. Differenzierend Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 397 ff. Anders die herrschende Meinung, z.B. BGHZ 120, 305; BGH vom 6.5.2004, NJW 2004, 2386 = IPRax 2006, 47 (Hau 20). OLG Düsseldorf vom 2.9.1998, RIW 1999, 464 = IPRax 2000, 307 (Hüßtege 289) = IPRspr. 1998 Nr. 181. OLG Frankfurt vom 27.5.1986, RIW 1987, 627 = IPRspr. 1986 Nr. 177; OLG Bamberg vom 18.12.1986, RIW 1987, 541 (Gerth) = WM 1987, 541 = IPRspr. 1986 Nr. 185; BGH vom 17.12.1987, RIW 1988, 300 = WM 1988, 1208 = IPRspr. 1987 Nr. 160; OLG Koblenz vom 3.12.1990, RIW 1991, 860 = EuZW 1991, 157 = IPRspr. 1990 Nr. 203; OLG Koblenz vom 10.6.1991, RIW 1991, 667, 668 = IPRspr. 1991 Nr. 207. Näher G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 93. BayObLG vom 29.11.1974, BayObLGZ 1974, 471 = FamRZ 1975, 215 (R. Geimer) = IPRspr. 1974 Nr. 187; OLG Düsseldorf vom 19.10.1984, RIW 1985, 493 = IPRax 1985, 289 = IPRspr. 1984 Nr. 180; OLG Bamberg vom 18.12.1986, RIW 1987, 541 (Gerth) = WM 1987, 638 = IPRspr. 1986 Nr. 185; OLG Frankfurt vom 27.5.1986, RIW 1987, 627 = IPRax 1992, 169 (Nagel 150) = IPRspr. 1986 Nr. 177. Zutreffend weist OLG Oldenburg vom 22.8.1991, RIW 1991, 950 = IPRax 1992, 169 (Nagel 150) = IPRspr. 1991 Nr. 209 darauf hin, dass die remise au parquet eine reine Inlandszustellung ist, vergleichbar mit der nach § 184 ZPO. Die Übersendung einer Kopie des bei der Staatsanwaltschaft niedergelegten Schriftstücks ist lediglich eine Benachrichtigung (notification) über die im Erststaat bereits durchgeführte Zustellung (signification). Die Übermittlung einer Übersetzung ist nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit der Zustellung in Frankreich, die nach Art. 686 Nouveau Code de procédure civile eine Inlandszustellung ist, OLG Saarbrücken vom 24.11.1997, RIW 1998, 632. Deshalb spricht Art. 1 der deutschfranzösischen Zusatzvereinbarung nur im Verhältnis Deutschland – Frankreich von Zustellung (signification), nicht jedoch in umgekehrter Richtung Frankreich – Deutschland. Hier ist nur die Rede von Schriftstücken, die für Personen in Deutschland bestimmt sind. Das Wort „Zustellung“ wird vermieden, weil diese bereits in Frankreich erfolgt ist, Nagel IPRax 1992, 151; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 31 ff. Anderer Auffassung OLG Stuttgart vom 3.2.1983,
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen lerdings ist in solchen Fällen die Rechtzeitigkeit der Zustellung genau zu prüfen; denn dem Beklagten muss der für eine Übersetzung notwendige Zeitraum zur Verfügung gestanden haben.361 Mit diesem Regulativ lassen sich viel bessere und sachgerechtere Ergebnisse erzielen als mit der starren Linie des EuGH362 und des BGH.363 Wenn es tatsächlich den armen sprachunkundigen Laien in der tiefen Provinz gibt, der die ihm (tatsächlich) zugegangene Klageschrift bzw. Ladung vor ein ausländisches Gericht als solche nicht erkennt und auch bei vernünftiger Abwägung aller Umstände des Einzelfalls nicht erkennen kann, kann ihm geholfen werden. Wer aber weiß, dass ihm eine Klage droht, dem wird z.B. nicht abgenommen, er habe nicht gewusst oder wissen können, was ein „dag vaarding“ ist, jedenfalls dann, wenn er als (mittelständischer) Unternehmer bei den (früheren) Verhandlungen mit dem Kläger keinerlei Verständigungsprobleme hatte. 2927 Verfahrenseinleitendes Schriftstück ist das nach der jeweiligen Verfahrensordnung des Gerichtsstaats vorgesehene Schriftstück, durch welches der Beklagte bzw. Antragsgegner offiziell von dem gegen ihn eingeleiteten Verfahren Kenntnis erlangen soll,364 z.B. die Ladung nach Art. 53 franz. Nouveau Code de procédure civile, dagvaarding nach belgischem und niederländischem Recht (= Klageschrift, verbunden mit der Ladung zum Termin).365 Eine bloße Ladung mit der Aufforderung zur Einlassung genügt (unter den Voraussetzungen der Rz. 2927b) ebenso wie umgekehrt die Zustellung einer Klageschrift, auch die Ladung zu einem Vortermin oder die Zustellung eines Mahnbescheides.366 Ob die Ladung durch den
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IPRspr. 1983 Nr. 173; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 847. Das OLG Karlsruhe vom 12.3.1999, RIW 1999, 538 = IPRspr. 1999 Nr. 157 sieht einen Verstoß gegen Art. 12 EGV, da typischerweise Ausländer betroffen seien. Ähnlich Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in Unterhaltssachen, 1989, 72. EuGH vom 3.7.1990, Rs 305/88 – Lancray/Peters Slg. 1990, 2725 = RIW 1990, 927 = EuZW 1990, 352 (R. Geimer) = IPRax 1991, 177 (Rauscher 155) = Rev. crit. 1991, 161 (Droz). BGH vom 29.4.1999, BGHZ 141, 286 = JZ 2000, 107 (Stürner/Bormann 81) = NJW 1999, 3198 = RIW 1999, 698, 700 = LM § 328 Nr. 4852 (R. Geimer) = IPRax 2001, 230 (Haas 195) = IPRspr. 1999 Nr. 160. Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in Unterhaltssachen, 1989, 45; Verwilghen-Bericht Nr. 70; Martiny in Handbuch des internationalen Zivilverfahrensrechts III/2, 1984, Kap. II Rz. 365; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 378; OLG Koblenz vom 10.6.1991, RIW 1991, 667, 668 = IPRspr. 1991 Nr. 207. Art. 700 belg. Code Judiciaire, Art. 1 niederl. Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering, OLG Köln vom 23.1.2002, InVo 2002, 522 = IPRspr. 2002 Nr. 185. Siehe auch Schütze in Wieczorek/Schütze, ZPO und Nebengesetze3, 2007, § 328 ZPO Rz. 31. EuGH vom 13.7.1995, Rs C-474/93 – Hengst Import BV/Anna Maria Campese Slg. 1995 I 2113 = EuZW 1995, 803 = EWS 1995, 308 betreffend das decreto ingiuntivo im Sinne von Art. 633–656 Codice di procedura civile. Dieses ist zusammen mit der verfahrenseinleitenden Antragsschrift als ein „dieses Verfahren einleitendes Schriftstück oder ein gleichwertiges Schriftstück“ im Sinne des Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ bzw. nunmehr des Art. 34 Nr. 2 EuGVVO anzusehen. Hierzu Jayme/Kohler IPRax 1995, 349
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Anerkennung Kläger bzw. Antragsteller oder das Gericht erfolgt, ist gleichgültig, ebenso ob die Zustellung im Parteibetrieb oder von Amts wegen durchgeführt wird. Über den Inhalt des verfahrenseinleitenden Schriftstücks sagen § 328 I Nr. 2 2927a ZPO und § 109 I Nr. 2 FamFG nichts.367 Hält man allein das nationale Recht des jeweiligen Gerichtsstaates für die Modalitäten der Verfahrenseröffnung für maßgeblich, so hätte dies auch für den Inhalt des das Verfahren einleitenden Schriftstücks zu gelten. Diesem Ansatz368 ist der EuGH für den Bereich des EuGVÜ nicht gefolgt. Er hat gewisse Mindestanforderungen für den Inhalt des verfahrenseröffnenden Schriftstücks aufgestellt:369 Da dem Beklagten die Möglichkeit einer sorgsamen Verteidigung gesichert werden müsse, gehöre es zum notwendigen Inhalt eines verfahrenseinleitenden Schriftstücks, dass der Beklagte über „die Elemente des Rechtsstreits in Kenntnis gesetzt worden ist.“ Deshalb müssen ihm die wesentlichen Klagegründe mitgeteilt werden.370 Die Zustellung des claim form (früher: writ) im englischen Zivilprozess reicht danach nicht aus. Erforderlich ist vielmehr auch die Zustellung des statement of claim.371 Es wäre konsequent, wenn der EuGH für Auskunfts- bzw. Stufenklagen weitere Anforderungen aufstellen würde, um eine für den Beklagten möglichst überschaubare Konkretisierung des Verfahrensgegenstandes zu erreichen. Die EuGH-Rechtsprechung sollten die deutschen Gerichte auch für die Auslegung des § 328 I Nr. 2 ZPO übernehmen. Eine bloße Ladung genügt, sofern sich für den Geladenen hinreichend deutlich 2927b ergibt, dass das Verfahren gegen ihn gerichtet ist und um welchen Gegenstand es geht. Ein bestimmter Klageantrag ist nicht erforderlich.372 Es reicht aus, wenn der Beklagte aufgrund der Angaben im klageeinleitenden Schriftstück die Entscheidung sachgerecht zu treffen vermag, ob er sich auf das im Ausland schwebende Verfahren einlassen will oder nicht.373
367 368 369 370
371 372
373
und Kruis IPRax 2001, 56. Zum Zahlungsbefehl des österreichischen Mahnverfahrens OLG Brandenburg vom 23.4.1998, IPRspr. 1998 Nr. 186. Ebenso Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ, Art. 34 Nr. 2 EuGVVO Art. 22 (b) und Art. 23 (c) der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 (EuEheVO, Rz. 245c). Z.B. von Hüßtege IPRax 2000, 289, 290. Siehe auch Art. 16 EuVollstreckungstitelVO, Art. 7 EuMahnverfVO, Art. 4 EuBagatellverfVO. EuGH vom 21.4.1993, Rs 172/91 Sonntag/Waidmann Slg. 1993 I, 1963 Rz. 39 = NJW 1993, 2091 = IPRax 1994, 37 (Heß 10); EuGH vom 8.5.2008 Rs C-14/07 – Ingenieurbüro Weiss/IHK Berlin RIW 2008, 462 = IPRax 2008, 419 (Heß 400). R. Geimer in Festschrift Schweizer, 1999, 175, 183. BGH vom 29.4.1999, BGHZ 141, 286 = JZ 2000, 107 (Stürner/Bormann 81) = NJW 1999, 3198 = RIW 1999, 698, 700 = LM § 328 Nr. 4852 (R. Geimer) = IPRax 2001, 230 (Haas 195) = IPRspr. 1999 Nr. 160. Weitergehend Art. 6 des Haager Unterhaltsvollstreckungsübereinkommens (UVÜ); danach muss das verfahrenseinleitende Schriftstück „mit den wesentlichen Klagegründen“ zugestellt worden sein, OLG Hamm vom 23.1.1996, IPRspr. 1996 Nr. 185; Verwilghen-Bericht Nr. 70; Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in Unterhaltssachen, 1989, 45. Umfassende Nachweise bei M. Frank, Das verfahrenseinleitende Schriftstück in Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ, LuganoÜbereinkommen und in Art. 6 Haager Unterhaltsübereinkommen 1973, 1998.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen 2927c Ist das erststaatliche Verfahren ordnungsgemäß eröffnet, dann ist der Schutzbereich des § 328 I Nr. 2 ZPO „erschöpft“. Die weitere Kontrolle des erststaatlichen Verfahrens erfolgt über die ordre public-Klausel des § 328 I Nr. 4 ZPO, Rz. 2945. 2927d
§ 328 I Nr. 2 ZPO gilt deshalb nicht für klageerweiternde bzw. klageändernde Schriftsätze.374 Auch der Vollstreckungsbescheid fällt – beim zweistufigen Mahnverfahren (Rz. 2944) – nicht mehr unter § 328 I Nr. 2 ZPO.375
2927e Allerdings genügt Zustellung der Strafklage nicht, wenn (nachher) im Adhäsionsverfahren auch zivilrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden, Rz. 2077. Die allgemeine Möglichkeit, dass nach dem Recht des Erststaates die Zivilklage mit der Strafklage verbunden werden kann, reicht nicht aus.376 2927f Wird ein weiterer Beklagter in das Verfahren miteinbezogen, dann muss ihm das Schriftstück, das sich auf seinen Verfahrenseintritt bezieht, nach Maßgabe von § 328 I Nr. 2 ZPO zugestellt worden sein. 2928 Trotz ordnungsgemäßer Zustellung ist nicht auszuschließen, dass der Beklagte von dem Erstprozess keine Kenntnis erhalten hat und ihm deshalb das rechtliche Gehör bei Eröffnung des Verfahrens abgeschnitten wird. In Betracht kommen vor allem die Fälle der öffentlichen Zustellung oder der remise au parquet.377 Auch bei Ersatzzustellungen378 ist nicht sichergestellt, dass der Beklagte (= Zustellungsadressat) tatsächlich Kenntnis vom Zustellungsvorgang und vom Inhalt der zugestellten Schriftstücke erhält. Deshalb sieht § 328 I Nr. 2 ZPO eine zusätzliche Sicherung vor: Die Anerkennung ist zu versagen, wenn das den Erstprozess einleitende Schriftstück dem Beklagten nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich hätte verteidigen können. Es handelt sich um eine Ausnahmevorschrift, die im Interesse der Rechtssicherheit eng auszulegen
374 G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 118. Anderer Auffassung Stürner JZ 1992, 325, 332; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 18 EheGVO Rz. 96. 375 So zu Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ EuGH vom 16.6.1981, Rs 166/80 – Klomps/Michel Slg. 1981, 1593 = RIW 1981, 781 = IPRax 1982, 14 (Nagel 5) = Rev. crit. 1981, 726 (Mezger) = Clunet 1981, 893 (Huet) = Riv. dir. int. priv. proc. 1982, 141. 376 Stürner JZ 1992, 333. Anderer Ansicht EuGH vom 21.4.1993, Rs C-172/91 – Sonntag/ Waidmann – Slg. 1993, I 1963 Nr. 44 = NJW 1993, 2091 = IPRax 1994, 37 (Heß 10, 16); Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht8, 2005, Art. 27 Rz. 25 („vorhersehbar“); ausführlich M. Frank, Das verfahrenseinleitende Schriftstück in Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ, Lugano-Übereinkommen und in Art. 6 Haager Unterhaltsübereinkommen 1973, 1998, 188 ff. 377 Im Anwendungsbereich des Art. IV des EuGVÜ-Protokolls und der EuZustellungsVO ist die remise au parquet nicht mehr zulässig, EuGH 13.10.2005, Rs C-522/03 – Scania NJW 2005, 3627 = RIW 2005, 940 = IPRax 2006, 157 (Stadler 116). Unter Hinweis auf dieses Urteil wird nunmehr auch die weitere Anwendbarkeit von § 184 ZPO im Anwendungsbereich des europäischen Gemeinschaftsrechts verneint, Heiderhoff EuZW 2006, 235, 237; Sharma, Zustellungen im Europäischen Binnenmarkt, 2003, 73. 378 Z.B. §§ 178–181 ZPO, §§ 181–185 ZPO FRCP 4 [d] 1. Nachweise hierzu z.B. bei Hopt/ Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 78, 85.
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Anerkennung ist: Sobald feststeht, dass die Möglichkeit bestand, sich rechtliches Gehör zu verschaffen, scheidet dieser Versagungsgrund aus.379 Eine Zustellung ist daher auch dann rechtzeitig, wenn dem Beklagten zwar eine verhältnismäßig kurze Erwiderungsfrist gesetzt wurde, diese aber nach dem erststaatlichen Recht aufgrund begründeten Antrags ausreichend verlängert wird.380 Bei fiktiven Zustellungsformen stellt sich im Zusammenhang mit dem Rechtzei- 2928a tigkeitserfordernis die Frage, ob es überhaupt eine Möglichkeit der rechtzeitigen Verteidigung gibt, wenn feststeht, dass der Beklagte von der gegen ihn im Erststaat erhobenen Klage keine Kenntnis erlangt hat. Anders als manche (ältere) Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen381 wird die öffentliche Zustellung im HUVÜ und LugÜ-I nicht verbis expressis als absolutes Anerkennungshindernis apostrophiert. Gleichwohl sehen hier einige ein nicht überwindbares Hindernis für die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung der ausländischen Versäumnisentscheidung, wenn diese dem Beklagten nicht zur Kenntnis gelangt ist.382 Der BGH383 lässt dagegen zu Recht eine „Fiktion der Kenntnisnahme“ unter bestimmten Voraussetzungen genügen und stellt klar, dass die öffentliche Zustellung „kein generelles Anerkennungshindernis“ darstellt, weil „auch im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr nicht derjenige Schuldner begünstigt werden solle, der sich der Rechtsprechung im Ursprungsstaat durch Aufenthalt an einem unbekannten Ort entzieht.“ Er verlangt eine Ab-
379 Anders EuGH vom 27.11.1992, Rs C-123/91 – Minalmet/Brandeis Slg. 1992 I 5661 = JZ 1993, 357 (Stürner) = RIW 1993, 65 = EuZW 1993, 39 = Rev. crit. 1993, 85; EuGH vom 10.10.1996, Rs C-78/95 Hendrikman und Feyen/Magenta Druck & Verlag GmbH Slg. 1996, I-4943 = NJW 1997, 1061 = IPRax 1997, 333 (Rauscher 314) = EuZW 1996, 732 = ZZPInt 1997, 136 (H. Roth) = Rev. crit. 1997, 555 (Droz) = Clunet 1997, 621 (Huet) = Riv.dir.int.priv.proc. 1997, 497 = [1996] All E.R. (EC) 121; BGH vom 23.1.1986, RIW 1986, 302 = NJW 1986, 2196 = IPRax 1986, 366 (Walter 349); BGHZ 120, 305 (Rz. 2922) = NJW 1993, 598 = RIW 1993, 232 = LM § 328 ZPO Nr. 42 (R. Geimer); Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 406. 380 BGH vom 29.4.1999, BGHZ 141, 286 = JZ 2000, 107 (Stürner/Bormann 81) = NJW 1999, 3198 = RIW 1999, 698, 701 = LM § 328 Nr. 4852 (R. Geimer) = IPRax 2001, 230 (Haas 195) = IPRspr. 1999 Nr. 160; Vorinstanz: OLG Hamm vom 4.6.1997, IPRspr. 1997 Nr. 133. Siehe auch BayObLG vom 13.3.2002, FamRZ 2002, 1423 = IPRspr. 2002 Nr. 204. 381 Zusammenstellung bei G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 145 Fußn. 73. 382 Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 384; Gottwald in Münchener Kommentar zur ZPO3, 2008, § 328 ZPO Rz. 83. Flexibler argumentiert Schütze in Wieczorek/Schütze, ZPO und Nebengesetze3, 2007, § 328 Rz. 37: Bei öffentlicher Zustellung müsse zwar im Grundsatz der Beklagte „genügend Zeit haben, einen Anwalt zu konsultieren, der auf ausländische Prozessführung spezialisiert ist. Dieser wiederum muss in der Lage sein, in der bestimmten Frist zu einem erststaatlichen Anwalt Kontakt aufzunehmen“. … Dabei müsse man jedoch immer das Interesse des Klägers berücksichtigen. „Flüchtet sich der Beklagte an einen unbekannten Aufenthaltsort, um der Zustellung zu entgehen, dann sei auch eine fiktive Zustellung rechtzeitig“. 383 BGH vom 28.11.2007, MDR 2008, 333 = BGHR 2008, 391 = IHR 2008, 74.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen wägung zwischen den schützenswerten Interessen des Gläubigers und des Schuldners bei der Beantwortung der Frage, ob im konkreten Einzelfall der am ausländischen Erkenntnisverfahren nicht beteiligte Beklagte sich im Exequaturverfahren „auf die seine Verteidigungsmöglichkeiten beschränkende Ineffektivität der (ordnungsgemäßen) fiktiven Zustellung berufen kann“.384 Insbesondere kann regelmäßig vermutet werden, dass eine Zustellung an die letzte bekannte Adresse rechtzeitig erfolgt ist.385 Im Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsstadium ist ein dem Beklagten zurechenbares Verhalten als einer der Umstände zu berücksichtigen, anhand deren festzustellen ist, ob die Zustellung „rechtzeitig“ erfolgt ist.386 So ist es zumutbar und zu fordern, z.B. durch einen Postnachsendeauftrag sicherzustellen, dass den Beklagten Zustellungen unter der neuen Anschrift sicher erreichen.387 2928b
Dies ist verfassungskonform und vereinbar mit der international-menschenrechtlichen bzw. gemeinschaftsrechtlichen Garantie eines fairen Verfahrens in Art. 6 EMRK bzw. (künftig) in Art. 47 II der Europäischen Grundrechte-Charta. Denn dem Recht auf ein faires Verfahren ist die Notwendigkeit eines balancing test inhärent:388 Die Verfahrensrechte des Beklagten dürfen nicht verabsolutiert werden. Sie stehen nur auf der einen Seite der Medaille „faires Verfahren“. Auf deren anderen Seite sind die Rechte des Klägers eingraviert; diese lauten: Justizgewährung und effizienter Rechtsschutz in angemessener Zeit. Daher steht die These vom absoluten Anerkennungshindernis verfassungs- und internationalmenschenrechtlich auf tönernen Füßen.389
2929 Der Zweitrichter kann im Zweifel davon ausgehen, dass ein Beklagter seine Verteidigung bereits dann vorbereiten kann, wenn das das Verfahren einleitende Schriftstück seinen Wohnsitz erreicht hat. Er kann sich auf die Prüfung beschränken, ob der von dem Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Zustellung an zu berechnende Zeitraum dem Beklagten ausreichend Zeit für seine Verteidigung gelassen hat. Auf Rüge des Beklagten hat der Zweitrichter jedoch zu untersuchen, ob außergewöhnliche Umstände vorliegen, welche die Annahme nahe legen, dass die Zustellung, obgleich ordnungsgemäß erfolgt, dennoch nicht genügte, um den Beklagten in die Lage zu versetzen, Schritte zu seiner Verteidigung einzuleiten.390 Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, wie z.B. Art und Weise der Zustellung (Fehlen des Vornamens des Zustellungsadressaten),391 Beziehung zwischen den Parteien (z.B. ständige Geschäftsbeziehung), die Art der Maßnahmen, die zur Vermeidung der Versäumnisentscheidung einzuleiten waren. Wurde die verfahrenseinleitende Zustellung durch Niederlegung vollzogen und hat
384 Ebenso im Ergebnis OLG München vom 11.12.2007, OLGR 2008, 272. 385 EuGH vom 11.6.1985, Rs. 49/84, Slg. RIW/AWD 1985, 967, 970 Rz. 31. cvcv. 386 EuGH vom 11.6.1985, RIW/AWD 1985, 967, 970 Rz. 32. Siehe auch BGH vom 2.10.1991, MDR 1992, 515 = NJW 1992, 1239. 387 OLG München vom 11.12.2007, OLGR 2008, 272. 388 G. Geimer a.a.O. 12. 389 R. Geimer LMK 2008, 253019 (46, 51). 390 EuGH vom 11.6.1985, Rs 49/84 – Debaeker/Bouwman Slg. 1985, 1779 = NJW 1986, 1425 (L) = RIW 1985, 967. 391 OLG Düsseldorf vom 13.12.1984, RIW 1985, 897 = IPRspr. 1984 Nr. 182.
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Anerkennung deshalb das zuzustellende Schriftstück den Beklagten nicht erreicht, hat aber der Kläger während des erststaatlichen Erkenntnisverfahrens von der neuen Adresse des Beklagten erfahren, dies aber dem Gericht nicht mitgeteilt, so dass ein erneuter Zustellungsversuch unterblieb und Versäumnisurteil erging, so will der EuGH392 ebenfalls auf die Umstände des Einzelfalls abstellen.393 Bei der Prüfung des § 328 I Nr. 2 ZPO ist der deutsche Richter an die Feststellungen des Erstrichters nicht gebunden.394
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Die von § 328 I Nr. 2 ZPO bzw. Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ vorgeschriebene Prü- 2931 fung, ob das erststaatliche Zustellungsrecht bei Beginn des ausländischen Prozesses eingehalten worden ist,395 findet nur statt, wenn der Beklagte „sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat“. Dem Begriff „Einlassung“ kommt mithin eine zentrale Bedeutung im internationalen Anerkennungsrecht zu. Er darf nicht verwechselt werden mit der kompetenzbegründenden Einlassung gemäß § 39 ZPO (Rz. 1397). Der Begriff Einlassung ist im Hinblick auf den Normzweck weit auszulegen.396 § 328 I Nr. 2 ZPO bzw. § 109 I Nr. 2 FamFG397 will den Anspruch auf rechtliches Gehör sichern, nicht aber dem böswilligen Schuldner einen bequemen Weg eröffnen, die Anerkennung unter Berufung auf die Nichteinhaltung solcher Formalien verhindern zu können, die seinen Anspruch auf rechtliches Gehör nicht tangieren.398 Einlassung ist jede Handlung, durch die der Beklagte sich gegen den Angriff des Klägers verteidigt, aber auch jede über die bloße Passivität hinausgehende Reaktion des Beklagten, aus der sich ergibt, dass er von der gegen ihn erhobenen Klage Kenntnis erlangt hat.399 Ob die Handlung des Beklagten nach dem Recht des Erststaates relevant ist oder nicht, spielt keine Rolle. 392 EuGH vom 11.6.1985, Rs 49/84 – Debaeker/Bouwman Slg. 1985, 1779 = NJW 1986, 1425 (L) = RIW 1985, 967. 393 Beispiel: Beklagter befindet sich im Ausland in Haft und kann deshalb seine Verteidigung nicht organisieren, BayObLGZ vom 11.10.1999, FamRZ 2000, 1170 = IPRspr. 1999 Nr. 172. Vgl. auch OLG Köln vom 14.1.2000, Insolvenz & Vollstreckung 2000, 324 = IPRspr. 2000/147; OLG München vom 11.12.2007, OLGR 2008, 272. Siehe auch R. Geimer LMK 2008, 253019 (46). 394 Ebenso EuGH vom 15.7.1982, Rs 228/81 – Pendy Plastic/Pluspunkt Slg. 1982, 2723 = IPRax 1985, 25 (R. Geimer 6) = Rev. crit. 1983, 521 (Droz) = Clunet 1982, 960 (Huet) = Riv.dir. int priv. proc. 1982, 884; vgl. auch R. Geimer in Festschrift Schütze, 1999, 205, 208. 395 Anders nunmehr Art. 34 Nr. 2 EuGVVO sowie Art. 22 (b) und Art. 23 (c) der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 (EuEheVO, Rz. 245c). 396 Zustimmend OLG Köln vom 12.1.2004, OLGR 2006, 222 = IPRspr. 2004 Nr. 155. 397 An die Stelle der „Einlassung“ tritt in § 109 I Nr. 2 FamFG die „Äußerung zur Hauptsache“. 398 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 843. Enger Linke, Internationales Zivilprozessrecht4, 2006, Rz. 403; Landesjustizverwaltung Baden-Württemberg vom 31.5.1990, FamRZ 1990, 1015, 1018 = IPRspr. 1990 Nr. 219; OLG Köln vom 8.12.1989, IPRax 1991, 114 (Linke 92). 399 Zu Recht betont OLG Hamm vom 5.7.1978, RIW 1978, 689 = IPRspr. 1978 Nr. 162, dass aus jeder „Meldung“ bei dem ausländischen Gericht klar wird, dass die beklagte Partei die Ladung erhalten hat. Vgl. auch OLG Hamm 28.12.1993, NJW-RR 1995, 189 = RIW 1994, 243 = IPRspr. 1993 Nr. 182; OLG Düsseldorf vom 18.9.1996, RIW 1996, 1043 = IPRspr. 1996 Nr. 181.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen 2933 Beispiel: Gegen einen im Inland ansässigen Beklagten wird im Ausland Klage erhoben. Der Anwalt des Beklagten schreibt dem Anwalt des Klägers, seine Partei erkenne den Klageanspruch an; im Interesse der Kostenersparnis werde er keinen Anwalt im Gerichtsstaat beauftragen, es solle vielmehr Versäumnisurteil ergehen. Hier kann sich der Beklagte auf den Versagungsgrund des § 328 I Nr. 2 ZPO nicht berufen.400 Das Gleiche gilt, wenn der Beklagte gegen in seiner Abwesenheit ergangene Entscheidung Rechtsmittel einlegt.401 Nach herrschender Meinung liegt dagegen noch keine Einlassung vor, wenn der Beklagte im erststaatlichen Verfahren nur die nach dem Recht des Erststaates mangelhafte Zustellung rügt402 oder die internationale Zuständigkeit des Gerichtsstaates bestreitet.403 2934 Die für den Beklagten von einem ohne sein Wissen oder gegen seinen Willen vom ausländischen Gericht bestellten Verfahrenspfleger (Kurator) vorgenommenen Prozesshandlungen stellen keine Einlassung im Sinne des § 328 I Nr. 2 ZPO dar, auch wenn dieser außerhalb des Verfahrens mit einem von dem Beklagten bevollmächtigten Anwalt korrespondiert hat.404 Hat sich der Beklagte im vorstehenden Sinne eingelassen, dann entfällt das Anerkennungshindernis des § 328 I Nr. 2 ZPO ohne Rücksicht darauf, ob er sich am Verfahren beteiligt hat. Dies gilt auch, wenn der vom Beklagten beauftragte Rechtsanwalt im Laufe des Verfahrens sein Mandat niederlegt und deshalb Versäumnisurteil ergeht.405 2934a Falsus procurator – Auftreten eines angeblich mandatierten Vertreters des Beklagten im Erstverfahren: Unter § 328 I Nr. 2 ZPO und Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/ LugÜ bzw. Art. 34 Nr. 2 EuGVVO sind auch die Fälle zu subsumieren, in denen im Erstverfahren für den Beklagten ein falsus procurator auftritt, z.B. ein Anwalt, welchen der Beklagte nicht beauftragt hatte. Denn ein Beklagter, der von dem gegen ihn eingeleiteten Verfahren keine Kenntnis hat und für den vor dem Gericht des Urteilsstaates ein Rechtsanwalt oder sonstiger Prozessvertreter erscheint, den er nicht beauftragt hat, ist – ohne Rücksicht auf die Ordnungsmäßigkeit der Zustellung nach dem Recht des Erststaates – außerstande, sich zu verteidigen.406 Im Übrigen gelten die vorstehenden Erwägungen auch hier. 400 Zustimmend Gottwald in Münchener Kommentar zur ZPO3, 2008, § 328 Rz. 84. 401 BayObLG vom 7.5.2003, FamRZ 2004, 274, 275. 402 EuGH 14.10.2004; BGH vom 22.7.2004 NJW 3189; Landesjustizverwaltung BadenWürttemberg vom 31.5.1990, FamRZ 1990, 1015 = IPRspr. 1990 Nr. 219. 403 Nachweise z.B. bei Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 82. 404 BayObLG vom 24.11.1978, IPRspr. 1978 Nr. 176; OLG Hamm vom 27.7.1995, NJW-RR 1996, 773 = FamRZ 1996, 178 = IPRspr. 1995 Nr. 175; OLG Hamm vom 7.12.1995, FamRZ 1996, 951, 952 = IPRspr. 1995 Nr. 176. Zu prüfen ist aber, ob nicht eine Heilung nach § 187 ZPO eingetreten ist. 405 BGH vom 19.9.1977, RIW 1978, 410, 411 = NJW 1978, 1115; OLG Karlsruhe vom 3.12.1990, RIW 1991, 859. 406 Der EuGH wendet Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ auch in Fällen fehlender bzw. unwirksamer Prozessvollmacht des vor dem ausländischen Gericht auftretenden Rechtsanwalts an, EuGH vom 10.10.1996, Rs C-78/95 – Hendrikmann und Feyen/Magenta Druck & Verlag GmbH Slg. 1996, I-4943 = NJW 1997, 1061 = IPRax 1997, 333 (Rauscher 314) = EuZW 1996, 732 = ZZPInt 1997, 136 (H. Roth) = Rev. crit. 1997, 555 (Droz) = Clunet
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Anerkennung Verfahrenseinheit: Wurde die verfahrenseinleitende Ladung oder Verfügung für ein Vorverfahren dem Beklagten ordnungsgemäß zugestellt, dann hat er selbst dafür zu sorgen, dass er in dem anschließenden Verfahren gehört wird. Eine erneute Prüfung der Kautelen des § 328 I Nr. 2 ZPO in Bezug auf das anschließende Verfahren ist nicht erforderlich.407 Wurde der ausländische Prozess mit einer Strafklage begonnen und wurde im Strafprozess später auch die Zivilklage erhoben, muss diese nach § 328 I Nr. 2 ZPO zugestellt worden sein, Rz. 2927. Rüge des Beklagten: § 328 I Nr. 2 ZPO bzw. § 109 I Nr. 2 FamFG dient ausschließlich dem Schutz des Beklagten bzw. Antragsgegners. Es besteht deshalb kein Anlass, dass der Zweitrichter von Amts wegen den Versagungsgrund prüft. Auch der Kläger bzw. Antragsteller des erststaatlichen Erkenntnisverfahrens kann nicht unter Berufung darauf, dass seinem Gegner das rechtliche Gehör verweigert wurde, die Nichtanerkennung des Urteils betreiben. Will sich der Beklagte im Zweitverfahren auf § 328 I Nr. 2 ZPO bzw. Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 34 Nr. 2 EuGVVO berufen, so muss er dies in limine litis tun.408 Sonst ist er präkludiert. Wenn über den Anerkennungs- bzw. Vollstreckbarerklärungsantrag im einseitigen Verfahren (ohne Beteiligung des Antraggegners) nach Art. 26 II, Art. 34 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 33 II, Art. 41 EuGVVO zu entscheiden ist, wird nicht geprüft, ob die Ladung des Beklagten zum erststaatlichen Verfahren ordnungsgemäß war. Es bleibt vielmehr dem Beklagten vorbehalten, durch Beschwerde zum Oberlandesgericht409 die Rüge der nicht ordnungsgemäßen Ladung zu erheben. Tut er dies, so trägt der Kläger des erststaatlichen Verfahrens (Antragsteller) die Darlegungs- und Beweislast für die ordnungsgemäße Zustellung.410 Kann dieser die
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1997, 621 (Huet) = Riv.dir.int.priv.proc. 1997, 497 = [1996] All E.R. (EC) 121; BGH vom 24.2.1999, BGHZ 140, 395 = NJW 1999, 2372 = RIW 1999, 457 und 536 = EuZW 1996, 732 = IPRax 1999, 371 (G. Schulze 342) = JR 1999, 841 (A. Staudinger) = JZ 1999, 1117 (H. Roth) = MDR 1999, 757 = ZIP 1999, 483, 484 = IPRspr. 1999 Nr. 154. R. Geimer NJW 1973, 2141; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 379; BayObLG vom 2.6.1978, BayObLGZ 1978, 132 = IPRspr. 1978 Nr. 174. Nach LG Hamburg vom 16.8.1974, DAVorm 1974, 682 = IPRspr. 1974 Nr. 178 reicht es aus, wenn der Unterhaltsschuldner im vorhergehenden Abstammungsverfahren gehört wurde. Rechtliches Gehör sei nicht mehr notwendig bei der Festsetzung des Normalunterhaltsbetrages (vergleichbar mit Regelunterhalt); Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in Unterhaltssachen, 1989, 45. Ebenso bei Kostenfestsetzung nach Muster von § 104 ZPO. Hierzu M. J. Schmidt, Die internationale Durchsetzung von Rechtsanwaltshonoraren, 1991, 196. Anderer Auffassung BayObLG a.a.O. für Verhältnis zwischen Separationsverfahren und Scheidungsprozess. Skeptisch auch Mezger IPRax 1985, 302. Siehe auch LJV Baden-Württemberg vom 22.12.2000, FamRZ 2001, 1379 = IPRspr. 2002 Nr. 202a und OLG Stuttgart vom 30.1.2002, IPRspr. 2002 Nr. 202b. Art. 37 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 43 EuGVVO. Nach Art. 33 ff. EuGVVO ist – anders als nach Art. 37 II (b) EuEheVO – die Vorlage der Zustellungsurkunde nicht erforderlich. Jedoch ist in der Bescheinigung über die relevanten Daten (Art. 53 II, Art. 54) der Zeitpunkt der Zustellung anzugeben. Hierzu R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A1 – Art. 53 EuGVVO Rz. 84.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen Zustellungsurkunde411 nicht vorlegen, so bleibt es ihm unbenommen, andere Beweismittel beizubringen, Rz. 2943.412 2939 Streitverkündung: § 328 I Nr. 2 ZPO schützt nur den Beklagten.413 Der Anspruch des Streitverkündungsempfängers auf rechtliches Gehör ist über § 328 I Nr. 4 ZPO zu gewährleisten, Rz. 2947. Im Falle einer Verletzung dieses Anspruchs, die mit erststaatlichen Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen nicht beseitigt werden konnte, entfällt lediglich die Anerkennung der Streitverkündungswirkung, nicht aber die der sonstigen Wirkungen (res iudicata-, Gestaltungswirkung) inter partes, wenn nicht insoweit auch ein Verfahrensmangel vorliegt, Rz. 3071. Das gilt auch für den Beklagten einer Garantieklage bzw. eines third party procedure.414 2940 Widerklage: § 328 I Nr. 2 ZPO gilt auch nicht für den Widerbeklagten (= Kläger/ Antragsteller);415 der verfahrensrechtliche Mindeststandard ist ebenfalls über § 328 I Nr. 4 ZPO durchzusetzen, Rz. 2959. 2941 Eine Nachholung des rechtlichen Gehörs im deutschen Zweitverfahren kommt – wenn der Beklagte die Rüge gemäß § 328 I Nr. 2 ZPO rechtzeitig erhoben hat – nicht in Betracht.416 2942 Der vorstehende Prüfungsumfang wird durch Art. 6 I EMRK nicht erweitert. Zwar ist Art. 6 I EMRK auch im Anerkennungsstadium durchzusetzen und begründet daher gegebenenfalls – selbständig neben § 328 I Nr. 2 ZPO – ein Anerkennungshindernis. Doch genügt die vorstehende Handhabung der Nr. 2 den Anforderungen des Art. 6 I EMRK.417 Nicht anders ist die Rechtslage im Hinblick auf Art. 103 I GG.418 2943 Nachweis der ordnungsgemäßen Zustellung nach dem Recht des Erststaates kann mit allen Beweismitteln geführt werden. Dies gilt auch im Anwendungsbereich der völkerrechtlichen Verträge und des europäischen Gemeinschaftsrechts (Rz. 245c); die dort enthaltenen Bestimmungen über die Vorlage von Zustellungsurkunden (bei Versäumnisentscheidungen)419 wollen nur die Be-
411 Art. 46 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ, Art. 53 II EuGVVO. 412 Art. 48 I EuGVÜ/LugÜ sowie Art. 55 I EuGVVO. Hierzu R. Geimer IPRax 1985, 8; anderer Auffassung Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. II Rz. 129. 413 Anderer Auffassung OLG München vom 17.11.1994, GRUR 1995, 836 und 1996, 144 = IPRspr. 1994 Nr. 170; Kallmann, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile und gerichtlicher Vergleiche, 1946, 295; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 376. 414 Hierzu Goetze, Vouching In und Third Party Practice, 1993, besprochen von de Lousanoff ZZP 109 (1996), 237. 415 Anderer Auffassung Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 377. 416 LG Frankfurt a.M. vom 5.2.1986, NJW-RR 1986, 742 = IPRspr. 1986 Nr. 173. – Vgl. aber auch R. Geimer ZZP 103 (1990), 483. 417 Das Gleiche wird künftig für Art. 47 II EuGrundrechtecharta gelten. 418 Vgl. BVerfG vom 21.5.1987, NJW 1988, 1462. 419 Wie z.B. Art. 46 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ sowie Art. 37 II (b) EuEheVO. Siehe auch oben Fußn. 340.
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Anerkennung weisführung für den Antragsteller erleichtern, nicht jedoch andere Beweismittel ausschließen.420 § 328 I Nr. 2 ZPO, § 109 I Nr. 2 FamFG, Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ/LugÜ I bzw. Art. 34 2944 Nr. 2 EuGVVO/LugÜ II verlangen nicht die Zustellung der zur Anerkennung anstehenden bzw. für vollstreckbar zu erklärenden Entscheidung des ausländischen Gerichts.421 So fällt beim zweistufigen Mahnverfahren der Mahnbescheid unter Nr. 2, nicht jedoch der Vollstreckungsbescheid.422 Anders ist es im einstufigen Modell des österreichischen Rechts.423 Auf den Mahnbescheid folgt nicht – wie in Deutschland nach § 699 ZPO – der Vollstreckungsbescheid. Der österreichische Mahnbescheid ist sowohl verfahrenseinleitendes Schriftstück im Sinne von Nr. 2 als auch Sachentscheidung bzw. Vollstreckungstitel, wenn nicht fristgerecht Einspruch eingelegt wird.424 Liegt nach dem Recht des Erststaates (noch) mangels Zustellung kein existentes Urteil vor, kann dies keine Wirkungen entfalten, die Gegenstand der Anerkennung sein könnten, Rz. 2889. Ist jedoch trotz fehlender (wirksamer) Zustellung nach dem Recht des Erststaates eine wirksame Entscheidung gegeben, taucht allenfalls die Frage auf, ob das erststaatliche Verfahren ordre public-widrig ist. Dies ist grundsätzlich zu verneinen, Rz. 2960.425 Sammelklagen: Besonders gefährdet ist das rechtliche Gehör bei sog. Sammel- 2944a klagen (Class actions)426 sowohl bei der Einleitung des Verfahrens als auch bei der Durchführung desselben.427 420 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1458 Fußn. 4; II 143. Vgl. auch EuGH vom 14.3.1996, Rs C-275/94 – van der Linden/Berufsgenossenschaft der Feinmechanik RIW 1996, 505 = EuZW 1996, 240. Anderer Auffassung OLG Koblenz vom 10.6.1991, RIW 1991, 667 = IPRspr. 1991 Nr. 207. Für Nachweis der Ordnungsmäßigkeit des erststaatlichen Verfahrens sind alle Beweismittel zulässig, OLG Hamm vom 5.8.1992, RIW 1993, 148 = IPRspr. 1992 Nr. 224. 421 R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 34 EuGVVO Rz. 126; OLG Köln vom 17.9.2007, OLGR 2008, 81, 82. 422 EuGH vom 16.6.1981, Rs 166/80 – Klomps/Michel Slg. 1981, 1593 = RIW 1981, 781 = IPRax 1982, 14 (Nagel 5); Wagner RIW 1995, 96. Zu den verschiedenen Varianten der Versäumnisverfahren in den Vertragsstaaten Martin Frank, Das verfahrenseinleitende Schriftstück in Art. 27 Nr. 2 EuGVÜ, Lugano-Übereinkommen und in Art. 6 Haager Unterhaltsübereinkommen 1973, 1998, 130 ff. 423 Rechtsvergleichend z.B. Sujecki, Das elektronische Mahnverfahren – Eine rechtsvergleichende und europarechtliche Untersuchung, 2008. 424 R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A1 – Art. 34 EuGVVO Rz. 124. 425 R. Geimer ZZP 103 (1990), 490. Sehr großzügig auch BGH vom 18.9.2001, RIW 2002, 63. Anderer Auffassung unter Hinweis auf Art. 47 Nr. 1 EuGVÜ/LugÜ OLG Koblenz vom 10.6.1981, RIW 1991, 667, 669. 426 Zur amerikanischen Sicht der Dinge Buxbaum, Defining the Function and Scope of Group Litigation: The Role of Class Actions for Monetary Damages in the United States, in Gottwald (ed.), Europäisches Insolvenzrecht – Kollektiver Rechtsschutz, 2008, 215, 220 ff. Siehe auch die Nachweise bei Hohl, Die US-amerikanische Sammelklage im Wandel, 2008. 427 Hierzu z.B. Baumgartner, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile in der Schweiz: Neuere Entwicklungen, in Leuenberger/Guy ed.), Stiftung für
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen 2944b
Art 13 ff. der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels verdrängen weder das im jeweiligen Gerichtsstaat geltende völkervertragliche noch das nationale Zustellungsrecht, auch nicht die Regeln der EuZustellungsVO, Art. 28. Sie sind vielmehr nur „Beurteilungsnormen“: Ihre Einhaltung ist Voraussetzung für die Bestätigung von gerichtlichen Säumnisentscheidungen als europäische Vollstreckungstitel, Rz. 3186. bb) Ablauf des Verfahrens im Erststaat
2945 Nicht nur bei Verfahrenseröffnung (Rz. 2914) können so schwerwiegende Fehler im Erststaat passieren, dass eine Anerkennung der ausländischen Sachentscheidung nicht in Betracht kommt, sondern auch – nach ordnungsgemäßer Einleitung des Rechtsstreits – während des Verlaufs des Prozesses. § 328 I Nr. 2 ZPO ist nicht etwa eine Spezialnorm, welche die Kontrolle des ausländischen Verfahrens abschließend regelt; es kommt vielmehr § 328 I Nr. 4 ZPO bzw. § 109 I Nr. 4 FamFG auch bezüglich des erststaatlichen Verfahrens zur Anwendung. 2946 Es muss sich aber um Extremsituationen handeln, die aus deutscher Sicht schlicht intolerabel sind: Die Anerkennung ist zu verweigern, wenn das erststaatliche Verfahren mit grundlegenden Verfahrensmaximen des deutschen Rechts unvereinbar ist. Es sind nicht bestimmte deutsche Verfahrensrechtssätze Gegenstand der ordre public-Prüfung, sondern die hinter dem positiven Verfahrensrecht stehenden grundlegenden Verfahrensprinzipien.428 Da nicht erwartet werden kann, dass die ausländischen Gerichte ihre Verfahren nach gleichen oder ähnlichen Regeln gestalten wie die deutschen Gerichte, sind erhebliche und wesentliche Abweichungen des ausländischen Rechts vom deutschen Prozessrecht hinzunehmen. So verstößt es nicht gegen den deutschen ordre public, wenn ein englisches Gericht den Beklagten wegen contempt of court von der weiteren Teilnahme am Rechtsstreit ausgeschlossen hat.429 Dasselbe gilt für Urteile englischer Gerichte, die im summarischen Verfahren erlassen sind.430 Zu Recht betont das BayObLG,431 dass das Fehlen des Anwaltszwangs im österrei-
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die Weiterbildung schweizerischer Richterinnen und Richter, Bd. 5, 2004, 111, 117; Röhm/Schütze RIW 2007, 241. Siehe aber auch Mankowski, Crossing the Rhine – On the Enforceability of U.S. Class Action Judgments and Settlements in Germany, Contratto e impresa/Europa XII (2007), 613, 624 ff. und die Nachweise bei Perucchi, Anerkennung und Vollstreckung von US class action-Urteilen und -Vergleichen in der Schweiz, 2008. BGH vom 18.10.1967, BGHZ 48, 327; BGH vom 19.9.1977, RIW 1978, 410 = NJW 1978, 1114, 1115 = IPRspr. 1977 Nr. 151; OLG Hamburg vom 6.9.1984, RIW 1985, 490 = VersR 1985, 470 = KTS 1985, 158 = IPRspr. 1984 Nr. 198. Siehe auch Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 516 und Wagner, Prozessverträge – Privatautonomie im Verfahrensrecht, 1998, 66. BGH vom 18.10.1967, BGHZ 48, 327. Hierzu Völker, Zur Dogmatik des ordre public – Die Vorbehaltsklauseln bei der Anerkennung fremder gerichtlicher Entscheidungen und ihr Verhältnis zum ordre public des Kollisionsrechts, 1998, 139. BGH vom 25.3.1970, BGHZ 53, 357. BayObLG vom 25.9.1973, NJW 1974, 418 (R. Geimer) = IPRspr. 1973 Nr. 156.
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Anerkennung chischen Scheidungsverfahren aus dem Blickwinkel des deutschen ordre public nicht zu beanstanden ist. Zu den grundlegenden Verfahrensgrundsätzen, die wir auch gegenüber auslän- 2947 dischen Urteilen durchsetzen, gehören alle, die ihre Wurzel in den Forderungen der Rechtsstaatlichkeit haben, so insbesondere der – Grundsatz der Unabhängigkeit und Unparteilichkeit des Gerichts;432 – Grundsatz, dass niemand in eigener Sache Richter sein darf;433 – Grundsatz des rechtlichen Gehörs;434 – Grundsatz, dass jede Partei einen Anspruch auf ein faires Verfahren hat. Sie muss in der Lage sein, auf den Verfahrensablauf aktiv Einfluss zu nehmen. Es kommt jedoch nur auf die Gelegenheit an, sich am Gerichtsverfahren im Erststaat zu beteiligen. Ob die (unterlegene) Partei tatsächlich hiervon Gebrauch gemacht hat, ist für die Anerkennung nicht relevant. Sonst könnte z.B. jeder Beklagte seine (auch) nach deutschem Recht (§ 328 I Nr. 1 ZPO; § 109 I Nr. 1 FamFG) bestehende Gerichtspflichtigkeit dadurch unterlaufen, dass er sich am ausländischen Verfahren nicht beteiligt.435
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Besteht im erststaatlichen Verfahren Anwaltszwang, so haben die Parteien für 2949 ihre anwaltschaftliche Vertretung selbst zu sorgen, und zwar auch dann, wenn das Recht des Erststaates wesentlich strengere Voraussetzungen für die Gewährung von Prozesskostenhilfe aufstellt als das deutsche. Ein ordre public-Verstoß kann jedoch vorliegen, wenn das erststaatliche Recht Minderbemittelten überhaupt keine Möglichkeit gibt, einen Anwalt im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnet zu erhalten und er daher de facto außerstande ist, im erststaatlichen Verfahren ordnungsgemäß vertreten zu sein. Für ihre ordnungsgemäße Vertretung im erststaatlichen Verfahren muss jede Partei selbst nach besten Kräften sorgen.436 Im Fall der Mandatsniederlegung ih-
432 Die Entscheidungen korrupter oder befangener ausländischer Richter sind nicht anzuerkennen, sofern die betroffene Partei im erststaatlichen Verfahren alle ihr nach dem Recht des Erststaates zur Verfügung stehenden Rechtsbehelfe erfolglos ergriffen hat, Rz. 2955. Nachweise z.B. bei Spindler, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Prozessvergleiche unter besonderer Berücksichtigung der U.S.-amerikanischen Class Action Settlements, Diss. Heidelberg, 2001, 248 ff.; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 521. 433 Hierzu z.B. EGMR vom 15.12.2005 – Kyprianou/Zypern, NJW 2006, 2901. 434 BGH vom 19.9.1977, RIW 1978, 410, 411 = NJW 1978, 1115; OLG Frankfurt vom 15.4.1985, OLGZ 1985, 257 = IPRspr. 1985 Nr. 185. 435 BGH vom 4.6.1992, BGHZ 118, 312 = NJW 1992, 3096, 3099 = ZIP 1992, 1256 (Bungert 1707) = EWiR 1992, 827 (R. Geimer) = RIW 1993, 132 (Schütze). 436 BGH vom 4.6.1992, BGHZ 118, 312, 321 ff. = MDR 1992, 1181 = NJW 1992, 3096, 3102 (Koch 3073) = RIW 1993, 132 (Schütze 141) = JZ 1993, 261 (Deutsch) = ZIP 1992, 1256 (Bungert 1707 sowie ZIP 1993, 815) = EuZW 1992, 705 = EWiR 1992, 827 (R. Geimer) = LM Nr. 38/39/40 zu § 328 ZPO (Kronke) = ZZP 106 (1993), 79 (Schack) = IPRax 1993, 310 (Koch/Rabel 288) = IPRspr. 1992 Nr. 218b BGH vom 29.4.1999, BGHZ 141, 286 = JZ 2000, 107 (Stürner/Bormann 81) = NJW 1999, 3198 = RIW 1999, 698, 700 = LM § 328 Nr. 4852 (R. Geimer) = IPRax 2001, 230 (Haas 195) = IPRspr. 1999 Nr. 160.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen res Anwalts muss die betroffene Partei bemüht sein, für ihre weitere Vertretung zu sorgen. Sie kann nicht damit rechnen, dass das Erstgericht den Verhandlungstermin auf längere Zeit verlegt. Wenn sie nicht geeignete Schritte für ihre weitere Vertretung unternimmt und das Gericht den Prozess fortsetzt, dann kann hierin kein Verstoß gegen die deutsche öffentliche Ordnung gesehen werden; denn sie hatte ja die Möglichkeit, auf das Erstverfahren durch neue Prozessbevollmächtigte aktiv einzuwirken und dort zu Gehör zu kommen.437 Der ordre public ist in der Regel nicht verletzt, wenn persönliches dem Erstgericht nicht möglich war, ebenso wenn das erststaatliche Verfahrensrecht Anwaltszwang nicht vorsieht.438 Im ausländischen Anwaltsprozess genügen – ebenso wie im deutschen (§ 172 ZPO) – Ladungen und Zustellungen an den Prozessbevollmächtigten.439 2951 Kein Grund, den ordre public anzuwenden, besteht, wenn das ausländische Gericht nur mit Laien besetzt ist, wie z.B. die französischen Handelsgerichte,440 oder wenn die Öffentlichkeit nicht in dem Umfang des § 169 GVG gewährleistet ist441 oder wenn nach Art. 186ter des Codice di procedura civile der giudice istruttore aufgrund einer bloßen Schlüssigkeitsprüfung (ohne eine zu diesem Zeitpunkt noch nicht mögliche Beweiswürdigung) eine vorläufige Verurteilung zur Zahlung ausspricht (ordinanza ingiuntiva di pagamento).442 2952 Fraglich ist, inwieweit die Dispositionsmaxime443 im Anerkennungsstadium auch gegenüber Entscheidungen ausländischer Gerichte durchzusetzen ist.444 2953 Das Ausforschungsverbot soll die gegnerische Partei und Dritte vor Eingriffen in ihre Freiheitssphäre (Art. 2 I GG) bewahren, soweit der Eingriff nicht notwendig
437 BGH vom 19.9.1977, MDR 1978, 488 = NJW 1978, 1114 = IPRspr. 1977 Nr. 151; BGH vom 4.6.1992, BGHZ 118, 312 = MDR 1992, 1181 = NJW 1992, 3096, 3099 (Koch 3073) = RIW 1993, 132 (Schütze 141) = JZ 1993, 261 (Deutsch) = ZIP 1992, 1256 (Bungert 1707 sowie ZIP 1993, 815) = EuZW 1992, 705 = EWiR 1992, 827 (R. Geimer) = LM Nr. 38/39/40 zu § 328 ZPO (Kronke) = ZZP 106 (1993), 79 (Schack) = IPRax 1993, 310 (Koch/Rabel 288) = IPRspr. 1992 Nr. 218b. Siehe auch OLG Düsseldorf vom 28.5.1991, RIW 1991, 594, 596 = IPRspr. 1992 Nr. 218a sowie OLG Karlsruhe vom 3.12.1990, RIW 1991, 859 = IPRspr. 1991 Nr. 200. 438 BayObLG vom 25.9.1973, NJW 1974, 418 (R. Geimer) = IPRspr. 1973 Nr. 156. 439 BGH vom 4.6.1992, BGHZ 118, 312 = MDR 1992, 1181 = NJW 1992, 3096, 3099 (Koch 3073) = RIW 1993, 132 (Schütze 141) = JZ 1993, 261 (Deutsch) = ZIP 1992, 1256 (Bungert 1707 sowie ZIP 1993, 815) = EuZW 1992, 705 = EWiR 1992, 827 (R. Geimer) = LM Nr. 38/39/40 zu § 328 ZPO (Kronke) = ZZP 106 (1993), 79 (Schack) = IPRax 1993, 310 (Koch/Rabel 288) = IPRspr. 1992 Nr. 218b. 440 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 126. 441 R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 135; OLG Saarbrücken vom 3.8.1987, IPRax 1989, 37 (Roth 17) = NJW 1988, 3100 = IPRspr. 1987 Nr. 156. 442 OLG Stuttgart vom 15.5.1997, NJW-RR 1998, 280 = RIW 1997, 684. 443 Zur Dispositionsmaxime als durch Art. 2 I GG garantiertem Schutz vor rechtlicher Bevormundung Stiefel/Stürner VersR 1987, 830. 444 Vgl. auch Spindler, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Prozessvergleiche unter besonderer Berücksichtigung der U.S.-amerikanischen Class Action Settlements, Diss. Heidelberg 2001, 245.
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Anerkennung ist, um den Prozess zu fördern.445 Fraglich ist, ob und gegebenenfalls mit welcher Intensität das Ausforschungsverbot international durchzusetzen ist durch Verweigerung der Anerkennung solcher Entscheidungen, die auf einem Verfahren beruhen, in dem das Ausforschungsverbot nicht beachtet worden ist.446 Jedenfalls konnte der Bundesgerichtshof in der US pre-trial discovery (Rz. 83) als solcher (bisher) keinen ordre public-Verstoß erkennen.447 Allerdings handelte sich um keinen exorbitanten Fall.448 Sieht das Recht des Erststaates grundsätzlich keine Kostenerstattung zugunsten 2954 der obsiegenden Partei vor, so ist dies für sich allein noch kein Grund, das ausländische Verfahren in Bausch und Bogen für ordre public-widrig zu erklären und die Anerkennung zu verweigern.449
445 Stürner JZ 1981, 521; Stürner, Aufklärungspflichten der Parteien im Zivilprozess, 1976, 112; Schlosser ZZP 94 (1981), 379; Schlosser JZ 1991, 599, 604. Eine allgemeine prozessuale Aufklärungspflicht der nicht risikobelasteten Partei und damit eine Abkehr vom Grundsatz nemo contra se edere tenetur lehnt die herrschende Meinung ab. Dazu sowie zur Gegenansicht vgl. oben Rz. 2359 Fußn. 176. 446 Für Nichtanerkennung Schütze in Festschrift Stiefel, 1987, 697 sowie RIW 1993, 141; für Anerkennung OLG Düsseldorf vom 28.5.1991, RIW 1991, 594. 447 Zurückhaltend auch OLG Düsseldorf vom 14.6.2006, OLGR 2007, 393. 448 BGH vom 4.6.1992, BGHZ 118, 312, 323 = MDR 1992, 1181 = NJW 1992, 3096, 3102 (Koch 3073) = RIW 1993, 132 (Schütze 141) = JZ 1993, 261 (Deutsch) = ZIP 1992, 1256 (Bungert 1707 sowie ZIP 1993, 815) = EuZW 1992, 705 = EWiR 1992, 827 (R. Geimer) = LM Nr. 38/39/40 zu § 328 ZPO (Kronke) = ZZP 106 (1993), 79 (Schack) = IPRax 1993, 310 (Koch/Rabel 288) = IPRspr. 1992 Nr. 218b; Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 92. Anderer Auffassung Schütze in Festschrift Stiefel, 1987, 697. 449 So für die sog. American rule of costs (hierzu Hay, US-Amerikanisches Recht4, 2008 Rz. 154) BGH vom 4.6.1992, BGHZ 118, 312 = MDR 1992, 1181 = NJW 1992, 3096, 3102 (Koch 3073) = RIW 1993, 132 (Schütze 141) = JZ 1993, 261 (Deutsch) = ZIP 1992, 1256 (Bungert 1707 sowie ZIP 1993, 815) = EuZW 1992, 705 = EWiR 1992, 827 (R. Geimer) = LM Nr. 38/39/40 zu § 328 ZPO (Kronke) = ZZP 106 (1993), 79 (Schack) = IPRax 1993, 310 (Koch/Rabel 288) = IPRspr. 1992 Nr. 218b; OLG Koblenz vom 16.10.2003, RIW 2004, 302 = NJOZ 2004, 3369 = IPRspr. 2003 Nr. 184. Zustimmend Hopt/Kulms/ von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 93; Stürner JZ 2006, 60, 63. Anderer Auffassung Schütze WM 1979, 1176; Schütze, Die Allzuständigkeit amerikanischer Gerichte, 2003, 11. Hierzu Völker, Zur Dogmatik des ordre public – Die Vorbehaltsklauseln bei der Anerkennung fremder gerichtlicher Entscheidungen und ihr Verhältnis zum ordre public des Kollisionsrechts, 1998, 133. Weitere Nachweise bei Dörig, Anerkennung und Vollstreckung US-amerikanischer Entscheidungen in der Schweiz, 1998, 367; Hommelsheim, Kostentragung und – ausgleichung im amerikanischen Zivilprozess, Diss. Bonn 1990; Jestaedt RIW 1986, 95; Knapp, Die US-amerikanische Produkthaftung in der Praxis der deutschen Automobilindustrie, 1997, 117; Herrmann, Die Anerkennung US-amerikanischer Urteile in Deutschland unter Berücksichtigung des ordre public – Eine rechtsvergleichende Untersuchung zum „Justizkonflikt“ zwischen Deutschland und den USA, 2000, 209 ff.; Reimann IPRax 1998, 250, 253; Schack, Einführung in das US-amerikanische Zivilprozessrecht3, 2003, 10; Schütze in Festschrift Németh, 2003, 795.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen 2955 Ein Verstoß gegen die ordre public-Maximen kann im Zweitverfahren nicht mehr gerügt werden, wenn er nicht schon im Erstverfahren (erfolglos) geltend gemacht wurde. Es muss also die Beseitigung des Verfahrensfehlers bereits im Erstprozess mit den Mitteln des erststaatlichen Prozessrechts versucht worden sein.450 Die Partei, die von dem Verfahrensverstoß betroffen ist, muss alle ihr bei realistischer Betrachtungsweise451 zur Verfügung stehenden Rechtsmittel und Rechtsbehelfe im erststaatlichen Verfahren ausgeschöpft haben.452 Dies gilt z.B. auch für den Vortrag im Zweitverfahren, das Erstgericht habe angebotene Beweise nicht erhoben.453
450 Schütze in Wieczorek/Schütze, ZPO und Nebengesetze3, 2007, § 328 ZPO Rz. 46. 451 Nach dem Recht des Erststaates offensichtlich aussichtslose Rechtsmittel bzw. Rechtsbehelfe braucht sie nicht einzulegen. 452 R. Geimer JZ 1969, 14; R. Geimer, Anerkennung 137 und R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1478 Fußn. 33 und II, 83 f.; H. Roth IPRax 1989, 17 Fußn. 51; Gottwald in Münchener Kommentar zur ZPO3, 2008, § 328 Rz. 102; Matscher IPRax 2001, 428, 436; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 22 EheGVO Rz. 17 sowie § 328 ZPO Rz. 471; OLG Saarbrücken vom 3.8.1987, IPRax 1989, 37, 39; KG vom 22.7.2003, FamRZ 2004, 275, 277; so nun auch deutlich BGH vom 21.3.1990, FamRZ 1990, 869 = RIW 1990, 575 = NJW 1990, 2201 = IPRax 1992, 33 (R. Geimer 5) = IPRspr. 1990 Nr. 207, der hervorhebt, „dass es in erster Linie Sache der Parteien ist, durch aktive Teilnahme am Verfahren auf die Vermeidung sie benachteiligender Fehler des Gerichts hinzuwirken oder hiergegen ein Rechtsmittel einzulegen“. Ebenso BGH vom 22.1.1997, NJW 1997, 2051; OLG Düsseldorf vom 18.9.1998, FamRZ 1999, 447, 448; OLG Köln vom 8.3.1999, IPRax 2000, 528 (H. Roth 497) = IPRspr. 1999 Nr. 156; BayObLG vom 8.5.2002, FamRZ 2002, 1637, 1639 = IPRspr. 2002 Nr. 205; OLG Koblenz vom 16.10.2003, RIW 2004, 302 = NJOZ 2004, 3369 = IPRspr. 2003 Nr. 184. Mit anerkennungsfreundlicher Tendenz auch BGH vom 6.10.2005, NJW 2006, 701 = FamRZ 2006, 198 = IPRspr 2005/159. Ebenso ist es im Verhältnis Schiedsverfahren zum Verfahren vor dem staatlichen Gericht. Anderer Auffassung LG Hamburg vom 1.4.1981, IPRspr. 1981 Nr. 182; AG Hamburg vom 24.1.1985, IPRax 1986, 114 = IPRspr. 1985 Nr. 71 („die Gewährung rechtlichen Gehörs ist keine Obliegenheit des Beklagten“); Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht, 1985, 143; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 866, der meint, von einem Beklagten, der sich einem unfairen ausländischen Verfahren ausgesetzt sieht, könne man „schwerlich verlangen, dass er das nötige Geld und vor allem Vertrauen in eine Fortsetzung des Rechtsstreits im Ausland investiert“. Dieses Argument übersieht, dass auch deutsche Gerichte schwere Verfahrensfehler begehen, wie vor allem die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte beweist. Da hilft es nicht, dass die betroffene Partei erklärt, sie habe kein Vertrauen mehr zur deutschen Justiz. Ihr bleibt nur der Rechtsmittelweg. Dies muss grundsätzlich auch vice versa gelten. Siehe auch die weiteren Nachweise bei Eckstein-Puhl, Prozessbetrug im Schiedsverfahren: Eine Studie zu den vom erschlichenen Schiedsspruch aufgeworfenen Fragen des Aufhebungsverfahrens gemäß § 1059 ZPO, Diss. Saarbrücken 2005, 183 ff.4 453 OLG Düsseldorf vom 13.11.1996, NJW-RR 1997, 572 = RIW 1997, 329 = EWS 1997, 108 = EuZW 1997, 284 = IPRspr. 1996 Nr. 182; OLG Düsseldorf vom 18.9.1998, FamRZ 1999, 447 = IPRspr. 1998 Nr. 201.
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Anerkennung Verneint ein ausländisches Rechtsmittelgericht einen Verfahrensverstoß oder die Ursächlichkeit desselben für die angefochtene Entscheidung, so ist der deutsche Zweitrichter daran nicht gebunden. Die Rechtsmittelentscheidung unterliegt der freien Beweiswürdigung des Zweitrichters. Dieser wird jedoch nicht ohne triftigen Grund von der Meinung des ausländischen Rechtsmittelgerichts abweichen. Das Verbot der révision au fond (§ 723 I ZPO) greift nicht ein, soweit § 328 ZPO eine Nachprüfung vorschreibt.454
2956
Das ordre public-widrige erststaatliche Verfahren führt nicht von Amts wegen 2957 zur Nichtanerkennung. Vielmehr ist – wie bei internationaler Unzuständigkeit und nicht ordnungsgemäßer Verfahrenseröffnung – eine Rüge der betroffenen Partei erforderlich,455 Rz. 3917. Zur Frage des antizipierten Verzichts Rz. 3782. Hat erst das Rechtsmittelgericht den (den deutschen ordre public verletzenden) 2957a Verfahrensverstoß begangen, z.B. ein an sich statthaftes Rechtsmittel aus extrem unsachlichen Gründen ohne Sachprüfung verworfen, so muss die Partei, die sich auf die ordre public-Widrigkeit beruft, darlegen, inwieweit das zur Anerkennung anstehende Urteil erster Instanz (Rz. 23a) verändert worden wäre, hätte das Rechtsmittelgericht den Verfahrensverstoß nicht begangen.456 Ob Kausalität des ordre public-widrigen Verfahrens für den Urteilsinhalt vom 2958 Anerkennungsgegner dargetan und bewiesen werden muss, ist noch nicht ausreichend untersucht.457 Bei Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs muss die beschwerte Partei schlüssig darlegen, was sie bei ordnungsgemäßer Gewährung rechtlichen Gehörs vorgetragen hätte und was dementsprechend das ausländische Gericht bei seiner Entscheidung in Betracht hätte ziehen müssen.458 Vorstehendes gilt vice versa auch für Einwendungen des Klägers gegen die Verurteilung aufgrund Widerklage.459 454 R. Geimer JZ 1969, 16 Fußn. 30; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1468. Für Bindung dagegen BayObLG vom 24.11.1978, IPRspr. 1978 Nr. 176. Unklar BGH vom 4.6.1992, BGHZ 118, 312 = MDR 1992, 1181 = NJW 1992, 3096, 3098 (Koch 3073) = IPRspr. 1992 Nr. 218b sub A III 3a. Der deutsche Zweitrichter kann jedoch den Beklagten nicht auf die Wiederaufnahmeklage im Erststaat verweisen, R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/1, 1983, 1057; Jellinek, Die zweiseitigen Staatsverträge über Anerkennung ausländischer Zivilurteile, 1953, 197. 455 Stojan, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile, 1986, 157; Gottwald ZZP 103 (1990), 279. Anderer Auffassung Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts6, 2006, § 60 IV 1d. 456 Siehe auch R. Geimer IPRax 2006, 298, 300. 457 R. Geimer ZZP 103 (1990), 483; Gottwald ZZP 103 (1990), 279 lässt „wie stets bei Verfahrensfehlern, die Möglichkeit eines fehlerhaften Ergebnisses genügen“. Ebenso Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 518. Weitere Nachweise bei Eckstein-Puhl, Prozessbetrug im Schiedsverfahren: Eine Studie zu den vom erschlichenen Schiedsspruch aufgeworfenen Fragen des Aufhebungsverfahrens, Diss. Saarbrücken 2005, 196 ff. Vgl. Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 328 Rz. 230. 458 KG vom 22.7.2003, FamRZ 2004, 275, 277. 459 OLG Hamburg vom 26.1.1989, RIW 1991, 152, 155.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen 2960 Die vorstehende Auslegung genügt den Anforderungen des Art. 6 I EMRK,460 des Art. 103 I GG sowie des vom Bundesverfassungsgericht entwickelten verfassungsmäßigen Rechts auf ein faires Verfahren.461 Fehlende bzw. mangelhafte Zustellung der ausländischen Entscheidung ist für sich allein kein Grund, die Anerkennung unter Berufung auf den deutschen ordre public zu verweigern, Rz. 2944. b) Überprüfung der ausländischen Entscheidungsfindung 2961 Die Grundstruktur des anerkennungsrechtlichen ordre public wurde bereits oben Rz. 26 behandelt. Hier sei beispielhaft (vgl. auch Rz. 551) auf einige Aspekte der ordre public-Prüfung eingegangen. 2962 Die Andersartigkeit des erststaatlichen Beweisrechts ist kein Grund für den Einsatz des ordre public.462 Beispiel: Der Erstrichter hat die Beweislast anders verteilt oder er hat den Sachverhalt nicht aufgeklärt im Hinblick auf eine Fiktion oder unwiderlegliche Vermutung oder er hat die Beweise anders gewürdigt als es der deutsche Richter getan hätte. Auch Abweichungen des Beweisverfahrensrechts (Kreuzverhör) oder eine andere Beurteilung der Zeugnisverweigerungsrechte (der Erstrichter hat ein Zeugnisverweigerungsrecht zuerkannt, das im deutschen Recht nicht bekannt ist oder umgekehrt ein dem deutschen Recht bekanntes Zeugnisverweigerungsrecht dem Zeugen nicht gewährt) sind für sich allein keine Gründe, die Anerkennung zu verweigern.463 2963 Am weitesten geht man bei der Überprüfung des erststaatlichen Urteils bezüglich des Beweisrechts in Frankreich. Dies hängt damit zusammen, dass ganz allgemein Voraussetzung für die Anerkennung und Erteilung des Exequaturs die Anwendung des vom französischen Kollisionsrecht vorgeschriebenen „richtigen“ Rechts ist,464 Rz. 595. Vgl. auch Rz. 114. 2964 Mit dem ordre public werden aber auch in Deutschland untragbare Abweichungen des erststaatlichen Beweisrechts von elementaren deutschen Grundsätzen abgewehrt. So verstößt z.B. die Verurteilung eines nichtehelichen Vaters zum Unterhalt allein aufgrund einer uneidlichen Aussage der Mutter oder Großmutter465 gegen den ordre public, Rz. 2984.466 Auch die Übergehung eines wissen-
460 Das Gleiche gilt für Art. 47 II EuGrundrechtecharta. 461 R. Geimer IPRax 1991, 10, 13 Fußn. 80a, 110. 462 OLG Köln vom 16.9.1996, IPRax 1998, 116 = IPRspr. 1996 Nr. 180; OLG Köln vom 23.1.2002, InVo 2002, 521 = IPRspr. 2002 Nr. 186. 463 Coester-Waltjen, Internationales Beweisrecht, 1983, Rz. 595. 464 Nachweise bei Coester-Waltjen a.a.O. Rz. 248 Fußn. 867. 465 So der Fall des OLG Köln vom 17.9.2007, OLGR 2008, 81. 466 Anderer Auffassung BGH vom 9.4.1986, NJW 1986, 2193 = DAVorm 1986, 656 = IPRax 1987, 247 = IPRspr. 1986 Nr. 95; BGH vom 22.1.1997, NJW 1997, 2051; OLG Hamm vom 21.2.2003, FamRZ 2003, 1855 = IPRax 2004, 437 (Geimer 419) = IPRspr 2003 Nr. 78; OLG Köln vom 17.9.2007, OLGR 2008, 81; Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in Unterhaltssachen, 1989,
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Anerkennung schaftlichen Gutachtens, wonach der als Vater in Anspruch genommene Mann zeugungsunfähig ist, stellt einen Verstoß gegen den deutschen ordre public dar, der zur Verweigerung der Anerkennung führt.467 Voraussetzung für die Verweigerung der Anerkennung ist jedoch, dass der Beklagte alle nach dem Recht des Erststaates möglichen Rechtsbehelfe eingelegt hat, Rz. 2991a. US-amerikanische Entscheidungen, die auf pre-trial discovery beruhen, sind grundsätzlich anerkennungsfähig.468 Keine kollisionsrechtliche Kontrolle: Die Anerkennung darf nicht deswegen ver- 2965 weigert werden, weil das Erstgericht den Rechtsstreit nach einer anderen Rechtsordnung entschieden hat, als nach derjenigen, die nach dem inländischen Kollisionsrecht maßgeblich gewesen wäre.469 Damit weicht das deutsche autonome Anerkennungsrecht von den Regelungen mancher Staatsverträge ab, vgl. z.B. Art. 27 Nr. 4 EuGVÜ/LugÜ.470 Doch ist Deutschland nicht verpflichtet, diese staatsvertraglich vereinbarten Versagungsgründe anzuwenden, sondern vielmehr berechtigt, das anerkennungsfreundlichere autonome Recht zur Geltung zu bringen (favor recognitionis), Rz. 2769. Das Fehlen einer kollisionsrechtlichen Kontrolle führt (indirekt) zu einer Erstreckung des ausländischen Kollisionsrechts auf das Inland. Man spricht von
467 468
469
470
33. Sehr großzügig auch OLG Hamm vom 22.9.1992, FamRZ 1993, 438 = DAVorm 1993, 104 = IPRspr. 1992 Nr. 237 und BGH vom 22.1.1997, FamRZ 1997, 490, 492: Nichteinholung eines Blutgruppengutachtens im Statusverfahren führt für sich allein noch nicht zur Verweigerung des Vaterschaftsurteils. Allerdings vice versa Nichtanerkennung der negativen Feststellungswirkung, wenn Vaterschaftsfeststellungsklage nur deshalb abgewiesen wurde, weil ein eheähnliches Zusammenleben der Kindesmutter mit dem (angeblichen) Erzeuger nicht bewiesen sei, OLG Oldenburg vom 11.11.1992, FamRZ 1993, 1486 = DAVorm 1993, 835 = IPRspr. 1992 Nr. 238. Siehe auch R. Geimer IPRax 2004, 419, 420: Anerkennung, wenn präsumtiver Vater am Erstverfahren nicht teilnimmt oder Beweiserhebung vereitelt. Zustimmend OLG Hamm vom 9.11.2005, FamRZ 2006, 563, 564. Anderer Auffassung LG Mainz vom 5.4.1986, IPRspr. 1986 Nr. 169b. BGH vom 4.6.1992, BGHZ 118, 312 = MDR 1992, 1181 = NJW 1992, 3096, 3102 (Koch 3073) = RIW 1993, 132 (Schütze 141) = JZ 1993, 261 (Deutsch) = ZIP 1992, 1256 (Bungert 1707 sowie ZIP 1993, 815) = EuZW 1992, 705 = EWiR 1992, 827 (R. Geimer) = LM Nr. 38/39/40 zu § 328 ZPO (Kronke) = ZZP 106 (1993), 79 (Schack) = IPRax 1993, 310 (Koch/Rabel 288) = IPRspr. 1992 Nr. 218b; Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 92. Anderer Auffassung Schütze in Festschrift Stiefel, 1987, 697. Nachweise bei Hök, Discovery-proceedings als Anerkennungshindernis, Diss. Göttingen 1993. Zustimmend Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts6, 2006, § 32 V. Anders z.B. das polnische Recht für den Fall, dass nach polnischem internationalem Privatrecht polnisches Recht anzuwenden gewesen wäre, Weyde, Anerkennung und Vollstreckung deutscher Entscheidungen in Polen, 1997, 134. Dieser Versagungsgrund findet sich weder in Art. 34 EuGVVO noch in Art. 22 und Art. 23 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 (EuEheVO, Rz. 245c), Schlosser, EU-Zivilprozessrecht2, 2003, Art. 34–36 EuGVVO Rz. 3.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen einem verkappten zweiten Kollisionsrechtssystem des Anerkennungsstaates.471 Als Barriere gegenüber dem Auslandsrecht bleibt nur noch die Schwelle des ordre public, der jedoch nicht deswegen eingesetzt wird, weil ein anderes Recht vom Erstrichter der Entscheidung zugrundegelegt wurde, als dies der deutsche Richter getan hätte, sondern weil der Inhalt des vom ausländischen Richter in concreto angewandten Rechts mit elementaren Grundwertungen des deutschen Rechts (also nicht mit derjenigen Rechtsordnung, die aus deutscher Sicht lex causae gewesen wäre) kollidiert.472 2967 Nach herrschender Meinung setzt die Anwendung des ordre public eine Inlandsbeziehung voraus.473 Diese wird nicht dadurch hergestellt, dass es um die Anerkennung im Inland geht.474 Vielmehr hat der Zweitrichter – genauso wie wenn er im Erkenntnisverfahren den Fall selbst zu entscheiden hätte – zu prüfen, ob der dem ausländischen Urteil zugrundeliegende Sachverhalt die nötige Inlandsbeziehung aufweist.475 Möglicherweise muss bei Anwendung des § 328 I Nr. 4 ZPO bzw. § 109 I Nr. 4 FamFG die Beziehung zu Deutschland enger sein als im Erkenntnisverfahren, um die Verweigerung der ausländischen Entscheidung wegen Verstoßes gegen den ordre public zu begründen (ordre public atténué de réconnaissance), Rz. 27.476 Es gibt aber auch Fälle, in denen trotz fehlender Inlandsbeziehung eine Anerkennung ausländischer Urteile ausgeschlossen ist; so bei Anwendung absolut unmoralischen Rechts.477
471 Wengler RdC 104 (1961 III), 434 = Picone/Wengler 436; Kohler IPRax 1992, 281; Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts6, 2006, § 60 IV 7; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 135. 472 Im gleichen Sinne auch EuGH vom 11.5.2000, Rs C-38/98 – Renault/Maxicar Slg. 2000, I-2973 = NJW 2000, 2185 = EWiR 2000, 627 (R. Geimer) = IPRax 2001, 328 (Heß 301) = ZZPInt 5 (2000), 248 (Fritzsche); hierzu Jayme/Kohler IPRax 2000, 460 und Dietze/Schnichels EuZW 2001, 581, 585. 473 Bungert ZIP 1993, 815; R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 139; Herrmann, Die Anerkennung US-amerikanischer Urteile in Deutschland unter Berücksichtigung des ordre public – Eine rechtsvergleichende Untersuchung zum „Justizkonflikt“ zwischen Deutschland und den USA, 2000, 118; Völker, Zur Dogmatik des ordre public, 1998, 231 ff.; aus schweizerischer Sicht Dörig, Anerkennung und Vollstreckung US-amerikanischer Entscheidungen in der Schweiz, 1998, 354. 474 Von den Fällen des Nichteingreifens des anerkennungsrechtlichen ordre public wegen fehlender Inlandsbeziehung deutlich zu trennen sind die Hypothesen, in denen die vom ausländischen Gericht nicht beachtete deutsche Norm nicht international zwingend ist bzw. Sachverhalte im Ausland gar nicht erfasst. 475 Unklar BGH vom 24.2.1999, BGHZ 140, 395 = NJW 1999, 2372 = RIW 1999, 457 und 536 = EuZW 1996, 732 = IPRax 1999, 371 (G. Schulze 342) = JR 1999, 841 (A. Staudinger) = JZ 1999, 1117 (H. Roth) = MDR 1999, 757 = ZIP 1999, 483, 484 = IPRspr. 1999 Nr. 154: „Der Inlandsbezug dieser Prüfung liegt lediglich in den Voraussetzungen und Wirkungen der Zwangsvollstreckung“. 476 Leider behandelt Brüning, Die Beachtlichkeit des fremden ordre public, 1997, die Anerkennungsperspektive nicht. 477 R. Geimer ZfRV 1992, 411 bei Fußn. 404; zustimmend Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit und prozessuale Gerechtigkeit, 1995, 23 Fußn. 73. Distanziert Staudinger/Spel-
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Anerkennung Verstöße gegen fundamentale Gerechtigkeitsvorstellungen, insbesondere gegen 2968 elementare Menschenrechte, können nicht hingenommen werden. Der ordre public universel sichert ein Minimum an Gerechtigkeit im naturrechtlichen Sinn.478 Damit wird zumindest der Kern des völkerrechtlichen ius cogens erfasst. Beispiel:479 Verurteilung zur Schuldknechtschaft im Sinne von Art. 1 (a) des Zusatzübereinkommens über die Abschaffung der Sklaverei, des Sklavenhandels und sklavenähnlicher Einrichtungen und Praktiken vom 7.9.1956.480 Mit dem ordre public sollen lediglich die international zwingenden Normen 2969 bzw. die Grundwertungen der inländischen Rechtsordnung durchgesetzt werden. Daraus folgt, dass eine Anerkennung nicht mit der Begründung verweigert werden kann, sie verstoße gegen den ordre public eines dritten Staates.481 Ordre public européen:482 Die rechtliche Ordnung in der Europäischen Union 2969a ist jedoch Bestandteil der deutschen öffentlichen Ordnung.483 Über den deutschen anerkennungsrechtlichen ordre public wird international zwingendes eu-
478
479 480 481
482 483
lenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 479; Looschelders IPRax 2005, 28. R. Geimer ZfRV 1992, 401, 411; zustimmend Brockmeier, Punitive damages, multiple damages und deutscher ordre public, 1999, 118; ablehnend Völker, Zur Dogmatik des ordre public – Die Vorbehaltsklauseln bei der Anerkennung fremder gerichtlicher Entscheidungen und ihr Verhältnis zum ordre public des Kollisionsrechts, 1998, 282 ff. Umfangreiche Nachweise auch bei Thoma, Die Europäisierung und die Vergemeinschaftung des nationalen ordre public, Diss. Hamburg 2007. Zu den Schwierigkeiten der Konkretisierung im Lichte der internationalen Menschenrechtsmindeststandards Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 148 ff. Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 152. BGBl. 1958 II 203. R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 139; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1592; enger Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 986; Frankenstein, Internationales Privatrecht I, 1926, 237. Weitere Nachweise bei Brüning, Die Beachtlichkeit des fremden ordre public, Diss. Passau, 1997; dort aber keine Stellungnahme zu den spezifischen Fragestellungen des anerkennungsrechtlichen ordre public. Zustimmend aus schweizerischer Sicht Jametti Greiner, Der Begriff der Entscheidung im schweizerischen internationalen Zivilverfahrensrecht, 1998, 50; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 467. Nachweise bei Renfort, Über die Europäisierung der ordre public-Klausel, 2002. BGH vom 27.2.1969, NJW 1969, 978, 980 = ZZP 84 (1971), 203 (Habscheid) = IPRspr. 1968–1969 Nr. 255 im Zusammenhang mit der Anerkennung eines ausländischen Schiedsspruchs; weitere Nachweise bei Baumert, Europäischer ordre public und Sonderanknüpfung zur Durchsetzung von EG-Recht unter besonderer Berücksichtigung der sog. mittelbaren horizontalen Wirkung von EG-Richtlinienbestimmungen, 1994, 41, 252; Thoma, Die Europäisierung und die Vergemeinschaftung des nationalen ordre public, Diss. Hamburg 2007.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen ropäisches Gemeinschaftsrecht ebenso durchgesetzt wie vergleichsweise deutsches.484 Auch Richtlinienvorgaben sind mit zu berücksichtigen.485 2969b
Aus Art. 27 Nr. 1 EuGVÜ bzw. Art. 34 Nr. 1 EuGVVO ergibt sich klar, dass – außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung (EG) vom 21.4.2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (Rz. 245c) und der sonstigen europäischen Rechtsakte, die das Vollstreckbarerklärungsverfahren abschaffen (Rz. 3198c ff.) – auch im Europäischen Binnenmarkt die ordre public-Prüfung gegenüber Entscheidungen aus anderen EU-Staaten nicht entfällt. Auch ist die Prüfungsdichte gegenüber solchen Entscheidungen im Vergleich zu denen aus Drittstaaten nicht geringer. Es wird aber auch nicht schärfer geprüft. Nicht jeder Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht führt automatisch zur Nichtanerkennung.486
2970 Beispiele: Das Fehlen schriftlicher Urteilsgründe ist für sich allein kein Verstoß gegen den ordre public.487 Allerdings wird die Prüfung des erststaatlichen Urteils auf seine Vereinbarkeit mit dem deutschen ordre public erschwert. Ein non liquet geht zu Lasten der siegreichen Partei.488 2971 Die Verurteilung zu Zinseszinsen verstößt nicht gegen den deutschen ordre public.489
484 So zu Art. 81 I EGV EuGH 1.6.1999 C-126/97 – Ecco Swiss Slg. 1999, I-3055 = NJW 99, 3549 = EuZW 99, 565 (Spiegel) = EWS 99, 345, 348; siehe auch Gamauf ZfRV 2000, 41; Basedow in Festschrift Sonnenberger, 2004, 291; Martiny in Festschrift Sonnenberger, 2004, 523; Hilbig, Das gemeinschaftsrechtliche Kartellverbot im internationalen Handelsschiedsverfahren – Anwendung und gerichtliche Kontrolle, Diss. München 2006, 13. 485 R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 139. 486 EuGH vom 11.5.2000, Rs C-38/98 – Renault/Maxicar Slg. 2000, I-2973 = NJW 2000, 2185 = EWiR 2000, 627 (R. Geimer) = IPRax 2001, 328 (Heß 301) = ZZPInt 5 (2000), 248 (Fritzsche); hierzu Jayme/Kohler IPRax 2000, 460 und Dietze/Schnichels EuZW 2001, 581, 585. 487 Enger möglicherweise Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 208, 532. 488 BGH vom 4.6.1992, BGHZ 118, 312 = MDR 1992, 1181 = NJW 1992, 3096, 3102 (Koch 3073) = RIW 1993, 132 (Schütze 141) = JZ 1993, 261 (Deutsch) = ZIP 1992, 1256 (Bungert 1707 sowie ZIP 1993, 815) = EuZW 1992, 705 = EWiR 1992, 827 (R. Geimer) = LM Nr. 38/39/40 zu § 328 ZPO (Kronke) = ZZP 106 (1993), 79 (Schack) = IPRax 1993, 310 (Koch/Rabel 288) = IPRspr. 1992 Nr. 218b; OLG Karlsruhe vom 6.12.2001, FamRZ 2002, 839, 840; R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 144. Zustimmend Herrmann, Die Anerkennung USamerikanischer Urteile in Deutschland unter Berücksichtigung des ordre public – Eine rechtsvergleichende Untersuchung zum „Justizkonflikt“ zwischen Deutschland und den USA, 2000, 199; Völker, Zur Dogmatik des ordre public – Die Vorbehaltsklauseln bei der Anerkennung fremder gerichtlicher Entscheidungen und ihr Verhältnis zum ordre public des Kollisionsrechts, 1998, 181 und aus schweizerischer Sicht Jametti Greiner, Der Begriff der Entscheidung im schweizerischen internationalen Zivilverfahrensrecht, 1998, 97. 489 OLG Hamburg vom 26.1.1989, RIW 1991, 152, 154.
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Anerkennung Verurteilt ein ausländisches Gericht zur Auflassung oder zur Kaufpreiszahlung, obwohl der Kaufvertrag nach §§ 311b, 125 BGB formnichtig ist, der deutsche Richter also – hätte er den Erstprozess zu entscheiden gehabt – die Klage abgewiesen hätte, so ist dies für sich allein kein Grund, den ordre public einzusetzen. Dies gilt auch im Falle des Schwarzkaufs (Unterverbriefung).490 Dem sich in Deutschland aufhaltenden Schuldner darf nicht zugemutet werden, 2972 dass er vom ausländischen Gericht zu Schadensersatz deshalb verurteilt wird, weil er sich entsprechend den deutschen Gesetzen (insbesondere Verbotsgesetzen) und dem EG-Recht verhalten hat. Daraus folgt Nichtanerkennung eines ausländischen Urteils, das den Schuldner zu Schadensersatz wegen Nichterfüllung verurteilt, wenn dieser deshalb nicht geleistet hat, weil ihm dies durch europäisches oder deutsches Devisen-, Außenwirtschafts- oder Kulturschutzrecht (Exportverbote491) verboten war bzw. die erforderliche behördliche Genehmigung nicht erteilt worden ist.492 Anders ist es jedoch, wenn der Schuldner eine Garantie für Beschaffung der (an sich möglichen) Genehmigung übernommen hat, oder wenn er sich um Genehmigung nicht bemüht hat. Hat der Schuldner wegen seiner Untätigkeit die auf europäischen oder deutschen Devisen- bzw. Ausfuhrbestimmungen493 beruhende Unmöglichkeit der (rechtzeitigen) Erfüllung zu vertreten, dann verstößt es nicht gegen deutschen ordre public, wenn er zu Schadensersatz verurteilt wird, Rz. 3921. Spricht der ausländische Richter Schadensersatz wegen vertraglichen oder au- 2973 ßervertraglichen Unrechts zu, obwohl dies die vom deutschen internationalen Privatrecht berufene lex causae nicht oder nicht in diesem Umfang vorsieht, so ist dies für sich allein kein Grund, die Anerkennung zu verweigern. Art. 40 III
490 OLG Königsberg vom 28.7.1939, RabelsZ 13 (1940/41), 178 = IPRspr. 1935–1944 Nr. 647. 491 Z.B. Pieroth/Kampmann NJW 1990, 1385. 492 OLG Bamberg vom 25.3.1937, IPRspr. 1935–1944 Nr. 644a; RG vom 2.11.1937, JW 1938, 468 = IPRspr. 1935–1944 Nr. 644b; LG Dortmund vom 8.1.1936, JW 1936, 1550 = IPRspr. 1935–1944 Nr. 714; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 176. 493 So bedarf z.B. die Ausfuhr des in das „Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes“ bzw. in das „Verzeichnis national wertvoller Archive“ eingetragene Kultur- bzw. Archivgut der Genehmigung des Bundesministers des Innern. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn bei Abwägung der Umstände des Einzelfalles wesentliche Belange des deutschen Kulturbesitzes überwiegen, §§ 1 IV, 5 I, 10 III, 12 I des Gesetzes zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung in der Fassung vom 8.7.1999 (BGBl. I 1754). Siehe auch das Kulturgüterrückgabegesetz (KultGüRückG – Gesetz zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14.11.1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut und zur Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern) vom 18.5.2007, BGBl. I 757. Hierzu Halsdorfer, Der Beitritt Deutschlands zum UNESCO-Kulturgutübereinkommen und die kollisionsrechtlichen Auswirkungen des neuen KultGüRückG, IPRax 2008, 395.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen EGBGB ist gegenüber ausländischen Urteilen nicht durchzusetzen.494 Das Verbot des Ersatzes immaterieller Schäden (§ 253 I BGB) wurde bereits bei reinen Inlandsfällen von der Rechtsprechung und nun auch vom Gesetzgeber (§ 253 II BGB) aufgelockert. Es ist keinesfalls „blindlings“ gegenüber ausländischen Entscheidungen durchzusetzen. Zu Recht erachtet der BGH495 ein US-Urteil, das fiktive Heilungskosten zuspricht, für vereinbar mit der deutschen öffentlichen Ordnung. Insbesondere darf eine vor allem im französischen und spanischem Rechtsraum übliche abstrakte Schadensberechnung nicht mit punitive damages gleichgesetzt werden.496 2974 Exorbitante Abweichungen des ausländischen Deliktsrechts vom deutschen können über § 328 I Nr. 4 ZPO abgewehrt werden, so z.B. horrende Schadensersatzsummen zur Sühne immaterieller Schäden, wie sie von US-Gerichten festgesetzt werden,497 und zwar durch Reduzierung auf den aus deutscher Sicht er-
494 BGH vom 22.6.1983, BGHZ 88, 17 = NJW 1984, 568 = RIW 1983, 695 = WM 1983, 914 = JZ 1983, 903 (Kropholler) = IPRax 1984, 202 (Roth 183) = IPRspr. 1983 Nr. 176; grundlegend BGH vom 4.6.1992, BGHZ 118, 312 = MDR 1992, 1181 = NJW 1992, 3096, 3098 (Koch 3073) = RIW 1993, 132 (Schütze 141) = JZ 1993, 261 (Deutsch) = ZIP 1992, 1256 (Bungert 1707 sowie ZIP 1993, 815) = EuZW 1992, 705 = EWiR 1992, 827 (R. Geimer) = LM Nr. 38/39/40 zu § 328 ZPO (Kronke) = ZZP 106 (1993), 79 (Schack) = IPRax 1993, 310 (Koch/Rabel 288) = IPRspr. 1992 Nr. 218b. Siehe auch LG Heilbronn vom 6.2.1991, RIW 1991, 343 = IPRax 1991, 262 = IPRspr. 1991 Nr. 201; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 507; Schack VersR 1984, 422; Stiefel/Stürner VersR 1987, 832; Zekoll, US-amerikanisches Haftpflichtrecht vor deutschen Gerichten, 1987, 27; Gottwald ZZP 103 (1990), 283; Witte, Der US-amerikanische RICO-Act und deutsche Unternehmen, 1998, 179 ff.; Herrmann, Die Anerkennung US-amerikanischer Urteile in Deutschland unter Berücksichtigung des ordre public – Eine rechtsvergleichende Untersuchung zum „Justizkonflikt“ zwischen Deutschland und den USA, 2000, 126 ff.; Kropholler/von Hein in Festschrift Stoll, 2001, 553, 572; Völker, Zur Dogmatik des ordre public, 1998, 172 ff.; LG Berlin vom 13.6.1989, RIW 1989, 988, 989; hierzu Heidenberger RIW 1990, 804. Ausführlich Stiefel/Bungert in Festschrift Trinkner, 1995, 749. Siehe auch Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 130; Witte, Der US-amerikanische RICO-Act und deutsche Unternehmen, 1998; Sikora, Die Anerkennung und Vollstreckung US-amerikanischer Urteile in England: Punitive damages, Treble damages nach RICO und der Protection of Trading Interests Act, 1998. 495 BGH vom 4.6.1992, BGHZ 118, 312 = NJW 1992, 3101. Hierzu Bungert ZIP 1992, 1714 und Koch NJW 1992, 3074. Ähnlich OLG Frankfurt vom 18.5.1989, EWiR 1992, 829 (R. Geimer). 496 BGH vom 8.5.2000, NJW-RR 2000, 1372 = RIW 2000, 872 = IPRax 2001, 586 (von Hein 567) = IPRspr. 2000 Nr. 2. 497 Hierzu Hoechst, Die US-amerikanische Produzentenhaftung, 1986; Magotsch RIW 1986, 413; Peterson IPRax 1990, 187; Otte RIW 1991, 299. Umfassende Nachweise bei Stiefel/Bungert in Festschrift Trinkner, 1995, 749, 769 ff. sowie bei Dörig, Anerkennung und Vollstreckung US-amerikanischer Entscheidungen in der Schweiz, 1998, 356 ff. Siehe auch Buchner, Die Grenzen zulässiger Strafschadensersatzurteile nach der neuesten Rechtsprechung des US Supreme Court, VersR 2003, 1203.
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Anerkennung träglichen Teil.498 So hat es der BGH499 abgelehnt, pauschale Verurteilungen zu punitive damages500 neben der Zuerkennung von Schadensersatz für materielle und immaterielle Schäden für vollstreckbar zu erklären, es sei denn, das ausländische Urteil enthält (in seiner Begründung) plausible und nachvollziehbare Feststellungen, aus denen sich ergibt, dass mit der Verhängung von Strafschadensersatz restliche, nicht besonders abgegoltene oder schlecht nachweisbare wirtschaftliche Nachteile pauschal ausgeglichen oder vom Schädiger durch die unerlaubte Handlung erzielte Gewinne abgeschöpft werden sollen.501 Im Hinblick auf das Verbot der révision au fond (§ 723 I ZPO) darf der deutsche Zweitrichter – bei Fehlen eindeutig nachvollziehbarer Hinweise des ausländischen Gerichts für die Motive zur Verurteilung zu punitive damages – die tatsächlichen Beweggründe des ausländischen Gerichts nicht selbst erforschen, al-
498 Stiefel/Stürner VersR 1987, 843; Stürner/Stadler IPRax 1990, 159; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 869; Siehr RIW 1991, 707, 709; Vorpeil RIW 1991, 1001; Drolshammer/Schärer Schweizer JZ 1986, 318; Völker, Zur Dogmatik des ordre public – Die Vorbehaltsklauseln bei der Anerkennung fremder gerichtlicher Entscheidungen und ihr Verhältnis zum ordre public des Kollisionsrechts, 1998, 81; OLG Düsseldorf vom 28.5.1991, RIW 1991, 594. Anderer Auffassung Stojan, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile, 1986, 75; LG Berlin vom 13.6.1989, RIW 1989, 988, 989 (hierzu Heidenberger RIW 1991, 599); Zekoll, US-amerikanisches Haftpflichtrecht vor deutschen Gerichten, 1987, 156; Schütze in Festschrift Nagel, 1987, 392. 499 BGH vom 4.6.1992, BGHZ 118, 312 = NJW 1992, 3096, 3098 (Koch 3073) = RIW 1993, 132 (Schütze 141) = JZ 1993, 261 (Deutsch) = ZIP 1992, 1256 (Bungert 1707 sowie ZIP 1993, 815) = EuZW 1992, 705 = EWiR 1992, 827 (R. Geimer) = LM Nr. 38/39/40 zu § 328 ZPO (Kronke) = ZZP 106 (1993), 79 (Schack) = IPRax 1993, 310 (Koch/Zekoll 288) = IPRspr 1992 Nr. 218b. Kritisch hierzu Alio, Haftungsrisiken deutscher Unternehmen beim Vertrieb ihrer Produkte in den USA, IHR 2007, 177, 182. 500 Zum Strafschadenersatz des US-Rechts z.B. Baumgartner, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile in der Schweiz: Neuere Entwicklungen, in Leuenburger/Guy (ed.), Stiftung für die Weiterbildung schweizerischer Richterinnen und Richter, Bd. 5, 2004, 111, 120; Knapp, Die US-amerikanische Produkthaftung in der Praxis der deutschen Automobilindustrie, 1997, 102; Brockmeier, Punitive damages, multiple damages und deutscher ordre public, 1999; Fritz, Punitive/exemplary damages in den USA und ihre Qualifikation als Zivilsache, 2004; Mörsdorf-Schulte, Funktion und Dogmatik US-amerikanischer punitive damages, 1999; Herrmann, Die Anerkennung US-amerikanischer Urteile in Deutschland unter Berücksichtigung des ordre public – Eine rechtsvergleichende Untersuchung zum „Justizkonflikt“ zwischen Deutschland und den USA, 2000, 229 ff. Siehe auch S. Lüke, Punitive Damages in der Schiedsgerichtsbarkeit, 2003, sowie OLG Koblenz vom 27.6.2005, IPRax 2006, 25 (Piekenbrock) = ZIP 2006, 1020. Kritisch Koch/Horlach/Thiel RIW 2006, 356 und Alio IHR 2007, 177, 181. 501 Großzügiger Rosengarten NJW 1996, 1935 im Anschluss an seine Hamburger Diss. (1994): Punitive damages und ihre Anerkennung und Vollstreckung in der Bundesrepublik Deutschland. Hierzu Besprechung von Zekoll ZZP 109 (1996), 117. Siehe auch Griessbach/Cordero RIW 1998, 592, 596.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen so nicht nach strafzweckfremden Funktionen502 der Verurteilung zu punitive damages suchen.503 – Vgl. Rz. 3055. 2974a Die Verurteilung eines deutschen Beamten persönlich zu Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung (Nichtbeachtung des Art. 34 GG durch ein ausländisches Gericht)504 verstößt nicht gegen den deutschen ordre public, wohl aber die Verurteilung einer Person, die nach § 105 I SGB VII von der Haftung freigestellt ist.505 2975 Nicht ordre public-widrig506 ist die Zuerkennung einer 40 %igen quota litis für den ausländischen Prozessbevollmächtigten507 der obsiegenden Partei,508 obwohl vice versa die Vereinbarung eines Erfolgshonorars mit einem deutschen Rechtsanwalt nach § 49b II 1 Bundesrechtsanwaltsordnung509 in Verbindung 502 Hierzu z.B. Wilhelmi, Das Weltrechtsprinzip im internationalen Privat- und Strafrecht, Diss. Trier 2007, 26. 503 BGH vom 4.6.1992, BGHZ 118, 312 = MDR 1992, 1181 = NJW 1992, 3096, 3098 (Koch 3073) = RIW 1993, 132 (Schütze 141) = JZ 1993, 261 (Deutsch) = ZIP 1992, 1256 (Bungert 1707 sowie ZIP 1993, 815) = EuZW 1992, 705 = EWiR 1992, 827 (R. Geimer) = LM Nr. 38/39/40 zu § 328 ZPO (Kronke) = ZZP 106 (1993), 79 (Schack) = IPRax 1993, 310 (Koch/Rabel 288) = IPRspr. 1992 Nr. 218b. Großzügiger (aber vom BGH insoweit aufgehoben) OLG Frankfurt vom 18.5.1989, EWiR 1992, 829 (R. Geimer). Vgl. auch LG Heilbronn vom 6.2.1991, RIW 1991, 343, 344 = IPRax 1991, 262 = IPRspr. 1991 Nr. 201. 504 EuGH vom 21.4.1993, Rs C-172/91 – Sonntag/Waidmann Slg. 1993 I 1963 = NJW 1993, 2091 = IPRax 1994, 37 (Heß 10) = EuZW 1993, 417 = ZEuP 1995, 846 (Kubis) = Rev. crit. 1994, 96 (Gaudemet-Tallon) hatte die Schadensersatzklage gegen den Lehrer einer öffentlichen Schule – auch wenn das Benutzungsverhältnis nach nationalem Recht öffentlich-rechtlich organisiert ist – als Zivilsache im Sinne von Art. 1 I EuGVÜ qualifiziert. Hierzu Völker, Zur Dogmatik des ordre public – Die Vorbehaltsklauseln bei der Anerkennung fremder gerichtlicher Entscheidungen und ihr Verhältnis zum ordre public des Kollisionsrechts, 1998, 144. 505 BGH vom 16.9.1993, BGHZ 123, 268 = NJW 1993, 3269 = WM 1993, 2252 = EuZW 1994, 29 = IPRax 1994, 118 (Basedow 85) = JZ 1994, 254 (Eichenhofer) = ZZP 108 (1995), 241 (Haas 219) = EWiR 1994, 51 (Heß) = LM Nr. 4245 zu EGÜbk. (Kronke) = IPRspr. 1993 Nr. 178. 506 OLG Koblenz vom 16.10.2003, RIW 2004, 302 = NJOZ 2004, 3369 = IPRspr. 2003 Nr. 184. Weitere Nachweise bei Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 328 Rz. 251. 507 Zum englischen Recht Schepke, Das Erfolgshonorar des Rechtsanwalts – Gegenläufige Gesetzgebung in England und Deutschland, 1998; Pisani IPRax 2001, 293. Zum USamerikanischen Recht Herrmann, Die Anerkennung US-amerikanischer Urteile in Deutschland unter Berücksichtigung des ordre public – Eine rechtsvergleichende Untersuchung zum „Justizkonflikt“ zwischen Deutschland und den USA, 2000, 222 ff. Weitere Nachweise bei Mankowski in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 2117 ff. 508 BGH vom 4.6.1992, BGHZ 118, 312 = MDR 1992, 1181 = NJW 1992, 3096, 3098 (Koch 3073) = RIW 1993, 132 (Schütze) = JZ 1993, 261 (Deutsch) = ZIP 1992, 1256 (Bungert 1707 sowie ZIP 1993, 815) = EuZW 1992, 705 = EWiR 1992, 827 (R. Geimer) = LM Nr. 38/39/40 zu § 328 ZPO (Kronke) = ZZP 106 (1993), 79 (Schack) = IPRax 1993, 310 (Koch/Rabel 288) = IPRspr. 1992 Nr. 218b. 509 BVerfG vom 12.12.2006, BB 2007, 617 hält § 49b II 1 BRAO mit Art. 12 I GG insoweit für nicht vereinbar, als keine Ausnahme für den Fall zugelassen wird, dass der Rechtsanwalt mit der Vereinbarung einer erfolgsbasierten Vergütung besonderen Umständen
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Anerkennung mit § 134 BGB nichtig wäre.510 Das Gleiche gilt gemäß § 9 StBerG für die Tätigkeit von Steuerberatern.511 Soweit der internationale Geltungsanspruch des zwingenden europäischen512 2976 bzw. deutschen Kartellrechts (§ 130 II GWB)513 bzw. Devisenrechts514 reicht, ist dieses grundsätzlich auch gegenüber ausländischen Entscheidungen durchzusetzen.515 Die Verurteilung zur Eingehung der Ehe aufgrund Verlöbnisses verstößt gegen 2977 den deutschen ordre public; sie wäre im Übrigen nicht vollstreckbar, § 888 III ZPO. Nicht ordre public-widrig ist jedoch Verurteilung zur Zahlung einer Vertragsstrafe wegen Verlöbnisbruchs: § 1297 II BGB wird über § 109 I Nr. 4 FamFG (vor dem 1.9.2009 über § 328 I Nr. 4 ZPO) nicht durchgesetzt.516 Gegenüber ausländischen Urteilen sind auch zumindest die elementaren Grundsätze des deutschen Verbraucherschutzrechts beachtlich im Hinblick auf § 328 I Nr. 4 ZPO, soweit dieses internationale Geltung beansprucht (Art. 29 EGBGB), d.h. sofern dieses – hätte der deutsche Richter den Prozess entschieden – ohne Rücksicht auf die lex causae zur Anwendung gekommen wäre.517
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Nach Neufassung des § 61 BörsG518 war die deutsche Rechtsprechung zurückhaltender als früher bei der Anwendung des ordre public gegenüber auslän-
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in der Person des Mandanten Rechnung trägt, die diesen sonst davon abhielten, seine Rechte zu verfolgen. Zum Anwendungsbereich des § 49b BRAO OLG Frankfurt vom 1.3.2000, NJW-RR 2000, 1367 = RIW 2001, 374 = IPRspr. 2000 Nr. 175; Freitag in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 424. Zu den englischen conditional fee agreements Pisani IPRax 2001, 293. Zur Nachprüfung einer den wirklichen Aufwand weit überschreitenden Arbeitszeit-Honorarabrechnung eines ausländischen Rechtsanwalts (Stundenhonorar) BGH vom 6.5.2004, NJW 2004, 2386, 2388 = IPRax 2006, 47 (Hau 20). Siehe auch BGH vom 24.7.2003 IPRax 2005, 150 (Spickhoff 125; Staudinger 129). Freitag in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 424. Art. 81 EGV. Vgl. auch oben Rz. 2969a sowie Hilbig, Das gemeinschaftsrechtliche Kartellverbot im internationalen Handelsschiedsverfahren – Anwendung und gerichtliche Kontrolle, Diss. München 2006, 13, 99; Niggemann SchiedsVZ 2005, 265. BGH vom 24.3.1981, IPRax 1982, 21 (Rehbinder 7) = IPRspr. 1981 Nr. 136. Zur Durchsetzung international zwingenden Devisenrechts (= in der Regel gleichbedeutend mit Art. VIII Abschn. 2 (b) IWF-Abk., Rz. 234) Ebke, Internationales Devisenrecht, 1991, 214, Ebenroth/Neiss RIW 1991, 625 und OLG Hamburg vom 9.10.1992, EWiR 1992, 1291 (R. Geimer). Sehr anerkennungsfreundlich EuGH vom 11.5.2000, Rs C-38/98 – Renault/Maxicar Slg. 2000, I-2973 = NJW 2000, 2185 = EWiR 2000, 627 (R. Geimer) = IPRax 2001, 328 (Heß 301) = ZZPInt 5 (2000), 248 (Fritzsche); hierzu Jayme/Kohler IPRax 2000, 460; Dietze/Schnichels EuZW 2001, 581, 585; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht2, 2003, Art. 34–36 EuGVVO Rz. 4. Frankenstein, Internationales Privatrecht III, 1934, 45. Vgl. schon RG vom 28.3.1930, JW 1932, 591 = IPRspr. 1931 Nr. 7. Anderer Auffassung Schütze in Wieczorek/Schütze, ZPO und Nebengesetze3, 2007, § 328 Rz. 48. BGBl. 1996 I 1030. Hierzu Dannhoff, Das Recht der Warentermingeschäfte – Eine Untersuchung zum deutschen, internationalen und US-amerikanischen Recht, 1993, 212 ff.; de Lousanoff in Festschrift Nirk, 1992, 607; Mankowski, RIW 1996, 1001. Zur Rechtslage auf der Basis der BörsG-Novelle 1989 Jordans, Schiedsgerichte bei Termin-
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen dischen Entscheidungen, Rz. 1770, 3926.519 Bei im Ausland geschlossenen Börsentermingeschäften gehörte der Termin- und Differenzeinwand520 nicht mehr zum anerkennungsrechtlichen ordre public.521 Dies gilt auch dann, wenn das Termingeschäft nicht Devisen oder Edelmetalle, sondern andere Waren zum Gegenstand hat. Das neue Konzept des § 37d WpHG522 ist noch liberaler und muss nicht mehr über den anerkennungsrechtlichen ordre public durchgesetzt werden.523 2980 Die Anerkennung einer Scheidung einer bigamischen Ehe (statt Aufhebung, früher: Nichtigerklärung) scheitert nicht am deutschen ordre public,524 ebenso nicht die Scheidung ohne Einhaltung der Trennungsfrist des deutschen Rechts (§ 1566 BGB).525 Eine einvernehmlich herbeigeführte Scheidung, um die Ausreiseerlaubnis aus einem ehemaligen Ostblockland zu erhalten, verstieß grundsätzlich nicht gegen den ordre public.526 Der ordre public greift jedoch ein, wenn das ausländische Urteil das Bigamie-Verbot ignoriert.527 Ebenso, wenn die ausländischen Behörden Druck auf die Beteiligten ausgeübt haben, um die
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geschäften und Anlegerschutz, 2007, 31 ff. Das Fehlen einer Mindestaufklärung über Risiken von Finanztermingeschäften verletzt deutschen ordre public. Diese muss aber nicht unbedingt in den Formen des § 37d WpHG erfolgen, Jordans 130. Siehe auch Kleinknecht, Die verbraucherschützenden Gerichtsstände im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, Diss. Mainz 2007, 199. BGH vom 21.4.1998, BGHZ 138, 331 = NJW 1998, 2358 = RIW 1998, 626, 628 = ZIP 1998, 1024 = IPRax 1999, 466 (G. Fischer 450) = IPRspr. 1998 Nr. 185; zum alten Recht BGH vom 26.2.1991, NJW-RR 1991, 757 = RIW 1991, 420 = IPRax 1992, 380 (Samtleben 362) = EWiR 1991, 559 (Koller) = WuB VII B 3 § 1044 ZPO 1.91 (Schütze) = IPRspr. 1991 Nr. 222; BGH vom 21.9.1993, NJW-RR 1993, 1519 = WM 1993, 2121 = WuB I G 5 BörsG 2.94 (Thode) = IPRspr. 1993 Nr. 194; OLG Frankfurt vom 25.7.1996, NJW-RR 1997, 1202 = RIW 1997, 600 = WM 1996, 2107 = EWiR 1996, 1071 (Mankowski) = IPRspr. 1996 Nr. 152. Siehe auch die Nachweise bei Palandt/Thorn, BGB68, 2009, Art. 28 EGBGB Rz. 22 sowie Schuster, Die internationale Anwendung des Börsenrechts, 1996. Zur Abschaffung des Differenzeinwands Jordans, Schiedsgerichte bei Termingeschäften und Anlegerschutz, 2007, 59. Mankowski in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 1281 ff. Vgl. auch Hausmann in Reithmann/Martiny a.a.O. Rz. 3471; BGH vom 21.4.1998, BGHZ 138, 331 = NJW 1998, 2358 = RIW 1998, 626, 628 = ZIP 1998, 1024 = IPRax 1999, 466 (G. Fischer 450) = IPRspr. 1998 Nr. 185. Hierzu Mankowski in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 1281 ff.; Jordans, Schiedsgerichte bei Termingeschäften und Anlegerschutz, 2007, 28 ff., 50 ff. BGH vom 25.1.2005, NJW-RR 2005, 1071 = RIW 2005, 463 = EWiR 2005, 823 (Balzer) = ZIP 2005, 478, 481 = IPRspr. 2005 Nr. 12. Hierzu auch Kleinknecht, Die verbraucherschützenden Gerichtsstände im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht, Diss. Mainz 2007, 199 ff. BayObLG vom 13.5.1993, BayObLGZ 1993, 222 = IPRspr. 1993 Nr. 187. BayObLG vom 3.10.1978, IPRspr. 1978 Nr. 175; BayObLG vom 9.6.1993, FamRZ 1993, 1469 = IPRspr. 1993 Nr. 188. Landesjustizverwaltung Nordrhein-Westfalen vom 11.7.1984, IPRspr. 1984 Nr. 184. Hierzu Krzywon StAZ 1989, 101. Landesjustizverwaltung Baden-Württemberg FamRZ 1990, 1016.
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Anerkennung Scheidung zu erzwingen.528 Die Verstoßung der Ehefrau (ordnungsgemäß registriert von einem Sharia-Gericht des Heimatstaates der Parteien) verstößt jedenfalls dann nicht gegen den deutschen ordre public, wenn auch nach deutschem Recht die Voraussetzungen für eine Scheidung gegeben gewesen wären.529 Auch gegenüber ausländischen Urteilen zur Geltung zu bringen ist § 1614 BGB. Hält das ausländische Gericht einen Verzicht auf Unterhalt für die Zukunft für wirksam,530 so ist das ausländische Urteil nicht anzuerkennen. Umgekehrt ist § 1613 BGB (Verbot für die Vergangenheit Unterhalt zu verlangen) über § 109 I Nr. 4 FamFG (früher § 328 I Nr. 4 ZPO) nicht auch gegenüber ausländischen Urteilen durchzusetzen.531
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Auch sonst haben sich die deutschen Gerichte bei Anwendung des ordre public 2982 in Unterhaltsangelegenheiten sehr zurückgehalten.532 Das Prinzip des § 1600d IV BGB (keine Verurteilung zu Unterhalt ohne [vorherige] statusrechtliche Feststellung der Vaterschaft) wird international nicht durchgesetzt.533 Auch gehört der Grundsatz des verschuldensunabhängigen nachehelichen Unterhaltsanspruchs des (bedürftigen) geschiedenen Ehegatten (eingeschränkt durch § 1579 BGB) nicht zum unantastbaren Bestand der deutschen Rechtsordnung. Die Anerkennung ausländischer Scheidungsfolgenurteile, die auf der Basis des Verschuldens am Scheitern der Ehe die Unterhaltsfrage entschieden haben, scheitert also nicht am ordre public.534 Wenn im Erststaat mehr Unterhalt zugesprochen wurde als in einem deutschen Unterhaltsprozess möglich gewesen wäre, so ist dies grundsätzlich nicht zu beanstanden, ebenso nicht eine Unterhaltspauschalierung für mehrere Jahre, auch wenn diese die Substanz des Schuldnervermögens stark in Anspruch nimmt.535 Die Unterhaltshöhe für Kinder und (geschiedene) Ehegatten divergiert von Rechtsordnung zu Rechtsordnung. Diese Unterschiede sind grundsätzlich hinzunehmen.536 § 109 I Nr. 4 FamFG (vormals § 328 I Nr. 4 ZPO) kommt auch dann nicht zum Zug, wenn das vom Erstrichter angewandte Recht einen Mindestunterhalt ohne Rücksicht darauf gewährt, ob der Pflichtige
528 BayObLG vom 11.6.1992, BayObLGZ 1992, 195 = NJW-RR 1992, 1478 = FamRZ 1993, 451 = IPRspr. 1992 Nr. 235. 529 OLG Koblenz vom 21.9.1992, NJW-RR 1993, 70 = FamRZ 1993, 563 = IPRspr. 1992 Nr. 236; OLG Köln vom 9.5.1996, FamRZ 1996, 1147 = IPRspr. 1996 Nr. 76. Vgl. auch OLG Düsseldorf vom 3.11.1997, FamRZ 1998, 1113. 530 So für türkisches Recht OLG Koblenz vom 12.2.1985, IPRax 1986, 40 (Henrich 24) = IPRspr. 1985 Nr. 92. 531 OLG Düsseldorf vom 25.6.1980, DAVorm 1980, 762 = IPRspr. 1980 Nr. 4; Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in Unterhaltssachen, 1989, 34. 532 Nachweise bei Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. II Rz. 301; Henrich IPRax 1992, 86. 533 Es ist bereits im deutschen Recht durch § 1615o BGB und § 248 FamFG stark relativiert. Siehe aber auch unten Rz. 3073. 534 Baumann a.a.O., 33. 535 OLG Karlsruhe vom 6.12.2001, FamRZ 2002, 839. 536 Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 2, 1984, Kap. II Rz. 301; Baumann a.a.O., 34.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen leistungsfähig ist oder nicht. Allerdings kann der Pflichtige sich im Zweitstaat auf den Pfändungsschutz berufen.537 2983 Ausländischem Unterhaltsrecht, das den Kreis der gesetzlichen Unterhaltsgläubiger weiter zieht als das BGB, steht der ordre public grundsätzlich nicht entgegen.538 Ausnahme: § 37 II AVAG. 2984 Auch Zahlvaterschaftsurteile sind anerkennungsfähig.539 Anerkennung einer Unterhaltsentscheidung setzt also kein Abstammungsurteil voraus, Rz. 2982.540 Im Hinblick auf das Verbot der révision au fond wird die Vorfrage der Abstammung nur in besonders krass gelagerten Fällen (welche die Toleranzschwelle des anerkennungsrechtlichen ordre public [§ 109 I Nr. 4 FamFG] übersteigen) im Exequaturverfahren näher geprüft werden. Macht der Unterhaltsschuldner geltend, er sei nicht der Vater, so kann er im Inland negativen Abstammungsantrag (§ 169 Nr. 1 FamFG) stellen. Ist dieser erfolgreich, so kann er gegen die deutsche Vollstreckbarerklärung des ausländischen Unterhaltstitels mit der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) vorgehen.541 2984a Ist aber im Ausland ein Abstammungsurteil (isoliert oder im Entscheidungsverbund) ergangen, dann kann man nicht einfach die Anerkennungsfähigkeit der Statusentscheidung dahingestellt sein lassen. Denn eine Verurteilung zur Zahlung des Kindesunterhalts basiert rechtslogisch auf der Feststellung der Vaterschaft. Ist die Anerkennungsfähigkeit des statusrechtlichen Teils des ausländischen Urteils zu bejahen, so ist das deutsche Gericht an die Feststellungswirkung (res iudicata) bzw. Gestaltungswirkung des erststaatlichen Urteils gebunden. 2984b
Kommt eine Anerkennung der Statusentscheidung jedoch nicht in Betracht, so scheitert die Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung des unterhaltsrechtlichen Teils nicht generell. Denn Nichtanerkennung bedeutet nur, dass aus deutscher Sicht keine anerkennungsfähige Feststellungs- oder Gestaltungswirkung der ausländischen Entscheidung zu beachten ist. In diesem Fall hat das deutsche Gericht die Frage der Vaterschaft selbständig als Vorfrage zu prüfen; das in § 1600d IV BGB bzw. in der Parallelnorm des maßgeblichen Abstammungsstatuts niedergelegte Prinzip der vorherigen Feststellung der Vaterschaft steht in einer solchen Konstellation nicht entgegen. Wollte man diese Ausnahme nicht zulassen, so müsste man dem Kind Gelegenheit gegeben, das Vaterschaftsfeststellungsverfahren in Deutschland zu wiederholen, und bis zum Abschluss dieses Verfahrens das Vollstreckbarerklärungsverfahren aussetzen. Steht aufgrund
537 Kennt das vom Erstgericht angewandte Recht keinen Selbstbehalt (mit der Folge, dass Eltern und Kinder alles miteinander teilen müssen), so will AG Hamburg vom 27.6.1985, IPRax 1986, 178 (Henrich) den ordre public anwenden; hierzu Baumann a.a.O. 35. 538 Anderer Auffassung LG Düsseldorf vom 24.1.1991, FamRZ 1991, 581. 539 Baumann a.a.O. 32; KG vom 22.6.1982, FamRZ 1982, 1240 = IPRspr. 1982 Nr. 176. Anders AG Hamburg-Wandsbek vom 15.4.1982, DAVorm 1982, 706 = IPRspr. 1982 Nr. 184. 540 Anders OLG Hamm vom 9.11.2004, IPRspr 2004 Nr. 177. 541 Zum Folgenden R. Geimer IPRax 2004, 419 mit Nachweisen.
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Anerkennung eigener Prüfung der deutschen Gerichte (als Vorfrage oder im Vaterschaftsfeststellungsverfahren) die Vaterschaft fest, dann sind die deutschen Gerichte hinsichtlich der Folgen der Vaterschaftsfeststellung wiederum an die (anerkennungsfähige) Feststellungswirkung der ausländischen Annexentscheidung gebunden. Vorzuziehen ist aber folgender liberaler Ansatz: Im Hinblick auf das Schutz- 2984c bedürfnis des (minderjährigen) Kindes wird die ordre public-Widrigkeit der Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung des unterhaltsrechtlichen Teils der Verbundentscheidung ohne Feststellung der Vaterschaft verneint und der Unterhaltstitel für vollstreckbar erklärt; der Nicht-Vater wird auf die Vollstreckungsgegenklage verwiesen, sofern er mit dem negativen Abstammungsantrag erfolgreich war, Rz. 3073.542 Der deutsche Zweitrichter prüft auch die Vereinbarkeit des dem Titel zugrunde 2984d liegenden Vaterschaftsanerkenntnisses mit dem deutschen ordre public.543 Ein ordre public-Verstoß ist nicht schon deshalb zu bejahen, weil die Beweisaufnahme, insbesondere die serologische Begutachtung, nicht den Anforderungen entspricht, die nach deutschem Recht zu stellen sind.544 Die Vaterschaftsfeststellung ohne medizinische Untersuchung aufgrund der Aussage der Mutter oder Großmutter545 des Kindes verstößt aber gegen den deutschen ordre public, Rz. 2964.546 Die Verurteilung des Schuldners zur Zahlung in (aus der Sicht des Erststaates) fremder Währung (d.h. in Euro oder in der Währung eines dritten Staates) verstößt nicht gegen deutschen ordre public. Schließlich können auch deutsche Ge-
542 Ebenso im Ergebnis Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts III/1, 1982, Kap. I Rz. 333. Ablehnend Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 1024. 543 Das LG Frankfurt a.M. (18.2.1977 DAVorm 1977, 342 = IPRspr. 1977 Nr. 141; LG Frankfurt a.M. vom 22.6.1978, DAVorm 1979, 534 = IPRspr. 1978 Nr. 161) verneinte – wohl zu Unrecht – ordre public-Verstoß, obwohl das polizeiliche Protokoll über das Vaterschaftsanerkenntnis ohne Zuziehung eines Dolmetschers abgefasst worden war. Zur Überprüfung der Vaterschaftsfeststellung auch AG Kassel vom 10.3.1980, DAVorm 1981, 236 = IPRspr. 1980 Nr. 165; OLG Düsseldorf vom 14.3.1988, DAVorm 1988, 633 = IPRspr. 1988 Nr. 192b; LG Hamburg vom 4.2.1993, FamRZ 1993, 980 = IPRspr. 1993 Nr. 4. 544 OLG München vom 17.2.1982, DAVorm 1983, 246 = IPRspr. 1982 Nr. 167; KG vom 22.6.1982, FamRZ 1982, 1240 = IPRspr. 1982 Nr. 176; LG Hamburg vom 4.2.1993, FamRZ 1993, 980 = IPRspr. 1993 Nr. 4; OLG Düsseldorf vom 18.9.1998, FamRZ 1999, 447 = IPRspr. 1998 Nr. 201. Anders AG Hamburg-Wandsbek vom 15.4.1982, DAVorm 1982, 706 = IPRspr. 1982 Nr. 184. 545 Anderer Auffassung OLG Köln vom 17.9.2007, FamRZ 2008, 1763. 546 AG Würzburg vom 4.8.1994, FamRZ 1994, 1596 = IPRspr. 1994 Nr. 176. Anderer Auffassung OLG Hamm vom 21.2.2003, FamRZ 2003, 1855 = IPRax 2004, 437 (R. Geimer 419) = IPRspr 2003 Nr. 78; Gottwald in Münchener Kommentar zur ZPO3, 2008, § 328 Rz. 100 unter Hinweis auf BGH vom 9.4.1986, NJW 1986, 2193 = FamRZ 1986, 665 = MDR 1986, 832 = IPRax 1987, 247 (Winkler von Mohrenfels 227) = IPRspr. 1986 Nr. 95; ebenso BSG vom 3.12.1996, BSGE 79, 277 = NJW-RR 1997, 1433 = IPRax 1998, 367, 369 (Eichenhofer 352) = IPRspr. 1996 Nr. 192.
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2985
Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen richte zur Zahlung in ausländischer Währung verurteilen, § 244 I BGB, was in einer Reihe fremder Staaten nicht möglich ist.547 2985a Der deutsche anerkennungsrechtliche ordre public kann ins Spiel kommen, wenn das ausländische Gericht die Verfügungs- bzw. Prozessführungsbefugnis des Verwalters eines deutschen Insolvenzverfahrens nicht berücksichtigt hat, Rz. 3478. c) Skandalöses Verhalten einer Partei im Erstverfahren 2986 Die Anerkennung ist nach § 328 I Nr. 4 ZPO bzw. § 109 I Nr. 4 FamFG zu versagen, wenn die zur Anerkennung anstehende Entscheidung das Ergebnis betrügerischer Machenschaften ist.548 Betrug erfordert Vorsatz. Das Delikt muss im ausländischen Erstprozess selbst begangen (z.B. durch Vorlage gefälschter Ur547 Einen Sonderfall bildete die Praxis der früheren CSFR-Gerichte, die im forum actoris Unterhaltsschuldner mit Wohnsitz in Deutschland zur Zahlung von Unterhalt in DM oder sonstigen westlichen harten Währungen verurteilten. Hintergrund war der chronische Devisenmangel der CSFR. Die westlichen Devisen vereinnahmte die CSFR-Nationalbank, der Gläubiger erhielt Landeswährung zu einem unrealistischen (der Kaufkraft nicht entsprechenden) Wechselkurs. Hauptnutznießer war also der ausländische Urteilsstaat. Gleichwohl haben sich die deutschen Gerichte geweigert, den ordre public einzusetzen. Es sei nicht Aufgabe der deutschen Gerichte, das Devisengebaren der CSFR anzuprangern, BGH vom 26.11.1986, NJW 1987, 1146 = RIW 1987, 312 = FamRZ 1987, 370 = IPRspr. 1986 Nr. 183; OLG Düsseldorf vom 26.11.1986, DAVorm 1987, 836 = IPRspr. 1986 Nr. 184; OLG München vom 12.11.1984, DAVorm 1985, 164 = IPRspr. 1984 Nr. 181; vgl. auch OLG Nürnberg vom 7.11.1984, DAVorm 1985, 345 = IPRspr. 1984 Nr. 170. Doch ist festzuhalten, dass der in Deutschland lebende Unterhaltsschuldner die Unbilligkeiten des Zwangskurses nicht unbegrenzt hinnehmen und „finanzieren“ muss. Fraglich ist nur, wann in concreto die Toleranzgrenze des ordre public überschritten ist, BGH vom 9.5.1990, FamRZ 1990, 992 = ZZP 103 (1991), 471 (R. Geimer) = NJW 1990, 2197 = MDR 1991, 52 = IPRspr. 1990 Nr. 210. Siehe auch OLG Düsseldorf vom 10.11.1986, FamRZ 1987, 195 (Henrich/Bytomski 511) = IPRspr. 1986 Nr. 70; OLG Düsseldorf vom 7.3.1986, FamRZ 1986, 587 = IPRspr. 1986 Nr. 86; OLG Frankfurt vom 16.6.1986, FamRZ 1987, 623 = IPRspr. 1986 Nr. 88; OLG Jena vom 8.12.1994, DAVorm 1995, 1085 = IPRspr. 1994 Nr. 172; Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in Unterhaltssachen, 1989, 36. 548 BGH vom 6.5.2004, NJW 2004, 2386, 2388 = IPRax 2006, 47 (Hau 20) = MDR 2004, 1196 = IPRspr. 2004 Nr. 161; BGH vom 15.12.2005, AnwBl. 2006, 214 = IPRspr. 2005 Nr. 163; BSG vom 3.12.1996, BSGE 79, 277 = NJW-RR 1997, 1433 = IPRax 1998, 367, 369 (Eichenhofer 352) = IPRspr. 1996 Nr. 192. Vgl. auch BayObLG vom 28.7.1999, BayObLGZ 1999, 211. Allerdings obliegt der an der Nichtanerkennung interessierten Partei die Behauptungs- und Beweislast, BGH vom 29.4.1999, BGHZ 141, 286 = JZ 2000, 107 (Stürner/Bormann 81) = NJW 1999, 3198 = RIW 1999, 698, 700 = LM § 328 Nr. 4852 (R. Geimer) = IPRax 2001, 230 (Haas 195) = IPRspr. 1999 Nr. 160. Zur englischen Sicht Cheshire, North & Fawcett, Private International Law14, 2008, 551 ff. Zur parallelen US-Perspektive Scoles/Hay/Borchers/Symeonides, Conflict of Laws4, 2004, § 24.17. Nachweise auch bei Eckstein-Puhl, Prozessbetrug im Schiedsverfahren: Eine Studie zu den vom erschlichenen Schiedsspruch aufgeworfenen Fragen des Aufhebungsverfahrens gemäß § 1059 ZPO, Diss. Saarbrücken 2005, 127, und bei Regen, Prozessbetrug als Anerkennungshindernis, 2008, Rz. 480 ff.
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Anerkennung kunden oder Falschaussage) und kausal für die Entscheidung sein.549 Der Prozessbetrug muss substantiiert im Verfahren vor dem deutschen Zweitrichter vorgetragen werden und ist nur dann relevant, wenn er während des Erstverfahrens nicht mit ordentlichen Rechtsmitteln bzw. -behelfen geltend gemacht werden konnte, Rz. 2990.550 Andernfalls ist der Einwand präkludiert.551 Dies soll nach der Rechtsprechung des BGH552 jedoch nur gelten, wenn sich der Beklagte im erststaatlichen Verfahren tatsächlich verteidigt hat. Andernfalls soll ihm auch noch im Anerkennungs- bzw. Vollstreckbarerklärungsverfahren der Betrugseinwand erhalten bleiben. § 581 ZPO kommt nicht zur Anwendung.553 Die Einleitung eines Restitutionsverfahrens im Erststaat ist nicht erforderlich.554 Es muss sich der Geschädigte auf den Betrug berufen. Der Täter kann nicht unter Hinweis auf den eigenen Betrug die Nichtanerkennung verlangen, um im Inland neu und mit mehr Aussicht auf Erfolg klagen zu können. Beispiele für Urteilserschleichung: Ein Kaufmann erhebt in Pisa gegen seinen in 2987 Frankfurt/M. domizilierten Geschäftspartner Klage auf Zahlung des Kaufpreises aus Liefervertrag, der in Wahrheit bereits bezahlt war. Der Beklagte ließ Versäumnisurteil ergehen, weil der Kläger ihm nach Zustellung der Klage erklärt hatte, diese sei „nicht ernst gemeint“. Sie solle lediglich gegenüber der Gläubigerbank die der Gewährung von Krediten zugrundeliegenden Angaben glaubwürdiger erscheinen lassen. Auch nach Erlass des Versäumnisurteils hatte der Kläger nochmals versichert, dass er das Urteil nur aus kreditrechtlichen Grün549 BGH vom 10.7.1986, NJW-RR 1987, 377 = WM 1986, 1370 = IPRax 1987, 236 (Grunsky 219) = IPRspr. 1986 Nr. 182; BGH vom 15.10.1992, NJW 1993, 1270, 1271 = WM 1993, 223 = LM Nr. 2 dt.-österr. Anerkennungsvertrag – Zivilsachen; OLG Hamburg vom 1.4.1981, IPRspr. 1981 Nr. 182; OLG Saarbrücken vom 3.8.1987, IPRax 1989, 37, 39 (Roth 17) = NJW 1988, 3100 = IPRspr. 1987 Nr. 156; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 2, 1984, Kap. II Rz. 360, 1160; Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in Unterhaltssachen, 1989, 38; R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 144; Völker, Zur Dogmatik des ordre public – Die Vorbehaltsklauseln bei der Anerkennung fremder gerichtlicher Entscheidungen und ihr Verhältnis zum ordre public des Kollisionsrechts, 1998, 97. Vgl. auch Roland M. Müller, Anerkennung und Vollstreckung schweizerischer Zivilurteile in den USA, 1994, 125 und Schlosser, EU-Zivilprozessrecht2, 2003, Art. 3436 EuGVVO Rz. 5b. 550 LG Heilbronn vom 6.2.1991, RIW 1991, 343 = IPRax 1991, 262 = IPRspr. 1991 Nr. 201. 551 Schon Ludwig von Bar (Theorie und Praxis des internationalen Privatrechts2, Bd. 2, 489) konstatierte, „dass die Behauptung des Betrugs keine Einrede gegen die Vollstreckung sei, wenn der begangene Dolus vor den Gerichten des Staates geltend gemacht werden kann oder konnte, in welchem die Hauptsache anhängig ist oder anhängig war“. 552 BGH vom 29.4.1999, BGHZ 141, 286 = JZ 2000, 107 (Stürner/Bormann 81) = NJW 1999, 3198 = RIW 1999, 698, 702 = LM § 328 Nr. 4852 (R. Geimer) = IPRax 2001, 230 (Haas 195) = IPRspr. 1999 Nr. 160; Vorinstanz: OLG Hamm vom 4.6.1997, IPRspr. 1997 Nr. 133; BGH vom 6.5.2004, NJW 2004, 2386, 2388 = IPRax 2006, 47 (Hau 20). 553 So auch Regen, Prozessbetrug als Anerkennungshindernis, 2008, Rz. 836. Anders wohl BGH vom 2.11.2000, NJW 2001, 373. Vgl. Rz. 3912. 554 BSG vom 3.12.1996, BSGE 79, 277 = NJW-RR 1997, 1433 = IPRax 1998, 367, 369 (Eichenhofer 352) = IPRspr. 1996 Nr. 192.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen den brauche und dass er nicht vollstrecken werde. Es würde gegen den deutschen ordre public verstoßen, ein durch Täuschung des ausländischen Erstgerichts erschlichenes Urteil anzuerkennen und zu vollstrecken, zumal der Kläger den Beklagten durch Täuschung davon abgebracht hatte, sich gegen die wahrhaftswidrig begründete Klage und gegen das Versäumnisurteil zu verteidigen.555 Ebenso ist zu entscheiden, wenn der Kläger ein Versäumnisurteil dadurch erschlichen hat, dass er den ordnungsgemäß und rechzeitig geladenen Beklagten davon abgehalten hat, vor dem ausländischen Gericht zu erscheinen und sich zu verteidigen, weil er ihm mitgeteilt hatte, er werde die Klage zurücknehmen. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung sei gegenstandslos.556 Das Gleiche gilt, wenn die Parteien während der Rechtsstreits einen außergerichtlichen Vergleich schließen, in dem sich der Kläger zur Rücknahme der Klage verpflichtet. In den vorgenannten Beispielen kommt der ordre public jedoch nur dann zum Zuge, wenn der Beklagte im Erstverfahren erfolglos versucht hat, während des Erstverfahrens mit ordentlichen Rechtsmitteln bzw. -behelfen die Aufhebung des vom Kläger erschlichenen Versäumnisurteil zu erreichen, Rz. 2955.557 Haben beide Parteien einverständlich durch Täuschung des Gerichts ein Urteil erschlichen, dann greift der ordre public grundsätzlich nicht ein.558 Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn es um die Wahrung international zwingenden Rechts im unmittelbaren Staatsinteresse (Rz. 2991) geht. d) Prüfungsmaximen 2988 Maßgebender Zeitpunkt ist derjenige, zu dem die Wirkungen der ausländischen Entscheidung eintreten, Rz. 29a, 2798, 2992. 2989 Nach herrschender Meinung soll der Zweitrichter bei der ordre public-Prüfung an die tatsächlichen Feststellungen des ausländischen Gerichts gebunden sein.559 555 BGH vom 10.7.1986, NJW-RR 1987, 377 = WM 1986, 1370 = IPRax 1987, 236 (Grunsky 219) = IPRspr. 1986 Nr. 182. 556 OLG Frankfurt OLGR 2002, 132 = IPRspr. 2002 Nr. 190. 557 Vgl. auch die Nachweise bei Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 328 Rz. 260. 558 Präsidentin des OLG Celle vom 14.2.1996, StAZ 1996, 303 = IPRspr. 1996 Nr. 187. 559 RG vom 30.4.1928, JW 1928, 3044 = HRR 1928 Nr. 1659; RG vom 26.4.1941, RGZ 166, 367, 373, 374 = DR 1941, 1744 = HRR 1941 Nr. 718; BGH vom 10.7.1957, FamRZ 1957, 370; Landesjustizverwaltung Nordrhein-Westfalen vom 2.7.1984 und vom 11.7.1984, IPRspr. 1984 Nr. 814 und 185; BGH vom 9.4.1973, BGHZ 60, 344, 349 = NJW 1973, 1552 = ZZP 87 (1974), 332 (Geimer) = IPRspr. 1973 Nr. 153; BGH vom 11.4.1979, NJW 1980, 529, 531; BGH vom 21.4.1998, BGHZ 138, 331 = NJW 1998, 2358 = RIW 1998, 626, 628 = ZIP 1998, 1024 = IPRax 1999, 466 (G. Fischer 450) = IPRspr. 1998 Nr. 185; Spickhoff ZZP 108 (1995), 489 ff. BayObLG vom 3.10.1978, IPRspr. 1978 Nr. 175 bejaht sogar eine Bindung an rechtliche Feststellungen; vgl. auch BGH vom 19.9.1977, NJW 1978, 1114 = MDR 1978, 488 = IPRspr. 1977 Nr. 151: Mit denjenigen Beweismitteln, deren sich der Beklagte bereits bei seinem Vortrag im ausländischen Prozess bedient hat oder hätte bedienen können, kann er allein nicht ein betrügerisches Erschleichen des Urteils darlegen; KG vom 22.6.1982, FamRZ 1982, 1240 = Rpfleger 1982, 433 = IPRspr. 1982 Nr. 176: kein ordre public-Verstoß, weil Erstgericht von einer weiteren
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Anerkennung Allerdings lässt der BGH560 neuen Tatsachenvortrag zur Darlegung eines ordre public-Verstoßes (§ 328 I Nr. 4 ZPO) zu.561 Man sollte unterscheiden zwischen Anerkennungsvoraussetzungen, welche 2990 dem Schutz unmittelbarer Staatsinteressen dienen, und solchen, welche die Durchsetzung eines Mindeststandards an inländischen Gerechtigkeitsvorstellungen und damit den Schutz der Parteien (meist des Beklagten) bezwecken.562 Nur soweit unmittelbare Staatsinteressen auf dem Spiele stehen, kann eine Prüfung von Amts wegen oder sogar eine Tatsachenermittlung von Amts wegen (Inquisitionsmaxime) in Betracht kommen.563 In den sonstigen Fällen besteht kein Anlass, die Verhandlungsmaxime auszuschalten.564 So ist z.B. von Amts wegen und gegebenenfalls auch durch Beweiserhebung von Amts wegen zu untersuchen, ob ein ausländisches Urteil gegen in Deutschland geltendes zwingendes Kartell- oder Devisenrecht (soweit es internationale Geltung beansprucht) ver-
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Beweiserhebung zur Vaterschaft abgesehen hat, jedenfalls im Hinblick darauf, dass es der Schuldner (Vater) unterlassen hat, sich am Erstverfahren zu beteiligen und Gegenbeweise anzutreten. Weitere Nachweise bei R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zuständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 49; R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 142; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1457, 1716; Ost, Doppelrelevante Tatsachen im Internationalen Zivilverfahrensrecht – Zur Prüfung der internationalen Zuständigkeit bei den Gerichtsständen des Erfüllungsortes und der unerlaubten Handlung, Diss. Heidelberg 2002, 137; Regen, Prozessbetrug als Anerkennungshindernis, 2008, Rz. 410 ff., 422 ff.; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 258; Völker, Zur Dogmatik des ordre public – Die Vorbehaltsklauseln bei der Anerkennung fremder gerichtlicher Entscheidungen und ihr Verhältnis zum ordre public des Kollisionsrechts, 1998, 226; Eckstein-Puhl, Prozessbetrug im Schiedsverfahren: Eine Studie zu den vom erschlichenen Schiedsspruch aufgeworfenen Fragen des Aufhebungsverfahrens gemäß § 1059 ZPO, Diss. Saarbrücken 2005, 154. Vgl. zur Parallelfrage im polnischen Anerkennungsrecht Weyde, Anerkennung und Vollstreckung deutscher Entscheidungen in Polen, 1997, 126. BGH vom 29.4.1999, BGHZ 141, 286 = JZ 2000, 107 (Stürner/Bormann 81) = NJW 1999, 3198 = RIW 1999, 698, 703 = LM § 328 Nr. 4852 (R. Geimer) = IPRax 2001, 230 (Haas 195) = IPRspr. 1999 Nr. 160; Vorinstanz: OLG Hamm vom 4.6.1997, IPRspr. 1997 Nr. 133 betreffend Prozessbetrug. Für solche anerkennungsfeindlichen Tatsachen trägt diejenige Partei die Darlegungsund Beweislast, die sich auf die Nichtanerkennung beruft, BGH a.a.O. Vgl. auch OLG Hamburg vom 12.3.1998, OLGR Hamburg 1998, 403 = IPRspr. 1999 Nr. 178. Bei der Überschneidung von Privat- und Gemeinwohlinteressen ist zu ermitteln, welcher Interessenstrang prävalent ist. Zu solchen Überlappungen im Wirtschaftsrecht z.B. Schnyder, Wirtschaftskollisionsrecht, 1990, 123 Rz. 161. Ebenso nun auch Dörig, Anerkennung und Vollstreckung US-amerikanischer Entscheidungen in der Schweiz, 1998, 350: „Die unterlassene Rüge der Ordre-publicWidrigkeit im Entscheidstaat kann Verwirkungsfolgen im Anerkennungsverfahren zeitigen, sofern erststaatliche Rechtsmittel nicht a priori aussichtslos sind . . .“. Zustimmend weiter Völker, Zur Dogmatik des ordre public – Die Vorbehaltsklauseln bei der Anerkennung fremder gerichtlicher Entscheidungen und ihr Verhältnis zum ordre public des Kollisionsrechts, 1998, 95, 230.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen stößt. Insoweit geht es um unmittelbare Staatsinteressen. Der deutsche Zweitrichter hat jedoch nicht ohne Rüge aufzuklären, ob einem Zahlungsurteil eine Spielschuld oder ein wucherisches Darlehen zugrunde liegt.565 Hier geht es vornehmlich um Parteiinteressen. Der Einwand der Undurchsetzbarkeit der Spielschuld ist im Übrigen nur dann beachtlich, wenn ihn der Beklagte des Erstverfahrens im deutschen Zweitverfahren rechtzeitig (§ 296 ZPO) vorbringt.566 2991 War der Einwand auch nach dem Recht des Erststaates relevant, so ist der Beklagte mit der Rüge der ordre public-Widrigkeit im deutschen Zweitverfahren präkludiert, wenn er ihn nicht schon im ausländischen Erstverfahren (vergeblich) vorgebracht hatte bzw. ihn nicht durch Einlegung von nach dem Recht des Erststaates statthaften Rechtsmitteln bzw. Rechtsbehelfen (erfolglos) weiterverfolgt hat. Es gilt das Gleiche wie oben Rz. 2955.567 Die ordre public-Prüfung dient nicht dazu, eine nachlässige oder unzweckmäßige Prozessführung im Ausland zu korrigieren.568 e) Wirksamkeit der Fehlentscheidung des Zweitrichters zur Frage der ordre public-Widrigkeit 2991a Eine Fehlentscheidung des Zweitrichters zur Frage der ordre public-Widrigkeit (unrichtige Verneinung eines Verstoßes gegen den ordre public) ist wirksam, nicht nichtig.
XIV. Anerkennung unmittelbar kraft Gesetzes ohne Durchführung eines Anerkennungsverfahrens 1. Grundsatz 2992 Die Anerkennung erfolgt unmittelbar kraft Gesetzes. Die Wirkungen eines ausländischen Urteils werden – soweit die Anerkennungsvoraussetzungen gegeben sind – ipso iure auf das Inland erstreckt, ohne dass es eines besonderen Anerkennungsaktes bedarf, Rz. 2797. Dies gilt auch in Insolvenzsachen, Rz. 3526.
565 Zustimmend Jametti Greiner, Der Begriff der Entscheidung im schweizerischen internationalen Zivilverfahrensrecht, 1998, 60/61. Anderer Auffassung Schlosser, EU-Zivilprozessrecht3, 2009, Art. 33 EuGVVO Rz. 2 g.E. Eine andere Frage ist, ob der Anerkennung einer ausländischen Verurteilung zur Zahlung einer Spielschuld überhaupt der deutsche ordre public entgegensteht. So hat das Schweizer Bundesgericht (Bulletin ASA 2001, 310) ein entsprechendes englisches Urteil anerkannt. Zustimmend wohl Schlosser a.a.O. Art. 34 EuGVVO Rz. 2. 566 Ohne diese Differenzierung LG Mönchengladbach vom 14.7.1994, WM 1994, 1374 = WuB VII A. § 328 ZPO Nr. 1.94 (Rauscher) = EWiR 1994, 1151 (Mankowski) = IPRspr. 1994 Nr. 6. Generell zur Einklagbarkeit von Spielschulden Roquette/NordemannSchiffel ZvglRWiss 99 (2000), 444. 567 R. Geimer ZZP 103 (1990) 481; Spickhoff ZZP 108 (1995) 498; OLG Karlsruhe vom 6.12.2001, FamRZ 2002, 839, 840; BayObLG vom 8.5.2002, FamRZ 2002, 1637, 1639 = IPRspr. 2002 Nr. 205. 568 OLG Düsseldorf vom 18.9.1998, FamRZ 1999, 447 = IPRspr. 1998 Nr. 201.
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Anerkennung 2. Ausnahme: Ehesachen Möglich wäre auch, die Wirkungserstreckung von der Durchführung eines be- 2993 sonderen Anerkennungsverfahrens abhängig zu machen: Dann kann der ausländische Richterspruch im Inland erst beachtet werden, wenn seine Anerkennungsfähigkeit ausdrücklich festgestellt ist. Eine solche Regelung sieht § 107 FamFG für Entscheidungen in Ehesachen vor, sofern nicht beide Ehegatten dem Urteilsstaat angehören (Fall, dass sich Ausländer in ihrem gemeinsamen Heimatstaat haben scheiden lassen); das Gericht darf aber auch nicht von der Nichtanerkennung ausgehen, bis ein positiver Feststellungsbescheid der Landesjustizverwaltung ergangen ist, Rz. 3016.569
XV. Bedürfnis nach rechtskraftfähiger Klärung der Anerkennungsbzw. Nichtanerkennungsfähigkeit Das Prinzip der automatischen Anerkennung bewirkt, dass die Frage, ob ein be- 2994 stimmtes ausländisches Urteil im Zweitstaat anzuerkennen ist, als Präjudizialpunkt jeweils von Fall zu Fall entschieden werden muss. Jedes Gericht und jede Verwaltungsbehörde, für deren Entscheidung die Frage der Anerkennung relevant ist, muss incidenter prüfen, ob die Anerkennungsvoraussetzungen gegeben sind.570 Die Entscheidung hat Bedeutung nur für das anhängige Verfahren. Eine Bindungswirkung für nachfolgende Verfahren entsteht nicht. Daraus resultiert die Gefahr widersprechender Entscheidungen. 1. Feststellungsklage571 Die Wirkungen eines ausländischen Urteils im Inland, d.h. seine Anerkennungs- 2995 fähigkeit, können Gegenstand einer Feststellungsklage bzw. eines Feststellungsverfahrens nach dem FamFG sein; Streitgegenstand ist das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen der Anerkennungsvoraussetzungen (Versagungsgründe), noch genauer: die Erstreckung einzelner Urteilswirkungen (Rechtskraft, Gestaltungswirkung etc.) auf das Inland. Es kann jedoch auch auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens des materiellen Rechtsverhältnisses geklagt werden, zu dem das ausländische Urteil eine Aussage macht. Die Anerkennungsfrage ist dann – abgesehen von § 256 II ZPO – nur Vorfrage, die an der Rechtskraft des deutschen Feststellungsurteils nicht teilnimmt. Sie ist aber durch dieses prozessual überholt.572 Ein rechtliches Interesse ist angesichts der Gefahr einander widersprechender Entscheidungen immer gegeben. Die abstrakte Gefahr reicht aus.573 Der Kläger 569 Art. 7 § 1 FamRÄndG bzw. nunmehr § 107 FamFG kommt seit 1.3.2001 aber nur noch außerhalb des Geltungsbereichs der EuEheVO (Rz. 245c) zur Anwendung. 570 R. Geimer JZ 1977, 147. Siehe auch Schütze in Wieczorek/Schütze, ZPO und Nebengesetze3, 2007, § 328 Rz. 61. 571 Hierzu auch R. Wagner, Anerkennung und Wirksamkeit ausländischer familienrechtlicher Rechtsakte nach autonomem deutschem Recht, FamRZ 2006, 744, 750. 572 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung II, 1971, 120. 573 Schütze, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile in der Bundesrepublik Deutschland als verfahrensrechtliches Problem, Diss. Bonn 1960, 35.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen muss nicht dartun, dass in concreto ein zweites Verfahren anhängig ist oder in Kürze anhängig sein wird, in dem widersprüchlich entschieden werden könnte. 2997 Soweit eine (rechtskräftige) Feststellungsentscheidung über die Anerkennungsfähigkeit ergangen ist, kann diese nur nach den allgemeinen Regeln (§§ 578 ff. ZPO; §§ 48 II, 118, 185 FamFG) beseitigt werden. Ansonsten bindet sie auch den Richter, der über die Vollstreckbarerklärung zu befinden hat, Rz. 3014, 3137, 3165. 2998 Beide Parteien des ausländischen Erkenntnisverfahrens können die Anerkennungsfähigkeit eines ausländischen Urteils klären lassen. Die unterlegene Partei braucht nicht zu warten, bis der siegreiche Gegner seinerseits klagt. Die siegreiche Partei erhebt in der Regel positive Feststellungsklage, die unterlegene negative. Es ist aber auch denkbar, dass die im Erststaat siegreiche Partei auf Feststellung der Nichtanerkennung des ausländischen Urteils klagt und umgekehrt. Ist z.B. klar, dass ein ausländisches Urteil nicht anerkannt werden kann, weil es dem ordre public widerspricht, so hat der im Erststaat siegreiche Kläger ein rechtliches Interesse, die Unwirksamkeit des ausländischen Titels im Inland feststellen zu lassen. Nach herrschender Meinung soll jedoch das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, weil der Kläger im Inland erneut Leistungsklage erheben kann.574 2999 Sowohl bei der positiven wie bei der negativen Feststellungsklage liegt ein und derselbe Streitgegenstand zugrunde. Hinsichtlich desselben ausländischen Urteils sind eine positive und eine negative Feststellungsklage nicht gleichzeitig zulässig. Der später erhobenen Feststellungsklage steht der Einwand der Rechtshängigkeit entgegen. Wird die positive Feststellungsklage als unbegründet abgewiesen, so ist festgestellt, dass das ausländische Urteil im Inland keine Wirkungen entfaltet; wird die negative Feststellungsklage als unbegründet abgewiesen, so ist festgestellt, dass das ausländische Urteil im Inland anerkennungsfähig ist. 3000 Parteien des Feststellungsstreites sind die Parteien des erststaatlichen Erkenntnisverfahrens oder deren Rechtsnachfolger. Aber auch Dritte können ein Feststellungsinteresse haben. 3001 Die Feststellungsklage setzt voraus, dass im Erststaat bereits ein Urteil ergangen ist; eine Klage, durch die festgestellt werden soll, dass ein erst in der Zukunft zu erwartendes ausländisches Urteil im Inland (nicht) anerkannt werden kann, ist unzulässig. 3002 Die Nichtigkeit des deutschen Feststellungsurteils ist nur in seltenen Fällen gegeben. Fehler im Verfahren oder bei der Entscheidungsfindung machen die Entscheidung nur anfechtbar. Sie werden mit Eintritt der Unanfechtbarkeit geheilt, auch dann, wenn das deutsche Zweitgericht das Vorliegen eines ordre publicVerstoßes übersehen hat, selbst wenn unmittelbare Staatsinteressen auf dem Spiele stehen (Rz. 2991). Wäre es anders, so könnte die Wirksamkeit des deutschen Feststellungsurteils ständig mit dem Argument in Zweifel gezogen werden, die Anerkennung der ausländischen Entscheidung verstoße doch gegen unverzichtbare Grundsätze der deutschen Rechtsordnung.575 Dies gilt selbst dann, 574 Schütze a.a.O. 35. 575 Anderer Auffassung BayObLG vom 18.6.1980, FRES 6, 421 = IPRspr. 1980 Nr. 173.
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Anerkennung wenn es darum geht, ob der Erststaat die Grenzen seiner Gerichtsbarkeit (Rz. 2894) eingehalten hat. Siehe auch Rz. 3019, 3033. Der Streit über das Vorliegen der Anerkennungsvoraussetzungen bzw. über die 3003 Frage, ob bestimmte Urteilswirkungen auf das Inland erstreckt werden, ist eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit (§ 13 GVG), auch wenn man § 328 ZPO als öffentlich-rechtliche Norm einordnet.576 2. Feststellungsverfahren nach Art. 33 II EuGVVO/LugÜ II und nach Art. 21 III EuEheVO Art. 26 II EuGVÜ/LugÜ I stellte ein vereinfachtes Feststellungsverfahren zur Verfügung; ebenso Art. 9 II deutsch-israelischer Vertrag, Art. 10 III deutsch-spanischer Vertrag. An die Stelle von Art. 26 II EuGVÜ ist ab 1.3.2002 der inhaltsgleiche Art. 33 II EuGVVO/LugÜ II getreten, ergänzt durch Art. 21 III EuEheVO (Rz. 245c).
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Art. 33 II EuGVÜ/LugÜ I verweist auf Art. 38 ff. Dies darf die Unterscheidung 3005 zwischen Anerkennung und Vollstreckbarerklärung nicht verwischen: Das erste Verfahren zielt auf eine Feststellung, das letztere auf eine Rechtsgestaltung (Verleihung der Vollstreckbarkeit, Rz. 3101). Diese dogmatische Unschärfe wurde leider auch in den Verordnungen (EG) Nr. 44/2001 bzw. Nr. 2201/2003 und im LugÜ II beibehalten. Statthaftigkeit: Vorliegen einer gerichtlichen Entscheidung aus einem anderen Mitglieds- bzw. Vertragsstaat, die in den Anwendungsbereich der genannten Verordnungen (EG) bzw. des LugÜ fällt. Die Anerkennungsfähigkeit von Entscheidungen aus dritten Staaten ist im allgemeinen Klageverfahren bzw. nach § 108 II FamFG festzustellen, soweit nicht § 1 AVAG oder das einschlägige Ausführungsgesetz zum Zuge kommen.
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Wenn in einem ausländischen Scheidungsurteil nicht nur die Scheidung aus- 3007 gesprochen, sondern im Entscheidungsverbund zugleich über den Unterhalt mitentschieden wird, ist die Verurteilung zu Unterhalt nach der EuGVVO (künftig EuUnterhaltsVO) anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären, nicht dagegen die Scheidung selbst.577 Der deutsche Zweitrichter hat das Verfahren nicht auszusetzen, um Gelegenheit zur Einleitung eines Verfahrens nach § 107 FamFG zu geben, vgl. Rz. 3018, 3069. Das obligatorische Feststellungsverfahren nach § 107 FamFG entfällt im Anwendungsbereich der EuEheVO (Rz. 245c). Jede Partei kann jedoch nach Maßgabe des Art. 21 III EuEheVO einen positiven oder negativen Feststellungsantrag stellen. Zuständig hierfür ist in Deutschland das Familiengericht am Sitz des jeweiligen Oberlandesgerichts, im Bezirk des Kammergerichts das Familiengericht Pankow/Weißensee gemäß Art. 21 III 2 EuEheVO.578 Ausschließlich örtlich zuständig ist nach §§ 10, 12 I und II Int-
576 Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 271, 802. 577 Art. 1 II Nr. 1 EuGVÜ/LugÜ/VO (EG) Nr. 44/2001. 578 Die örtlich zuständigen Gerichte werden auch nach Art. 21 III EuEheVO von den nationalen Gesetzgebern festgelegt. Vgl. §§ 10 ff. IntFamRVG (Rz. 3199i ff.).
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen FamRVG das Familiengericht, in dessen Zuständigkeitsbereich der Antragsgegner oder ein Kind, auf das sich die Entscheidung bezieht, sich gewöhnlich aufhält, bei Fehlen einer solchen Anknüpfung in dessen Zuständigkeitsbereich das Interesse an der Feststellung hervortritt; dies ist in der Regel der gewöhnliche Aufenthaltsort des Antragstellers. Ansonsten besteht eine Auffangzuständigkeit beim Familiengericht Pankow/Weißensee. Unter mehreren nach §§ 10, 12 IntFamRVG örtlich zuständigen Familiengerichten hat der Antragsteller die Wahl.579 3008 Die Anerkennung der Rechtskraft des Unterhaltsurteils setzt voraus, dass die Auflösung der Ehe durch das Scheidungsurteil im Zweitstaat anerkannt wird. Anders ist es jedoch bezüglich des Kindesunterhalts, Rz. 3018, 3070.580 3009 Stellt sich das Gericht auf den Standpunkt, dass die erststaatliche Rechtskraft im Inland nicht zu beachten sei, weil dem ausländischen Urteil die Anerkennung zu versagen sei, so muss es wegen der hilfsweise aus dem materiellen Rechtsverhältnis erhobenen Klage den vom ausländischen Gericht entschiedenen Prozess wieder aufrollen, sofern es auch für die Eventualleistungsklage örtlich und sachlich zuständig ist. Ansonsten erfolgt Verweisung nach Maßgabe von § 281 ZPO.581 3010 Gegenstand des Feststellungsverfahrens können nur Urteilswirkungen sein, die nach dem EuGVÜ/LugÜ bzw. nach der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 bzw. nach der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 (Rz. 245c) überhaupt anerkannt werden können. In Betracht kommen die materielle Rechtskraft, Präklusions-, Gestaltungs-, Streitverkündungs- und Interventionswirkung erststaatlicher gerichtlicher Entscheidungen und etwaiger sonstiger gleichgestellter Titel, nicht jedoch die innerprozessuale Bindungswirkung und die Vollstreckbarkeit nach dem Recht des Erststaates. Das Gleiche gilt für die Tatbestandswirkungen, Rz. 2827. Auszuscheiden sind auch Entscheidungen von Gerichten anderer Mitglied- bzw. Vertragsstaaten, durch die festgestellt wird, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung oder Vollstreckbarerklärung einer drittstaatlichen gerichtlichen Entscheidung gegeben sind oder nicht, Rz. 1243.582 3011 Wirksamkeit in einem anderen Mitglieds- bzw. Vertragsstaat: Im Inland kann nicht die Feststellung begehrt werden, dass das erststaatliche Urteil in einem dritten Mitglieds- bzw. Vertragsstaat anzuerkennen ist. Die zweitstaatliche Feststellung, dass das erststaatliche Urteil in einem dritten Vertragsstaat nach EuGVÜ/LugÜ bzw. nach den vorgenannten Verordnungen (EG) Nr. 44/2000 und Nr. 2201/2003 anzuerkennen ist, ist dort in der Regel unbeachtlich.
579 Bundestagsdrucksache 14/4591 S. 25. 580 R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 Art. 33 EuGVVO Rz. 78; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 1669. Anderer Auffassung Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in Unterhaltssachen, 1989, 54, der dem Zweitrichter einen Ermessensspielraum geben will. 581 R. Geimer JZ 1977, 147. Vgl. auch unten Rz. 3168. 582 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 985, 1106, 1175, 1624. A.A. Hay in Liber Amicorum Várady, 2008, 143.
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Anerkennung Voraussetzung für die Durchführung des Anerkennungsverfahrens ist, dass der 3012 Zweitstaat Gerichtsbarkeit (facultas iurisdictionis) über den Antragsgegner hat. Ein negativer Feststellungsantrag ist nach Art. 26 II EuGVÜ/LugÜ nicht zuläs- 3013 sig. Dies ist mit Art. 3 I GG und dem durch das europäische Gemeinschaftsrecht garantierten Gleichheitssatz nicht vereinbar; denn die Partei, die sich der Anerkennung widersetzt, hat das gleiche Interesse an einer rechtskräftigen Entscheidung der Frage, ob die Anerkennungsvoraussetzungen vorliegen. Ihr muss deshalb das gleiche vereinfachte Verfahren zur Verfügung gestellt werden.583 Leider wurde dieser eindeutige legislative Mangel in Art. 33 II der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 fortgeschleppt, während Art. 21 III der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 zutreffend ausdrücklich auch einen negativen Feststellungsantrag zur Frage der Anerkennung zulässt. 3. Verhältnis zwischen Feststellung der Anerkennungsvoraussetzungen und Vollstreckbarerklärung Der Feststellungsantrag kann auch mit dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung 3014 (Klauselerteilung) verbunden werden. Hat der Kläger im Erststaat ein Leistungsurteil erstritten, so kann er neben dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung auch die Feststellung beantragen, dass die Rechtskraftwirkung anzuerkennen ist (vgl. auch Rz. 3137). Das Rechtsschutzbedürfnis entfällt nicht deswegen, weil das Vollstreckungsurteil (§ 722 ZPO) bzw. der Vollstreckbarerklärungsbeschluss (§ 110 II FamFG) der materiellen Rechtskraft fähig ist.584 Diese stellen für nachfolgende Verfahren bindend fest, dass die Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung gegeben sind,585 Rz. 3137, 3165. Geht es in einem späteren Verfahren um die Frage, ob die Rechtskraftwirkung eines für vollstreckbar erklärten Urteils zu beachten ist, so ist das Gericht an die Rechtskraft des Vollstreckbarerklärungsurteils bzw. Klauselerteilungsbeschlusses insoweit gebunden, als die Anerkennungs- mit den Vollstreckbarerklärungsvoraussetzungen identisch sind. Dies ist zwar die Regel.586 Es sind aber auch Fälle denkbar, in denen Anerkennungsund Vollstreckbarerklärungsvoraussetzungen auseinander fallen, z.B. wenn die Vollstreckbarerklärung (Klauselerteilung) abgelehnt wurde, weil der Beklagte die Urteilsschuld bezahlt hat. Mit dem Erlöschen der Schuld und dem Wegfall der Voraussetzungen für die Zwangsvollstreckung im Zweitstaat muss jedoch nicht automatisch jedes Feststellungsinteresse des Klägers entfallen. Die Fest583 R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 Art. 33 EuGVVO Rz. 85; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. II Rz. 239; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht3, 2009, Art. 33 EuGVVO Rz. 4. 584 Anders wohl Borges, Das Doppelexequatur von Schiedssprüchen. Die Anerkennung ausländischer Schiedssprüche und Exequaturentscheidungen, 1997, 33 ff. mit weiteren Nachweisen sowie Breuer in Rahm/Künkel, Handbuch des Familiengerichtsverfahrens, VIII Rz. 289. 585 Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000, 461. Siehe auch Schlosser in Festschrift Kerameus, 2009, 1183, 1192. 586 § 723 II 2 ZPO, Art. 34 II EuGVÜ/LugÜ, Art. 45 I der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 sowie Art. 31 II der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 (Rz. 245c).
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen stellungswirkung des Urteils wirkt fort. Dem Kläger ist daran gelegen, dass außer Zweifel bleibt, dass die im erststaatlichen Urteil festgestellte Verbindlichkeit (vor Tilgung) bestanden hat, Rz. 3115.587
XVI. Anerkennungsfeststellungsverfahren für Entscheidungen in Ehesachen 1. Monopolisierung der Entscheidung über das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen der Anerkennungsvoraussetzungen bei der Justizverwaltung 3015 Die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen wirkt sich in Ehesachen besonders ungünstig aus.588 Die Rechtsordnung muss die Möglichkeit einer Entscheidungsdivergenz ausschalten. Zu diesem Zwecke muss sie eine Instanz schaffen, die für alle inländischen Staatsorgane verbindlich entscheidet, ob ein ausländisches Urteil im Inland anzuerkennen ist oder nicht. Diese Kompetenz wird durch § 107 FamFG589 – verfassungswidrig (Rz. 264) – der Landesjustizverwaltung übertragen. Diese kann die Zuständigkeit an den OLG-Präsidenten delegieren.590 Dieser agiert nicht als Richter, sondern als (weisungsgebundene) Verwaltungsbehörde.591 Ist die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung in Ehesachen Streitgegenstand, wird also eine Klage auf Feststellung der Wirksamkeit der ausländischen Entscheidung im Inland erhoben bzw. (ab 1.9.2009) ein entsprechender Feststellungsantrag (analog § 121 Nr. 3 FamFG), so ist die Klage bzw. der Antrag als unzulässig abzuweisen; denn der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist nicht gegeben. Es handelt sich zwar um eine Familiensache (früher bürgerliche Rechtsstreitigkeit) im Sinne von § 13 GVG, aber die Entscheidung ist den ordentlichen Gerichten entzogen und einer Verwaltungsbehörde übertragen; eine Verweisungsmöglichkeit besteht nicht.592
587 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung II, 1971, 221; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 426, sowie II Rz. 234. 588 R. Geimer NJW 1967, 1399; 1974, 1631; Hausmann, Kollisionsrechtliche Schranken von Scheidungsurteilen, Diss. München 1980, 154; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 7 § 1 FamRÄndG Rz. 1. 589 Bis 31.8.2009 galt Art. 7 FamRÄndG, BGBl. 1961 I 1221. Vorläufer war § 24 der Vierten Durchführungsverordnung zum EheG 1938, hierzu R. Geimer NJW 1967, 1398; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 7 § 1 FamRÄndG Rz. 4. 590 § 107 III FamFG (früher Art. 7 § 1 (2a) FamRÄndG). 591 R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 159. 592 R. Geimer NJW 1967, 1401; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 7 § 1 FamRÄndG Rz. 12; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 328 Rz. 291.
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Anerkennung 2. Aussetzungspflicht für die Gerichte Das Entscheidungsmonopol der Landesjustizverwaltung bzw. des OLG-Prä- 3016 sidenten begründet – außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 (EuEheVO, Rz. 245c) – für jedes deutsche Gericht und für jede deutsche Behörde, für deren Entscheidung die Frage der Anerkennung von Bedeutung ist, ein Verfahrenshindernis.593 missverständlich ist daher der von der herrschenden Meinung verbreitete Satz: Solange seine Anerkennung im Inland nicht festgestellt sei, könne ein ausländisches Scheidungsurteil im Inland keine Wirkungen entfalten.594 Die Aussetzungspflicht besteht auch in den Fällen, in denen die Rechtslage völ- 3017 lig klar ist.595 3. Nebenentscheidungen Entscheidungen, die nicht die Scheidung selbst, d.h. die Trennung des Ehebandes betreffen, sondern deren Folgen, unterliegen nicht dem Feststellungsmonopol der Landesjustizverwaltung. Dies gilt auch dann, wenn das ausländische Gericht über die Scheidungsfolgen (Unterhalt, Regelung der elterlichen Sorge etc.) uno actu zusammen mit der Scheidung im Entscheidungsverbund erkannt hat.596 Jedoch gibt es keine Anerkennung der Scheidungsfolgen ohne Anerkennung der Scheidung.597 Wurde im Eheurteil auch über die gesetzlichen 593 R. Geimer NJW 1967, 1401; R. Geimer NJW 1974, 1631. 594 Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 1674; Landesjustizverwaltung Nordrhein-Westfalen vom 21.2.1984, IPRax 1986, 167; OLG Hamm vom 3.1.1989, NJW-RR 1989, 514 = FamRZ 1989, 785 = IPRspr. 1989 Nr. 107; Baumann IPRax 1990, 29; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 892. 595 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1721; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 1664; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 898. Abzulehnen – da den Gesetzeszweck aushöhlend – BGH vom 6.10.1982, FamRZ 1982, 1203 = IPRax 1983, 292 (Basedow 278; Bürgle 281). Der BGH will nur auf Antrag (§ 151 ZPO) aussetzen, im Übrigen nach Ermessen (§ 148 ZPO). Eine Aussetzung sei nicht erforderlich, wenn Anerkennung offensichtlich nicht in Betracht komme. Ebenso OLG Köln vom 18.3.1998, FamRZ 1998, 1303, 1304 = IPRax 1999, 48 (Henrich) = IPRspr. 1998 Nr. 200; OLG Celle vom 4.6.2007, FamRZ 2008, 430, 431. Siehe auch OLG Frankfurt vom 26.10.2004, FamRZ 2005, 989 = IPRspr. 2004 Nr. 182: Zulässig sei ein isoliertes Versorgungsausgleichsverfahren, obwohl noch keine Entscheidung der Justizverwaltung vorliegt. 596 R. Geimer NJW 1975, 2141; BayObLG vom 3.10.1978, IPRspr. 1978 Nr. 175; OLG Hamm vom 17.11.1980, IPRspr. 1980 Nr. 96. 597 BGH vom 5.2.1975, BGHZ 64, 19 = NJW 1975, 1072 (R. Geimer 2141) = IPRspr. 1975 Nr. 98; BGH vom 6.10.1982, FamRZ 1982, 1203 = IPRspr. 1982 Nr. 170 (Rz. 227); OLG München vom 28.1.1982, DAVorm 1982, 490 = IPRspr. 1982 Nr. 173; OLG Hamm vom 3.1.1989, NJW-RR 1989, 514 = FamRZ 1989, 785 = IPRspr. 1989 Nr. 107; Baumann IPRax 1990, 29; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 892; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 234; Hausmann IPRax 1981, 6; Basedow IPRax 1983, 279 Fußn. 3; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen Unterhaltsansprüche der Kinder mitentschieden, so besteht die genannte Vorgreiflichkeit nicht, da der Unterhaltsanspruch der Kinder gegen die Eltern vom Bestehen der Ehe unabhängig ist, Rz. 3070.598 4. Feststellungswirkung 3019 Die Sachentscheidung der Justizverwaltung entfaltet Feststellungswirkung erga omnes (§ 107 IX FamFG [früher Art. 7 § 1 VIII FamRÄndG]). Dies gilt auch für Zurückweisungen als unbegründet. Denn Sinn des Anerkennungsverfahrens ist es, ein für allemal zu klären, ob hinsichtlich einer bestimmten ausländischen Entscheidung die Anerkennungsvoraussetzungen vorliegen oder nicht. Die Zurückweisung des positiven Anerkennungsantrages als unbegründet (weil eine Anerkennungsvoraussetzung nicht vorliegt) stellt für alle verbindlich fest, dass die ausländische Ehescheidung nicht anzuerkennen ist. Die Zurückweisung des negativen Feststellungsantrags als unbegründet (weil alle Anerkennungsvoraussetzungen gegeben sind) stellt für alle verbindlich fest, dass die Ehescheidung, Eheaufhebung etc. im Inland anzuerkennen ist.599 Auch offensichtliche Fehlentscheidungen der Justizverwaltung entfalten Feststellungswirkung, Rz. 3002, 3033. 5. Anwendungsbereich 3020 Das Anerkennungsverfahren vor der Landesjustizverwaltung bzw. vor dem Präsidenten des Oberlandesgerichts kommt seit 1.3.2001 nicht in Betracht im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 bzw. nunmehr der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 (EuEheVO, Rz. 245c). Hier entfällt eine Monopolisierung der Entscheidung über das Vorliegen der Anerkennungsvoraussetzungen. Allerdings ist nach Art. 21 III ein positiver wie ein negativer (fakultativer) Feststellungsantrag statthaft.
Rz. 1667; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1983, 991; Ploeckl, Umgangsrechtsstreitigkeiten im deutsch-französischen Rechtsverkehr. Bestehende internationale und nationale Regelungen und der geplante europäische Besuchstitel, Diss. Köln 2003, 195. Siehe auch R. Geimer IPRax 2004, 419. 598 BGH vom 14.2.2007, MDR 2007, 780; OLG München vom 28.1.1982, DAVorm 1982, 490 = IPRspr. 1982 Nr. 173. 599 BayObLG vom 25.9.1973, BayObLGZ 1973, 251 = NJW 1974, 1628 (R. Geimer) = IPRspr. 1973 Nr. 157; BayObLG vom 10.6.1976, BayObLGZ 1976, 147; BayObLG vom 17.11.1980, BayOblGZ 1980, 351, 353; Hausmann, Kollisionsrechtliche Schranken von Scheidungsurteilen, Diss. München 1980, 154 Fußn. 49. Anderer Auffassung KG vom 18.11.1968, OLGZ 1969, 123 = FamRZ 1969, 96, 97 = NJW 1969, 382, 383 (R. Geimer 801, 1649) = IPRspr. 1968–1969 Nr. 236. Rechtslogisch nicht konsequent, aber pragmatisch, BayObLG vom 11.6.1992, BayObLGZ 1992, 195 = NJW-RR 1992, 1478 = FamRZ 1993, 451 = IPRspr 1992 Nr. 235: Der Antragsgegner könne Antrag mit entgegengesetztem Ziel stellen. Dagegen für Zulässigkeit der Wiederholung des Anerkennungsantrages aufgrund neuer Tatsachen BayObLG vom 3.10.1978, IPRspr. 1978 Nr. 175 und BayObLG vom 17.11.1980, BayObLGZ 1980, 351, 352 = IPRspr. 1980 Nr. 175.
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Anerkennung Außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 (alle EU-Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks) ist das obligatorische Feststellungsverfahren nach § 107 FamFG vorgeschrieben für alle Entscheidungen, durch die im Ausland eine Ehe für nichtig erklärt, aufgehoben, dem Bande nach oder unter Aufrechterhaltung des Ehebandes geschieden wurde oder durch die das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe zwischen den Parteien festgestellt ist. Privatscheidungen (Scheidungen aufgrund rechtsgeschäftlichen Handelns600) fallen ebenso wenig unter § 107 FamFG (früher Art. 7 FamRÄndG),601 wie Urteile kirchlicher Ehegerichte, sofern diese als rein geistliche Gerichte fungieren, also ohne Delegation der Ehegerichtsbarkeit seitens des (ausländischen) Staates. § 107 FamFG findet aber Anwendung, wenn eine ausländische Behörde oder ausländischer Notar bei der Privatscheidung mitgewirkt hat, z.B. durch Eintragung in ein behördliches Register,602 und zwar auch dann, wenn alle Tatbestandsmerkmale der Privatentscheidung im Inland erfüllt worden sind, z.B. Thai-Scheidung in Berliner Botschaft.603 Ausnahmen: In folgenden Fällen entfällt ein Anerkennungsverfahren: a) Bei gerichtlichen Urteilen bzw. behördlichen Entscheidungen des Heimat- 3021 staates beider Ehegatten ist das Anerkennungsverfahren nicht etwa nur fakultativ. Es ist vielmehr ganz ausgeschlossen, § 107 I 2 FamFG (früher Art. 7 § 1 I 3 FamRÄndG).604 600 Hierzu oben Rz. 2641a; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 7 FamRÄndG Rz. 38. 601 A.A. OLG-Präsidentin Frankfurt vom 19.11.2001, StAZ 2003, 137 = IPRspr. 2002 Nr. 203: alle Privatscheidungen. 602 BGH vom 14.10.1981, BGHZ 82, 34, 43; BayObLG vom 30.8.1984, IPRax 1985, 108 (Henrich) = FamRZ 1985, 75 = NJW 1985, 2095 = IPRspr. 1984 Nr. 187; BayObLG vom 13.1.1994, NJW-RR 1994, 771 = FamRZ 1994, 1263 = IPRax 1995, 324 (Börner 309) = IPRspr. 1994 Nr. 174; BayObLG vom 7.4.1998, BayObLGZ 1998, 103 = FamRZ 1998, 1594 = IPRspr. 1998 Nr. 71; OLG Frankfurt vom 16.5.1989, OLGZ 1989, 280 = NJW 1990, 646 = IPRspr. 1989 Nr. 224b; KG vom 6.11.2001, FamRZ 2002, 840 = IPRspr. 2001 Nr. 193; OLG Düsseldorf vom 28.8.2002, IPRspr. 2002 Nr. 206: Deklaratorische Registrierung beim ausl. StA genügt; ebenso OLG Frankfurt vom 26.10.2004, FamRZ 2005, 989 = IPRspr. 2004 Nr. 182. Vgl. auch Rauscher IPRax 2000, 391. Nachweise auch bei R. Wagner, Anerkennung und Wirksamkeit ausländischer familienrechtlicher Rechtsakte nach autonomem deutschem Recht, FamRZ 2006, 744, 751. 603 BGH vom 14.10.1981, BGHZ 82, 34 = NJW 1982, 517 = FamRZ 1982, 44 = MDR 1982, 126 = IPRax 1983, 37, 38 (Kegel 22) = IPRspr. 1981 Nr. 192; BayObLG vom 29.8.1985, IPRax 1986, 180. (Jedoch ist in einem solchen Fall die Anerkennung ausgeschlossen, § 1564 BGB); OLG Hamm vom 9.1.1992, NJW-RR 1992, 710 = FamRZ 1992, 673 = IPRspr. 1992 Nr. 113. Ausführlich Erman/Hohloch, BGB12, 2008, Art. 17 EGBGB Rz. 80; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 7 FamRÄndG Rz. 35. 604 Näher R. Geimer NJW 1971, 2138; R. Geimer in Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 328 Rz. 318; OLG Frankfurt vom 15.4.1971, NJW 1971, 1528. Anders die herrschende Meinung, BGH vom 11.7.1990, BGHZ 112, 127 = NJW 1990, 3081 = IPRspr. 1990 Nr. 221; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 7 § 1 FamRÄndG Rz. 70. Für Zulässigkeit, wenn staats- bzw. völkerrechtliche Zuordnung des Scheidungsurteils unklar ist, OLG-Präsidentin Frankfurt vom 22.9.1998, IPRax 2000, 124 (Hohloch 96) = IPRspr. 1998 Nr. 201 A.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen 3022 b) Für klageabweisende Entscheidungen (z.B. Abweisung des Scheidungsantrags) ist ein Anerkennungsverfahren nicht vorgeschrieben.605 3023 c) Nebenentscheidungen: Das Anerkennungsverfahren nach § 107 FamFG (früher Art. 7 FamRÄndG) ist nur für diejenigen Urteilswirkungen konzipiert, deren Herbeiführung das ausländische Verfahren intendierte. Das sind die Gestaltungswirkung bei Ehenichtigkeits-,606 Eheaufhebungs- und Scheidungsverfahren und die Feststellungswirkung (materielle Rechtskraftwirkung) bei Klagen auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe. Für die Anerkennung der im ausländischen Eheurteil enthaltenen Nebenentscheidungen, wie z.B. Verurteilung zur Kostenzahlung oder zur Zahlung von Unterhalt an die geschiedene Ehefrau, Regelung der elterlichen Sorge, ist das Anerkennungsverfahren nach § 107 FamFG (früher Art. 7 FamRÄndG) nicht vorgesehen.607 Die in den Verurteilungen enthaltene rechtskräftige Feststellung des Bestehens des Leistungsanspruchs wird unmittelbar kraft Gesetzes anerkannt, soweit die Anerkennungsvoraussetzungen gegeben sind. Die Vollstreckbarkeit für den Bereich des Inlands muss den ausländischen Entscheidungen nach § 110 II FamFG (bis 31.8.2009 nach §§ 722, 723 ZPO) verliehen werden. Auch wenn wegen der Hauptsachenentscheidung (z.B. Scheidung) ein Anerkennungsverfahren vor der Landesjustizverwaltung bzw. vor dem Präsidenten des Oberlandesgerichts bereits erfolgreich durchgeführt worden ist, wird die Vollstreckbarerklärung nicht überflüssig. Die Justizverwaltung ist nicht ermächtigt, der ausländischen Entscheidung die Vollstreckbarkeit für das Inland zu verleihen.608 3024 Soweit das Verfahren vor der Landesjustizverwaltung bzw. vor dem Präsidenten des Oberlandesgerichts nicht statthaft ist, kann die Anerkennungsfrage durch ein Verfahren nach § 108 II FamFG oder durch Antrag auf Feststellung des Bestehens bzw. Nichtbestehens der Ehe (§ 121 Nr. 3 FamFG) geklärt werden.609 6. Anerkennungsprognose im Zusammenhang mit der Beachtung ausländischer Rechtshängigkeit 3025 Es besteht keine Aussetzungspflicht, solange im ausländischen Verfahren kein (Scheidungs-)Urteil ergangen ist.610 Nach Erlass des Urteils besteht jedoch Aus605 Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 328 Rz. 322. 606 Ob es sich um eine Gestaltungs- oder Feststellungswirkung handelt, bestimmt die lex causae, Rz. 2640. 607 BayObLG vom 3.10.1978, IPRspr. 1978 Nr. 175; Ploeckl, Umgangsrechtsstreitigkeiten im deutsch-französischen Rechtsverkehr. Bestehende internationale und nationale Regelungen und der geplante europäische Besuchstitel, Diss. Köln 2003, 195; Winkel, Grenzüberschreitendes Sorge- und Umgangsrecht und dessen Vollstreckung, Diss. Regensburg 2001, 246. 608 R. Geimer NJW 1967, 1400. 609 R. Geimer NJW 1971, 2139; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 1623; BGH vom 14.10.1981, FamRZ 1982, 44 = IPRspr. 1971 Nr. 191. 610 R. Geimer NJW 1984, 527; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1660; Schumann IPRax 1986, 15 Fußn. 8; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 1665.
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Anerkennung setzungspflicht, und zwar auch dann, wenn dieses noch keine Wirkungen hervorbringt, z.B. weil es noch nicht formell rechtskräftig ist. 7. Einstweilige Maßnahmen Auch vor Entscheidung der Justizverwaltung ist der Erlass von einstweiligem Rechtsschutz (Arrest, einstweilige Verfügung bzw. Anordnung) zulässig.611
3026
8. Wirksamkeit der ausländischen Entscheidung nach dem Recht des Erststaates Nach erststaatlichem Recht muss die Ehe aufgelöst bzw. für nichtig erklärt bzw. 3027 aufgehoben sein.612 Die Anerkennung setzt voraus, dass die ausländische zur Anerkennung anstehende Entscheidung nach dem Recht des Erststaates wirksam geworden ist, Rz. 2890. Ist nach dem Recht des Erststaates die Eintragung des Scheidungsurteils in ein Register Voraussetzung für den Eintritt der Scheidung, so muss geprüft werden, ob die Registrierung erfolgt ist.613 Umgekehrt endet die Möglichkeit einer Anerkennung, wenn die (zunächst anerkennungsfähige) ausländische Entscheidung im Erststaat aufgehoben worden ist, Rz. 2889.614 9. Antragsberechtigung Gemäß § 107 IV 2 FamFG kann den Antrag nur derjenige stellen, der ein rechtli- 3028 ches Interesse an der Anerkennung bzw. Nichtanerkennung glaubhaft macht.615 Der Begriff des „rechtlichen Interesses“ ist weit auszulegen. Nicht nur die Parteien des ausländischen Eheverfahrens und deren Gesamtrechtsnachfolger sind antragsberechtigt, sondern auch jede Stelle, für welche das Bestehen oder Nichtbestehen der Ehe eine rechtliche Bedeutung hat. In Betracht kommen etwa Sozialversicherungsträger616 und früher617 auch Staatsanwaltschaften (im Fall des § 24 EheG) und nunmehr die durch Landesverordnung gemäß § 1316 BGB bestimmte Verwaltungsbehörde.618 Vgl. auch Rz. 3064. Ein nur mittelbares rechtliches Interesse genügt nicht. Nicht antragsberechtigt 3029 sind Gerichte und Standesbeamte, auch wenn für deren Entscheidung die Frage der Anerkennung oder Nichtanerkennung als Vorfrage von Wichtigkeit ist.619 Die Antragsberechtigung setzt keine Beschwer im formellen Sinn voraus. Der
611 612 613 614 615 616 617
R. Geimer NJW 1967, 1401. BayObLG vom 2.7.1982, BayObLGZ 1982, 257 = IPRspr. 1982 Nr. 185. BayObLG vom 28.3.1977, BayObLGZ 1977, 71 = IPRspr. 1977 Nr. 161. BayObLG vom 20.2.1998, FamRZ 1998, 1305 = IPRspr. 1998 Nr. 199. Richter/Krzywon IPRax 1988, 349; Krzywon StAZ 1989, 96. KG vom 10.7.1970, NJW 1970, 2169 = FamRZ 1970, 664. Bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Eheschließungsrechts (Eheschließungsrechtsgesetz) vom 4.5.1998 (BGBl. I 833) am 1.7.1998. 618 Dies ist z.B. in Bayern die Regierung von Mittelfranken, Verordnung vom 2.5.2000, BayGVBl. 2000, 293. 619 Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 7 § 1 FamRÄndG Rz. 135, 137.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen siegreiche Kläger kann Antrag auf Nichtanerkennung der ausländischen Entscheidung stellen, während umgekehrt der unterlegene Beklagte, der im ausländischen Verfahren Antrag auf Klageabweisung gestellt hatte, Antrag auf Anerkennung stellen kann.620 3030 Die Antragsberechtigung kann nicht verwirkt werden. Wer sich jahrelang mit der ausländischen Scheidung abgefunden hat, ohne etwas zu unternehmen, kann gleichwohl einen negativen Feststellungsantrag stellen.621 Eine andere Frage ist, ob dieser Antrag begründet ist. So kann es vorkommen, dass der Antragsteller sich infolge des Zeitablaufs nicht mehr auf den einen oder anderen Versagungsgrund berufen darf, weil dies treuwidrig wäre.622 3031 Das rechtliche Interesse an der Feststellung der Anerkennungsfähigkeit einer ausländischen Entscheidung fehlt in der Regel, wenn sie eine Ehe scheidet, die aus deutscher Sicht eine Nichtehe ist.623 10. Deutsche Gerichtsbarkeit 3032 Die am Anerkennungsverfahren Beteiligten müssen der deutschen Gerichtsbarkeit unterworfen sein. Ist der Antragsteller an sich von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit (§§ 18 ff. GVG), so wird die deutsche Gerichtsbarkeit durch seinen Antrag begründet; denn in der Antragstellung liegt in der Regel eine Unterwerfung unter die deutsche Gerichtsbarkeit, sofern der Entsendestaat einverstanden ist. Anders ist es, wenn der Antragsgegner von der deutschen Gerichtsbarkeit befreit ist. Ebenso wenig wie eine Feststellungsklage gegen einen Immunen zulässigerweise erhoben werden kann, kann ein Feststellungsverfahren vor der Landesjustizverwaltung bzw. vor dem Präsidenten des Oberlandesgerichts eingeleitet werden, bei dem ein von der deutschen Gerichtsbarkeit Befreiter Antragsgegner ist (Ausnahme: Unterwerfung des Antragsgegners), Rz. 541. 11. Nichtigkeit (= Unwirksamkeit) der Entscheidung der Justizverwaltung 3033 Es gelten die gleichen Grundsätze wie für gerichtliche Urteile, Rz. 3002. Im Zweifel führen Verfahrensfehler und Fehler bei der Entscheidungsfindung nur zur Anfechtbarkeit. Die Anerkennung trotz ordre public-Widrigkeit der ausländischen Entscheidung ist kein Nichtigkeitsgrund, auch wenn in concreto unmittelbare Staatsinteressen auf dem Spiel stehen. Wäre es anders, so könnte jede
620 R. Geimer NJW 1967, 1402. 621 Anderer Auffassung OLG Düsseldorf vom 2.10.1987, FamRZ 1988, 198 = IPRspr. 1987 Nr. 165. 622 BayObLG vom 19.10.1967, BayObLGZ 1967, 390 = MDR 1968, 151 = NJW 1968, 363 (R. Geimer 800)= IPRspr. 1966–1967 Nr. 266; OLG Düsseldorf vom 13.6.1977, IPRspr. 1977 Nr. 162; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 7 § 1 FamRÄndG Rz. 141. Im Ergebnis wohl zustimmend Landesjustizverwaltung Baden-Württemberg FamRZ 1995, 1411. Zurückhaltend Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 294. Siehe auch den Rechtsgedanken des § 1310 III BGB. 623 BayObLG vom 6.2.1980, IPRax 1982, 250.
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Anerkennung Entscheidung ad infinitum in Frage gestellt werden mit dem Argument, in Wahrheit sei doch ein ordre public-Verstoß gegeben, Rz. 3002.624 12. Benachrichtigung des Standesbeamten Stellt die Justizverwaltung das Vorliegen der Anerkennungsvoraussetzungen 3034 fest, so teilt sie dies dem (inländischen) Standesbeamten, bei dem die Ehe geschlossen wurde, zur Beischreibung mit. Bestritten ist, ob beglaubigte Übersetzung des ausländischen Urteils mit übersandt werden muss.625 13. Verwaltungsverfahren im Einzelnen Das Verfahren ist durch Bundesgesetz nicht näher geregelt. Es gelten jedoch bun- 3035 deseinheitlich folgende Verfahrensgrundsätze:626 Die Landesjustizverwaltung bzw. der OLG-Präsident hat den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären. Das Geständnis oder das Anerkenntnis eines Beteiligten sind ohne Bedeutung. Ein Säumnisverfahren findet nicht statt. Die Landesjustizverwaltung bzw. der OLG-Präsident hat alle erreichbaren Beweismittel auszuschöpfen.627 Sie können aber gegenüber Zeugen keinen Zeugniszwang (§ 390 ZPO) ausüben. Sie dürfen Zeugen nicht vereidigen. Es gilt zwar der Grundsatz der Amtsermittlung; gleichwohl kann dem Antrag- 3036 steller die Beibringung von Urkunden aufgegeben werden.628 Unberührt bleibt auch die Rügelast, vgl. z.B. Rz. 2903, 2937, 2986, 2991. Dem Antragsgegner muss das Vorbringen des Antragstellers zur Kenntnis ge- 3037 bracht werden. Ihm muss Gelegenheit gegeben werden, hierzu Stellung zu nehmen und Anträge zu stellen. Denn der Antragsgegner hat ein Recht auf rechtliches Gehör. Art. 103 I GG gewährleistet das rechtliche Gehör zwar ausdrücklich nur „vor Gericht“. Das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 III GG) verlangt jedoch, dass auch in einem rechtlich geordneten Verwaltungsverfahren jedem materiell Beteiligten rechtliches Gehör gewährt wird. Er darf nicht zum bloßen Objekt des Verfahrens gemacht werden, Art. 1 GG.629 Als Antragsgegner sind alle diejenigen zu beteiligen, für welche die Entschei- 3038 dung der Justizverwaltung von unmittelbarer Rechtserheblichkeit ist. In Betracht
624 Anderer Auffassung BayObLG vom 18.6.1980, FRES 6, 421 = IPRspr. 1980 Nr. 173. 625 Dagegen Landesjustizverwaltung Nordrhein-Westfalen StAZ 1984, 139. – Zur Eintragung der Versagung der Anerkennung im Familienbuch StAZ 1984, 113. 626 Ausführlich Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 7 § 1 FamRÄndG Rz. 145 ff. 627 Landesjustizverwaltung Baden-Württemberg vom 23.1.1987, IPRspr. 1987 Nr. 163a; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 7 § 1 FamRÄndG Rz. 146. 628 BayObLG vom 29.3.1990, NJW-RR 1990, 842 = FamRZ 1990, 897 = IPRspr. 1990 Nr. 218; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 7 § 1 FamRÄndG Rz. 147. 629 Zustimmend Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 7 § 1 FamRÄndG Rz. 151.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen kommen vor allem der andere Ehegatte und gegebenenfalls dessen Erben. Die Beteiligung der Antragsgegner ist nicht bloß Ermessenssache der Landesjustizverwaltung, sondern Rechtspflicht.630 14. Entscheidung der Justizverwaltung 3039 Hält die Landesjustizverwaltung bzw. der OLG-Präsident die Zulässigkeitsvoraussetzungen für das Verfahren nach § 107 FamFG nicht für gegeben, so ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen, z.B. wegen Unstatthaftigkeit des Anerkennungsverfahrens nach § 107 I 2 FamFG, wegen örtlicher Unzuständigkeit oder wegen fehlender Antragsberechtigung. Sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen gegeben, ist aber der Antrag sachlich unbegründet, so ist er als unbegründet zurückzuweisen. Die Justizverwaltung darf nicht das Gegenteil dessen, was beantragt ist, feststellen. Ist der Antrag begründet, so hat die Justizverwaltung im Tenor ihres Bescheides festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Anerkennung vorliegen bzw. nicht vorliegen. Das Gesetz setzt sich über den allgemeinen Grundsatz des Verfahrensrechts hinweg, dass im Tenor einer Entscheidung immer über den Verfahrensgegenstand und nicht über Präjudizialpunkte zu befinden ist. 3040 Inhaltliche Änderungen oder Ergänzungen des anzuerkennenden Urteils darf die Justizverwaltung nicht vornehmen.631 3041 Trotz des Schweigens des Gesetzes wird man aus rechtsstaatlichen Gründen jedenfalls dann eine Begründung fordern müssen, wenn der Antrag zurückgewiesen wurde oder wenn dem Antrag trotz der Gegenvorstellungen eines Beteiligten (Antragsgegners) stattgegeben wurde.632 3042 Die Entscheidung der Landesjustizverwaltung bzw. des OLG-Präsidenten wird nach § 107 VI 2 FamFG grundsätzlich mit Bekanntgabe an den Antragsteller wirksam; auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe an die übrigen Beteiligten kommt es nicht an. Die Landesjustizverwaltung bzw. der Oberlandesgerichtspräsident kann aber auch (im Tenor der Entscheidung) bestimmen, dass die Entscheidung erst nach Ablauf einer von ihr bestimmten Frist wirksam wird. Dadurch kann verhindert werden, dass der Antragsteller eine neue Ehe eingeht, noch bevor der Antragsgegner Gelegenheit hatte, das Oberlandesgericht anzurufen.633 15. Antrag auf gerichtliche Entscheidung 3043 Die Entscheidung der Landesjustizverwaltung bzw. des Oberlandesgerichtspräsidenten kann durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung angefochten werden. 630 Näher R. Geimer NJW 1974, 1630; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 7 § 1 FamRÄndG Rz. 151. Vgl. auch BayObLG vom 17.6.1999, FamRZ 2000, 485 = IPRspr. 1999 Nr. 169. 631 Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 7 § 1 FamRÄndG Rz. 167. 632 R. Geimer NJW 1967, 1402; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 7 § 1 FamRÄndG Rz. 169. 633 Näher Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 7 § 1 FamRÄndG Rz. 171.
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Anerkennung Über den Antrag befindet das Oberlandesgericht. Es besteht kein Anwaltszwang. Das Gericht darf sich nicht auf eine revisionsgerichtliche Überprüfung der Rechtsanwendung beschränken, es hat vielmehr als Tatsachengericht den Sachverhalt selbständig aufzuklären. So muss es z.B. Zeugen vernehmen.634 Das Antragsrecht ist in § 107 V und VI 1 FamFG kasuistisch und wenig erschöp- 3044 fend geregelt. Hat die Landesjustizverwaltung bzw. der Oberlandesgerichtspräsident dem Antrag stattgegeben, so kann nach dem Gesetz nur der andere Ehegatte, der den Antrag nicht gestellt hat, das Oberlandesgericht anrufen. Ist dieser gestorben, so kann nach dem Wortlaut des Gesetzes keiner die Entscheidung des Oberlandesgerichts beantragen; dies ist mit Art. 19 IV GG nicht vereinbar. Man wird in verfassungskonformer Auslegung jedem die Anrufung des Oberlandesgerichts gestatten müssen, in dessen Rechtssphäre die Entscheidung der Justizverwaltung mit unmittelbarer Rechtserheblichkeit eingreift.635 Hat die Landesjustizverwaltung bzw. der Oberlandesgerichtspräsident dem Antrag stattgegeben, so kann der Antragsteller nicht Antrag auf gerichtliche Entscheidung stellen.636 Auch kann er seinen Antrag nach Bekanntgabe der Entscheidung der Justizverwaltung nicht mehr zurücknehmen.
3045
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung war bis 31. August 2009 an keine Frist 3046 gebunden. Das war rechtspolitisch falsch; denn es wurde die Unsicherheit darüber, ob eine ausländische Entscheidung im Inland Wirkungen entfaltet, so lange aufrechterhalten, bis die Entscheidung der Landesjustizverwaltung bzw. des Oberlandesgerichtspräsidenten vom Oberlandesgericht ausdrücklich bestätigt worden war. So konnte die Entscheidung der Verwaltung noch nach Jahrzehnten angefochten werden.637 Diesen Missstand hat der Gesetzgeber nunmehr beseitigt, §§ 107 VII 3, 63 FamFG. Eine Verwirkung der Anfechtungsbefugnis war nach Art. 7 § 1 FamRÄndG zwar möglich. Der bloße Zeitablauf genügte jedoch nicht. Zum Zeitablauf mussten noch besondere Umstände hinzutreten, die das Zuwarten als unangemessen und damit die verspätete Anfechtung als unzulässige Rechtsausübung erscheinen lassen.638
634 BayObLG vom 11.6.1992, BayObLGZ 1992, 195 = NJW-RR 1992, 1478 = FamRZ 1993, 451 = IPRspr. 1992 Nr. 235. 635 OLG Koblenz vom 26.11.1987, NJW-RR 1988, 1159 = IPRax 1988, 359 (Richter/Krzywon 349) = IPRspr. 1987 Nr. 167; R. Geimer NJW 1967, 1402; R. Geimer FamRZ 1969, 456; zustimmend Stadler in Musielak, Zivilprozessordnung6, 2008, § 328 ZPO Rz. 47; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 7 § 1 FamRÄndG Rz. 189. 636 BayObLG vom 18.6.1980, FRES 6, 421 = IPRspr. 1980 Nr. 173. 637 Beispiel: BayObLG vom 28.7.1975, BayObLGZ 1975, 296 = MDR 1976, 232 (R. Geimer) = IPRspr. 1975 Nr. 180. 638 Eine Verwirkung verneinte BayObLG vom 29.8.1985, FamRZ 1985, 1258, 1259 = NJWRR 1986, 3, wenn kein weiterer Beteiligter auf den Bestand des Bescheides der Landesjustizverwaltung vertraute, z.B. wenn Bescheid dem Antragsgegner wegen unbekannten Aufenthalts nicht bekannt gemacht worden war. Vgl. auch Staudinger/ Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 7 § 1 FamRÄndG Rz. 184.
1077
3047
Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen 3048 Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist nach neuem Recht die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof nach Maßgabe von §§ 70 ff. FamFG statthaft. Anders war es nach altem Recht. Wollte vor dem 31. August 2009 das Oberlandesgericht von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs oder eines anderen Oberlandesgerichts abweichen, bestand Vorlagepflicht an den Bundesgerichtshof gemäß § 28 II FGG, auf den Art. 7 § 1 VI FamRÄndG verwiesen hat.639 16. Wiederaufnahme 3049 Gegen die Justizverwaltungs- bzw. OLG-Entscheidung kann Wiederaufnahme des Verfahrens analog §§ 579 ff. ZPO beantragt werden.640 Dies stellt nunmehr § 107 VII 3 in Verbindung mit § 48 II FamFG klar. 17. Abänderung 3050 Wird ein Antrag auf Abänderung eines Bescheides der Justizverwaltung641 gestellt, so gilt § 107 FamFG kraft Sachzusammenhangs auch für das Abänderungsverfahren, obwohl § 107 VII nicht auf § 48 I FamFG verweist. Wendete man §§ 23 ff. EGGVG an, so führte dies zu einem vom Gesetzgeber sicher nicht beabsichtigten Auseinanderfallen der Zuständigkeiten.642
XVII. Anerkennungsfestellungsverfahren für ausländische Adoptionen im Anwendungsbereich des Haager Adoptionsübereinkommens 3051 Wichtig im Bereich des internationalen Kindschaftsrechts ist das Feststellungsverfahren für die Anerkennung ausländischer Adoptionen. Auf Antrag stellt das Familiengericht (§ 108 II 3 FamFG; konzentrierte Zuständigkeit nach §§ 2 ff., 5 AdWirkG) fest, ob die ausländische Annahme als Kind im Inland anzuerkennen ist.643 Adoptionen – gleich ob Dekret- oder Vertragsadoptionen – aus einem anderen Vertragsstaat des Haager Adoptionsübereinkommens werden anerkannt,
639 Hierzu BGH vom 14.10.1981, BGHZ 82, 34 = NJW 1982, 517 = FamRZ 1982, 44 = MDR 1982, 126 = IPRax 1983, 37 (Kegel 22) = IPRspr. 1981 Nr. 192; Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 7 § 1 FamRÄndG Rz. 205. 640 R. Geimer NJW 1974, 1631. Für Rücknahme des Bescheids durch Justizverwaltungsbehörde BayObLG vom 28.7.1999, BayObLGZ 1999, 211 = NJW-RR 2000, 885 = FamRZ 2000, 836 = IPRspr. 1999 Nr. 170. 641 Zur grundsätzlichen Unzulässigkeit der Abänderung R. Geimer NJW 1974, 1631 gegen BayObLG vom 25.9.1973, BayObLGZ 1973, 251, 256 = IPRspr. 1973 Nr. 157; BayObLG vom 3.10.1978, IPRspr. 1978 Nr. 175. Differenzierend Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Art. 7 § 1 FamRÄndG Rz. 85, der eine „vorsichtige Anlehnung an § 48 VwVfG“ empfiehlt. 642 BayObLG vom 28.7.1975, BayObLGZ 1975, 232, 301 = MDR 1976, 232 (R. Geimer) = IPRspr. 1975 Nr. 180; BayObLG vom 18.6.1980, FRES 6, 421 = IPRspr. 1980 Nr. 173. 643 § 2 AdWirkG v 5.11.2001, BGBl. I 2953; Steiger DNotZ 2002, 184; Ludwig RNotZ 2002, 353.
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Anerkennung wenn der Ursprungsstaat nach Art 23 I dieses Übereinkommens das konventionsgerechte Zustandekommen bescheinigt hat.644 Gemäß § 3 AdWirkG kann eine schwache Adoption in eine Volladoption nach deutschem Recht umgewandelt werden. Dies gilt allerdings nur im Anwendungsbereich des Haager Adoptionsüberein- 3052 kommens. Für Dekretadoptionen aus Nichtvertragsstaaten kommt § 109 FamFG zur Anwendung,645 für Vertragsadoptionen das Internationale Privatrecht, d.h. sie sind aus deutscher Sicht unter den Voraussetzungen des Art 22 I EGBGB wirksam.646 Das autonome deutsche Recht sah bis 31.8.2009 ein eigenes Feststellungsverfahren zur Frage der Anerkennungsfähigkeit nach § 16a FGG nicht vor. Gleichwohl wurde ein solches richterrechtlich entwickelt.647 Die große Frage war allerdings, ob auf diesem Wege eine erga omnes-Wirkung der Entscheidung über die Anerkennungsfähigkeit und damit mittelbar auch der Statusfrage herbeigeführt werden konnte. Nunmehr ist sedes materiae § 108 II 2 FamFG.
XVIII. Anerkennungsfestellungsverfahren für ausländische Maßnahmen im Anwendungsbereich des Haager Erwachsenenschutzübereinkommens Zu erwähnen ist auch das Anerkennungsfeststellungsverfahren für den Bereich 3053 des Haager Übereinkommens vom 13.1.2000 über den internationalen Schutz von Erwachsenen.648 Über die Feststellung der Anerkennung bzw. der Nichtanerkennung einer in einem anderen Vertragsstaat getroffenen Maßnahme (Art. 23 Satz 1 ErwSÜ) entscheidet für alle deutschen Gerichte und Verwaltungsbehörden verbindlich das Amtsgericht im FamFG-Verfahren gemäß §§ 8 ff. des deutschen Gesetzes zur Umsetzung dieses Haager Übereinkommens.649
XIX. Folgen der Versagung der Anerkennung 1. Nichtbeachtung der ausländischen Entscheidung Liegen die Anerkennungsvoraussetzungen nicht vor, so ist dem ausländischen Urteil die Anerkennung im Inland zu versagen (soweit keine Heilung durch Rü644 Hierzu z.B. Schlauß, Die Anerkennung von Auslandsadoptionen in der vormundschaftsgerichtlichen Praxis – Ergebnisse einer Auswertung der Verfahren auf Anerkennung und Wirkungsfeststellung durch die Bundeszentralstelle für Auslandsadoption, FamRZ 2007, 1699. 645 Vgl. z.B. Mörsdorf-Schulte in Schröder/Bergschneider (ed.), Familienvermögensrecht2, 2007, Rz. 11.164. 646 Süß MittBayNot 2002, 88; 90; Gutachten DNotI 2003, 53. 647 Zur Zulässigkeit eines selbständigen FG-Feststellungsverfahrens zur Anerkennungsfrage bei ausreichendem Feststellungsinteresse OLG Bremen FamRZ 1997, 107. 648 BGBl. 2007 II 323. Hierzu Bucher SZIER 2000, 37; Lagarde Rev. crit. d.i.p. 89 (2000), 159; Guttenberger, Das Haager Übereinkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen, 2004; Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts6, 2006, § 50 I 4. 649 BGBl. 2007 I 314.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen geverzicht eintritt). Die ausländischen Urteilswirkungen werden auch dann nicht auf das Inland erstreckt, wenn nach deutschem internationalem Privatrecht das Recht des Erststaates Anwendung findet und wenn im Urteilsstaat die materiell-rechtliche Rechtskrafttheorie gilt, Rz. 42. 2. Rückforderung des aufgrund des ausländischen Urteils Geleisteten 3055 Es wird mitunter behauptet, die ausländische (im Inland nicht anerkannte) Verurteilung schaffe eine Naturalobligation. Das aufgrund des ausländischen Urteils Geleistete könne daher in keinem Fall im Inland zurückgefordert werden.650 Dem ist nicht zu folgen. Wird wegen der Nichtanerkennung des ausländischen Urteils der Prozess zwischen den Parteien im Inland wiederholt und stellt sich das Gericht auf den Standpunkt, dass eine Leistungspflicht des B gegenüber A nicht besteht, so muss es dem B gestattet sein, das aufgrund der ausländischen Verurteilung an A Geleistete im Inland wieder zurückzufordern.651 Wollte man – bei Maßgeblichkeit deutschen Rechts – § 814 BGB anwenden, so würde man trotz Nichtvorliegens der Anerkennungsvoraussetzungen das ausländische Urteil im Inland mittelbar doch durchsetzen. Zu beachten ist aber, dass – sofern deutsches Recht Bereicherungsstatut ist – die Rückforderung des aufgrund eines ausländischen Urteils Geleisteten unter dem Gesichtspunkt des § 814 BGB dann ausgeschlossen sein kann, wenn der Verurteilte freiwillig, also ohne drohende Zwangsvollstreckung, an den Kläger geleistet hat.652 3056 Von der auf Bereicherung gestützten Klage ist die auf Delikt (ungerechtfertigte Zwangsvollstreckung) basierende zu unterscheiden. Anders auch die Hypothese Rz. 1561. 3057 Für die Rückforderungsklage gilt hinsichtlich des Verfahrens die deutsche lex fori; so kommt z.B. die Präklusionsfrist des Art. 86 schweizer. SchKG nicht zum Zuge. 3058 Denkbar ist auch eine teilweise Rückforderung mit der Begründung, die im Ausland gezahlten Schadensersatzbeträge (multiple damages) seien überzogen, die ausländische Verurteilung könne nur in Höhe eines Teilbetrages in Deutschland anerkannt werden. Gegen solches „claw back“653 wendet sich Schack,654 der ei650 Matscher JBl. 1954, 54. 651 Zustimmend Regen, Prozessbetrug als Anerkennungshindernis, 2008, Rz. 707. 652 Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 328 Rz. 343; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 338. Skeptisch passim Stürner ZVglRWiss 81 (1982) 207: „Mit der Rückklagemöglichkeit ist der Schritt zum Jurisdiktionskrieg endgültig getan.“ Vgl. auch Spieker genannt Döhmann, Die Anerkennung von Rechtskraftwirkungen ausländischer Urteile – eine Untersuchung zur Fortgeltung des ne-bis-idem, Diss Bonn 2002, 196. Ausführlich Köster, Haftung wegen Forum Shopping in den USA, Diss. Dresden 2001, 128 ff. Kritisch Schack ZZP 116 (2003), 130, 132. 653 Zu claw back-Klauseln Schnyder, Wirtschaftskollisionsrecht, 1990, 93 Rz. 133. 654 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 1032. Siehe auch Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 531.
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Anerkennung nen „juristischen Krieg“ mit den Vereinigten Staaten von Amerika vermeiden will. Wie auch sonst sollten wir den Kläger nicht bevormunden. Dieser mag seine Taktik selbst bestimmen und erwägen, welche Folgen er damit im Erststaat und in den Drittstaaten, welche die erststaatliche Entscheidung anerkennen, verursacht. 3. Beweiskraft Das im Inland nicht anerkannte ausländische Urteil entfaltet unter den Vorausset- 3059 zungen des § 438 ZPO Beweiskraft für seine Existenz; es wird also bewiesen, dass im Urteilsstaat ein Urteil bestimmten Inhalts ergangen ist.655 Auf Legalisation (§ 438 II ZPO) wird in den meisten völkerrechtlichen Verträgen verzichtet.656 Über die Richtigkeit des Inhalts des ausländischen Urteils wird jedoch nichts ausgesagt. Die Beweiskraft bezieht sich nur auf Tatsachen (also keine prozessualen Wirkungen, insbesondere keine Feststellungs- und keine Gestaltungswirkung). 4. Parteivereinbarungen Die Frage, ob ein ausländisches Urteil im Inland anzuerkennen ist, kann nicht 3060 unmittelbar Gegenstand von Parteivereinbarungen sein. Steht aber die Geltendmachung eines Versagungsgrundes im Belieben einer Partei, können die Parteien – auch im Vorhinein – vereinbaren, dass der Versagungsgrund nicht geltend gemacht werden darf, Rz. 3132. Ist ein ausländisches Urteil nach der Gesetzeslage nicht anzuerkennen, z.B. im Hinblick auf § 328 I Nr. 5 ZPO bzw. § 109 IV FamFG, so ist eine Parteivereinbarung, dass das Urteil im Inland doch anzuerkennen sei, unwirksam; d.h. die Wirkungen des nicht anerkannten ausländischen Urteils werden aufgrund dieser Vereinbarungen nicht auf das Inland erstreckt. Eine solche Parteivereinbarung kann jedoch materiell-rechtliche Bedeutung haben, sofern die Parteien wirksam über den Streitgegenstand verfügen können. 5. Internationale Ersatzzuständigkeit zur Wiederholung des Rechtsstreits Wird die Anerkennung in Deutschland verweigert, so muss zur Wiederholung 3061 des Erstprozesses ein kompetentes Gericht bereitgestellt werden, um Justizverweigerung zu vermeiden,657 Rz. 1029. Die Entscheidung des deutschen Gerichts wird nicht selten vom Inhalt des (nicht anerkannten) ausländischen Urteils abweichen. Dies kann vielerlei Gründe haben, z.B. – anderer kollisionsrechtlicher Ansatz (das deutsche internationale Privatrecht verweist auf eine andere Rechtsordnung als das internationale Privatrecht des Erststaates); 655 RG vom 8.7.1930, RGZ 129, 385, 387; Spieker genannt Döhmann, Die Anerkennung von Rechtskraftwirkungen ausländischer Urteile – eine Untersuchung zur Fortgeltung des ne-bis-idem, Diss. Bonn 2002, 192. 656 Z.B. Art. 49 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 56 EuGVVO (Rz. 245c). 657 Zustimmend Hau, Positive Kompetenzkonflikte im Internationalen Zivilprozessrecht – Überlegungen zur Bewältigung von multi-fora disputes, 1996, 109; Pfeiffer, Internationale Zuständigkeit, 1995, 442.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen – unterschiedliche Auslegung der für die Entscheidung maßgeblichen Rechtsnormen; – anderer Sachverhalt, auf welchem das deutsche Gericht seine Entscheidung aufbaut, als der Tatbestand des (nicht anerkannten) ausländischen Urteils. 3062 Dies kann damit zusammenhängen, dass nunmehr in Deutschland ein kontradiktorisches Verfahren stattfindet, während im ausländischen Erstprozess aufgrund eines ex parte-Verfahrens ohne Beweisaufnahme ein Versäumnisurteil erging oder umgekehrt. Zu denken ist auch an den Fall, dass im ausländischen Prozess mehr Beweismittel zur Verfügung standen. 3063 Die Notwendigkeit der Beweiserhebung im deutschen Prozess kann wegen eines Geständnisses (§ 288 ZPO) – anders als im Erstprozess – entfallen. Umgekehrt kann jede Partei im „Wiederholungsprozess“ in Deutschland Behauptungen des Gegners bestreiten, die sie im ausländischen Erstprozess zugestanden bzw. nicht bestritten hatte. Das Geständnis im Erstprozess verhindert also nicht die Beweiserhebung im deutschen Prozess. Jedoch ist das deutsche Gericht berechtigt, das Verhalten der Parteien im Erstprozess in die Beweiswürdigung miteinzubeziehen. 3064 Schließlich können auch unterschiedliche Präklusionsnormen bzw. deren verschiedene Handhabung dazu führen, dass in Deutschland – anders als im Erstprozess – Beweisantritte zurückgewiesen werden oder umgekehrt. 3065 Fazit: Dass bei Wiederholung des Rechtsstreits das deutsche Urteil mit dem nicht anerkannten ausländischen inhaltlich übereinstimmen wird, ist „Glückssache“. Daraus folgt: Die Verweigerung der Anerkennung kann Störungen des internationalen Entscheidungseinklangs zur Folge haben. Dieser Gesichtspunkt fällt vor allem bei Gestaltungsurteilen ins Gewicht. Die Nichtanerkennung von ausländischen Gestaltungsurteilen führt unweigerlich zu „hinkenden Rechtsverhältnissen“. Wird z.B. ein ausländisches Scheidungsurteil nicht anerkannt, dann besteht – aus deutscher Sicht – die Ehe fort mit der Folge, dass Zugewinnund Versorgungsausgleich bis zum Zeitpunkt des deutschen Scheidungsverfahrens durchzuführen sind. Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes rechtfertigen nicht die analoge Anwendung des Art. 12 Nr. 3 III 1 des 1. EheRG. Der Bundesgerichtshof658 will aber die Härteklauseln (§ 1587c BGB; Art. 12 Nr. 3 III 1 und 4 des 1. EheRG) anwenden, um eine Herabsetzung oder den Ausschluss des Ausgleichs zu erreichen. 3066 Scheidungsstatut: Kann man auf eine solche im Ausland bereits geschiedene, nur mehr im Inland existierende Ehe das nach Art. 17 EGBGB maßgebliche ausländische Recht anwenden, obwohl nach diesem Recht die Ehe nicht mehr besteht? Man streitet um die richtige Antwort.659
658 BGH vom 10.11.1982, FamRZ 1983, 357 (Ehe war 1972 in Rumänien geschieden worden). Vgl. auch BGH vom 26.5.1982, FamRZ 1982, 795, 797. 659 Für deutsches Recht Henrich IPRax 1985, 108; für Art. 17 EGBGB ohne Abstriche Jayme IPRax 1982, 250. Vermittelnd Hessler, Sachrechtliche Generalklausel und internationales Familienrecht, 1985, 97.
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Anerkennung 6. Internationale Zuständigkeit zur Aufhebung bigamischer Ehen Kann ein ausländisches Scheidungsurteil nicht anerkannt werden, so war vor 3067 Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Eheschließungsrechts (Eheschließungsrechtsgesetz) vom 4.5.1998660 am 1.7.1998 eine inzwischen geschlossene zweite Ehe auf Antrag eines Ehegatten oder des (deutschen) Staatsanwalts für nichtig zu erklären, § 24 EheG.661 Nunmehr erfolgt Aufhebung der Ehe mit ex nunc-Wirkung auf Antrag der in § 1316 BGB aufgeführten Personen bzw. der von der jeweiligen Landesregierung durch Rechtsverordnung bestimmten Verwaltungsbehörde.662 In besonders gelagerten Fällen kann jedoch der Aufhebungsantrag missbräuchlich sein;663 z.B. dann, wenn die erste Ehe zwischenzeitlich nicht mehr besteht.664
XX. Teilanerkennung Hinsichtlich eines jeden im ausländischen Urteil entschiedenen (selbständigen) 3068 Anspruchs (Streitgegenstands) sind die Anerkennungsvoraussetzungen gesondert zu prüfen, mit der Folge, dass hinsichtlich des einen die Anerkennungsvoraussetzungen vorliegen können und hinsichtlich des anderen nicht. In diesem Fall ist eine Teilanerkennung möglich.665 Vgl. auch Rz. 3521. Beispiel: Anordnung einer Wartefrist zu Lasten des Schuldigen in einem Scheidungsurteil verstößt gegen die deutsche öffentliche Ordnung und ist nicht anerkennungsfähig.666 Der Scheidungsausspruch selbst wird jedoch anerkannt.
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Teilanerkennung setzt Teilbarkeit voraus. Sie ist gegeben, wenn die auslän- 3070 dische Entscheidung über mehrere selbständige Ansprüche entscheidet, die je660 BGBl. I 833. 661 R. Geimer NJW 1976, 1039; Basedow StAZ 1977, 6. 662 Dies ist z.B. in Bayern die Regierung von Mittelfranken, Verordnung vom 2.5.2000, BayGVBl. 293. Siehe auch Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, Anh. zu § 606a ZPO Rz. 115. 663 OLG Karlsruhe vom 12.7.1985, IPRax 1986, 166 (Heßler 146) für die frühere Ehenichtigkeitsklage. 664 OLG Nürnberg vom 30.6.1997, FamRZ 1998, 1109 = NJW-RR 1998, 2 = IPRspr. 1997 Nr. 63. 665 Matscher in Festschrift Reimer, 1976, 33; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1641. Zustimmend Völker, Zur Dogmatik des ordre public – Die Vorbehaltsklauseln bei der Anerkennung fremder gerichtlicher Entscheidungen und ihr Verhältnis zum ordre public des Kollisionsrechts, 1998, 78 und aus schweizerischer Sicht Jametti Greiner, Der Begriff der Entscheidung im schweizerischen internationalen Zivilverfahrensrecht, 1998, 24 ff. Vgl. auch OLG Düsseldorf vom 28.6.2000, RIW 2001, 303 sowie Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008, § 343 Rz. 39. 666 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1646; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 324; vgl. auch EGMR vom 18.12.1987, EuGRZ 1993, 130, 131. Großzügiger Staudinger/Spellenberg, Internationales Verfahrensrecht in Ehesachen, Neubearbeitung 2005, § 328 ZPO Rz. 510.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen weils eigenständig sind und deshalb auch getrennt anerkannt bzw. vollstreckt werden können. Darüber hinaus ist auch Teilanerkennung hinsichtlich eines Teils eines Anspruchs (Teilteilanerkennung) möglich.667 Kommt in concreto nur Teilanerkennung in Betracht, so erfolgt diese von Amts wegen. Eines besonderen Antrags auf Ausspruch auch von Teilen der beantragten Anerkennung (§ 308 I ZPO) bedarf es nicht.668 3071 Man differenziert zwischen horizontaler und vertikaler Teilung. Die horizontale Teilung gliedert die Entscheidung nach den einzelnen Ansprüchen auf, die mehr oder weniger konnex nebeneinander stehen. Die vertikale Teilung von Urteilsbestandteilen, wie Gründe und Tenor, kommt nicht in Betracht, weil nur der Tenor zur Anerkennung ansteht. Wenn ein Urteilsbestandteil auf dem anderen rechtslogisch aufbaut, wie z.B. Feststellung der Vaterschaft und Verurteilung zum Unterhalt, ist wie folgt zu differenzieren: Wird die Statusentscheidung (z.B. Ehescheidung oder Abstammungsurteil) anerkannt, aber nicht die Folgeentscheidung, so entstehen keine Probleme. Z.B. kann der Verurteilung zu Unterhalt wegen Fehlens der Gegenseitigkeit (§ 109 IV FamFG, vor dem 1.9.2009 § 328 I Nr. 5 ZPO) die Anerkennung versagt werden, während das Scheidungsurteil bzw. das Abstammungsurteil anerkannt wird.669 3072 Bei Nichtanerkennung der Statusentscheidung gilt der Grundsatz: Nichtanerkennung der Folgeentscheidung bei logischer Priorität einer Entscheidung, die nicht anerkannt werden kann.670 So setzt die Anerkennung der Verurteilung zur Zahlung des nachehelichen Unterhalts die Auflösung der Ehe voraus.671 Ist dies aus inländischer Sicht nicht der Fall (weil der Scheidungsausspruch nicht anerkannt wird und dies die zuständige Landesjustizverwaltung bzw. der Oberlandesgerichtspräsident auch gemäß Art. 107 FamFG ausgesprochen hat), so kann die Verurteilung des einen Ehegatten auf Zahlung von Unterhalt an den anderen Ehegatten nicht anerkannt und vollstreckt werden. 3073 Etwas anderes gilt jedoch für die Zahlung von Unterhalt an die Kinder, Rz. 3018. Denn für das Eltern/Kind-Verhältnis ist die Nichtanerkennung der Scheidung irrelevant. Man wird jedoch noch einen Schritt weiter gehen können und wegen der generellen Schutzbedürfnisse des (nichtehelichen) Kindes die Verurteilung zur Unterhaltszahlung anerkennen, auch wenn die Vaterschaftsfeststellung nicht anerkennungsfähig ist.672 Macht der Unterhaltsschuldner geltend, 667 Bungert ZIP 1992, 1724. Offen gelassen von BGH vom 4.6.1992, BGHZ 118, 312 = MDR 1992, 1181 = NJW 1992, 3096, 3098 (Koch 3073) = RIW 1993, 132 (Schütze) = JZ 1993, 261 (Deutsch) = ZIP 1992, 1256 (Bungert 1707 sowie ZIP 1993, 815) = EuZW 1992, 705 = EWiR 1992, 827 (R. Geimer) = LM Nr. 38/39/40 zu § 328 ZPO (Kronke) = ZZP 106 (1993), 79 (Schack) = IPRax 1993, 310 (Koch/Rabel 288) = IPRspr. 1992 Nr. 218b. 668 BGH vom 4.6.1992, BGHZ 118, 312 = NJW 1992, 3096, 3105; Bungert ZIP 1992, 1725. 669 § 328 II ZPO a.F., § 109 IV FamFG. 670 Siehe auch R. Geimer IPRax 2004, 419. 671 Sturm in Gedächtnisschrift Constantinesco, 1983, 750; anders (auf Einzelfall abstellend) Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in Unterhaltssachen, 1989, 85. 672 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1983, 991. A.A. OLG Hamm vom 15.11.2005, FamRZ 2006, 967 = IPRspr. 2005 Nr. 172; OLG Hamm vom 26.4.2005, FamRZ 2006, 968.
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Anerkennung er käme als Vater überhaupt nicht in Betracht, so kann er im Inland eine negative Abstammungsklage erheben. Ist diese erfolgreich, so kann er gegen die (deutsche) Vollstreckbarerklärung des ausländischen Titels Vollstreckungsgegenklage erheben, § 767 II ZPO.673 Auch bei subjektiver Klagehäufung (Personenmehrheit) ist eine horizontale Teilung der Entscheidung möglich.674 Ausnahme: Fälle der echten notwendigen Streitgenossenschaft. Es ist denkbar, dass ein am Verfahren beteiligter Dritter (Nebenintervenient, Streitverkündungsempfänger) die Urteilswirkung nicht gegen sich gelten lassen muss, weil das rechtliche Gehör verweigert wurde, aber unabhängig davon Anerkennung der Wirkungen des Urteils zwischen den Parteien erfolgt, Rz. 2939.
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XXI. Aufhebung der ausländischen Entscheidung im Erststaat Aus dem Prinzip der (automatischen) Wirkungserstreckung folgt, dass die Besei- 3075 tigung der Urteilswirkung im Erststaat, z.B. im Wege der Wiederaufnahme, dazu führt, dass diese Wirkungen auch im Inland entfallen. Doch ist die Präklusionswirkung einer inländischen feststellenden Entscheidung zu beachten. Wurde im Inland über die Frage der Anerkennungsfähigkeit rechtskräftig entschieden, so ist der Einwand der Aufhebung oder der Unwirksamkeit der ausländischen Entscheidung im Erststaat präkludiert. Die Zeitgrenze des § 767 II ZPO gilt auch für rein feststellende Entscheidungen. – Vgl. auch Rz. 3101.675
XXII. Anerkennung von Entscheidungen der Gerichte der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik Urteile von Gerichten der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (einschließlich Ost-Berlins) waren nie (auch nicht nach Inkrafttreten des Grundlagenvertrages) ausländische Urteile. § 328 ZPO war deshalb nicht direkt anwendbar. Die DDR-Urteile waren grundsätzlich auch im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland wirksam.676 Sie entstammten jedoch einer anderen Hoheitssphäre. Staatsgewalt und Gerichtsbarkeit waren in beiden Staaten verschieden, Art. 6 Grundlagenvertrag. Angesichts der grundverschiedenen Rechtsentwicklung konnten ihre Wirkungen in der Bundesrepublik Deutschland nicht vorbehaltlos anerkannt werden. Siehe nunmehr Art. 18 des Einigungsvertrages.
673 Näher OLG Hamm vom 8.7.2003, FamRZ 2004, 719 = IPRax 2004, 437 (R. Geimer 419). 674 Matscher in Festschrift Reimer, 1976, 36. 675 Siehe auch Spieker genannt Döhmann, Die Anerkennung von Rechtskraftwirkungen ausländischer Urteile – eine Untersuchung zur Fortgeltung des ne-bis-idem, Diss. Bonn 2002, 73. 676 BGH vom 5.5.1981, BGHZ 84, 17 = NJW 1982, 1947 = RIW 1982, 592 = IPRax 1983, 33 (Beitzke 16) = IPRspr. 1982 Nr. 136; BGHZ 34, 36; BGH vom 22.9.1982, IPRax 1983, 184 (von Bar 163).
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen
XXIII. Europäischer Vollstreckungstitel 3077 Die Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel nach der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 (Rz. 3174) führt nach Art. 5 zur Anerkennung in allen anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (mit Ausnahme Dänemarks), „ohne dass die Anerkennung angefochten werden kann“. Dies spricht gegen die Möglichkeit, Anerkennungsversagungsgründe (Art. 34-Art. 35 EuGVVO) geltend machen zu können; es wäre in der Tat ein Widerspruch, die Vollstreckung vorbehaltlos zuzulassen, aber die sonstigen Wirkungen des Titels (Rechtskraft, Präklusionswirkung etc.) nicht anzuerkennen. Andererseits entfaltet nach Art. 11 die Bestätigung „Wirkung nur im Rahmen der Vollstreckbarkeit der Entscheidung“. Die Abgrenzung zu Art. 5 ist derzeit noch unklar. 3078–3099
2. Kapitel: Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel Literatur: Borges, Doppelexequatur von Schiedssprüchen in der EuGVVO, IHR 2006, 206; Edelmann, Neues aus Lugano: Ein Blick auf neuere Entwicklungen in Fragen der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen in der Schweiz, gemäß Lugano-Übereinkommen, in Festschrift 100 Jahre Aargauischer Anwaltsverband, 2005, 377; von Falck, Implementierung offener ausländischer Vollstreckungstitel – Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel und inländischer Bestimmtheitsgrundsatz, 1998; Gärtner, Probleme der Auslandsvollstreckung von Nichtgeldentscheidungen im Bereich der Europäischen Gemeinschaft, 1991; R. Geimer, Exequaturverfahren, in Festschrift Georgiades, 2005, 489; Haedicke, Die Vollstreckung deutscher Urteile in Frankreich auf der Grundlage des EuGVÜ, Diss. Münster 1999; Hay, Recognition of a Recognition Judgment within the European Union: „ Double Exequatur“ and the Public Policy Barrier, in Liber Amicorum Tibor Várady, 2008, 143 = EuLF 2009 (im Erscheinen); Keßler, Die Vollstreckbarkeit und ihr Beweis gem. Art. 31 und 47 Nr. 1 EuGVÜ, 1998; Leutner, Die vollstreckbare Urkunde im europäischen Rechtsverkehr, 1997; Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000; Oberhammer, Der Europäische Vollstreckungstitel: Rechtspolitische Ziele und Methoden, JBl 2006, 477; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 929 ff.; Schlosser, Jurisdiction and International Judicial and Administrative Co-Operation, RdC 284 (2000), 9, 200 ff.; Schlosser, Grenzüberschreitende Vollstreckbarkeit von Nicht-Geldleistungsurteilen, in Festschrift Leipold, 2009, 435; Schlosser, Vollstreckbarerklärung nicht vollstreckungsfähiger Entscheidungen?, in Festschrift Kerameus, 2009, 1183; Schütze, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile in der Bundesrepublik Deutschland als verfahrensrechtliches Problem, Diss. Bonn 1960; Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz4, 2008; Stadler, Inländisches Zwangsgeld bei grenzüberschreitender Handlungsvollstreckung, IPRax 2004, 430; Stutz, Die internationale Handlungs- und Unterlassungsvoll1086
Vollstreckbarerklärung streckung unter dem EuGVÜ, 1992; Stürner, Das grenzüberschreitende Vollstreckungsverfahren in der Europäischen Union, in Festschrift Henckel, 1995, 863; Treibmann, Die Vollstreckung von Handlungen und Unterlassungen im europäischen Zivilrechtsverkehr, 1994.
I. Nichtanerkennung der erststaatlichen Vollstreckbarkeit Die einem ausländischen Urteil nach dem Recht des Urteilsstaates zukommende 3100 Vollstreckbarkeit wird nicht anerkannt, also nicht auf das Inland erstreckt, Rz. 2779, 2824, 3368. Das deutsche Vollstreckungsurteil (§ 722 ZPO) ist kein Feststellungsurteil, das die Erstreckung der ausländischen Vollstreckbarkeit auf das Inland feststellt, sondern ein (prozessuales) Gestaltungsurteil. Die Vollstreckbarkeit, welche dem ausländischen Titel durch das deutsche Vollstreckungsurteil verliehen ist,677 beurteilt sich ausschließlich nach deutschem Recht.678 Das Gleiche gilt für den Vollstreckbarerklärungsbeschluss nach § 110 II FamFG. Die Unterscheidung zwischen Wirkungserstreckung (= Anerkennung) und Wir- 3101 kungsverleihung wird z.B. dann deutlich, wenn die ausländische Entscheidung (die im Inland für vollstreckbar erklärt wurde) im Urteilsstaat ihre Vollstreckbarkeit verliert, z.B. wegen Aufhebung im ausländischen Wiederaufnahmeprozess. Würde es sich bei der Vollstreckbarerklärung nur um eine Wirkungserstreckung handeln, so wäre das ausländische Urteil auch im Inland nicht mehr vollstreckbar; denn es würde an einer ausländischen Urteilswirkung fehlen, die Gegenstand der Erstreckung sein könnte, Rz. 3072.679 Ein solches Ergebnis wäre mit den Postulaten der Rechtssicherheit nicht vereinbar. Daher bleibt die durch das deutsche Vollstreckungsurteil dem ausländischen Titel verliehene Vollstreckbarkeit auch nach Beseitigung der Vollstreckbarkeit im Erststaat bestehen.
677 Gegen das der „Verleihungstheorie“ innewohnende „extreme, heute überholt erscheinende Hoheitsdenken“ Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000, 408: „Viel nahe liegender ist es, im Exequatur eine formalisierte Anerkennung der Vollstreckungswirkung der ausländischen Entscheidung zu sehen.“ In der Europäischen Union soll das Erfordernis der Vollstreckbarerklärung möglichst bald beseitigt werden. Den Anfang macht die Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen durch die Verordnung (EG) Nr. 805/2004 vom 21.4.2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (Rz. 245c). Hierzu z.B. Hüßtege in Gottwald, Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der Europäischen Union, 2004, 113; Hüßtege in Festschrift Jayme, 2004, 370; Pfeiffer in Festschrift Jayme, 2004, 674, 687; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, 2004. Nachweise bei R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Einleitung EuGVVO Rz. 7, 97. 678 Wenngleich die Verordnung (EG) Nr. 805/2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (Rz. 245c, 3174) die Vollstreckbarerklärung durch den Zweitstaat abgeschafft hat, bleibt es nach Art. 20 dabei, dass für das Vollstreckungsverfahren das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates gilt. 679 Die Rechtskraft des deutschen Vollstreckungsurteils stünde nicht entgegen.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen 3102 Sie kann aber nach § 767 ZPO durch Vollstreckungsgegenklage gegen das deutsche Vollstreckungsurteil (Rz. 3153, 3170, 3881) beseitigt werden.680 Damit ist gewährleistet, dass die Voraussetzungen des Wegfalls der Vollstreckbarkeit im Streitverfahren und nicht im Zwangsvollstreckungsverfahren geprüft werden. 3103 Die ausländischen Titeln verliehene Vollstreckbarkeit deckt sich inhaltlich mit der inländischen Titeln zukommenden Vollstreckbarkeit.681 So ist z.B. ein USamerikanischer Titel nach §§ 803 ff. ZPO zu vollstrecken,682 nicht nach US-Vollstreckungsrecht (contempt of court-Regeln), Rz. 369.683 3104 Die erststaatliche Vollstreckbarkeit ist Voraussetzung für die Verleihung der deutschen Vollstreckbarkeit an ein ausländisches Urteil. Eine Vollstreckbarerklärung kommt also nicht in Betracht, wenn dieses nach dem Recht des Urteilsstaates nicht vollstreckbar ist: Feststellungs- und Gestaltungsurteile können nicht für vollstreckbar erklärt werden, abgesehen von der Verurteilung zur Kostenzahlung.684 Dagegen sind vom deutschen Recht abweichende Nuancierungen der Vollstreckbarkeit nach dem Recht des Erststaates685 unschädlich.686
II. Streitgegenstand des deutschen Vollstreckbarerklärungsverfahrens 3105 Streitgegenstand ist nicht der dem ausländischen Titel zugrundeliegende materiell-rechtliche Anspruch, sondern der Anspruch des Gläubigers auf Verleihung der Vollstreckbarkeit im Inland (vgl. aber auch Rz. 3171). Dieser Anspruch ist begründet, sofern die Vollstreckbarerklärungsvoraussetzungen (Rz. 3114) gegeben sind, Rz. 3242.687
680 So ausdrücklich § 14 AVAG; für die Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche siehe § 1060 III ZPO. Siehe auch Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000, 505; Regen, Prozessbetrug als Anerkennungshindernis, 2008, Rz. 614. 681 R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 163; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1983, 1149; Remien, Rechtsverwirklichung durch Zwangsgeld, 1992, 307 Fußn. 94. 682 Weitergehend Mansel IPRax 1995, 362 für EuGVÜ/LugÜ. 683 Zum englischen contempt of court-System Remien, Rechtsverwirklichung durch Zwangsgeld, 1992, 105, 108; rechtsvergleichend Kerameus, Enforcement Proceedings in International Encyclopedia of Comparative Law, Vol. XVI Chapter 10, 143. Zu den aus Art. 6 EMRK resultierenden Grenzen EGMR vom 15.12.2005 – Kyprianou/Zypern, NJW 2006, 2901. 684 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 972, 1615; R. Geimer in Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 328 Rz. 73, § 722 Rz. 10. 685 Rechtsvergleichend Kerameus, Enforcement Proceedings in International Encyclopedia of Comparative Law, Vol. XVI Chapter 10, 22 ff.; Schlosser in Festschrift Beys, 2003, 1471. 686 Siehe auch Dannemann, Die ungewollte Diskriminierung in der internationalen Rechtsanwendung – Zur Anwendung, Berücksichtigung und Anpassung von Normen aus unterschiedlichen Rechtsordnungen, 2004, 315. 687 Siehe auch Spieker genannt Döhmann, Die Anerkennung von Rechtskraftwirkungen ausländischer Urteile – eine Untersuchung zur Fortgeltung des ne-bis-idem, Diss. Bonn 2002, 141.
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Vollstreckbarerklärung
III. Vollstreckbarerklärungsfähige Urteile und sonstige Titel Der Kreis der ausländischen Urteile, die für eine Vollstreckbarerklärung in Be- 3106 tracht kommen, deckt sich nicht mit dem der nach § 328 ZPO anerkennungsfähigen Urteile (Rz. 2851). Urteile, die nach dem Recht des Erststaates nicht vollstreckbar sind, scheiden aus. Insoweit ist der Anwendungsbereich kleiner. Auch ein (hinsichtlich der res iudicata) anerkennungsfähiges Leistungsurteil, das bereits vom Schuldner erfüllt bzw. befolgt wurde, kann nicht mehr für vollstreckbar erklärt werden.688 Andererseits umfasst § 722 ZPO auch Vollstreckungstitel, die einer Anerkennung per definitionem nicht fähig sind, weil sie nach dem Recht des Erststaates keine anerkennungsfähigen Wirkungen (res iudicata-, Gestaltungswirkung etc.) entfalten. Beispiel: Vorbehaltsurteil (Rz. 2855) und Prozessvergleich (Rz. 2862) sind zwar vollstreckbar, entfalten aber keine materielle Rechtskraft. Für „kooperative Anpassung“ zur Überbrückung von Systemunterschieden plädiert Basedow.689 Auch wenn z.B. ein US-Unterhaltsurteil als solches nicht vollstreckbar ist, vielmehr „nur“ der Ungehorsam des Schuldners als „contempt of court“ geahndet wird, liegt Vollstreckbarkeit in dem hier erörterten Sinne vor. In den Anwendungsbereich des § 722 ZPO690 bzw. § 110 FamFG fallen u.a. die 3107 den Vollstreckungsbescheiden entsprechenden ausländischen Staatsakte,691 vollstreckbare Prozessvergleiche692 und vollstreckbare Urkunden ausländischer Notare,693 nicht dagegen Schiedssprüche (vgl. Rz. 3892), auch nicht die den Schiedsspruch in sich inkorporierende oder für vollstreckbar erklärende Entscheidung des staatlichen Gerichts;694 ferner nicht Arreste und einstweilige Ver688 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1142, 1145, 1697. 689 Basedow in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 153. 690 Zu den Parallelnormen der Art. 31 ff., 50 ff. EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 38 ff., 57 EuGVVO z.B. Keßler, Die Vollstreckbarkeit und ihr Beweis gem. Art. 31 und 47 Nr. 1 EuGVÜ, 1998. 691 OLGZ 1917, 323; OLG Düsseldorf vom 21.2.1996, NJW-RR 1997, 124; von Falck, Implementierung offener ausländischer Vollstreckungstitel – Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel und inländischer Bestimmtheitsgrundsatz, 1998, 43. 692 Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 530. 693 R. Geimer DNotZ 1975, 464; R. Geimer, Internationale Durchsetzung vollstreckbarer Urkunden, in Rechberger, Die vollstreckbare Urkunde, 2002, 69, 75; Schütze DNotZ 1992, 66, 81; Schütze in Wieczorek/Schütze, ZPO und Nebengesetze3, 2007, § 328 Rz. 99. Anderer Auffassung LG Hamburg vom 29.12.1981, DAVorm. 1982, 394 = IPRspr. 1982 Nr. 180; von Falck, Implementierung offener ausländischer Vollstreckungstitel – Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel und inländischer Bestimmtheitsgrundsatz, 1998, 45; Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000, 357. Ohne Stellungnahme Borges, Das Doppelexequatur von Schiedssprüchen. Die Anerkennung ausländischer Schiedssprüche und Exequaturentscheidungen, 1997, 29. Vgl. auch Börner, Die Anerkennung ausländischer Titel in den arabischen Staaten, 1996, 74, 135, 373 ff. 694 Anderer Auffassung BGH vom 27.3.1984, RIW 1984, 557 (Dielmann und Schütze 734) = NJW 1984, 2765 = IPRax 1985, 157 (Schlosser 141) = IPRspr. 1984 Nr. 174; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht, 1985, 219. Hierzu ausführlich Kilgus,
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen fügungen/Anordnungen;695 etwas anderes gilt, wenn sie de facto geeignet sind, die Streitsache endgültig zu erledigen, Rz. 2857.696 Eine Vollstreckungspflicht sehen aber die neueren Übereinkommen vor, insbesondere das EuGVÜ/LugÜ697 bzw. nunmehr die EuGVVO allerdings nach Auffassung des EuGH nur für einstweilige Maßnahmen, die aufgrund eines kontradiktorischen Verfahrens ergangen sind, nicht jedoch für ex parte-Entscheidungen.698 Leider hat die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 keine ausdrückliche Korrektur der EuGH-Rechtsprechung stipuliert; es bleibt daher nur die (schwache) Hoffnung, dass der EuGH seine Rechtsprechung revidieren wird. 3108 Die Kostenentscheidung (Kostenfestsetzungen für in der Hauptsache anerkennungsfähige bzw. vollstreckbarerklärungsfähige Entscheidungen, Rz. 2858) folgt als Nebenentscheidung der für die Hauptentscheidung geltenden Rechtsgrundlage, sofern nicht Art. 18 HZPÜ eingreift.699 3109 Beweisbeschlüsse, -anordnungen und Beweissicherungsmaßnahmen fallen nicht unter § 722 ZPO bzw. § 110 FamFG. So kann z.B. die ordonnance de référé expertise eines französischen Gerichts, wonach ein französischer Sachverständiger beauftragt wird, in Essen eine gewerbliche Anlage zu begutachten, nicht (nach Art. 31 EuGVÜ/LugÜ bzw. 38 EuGVVO) für vollstreckbar erklärt werden.700 Das Gleiche gilt für die Durchsetzung von Ladungen ausländischer Ge-
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Zur Anerkennung und Vollstreckbarerklärung englischer Schiedssprüche in Deutschland, 1995. OLG Stuttgart vom 15.6.1982, IPRspr. 1982 Nr. 175; nicht präzis OLG Düsseldorf vom 22.2.1983, FamRZ 1983, 421 = IPRspr. 1983 Nr. 198a. Ebenso für die Rechtslage in der Schweiz (Art. 25 lit. b IPRG) Baumgartner, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile in der Schweiz: Neuere Entwicklungen, in Leuenberger/Guy (Hrsg.), Stiftung für die Weiterbildung schweizerischer Richterinnen und Richter, Bd. 5, 2004, 111, 121. R. Geimer RIW 1975, 86. Beispiel: Gemäß Art. 186ter des Codice di procedura civile kann der giudice istruttore aufgrund einer bloßen Schlüssigkeitsprüfung eine vorläufige Verurteilung zur Zahlung aussprechen (ordinanza ingiuntiva di pagamento), OLG Stuttgart vom 15.5.1997, NJWRR 1998, 280 = RIW 1997, 684. EuGH vom 21.5.1980, Rs 125/79 – Denilauler/Couchet Frères Slg. 1980, 1553 = RIW 1980, 510 = IPRax 1981, 95 (Hausmann 79). Die Entscheidung ist zu Recht kritisiert worden, weil alle Vertragsstaaten ex parte-Eilentscheidungen kennen und es nicht beabsichtigt war, durch das EuGVÜ/LugÜ hinter den europäischen Standard zurückzugehen. Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 825: Der EuGH „beraubt den internationalen einstweiligen Rechtsschutz seiner wichtigsten Eigenschaft, des Überraschungseffekts“. Wird der Arrest z.B. nach § 924 ZPO in kontradiktorischen Verfahren bestätigt, dann ist Vollstreckbarerklärung möglich, Koch in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht 1992, 193. Vgl. auch OLG Hamm 28.12.1993 NJW-RR 1995, 189 = RIW 1994, 243 = IPRspr. 1993 Nr. 182 sowie KG vom 4.9.1998, IPRax 2001, 236 (Mennicke) = IPRspr. 1998 Nr. 170. So für eine Kostenentscheidung gegen den Kläger, welcher die Klage zurückgenommen hatte, OLG Frankfurt vom 12.1.1983, IPRax 1984, 32 (Panckstadt 17) = IPRspr. 1983 Nr. 172; R. Geimer IPRax 1986, 215; R. Geimer IPRax 1990, 192; R. Geimer IPRax 1992, 9. OLG Hamm vom 14.6.1988, RIW 1989, 566. Anders Heß/G. Vollkommer IPRax 1999, 220, 223 bei Fußn. 51; Hess/Zhou, Beweissicherung und Beweisbeschaffung im euro-
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Vollstreckbarerklärung richte an Beweispersonen (Parteien, Zeugen, Sachverständigen), dort zu erscheinen. Die Vollstreckung von Entscheidungen internationaler Gerichte ist in dem be- 3109a treffenden Übereinkommen bzw. dem deutschen Ausführungsgesetz näher geregelt. So bestimmt z.B. das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SeeRÜ) vom 10.12.1982701 Anlage VI Art. 39: „Die Entscheidungen der Kammer sind in den Hoheitsgebieten der Vertragsstaaten ebenso vollstreckbar wie Urteile oder Verfügungen des höchsten Gerichts des Vertragsstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Vollstreckung angestrebt wird.“ Deutschland hat zur Umsetzung seiner völkerrechtlichen Verpflichtungen das Gesetz über die Vollstreckung von Entscheidungen internationaler Gerichte auf dem Gebiet des Seerechts (Seegerichtsvollstreckungsgesetz – SeeGVG) vom 6.6.1995702 erlassen. Dieses Gesetz erfasst nicht nur Entscheidungen der Meeresbodenkammer, sondern aufgrund der Verweisung auf Art. 21 II Anlage III SeeRÜ auch jede endgültige Entscheidung des Gerichtshofs; dieser ist für Streitigkeiten über die Rechte und Pflichten aus Konzessionsverträgen mit der Meeresbodenbehörde zuständig, vgl. Anlage III Art. 153 II (b) in Verbindung mit Art. 187 (c) SeeRÜ.703 Entscheidungen der Organe der Europäischen Gemeinschaften, insbesondere des Rates, der Kommission und des Gerichtshofs, sind in Deutschland für vollstreckbar zu erklären.704 Entscheidungen des EuGH und des Europäischen Gerichts erster Instanz sind wie deutsche Urteile vollstreckbar. Die Vollstreckungsklausel erteilt in Deutschland der Bundesminister der Justiz.705
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Das Gleiche gilt für die Erteilung der Vollstreckungsklausel nach Art. 110 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum.706
IV. Vollstreckungstitel, für die eine Vollstreckbarerklärung nicht in Betracht kommt 1. Exequaturentscheidungen Wird im Staat B ein Vollstreckungstitel aus dem Staat A für vollstreckbar erklärt, 3110 so bildet dieses Exequatur dort die Grundlage der Zwangsvollstreckung. Dieses kann aber im Inland nicht für vollstreckbar erklärt werden (sondern nur der
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päischen Justizraum, IPRax 2007, 183; Heinze, Beweissicherung im europäischen Zivilprozessrecht, IPRax 2008, 480, 485. BGBl. 1994 II 1799. BGBl. 1995 I 786. Hierzu näher Rensmann, Anationale Schiedssprüche – Eine Untersuchung zu den Wirkungen anationaler Schiedssprüche im nationalen Recht, 1997, 263 Fußn. 422. Art. 256 II 2 (früher 192 II 2), Art. 244 (früher 187) EGV, Art. 159, 164 EAGV. Bestritten ist, ob die Vereinbarkeit der europäischen Titel mit dem Grundgesetz geprüft werden darf, LG Bonn vom 16.10.1985, NJW 86, 665 (Rupp 640); Sauter NJW 88, 1429. Vgl. auch Hellmann/Rehmann NJW 1988, 611 sowie Terhechte EuZW 2004, 235. BGBl. 1961 II 50, BVerfG vom 10.4.1987, WM 1987, 772; Gottwald in Münchener Kommentar zur ZPO3, 2007, § 722 Rz. 12. BGBl. 1994 II 588.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen Vollstreckungstitel aus dem Staat A): L’exequatur sur l’exequatur ne vaut, Rz. 2848.707 2. Leistungsurteile, die aufgrund einer actio iudicati ergangen sind 3111 Was in Rz. 3110 zu den Exequaturentscheidungen gesagt worden ist, gilt mutatis mutandis auch für Leistungsurteile, die ein ausländisches Gericht aufgrund einer actio iudicati erlassen hat. Hier liegt zwar nicht eine bloße Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Titels vor. Vielmehr erlässt das Gericht selbst ein Leistungsurteil, allerdings ohne eigene Sachprüfung, sondern nur im Hinblick auf die Bindung an die (anzuerkennende) Rechtskraft des Urteils eines anderen Staates. Entscheidungsgrundlage ist nicht die eigene Sachverhaltsfeststellung und Subsumtion, sondern einzig und allein die Rechtskraft der Entscheidung eines Gerichts eines anderen Staates.708 3. Schiedssprüche 3112 Nach den meisten Rechtsordnungen sind Schiedssprüche und sonstige von Schiedsgerichten erlassene endgültige Entscheidungen nicht per se vollstreckbar. Es bedarf vielmehr eines Exequaturs durch das staatliche Gericht. Aber auch wenn nach dem Recht des Erststaates der Schiedsspruch als solcher Vollstreckungstitel wäre, kommt § 722 ZPO nicht in Betracht, sondern § 1061 ZPO, Rz. 3892. 3113 Das Gleiche gilt für die Entscheidungen staatlicher Gerichte, durch welche der Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt wird, selbst dann, wenn der Schiedsspruch in das staatliche Urteil inkorporiert wird, äußerlich also nunmehr ein Leistungsurteil eines staatlichen Gerichts vorliegt, Rz. 3107.
707 R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 87, 171; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1174, Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 371; Jametti Greiner, Der Begriff der Entscheidung im schweizerischen internationalen Zivilverfahrensrecht, 1998, 98; Solomon, Die Verbindlichkeit von Schiedssprüchen in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit – Zur Bedeutung nationaler Rechtsordnungen und der Entscheidungen nationaler Gerichte für die Wirksamkeit internationaler Schiedssprüche, 2007, 570 ff.; Winkel, Grenzüberschreitendes Sorgeund Umgangsrecht und dessen Vollstreckung, Diss. Regensburg 2001, 162. Anderer Auffassung Schütze ZZP 77 (1984), 287; Schütze RIW 1984, 734; Schütze IPRax 1984, 248; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht, 1985, 134. Skeptisch auch Hay, On Comity, Reciprocity, and Public Policy in U.S. and German Judgments Recognition Practice, in Festschrift Siehr, 2000, 237, 247. Hay in Liber Amicorum Várady, 2008, 143 = EuLF 2009, Juli-Heft. 708 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1983, 1175. Zur Judikatsklage siehe auch Spieker genannt Döhmann, Die Anerkennung von Rechtskraftwirkungen ausländischer Urteile – eine Untersuchung zur Fortgeltung des ne-bisidem, Diss Bonn 2002, 118.
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Vollstreckbarerklärung
V. Vollstreckbarerklärungsvoraussetzungen Da Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ihrem Wesen nach voneinander verschieden sind, sind die Anerkennungsvoraussetzungen logisch von den Vollstreckbarerklärungsvoraussetzungen zu trennen.709 Der Satz, die Anerkennung sei die Voraussetzung für die Vollstreckbarerklärung, ist nicht richtig,710 auch wenn er mittlerweile in § 110 I FamFG stipuliert wurde. Deutlich wird dies z.B. bei Vollstreckungstiteln ohne anerkennungsfähige Wirkungen, Rz. 3106.
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Inhaltlich stimmen die Anerkennungsvoraussetzungen (Rz. 2888) mit den Voll- 3115 streckbarerklärungsvoraussetzungen weitgehend überein. So bestimmt § 723 II 2 ZPO, dass das Vollstreckungsurteil nicht zu erlassen ist, wenn die Anerkennung des Urteils nach § 328 ZPO ausgeschlossen ist.711 Darüber hinaus gibt es jedoch noch besondere Vollstreckbarerklärungsvoraussetzungen, nämlich das Erfordernis der Vollstreckbarkeit des ausländischen Urteils nach dem Recht des Erststaates und das Erfordernis des Vorliegens der Gerichtsbarkeit des Vollstreckungsstaates (Zweitstaates) für den zu vollstreckenden Anspruch (gegen den Vollstreckungsschuldner), Rz. 544, 589. Insoweit ist der Katalog der Vollstreckbarerklärungsvoraussetzungen umfassender als der der Anerkennungsvoraussetzungen. Schließlich darf der Vollstreckungsanspruch noch nicht erloschen sein. Ist dieser durch freiwillige Erfüllung oder Zwangsbeitreibung bzw. Aufrechnung nach Abschluss des erststaatlichen Verfahrens oder aus sonstigen Gründen untergegangen, darf die Vollstreckbarerklärung nicht mehr erfolgen, Rz. 3014. Die Darlegungs- und Beweislast trägt der Schuldner. Um Entscheidungsdivergenzen zu vermeiden, sollte der deutsche Zweitrichter die für die Einwendungen maßgebliche lex causae nicht nach seinem (deutschen) Kollisionsrecht, sondern nach dem internationalen Privatrecht des Erststaates beurteilen,712 Rz. 2754. Noch besser wäre es, wenn man den Zweitrichter auf diejenige Rechtsordnung festlegte, welche der Erstrichter seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat.713 Vgl. aber Rz. 3152.
VI. Vollstreckung aus vorläufig vollstreckbaren Titeln Nur vorläufig vollstreckbare Titel714 dürfen im Anwendungsbereich des deutschen autonomen Rechts nicht für vollstreckbar erklärt werden, § 723 II 1 ZPO, 709 Diese Unterscheidung ignoriert leider BGH vom 18.9.2001, RIW 2002, 63, wo von der „Anerkennung des ausländischen Urteils zur Zwangsvollstreckung“ die Rede ist. 710 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1142, 1145, 1624. 711 Ebenso z.B. Art. 34 II EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 45 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 sowie Art. 31 II der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 (Rz. 245c). 712 Anderer Auffassung Andrae IPRax 2001, 98, 102; Spieker genannt Döhmann, Die Anerkennung von Rechtskraftwirkungen ausländischer Urteile – eine Untersuchung zur Fortgeltung des ne-bis-idem, Diss. Bonn 2002, 141. 713 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1628. Siehe auch Schlosser in Festschrift Leipold, 2009, 435, 443. 714 Hierzu rechtsvergleichend Kerameus, Enforcement Proceedings in International Encyclopedia of Comparative Law, Vol. XVI Chapter 10, 26.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen § 110 III 2 FamFG. Dagegen lässt die moderne Vertragspraxis auch die vorläufig vollstreckbaren Titel zu, sofern diese im Erststaat vollstreckbar sind.715 Der Vollstreckungsschuldner bedarf aber in solchen Fällen eines besonderen Schutzes. So kann z.B. nach Art. 38 EuGVÜ/LugÜ I bzw. nach Art. 46 EuGVVO/LugÜ II der Zweitrichter entweder seine Entscheidung aussetzen oder die Zwangsvollstreckung zwar zulassen, aber diese von einer Sicherheitsleistung abhängig machen. Voraussetzung für die Anwendung dieser Schutzbestimmung ist, dass gegen die Entscheidung im Erststaat ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt oder die Frist für einen solchen noch nicht verstrichen ist. Im letzteren Fall kann das Zweitgericht dem Antragsgegner (Vollstreckungsschuldner) zur Einlegung des Rechtsbehelfs eine Frist setzen, Art. 38 I EuGVÜ/LugÜ I sowie Art. 46 I EuGVVO/ LugÜ II. Wird der ausländische Titel im ausländischen Instanzenzug aufgehoben, muss der die Zwangsvollstreckung in Deutschland betreibende Gläubiger dem Schuldner den daraus resultierenden Schaden ersetzen.716 Auch eine Erledigungserklärung bezüglich des Antrags auf Vollstreckbarerklärung kommt nicht in Betracht. § 91a ZPO ist nicht anzuwenden. Vielmehr sind dem Gläubiger die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.717
VII. Insolvenz im Erststaat 3117 Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Erststaat oder in einem Drittstaat unterbricht das Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht; § 352 I InsO bzw. § 240 ZPO718 kommt nicht zur Anwendung.719 Die ausländische Insolvenz hindert die Vollstreckbarerklärung im Inland nicht, da die Wirkung des ausländischen Insolvenzverfahrens im Inland insoweit nicht zu beachten ist, trotz § 343 InsO (Rz. 3387, 3500).720
715 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1415 Fußn. 18, 1432. 716 §§ 717 II, 945 ZPO; § 28 I 2 AVAG. Maßgebend ist die deutsche lex fori als das Recht des Vollstreckungsortes. Anders (für Anwendung des Art. 40 EGBGB) die herrschende Meinung, LG Bonn vom 20.1.1999, RIW 1999, 873 = IPRspr. 1999 Nr. 29. 717 OLG Düsseldorf vom 10.7.1996, IPRax 1998, 279 (Hau 255) = AnwBl. 1997, 51 = IPRspr. 1996 Nr. 206. 718 Maßgebend ist deutsche lex fori auch im Anwendungsbereich der EuInsVO, Art. 15. 719 OLG Saarbrücken vom 1.10.1993, NJW-RR 1994, 636 = IPRax 1995, 35 (Heß 16) = ZIP 1994, 1609 (Mankowski 1577) = IPRspr. 1993 Nr. 179. 720 Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 722 Rz. 4. Ebenso die Rechtsprechung des EuGH: Insolvenz im Erst- oder Drittstaat hindert Vollstreckbarerklärung nicht, sofern die insolvenzrechtlichen Wirkungen nicht nach der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (Rz. 3357) auf das Inland erstreckt werden, EuGH vom 29.4.1999 Rs C-267/97 – Coursier/Fortisbank SA und Martine Bellami, verh. Coursier, ZZPInt 4 (1999), 272 (Mankowski). So auch zum österreichischen Abschöpfungsverfahren OLG Frankfurt vom 30.10.2001, RIW 2002, 148, (zum deutschösterreichischen Vertrag auf dem Gebiet des Konkurs- und Vergleichs- (Ausgleichs-)rechts vom 25.5.1979 [BGBl. 1985 II 411]). Anderer Auffassung BGH vom 17.7.2008, MDR 2008, 1231; OLG Zweibrücken vom 22.12.2000, RIW 2001, 700; OLG Bamberg vom 16.2.2006, IPRax 2007, 454 (U. P. Gruber 426) = IPRspr. 2006 Nr. 179.
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Vollstreckbarerklärung Es besteht jedoch ein Vollstreckungsverbot hinsichtlich der Insolvenzmasse, Rz. 3534a. Die Singularexekution im Inland ist soweit unzulässig, sofern das im Ausland eröffnete Insolvenzverfahren in Deutschland anzuerkennen ist, Rz. 3533.721
3118
Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Gläubiger den Vollstreckungserlös behalten darf oder ob er ihn an den ausländischen Insolvenzverwalter abführen muss, Rz. 3509.722
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VIII. Notwendigkeit der Vollstreckbarerklärung Soll aufgrund des ausländischen Urteils keine Zwangsvollstreckung im engeren 3120 Sinn, sondern eine andere, keinen Zwang gegen den Schuldner enthaltende Handlung, z.B. eine Eintragung in das Grundbuch, vorgenommen werden, so ist ein Vollstreckungsurteil unnötig.723 Kann das ausländische Urteil wegen § 888 III ZPO im Inland nicht vollstreckt werden, z.B. Verurteilung zur Leistung des vereinbarten Dienstes (Art. 319 ZGB), so ist das ausländische Urteil gleichwohl für vollstreckbar zu erklären.724 Das deutsche Exequatur ist Voraussetzung für die Geltendmachung des Interesses (§ 283 BGB, § 893 II ZPO).725 Kennt das Recht des Erststaates eine dem § 894 ZPO vergleichbare Fiktion, gilt 3121 also die Willenserklärung bereits als abgegeben, so ist dies – ohne Rücksicht auf den Standpunkt der nach deutschem internationalem Privatrecht ermittelten lex causae – im Inland analog § 328 ZPO bzw. § 109 FamFG anzuerkennen; einer Vollstreckbarerklärung bedarf es nicht.726 Anders aber die herrschende Meinung, die Vollstreckbarerklärung verlangt.727 Da aber die deutsche Vollstreckbarerklärung nicht ex tunc, sondern als Gestaltungsurteil nur ex nunc wirkt, gälte
721 Vor dem 1.1.1999 war die Einzelzwangsvollstreckung durch den erststaatlichen Konkurs nicht gehindert. Es kam nicht auf die Streitfrage an, ob § 237 KO nur die (weitere) Singularzwangsvollstreckung aufgrund bestehender Titel oder darüber hinaus auch die Erwirkung neuer Titel im Inland zulässt, Nachweise bei Flessner, IPRax 1991, 163/164; Gottwald IPRax 1991, 286 bei Fußn. 12. 722 Schlosser RIW 1983, 478; BGH vom 13.7.1983, BGHZ 88, 147 = NJW 1983, 2147 = IPRax 1984, 264 (Pielorz 241) = IPRspr. 1983 Nr. 205b. 723 RGZ 88, 249. Anderer Auffassung Stein/Jonas/Münzberg, ZPO22, 2002, § 722 Rz. 4. 724 Anderer Auffassung Jellinek, Die zweiseitigen Staatsverträge über Anerkennung ausländischer Zivilurteile, 1953, 193. 725 Kallmann, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile und gerichtlicher Vergleiche, 1946, 313 Fußn. 2; missverständlich aber 318, wo behauptet wird, für die Frage, ob ein ausländischer Titel vollstreckungsfähigen Inhalt habe, sei das Recht des Zweitstaates maßgebend. Dies ist nur richtig hinsichtlich der Durchführung der Zwangsvollstreckung im Inland, nicht jedoch für die Vollstreckbarerklärung. 726 RGZ 88, 244, 249; Schlosser in Festschrift Leipold, 2009, 435, 437. 727 Hellwig/Oertmann, System des deutschen Zivilprozessrechts II, 1919, 255; Kallmann, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile und gerichtlicher Vergleiche, 1946, 363; Gottwald IPRax 1991, 290 sowie in Münchener Kommentar zur ZPO3, 2008, § 328 Rz. 157; Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht13, 2006, Rz. 55.50; Kropholler, Internationales Privatrecht einschließlich der Grundbegriffe des Internationalen Zivilverfahrensrechts6, 2006, § 17 Rz. 38.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen die Willenserklärung zu einem späteren Zeitpunkt als abgegeben als im Erststaat. Ein wenig befriedigendes Ergebnis. 3122 Fehlt nach dem Recht des Erststaates eine § 894 ZPO vergleichbare Norm und wurde die Abgabe der Willenserklärung im Ausland noch nicht (durch Beugemittel) erzwungen,728 dann bedarf es der Vollstreckbarerklärung nach § 722 ZPO. Mit formeller Rechtskraft der deutschen Vollstreckbarerklärung tritt die Fiktion gemäß § 894 ZPO ein. Denn für die Durchführung der Zwangsvollstreckung im Inland aufgrund der deutschen Vollstreckbarerklärung ist allein das deutsche Zwangsvollstreckungsrecht maßgebend.729 3123 Zu unterscheiden sind die Fälle, in denen das ausländische Gericht nicht zur Abgabe einer Willenserklärung verurteilt, sondern selbst eine Rechtsgestaltung vornimmt, z.B. gem. Art. 166 schweizer. OR eine Forderung auf den Kläger übertragen hat.730 Hier geht es nicht um die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Leistungsurteils, sondern um die Anerkennung der Gestaltungswirkung der ausländischen Entscheidung.
IX. Vollstreckbarerklärungsverfahren 1. Die verschiedenen Verfahrensarten 3124 Von der Ausgestaltung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens im Einzelnen hängt die Effizienz der internationalen Vollstreckung ganz wesentlich ab. Die ZPO (§§ 722, 723) stellt kein besonderes Verfahren zur Verfügung. 3125 Die Vollstreckbarerklärung erfolgt daher im normalen Klageverfahren bzw. im (kontradiktorischen) Verfahren nach dem FamFG (§§ 110 III 1, 23 ff.). Ersteres ist kostspielig und Zeit raubend. Es hat sich in der Praxis nicht bewährt.731 Deshalb sehen das AVAG und das IntFamRVG – ebenso wie die Ausführungsbestimmungen zu den Staatsverträgen732 – ein vereinfachtes Beschlussverfahren vor. So stellt das EuGVÜ/LugÜ (Art. 31 ff.) ein auf Beschleunigung ausgerichtetes schriftliches Verfahren zur Verfügung, dessen Kernpunkt der Ausschluss einer kontradiktorischen Verhandlung im ersten Verfahrensabschnitt ist. Der Zweitrichter entscheidet über die Zulassung zur Zwangsvollstreckung ohne Anhörung des Gegners (Schuldners), Art. 34 I EuGVÜ/LugÜ. Damit wird eine schnelle Vollstreckbarerklärung erreicht. Diese Akzellerierungstendenz wurde in Art. 41 EuGVVO noch gesteigert. Danach dürfen die Anerkennungsversagungsgründe der Art. 34 und Art. 35 im ex parte-Verfahren nicht geprüft werden.733 728 Zum schweizer. Recht Kallmann, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile und gerichtlicher Vergleiche, 1946, 365 Fußn. 89; Messerli, Die Vollstreckung des Urteils auf Abgabe einer Willenserklärung nach Art. 407/408 Berner ZPO, 1983; hierzu Besprechung von Peters ZZP 97 (1984) 230. 729 Ebenso für common law undertakings Schlosser RIW 2001, 81, 90. 730 Kallmann, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile und gerichtlicher Vergleiche, 1946, 366 Fußn. 89. 731 Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 722, Rz. 36. 732 R. Geimer NJW 1965, 1413. 733 Siehe die gründliche Erörterung der Verfahrensinteressen bei Ludwig, Neuregelungen des deutschen Internationalen Insolvenzverfahrensrechts, Diss. Köln 2004, 123 ff.
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Vollstreckbarerklärung Hinzu kommt der für die Effizienz internationaler Zwangsvollstreckung beson- 3126 ders wichtige Überraschungseffekt. Dem Schuldner soll nicht Zeit bleiben, sein Vermögen im Zweitstaat dem Vollstreckungszugriff zu entziehen. Die Rechte des Schuldners sind ausreichend gewahrt. Dieser kann sich durch Einlegung eines befristeten Rechtsbehelfs rechtliches Gehör verschaffen.734 Solange die Frist läuft bzw. solange über den Rechtsbehelf nicht entschieden ist, darf die Zwangsvollstreckung in das im Zweitstaat belegene Vermögen des Schuldners nicht über Maßregeln der Sicherung hinausgehen.735 2. Zuständigkeit Die internationale Zuständigkeit Deutschlands zur Vollstreckbarerklärung aus- 3127 ländischer Titel stützt sich zunächst auf § 722 II ZPO, § 10 III AUG, § 110 III 1 FamFG. Sie ist aber auch zu bejahen, wenn der Beklagte kein Vermögen im Inland hat.736 Fehlt eine örtliche Zuständigkeit, sind die Gerichte am Sitz der Bundesregierung örtlich zuständig, analog §§ 15 I 2, 27 II ZPO, Rz. 965, 1245. Abwegig wäre es, einen „hinreichenden Inlandsbezug“ (vgl. oben Rz. 1077a) für die Exequaturklage zu verlangen.737 Die sachliche Zuständigkeit richtet sich nach dem Wert des Gegenstandes, für 3128 welchen das Vollstreckungsurteil beantragt wird; § 23 Nr. 2 GVG findet keine Anwendung. Ausschließlich zuständig ist somit in allen Sachen bis zu einem Streitwert von 5000 Euro das Amtsgericht, darüber die Zivilkammer des Landgerichts, nicht die Kammer für Handelssachen. In Betracht kommt aber auch der Familienrichter738 oder der Richter der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht nur
734 Art. 36 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 43 EuGVVO. 735 Art. 39 I EuGVÜ/LugÜ sowie Art. 47 III EuGVVO. 736 R. Geimer, Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Deutschland, 1995, 174; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1143; Rz. 1245, 1387; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 944; Böhmer IPRax 1991, 91; Spieker genannt Döhmann, Die Anerkennung von Rechtskraftwirkungen ausländischer Urteile – eine Untersuchung zur Fortgeltung des ne-bis-idem, Diss. Bonn 2002, 125 ff. 737 LG Heilbronn vom 15.8.1994, IPRax 1996, 123 (Munz 89) = RIW 1995, 55 (Mankowski) = WM 1994, 1900 = IPRspr. 1994 Nr. 166. Sehr deutlich nun auch BGH vom 28.10.1996, NJW 1997, 325 = RIW 1997, 238 (Munz) = JZ 1997, 362 (Schlosser) = LM § 23 ZPO Nr. 16 (R. Geimer) = JR 1997, 462 (Mankowski) = IPRspr. 1996 Nr. 159; Solomon, AG 2006, 832, 834, 839; Spieker genannt Döhmann, Die Anerkennung von Rechtskraftwirkungen ausländischer Urteile – eine Untersuchung zur Fortgeltung des ne-bis-idem, Diss. Bonn 2002, 126. 738 Einzelheiten bei Mankowski, IPRax 2000, 188; siehe auch OLG Rostock vom 9.11.1998, IPRax 2000, 214 (Mankowski 188) = IPRspr. 1998 Nr. 198. § 13 IntFamRVG eröffnet sogar eine Annexzuständigkeit: Das Familiengericht, bei dem ein Verfahren auf Vollstreckbarerklärung oder Feststellung der Anerkennung oder Nichtanerkennung einer die elterliche Verantwortung betreffenden Entscheidung nach der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 oder ein Verfahren nach dem Zweiten Teil des Sorgerechtsübereinkommens-Ausführungsgesetzes vom 5.4.1990 (BGBl. I 701, mehrfach geändert) anhängig wird, ist von diesem Zeitpunkt an ungeachtet des § 137 I und III
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen nach § 110 III 1 FamFG, sondern auch schon nach altem Recht.739 Im Anwendungsbereich der völkerrechtlichen Verträge hat die vertragliche Regelung Vorrang; so ist für Vollstreckbarerklärung eines in den Anwendungsbereich des EuGVÜ/LugÜ fallenden Unterhaltstitels der Vorsitzende der Zivilkammer740 zuständig, nicht der Familienrichter (§ 23b GVG).741 Erst recht hat europäisches (sekundäres) Gemeinschaftsrecht Vorrang. So regelt die Zuständigkeitsfragen das nationale Recht verdrängend primär Anhang II zu Art. 39 I EuGVVO. Danach ist wie bisher im Anwendungsbereich des EuGVÜ der Vorsitzende einer Kammer des Landgerichts sachlich zuständig; daneben besteht eine konkurrierende Zuständigkeit der Notare nach Maßgabe des § 55 III AVAG. Dagegen ist gemäß Art. 29 I EuEheVO in Verbindung mit §§ 10 ff. IntFamRVG (Rz. 3199i), das jeweilige Familiengericht am Sitz des betreffenden Oberlandesgerichts und im Bezirk des Kammergerichts das Familiengericht Pankow/Weißensee zuständig.742 3129 Ausschließlich örtlich zuständig ist das Gericht, bei welchem der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand (§§ 13–19 ZPO) hat, in Ermangelung eines solchen das Gericht des Ortes, wo sich Vermögen des Beklagten (bei Forderungen der Drittschuldner) befindet, § 23 ZPO, ersatzweise des Sitz der Bundesregierung, Rz. 3127. Für Seeleute auf See gilt § 16 ZPO.743 Vgl. Rz. 1245. Im Bereich der Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge ist die jeweils dort stipulierte Regelung maßgeblich.744 Art. 39 II EuGVVO/LugÜ II stellt auf den Wohnsitz/Sitz des Schuldners bzw. auf den Ort ab, an dem die Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll,745 während Art. 29 II EuEheVO anknüpft an den gewöhnlichen Aufenthalt der Person, gegen welche die Vollstreckung erwirkt werden soll, und an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes, auf das sich der Antrag bezieht, hilfsweise an den Ort der (beabsichtigten) Vollstreckung.
739
740 741 742
743 744
745
für alle dasselbe Kind betreffenden Familiensachen nach § 151 Nr. 1 bis 3 einschließlich der Verfügungen nach § 44 und §§ 35 sowie 89 bis 94 FamFG zuständig. BGH vom 13.7.1983, BGHZ 88, 113 = FamRZ 1983, 1008 = NJW 1983, 2775 = IPRax 1984, 323 (Siehr 309) = IPRspr. 1983 Nr. 198b; OLG Hamm vom 13.9.1985, IPRax 1986, 234 (Böhmer 216); kritisch Wolff RIW 1986, 728. Für Beachtung aller Spezialzuweisungen (z.B. auch nach § 143 PatG) von Falck, Implementierung offener ausländischer Vollstreckungstitel – Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel und inländischer Bestimmtheitsgrundsatz, 1998, 48. Art. 32 EuGVÜ/LugÜ, § 3 I AVAG. OLG Düsseldorf vom 5.10.1983, IPRax 1984, 217 = IPRspr. 1983 Nr. 180. Für das Verfahren nach Art. 21 III EuEheVO auf Feststellung, ob eine Entscheidung aus einem anderen Mitgliedstaat anzuerkennen ist oder nicht, ist in Deutschland wiederum das Familiengericht nach Maßgabe von §§ 10 ff. IntFamRVG (Rz. 3199i) zuständig. Siehe auch Art. 27 EuUnterhaltsVO (Rz. 245c). BGH vom 22.9.1982, IPRax 1983, 80; anders LG Hamburg vom 23.8.1994, NJW-RR 1995, 183 = RIW 1995, 244 = IPRspr. 1994 Nr. 142: Wohnsitz an Bord des Schiffs. Vgl. z.B. Art. 32 II EuGVÜ/LugÜ: Wohnsitz/Sitz des Schuldners im Vollstreckungsstaat, bei Fehlen eines solchen Ortes, wo Zwangsvollstreckung durchgeführt werden soll. Das Gleiche gilt für Art. 39 II EuGVVO. Ebenso Art. 27 EuUnterhaltsVO.
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Vollstreckbarerklärung Parteivereinbarungen sind unzulässig; dies ist jedoch für die sachliche Zuständigkeit bestritten.746
3130
Für die Vollstreckbarerklärung von arbeitsgerichtlichen Urteilen sind nicht die 3131 Arbeitsgerichte, sondern die ordentlichen Zivilgerichte zuständig.747 Für die Vollstreckbarerklärung vollstreckbarer Notarurkunden aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Art. 57 EuGVVO) sind konkurrierend auch die Notare zuständig, § 55 III AVAG.
3131a
3. Durchführung des Verfahrens nach § 722 ZPO Allein maßgebend ist die deutsche lex fori.748 Das Verfahren richtet sich nach den allgemeinen Regeln des ordentlichen Zivilprozesses. Der Beklagte kann nach Maßgabe des § 110 ZPO (Rz. 2003 ff.) Prozesskostensicherheit verlangen.749
3132
Ein Anerkenntnis (§ 307 ZPO) bindet das Gericht nicht, soweit es um Vollstreck- 3132a barerklärungsvoraussetzungen bzw. Versagungsgründe geht, die von Amts wegen zu prüfen sind, weil insoweit keine Dispositionsfreiheit der Parteien gegeben ist (Versagungsgründe im unmittelbar staatlichen Interesse). Jedoch ist ein Anerkenntnis bezogen auf Vollstreckbarerklärungsvoraussetzungen (= Nichtvorliegen von Versagungsgründen) möglich, auf deren Geltendmachung die betroffene Partei verzichten kann, Rz. 3057. Desgleichen ist ein Vergleich über den Exequaturantrag nicht möglich. Die Parteien können sich jedoch über den dem ausländischen Urteil zugrundeliegenden Anspruch vergleichen.750
3133
Ein Versäumnisverfahren ist zwar nach allgemeinen Grundsätzen möglich. Je- 3134 doch kommt die Geständnisfiktion des § 331 I ZPO insoweit nicht zum Zuge, als die Vollstreckbarerklärungsvoraussetzungen bzw. -versagungsgründe nicht zur Disposition der Parteien stehen, Rz. 2991.751 Ein Klageverzicht (§ 306 ZPO) ist zulässig. Der Kläger verzichtet dadurch auf 3135 seinen öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Verleihung der Vollstreckbarkeit für den Bereich des Inlandes, nicht jedoch auf die sonstigen Urteilswirkungen, soweit solche nach § 328 ZPO anzuerkennen sind (Rechtskraft etc.). Zu prüfen ist
746 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1735. 747 BGH vom 30.9.1964, BGHZ 42, 194 = IPRspr. 1964–65 Nr. 259; R. Geimer in Geimer/ Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1736, II 191. Anderer Auffassung BGH vom 25.10.1976, BGHZ 67, 255 = IPRspr. 1976 Nr. 193b; von Falck, Implementierung offener ausländischer Vollstreckungstitel – Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel und inländischer Bestimmtheitsgrundsatz, 1998, 49. 748 Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000, 238. 749 Vgl. z.B. OLG Hamm vom 4.6.1997, RIW 1997, 1039 (Schütze) = IPRax 1998, 474 (Haas/Stangl 452) = IPRspr. 1997 Nr. 133. 750 Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 722 Rz. 67. 751 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1747, II 203.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen aber stets, ob in dem Klageverzicht auch ein Verzicht auf den dem ausländischen Urteil zugrundeliegenden Anspruch liegt.752 3136 Der Urkunden- und Wechselprozess ist nicht statthaft, weil Streitgegenstand nicht Leistung einer bestimmten Geldsumme oder Menge anderer vertretbarer Sachen ist. 3137 Der Beklagte kann Widerklage erheben, allerdings nicht mit dem Antrag festzustellen, dass die Vollstreckbarerklärung des ausländischen Urteils unzulässig ist. Denn dies ist bereits Gegenstand des Exequaturprozesses.753 Der Beklagte kann aber beantragen festzustellen, dass das ausländische Urteil im Inland keinerlei Wirkungen habe. Die Frage, ob die sonstigen Urteilswirkungen (nach § 328 ZPO) im Inland anzuerkennen sind, ist nämlich nicht Gegenstand der Exequaturklage, Rz. 3014, 3115, 3164. Sie kann daher zum Streitgegenstand neben der Exequaturklage gemacht werden, ohne Rücksicht darauf, dass die Rechtskraft (Feststellungswirkung) des im Verfahren nach § 722 ZPO ergehenden Urteils auch das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen von Anerkennungsvoraussetzungen/Versagungsgründen feststellt, soweit diese sich inhaltlich mit den Vollstreckbarerklärungsvoraussetzungen decken.754 4. Vollstreckbarerklärungsverfahren nach Art. 38 ff. EuGVVO/LugÜ II 3138 Der Antrag, den Schuldtitel mit der Vollstreckungsklausel zu versehen, kann bei dem Landgericht schriftlich eingereicht oder mündlich zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellt werden, § 4 II AVAG. Daher besteht insoweit kein Anwaltszwang (§ 78 III ZPO). Es entscheidet der Vorsitzende einer (Zivil-) Kammer des Landgerichts,755 auch in Familiensachen (§ 23a Nr. 1 GVG); denn das EuGVÜ/ LugÜ bzw. die EuGVVO und die Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 (Rz. 245c) haben Vorrang, Rz. 3128.756 Wurden in dem ausländischen Urteil mehrere (als Gesamtschuldner) verurteilt, so steht es dem Gläubiger frei, gegen einen, mehrere oder alle Schuldner den Antrag auf Vollstreckungsklausel zu stellen. Zulässig ist auch eine subjektive Antragshäufung. Für die örtliche Zuständigkeit gilt im Anwendungsbereich des EuGVÜ/LugÜ bzw. der EuGVVO dann analog Art. 6 Nr. 1 EuGVÜ/LugÜ/EuGVVO, nicht § 36 I Nr. 3 ZPO.757 3139 Lässt der Vorsitzende bzw. der Notar (§ 55 III AVAG) die Zwangsvollstreckung aus dem ausländischen Titel zu, ordnet er also die Erteilung der Vollstreckungsklausel an, so kann der Antragsgegner (Schuldner) dagegen Beschwerde zum
752 Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 722 Rz. 68. 753 Anders wohl Nelle a.a.O. 418. 754 Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 328 Rz. 281, § 722 Rz. 76; ähnlich Wolff in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. I Kap. IV Rz. 126. Anderer Auffassung Breuer in Rahm/Künkel, VIII Rz. 289. 755 Art. 32 I EuGVÜ/LugÜ in Verbindung mit § 3 I AVAG; siehe seit 1.3.2002 Anhang II zu Art. 39 EuGVVO. 756 OLG Düsseldorf vom 5.10.1983, IPRax 1984, 217 (Henrich). 757 R. Geimer NJW 1975, 1087. Anderer Auffassung BayObLG vom 5.12.2003, NJOZ 2004, 1303 = IPRspr. 2003 Nr. 164.
1100
Vollstreckbarerklärung Oberlandesgericht einlegen.758 Die Frist beginnt mit Zustellung des mit der deutschen Klausel versehenen ausländischen Titels (§§ 8, 9, 10 AVAG).759 Gegen die Erteilung der (unbeschränkten) Vollstreckungsklausel auf Grund der (vom OLG bestätigten) Anordnung des Vorsitzenden findet keine Beschwerde statt.760 Lehnt der Vorsitzende bzw. der Notar die Erteilung der Vollstreckungsklausel ab, so kann dagegen der Antragsteller Beschwerde zum Oberlandesgericht einlegen.761 Eine mündliche Verhandlung steht im Ermessen des Oberlandesgerichts.762
3140
Wurde eine Teilvollstreckungsklausel erteilt,763 so können sowohl der Antragsteller als auch der Antragsgegner (im Rahmen ihrer Beschwer) Beschwerde einlegen. Die Entscheidung trifft ein Zivilsenat des Oberlandesgerichts, nicht entsprechend § 568 ZPO der Einzelrichter.764 Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts ist Rechtsbeschwerde zum 3141 Bundesgerichtshof statthaft.765 Sie bedarf keiner Zulassung durch das Oberlandesgericht, ist aber nach § 574 I Nr. 1, II ZPO nur zulässig, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.766 Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Diese Voraussetzungen müssen in der Beschwerdebegründung substantiiert dargelegt werden.767
758 Art. 36, 37 I EuGVÜ/LugÜ, § 11 I AVAG; Art. 43 EuGVVO. 759 OLG Frankfurt vom 28.7.1982, IPRspr. 1982 Nr. 177. – Zur Wiedereinsetzung bei Versäumung der Beschwerdefrist OLG Koblenz vom 31.3.1988, RIW 1988, 739 = IPRspr. 1988 Nr. 184; OLG Frankfurt vom 4.5.1988, IPRspr. 1988 Nr. 197. 760 OLG Düsseldorf vom 8.6.1988, IPRspr. 1988 Nr. 185. 761 Art. 40 I EuGVÜ/LugÜ, § 11 AVAG; Art. 43 EuGVVO. 762 BGH vom 28.6.1984, IPRax 1985, 101 (Grunsky 82). Zur Prüfungsbefugnis: OLG München vom 28.5.1974, NJW 1975, 504 (R. Geimer 1086) = IPRspr. 1974 Nr. 177. Zur Bindung (§ 565 II ZPO) BGH vom 21.2.1985, WM 1985, 787 = IPRax 1986, 157 = IPRspr. 1985 Nr. 173. 763 Art. 42, 50, 51 EuGVÜ/LugÜ, § 9 II AVAG, Art. 48, 57, 58 EuGVVO, Art. 36 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003. 764 OLG Köln vom 17.5.2002, IPRax 2003, 354 (R. Geimer 337) = IPRspr. 2002 Nr. 192; Gottwald in Münchener Kommentar zur ZPO3, 2008, § 43 EuGVO Rz. 9; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO29, 2008, Art. 43 EuGVVO Rz. 18. 765 Art. 33 II, 44 EuGVVO bzw. Art. 37 II, 41 EuGVÜ/LugÜ, jeweils in Verbindung mit §§ 15 ff., 25 I, 55 I AVAG, § 133 GVG. 766 Der Bundesgerichtshof prüft nur diejenigen Zulässigkeitsgründe, die in der Beschwerdebegründung schlüssig und substantiiert dargelegt sind, BGH vom 6.10.2005, IHR 2005, 259 = IPRspr. 2005 Nr. 158. 767 BGH a.a.O.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen Die Rechtsbeschwerde kann auch dann eingelegt werden, wenn sie die Vollstreckbarerklärung von Entscheidungen des einstweiligen Rechtsschutzes betrifft.768 Wird sie darauf gestützt werden, dass das Oberlandesgericht von einer Entscheidung des EuGH abgewichen ist, ist diese konkret zu bezeichnen, §§ 55 I, 16 II 3 AVAG. Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats einzulegen und zu begründen. Der Gegner kann sich der Rechtsbeschwerde anschließen nach Maßgabe von § 574 IV ZPO.769 Die Einlegung beim Oberlandesgericht genügt nicht zur Fristwahrung.770 Die Rechtsbeschwerden können daher nur durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden.771 Während des Rechtsbeschwerdeverfahrens entstandene Einwendungen im Sinne von § 12 AVAG können nicht mit der Rechtsbeschwerde geltend gemacht werden, sondern nur mit der Vollstreckungsgegenklage (§ 14 AVAG).772 Der Beschluss des Oberlandesgerichts muss den maßgeblichen Sachverhalt, über den entschieden wird, wiedergeben, § 13 I 1 AVAG. Denn das Rechtsbeschwerdegericht hat grundsätzlich von dem Sachverhalt auszugehen, den das Oberlandesgericht als Beschwerdegericht festgestellt hat, § 17 II 2 AVAG in Verbindung mit §§ 577 II 4, 559 ZPO. Fehlen tatsächliche Feststellungen, so kann der Bundesgerichtshof keine rechtliche Überprüfung vornehmen. Er wird den Beschluss wegen Fehlens der von § 13 I 1 AVAG vorgeschriebenen Begründung aufheben.773 3142 Die Vollstreckbarerklärung nach Art. 31 EuGVÜ/LugÜ I bzw. nach Art. 38 EuGVVO/LugÜ II ist durch Beschluss zu erteilen bzw. abzulehnen. Ist dies aber irrig durch Urteil geschehen, so ist die Entscheidung mit der Berufung anfechtbar oder nach Wahl des Antragstellers auch mit dem „richtigen“ Rechtsmittel (Beschwerde).774 3143 Das Beschwerdegericht muss nach herrschender Meinung den Schuldner nach Art. 40 II 1 EuGVÜ/LugÜ I bzw. nach Art. 43 III EuGVVO/LugÜ II auch dann hören, wenn der Antrag des Gläubigers lediglich wegen nicht rechtzeitig vorgelegter Urkunden zurückgewiesen worden ist. Besser ist der Vorschlag Stürners: 768 Gottwald in Münchener Kommentar zur ZPO3, 2008, Art. 44 EuGVO Rz. 2. Dies ist jedoch für das Verfahren nach Art. 33 II ohne Bedeutung, da die Entscheidungen des einstweiligen Rechtsschutzes Wirkungen, die Gegenstand der Anerkennung sein könnten, nicht hervorbringen, insbesondere keine res iudicata, vgl. oben Art. 32 Rz. 34. 769 Ebenso im Ergebnis Gottwald in Münchener Kommentar zur ZPO3, 2008, Art. 33 EuGVO Rz. 4. 770 BGH ZIP 2002, 1003; Zöller/Gummer, ZPO27, 2009, vor § 574 Rz. 3. 771 Das galt bereits vor der Reform des § 7 EGZPO, BGH NJW-RR 1994, 320 = LM Nr. 6 zu AVAG = IPRspr. 1993 Nr. 181; BGH NJW 2002, 2181 = WM 2002, 1512 = MDR 2002, 962 = VersR 2002, 1437 = ZIP 2002, 1003 = NZI 2002, 399 = BB 2002, 964 = EWiR 2002, 643 (Hirtz) = IPRspr. 2002 Nr. 191; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 16 AVAG Rz. 2. 772 BGH NJW 2002, 2181. 773 BGH NJW 2002, 2648 = WM 2003, 101 = MDR 2002, 1208 = NZI 2002, 575 = = IPRspr. 2002 Nr. 192. 774 LG Hamm vom 6.12.1977, MDR 1978, 324 = IPRspr. 1977 Nr. 168.
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Vollstreckbarerklärung Aufhebung (ohne Anhörung des Schuldners) und Rückverweisung, damit einseitiges Verfahren „von vorne“ beginnen kann.775 Ist gegen die erststaatliche Entscheidung ein ordentlicher Rechtsbehelf im Erst- 3144 staat eingelegt oder die Frist hierfür noch nicht verstrichen, so kann das Oberlandesgericht auf Antrag des Schuldners seine Entscheidung aussetzen oder die Zwangsvollstreckung von der Leistung einer Sicherheit abhängig machen, Art. 38 EuGVÜ/LugÜ I und Art. 46 EuGVVO/LugÜ II.776 5. Vollstreckbarerklärungsverfahren nach Art. 28 der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 vom 27.11.2003 Das Vollstreckbarerklärungsverfahren nach Art. 28 EuEheVO basiert noch in weiten Bereichen auf dem „Auslaufmodell“ der Art. 31 ff. EuGVÜ.777 Die in Art. 41 ff. EuGVVO vorgenommenen „Modernisierungen“ fehlen. Die deutschen Ausführungsvorschriften finden sich in §§ 16 ff. des Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetzes (IntFamRVG).778 Im Gegensatz zu Art. 47 III EuGVVO kennt die EuEheVO keine auf „Maßnahmen zur Sicherung“ beschränkte Zwangsvollstreckung für Entscheidungen betreffend die elterliche Verantwortung. Daher hält es der deutsche Gesetzgeber für nicht tragbar, schon aufgrund erstinstanzlicher Vollstreckbarerklärung eine unbeschränkte (vollendete Tatsachen schaffende) Zwangsvollstreckung zu eröffnen, ohne dass die Person, gegen die sich der Antrag richtet, zuvor rechtliches Gehör erhalten hätte.779 Daher wird die deutsche Vollstreckbarerklärung erst mit Unanfechtbarkeit des Beschlusses wirksam.780 Erst dann liegt ein in Deutschland verwertbarer Vollstreckungstitel vor. 775 EuGH vom 12.7.1984, Rs 178/83 – Firma P./Firma K. Slg. 1984, 3033 = RIW 1984, 814 = IPRax 1985, 274 (Stürner 254) = Rev.crit. 1985, 566 (Lagarde) = Clunet 1985, 178 (Huet). 776 BGH vom 25.2.1983, RIW 1983, 290 und 535; BGH vom 16.5.1983, NJW 1983, 1979; OLG Düsseldorf vom 19.9.1984, RIW 1985, 492; Prütting IPRax 1985, 137; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1984, 1216. Die Kassationsbeschwerde des französischen und italienischen Rechts ist ein ordentlicher Rechtsbehelf im Sinne des Art. 30, 38 EuGVÜ/LugÜ, EuGH vom 22.11.1977, Rs 43/77 – Industrial Diamond Supplies/Riva Slg. 1977, 2175 = NJW 1978, 1107 (L) = RIW 1978, 186 = Rev. crit. 1979, 426 (Gaudemet-Tallon) = Clunet 1978, 398 (Huet); R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1983, 1128, 1158. 777 Für Umgangsentscheidungen und bestimmte Entscheidungen, mit denen die Rückgabe des Kindes angeordnet wird, ist seit 1.3.2004 das herkömmliche Verfahren auf Zulassung der Zwangsvollstreckung abgeschafft worden, Art. 40 ff. EuEheVO. Solche Entscheidungen bedürfen keiner Vollstreckbarerklärung mehr. Nach Vorlage einer durch das Gericht des Ursprungsmitgliedstaats ausgestellten Bescheinigung werden sie im Inland nach den innerstaatlichen Regeln vollstreckt. Zuständig hierfür ist das zentralisierte Familiengericht, §§ 10, 12 IntFamRVG. 778 Die die Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 betreffenden §§ 50 ff. AVAG wurden aufgehoben durch Art. 2 Abs. 7 des Gesetzes zum Internationalen Familienrecht. 779 Auch Art. 31 I EuEheVO sieht – ebenso wie Art. 41 EuGVVO – in erster Instanz ein ex parte-Verfahren vor. 780 § 22 IntFamRVG.
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3144a
Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen 6. Vollstreckbarerklärungsverfahren nach Art. 26 ff. der Verordnung (EG) Nr. 4/2009 vom 18.12.2008 3144b
Das Vollstreckbarerklärungsverfahren in Unterhaltssachen folgt weitgehend dem Modell der Art. 38 ff. EuGVVO. Die Vollstreckbarerklärung erfolgt – ohne dass in diesem Verfahrensabschnitt die Versagungsgründe geprüft würden – in einem ex parte-Verfahren ohne Beteiligung des Antragsgegners, Art. 30. Dieser kann nur – wie nach Art. 43 EuGVVO – einen Rechtsbehelf (Art. 32) einlegen, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen und die Prüfung der Versagungsgründe (Art. 24) zu erreichen, Art. 34. 7. Vollstreckbarerklärungsverfahren auf Grund der deutschen Ausführungsgesetze zu den völkerrechtlichen Verträgen
3144c Die meisten völkerrechtlichen Verträge, die eine Verpflichtung zur gegenseitigen Vollstreckung der in den Anwendungsbereich des jeweiligen Vertrages fallenden Vollstreckungstitel vorsehen, überlassen die nähere Ausgestaltung des Exequaturverfahrens dem Recht des Vollstreckungsstaates (Zweitstaates). Sedes materiae ist in Deutschland – soweit nicht das AVAG oder das IntFamRVG zur Anwendung kommt – in der Regel das jeweilige Ausführungs- bzw. Umsetzungsgesetz zu dem betreffenden völkerrechtlichen Vertrag.781 Dieses verweist meist auf das Beschlussverfahren nach § 1063 I und § 1064 II ZPO.782 3144d
Einige Exequaturverfahren sind aber auch im FamFG-Bereich angesiedelt. So erfolgt z.B. in Erfüllung der Vollstreckungspflicht nach Art. 25 des Haager Erwachsenenschutzübereinkommens vom 13.1.2000783 die Vollstreckbarerklärung nach §§ 8 ff. des deutschen Gesetzes vom 17.3.2007 zur Umsetzung dieses Haager Übereinkommens784 durch das Amtsgericht im FamFG-Verfahren. 8. Vollstreckbarerklärungsverfahren nach § 110 II FamFG
3144e In den in § 95 I FamFG aufgeführten Angelegenheiten sieht numehr § 110 II FamFG ein Vollstreckbarerklärungsverfahren vor.
X. Einwendungen gegen den dem Vollstreckungstitel zugrundeliegenden Anspruch 1. Keine Verweisung des Schuldners auf die ihm offen stehenden Rechtsbehelfsmöglichkeiten im Erststaat 3145 Einwendungen gegen den materiell-rechtlichen Anspruch selbst, die erst nach Erlass des Vollstreckungstitels entstanden sind, kann der Schuldner geltend ma781 Übersicht bei Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung, Bd. I/2, 1984, 1635. Texte in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen, Nr. 610 ff. 782 So z.B. § 5 des Ausführungsgesetzes zum deutsch-tunesischen Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag. 783 BGBl. 2007 II 323. 784 BGBl. 2007 I 314.
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Vollstreckbarerklärung chen, ohne die ihm nach dem Recht des Erststaates offen stehenden Rechtsbehelfe auszuschöpfen.785 Maßgeblich für die zeitlichen Grenzen der Rechtskraft bzw. Präklusionswirkung ist das Recht des Erststaates.786 2. Keine Verletzung des Verbots der révision au fond Die Beachtung der später entstandenen Einwendungen ist kein Verstoß gegen das 3146 Verbot der révision au fond (§ 723 I ZPO, § 109 V FamFG). Denn diese Einwendungen werden durch das Erstverfahren auch nach dem Recht des Erststaates nicht präkludiert. 3. Berücksichtigung im Vollstreckbarerklärungsverfahren Die nach Abschluss des Erstverfahrens entstandenen Einwendungen gegen den 3147 materiellen Anspruch – genauer: diejenigen Einwendungen, die jenseits der zeitlichen Grenzen der erststaatlichen Rechtskraft bzw. Präklusionswirkung liegen (Rz. 3145) – sind im Vollstreckbarerklärungsverfahren vom Zweitrichter zu beachten, sofern sich der Schuldner darauf beruft. Ihn trifft die Darlegungs- und Beweislast. Im Fall der Aufrechnung darf die zur Aufrechnung gestellte Forderung erst nach dem genannten Zeitpunkt entstanden sein.787 Soweit danach der Schuldner mit Einwendungen durchdringt, ist nicht das aus- 3148 ländische Urteil „aufzuheben“ (Rz. 466), sondern insoweit das Exequatur zu versagen; daher erfolgt unter Umständen Vollstreckbarerklärung nur hinsichtlich eines Teilbetrages. Der Kläger kann aber auch von sich aus von vornherein nur die Vollstreckbarerklärung hinsichtlich eines Teils beantragen (Teilexequatur).788 Wurde die ausländische Entscheidung, deren Vollstreckbarerklärung beantragt 3149 ist, im Erststaat aufgehoben oder abgeändert, so ist dies auch noch in der Revi-
785 Z.B. OLG Celle vom 21.4.2004, IPRspr. 2004 Nr. 173. Siehe auch G. Wagner in Wagner/ Schlosser u.a., Die Vollstreckung von Schiedssprüchen, 2007, 1, 48, 67. 786 BGH vom 15.10.1992, NJW 1993, 1270, 1271 = WM 1993, 223 = LM Nr. 2 deutsch- österreichischen Anerkennungsvertrag – Zivilsachen (R. Geimer); Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 722 Rz. 88. Anderer Auffassung OLG Düsseldorf vom 6.11.1978, FamRZ 1979, 313. Zum Novenverbot in der Berufungsinstanz nach österreichischem Recht Konecny ZZP 107 (1994), 481, 489. Siehe auch von Falck, Implementierung offener ausländischer Vollstreckungstitel – Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel und inländischer Bestimmtheitsgrundsatz, 1998, 53 f. sowie Spieker genannt Döhmann, Die Anerkennung von Rechtskraftwirkungen ausländischer Urteile – eine Untersuchung zur Fortgeltung des ne-bis-idem, Diss. Bonn 2002, 141. Kritisch gegenüber der herrschenden Meinung Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000, 420, 463 ff. Er will Vollstreckungsgegeneinwände im Exequaturverfahren nicht berücksichtigen, sie vielmehr einer Klage des Schuldners vorbehalten. Diese sei als Widerklage auch im Exequaturverfahren nach §§ 722, 723 ZPO statthaft. 787 OLG Bremen vom 4.10.1977, IPRspr. 1977 Nr. 152; OLG Karlsruhe vom 2.1.2002, InVo 2002, 521 = IPRspr. 2002 Nr. 184. 788 von Falck, Implementierung offener ausländischer Vollstreckungstitel – Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel und inländischer Bestimmtheitsgrundsatz, 1998, 64 ff.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen sions- bzw. Rechtsbeschwerdeinstanz zu beachten.789 Im Vollstreckbarerklärungsverfahren kann auch der Einwand der Herabsetzung der Urteilsschuld und der Einwand der Urteilsverjährung (Rz. 2835) erhoben werden,790 nicht jedoch der Einwand der Anspruchsverjährung (dieser wäre im Erstverfahren vorzubringen gewesen und ist deshalb präkludiert). 3150 Die Frage, wie die Einwendungen vorzubringen sind, regelt allein die deutsche lex fori. Unbeachtlich ist daher z.B. Art. 81 I, 85 schweizer. SchKG, wonach nur Urkundenbeweis zulässig ist;791 § 767 III ZPO ist auch dann anzuwenden, wenn Erststaat oder lex causae eine solche Regel nicht kennen (z.B. Art. 86 schweizer. SchKG).792 3151 Die Ausschöpfung der Rechtsmittel, Rechtsbehelfe und sonstigen prozessualen Möglichkeiten im Erststaat ist nicht Voraussetzung für die Zulässigkeit des Einwandes gegen den dem Titel zugrundeliegenden Anspruch. Der Schuldner braucht also im Erststaat nicht die Vollstreckungsgegenklage zu erheben.793 Vgl. aber Rz. 3153. 3152 Ob die Einwendungen794 materiell-rechtlich begründet sind, entscheidet nach herrschender Meinung – entgegen der hier vertretenen Auffassung (Rz. 2754, 3115) – die lex causae, die nach deutschem IPR, nicht nach dem Recht des Erststaates zu ermitteln ist. Für die „Fortsetzung“ des Schuldverhältnisses nach dem für die ausländische res iudicata maßgeblichen Zeitpunkt ist nach herrschender Meinung das deutsche internationale Privatrecht maßgeblich. Entfaltet der ausländische Titel keine res iudicata-Wirkung (z.B. vollstreckbare notarielle Urkunde), dann kann der Schuldner einwenden, dass aus der Sicht der nach deutschem internationalem Privatrecht maßgeblichen lex causae eine Nichtschuld vorliege.795 Hat der ausländische Richter eine Aufrechnung nicht beachtet, weil aus seiner Sicht die Aufrechnungsforderung nicht bestand, erwächst aber nach dem Recht des Erststaates diese Entscheidung nicht in Rechtskraft, dann wäre Berücksichtigung der nach deutschem internationalem Privatrecht bestehenden Gegenforderung möglich;796 anders ist aber die Rechtslage, wenn der Erststaat eine dem § 322 II ZPO vergleichbare Regel kennt.797 Vgl. auch Rz. 2754.
789 BGH vom 30.4.1980, NJW 1980, 2022 = MDR 1980, 1017 = IPRspr. 1980 Nr. 166. 790 AG Waiblingen vom 21.12.1982, IPRspr. 1982 Nr. 179. Siehe auch Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 722 Rz. 85. 791 Kallmann, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile und gerichtlicher Vergleiche, 1946, 356. 792 Kallmann a.a.O. 357. 793 Anderer Auffassung (im Verhältnis zur früheren Deutschen Demokratischen Republik) ohne überzeugende Begründung OLG Düsseldorf vom 6.11.1978, FamRZ 1979, 313. 794 Z.B. Leistung an Erfüllungs statt, Aufrechnung etc. 795 Weniger dezidiert Kallmann, Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Zivilurteile und gerichtlicher Vergleiche, 1946, 358. 796 So wohl auch Kallmann a.a.O. 358. 797 Anders Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 946.
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Vollstreckbarerklärung 4. Gemeinschaftsrechtskonforme Reduktion der §§ 12, 14 AVAG Das AVAG kombiniert – wie auch sonst das autonome deutsche Recht, Rz. 3147 3152a – die Schuldnerbeschwerde (Art. 43 V EuGVVO) mit der Vollstreckungsgegenklage: Einwendungen gegen den materiell-rechtlichen Anspruch selbst, die erst nach Erlass des erststaatlichen Vollstreckungstitels entstanden sind, kann der Schuldner nach §§ 55 I, 12 I AVAG geltend machen, ohne die ihm nach dem Recht des Erststaates offen stehenden Rechtsbehelfe auszuschöpfen. Für die Vollstreckungsgegenklage bleiben nach dem Wortlaut des AVAG nur Einwendungen, die im Beschwerdeverfahren nicht mehr vorgebracht werden konnten; alle anderen sind präkludiert, §§ 55 I, 14 I Nr. 2 AVAG. Diese vom deutschen Gesetzgeber gewählte Variante kollidiert mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht. Die Beachtung der später entstandenen Einwendungen ist zwar keine Verletzung des Verbots der révision au fond (Art. 45 II EuGVVO). Denn diese Einwendungen werden durch das Erstverfahren auch nach dem Recht des Erststaates nicht präkludiert. Gleichwohl ist diese Regelung des deutschen Rechts mit Art. 45 I 1 EuGVVO nicht zu vereinbaren; dieser begrenzt den Prüfungsumfang des Vollstreckbarerklärungsverfahrens, um einen Beschleunigungseffekt zu erreichen.798 Daher sind §§ 12, 14 AVAG gemeinschaftsrechtskonform auf liquide Einwendungen zu reduzieren, mithin auf solche, die unbestritten bzw. rechtskräftig festgestellt sind.799 Der Schuldner kann die nicht liquiden Einwendungen nur mit der Vollstreckungsgegenklage gegen die Vollstreckbarerklärung geltend machen.800 Da der Antragsgegner das Prozessverhalten des Antragstellers nicht vorhersehen kann, weil er nicht weiß, welchen Vortrag dieser zugestehen bzw. nicht bestreiten wird, obliegt ihm die Last – um der Präklusion nach § 14 AVAG zu entgehen – alle nach Erlass der erststaatlichen Entscheidung ent-
798 Leutner, Die vollstreckbare Urkunde im europäischen Rechtsverkehr, 1997, 270, 277, 285, 289; Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr. Einwendungen gegen einen titulierten Anspruch im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht; mit Vergleichen zum englischen, französischen, schweizerischen und US-amerikanischen Recht, 2000, 277, 434 ff., 767; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht2, 2003, Art. 43 Rz. 14; Münzberg in Festschrift Geimer, 2002, 745, 748 ff.; in diese Richtung tendierend auch Gottwald in Münchener Kommentar zur ZPO3, 2008, Art. 43 EuGVO Rz. 7; Heiderhoff IPRax 2004, 99. Siehe auch Tsikrikas, Die Einlegung von Rechtsbehelfen im Vollstreckungsverfahren aufgrund eines europäischen Vollstreckungstitels, ZZPInt 11 (2006), 51, 52 Fußn. 4. Für Vereinbarkeit der §§ 12, 14 AVAG mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht ohne Bedenken jedoch Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht8, 2005, Art. 43 Rz. 27. 799 R. Geimer IPRax 2003, 337, 339; R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, Art. 45 Rz. 11 ff. Zustimmend OLG Düsseldorf vom 16.3.2004, IPRax 2006, 183 (Sogo 144); OLG Düsseldorf vom 1.3.2005, RIW 2005, 708, 709 = OLG-Report 2005, 312; OLG Düsseldorf vom 3.2.2006, FamRZ 2006, 803. Gegen Zulässigkeit von materiell-rechtlichen Einwendungen generell Hess, Die Unzulässigkeit materiell-rechtlicher Einwendungen im Beschwerdeverfahren nach Art. 43 ff. EuGVVO, IPRax 2008, 25. 800 Zuständig ist das Landgericht, dessen Vorsitzender oder dessen übergeordnetes Oberlandesgericht die Vollstreckbarerklärung angeordnet hat bzw. in dessen Bezirk der Notar (§ 55 III AVAG) seinen Sitz hat.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen standenen Einwendungen im Beschwerdeverfahren vorzutragen. Erst die Reaktion des Antragstellers entscheidet darüber, ob es sich um liquide oder illiquide Einwendungen in dem oben genannten Sinne handelt. 5. Parallele Problematik bei § 36 des Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetzes 3152b
§ 14 AVAG ist in § 36 IntFamRVG (Rz. 3199a) für das Vollstreckbarerklärungsverfahren nach Art. 28 ff. EuEheVO übernommen worden.801 Auch hier besteht die Notwendigkeit, die Vorschrift in dem vorstehend unter 4 dargelegten Sinne gemeinschaftsrechtskonform zu reduzieren. Zwar kennt auch die neue Verordnung (EG) Nr. 2201/2000 keine Parallelnorm zu Art. 41 EuGVVO, sondern hält in Art. 31 II an dem Modell des Art. 34 II EuGVÜ fest. Trotzdem verlangt auch die EuEheVO eine rasche Vollstreckbarerklärung, auch wenn es sich „nur“ um Kostentitel handelt. 6. Berücksichtigung nach Abschluss des Vollstreckbarerklärungsverfahrens
3153 Mit Einwendungen, welche der Schuldner im Verfahren nach §§ 722, 723 ZPO hätte geltend machen können, ist er präkludiert. Danach entstandene Einwendungen kann der Schuldner in Deutschland mit der Vollstreckungsgegenklage gegen die Vollstreckbarerklärung geltend machen, Rz. 3170.802 Zuständig ist das Exequaturgericht §§ 767 I, 722 II ZPO.803 Das Gleiche gilt ceteris paribus für das Exequaturverfahren nach § 110 II FamFG.
XI. Passivlegitimation 3154 Die Frage, wer der richtige Gegner ist, ist nach dem Recht des Erststaates zu beurteilen.804
XII. Grundlage für die Zwangsvollstreckung im Inland 3155 Ausschließlich das deutsche Vollstreckungsurteil ist vollstreckbar und damit Vollstreckungstitel für das Inland, nicht das ausländische Urteil.805 Dieses ist al801 Ein Vollstreckbarerklärungsverfahren entfällt für Entscheidungen, welche das Umgangsrecht bzw. die Rückgabe des Kindes betreffen, Art. 40 ff. EuEheVO. 802 Ihm bleibt jedoch unbenommen, sie im Erststaat nach dem dortigen Recht vorzubringen. Erreicht er dort eine Aufhebung oder Abänderung des in Deutschland für vollstreckbar erklärten Titels, dann ist dies nach Maßgabe von § 27 AVAG auch in Deutschland wiederum relevant. Vgl. Kropholler, Europäisches Zivilprozessrecht8, 2005, Art. 43 Rz. 30. Kritisch Nelle a.a.O. 472 ff. 803 G. Wagner in Wagner/Schlosser u.a., Die Vollstreckung von Schiedssprüchen, 2007, 1, 48. 804 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1983, 1148. 805 BGH vom 6.11.1985, NJW 1986, 1440 = FamRZ 1986, 45 = MDR 1986, 660 = RIW 1986, 554 (Wolff 728) = IPRax 1986, 294 (Dopffel 277) = EWiR 1986, 207 (R. Geimer) = IPRspr. 1985 Nr. 184; hierzu Stürner/Münch JZ 1987, 178; Mankowski ZIP 1994, 1578;
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Vollstreckbarerklärung lenfalls zur Ermittlung des Umfangs der angeordneten Vollstreckbarkeit im Wege der Auslegung heranzuziehen, wenn im deutschen Vollstreckungsurteil der Inhalt des ausländischen Urteils nicht ausreichend wiedergegeben ist. Ausschließlich dem deutschen Vollstreckungsurteil ist die Vollstreckungsklausel (§§ 724 ff. ZPO) zu erteilen (nicht zu verwechseln mit Art. 31 ff. EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 38 ff. EuGVVO, wo „Klauselerteilung“ nach §§ 8, 9 AVAG Vollstreckbarerklärung bedeutet). Das Bestimmtheitserfordernis gilt nur für deutsche Vollstreckungsurteile, nicht für ausländische Titel.806
XIII. Ergänzungen des erststaatlichen Vollstreckungstitels 1. Grundsatz Der Zweitrichter hat im Vollstreckbarerklärungsverfahren einzig und allein die 3156 Aufgabe, den erststaatlichen Vollstreckungstitel im Inland für vollstreckbar zu erklären. Zu irgendwelchen Ergänzungen, Anpassungen oder Änderungen ist er weder berechtigt noch verpflichtet. Doch keine Regel ohne Ausnahme.807 2. Zwangsgeld Sieht z.B. der erststaatliche Titel die Zahlung eines Zwangsgeldes in unbestimm- 3157 ter Höhe an den Gläubiger zur Erzwingung einer Handlung oder Unterlassung durch den Schuldner vor, so darf der Zweitrichter die endgültige Höhe des Zwangsgeldes festsetzen.808 3. Festsetzung von Zinsen und Mehrwertsteuer Ist der Schuldner verurteilt, gesetzliche Zinsen zu zahlen, so hat der Zweitrich- 3158 ter den erststaatlichen Vollstreckungstitel insoweit zu ergänzen und die Höhe der Zinsen im Vollstreckbarerklärungsurteil festzusetzen;809 dies geschieht aber
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Stürner/Münch JZ 1987, 178; Roth IPRax 1989, 15. So auch BGH vom 17.7.2008, MDR 2008, 1231. BGH vom 6.11.1985, NJW 1986, 1440; OLG Düsseldorf vom 18.9.1996, RIW 1996, 1043 = IPRspr. 1996 Nr. 181; R. Geimer EWiR 1986, 207; Wolff RIW 1986, 728; Gottwald in Münchener Kommentar zur ZPO3, 2007, § 722 Rz. 15. Siehe aber auch de lege ferenda Rz. 3199k. – Ausführliche Nachweise bei von Falck, Implementierung offener ausländischer Vollstreckungstitel – Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel und inländischer Bestimmtheitsgrundsatz, 1998, 85 ff., 143 ff. und Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000, 492 ff.; Spieker genannt Döhmann, Die Anerkennung von Rechtskraftwirkungen ausländischer Urteile – eine Untersuchung zur Fortgeltung des ne-bis-idem, Diss. Bonn 2002, 155 ff.; Schlosser in Festschrift Kerameus, 2009, 1183. Anders Art. 43 EuGVÜ/LugÜ und Art. 49 EuGVVO. Ausführliche Nachweise bei Remien, Rechtsverwirklichung durch Zwangsgeld, 1992. Siehe auch Hess/Bittmann, Die Effektuierung des Exequaturverfahrens nach der Europäischen Gerichtsstands- und Vollstreckungsverordnung, IPRax 2007, 277, 280.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag des Gläubigers.810 Das Gleiche gilt für die nicht näher bezifferte Mehrwertsteuer.811 4. Dynamisierte Unterhaltstitel 3159 Ist der ausländische Unterhaltstitel nicht ziffernmäßig bestimmt, sind vielmehr z.B. zum Mindestunterhalt Sonderbeträge hinzuzurechnen, so hat das deutsche Gericht (§ 110 III FamFG) diese auf Antrag des Gläubigers festzusetzen.812 Das deutsche Exequaturgericht hat auch eine Unterhaltserhöhung kraft Gesetzes bzw. kraft Indexierung zu beachten.813 Nimmt der ausländische Vollstreckungstitel auf einen im Erststaat oder einem Drittstaat veröffentlichten Preisindex Bezug, soll unter den heutigen Bedingungen des leichten Zugangs zum Internet die Feststellung des jeweils geschuldeten Geldbetrages den Vollstreckungsorganen
810 Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 722 Rz. 59; Münch RIW 1989, 18; BGH vom 4.3.1993, BGHZ 122, 16 = NJW 1993, 1801 = RIW 1993, 588 = IPRax 1994, 367 (H. Roth 350) = WuB VII A § 328 ZPO Nr. 2.93 (Thode) = LM Nr. 38 zu EGÜbk (R. Geimer) = EWiR 1994, 149 (Otte) = IPRspr. 1993 Nr. 171; BGH vom 27.5.1993, IPRspr. 1993 Nr. 174; OLG Hamm vom 18.6.1993, EWS 1993, 300 = IPRspr. 1993 Nr. 176; OLG Düsseldorf vom 27.11.1996, RIW 1997, 330, 331 = IPRax 1998, 478 (Reinmüller 460) = IPRspr. 1996 Nr. 183; OLG Frankfurt vom 9.4.1998, RIW 1998, 474 = IPRspr. 1998 Nr. 184; OLG Köln vom 23.1.2002, InVo 2002, 521 = IPRspr. 2002 Nr. 186; OLG Zweibrücken 15.12.2004, OLGR 2005, 223; LG Hamburg vom 10.10.1977, IPRspr. 1977 Nr. 154; LG Hamburg vom 13.1.1978, IPRspr. 1978 Nr. 156; LG Hamburg vom 18.12.1978, RIW 1979, 419 = IPRspr. 1978 Nr. 168; LG Landau vom 23.12.1983, RIW 1984, 995 = Rpfleger 1984, 241 = IPRspr. 1983 Nr. 182. Anderer Auffassung OLG München vom 17.7.1980, IPRspr. 1980 Nr. 170 sowie OLG Frankfurt vom 28.10.1998, IPRspr. 1998 Nr. 191. Zu eng OLG Frankfurt vom 2.2.2000, RIW 2000, 463 = IPRspr. 2000 Nr. 148: Keine Feststellung von Zinseszinsen. 811 Für liberale Handhabung Koch, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 185; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 939. Vgl. aber auch BGH vom 4.3.1993, BGHZ 122, 16 = NJW 1993, 1801 = IPRax 1994, 367 (H. Roth 350) = ZIP 1993, 834 = IPRspr. 1993 Nr. 171. 812 Anderer Auffassung OLG Düsseldorf vom 29.4.1981, FamRZ 1982, 630 = IPRspr. 1981 Nr. 183, das eine neue Leistungsklage verlangt. 813 OLG Hamburg vom 2.9.1983, FamRZ 1983, 1157 = IPRspr. 1983 Nr. 178; AG Waiblingen vom 21.12.1982, IPRspr. 1982 Nr. 179; hierzu Dopffel DAVorm 1984, 217 und BGH vom 6.11.1985, NJW 1986, 1440 = FamRZ 1986, 45 = MDR 1986, 660 = RIW 1986, 554 (Wolff 728) = IPRax 1986, 294 (Dopffel 277) = EWiR 1986, 207 (R. Geimer) = IPRspr. 1985 Nr. 184; OLG Stuttgart vom 28.5.1990, DAVorm 1990, 713 = IPRspr. 1990 Nr. 211; OLG Düsseldorf vom 22.11.1993, FamRZ 1994, 1480 = IPRspr. 1993 Nr. 186; OLG Schleswig vom 11.3.1993, FamRZ 1994, 53 = IPRspr. 1993 Nr. 183; OLG Frankfurt vom 2.7.1993, DAVorm 1993, 958 = IPRspr. 1993 Nr. 184; LG München II vom 20.10.1993, DAVorm 1994, 126 = IPRspr. 1993 Nr. 185; Baumann, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen in Unterhaltssachen, 1989, 27; Münch RIW 1989, 18; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 938; R. Geimer EWiR 1986, 207. Zustimmend aus schweizerischer Sicht Jametti Greiner, Der Begriff der Entscheidung im schweizerischen internationalen Zivilverfahrensrecht, 1998, 99.
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Vollstreckbarerklärung überlassen werden.814 Dies kann aber nur für Indices gelten, die technisch leicht erreichbar und sprachlich ohne großen Übersetzungsaufwand verständlich sind. Ansonsten muss das Exequaturgericht einen für deutsche Vollstreckungsorgane zugänglichen „Ersatzindex“ in dem deutschen Vollstreckbarerklärungsbeschluss (§ 110 II FamFG) formulieren, der dem ausländischen Ursprungsindex möglichst nahe kommt. 5. Konkretisierung Allgemein gilt: Wird der ausländische Titel dem für deutsche Titel geltenden Be- 3160 stimmtheitserfordernis nicht gerecht, ergeben sich jedoch die Kriterien, nach denen sich die Leistungspflicht bestimmt, aus den ausländischen Vorschriften oder ähnlichen, im Inland gleichermaßen zugänglichen und sicher feststellbaren Umständen, so ist es geboten, den ausländischen Titel im Vollstreckbarerklärungsverfahren zu konkretisieren.815 Gegebenenfalls sind die hierzu erforderlichen ausländischen Rechtsnormen nach Maßgabe von § 293 ZPO zu ermitteln.816 Eine klarstellende Entscheidung (eines deutschen oder ausländischen Gerichts) vor Durchführung des Exequaturverfahrens ist nicht erforderlich.817 Rechenfehler des ausländischen Gerichts sind unschädlich.818 Auch eine Berichtigung bzw. Ergänzung der Bezeichnung der Parteien ist zulässig.819
3160a
Allerdings ist das Verbot der révision au fond (Rz. 2910) zu beachten, welches 3160b jedoch flexibel zu handhaben ist. So war z.B. das OLG Karlsruhe820 zu dogmatisch fixiert, als es einen Antrag auf Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Titel abgelehnt hat, der Unterhalt nur unter der Bedingung eines „ernsthaften und zielstrebigen Studiums“ zugesprochen hatte. Eine Implementierung durch das deutsche Exequaturgericht würde die Wertungen des ausländischen Gerichts ersetzen und nicht nur „ausfüllen“. Es entstünde auf diese Weise ein gerichtliches Erkenntnis, in dem sich das ausländische Erst- und das deutsche
814 OLG Düsseldorf vom 23.11.2007, FamRZ 2008, 904, 905 betreffend den französischen „Verbraucherindex der städtischen Haushalte, deren Familienvorsteher Arbeiter oder Angestellter sind“. 815 So z.B. OLG Köln vom 27.10.1999, FuR 2000, 374 = InVo = IPRspr. 1999 Nr. 166 für Unterhalt, der sich an der Inflationsrate in Deutschland orientieren soll. Zu eng OLG Frankfurt vom 2.2.2000, RIW 2000, 463 = IPRspr. 2000 Nr. 148: keine Feststellung von Zinseszinsen. 816 OLG Zweibrücken vom 10.3.2005, NJOZ 2005, 3309 = IPRspr. 2005 Nr. 165. 817 Vgl. auch OLG Hamburg vom 18.6.1993, RIW 1994, 424 (Sieg 973) = IPRspr. 1993 Nr. 175 (Klarstellung der Parteibezeichnung). Beispiel: Prozessführung unter Pseudonym. 818 OLG Hamm vom 4.6.1997, RIW 1997, 960 (Schütze 1039) = IPRax 1998, 474 (Haas/ Stangl 452) = IPRspr. 1997 Nr. 133. 819 OLG Hamburg vom 18.6.1993, RIW 1994, 424 (Sieg 973) = IPRspr. 1993 Nr. 175; OLG München vom 28.11.2005, OLGR 2006, 242. 820 OLG Karlsruhe vom 8.1.2002, FamRZ 2002, 1430 = IPRax 2002, 527 (Atteslander-Dürrenmat 508) = InVo 2003, 82 = IPRspr. 2002 Nr. 197.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen Zweitgericht die Subsumtion anspruchsbegründender Merkmale aufteilen würden und nicht gewährleistet bliebe, dass tatsächlich das ausländische Urteil anerkannt und vollstreckt würde. Diese filigrane Argumentation hat vielleicht aus dogmatischer Sicht etwas für sich, nicht jedoch aus prozessökonomischer, wenn man in Betracht zieht, dass es dem Gläubiger freisteht, gestützt auf die (anzuerkennende) Rechtskraft des ausländischen Urteils in Deutschland auf Unterhalt zu klagen bzw. diesen ab 1.9.2009 im FamFG-Verfahren geltend zu machen, Rz. 3167. Da erscheint es sinnvoller, wenn die Festsetzung der Unterhaltshöhe das Exequaturgericht erledigt. 3160c Das Gleiche sollte gelten für einen Rückzahlungsanspruch, der daraus entsteht, dass das Rechtsmittelgericht die (vorläufig vollstreckbare) Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben hat, wenn nach dem Recht des Erststaates die Kassation – auch ohne ausdrückliche Tenorierung – einen Vollstreckungstitel darstellt.821 6. Keine Umrechnung des auf ausländische Valuta lautenden Vollstreckungstitels 3161 Eine Umrechnung eines auf ausländische Valuta lautenden Titels in Euro findet nicht statt.822 § 244 BGB gibt dem Schuldner nur die Befugnis, in deutscher Währung zu bezahlen, aber nicht dem Gläubiger das Recht, Zahlung in Euro zu verlangen.823 Auch ein auf Zahlung ausländischer Valuta lautender Titel ist nach §§ 803 ff. ZPO zu vollstrecken, da es sich um eine Geldforderung handelt.824
821 Anderer Auffassung LG Stuttgart vom 27.10.2004 RIW 2005, 709, 710 = IPRspr. 2004 Nr. 168. 822 OLG Hamm vom 25.7.2003, FamRZ 2004, 716 (Grothe); ausführlich Bachmann, Fremdwährungsschulden in der Zwangsvollstreckung, 1994; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 722 Rz. 53. 823 BGH vom 29.5.1980, NJW 1980, 2017 = RIW 1980, 586 = IPRspr. 1980 Nr. 131; BGH vom 28.6.1984, IPRax 1985, 101 (Nagel 83) = IPRspr. 1984 Nr. 177; BGH vom 21.2.1985, IPRax 1986, 157 (Mezger 142); OLG Düsseldorf vom 26.2.1988, RIW 1988, 818 = WM 1988, 558 (Keiner 1459) = IPRax 1989, 295 (Hanisch 276) = IPRspr. 1988 Nr. 205; Martiny in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, Art. 34 EGBGB Anh. I Rz. 68; Spieker genannt Döhmann, Die Anerkennung von Rechtskraftwirkungen ausländischer Urteile – eine Untersuchung zur Fortgeltung des ne-bis-idem, Diss. Bonn 2002, 152 ff. 824 Maier/Reimer NJW 1985, 2053. OLG Nürnberg vom 24.10.1978, DAVorm 1979, 450 = IPRspr. 1978 Nr. 99 hält passim eine auf res iudicata des ausländischen Urteils (§ 328 ZPO) gestützte, auf DM lautende Leistungsklage (Rz. 3167) für möglich. Anderer Auffassung KG vom 5.2.1993, NJW-RR 1994, 138 = FamRZ 1993, 976 = IPRax 1994, 455 (Baumann 435) = IPRspr. 1993 Nr. 156 mit der nicht haltbaren Begründung, die res iudicata des auf eine ausländische Währung lautenden ausländischen Urteils hindere die Umrechnung in DM. Siehe auch Bachmann, Fremdwährungsschulden in der Zwangsvollstreckung, 1994.
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Vollstreckbarerklärung
XIV. Gleichstellung des für vollstreckbar erklärten erststaatlichen Vollstreckungstitels mit zweitstaatlichen Titeln Die Vollstreckbarerklärung bewirkt die Gleichstellung der erststaatlichen Titel 3162 mit den zweitstaatlichen: Die nach § 722 ZPO bzw. § 110 II FamFG verliehene Vollstreckbarkeit ist inhaltlich identisch mit der Vollstreckbarkeit von Titeln, die im Inland erlassen wurden. Gleichstellung bedeutet aber auch, dass dem Gläubiger, der aus einem auslän- 3163 dischen Titel vollstreckt, nicht mehr prozessuale Möglichkeiten zur Verfügung stehen als dem Inhaber eines deutschen Titels. Der Gläubiger kann sich nicht darauf berufen, dass ihm im Erststaat mehr (= effektivere) Zwangsmittel zur Verfügung stehen als nach dem Recht des Zweitstaates.825
XV. Res iudicata-Wirkung der Entscheidung über den Vollstreckbarerklärungsantrag Die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung erwächst in mate- 3164 rielle Rechtskraft.826 Die Vollstreckbarerklärung beinhaltet nicht nur eine prozessuale Gestaltung, sondern stellt auch verbindlich fest, dass die Vollstreckbarerklärungsvoraussetzungen vorliegen. Wird die Vollstreckbarerklärung wegen Fehlens einer Vollstreckbarerklärungsvoraussetzung bzw. wegen Vorliegens eines Versagungsgrundes verweigert, z.B. wegen Verstoßes gegen den ordre public, so stellt diese Entscheidung das Fehlen dieser Vollstreckbarerklärungsvoraussetzung bindend fest. Dies ist allerdings nicht unbestritten.827 Sofern die positiv oder negativ festgestellten Vollstreckbarerklärungsvorausset- 3165 zungen identisch sind mit den Anerkennungsvoraussetzungen, darf das mit der Anerkennung befasste Gericht keinen gegenteiligen Standpunkt vertreten, auch wenn klar ist, dass es sich bei der Gewährung bzw. Verweigerung der Vollstreckbarerklärung um eine Fehlentscheidung handelt, Rz. 3014, 3137.828 Anders ist 825 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1983, 1149. 826 Zustimmend OLG Köln vom 28.4.2006, InVo 2007, 489 = OLGR 2006, 776 = IPRspr. 2006 Nr. 184. 827 Nachweise z.B. bei Borges, Das Doppelexequatur von Schiedssprüchen. Die Anerkennung ausländischer Schiedssprüche und Exequaturentscheidungen, 1997, 360 f. Gegen Rechtskraftwirkung Wolff in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III/2, 1984, Kap. IV Rz. 126 und Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr. Einwendungen gegen einen titulierten Anspruch im deutschen und europäischen Zivilprozessrecht; mit Vergleichen zum englischen, französischen, schweizerischen und US-amerikanischen Recht, 2000, 366 ff., 472. Nach herrschender Meinung wird im Verfahren nach § 767 ZPO nur über die Aufhebung der Vollstreckbarkeit der deutschen Vollstreckbarerklärung (= Vollstreckungstitel für den deutschen Hoheitsbereich) entschieden, nicht jedoch mit Rechtskraft über das Bestehen der Einwendungen. Hierfür reiche die Zuständigkeitsanknüpfung des Art. 22 Nr. 5 EuGVVO nicht aus; hierüber könnten nur die nach Art. 2 ff. EuGVVO international zuständigen Gerichte befinden. 828 OLG Nürnberg vom 7.11.1984, DAVorm 1985, 345 = IPRax 1985, 354 = IPRspr. 1984 Nr. 170.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen es jedoch, wenn in dem entscheidungserheblichen Punkt die Anerkennungsvoraussetzungen nicht übereinstimmen mit den Vollstreckbarerklärungsvoraussetzungen: Wird z.B. die Vollstreckbarerklärung verweigert, weil der für vollstreckbar zu erklärende Titel nach dem Recht des Erststaates nicht mehr vollstreckbar sei, ist dieser Punkt nicht relevant für die Anerkennungsfrage. Deswegen ist es möglich, dass ein (anderes) Gericht sich auf den Standpunkt stellt, die Rechtskraftwirkung des ausländischen Urteils sei im Inland anzuerkennen. 3166 Auch nach rechtskräftiger Zurückweisung des Vollstreckbarerklärungsantrags als unbegründet ist Leistungsklage zulässig. Jedoch hat das mit der Leistungsklage befasste Gericht die res iudicata-Wirkung der das Exequatur zurückweisenden Entscheidung zu beachten.
XVI. Teilexequatur 3166a Unter den bereits oben Rz. 3067 erörterten Voraussetzungen (Teilbarkeit) kann der Gläubiger von vorneherein Vollstreckbarerklärung nur hinsichtlich eines Teils des ausländischen Vollstreckungstitels beantragen. Hinsichtlich des Restes kann er gegebenenfalls in einem zweiten Verfahren Vollstreckbarerklärung beantragen,829 sofern nicht auf Widerklage des Beklagten im ersten Verfahren eine rechtskräftige Sachentscheidung hinsichtlich des Restes ergangen ist.830 3166b
Hält das Gericht den Vollstreckbarerklärungsantrag nur hinsichtlich eines Teils für begründet, so erfolgt nicht Klageabweisung in toto, sondern nur hinsichtlich des unbegründeten Teils, im Übrigen – ohne besonderen Teilantrag – Teilvollstreckbarerklärung.
XVII. Leistungsklage aus ausländischem Urteil 3167 Nach herrschender Meinung soll der im ausländischen Prozess siegreiche Kläger trotz Zulässigkeit der Vollstreckbarerklärung nach §§ 722, 723 ZPO die Möglichkeit haben, aus dem ausländischen Urteil auf Leistung zu klagen, wobei das deutsche Gericht an die Rechtskraft des ausländischen Urteils – sofern die Anerkennungsvoraussetzungen gegeben sind – gebunden ist und deshalb ohne eigene Sachprüfung die Verurteilung auszusprechen hat.831 Jedenfalls dort, wo das eu829 Auch wenn im ersten Verfahren der Exequaturantrag nicht ausdrücklich als solcher deklariert war, will das OLG Düsseldorf vom 28.6.2000, RIW 2001, 303 den Antrag auf Vollstreckbarerklärung des Restes ohne weiteres zulassen. 830 OLG Düsseldorf vom 28.6.2000, RIW 2001, 303. 831 BGH vom 16.5.1979, NJW 1979, 2477; OLG Nürnberg vom 20.9.1983, IPRax 1984, 162 = IPRspr. 1983 Nr. 179; OLG Hamm vom 16.3.1983, DAVorm 1983, 971 = IPRspr. 1983 Nr. 92; KG vom 5.2.1993, NJW-RR 1994, 138 = FamRZ 1993, 976 = IPRax 1994, 455 (Baumann 435) = IPRspr. 1993 Nr. 156; OLG Karlsruhe vom 23.4.1998, NJW-RR 1999, 82 = FamRZ 1999, 309 (Gottwald) = IPRspr. 1998 Nr. 167; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 1614. Anderer Auffassung Schütze DB 1967, 498; differenzierend, ob Rechtsschutzbedürfnis vorliegt oder nicht, Riezler, Internationales Zivilprozessrecht und prozessuales Fremdenrecht, 1949, 521 und R. Geimer, Zur Prüfung der Gerichtsbarkeit und der internationalen Zu-
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Vollstreckbarerklärung ropäische Gemeinschaftsrecht bzw. die Ausführungsbestimmungen zu den Staatsverträgen ein beschleunigtes und vereinfachtes Exequaturverfahren zur Verfügung stellen, wird das Rechtsschutzbedürfnis für die Leistungsklage im Zweifel fehlen.832 Es ist aber zu bejahen, wenn mit der Vollstreckbarerklärung auch eine Erhöhung im Wege der Abänderung verlangt wird.833
XVIII. Kosten des Vollstreckbarerklärungsverfahrens Das Vollstreckbarerklärungsverfahren ist kein Vollstreckungsverfahren, sondern 3167a ein Erkenntnisverfahren besonderer Art.834 Es ist noch nicht der Beginn der Zwangsvollstreckung.835 Unsystematisch ist daher die Verweisung in § 8 IV AVAG auf § 788 ZPO anstatt auf § 91 I ZPO.
XIX. Eventualleistungs- und Abänderungsklage aus materiellem Rechtsverhältnis Mit der Klage auf Vollstreckbarerklärung kann nicht nur eine Abänderungsklage 3168 (nach § 323 ZPO bzw. nach der maßgeblichen lex causae836) verbunden werden,837 sondern auch die Eventual-Leistungsklage aus dem ursprünglichen Rechtsverhältnis (= Streitgegenstand des Erstprozesses) für den Fall, dass die
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ständigkeit bei der Anerkennung ausländischer Urteile, 1966, 37 Fußn. 70. Vgl. auch LG Essen vom 20.5.1977, DAVorm 1978, 693 = IPRspr. 1977 Nr. 88. Weitere Nachweise bei Borges, Das Doppelexequatur von Schiedssprüchen. Die Anerkennung ausländischer Schiedssprüche und Exequaturentscheidungen, 1997, 362; Spieker genannt Döhmann, Die Anerkennung von Rechtskraftwirkungen ausländischer Urteile – eine Untersuchung zur Fortgeltung des ne-bis-idem, Diss. Bonn 2002, 119 ff. Anderer Auffassung OLG Karlsruhe vom 23.4.1998, FamRZ 1999, 309 (kritisch Gottwald). Ähnlich Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 1615. Anderer Auffassung OLG Karlsruhe vom 23.4.1998, FamRZ 1999, 309 (Gottwald). Für das EuGVÜ hält der EuGH vom 30.11.1976, Rs 42/76 – De Wolf/Cox Slg. 1976, 1759 = NJW 1977, 495 (R. Geimer 2023 und EuR 1977, 364) = Rev. crit. 1978, 774 (L) = Clunet 1977, 253 (Huet) eine erneute Leistungsklage für unzulässig, R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1983, 1138, 1181; OLG Nürnberg vom 20.9.1983, IPRax 1984, 162 = IPRspr. 1983 Nr. 179. BGH vom 17.7.2008, MDR 2008, 1231. OLG Frankfurt vom 11.2.1993, RIW 1993, 944 = EWS 1993, 300 = IPRspr. 1993 Nr. 192; OLG München vom 26.7.2001, FamRZ 2002, 408. Siehe auch Spieker genannt Döhmann, Die Anerkennung von Rechtskraftwirkungen ausländischer Urteile – eine Untersuchung zur Fortgeltung des ne-bis-idem, Diss. Bonn 2002, 183 ff. Zum Stand der verschiedenen Meinungen Nachweise z.B. bei OLG Köln vom 20.7.2004, NJW-RR 2005, 876 = FamRZ 2005, 534 = IPRspr. 2004 Nr. 175. Nachweise z.B. bei Spieker genannt Döhmann, Die Anerkennung von Rechtskraftwirkungen ausländischer Urteile – eine Untersuchung zur Fortgeltung des ne-bis-idem, Diss. Bonn 2002, 171 ff. Vice versa kann auch ein Antrag nach §§ 238 ff. FamFG mit einem Antrag auf Vollstreckbarerklärung (§ 110 II FamFG) verbunden werden.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen Vollstreckbarerklärungsvoraussetzungen verneint werden.838. Die internationale Zuständigkeit Deutschlands ist aus dem Gesichtspunkt der Notzuständigkeit (Rz. 1029) auch dann zu bejahen, wenn Deutschland im „Normalfall“ für eine solche Klage aus dem ursprünglichen Rechtsverhältnis international nicht zuständig wäre.839 Das Gleiche gilt im Anwendungsbereich des FamFG.
XX. Vollstreckungsgegenklage 3169 Eine solche ist gegen ausländische Titel unzulässig, da §§ 722, 723 ZPO bzw. § 110 II FamFG als Spezialregelung eingreifen. In diesem Verfahren sind Einwendungen, die jenseits der zeitlichen Grenzen der erststaatlichen Rechtskraft bzw. Präklusionswirkung liegen, zu berücksichtigen, Rz. 3147. Vor Verleihung der Vollstreckbarkeit, also vor Einleitung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens, besteht kein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage nach § 767 ZPO: Der Titel ist im Inland nicht vollstreckbar, Rz. 3100. Der Beklagte kann jedoch negative Feststellungsklage erheben mit dem Antrag festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung nicht gegeben sind.840 Dem Schuldner ist nicht zuzumuten zu warten, bis der Gläubiger nach § 722 ZPO vorgeht.841 3170 Dagegen kann gegen die Vollstreckbarerklärung durch das deutsche Gericht Vollstreckungsgegenklage erhoben werden; allerdings sind Einwendungen präkludiert, die im Vollstreckbarerklärungsverfahren hätten vorgebracht werden können. Der Schuldner muss sich nach Abschluss des deutschen Vollstreckbarerklärungsverfahrens wegen danach entstandener Einwendungen nicht an die Gerichte des Erststaates wenden, Rz. 3145.
XXI. Rechtshängigkeit 3171 Da Streitgegenstand der Klage nach § 722 ZPO bzw. des Antrags nach § 110 II FamFG ausschließlich die Verleihung der Vollstreckbarkeit für die ausländische Entscheidung ist, wird der dem ausländischen Urteil/Beschluss zugrundeliegen-
838 Schütze DB 1977, 2130; R. Geimer JZ 1977, 147; Martiny in Handbuch des Internationalen Zivilverfahrensrechts, Bd. III 1, 1984, Kap. I Rz. 1625; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 722 Rz. 98. 839 Zum riesame del merito nach Art. 798 I codice di procedura civile a.F. Bajons ZfRV 1979, 268: „Besondere Rechtsschutzform, die es erlaubt, sofort einen inländischen Prozess an das Delibationsverfahren anzuschließen, wenn sich das ausländische Urteil als nicht anerkennungsfähig erweist“. 840 Im FamFG-Anwendungsbereich sollte man – entgegen dem Wortlaut des § 108 II 1 FamFG – auch in vermögensrechtlichen Angelegenheiten einen negativen Feststellungsantrag zulassen. Die Gesetzesbegründung, in solchen Fällen reiche das Vollstreckbarerklärungsverfahren (§ 110 II FamFG) aus, trifft nicht zu. 841 Vgl. auch Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000, 496, 498, 503, sowie Sogo, Internationale Vollstreckung unangefochtener provisorischer Rechtsöffnungsentscheide nach LugÜ, IPRax 2006, 144, 148.
1116
Vollstreckbarerklärung de Anspruch nicht rechtshängig, Rz. 3105.842 Trotzdem wird bei Maßgeblichkeit deutschen Rechts nach § 204 I Nr. 1 BGB die Verjährung gehemmt.
XXII. Vollstreckung von Anordnungen und Beschlüssen aus dem Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit Anordnungen und Beschlüssen aus dem Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit waren bis zum 31.8.2009 gemäß § 33 FGG ohne vorherige Vollstreckbarerklärung nach § 722 ZPO zu vollstrecken.843 Nunmehr sieht § 110 II FamFG ein Exequaturverfahren für die in § 95 I FamFG aufgelisteten Bereiche vor.
3172
Ein verschärftes Sanktionssystem stipuliert § 44 IntFamRVG in Verbindung mit § 89 FamFG, Rz. 3199e.844
3173
XXIII. Einstweilige Sicherungen vor deutscher Vollstreckbarerklärung Dem deutschen Zweitgericht ist es – anders als bei der Vollstreckbarerklärung 3174 ausländischer Schiedssprüche (§ 1063 III ZPO) – nicht gestattet, vor Vollstreckbarerklärung (Rz. 3155) durch eine vorläufige Anordnung die Vollstreckung aus dem ausländischen Urteil bzw. sonstigen Vollstreckungstitel einstweilen zuzulassen, auch nicht gegen Sicherheitsleistung. Vorläufige Sicherungen lassen sich nur unter den engen Voraussetzungen der §§ 916 ff. ZPO bzw. §§ 49 ff. FamFG erreichen.845
XXIV. Verordnung (EG) Nr. 805/2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels Literatur: Becker, Grundrechtsschutz bei Anerkennung und Vollstreckbarerklärung im europäischen Zivilverfahrensrecht – Bestimmung der Grenzen für die Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels, Diss. Köln 2004, 273 ff.; Bo842 Siehe auch Spieker genannt Döhmann, Die Anerkennung von Rechtskraftwirkungen ausländischer Urteile – eine Untersuchung zur Fortgeltung des ne-bis-idem, Diss. Bonn 2002, 164. 843 BGH vom 13.7.1983, BGHZ 88, 113 = NJW 1983, 2775 = FamRZ 1983, 1008 = IPRax 1984, 323 (Siehr 309) = IPRspr. 1983 Nr. 198b; BayObLG vom 18.4.1985, BayObLGZ 1985, 145 = NJW-RR 1986, 3 = FamRZ 1985, 737 (Knöpel 1211) = IPRspr. 1985 Nr. 88, Art. 7 MSA regelt nur die Anerkennung, nicht jedoch die Vollstreckung. Maßgebend ist der jeweils im Verhältnis zum Erststaat geltende Anerkennungs- und Vollstreckungsvertrag bzw. § 110 FamFG, OLG Zweibrücken vom 8.7.1994, IPRspr. 1994 Nr. 188; R. Geimer in Festschrift Ferid 1988, 112; Ploeckl, Umgangsrechtsstreitigkeiten im deutsch-französischen Rechtsverkehr. Bestehende internationale und nationale Regelungen und der geplante europäische Besuchstitel, Diss. Köln 2003, 198; Richardi, Die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit, Diss. Konstanz 1991, 179; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 722 Rz. 112. 844 Hierzu z.B. Gruber, Das HKÜ, die Brüssel IIa-Verordnung und das internationale Familienrechtsverfahrensgesetz, FPR 2008, 214, 217. 845 R. Geimer NJW 65, 1413 ff.; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, § 722 Rz. 37, 72.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen schiero, The Forthcoming European Enforcement Order, Towards a European Law-Enforcement Area, Riv.dir.int. 2003, 394; Brenn, Europäischer Zivilprozess – Leitfaden für das grenzüberschreitende Verfahren in Österreich, 2005, Rz. 150 ff.; Coester-Waltjen, Einige Überlegungen zu einem künftigen europäischen Vollstreckungstitel, in Festschrift Beys, 2003, 183; Gebauer, Vollstreckung von Unterhaltstiteln nach der EuVTVO und der geplanten Unterhaltsverordnung, FPR 2006, 252; Geimer in Festschrift Németh, 2003, 229, 236; Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Einleitung EuGVVO Rn 5, 97, 257; Heß, Europäischer Vollstreckungstitel und nationale Vollstreckungsgegenklage, IPRax 2004, 493; Hüßtege in Gottwald (ed.), Perspektiven der justitiellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der EU, 2004, 113; Hüßtege, Braucht die Verordnung über den europäischen Vollstreckungstitel eine ordre-public-Klausel?, in Festschrift Jayme, 2004, 371; Klippstein in Gebauer/ Wiedmann (ed.), Zivilrecht unter europäischem Einfluss – Die richtlinienkonforme Auslegung des BGB und anderer Gesetze – Erläuterung der wichtigsten EGVerordnungen, 2005, Kap. 31 (S. 1537 ff.): Verordnung über den Europäische Vollstreckungstitel; Kohler, Von der EuGVVO zum Europäischen Vollstreckungstitel – Entwicklungen und Tendenzen im Recht der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen, in Reichelt/Rechberger (ed.), Europäisches Kollisionsrecht – Anwendbares Recht, gerichtliche Zuständigkeit – Vollstreckung von Entscheidungen im Binnenmarkt, 2004, 63; Kohler, Das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung in Zivilsachen im europäischen Justizraum, ZSR 2005 II, 263, 277; Leible/Lehmann, Die Verordnung über den Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen und ihre Auswirkungen auf die notarielle Praxis, NotBZ 2004, 453; Luckey, Der Europäische Vollstreckungstitel (EG-VO Nr. 805/2004), ZGS 2005, 389; Mankowski, Europäischer Vollstreckungstitel und prozessualer Verbraucherschutz, in Festschrift Kerameus, 2009, 784; Oberhammer, Der Europäische Vollstreckungstitel: Rechtspolitische Ziele und Methoden, JBl 2006, 477; Pfeiffer, Einheitliche unmittelbare und unbedingte Urteilsgeltung in Europa, in Festschrift Jayme, 2004, 675; Pfeiffer, Europa als einheitlicher Vollstreckungsraum, BauR 2005, 1541; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, 2004; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, GPR 2003–04, 286; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, 2004; Rechberger/Frauenberger-Pfeiler, Der Europäische Vollstreckungstitel – Eine Annäherung, in Festschrift P. Fischer, 2004, 399; Reichel, Das EG-Vollstreckungstitel-Durchführungsgesetz und die Auswirkungen auf das arbeitsgerichtliche Verfahren, NZA 2005, 1096; Rellermeyer, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, Rpfleger 2005, 389; Riedel, Europäischer Vollstreckungstitel, 2005; Schuschke/Walker, Vollstreckung und vorläufiger Rechtsschutz4, 2008; Stadler, Kritische Anmerkungen zum Europäischen Vollstreckungstitel, RIW 2004, 801; Stein, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen – Einstieg in den Ausstieg aus dem Exequaturverfahren bei Auslandsvollstreckung, EuZW 2004, 679; Stein, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen tritt in Kraft – Aufruf zu einer nüchternen Betrachtung, IPRax 2004, 181; Sujecki, Niederländisches Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 zum Europäischen Vollstre1118
Vollstreckbarerklärung ckungstitel, IPRax 2006, 450, 451; Tarzia, Il Titolo esecutivo Europeo per crediti non contestati, in Festschrift Schlosser, 2005, 985; R. Wagner, Vom Brüsseler Übereinkommen über die Brüssel I-Verordnung zum Europäischen Vollstreckungstitel, IPRax 2002, 75; R. Wagner, Zur Vereinheitlichung des internationalen Verfahrensrechts vier Jahre nach In-Kraft-Treten des Amsterdamer Vertrags, NJW 2003, 2344, 2345; R. Wagner, Der Europäische Vollstreckungstitel, NJW 2005, 1157; R. Wagner, Die neue EG-Verordnung zum Europäischen Vollstreckungstitel, IPRax 2005, 189; R. Wagner, Das Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 zum Europäischen Vollstreckungstitel – unter besonderer Berücksichtigung der Vollstreckungsabwehrklage, IPRax 2005, 401; Yessiou-Faltsi, Die Folgen des Europäischen Vollstreckungstitels für das Vollstreckungsrecht in Europa, in Gottwald (ed.), Perspektiven der justitiellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der EU, 2004, 213; Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, Anh II E. Die Verordnung (EG) Nr. 805/2004 vom 21.4.2004846 zur Einführung eines euro- 3175 päischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (Rz. 245c) schafft die Notwendigkeit des Exequaturs in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (mit Ausnahme Dänemarks) ab, sofern der Titel im Erststaat als „europäischer Vollstreckungstitel“ bestätigt wurde, Art. 5. Allerdings bleibt dem Gläubiger ein Wahlrecht. Er kann statt der Bestätigung im Erststaat (Art. 5 ff.) wie bisher die Vollstreckbarerklärung nach Art. 38 ff. EuGVVO im Zweitstaat betreiben. Für unbestrittene Forderungen ist also das Vollstreckbarerklärungsverfahren 3176 (Art. 38 ff. EuGVVO) zwar noch zulässig, aber nicht mehr erforderlich. Eine in einem Mitgliedstaat über eine unbestrittene bezifferte Geldforderung ergangene und dort vollstreckbare Entscheidung wird nach Maßgabe der Art. 5 ff. in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt und vollstreckt, ohne dass es hierzu in dem Mitgliedstaat, in dem die Vollstreckung durchgeführt werden soll (Vollstreckungsmitgliedstaat), eines besonderen Verfahrens bedarf, sofern die Entscheidung in dem Mitgliedstaat, in dem die Entscheidung ergangen ist (Ursprungsmitgliedstaat), in einen Europäischen Vollstreckungstitel umgewandelt worden ist. Ein ordre public-Vorbehalt kann nicht geltend gemacht werden. Eine Forderung gilt als unbestritten, wenn sie nicht von einer Gegenleistung abhängt und der Schuldner ihr im Gerichtsverfahren ausdrücklich durch Anerkenntnis oder vor einem Gericht geschlossenen Vergleich zugestimmt oder ihr im Verfahren 846 ABl. EU Nr. L 143 vom 30.4.2004, 15. Abgedruckt unten S. 1445 ff. Hierzu Coester-Waltjen in Festschrift Beys, 2003, 183; R. Geimer in Festschrift Németh, 2003, 229, 236; R. Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Einleitung EuGVVO Rz. 6, 97, 257 sowie A 6; Gerling, Die Gleichstellung ausländischer mit inländischen Vollstreckungstiteln durch die Verordnung zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen: Im Vergleich zum bisherigen Recht und zur Rechtslage in den USA, Diss. Köln 2006; Hüßtege in Gottwald (ed.), Perspektiven der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der EU, 2004, 113; Hüßtege in Festschrift Jayme, 2004, 371; Kohler in Reichelt/Rechberger (ed.), Europäisches Kollisionsrecht – Anwendbares Recht, gerichtliche Zuständigkeit – Vollstreckung von Entscheidungen im Binnenmarkt, 2004, 63; Pfeiffer in Festschrift Jayme, 2004, 675; Rauscher, Der Europäische Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen, 2004; Stadler IPRax 2004, 2; Stein IPRax 2004, 181; Wagner IPRax 2002, 75, 84; Wagner NJW 2003, 2344, 2346.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen nicht widersprochen hat oder nicht vor Gericht erschienen ist oder vor Gericht nicht vertreten war oder die Forderung ausdrücklich in einem Schriftstück anerkannt hat, das als öffentliche Urkunde aufgenommen worden ist. 3177 Ein Gläubiger, der in einem Mitgliedstaat eine Entscheidung über eine unbestrittene bezifferte Geldforderung erwirkt hat, hat nach der Verordnung Anspruch auf einen Europäischen Vollstreckungstitel, wenn das Gerichtsverfahren im Ursprungsmitgliedstaat den Verfahrensvorschriften der Verordnung (rechtliches Gehör für Beklagten) entsprochen hat und die Entscheidung nicht im Widerspruch zu Kapitel II Abschnitte 3, 4 oder 6 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 (EuGVVO) steht. Die Entscheidung wird auf Antrag des Gläubigers im Ursprungsmitgliedstaat von dem Gericht, welches die Entscheidung erlassen hat, in einen Europäischen Vollstreckungstitel umgewandelt, wenn alle vorgenannten Voraussetzungen erfüllt sind. Der Gläubiger kann die Erteilung eines Europäischen Vollstreckungstitels jederzeit während des Gerichtsverfahrens, das zu der Entscheidung führt, oder danach beantragen. Sehr umstritten war die Unanfechtbarkeit der Entscheidung über die Erteilung des europäischen Vollstreckungstitels. Der Grundsatz (Art. 10 IV) wurde in Art. 10 I-III erheblich aufgeweicht, Rz. 3192. Die deutschen Ausführungsvorschriften (Art. 6 I, 10 I, 24 I, 25 I) finden sich (vorwiegend) in §§ 1079 ff. ZPO, Rz. 3187. 3178 Die Verordnung bedeutet Abschaffung des Vollstreckbarerklärungsverfahrens und damit einhergehend Entfallen der Versagungsgründe für die Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung (Art. 34 und Art. 35 EuGVVO).847 Den Verzicht auf den anerkennungsrechtlichen ordre public hatte die Kommission schon im Zusammenhang mit der Reform des Brüsseler Übereinkommens bzw. mit der Vorbereitung der EG-Verordnung Nr. 44/2001 vorgeschlagen, weil sich dieser in einer „Schieflage zum Europäischen Integrationsprozess“ befinde. Sie konnte sich jedoch seinerzeit nicht durchsetzen. Nunmehr hat sie es geschafft, weil das politische Umfeld für solch einschneidende Änderungen unter dem Schlagwort „freier Urteilsverkehr“ günstig war. 3179 Dies ist aus europarechtlicher Sicht eine konsequente Fortsetzung des Integrations- und Harmonisierungsprozesses in der Europäischen Gemeinschaft. Aus der Perspektive des klassischen – an völkerrechtlichen Denkkategorien orientierten – internationalen Verfahrensrechts ist es jedoch ein quasirevolutionärer Vorgang.848 Er bedeutet wohl die endgültige Abkoppelung des Lugano-Übereinkommens vom Brüssel I-System. Denn z.B. die auf ihre Souveränität sehr bedachte Schweiz wird auf den anerkennungsrechtlichen ordre public nicht verzichten. Ohne diese Notbremse – oder diesen Rettungsanker oder wie auch immer man den ordre public-Vorbehalt bildhaft umschreiben will – müssten erstens auch solche Urteile anerkannt und zur Vollstreckung zugelassen werden, die auf aus847 Bereits jetzt sind die Versagungsgründe vom Exequaturrichter nicht mehr – wie dies die herrschende Meinung zu Art. 34 II EuGVÜ/LugÜ behauptet (dagegen schon R. Geimer NJW 1973, 2138, 2142) – von Amts wegen zu prüfen, sondern nach Art. 41 EuGVVO nur aufgrund Rüge des Vollstreckungsschuldners, und zwar erst im Rechtsbehelfsverfahren nach Art. 43 EuGVVO. Dies ist eine wesentliche Neuerung der Brüssel I-Verordnung. 848 Geimer IPRax 2002, 69, 71.
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Vollstreckbarerklärung ländischen Normen beruhen, die unvereinbar sind mit den elementaren und unverzichtbaren Rechtsgrundsätzen der Schweiz, bzw. die ihre Verbotsgesetze ignorieren, die sie auch international durchsetzen will, ebenso zweitens Urteile, die auf einem extrem unfairen Verfahren beruhen, das elementaren Postulaten der Verfahrensgerechtigkeit Hohn spricht. Auch innerhalb der Europäischen Union wurde und wird die Diskussion über 3180 die Beibehaltung des anerkennungsrechtlichen ordre public und die Beseitigung des Exequaturverfahrens mit großer Emphase geführt.849 Die Kritiker sehen hierin eine Überbeschleunigung der Freizügigkeit der Vollstreckungstitel zu Lasten der Verfahrensgrundrechte des Beklagten/Antragsgegners/Schuldners.850 Es werden vor allem auch verfassungsrechtliche Argumente dagegen ins Feld geführt, weil der EG-Vertrag eine full faith und credit clause nach dem Vorbild der USamerikanischen Verfassung nicht kennt. Es geht um die Frage, ob die Mitgliedstaaten ihre Bürger und Einwohner ohne jede Kontrolle im Anerkennungs- bzw. Vollstreckungsstadium fremden Richtern ausliefern dürfen.851 Dieses Argument hat prima vista zwar etwas für sich, es erweist sich aber bei nüchterner Betrachtungsweise letztendlich als nicht stichhaltig.852 In Deutschland gestattet Art. 23 I GG den Souveränitätstransfer auf die Europäi- 3180a schen Gemeinschaften. Darüber hinaus ist die Verwirklichung des Vereinten Europas ein Staatsziel, das in der Verfassung festgeschrieben ist. Ein solches Ziel kann man aber ohne den Verzicht auf nationale Souveränität nicht erreichen. Ohne „Auslieferung“ der eigenen Bürger bzw. Bewohner an die Richter der anderen EU-Mitgliedstaaten lässt sich der einheitliche europäische Justizraum nicht schaffen. Dies bedeutet aber auch, dass die nationale Souveränität kein Schutzschild für die eigenen Bürger mehr sein kann, wenn sie es je gewesen ist.853 Mit anderen Worten: Es ist aus der Sicht der deutschen Verfassung nicht geboten, die eigenen Bürger vor unfairen Verfahren oder vor krassen Fehlurteilen der Richter aus den anderen Mitgliedstaaten durch eine ordre public-Kontrolle im Stadium der Anerkennung und Vollstreckung zu schützen. Die Verordnung betrifft nur unbestrittene Forderungen, Art. 3. Diese lassen sich in zwei Gruppen einteilen. Zur Ersten gehören die Konstellationen, in denen der Schuldner aktiv bei der Schaffung des Vollstreckungstitels mitgewirkt hat, 849 Die Verbraucherschutzverbände haben gegen den Wegfall jeglicher Kontrolle im Stadium der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung protestiert, da bisher die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 die Verbraucher privilegiert. Es findet nicht nur eine ordre public-Kontrolle (Art. 34 Nr. 1 EuGVVO) statt, es wird vielmehr gemäß Art. 35 I EuGVVO auch die internationale Zuständigkeit des Erststaates nachgeprüft, was ansonsten ausdrücklich verboten ist. Immerhin wurde zugunsten der Verbraucher eine Sonderregelung in Art. 6 I (d) geschaffen. 850 Nachweise z.B. bei Stadler, Vielfalt der Gerichte – Einheit des Prozessrechts?, BerDGVR 42 (2007), 177, 181. 851 Rauscher/Pabst in Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht2, 2006, EG-VollstrTitelVO Einl. Rz. 33. 852 Wagner IPRax 2002, 75, 87. 853 Zur „Schutzschildtheorie“ Nachweise bei Hopt/Kulms/von Hein, Rechtshilfe im Rechtsstaat – Die Zustellung einer US-amerikanischen class action in Deutschland, 2006, 151.
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3180b
Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen sei es, dass er sie im Gerichtsverfahren ausdrücklich anerkannt oder durch einen gerichtlichen Vergleich akzeptiert oder in einer notariellen oder sonstigen öffentlichen vollstreckbaren Urkunde anerkannt hat. 3180c Zur zweiten Gruppe gehören die Fälle, in denen der Schuldner der Forderung während des ganzen kontradiktorischen Verfahrens nicht widersprochen hat bzw. die Aufforderung des Gerichts, Stellung zu nehmen zu der Behauptung des Gläubigers, ihm stehe eine Forderung zu, nicht befolgt hat und deshalb anzunehmen ist, dass er keine Einwände gegen die Forderung hat bzw. keine geltend machen will. Hierzu zählen auch die Fälle, in denen davon auszugehen ist, dass der Schuldner die Forderung nicht mehr bestreiten will, weil er zur Verhandlung nicht mehr erschienen ist und Versäumnisurteil gegen sich hat ergehen lassen, ohne dagegen Einspruch einzulegen. Das Gleiche gilt, wenn er sich gegen einen Mahn- oder Vollstreckungsbescheid nicht zur Wehr gesetzt hat.854 3180d
Fazit: Für eine Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel kommen in Betracht nur Titel für unbestrittene Geldforderungen: a) Gerichtliche Entscheidungen (Art. 4 Nr 1); hierzu gehören zum einen Titel, die mit Zustimmung des Schuldners errichtet worden sind, Art. 3 I 2 (a) (d), wie Anerkenntnisurteile,855 sowie Säumnisentscheidungen, d.h. gerichtliche Entscheidungen unter der Prämisse, dass der Schuldner im Erkenntnisverfahren nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaates zu keiner Zeit (Art. 3 I 2 [b]) widersprochen hat oder nach anfänglichem Widerspruch gleichwohl säumig geworden ist (Art. 3 I 2 [c]).856 Beispiel: Widerspruch gegen Mahnbescheid, jedoch Fernbleiben im weiteren Verfahren, so dass Versäumnisurteil ergeht. Anders ist es bei kontradiktorischem Urteil in erster Instanz und Versäumnisurteil gegen den Berufungskläger.857 b) Gerichtliche Vergleiche (Art. 3 I, 24); es genügt dass diese von einem Gericht gebilligt wurden; nicht erforderlich ist – anders als nach Art. 58 EuGVVO – Vergleichsschluss vor Gericht;858 c) Vollstreckbare öffentliche Urkunden (Art. 4 Nr 3 [a]; übereinstimmend Art. 57 EuGVVO).859
3180e Die Verordnung (EG) Nr. 805/2004 gilt auch für gerichtliche Entscheidungen, die noch mit ordentlichen Rechtsmitteln bzw. Rechtsbehelfen anfechtbar sind. Unanfechtbarkeit ist mithin nicht Voraussetzung für die Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel. Wurde aber ein Rechtsmittel bzw. Rechtsbehelf einge-
854 Nicht als Widerspruch anzusehen ist die Erklärung des Schuldners, er sei zahlungsunfähig oder befinde sich in Zahlungsschwierigkeiten und bitte daher um Stundung bzw. Ratenzahlung. 855 Stein EuZW 2004, 679. 856 Stein IPRax 2004, 181, 187. 857 Rauscher, Europäischer Vollstreckungstitel, 2004, Rz. 60; R. Wagner IPRax 2005, 189, 193. 858 Leible/Lehmann NotBZ 2004, 453, 456; R. Wagner IPRax 2005, 189, 190. 859 R. Wagner in Festschrift Sonnenberger, 2004, 727, 741; R. Wagner IPRax 2005, 189, 192.
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Vollstreckbarerklärung legt, bevor eine Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel erfolgt ist, dann darf die gerichtliche Entscheidung nicht mehr als europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden, Art. 3, und zwar auch dann, wenn der Antrag auf Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel schon vor Einlegung des Rechtsbehelfs gestellt worden war. Entscheidend ist mithin allein die zeitliche Abfolge zwischen Erteilung der Bestätigung und Einleitung des Anfechtungsverfahrens nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats.860 Anders ist es jedoch vice versa: Wurde ein Titel in seinem Ursprungsstaat als europäischer Vollstreckungstitel bestätigt und erst danach angefochten, so bleibt die Bestätigung wirksam mit der Folge, dass in allen anderen Mitgliedstaaten – vorbehaltlich Art. 23 – vollstreckt werden kann. Die Entscheidung, die aufgrund des Rechtsmittels bzw. Rechtsbehelfs ergeht, kann wiederum als europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden, auch wenn im Rechtsbehelfsverfahren streitig verhandelt wurde, Art. 12 II.
3180f
Beispiel: Ein Versäumnisurteil wurde als europäischer Vollstreckungstitel bestätigt und erst dann wurde Einspruch eingelegt, Art. 3 II.861 Generell gilt: Wird die als europäischer Vollstreckungstitel bestätigte Entschei- 3180g dung angefochten, so kann die neue aufgrund des Rechtsbehelfs ergehende Entscheidung wiederum als europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden (Ersatzbestätigung, Art. 6 III), sofern es um eine fällige Geldforderung im Sinne von Art. 3 I 1 in Verbindung mit Art. 4 Nr 2 geht. Das „Unbestrittensein“ verliert die Forderung durch das (kontradiktorische) Rechtsbehelfsverfahren nicht.862 Die Ersatzbestätigung für die Rechtsbehelfsentscheidung ersetzt die erste Bestätigung.863 Das Vollstreckungsorgan im Vollstreckungsmitgliedstaat ist an die Bestätigung 3180h aus dem Ursprungsmitgliedstaat gebunden, auch wenn diese zu Unrecht erteilt worden ist, also die in der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 hierfür vorgesehenen Voraussetzungen nicht gegeben sind, selbst dann, wenn die Verordnung gar nicht anwendbar war, Art. 21 II. Dem Schuldner bleibt nur der Widerrufsantrag im Ursprungsmitgliedstaat (Art. 10 I [b]).864 Aufgrund der Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel im Ursprungsmit- 3180i gliedstaat kann der Gläubiger in allen anderen Mitgliedstaaten die Zwangsvollstreckung betreiben, d.h. er kann sich direkt an die dortigen Vollstreckungsorgane wenden. Diese sind verpflichtet, nach Maßgabe ihres Zwangsvollstreckungsrechts tätig zu werden, Art. 20. Hierauf hat der Gläubiger kraft Gemeinschaftsrechts Anspruch. Er darf nicht diskriminiert werden, weil es sich aus der Sicht des Vollstreckungsmitgliedstaats um einen „fremden“ Vollstreckungstitel handelt, Art. 20 I 2. Andererseits sind die Vollstreckungsmitgliedstaaten nicht ver860 R. Wagner NJW 2005, 1157, 1158; R. Wagner IPRax 2005, 189, 193. 861 R. Wagner IPRax 2005, 189, 193. 862 Art 3 II, Erwägung Nr 7, R. Wagner IPRax 2005, 189, 193. Anderer Ansicht Rauscher, Europäischer Vollstreckungstitel, 2004, Rz. 76. 863 Anhang V zur Verordnung (EG) Nr. 805/2004 sub B; Leible/Lehmann NotBZ 2004, 453, 456; R. Wagner IPRax 2005, 189, 190. 864 R. Wagner IPRax 2005, 189, 199.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen pflichtet, die europäischen Vollstreckungstitel besser zu stellen als die eigenen. Sieht das Recht des Ursprungsmitgliedstaats „schärfere“ bzw. „effizientere“ Vollstreckungsmethoden vor als das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats, so ist dies aus dessen Sicht irrelevant. Er muss nur die von seinem Recht vorgesehenen Vollstreckungsmittel zur Verfügung stellen. Dies ist vor allem von Bedeutung bei der Handlungs- und Unterlassungsvollstreckung. 3180j
Der Umfang der Vollstreckbarkeit beurteilt sich nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats. Durch die Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel wird keine vom Recht des Ursprungsmitgliedstaats losgelöste „europäische Vollstreckbarkeit“ verliehen. Dies bedeutet: Die Aufhebung bzw. Einschränkung des Vollstreckungstitels im Ursprungsmitgliedstaat ist in allen Mitgliedstaaten ohne weiteres zu beachten, Art. 6 II. Das Gleiche gilt für die (vorläufige) Einstellung oder Beschränkung der Zwangsvollstreckung im Ursprungsmitgliedstaat. Der zwar zulässige Antrag im Vollstreckungsmitgliedstaat auf Beschränkung bzw. Aussetzung der Zwangsvollstreckung (Art. 23) ist daher nicht notwendig, wenn Zwangsvollstreckung im Ursprungsmitgliedstaat nicht mehr zulässig bzw. dort sistiert ist.865
3180k
Der Gläubiger hat dem zuständigen Vollstreckungsorgan gemäß Art. 20 II lediglich vorzulegen: a) den Vollstreckungstitel aus dem Ursprungsmitgliedstaat (gerichtliche Anerkenntnis- bzw. Säumnisentscheidung, gerichtlichen Vergleich, vollstreckbare öffentliche Urkunde) b) die Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel c) ggf. eine Übersetzung (Art. 20 II [c]).
3180l Die in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 fallenden auf Geldzahlung lautenden nationalen Vollstreckungstitel werden mittels Formular im Ursprungsmitgliedstaat (Art. 4 Nr. 4 in Verbindung mit Art. 2 III) auf „jederzeit“ zulässigen Antrag des Gläubigers als „europäischer Vollstreckungstitel“ bestätigt, sofern sie den Anforderungen der Verordnung entsprechen, Art. 6 I, Art. 24, Art. 25. Sodann sind diese als europäischer Vollstreckungstitel deklarierten nationalen Vollstreckungstitel in allen übrigen Mitgliedstaaten ohne vorheriges Vollstreckbarerklärungsverfahren (Art. 38 ff. EuGVVO) zu vollstrecken. Die Verordnung (EG) Nr. 805/2004 erfasst nur Vollstreckungstitel, Art. 6 I (a), Art. 24 I, Art. 25 I. Feststellende und gestaltende gerichtliche Entscheidungen können nur hinsichtlich der Verurteilung zur Kostenerstattung nach Maßgabe von Art. 7 als europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden.866 3180m Ob ein vollstreckbarer Titel vorliegt, ist nach dem Recht des Urspungsmitgliedstaates zu beurteilen. Vorläufige Vollstreckbarkeit reicht aus. Bei komplexen Entscheidungen kann der vollstreckbare Teil als europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden, Art. 8.
865 Stein EuZW 2005, 679, 682; R. Wagner IPRax 2005, 189, 198. 866 Deutsche Kostenfestsetzungsbeschlüsse (§§ 104 ff. ZPO) können als europäische Vollstreckungstitel bestätigt werden, Art. 4 Nr. 1.
1124
Vollstreckbarerklärung Der Gläubiger kann wählen zwischen dem Exequaturverfahren im Zweitstaat wie bisher nach Art. 38 ff. EuGVVO und der Erstellung eines europäischen Vollstreckungstitels im Erststaat. Dies geschieht dadurch, dass der Gläubiger im Ursprungsmitgliedstaat die Bestätigung des Vollstreckungstitels als Europäischen Vollstreckungstitel beantragt, Rz. 3180l. Gegen die Erteilung der Bescheinigung ist ein Rechtsbehelf nur nach Maßgabe von Art. 10 I–III möglich.
3181
Der Schuldner ist nicht rechtlos. Will er verhindern, dass ein europäischer Voll- 3182 streckungstitel erteilt wird, muss er im Erststaat die Forderung bestreiten. Damit entfallen die Anwendungsvoraussetzungen der Verordnung. Allerdings muss man klar sehen, dass die Gerichtspflichtigkeit des Beklagten in Europa noch mehr ausgedehnt wurde. Im Bestätigungsverfahren ist die internationale und örtliche Zuständigkeit des Ursprungsmitgliedstaats grundsätzlich nicht zu prüfen. Für Vergleiche und vollstreckbare öffentliche Urkunden (Art. 24, Art. 25) kommen Art. 2 ff. EuGVVO ohnehin nicht zur Anwendung. Daher kommt im Bestätigungsverfahren eine Prüfung der internationalen Zuständigkeit a priori nicht in Betracht. Aber auch bei gerichtlichen Entscheidungen wird die Zuständigkeitsfrage im Bestätigungsstadium nicht mehr geprüft. Dies gilt grundsätzlich auch für gerichtliche Säumnisentscheidungen,867 selbst in Arbeitssachen (Art. 18 ff. EuGVVO). Eine Ausnahme greift nach Art. 6 I (b) der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 für Art. 8–14 EuGVVO und Art. 22 EuGVVO. Die Einhaltung dieser Zuständigkeitsvorschriften ist Voraussetzung für die Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel. Soweit Art. 9 ff. EuGVVO auch die örtliche Zuständigkeit – wie z.B. Art. 10 und Art. 23, 13 EuGVVO – normieren, ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift dieser Punkt nicht zu untersuchen. M.a.W.: Eine Verletzung der Vorschriften der EuGVVO über die örtliche Zuständigkeit steht der Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel nicht entgegen. Im Übrigen kommt eine Prüfung nicht in Betracht, wenn Schuldner die Versicherung ist. Es soll nämlich nur der typischerweise Schwächere geschützt werden, also der Versicherungsnehmer, Versicherte und sonst wie Begünstigte.
3182a
Für gegen Verbraucher ergangene Versäumnisentscheidungen (nicht für Aner- 3182b kenntnisurteile) etabliert die Verordnung (EG) Nr. 805/2004 ein von Art. 35 I in Verbindung mit Art. 15 ff. EuGVVO en detail abweichendes eigenständiges Schutzsystem: Ist der Schuldner Verbraucher, so können gemäß Art. 6 I (d) gegen ihn nur in seinem Wohnsitzstaat (Art. 16 II, 59 EuGVVO) ergangene Säumnisentscheidungen (Art. 3 I 2 [b][c]) als europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden. Der hier relevante Begriff der Verbrauchersachen ist weiter als der des Art. 15 EuGVVO, weil eine Beschränkung auf bestimmte Arten von Verträgen fehlt und auch keine Verbindung zum Wohnsitzstaat des Verbrauchers vorausgesetzt wird.868 Siehe auch Rz. 3198k.
867 Bei mit Zustimmung des Schuldners ergangenen Verurteilungen (Anerkenntnisurteilen) dürfte die internationale Zuständigkeit des Ursprungsmitgliedstaats im Hinblick auf Art. 24 EuGVVO unproblematisch sein. 868 R. Wagner NJW 2005, 1157, 1159.
1125
Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen 3182c Die Verordnung (EG) Nr. 805/2004 hat mithin – abgesehen von dem Fall der Fehlentscheidung – für Vollstreckungstitel gegen den Verbraucher nur dann praktische Bedeutung, wenn gegen ihn außerhalb seines Wohnsitzstaats vollstreckt werden soll.869 Art. 6 I (d) vermindert die Prozessführungslast des Verbrauchers. Er soll Gerichtsverfahren gegen ihn außerhalb seines Wohnsitzstaats ignorieren können, um sich dann gegen die Vollstreckbarerklärung nach Art. 35 I EuGVVO zu wehren, wenn die Art. 16–17 EuGVVO im Gerichtsstaat nicht beachtet worden sind.870 Der Schutzmechanismus der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 versagt jedoch, wenn im Ursprungsmitgliedstaat entgegen Art. 6 I (d) der gegen den Verbraucher erlassene Titel als europäischer Vollstreckungstitel bestätigt worden ist.871 3183 Die weitaus meisten Vollstreckungstitel, die in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 fallen, sind dadurch gekennzeichnet, dass der Schuldner sich nicht auf das Verfahren eingelassen hat. Dabei geht man davon aus, dass der Schuldner sich hierzu absichtlich entschlossen hat, weil er die Forderung nicht bestreiten will oder kann. Dies setzt – vor allem aus der Perspektive der fair trial-Garantie des Art. 6 I EMRK (künftig auch des Art. 47 II EuGrundrechtecharta) – voraus, dass der Schuldner in der Lage war, in voller Kenntnis der Sachlage sein Verhalten frei zu bestimmen. Nur dann kann sein Fernbleiben vom Prozess als bewusstes Nichtbestreiten der gegen ihn erhobenen Forderung gewertet werden. 3184 Voraussetzung hierfür ist wiederum die korrekte und rechtzeitige Zustellung der Schriftstücke, durch die er über die gegen ihn geltend gemachte Forderung in Kenntnis gesetzt wird. Daher stellt die Verordnung einheitliche europäische Mindeststandards für die Zustellung auf. Nur wenn diese eingehalten sind (hierüber befindet wiederum das Gericht im Ursprungsstaat), ist der Wegfall des Vollstreckbarerklärungsverfahrens im Zweitstaat rechtsethisch zu rechtfertigen. Eine Säumnisentscheidung (Art. 3 I [b] [b]) darf nach Art. 6 I (c) und Art. 12 nur dann als europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden, wenn in Art. 13 ff. aufgestellten Mindestnormen eingehalten sind. M.a.W.: Soll eine Säumnisentscheidung als europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden, muss dem Schuldner im Erkenntnisverfahren im Ursprungsmitgliedstaat rechtliches Gehör nach Maßgabe von Art. 12 ff. gewährt worden sein.872 3185 Die Mitgliedstaaten haben es in der Hand, ob sie ihr nationales Recht diesen Mindeststandards anpassen. Damit können sie sicherstellen, dass die meisten Entscheidungen ihrer Gerichte als europäische Vollstreckungstitel bestätigt werden können mit der Folge, dass sie in der ganzen Europäischen Union (mit Ausnahme Dänemarks) ohne vorheriges Exequaturverfahren vollstreckt werden können. Sie können auch auf ihrem (antiquierten) Zustellungsrecht beharren. Dann
869 Stein EuZW 2004, 679, 680; R. Wagner IPRax 2005, 189, 194. 870 Stein IPRax 2004, 181, 188. 871 Dann bleibt dem Schuldner nur das Widerrufsverfahren nach Art. 10 I (b) der Verordnung (EG) Nr. 805/2004. 872 Kohler 63; R. Wagner IPRax 2005, 189, 194.
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Vollstreckbarerklärung besteht aber keine Chance, dass die von ihren Gerichten erlassenen Entscheidungen den „Qualitätsstempel“ europäischer Vollstreckungstitel erhalten können, der zu einer Vollstreckung ohne Exequatur berechtigt. In Art. 12 ff. sind die aus europäischer Sicht zulässigen Zustellungsarten sti- 3186 puliert. Im Vordergrund stehen Zustellungsvarianten nach Art. 13, durch die sichergestellt werden soll, dass das verfahrenseinleitende Schriftstück den Schuldner persönlich erreicht hat. Davon zu unterscheiden sind Ersatzzustellungsformen nach Art. 14, bei denen zwar nicht sichergestellt werden kann, dass das verfahrenseinleitende Schriftstück den Schuldner persönlich erreicht hat, bei denen dieses aber nachweislich in dessen Herrschaftsbereich gelangt ist. Hier obliegt es dem Schuldner dafür zu sorgen, dass er das Schriftstück auch tatsächlich erhält. Zustellungsfiktionen (öffentliche Zustellung, § 185 ZPO; remise au parquet des romanischen Rechtskreises) sind nach Art. 12 ff. der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 ungenügend.873 Siehe auch Rz. 3198n. Die von der Verordnung zugelassenen verschiedenen Zustellungsformen sind 3186a untereinander gleichberechtigt. Zwischen den Modalitäten des Art. 13 (Zustellung an den Schuldner) und Art. 14 (Ersatzzustellung) besteht keine Hierarchie. Ersatzzustellung nach Art. 14 ist ausreichend, ohne dass vorher postalische Zustellung (Art. 13) erfolglos versucht worden sein muss.874 Die Verordnung enthält auch Normen über die Heilung von Zustellungsmängeln. Selbst wenn die Mindeststandards der Art. 13–17 nicht gewahrt sind, kann unter den Voraussetzungen des Art. 18 gleichwohl die betreffende gerichtliche Säumnisentscheidung als europäischer Vollstreckungstitel bestätigt werden. Andererseits verlangt Art. 19 trotz Einhaltung der Mindeststandards der Art. 13–14 eine Überprüfung in Ausnahmefällen, Rz. 3196d.
3186b
Ein Anpassungsbedarf besteht in Deutschland für das Zustellungsrecht nicht. § 166 ff. ZPO genügen den Anforderungen der Verordnung bei weitem.
3186c
Das Gleiche gilt für die „Mindestvorschriften für eine Überprüfung in Ausnah- 3186d mefällen“ in Art. 19. Danach muss zumindest bei unverschuldeter Säumnis bzw. Untätigkeit des Schuldners eine Überprüfung möglich sein. §§ 338, 700 ZPO lassen den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil bzw. einen Vollstreckungsbescheid unabhängig von einem etwaigen Verschulden zu. Damit ist die deutsche ZPO viel schuldnerfreundlicher als dies Art. 19 fordert. Die nationalen Durchführungsvorschriften finden sich in Deutschland vorwie- 3187 gend in §§ 1079 ff. ZPO, vereinzelt aber auch an anderen Stellen. So sollen §§ 215 I, 276 II, 338 ZPO dem Erfordernis des Art. 17 (b) bzw. Art. 18 genügen. Danach schreibt die Verordnung Belehrung über die Konsequenzen des Nichtbestreitens, Nichterscheinens bzw. Nichteinlegens eines Einspruchs gegen die Versäumnisentscheidung vor. Dynamisierte Unterhaltstitel fallen nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung; denn diese verlangt einen konkret bezif-
873 Erwägunsgrund Nr 13; Stein IPRax 2004, 181, 188. 874 Leible/Lehmann NotBZ 2004, 453, 456 Fußnote 45; Stein EuZW 2004, 679, 680; R. Wagner IPRax 2005, 189, 195.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen ferten Betrag. Deshalb bietet § 245 FamFG (vormals § 790 ZPO) die Möglichkeit, einen dynamisierten Unterhaltstitel (§ 1612a BGB) durch den Rechtspfleger beziffern zu lassen und damit eine sichere Basis für die Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel zu schaffen.875 3188 Innerstaatliche Zuständigkeit zur Ausstellung von Bestätigungen nach Art. 9 I, Art. 24 II, Art. 25 I und Art. 6 II und III in Verbindung mit den Anhängen I-V für deutsche Vollstreckungstitel: Die in der Verordnung vorgesehene Bestätigung hat ebenso wie die innerstaatliche (deutsche) Vollstreckungsklausel die Funktion, Bestand und Vollstreckbarkeit des Titels zu dokumentieren. Daher ist sie in Deutschland von der Stelle auszustellen, der auch die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung des Titels obliegt (§§ 724, 797 ZPO). Dies gilt nicht nur für die Bestätigungen zu gerichtlichen Entscheidungen und Prozessvergleichen, sondern auch für die Bestätigungen zu öffentlichen Urkunden. Die Bestätigung erteilen hier die Notare bzw. Jugendämter, § 1079 ZPO.876 3189 Für Bestätigungen zu gerichtlichen Entscheidungen und Prozessvergleichen sind die Gerichte erster Instanz und, solange der Rechtsstreit bei einem höheren Gericht anhängig ist, dieses Gericht zuständig (vgl. § 724 II ZPO). Funktionell zuständig ist der Rechtspfleger, § 20 Nr. 11 RechtspflegerG. 3190 Die vom Gläubiger beantragte Bestätigung wird ohne Anhörung des Schuldners ausgestellt;877 denn eine solche Anhörung widerspräche dem Sinn und Zweck der Verordnung, § 1080 I 1 ZPO.878 Die ausgestellte Bestätigung ist dem Gläubiger zu übersenden. Dem Schuldner ist eine Ausfertigung von Amts wegen zuzustellen.879 3191 Wird der Antrag auf Ausstellung einer Bestätigung (einschließlich der Gegenbestätigung nach Art. 6 II) zurückgewiesen, gelten die Vorschriften über die Anfechtung der Entscheidung über die Erteilung einer Vollstreckungsklausel entsprechend, § 1080 II ZPO. 3192 Berichtigungs- und Widerrufsverfahren gegen die Bestätigung deutscher Vollstreckungstitel als europäische Vollstreckungstitel, Art. 10: Gegenstand der Berichtigung kann nur sein, dass die Bestätigung und der Titel „aufgrund eines materiellen Fehlers voneinander abweichen“. Ein Widerruf findet statt, wenn die
875 Die Geldforderung (Art. 4 Nr. 2) muss nicht beziffert sein; es genügt Bestimmtheit. Bisher nicht abschließend geklärt ist, ob bloße Bestimmbarkeit unter Heranziehung nationaler Rechtsnormen, deren Inhalt im Titel nicht dargelegt ist, oder aus (tatsächlichen) Umständen außerhalb des Titels genügt. Dafür Rellermayer Rpfleger 2005, 389, 392, wenn Forderung in der Bestätigung konkretisiert wird. Dagegen Rauscher/Pabst in Rauscher, Europäisches Zivilprozessrecht2, 2006, EG-VollstrTitelVO Einl. Rz. 7. Jedenfalls hilft § 245 FamFG, vormals § 790 ZPO weiter. Das dort vorgesehene Konkretisierungsverfahren kann mit dem Bestätigungsverfahren kombiniert werden. 876 Diese Regelung stimmt mit § 56 AVAG (Bescheinigungen nach der EuGVVO) überein. 877 Ebenso ist es bei der Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung nach § 724 ZPO. 878 Dem Schuldner bleibt nur der Berichtigungs- und Widerrufsantrag (Art. 10). 879 Für grenzüberschreitende Zustellungen innerhalb der Europäischen Union (mit Ausnahme Dänemarks) gilt die Verordnung (EG) Nr. 1393/2007 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen.
1128
Vollstreckbarerklärung Bestätigung „eindeutig zu Unrecht erteilt wurde“. Im Übrigen ist nach Art. 10 IV ein Rechtsbehelf gegen die Bestätigung ausgeschlossen.880 Die Trennlinie zwischen Berichtigung und Widerruf ist in Art. 10 I Vollstreckungstitel-VO unscharf. Deshalb sieht § 1081 ZPO für die Berichtigung und den Widerruf grundsätzlich das gleiche Verfahren vor, und zwar in allen Rechtszügen das einfache Verfahren nach § 319 ZPO.
3193
Über den Antrag auf Berichtigung oder Widerruf von gerichtlichen Bestätigun- 3194 gen entscheidet das Gericht, das die Bestätigung ausgestellt hat. In den Fällen notarieller oder behördlicher Bestätigungen ist in Anlehnung an § 797 III ZPO das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Notar bzw. die Stelle, die die Bestätigung ausgestellt hat, seinen bzw. ihren Sitz hat. Der Schuldner kann nur binnen eines Monats881 seit Zustellung der Bestätigung 3195 den Widerruf derselben beantragen, § 1081 II ZPO. Diese Befristung dient der Rechtssicherheit. Der Gläubiger soll nach Ablauf der Frist auf den Bestand der Bestätigung vertrauen können.882 Die Verwendung des Formblatts in Anhang VI ist nach Art. 10 III fakultativ. In jedem Fall bedarf es jedoch der Darlegung der Gründe, weshalb die Bestätigung eindeutig zu Unrecht erteilt wurde, § 1081 II 3 ZPO. Der Berichtigungsantrag ist in Anlehnung an § 319 I ZPO an keine Frist gebunden, § 1081 ZPO. Vollstreckung in Deutschland aufgrund europäischer Vollstreckungstitel aus 3196 anderen Mitgliedstaaten:883 Die Bestätigung nach der EG-Verordnung ersetzt die Vollstreckungsklausel nach innerstaatlichem Recht, § 1081 ZPO. Im Übrigen kommen die allgemeinen Vorschriften über die Zwangsvollstreckung aus deutschen Vollstreckungstiteln zur Anwendung, Art. 20 I. Dabei hat das deutsche Vollstreckungsorgan zu prüfen, ob die nach Art. 20 II erforderlichen Unterlagen (Rz. 3180k) vollständig vorgelegt wurden. Wenn die Vollstreckung von einer Sicherheitsleistung durch den Gläubiger abhängt, kommt § 751 I ZPO zur Anwendung. Gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung findet die Erinnerung gemäß § 766 ZPO statt. Dem Schuldner muss im Hinblick auf Art. 6 I EMRK bzw. künftig Art. 47 II Eu- 3196a Grundrechtecharta eine Ausfertigung der Bestätigung spätestens mit Beginn der Zwangsvollstreckung (§ 750 ZPO) zugestellt werden, weil dieser – sofern im Ursprungsmitgliedstaat eine Parallelbestimmung zu § 1080 I 2 ZPO fehlt (Rz. 3190)
880 Der Schuldner kann gegen den der Bestätigung zugrunde liegenden Titel mit den etwa noch zulässigen Rechtsmitteln bzw. Rechtsbehelfen im Ursprungsmitgliedstaat vorgehen. 881 Bei Zustellung der Bestätigung im Ausland beträgt die Frist zwei Monate. Diese Fristenregelung entspricht derjenigen im Vollstreckbarerklärungsverfahren nach Art. 43 V EuGVVO. 882 Abgesehen von der Berichtigungsmöglichkeit. 883 Diese sind Vollstreckungstitel aus anderen Mitgliedstaaten, die dort als europäische Vollstreckungstitel bestätigt worden sind und in Deutschland – ohne vorheriges Vollstreckbarerklärungsverfahren nach Art. 38 EuGVVO – vollstreckt werden sollen. – Ist die Bestätigung nicht in deutscher Sprache abgefasst, ist eine deutsche Übersetzung beizufügen, § 1083 ZPO.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen – von der Existenz der im Ursprungsmitgliedstaat erfolgten Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel möglicherweise noch keine Kenntnis hat. 3197 Auf Antrag des Schuldners wird die Vollstreckung bei Unvereinbarkeit mit einer früheren, denselben Streitgegenstand betreffenden Entscheidung wegen „Titelkollision“ verweigert, Art. 21. Über den Antrag entscheidet ausschließlich das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Schuldner seinen Wohnsitz oder Sitz hat,884 funktionell zuständig ist der Richter.885 Dieser kann auch einstweilige Anordnungen erlassen. Diese sind unanfechtbar, § 707 II 2 ZPO. 3197a Hat der Schuldner im Ursprungsmitgliedstaat gegen den Titel einen Rechtsbehelf eingelegt oder die Berichtigung oder den Widerruf der Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel beantragt, kann das zuständige Gericht im Vollstreckungsmitgliedstaat auf Antrag des Schuldners nach Art. 23 der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 einstweilige Anordnungen wegen der Zwangsvollstreckung treffen. Zuständig ist in Deutschland nicht der Rechtspfleger, sondern der Richter. Dessen Beschlüsse sind unanfechtbar, § 1084 III 2 ZPO. Mit der Entscheidung in der Hauptsache im Ursprungsmitgliedstaat werden die im Inland getroffenen einstweiligen Anordnungen hinfällig.886 3198 Vollstreckungsgegenklage in Deutschland:887 Gegen Titel aus einem anderen Mitgliedstaat, die dort als Europäische Vollstreckungstitel bestätigt worden sind, kann der Schuldner Einwendungen erheben, die den titulierten Anspruch selbst betreffen und die nach deutschem Recht mit der Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) geltend zu machen sind. Der Schuldner wird mit solchen nach Erlass des ausländischen Vollstreckungstitels entstandenen Einwendungen gegen den Anspruch selbst nicht auf das Rechtsbehelfssystem im Ursprungsmitgliedstaat verwiesen.888 Bei der deutschen Vollstreckungsgegenklage handelt es sich nicht um eine unzulässige révision au fond (Überprüfung der ausländischen Entscheidung in der Sache selbst, Art. 21 II), da diese Einwendungen vom Richter im Ursprungsstaat bei Erlass der vollstreckbaren Entscheidung noch nicht berücksichtigt werden konnten. 3198a Die internationale Zuständigkeit Deutschlands basiert – ohne Rücksicht auf den Wohnsitz/Sitz der Parteien – auf Art. 22 Nr. 5 EuGVVO. Innerstaatlich ist nach § 1086 I ZPO das Gericht ausschließlich örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Schuldner seinen Wohnsitz oder Sitz hat, oder – wenn er im Inland keinen Wohnsitz bzw. Sitz hat – das Gericht, in dessen Bezirk die Zwangsvollstreckung stattfinden soll oder stattgefunden hat. 884 Hat der Schuldner seinen Wohnsitz bzw. Sitz außerhalb Deutschlands, dann kommt § 23 ZPO zur Anwendung, §§ 1084 I 2, 828 II ZPO. 885 Der Richter entscheidet durch Beschluss. Gegen den Beschluss in der Hauptsache findet die sofortige Beschwerde statt. 886 Die Zwangsvollstreckung in Deutschland ist einzustellen oder zu beschränken, wenn die Ausfertigung einer Bestätigung über die Nichtvollstreckbarkeit oder über die Beschränkung der Vollstreckbarkeit vorgelegt wird, § 1085 ZPO. 887 Hess IPRax 2004, 493 bestreitet die Gemeinschaftsrechtskonformität dieser Regelung: Sie verletze die Urteilsfreizügigkeit. Materiell-rechtliche Einwendungen könnten nur beim ausländischen Prozessgericht im Erststaat geltend gemacht werden. 888 Es bleibt ihm jedoch unbenommen, sich dorthin zu wenden.
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Vollstreckbarerklärung Präklusion von Einwendungen: § 767 II ZPO gilt in Abweichung von § 797 IV 3198b ZPO auch für Prozessvergleiche und öffentliche Urkunden, § 1086 II ZPO. Hiernach präkludierte Einwendungen müssen im Ursprungsmitgliedstaat geltend gemacht werden. Grund für diese Regelung sind Art. 24 II und Art. 25 II. Danach kann die Vollstreckbarkeit gerichtlicher Vergleiche oder öffentlicher Urkunden im Vollstreckungsmitgliedstaat „nicht angefochten“ werden.
XXV. Verordnung (EG) Nr. 1896/2006 vom 12.12.2006 zur Einführung eines europäischen Mahnverfahrens Literatur: Einhaus, Qual der Wahl: Europäisches oder internationales deutsches Mahnverfahren?, IPRax 2008, 323; Freitag, Rechtsschutz des Schuldners gegen den Europäischen Zahlungsbefehl, IPRax 2007, 509; Gundlach, Europäische Prozessrechtsangleichung: Gegenstand – Struktur – Methode dargestellt am Beispiel des Mahnverfahrens, 2005; Kodek, Kommentar zur europäischen Mahnverfahrensverordnung, in Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen35, 2008, Nr. 570.39 ff.; Kormann, Das neue Europäische Mahnverfahren im Vergleich zu den Mahnverfahren in Deutschland und Österreich, Diss. Passau 2007; Hess/Bittmann, Die Verordnungen zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens und eines Europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen – ein substantieller Integrationsschritt im Europäischen Zivilprozessrecht, IPRax 2008, 305; Kreuzer/Wagner in Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts (19. Ergänzungslieferung 2007), Rz. 792 ff.; Pérez-Ragone, Europäisches Mahnverfahren, 2005. Während die Verordnung (EG) Nr. 805/2004 vom 21.4.2004 zur Einführung eines 3198c europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen genuin nationalen Vollstreckungstiteln durch „Aufpfropfung“ der Bestätigung als europäischer Vollstreckungstitel zur europaweiten Vollstreckbarkeit verhilft und damit die Durchführung eines Vollstreckbarerklärungsverfahrens im Vollstreckungsmitgliedstaat überflüssig macht, geht die Verordnung (EG) Nr. 1986/2006889 einen Schritt weiter: Sie schafft ein eigenes gemeinschafts – bzw. künftig unionsrechtlich geregeltes Mahnverfahren, das zu einem Vollstreckungstitel führt, der europaweit – ohne Exequaturerfordernis im jeweiligen Vollstreckungsmitgliedstaat – vollstreckbar ist. Auch eine Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel nach der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 ist nicht erforderlich; denn es handelt sich bereits ab origine um einen „genuin“ europäischen Vollstreckungstitel. Das europäische Mahnverfahren führt kein obligatorisches Mahnklageverfahren ein. Es greift insofern nicht in die nationalen Prozessrechtssysteme ein. Es verdrängt nicht die nationalen Mahnverfahren; es ist vielmehr eine zusätzliche fakultative Alternative, Erwägungsgrund Nr. 10, Art. 1 II.890
3198d
Anders als das deutsche Mahnverfahren ist das europäische Mahnverfahren einstufig, Rz. 3198s. Legt der Gegner (Schuldner) gegen den europäischen Zah-
3198e
889 ABl. EU 2006 Nr. L 399, S. 1. 890 Kormann, Das neue Europäische Mahnverfahren im Vergleich zu den Mahnverfahren in Deutschland und Österreich, Diss. Passau 2007, 38.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen lungsbefehl nicht fristgerecht Einspruch ein, so wird dieser vom Mahngericht unverzüglich mit einem Formblatt für vollstreckbar erklärt. 3198f Das europäische Mahnverfahren erfasst nicht reine Inlandsfälle.891 Es ist nur in grenzüberschreitenden Fällen zulässig, Art. 2 I; mindestens eine Partei muss ihren Wohnsitz/Sitz in einem anderen Mitgliedstaat als dem Gerichtsstaat (Mitgliedstaat des mit dem europäischen Mahnverfahren befassten Gerichts) haben,892 Art. 3 I.893 3198g Der Anwendungsbereich der Verordnung (Art. 2 I 1) deckt sich ansonsten im Grundsatz mit dem der EuGVVO.894 Allerdings ist das europäische Mahnverfahren nur zulässig, wenn der geltend gemachte Anspruch mahnfähig ist im Sinne von Art. 4: Es muss sich um bezifferte fällige Geldforderungen handeln. Der Begriff „Fälligkeit“ ist für alle Mitgliedstaaten einheitlich – ohne Rückgriff auf die jeweilige lex causae – autonom auszulegen. Fällig gemäß Art. 4 ist nur dann eine Geldforderung, wenn sie nicht von einer (noch) nicht erbrachten Gegenleistung abhängig ist. Ohne eine solche Reduzierung könnte der Schuldner der Gegenleistung sich als Gläubiger der Geldforderung sich einen (vorbehaltlosen) Titel beschaffen, ohne seine Leistung erbracht zu haben bzw. zu erbringen.895 Der Antragsgegner (Schuldner der Geldforderung) hätte die prozessuale Last, gegen den europäischen Mahnbescheid Einspruch einzulegen und im ordentlichen Zivilprozess die unbedingte Verurteilung zur Geldzahlung zu bekämpfen. 3198h
Eine Wertgrenze896 ist – ebenso wie im deutschen Mahnverfahren897 – nicht vorgesehen.898 Ausgeschlossen sind nach Art. 2 II (d) Ansprüche aus außervertraglichen Schuldverhältnissen, soweit (a) diese nicht Gegenstand einer Vereinbarung zwischen den Parteien oder eines Schuldanerkenntnisses sind oder
891 Die Einbeziehung auch der Inlandsfälle wurde im Gesetzgebungsverfahren schon aus Gründen der Rechtssicherheit und leichteren Handhabbarkeit der Verordnung für sinnvoll gehalten; jedoch fehlte es wohl an einer Kompetenz der Europäischen Gemeinschaft, Art. 65 (c) EG; Kormann, Das neue Europäische Mahnverfahren im Vergleich zu den Mahnverfahren in Deutschland und Österreich, Diss. Passau 2007, 49 ff. 892 Diese Anwendungsregel ist nach Auffassung der Europäischen Kommission zu eng, weil die Europäische Gemeinschaft aufgrund des GATT-Abkommens, des GATS-Übereinkommens und des TRIPS-Übereinkommens auch Verpflichtungen zu Rechtsschutzmechanismen für Personen ohne Wohnsitz/Sitz in der Europäischen Union übernommen hat, Nachweise bei Kormann, Das neue Europäische Mahnverfahren im Vergleich zu den Mahnverfahren in Deutschland und Österreich, Diss. Passau 2007, 52. 893 Ebenso Art. 3 I der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 vom 11.7.2007 zur Einführung eines Europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen. 894 Kormann, a.a.O., 57. 895 Kormann, a.a.O., 63. 896 Eine solche gilt im Europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen nach Art. 2 I der Verordnung (EG) Nr. 861/2007 vom 11.7.2007: 2000 Euro. 897 Anders § 244 I österr. ZPO: 30 000 Euro. 898 Kormann, a.a.O., 46.
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Vollstreckbarerklärung (b) diese sich nicht auf bezifferte Schuldbeträge beziehen, die sich aus gemeinsamem Eigentum an unbeweglichen Sachen ergeben.899 Auch Antragsteller aus Nichtmitgliedstaaten erhalten Rechtsschutz nach der 3198i Europäischen Mahnverfahrens-Verordnung: Die Antragsbefugnis ist nicht auf Personen mit Wohnsitz/Sitz im geographischen Anwendungsbereich der Verordnung beschränkt.900 Erst recht spielt die Staatsangehörigkeit des Antragstellers eine Rolle. Vice versa ist die Gerichtspflichtigkeit in Verfahren nach der Europäischen 3198j Mahnverfahrens-Verordnung nicht auf Personen mit Wohnsitz/Sitz im geographischen Anwendungsbereich der Verordnung beschränkt. Auch in Nichtmitgliedstaaten domizilierte Personen werden erfasst, sofern eine Zuständigkeitsanknüpfung nach Art. 4 ff. EuGVVO gegeben ist.901 Für die internationale Zuständigkeit der Mitgliedstaaten zum Erlass des europäischen Mahnbescheids verweist nämlich Art. 6 I im Grundsatz auf Art. 2 ff. EuGVVO, soweit keine Spezialregelungen des Gemeinschafts- bzw. künftig Unionsrechts in concreto Vorrang haben. Ist jedoch ein Verbraucher Antragsgegner und hat er den Vertrag, aus dem die Geldforderung hervorgeht, nicht zu beruflichen oder gewerblichen Zwecken geschlossen, so ist bzw. sind nach Art. 6 II nur dessen Wohnsitzstaat(en) (Art. 59 EuGVVO) international zuständig. Der Verbraucherbegriff (Art. 6 II) ist – losgelöst von den nationalen Rechtsord- 3198k nungen – im Wege der autonomen Qualifikation für alle Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen. Er erfasst den nicht berufs- oder gewerbebezogen agierenden Endverbraucher. Er stimmt mit dem des Art. 6 I (d) der Europäischen Vollstreckungstitelverordnung (Rz. 3182b) überein.902 Er ist weiter als der der EuGVVO, weil er nicht auf bestimmte in Art. 15 I (a)(b)(c) aufgezählte Vertragsarten beschränkt ist.903 Im Interesse der Vereinfachung und Beschleunigung grenzüberschreitender 3198l Verfahren im Zusammenhang mit unbestrittenen Geldforderungen sowie zur Senkung der Verfahrenskosten wird für den Schriftverkehr zwischen dem Gericht und den Parteien die Verwendung von inhaltlich standardisierten Formblättern mit Schlüsseln (Codes) zwingend vorgeschrieben.904 Auch kann der Antrag auf Erlass eines Europäischen Zahlungsbefehls (Art. 7 V und VI) und der Einspruch (Art. 16 IV und V) hiergegen in einer nur maschinell lesbaren Form eingereicht werden, § 1088 ZPO. Dies ermöglicht die formale Prüfung des Mahnbescheidsantrags905 im automatisierten Verfahren durch zentrale Mahngerichte (bundeseinheitlich für ganz
899 Zu den erheblichen Divergenzen in den verschiedenen Sprachfassungen ausführlich Kormann, a.a.O., 59. 900 Kormann, a.a.O., 53. 901 Kormann, a.a.O., 53. 902 Hierzu Zöller/Geimer, ZPO27, 2009, Anh. II Art. 6 EuVollstreckungstitelVO Rz. 3. 903 Kormann, a.a.O., 67. 904 Kormann, a.a.O., 81. 905 Kormann, a.a.O., 94 ff.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen Deutschland: AG Berlin-Wedding, § 1087 ZPO).906 Die Verordnung schreibt nicht die Prüfung durch Richter oder Rechtspfleger vor, Erwägungsgrund Nr. 16.907 Werden behebbare Mängel des Antrags festgestellt, so setzt das Mahngericht dem Antragsteller eine Frist zur deren Beseitigung, Art. 9. Ist die Forderung offensichtlich unbegründet oder bestehen sonst nicht behebbare Mängel des Antrags (z.B. [internationale] Unzuständigkeit des angegangenen Gerichts), wird der Antrag ohne vorheriges Verbesserungsverfahren zurückgewiesen, Art. 11. Möglich ist auch, nur hinsichtlich eines Teils des Antrags einen Europäischen (Teil-)Zahlungsbefehl zu erlassen, wenn die Voraussetzungen für den Erlass nur für einen Teil der Forderung erfüllt sind, Art. 10.908 Durch die Formblätter mit ihren standardisierten Angaben sollen unnötige Kosten für Übersetzungen eingespart und die damit verbundenen Verzögerungen des Verfahrens vermieden werden. Der Antragsteller muss zwar den Antrag auf Erlass eines Europäischen Mahnbescheids in einer im Gerichtsstaat anerkannten Sprache einreichen. Er kann sich beim Ausfüllen der Formulare aber an einem in seiner Muttersprache verfassten, mit Hinweisen versehenen Muster orientieren. Auch das Mahngericht verwendet bei seinen Entscheidungen weitgehend die durch die Verordnung vorgegebenen Formblätter, Art. 10, Art. 12. Anwaltszwang besteht nicht, Art. 24 (a)(b).909 3198m Die Antragszurückweisung erwächst nicht in materielle Rechtskraft. Der Antragsteller kann seinen Antrag auf Erlass eines Europäischen Mahnbescheids wiederholen oder im ordentlichen Verfahren klagen, Art. 11 III.910 Er kann aber nicht mit einem Rechtsmittel gegen die Antragszurückweisung vorgehen, Art. 11 II. Allerdings kann das nationale Recht eine Überprüfung in derselben Instanz zulassen, Erwägungsgrund Nr. 17.911 Dies ist jedoch in Deutschland nicht geschehen. Eine solche Überprüfung sehen §§ 1087 ff. nicht vor. 3198n
Die Zustellung des Europäischen Zahlungsbefehls erfolgt nach dem im Ursprungsmitgliedstaat geltenden Zustellungsrecht. Allerdings stellt die Verordnung – ebenso wie die Europäische Vollstreckungstitelverordnung (Art. 13 – Art. 15) – in Art. 13 – Art. 15 Mindeststandards auf.912 Eine öffentliche Zustellung bei unbekanntem Aufenthaltsort des Antragsgegners ist ausgeschlossen, Erwägungsgrund Nr. 19, Art. 14 II. Deshalb schließt in Deutschland § 1089 I 2 ZPO nach dem Vorbild von § 688 II Nr. 3 ZPO die öffentliche Zustellung (§§ 185 ff. ZPO) aus.
3198o
Hat der Antragsgegner nicht fristgerecht Einspruch eingelegt, so erklärt das Mahngericht den Europäischen Mahnbescheid unverzüglich für vollstreckbar. Dieser Vollstreckungstitel ist nun in allen Mitgliedstaaten ohne weiteres Exequa906 907 908 909 910 911 912
Hierzu ausführlich Kormann, a.a.O., 189 ff. Kormann, a.a.O., 104. Zur Gesetzesgeschichte Kormann, a.a.O., 112 ff. Hierzu Kormann, a.a.O., 78. Kormann, a.a.O., 118. Rauscher Einf Rz. 34; Kormann, a.a.O., 118. Kormann, a.a.O., 129 ff.
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Vollstreckbarerklärung tur – ebenso wie der Europäische Vollstreckungstitel nach der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 – europaweit vollstreckbar. Für die Durchführung der Zwangsvollstreckung kommt das (nationale) Recht des jeweiligen Vollstreckungsmitgliedstaates zur Anwendung, Art. 21. Nach Vollstreckbarerklärung ist der Europäische Mahnbescheid grundsätzlich 3198p unanfechtbar. Eine ausnahmsweise Überprüfung kann nur im Ursprungsmitgliedstaat (in Deutschland: AG Berlin-Wedding, § 1087 ZPO) erfolgen und nur unter den Voraussetzungen des Art. 20:913 (a) Die Zustellung des Zahlungsbefehls an den Antragsgegner (Schuldner) in einer der nach Art. 14 zugelassenen Zustellungsformen (es handelt sich um solche ohne Nachweis des Empfangs durch den Antragsgegner persönlich) ist ohne dessen Verschulden nicht so rechtzeitig erfolgt, dass er Vorkehrungen für seine Verteidigung hätte treffen können oder (b) der Antragsgegner konnte aufgrund höherer Gewalt oder aufgrund außergewöhnlicher Umstände ohne eigenes Verschulden keinen Einspruch einlegen. (c) Schließlich lässt die Verordnung eine Überprüfung zu, wenn der Zahlungsbefehl gemessen an den in der Verordnung festgelegten Voraussetzungen oder aufgrund von anderen außergewöhnlichen Umständen offensichtlich zu Unrecht erlassen worden ist. Im Vollstreckungsmitgliedstaat darf die materielle Berechtigung des im Europäi- 3198q schen Mahnbescheid titulierten Anspruchs nicht nachgeprüft werden, Erwägungsgrund Nr. 27; Art. 22 III.914 Der vollstreckbar gewordene Europäische Zahlungsbefehl ist in den anderen Mitgliedstaaten einer dort ergangenen vollstreckbaren Entscheidung gleichgestellt. Dies bedeutet: Er wird unter den gleichen Bedingungen vollstreckt wie eine im Vollstreckungsmitgliedstaat vollstreckbar gewordene Entscheidung, Art. 21 I 2. Für die Vollstreckung gilt das Recht des jeweiligen Vollstreckungsmitgliedstaates, Art. 21 I 1. Nur unter den Voraussetzungen der Art. 22 und Art. 23 darf die Vollstreckung verweigert bzw. beschränkt werden. Das Europäische Mahnverfahren ist – anders als das Betreibungsverfahren in der 3198r Schweiz (Art. 67 SchKG) – als eigenständiges Erkenntnisverfahren konzipiert, Art. 17 I.915 Es ist auf die endgültige Streitbeilegung mit Rechtskraftwirkung hin angelegt.916 Dies ist allerdings im Verordnungstext nicht deutlich stipuliert. Deshalb will z.B. Kodek917 über Art. 26 nationales Recht zur Anwendung bringen. Das Verfahren beginnt, sobald der Antrag auf Erlass des Europäischen Zahlungsbefehls gestellt ist, Art. 7. Legt der Antragsgegner (Schuldner) Einspruch ein, wird – anders als nach deutschem Recht (§ 696 I ZPO) – das Verfahren von Amts wegen übergeleitet, Art. 17 I 1.
913 914 915 916 917
Kormann, a.a.O., 158 ff. Kormann, a.a.O., 166, 169. Kormann, a.a.O., 37. Kormann, a.a.O., 39. Kodek in Festschrift Rechberger, 2006, 283, 290.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen 3198s Das Europäische Mahnverfahren ist – anders als das deutsche Mahnverfahren (Mahnbescheid und Vollstreckungsbescheid) -- einstufig konzipiert.918 Es wird lediglich der Europäische Mahnbescheid erlassen, Art. 12. Dieser wird durch Zeitablauf vollstreckbar, wenn der Antragsgegner (Schuldner) keinen Einspruch einlegt. Allerdings übersendet das Mahngericht den vollstreckbaren Europäischen Mahnbescheid erst nach Ablauf der Einspruchsfrist, Art. 18 III. Der Europäischen Mahnbescheid enthält lediglich die Aufforderung, die genau bezeichnete Forderung zu zahlen oder binnen 30 Tagen ab Zustellung Einspruch beim Ursprungsgericht (Mahngericht) einzulegen, sowie die in Art. 12 IV aufgelisteten Belehrungen. Ansonsten wird auf das in Abschrift beizufügende Antragsformular verwiesen, Art. 12 II 1. 3198t Legt der Antragsgegner (Schuldner) fristgerecht Einspruch ein, so wird das Verfahren gemäß Art. 17 I 1 im Ursprungsmitgliedstaat von Amts wegen nach den dort geltenden Regeln des ordentlichen Zivilprozesses weitergeführt, es sei denn, der Antragsteller hat ausdrücklich beantragt, das Verfahren in einem solchen Fall zu beenden. Die Modalitäten der Überleitung bestimmt das nationale Recht, Erwägungsgrund Nr. 24, Art. 17 II.919 In Deutschland ist sedes materiae § 1090 ZPO. Die Abgabeverfügung des Rechtspflegers können die Parteien nicht anfechten. Wie im deutschen Mahnverfahren sind strittige Fragen hinsichtlich der Zuständigkeit nicht vom Mahn-, sondern vom Streitgericht zu klären. Der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit (§ 1090 III ZPO) entspricht der Parallelsituation im deutschen Mahnverfahren.
XXVI. Verordnung (EG) Nr. 861/2007 vom 11.7.2007 zur Einführung eines Europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen Literatur: Brokamp, Das Europäische Verfahren für geringfügige Forderungen, 2008; Hess/Bittmann, Die Verordnungen zur Einführung eines Europäischen Mahnverfahrens und eines Europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen – ein substantieller Integrationsschritt im Europäischen Zivilprozessrecht, IPRax 2008, 305. 3198u
Während die Europäische Vollstreckungstitel-Verordnung und die Europäische Mahnverfahrens-Verordnung nur unstreitige Forderungen betreffen und nur für diese die Möglichkeit eines europaweit vollstreckbaren Titels unter Ausschluss des Exequaturverfahrens im jeweiligen Vollstreckungsmitgliedstaat schaffen, sieht die Europäische Bagatellverfahrens-Verordnung920 die gleiche Lösung erstmals auch für streitige Forderungen bis zu einem Netto-Betrag von 2000 Euro vor.921 Mit dem von der Verordnung eingeführten Verfahren soll ein effizientes und kostengünstiges Instrumentarium zur europaweiten Durchsetzung geringwertiger Forderungen geschaffen werden. Hierfür sah der europäischer Gesetz-
918 919 920 921
Kormann, a.a.O., 40. Kormann, a.a.O., 148. ABl. EU Nr. L 199 vom 31.7.2007, S. 1. Erwägung 10, Art. 2) vor, Erwägung 30, Art. 1 II, Art. 20.
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Vollstreckbarerklärung geber ein dringendes Bedürfnis, weil der normale Zivilprozess in den Mitgliedstaaten für deren Realisierung viel zu teuer und zu schwerfällig sei und deshalb die Gläubiger resignierten. Aber auch wenn ein nationaler Titel erstritten wurde, seien im Hinblick auf das Exequaturerfordernis die Kosten und sonstigen Komplikationen für die grenzüberschreitende Vollstreckung viel zu aufwändig, so dass spätestens dann die meisten Gläubiger aufgäben, Erwägung 8. Um dem entgegenzuwirken, steckt der europäische Gesetzgeber sich ein ehrgeiziges Ziel: Entscheidung in der Sache möglichst innerhalb von 6 Monaten und anschließend sofortige Vollstreckung. Um dies zu erreichen, sieht die Verordnung Folgendes vor:
3198v
(1) Kurze Fristen (Art. 5 III-VI, Art. 7, Art. 14); (2) Verwendung von Formularen für Klage (Art. 4 I, Anh. I Klageformblatt A) und Klageerwiderung (Anh. I Antwortformular C); für die Übermittlung gilt nationales Recht, Art. 4 II, § 1097 ZPO; (3) Beschränkung der Widerklagemöglichkeit (Art. 5 VII 1, § 1099 ZPO); (4) schriftliches Verfahren; mündliche Verhandlung nur in Ausnahmefällen (Erwägung 14, Art. 6 I; § 1100 ZPO); (5) kein Anwaltszwang, Erwägung 15, Art. 10; (6) Lockerung des Strengbeweises (Art. 9; § 1101 ZPO); (7) kein Versäumnisverfahren mit Einspruchsmöglichkeit, sondern Entscheidung nach Lage der Akten (Art. 7 III; § 1103 ZPO); (8) bereits vor Eintritt der formellen Rechtskraft (Unanfechtbarkeit) sofortige Vollstreckung ohne Sicherheitsleistung, Erwägung 25, Art. 15 I. Anders als nach § 708 ZPO bedarf es keines ausdrücklichen Ausspruchs über die vorläufige Vollstreckbarkeit, gleichwohl wird in Deutschland zur Verdeutlichung so tenoriert, § 1105 I ZPO; (9) bei der Kostenerstattungspflicht Einschränkung des Prinzips der Verteilung der Kosten nach dem Grad des Obsiegens, Erwägung 29, Art. 16. Der sachliche Anwendungsbereich (Art. 2 II [f]-[h]) ist enger als der des Art. 1 II 3198w EuGVVO. Für die internationale Zuständigkeit gelten Art. 2 ff. EuGVVO. Soweit die Verordnung keine Regelung enthält, gilt für das Erkenntnisverfahren das nationale Recht des Gerichtsstaates, Art. 19. Für das Vollstreckungsverfahren gilt im Grundsatz das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaates, vorbehaltlich Art. 21 ff. Das europäische Bagatellverfahren verdrängt nicht die nationalen Verfahren; es stellt dem Kläger (Gläubiger) lediglich ein zusätzliches (nach Auffassung des europäischen Gesetzgebers besseres) alternatives Verfahren zur Verfügung (Art. 1 I), allerdings nur in grenzüberschreitenden Rechtssachen (Art. 3).
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen
XXVII. Verordnung (EG) Nr. 4/2009 vom 18.12.2008 des Rates über die Zuständigkeit und das anwendbare Recht in Unterhaltssachen, die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen und die Zusammenarbeit im Bereich der Unterhaltspflichten 3199 Am 18.12.2008 hat der europäische Gesetzgeber die Unterhaltsverordnung922 verabschiedet. Diese sieht in Art. 17 einen europaweit vollstreckbaren Titel vor, welcher der Vollstreckbarerklärung in den anderen Mitgliedstaaten nicht bedarf. Die Verordnung erfasst auch streitige Forderungen. Sie gilt ab 18.6.2011, sofern das Haager KSÜ-Protokoll zu diesem Zeitpunkt in der Gemeinschaft anwendbar ist, andernfalls ab Anwendbarkeit des Protokolls, Art. 76 III. Ihr wird große praktische Bedeutung zukommen.
XXVIII. Internationales Familienrechtsverfahrensgesetz 3199a Das Gesetz zur Aus- und Durchführung bestimmter Rechtsinstrumente auf dem Gebiet des internationalen Familienrechts (IntFamRVG) vom 31.1.2005923 soll zum einen – anstelle der bisherigen §§ 50–54 AVAG – die deutschen Durchführungsbestimmungen für die am 1.3.2005 in Kraft getretene EuEheVO enthalten. Aus Gründen des Sachzusammenhangs rezipiert das Gesetz auch die Vorschriften des Gesetzes zur Ausführung des Haager Übereinkommens vom 25.10.1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung und des Europäischen Übereinkommens vom 20.5.1980 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses (Sorgerechtsübereinkommens-Ausführungsgesetz).924 Die Ausführungsvorschriften zum internationalen Familienrecht sind damit in einem einzigen Gesetz neu geordnet. 3199b
Das Gesetz ist so konzipiert, dass es für die Integration von Vorschriften zur Ausführung internationaler Regelungen auf dem Gebiet des Familienrechts offen ist. Das gilt insbesondere für die Aufnahme von Ausführungsvorschriften zu dem Haager Übereinkommen vom 19.10.1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern (Rz. 244a).
3199c Die bisherigen Vorschriften zur Ausführung des Haager Kindesentführungsübereinkommens wurden mit wenigen Ausnahmen unverändert in das Gesetz übernommen. Abschnitt 6 enthält neben Ausführungsvorschriften zu dem Haager Kindesentführungsübereinkommen auch Durchführungsvorschriften zu Art. 11 der EuEheVO, der das Haager Kindesentführungsübereinkommen ergänzt. Regelungen über die Beschleunigung des Verfahrens sollen die möglichst rasche
922 ABl. EU Nr. L 7 vom 10.1.2009, S. 1. S. unten 1547. 923 BGBl. 2005 I 161; Bundesratsdrucksache 607/04. 924 Gesetz vom 5.4.1990, BGBl. 1990 I 701.
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Vollstreckbarerklärung Durchführung der Rückgabeverfahren sicherstellen. Das Gericht soll darüber hinaus in jeder Lage des Verfahrens auf die tatsächliche Beachtung des Rechts zum persönlichen Umgang hinwirken. Die Vorschriften zur Ausführung des Luxemburger Europäischen Überein- 3199d kommens vom 20.5.1980 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses (Europäisches Sorgerechtsübereinkommen)925 wurden dem Anerkennungs- und Vollstreckbarerklärungsverfahren nach der EuEheVO weitmöglichst angeglichen, insbesondere hinsichtlich der Rechtsmittel. Um die Effizienz der EuEheVO, des Haager Kindesentführungsübereinkommens 3199e und des Europäischen Sorgerechtsübereinkommens sicherzustellen, will das Gesetz die Maßnahmen zur zwangsweisen Durchsetzung von Entscheidungen nach diesen Rechtsinstrumenten verbessern. Es hat sich insbesondere im Rahmen des Haager Kindesentführungsübereinkommens gezeigt, dass § 33 FGG926 nicht ausreichte, um grenzüberschreitend eine effektive Durchsetzung gerichtlicher Entscheidungen zu gewährleisten. Oft scheiterte eine gerichtlich angeordnete Rückgabe des Kindes oder der Umgang mit dem Kind daran, dass die verpflichtete Person der Anordnung freiwillig nicht Folge leistet(e). Gerichtliche Anordnungen zur Gestaltung eines Besuchsaufenthalts etwa konnten durch Ausschöpfung des Rechtsmittelsystems zum Teil über Jahre hinweg unterlaufen werden, da die festgelegten Umgangszeiten verstrichen sind, bevor ein Zwangsmittel realisiert werden kann. Diese vor allem aus dem Beugecharakter des Zwangsvollstreckungssystems ab- 3199f geleitete bisherige Rechtspraxis wurde besonders wegen der unzureichenden Umsetzung der internationalen Rechtsinstrumente von vielen Staaten kritisiert. Ein Wechsel zu repressiven Zwangsvollstreckungsmechanismen war daher sinnvoll. Ordnungsmittel können – im Gegensatz zur bisherigen Praxis – auch dann verhängt werden, wenn im Einzelfall der konkrete Erfolg (z.B. eine Realisierung des Umgangs in den Schulferien des Kindes) wegen Zeitablaufs (z.B. Ferienende) nicht mehr herbeigeführt werden kann. Der reaktiv-repressive Sanktionscharakter927 der neuen Instrumente kann da- 3199g bei nicht nur eine Missachtung gerichtlicher Verfügungen wirkungsvoll sanktionieren, sondern auch im Hinblick auf mögliche künftige Zuwiderhandlungen wirken und über den Einzelfall hinaus generalpräventive Bedeutung gewinnen, wenn bekannt wird, dass Verstöße gegen gerichtliche Umgangs- und Herausgabeentscheidungen konsequent verfolgt werden.928 Die neuen „contempt of court-Normen“ sollen die Autorität der Gerichte, aber auch das Bewusstsein der
925 926 927 928
BGBl. 1990 II 206, 220. So die amtliche Begründung. Hierzu BGH vom 14.8.1009, FamRZ 2008, 2223, 2234. Lotz, Die Vollstreckung in der freiwilligen Gerichtsbarkeit. – Eine systematische Aufarbeitung des § 33 FGG unter besonderer Berücksichtigung des Referentenentwurfs zum FamFG und der Zulässigkeit einer Gewaltanwendung gegen Kinder, Diss. Düsseldorf, 2006.
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Zwölfter Teil: Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen Richter für die Notwendigkeit einer tatsächlichen Durchsetzung der eigenen Entscheidungen stärken.929 3199h
§ 44 IntFamRVG ermöglicht in Verbindung mit § 89 FamFG die Ahndung von Zuwiderhandlungen gegen gerichtliche Entscheidungen, insbesondere Herausgabe- und Umgangsanordnungen; die Vorschrift enthält zudem eine Regelung, nach der die Androhung des Ordnungsmittels nicht isoliert anfechtbar ist und normiert die Zuständigkeit des erkennenden Gerichts für Vollstreckungsmaßnahmen sowie die amtswegige Vollstreckung bei Herausgabe und Rückgabeanordnungen.930
3199i Für die Durchführung der EuEheVO ist grundsätzlich das Familiengericht zuständig. Nach § 10 Nr. 1 IntFamRVG kommt es vorrangig auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Antragsgegners oder des Kindes an, auf das sich die anzuerkennende Entscheidung bezieht. Unter mehreren danach zuständigen Gerichten hat der Antragsteller die Wahl. Nach § 10 Nr. 2 ist der Ort maßgeblich, an welchem das Interesse an der beantragten Feststellung hervortritt oder das Bedürfnis der Fürsorge besteht. § 10 Nr. 3 sieht eine Auffangzuständigkeit der Berliner Gerichte vor. § 10 regelt außerdem die örtliche Zuständigkeit für die Vollstreckung ausländischer Entscheidungen, die nach den Art. 41 und 42 EuEheVO keiner Vollstreckbarerklärung im Inland mehr bedürfen, sowie für Verfahren über die Modalitäten einer ausländischen Umgangsentscheidung (Art. 48 EuEheVO). 3199j
Wie bisher sieht auch § 12 IntFamRVG eine Zuständigkeitskonzentration vor. Im Bezirk des Kammergerichts ist das Familiengericht Pankow/Weißensee und in den Bezirken der übrigen Oberlandesgerichte das Familiengericht am Sitz des jeweiligen Oberlandesgerichts zuständig. Durch diese Zuständigkeitskonzentration soll eine besondere Sachkunde und praktische Erfahrung bei den zentralisierten Familiengerichten gefördert werden. Die Länder können jedoch abweichende Regelungen vorsehen, § 12 III IntFamRVG.
3199k
§ 13 I IntFamRVG gibt dem zentralisierten Familiengericht in Verfahren nach Art. 21 ff. EuEheVO, dem Haager Kindesentführungsübereinkommen oder dem Europäischen Sorgerechtsübereinkommen eine Zuständigkeit auch für andere sorge- und umgangsrechtliche Verfahren einschließlich Vollstreckungsmaßnahmen. Das für die Feststellung der Anerkennung bzw. die Vollstreckbarerklärung einer ausländischen Entscheidung zuständige Gericht kann z.B. eine ausländische Sorgerechtsentscheidung durch eine Herausgabeanordnung ergänzen oder eine ausländische Umgangsregelung den aktuellen Gegebenheiten anpassen. Das Verfahren in diesen anderen Sorge- und Umgangsrechtsstreitigkeiten richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften.
929 Die (vor dem 1.9.2009 bestehende) Privilegierung gegenüber reinen Inlandsfällen, für die nur das Instrumentarium des § 33 FGG zur Verfügung stand, war angesichts der besonderen Schwierigkeit bei der internationalen Durchsetzung mit Art. 3 I GG vereinbar. Nunmehr übernimmt § 89 FamFG das Konzept des § 44 IntFamRVG ganz generell auch für die Inlandsfälle. 930 Hierzu z.B. Gruber, Das HKÜ, die Brüssel IIa-Verordnung und das internationale Familienrechtsverfahrensgesetz, FPR 2008, 214, 217.
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Vollstreckbarerklärung § 13 II931 IntFamRVG eröffnet darüber hinaus eine fakultative Zuständigkeit des 3199l zentralisierten Familiengerichts für die Fälle, in denen das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, ein Elternteil dagegen in einem anderen EUMitgliedstaat oder einem anderen Vertragsstaat des Haager Kinderschutzübereinkommens, des Haager Kindesentführungsübereinkommens oder Europäischen Sorgerechtsübereinkommens sich gewöhnlich aufhält. Jeder Betroffene kann sich in diesen Fällen auch dann an das Gericht mit konzentrierter Zuständigkeit wenden, wenn noch kein Verfahren nach Art. 21 ff. EuEheVO, dem Haager Kindesentführungsübereinkommen oder dem Europäischen Sorgerechtsübereinkommen anhängig ist. So kann vermieden werden, dass im Laufe eines beim Gericht des gewöhnlichen Aufenthalts eingeleiteten Verfahrens eine Abgabe an das Gericht mit konzentrierter Zuständigkeit erfolgen muss. § 13 II betrifft nur neu anhängig zu machende Verfahren; nicht möglich ist jedoch, ein beim Wohnsitzgericht bereits anhängiges Verfahren im Nachhinein vor das zentralisierte Familiengericht zu ziehen, bevor ein Antrag nach der EuEheVO, dem Haager Kinderschutzübereinkommen, dem Kindesentführungsübereinkommen oder nach dem Europäischen Sorgerechtsübereinkommen gestellt ist.932
931 In der Fassung des Gesetzes vom 25.6.2009, BGBl. I 1594. 932 Hierzu Staudinger/Pirrung, Vorbem C–H zu Art. 19 EGBGB – Internationales Kindschaftsrecht 2, Neubearbeitung 2009, Rz. F31.
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Dreizehnter Teil: Internationales Zwangsvollstreckungsrecht Literatur: Andenas/Heß/Oberhammer (ed.), Enforcement Agency Practice in Europe, 2005; Bommer, Die Zuständigkeit für Widerspruchs- und Anfechtungsklagen im internationalen Verhältnis, Diss. Zürich 2001; Bruns, Zwangsgeld zugunsten des Gläubigers – ein europäisches Zukunftsmodell?, ZZP 118 (2005), 3; Engel, Das Recht der Mobiliarzwangsvollstreckung im Staat New York, 1998; Nikolaj Fischer, Vollstreckungszugriff als Grundrechtseingriff – Zugleich eine Kritik der Hyperkonstitutionalisierung einfachen Verfahrensrechts, 2006; Freitag, Anerkennung und Rechtskraft europäischer Titel nach EuVTO, EuMahnVO und EuBagatellVO, in Festschrift Kropholler, 2008, 759; Fuchs/Hau/Thorn, Fälle zum IPR3, 2007, 48; R. Geimer, Über die Vollstreckungsgewalt der Staaten in Zivil- und Handelssachen, in Festschrift Kerameus, 2009, 379; Gerhard, L’exécution forcée transfrontière des injonctions non pécuniaires en droit privé, 2000; R. Geimer, Exequaturverfahren, in Festschrift Georgiades, 2005, 489; Giannattasio, Le statut des bateaux, en particulier dans l’exécution forcée, et la procédure de limitation de la responsabilité moyennant constitution d’un fonds de limitation, Diss. Lausanne, 2009; Gottwald, Die internationale Zwangsvollstreckung, IPRax 1991, 285; Haag, Sicherungsrechte an Flugzeugen in der Einzelzwangsvollstreckung und Insolvenz, Diss. Freiburg 2004; Hess, Die Europäische Kontenpfändung aus der Perspektive eines Europäischen Vollstreckungsrechts, in Festschrift Kropholler, 2008, 795; Hök, Die grenzüberschreitende Forderungs- und Kontopfändung, MDR 2005, 306; Kerameus, Enforcement in the International Context, RdC 264 (1997), 179; Kerameus, Enforcement Proceedings in International Encyclopedia of Comparative Law, Vol. XVI Chapter 10; Kerameus, Comparative Aspects of Litigation Pertaining to Enforcement, in Festschrift Drobnig, 1998, 549; Kerameus, Enforcement in the International Context, RdC 264 (1997), 197; Koch, Neuere Probleme der internationalen Zwangsvollstreckung einschließlich des einstweiligen Rechtsschutzes in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht und die Auswirkungen der Unterscheidung im Recht der internationalen Zwangsvollstreckung, 1992, 171; Lange, Internationale Rechts- und Forderungspfändung: Eine Untersuchung zu den Chancen und Risiken „grenzüberschreitender“ Vollstreckungsmaßnahmen in Forderungen und sonstige Vermögensrechte unter besonderer Berücksichtigung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 und des Zustellungsreformgesetzes, Diss. Saarbrücken 2004; de Leval (ed.), Seizure and Overindebtedness in the European Union – Les Saisies et le Surendettement dans l’Union Européene – Zwangsvollstreckung und Verbraucherkonkurs in der Europäischen Union, 1997; Lindacher, Internationale Unterlassungsvollstreckung, in Festschrift Gaul, 1997, 399; Maaz, Zwangsvollstreckung in Vermögensrechte an Identitätsmerkmalen im Rechtsvergleich Deutschland – USA: Zur Verselbständigung und Verkehrsfähigkeit von Identitätsmerkmalen eines Menschen, wie Name, Bild, Stimme, persönliche Daten etc., und deren Pfändung und Verwertung als geistige Eigentumsrechte zur Gläubigerbefriedigung im Rahmen der Geldvollstreckung unter Abwägung der schützenswerten Interessen des Schuldners, Diss. Würzburg 2006; Mack, In1142
Gerichtsbarkeit ternationale Zuständigkeit englischer Gerichte bei grenzüberschreitende Forderungspfändungen, IPRax 2005, 553; Mansel, Substitution im deutschen Zwangsvollstreckungsrecht, in Festschrift W. Lorenz, 1991, 689; Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 17 Rz. 2 ff.; Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000, 9 ff.; Oberhammer, Der Europäische Vollstreckungstitel: Rechtspolitische Ziele und Methoden, JBl 2006, 477; Pedrotti, Le séquestre international – Fondements, conditions et procédure du séquestre des biens du débiteur qui habite à l’étranger, 2001; Peyer, Vollstreckung unvertretbarer Handlungen und Unterlassungen: Civil contempt of court des englischen Rechts im Vergleich zum schweizerischen Zivilprozessrecht, 2006; Remien, Rechtsverwirklichung durch Zwangsgeld, 1992; Rotmann, Der Schutz des Dritten in der europäischen Mobiliarzwangsvollstreckung – Eine rechtsvergleichende Untersuchung vor dem Hintergrund der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 zur Einführung eines Europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen, Diss. Heidelberg 2007; Schack, Internationale Zwangsvollstreckung in Geldforderungen, Rpfleger 1980, 175; Schack, Zur Anerkennung ausländischer Forderungspfändungen, IPRax 1997, 318; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 956 ff.; Schlosser, Grenzüberschreitende Vollstreckbarkeit von Nicht-Geldleistungsurteilen, in Festschrift Leipold, 2009, 435; Schreiber, Die Haftung des Vollstreckungsgläubigers im internationalen Zivilrechtsverkehr, 2008; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 440; Sonnabend, Der Einziehungsprozess nach Forderungspfändung im internationalen Rechtsverkehr, 2008; Stamm, Die Prinzipien und Grundstrukturen des Zwangsvollstreckungsrechts – Ein Beitrag zur Rechtsvereinheitlichung auf europäischer Ebene, 2007; Stutz, Die internationale Handlungs- und Unterlassungsvollstreckung unter dem EuGVÜ, Diss. Konstanz 1992; Tarzia, Aussichten für einer Harmonisierung des Zwangsvollstreckungsrechts in der Europäischen Union, ZEuP 1996, 321; Tekidou, Der Vollstreckungszugriff auf Bankkonten: Eine rechtsvergleichende Betrachtung des griechischen und des deutschen Rechts, Diss. Hannover 2005; Treibmann, Die Vollstreckung von Handlungen und Unterlassungen im europäischen Zivilrechtsverkehr, 1994; G. Wagner, Entwicklungstendenzen und Forschungsperspektiven im Zivilprozess- und Insolvenzrecht, ZEuP 2008, 6, 24; Weißmann/Riedel, Handbuch der internationalen Zwangsvollstreckung, 1992; M. Weller, Völkerrechtliche Grenzen der Zwangsvollstreckung – vom Botschaftskonto zur Kunstleihgabe, Rpfleger 2006, 364; Yessiou-Faltsi, Die Folgen des Europäischen Vollstreckungstitels für das Vollstreckungsrecht in Europa, in Gottwald (ed.), Perspektiven der justitiellen Zusammenarbeit in Zivilsachen in der EU, 2004, 213, 220 ff., 239 ff.; Zoller, Vorläufige Vollstreckbarkeit im Schweizer Zivilprozessrecht unter Berücksichtigung des Deutschen, Englischen und Französischen Rechts, Diss. Zürich, 2008.
I. Gerichtsbarkeit 1. Überblick Die Durchsetzung staatlicher Macht ist grundsätzlich auf das eigene (staatliche) Hoheitsgebiet beschränkt, Rz. 405. Nur im Inland gelegenes Vermögen unterliegt 1143
3200
Dreizehnter Teil: Internationales Zwangsvollstreckungsrecht dem Zugriff des jeweils vollstreckenden Staates.1 Insofern kann man – wie im internationalen Enteignungsrecht2 üblich – von der Territorialität der staatlichen Zwangsgewalt (jurisdiction to enforce3) sprechen.4 3201 Dies bedeutet jedoch nicht, dass Akte ausländischer Zwangsgewalt, die sich innerhalb der vorgenannten Grenzen bewegen, aus inländischer Sicht völlig unbeachtlich wären. Vielmehr sind sie unter den noch näher zu erörternden Voraussetzungen im Inland anzuerkennen. Diese Anerkennung eines ausländischen Vollstreckungsaktes (z.B. Versteigerung eines Klaviers oder eines Hausgrundstücks) ist streng zu trennen von der Frage der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung5 des Vollstreckungstitels, aufgrund dessen im Ausland das Zwangsvollstreckungsverfahren in Gang gesetzt wurde, in dem der Zwangsvollstreckungsakt gesetzt wurde, um dessen Anerkennung es nun geht. 3202 Beispiel: In Frankreich ergeht ein Urteil auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme. Aufgrund dieses Titels wird ein Auto des Beklagten (= Vollstreckungsschuldners) versteigert, d.h. dieser verliert zugunsten des Ersteigerers sein Eigentum. Für die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des französischen Titels kommt die EuGVVO zur Anwendung, nicht jedoch für die „Anerkennung“ des Eigentumsübergangs vom Vollstreckungsschuldner auf den Ersteigerer. Insoweit gilt autonomes Recht, und zwar – je nach dem wie man die „Anerkennungsfrage“ einordnet – entweder deutsches internationales Zwangsvollstreckungsrecht oder deutsches internationales Privatrecht. Vgl. auch Rz. 2794, 3373, 3536. 3203 Das Zugriffsrecht des Vollstreckungsstaates ist auf die in seinem Hoheitsgebiet (Rz. 371) oder die in staatsfreien Gebieten gelegenen Gegenstände beschränkt, Rz. 405. Das Restatement of the Law Third – The Foreign Relations Law of the United States, 1987, stellt fest: § 431 Jurisdiction to Enforce (1) A state may employ judicial or nonjudicial measures to induce or compel compliance or punish noncompliance with its laws or regulations, provided it has jurisdiction to prescribe in accordance with §§ 402 and 403. 1 BGH vom 4.10.2005, NJW-RR 2006, 198 = RIW 2006, 60 = WM 2005, 2274 = IPRax 2007, 128 (Dutta 109) = SchiedsVZ 2006, 47 (Raeschke-Kessler) = IPRspr. 2005 Nr. 118; siehe auch Dannemann, Die ungewollte Diskriminierung in der internationalen Rechtsanwendung – Zur Anwendung, Berücksichtigung und Anpassung von Normen aus unterschiedlichen Rechtsordnungen, 2004, 60. 2 Nachweise z.B. bei Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006, 317, 322. 3 Hierzu Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 99 ff. 4 Fritzsche/Walder, Schuldbetreibung und Konkurs nach schweizerischem Recht I3, 1984, 10 (§ 1 Rz. 17); Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, 23; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 17 Rz. 2. 5 §§ 722, 723 ZPO, § 110 II FamFG, Art. 31 EuGVÜ/LugÜ-I, Art. 38 ff. der Verordnung (EG) Nr. 44/2001, Art. 28 ff. der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 (Rz. 245c) etc., Art. 38 ff. LugÜ-II.
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Gerichtsbarkeit (2) Enforcement measures must be reasonably related to the laws or regulations to which they are directed; punishment for noncompliance must be preceded by an appropriate determination of violation and must be proportional to the gravity to the violation. (3) A state may employ enforcement measures against a person located outside its territory (a) if the person is given notice of the claims or charges against him that is reasonable in the circumstances; (b) if the person is given an opportunity to be heard, ordinarily in advance of enforcement, whether in person or by counsel or other representative; and (c) when enforcement is through the courts, if the state has jurisdiction to adjudicate. Zu den Beschränkungen des Immunitätsrechts siehe Rz. 589 ff., 692. 2. Völkerrechtliche Grenzen im Einzelnen a) Bewegliche Sachen Um die Pfändung einer beweglichen Sache zu bewirken, muss der Gerichtsvollzieher sie in Besitz nehmen (§§ 808, 809 ZPO). Wollte er dies im Ausland tun, so müsste er sich dorthin bewegen. Dies wäre völkerrechtswidrig (Rz. 120). Beispiel: Ein Unterhaltsschuldner aus Bad Reichenhall entzieht sich der Vollstreckung, indem er seine wertvolle Habe immer dann in dem Campingbus seines Freundes über die nahe deutsch-österreichische Grenze fährt, wenn der Gerichtsvollzieher im „Anmarsch“ ist. Doch einmal kommt der Gerichtsvollzieher gerade noch zur rechten Zeit. Er verfolgt ihn mit seinem Auto, kann ihn aber erst auf der österreichischen Seite „stellen“. Da alle Parteien Deutsche sind, der Schuldner auch weder Wohnsitz noch gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hat, ist der Gerichtsvollzieher der Auffassung, es liege ein reiner Inlandsfall vor. Er sieht deshalb keine Bedenken, ein Fernsehgerät und einen Kühlschrank auf österreichischem Staatsgebiet zu pfänden; der Unterhaltsschuldner ist so perplex über den „raschen Zugriff“, dass er dem Gerichtsvollzieher sogar dabei hilft, die gepfändeten Sachen aus seinem Bus in das Auto des Gerichtsvollziehers umzuladen. In dem von ihm unterschriebenen Pfändungsprotokoll erklärt er sich mit der Pfändung im Ausland ausdrücklich einverstanden. Diese Zustimmung ist ohne Bedeutung, denn das Völkerrechtsdelikt wurde gegenüber Österreich begangen.6 Fraglich ist nur, ob die völkerrechtswidrige Pfändung aus der Sicht der Bundesrepublik Deutschland innerstaatlich nichtig ist, wie dies die herrschende Meinung (Rz. 215, 528) behauptet, oder ob sie zwar wirksam, aber aufgrund Erinnerung aufhebbar ist.
6 Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 86, 87; G. Geimer, Neuordnung des internationalen Zustellungsrechts, 1999, 174: Die betroffene Partei sei nicht „Prozessstandschafter“ für den in seiner Souveränität verletzten Staat.
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Dreizehnter Teil: Internationales Zwangsvollstreckungsrecht 3205 Wie wäre zu entscheiden, wenn der Gerichtsvollzieher die Pfändung und Inbesitznahme erst nach Rückkehr ins Inland, also auf der deutschen Seite der Grenze, vorgenommen hätte, wenn er „als Privatmann“ (Rz. 120) dem Schuldner nach Österreich nachgefahren wäre und ihn dort – an einem Rastplatz – unter Anwendung einer List oder schlicht durch gutes Zureden zur „Umkehr“ veranlasst hätte? Auch hier liegt ein Völkerrechtsdelikt vor, für das Deutschland haftet, Rz. 193; denn der Gerichtsvollzieher war als Amtsträger in Österreich. 3206 Würde sich am Ergebnis etwas ändern, wenn der Gerichtsvollzieher bei der Einreise einem österreichischen Grenzbeamten sein Vorhaben geschildert hätte und dieser wegen der besonderen „humanitären Perspektive“ des Falles (6 hungernde Kinder, besonders böswillig verweigernder Unterhaltsschuldner) das schnelle Handeln des deutschen Gerichtsvollziehers nicht nur toleriert, sondern ihm – bei der Pfändung – applaudiert und ihm beim Umladen des Fernsehapparates und des Kühlschranks direkt am Parkplatz des Grenzübergangs geholfen hätte? Auch hier ist die Vorgehensweise des deutschen Gerichtsvollziehers völkerrechtswidrig, weil offensichtlich ist, dass der Grenzbeamte nach österreichischem Recht – auch nach den deutsch-österreichischen Vereinbarungen über eine gemeinsame Grenzübergangsstelle – nicht befugt war, die völkerrechtlich mögliche Zustimmung zu erteilen, Rz. 509. b) Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte 3207 Für den nur in den Kategorien des deutschen Grundbuchsystems Denkenden erscheint es absurd, darüber nachzudenken, wo die Grenzen für Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in ausländischen Grundbesitz verlaufen. Für ihn steht fest: Für eine Zwangsvollstreckung in deutschen Grundbesitz (§§ 864 ff. ZPO, ZVG) sind nur die deutschen Vollstreckungsorgane zuständig, für die Zwangsvollstreckung in ausländischen Grundbesitz nur die Vollstreckungsorgane des Belegenheitsstaates. Daran ist sicher richtig, dass die physische Beschlagnahme völkerrechtlich ausschließlich Sache des Belegenheitsstaates ist, Rz. 405. Das Gleiche gilt für die Durchführung der Verwertung (Zwangsversteigerung, Zwangsverwaltung, § 1 ZVG). 3208 Dagegen ist es keineswegs völkerrechtswidrig, zur Vornahme von Handlungen zu verurteilen, die auf fremdem Territorium vorzunehmen sind (Rz. 397), ganz gleich, ob diese innerstaatlich im Erkenntnisverfahren angeordnet werden oder von einem (deutschen) Vollstreckungsorgan, Rz. 400. Wichtig ist nur, dass die (deutsche) Entscheidung/Anordnung nur Geltung für den deutschen Hoheitsbereich beansprucht, also klar ist, dass die Anerkennung und Durchsetzung der deutschen Entscheidung im Ausland im Belieben des ausländischen Staates steht. Mit diesem Vorbehalt sind z.B. zulässig die Anordnung der Eintragung einer Zwangshypothek (doch fehlt es hier nach deutschem Recht an einer internationalen Zuständigkeit; denn die Zwangshypothek ist Vollstreckungsmittel, d.h. eine der drei möglichen Arten der Zwangsvollstreckung in Grundbesitz, § 865 ZPO: Zwangshypothek, Zwangsverwaltung, Zwangsversteigerung). Der Gläubiger hat direkt beim Grundbuchamt – unter Vorlage der vollstreckbaren Ausfertigung – die Eintragung der Zwangshypothek zu beantragen. Liegt das Grundstück im Ausland, dann fehlt es an einem zuständigen deutschen Grund1146
Gerichtsbarkeit buchamt.7 Die Eintragung der Zwangshypothek als eine Art der Zwangsvollstreckung wegen einer Geldforderung wird vom Prozessgericht nicht angeordnet. Dies gilt auch für die Vollziehung der Arreste, §§ 928 ff., 932 ZPO. Etwas anderes gilt möglicherweise für ausländische Rechtsordnungen. So wäre es nicht völkerrechtswidrig, wenn ein französisches Gericht die Eintragung einer Zwangshypothek auf einem Grundstück in München anordnen würde. Art. 16 Art. 22 Nr. 5 EuGVVO steht dem nicht entgegen, Rz. 466, 1223.8
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In diesem Zusammenhang zu erwähnen sind auch deutsche Urteile und sonstige 3210 Titel, die nicht eine Geldforderung im Sinne von §§ 803 ff. ZPO betreffen, sondern die Herausgabe von Sachen und sonstige Handlungen oder Unterlassungen. Verurteilt z.B. ein deutsches Gericht zur Übereignung oder zur Bestellung einer Sicherungshypothek9 bezüglich eines italienischen Grundstücks, so sind diese vom Schuldner vorzunehmenden Handlungen im Rubrum des Urteils genau zu bezeichnen. c) Forderungspfändung Die Beurteilung der Frage, ob ein Gegenstand im Vollstreckungsstaat zu lokali- 3211 sieren ist, ist an sich Angelegenheit des Völkerrechts. Dieses stellt aber keine ausgefeilte Qualifikationsrechtsordnung auf. Es überlässt die Einordnung dem nationalen Recht. Jeder Staat kann also selbst definieren, wann eine Forderung als in seiner Hoheitssphäre belegen anzusehen ist. Allerdings zieht das Völkerrecht äußerste Grenzen: Es verbietet eine Forderung im Inland anzusiedeln, wenn kein vernünftiger Anknüpfungspunkt vorhanden ist, Rz. 406.10 Die Pfändung von Forderungen gegen Drittschuldner mit Wohnsitz/Sitz im Aus- 3212 land ist völkerrechtlich unbedenklich, solange sich die Wertung, die Forderung sei im Inland belegen, sachlich rechtfertigen lässt.11 Als Anknüpfungspunkt reichen aus – Wohnsitz/Sitz des Vollstreckungsschuldners im Inland; – Zweigniederlassung des Vollstreckungsschuldners im Inland; – Erfüllungsort im Inland; – Anwendbarkeit des Rechts des Vollstreckungsstaates aus der Sicht dessen (völkerrechtskonformem) internationalen Privatrechts (forum legis);12 – Abschlussort (bei vertraglichen Verbindlichkeiten) im Vollstreckungsstaat, ohne Rücksicht auf lex causae;
7Zustimmend Bertele, a.a.O., 557. 8R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1983, 217. 9Diese Hypothek ist keine Zwangshypothek im Sinne von § 867 ZPO. 10 Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 44 ff., 61. Vgl. auch Bommer, Die Zuständigkeit für Widerspruchs- und Anfechtungsklagen im internationalen Verhältnis, Diss. Zürich 2001, 38. 11 BGH vom 4.10.2005, NJW-RR 2006, 198 = RIW 2006, 60 = WM 2005, 2274 = IPRax 2007, 128 (Dutta 109) = SchiedsVZ 2006, 47 (Raeschke-Kessler) = IPRspr. 2005 Nr. 118. 12 In Deutschland fehlt aber hierfür eine internationale Zuständigkeit.
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Dreizehnter Teil: Internationales Zwangsvollstreckungsrecht – Tatort bzw. Ort des Eintritts des primären Schadens für deliktische Verbindlichkeiten, ohne Rücksicht, welches Recht zur Anwendung kommt; – Belegenheit von dinglichen Sicherheiten im Inland; – Wohnsitz/Sitz des Bürgen im Inland. 3213 Liegt einer der vorgenannten Anknüpfungspunkte vor, dann kann die Forderung gegen einen Drittschuldner gepfändet werden, ohne Rücksicht darauf, wo der Drittschuldner erfüllen muss und wo die Forderung eingeklagt werden kann. Dies gilt erst recht, wenn der Drittschuldner im Vollstreckungsstaat seinen Wohnsitz/Sitz hat. 3214 Beispiel A: Ein New Yorker unterhält ein Girokonto bei der New Yorker Filiale einer weltweit tätigen deutschen Bank mit Sitz in München.13 Der Gläubiger erwirkt einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AG München aufgrund eines deutschen Titels oder aufgrund eines gemäß § 722 ZPO für vollstreckbar erklärten New Yorker Urteils. Der Beschluss wird der Zentrale in München zugestellt. 3215 Beispiel B: Wie Beispiel A, nur, dass im Erkenntnisverfahren ein reiner Inlandsfall (Hamburger verklagt Münchner) oder sogar ein reiner Münchenfall (Schwabinger verklagt Schuldner aus Nymphenburg) vorliegt. In beiden Fällen bestreitet zu Unrecht Mühlhausen14 die facultas jurisdictionis Deutschlands. 3216 Die Anknüpfung der Forderung an den Wohnsitz des (Dritt-)Schuldners ist nicht die einzig völkerrechtlich gebotene.15 Erst recht ist es völkerrechtlich nicht zwingend geboten, beim Nachlass auf den Wohnsitz der Miterben abzustellen.16 13 Viele Banken berufen sich allerdings darauf, dass konkludent vereinbart sei, Zahlung könne nur bei der kontoführenden Filiale verlangt werden. Eine solche implizite Abrede kann aber generell nicht bejaht werden. 14 Mühlhausen WM 1986, 989. 15 Zu eng – aus völkerrechtlicher Sicht – daher OLG Hamburg vom 21.2.1935, HansRGZ 1935 B 207 = Giur.comp.d.i.p. 6 (1940) 178 Nr. 134 (Eckstein) = IPRspr. 1935–1944 Nr. 681: „Ob ein Vermögensgegenstand dem Zugriff durch die deutsche Zwangsvollstreckungsgerichtsbarkeit zugänglich ist, hängt (vgl. RGZ 77, 252) nur davon ab, ob er sich im Bereich der deutschen Gerichtsbarkeit befindet. Das Vermögen des Schuldners unterliegt nur insofern der inländischen Vollstreckung, als es sich im Inland befindet. Für Forderungen entscheidet sich die Frage, ob sie sich im Inlande befinden (vgl. RGZ 140, 343 = IPRspr. 1933 Nr. 98) nach dem auf einem allgemeinen Rechtsgedanken beruhenden ‚Lokalisierungsgrundsatz‘ des § 23 Satz 2 ZPO, dass sich das in der Forderung verkörperte Vermögensrecht dort befindet, wo der Drittschuldner seinen Wohnsitz hat.“ Hierzu auch Lüer in Uhlenbruck, Insolvenzordnung13, 2003, Art. 102 EGInsO Rz. 75. 16 So aber OLG Hamburg a.a.O.: „Gegenstände, die zu einem unverteilten Nachlass gehören (vgl. RGZ 75, 418 für das Gesamtgut einer fortgesetzten Gütergemeinschaft), sind als Vermögen aller an dem Nachlass beteiligten Erben anzusehen. Der Anteil des Erben am Nachlass ist nach § 859 ZPO der Pfändung unterworfen, sein Anteil an den einzelnen Nachlassgegenständen nicht. Auf die Zwangsvollstreckung in andere Vermögensrechte, welche weder Forderungen noch Gegenstand der Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen sind, finden nach § 857 ZPO die Bestimmungen über die Zwangsvollstreckung in Forderungen entsprechende Anwendung. Ist ein Testamentsvollstrecker nicht vorhanden, so sind als Drittschuldner (vgl. RGZ 86, 295) nur die Miterben anzusehen“.
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Gerichtsbarkeit Die Unhaltbarkeit der These, entscheidend sei der Wohnsitz des Drittschuld- 3217 ners, zeigt sich vor allem auch beim Eintritt eines Erbfalls auf der Seite des Drittschuldners. Beispiel: Maier in München hat eine Forderung gegen Müller in Stuttgart. Die Durchführung der Pfändung ist unproblematisch, da reiner Inlandsfall. Wie ist es nun, wenn Müller stirbt und von seinem Neffen in Basel beerbt worden ist. Ist nun die Forderung der Vollstreckungsgewalt Deutschlands „entglitten“? Oder wie ist es im Falle der befreienden Schuldübernahme oder des Schuldbeitritts durch den im Ausland domizilierten Schuldner oder bei der Gesamtschuldnerschaft, wenn der eine Schuldner im Inland wohnt, der andere im Ausland? d) Pfändung sonstiger Rechte Noch komplizierter als bei der Forderungspfändung ist die Lokalisierung sons- 3218 tiger Vermögensrechte (§§ 857 ff. ZPO). So wird die Frage, ob der zu pfändende Gegenstand in Deutschland gelegen ist, in der Rechtsprechung mitunter nicht klar genug getrennt von der Frage, ob und wie dem Dritten der deutsche Zwangsvollstreckungsakt bekannt gegeben werden muss. Beispiel:17 Die Gläubiger hatten die Pfändung des Miterbenanteils ihres Schuld- 3219 ners betrieben. Sie hatten den von ihnen erwirkten Pfändungs- und Überweisungsbeschluss der Miterbin, die im Ausland wohnte, durch den deutschen Gerichtsvollzieher zustellen lassen, als diese sich in Deutschland aufhielt. Das Kammergericht führt aus: „Der Senat ist mit dem LG der Ansicht, dass die Wirksamkeit der Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse davon abhängig ist, ob diese Beschlüsse der Miterbin gemäß § 199 ZPO (nunmehr § 183 I 2 ZPO) zugestellt werden mussten. Dies ergibt sich aus den Grundsätzen, die RGZ 140, 344 = IPRspr. 1933 Nr. 98 ausgesprochen hat. Es ist zwar nicht zu verkennen, dass der vorliegende Fall sich von dem vom RG entschiedenen insofern unterscheidet, als dort eine Forderung gegen einen im Ausland Wohnenden gepfändet war, während es sich hier um die Pfändung eines Miterbenanteils handelt. Die Miterbin ist nicht eigentlich Drittschuldnerin. Gleichwohl treffen die vom RG entwickelten Grundsätze auch hier zu. Entscheidend ist, dass der staatliche Zwangsvollstreckungsakt nicht gegen einen im Ausland Wohnenden vollzogen werden darf. Wenn die Gläubiger darauf hinweisen, dass die Miterbin sich ja zur Zeit der Zustellung an sie selbst im Inlande befunden habe, dass also der staatliche Zustellungsakt sich auch im Inland vollzogen hat, so ist darauf hinzuweisen, dass die Zwangsvollstreckung mit der Zustellung nicht ihr Ende gefunden hat, sondern dass die Zustellung des Pfändungsbeschlusses an den Drittschuldner eben bewirken soll, dass der Drittschuldner nicht mehr leisten dürfe. Die Zustellung soll also das staatliche Verbot erst in Wirkung setzen, und eine solche Wirkung darf nicht herbeigeführt werden gegenüber einem im Ausland Wohnenden, mag dieser sich auch zur Zeit der Zustellung im Inland befunden haben oder die Zustellung an einen im Inland wohnenden Zustellungsbevollmächtigten erfolgt sein.“
Problematisch ist es, die Belegenheit eines Nachlasses bzw. eines Miterben- 3220 anteils in Deutschland – bei Anordnung einer Testamentsvollstreckung – davon abhängig zu machen, ob der Testamentsvollstrecker im Inland domiziliert ist. Folgt z.B. auf einen in Hamburg wohnhaften Testamentsvollstrecker ein Ersatz17 KG vom 5.6.1936, JW 1936, 2760 = DGVZ 1936, 314 = IPRspr. 1935–1944 Nr. 685.
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Dreizehnter Teil: Internationales Zwangsvollstreckungsrecht testamentsvollstrecker mit Wohnsitz/Sitz in London, dann würde sich aus völkerrechtlicher Sicht ein „Jurisdiktionswechsel“ vollziehen, obwohl die Belegenheit der Nachlassgegenstände unverändert geblieben ist. 3221 Anders aber judizierte das OLG Hamburg:18 „Sind . . . ein oder mehrere Testamentsvollstrecker vorhanden, denen das Recht zur Teilung des Nachlasses zusteht, so muss der Pfändungsbeschluss ihm oder ihnen zugestellt werden, weil nur der Testamentsvollstrecker kraft seines Amtes durch Verteilungen auf den Erbanteil des Schuldners Leistungen an den Erben oder seinen Pfändungspfandgläubiger zu machen rechtlich und tatsächlich in der Lage ist. An der Richtigkeit dieser Auffassung ändert auch der Umstand nichts, dass nur die Erben selbst Träger der erbschaftlichen Rechte und Pflichten sind. Der Testamentsvollstrecker ist nach § 2204 BGB berechtigt und verpflichtet, die Auseinandersetzung zwischen den Miterben zu bewirken. Die Klage auf Auseinandersetzung kann, da die Miterben nach § 2211 BGB selbst über die Nachlassgegenstände nicht verfügen, also die Auseinandersetzung selbst nicht vornehmen können, nur gegen den Testamentsvollstrecker gerichtet werden. Der Testamentsvollstrecker ist nach § 2205 BGB berechtigt, den Nachlass zu verwalten, ihn in Besitz zu nehmen und über die Nachlassgegenstände zu verfügen. Er muss daher auch als Drittschuldner für die Pfändung des Erbteils betrachtet werden und nicht etwa die am Nachlass beteiligten Erben. § 857 II ZPO findet keine Anwendung. Keiner Entscheidung bedarf daher, ob in Fällen, in denen seine Regel mangels eines Drittschuldners gilt, eine Pfändung gegen im Auslande wohnenden Schuldner zulässig ist. In entsprechender Anwendung des auf einem allgemeinen Rechtsgedanken beruhenden . . . Lokalisierungsgrundsatzes des § 23 S. 2 ZPO, befindet sich also der von einem Gläubiger zu pfändende Erbanteil eines Miterben für die Zwangsvollstreckung im Inlande, wenn die zur Verteilung des Nachlasses berechtigten Testamentsvollstrecker in Deutschland ihren allgemeinen Gerichtsstand haben und dort Nachlassbestandteile zu ihrer Verfügung stehen, mag auch der Miterbe, der Schuldner des pfändenden Gläubigers ist, z.Z. der Pfändung im Auslande wohnen. Die Zustellung an ihn ist zwar nach §§ 857, 829 ZPO dem Gerichtsvollzieher zur Pflicht gemacht. Die Pfändung ist aber nach § 829 III ZPO mit der Zustellung an den Drittschuldner, also bei der Pfändung eines Erbteils an den Testamentsvollstrecker, als bewirkt anzusehen. Unerheblich ist, ob einzelne Nachlassgegenstände sich im Ausland befinden, unerheblich auch, dass der Erblasser in Paris verstorben ist. Da die zur Verteilung des Nachlasses befugten Testamentsvollstrecker im vorliegenden Fall unbestritten in Hamburg ihren Wohnsitz haben und dort Vermögen des Nachlasses für sie greifbar war, war also das LG Hamburg zum Erlass des zur Sicherung der künftigen Zwangsvollstreckung dienenden Arrestbefehls nach §§ 919, 13 ZPO zuständig.“
3222 Bei Wertpapieren schreibt das Völkergewohnheitsrecht nicht vor, dass verbriefte Forderungen und Mitgliedschaftsrechte nur der Staat pfänden darf, in dessen Hoheitssphäre die Papiere gelegen sind, wie dies das deutsche Recht für die Pfändung von Wertpapieren, die einen Börsen- oder Marktpreis haben (§§ 821, 808 ZPO), sowie für die Pfändung von Forderungen aus Wechseln oder anderen indossablen Wertpapieren (§ 831 ZPO) vorschreibt.19 18 OLG Hamburg vom 21.2.1935, HansRGZ 1935 B 207 = IPRspr. 1935–1944 Nr. 681. 19 Anders Mühlhausen WM 1986, 958: „Wegen der territorialen Grenzen der Gerichtsbarkeit dürfen Pfändungen in bewegliche Sachen und verbriefte Forderungen nur ausgebracht werden, wenn sie im Inland belegen sind; sind sie im Ausland bei der Filiale einer inländischen Bank belegen, fehlt für Zwangsvollstreckungsmaßnahmen deutscher Vollstreckungsorgane die Gerichtsbarkeit“.
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Gerichtsbarkeit Beispiel: Ein Münchner verwahrt Aktien einer Aktiengesellschaft mit Sitz in München in seinem Banksafe in Zürich. Es wäre völkerrechtlich zulässig, ist aber in §§ 808 ff. ZPO nicht vorgesehen (eine Analogie zu § 888 ZPO wird nicht erwogen), auf den Schuldner im Inland Druck auszuüben, damit dieser seine Aktien ins Inland transferiert. Auch wäre es völkerrechtlich zulässig, die Aktien im Inland für kraftlos zu erklären. In jedem Falle wäre es zulässig, nach wirksamer Pfändung des Herausgabeanspruchs und Titulierung dieses Anspruchs Druck gegen die Bank (als den Drittschuldner nach § 886 ZPO) auszuüben.
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Auch das Zustellungserfordernis des § 829 III ZPO ist völkerrechtlich nicht ge- 3224 boten, sofern nur sichergestellt ist, dass der Drittschuldner mit Wohnsitz/Sitz im Ausland – ebenso im Übrigen der Drittschuldner mit Sitz im Inland, aber Niederlassungen im Ausland (Hauptbeispiel: Bank mit weltweitem Filialnetz) – nicht dem Risiko eines (unverschuldeten) Doppelleistungsrisikos ausgesetzt wird, m.a.W., dass er an den Vollstreckungsschuldner (= seinen bisherigen Gläubiger) schuldbefreiend leisten darf, solange er keine Kenntnis vom Pfändungsbeschluss hat bzw. dass Zahlungen/Leistungen des Drittschuldners an den Vollstreckungsgläubiger aufgrund der Pfändung als schuldbefreiend angesehen werden, Rz. 3267.20 e) Herausgabe von Sachen Voraussetzung für die Vollstreckung eines Herausgabeanspruchs nach § 883 3225 ZPO ist nicht, dass der Vollstreckungsgläubiger glaubhaft macht, dass die herauszugebende Sache sich im Inland befindet. Es genügt die Behauptung des Vollstreckungsgläubigers. Beantragt dieser z.B. beim Gerichtsvollzieher in Garmisch-Partenkirchen die (angeblich) in Garmisch befindliche Sache dort wegzunehmen, so ist die Gerichtsbarkeit zu bejahen, ebenso die internationale Zuständigkeit. Es ist auch völkerrechtskonform, wenn der Schuldner gezwungen wird, eidesstattlich zu versichern, an welchem Ort im Ausland die Sache sich befindet. § 883 II ZPO ist nicht dahin einzugrenzen, dass der Schuldner nur versichern muss, die Sache befinde sich nicht im Inland. f) Ersatzvornahme von Handlungen und Unterlassungen Umstritten ist, ob das deutsche Prozessgericht den Gläubiger ermächtigen darf, auf Kosten des Schuldners eine Handlung vornehmen zu lassen, wenn diese nach Lage der Dinge im Ausland vorzunehmen ist, Rz. 400. Beispiel: Zwei Deutsche mit Wohnsitz in Deutschland sind Grundstücksnachbarn (auch) in Spanien. Sie geraten wegen des Swimmingpools in Streit. Das LG Stuttgart verurteilt den Beklagten, an dem Rand seines dortigen Schwimmbeckens ein (nach Lage, Art und Höhe bezeichnetes) Gitter anzubringen. Kann es auch den Kläger (Zwangsvollstreckungsgläubiger) gemäß § 887 ZPO ermächti-
20 Zu den verschiedenen Modellen des Drittschuldnerschutzes Wengler, Internationales Privatrecht, in RGR-Kommentar12, VI, 1981, 406, 656. Siehe auch Leible/Freitag, Forderungsbeitreibung in der EU, 2008, § 6 Rz. 168.
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Dreizehnter Teil: Internationales Zwangsvollstreckungsrecht gen, auf Kosten des Beklagten (Zwangsvollstreckungsschuldner) diese Handlung vorzunehmen? Das OLG Stuttgart21 sagt nein. Bei einer vom Beklagten (Schuldner) im Ausland vorzunehmenden Handlung sei die Ermächtigung zur Ersatzvornahme durch ein inländisches Gericht unzulässig, weil dadurch in fremde Gerichtsgewalt eingegriffen würde. 3227 Dem folgt die herrschende Meinung: Deutsche Vollstreckungsorgane dürfen keine Maßnahmen anordnen, die Ausübung von Zwang innerhalb von fremden Hoheitsgebieten bedeuten würde. Sie übersieht dabei, dass der Zwang im Inland ausgeübt wird, um ein bestimmtes Handeln oder Unterlassen im Ausland zu bewirken. Dies ist völkerrechtskonform.22 Die Erwägung des OLG Stuttgart, nur der Belegenheitsstaat könne die Erlaubnis zum Betreten eines Grundstücks gegen den Willen des Eigentümers aussprechen, §§ 892, 887 ZPO, ist nicht überzeugend, weil die Ermächtigung nur die deutschen Rechtsanwendungsorgane bindet.23 Was der Gläubiger mit dieser Ermächtigung anfangen kann, ist seine Sache, Rz. 403. g) Zwangsgeld 3228 Allerdings kann auch nach Ansicht des OLG Stuttgart Zwangsgeld (§ 888 ZPO) angeordnet werden, wenn eine Ermächtigung zur Vornahme einer Handlung nach § 887 ZPO ausscheidet, weil die Handlung im Ausland vorzunehmen ist. Denn so wird Druck im Inland ausgeübt, um eine Handlung im Ausland zu erwirken, Rz. 400.24 3229 Auf der Linie des OLG Stuttgart liegt auch das OLG Nürnberg:25 Ein inländisches Gericht darf einen italienischen Beklagten zur Überlassung eines Buchauszuges und zur Abrechnung verurteilen sowie für den Fall der Nichtleistung Geld- und Haftstrafen androhen, nicht aber den Kläger ermächtigen, den Auszug durch einen Wirtschaftsprüfer in Rom erstellen zu lassen. Die Entscheidung ist aber kryptisch, da sie offen lässt, ob sie auf allgemeines Völkergewohnheitsrecht (Rz. 401) oder auf den nicht einschlägigen Art. 16 Nr. 5 EuGVÜ bzw. (nunmehr) Art. 22 Nr. 5 EuGVVO gestützt ist.
21 OLG Stuttgart vom 26.9.1983, ZZP 97 (1984), 487, 488 (Münzberg)= IPRspr. 1983 Nr. 189. Vgl. auch OLG Frankfurt vom 14.12.2000, RIW 2001, 379 = EWiR 1991, 243 (Schuske) = IPRspr. 2000 Nr. 172 sowie OLG Frankfurt vom 31.1.2002, InVo 2002, 518 = IPRspr. 2002 Nr. 208. 22 Noch weiter geht Mühlhausen WM 1986, 989: „Wenn demnach Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zur Erwirkung vertretbarer Handlungen im Ausland mangels Gerichtsbarkeit unzulässig sind, ist auch die Zwangsvollstreckung zur Erwirkung von Geldzahlungen – ebenfalls eine vertretbare Handlung – im Ausland mangels Gerichtsbarkeit unzulässig“. 23 Münzberg ZZP 97 (1984), 490. Im Ergebnis ebenso OLG Düsseldorf vom 21.1.2004, InVo 2004, 385 = IPRspr. 2004 Nr. 183. 24 OLG Hamm vom 20.6.1985, NJW-RR 1986, 1047 = IPRspr. 1985 Nr. 141; OLG Frankfurt vom 14.12.2000, RIW 2001, 379 = EWiR 1991, 243 (Schuske) = IPRspr. 2000 Nr. 172; OLG Frankfurt vom 31.1.2002, InVo 2002, 518 = IPRspr. 2002 Nr. 208. 25 OLG Nürnberg vom 5.4.1974, IPRspr. 1974 Nr. 188.
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Internationale Zuständigkeit Viel klarer judiziert dagegen das OLG Köln:26 Eine Vollstreckung im Wege der Ersatzvornahme im Ausland (§ 887 ZPO) würde für den Gläubiger zu einer unzumutbaren Erschwerung und Verzögerung der Vollstreckung führen. Dieser könne auch hinsichtlich vertretbarer Handlungen Zwangsgeld nach § 888 ZPO beantragen. h) Worldwide Freezing (Mareva) Injunctions – Allgemeine Verfügungsverbote mit globalem Geltungsanspruch Allgemeine Verfügungsverbote (Rz. 1986) mit globalem Geltungsanspruch27 sind 3230 völkerrechtskonform. Ihre faktische Effizienz hängt von der Bereitschaft der (übrigen) Staaten ab, diese Maßnahmen „anzuerkennen“ und zu vollstrecken.28 Allerdings ist dieser Fragenkomplex derzeit noch stark umstritten.29
II. Internationale Zuständigkeit Ob eine internationale Zuständigkeit aufgetan wird, bestimmt allein das deutsche Recht.30 Die lex causae oder das Recht des Urteilsstaates (sofern der Vollstreckungstitel primär in einem dritten Staat erwirkt und anschließend in Deutschland für vollstreckbar erklärt wurde) sind irrelevant. Unbeachtlich sind daher eine etwaige Zuständigkeitsverweisung (Fall, dass nach deutschem Recht 26 OLG Köln vom 3.6.2002, RIW 2003, 71, 72 = IPRax 2003, 446 (Stadler 430) = IHR 2003, 86 = InVo 2003, 38 = IPRspr. 2002 Nr. 210. Siehe auch OLG Hamburg vom 11.5.2005, NJOZ 2005, 2956 = IPRspr. 2005 Nr. 177. 27 Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes nach §§ 916 ff. ZPO (Arreste und einstweilige Verfügungen) beanspruchen – anders als z.B. der Arrest nach schweizerischem Recht – weltweite Geltung, Kofmel Ehrenzeller, Der vorläufige Rechtsschutz im internationalen Verhältnis, 2005, 127. Zu den Voraussetzungen für den Erlass solcher Maßnahmen Kofmel Ehrenzeller a.a.O., 176 ff. und Heinze, Grenzüberschreitende Vollstreckung englischer freezing injunctions – Die Dadourian Guidelines, IPRax 2007, 343. 28 Zur Vollstreckbarerklärung einer englischen Freezing (Mareva) Injunction nach Art. 31 ff. EuGVÜ/LugÜ bzw. nunmehr Art. 38 ff. EuGVVO OLG Karlsruhe vom 19.12.1995, ZZPInt 1 (1996), 91 (Zuckermann/Grundert) = IPRspr. 1995 Nr. 166; Hierzu z.B. Baumgartner, Die Anerkennung un Vollstreckung ausländischer Zivilurteile in der Schweiz: Neuere Entwicklungen, in Leuenbeger/Guy (ed.), Stiftung für die Weiterbildung schweizerischer Richterinnen und Richter, Bd. 5, 2004, 111, 123 ff.; von Falck, Implementierung offener ausländischer Vollstreckungstitel – Vollstreckbarerklärung ausländischer Titel und inländischer Bestimmtheitsgrundsatz, 1998, 30 ff., 189 ff.; Grunert, Die „world-wide“ Mareva Injunction, 1998; Gerhard, L’éxecution forcée transfrontière des injonctions extraterritoriales non pécuniaires en droit privé, 2000, 203, 441, 488; Schlosser, EU-Zivilprozessrecht3, 2009, Art. 33 EuGVVO Rz. 3. 29 Hierzu Baumgartner, a.a.O., 111, 123 ff.; Norrenberg, Die Anton Piller Order – ein Beweissicherungsmittel des englischen Zivilprozessrechts, 1998, 281; Stürner in Festschrift Geiß, 2000, 199, 204. Weitere Nachweise oben Rz. 399a. 30 Art. 2 ff. EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ gelten nicht für die Anordnung und Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen als solchen, Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 1 – Art. 2 EuGVVO Rz. 93. So wird z.B. § 828 II ZPO nicht verdrängt, ebenso nicht § 899 ZPO, OLG Saarbrücken IPRax 2001, 456 = IPRspr. 2000 Nr. 171; OLG Köln vom 20.1.2003, InVo 2004, 424 = IPRspr 2003/196.
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Dreizehnter Teil: Internationales Zwangsvollstreckungsrecht keine internationale Zuständigkeit gegeben ist), aber auch ein Vollstreckungsverbot (aufgrund der ausschließlichen internationalen Zuständigkeit des Auslands oder einer Regel, wonach erst in einem anderen Staat vollstreckt werden müsse). 1. Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen a) Pfändung von beweglichen Sachen einschließlich Wertpapieren, Forderungen aus Wechseln und anderen indossablen Papieren 3232 Die internationale Zuständigkeit ist zu bejahen, wenn sich die bewegliche Sache bzw. das Papier in Deutschland befindet. Sie ist zu verneinen in dem (theoretischen) Fall, dass der Gläubiger Pfändung einer Sache beantragt, die sich nach seinen eigenen Angaben im Ausland befindet.31 3233 Ob die Sache tatsächlich sich im Inland befindet, ist keine Frage der internationalen Zuständigkeit, sondern des Erfolgs der Pfändung. Denn der Gerichtsvollzieher darf sich nicht ins Ausland begeben, um dort die Pfändung (§ 831 ZPO) vorzunehmen. Die Regel, dass die internationale Zuständigkeit aus der örtlichen folgt, lässt sich hier nur cum grano salis aufrechterhalten, weil eine gesetzliche Festlegung fehlt (§ 753 ZPO, § 154 GVG). Man muss auf Verwaltungsvorschriften zurückgreifen, welche die örtlichen Zuständigkeiten regeln, § 20 Nr. 1 GVGA, §§ 20 ff. GVO.32 b) Pfändung von Forderungen 3234 Die Pfändung ist in Deutschland Aufgabe des Gerichts, § 828 I ZPO; im Ausland ist sie mitunter auch Verwaltungsbehörden übertragen.33 Die internationale Zuständigkeit Deutschlands ist dann gegeben, wenn ein deutsches Gericht nach § 828 II ZPO örtlich zuständig ist, Rz. 1226. Für die Zwangsvollstreckung in Forderungen ist Deutschland international zuständig, wenn der Vollstreckungsschuldner im Inland seinen allgemeinen Gerichtsstand hat oder wenn er Vermögen im Inland hat. 2. Zwangsvollstreckung zur Erwirkung der Herausgabe von Sachen und zur Erwirkung von Handlungen oder Unterlassungen 3235 Schwierigkeiten können sich ergeben, soweit nicht der Gerichtsvollzieher (§§ 883 I, 884, 885 ZPO) zuständig ist, sondern das „Prozessgericht“ (§§ 887, 888, 890, 893 ZPO).
III. Anspruch auf Zwangsvollstreckung 3236 Auch Ausländer haben einen verfassungsrechtlich gesicherten Anspruch, dass die deutschen Zwangsvollstreckungsorgane tätig werden, Rz. 1990.34 31 Umfangreiche Nachweise bei Lange, Internationale Rechts- und Forderungspfändung, 2004. 32 Zöller/Stöber, ZPO27, 2009, § 753 Rz. 3. 33 Frankenstein, Internationales Privatrecht II, 1929, 264. 34 Zustimmend z.B. Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 17 Rz. 5.
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Zwangsvollstreckung nach deutschem Recht
IV. Zwangsvollstreckung nach deutschem Recht Die deutsche lex fori bestimmt, ob und wie vollstreckt wird. So gilt für den Voll- 3237 streckungsschutz allein deutsches Recht. Das deutsche Vollstreckungsrecht bestimmt auch die Vollstreckungsmittel und die Vollstreckungsarten sowie darüber, welche Gegenstände des Schuldners (un)pfändbar sind und wie gegebenenfalls die Unpfändbarkeit geltend zu machen ist.35 Die Besitzvermutung des § 739 ZPO in Verbindung mit § 1362 BGB gilt ohne Rücksicht darauf, in welchem Güterstand ausländische Eheleute leben.36 Das deutsche Zwangsvollstreckungsrecht unterscheidet Zwangsvollstreckung wegen – Geldforderungen;37 – Ansprüchen auf Herausgabe von Sachen; – Handlungen und Unterlassungen. Die deutsche lex fori gilt also nicht nur für die Vollstreckung von Geldforderun- 3238 gen, sondern auch für andere Titel. Ist der Vollstreckungsschuldner zu einer Handlung oder Unterlassung verurteilt, so bestimmt deutsches Recht darüber, wie der Schuldner zur Vornahme der Handlung bzw. zur Unterlassung gezwungen werden kann. Es geht dabei um die Zulässigkeit unmittelbaren Zwangs, von Beugemaßnahmen, sowie der Ersatzvornahme. Das Recht des Vollstreckungsstaates befindet auch darüber, ob der Gläubiger ein Wahlrecht zwischen verschiedenen Vollstreckungsarten hat oder ob über die zu ergreifenden Maßnahmen das Gericht befindet. Auch bei ausländischer lex causae (der Richter hat im in- oder ausländischen 3239 Erkenntnisverfahren seiner Entscheidung ausländisches Recht zugrunde gelegt) erfolgt die Zwangsvollstreckung nach den Regeln des deutschen Vollstreckungsrechts. So divergieren beim Einsatz von Zwangsgeld die einzelnen Rechtsordnungen stark, und zwar nicht nur hinsichtlich der Auswahl der geeigneten Druckmittel, sondern auch bezüglich der Abgrenzung zwischen Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren. So wird z.B. in Frankreich bereits im Erkenntnisverfahren die Befugnis des Gläubigers zur Ersatzvornahme angeordnet, in anderen
35 Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 17 Rz. 4. 36 Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 17 Rz. 10. Allerdings bedürfen §§ 740, 741 ZPO der Anpassung bzw. Substitution, wenn ein ausländischer Güterstand (Art. 15 in Verbindung mit Art. 14 EGBGB) zu gemeinschaftlichem Eigentum (mit/ohne gemeinsame Verwaltung) der Eheleute führt, das mit den Formen des deutschen Rechts nicht (exakt) übereinstimmt, BGH vom 18.3.1998, NJWRR 1998, 1377 = WM 1998, 1591 = FamRZ 1998, 905 = JZ 1999, 204 (Stoll) = IPRspr. 1998 Nr. 73 (Gütergemeinschaft nach niederländischem Recht); AG Menden vom 26.4.2006, FamRZ 2006, 1471 (Errungenschaftsgemeinschaft nach italienischem Recht); Mansel, Substitution im deutschen Zwangsvollstreckungsrecht, in Festschrift W. Lorenz, 1991, 689, 709 ff.; Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 17 Rz. 11. 37 Ob eine solche vorliegt, definiert allein das deutsche Recht; auch eine Fremdwährungsforderung ist Geldforderung.
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Dreizehnter Teil: Internationales Zwangsvollstreckungsrecht Rechtssystemen ist diese Aufgabe dem Vollstreckungsgericht übertragen.38 Hier ergeben sich nicht einfache Anpassungsprobleme.
V. Vollstreckungstitel 3240 In Betracht kommen originär deutsche Titel und für vollstreckbar erklärte ausländische. Dabei ist jedoch alleinige Grundlage für die Zwangsvollstreckung im Inland die deutsche Vollstreckbarerklärung, Rz. 3155.39 Sobald der erststaatliche Titel in Deutschland für vollstreckbar erklärt ist, ist er deutschen Titeln gleichgestellt. Deshalb ist für die Vollstreckung der erststaatlichen Titel das deutsche Recht maßgebend, Rz. 3103, 3162.
VI. Rechtsbehelfe 3241 Die lex fori bestimmt auch bei ausländischer lex causae die Statthaftigkeit von Rechtsbehelfen und Rechtsmitteln im Vollstreckungsverfahren. Inwieweit dritte Personen von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen tangiert werden dürfen bzw. welche Rechtsbehelfe Dritte gegen solche Maßnahmen ergreifen können, ist ebenfalls nach deutschem Recht zu entscheiden. Vgl. Rz. 1235.
VII. Executio non conveniens 3242 Zwangsvollstreckungsmaßnahmen dürfen in Deutschland nicht mit der Begründung abgelehnt werden, im Ausland könne besser oder einfacher oder schneller vollstreckt werden, Rz. 1081.40 Auch darf die Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Titels (Rz. 3105) nicht im Hinblick auf (angeblich) fehlende Erfolgschancen verweigert werden. Auch wenn der Schuldner nachweisen kann, dass er im Inland kein Vermögen hat, ist der erststaatliche Titel für vollstreckbar zu erklären. Es ist allein Sache des Gläubigers, welche Maßnahme er aufgrund der Vollstreckbarerklärung in Deutschland ergreifen will. Zumindest hat er für die Zukunft vorgesorgt: Erwirbt der Schuldner Vermögen im Inland, kann er sofort die Zwangsvollstreckung beantragen.41
38 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1983, 1162; ausführlich Remien, Rechtsverwirklichung durch Zwangsgeld, 1992, 35 ff., 123 ff.; Nelle, Anspruch, Titel und Vollstreckung im internationalen Rechtsverkehr, 2000, 9 ff. Siehe auch Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 17 Rz. 4. 39 Anders ist allerdings das Konzept der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen (Rz. 245c). 40 Zustimmend z.B. Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 17 Rz. 7. 41 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1983, 1142. Zustimmend Solomon, Internationale Zuständigkeit zur Vollstreckbarerklärung ausländischer Entscheidungen, AG 2006, 832, 839.
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Zustellung als Voraussetzung des Beginns der Zwangsvollstreckung
VIII. Enforcement shopping Zumindest im Anwendungsbereich des Brüssel I-Systems hält Schlosser42 mit überzeugenden Gründen ein enforcement shopping für möglich für Nicht-Geldleistungsurteile, genauer für solche, die nicht zur Abgabe einer Willenserklärung verurteilen (Rz. 3121): Der Gläubiger einer mit einer astreinte versehenen ausländischen Entscheidung kann in Deutschland sowohl die astreinte vollstrecken als auch die Vornahme der vom ausländischen Gericht angeordneten Handlung mit den Mitteln des deutschen Zwangsvollstreckungsrechts erzwingen (durch Ersatzvornahme auf Kosten des Schuldners). Vice versa kann der Gläubiger eines deutschen Titels diesen z.B. in Frankreich oder in den Benelux-Staaten nach Art. 38 ff. EuGVVO für vollstreckbar erklären lassen unter Beifügung einer astreinte. Diese Vorgehensweise ist auch im Bereich des autonomen Rechts vorstellbar.
3243
IX. Gläubigeranfechtung außerhalb des Insolvenzverfahrens Art. 1 II lit. b EuGVVO/LugÜ greift nicht ein;43 Art. 22 Nr. 1 EuGVVO/LugÜ kommt nicht zum Zuge bei einer eine Immobilie betreffenden Gläubigeranfechtungsklage (actio paulina).44
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Ist ein deutscher Vollstreckungstitel (Versäumnisurteil) gegen einen im Ausland wohnhaften Schuldner im Ausland nicht vollstreckbar, dann genügt für die Anfechtung gemäß § 2 AnfG, dass ein greifbarer Vermögensgegenstand im Inland nicht zur Verfügung steht.45
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§ 19 AnfG bestimmt, welches Recht über den Bestand einer gläubigerbenachtei- 3245a ligenden Rechtshandlung entscheidet. Es kommt auf die Rechtsordnung an, die für die unmittelbaren Rechtswirkungen der gläubigerbenachteiligenden Rechtshandlung maßgeblich ist. Für die Anfechtung einer Grundstücksschenkung ist die lex rei sitae entscheidend, nicht das Schuldvertragsstatut, da der dingliche Vollzug der Schenkung die Gläubigerbenachteiligung darstellt.46
X. Zustellung als Voraussetzung des Beginns der Zwangsvollstreckung Eine (erneute) Auslandszustellung (§ 183 ZPO) des Vollstreckungstitels (§ 750 3246 ZPO) ist im Hinblick auf § 172 I 3 ZPO nicht erforderlich, Rz. 2117. 42 Schlosser in Festschrift Leipold, 2009, 435, 440 ff., 448 ff. 43 Anders jedoch bei der Insolvenzanfechtungsklage OLG Hamm vom 25.11.1999, RIW 2000, 305 = EWiR 2000, 437 (Schlosser) = KTS 2000, 377 = IPRspr. 1999 Nr. 134. 44 EuGH vom 10.1.1990, Rs C-115/88 – Reichert/Dresdner Bank Slg. 1990, 127 = IPRax 1991, 45 (Schlosser 29) = RIW 1991, 331; OLG Düsseldorf vom 25.8.1999, IPRax 2000, 534 (Kubis 501) = IPRspr. 1999 Nr. 33. 45 RG vom 23.11.1934, RGZ 145, 341 = IPRspr. 1935–1944 Nr. 680. Siehe auch die Nachweise bei H. Jung, Die nationale und internationale Gläubigeranfechtung nach deutschem und französischem Recht, 2005; Koch, Das IPR der actio Paulana, IPRax 2007, 466. 46 OLG Stuttgart vom 11.6.2007, IPRax 2008, 417; hierzu Koch, Gläubigeranfechtung der Schenkung eines ausländischen Grundstücks, IPRax 2008, 417, 418.
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Dreizehnter Teil: Internationales Zwangsvollstreckungsrecht
XI. Pfändung von Forderungen und sonstigen Rechten 1. Zustellungen47 a) Zustellung an den Vollstreckungsschuldner 3247 Ist die Zustellung an den Vollstreckungsschuldner im Ausland zu bewirken (weil er keinen Prozessbevollmächtigten im Inland hat, § 172 ZPO), dann ist nicht etwa – wie bei der Zustellung an den Drittschuldner – die Einschaltung ausländischer Rechtshilfe erforderlich. Die Zustellung erfolgt vielmehr durch Aufgabe zur Post, § 829 II 3 ZPO. b) Fehlen eines Drittschuldners 3248 Dies gilt nach dem Wortlaut des Gesetzes und wohl auch nach herrschender Meinung auch für die Pfändung anderer Vermögensrechte, bei denen ein Drittschuldner fehlt. In diesen Fällen ist die Zustellung an den Schuldner konstitutiv, § 857 II ZPO.48 c) Zustellung an den Drittschuldner 3249 Die Voraussetzungen für eine Zustellung durch Aufgabe zur Post (§ 184 ZPO) liegen hinsichtlich des Drittschuldners nicht vor.49 Hält sich der Drittschuldner im Ausland auf, ist nach § 183 ZPO zuzustellen, was jedoch oft scheitert, Rz. 1229. Letzterenfalls erfolgt öffentliche Zustellung, Rz. 2142. Denn der Wortlaut des § 185 ZPO ist nunmehr entsprechend weit gefasst. Lässt man eine öffentliche Zustellung an den im Ausland sich aufhaltenden Drittschuldner zu,50 so ist gleichwohl dessen Zahlung an seinen Gläubiger (= Vollstreckungsschuldner) in Unkenntnis der Pfändung gemäß § 804 ZPO, §§ 1275, 407 BGB schuldbefreiend,51 Rz. 3267. 3250 Die Forderungspfändung ist auch wirksam, wenn eine Inlandszustellung an den Drittschuldner möglich ist, z.B. weil sich dieser oder sein Vertreter im Inland (vorübergehend) aufhält, § 177 ZPO. Es handelt sich dabei nicht um eine „Auslandszustellung“. Daher sind die im HZPÜ bzw. HZÜ bzw. in den sonstigen
47 Hierzu ausführlich nun auch Lange, Internationale Rechts- und Forderungspfändung: Eine Untersuchung zu den Chancen und Risiken „grenzüberschreitender“ Vollstreckungsmaßnahmen in Forderungen und sonstige Vermögensrechte unter besonderer Berücksichtigung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 und des Zustellungsreformgesetzes, Diss. Saarbrücken 2004, 275 ff. 48 In diesen Fällen will aber Stein/Jonas/Brehm, ZPO22, 2005, § 857 Rz. 99 die Zustellung durch Aufgabe zur Post (§ 829 II 4 ZPO) nicht zulassen. Ebenso Bertele, Souveränität und Verfahrensrecht – Eine Untersuchung der aus dem Völkerrecht ableitbaren Grenzen staatlicher extraterritorialer Jurisdiktion im Verfahrensrecht, 1998, 559 Fußn. 54. 49 Gottwald IPRax 1991, 289. 50 Im Ergebnis anderer Auffassung Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 17 Rz. 68. 51 Vgl. auch G. Roth in Münchener Kommentar zum BGB5, 2007, § 407 Rz. 34.
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Pfändung von Forderungen und sonstigen Rechten Rechtshilfeverträgen vorgesehenen Kautelen (Beifügung einer Übersetzung) nicht einzuhalten, Rz. 2109.52 Hat der Drittschuldner im Inland eine Zweigniederlassung und hat die (zu pfändende) Forderung Bezug zu dieser Niederlassung (in dem in § 21 ZPO definierten Sinne), kann an bzw. in dieser inländischen Niederlassung zugestellt werden, nicht jedoch hinsichtlich sonstiger Forderungen, Rz. 2110.53
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Darüber hinaus ist immer dann eine Auslandszustellung entbehrlich, wenn der 3252 Zustellungsadressat mit Wohnsitz bzw. Sitz im Ausland einen Geschäftsraum im Inland hat.54 Dieses kann – anders als die Niederlassung nach § 21 ZPO – auch, soweit dem Publikumsverkehr zugänglich, nur ein Laden, ein Kontor, eine Registratur, ja nur eine vorübergehende Einrichtung wie ein Messestand sein.55 Der Zustellungsadressat braucht sich nicht im Inland aufzuhalten. Zugestellt wird vielmehr im Wege der Ersatzzustellung (die als gesetzliche Vertretung für den Adressaten interpretiert wird56) an eine in den Geschäftsräumen anwesende, dort beschäftigte Person, § 178 I Nr. 2 ZPO. Anders als bei der Zustellung einer auf § 21 ZPO gestützten Klage braucht das zuzustellende Schriftstück keinerlei Bezug zum Geschäftslokal zu haben.57 § 178 ZPO gilt auch für Zustellungen, die mit Gewerbe oder Beruf nichts zu tun haben, mithin also auch für Zustellungen in Privatangelegenheiten.58 Dass die in den Geschäftsräumen beschäftigte Person das ihr übergebene Schrift- 3253 stück an ihren sich im Ausland aufhaltenden „Chef“ weitergeleitet hat, ist nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit der Ersatzzustellung.59 Jedoch kann dieser einwenden, er habe von dem wirksam zugestellten Schriftstück tatsächlich keine Kenntnis erhalten, so dass er trotz Wirksamkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (§ 829 III ZPO) gemäß § 804 ZPO, §§ 1275, 407 BGB mit schuldbefreiender Wirkung noch an den Vollstreckungsschuldner zahlen konnte.60 Die Aufstellung eines Abwesenheitspflegers für den im Ausland sich aufhalten- 3254 den Drittschuldner scheidet nach herrschender Meinung aus, weil eine Bestellung ausschließlich dem Interesse eines Dritten (Vollstreckungsgläubiger) dient, Rz. 2143. Das Zustellungserfordernis des § 829 III ZPO kann zum Verlust jeden Rechtsschutzes führen.61 Auch der Rat der herrschenden Meinung, der Gläubiger möge 52 Anderer Auffassung Koch in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 203. 53 Gottwald, IPRax 1991, 289 Fußn. 64. 54 § 178 ZPO. Zu § 183 ZPO a.F. OLG Düsseldorf vom 11.5.1978, MDR 1978, 930 = IPRspr. 1978 Nr. 140. 55 Zöller/Stöber, ZPO27, 2009, § 178 Rz. 15. 56 BSG vom 21.5.1963, NJW 1963, 1645; BVerwG vom 11.5.1979, NJW 1980, 1480. 57 Ein dem Zustellungsadressaten zurechenbarer Rechtsschein eines inländischen Geschäftslokals genügt, OLG Hamburg vom 6.9.2005, OLG-Report 2006, 297. 58 So zu § 183 ZPO a.F. RG vom 22.6.1886, RGZ 16, 349, 351; Zöller/Stöber, ZPO27, 2009, § 178 Rz. 15. 59 BVerwG vom 11.5.1979, NJW 1980, 1480. 60 RGZ 87, 412; vgl. auch Stein/Jonas/Brehm, ZPO22, 2005, § 829 Rz. 99. 61 Allerdings dürften diese Fälle nach Inkrafttreten des Zustellungsreformgesetzes vom 25.6.2001 (BGBl. I 1206) weniger werden im Hinblick auf §§ 183 I Nr. 1, 185 ZPO.
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Dreizehnter Teil: Internationales Zwangsvollstreckungsrecht seinen Titel in dem Wohnsitz- bzw. Aufenthaltsstaat des Drittschuldners für vollstreckbar erklären lassen und nach der dortigen lex fori die Forderung pfänden, führt nicht weiter, wenn die Rechtsverfolgung gegen den Drittschuldner dort ergebnislos verläuft, weil er sein Vermögen in Deutschland hat.62 Deshalb ist sehr wohl das verfassungsmäßige Recht auf effektive Zwangsvollstreckung (als Ausprägung des verfassungsmäßigen Rechts auf effektiven Rechtsschutz) tangiert, Rz. 1131, 2143.63 3256 Im Grunde wird durch die Einführung eines hoheitlichen Moments (Erfordernis der förmlichen Zustellung, §§ 829 III, 183 I 2 2. Alternative ZPO, die nach kontinentaleuropäischem Rechtsverständnis eine Amtshandlung, also keine „solely private matter“ ist) die Rechtsverfolgung für den Gläubiger unnötig und deshalb auch in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise verkompliziert. Genauso wie eine Vollabtretung nach § 398 BGB ohne Mitwirkung des Schuldners durch bloße Einigung zwischen Zedenten (= bisheriger Gläubiger = Veräußerer der Forderung) und Zessionar (= neuer Gläubiger = Erwerber) vonstatten geht, kann ein vertragliches Pfandrecht durch Einigung zwischen Gläubiger und dem Erwerber des Pfandrechts begründet werden, §§ 1205, 1274 BGB. Eine Mitwirkung oder nur eine Verständigung des Schuldners ist nicht erforderlich. Auch würde ein solches Dreiecksgebilde die uns geläufige (von den Römern überkommene) Dogmatik des Zessionsvertrages in Frage stellen. Wieso dann im Zwangsvollstreckungsrecht der Schuldner bei der Begründung eines Rechts an dem Recht seines Gläubigers (= Vollstreckungsschuldners) eine rechtskonstitutive Rolle (§ 829 III ZPO)64 spielen soll, wird nicht klar. Ganz im Gegenteil zeigen die Fälle des § 857 II ZPO, wo die Zustellung nur an den Vollstreckungsschuldner (= Inhaber des Rechts) das Pfändungspfandrecht begründet, dass es sehr wohl ohne den Drittschuldner geht, ganz zu schweigen von den gerichtlichen Verfügungsverboten nach §§ 135, 136 BGB bzw. nach § 21 II Nr. 2 InsO.65 3257 In allen Fällen ist Verfahrensgegner nicht der Drittschuldner, sondern sein Gläubiger (= Vollstreckungs- bzw. Gemeinschuldner), Rz. 408. Der Drittschuldner hat deshalb auch kein durch Art. 103 I GG bzw. Art. 2 I GG in Verbindung mit Art. 1 GG (Menschenwürde) bzw. Art. 20 III GG (Rechtsstaatsprinzip) gewährleistetes Recht auf rechtliches Gehör. Denn aus seiner Sicht ist es gleichgültig, ob die Rechtsinhaberschaft seines Gläubigers durch Zessionsvertrag oder durch eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme (die nur in die Rechtsposition seines Gläubigers eingreift) verändert wird. Aus seiner Perspektive ist auch nicht etwa die rechtstechnische Konstruktion (Begründung eines Pfandrechts oder Verfügungsbzw. Einziehungsverbots an den Vollstreckungsschuldner) entscheidend, son-
62 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht3, 2002, Rz. 983. 63 Anderer Auffassung OLG Zweibrücken vom 1.7.1985, FamRZ 1987, 523. 64 Hieran jedoch festhaltend Nagel/Gottwald, Internationales Zivilprozessrecht6, 2007, § 17 Rz. 68. 65 Hinzu kommt, dass im Insolvenzrecht die Zustellung durch Aufgabe zur Post genügt, § 8 I 2. InsO, so dass die mit § 183 I 2 2. Alternative ZPO zusammenhängenden Probleme (Notwendigkeit der Inanspruchnahme ausländischer Hilfe bei der Zustellung) von vornherein vermieden werden.
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Pfändung von Forderungen und sonstigen Rechten dern vielmehr die Frage, ob er durch den Vollstreckungsvorgang – ebenso wenig wie durch die Veränderung in der „Rechtszuständigkeit“ durch Vertrag (bei Abtretung oder Verpfändung) – in unzumutbarer Weise beeinträchtigt wird. Insofern geht es nicht um typisch verfahrensrechtliche Interessen, sondern um „allgemeine“ in dem Sinn, dass sie innerhalb und außerhalb der Zwangsvollstreckung „schuldnertypisch“ sind: Er möchte nicht zweimal zahlen müssen. Daher muss sein „guter Glaube“ geschützt werden. Dies ist kein spezifisches Problem der Forderungspfändung, auch nicht der Zwangsvollstreckung, sondern stellt sich stets bei Veränderungen der „Inkasso-Zuständigkeit“, wie bei Abtretung und Verpfändung und bei Enteignungen. Diese „übergreifende“ Betrachtungsweise kommt leider nicht nur bei der herr- 3258 schenden Meinung,66 sondern auch bei der Kochschen Analyse der Interessen der besonders schutzbedürftigen Dritten im internationalen Zwangsvollstreckungsrecht67 zu kurz. Den Punkt trifft dagegen Schack:68 „Man muss sich nur von der Vorstellung freimachen, das Wesen der Zustellung liege in ihrer hoheitlichen Natur. Der Drittschuldner muss zuverlässige Kenntnis vom Pfändungsund Überweisungsbeschluss erhalten, mehr nicht.“ De lege ferenda wäre daher eine Streichung des § 829 III ZPO die richtige Lö- 3259 sung (vgl. auch Rz. 1230), jedenfalls nach dem Vorbild von § 829 II 3 ZPO dann, wenn eine Auslandszustellung notwendig ist. Erwägenswert wäre auch eine Harmonisierung mit den Zustellungsregeln des Insolvenzrechts (§ 8 InsO),69 die Zustellung durch Aufgabe zur Post vorsehen. Die Asymmetrie der lex lata ist unbefriedigend. Denn es leuchtet nicht ein, wieso im Bereich der „Gesamtvollstreckung“ – bei identischer Problemlage – etwas anderes gelten soll als bei der Singularvollstreckung. Wie immer die rechtstechnische Lösung auf dem zustellungsrechtlichen Sektor aussehen mag, der wesentliche Punkt ist der Schuldnerschutz: Der Drittschuldner kann – ebenso wie beim vertraglich begründeten Pfandrecht – so lange mit schuldbefreiender Wirkung an „seinen Gläubiger“ (= den Vollstreckungsschuldner) zahlen bzw. leisten, als er nicht von der Pfändung benachrichtigt ist. Dieses Geschäft könnte man dem Vollstreckungsgläubiger als dem an der Angelegenheit Meistinteressierten überlassen. Wie ist aber das Dilemma de lege lata zu lösen, um einerseits dem Vollstre- 3260 ckungsgläubiger einen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, aber andererseits den Drittschuldner angemessen zu schützen und drittens „internationaljustizpolitisch“ unerwünschte „Vollstreckungsklagen“70 zu vermeiden? Wenn das Gebot an den Vollstreckungsschuldner, sich jeder Verfügung über die Forderung, insbesondere ihrer Einziehung, zu enthalten (§ 829 I 2 ZPO), an den Schuldner im Ausland durch Aufgabe zur Post erfolgen kann (§ 829 II 3 ZPO), weshalb dann nicht auch das Verbot an den Drittschuldner, an seinen Gläubiger (= den Vollstreckungsschuldner) zu zahlen (§ 829 I 1 ZPO)? Zwar ist richtig, dass der
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Gottwald IPRax 1991, 289 bei Fußn. 62. Koch in Schlosser, Materielles Recht und Prozessrecht, 1992, 175, 201. Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 983. Zur Zustellung nach der InsO Sabel ZIP 1999, 305. Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 983.
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Dreizehnter Teil: Internationales Zwangsvollstreckungsrecht Vollstreckungstitel dem Vollstreckungsschuldner bereits zugestellt worden ist, § 750 ZPO (Rz. 3246), doch kann diese Zustellung ihrerseits nach § 184 ZPO erfolgt sein.71 Der Drittschuldner dagegen hat von allem noch keine Ahnung. Aber gleichwohl steht nichts entgegen, von dem „Zustellungserfordernis“ abzusehen und dem Drittschuldner durch Postbrief die Pfändung mitzuteilen.72 3261 Völkerrechtliche Bedenken bestehen nicht; denn das nach § 829 I 1 ZPO an den Drittschuldner ausgesprochene Verbot ist bei funktionaler Betrachtungsweise lediglich der Hinweis des deutschen Vollstreckungsgerichts, dass aus deutscher Sicht die Leistung an den Vollstreckungsschuldner (= Gläubiger des Drittschuldners) nicht mehr als schuldbefreiend angesehen wird, Rz. 408.73 3262 Auch die Auskunftspflicht (§ 840 I, II 2 ZPO), die durch die aus deutscher Sicht (dann) wirksame Pfändung bewirkt wird, ändert nichts an der völkerrechtlichen Unbedenklichkeit. Denn Deutschland greift nicht durch völkerrechtswidrigen Zwang auf fremdem Hoheitsgebiet (Rz. 405) in die territoriale Souveränität des Wohnsitz- bzw. Aufenthaltsstaates des Drittschuldners ein74 und erzwingt die Erfüllung dieser Pflicht auch nicht im Inland unmittelbar, sondern nur mittelbar durch Stipulierung einer materiell-rechtlichen Schadensersatzpflicht (§ 840 II 2 ZPO). Hierfür hat Deutschland als Vollstreckungsstaat sehr wohl jurisdiction to prescribe. 2. Voraussetzungen für den Erlass eines Pfändungsbeschlusses 3263 Von der Frage der internationalen Zuständigkeit klar zu trennen ist das Zustellungserfordernis des § 828 II und III ZPO. Ist absehbar, dass die Zustellung im Ausland nicht durchführbar sein wird, dann bleibt die internationale Zuständigkeit hiervon unberührt. Der Pfändungs- und Überweisungsbeschluss ist zu erlassen. Das Vollstreckungsgericht darf den Gläubiger nicht bevormunden. Was er mit dem (nicht zustellbaren) Pfändungs- und Überweisungsbeschluss macht, ist seine Sache. Im Übrigen lässt sich nie im Voraus absehen, ob nicht doch Zustellung erfolgt. 3264 Beispiel (tatsächlich passiert): Ein badisches Amtsgericht erlässt einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Der Drittschuldner ist eine Bank in Zürich. Der deutsche Rechtspfleger beantragt im direkten Verkehr Zustellung. Der Gerichtsbeamte in Zürich stellt versehentlich zu. 3265 Für Erlass des Pfändungsbeschlusses trotz fehlender Aussicht auf Zustellung spricht u.a., dass der Drittschuldner seinen Wohnsitz in das Inland verlegen oder sich vorübergehend (z.B. aus Anlass einer Reise) im Inland aufhalten könnte. Dann wäre die Zustellung durchführbar und für den Vollstreckungsgläubiger die Möglichkeit gegeben, die Forderung des Vollstreckungsschuldners gegen
71 Zöller/Stöber, ZPO27, 2009, § 750 Rz. 16 unter Hinweis auf LG Berlin vom 15.12.1988, NJW 1989, 1434. 72 Im Ergebnis ebenso Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 983, der aber noch zu stark auf „Zustellung“ beharrt. 73 Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 982. 74 Insoweit zustimmend Gottwald IPRax 1991, 289 Fußn. 54.
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Pfändung von Forderungen und sonstigen Rechten den Drittschuldner zu titulieren und in inländische Vermögenswerte des Drittschuldners zu vollstrecken.75 3266 3. Zahlung des Drittschuldners an Vollstreckungsschuldner trotz (wirksamer) Pfändung Eine Zahlung des Drittschuldners an den Schuldner (= seinen Gläubiger) nach 3267 wirksamer Pfändung bringt zwar im Verhältnis zum Schuldner die Forderung zum Erlöschen, § 362 I BGB bzw. maßgebliche lex causae; dies hat jedoch gegenüber dem Vollstreckungsgläubiger keine schuldbefreiende Wirkung, §§ 135, 136 BGB. Eine Ausnahme gilt jedoch nach § 804 ZPO, §§ 1275, 407 BGB, wenn der Drittschuldner die Pfändung nicht kannte, z.B. wegen Ersatzzustellung.76 Wird eine rechtshängige Forderung gepfändet, dann muss der Drittschuldner 3268 diesen Umstand im Prozess geltend machen, damit er nicht zur Zahlung an den Schuldner, sondern an den Gläubiger verurteilt wird. Unterlässt er diesen Vortrag, dann kann er sich dem Vollstreckungsgläubiger gegenüber nicht darauf berufen, er sei vom Gericht zur Zahlung an den Vollstreckungsschuldner verurteilt worden.77 Dies gilt auch dann, wenn der Rechtsstreit im Ausland anhängig ist. Konnte er nach dem Recht des Gerichtsstaates diesen Einwand nicht (mehr) bringen oder hat das ausländische Gericht ihn nicht gehört, weil es die deutsche Pfändung nicht für anerkennungsfähig hielt oder weil es – trotz grundsätzlicher Anerkennungsbereitschaft – zu Unrecht die deutsche Pfändung wegen Verletzung der deutschen Vorschriften für nichtig hielt, dann sollte man den Drittschuldner im Inland nicht zur Doppelzahlung zwingen; denn er hat alles in seiner Macht Stehende getan, um dem Pfandrecht des Gläubigers auch im Ausland Geltung zu verschaffen.78
75 OLG Karlsruhe JW 1932, 667 (Jonas); LG Dresden JW 1933, 1350 (Neuner); RGZ 140, 340, 343, 344; OLG Frankfurt MDR 1976, 321; LG Bonn MDR 1966, 935; AG Bonn MDR 1961, 511, 512 und MDR 1966, 597; Stein/Jonas/Brehm, ZPO22, 2005, § 829 ZPO Rz. 24; Schmidt MDR 1956, 204; Marquardt, Das Recht der internationalen Forderungspfändung, Diss. Köln 1975, 40. Anderer Auffassung KG JW 1929, 2360 (kritisch Oertmann); KG vom 5.6.1936, JW 1936 = IPRspr. 1935–1944 Nr. 685, 2760; Reichel, Internationale Forderungspfändung, AcP 131 (1929), 292 ff. Übersicht über die verschiedenen Auffassungen bei Rheinstein RabelsZ 8 (1934), 277, 279 f.; Marquardt a.a.O. 5 f. Mühlhausen WM 1986, 959 widerspricht bezüglich juristischer Personen. Hier sei die Differenzierung zwischen Erlass und Wirksamkeit des Pfändungsbeschlusses gegenstandslos. Es komme allein auf die Wirksamkeit an. Wirksamkeit trete nicht ein, weil der ausländische Staat die Zustellung nicht durchführe. Dem ist entgegenzuhalten, dass dem Vorstand/Geschäftsführer sehr wohl zugestellt werden kann, wenn er sich im Inland oder in einem Staat (vorübergehend) aufhält, dessen Justizorgane zustellungsbereit sind. Denn die Zustellung darf keineswegs nur im Sitzstaat erfolgen. 76 Stein/Jonas/Brehm, ZPO22, 2005, § 829 Rz. 102; Wieczorek/Schütze/W. Lüke, ZPO3, 1999, § 828 Rz. 11. Vgl. auch Rz. 3249. 77 BGHZ 86, 337 = NJW 1983, 886. 78 Stein/Jonas/Brehm, ZPO22, 2005, § 829 Rz. 103. Anderer Auffassung RG vom 3.11.1911, RGZ 77, 250, 253; RG vom 16.5.1933, RGZ 140, 340, 344.
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Dreizehnter Teil: Internationales Zwangsvollstreckungsrecht 3269 Das Gleiche gilt, wenn das ausländische Gericht eine ausländische (in Deutschland nicht anerkannte) Pfändung für vorrangig gehalten hat.79 4. Rechtsstellung des Gläubigers gegenüber dem Drittschuldner a) Vor Erlass des Überweisungsbeschlusses 3270 Der Gläubiger erlangt mit Pfändung die Rechtsstellung, die ein Pfandgläubiger nach BGB vor Pfandreife hat. Er kann ohne Überweisung (§ 835 ZPO) die Forderung nicht einziehen. Er kann sie nicht kündigen. Er kann nur verlangen, dass auf eine fällige Forderung an ihn und den Schuldner gemeinsam geleistet oder für beide hinterlegt wird. b) Nach Erlass des Überweisungsbeschlusses 3271 Anders ist es nach Überweisung.80 Der Überweisungsbeschluss wird üblicherweise mit dem Pfändungsbeschluss verbunden. Wird die Überweisung später beantragt, so ergibt sich die internationale Zuständigkeit Deutschlands – als Annexzuständigkeit – bereits aus dem Umstand, dass im Inland ein Pfändungsbeschluss erlassen worden ist. Daher kommt es nicht darauf an, ob die Zuständigkeitsanknüpfungen des § 828 II ZPO (noch) vorliegen. Denn für die Durchführung der Verwertung eines in Deutschland im Wege der Zwangsvollstreckung begründeten Pfandrechts ist Deutschland international zuständig (nicht aber für Klagen gegen den Drittschuldner, Rz. 3273). Dies gilt auch dann, wenn die internationale Zuständigkeit in Wahrheit nicht vorgelegen hat, weil der Zuständigkeitsmangel aber durch Nichtanfechtung geheilt ist, Rz. 1011. c) Maßgebliches Recht 3272 Es gilt immer deutsches Recht für das Pfändungspfandrecht, auch wenn die zugrundeliegende Forderung anderem Recht unterliegt.81
79 Schack Rpfleger 1980, 177; Stein/Jonas/Brehm, ZPO22, 2005, § 829 Rz. 101 ff. Anders noch RG vom 3.11.1911, RGZ 77, 250; Frankenstein, Internationales Privatrecht II, 1929, 265. Vgl. auch die Parallelproblematik im internationalen Enteignungsrecht: Liegt das mit der Hypothek belastete Grundstück außerhalb des Enteignungsstaates, so kann der Altgläubiger – trotz der Enteignung der Forderung – am forum rei sitae die Schuldklage auf Zahlung und die dingliche Klage aus der Hypothek erheben. Falls der Eigentümer zugleich Schuldner ist, hat er gemäß § 242 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht, um sich gegen doppelte Inanspruchnahme zu schützen, Nachweise bei Staudinger/Ebke/Großfeld, Internationales Gesellschafts- und Unternehmensrecht, Neubearbeitung 2008, Rz. 505; Dutta, Die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Forderungen ausländischer Staaten durch deutsche Gerichte, 2006, 317. 80 Dies ist der normale Weg, die Forderung zu verwerten; andere Verwertung: § 844 ZPO. 81 Anderer Auffassung Frankenstein, Internationales Privatrecht I, 1926, 264.
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Pfändung von Forderungen und sonstigen Rechten 5. Internationale Zuständigkeit für Klage des Gläubigers gegen den Drittschuldner a) Überblick82 Es besteht keine Annexzuständigkeit aufgrund des Umstandes, dass der Pfän- 3273 dungs- und Überweisungsbeschluss im Inland ergangen ist. Maßgebend sind vielmehr Art. 2 ff. EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ (Art. 16 Nr. 5 EuGVÜ/LugÜ bzw. Art. 22 Nr. 5 EuGVVO ist nicht einschlägig) bzw. §§ 12 ff. ZPO. Verfehlt ist daher, in diesem Zusammenhang § 828 II ZPO zu diskutieren, wie dies Mühlhausen83 tut. Es ist vielmehr klar zu unterscheiden zwischen der internationalen Zuständigkeit – zum Erlass des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses (§ 828 II ZPO) als Zwangsvollstreckungsmaßnahme gegen den Schuldner (diese setzt einen Titel gegen diesen voraus); – zur Durchführung des Erkenntnisverfahrens („Einziehungsprozess“) gegen den Drittschuldner (Art. 2 ff. EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ, §§ 12 ff. ZPO); dieses führt zu einem Titel gegen den Drittschuldner. Ist die Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner bereits vor Pfändung tituliert, erfolgt Umschreibung, § 727 ZPO; – zur Zwangsvollstreckung gegen den Drittschuldner, sobald ein Titel gegen diesen vorliegt. b) Klagen vor inländischen Gerichten Wohnt der Drittschuldner im Inland, dann ergibt sich die internationale Zustän- 3274 digkeit aus Art. 2 I EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ bzw. §§ 12 ff. ZPO; wohnt er im Ausland, dann ist im Inland eine internationale Zuständigkeit nur dann eröffnet, wenn die vom Gläubiger eingeklagte Forderung des Vollstreckungsschuldners gegen den Drittschuldner im Inland zu erfüllen ist oder der Ort der unerlaubten Handlung im Inland liegt, etc. Zuständigkeitsvereinbarungen wirken für und gegen den Pfändungspfandgläubiger, Rz. 1723. Dieser tritt – auch kompetenzrechtlich – in die Rechtsposition des Vollstreckungsschuldners. Dies bedeutet: – der Pfändungsgläubiger muss sich eine vor Pfändung vereinbarte Derogation entgegenhalten lassen. Beispiel: Eine Bank mit Sitz in Frankfurt/M. und ein inländischer Auslandsfilialkunde vereinbaren die ausschließliche Zuständigkeit der Brüsseler Gerichte für alle Rechtsstreitigkeiten des Kunden mit der Bank aus Geschäften, die über die belgische Niederlassung abgewickelt werden. Die Derogation der Sitzzuständigkeit Deutschlands (Art. 2 I EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ) gilt auch im Prozess des Vollstreckungsgläubigers gegen die Bank als Drittschuldner. Sie
82 Umfassende Nachweise bei Sonnabend, Der Einziehungsprozess nach Forderungspfändung im internationalen Rechtsverkehr, 2008. 83 Mühlhausen WM 1986, 990.
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Dreizehnter Teil: Internationales Zwangsvollstreckungsrecht kann die Zuständigkeitsvereinbarung dem Gläubiger gegenüber ebenfalls einwenden.84 3276 – Der Vollstreckungsgläubiger kann sich aber auch auf die zwischen Vollstreckungsschuldner und Drittschuldner vereinbarte Prorogation berufen, also auf die Begründung der internationalen Zuständigkeit Deutschlands, obwohl an sich ein Zuständigkeitsanknüpfungspunkt nicht gegeben wäre. Beispiel: Ein Stuttgarter und ein Amsterdamer vereinbaren die (ausschließliche) Zuständigkeit des LG Stuttgart. Der Erfüllungsort ist Amsterdam. Der Gläubiger des Stuttgarters kann den Drittschuldner aus Amsterdam in Stuttgart verklagen. Dieser kann nicht einwenden, die Zuständigkeitsvereinbarung wirke nur „inter partes“. Denn der Gläubiger ist insoweit Rechtsnachfolger, und zwar auch vor Erlass des Überweisungsbeschlusses. Auch als bloßer Pfandgläubiger hat er einen Teil der bisherigen Rechtsmacht des Vollstreckungsschuldners (= Gläubiger des Drittschuldners) übertragen erhalten und ist insoweit ein Teil-Rechtsnachfolger, Rz. 1723. 3277 Für die Zulässigkeit und Wirksamkeit der Zuständigkeitsvereinbarung kommt es allein auf die Rechtsbeziehung zwischen Vollstreckungsschuldner und Drittschuldner an. Dies gilt nicht nur für das Zustandekommen der Willenseinigung über die Prorogation/Derogation (Willensmängel, Anfechtbarkeit, Einbeziehung der AGB etc.), sondern auch für die subjektiven Voraussetzungen: Eine zwischen Kaufleuten (§ 38 I ZPO) wirksam vereinbarte Gerichtsstandsklausel ist auch gegenüber einem Gläubiger wirksam, der Nichtkaufmann ist.85 3278 Das Gleiche gilt etwa für die Frage der Formfreiheit nach Art. 17 I 2 (c) EuGVÜ/ LugÜ bzw. Art. 23 I (c) EuGVVO (formlose Zuständigkeitsvereinbarung gemäß internationalen Handelsbräuchen) und des Zeitpunktes des Entstehens der Streitigkeit im Sinne von § 38 III Nr. 1 ZPO. Anders als die Zuständigkeitsvereinbarung wirken die gesetzlichen Zuständigkeitsanknüpfungen nicht für und gegen den Rechtsnachfolger und damit auch nicht für und gegen den Pfändungsgläubiger. Maßgebend sind vielmehr die Zuständigkeitsanknüpfungen in der Person der jeweiligen Beklagten bzw. des jeweiligen Klägers. 6. Internationale Zuständigkeit für Klagen gegen den Pfändungspfandgläubiger 3279 Durch die Pfändung darf die Rechtsstellung des Drittschuldners auch kompetenzrechtlich nicht geschmälert werden. Dies führt zu einer Erweiterung der Gerichtspflichtigkeit des Gläubigers. Der Drittschuldner kann ihn nicht nur an seinem Wohnsitz, seiner Zweigniederlassung, dem Ort seines Vermögens (§ 23 ZPO) etc. verklagen, sondern überall dort, wo er hinsichtlich der gepfändeten Forderungen bzw. Rechte (§ 857 ZPO) den Vollstreckungsschuldner (= seinen Gläubiger) hätte verklagen können, also an dessen Wohnsitz/Sitz zum Zeitpunkt 84 Mühlhausen WM 1986, 990. 85 Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht16, 2004, § 66 Rz. 19; Palandt/Grüneberg, BGB68, 2009, § 398 Rz. 18.
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Pfändbarkeit, Pfändungsbeschränkungen und -erweiterungen der Klageerhebung (nicht zum Zeitpunkt der Pfändung), am Ort seiner Niederlassung (§ 21 ZPO), am Ort seines Vermögens (§ 23 ZPO) etc. Beispiel: Münchner hat Kaufpreisrestforderung gegen Hamburger. Luxemburger 3280 Bank pfändet Forderung. Hamburger kann in München (Art. 2 I EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ, § 12 ZPO) gegen Pfändungspfandgläubiger auf Feststellung des Nichtbestehens der Forderung klagen. Hatte Bank ihren Sitz außerhalb des geographischen Anwendungsbereichs des EuGVÜ/LugÜ bzw. der EuGVVO, wäre § 23 ZPO anwendbar mit der Folge, dass gegen die Bank ein originärer Gerichtsstand begründet wäre, denn die Bank hätte Vermögen in Deutschland (Forderung gegen Beklagten und gepfändete Forderung). 7. Zustellung der Klage Der Umstand, dass dem Drittschuldner der (deutsche) Pfändungs- und Überwei- 3281 sungsbeschluss ordnungsgemäß im Inland (weil er seinerzeit noch in Deutschland wohnte oder sich vorübergehend dort aufhielt) oder nach § 183 I ZPO im Ausland zugestellt worden ist, macht die Zustellung der Klage des Gläubigers gegen den Drittschuldner nach § 183 ZPO nicht entbehrlich. Es kann nicht nach § 184 ZPO vorgegangen werden, wohl aber nach § 172 ZPO. Weil dem Drittschuldner ein deutscher Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zugestellt wurde, muss er keineswegs damit rechnen, dass er in Deutschland verklagt wird. Er ist daher nicht gehalten, „prophylaktisch“ einen Zustellungsbevollmächtigten zu bestellen. Hat er jedoch im Pfändungsverfahren (§§ 828 ff. ZPO) einen Anwalt bestellt, z.B. um (erfolglos) Mängel der Pfändung zu rügen, dann erschiene es unter Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien (Justizgewährungsanspruch des Klägers contra Verzögerungstaktik des Beklagten) sachgerecht, § 172 ZPO (analog) anzuwenden. Jedoch verfährt die Praxis anders. 8. Klage im Ausland Für die Prozesschancen des Gläubigers ist von elementarer Bedeutung, ob die 3282 (deutsche) Pfändung und Überweisung im Gerichtsstaat anerkannt wird (die Tendenz ist zurückhaltend) und zum Zweiten, ob dieser international zuständig ist (unproblematisch, wenn der Drittschuldner in seinem Wohnsitzstaat verklagt wird oder in dem Staat, wo die eingeklagte Forderung zu erfüllen ist).86 Hat der Gläubiger gegen den Drittschuldner einen Titel erstritten und kann er diesen nicht im Forumstaat durch Vollstreckung realisieren, dann ist dem Gläubiger daran gelegen, dass dieser im Inland anerkannt und für vollstreckbar erklärt wird. Hierfür gelten die allgemeinen Regeln.
XII. Pfändbarkeit, Pfändungsbeschränkungen und -erweiterungen Hinsichtlich der Frage, welche Rechtsordnung die Pfändbarkeit einer Forderung bzw. eines Rechts regelt bzw. nach welchem Recht Pfändungsbeschränkungen
86 Frankenstein, Internationales Privatrecht II, 1929, 264.
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Dreizehnter Teil: Internationales Zwangsvollstreckungsrecht und -erweiterungen zum Zuge kommen, ist vieles streitig. Man sollte wie folgt unterscheiden:87 3284 Kommt nach deutschem Internationalen Privatrecht für die Forderung bzw. für das Recht deutsches Sachrecht zur Anwendung, so ist aus deutscher Sicht für Pfändbarkeit, Pfändungsbeschränkungen und -erweiterungen deutsches Recht maßgebend. Dies gilt auch dann, wenn die deutschen Normen – wie z.B. die Pfändungsfreigrenzen (§ 850c ZPO) – einem Schuldner mit Wohnsitz im Ausland von Vorteil sind, weil diese sich an den Lebensverhältnissen in Deutschland orientieren. 3285 Dagegen kommen bei ausländischem Sachstatut nach der lex fori-Regel (Rz. 319) §§ 850 ff. ZPO zur Anwendung, allerdings nur insoweit, als es sich um echte vollstreckungsrechtliche Normen und nicht um (in der ZPO kodifiziertes) materielles Recht handelt. Vollstreckungsrechtlich zu qualifizieren ist eine Norm, wenn sie (zumindest auch) auf im öffentlichen Interesse liegenden sozialpolitischen Erwägungen des Gesetzgebers beruht. Um materielles Recht (für das die lex causae „zuständig“ bleibt) handelt es sich dagegen, wenn es allein um den Schutz privater Interessen geht. So ist z.B. die Pfändbarkeit nach § 851 I ZPO zu beurteilen, die Frage der Übertragbarkeit jedoch nach der vom deutschen Internationalen Privatrecht bestimmten lex causae.88 3286 Ist für die zu vollstreckende Forderung nach deutschem Internationalen Privatrecht deutsches Sachrecht maßgeblich, kommen aus deutscher Sicht die Vorschriften der deutschen ZPO, z.B. § 850d, ohne Einschränkungen zur Anwendung. Bei ausländischem Sachstatut ist wieder zu prüfen, ob die Pfändungsbeschränkung bzw. erweiterung nach der ratio legis (zumindest auch) im öffentlichen Interesse stipuliert ist.89
XIII. Schadensersatz wegen unberechtigter Vollstreckung 3287 Maßgebend ist die deutsche lex fori als das Recht des Vollstreckungsortes.90
XIV. Anerkennung ausländischer Vollstreckungsakte 3288 Die prozessualen Wirkungen eines ausländischen Zwangsvollstreckungsaktes sind analog § 328 ZPO in Deutschland anzuerkennen, wenn der Vollstreckungs-
87 Ausführlich zum Folgenden Lange, Internationale Rechts- und Forderungspfändung: Eine Untersuchung zu den Chancen und Risiken „grenzüberschreitender“ Vollstreckungsmaßnahmen in Forderungen und sonstige Vermögensrechte unter besonderer Berücksichtigung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 und des Zustellungsreformgesetzes, Diss. Saarbrücken 2004, 233 ff. 88 Lange a.a.O., 253. 89 Lange a.a.O., 259. 90 §§ 717 II, 945 ZPO; § 28 I 2 AVAG; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I 2, 1983, 1138 sowie II, 1971, 215. Anders (für Anwendung des Art. 40 EGBGB) die h.M., LG Bonn vom 20.1.1999, RIW 1999, 873 = IPRspr. 1999 Nr. 29. Vgl. auch Freitag IPRax 2002, 267.
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Eidesstattliche Versicherung staat aus deutscher Sicht international zuständig ist und kein Verstoß gegen den deutschen ordre public in concreto vorliegt, Rz. 2794.91 So ausdrücklich § 343 InsO für die „Gesamtvollstreckung“, Rz. 3514. Weiter ist erforderlich, dass der Vollstreckungsakt im Vollstreckungsstaat (schon) wirksam ist (vgl. Rz. 2889, 3511) und die dem Vollstreckungsstaat vom Völkerrecht gezogenen Grenzen eingehalten worden sind (vgl. Rz. 2894, 3513).92 Bei der Anerkennung ausländischer Zwangsvollstreckungsakte steht die Erstreckung der nach dem Recht des Vollstreckungsstaates eingetretenen prozessrechtlichen Wirkungen der Pfändung auf das Inland im Vordergrund. Die Abgrenzung zwischen prozessualen und materiell-rechtlichen Wirkungen bereitet Schwierigkeiten.93 Vgl. auch Rz. 3536. Die Anerkennung eines ausländischen Vollstreckungsaktes, also die Hinnahme der durch ihn geschaffenen Rechtslage, schließt nicht aus, dass im Inland Bereicherungs- bzw. Ausgleichsansprüche zugelassen werden und einklagbar sind, welche das Recht des Vollstreckungsstaates ausdrücklich ablehnt.
XV. Eidesstattliche Versicherung Maßgebend für die internationale Zuständigkeit ist nach § 899 ZPO der Wohn- 3289 sitz bzw. Aufenthalt94, bei juristischen Personen oder Gesellschaften deren Sitz. Es genügt jedoch auch eine Niederlassung im Inland (§ 21 ZPO).95
91 Gegen Analogie zu § 328 ZPO und für eine solche zu § 343 InsO (vormals Art. 102 I EGInsO) Lange, Internationale Rechts- und Forderungspfändung: Eine Untersuchung zu den Chancen und Risiken „grenzüberschreitender“ Vollstreckungsmaßnahmen in Forderungen und sonstige Vermögensrechte unter besonderer Berücksichtigung der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 und des Zustellungsreformgesetzes, Diss. Saarbrücken 2004, 343 ff. 92 Zustimmend OLG Oldenburg vom 25.4.1995, EWiR 1996, 45 (R. Geimer) = IPRspr. 1995 Nr. 180. Anderer Auffassung BAG vom 19.3.1996, IPRax 1997, 335 (Schack 318) = MDR 1997, 71 = ZIP 1996, 2031 = EWiR 1996, 1055 (Mankowski) = IPRspr. 1996 Nr. 194. Weitere Nachweise bei Schack Rpfleger 1980, 175, 177; Marquardt, Das Recht der internationalen Forderungspfändung, Diss. Köln, 1975, 100; Karen Ilka Mössle, Internationale Forderungspfändung, 1991, 239; Gottwald IPRax 1991, 285, 290; Stein/Jonas/Brehm, ZPO22, 2005, § 829 Rz. 105; Hök MDR 2005, 306, 309 Fußn. 72; Lange, a.a.O., 335 ff. 93 Frankenstein, Internationales Privatrecht II, 1929, 264 und Drobnig in Henrich, Vorschläge und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Sachen- und Immaterialgüterrechts, 1991, 27 sprechen von „prozessual-dinglichen Rechten“. Beispiel: OLG Oldenburg vom 25.4.1995, EWiR 1996, 45 (R. Geimer) = IPRspr. 1995 Nr. 180, wo es nicht um die Anerkennung prozessualer Wirkungen ging, sondern um die nach der lex causae (Gesellschaftsstatut) zu beurteilende „Tatbestandswirkung“ der (ausländischen) Pfändung im Normengefüge der Satzung, konkret darum, wann die Zwangsvollstreckung in den Geschäftsanteil als „unternommen“ gilt. 94 Es reicht auch eine kurze Anwesenheit des Schuldners im Inland, BGH vom 17.7.2008 – I ZB 80/07, Rz. 14. 95 OLG Köln vom 20.1.2003, InVo 2004, 424 = IPRspr 2003/19; LG Zwickau vom 22.3.1995, BB 1995, 1664 = Rpfleger 1995, 371 = EWiR 1995, 935 (Mankowski) = IPRax 1996, 193 (Rauscher 179) = Rpfleger 1995, 371 (Heß Rpfleger 1996, 89) = IPRspr. 1995 Nr. 178.
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Dreizehnter Teil: Internationales Zwangsvollstreckungsrecht
XVI. Haftbefehl (§ 901 ZPO) 3290 Die internationale Zuständigkeit für den Erlass des Haftbefehls nach § 901 ZPO folgt – als Annexzuständigkeit aus § 899 I ZPO. Maßgebend bzw. ausreichend ist der schlichte Aufenthalt in Deutschland zum Zeitpunkt der Auftragserteilung.96 3291–3349
96 BGH, a.a.O. Rz. 14.
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Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht Literatur: Aderhold, Auslandskonkurs im Inland, 1992; Ahrens, Rechte und Pflichten ausländischer Insolvenzverwalter im internationalen Insolvenzrecht (Diss. Freiburg/Breisgau 1999), 2002; Baur/Stürner, Konkurs- und Vergleichsrecht3, 1989, Rz. 37.3 ff.; Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- und Vergleichsrecht Bd. II12, 1990, 423 ff.; Beissenhirtz, Die Insolvenzanfechtung in Deutschland und England: Eine rechtsvergleichende Betrachtung, Diss. Halle 2003; Bicker, Gläubigerschutz in der grenzüberschreitenden Konzerngesellschaft – Eine international-privatrechtliche Untersuchung am Beispiel der abhängigen englischen Kapitalgesellschaft mit Verwaltungssitz in Deutschland, 2007; Boll, Die Anerkennung des Auslandskonkurses, 1990 (aus österreichischer Sicht); Bopp, Sanierung im Internationalen Insolvenzrecht der Schweiz, 2004; Bork, Die Aufrechnung im internationalen Insolvenzverfahrensrecht, ZIP 2002, 690; Bünning, Nachlassverwalter und Nachlasskonkurs im internationalen Privatund Verfahrensrecht, 1996; von Campe, Insolvenzanfechtung in Deutschland und Frankreich, 1996; Dawe, Der Sonderkonkurs des deutschen Internationalen Insolvenzrechts: Zugleich ein Beitrag zu deutschen Sonderinsolvenzverfahren im Anwendungsbereich der Europäischen Insolvenzverordnung, 2006; Dostal, Französisches internationales Insolvenzrecht, ZIP 1998, 969; Garasicˇ, Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren: Ein Vergleich des kroatischen, des deutschen und des schweizerischen Rechts sowie der Europäischen Verordnung über Insolvenzverfahren, des Istanbuler Übereinkommens und des UNCITRALModellgesetzes, Diss. Hamburg 2004, 2005; Gottwald, Grenzüberschreitende Insolvenzen, 1997; Gottwald, Aktuelle Entwicklungen des europäischen und internationalen Zivilverfahrensrechts, 2002; Graf, Die Anerkennung ausländischer Insolvenzentscheidungen, 2003; E. Habscheid, Grenzüberschreitendes (internationales) Insolvenzrecht der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland – Systeme und Wechselwirkungen rechtsvergleichend auch zu anderen Rechtsordnungen, insbesondere der Schweiz, 1998; Heukamp, Verfahrensrechtliche Aspekte der Gläubigerautonomie im deutschen und im französischen Insolvenzverfahren – Eine rechtsvergleichende Betrachtung, 2005; Hinrichs, Insolvenzbewältigung durch Optionen? Eine kritische Analyse des US-amerikanischen Reorganisationsverfahrens nach Chapter 11 Bankruptcy Code, des deutschen Insolvenzplanverfahrens und marktorientierter Reformmodelle, Diss. Freiburg/Breisgau 2002; Jeremias, Internationale Insolvenzaufrechnung, 2005; Jurisch, Verbraucherinsolvenzrecht nach deutschem und US-amerikanischem Insolvenzrecht, Diss. Konstanz 2002; Kemper in Kübler/Prütting, Insolvenzordnung, 1999, Anh. II Art. 102 EGInsO; Kindler in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, IntInsR, Bd. 11, S. 576 ff. Rz. 937 ff.; Klockenbrink, Die Gläubigerstellung unter dem Einfluss der EuInsVO und des deutschen internationalen Insolvenzrechts, 2008; Kolmann, Kooperationsmodelle im internationalen Insolvenzrecht. Empfiehlt sich für das deutsche internationale Insolvenzrecht eine Neuorientierung?, Diss. Regensburg 2001; Laubacher, Die Haftungsproblematik bei Konkurs einer Gesellschaft innerhalb 1171
Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht eines transnationalen Unternehmens, Diss. Konstanz 1984; Laut, Universalität und Sanierung im internationalen Insolvenzrecht, 1997; Leitner, Der grenzüberschreitende Konkurs, Lösungsmöglichkeiten und -modelle aus österreichischer Sicht, 1995; Liersch, Sicherungsrechte im internationalen Insolvenzrecht unter besonderer Berücksichtigung der Vereinbarkeit von Art. 5 und 7 der EG-Verordnung über Insolvenzverfahren (EuInsVO) mit dem deutschen Insolvenzrecht, 2001; Ludwig, Neuregelungen des deutschen Internationalen Insolvenzverfahrensrechts – Eine Untersuchung unter vergleichender Heranziehung der Europäischen Insolvenzverordnung, Diss. Köln 2004; Lüer, Deutsches Internationales Insolvenzrecht nach der neuen Insolvenzordnung, in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung2, 2000, 297 ff.; Lüer in Uhlenbruck, Insolvenzordnung12, 2003, Internationales Insolvenzrecht S. 3073 ff.; Martius, Verteidigungsregeln in der grenzüberschreitenden Insolvenz: Unter besonderer Berücksichtigung von Forderungen aus öffentlichem Recht (Diss. Bayreuth 2002), 2004; McBryde (ed.), Principles of European insolvency law, 2003; McBryde/Flessner/Kortmann (ed.), Principles of European Insolvency Law, 2003; Metzger, Die Umsetzung des Istanbuler Konkursübereinkommens in das neue deutsche Internationale Insolvenzrecht, 1994; Paulus, „Protokolle“ – ein anderer Zugang zur Abwicklung grenzüberschreitender Insolvenzen, ZIP 1998, 977; Reithmann/Martiny/Hausmann, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 2503 ff.; Reinhart, Sanierungsverfahren im internationalen Insolvenzrecht, 1995; Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008; Riegel, Grenzüberschreitende Konkurswirkungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland, Belgien und den Niederlanden, 1991; Schack, Internationales Zivilverfahrensrecht4, 2006, Rz. 1034 ff.; Schällig, Insolvenzverwaltung in Deutschland und Frankreich, 2004; Schlosser, Jurisdiction and International Judicial and Administrative Co-Operation, RdC 284 (2000), 9, 227 ff.; J. Schmidt, System des deutschen internationalen Konkursrechts, 1971; Schollmeyer, Gegenseitige Verträge im internationalen Insolvenzrecht, 1997; Schulte, Die europäische Restschuldbefreiung. Zu den rechtsvergleichenden und kollisionsrechtlichen Aspekten der Restschuldbefreiung im europäischen Insolvenzrecht, 2001; Smart, Cross-border insolvency, 1998; Schütze, Deutsches Internationales Zivilprozessrecht unter Einschluss des Europäischen Zivilprozessrechts2, 2005, Rz. 452; Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, 2004; Spahlinger, Sekundäre Insolvenzverfahren bei grenzüberschreitenden Insolvenzen – Eine vergleichende Untersuchung zum deutschen, US-amerikanischen, schweizerischen und europäischen Recht, 1998; Staehelin, Die Anerkennung ausländischer Konkurse und Nachlassverträge in der Schweiz (Art. 166 ff. IPRG), 1989; Stoll, Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Insolvenzrechts, 1992; Strauß, Insolvenzbezogene Geschäftsleiterhaftung in Europa, 2002; Summ, Anerkennung ausländischer Konkurse in der Bundesrepublik Deutschland, 1992; Theus Simoni, Englische, walisische und französische Konkursverwalter in der Schweiz, Diss. Zürich 1997; Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, 2003; Torz, Gerichtsstände im internationalen Insolvenzrecht zur Eröffnung von Partikularinsolvenzverfahren: Eine Untersuchung über die internationale Zuständigkeit zur Eröffnung von Partikularinsolvenzverfahren sowie deren Beschränkungen und Auswirkungen auf die Anerkennungszuständigkeit, Diss. Bo1172
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Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht Rates vom 29. Mai 2000 über Insolvenzverfahren unter besonderer Berücksichtigung der Person des deutschen Insolvenzverwalters, Diss. Köln, 2004; Stoll (ed.), Vorschläge und Gutachten zur Umsetzung des EU-Übereinkommens über Insolvenzverfahren im deutschen Recht, 1997; Th. Strauß, Insolvenzbezogene Geschäftsleiterhaftung in Europa, 2001; Taupitz, Das (zukünftige) europäische Insolvenzrecht – insbesondere aus international-privatrechtlicher Sicht, ZZP 111 (1998), 315; Theus Simoni, Englische, walisische und französische Konkursverwalter in der Schweiz, Diss. Zürich, 1997, 26 ff.; Virgós/Schmidt, Erläuternder Bericht vom 3.5.1996 zum Entwurf eines EU-Übereinkommens über Insolvenzverfahren in Stoll (ed.), Vorschläge und Gutachten zur Umsetzung des EU-Übereinkommens über Insolvenzverfahren im deutschen Recht, 1997, 32; Vogler, Die internationale Zuständigkeit für Insolvenzverfahren, ZIK 2001, 189; Vogler, Die internationale Zuständigkeit für Insolvenzverfahren, 2004; Vormstein, Zuständigkeit bei Konzerninsolvenzen: Verfahrensablauf bei grenzüberschreitenden Konzerninsolvenzen unter besonderer Berücksichtigung der Europäischen Insolvenzverordnung (EuInsVO), 2005; Willemer, Vis attractiva concursus und die Europäische Insolvenzverordnung, 2006; von Wilmowsky, Aufrechnung in internationalen Insolvenzfällen – Kollisionsrecht der Insolvenzaufrechnung, KTS 1998, 343; von Wilmowsky, Internationales Insolvenzrecht – Plädoyer für eine Neuorientierung, WM 1997, 1461; von Wilmowsky, Sicherungsrechte im Europäischen Insolvenzübereinkommen, EWS 1997, 295; Wimmer, Die Besonderheiten von Sekundärinsolvenzverfahren unter besonderer Berücksichtigung des Europäischen Insolvenzübereinkommens, ZIP 1998, 982; Wimmer, Die europäische Sanierungs- und Liquidationsrichtlinie für Banken und die deutschen Hypothekenbanken, in Festschrift Peter Kirchhof, 2003, 467; Wimmer, Vorüberlegungen zur Umsetzung des Europäischen Insolvenzübereinkommens und zum deutschen internationalen Insolvenzrecht in Stoll (ed.), Vorschläge und Gutachten zur Umsetzung des EU-Übereinkommens über Insolvenzverfahren im deutschen Recht, 1997, 179; Wimmer, Die Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 über Insolvenzverfahren, ZInsO 2001, 103; Wimmer, Die EU-Verordnung zur Regelung grenzüberschreitender Insolvenzverfahren, NJW 2002, 2427; Wiórek, Das Prinzip der Gläubigergleichbehandlung im Europäischen Insolvenzrecht, Diss. Heidelberg 2005.
1. Kapitel: Grundfragen I. Rechtsquellen 1. Völkerrechtliche Verträge 3350 Das EuGVÜ/LugÜ (Art. 1 II Nr. 2) und die sonstigen Anerkennungs- und Vollstreckungsverträge klammern das Konkurs- und sonstige Insolvenzrecht aus, ebenso Art. 1 II lit. b EuGVVO.1 1 R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1983, 1451. Siehe aber Art. 16 I Buchst. c und d des durch Art. 44 I (h) der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000
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Grundfragen Im 19. Jahrhundert hat die Schweiz zur Zeit des Deutschen Bundes mit Bayern und Württemberg „konkursrechtliche Übereinkünfte“ getroffen, die möglicherweise noch in Kraft sind.2
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Das Deutsche Reich hat keinen einschlägigen Vertrag geschlossen, die Bundes- 3352 republik Deutschland bisher nur einen: nämlich den Vertrag mit Österreich vom 25.5.1979 auf dem Gebiet des Konkurs- und Vergleichs-(Ausgleichs-)rechts,3 der mittlerweile durch Art. 44 I (d) der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (Rz. 3357) außer Kraft gesetzt wurde. Die von der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik geschlossenen völkerrechtlichen Verträge sind – zumindest – suspendiert, Rz. 244c, so dass sich die Nachforschung erübrigt, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der „Konkurskomplex“ geregelt war. Die Insolvenzverfahren der ehemals sozialistischen Staaten stellten vor allem auch ein Instrument der staatlichen Wirtschaftskontrolle und -lenkung dar. Angesichts der enger werdenden globalen Vernetzung der nationalen Volkswirt- 3353 schaften bekommen die Fragen des internationalen Insolvenzrechts immer größere praktische Bedeutung.4 Ein Weltinsolvenzübereinkommen ist Utopie.5 Aber im Europäischen Binnenmarkt und im Europäischen Wirtschaftsraum ist eine grenzüberschreitende Regelung unerlässlich. Dem stellten sich aber größere Schwierigkeiten entgegen als im internationalen Zivilprozessrecht im engeren Sinne. Denn die Insolvenzrechte der Staaten weisen große Unterschiede auf. So sind etwa die Insolvenzfähigkeit der Schuldner, die Behandlung der dinglichen
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des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (Rz. 3357) außer Kraft gesetzten deutsch-niederländischen Vertrages vom 30.8.1962 (BGBl. 1965 II 26); danach besteht Anerkennungs- und Vollstreckungspflicht für Eintragungen in die Konkurstabelle (jetzt: Insolvenzplan) und für Zwangsvergleiche (in einem Insolvenzverfahren gerichtlich bestätigte Vergleiche). Hierzu OLG München vom 11.8.1981, KTS 1982, 313 = IPRspr. 1981 Nr. 210; Schweizer. BG vom 16.11.1983, BGE 109e III 83 = RIW 1984, 742; Walther J. Habscheid ZaöRV 50 (1990), 301 Fußn. 47; Hanisch IPRax 1983, 195 Fußn. 2 und in Festschrift Merz, 1992, 171; Nussbaum IPRax 1984, 335; Wochner RIW 1986, 134; Aderhold, Auslandskonkurs im Inland, 1992, 153; Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008, vor §§ 335 ff. Rz. 73; Spahlinger, Sekundäre Insolvenzverfahren bei grenzüberschreitenden Insolvenzen – Eine vergleichende Untersuchung zum deutschen, US-amerikanischen, schweizerischen und europäischen Recht, 1998, 76 ff. Allgemein zu den insolvenzrechtlichen Übereinkommen Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, 68 ff. BGBl. 1985 II 410; hierzu deutsches Ausführungsgesetz vom 8.3.1985 (BGBl. 1985 I 535). Texte und Materialien sowie Literaturnachweise bei Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen35, 2008, 635 ff. Siehe auch Leipold in Festschrift Waseda Universität, 1988, 801; Aderhold a.a.O. 149; Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, 354; Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008, vor §§ 335 ff. Rz. 71; Spahlinger, Sekundäre Insolvenzverfahren bei grenzüberschreitenden Insolvenzen – Eine vergleichende Untersuchung zum deutschen, US-amerikanischen, schweizerischen und europäischen Recht, 1998, 75, 151. Eine Auflistung internationaler Großinsolvenz mit hoher Publizität in den Medien z.B. bei Vogler, Die internationale Zuständigkeit für Insolvenzverfahren, 2004, 47. Zum Stand der völkerrechtlichen Vertragspraxis Vogler a.a.O. 51.
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Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht Sicherheiten und der Rang der Forderungen ganz unterschiedlich geregelt. Starke Abweichungen zwischen den Rechtsordnungen bestehen auch in den Bereichen des materiellen Zivilrechts, die mit dem Insolvenzrecht eng zusammenhängen, z.B. im Kreditsicherungsrecht, im Gesellschafts- und Unternehmensrecht und im Arbeitsrecht. Für die Europäische Union brachte die Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 (Rz. 3357 ff.) den Durchbruch. 2. Völkergewohnheitsrecht 3353a Das klassische Völkergewohnheitsrecht stellt – sieht man vom Immunitätsrecht ab – lediglich das verschwommene minimum contact-Erfordernis auf, Rz. 128. Hinzu kommen allenfalls das Diskriminierungsverbot, begründet aus fremdenoder menschenrechtlichen Erwägungen6 und das Verbot versteckter Enteignungen durch „künstlich“ geschaffene Insolvenzen.7 Völkerrechtlich unbedenklich ist der globale Geltungsanspruch einer Universalinsolvenz, Rz. 399d. 3. Istanbuler Übereinkommen des Europarates vom 5.6.1990 über bestimmte internationale Aspekte des Konkurses8 3354 Das (noch nicht in Kraft getretene) Übereinkommen9 lässt den Prinzipienstreit zwischen den Rechtsordnungen, welche dem Insolvenzverfahren universelle Wirkung beimessen und denjenigen, die sich von vornherein nur auf die im Inland belegene Masse beschränken, offen. Es will nur ein Minimum an Zusammenarbeit auf dem Gebiet des „Insolvenzwesens“ durchsetzen und kodifiziert daher nicht das internationale Insolvenzrecht; sein Anliegen ist bescheidener:
6 Näher Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, 19 ff. 7 Trunk a.a.O. 24. 8 I.L.M. 30 (1991), 165; European Treaty Series Nr. 136, auch abgedruckt in ZIP 1988, 946 und bei Fletcher, Cross-border Insolvency, Comparative Dimensions [The Aberystwyth Insolvency Papers], 1990, 297. 9 Nachweise bei Aderhold a.a.O. 163; Drobnig in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Insolvenzrechts, 1992, 63; Gottwald, Grenzüberschreitende Insolvenzen, 1997, 15; Leipold in Festschrift Waseda Universität, 1988, 816; E. Habscheid, Grenzüberschreitendes (internationales) Insolvenzrecht der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland – Systeme und Wechselwirkungen rechtsvergleichend auch zu anderen Rechtsordnungen, insbesondere der Schweiz, 1998; Kolmann, Kooperationsmodelle im internationalen Insolvenzrecht. Empfiehlt sich für das deutsche internationale Insolvenzrecht eine Neuorientierung?, Diss. Regensburg 2001, 63 ff.; Metzger, Die Umsetzung des Istanbuler Konkursübereinkommens in das neue deutsche Internationale Insolvenzrecht, 1994; Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008, vor Art. 1 EuInsVO Rz. 1; Spahlinger, Sekundäre Insolvenzverfahren bei grenzüberschreitenden Insolvenzen – Eine vergleichende Untersuchung zum deutschen, US-amerikanischen, schweizerischen und europäischen Recht, 1998, 230 ff.; Taupitz ZZP 111 (1998), 315, 317 ff.; Theus Simoni, Englische, walisische und französische Konkursverwalter in der Schweiz, Diss. Zürich 1997, 7 ff.; Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, 253 Fußn. 3; Vogler, Die internationale Zuständigkeit für Insolvenzverfahren, 2004, 70.
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Grundfragen Es will – wie bereits im Titel angedeutet – nur einige Fragen pragmatisch regeln, die als besonders bedeutsam erscheinen. Daher steht die Anerkennung ausländischer Konkurse im Inland im Vordergrund. Die Konvention stellt zwei Wege zur Wahl, auf denen nach der Eröffnung eines 3355 Insolvenzverfahrens in einem Mitgliedstaat Vermögensgegenstände in einem anderen Mitgliedstaat erfasst werden können: – Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse des in einem Mitgliedstaat bestellten Verwalters werden in dem anderen Mitgliedstaat mit gewissen Beschränkungen anerkannt. – Die Eröffnung eines besonderen Insolvenzverfahrens über das Vermögen, das sich in dem anderen Mitgliedstaat befindet, wird zugelassen und näher geregelt, insbesondere im Hinblick auf die Zusammenarbeit der beiden Insolvenzverwalter und die Teilnahmeberechtigung der Gläubiger. In einem solchen „Sekundärkonkurs“ sollen nur bestimmte Gläubigerkategorien befriedigt werden, insbesondere die Gläubiger mit bevorrechtigten oder dinglich gesicherten Forderungen und die Gläubiger mit Forderungen aus dem Betrieb einer Niederlassung des Schuldners im Staate des Sekundärkonkurses. Das Übereinkommen lässt es zu, dass dem Verwalter weitergehendere Befugnisse eingeräumt werden, als sie im Übereinkommen vorgesehen sind, und die Anwendung der Vorschriften über den „Sekundärkonkurs“ kann durch einen Vorbehalt ausgeschlossen werden.
3356
Die Aussichten für das Inkrafttreten dieses Übereinkommens in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind gering seit Verabschiedung der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren.10 Nach Art. 44 I (k) dieser Verordnung ersetzt diese in ihrem sachlichen Anwendungsbereich hinsichtlich der Beziehungen der Mitgliedstaaten untereinander dieses Übereinkommen.
3356a
4. Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren Die Arbeiten an einem Konkursübereinkommen zur Ausfüllung des Art. 1 II 3357 Nr. 2 EuGVÜ gerieten durch die Erweiterung der EG, insbesondere durch den Beitritt der common law-Länder Irland und Vereinigtes Königreich, ins Stocken.11 Die Istanbuler Konvention gab aber auch den EG-Staaten einen neuen Anstoß, die Arbeiten an dem Konkursübereinkommen zu intensivieren. Dies führte zu dem mit vielen Kompromissen befrachteten EG-Insolvenzübereinkom-
10 ABl. EG Nr. L 160 vom 30.6.2000, S. 1. 11 Zu den gescheiterten Entwürfen für ein EWG-Konkursübereinkommen aus den Jahren 1970, 1980 und 1984 Spahlinger, Sekundäre Insolvenzverfahren bei grenzüberschreitenden Insolvenzen – Eine vergleichende Untersuchung zum deutschen, US-amerikanischen, schweizerischen und europäischen Recht, 1998, 162; Vogler, Die internationale Zuständigkeit für Insolvenzverfahren, 2004, 68.
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Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht men vom 23.11.1995.12 Dieses ist jedoch gescheitert, da das Vereinigte Königreich es nicht gezeichnet hat.13 3357a Nach Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages wurde auf der Basis des Art. 65 EGV (Art. 81 AEUV) die Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren14 erlassen. Ihr geographischer Anwendungsbereich umfasst alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union mit Ausnahme Dänemarks.15 3357b
Die Verordnung gilt nach ihrem Art. 1 I für Gesamtverfahren, welche die Insolvenz des Schuldners voraussetzen und den vollständigen oder teilweisen Vermögensbeschlag gegen den Schuldner sowie die Bestellung eines Verwalters zur Folge haben. Diese sind in Anhang A der EG-Verordnung aufgelistet, die Verwalter im Anhang C. Die Verordnung findet jedoch nach Art. 1 II keine Anwendung auf Insolvenzverfahren über das Vermögen von Versicherungsunternehmen, von Wertpapierfirmen, die Dienstleistungen erbringen, welche die Haltung von Geldern und Wertpapieren umfassen, sowie von Organismen für gemeinsame Anlagen. Dieser Komplex wird durch zwei Richtlinien geregelt werden.16 Die Richtlinie (EG) Nr. 17/2001 vom 19.3.2001 über die Sanierung und Liquidation von Versicherungsunternehmen17 will nach ihrem Erwägungsgrund Nr. 9 „die gegenseitige Anerkennung der von den Mitgliedstaaten in Bezug auf Versicherungsunternehmen erlassenen Sanierungsmaßnahmen und Liquidationsvorschriften sowie die notwendige Zusammenarbeit sicherstellen.“ Ausschließlich zuständig sind die Behörden des „Herkunftsmitgliedstaates“, d.h. des Staates, in dem das betreffende Versicherungsunternehmen zugelassen worden ist, Art. 4 I, Art. 8 I. Diese verfahren nach ihrer lex fori. Ihre Maßnahmen sind in allen anderen Mitgliedstaaten ohne weiteres wirksam, Art. 4 III, Art. 8 III. Die Anerkennung hängt nicht von der Einhaltung von Anerkennungsvoraussetzungen bzw. dem Nichtvorliegen von Versagungsgründen ab. Ein Delibations- bzw. Exequaturverfahren
12 Text ZIP 1996, 976; hierzu Balz ZIP 1996, 948; Kirchhoff WM 1993, 1364; W. Lüke ZZP 111 (1998), 275, 277; Prütting ZIP 1996, 1277, 1278; Spahlinger, Sekundäre Insolvenzverfahren bei grenzüberschreitenden Insolvenzen – Eine vergleichende Untersuchung zum deutschen, US-amerikanischen, schweizerischen und europäischen Recht, 1998, 247 ff. Zu den Entwürfen siehe Aderhold, Auslandskonkurs im Inland, 1992, 160 und Kegel, Vorschläge und Gutachten zum Entwurf eines EG-Konkursübereinkommens, 1988. Das Vereinigte Königreich hatte seinerzeit das Insolvenzübereinkommen nicht unterzeichnet. Die für den 22.5.1996 geplante Unterzeichnung unterblieb wegen der britischen Blockadepolitik in Zusammenhang mit der BSE-Krise, Jayme/Kohler IPRax 1996, 389. 13 Zu den Geburtswehen des EG-Konkursübereinkommens Nachweise bei Vogler, Die internationale Zuständigkeit für Insolvenzverfahren, 2004, 49. 14 ABl. EG Nr. L 160 vom 30.6.2000, S. 1; zur Vorgeschichte vgl. ABl. EG Nr. C 221/1999, S. 8; Jayme/Kohler IPRax 1999, 401; Peter Huber ZZP 114 (2001), 133; Theus Simoni, Englische, walisische und französische Konkursverwalter in der Schweiz, Diss. Zürich 1997, 26 ff. Abdruck der Verordnung im Anhang S. 1481 ff. 15 Ausführlich Eidenmüller IPRax 2001, 2; Kemper ZIP 2001, 1609. 16 Nachweise bei Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008, § 335 Rz. 24. 17 ABl. EG Nr. L 110/28 vom 20.4.2001.
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Grundfragen findet nicht statt. Ähnlich strukturiert ist die Richtlinie (EG) Nr. 24/2001 vom 4.4.2001 über die Sanierung und Liquidation von Kreditinstituten.18 Die nationalen Umsetzungs- bzw. Ausführungsvorschriften finden sich in Deutschland in Art. 102 EGInsO. Der räumlich-persönliche Anwendungsbereich der Europäischen Insolvenzver- 3357c ordnung ist in Erwägungsgrund 14 und in Art. 3 definiert: Danach findet die Verordnung Anwendung, wenn der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners19 im geographischen Anwendungsbereich der Verordnung (alle Mitgliedstaaten [Art. 355 AEUV/Art. 299 EGV] mit Ausnahme Dänemarks) liegt. Ein Bezug zu einem weiteren Mitgliedstaat ist ebenso wenig Voraussetzung für eine Anwendung der Verordnung wie bei der EuGVVO.20 Dies ist allerdings streitig.21 5. UNCITRAL-Modellbestimmungen Am 15.12.1997 hat die Vollversammlung der Vereinten Nationen Modellbestim- 3357d mungen für grenzüberschreitende Insolvenzen auf Vorschlag der UNCITRALKommission beschlossen.22 Dieses Modellgesetz für grenzüberschreitende Insolvenzen (UNCITRAL-InsModG) soll die Rechtsvereinheitlichung vorantreiben und den Abschluss von bi- oder multilateralen Konkursabkommen erleichtern.23 Es wurde zuletzt in den USA (2005)24 und im Vereinigten Königreich (2006) umgesetzt.25 6. Autonomes deutsches Recht Das internationale Insolvenzrecht ist seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Internationalen Insolvenzrechts vom 14.3.200326 am 20.3.2003 in
18 ABl. EG Nr. L 125/15 vom 5.5.2001. 19 Mankowski RIW 2005, 561, 573 ff. 20 High Court of Justice vom 7.2.2003, ZIP 2003, 813; Ludwig, Neuregelungen des deutschen Internationalen Insolvenzverfahrensrechts, Diss. Köln 2004, 43 mit weiteren Nachweisen. 21 Z.B. Eidenmüller IPRax 2001, 2, 5; Smid DZWiR 2003, 397, 402. 22 Abgedruckt in ZIP 1997, 2224. 23 Hierzu Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008, vor §§ 335 ff. Rz. 70 ff.; Kindler in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, IntInsR, Bd. 11, Rz. 19; Lüer in Uhlenbruck, Insolvenzordnung12, 2003, Art. 102 EGInsO Rz. 26; Wimmer ZIP 1997, 2220; E. Habscheid, Grenzüberschreitendes (internationales) Insolvenzrecht der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland – Systeme und Wechselwirkungen rechtsvergleichend auch zu anderen Rechtsordnungen, insbesondere der Schweiz, 1998, 5. 24 Nachweise bei P. K. Wagner, Abstimmungsfragen zwischen Internationalem Insolvenzrecht und Internationaler Schiedsgerichtsbarkeit unter besonderer Berücksichtigung der Anerkennung grenzüberschreitender Insolvenzen durch Schiedsgerichte, Diss. Rostock 2007, 8. 25 Siehe Statusbericht auf www.uncitral.org. 26 BGBl. I 345.
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3358
Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht §§ 335 ff. InsO geregelt. Vorher war das autonome deutsche internationale Insolvenzrecht de facto Richterrecht, Rz. 3387.27 Das autonome deutsche Recht orientiert sich nicht am UNCITRAL-Modellgesetz für grenzüberschreitende Insolvenzen (Rz. 3357d), sondern an der Europäischen Insolvenz-Verordnung. Allerdings hat man deren Regeln nicht durch eine allgemeine Verweisung „globalisiert“, sondern durchaus Modifikationen und Differenzierungen vorgenommen. Denn was für einen eng verflochtenen Wirtschaftsraum mit transparentem Rechtssystemen konzipiert sei, könne nicht ohne weiteres für eine weltweite Anwendung empfehlenswert sein.28 3359 Bereits der Entwurf einer Insolvenzordnung29 enthielt in seinem neunten Teil (§§ 379 ff. EInsO) einen ausgefeilten Vorschlag. Der Gesetzgeber stellte jedoch die Kodifikation bis zur Verabschiedung der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren30 (Rz. 3357) zurück. Als Übergangslösung diente von 1.1.1999 bis 19.3.2003 der Torso des Art. 102 EGInsO: (1) Ein ausländisches Insolvenzverfahren erfasst auch das im Inland befindliche Vermögen des Schuldners. Dies gilt nicht, 1. wenn die Gerichte des Staates der Verfahrenseröffnung nach deutschem Recht nicht zuständig sind; 2. soweit die Anerkennung zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere soweit sie mit den Grundrechten unvereinbar ist. (2) Eine Rechtshandlung, für deren Wirkungen inländisches Recht maßgeblich ist, kann vom ausländischen Insolvenzverwalter nur angefochten werden, wenn die Rechtshandlung auch nach inländischem Recht entweder angefochten werden kann oder aus anderen Gründen keinen Bestand hat. (3) Die Anerkennung eines ausländischen Verfahrens schließt nicht aus, dass im Inland ein gesondertes Insolvenzverfahren eröffnet wird, das nur das im Inland befindliche Vermögen des Schuldners erfasst. Ist im Ausland gegen den Schuldner ein Insolvenzverfahren eröffnet, so bedarf es zur Eröffnung des inländischen Insolvenzverfahrens nicht des Nachweises der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung.
27 Hierzu Lüer in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Insolvenzrechts, 1992, 100. 28 Bundestagsdrucksache 15/16, S. 1 f. Durchgängiger Vergleich beider Regelungssysteme bei P. K. Wagner, Abstimmungsfragen zwischen Internationalem Insolvenzrecht und Internationaler Schiedsgerichtsbarkeit unter besonderer Berücksichtigung der Anerkennung grenzüberschreitender Insolvenzen durch Schiedsgerichte, Diss. Rostock 2007. 29 Bundestagsdrucksache 12/2443. Ausführlich hierzu mit vielen Nachweisen Kolmann, Kooperationsmodelle im internationalen Insolvenzrecht. Empfiehlt sich für das deutsche internationale Insolvenzrecht eine Neuorientierung?, Diss. Regensburg 2001, 101 ff. 30 ABl. EG Nr. L 160 vom 30.6.2000, S. 1.
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Grundfragen
II. Qualifikationsfragen Maßgeblich ist die deutsche lex fori.31 Welche ausländischen Verfahren als „Insolvenzverfahren“ zu qualifizieren sind, wird auch in § 343 InsO nicht festgelegt. Nur solche ausländische Verfahren sind im internationalen Insolvenzrecht von Bedeutung, die auf die Katastrophe des finanziellen Zusammenbruchs des Schuldners reagieren. Dieser Fall ist dann gegeben, wenn der Schuldner keine hinreichende Aussicht mehr bieten kann, alle seine Gläubiger zu befriedigen.32 Entscheidend ist, ob das ausländische Verfahren im Großen und Ganzen den gleichen Zwecken dient, die Aufgabe des deutschen Insolvenzverfahrens sind (vgl. auch § 1 InsO), nämlich die bestmögliche gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger als primäres Ziel (Prinzip der einheitlichen Schuldenregelung auf der Basis der Gleichbehandlung der Gläubiger).33
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In Deutschland sind nicht nur Verfahren anzuerkennen, die auf alsbaldige Liqui- 3361 dation des Schuldnervermögens angelegt sind, sondern auch solche, die nach Eintritt einer Insolvenz die Konkurseröffnung möglichst vermeiden wollen, sofern mit diesen Verfahren auch das Ziel der Befriedigung der Gläubiger verfolgt wird.34 Sanierungs- und Reorganisationsverfahren35 sind unter diesen Prämissen und im Hinblick auf die Annäherung durch § 18 II InsO als Insolvenzverfahren zu qualifizieren. Ihre Wirkungen sind deshalb in Deutschland grundsätzlich aner-
31 E. Habscheid, Grenzüberschreitendes (internationales) Insolvenzrecht der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland – Systeme und Wechselwirkungen rechtsvergleichend auch zu anderen Rechtsordnungen, insbesondere der Schweiz, 1998, 302; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 2561. 32 BGH vom 21.11.1996, BGHZ 134, 116, 119 = NJW 1997, 657 = JZ 1997, 568 (Leipold) = IPRax 1998, 199 (Gottwald/Pfaller 170) = IPRspr. 1996 Nr. 234; Aderhold, Auslandskonkurs im Inland, 1992, 172; Trunk in Gilles, Transnationales Prozessrecht, 1995, 161, 184: „Any kind of state controlled proceedings for the administration of assets in order to satisfy unpaid creditors of an insolvent debtor according to the principle of equal treatment of creditors and to exceptions to this principle based on reasonable and fixed categories.“ Weitere Nachweise bei Kolmann, Kooperationsmodelle im internationalen Insolvenzrecht. Empfiehlt sich für das deutsche internationale Insolvenzrecht eine Neuorientierung?, Diss. Regensburg 2001, 129 ff.; P. K. Wagner, Abstimmungsfragen zwischen Internationalem Insolvenzrecht und Internationaler Schiedsgerichtsbarkeit, Diss. Rostock 2007, 38. 33 Lüer in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Insolvenzrechts, 1992, 114. 34 Bundestagsdrucksache 12/2343 S. 236, 241. 35 Rechtsvergleichend Hinrichs, Insolvenzbewältigung durch Optionen? Eine kritische Analyse des US-amerikanischen Reorganisationsverfahrens nach Chapter 11 Bankruptcy Code, des deutschen Insolvenzplanverfahrens und marktorientierter Reformmodelle, Diss. Freiburg/Breisgau 2002; Laut, Universalität und Sanierung im internationalen Insolvenzrecht, 1997, 149 ff. (USA, Frankreich, Italien); Ludwig, Neuregelungen des deutschen Internationalen Insolvenzverfahrensrechts, Diss. Köln 2004, 77; Länderübersicht bei Weis in Hess/Weis/Wienberg, Kommentar zur Insolvenzordnung2, 2001, Art. 102 EG-InsO Rz. 113 ff.
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Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht kennungsfähig.36 Dies gilt z.B. (vorbehaltlich ordre public-widriger Verfahrensgestaltungen im Einzelfall) auch für das US-Reorganisationsverfahren nach Chapter 11 des US Bankruptcy Code.37
36 BGH vom 11.1.1990, NJW 1990, 990 = RIW 1990, 221 = IPRax 1991, 183 (Flessner/ Schulz 162) = IPRspr. 1990 Nr. 164; BGH vom 14.11.1996, BGHZ 134, 79 = NJW 1997, 524 = RIW 1997, 508 = JZ 1997, 415 (Paulus) = IPRax 1998, 102 (Stadler 91 und Gottwald/Pfaller 170) = JZ 1997, 415 (Paulus) = ZIP 1997, 39 (Reinhart 1734) = IPRspr. 1996 Nr. 233. Anderer Auffassung OLG Hamburg vom 10.5.1990, RIW 1992, 941 = IPRax 1992, 170 (kritisch Flessner 151) = IPRspr. 1991 Nr. 236 sowie OLG Düsseldorf vom 18.7.1997, NJW-RR 1998, 283 = RIW 1998, 967 = EWiR 1998, 47 (R. Geimer) = IPRspr. 1997 Nr. 173. 37 OLG Frankfurt vom 20.2.2007, OLGR 2007, 723; BAG vom 27.2.2007, ZIP 2007, 2047 = DB 2007, 2543 = EWiR 2007, 759 (Mankowski); E. Habscheid, Grenzüberschreitendes (internationales) Insolvenzrecht der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland – Systeme und Wechselwirkungen rechtsvergleichend auch zu anderen Rechtsordnungen, insbesondere der Schweiz, 1998, 389 ff.; vgl. auch C. U. Wolf IPRax 1999, 444; sowie Isaak Meier, Chapter 11 im Vergleich mit dem schweizerischen Nachlassverfahren, in Festschrift Siehr, 2000, 445. Der Automatic Stay auf der Grundlage von sect. 362 Bankruptcy Code macht aus U.S.Sicht jede dagegen verstoßende Klageerhebung oder sonstige Verfahrenshandlungen gegen den Gemeinschuldner im In- oder Ausland nichtig (void), nicht nur anfechtbar. Diese Vorschrift gewährt ihm einen umfassenden Schutz dadurch, dass alle auf die Forderungseinziehung bzw. Rechtsdurchsetzung gerichteten Bemühungen angehalten werden, um dem Gemeinschuldner einen Neubeginn zu ermöglichen. Der Status quo zwischen dem Gemeinschuldner und den Gläubigern wird gewissermaßen eingefroren und auf diese Weise ein Wettlauf der Gläubiger bei der gerichtlichen Durchsetzung ihrer Ansprüche verhindert. Im Einzelfall kann das U.S. Konkursgericht Befreiung vom Atomatic Stay erteilen (relief from stay). Bei Missachtung des Stay (wilful violation of a stay) kann das Konkursgericht gemäß sect. 362 (h) Sanktionen (Strafen) verhängen. Eine Verletzungsabsicht ist nicht erforderlich. Es genügt Handeln in Kenntnis des Konkursantrags. Die Einreichung des Insolvenzantrags hat automatisch die Aussetzung aller Maßnahmen zur Folge, die in irgendeiner Weise die Insolvenzmasse betreffen. Eines gerichtlichen Eröffnungsbeschlusses bedarf es nicht. Der automatic stay erfasst alle Klageverfahren, an denen der Gemeinschuldner beteiligt ist, ebenso alle sonstigen gegen den Gemeinschuldner gerichteten Zwangsvollstreckungs- und sonstige Verwertungsverfahren, 11 U.S.C. § 362 (a) 1–3, 6. Ab Stellung des Insolvenzantrags ist die Insolvenzmasse (bankruptcy estate) fixiert: Zu ihr gehören sämtliche materiellen und immateriellen Vermögenswerte des Gemeinschuldners, Elsing/Van Alstine, US-amerikanisches Handels- und Wirtschaftsrecht2, 1999, Rz. 474. Im Verfahren nach Chapter 11 bleibt der Gemeinschuldner grundsätzlich weiterhin über die Insolvenzmasse verfügungsbefugt. Er führt die Geschäfte unter Aufsicht des Gerichts weiter (debtor in possession), 11 U.S.C. §§ 1101, 1104, 1107. Das Insolvenzgericht kann jedoch auf Antrag eines Beteiligten (party in interest) einen Trustee bestellen, wenn der Gemeinschuldner zur ordnungsgemäßen Führung der Geschäfte nicht in der Lage ist, wenn ihm Gläubigerbenachteiligung vorgeworfen werden kann oder wenn aus sonstigen Gründen ein berechtigtes Interesse der Gläubiger besteht., 11 U.S.C. § 1104 (a) (b). Das Reorganisationsverfahren nach Chapter 11 Bankruptcy Code endet, wenn die Mehrheit der Gläubiger den Plan of Reorganisation akzeptiert und das Insolvenzgericht ihm zugestimmt hat, Elsing/Van Alstine, a.a.O., Rz. 494.
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Grundfragen Fraglich ist, ob aus deutscher Sicht der Insolvenzdurchgriff nach Art. 178 ff. des 3362a französischen Gesetzes Nr. 8598 gegen den Unternehmensleiter38 als insolvenzrechtlich zu qualifizieren oder ob er als Institut des Gesellschaftsrechts einzuordnen ist.39 Eine gute Auslegungshilfe gibt der Anhang A zur Verordnung (EG) 3362b Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren40 (Rz. 3357), die man grundsätzlich auch für das autonome deutsche internationale Insolvenzrecht heranziehen sollte.
III. Gegenstand des internationalen Insolvenzrechts In der Insolvenzordnung finden sich Verfahrensvorschriften und materiell-rechtliche Normen. Dementsprechend ist im internationalen Insolvenzrecht zwischen dem internationalen Insolvenzverfahrensrecht und dem internationalen Privatrecht des Insolvenzrechts, also dem Insolvenzkollisionsrecht, zu unterscheiden, wobei allerdings die Grenzlinie zwischen beiden Bereichen mitunter verschwimmt.41
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1. Internationales Insolvenzverfahrensrecht Das lex fori-Prinzip (Rz. 319) gilt auch für das Insolvenzverfahren (einschließlich Sanierungsverfahren).42
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Das deutsche Recht bestimmt über die „prozessuale“ Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren, vgl. Rz. 3536.43 Dies ist aber nicht unbestritten, wie
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38 Hierzu EuGH vom 22.2.1979, Rs 133/78 – Gourdain/Nadler Slg. 1979, 733 = NJW 1979, 1772 (L) = RIW 1979, 273 = KTS 1979, 268 = Rev. crit. 1979, 657 (Lemontey); vgl. R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1983, 169. 39 Ebenroth JZ 1988, 297; Aderhold, Auslandskonkurs im Inland, 1992, 177; Zimmer, Internationales Gesellschaftsrecht, 1995, 293, 337. 40 ABl. EG Nr. L 160 vom 30.6.2000, S. 1. 41 Drobnig in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Insolvenzrechts, 1992, 51/52; Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 128 Rz. 14; Vogler, Die internationale Zuständigkeit für Insolvenzverfahren, 2004, 43. 42 Zustimmend Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 2606; Gottwald a.a.O. § 131 Rz. 1. Das deutsche Recht legt fest, welche Vermögensgegenstände das Insolvenzverfahren erfasst (Insolvenzvermögensstatut), wann deutsche Gerichte und Behörden in Insolvenzfällen mit Auslandsberührung überhaupt tätig werden sollen (Frage der internationalen Zuständigkeit Deutschlands) und wie sie agieren sollen: Das deutsche Insolvenzgericht (§ 2 InsO) sowie der Verwalter prozedieren nach deutschem Verfahrensrecht. Umgekehrt regelt auch aus deutscher Sicht die ausländische lex fori concursus vice versa die parallelen Fragen einer ausländischen Insolvenz, Lüer in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung2, 2000, 297, 302 Rz. 11. 43 Zustimmend z.B. BGH vom 14.11.1996, BGHZ 134, 79 = NJW 1997, 524 = RIW 1997, 508 = WM 1997, 42 = IPRax 1998, 102 (Stadler 71; Gottwald/Pfaller 170) = ZIP 1997, 42 (Reinhart 1734) = JZ 1997, 415 (Paulus) = EWiR 1997, 83 (Hanisch) = IPRspr. 1996 Nr. 233: („verfahrensrechtliche Anerkennung des Eröffnungsbeschlusses“); Kolmann, Kooperationsmodelle im internationalen Insolvenzrecht. Empfiehlt sich für das deutsche internationale Insolvenzrecht eine Neuorientierung?, Diss Regensburg 2001, 110
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Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht auch sonst im Anerkennungsrecht (Rz. 43). Die Anhänger eines materiell-rechtlichen approach stellen die durch (deutsche) Kollisionsnormen angeordnete Anwendung ausländischen Insolvenzrechts in den Vordergrund und vernachlässigen die (selbständige) Anerkennung des gerichtlichen oder behördlichen Eröffnungsaktes, der am Beginn des ausländischen Insolvenzverfahrens steht. 3366 Anerkennung bedeutet auch im internationalen Insolvenzrecht – ebenso wie auch sonst im internationalen Verfahrensrecht – Erstreckung der nach dem Recht des Eröffnungsstaates eingetretenen prozessualen Wirkungen sowie der Gestaltungswirkungen auf das Inland.44 Dagegen werden – ebenso wie in den oben Rz. 2827 dargestellten Hypothesen – die materiell-rechtlichen Wirkungen (Tatbestandswirkungen) von ausländischen insolvenzrechtlichen Verfahrensakten nach der maßgeblichen lex causae beurteilt. So bestimmt z.B. das Gesellschaftsstatut darüber, ob die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters im Ausland zur Auflösung der Gesellschaft führt.45 Auch bestimmt das Gesellschaftsstatut über die Auflösung der Gesellschaft und die Haftung der Gesellschafter, vor allem aus Kapitalersatzrecht.46 Dagegen bestimmt das Insolvenzstatut über die Auswirkungen des Insolvenzverfahrens auf die Verwaltung der Gesellschaft. Dieses legt fest, wer anstelle der Gesellschaftsorgane für die Gesellschaft vertretungs- und prozessführungsberechtigt ist. Denn die Neuetablierung der Verwaltung ist eine typische insolvenzrechtliche Maßnahme zur Verwirklichung der Ziele des Insolvenzverfahrens.47 Die Abgrenzungen sind jedoch mitunter schwierig.48 Ist z.B. der Schadensersatzanspruch bei Vertragsbeendigung infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens dem Vertragsstatut49 oder dem Insolvenzstatut zu unterstellen?
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mit weiteren Nachweisen. Siehe auch P. K. Wagner, Abstimmungsfragen zwischen Internationalem Insolvenzrecht und Internationaler Schiedsgerichtsbarkeit, Diss. Rostock 2007, 28. Zur begrifflichen Abgrenzung ausführlich Kolmann, Kooperationsmodelle im internationalen Insolvenzrecht. Empfiehlt sich für das deutsche internationale Insolvenzrecht eine Neuorientierung?, Diss. Regensburg 2001, 112 ff.; Ludwig, Neuregelungen des deutschen Internationalen Insolvenzverfahrensrecht, Diss. Köln 2004, 60 ff. Sehr deutlich auch Brinkmann, Zu Voraussetzungen und Wirkungen der Art. 15, 25 EuInsVO – Die Wirkungen der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen im Insolvenzeröffnungsverfahren auf im Ausland anhängige Prozesse, IPRax 2007, 235, 236. Aderhold a.a.O. 299 Fußn. 92. Zu § 204 I Nr. 10 BGB (Verjährungshemmung durch Anmeldung eines Anspruchs im ausländischen Insolvenzverfahren) OLG Düsseldorf vom 13.4.1989, RIW 1989, 743 = NJW 1990, 640 = EWiR 1989, 971 (Hanisch/Aderhold) = IPRspr. 1989 Nr. 254. Kindler in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch3, Bd. 11, 1999, IntGesR Rz. 531 ff. (vor Art. 50 EGBGB). BGH vom 11.7.1985, BGHZ 95, 256, 266 = NJW 1985, 2497 = RIW 1985, 720 = ZIP 1985, 944 (Hanisch 1233) = JZ 1986, 91 (Lüderitz) = IPRspr. 1985 Nr. 218; Hanisch ZIP 1983, 1289, 1296; Kindler in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2006, IntGesR, vor Art. 50 EGBGB Rz. 532 ff. Trunk KTS 1987, 415. So Lüer in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Insolvenzrechts, 1992, 117.
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Grundfragen Im Zweifel gelten für die insolvenztypischen Wirkungen auch auf der Ebene des 3367 materiellen Rechts die Regeln der lex fori concursus, so dass es auf die Unterscheidung zwischen prozess- und materiell-rechtlichen Wirkungen des Insolvenzverfahrens nicht ankommt, Rz. 3536. Die Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzver- 3367a fahren50 (Rz. 3357) unterstellt einen bunten Mix von verfahrens- und materiellrechtlichen Fragenkomplexen der lex fori concursus. Art. 4 erklärt grundsätzlich das Recht des Eröffnungsstaates für maßgeblich. Dieses bestimmt, unter welchen Voraussetzungen das Insolvenzverfahren eröffnet wird und wie es durchzuführen und zu beenden ist. Es regelt gemäß Art. 4 II insbesondere: a) bei welcher Art von Schuldnern ein Insolvenzverfahren zulässig ist; b) welche Vermögenswerte zur Masse gehören und wie die nach der Verfahrenseröffnung vom Schuldner erworbenen Vermögenswerte zu behandeln sind; c) die jeweiligen Befugnisse des Schuldners und des Verwalters; d) die Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Aufrechnung; e) wie sich das Insolvenzverfahren auf laufende Verträge des Schuldners auswirkt; f) wie sich die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf Rechtsverfolgungsmaßnahmen einzelner Gläubiger auswirkt; ausgenommen sind die Auswirkungen auf anhängige Rechtsstreitigkeiten; g) welche Forderungen als Insolvenzforderungen anzumelden sind und wie Forderungen zu behandeln sind, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehen; h) die Anmeldung, die Prüfung und die Feststellung der Forderungen; i) die Verteilung des Erlöses aus der Verwertung des Vermögens, den Rang der Forderungen und die Rechte der Gläubiger, die nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgrund eines dinglichen Rechts oder infolge einer Aufrechnung teilweise befriedigt wurden; j) die Voraussetzungen und die Wirkungen der Beendigung des Insolvenzverfahrens, insbesondere durch Vergleich; k) die Rechte der Gläubiger nach der Beendigung des Insolvenzverfahrens; l) wer die Kosten des Insolvenzverfahrens einschließlich der Auslagen zu tragen hat; m) welche Rechtshandlungen nichtig, anfechtbar oder relativ unwirksam sind, weil sie die Gesamtheit der Gläubiger benachteiligen. Die Vollstreckbarkeit nach dem Recht des Eröffnungsstaates wird – wie auch sonst, Rz. 3100 – nicht auf das Inland erstreckt, vielmehr ist sie Voraussetzung für die (originäre) Verleihung der Vollstreckbarkeit durch das deutsche Exequaturgericht, § 353 I InsO.51 50 ABl. EG Nr. L 160 vom 30.6.2000, S. 1. 51 Ebenso Art. 25 EuInsVO. Dort wird auf das Exequaturverfahren des EuGVÜ bzw. der EuGVVO verwiesen, Rz. 3525. Siehe auch die Nachweise bei sowie Ludwig, Neu-
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Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht Beispiele: Vollstreckbarerklärung des Insolvenzeröffnungsbeschlusses, wenn dieser nach dem Recht des Eröffnungsstaates einen Vollstreckungstitel gegen den Schuldner (zur Herausgabe der Masse an den Verwalter) darstellt, Rz. 3524,52 sowie Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Zwangsvergleichs53 oder des Auszugs aus der Insolvenztabelle oder eines ähnlichen Verzeichnisses, der nach dem Recht des Eröffnungsstaates die Qualität eines Vollstreckungstitels hat. Die Vollstreckbarerklärung erfolgt durch das Prozessgericht (§ 722 II ZPO), also nicht durch das Insolvenzgericht, § 353 I InsO. 3369 Anerkennung des gerichtlichen oder behördlichen Eröffnungsaktes, mit dem das ausländische Insolvenzverfahren in Gang gebracht wird: Die Anerkennung einer materiellen Rechtskraftwirkung kommt nur insoweit in Betracht, als der ausländische Eröffnungsakt nach dem Recht des Eröffnungsstaates res iudicataWirkung entfaltet und als Sachentscheidung (Rz. 2788) zu qualifizieren ist. Seine (prozessuale) Hauptwirkung dürfte nach den meisten Rechtsordnungen eine Gestaltungswirkung sein, nämlich der Übergang der Prozessführungsbefugnis vom Schuldner auf den Verwalter. Dieser ist vom deutschen Prozessgericht, bei dem ein die Insolvenzmasse berührender Rechtsstreit anhängig ist, seit der grundlegenden Entscheidung des IX. Zivilsenats des BGH vom 11.7.198554, also schon vor Inkrafttreten des Art. 102 I EGInsO bzw. des § 343 InsO, zu beachten. Ist die prozessrechtliche Stellung des (ausländischen) Verwalters lege fori concursus mit dem deutschen Verfahrensrecht nicht zu vereinbaren, so erfolgt Anpassung. 3370 Die deutsche lex fori befindet darüber, ob aufgrund der (anerkennungsfähigen) Insolvenzverfahrenseröffnung im Ausland ein in Deutschland anhängiger Prozess (automatisch) unterbrochen wird.55 Auch regelt sie die Modalitäten der Aufnahme, Rz. 3530.56 3371 Hinsichtlich der Anerkennung von Sachentscheidungen, die im Laufe des ausländischen Insolvenzverfahrens ergangen sind, wird in den meisten Fällen § 328 ZPO bzw. § 109 FamFG durch § 342 II InsO (Rz. 3522) verdrängt. Ansonsten gilt
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regelungen des deutschen Internationalen Insolvenzverfahrensrechts, Diss. Köln 2004, 118. Vgl. vice versa zur Durchsetzung eines deutschen Insolvenzeröffnungsbeschlusses im Ausland Lüer a.a.O. 104. Vgl. BGH vom 14.11.1996, BGHZ 134, 79 = NJW 1997, 524 = RIW 1997, 508 = JZ 1997, 415 (Paulus) = IPRax 1998, 102 (Stadler 91 und Gottwald/Pfaller 170) = JZ 1997, 415 (Paulus) = ZIP 1997, 39 (Reinhart 1734) = IPRspr. 1996 Nr. 233. BGH vom 11.7.1985, BGHZ 95, 256 = NJW 1985, 2897 = RIW 1985, 720 = ZIP 1985, 944 (Hanisch 1233) = JZ 1986, 91 (Lüderitz) = IPRspr. 1985 Nr. 218; hierzu unten Rz. 3389. So ausdrücklich Art. 15 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren: „Für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen anhängigen Rechtsstreit über einen Gegenstand oder ein Recht der Masse gilt ausschließlich das Recht des Mitgliedstaates, in dem der Rechtsstreit anhängig ist.“ Zur verfahrensrechtlichen Einordnung der Prozessunterbrechung E. Habscheid, Grenzüberschreitendes (internationales) Insolvenzrecht der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland – Systeme und Wechselwirkungen rechtsvergleichend auch zu anderen Rechtsordnungen, insbesondere der Schweiz, 1998, 357. Ausführlich E. Habscheid a.a.O. 342 ff.
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Grundfragen § 328 ZPO analog, soweit es sich um eine „Streitentscheidung“ handelt, im Übrigen § 109 FamFG (früher § 16a FGG) analog, soweit der „Fürsorgegedanke“ im Vordergrund steht. Entscheidungen des ausländischen Insolvenzgerichts bzw. der ausländischen Insolvenzbehörde über rein prozessuale Punkte sind nicht anerkennungsfähig, Rz. 2788.
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2. Internationales Insolvenzkollisionsrecht Das Insolvenzkollisionsrecht bestimmt für auslandsbezogene Sachverhalte eines 3373 Insolvenzfalles, welches (materielle) Insolvenzrecht anzuwenden ist, nämlich deutsches oder ein bestimmtes ausländisches.57 Es geht hierbei um die „insolvenztypischen“ Wirkungen. Diese richten sich grundsätzlich (Ausnahmen: Rz. 3541 ff.) nach der lex fori concursus. Damit werden – wie bereits erwähnt – elegant für die Rechtsanwendung die Schwierigkeiten der Unterscheidung zwischen prozess- und materiell-rechtlichen Wirkungen des Insolvenzverfahrens vermieden.58 Das Insolvenzstatut umfasst also alle insolvenzrechtlichen Wirkungen, ganz 3374 gleich, wie man sie dogmatisch einordnet. Es gilt gleichermaßen für die prozessualen wie auch für die (insolvenztypischen) materiell-rechtlichen Wirkungen eines Insolvenzverfahrens.59 Es verdrängt die nach dem „normalen“ internationalen Privatrecht berufene lex causae, sofern nicht ausnahmsweise etwas anderes bestimmt ist (dabei kann die lex causae sich durchsetzen oder es kommt zu einer Kumulation, wie sie z.B. § 339 InsO für die Insolvenzanfechtung vorsieht, vgl. Rz. 3555).60 Bei der Anknüpfung an das Recht des Insolvenzeröffnungsstaates in § 335 InsO 3375 handelt es sich – anders als bei Art. 4 EuInsVO – um eine allseitige Kollisionsnorm, Rz. 3536.61 Sie ist eine Gesamtverweisung.62 Eine bloße Verweisung auf das Sachrecht des Insolvenzeröffnungsstaates würde zu unnötigen Spannungen führen.63 Ausnahme: Rz. 3402. Eine entsprechende Anwendung des Art. 3 III EGBGB kommt nicht in Betracht.64 57 Arnold a.a.O. 1234 § 121 Rz. 3. Ausführlich Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, 88 ff. 58 Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 2008, § 342 Rz. 1. 59 Enger W. Lüke ZZP 111 (1998), 275, 281 f. 60 Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 2606; C. U. Wolf IPRax 1999, 444, 448. 61 Arnold a.a.O. 1265 § 122 Rz. 90. 62 Zustimmend Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 131 Rz. 4; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 2607; Kindler in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, IntInsR, (Bd. 11, Rz. 945; Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008, vor §§ 335 Rz. 38 ff.; Philipp K. Wagner, Abstimmungsfragen zwischen Internationalem Insolvenzrecht und Internationaler Schiedsgerichtsbarkeit, Diss. Rostock, 2007, 149. 63 Drobnig in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Insolvenzrechts, 1992, 56. 64 Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008, Rz. 42 vor §§ 335 ff.
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Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht 3376 Das Insolvenzstatut umfasst drei Bereiche:65 das Vermögensstatut, das Verwaltungsstatut und das Verteilungsstatut. Insolvenzvermögensstatut: Das Recht des Insolvenz-Eröffnungsstaates definiert den Umfang des Vermögens des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehört (vgl. aber Rz. 3519). Dem Insolvenzvermögensstatut unterfallen alle Regeln, welche der Feststellung, dem Schutz und der Heranziehung der Insolvenzmasse dienen, wie z.B. Auskunfts- und Mitwirkungspflichten des Schuldners, die insolvenzrechtliche Anfechtung und die Beschränkung der Aufrechnungsmöglichkeiten im Insolvenzfall. Hierher gehören auch die Sachnormen des jeweiligen Insolvenzrechts, die zur Wiederherstellung der Insolvenzmasse dienen, wie Schadensersatzansprüche oder Ansprüche auf Herausgabe (vgl. Rz. 3400). 3377 Zum Insolvenzverwaltungsstatut zählt man alle Regeln (des Rechts des Insolvenz-Eröffnungsstaates) über die Rechtsmacht des Insolvenzverwalters zur Besitzergreifung, Verwaltung und Verwertung der Gegenstände und Rechte der Insolvenzmasse und zur Gestaltung und Abwicklung aller Rechtsverhältnisse, die Gegenstand des Insolvenzverfahrens sind.66 Es umfasst mithin alles, was die Abwicklung der Aktiva und die Gestaltung schwebender Rechtsgeschäfte betrifft.67 3378 Das Insolvenzverteilungsstatut betrifft die Regulierung der Passiva im Rahmen des Insolvenzverfahrens, sei es durch Ausschüttung der Quote im Falle der Liquidation oder bei Fortführung im Wege der Zuordnung durch einen Insolvenzplan.
IV. Gleichbehandlung in- und ausländischer Gläubiger 3379 Das Ideal der Verfahrensgerechtigkeit im Insolvenzverfahren fordert die Gleichbehandlung aller Gläubiger. Es darf weder nach Staatsangehörigkeit noch nach Wohnsitz/Sitz bzw. gewöhnlichem Aufenthalt im In- oder Ausland unterschieden werden. Der Grundsatz, dass ausländische Gläubiger inländischen gleichstehen, brauchte nach Auffassung der Verfasser der InsO nicht besonders normiert zu werden;68 er ergibt sich bereits daraus, dass die Vorschriften der Insolvenzordnung über die Teilnahme der Gläubiger am Verfahren keine Beschränkungen auf inländische Gläubiger enthalten.
65 Dies hat vor allem Lüer in Stoll a.a.O. 116 herausgearbeitet. Ebenso Lüer in Uhlenbruck, Insolvenzordnung12, 2003, Art. 102 EGInsO Rz. 69; Gottwald, a.a.O. § 131 Rz. 6; kritisch Hanisch ZIP 1989, 276 Fußn. 34. 66 Lüer in Stoll a.a.O. 116. 67 Vgl. z.B. die anders konstruierte Rechtsstellung des trustee im US-Recht E. Habscheid, Grenzüberschreitendes (internationales) Insolvenzrecht der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland – Systeme und Wechselwirkungen rechtsvergleichend auch zu anderen Rechtsordnungen, insbesondere der Schweiz, 1998, 108 ff., 141. 68 Dieser Grundsatz war in § 5 I KO und § 37 VerglO ausdrücklich stipuliert. Allerdings konnte nach § 5 II KO die Gleichbehandlung ausländischer Gläubiger im Wege des Vergeltungsrechts eingeschränkt werden.
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Grundfragen Anders ist das schweizerische Konzept, das Vorrechtsforderungen von Gläubi- 3380 gern mit Wohnsitz in der Schweiz privilegiert.69 In der deutschen Diskussion wurde die besondere Schutzbedürftigkeit von vier 3381 Gläubigerkategorien herausgestellt und in Art. 17 I des Vorentwurfs70 stipuliert, der jedoch in den endgültigen Entwurf nicht übernommen wurde:71 – Forderungen, die nach deutschem öffentlichen Recht begründet sind; diese sind in der Regel im ausländischen Insolvenzverfahren nicht durchsetzbar;72 – Forderungen wegen eines Dienstes, der gewöhnlich im Inland zu leisten war, vor allem aus Arbeitsverhältnissen; – Forderungen, die unmittelbar aus dem Betrieb einer inländischen Niederlassung des Gemeinschuldners hervorgegangen sind, sowie – Forderungen, hinsichtlich derer der Gläubiger am Insolvenzverfahren im Ausland nicht berechtigt ist.73
V. Universalitätsprinzip 1. Grundsätzliches Da nach materiellem Recht die Haftung des Schuldners territorial nicht be- 3382 schränkt ist, ist es sachgerecht, dass auch das Insolvenzverfahren darauf angelegt wird, weltweit das gesamte Vermögen des Schuldners zur (gleichmäßigen) Befriedigung aller Gläubiger heranzuziehen.74 Insofern ist das Insolvenzverfahren von seinem Verfahrensziel her territorial nicht limitiert, jedenfalls dann, wenn man als rechtspolitisches Ziel das Einheitsverfahren postuliert. Die Durchsetzung einer solchen idealtypischen Lösung erfordert eine relativ enge Zusammenarbeit der Staaten: Es muss gewährleistet sein, dass nur ein Staat das Insolvenzverfahren eröffnet und durchführt und dass die Wirkungen und Ergebnisse dieses Verfahrens auch in den anderen Staaten „anerkannt“ werden. Entscheidend für die praktische Realisierung des Einheitsverfahrens mit universellem Geltungsanspruch ist, dass der Verwalter auch tatsächlich in der Lage ist, die (weltweit verstreute) Masse des Schuldners an sich zu ziehen und zu verwerten.75 Daran hapert es aber in der rauen Wirklichkeit76 noch sehr. Ein Einheitsverfahren, das darauf angelegt ist, das Vermögen des Schuldners weltweit zu erfassen und zur Befriedigung der Gläubiger zu verwerten, kann effektiv nur funktionieren, wenn die anderen Staaten dafür sorgen, dass ihre Gerichte und 69 Art. 172 I IPR-Gesetz. 70 Stoll, Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Insolvenzrechts, 1992, 8. 71 Allgemein Trunk in Gilles, Transnationales Prozessrecht, 1995, 172. 72 Zu Steuerforderung z.B. FG Münster vom 16.2.1996, ZIP 1996, 1353 (Mankowski). 73 Hierzu Leipold in Stoll a.a.O. 83 sowie Lüer in Stoll a.a.O. 125, 128. – Siehe auch Rz. 3405. 74 Vogler, Die internationale Zuständigkeit für Insolvenzverfahren, 2004, 56. 75 Zum Universalitätsprinzip siehe auch Smid, Deutsches und Europäisches Internationales Insolvenzrecht, 2004, Einl. Rz. 2 ff. 76 Von der Lüer a.a.O. 103 ff. kenntnisreich berichtet.
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Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht sonstigen Stellen den Verwalter unterstützen. Diese wünschenswerte Kooperation ist – auch wenn sich Ansätze abzeichnen, Rz. 3354 – derzeit noch nicht verwirklicht. Es kommt zu erheblichen Spannungen und Verwerfungen, wenn die anderen Staaten oder einige von ihnen die insolvenztypischen Wirkungen des Insolvenzverfahrens nicht anerkennen, insbesondere den Übergang der Verfügungs- und Prozessführungsbefugnis vom Schuldner auf den Verwalter ignorieren. Dann kann der Schuldner die Maßnahmen des Verwalters außerhalb des Eröffnungsstaates leicht konterkarieren. Auch mit der gleichen Befriedigung aller Gläubiger (par conditio creditorum)77 ist es oft nicht weit her, weil sich einzelne Gläubiger zu Lasten der Masse und damit zu Lasten der anderen bevorzugte Befriedigung und damit aus der Sicht des Eröffnungsstaates einen nicht gerechtfertigten Sondervorteil durch Einzelzwangsvollstreckung verschaffen können. 3384 Es kann aber auch zur totalen Konfrontation kommen, wenn zwei oder mehr Staaten Insolvenzverfahren jeweils mit universellem Geltungsanspruch eröffnen und die Verwalter nach dem Windhundprinzip versuchen, die Masse an sich zu ziehen. Die zuletzt genannte Hypothese ist selten. Häufiger sind Partikularinsolvenzverfahren, die – schon vom Geltungsanspruch der lex fori concursus her – sich auf das im Insolvenzeröffnungsstaat belegene Vermögen beschränken, und – hier beginnt der Chauvinismus – die Teilnahme nur (bestimmten) inländischen Gläubigern gestatten. 2. Anerkennung der insolvenztypischen Wirkungen ausländischer Verfahren 3385 Wird im Ausland ein Insolvenzverfahren mit universellem Geltungsanspruch eröffnet, so erfasst es aus der Sicht des Eröffnungsstaates auch das in Deutschland gelegene Vermögen, d.h. auch das Inlandsvermögen soll zur Masse des ausländischen Verfahrens gezogen und in die dortige Insolvenzabwicklung miteinbezogen werden. Der Insolvenzbeschlag des ausländischen Verfahrens ist anerkennungsfähig, § 343 I 1 InsO.78 3386 Allerdings setzte dies erst der IX. Senat des Bundesgerichtshofs in seinem bahnbrechenden Urteil vom 11.7.198579 durch. Art. 102 I 1 EGInsO a.F. bzw. nunmehr § 343 InsO ist die Kodifikation dieser Rechtsprechung. Vorher hatte man unter Hinweis auf § 237 KO ausländischen Konkursverfahren jede konkurstypische Inlandswirkung abgesprochen. Insbesondere wurde für das zur Zeit der Konkurseröffnung im Inland befindliche pfändbare Vermögen des Gemeinschuldners der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis vom Gemeinschuldner auf den Konkursverwalter nicht anerkannt.80
77 Hierzu Nachweise z.B. bei Vogler, Die internationale Zuständigkeit für Insolvenzverfahren, 2004, 53. 78 Trunk in Gilles, Transnationales Prozessrecht, 1995, 182; Kindler in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, Bd. 11, IntGesR, vor Art. 50 EGBGB Rz. 518 ff.; Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 130 Rz. 29. 79 BGH vom 11.7.1985, BGHZ 95, 256 = NJW 1985, 2897 = RIW 1985, 720 = ZIP 1985, 944 (Hanisch 1233) = JZ 1986, 91 (Lüderitz) = IPRspr. 1985 Nr. 218. 80 Nachweise bei Lüer in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Insolvenzrechts, 1992, 97; Mankowski ZIP 1994, 1577 Fußn. 5.
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Grundfragen Ein Ausnahme machte man jedoch bei der Vertretung juristischer Personen aus- 3387 ländischen Rechts: Wenn nach dem Gesellschaftsstatut mit Eröffnung des Konkursverfahrens die satzungsmäßigen Organe ihre Vertretungsmacht verlieren und an ihrer Stelle nur noch der Konkursverwalter vertretungsberechtigt ist, so wurde dieser Wechsel in der Vertretungsbefugnis auch in Deutschland beachtet.81 Es handle sich nicht um eine Frage der Beachtlichkeit des ausländischen Konkursbeschlags von in Deutschland belegenem Schuldnervermögen, sondern um die Feststellung der Vertretungsbefugnis nach dem maßgeblichen Gesellschaftsrecht.82 Die Anerkennung der ausländischen Insolvenzeröffnung setzt nach § 343 I 2 3388 Nr. 1 InsO83 internationale Zuständigkeit unter spiegelbildlicher Anwendung von § 3 I InsO und Vereinbarkeit mit dem deutschen ordre public voraus. Die Auslandsinsolvenz hindert jedoch nicht ein deutsches Insolvenzverfahren 3389 über das Inlandsvermögen. Dieses geht grundsätzlich vor (vgl. auch Rz. 3411). Die Wirkungen eines ausländischen Insolvenzverfahrens werden insoweit reduziert.84 § 343 InsO gesteht dem (in Deutschland anerkennungsfähigen) ausländischen 3390 Insolvenzverfahren grundsätzlich die gleichen internationalen Wirkungen zu, die Deutschland für deutsche Insolvenzverfahren normiert, sofern sie auch vom Insolvenzeröffnungsstaat in Anspruch genommen werden, Rz. 3506. Hierzu die deutsche Denkschrift:85 „Dies entspricht der internationalen Gerechtigkeit. Die Anerkennung ausländischer Verfahren wird es erleichtern, den Wirkungsanspruch eines deutschen Verfahrens in ausländischen Staaten durchzusetzen.“ Nicht nur inländischen Insolvenzverfahren soll also universelle Wirkung zukommen, sondern in gleicher Weise auch ausländischen Verfahren, sofern sie nach dem Recht des Eröffnungsstaates auch das im Ausland (= in Deutschland) belegene Vermögen erfassen wollen.86 3. Partikularinsolvenzverfahren über das Inlandsvermögen Trotz der kosmopolitischen Grundentscheidung für das Universalitätsprinzip lässt das deutsche Recht ein territorial begrenztes, genauer ein von vornherein auf in Deutschland belegenes Vermögen gegenständlich beschränktes Partikularinsolvenzverfahren zu (§ 354 InsO).87 Es handelt sich aber um keinen Sonder81 Seit RG vom 5.1.1937, RGZ 153, 200, 206. 82 BGH AWD 1962, 81 (Hofstetter). 83 In Übereinstimmung mit der bisherigen Rechtsprechung des BGH (BGH vom 11.7.1985, BGHZ 95, 256). 84 Kindler in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, IntInsR, Bd. 11, Rz. 954. 85 Bundestagsdrucksache 12/2443 S. 236 zu § 397 EInsO. 86 Hierzu Lüer in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Insolvenzrechts, 1992, 112 sowie in Uhlenbruck, Insolvenzordnung12, 2003, Art. 102 EGInsO Rz. 54. 87 Vor der Insolvenzrechtsreform: § 238 KO. Hierzu Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, 234 ff. Zur geschichtlichen Dimension Wimmer ZIP 1998, 982. Zur Terminologie Nachweise bei Ludwig, Neuregelungen des deutschen Internationalen Insolvenzverfah-
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Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht konkurs, weil sich am Partikularinsolvenzverfahren in Deutschland alle Gläubiger aus aller Welt beteiligen dürfen, Rz. 3437.88 3392 Die Wirkungen eines im Inland anerkannten ausländischen Universalinsolvenzverfahrens werden dann insoweit verdrängt, als über das im Inland belegene Vermögen des Schuldners ein besonderes Insolvenzverfahren (Parallelinsolvenzverfahren) durchgeführt wird. § 354 InsO stipuliert den Vorrang der lex fori concursus particularis.89 Hinsichtlich des inländischen Vermögens genießt das deutsche Partikularinsolvenzverfahren (das nach deutschem Recht geführt wird) also Vorrang vor einem ausländischen Hauptinsolvenzverfahren. Insbesondere steht die Verfügungsbefugnis über das Inlandsvermögen dem inländischen Insolvenzverwalter zu; dieses Vermögen wird nach den Vorschriften des inländischen Insolvenzrechts verwertet und verteilt. Das Verfahren wird nach der deutschen lex fori geführt. Im Übrigen ist aber aus deutscher Sicht ein Hauptinsolvenzverfahren im Ausland trotz Eröffnung eines Partikularinsolvenzverfahrens im Inland möglich90 und anerkennungsfähig.91 3393 Die Eröffnung paralleler Insolvenzverfahren in verschiedenen Staaten hat Vorund Nachteile:92 Einerseits kommt es zu einer Komplikation der Verfahrensabwicklung. In der Theorie erscheint es zweckmäßiger, das gesamte Vermögen in dem im Wohnsitz/Sitzstaat des Schuldners eröffneten Insolvenzverfahren abzuwickeln und von der Eröffnung paralleler Insolvenzverfahren in den anderen berührten Staaten abzusehen. Ein Einheitsverfahren über das gesamte in- und ausländische Vermögen des Schuldners, welches die Eröffnung eines parallelen Insolvenzverfahrens in einem anderen Staat zwingend ausschließt, lässt sich aber außerhalb der Europäischen Union nur zwischen kooperationsbereiten Staaten mit eng verwandten Rechtsordnungen und wohl nur auf völkervertraglicher Basis verwirklichen.93
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rensrechts, Diss. Köln 2004, 139, sowie bei Torz, Gerichtsstände im internationalen Insolvenzrecht zur Eröffnung von Partikularinsolvenzverfahren: Eine Untersuchung über die internationale Zuständigkeit zur Eröffnung von Partikularinsolvenzverfahren sowie deren Beschränkungen und Auswirkungen auf die Anerkennungszuständigkeit, Diss. Bochum 2005. Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 130 Rz. 117. Ausführlich E. Habscheid, Grenzüberschreitendes (internationales) Insolvenzrecht der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland – Systeme und Wechselwirkungen rechtsvergleichend auch zu anderen Rechtsordnungen, insbesondere der Schweiz, 1998, 425 ff., 457 ff.; Kindler in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, IntInsR, Bd. 11, Rz. 1170. Auch wenn das ausländische Hauptinsolvenzverfahren durch ein Sekundärinsolvenzverfahren im Inland überlagert wird, kann die ausländischer Eröffnungsentscheidung für vollstreckbar erklärt werden, OLG Düsseldorf vom 9.7.2004, OLGR 2004, 514. OLG Düsseldorf vom 9.7.2004, RIW 2005, 150; Ludwig a.a.O. 143, 201; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 2602; siehe auch Aderhold, Auslandskonkurs im Inland, 1992, 215. Zu Art. 102 III 1 EG InsO ausführlich Flessner IPRax 1997, 3. Zum Für und Wider eines zentralen Insolvenzverfahrens Aderhold a.a.O. 45; Lüer in Stoll a.a.O. 130 und in Uhlenbruck, Insolvenzordnung12, 2003, Art. 102 EGInsO Rz. 56; Otte RabelsZ 58 (1994), 297. Bundestagsdrucksache 12/2443 S. 237.
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Grundfragen Insolvenzgrund ist auch beim Partikularinsolvenzverfahren die weltweite Zahlungsunfähigkeit (Globalbilanzprinzip). Eine Beschränkung auf inländische Aktiva und Passiva kommt nicht in Betracht.94 Stellt die inländische Niederlassung des Schuldners die Zahlungen ein (§ 17 InsO), so sind weitere Nachforschungen in der Regel nicht geboten, weil dann von weltweiter Zahlungsunfähigkeit auszugehen ist.95
3393a
Auch die Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insol- 3393b venzverfahren96 (Rz. 3357) lässt Partikularinsolvenzverfahren zu. Die Hauptinsolvenz, die in dem EU-Mitgliedstaat eröffnet wird, in welchem der Gemeinschuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat (Art. 3 I), erfasst grundsätzlich auch das in den übrigen Mitgliedstaaten belegene Vermögen, Art. 16 I. Die Differenz zu § 3 I InsO, der an den allgemeinen Gerichtsstand des Gemeinschuldners anknüpft, dürfte marginal sein.97 Hat der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen im geo- 3393c graphischen Anwendungsbereich der EG-Verordnung über Insolvenzverfahren, so sind die Gerichte der anderen Mitgliedstaaten nur dann zur Eröffnung eines Partikularinsolvenzverfahrens befugt, wenn der Schuldner eine Niederlassung im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates hat, Art. 3 II. Niederlassung ist jeder Tätigkeitsort, an dem der Schuldner einer wirtschaftlichen Aktivität von nicht vorübergehender Art nachgeht, die den Einsatz von Personal und Vermögenswerten voraussetzt, Art. 2 (h). Die Wirkungen dieses Verfahrens sind auf das im Gebiet dieses Mitgliedstaates belegene Vermögen des Schuldners beschränkt, Art. 3 II, Art. 27 S. 3. Die Belegenheit von Schuldnervermögen fixiert Art. 2 (g) wie folgt:
3393d
– bei körperlichen Gegenständen kommt es auf den Ort an, wo der Gegenstand belegen ist; – Gegenstände und Rechte, bei denen das Eigentum oder die Rechtsinhaberschaft in ein öffentliches Register einzutragen ist, sind in dem Mitgliedstaat lokalisiert, unter dessen Aufsicht das Register geführt wird; – Forderungen sind in dem Mitgliedstaat belegen, in dessen Gebiet der zur Leistung verpflichtete Dritte den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat. Bezüglich der zeitlichen Abfolge gilt Folgendes:
3393e
Wird ein Hauptinsolvenzverfahren nach Art. 3 I im Staate des Mittelpunkts der hauptsächlichen Interessen des Schuldners eröffnet, so ist jedes später nach Art. 3 II eröffnete Insolvenzverfahren ein Sekundärinsolvenzverfahren. Dabei muss es sich um ein Liquidationsverfahren handeln, Art. 3 III, d.h. ein Verfahren, das zur Liquidation des Schuldnervermögens führt, und zwar auch dann, 94 Mankowski ZIP 1995, 1650; Lüer in Uhlenbruck, Insolvenzordnung12, 2003, Art. 102 EGInsO Rz. 205. 95 Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 130 Rz. 113. Näher E. Habscheid NZI 2003, 238, 241. 96 ABl. EG Nr. L 160 vom 30.6.2000, S. 1. 97 W. Lüke ZZP 111 (1998), 275, 287.
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Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht wenn dieses Verfahren durch einen Vergleich oder eine andere die Insolvenz des Schuldners beendende Maßnahme oder wegen unzureichender Masse beendet wird. Diese Verfahren sind im Anhang B zur EG-Verordnung über Insolvenzverfahren aufgeführt. 3393f Vor Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens nach Art. 3 I im Mitgliedstaat, in dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen hat, kann ein Partikularinsolvenzverfahren nach Art. 3 II nur in zwei Fällen eröffnet werden, nämlich a) falls die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach Art. 3 I nach der dortigen lex fori concursus nicht möglich ist oder b) falls die Eröffnung des Partikularverfahrens von einem Gläubiger beantragt wird, der seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz in dem Mitgliedstaat hat, in dem sich die betreffende Niederlassung befindet, oder dessen Forderung auf einer sich aus dem Betrieb dieser Niederlassung ergebenden Verbindlichkeit beruht. Nach Eröffnung des Hauptinsolvenzverfahrens (Art. 3 I) wird das Partikularinsolvenzverfahren als Sekundärinsolvenzverfahren (Art. 27 ff.) behandelt, soweit dies nach dem Stand dieses Verfahrens möglich ist, Art. 36. Der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens kann bei dem nach Art. 3 II zuständigen Gericht des Partikularinsolvenzstaates beantragen, ein in Anhang A der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren98 genanntes Partikularinsolvenzverfahren in ein Liquidationsverfahren (Anhang B) umzuwandeln, wenn es sich erweist, dass diese Umwandlung im Interesse der Gläubiger des Hauptverfahrens ist, Art. 37. 3393g Ein Sekundärinsolvenzverfahren kann zum einen der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens beantragen, zum anderen jede andere Person oder Stelle, der das Antragsrecht nach dem Recht des Mitgliedstaats zusteht, in dessen Gebiet das Sekundärverfahren eröffnet werden soll, Art. 29. Jeder Gläubiger kann seine Forderung im Hauptinsolvenzverfahren und in jedem Sekundärinsolvenzverfahren anmelden, Art. 32 I. Der Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens und die Verwalter der Sekundärinsolvenzverfahren sind nach Maßgabe von Art. 31 II zur Zusammenarbeit verpflichtet. Dem Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens ist in allen Sekundärverfahren Gelegenheit zu geben, Vorschläge für die Verwertung und jede Art der Verwendung der Masse des jeweiligen Sekundärinsolvenzverfahrens zu unterbreiten, Art. 31 III. Jeder Verwalter eines Haupt- und eines Sekundärverfahrens ist berechtigt, wie ein Gläubiger an einem anderen Insolvenzverfahren mitzuwirken, insbesondere durch Teilnahme an einer Gläubigerversammlung, Art. 32 III. Auf Antrag des Verwalters des Hauptinsolvenzverfahrens hat das Gericht, welches das Sekundärinsolvenzverfahren eröffnet hat, die Verwertung im Sekundärinsolvenzverfahren auszusetzen, Art. 33 I. Es hat jedoch die Aussetzung wieder aufzuheben, wenn sich herausstellt, dass die Aussetzung nicht mehr mit dem Interesse der Gläubiger des Haupt- oder des Sekundärinsolvenzverfahrens zu rechtfertigen ist, Art. 33 II. Ein etwaiger nach Abschluss des Sekundärinsolvenzverfahrens verbleibender Überschuss ist unverzüglich dem Verwalter des Hauptinsolvenzverfahrens zu übergeben, Art. 35. 98 ABl. EG Nr. L 160 vom 30.6.2000, S. 1.
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Grundfragen 4. Gefährdung des Anspruchs auf effiziente Gesamtvollstreckung durch einen utopischen Universalismus Divergieren die in Betracht kommenden Insolvenzrechtsordnungen zu stark von- 3394 einander, dann wächst die Gefahr, dass die aus deutscher Sicht auch international durchzusetzenden Grundsätze und Wertungen auf dem Altar eines nur (vordergründigen) Internationalismus geopfert werden. Der verfassungsrechtliche Anspruch auf effiziente Zwangsvollstreckung als Teil des Anspruchs auf effiziente Justizgewährung (Rz. 1990) kann verletzt sein, wenn die Gläubiger unzumutbar ins ferne Ausland verwiesen werden, um sich am Insolvenzverfahren im Wohnsitz-/Sitzstaat des Schuldners zu beteiligen, Rz. 1945c.99 Beispiel: Eine Gesellschaft New Yorker Rechts bestellt bei einem Handwerker in Hamburg die Büroeinrichtung für ihre dortige Niederlassung. Nach Lieferung und Rechnungstellung wird ein Insolvenzverfahren in den USA eröffnet. Soll nun der Handwerker jede Rechtsschutzmöglichkeit in Deutschland verlieren?100 Walther J. Habscheid101 stellt die Frage, ob der Rechtsstaat Bundesrepublik Deutschland durch Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren Rechte seiner Bürger praktisch annullieren, zumindest aber „entwerten“ dürfe. (Er sieht die Lösung in der Privilegierung dieser Forderungen.) Der Justizgewährungsanspruch der Gläubiger darf also nicht durch einen (uto- 3395 pischen) Universalismus ad absurdum geführt werden. Dies sahen auch die Verfasser des EInsO sehr klar:102 Sie betonen, dass das Sonderinsolvenzverfahren über das inländische Vermögen die beste Möglichkeit bietet, „den unverzichtbaren Schutz inländischer Interessen zu gewährleisten. Dies ist offensichtlich für den Fall der inländischen Zweigniederlassung: Ein Sonderkonkurs über das Vermögen der Zweigniederlassung kann die Schwierigkeit vermeiden, die beispielsweise die Durchsetzung von Ansprüchen der Arbeitnehmer aus einem Sozialplan oder von Steuerforderungen des deutschen Fiskus im Ausland verursachen würde; die Geschäftspartner und Kunden der Niederlassung kommen auf einfachem Wege zu ihrem Recht. Aber auch wenn sich nur einzelne wertvolle Vermögensgegenstände im Inland befinden, wäre es schwer hinnehmbar, wenn dieses Vermögen auch dann dem ausländischen Insolvenzverwalter ausgehändigt werden müsste, wenn deutlich ist, dass die inländischen Gläubiger im ausländischen Insolvenzverfahren erheblich schlechtere Befriedigungschancen haben als in einem inländischen Verfahren, z.B. weil ihnen nach dem ausländischen Insolvenzrecht zahlreiche bevorrechtigte Gläubiger vorgehen.“ 99 Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 130 Rz. 97. 100 Vgl. z.B. Lüer in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Insolvenzrechts, 1992, 120: „Kleingläubiger wie Handwerker und Arbeitnehmer sind regelmäßig nicht in der Lage, ihre Rechte wahrzunehmen, selbst wenn sie sich zusammenschließen. Aus Erfahrung kann bekundet werden, welche Schwierigkeiten bestehen, inländische Kleingläubiger auch nur zur formgerechten Forderungsanmeldung in einem französischsprachigen Land anzuleiten, ganz abgesehen von den Kosten anwaltlicher Inanspruchnahme, die häufig nicht aufgebracht werden können“. 101 Walther J. Habscheid ZaöRV 50 (1990), 304. 102 Bundestagsdrucksache 12/2443 S. 237, 245.
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Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht 5. Pflicht zur Herausgabe von Massegegenständen an den Verwalter 3396 Ein universell angelegtes, d.h. nicht von vornherein auf das inländische Vermögen beschränktes Insolvenzverfahren erhebt Anspruch auf Erfassung des gesamten – wo auch immer gelegenen – Vermögens des Schuldners.103 Dieses Konzept setzt eine intensive internationale Abstimmung zwischen den Staaten voraus. Es muss sichergestellt werden, dass die Masse an den Verwalter abgeliefert wird. Die Herausgabepflicht ist allseitig zu verstehen, also nicht nur Ablieferung an den Verwalter eines inländischen Insolvenzverfahrens, sondern grundsätzlich auch vice versa Ablieferungspflicht an den Verwalter eines im Ausland eröffneten Insolvenzverfahrens, sofern dieses im Inland anzuerkennen ist.104 Sie sollte also nicht nur zugunsten eines inländischen Insolvenzverfahrens zum Zuge kommen, d.h. wenn der Gläubiger nach der Eröffnung eines inländischen Insolvenzverfahrens aus dem Auslandsvermögen des Schuldners Befriedigung erlangt.105 a) Pflichten des Gemeinschuldners 3397 Das jeweilige Insolvenzrecht verpflichtet den Gemeinschuldner, die in seinem Verfügungsbereich befindlichen Massegegenstände dem Verwalter herauszugeben und ihm darüber hinaus umfassend Auskunft zu geben, damit der Verwalter in der Lage ist, weltweit das Vermögen des Schuldners bei sich zu konzentrieren. 3398 Allerdings ist dieser Anspruch nur selten effektiv durchsetzbar, wenn der Schuldner Obstruktion betreibt.106 Vgl. aber auch Rz. 3477 und Rz. 3480. 103 Rechtsvergleichend zu den Herausgabeansprüchen des trustee im US-amerikanischen Insolvenzverfahren E. Habscheid, Grenzüberschreitendes (internationales) Insolvenzrecht der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland – Systeme und Wechselwirkungen rechtsvergleichend auch zu anderen Rechtsordnungen, insbesondere der Schweiz, 1998, 141. Vgl. Kolmann, Kooperationsmodelle im internationalen Insolvenzrecht. Empfiehlt sich für das deutsche internationale Insolvenzrecht eine Neuorientierung?, Diss. Regensburg 2001, 188. 104 Zum US-amerikanischen „Rechtshilfe“-Modell nach dem Bankruptcy Code 1978 ausführlich E. Habscheid, a.a.O., 199 ff. sowie Spahlinger, Sekundäre Insolvenzverfahren bei grenzüberschreitenden Insolvenzen – Eine vergleichende Untersuchung zum deutschen, US-amerikanischen, schweizerischen und europäischen Recht, 1998, 199 ff.; Lüer in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung2, 2000, 297, 320 Rz. 51. 105 Nachweise bei Aderhold, Auslandskonkurs im Inland, 1992, 245. 106 Hierzu Lüer in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Insolvenzrechts, 1992, 103: „Hält der Konkursverwalter . . . Eröffnungsbeschluss . . . und Bestallungsurkunde . . . in Händen, so hat das Ringen um die Konkursmasse regelmäßig schon begonnen. Begibt sich der Konkursverwalter vom Gericht in die Geschäftsräume des Gemeinschuldners, mag dieser bereits auf dem Weg ins Ausland sein, um sich auf seine Weise um das dort belegene Vermögen zu kümmern. Was der Konkursverwalter nicht bereits als Sequester erfahren hat, wird ihm vom Gemeinschuldner . . . nicht mehr eröffnet, zur eidesstattlichen Versicherung . . . kommt es auch später nicht mehr . . . Macht sich der Konkursverwalter auf ins Ausland, um seinen gesetzlichen Auftrag zu erfüllen, begegnet er den typischen Schwierigkeiten, die solche Situationen auszeichnen: Während der Konkursverwalter um seine Aner-
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Grundfragen De lege lata ist der Verwalter einer in Deutschland eröffneten Insolvenz höchst 3399 mangelhaft mit Rechtsmacht ausgestattet, um seinem gesetzlichen Auftrag, auch das Auslandsvermögen des Schuldners zu erfassen und zu verwerten, nachkommen zu können. Dies bezeichnet Lüer107 zu Recht als das Grundübel des geltenden Rechts und fordert de lege ferenda die ausdrückliche Stipulierung eines materiell-rechtlichen Herausgabeanspruchs des Insolvenzverwalters gegen den Gemeinschuldner, der sich auf dessen gesamtes, der Vollstreckung unterliegendes in- und ausländisches Vermögen bezieht und die Möglichkeit eröffnet, bei Nichterfüllung Schadensersatz zugunsten der Insolvenzmasse in einem inländischen Gerichtsstand zu verlangen. Den deutschen Titel könnte der Verwalter im Ausland für vollstreckbar erklären lassen und so den Zugriff auf das Auslandsvermögen des Schuldners versuchen. Weiter schlägt Lüer vor, dem Insolvenzverwalter die gesetzliche Vertretungsbefugnis zu geben, im Namen der Gläubiger für die von ihnen zum inländischen Verfahren angemeldeten Forderungen gegen den Schuldner im Ausland vorgehen zu können. Damit müsse eine gesetzliche Einziehungsbefugnis zugunsten der inländischen Insolvenzmasse kombiniert werden, gleichgültig, ob der inländische Insolvenzverwalter wegen dieser Forderungen die Einzelzwangsvollstreckung im Ausland betreibt oder an einem ausländischen Insolvenzverfahren teilnimmt.
kennung im Ausland ringt, wird sie ihm dort vom Gemeinschuldner abgesprochen. Zweifel an der Anerkennungsfähigkeit wird er nähren mit Argumenten, das inländische Insolvenzverfahren erhebe nur einen beschränkten extraterritorialen Geltungsanspruch, was das ausländische Gericht bestätigt sehen kann in der Tatsache, dass das inländische Recht dem Konkursverwalter keinerlei Handhabe zur Rechtsverfolgung gegen den Gemeinschuldner im Ausland gibt. Ebenso wird der Gemeinschuldner . . . Sympathie finden mit dem Argument, der inländische Konkursverwalter verfolge indirekt Steueransprüche der bevorrechtigten Gläubiger . . ., die im Wege der Einzelzwangsvollstreckung im ausländischen Belegenheitsstaat (z.B. USA, Kanada) mangels Vollstreckungsabkommen nicht verfolgt werden können . . . Selbst wo der Übergang von Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis . . . grundsätzlich anerkannt werden, fehlt es dem Eröffnungsbeschluss für das Ausland an einem konkreten, vollstreckungsfähigen Inhalt. Ordnet das Konkursgericht im Eröffnungsbeschluss an, der Gemeinschuldner habe dem Konkursverwalter hinsichtlich des ausländischen Vermögens Vollmacht zu erteilen, um ihm den Zugriff zu erleichtern, so nützt dies nichts, wenn der Gemeinschuldner der Anordnung nicht entspricht. Maßnahmen wie Zwangsgeld oder Beugehaft . . . sind im Ausland nicht vollzieh- bzw. vollstreckbar. Da der Eröffnungsbeschluss insoweit auch nicht wie ein Urteil auf Abgabe einer Willenserklärung in Rechtskraft erwachsen kann und damit eine fiktive Ersetzung der Vollmachtserklärung nach § 894 ZPO ausscheidet, hat der Beschluss für das im Ausland belegene Vermögen des Gemeinschuldners keine Bedeutung, wenn sich dieser der angeordneten Mitwirkung entzieht.“ Ebenso Lüer in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung2, 2000, 297, 320 Rz. 51 sowie in Uhlenbruck, Insolvenzordnung12, 2003, Art. 102 EGInsO Rz. 105. 107 Lüer in Stoll a.a.O. 123.
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Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht b) Herausgabepflichten der Gläubiger 3400 „Die Ohnmacht des Konkursverwalters ist die Chance der Konkursgläubiger. In dem Maße, in dem es dem Gemeinschuldner gelingt, sein im Ausland belegenes Vermögen dem Zugriff des Verwalters zu entziehen, eröffnen sich ihnen Möglichkeiten, außerhalb des inländischen Konkursverfahrens Befriedigung zu suchen. Da sie ihre Rechte aus Rechtsverhältnissen ableiten, die mit dem Konkurs nichts zu tun haben, suchen sie den Weg normaler Rechtsverfolgung im Ausland.“108 Der Grundsatz par conditio creditorum lässt sich mithin international nur durchsetzen, wenn wirksam verhindert wird, dass sich einzelne Gläubiger – an der Insolvenzverwaltung vorbei – Sondervorteile verschaffen, indem sie im Zusammenspiel mit dem Schuldner oder im Wege der Einzelzwangsvollstreckung auf das Vermögen des Schuldners außerhalb des Insolvenzeröffnungsstaates Zugriff nehmen. 3401 Der Bundesgerichtshof109 hat in seiner heftig umstrittenen „Sparkassen“-Entscheidung die Insolvenzgläubiger für verpflichtet erklärt, alles nach Bereicherungsrecht zur Inlandsmasse abzuliefern, was sie nach Eröffnung des Verfahrens im Inland aus dem Vermögen des Schuldners im Ausland erlangt haben. Allerdings ist dieser Anspruch nur selten vor ausländischen Gerichten durchsetzbar, so dass Gläubiger, die nach Art. 2 ff. EuGVVO/LugÜ bzw. §§ 12 ff. ZPO in Deutschland nicht gerichtspflichtig sind (das deutsche Recht kennt keine kompetenzrechtliche vis attractiva concursus, also keinen besonderen Gerichtsstand für insolvenzrechtlich beeinflusste Klagen),110 de facto privilegiert sind, Rz. 3464. 3402 Eine Rück- oder Weiterverweisung (Art. 4 EGBGB) kommt nicht in Betracht. 3403 In Deutschland werden jedoch die Ergebnisse eines ausländischen Insolvenzverfahrens, das auf das im Eröffnungsstaat belegene Vermögen territorial beschränkt ist, respektiert, Rz. 3435. Insoweit zediert die Herausgabepflicht des Gläubigers. Er darf behalten, was er in dem ausländischen Sonderinsolvenzverfahren erlangt hat, § 342 II 1 InsO. Er wird jedoch in Deutschland bei den Verteilungen erst berücksichtigt, wenn die übrigen Gläubiger mit ihm gleichgestellt sind. Im Falle eines Partikularinsolvenzverfahrens über das in einem bestimmten Staat belegene Vermögen tritt an die Stelle der Ablieferungspflicht die Anrechnung des Erlangten auf die anteilige Befriedigung des Gläubigers im Hauptinsolvenzverfahren.111 3404 Den ausländischen Staaten wird also aus deutscher Sicht die gleiche Regelungsbefugnis zugestanden, die Deutschland in Anspruch nimmt. Dies gilt jedoch nur für territorial (auf das im Insolvenzeröffnungsstaat belegene Vermögen) beschränkte Partikularinsolvenzverfahren, nicht jedoch für ausländische Insol-
108 Lüer in Stoll a.a.O. 107. Siehe nun auch Lüer in Uhlenbruck, Insolvenzordnung12, 2003, Art. 102 EGInsO Rz. 92 ff. 109 BGH vom 13.7.1983, BGHZ 88, 147 = NJW 1983, 2147 = IPRax 1984, 264 (Pielorz 241) = IPRspr. 1983 Nr. 205b; hierzu Lüer a.a.O. 108. 110 R. Geimer LM § 106 KO Nr. 9; E. Habscheid ZIP 1999, 1113; E. Habscheid NZI 2003, 238, 240. 111 Abweichend zur damaligen lex lata Lüer KTS 1979, 12.
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Grundfragen venzverfahren mit universellem Anspruch, die mit dem inländischen Insolvenzverfahren konkurrieren. Der Ausschluss der Ablieferungspflicht hinsichtlich des aus einem ausländischen Insolvenzverfahren Erlangten führt im Ergebnis zu einer ganz erheblichen Einschränkung der Extraterritorialität des deutschen Universalinsolvenzverfahrens. Dies wird z.B. von Lüer112 heftig kritisiert. Es ist in der Tat nicht einzusehen, die Ablieferungspflicht zur Masse des deutschen Insolvenzverfahrens danach zu differenzieren, ob der Zugriff der Gläubiger außerhalb Deutschlands im Wege der Einzel- oder Gesamtvollstreckung erfolgt.113
3405
Eine spiegelbildliche Ablieferungspflicht zugunsten einer ausländischen Insol- 3405a venzmasse ist nach Maßgabe des § 342 InsO – vorbehaltlich eines deutschen Partikularverfahrens (§ 354 InsO) – zu bejahen. Der Verwalter des ausländischen Insolvenzverfahrens kann die Erlöse einer im Inland erfolgreichen (nach Wegfall des § 237 KO unzulässigen) Zwangsvollstreckung herausverlangen,114 Rz. 3534a.
VI. Internationale Zuständigkeit 1. Gleiche Anknüpfungspunkte für internationale Anerkennungszuständigkeit fremder Staaten wie für internationale Entscheidungszuständigkeit Deutschlands nach dem Spiegelbildprinzip Auch im internationalen Insolvenzrecht gilt das Spiegelbildprinzip, § 343 I 2 3406 Nr. 1 InsO:115 Die internationale Zuständigkeit fremder Staaten wird in Insolvenzsachen – ebenso wie auch sonst im Anerkennungsrecht, Rz. 2896 – anerkannt, wenn eine Anknüpfung gegeben ist, auf die vice versa Deutschland die internationale Zuständigkeit für die eigenen Gerichte stützt, Rz. 3514. Ausländischen Staaten wird also aus deutscher Sicht quantitativ ebenso viel „Jurisdiktionsvolumen“ via Spiegelung der Regeln über die internationale Zuständig-
112 Lüer in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Insolvenzrechts, 1992, 119; Lüer in Uhlenbruck, Insolvenzordnung12, 2003, Art. 102 EGInsO Rz. 98 ff. 113 Hierzu Lüer in Stoll a.a.O. 120: „Völlig zu Recht hat Canaris (ZIP 1983, 651) darauf hingewiesen, dass mit dem Herausgabeanspruch nicht die Recht- und Ordnungsmäßigkeit der Rechtsänderung nach den ausländischen Verfahrensregeln angegriffen werde, sondern lediglich die Vermögenszuweisung nach dem inländischen Insolvenzstatut durch einen obligatorischen Anspruch wieder hergestellt werden soll. Diese spezifisch konkursrechtliche Restitution muss grundsätzlich in allen Fällen des zwangsweisen Zugriffs von Insolvenzgläubigern im Ausland eingreifen, allein schon um die Ernsthaftigkeit des Anspruchs zu umfassender Vermögens- und Schuldenregelung glaubhaft erscheinen zu lassen“. 114 So schon zum alten Recht OLG Düsseldorf vom 15.11.1990, IPRspr. 1990 Nr. 254b. Hierzu Lüer in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung2, 2000, 297, 307 Rz. 24. 115 Lüer in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung2, 2000, 297, 303 Rz. 14, 309 Rz. 27; Kindler in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, IntInsR, Bd. 11, Rz. 1025 ff.; Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008, § 343 Rz. 12.
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Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht keit Deutschlands zugestanden wie Deutschland selbst für sich in Anspruch nimmt.116 2. Anknüpfungspunkte 3407 Die internationale Zuständigkeit für Universalinsolvenzverfahren (das auch das Auslandsvermögen des Schuldners erfassen soll) hängt aus deutscher Sicht davon ab, wo der Gemeinschuldner den Mittelpunkt seiner selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit bzw. seinen allgemeinen Gerichtsstand (§§ 13, 17 ZPO) hat, § 3 I InsO, Rz. 3454.117 3408 Eine Niederlassung (die nicht die Hauptniederlassung zu sein braucht) genügte nach altem Recht aber, um eine internationale Zuständigkeit für einen auf das im Inland belegene Vermögen beschränkten Konkurs zu bejahen, § 238 I KO. Das Gleiche galt, wenn dort ein mit Wohn- und Wirtschaftsgebäuden versehenes Gut bewirtschaftet wird, § 238 II KO. Art. 102 III 1 EGInsO a.F. führte den Gerichtsstand des Vermögens für ganz Deutschland ein118 Rz. 3457. Es genügte, dass ein nach deutschem Insolvenzrecht zur Masse gehörender (die Kosten des deutschen Verfahrens deckender) Gegenstand in Deutschland belegen ist.119 Daran hält nun auch § 354 InsO fest. Dies bedeutet eine weitere Aushöhlung des Universalitätsprinzips.120 Örtlich zuständig zur Eröffnung des Partikularinsolvenzverfahrens ist jedes Amtsgericht, in dessen Bezirk sich Vermögen des Schuldners befindet. Da aber zur Eröffnung des Verfahrens ein rechtliches Interesse nach § 14 InsO erforderlich ist, soll eine etwa vorhandene Niederlassung des Schuldners in Deutschland als vorrangige Zuständigkeitsanknüpfung fungieren, § 354 III 1 InsO.121 Hat der Schuldner im Inland keine Niederlassung, so wird ein deutsches Partikularverfahren auf Antrag eines Gläubigers nur dann eröffnet, wenn dieser ein besonderes Interesse an der Eröffnung des inländischen Verfahrens hat, insbesondere, wenn er in einem ausländischen Verfahren voraussichtlich erheblich schlechter stehen wird, § 354 II InsO.
116 So schon die Begründung zu Art. 1 des Vorentwurfs, abgedruckt bei Stoll, Vorschläge und Gutachten zur Umsetzung des EU-Übereinkommens über Insovenzverfahren im deutschen Recht, 1997, 27. 117 Leipold in Festschrift Henckel, 1995, 533, 537; Ludwig, Neuregelungen des Internationalen Insolvenzverfahrensrechts, 2004, 23; Lüer in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung2, 2000, 297, 309 Rz. 28 sowie in Uhlenbruck, Insolvenzordnung12, 2003, Art. 102 EGInsO Rz. 64; Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008, § 335 Rz. 27. 118 Diesen kannte bereits § 22 II GesVO. 119 Vgl. § 23 S. 2 ZPO. 120 Sehr kritisch Lüer in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Insolvenzrechts, 1992, 130: Unter der Hypothese, dass alle aus deutscher Sicht international zuständigen Staaten von ihrer Zuständigkeit auch Gebrauch machen und einen auf das jeweilige bei ihnen belegene Vermögen beschränkten Sonderkonkurs etc. eröffnen, ist bei Anerkennung aller ausländischen Insolvenzverfahren die Wirkungen des deutschen Universalinsolvenzverfahrens im Endeffekt doch auf das in Deutschland belegene Vermögen beschränkt. 121 Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 130 Rz. 109.
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Grundfragen 3. Masseprozesse Für Klagen des Insolvenzverwalters gegen Dritte gilt das allgemeine Kompetenzrecht der Art. 2 ff. EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ bzw. der §§ 12 ff. ZPO, ebenso für Klagen gegen den Insolvenzverwalter.122
3408a
4. Anfechtungsklagen Das Gleiche gilt für Anfechtungsklagen. Auch hier sind Art. 2 ff. EuGVVO/EuGVÜ/LugÜ bzw. §§ 12 ff. ZPO maßgeblich, nicht § 3 I InsO. Das deutsche Kompetenzrecht stipuliert keine ausschließliche internationale Zuständigkeit des Insolvenzeröffnungsstaates.123 Anders ist jedoch die Rechtsprechung des EuGH zur EuInsVO:124 Er wendet Art. 3 EuInsVO an und kommt so zur internationalen Zuständigkeit des Insolvenzeröffnungsstaates, Rz. 3558, 3562a.
3408b
VII. Priorität des deutschen Universalinsolvenzverfahrens? 1. Problemstellung Aus der Sicht eines Rechtssystems kann nur einem von mehreren Insolvenzverfahren universale Wirkung beigelegt werden. Der Gesetzgeber muss entscheiden, welchem Verfahren im Konfliktfall der Vorzug zu geben ist.
3409
2. Keine Relevanz ausländischer Insolvenzanhängigkeit § 3 II InsO stipuliert: „Sind mehrere Gerichte zuständig, so schließt das Gericht, 3410 bei dem zuerst die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragt worden ist, die Übrigen aus.“ Diese Regel ist – anders als § 261 III Nr. 1 ZPO (Rz. 2688) – allenfalls internationalisierungsfähig im Verhältnis zu mehreren ausländischen Universalinsolvenzverfahren, hinsichtlich derer die Anerkennungsvoraussetzungen gegeben wären.125 Beispiel: Der Schuldner hat in zwei Staaten einen Wohnsitz.126 Das Prioritätsprinzip gilt jedoch nicht zu Lasten eines deutschen Universalinsolvenzverfahrens. Entscheidend ist nach bisher herrschender Meinung allein, dass 122 Anders ist es nur, wenn darüber gestritten wird, ob die Klageforderung eine Masseoder Insolvenzforderung ist, BGH vom 11.7.1996, NJW 1996, 3008 = RIW 1996, 857 = IPRax 1998, 38 (Schollmeyer 29) = LM Nr. 1 zu KonkursVtr AUT (R. Geimer) = KTS 1996, 560 = IPRspr. 1996 Nr. 232; Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 130 Rz. 59. 123 BGH vom 21.11.1996, BGHZ 134, 116 = NJW 1997, 657 = RIW 1997, 426, 428 = IPRax 1998, 199 (Gottwald/Pfaller 170) = JZ 1997, 568 (Leipold) = IPRspr. 1996 Nr. 234. 124 EuGH vom 12.2.2009, Rs C-339/07 – Seagon als Insolvenzverwalter/Deko Marty Belgium N.V., ZIP 2009, 427 = DB 2009, 613 = NZI 2009, 199 = EWiR 2009, 411 (K. Müller). 125 Lüer in Uhlenbruck, Insolvenzordnung12, 2003, §§ 237, 238 Rz. 69; Witte, Die Anerkennung schwedischer Insolvenzverfahren in der Bundesrepublik Deutschland, 1996, 65. 126 Hierzu Leipold in Stoll a.a.O. 75; Lüer in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung2, 2000, 297, 309 Rz. 29.
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3411
Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht Deutschland für ein Universalinsolvenzverfahren international zuständig ist (Rz. 3454), ohne Rücksicht darauf, ob die Universalinsolvenz im Inland auch eröffnet ist.127 Letzteres ist jedoch bestritten.128 3411a Im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren129 (Rz. 3357) soll jedoch das Prioritätsprinzip analog Art. 27 EuGVVO gelten.130 Dies folgt aus dem Anerkennungsprinzip des Art. 16 in Verbindung mit dem Verbot der Nachprüfung der internationalen Zuständigkeit. Es kommt nicht auf die Antragstellung, sondern auf den Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Eröffnungsbeschlusses an. Eine von der lex fori concursus stipulierte Rückwirkung des Eröffnungsbeschlusses bleibt außer Betracht.131 Diese bereits dem Gemeinschafts- bzw. künftig Unionsrecht immanente Regel hat der deutsche Gesetzgeber in Art. 102 §§ 3, 4 EGInsO nochmals stipuliert. Wurde bereits in einem Mitgliedstaat ein Hauptinsolvenzverfahren eröffnet, so hat dieses Vorrang. Ein (noch nicht verbeschiedener) Antrag auf Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens in Deutschland ist (wird) unzulässig. Wurde unter Verletzung dieser Prioritätsregel in Deutschland ein Hauptverfahren eröffnet, darf dieses nicht fortgesetzt werden. Es ist zugunsten des ausländischen Verfahrens einzustellen. Der Verwalter des ausländischen Hauptverfahrens kann gegen die Eröffnung des deutschen Verfahrens Beschwerde einlegen,132 Rz. 3450.
127 BGH vom 11.7.1985, BGHZ 95, 256, 270 = NJW 1985, 2897 = RIW 1985, 720 = ZIP 1985, 944 (Hanisch 1233) = JZ 1986, 91 (Lüderitz) = IPRspr. 1985 Nr. 218; Trunk in Gilles, Transnationales Prozessrecht, 1995, 168, 183: „Ein ausländisches Insolvenzverfahren steht der Eröffnung eines inländischen Insolvenzverfahrens nicht entgegen (arg. § 238 III KO).“ Zweifelnd Leipold in Festschrift Waseda Universität, 1988, 797. Wie hier Hanisch ZIP 1985, 1236 Fußn. 30 sowie ZIP 1989, 277, jedoch mit der Einschränkung, dass der deutsche Universalkonkurs das Vermögen in dem ausländischen Konkurseröffnungsstaat nicht erfassen soll. Anderer Auffassung Wenner in Handbuch der Insolvenzverwaltung7, 1997, Rz. XXIII.49; Kindler in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, Bd. 11, IntGesR, vor Art. 50 EGBGB Rz. 522; Lüer in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung2, 2000, 297, 309 Rz. 29. Nachweise auch bei Spahlinger, Sekundäre Insolvenzverfahren bei grenzüberschreitenden Insolvenzen – Eine vergleichende Untersuchung zum deutschen, US-amerikanischen, schweizerischen und europäischen Recht, 1998, 97. Ebenso Kolmann, Kooperationsmodelle im internationalen Insolvenzrecht. Empfiehlt sich für das deutsche internationale Insolvenzrecht eine Neuorientierung?, Diss. Regensburg 2001, 139, 142. 128 Für Beachtung der (anerkennungsfähigen) ausländischen Insolvenz, solange im Inland kein Insolvenzverfahren eröffnet ist, Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 130 Rz. 35; 129 ABl. EG Nr. L 160 vom 30.6.2000, S. 1. 130 W. Lüke ZZP 111 (1998), 275, 289 f.; Peter Huber in Festschrift Heldrich, 2005, 679, 681. 131 Herchen, Das Prioritätsprinzip im internationalen Insolvenzrecht, ZIP 2005, 1401, 1403. 132 Peter Huber in Festschrift Heldrich, 2005, 679, 681. Dagegen Laukemann, Rechtshängigkeit im europäischen Insolvenzrecht, RIW 2005, 104: Entscheidend sei der Zeitpunkt der Antragstellung. Ausführlich auch Herchen ZIP 2005, 1401, 1403 mit umfangreichen Nachweisen.
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Grundfragen 3. Deutsches Partikularinsolvenzverfahren Besteht eine internationale Zuständigkeit Deutschlands nur für eine auf das im 3412 Inland belegene Vermögen beschränkte Partikularinsolvenz (§ 354 InsO), dann ist dies kein Hindernis für die Anerkennung der Wirkungen eines ausländischen Universalinsolvenzverfahrens hinsichtlich des sonstigen (außerhalb Deutschlands gelegenen) Vermögens des Schuldners.133 Hinsichtlich des zur inländischen Insolvenzmasse gehörenden Vermögens genießt das deutsche Partikularinsolvenzverfahren Vorrang, Rz. 3392.134 Solange ein Partikularinsolvenzverfahren in Deutschland nur möglich, aber 3413 noch nicht eröffnet ist, erfasst die anerkennungsfähige ausländische Universalinsolvenz auch das in Deutschland belegene Vermögen des Schuldners. Die bloße Möglichkeit eines Partikularinsolvenzverfahrens in Deutschland drängt die Wirkungen des ausländischen Insolvenzverfahrens, das auch das in Deutschland belegene Vermögen erfassen will, nicht zurück.135 Diese werden erst mit der Eröffnung des deutschen Insolvenzverfahrens verdrängt.136 Wurde das in Deutschland vorhandene Vermögen vom ausländischen Verwalter bereits zur ausländischen Masse gezogen und ins Ausland transferiert, vermindert sich das Inlandsvermögen, das Gegenstand des deutschen Partikularinsolvenzverfahrens ist, entsprechend. Soweit es jedoch noch in Deutschland belegen ist, wird es vom Beschlag des deutschen Insolvenzverfahrens erfasst. Das ausländische Verfahren muss zurücktreten. Es kommt zu einer „Aufspaltung des zunächst einheitlichen Verfahrens“.137 Nach Beendigung des deutschen Partikularinsolvenzverfahrens lebt die Beschlagnahmewirkung des ausländischen im Inland anzuerkennenden Universalinsolvenzverfahrens (§ 343 InsO) bezüglich des dann noch vorhandenen Schuldnervermögens wieder auf. Daher hat der Verwalter des deutschen Partikularinsolvenzverfahrens das nach vollständiger Befriedigung der Gläubiger des inländischen Verfahrens verbleibende Restvermögen an den Verwalter des ausländischen Universalinsolvenzverfahrens herauszugeben, § 358 InsO.138
133 Nachweise z.B. bei Torz, Gerichtsstände im internationalen Insolvenzrecht zur Eröffnung von Partikularinsolvenzverfahren: Eine Untersuchung über die internationale Zuständigkeit zur Eröffnung von Partikularinsolvenzverfahren sowie deren Beschränkungen und Auswirkungen auf die Anerkennungszuständigkeit, Diss. Bochum 2005. 134 So deutlich auch Art. 17 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren. Vgl. auch OLG Düsseldorf vom 9.7.2004 RIW 2005, 150; Kindler in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch3, Bd. 11, 1999, IntGesR, vor Art. 50 EGBGB Rz. 522. 135 Aderhold, Auslandskonkurs im Inland, 1992, 215 Fußn. 248; Spahlinger, Sekundäre Insolvenzverfahren bei grenzüberschreitenden Insolvenzen – Eine vergleichende Untersuchung zum deutschen, US-amerikanischen, schweizerischen und europäischen Recht, 1998, 96. 136 Für das deutsche Sekundärinsolvenzverfahren gelten die (ergänzenden) Sondervorschriften der §§ 356 ff. InsO. 137 Bundestagsdrucksache 12/2443 S. 246 (zu § 396). 138 Ebenso Art. 35 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (Rz. 3357).
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Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht
VIII. Koordination mehrerer Insolvenzverfahren 1. Überblick 3414 Das Universalitätsprinzip erfordert nicht notwendig ein Einheitsverfahren über das gesamte in- und ausländische Vermögen des Schuldners, vgl. Rz. 3385. Ein Einheitsverfahren, welches die Eröffnung paralleler Insolvenzverfahren in anderen Staaten zwingend ausschließt, lässt sich wohl nur zwischen einigermaßen homogenen Staatengruppen verwirklichen, Rz. 3393.139 Ein Partikularinsolvenzverfahren ist – im Gegensatz zum allgemeinen Insolvenzverfahren, das universelle Geltung beansprucht (Rz. 3382) – gegenständlich beschränkt. Es erfasst nur das inländische Vermögen.140 3415 Parallele Insolvenzverfahren in verschiedenen Staaten führen unvermeidlich zu Komplikationen bei der Verfahrensabwicklung (z.B. wegen unterschiedlicher Sicherungsrechte der Gläubiger oder Anfechtungsrechte des Verwalters141) und zu Angleichungs-, Anpassungs- und Anrechnungsproblemen,142 auch wenn z.B. Art. 31 der Verordnung Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 (Rz. 3357) eine Pflicht zur gegenseitigen Unterrichtung und Kooperation begründet.143 2. Befugnisse der Verwalter 3416 Der inländische Verwalter ist berechtigt, eine im inländischen Verfahren angemeldete Forderung für den Gläubiger im ausländischen Verfahren anzumelden.144 3417 Die Rechtsstellung des ausländischen Hauptinsolvenzverwalters hat § 357 InsO üppig ausgestaltet. Dieser soll über alle bedeutsamen Umstände des inländischen Verfahrens unterrichtet werden und Gelegenheit erhalten, durch Teilnahme an den Gläubigerversammlungen, durch Vorschläge zur Verwertung des In-
139 Aderhold, Auslandskonkurs im Inland, 1992, 167. 140 Zu den Einzelheiten Spahlinger, Sekundäre Insolvenzverfahren bei grenzüberschreitenden Insolvenzen – Eine vergleichende Untersuchung zum deutschen, US-amerikanischen, schweizerischen und europäischen Recht, 1998. 141 Zur Insolvenzanfechtung nach US-Recht z.B. E. Habscheid, Grenzüberschreitendes (internationales) Insolvenzrecht der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland – Systeme und Wechselwirkungen rechtsvergleichend auch zu anderen Rechtsordnungen, insbesondere der Schweiz, 1998, 155 ff., 276 ff. 142 Sehr deutlich Lüer in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Insolvenzrechts, 1992, 130. Ausführlich zur Koordination im Rahmen des EU-Insolvenzübereinkommens vom 23.11.1995 (Rz. 3357) W. Lüke ZZP 111 (1998), 275, 303. 143 Hierzu außer den Kommentaren ausführlich Ehricke, Probleme der Verfahrenskoordination – Eine Analyse der Kooperation von Insolvenzverwaltern und Insolvenzgerichten bei grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren im Anwendungsbereich der EuInsVO, in Gottwald (ed.), Europäisches Insolvenzrecht – Kollektiver Rechtsschutz, 2008, 127. 144 Vgl. Art. 32 II der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (Rz. 3357).
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Grundfragen landsvermögens und durch Vorlage eines Insolvenzplans auf den Ablauf dieses Verfahrens Einfluss zu nehmen. 3. Teilnahmerechte der Gläubiger Ein wichtiger Punkt, an dem sich die wahren Intentionen des Gesetzgebers zei- 3418 gen, ist das Teilnahmerecht. Soll dieses allen Gläubigern all over the world zustehen oder sind nur bestimmte Gruppen am inländischen Partikularinsolvenzverfahren beteiligt? Das deutsche Recht (§ 341 InsO) ist – im Gegensatz zu manchen anderen Rechtsordnungen145 – liberal und weltoffen: Zur Teilnahme am Verfahren in Deutschland sind alle in- und ausländischen Gläubiger berechtigt.146 Dies gilt auch für Sekundärinsolvenzverfahren, und zwar auch im Anwendungsbereich der EGVerordnung über Insolvenzverfahren (Rz. 3357), Art. 32 I.147 4. Insolvenzverwaltungsverträge Eine sinnvolle Zusammenarbeit und internationale Kooperation lässt sich durch generell abstrakte Normen nicht oder nur selten erreichen. „Maßgeschneiderte“ adhoc-Lösungen lassen sich am besten durch Vereinbarungen zwischen den Insolvenzverwaltern erreichen. Auf diesem Sektor gibt es aber noch wenig Kautelarpraxis. Auch dogmatisch sind noch viele Fragen offen.148
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IX. Kein Vergeltungsrecht Anders als früher §§ 5 II, 237 II KO sieht die InsO kein Vergeltungsrecht vor.
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X. Hilfs- und Rechtshilfeverfahren Von selbständigen Partikularinsolvenzverfahren sind Hilfs- und Rechtshilfeverfahren für ausländische Insolvenzverfahren zu unterscheiden.149
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145 Z.B. Art. 166 II schweizer. IPR-Gesetz, hierzu Aderhold a.a.O. 123 Fußn. 48. 146 Dagegen fordert Walther J. Habscheid ZaöRV 50 (1990), 303 eine bevorzugte Befriedigung für inländische Gläubiger. 147 Die EU-Mitgliedstaaten haben insoweit keinen Regelungsspielraum; sie können nicht einzelne Gläubigergruppen, die zum Niederlassungsstaat keine (ausreichende) Beziehung haben, von der Teilnahme ausschließen, W. Lüke ZZP 111 (1998), 275, 301. 148 Überblick bei Eidenmüller ZZP 114 (2001), 3. 149 Hierzu Drobnig in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Insolvenzrechts, 1992, 62, 71. Ausführlich zum US-Recht E. Habscheid, Grenzüberschreitendes (internationales) Insolvenzrecht der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland – Systeme und Wechselwirkungen rechtsvergleichend auch zu anderen Rechtsordnungen, insbesondere der Schweiz, 1998, 199, 218 ff., 229 ff.
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Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht
2. Kapitel: Deutsche Insolvenzverfahren mit Auslandsberührung I. Umfang der Insolvenzmasse 1. Deutsche Insolvenzverfahren, welche das gesamte (insolvenzfähige) Vermögen des Schuldners weltweit erfassen wollen 3431 Hat der Gemeinschuldner den Mittelpunkt seiner selbständigen gewerblichen Tätigkeit bzw. seinen allgemeinen Gerichtsstand in Deutschland, dann postuliert das deutsche Recht den Universalitätsanspruch der deutschen Insolvenz: Auch das ausländische Vermögen des Gemeinschuldners gehört zur Masse, § 35 InsO.150 Auch ein vor Insolvenzeröffnung vom deutschen Insolvenzgericht angeordnetes allgemeines Verfügungsverbot (§ 21 II Nr. 2 InsO) ist nicht auf das in Deutschland belegene Vermögen des Gemeinschuldners beschränkt.151 3432 Dass ein inländisches Insolvenzverfahren – ohne Rücksicht auf die Anerkennung durch den jeweiligen Belegenheitsstaat – auch das ausländische Vermögen des Schuldners erfasst, hat das Insolvenzgericht – um dem Insolvenzverwalter die internationale Rechtsverfolgung zu erleichtern – in dem Eröffnungsbeschluss bei Bedarf klarzustellen, d.h. wenn nach Lage der Dinge damit zu rechnen ist, dass der Gemeinschuldner auch Vermögen im Ausland hat.152 3433 Der Insolvenzverwalter hat auch ausländisches Vermögen des Schuldners in Verwahrung zu nehmen und zu verwerten.153 Er ist verpflichtet, alle (rechtlich zulässigen) Anstrengungen zu unternehmen, um die Vermögensgegenstände oder deren Wert (Surrogat) zur Masse zu ziehen, Rz. 3479. Der Insolvenzverwalter kann daher – sofern nach den allgemeinen Regeln eine internationale Zuständigkeit gegeben ist – vor deutschen Gerichten auch Herausgabe-, Auskunfts- und sonstige Ansprüche geltend machen, die sich auf das außerhalb Deutschlands belegene Vermögen des Schuldners beziehen, ohne Rücksicht darauf, ob die deutsche Entscheidung Aussicht auf Anerkennung bzw. Vollstreckbarerklärung im Ausland hat.154 150 BGH vom 13.7.1983, BGHZ 88, 147 = NJW 1983, 2147 = IPRax 1984, 264 (Pielorz 241) = IPRspr. 1983 Nr. 205b; Flessner IPRax 1997, 1, 2; Lüer in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung2, 2000, 297 Rz. 1; zu § 1 KO; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 2510, 2535; Trunk in Gilles, Transnationales Prozessrecht, 1995, 170. 151 BGH vom 30.4.1992, BGHZ 118, 151, 159 = NJW 1992, 2026 = IPRax 1993, 87 (Hanisch) = LM § 106 KO Nr. 9 (R. Geimer) = IPRspr. 1992 Nr. 265; OLG Köln vom 9.6.1994, ZIP 1994, 1459, 1460 = IPRspr. 66; Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 130 Rz. 35. 152 Lüer in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Insolvenzrechts, 1992, 103. 153 BGH vom 10.12.1976, BGHZ 68, 16, 17 = NJW 1977, 900 = MDR 1977, 654 = IPRspr. 1976 Nr. 212. 154 BGH vom 10.12.1976, BGHZ 68, 16 = NJW 1977, 900 = MDR 1977, 654 = IPRspr. 1976 Nr. 212; BGH vom 13.7.1983, BGHZ 88, 147 = NJW 1983, 2147 = IPRax 1984, 264 (Pielorz 241) = IPRspr. 1983 Nr. 205b.
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Deutsche Insolvenzverfahren mit Auslandsberührung Eine andere Frage ist, ob der universelle Geltungsanspruch des deutschen Insol- 3434 venzverfahrens im Ausland anerkannt wird.155 Leider gibt der Gesetzgeber dem Verwalter des deutschen Insolvenzverfahrens zur Durchsetzung seiner Aufgaben im Ausland keine rechtstechnischen Hilfestellungen, mit denen er vor ausländischen Gerichten sich gegenüber dem Gemeinschuldner etc. durchsetzen kann. Gleichwohl bleibt festzuhalten: Auch wenn die Wirkungen des deutschen Universalinsolvenzverfahrens im Ausland nicht anerkannt werden, hat der Verwalter zu versuchen, mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln an die Masse „heranzukommen“ und nach Möglichkeit den Gemeinschuldner zur Kooperation zu veranlassen, Rz. 3480.156 Das deutsche Recht akzeptiert, dass – auch nach der Eröffnung eines inländi- 3435 schen Insolvenzverfahrens mit universellem Geltungsanspruch – in einem ausländischen Staat ein Partikularinsolvenzverfahren über das in diesem Staat belegene Vermögen eröffnet wird, Rz. 3403. Damit wird de facto der Universalitätsanspruch des deutschen Insolvenzverfahrens erheblich eingeschränkt.157 2. Deutsche Insolvenzverfahren, die sich auf das in Deutschland belegene Schuldnervermögen beschränken Das Insolvenzverfahren beschränkt sich gemäß § 354 InsO158 auf das im Inland 3436 belegene Vermögen des Gemeinschuldners,159 wenn der Schuldner in Deutschland keinen allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 17 ZPO) und auch nicht den Mittelpunkt seiner selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit hat, sondern hier nur Vermögen besitzt. Die Parallelnorm findet sich in Art. 3 II der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren160 (Rz. 3357).161 Diese Partikularinsolvenz ist keine Sonderinsolvenz:
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– Sie erfasst das gesamte inländische Schuldnervermögen.
155 Literaturübersicht zur Staatenpraxis bei Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 134. 156 Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 130 Rz. 41. 157 Vgl. auch Schnyder in Gottwald (ed.), Aktuelle Entwicklungen des europäischen und internationalen Zivilverfahrensrechts, 2002, 385, 409. 158 Hierzu Lüer in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung2, 2000, 297, 310 Rz. 31; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 2553; Torz, Gerichtsstände im internationalen Insolvenzrecht zur Eröffnung von Partikularinsolvenzverfahren: Eine Untersuchung über die internationale Zuständigkeit zur Eröffnung von Partikularinsolvenzverfahren sowie deren Beschränkungen und Auswirkungen auf die Anerkennungszuständigkeit, Diss. Bochum 2005. 159 Zur Belegenheit im Inland ausführlich Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, 240 ff. Vgl. auch OLG Köln vom 23.4.2001, RIW 2001, 788 = EWiR 2001, 967 (Mankowski) = NZI 2001, 380 = IPRax 2003, 59 (Haubold 34) = IPRspr. 2001 Nr. 210. 160 ABl. EG Nr. L 160 vom 30.6.2000, S. 1. 161 Hierzu Wimmer ZIP 1998, 982, 985: Erforderlich ist eine Niederlassung. Der Niederlassungsbegriff (Art. 2h) ist allerdings weiter als der des Art. 5 Nr. 5 EuGVÜ/EuGVVO. Das Sekundärverfahren ist in Art. 27 ff. näher ausgestaltet. Hierzu Vogler, Die internationale Zuständigkeit für Insolvenzverfahren, 2004, 151.
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Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht – Teilnahmeberechtigt sind alle in- und ausländischen Insolvenzgläubiger, auch wenn ihre Forderungen keinen Bezug zum Inlandsvermögen des Gemeinschuldners haben.162 3438 Irgendein in Deutschland zu lokalisierender Vermögensgegenstand des Schuldners reichte – sofern die Verfahrenskosten gedeckt sind (Rz. 3440) – nach Art. 102 III 1 EGInsO a.F. (Rz. 3457) aus, um eine internationale Zuständigkeit Deutschlands zur Eröffnung eines auf das Inlandsvermögen beschränkten Insolvenzverfahrens zu bejahen.163 Zurückhaltender ist nunmehr § 354 II InsO formuliert. Hat der Schuldner im Inland keine Niederlassung, so wird ein deutsches Partikularverfahren nur dann eröffnet, wenn dieser ein besonderes Interesse an der Eröffnung des inländischen Verfahrens hat, insbesondere, wenn er in einem ausländischen Verfahren voraussichtlich erheblich schlechter stehen wird.164 3439 Der Trend verläuft also anders als im Erkenntnisverfahren, wo der XI. Senat des BGH165 den Vermögensgerichtsstand des § 23 ZPO als international störend empfindet und schon de lege lata auf eine restriktive Anwendung hinarbeitet. 3440 Wie auch sonst166 kann eine Partikularinsolvenz im Inland nur dann eröffnet werden, wenn wenigstens die Verfahrenskosten gedeckt sind. Bei der Prüfung der Frage, ob das vorhandene Vermögen zur Deckung der Verfahrenskosten ausreicht, ist für das von vornherein auf Inlandsvermögen beschränkte Verfahren konsequenterweise das Auslandsvermögen außer Betracht zu lassen. Das inländische Vermögen des Schuldners muss die (voraussichtlichen) Verfahrenskosten decken.167 Damit ist die Gefahr gebannt, dass auch Vermögensgegenstände von geringem Wert die internationale Zuständigkeit Deutschlands für ein Partikularinsolvenzverfahren begründen. 3441 Ob ein Vermögensgegenstand sich im In- oder Ausland befindet, ist nach § 23 S. 2 ZPO, § 2369 II 2 BGB und ergänzend nach den zu Art. 3 III EGBGB und im
162 BGH vom 11.7.1991, NJW 1992, 624 = JZ 1992, 264 (Paulus) = WuB VI B § 30 Nr. 1 KO (Thode) = EWiR 1991, 1107 (Flessner) = IPRspr. 1991 Nr. 237b; Vorinstanz: OLG Bremen vom 27.9.1990, IPRspr. 1991 Nr. 237a; Schnyder in Gottwald (ed.), Aktuelle Entwicklungen des europäischen und internationalen Zivilverfahrensrechts, 2002, 385, 411. 163 So schon § 22 II GesVO: „Die Anerkennung eines ausländischen Verfahrens schließt nicht aus, dass im Inland ein gesondertes Verfahren der Gesamtvollstreckung eröffnet wird, das nur das im Inland befindliche Vermögen des Schuldners erfasst.“ Hieran knüpfte der Entwurf an, indem er im Interesse effektiver Justizgewährung in Deutschland generell den Vermögensgerichtsstand vorsah, § 393 EInsO. 164 Hierzu Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008, § 354 Rz. 10. 165 BGH vom 2.7.1991, BGHZ 115, 90 = NJW 1991, 3092 (R. Geimer 3072) = MDR 1991, 988 = RIW 1991, 856 (Fischer RIW 1992, 57) = JZ 1992, 51 (Schack) = LM § 23 ZPO Nr. 7 (Pfeiffer) = IPRax 1992, 160 (Schlosser 140) = DWiR 1991, 245 (Schütze 239) = IPRspr. 1991 Nr. 166b (oben Rz. 1077a). 166 § 26 InsO. 167 Aderhold a.a.O. 210, 215; Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 130 Rz. 105, 116; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 2557.
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Deutsche Insolvenzverfahren mit Auslandsberührung internationalen Enteignungsrecht entwickelten Regeln zu beurteilen.168 Vgl. auch die Parallelnorm in Art. 2 (g) EuInsVO169 (Rz. 3357). Partikularinsolvenzbedürfnis: Angesichts der rechtspolitisch heiklen Frage, in 3442 welchen Fällen es zweckmäßiger ist, das gesamte Vermögen des Schuldners in einem Einheitsverfahren zu erfassen und – in dem am Sitz des Schuldners eröffneten Insolvenzverfahren – abzuwickeln, also von der Eröffnung paralleler Insolvenzverfahren in den anderen berührten Staaten abzusehen (Rz. 3393), hat der Gesetzgeber sich für folgende Lösung entschieden: Solange ein ausländisches Insolvenzverfahren am Hauptsitz des Schuldners 3443 nicht eröffnet ist, müssen für die Eröffnung eines Partikularinsolvenzverfahrens über das Inlandsvermögen lediglich die allgemeinen Voraussetzungen für die Eröffnung eines inländischen Insolvenzverfahrens gegeben sein, § 354 I InsO. Zusätzliche Voraussetzungen werden in diesem Fall nicht verlangt, da es zum Schutz der inländischen Interessen erforderlich ist, dass die Eröffnung eines inländischen Verfahrens ohne Schwierigkeiten auch dann erreicht werden kann, wenn die Eröffnung des Auslandsverfahrens verzögert wird oder ganz unterbleibt, z.B. weil der Schuldner dort nicht als insolvenzfähig angesehen wird.170 Wenn jedoch das ausländische Hauptinsolvenzverfahren (mit universellem Gel- 3444 tungsanspruch, welches das in Deutschland belegene Schuldnervermögen mit erfassen will) bereits eröffnet ist, soll – sofern der Gemeinschuldner im Inland keine Niederlassung hat – ein Gläubiger die Eröffnung des Sonderinsolvenzverfahrens über das Inlandsvermögen nur noch dann erreichen können, wenn der Gläubiger ein besonderes Interesse gerade an der Eröffnung des inländischen Partikularinsolvenzverfahrens hat, z.B. wenn der Gläubiger im ausländischen Verfahren voraussichtlich erheblich schlechter stehen wird als in einem inländischen Verfahren, weil ihm in diesem Verfahren so viele bevorrechtigte Gläubiger vorgehen, dass er nicht mit einer Befriedigung rechnen kann, § 354 II InsO.171 Ein Eröffnungsgrund für das Partikularinsolvenzverfahren in Deutschland muss nicht festgestellt werden, wenn bereits ein ausländisches Hauptinsolvenzverfahren eröffnet ist, § 356 III InsO.
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3. Freiwillige Beschränkung des deutschen Insolvenzverfahrens? Sind die Voraussetzungen für ein Universalinsolvenzverfahren (§ 3 I InsO) gege- 3446 ben, dann kann nicht „freiwillig“ auf die Erfassung und Verwertung des Auslandsvermögens verzichtet werden, weder vom Insolvenzgericht noch vom Insolvenzverwalter noch von den Gläubigern.172
168 Bundestagsdrucksache 12/2443 S. 243; Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008, § 354 Rz. 14 ff. Siehe auch oben Rz. 1374c. 169 ABl. EG Nr. L 160 vom 30.6.2000, S. 1. 170 Bundestagsdrucksache 12/2443 S. 237. 171 Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 130 Rz. 104. 172 Bejahend aber de lege ferenda Drobnig in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Insolvenzrechts, 1992, 68.
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Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht 4. Fehlentscheidung des deutschen Insolvenzgerichts 3447 Folgende Hypothesen sind denkbar: – das deutsche Insolvenzgericht eröffnet ein Universalinsolvenzverfahren, obwohl nur eine auf das inländische Vermögen beschränkte Insolvenz oder überhaupt keine inländische Insolvenz zulässig gewesen wäre; 3448
Beispiel: Das Insolvenzgericht nimmt unzutreffend an, der Schuldner habe seinen Wohnsitz und damit seinen allgemeinen Gerichtsstand in Deutschland;173
3449 – das deutsche Insolvenzgericht eröffnet nur ein Insolvenzverfahren nach § 354 InsO, obwohl eine Universalinsolvenz zulässig gewesen wäre, weil der Schuldner seinen allgemeinen Gerichtsstand bzw. den Mittelpunkt seiner selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit in Deutschland hat, oder vice versa überhaupt kein Insolvenzverfahren bei richtiger Beurteilung zulässig gewesen wäre, weil keinerlei Anknüpfungspunkt für eine internationale Zuständigkeit Deutschlands gegeben ist; 3450 – das deutsche Insolvenzgericht lehnt die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ab, obwohl die Zulässigkeitsvoraussetzungen für ein Universal- oder Partikularinsolvenzverfahren gegeben waren. Die letztgenannte Alternative wirft in der Praxis keine Fragen auf. Bei den anderen tritt Heilung174 des Mangels mit Eintritt der Rechtskraft des Insolvenzeröffnungsbeschlusses ein, Rz. 1011.175 Die Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters bleiben wirksam, auch wenn der (fehlerhafte) Eröffnungsbeschluss durch das Rechtsmittelgericht aufgehoben wurde, § 34 III 2 InsO. Hiervon macht der BGH176 im Anwendungsbereich der EuInsVO (Rz. 245c) eine Ausnahme, wenn das deutsche Insolvenzgericht unter Verletzung des Prioritätsprinzips ein Hauptinsolvenzverfahren (Art. 3 I EuInsVO) eröffnet hat, obwohl es von dem in einem anderen Mitgliedstaat vorher eröffneten Hauptinsolvenzverfahren Kenntnis hatte. Art. 102 § 4 II EGInsO sei nicht anzuwenden, da mit europäischem Gemeinschaftsrecht (künftig: Unionsrecht) nicht vereinbar. Der in Deutschland bestellte Insolvenzverwalter sei nur ein Scheinverwalter. Er darf und kann über die Masse nicht verfügen. Er kann auch keine Masseverbindlichkeiten begründen.
II. Gerichtsbarkeit 3451 Der Universalitätsanspruch des deutschen Insolvenzrechts ist nicht völkerrechtswidrig, Rz. 399. Insbesondere ist es völkerrechtskonform, wenn das deut173 Zur Wirksamkeit der Insolvenzeröffnung trotz örtlicher Unzuständigkeit BGH vom 22.1.1998, NJW 1998, 1318. 174 Zustimmend Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, 96 Fußn. 54; P. K. Wagner, Abstimmungsfragen zwischen Internationalem Insolvenzrecht und Internationaler Schiedsgerichtsbarkeit, Diss. Rostock 2007, 128. 175 Vgl. auch den innerdeutschen Fall des BGH vom 22.1.1998, ZIP 1998, 477. 176 BGH vom 29.5.2008 – IX 103/07, ZIP 2008, 2029 = ZInsO 2008, 745 = EWiR 2009, 17 (Herchen) = IPRax 2009, 73 (Felssenbach 51). Siehe auch die Parallelentscheidung BGH vom 29.5.2008 – IX 102/07, ZIP 2008, 1338 = EWiR 2008, 491 (Jessica Schmidt).
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Deutsche Insolvenzverfahren mit Auslandsberührung sche Recht – in Abweichung von der Verteilung des ausländischen Zwangsvollstreckungs- bzw. Insolvenzrechts – eine Herausgabe- bzw. Ablieferungspflicht zur Masse begründet. Treffend bemerkt Lüer:177 „Eine konkursrechtliche Restitution nach inländischem Insolvenzrecht tangiert die ausländische Souveränität solange nicht, wie das ausländische Insolvenzverfahren ungestört ablaufen kann.“ In der Beanspruchung auch des im Ausland gelegenen Vermögens des Gemeinschuldners für den im Inland eröffneten Konkurs sieht auch der Bundesgerichtshof178 zutreffend keine Verletzung der territorialen Souveränität des Belegenheitsstaates. Denn dieser könne frei darüber befinden, ob er vom deutschen Recht angeordnete Wirkungen anerkennen wolle oder nicht. Deutschland muss jedoch die immunitätsrechtlichen Einschränkungen seiner 3452 Gerichtsbarkeit einhalten.179 So ist die Insolvenz über das Vermögen eines fremden Staates unzulässig, soweit sein Vermögen außerhalb Deutschlands belegen ist. Wollte Deutschland ein Insolvenzverfahren mit universellem Wirkungsanspruch einleiten, wäre dies sicher eine Souveränitätsverletzung, weil Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines fremden Staates, auch wenn nur das nicht hoheitlichen Zwecken gewidmete Vermögen in Anspruch genommen würde. Ein Partikularinsolvenzverfahren nach § 354 InsO, das sich auf das in Deutschland belegene Vermögen beschränkt, für das Vollstreckungsimmunität nicht in Anspruch genommen werden kann, ist jedoch völkerrechtlich nicht zu beanstanden, Rz. 616.180 Eine Nachlassinsolvenz (§ 315 InsO) ist auch dann zulässig, wenn ein ausländischer Staat Erbe und daher Gemeinschuldner ist.181 Staatsunternehmen genießen nur unter besonderen Umständen Immunität, die 3453 oben Rz. 621 näher dargelegt sind. Über das „immunitätsfreie“ Vermögen ist eine Insolvenz nach den allgemeinen Regeln möglich.182
III. Internationale Zuständigkeit 1. Anknüpfungspunkte für die Verfahrenseröffnung a) Universalinsolvenz Es gibt im autonomen deutschen Recht keine eigenständige Normierung der internationalen Zuständigkeit Deutschlands in Insolvenzsachen.183 Vielmehr ergibt sich die internationale Zuständigkeit Deutschlands aus der Doppelfunktio177 Lüer in Stoll a.a.O. 121/122. 178 Oben Rz. 402. 179 Vgl. OLG Frankfurt vom 6.2.1996, NJW-RR 1996, 1200 = WiB 1996, 902 (Pape) = IPRspr. 1996 Nr. 132. 180 Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 130 Rz. 4; Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008, § 335 Rz. 18; Wenner in Mohrbutter/ Mohrbutter, Handbuch der Insolvenzverwaltung7, 1997, Rz. XXIII.41. 181 Arnold a.a.O. 182 Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008, § 335 Rz. 19. 183 Im Anwendungsbereich der EuInsO regelt Art. 3 nur die internationale Zuständigkeit, die örtliche Zuständigkeit wird durch das nationale Recht festgelegt, in Deutschland durch § 3 InsO, ergänzt durch Art. 102 § 1 I EGInsO. Hierzu Ludwig, Neuregelungen des deutschen Internationalen Insolvenzverfahrensrechts, Diss. Köln 2004, 23 ff., 57.
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Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht nalität der Gerichtsstandsnormen. Sie folgt – wie im Zivilprozess, Rz. 946 – aus der örtlichen Zuständigkeit.184 § 3 I 2 InsO stellt primär auf den Ort ab, an dem der Schuldner den Mittelpunkt seiner selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Ansonsten wird in § 3 I 1 InsO auf den allgemeinen Gerichtsstand des Schuldners verwiesen.185 Für eine Universalinsolvenz demnach erforderlich, dass der Schuldner – entweder den Mittelpunkt seiner selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit (eine Zweigniederlassung genügt nicht) oder – seinen allgemeinen Gerichtsstand in Deutschland hat.186 3455 Liegt der Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners im Inland, so ist die internationale Zuständigkeit Deutschlands für ein Universalinsolvenzverfahren gegen ihn gegeben, auch wenn sein allgemeiner Gerichtsstand (Wohnsitz/Sitz, § 3 I 1 InsO, §§ 13 ff. ZPO) im Ausland zu lokalisieren ist. Auch bei umgekehrter Konstellation kommt es allein auf den Mittelpunkt seiner selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit an. Ein Anknüpfungspunkt für die Eröffnung einer Universalinsolvenz in Deutschland fehlt, wenn der Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners im Ausland liegt, auch wenn dieser im Inland seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Dieser trägt nur dann eine internationale Zuständigkeit für ein Universalinsolvenzverfahren, wenn der Schuldner überhaupt keine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet. Die Anknüpfung an den allgemeinen Gerichtsstand tritt mithin nicht alternativ neben die Anknüpfung an den Ort der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit,187 sondern nur subsidiär als Auffang-
184 OLG Köln vom 23.4.2001, RIW 2001, 788 = EWiR 2001, 967 (Mankowski) = NZI 2001, 380 = IPRax 2003, 59 (Haubold 34) = IPRspr. 2001 Nr. 210; Ludwig, Neuregelungen des deutschen Internationalen Insolvenzverfahrensrechts, Diss. Köln 2004, 42; Vogler, Die internationale Zuständigkeit für Insolvenzverfahren, 2004, 116. 185 Diese Formulierung ist flexibler als der Begriff „gewerbliche Niederlassung“. Damit sollte auch die Harmonisierung zum durch Art. 44 I (d) der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (Rz. 3357) außer Kraft gesetzten deutsch-österreichischen Konkursvertrag und zur EG-Verordnung über Insolvenzverfahren bewerkstelligt werden. Diese verwendet in Art. 3 I den weniger scharfen Begriff „Mittelpunkt seiner hauptsächlichen Interessen“. Hierzu Flessner IPRax 1997, 2. Zur Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens in Italien über das Vermögen einer deutschen Gesellschaft Tribunale di Parma vom 15.6.2004, ZIP 2004, 2295. Zu den Zuständigkeitskonflikten unter der EuInsO Eidenmüller NJW 2004, 3455; Mankowski RIW 2005, 561, 577. 186 A.A. AG Münster vom 23.11.1999, DZWiR 2000, 123 = IPRspr. 1999 Nr. 195: Wenn der Schuldner in Deutschland zwar seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, der Mittelpunkt seiner wirtschaftlichen Tätigkeit aber im Ausland liegt, komme nur eine Partikularinsolvenz nach Art. 102 III EGInsO a.F. (jetzt: § 354 InsO) in Betracht. 187 Zweifelnd Trunk in Gilles a.a.O. 165; Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, 96 ff.
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Deutsche Insolvenzverfahren mit Auslandsberührung tatbestand, wenn es weder im In- noch im Ausland selbständige wirtschaftliche Aktivitäten des Schuldners gibt.188 Das Gleiche gilt für Nachlassinsolvenzverfahren mit universellem Geltungsanspruch. Eine internationale Zuständigkeit Deutschlands ist gegeben, wenn (letzter) Mittelpunkt der selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit des Erblassers Deutschland war, § 315 I 2 InsO. Auf den letzten allgemeinen Gerichtsstand des Erblassers (§ 315 I 1 InsO) kommt es nur dann an, wenn dieser nicht selbständig wirtschaftlich aktiv war.189 Ansonsten kommt nur Partikularinsolvenz in Betracht.190 Auf die Belegenheit von Vermögen des Schuldners in Deutschland kommt es – anders als beim Partikularinsolvenzverfahren nach § 354 InsO – nicht an. Allerdings kann die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Deutschland scheitern, wenn die im Inland befindliche Masse die Verfahrenskosten nicht deckt, § 26 InsO, vgl. Rz. 3440.
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Nicht ganz deckungsgleich mit dem autonomen deutschen Recht ist Art. 3 I EuInsVO formuliert, wo auf den „Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen“ (center of main interest [COMI]) abgestellt wird. Nach Erwägungsgrund Nr. 13 soll dies der Ort sein, „an dem der Schuldner gewöhnlich der Verwaltung seiner Interessen nachgeht und damit für Dritte feststellbar ist.“ Rein interne (für Dritte nicht erkennbare) Kriterien scheiden somit aus.191
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Diese konturenarme Anknüpfung wurde vor allem von englischen Gerichten 3456b sehr weit ausgelegt; der Vermutung des Art. 3 I 2 EuInsVO (die zum Satzungssitz hinweist) wird dabei kein besonderes Gewicht beigemessen, so dass auch über das Vermögen von Gesellschaften, die in einem Nicht-Mitgliedstaat errichtet und registriert sind, z.B. in den USA, ein Insolvenzverfahren eröffnet werden kann.192
188 Anderer Auffassung mit beachtlichen Argumenten Kolmann, Kooperationsmodelle im internationalen Insolvenzrecht, 2001, 139, 521; Ludwig, Neuregelungen des deutschen Internationalen Insolvenzverfahrensrechts, Diss. Köln 2004, 45 ff. 189 Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 130 Rz. 134. 190 LG Stuttgart vom 30.12.1999, ZIP 2000, 1122 = Rpfleger 2000, 235 = EWiR 2000, 523 (Mankowski) = IPRspr. 1999 Nr. 196. 191 Kübler in Festschrift Walter Gerhardt, 2004, 527, 555. 192 High Court of Justice Leeds vom 20.5.2004, ZIP 2004, 1769 = EWiR 2004, 847 (Westphal/Wilkens). Nachweise z.B. bei Peter Huber in Festschrift Heldrich, 2005, 679, 682 ff.; Paulus EWiR 2004, 493; Mankowski EWiR 2003, 1239; Mankowski RIW 2004, 600; Mankowski RIW 2005, 561, 573 ff.; Mankowski EWIR 2005, 175; Bähr/Riedemann ZIP 2004, 1066; Herweg/Tschauner EWiR 2004, 599; Vogler, Die internationale Zuständigkeit für Insolvenzverfahren, 2004, 83, 126. Zur Frage des maßgeblichen Zeitpunktes bzw. der perpetuatio fori siehe EuGH vom 2.5.2006 Rs C-341/04 – Eurofood Slg. 2006, I-3813 Rz. 54 = NJW 2006, 2682 = IPRax 2007, 120: Es reicht eine vorläufige Entscheidung des Insolvenzgerichts, um dem Gemeinschuldner im Zusammenhang mit dem Gesamtverfahren die Verfügungsbefugnis zu entziehen. Hierzu Hess/Lankemann/Seagon IPRax 2009, 89, 93.
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Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht 3456c Besonders gern benutzte man COMI als Kompetenzanknüpfung, um über ausländische Konzerntöchter die Insolvenz am Sitz der Konzernmutter eröffnen zu können.193 Als wenig überzeugende Argumente wurden hierfür vor allem von englischen Gerichten genannt: der „mind of mangagement“ (alle Geschäftsführer bzw. Vorstände sind Engländer etc.), die Töchter als „verlängerter Arm“ der Mutter bzw. als Teil eines „Netzes“, die Mutter als Hauptgläubigerin der Töchter, Budgetzuweisung und Einnahmenabführung an die Mutter.194 All dies beschreibt nur die Konzernierung.195 Zu Recht hat der EuGH in der Eurofood-Entscheidung diese ausufernde Auslegung gestoppt. 3456d
Die Eröffnung von Insolvenzverfahren über die Töchter am Sitz der Mutter führt oft zu einem Sekundärinsolvenzverfahren am Sitz der Töchter nach Art. 27 ff. EuInsVO.196 Dann ist die gewünschte Konzentration der Konzerninsolvenzen – außer im Fall des Art. 33 EuInsVO – wieder dahin. Zudem ist eine Sanierung zumindest gefährdet, weil Sekundärinsolvenzen zwingend Liquidationsverfahren sein müssen, Art. 3 III 2 EuInsVO.197 b) Partikularinsolvenz
3457 Nach Art. 102 III 1 EGInsO a.F. reichte – ebenso wie früher nach § 22 II GesVO – für die Eröffnung eines Partikularinsolvenzverfahrens die Belegenheit von Schuldnervermögen in Deutschland aus. Für ein auf das Inlandsvermögen gegenständlich beschränktes Insolvenzverfahren genügte also die Belegenheit irgendeines Vermögensstücks im Inland, Rz. 3408.198 Einen bestimmten Mindestwert des Inlandsvermögens schrieb das Gesetz nicht vor. Allerdings müssen die Kosten des deutschen Verfahrens gedeckt sein, Rz. 3440. Nunmehr ist § 354 II InsO zurückhaltender formuliert: Hat der Schuldner im Inland keine Niederlassung, so wird ein deutsches Partikularverfahren199 nur dann eröffnet, wenn dieser ein besonderes Interesse an der Eröffnung des inländischen Verfahrens hat,
193 Zur Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens in Italien über das Vermögen einer deutschen Gesellschaft Tribunale di Parma vom 15.6.2004, ZIP 2004, 2295. Zu den Zuständigkeitskonflikten unter der EuInsO Eidenmüller NJW 2004, 3455; Mankowski RIW 2005, 561, 577. Zum Hettlage-Fall AG München ZIP 2004, 962 = NZI 2004, 450 (Mankowski) = EWiR 2004, 493 (Paulus). 194 So z.B. im Fall Rover High Court, Chancery Division, Birmingham vom 18.4.2005, ZIP 2005, 1610 = EWiR 2005, 637 (Mankowski). 195 Mankowski EWiR 2005, 637, 638. 196 Beispiele: Landesgericht Innsbruck ZIP 2004, 1721 = EWiR 2004, 1085 (Bähr/Riedemann); Landesgericht Klagenfurt NZI 2004, 677 = EWiR 2005, 217 (B. Beutler/Debus). 197 Mankowski EWiR 2005, 637, 638. 198 Trunk in Gilles a.a.O. 189. Ausführlich Flessner IPRax 1997, 3 sowie Leipold in Festschrift Henckel, 1995, 539. 199 Voraussetzung für die Eröffnung eines Partikularinsolvenzverfahrens, dass eine internationale Zuständigkeit Deutschlands für die Eröffnung eines Hauptinsolvenzverfahrens mit universellem Geltungsanspruch (§ 3 I InsO) nicht gegeben ist, Kindler in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, IntInsR, Bd. 11, Rz. 1173.
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Deutsche Insolvenzverfahren mit Auslandsberührung insbesondere, wenn er in einem ausländischen Verfahren voraussichtlich erheblich schlechter stehen wird.200 Inlandsvermögen ist eine geeignete Zuständigkeitsanknüpfung auch für ein 3458 Nachlassinsolvenzverfahren in Deutschland, wenn die Voraussetzungen für ein Universalnachlassinsolvenzverfahren (§ 315 InsO) nicht vorliegen.201 c) Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren Im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 3459 29.5.2000 über Insolvenzverfahren202 (Rz. 3357) kann ein Sekundärinsolvenzverfahren in dem Mitgliedstaat eröffnet werden, in dem der Schuldner eine Niederlassung hat, Art. 3 II 1. Abweichend von Art. 5 Nr. 5 EuGVÜ/EuGVVO kommt es nicht auf die Weisungsgebundenheit der Außenstelle des Schuldners an. Nach Art. 2 (h) ist Niederlassung jeder Tätigkeitsort, an dem der Schuldner einer wirtschaftlichen Aktivität von nicht vorübergehender Art nachgeht, die den Einsatz von Personal und Vermögenswerten voraussetzt. Hintergrund für diesen weiten Niederlassungsbegriff ist der Kompromiss zwischen den Mitgliedstaaten, die schon die Belegenheit von Schuldnervermögen zur Eröffnung einer Partikularinsolvenz ausreichen lassen und solchen, die an die eigentliche viel enger zu fassende Niederlassung anknüpfen.203 Die Belegenheit von Vermögen reicht (anders als nach § 354 InsO) nicht aus.204 2. Örtliche Zuständigkeit Örtlich zuständig zur Eröffnung eines Universalverfahrens ist das Amtsgericht, 3460 in dessen Bezirk der Schuldner den Mittelpunkt seiner selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit bzw. seinen allgemeinen Gerichtsstand hat, § 3 I InsO.205 Für das Partikularinsolvenzverfahren kommen diese Zuständigkeitsanknüpfungen nicht in Betracht. In diesen Fällen ist jedes Amtsgericht, in dessen Bezirk sich Vermögen des Schuldners befindet, örtlich zuständig.206 Primär ist aber die Niederlassung des Schuldners in Deutschland kompetenzrechtlich relevant, § 354 III InsO, Rz. 3408. 3461–3462
200 Nachweise z.B. bei Torz, Gerichtsstände im internationalen Insolvenzrecht zur Eröffnung von Partikularinsolvenzverfahren: Eine Untersuchung über die internationale Zuständigkeit zur Eröffnung von Partikularinsolvenzverfahren sowie deren Beschränkungen und Auswirkungen auf die Anerkennungszuständigkeit, Diss. Bochum 2005. 201 Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 130 Rz. 135. 202 ABl. EG Nr. L 160 vom 30.6.2000, S. 1. 203 Bericht Virgos/Schmitt Rz. 70; W. Lüke ZZP 111 (1998), 275, 299. 204 Peter Huber in Festschrift Heldrich, 2005, 679, 680. 205 Im Anwendungsbereich der EuInsVO wird § 3 I InsO ergänzt durch Art. 102 § 1 I EGInsO. 206 Siehe auch Art. 102 § 1 II und III EGInsO.
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Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht 3. Keine Zuständigkeitsvereinbarungen und keine kompetenzbegründende Einlassung 3463 Die internationale Zuständigkeit Deutschlands kann in Insolvenzsachen durch Zuständigkeitsvereinbarung nicht verändert werden, also weder durch Prorogation begründet noch durch Derogation beseitigt werden.207 Es fehlt schon an einem kompetenten Vertragspartner, der befugt wäre, die Gesamtheit der Gläubiger zu repräsentieren. Aus den gleichen Gründen gibt es keine kompetenzbegründende Einlassung (§ 39 ZPO).208 4. Keine kompetenzrechtliche vis attractiva concursus 3464 Das autonome deutsche Recht kennt – mit Ausnahme des § 180 I 2, 3 InsO, der alle Rechtsstreitigkeiten um Feststellung von Insolvenzforderungen im Bezirk des Insolvenzgerichts konzentriert209 – keinen besonderen Gerichtsstand für insolvenzrechtliche Klagen; es gibt insoweit keine „vis attractiva concursus“.210 Es gelten vielmehr die allgemeinen Kompetenzregeln der §§ 12 ff. ZPO, sofern nicht die EuGVVO bzw. das EuGVÜ/LugÜ oder ein sonstiges spezielles Gerichtsstandsübereinkommen eingreift.211 Bei Passivprozessen war bis 31.12.1998 der Wohnsitz des Insolvenzverwalters (nicht der des Gemeinschuldners) für den allgemeinen Gerichtsstand maßgebend,212 nunmehr tritt an seine Stelle der Sitz des Insolvenzgerichts, § 19a ZPO, Rz. 1322a. Anders ist es jedoch im Anwendungsbereich des EuGVÜ/LugÜ bzw. der EuGVVO. Hier verbleibt es bei der Kompetenzanknüpfung an den Wohnsitz des Insolvenzverwalters. 3465 Bei der Vollstreckung aus dem bestätigten Insolvenzplan (§ 257 InsO)213 ist eine Erfüllungsklage nur für solche Gläubiger erforderlich, deren Forderungen vom
207 Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 130 Rz. 18; Kolmann, Kooperationsmodelle im internationalen Insolvenzrecht. Empfiehlt sich für das deutsche internationale Insolvenzrecht eine Neuorientierung?, Diss. Regensburg 2001, 136, Vogler, Die internationale Zuständigkeit für Insolvenzverfahren, 2004, 92. Siehe auch Uhlenbruck, Insolvenzordnung12, 2003, § 3 Rz. 1; Knof/Mock ZIP 2006, 189 bei Fußn. 12. 208 Ludwig, Neuregelungen des deutschen Internationalen Insolvenzverfahrensrechts, Diss. Köln 2004, 51; Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008, § 335 Rz. 30; Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, 102. 209 Ludwig a.a.O. 97; Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, 208 ff. 210 Hierzu Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- u. Vergleichsrecht, Bd. II12, Rz. 5.47, 5.49, 21.16, 21.20, 21.25; E. Habscheid ZIP 1999, 1113; E. Habscheid NZI 2003, 238, 240. Siehe auch die Nachweise bei Hau, Masseanreicherung und Gläubigerschutz im Europäischen Insolvenzrecht: Anfechtung, Eigenkapitalersatz und Durchgriffshaftung in Gottwald (ed.), Europäisches Insolvenzrecht – Kollektiver Rechtsschutz, 2008, 79, 95. 211 Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 130 Rz. 59, (siehe auch § 132 Rz. 52); Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, 118 f. 212 BGH vom 27.10.1983, BGHZ 88, 331 = NJW 1984, 739 = LM § 12 ZPO Nr. 3; R. Geimer in Geimer/Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1983, 188, 352. 213 Früher: Zwangsvergleich. Hierzu Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 130 Rz. 87. Rechtsvergleichend E. Habscheid, Grenzüberschreitendes (internationales) Insolvenzrecht der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutsch-
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Deutsche Insolvenzverfahren mit Auslandsberührung Gemeinschuldner bestritten worden sind oder die am Insolvenzverfahren nicht teilgenommen haben, z.B. weil sie nichts davon wussten.214 Für Aktivprozesse des Insolvenzverwalters bzw. des Gemeinschuldners (z.B. we- 3466 gen Rückzahlung des auf einen Insolvenzplan zu viel Geleisteten) gegen nicht im Inland ansässige Beklagte ist in Deutschland jedoch – außerhalb des Anwendungsbereichs des § 180 InsO – nur dann ein Forum eröffnet, wenn die Anknüpfungsvoraussetzungen eines Spezialgerichtsstandes gegeben sind.215 In Betracht kommt eine internationale Zuständigkeit Deutschlands vor allem unter dem Gesichtspunkt des § 29 ZPO/Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ/EuGVVO bzw. § 32 ZPO/Art. 5 Nr. 3 EuGVÜ/EuGVVO.216 Die durch die lex lata bedingte kompetenzrechtliche Erschwerung der Rechts- 3467 verfolgung im Inland für Aktivprozesse des Insolvenzverwalters bzw. des Gemeinschuldners ließe sich zwar theoretisch durch Prorogationen auf deutsche Gerichte bzw. rügelose Einlassung217 überwinden; es wird aber hierzu in der Regel keine Bereitschaft bestehen.218 5. Keine forum non conveniens-Prüfung Sind die Voraussetzungen für die internationale Zuständigkeit gegeben, dann 3468 kann219 die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in Deutschland nicht mit dem Argument abgelehnt werden, ein Insolvenzverfahren in Deutschland sei inopportun, der Gläubiger möge sich an die ausländischen Gerichte wenden, Rz. 1075.220 Allerdings werden die Gerichte das Erfordernis des „besonderen Interesses“ (§ 354 II InsO) flexibel handhaben.
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land – Systeme und Wechselwirkungen rechtsvergleichend auch zu anderen Rechtsordnungen, insbesondere der Schweiz, 1998, 210. Baur/Stürner, Zwangsvollstreckungs-, Konkurs- u. Vergleichsrecht, Bd. II12 Rz. 24.11. Zum alten Recht BGH vom 14.11.1996, BGHZ 134, 79 = JZ 1997, 415 (Paulus) = LM § 305 BGB Nr. 57 (R. Geimer). Weitergehend noch der im EU-Übereinkommen vom 23.11.1995 und in der EuInsVO nicht rezipierte Art. 15 Nr. 7 des Entwurfs eines EWG-Konkurs-Übereinkommens (hierzu Bericht von Lemontey ZIP 1981, 547, 673, 791. Nachweise bei Baur/Stürner, Konkurs- und Vergleichsrecht3 Rz. 38.1; Thieme RabelsZ 45 [1981], 459), der eine ausschließliche internationale Zuständigkeit des Insolvenzeröffnungsstaates für „Streitigkeiten wegen der Zulassung von Forderungen“ begründet (Text auch bei Geimer/ Schütze, Internationale Urteilsanerkennung I/2, 1983, 171). Siehe auch Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 2547. Hau, Masseanreicherung und Gläubigerschutz im Europäischen Insolvenzrecht: Anfechtung, Eigenkapitalersatz und Durchgriffshaftung, in Gottwald (ed.), Europäisches Insolvenzrecht – Kollektiver Rechtsschutz, 2008, 79, 115. R. Geimer LM § 305 BGB Nr. 57. Anders als in den USA, Bankruptcy Act 304 (c). Hierzu Drobnig in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Insolvenzrechts, 1992, 60. Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 130 Rz. 18.
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Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht 6. Prüfung von Amts wegen 3469 Die internationale Zuständigkeit ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen, § 5 I 1 InsO.221 Eine Anwendung des § 39 ZPO kommt nicht in Betracht. 7. Perpetuatio fori 3470 Ein Wegfall der Zuständigkeitsanknüpfung nach unanfechtbarer Eröffnung des Insolvenzverfahrens lässt die einmal gegebene internationale Zuständigkeit Deutschlands unberührt, Rz. 1830.222 Auch schrumpft das korrekt eröffnete deutsche Universalinsolvenzverfahren nicht etwa auf eine auf das Inlandsvermögen beschränkte Insolvenz (§ 354 InsO) zusammen, wenn der Schuldner den Mittelpunkt seiner selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit bzw. seinen allgemeinen Gerichtsstand in Deutschland aufgibt. 8. Heilung von Zuständigkeitsmängeln 3471 Wie auch sonst (Rz. 1011, 1872) werden Zuständigkeitsmängel mit Eintritt der formellen Rechtskraft des Insolvenzeröffnungsbeschlusses geheilt.223 9. Keine internationale Ausschließlichkeit 3471a Die Kompetenzanknüpfungen des deutschen Rechts sind nicht international ausschließlich mit der Folge, dass ausländische Insolvenzverfahren deswegen von vornherein im Inland nicht anerkennungsfähig wären. Deutschland beansprucht – wie auch sonst, Rz. 863 ff., 878 ff. – keine internationale Ausschließlichkeit.224
IV. Insolvenzfähigkeit 3472 Die Insolvenzfähigkeit deckt sich grundsätzlich mit der passiven Parteifähigkeit im Zivilprozess, sofern nicht speziell insolvenzrechtliche Normen ein221 OLG Köln vom 23.4.2001, RIW 2001, 788 = EWiR 2001, 967 (Mankowski) = NZI 2001, 380 = IPRax 2003, 59 (Haubold 34) = IPRspr. 2001 Nr. 210. 222 Ebenso Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, 100 f.; Kolmann, Kooperationsmodelle im internationalen Insolvenzrecht. Empfiehlt sich für das deutsche internationale Insolvenzrecht eine Neuorientierung?, Diss. Regensburg 2001, 142; Ludwig, Neuregelungen des deutschen Internationalen Insolvenzverfahrensrechts, Diss. Köln 2004, 50; zu parallelen Fragen im Anwendungsbereich der EuInsO siehe die EuGHVorlage (Art. 68 I EGV) des BGH vom 27.11.2003, EuZW 2004, 158 = EWiR 2004, 229 (Mankowski). 223 So auch für einen innerdeutschen Fall (Wirksamkeit der Insolvenzeröffnung trotz örtlicher Unzuständigkeit) BGH vom 22.1.1998, NJW 1998, 1318. Siehe auch OLG Frankfurt vom 6.2.1996, NJW-RR 1996, 1200 = WiB 1996, 902 (Pape) = IPRspr. 1996 Nr. 132. 224 Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, 102. Siehe auch Hau, Masseanreicherung und Gläubigerschutz im Europäischen Insolvenzrecht: Anfechtung, Eigenkapitalersatz und Durchgriffshaftung, in Gottwald (ed.), Europäisches Insolvenzrecht – Kollektiver Rechtsschutz, 2008, 79, 98.
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Deutsche Insolvenzverfahren mit Auslandsberührung greifen.225 Maßgebend ist die lex fori concursus, also im inländischen Insolvenzverfahren das deutsche Recht (§ 11 InsO).226 So kann in Deutschland ein Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Franzosen eröffnet werden, der nicht Kaufmann ist, obwohl das französische Recht eine Insolvenz über Nicht-Kaufleute grundsätzlich nicht zulässt. Insolvenzfähig sind in Deutschland auch ausländische Personenvereinigungen und Vermögensmassen, wenn sie im Inland als passiv parteifähiges Gebilde betrachtet werden, Rz. 2204.
V. Parteifähigkeit der Insolvenzmasse Die Parteifähigkeit der Insolvenzmasse ist nach dem Insolvenzeröffnungsstatut 3472a zu beurteilen.227 Die Ausstattung der Insolvenzmasse mit eigener Rechtspersönlichkeit (neben der des Gemeinschuldners) verstößt nicht gegen den deutschen ordre public.228
VI. Abwicklung des deutschen Verfahrens nach der deutschen lex fori Das deutsche Insolvenzverfahren wird nach der deutschen lex fori abgewickelt, 3473 Rz. 319. Dies gilt auch für einstweilige Maßnahmen im Vorfeld der Insolvenzeröffnung (§§ 21 ff. InsO), wie z.B. die Bestellung eines vorläufigen Verwalters oder der Erlass eines (vorläufigen) allgemeinen Verfügungsverbotes.229 Für Zustellungen gilt folgende Sonderregelung: Zustellungen an im Ausland domizilierte Beteiligte erfolgen nicht nach § 183 I 2 ZPO, sondern schlicht durch Aufgabe zur Post. Die Übersendung ins Ausland per Einschreibsendung ist nicht erforderlich, § 8 I InsO, weil auch § 184 ZPO eine solche nicht verlangt. Das Insolvenzgericht kann die Durchführung der Zustellungen dem Insolvenzverwalter übertragen, § 8 III InsO.
225 Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 130 Rz. 21; Hausmann in Reithmann/ Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 3532; Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, 105. 226 Vgl. auch Art. 4 II (a) EuInsVO (Rz. 3357); Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008, § 354 Rz. 28. 227 BGH vom 21.11.1996, BGHZ 134, 116 = NJW 1997, 657 = RIW 1997, 426, 428 = IPRax 1998, 199 (Gottwald/Pfaller 170) = JZ 1997, 568 (Leipold) = IPRspr. 1996 Nr. 234; Furtak, Die Parteifähigkeit in Zivilverfahren mit Auslandsberührung, 1995, 180; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 2585; Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008, § 335 Rz. 32; Summ, Anerkennung ausländischer Konkurse in der Bundesrepublik Deutschland, 1992, 45. 228 BGH vom 22.11.1996, BGHZ 134, 116 = NJW 1997, 657 = RIW 1997, 426, 428 = IPRax 1998, 199 (Gottwald/Pfaller 170; Sonnentag 330) = MDR 1997, 472 = ZIP 1997, 150 = JZ 1997, 568 (Leipold) = IPRspr. 1996 Nr. 234. 229 Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, 112; Lüer in Uhlenbruck, Insolvenzordnung12, 2003, Art. 102 EGInsO Rz. 61. Siehe auch Brinkmann, Zu Voraussetzungen und Wirkungen der Art. 15, 25 EuInsVO – Die Wirkungen der Anordnung von Sicherungsmaßnahmen im Insolvenzeröffnungsverfahren auf im Ausland anhängige Prozesse, IPRax 2007, 235, 237 mit weiteren Nachweisen.
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VII. Vollstreckungsverbot während der Dauer des deutschen Insolvenzverfahrens Nach dem Konzept des deutschen Gesetzgebers soll bei der Universalinsolvenz das Vollstreckungsverbot (§ 89 InsO) weltweit durchgesetzt werden.230 In der Rechtswirklichkeit kommt es jedoch darauf an, ob das deutsche Insolvenzverfahren im Ausland anerkannt bzw. insoweit beachtet wird.
VIII. Zugriff auf das außerhalb Deutschlands gelegene Vermögen des Schuldners 3474 Die Auslandswirkungen inländischer Verfahren kann aus diesen Gründen der deutsche Gesetzgeber nur mittelbar normieren. Es bleibt die Hoffnung auf mehr internationale Kooperation im Hinblick auf die Weltoffenheit der deutschen Grundentscheidung für das Universalitätsprinzip. 3475 Außerhalb des Anwendungsbereichs des § 354 InsO schreibt das deutsche Recht dem deutschen Insolvenzverwalter und den deutschen Gerichten vor, weltweit das gesamte Vermögen des Schuldners als zur Insolvenzmasse gehörig zu betrachten, sofern es nicht einen territorial beschränkten Auslandskonkurs „vorgehen“ lässt. Dies bedeutet: 3476 Der Verwalter des deutschen Insolvenzverfahrens ist verpflichtet, auch das ausländische Vermögen des Gemeinschuldners an sich zu ziehen und es zu verwerten.231 Hier lässt der deutsche Gesetzgeber aber den Verwalter im Stich, vgl. Rz. 3397 ff. 3477 Zweckmäßig wäre ein in Deutschland zu titulierender Herausgabeanspruch gegen den Schuldner, der sein Auslandsvermögen umfasst, welchen der Insolvenzverwalter nach Vollstreckbarerklärung im Belegenheitsstaat im Wege der Einzelzwangsvollstreckung durchsetzen könnte, und eine gesetzliche Vertretungsbefugnis einschließlich Einzugsermächtigung, um im Namen der Gläubiger, die ihre Forderungen im deutschen Universalinsolvenzverfahren angemeldet haben, im Ausland gegen den Schuldner prozessieren und vollstrecken zu können.232 3478 Die Prozessführungsbefugnis des Insolvenzverwalters umfasst – jedenfalls vor deutschen Gerichten – auch die im Ausland befindlichen Massegegenstände. So
230 Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 130 Rz. 35 ff. 231 BGH vom 10.12.1976, BGHZ 68, 16 = NJW 1977, 900 = MDR 1977, 654 = IPRspr. 1976 Nr. 212; Lüer in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Insolvenzrechts, 1992, 103; Lüer in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung2, 2000, 297, 321 Rz. 52; E. Habscheid, Grenzüberschreitendes (internationales) Insolvenzrecht der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland – Systeme und Wechselwirkungen rechtsvergleichend auch zu anderen Rechtsordnungen, insbesondere der Schweiz, 1998, 474 ff.; Hausmann in Reithmann/ Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 2545. 232 Lüer in Stoll a.a.O. 124, oben Rz. 3399.
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Deutsche Insolvenzverfahren mit Auslandsberührung müssen die deutschen Gerichte – sofern nach den allgemeinen Regeln eine internationale Zuständigkeit gegeben ist – zur Herausgabe an den inländischen Insolvenzverwalter verurteilen und dürfen die Wirkungen der Verfügungen und Prozessführungen des Schuldners im Ausland bei ihren Deduktionen nicht beachten.233 Noch nicht ausreichend diskutiert ist die Frage, ob pauschal allen ausländischen Urteilen, welche die Verfügungs- und Prozessführungsbefugnis des Verwalters des deutschen Insolvenzverfahrens ignorieren, unter Berufung auf den deutschen ordre public (§ 328 I Nr. 4 ZPO) die Anerkennung zu verweigern ist oder ob hier unter den Stichworten „ordre public atténué“ und „fehlende Inlandsbeziehung“ eine differenzierte Betrachtungsweise geboten ist. Wird seine Verfügungs- und Prozessführungsbefugnis im Belegenheitsstaat 3479 nicht anerkannt,234 dann ist der Verwalter des deutschen Insolvenzverfahrens in einem Dilemma: Er ist einerseits verpflichtet, auch das Auslandsvermögen zur Masse zu ziehen, ihm fehlt jedoch andererseits aus der Sicht der Rechtsordnung des Belegenheitsstaates die Befugnis hierzu. Das deutsche Recht verpflichtet ihn gleichwohl, alles zu unternehmen, um die im Ausland gelegenen Massegegenstände an sich zu ziehen, Rz. 3433. Er muss deshalb auch „Umwege“ gehen: Das Nächstliegende wäre, in Zusammenarbeit mit dem kooperationswilligen Gemeinschuldner das Auslandsvermögen nach Deutschland zu transferieren oder es im Ausland zu verwerten und den Erlös zur inländischen Masse zu bringen. Zu diesem Zweck hat der Gemeinschuldner dem Verwalter des inländischen Insolvenzverfahrens eine Vollmacht zu erteilen. Die Pflicht hierzu folgt aus seiner Auskunfts- und Herausgabepflicht.235 Verweigert der Gemeinschuldner die Vollmacht, kann er nicht zur physisch durchzusetzenden Unterschrift (§ 887 ZPO) gezwungen werden. Vielmehr wird
233 Siehe auch Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 130 Rz. 47 ff. 234 Hinweise bei Lüer in Stoll a.a.O. 106. 235 BGH vom 18.9.2003, NJW 2004, 855 = NJW-RR 2004, 134 = WM 2003, 2344 = MDR 2004, 233 = ZIP 2003, 2123 = NZI 2004, 21 = LMK 2004, 38 (Pape) = IPRspr. 2003 Nr. 219; OLG Köln vom 28.4.1986, OLGZ 1987, 69 = NJW-RR 1986, 934 = RIW 1986, 823, 828 = KTS 1986, 505 = ZIP 1986, 658 (Schneider) = IPRspr. 1986 Nr. 208a (vgl. auch OLG Köln ZIP 1986, 384 [385]). Die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde wurde vom BVerfG vom 6.6.1986, ZIP 1986, 1386 (Schneider) = EWiR 1986, 1125 (Balz) = KTS 1987, 97 = IPRspr. 1986 Nr. 208b nicht angenommen; hierzu Lüer in Stoll a.a.O. 103 Fußn. 42, 104 Fußn. 48 sowie in Uhlenbruck, Insolvenzordnung12, 2003, Art. 102 EGInsO Rz. 106; Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 130 Rz. 51; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 2549; Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008, § 335 Rz. 68. Dem OLG Köln folgt das OLG Koblenz vom 30.3.1993, NJW-RR 1994, 175 = RIW 1995, 157 = IPRax 1994, 370 (Hanisch 351) = IPRspr. 1993 Nr. 202. Das gleiche Gericht hatte jedoch früher (Beschluss vom 15.5.1979 [KTS 1980, 68 = IPRspr. 1979 Nr. 243]) die Vollmachtslösung mangels Rechtsgrundlage abgelehnt. Zustimmend E. Habscheid, Grenzüberschreitendes (internationales) Insolvenzrecht der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland – Systeme und Wechselwirkungen rechtsvergleichend auch zu anderen Rechtsordnungen, insbesondere der Schweiz, 1998, 473 und Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, 157. Kritisch Leipold in Festschrift Waseda Universität, 1988, 791.
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Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht er zur Abgabe einer Willenserklärung verurteilt, sofern man ein Klageverfahren zulassen will; die Vollstreckung wird durch die Fiktion der Abgabe nach § 894 ZPO bewirkt.236 Ob allerdings die Vollstreckungswirkung des § 894 ZPO im Belegenheitsstaat anerkannt wird, mithin die so fingierte Vollmacht dort akzeptiert wird, bleibt eine offene Frage. Siehe auch Rz. 3398. 3481 Denkbar wäre auch Zwangsanwendung gegen den Schuldner in Deutschland, um ihn zu Mitwirkungshandlungen im Ausland zu veranlassen, Rz. 400.237 3482 Ist eine Zusammenarbeit mit dem (über seine Insolvenz vergrämten) Schuldner nach Lage der Dinge nicht möglich bzw. kann ihm auch nicht mit inländischen Zwangsmaßnahmen zu Leibe gerückt werden, wird der Insolvenzverwalter einen Gläubiger beauftragen, gegen den Schuldner im Ausland einen Titel zu erwirken, Rz. 3485.238 3483 Darüber hinaus besteht aus deutscher Sicht (§ 342 I InsO) für Gläubiger nach Bereicherungsrecht Herausgabepflicht hinsichtlich all dessen, was sie nach Insolvenzeröffnung im Ausland aus dem Vermögen des Schuldners erlangt haben.239 Nur so kann das Ziel „par conditio creditorum“ verwirklicht werden. Die Rechtmäßigkeit der Rechtsverfolgung im Ausland nach dem dortigen Recht240 ändert nach Auffassung des Bundesgerichtshofs nichts daran, dass der Erwerb im Inland als von der deutschen Insolvenzordnung missbilligt anzusehen sei. Der betreibende Gläubiger sei daher ohne rechtfertigenden Grund zu Lasten der Masse des deutschen Insolvenzverfahrens bereichert („Eingriffskondiktion“ gemäß § 812 BGB) und müsse das Erlangte an die Masse (d.h. den inländischen Insolvenzverwalter) herausgeben.241
236 Anders ist es jedoch, wenn das Insolvenzgericht dem Schuldner die Vollmachtserteilung befiehlt. Dann tritt die Wirkung des § 894 ZPO nicht ein. 237 So erklärte das LG Memmingen ZIP 1983, 204 einen Haftbefehl gegen den Schuldner für zulässig, weil er die Zusammenarbeit mit dem Insolvenzverwalter hinsichtlich des Auslandsvermögens verweigert hatte. 238 Bundestagsdrucksache 12/2443 S. 240; Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008, § 335 Rz. 70. 239 BGH vom 13.7.1983, BGHZ 88, 147 = NJW 1983, 2147 = IPRax 1984, 264 (Pielorz 241) = IPRspr. 1983 Nr. 205b; hierzu z.B. Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 2540 und Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, 160. – Siehe auch Rz. 3405. 240 Im konkreten Fall ging es um eine Einzelzwangsvollstreckung gegen den Gemeinschuldner, die vice versa damals § 237 KO in Deutschland erlaubte. 241 Hierzu Lüer in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Insolvenzrechts, 1992, 119: „Es ist allein die . . . Zuweisung des Auslandsvermögens an die Masse und damit an die Gesamtheit der am inländischen Verfahren teilnehmenden Gläubiger, weshalb . . . die Eingriffskondiktion (in Ermangelung anderer Anspruchsgrundlagen) gewählt worden ist, um die Herausgabe des Erlöses der Einzelzwangsvollstreckung an den inländischen Verwalter zu begründen. Dieser Zuweisungsgehalt wird nicht dadurch eingeschränkt oder aufgehoben, dass die inländische Rechtsordnung am Ort der Belegenheit deutsches Insolvenzrecht ignoriert.“ Durch den insolvenzrechtlichen Restitutionsanspruch wird die Vermögenszuweisung nach deutschem Insolvenzrecht nach Möglichkeit realisiert, Canaris ZIP 1983, 647.
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Deutsche Insolvenzverfahren mit Auslandsberührung § 342 I InsO erfasst auch die Fälle erfassen, in denen der Gläubiger „in sonstiger 3484 Weise etwas auf Kosten der Insolvenzmasse“ aus dem Auslandsvermögen des Schuldners erlangt hat.242 Beispiele: Unbefugte Nutzung oder Verbindung, Vermischung oder Verarbeitung von Gegenständen des Massevermögens. Ein dinglich gesicherter Gläubiger kann aber in der Regel behalten, was er aus der Verwertung seiner Sicherheit im Ausland erlangt, wenn er die bevorzugte Befriedigung auch im inländischen Insolvenzverfahren beanspruchen kann. Er ist insoweit nicht auf Kosten der Insolvenzmasse bereichert.243 Ein Insolvenzgläubiger, dem die inländische Verfahrenseröffnung zum Zeitpunkt des Erwerbs im Ausland unbekannt war, kann sich nach § 818 III BGB auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Wer die Zugehörigkeit des ihm zugeflossenen Wertes zur inländischen Insolvenzmasse kannte, haftet dagegen nach § 819 I BGB. Wird die Verfügungsmacht des Verwalters des deutschen Insolvenzverfahrens in 3485 dem ausländischen Staat nicht anerkannt, so kann der Verwalter einen Gläubiger damit beauftragen, gegen den Schuldner im Ausland einen Titel zu erwirken und daraus die Zwangsvollstreckung in das Auslandsvermögen zu betreiben, Rz. 3482. In diesem Fall ergibt sich die Herausgabepflicht des beauftragten Gläubigers aus § 667 BGB; dem Gläubiger steht nach § 670 BGB der volle Ersatz seiner Aufwendungen zu. Gleiches gilt, wenn im Einzelfall die Voraussetzungen einer berechtigten Geschäftsführung ohne Auftrag §§ 677, 683 BGB vorliegen. Beauftragt der Insolvenzverwalter einen Insolvenzgläubiger mit der Rechtsverfolgung im Ausland, so kann er dem Beauftragten eine angemessene Erfolgsprämie gewähren.244
IX. Bestätigter Insolvenzplan – Zwangsvergleich Gläubiger von Insolvenzforderungen mit ausländischem Schuldstatut können ihre Rechte nur nach Maßgabe von §§ 254 ff. InsO durchsetzen.245
3486
3487–3499 242 Hierzu z.B. Kindler in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, IntInsR, Bd. 11, Rz. 1002 ff. 243 Bundestagsdrucksache 12/2443 S. 240. § 342 I 2 InsO verweist auf §§ 818, 819 BGB. 244 Bundestagsdrucksache 12/2443 S. 240. Vgl. auch Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 130 Rz. 54 sowie Lüer in Uhlenbruck, Insolvenzordnung12, 2003, Art. 102 EGInsO Rz. 109. 245 BGH vom 14.11.1996, BGHZ 134, 79 = NJW 1997, 524 = RIW 1997, 508 = JZ 1997, 415 (Paulus) = IPRax 1998, 102 (Stadler 91) = LM § 305 BGB Nr. 57 (R. Geimer) = IPRspr. 1996 Nr. 233; vgl. auch die deutsche Denkschrift zu (dem durch die Verordnung [EG] Nr. 1346/ 2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren [Rz. 3357]) außer Kraft gesetzten Art. 4 des deutsch-österreichischen Konkursvertrages, Bundestagsdrucksache 10/627 = Geimer/Schütze, Internationaler Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen13, 2001, 654.21, wo die „Folgen eines Zwangsvergleichs“ ausdrücklich der lex fori concursus unterstellt werden; ebenso Baur/Stürner, Rz. 37.21 (für Vergleich nach der alten Vergleichsordnung). Ausführlich zum Zwangsvergleich Lüer in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung2, 2000, 297, 308 Rz. 25; Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, 227 ff.
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Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht
3. Kapitel: Anerkennung der Wirkungen ausländischer Insolvenzverfahren I. Überblick 3500 Das Universalitätsprinzip gilt auch für ausländische Verfahren, § 343 InsO.246 Die Anerkennung der Wirkungen der Eröffnung des ausländischen Insolvenzverfahrens247 bedeutet, dass dieses unmittelbar, ohne ein besonderes Anerkennungsverfahren, seine nach dem Recht des Eröffnungsstaates eingetretenen Wirkungen auch in Deutschland entfaltet. Dies gilt gleichermaßen für die prozessualen Wirkungen wie grundsätzlich auch für die materiell-rechtlichen (Ausnahmen: Rz. 3541 ff.). Aber auch ein vor Eröffnung des ausländischen Insolvenzverfahrens verhängtes (allgemeines) Veräußerungsverbot wird nach § 343 II InsO in Deutschland beachtet.248 3501 Die Wirkungen der Insolvenzeröffnung im Ausland werden nach Maßgabe der dortigen lex fori concursus auf das Inland erstreckt.249 Angesichts der engen Verwobenheit von Verfahrensrecht mit materiellem Recht im Bereich des Insolvenzrechts ist eine klare dogmatische Trennung manchmal schon für den Bereich einer nationalen Rechtsordnung kompliziert. Um so größer sind die Schwierigkeiten angesichts der unterschiedlichen Dogmatik und Rechtstechnik ausländischer Insolvenzrechtssysteme.250 Daher war es sinnvoll, in § 335 InsO ein einheitliches Insolvenzstatut für die prozessrechtlichen und die materiellrechtlichen Wirkungen der ausländischen Insolvenzeröffnung zu stipulieren: Alle Wirkungen des ausländischen Insolvenzverfahrens im Inland (Rz. 3387 ff.) sind grundsätzlich nach dem Recht des Eröffnungsstaates zu bestimmen. 3502 Beschränkt sich das ausländische Verfahren lediglich auf das im Insolvenzeröffnungsstaat belegene Vermögen des Schuldners, beansprucht es also nur „territoriale Wirkungen“, so hat die Anerkennung grundsätzlich keine unmittelbaren Auswirkungen auf das inländische Vermögen des Schuldners.251 246 Den Durchbruch brachte BGH vom 11.7.1985, (BGHZ 95, 256 = NJW 1985, 2897 = RIW 1985, 720 = ZIP 1985, 944 (Hanisch 1233) = JZ 1986, 91 (Lüderitz) = IPRspr. 1985 Nr. 218, Rz. 3389). 247 Zu den insolvenzrechtlichen Anerkennungstheorien Trunk KTS 1987, 415; Laut, Universalität und Sanierung im internationalen Insolvenzrecht, 1997, 47. 248 BGH vom 30.4.1992, BGHZ 118, 151 = NJW 1992, 2026 = MDR 1992, 765 = RIW 1992, 761 = EWiR 1992, 589 (Hanisch) = IPRax 1993, 87 (Hanisch 69) = EuZW 1993, 104 = LM § 106 KO Nr. 9 (R. Geimer) = WuB VI B. § 106 KO Nr. 1.92 (Summ) = IPRspr. 1992 Nr. 265; Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 132 Rz. 63; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 2566. 249 Kindler in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch3, Bd. 11, 1999, IntGesR, vor Art. 50 EGBGB Rz. 528; Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 132 Rz. 35 ff.; Lüer in Uhlenbruck, Insolvenzordnung12, 2003, Art. 102 EGInsO Rz. 140 ff. 250 Leipold in Festschrift Waseda Universität, 1988, 799. 251 Beispiele bei Aderhold, Auslandskonkurs im Inland, 1992, 169. Siehe auch Kindler in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch3, Bd. 11, 1999, IntGesR, vor Art. 50 EGBGB Rz. 524; Spahlinger, Sekundäre Insolvenzverfahren bei grenzüberschreitenden Insolvenzen – Eine vergleichende Untersuchung zum deutschen, US-
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Anerkennung der Wirkungen ausländischer Insolvenzverfahren Jedoch führt die „Anerkennung“ des ausländischen Partikularinsolvenzverfah- 3503 rens dazu, dass wir die durchgeführten Maßnahmen, insbesondere Vermögenszuweisungen, beachten und insoweit den Universalitätsanspruch eines nicht auf das in Deutschland belegene Vermögen beschränkten Insolvenzverfahrens zurücknehmen, Rz. 3403, 3435.
II. Einordnung als Insolvenzverfahren Voraussetzung für die insolvenzrechtliche Anerkennung ist, wie schon oben 3504 Rz. 3360 dargelegt, dass das ausländische Verfahren in der Zielsetzung mit dem deutschen Insolvenzverfahren vergleichbar ist.252
III. Verwaltungsbehördliche Insolvenzverfahren Die Anerkennung ist nicht auf „gerichtliche“ Insolvenzverfahren beschränkt. Anerkennungsfähig sind vielmehr auch Insolvenzverfahren, die von einer Behörde, z.B. von einer besonderen Vollstreckungsbehörde wie in der Schweiz,253 eröffnet und durchgeführt werden.254
3505
IV. Hauptwirkung der Anerkennung eines ausländischen Insolvenzverfahrens: Anerkennung der ausländischen Insolvenzverwaltung und deren Handlungsbefugnisse nach der lex fori concursus auch in Deutschland Die Anerkennung eines ausländischen Insolvenzverfahrens bedeutet die 3506 Anerkennung des ausländischen Insolvenzverwaltungsorgans und dessen Handlungsbefugnisse nach der lex fori concursus (Rz. 3364).255 Nach dieser
252
253 254
255
amerikanischen, schweizerischen und europäischen Recht, 1998, 95; C. U. Wolf IPRax 1999, 444, 448. Siehe auch OLG Stuttgart vom 15.1.2007, OLG-Report 2007, 323. Vgl. auch die Liste in Anhang A der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (Rz. 3357) sowie die Nachweise bei Spahlinger, Sekundäre Insolvenzverfahren bei grenzüberschreitenden Insolvenzen – Eine vergleichende Untersuchung zum deutschen, US-amerikanischen, schweizerischen und europäischen Recht, 1998, 100. Nachweise bei Aderhold, Auslandskonkurs im Inland, 1992, 231; Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 132 Rz. 19. Ebenso Art. 2 (d) der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (Rz. 3357). Siehe auch die Nachweise bei Ludwig, Neuregelungen des deutschen Internationalen Insolvenzverfahrensrechts, Diss. Köln, 2004, 131. Noch großzügiger Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008, vor §§ 335 ff. Rz. 99. BGH vom 21.11.1996, BGHZ 134, 116 = NJW 1997, 657 = IPRax 1998, 356 (Sonnentag 330) = IPRspr. 1996 Nr. 234 (oben Rz. 2472 g.E.); Aderhold, Auslandskonkurs im Inland, 1992, 228; Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 132 Rz. 6 ff.; E. Habscheid, Grenzüberschreitendes (internationales) Insolvenzrecht der Vereinigten Staa-
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Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht richtet sich insbesondere auch die Prozessführungsbefugnis des Verwalters.256 3507 Die Befugnisse des Verwalters beurteilen sich nach dem Recht des Insolvenzeröffnungsstaates.257 Jedoch muss der Verwalter des ausländischen Verfahrens bei seiner die Masse sichernden und verwertenden Tätigkeit in Deutschland die deutsche lex rei sitae beachten:258 Soweit die Insolvenzabwicklung durch den ausländischen Verwalter in Deutschland durchgeführt wird, ist das deutsche Recht maßgeblich, nicht die ausländische lex fori concursus. Wenn diese z.B. eine öffentliche Versteigerung vorschreibt, erfolgt sie im Inland nach den Regeln des deutschen Rechts.259 Den ausländischen Verwalter treffen auch die vom deutschen Recht vorgeschriebenen besonderen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten gegenüber Arbeits- und Finanzämtern sowie Trägern der Sozialversicherung.260
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ten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland – Systeme und Wechselwirkungen rechtsvergleichend auch zu anderen Rechtsordnungen, insbesondere der Schweiz, 1998, 465; Kindler in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch3, Bd. 11, 1999, IntGesR, vor Art. 50 EGBGB Rz. 529; Lüer in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung2, 2000, 297, 302 Rz. 12; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 2561; Trunk in Gilles, Transnationales Prozessrecht, 1995, 193. Beispiele: LG Krefeld vom 9.4.1992, NJW-RR 1992, 1535 = ZIP 1992, 1407 = EuZW 1993, 200 = KTS 1993, 63 = IPRspr. 1992 Nr. 264 (Antrag auf Zwangsversteigerung nach § 172 ZVG durch niederländischen Insolvenzverwalter); LG Waldshut-Tiengen vom 5.6.1992, BlSchK 1993, 79 = IPRspr. 1992 Nr. 266 (Antrag auf Eintragung des schweizerischen Konkurses im deutschen Grundbuch). Zur Prozessführungsbefugnis des Verwalters des ausländischen Verfahrens BGH vom 24.2.1994, BGHZ 125, 196, 200 = NJW 1994, 2549 = RIW 1995, 242 = LM § 237 KO Nr. 7/8 (Ehricke) = IPRax 1995, 168 (Gottwald 157) = WM 1994, 958, 959 = ZIP 1994, 547 = IPRspr. 1994 Nr. 198; hierzu Prütting ZIP 1996, 1282. Anders z.B. das Konzept des schweizerischen internationalen Insolvenzrechts: Die Anerkennung eines ausländischen Insolvenzverfahrens führt dazu, dass in der Schweiz über das dort belegene Vermögen ein Nebenkonkursverfahren eröffnet wird, das grundsätzlich schweizerischem Recht unterliegt, Hanisch JZ 1988, 737; Dilger WM 1988, 849; Aderhold, Auslandskonkurs im Inland, 1992, 124; E. Habscheid, Grenzüberschreitendes (internationales) Insolvenzrecht der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland – Systeme und Wechselwirkungen rechtsvergleichend auch zu anderen Rechtsordnungen, insbesondere der Schweiz, 1998, 19 ff. Hinweise zu anderen Staaten bei Lüer in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Insolvenzrechts, 1992, 106. BGH vom 11.7.1985, BGHZ 95, 256, 261 = NJW 1985, 2897 = RIW 1985, 720 = ZIP 1985, 944 (Hanisch 1233) = JZ 1986, 91 (Lüderitz) = IPRspr. 1985 Nr. 218; BGH vom 24.2.1994, BGHZ 125, 196, 200 = NJW 1994, 2549 = RIW 1995, 242 = LM § 237 KO Nr. 7/8 (Ehricke) = IPRax 1995, 168 (Gottwald 157) = WM 1994, 958, 959 = ZIP 1994, 547 = IPRspr. 1994 Nr. 198; Trunk in Gilles, Transnationales Prozessrecht, 1995, 186. BGH vom 24.2.1994, BGHZ 125, 196, 200 = NJW 1994, 2549. Siehe auch Art. 18 I der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (Rz. 3357); Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 2587. Aderhold, Auslandskonkurs im Inland, 1992, 233. Aderhold a.a.O. 234. Aderhold a.a.O. 234; Kolmann, Kooperationsmodelle im internationalen Insolvenzrecht. Empfiehlt sich für das deutsche internationale Insolvenzrecht eine Neuorientierung?, Diss. Regensburg 2001, 201.
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Anerkennung der Wirkungen ausländischer Insolvenzverfahren Im gleichen Sinne bestimmt nunmehr Art. 18 III 1 der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000: „Bei der Ausübung seiner Befugnisse hat der Verwalter das Recht des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet er handeln will, zu beachten, insbesondere hinsichtlich der Art und Weise der Verwertung eines Gegenstands der Masse.“ Anerkennung des ausländischen Insolvenzverwaltungsorgans heißt vor allem auch, dass ein von der lex fori concursus vorgesehener Übergang der Prozessführungsbefugnis vom Gemeinschuldner auf den Verwalter auch in Deutschland zu beachten ist.261 Ist jedoch in Deutschland ein Partikularinsolvenzverfahren eröffnet, so sind die Befugnisse des Verwalters des deutschen Verfahrens vorrangig, Rz. 3392.
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Der Verwalter des ausländischen Insolvenzverfahrens kann auch vor deutschen Gerichten die Ablieferungspflicht der Gläubiger (Rz. 3396) – nicht nur hinsichtlich des in Deutschland Erlangten – durchsetzen, sofern nach Art. 2 ff. EuGVVO/LugÜ bzw. §§ 12 ff. ZPO ein Anknüpfungspunkt für die internationale Zuständigkeit Deutschlands gegeben ist. Einen insolvenzrechtlichen Sondergerichtsstand kennt das deutsche Recht nicht, Rz. 3359, 3464.
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Nach deutschem Recht ist die Insolvenzmasse nicht rechts- und damit nicht parteifähig. Sieht jedoch die ausländische lex fori concursus eine solche Parteifähigkeit vor, so wird diese auch in Deutschland beachtet, wenn die ausländische Insolvenzeröffnung in Deutschland anzuerkennen ist.262
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V. Anerkennung ohne Verbürgung der Gegenseitigkeit Die Verbürgung der Gegenseitigkeit oder auch nur ein annähernd gleichwertiges Entgegenkommen des Staates der Verfahrenseröffnung verlangt – anders als Art. 166 I Buchst. c Schweizer IPR-Gesetz263 – das deutsche Recht (§ 343 InsO) für die Anerkennung in Deutschland nicht.264 261 Aderhold a.a.O. 249; Flessner IPRax 1997, 1, 5; Gottwald, Grenzüberschreitende Insolvenzen, 1997, 31; Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 132 Rz. 39; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 2585. Zu Art. 18 I der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (Rz. 3357) W. Lüke ZZP 111 (1998), 275, 311. 262 BGH IPRax 1998, 356 (Sonnentag 330). 263 Hierzu Aderhold a.a.O. 120. 264 Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 132 Rz. 31. Gegen diese Großzügigkeit hatte sich der Bundesrat ausgesprochen (Nr. 41 seiner Stellungnahme). Er plädierte für das Gegenseitigkeitsprinzip. Dem hatte die Bundesregierung energisch widersprochen, Bundestagsdrucksache 12/2443 S. 269: Die Einführung des Gegenseitigkeitsprinzips wäre ein „Rückschritt, der insbesondere in der gegenwärtigen Entwicklung Europas in Richtung auf den Gemeinsamen Markt nicht vertretbar sein dürfte“. Die Diskriminierung inländischer Gläubiger in ausländischen Insolvenzverfahren wolle die Bundesregierung durch internationale Übereinkommen beseitigen. Gegen das Gegenseitigkeitserfordernis schon nach altem Recht Aderhold a.a.O. 200; Ebenroth ZZP 101 (1988), 131; W. Lüke KTS 1986, 16; Leipold in Festschrift Waseda Universität, 1988, 795; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, 2004, Rz. 2566; Witte, Die Anerkennung schwedischer Insolvenzverfahren in der Bundesrepublik Deutschland, 1996, 78. Anderer Auffassung z.B. Trunk KTS 1987, 434 so-
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Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht
VI. Voraussetzungen für die Anerkennung der Verfahrenseröffnung im Ausland 1. Wirksamkeit der ausländischen Insolvenzentscheidung nach dem Recht des Eröffnungsstaates 3511 Wie auch sonst im Anerkennungsrecht bedeutet Anerkennung Wirkungserstreckung:265 Die im Eröffnungsstaat eingetretenen Wirkungen werden kraft des Befehls des deutschen Rechts266 auf das Inland erstreckt, Rz. 2776. Dies setzt voraus, dass die zur Anerkennung anstehende ausländische Entscheidung in ihrem Ursprungsstaat wirksam ist, d.h. Wirkungen entfaltet, Rz. 2889. Daran fehlt es aber nicht bei bloßer Fehlerhaftigkeit der ausländischen Entscheidung; es muss sich nach dem Recht des Eröffnungsstaates um Nichtigkeit im Sinne von absoluter Wirkungslosigkeit handeln, Rz. 2899.267 Die Wirksamkeitsprüfung erfolgt ausschließlich nach dem Recht des Ursprungsstaates. Hiervon klar zu trennen ist die Prüfung, ob – trotz Wirksamkeit der ausländischen Entscheidung nach der lex fori concursus – aus deutscher Sicht die ausländische Entscheidung so fehlerhaft erscheint, dass sie die Hürde des anerkennungsrechtlichen ordre public (Rz. 26) nicht passieren kann. Wie auch sonst im Anerkennungsrecht (Rz. 2910) findet eine révision au fond nicht statt. „Bloße“ Rechtswidrigkeit der ausländischen Entscheidung nach dem Recht des Ursprungsstaates oder „bloße“ Unvereinbarkeit mit deutschem zwingenden Recht steht der Anerkennung nicht entgegen.268
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wie dezidiert Lüer in Uhlenbruck, Insolvenzordnung12, 2003, Art. 102 EGInsO Rz. 134; undeutlich BGH vom 11.7.1985, BGHZ 95, 256 = NJW 1985, 2897 = RIW 1985, 720 = ZIP 1985, 944 (Hanisch 1233) = JZ 1986, 91 (Lüderitz) = IPRspr. 1985 Nr. 218. Ausführlich zum Anerkennungsbegriff im internationalen Insolvenzrecht E. Habscheid, Grenzüberschreitendes (internationales) Insolvenzrecht der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland – Systeme und Wechselwirkungen rechtsvergleichend auch zu anderen Rechtsordnungen, insbesondere der Schweiz, 1998, 314 ff.; P. K. Wagner, Abstimmungsfragen zwischen Internationalem Insolvenzrecht und Internationaler Schiedsgerichtsbarkeit, Diss. Rostock, 2007, 26, 41. Siehe auch Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 2575. Es wäre z.B. unsinnig, kraft deutschen Rechts der ausländischen Insolvenzeröffnung eine größere Beschlagnahmewirkung zuzuerkennen, als sie nach der lex fori concursus besteht, Lüer in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung2, 2000, 297, 302 Rz. 11. Bzw. kraft europäischen Gemeinschaftsrechts (Rz. 3357). BGHZ 95, 265, 270; Aderhold, Auslandskonkurs im Inland, 1992, 198; Lüer in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung2, 2000, 297, 303 Rz. 14 g.E. Siehe auch Art. 16 I der EGVerordnung vom 29.5.2000 (Rz. 3357). Beispiel bei Witte, Die Anerkennung schwedischer Insolvenzverfahren in der Bundesrepublik Deutschland, 1996, 67. Aderhold, Auslandskonkurs im Inland, 1992, 198; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 2571; Ludwig, Neuregelungen des deutschen Internationalen Insolvenzverfahrensrechts, Diss. Köln 2004, 85.
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Anerkennung der Wirkungen ausländischer Insolvenzverfahren Die Eröffnung des ausländischen Verfahrens muss nicht unanfechtbar sein.269 3512 Wollte man Unanfechtbarkeit mit ordentlichen Rechtsmitteln verlangen, so würde dies dem Ziel einer schnellen Beschlagnahme auch des Inlandsvermögens für das ausländische Verfahren widersprechen und Manipulationen zum Nachteil der Insolvenzmasse erleichtern.270 2. Extraterritorialer Geltungsanspruch aus der Sicht des Eröffnungsstaates Ein extraterritorialer Geltungsanspruch aus der Sicht des Eröffnungsstaates ist 3512a Voraussetzung einer Wirkungserstreckung auf das Inland. Eine solche scheidet von vornherein aus, wenn der Eröffnungsstaat für sein Insolvenzverfahren keine universelle Wirkung beansprucht, vielmehr dessen Wirkungen auf sein Hoheitsgebiet beschränkt,271 wie z.B. § 3 der japanischen Konkursordnung.272 Die territorial beschränkten Wirkungen des ausländischen Partikularverfahrens sind jedoch grundsätzlich zu „respektieren“273. In diesem Sinne bestimmt Art. 17 II 1 EuInsVO: „Die Wirkungen eines Verfahrens nach Artikel 3 Absatz 2 dürfen in den anderen Mitgliedstaaten nicht in Frage gestellt werden.“ 3. Gerichtsbarkeit des Insolvenzeröffnungsstaates Wie auch sonst im Anerkennungsrecht (Rz. 2894) scheidet eine Anerkennung aus, wenn der Eröffnungsstaat die ihm vom Völkerrecht gesetzten Grenzen seiner Jurisdiktion überschritten hat, insbesondere wenn er die ihm durch das Immunitätsrecht gesetzten Grenzen nicht beachtet hat. Vgl. Rz. 534. 269 Ebenso Art. 16 I in Verbindung mit Art. 2 (f) EuInsVO. Siehe auch Reinhart in Münchener Kommentar zur Insolvenzordnung2, 3. Bd., 2008, § 343 Rz. 33. 270 Bundestagsdrucksache 12/2443 S. 241. 271 Hierzu z.B. P. K. Wagner, Abstimmungsfragen zwischen Internationalem Insolvenzrecht und Internationaler Schiedsgerichtsbarkeit unter besonderer Berücksichtigung der Anerkennung grenzüberschreitender Insolvenzen durch Schiedsgerichte, Diss. Rostock 2007, 16 ff. 272 BGH vom 11.7.1985, BGHZ 95, 256, 264 = NJW 1985, 2897 = RIW 1985, 720 = ZIP 1985, 944 (Hanisch 1233) = JZ 1986, 91 (Lüderitz) = IPRspr. 1985 Nr. 218; BGH vom 24.2.1994, BGHZ 125, 196, 200 = NJW 1994, 2549 = RIW 1995, 242 = LM § 237 KO Nr. 7/8 (Ehricke) = IPRax 1995, 168 (Gottwald 157) = WM 1994, 958, 959 = ZIP 1994, 547 = IPRspr. 1994 Nr. 198; OLG Saarbrücken vom 30.10.2002, EWiR 2003, 707 (Liersch/Kind) = IPRspr. 2002 Nr. 43; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 1810; E. Habscheid, Grenzüberschreitendes (internationales) Insolvenzrecht der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland – Systeme und Wechselwirkungen rechtsvergleichend auch zu anderen Rechtsordnungen, insbesondere der Schweiz, 1998, 7; Kindler in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, IntInsR, Bd. 11, Rz. 1047; Ludwig a.a.O. 70. Zum österreichischen Recht Burgstaller JBl 1996, 285. Das US-Recht kennt keine territorial beschränkte Sonderinsolvenz. Die US-Insolvenz beansprucht immer weltweite Geltung, Edgar Habscheid a.a.O. 323. 273 Kolmann, Kooperationsmodelle im internationalen Insolvenzrecht. Empfiehlt sich für das deutsche internationale Insolvenzrecht eine Neuorientierung?, Diss. Regensburg 2001, 143; Kindler in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch4, 2005, IntInsR, Bd. 11, Rz. 1047; Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, 288.
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Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht 4. Internationale Zuständigkeit des Insolvenzeröffnungsstaates 3514 Im deutschen Anerkennungsrecht (Rz. 2896) gilt allgemein das Spiegelbildprinzip.274 Die internationale Zuständigkeit des Insolvenzeröffnungsstaates wird anerkannt, wenn bei hypothetischer Anwendung der deutschen Normen über die internationale Zuständigkeit ein Zuständigkeitsanknüpfungspunkt für den ausländischen Insolvenzeröffnungsstaat gegeben ist. Auf die Verteilung der örtlichen Zuständigkeit innerhalb des Eröffnungsstaates kommt es – ebenso wie bei § 328 I Nr. 1 ZPO (Rz. 2898) und § 109 I Nr. 1 FamFG – nicht an.275 Besondere Normen über die internationale Zuständigkeit Deutschlands zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gibt es nicht. Es gilt vielmehr die Doppelfunktionstheorie (Rz. 946): Die internationale Zuständigkeit ergibt sich aus den Vorschriften über die örtliche Zuständigkeit (§§ 3, 315 InsO), Rz. 3407, 3454. Dagegen ist im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.5.2000 über Insolvenzverfahren (Rz. 3357) die Nachprüfung der internationalen Zuständigkeit des Eröffnungsstaates als Voraussetzung der Anerkennung nach dem Vorbild des EuGVÜ bzw. nunmehr der EuGVVO unzulässig.276 Die Anwendung des anerkennungsrechtlichen ordre public aus kompetenzrechtlichen Gründen scheidet aus, obwohl Art. 26 EuInsVO eine Parallelbestimmung zu Art. 28 III 2. Halbsatz EuGVÜ bzw. Art. 35 III 2 EuGVVO nicht enthält.277 Dies bedeutet, dass der Schuldner auf Rechtsmittel im Eröffnungsstaat beschränkt ist, Rz. 2908. 5. Vorbehalt des ordre public 3515 In Anlehnung an § 328 I Nr. 4 ZPO und § 109 I Nr. 4 FamFG (früher § 16a Nr. 4 FGG) schließt § 343 I 2 Nr. 2 InsO die Anerkennung bei einem Verstoß gegen den ordre public aus. Die Anerkennung wird einem ausländischen Insolvenzverfahren in toto bzw. einer in diesem ergangenen Entscheidung oder einzelnen Ver-
274 Ausführlich Trunk, Internationales Insolvenzrecht, 1998, 124, 268. Siehe auch Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch2, 2001, § 130 Rz. 17 sowie Lüer in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung2, 2000, 297, 303 Rz. 14 und in Uhlenbruck, Insolvenzordnung12, 2003, Art. 102 EGInsO Rz. 135. 275 Offen gelassen von Lüer a.a.O. 303 Rz. 16. 276 EuGH vom 2.5.2006, Rs C-341/04 – Eurofood, ZIP 2006, 907 (Knof/Mock); Geimer/ Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3, 2009, A 5 – Art. 16 EuInsVO Rz. 32; W. Lüke ZZP 111 (1998), 275, 287; Weller IPRax 2004, 412, 417. Anderer Auffassung z.B. Mankowski EWiR 2003, 767, 768; Mankowski RIW 2004, 481, 587, 598. 277 Das Verbot der Nachprüfung der internationalen Zuständigkeit bzw. das Verbot, die Anerkennung im Hinblick auf die fehlende internationale Zuständigkeit des Eröffnungsstaates zu verweigern, ergibt sich deutlich aus Erwägungsgrund 22 (6): „Die Entscheidung des zuerst eröffnenden Gerichts sollte in den anderen Mitgliedstaaten anerkannt werden; diese sollten die Entscheidung dieses Gerichts keiner Überprüfung unterziehen müssen.“ Aus der Formulierung „durch ein nach Artikel 3 zuständiges Gericht eines Mitgliedstaates“ in Art. 16 ergibt sich nicht das Gegenteil. Diese soll lediglich klarstellen, dass sich die Anerkennungspflicht nach Art. 16 nur solche Entscheidungen erfasst, die sich auf Art. 3 EuInsO stützen, Virgos/Schmitt-Bericht Nr. 202; Peter Huber in Festschrift Heldrich, 2005, 679, 681.
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Anerkennung der Wirkungen ausländischer Insolvenzverfahren fahrenswirkungen verweigert, wenn und soweit die Anerkennung zu einem Ergebnis führen würde, das mit dem deutschen ordre public unvereinbar ist. Dieser Vorbehalt hat das gleiche dogmatische Profil wie auch die sonstigen ordre public-Klauseln im Anerkennungsrecht (Rz. 26).278 Ein Verstoß gegen den deutschen ordre public kann z.B. darin liegen, dass das 3516 ausländische Insolvenzverfahren mit elementaren (Mindest-)Prinzipien eines rechtsstaatlichen Verfahrens (Rz. 2947) nicht zu vereinbaren ist;279 er kann sich auch darin äußern, dass das ausländische Verfahren so tief in Rechtspositionen der Beteiligten eingreift, dass die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG verletzt ist.280 Schwierig ist nur die Abgrenzung. Bisher hat man es auch sonst im Anerkennungsrecht sorgfältig vermieden, eine Pflicht zur Verweigerung der Anerkennung aus Art. 14 GG abzuleiten.281 Das Erlöschen von Forderungen wegen unterbliebener Anmeldung282 verstößt nicht gegen den deutschen ordre public.283 Noch nicht klar sind die Voraussetzungen, unter denen der anerkennungsrechtliche ordre public einzusetzen ist im Hinblick auf Diskriminierungen deutscher Gläubiger284 oder auf Insolvenzprivilegien bestimmter Gläubigergruppen, welche das deutsche Recht285 vice versa nicht (mehr) kennt. Zu bejahen ist dies z.B.
278 Ausführlich Aderhold, Auslandskonkurs im Inland, 1992, 202; Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch3, 2006, § 132 Rz. 26 ff.; Ludwig a.a.O. 83; Hausmann in Reithmann/ Martiny, Internationales Vertragsrecht6, 2004, Rz. 1811; Spellenberg in Stoll, Stellungnahmen und Gutachten zur Reform des deutschen internationalen Insolvenzrechts, 1992, 183; Summ, Anerkennung ausländischer Konkurse in der Bundesrepublik Deutschland, 1992, 37. 279 OLG Stuttgart vom 15.1.2007, OLGR 2007, 323, 327. 280 Bundestagsdrucksache 12/2443 S. 241. Vgl. auch C. U. Wolf IPRax 1999, 444, 448. 281 R. Geimer ZfRV 1992, 408. So aber nunmehr OLG Stuttgart vom 15.1.2007, OLGR 2007, 323. 282 OLG Saarbrücken vom 31.1.1989, RIW 1990, 142 = ZIP 1989, 1145 = EWiR 1989, 1023 (Flessner) = KTS 1990, 48 = IPRspr. 1989 Nr. 251; Kindler in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch3, Bd. 11, 1999, IntGesR, vor Art. 50 EGBGB Rz. 526. 283 Ebenso für das Rechtsinstitut der Restschuldbefreiung, als dieses im deutschen Recht (vor dem 1.1.1999; siehe nunmehr §§ 286 ff. InsO) noch unbekannt war, BGH vom 27.5.1993, BGHZ 122, 373, 379 = NJW 1993, 2312 = RIW 1993, 852 = IPRax 1993, 402 (Hanisch) = EWiR 1993, 803 (Ackmann) = IPRspr. 1993 Nr. 200b. Zur discharge nach US-Recht ausführlich E. Habscheid, Grenzüberschreitendes (internationales) Insolvenzrecht der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland – Systeme und Wechselwirkungen rechtsvergleichend auch zu anderen Rechtsordnungen, insbesondere der Schweiz, 1998, 174 ff., 340. Weitere Nachweise bei Schulte, Die europäische Restschuldbefreiung. Zu den rechtsvergleichenden und kollisionsrechtlichen Aspekten der Restschuldbefreiung im europäischen Insolvenzrecht, 2001. 284 Überzogen Schollmeyer ZZP 108 (1995), 525 zum Fairchildfall (Baumgart v. Fairchild Aircraft Corporation, US Court of Appeals, 5 th Cir. 1993, 981 F. 2d 824; certiorari denied, 113, S.Ct. 2963 [1993]); dagegen zu Recht kritisch E. Habscheid, Grenzüberschreitendes (internationales) Insolvenzrecht der Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland – Systeme und Wechselwirkungen rechtsvergleichend auch zu anderen Rechtsordnungen, insbesondere der Schweiz, 1998, 71, 328. 285 §§ 38, 39 InsO; hierzu Bundestagsdrucksache 12/2443, 90.
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Vierzehnter Teil: Internationales Insolvenzrecht beim Insolvenzvorrecht nach US-Recht für den Gläubiger einer punitive damage-Forderung.286 3517 Ein in einem ausländischen Insolvenzverfahren zustande gekommener Vergleich oder „Insolvenzplan“ kann ordre public-widrig sein, wenn bestimmte Gläubiger bei der Mitwirkung an seinem Zustandekommen unbillig behindert worden sind oder durch den Inhalt der getroffenen Regelung ohne einleuchtenden Grund erheblich schlechter gestellt werden als die anderen Gläubiger.287 3518 Eine schrankenlose Anerkennung der Wirkungen ausländischer Insolvenzverfahren kommt also nicht in Betracht.288 3519 Den Umfang der Insolvenzmasse bestimmt grundsätzlich die lex fori concursus,289 Rz. 3376.290 Diese befindet z.B. darüber, ob ein Neuerwerb in die Masse fällt. Soweit jedoch das deutsche Recht Beschränkungen der Insolvenzmasse aus sozialen Gründen vorsieht291, stehen möglicherweise in concreto Grundwerte der Verfassung auf dem Spiel,292 die über den anerkennungsrechtlichen ordre public (§ 343 I 2 Nr. 2 InsO) auch gegenüber ausländischen Insolvenzverfahren durchzusetzen sind, allerdings in abgeschwächtem Umfang.293 6. Vergleich mit den Anerkennungsvoraussetzungen des § 328 ZPO 3520 Abgesehen davon, dass es auf die Verbürgung der Gegenseitigkeit – anders als nach § 328 I Nr. 5 ZPO – nicht ankommt, kennt § 343 I 2 InsO keine Parallelbestimmung zu § 328 I Nr. 2 ZPO. Dies ist zu begrüßen. Denn die Prüfung der Einhaltung des Zustellungsrechts des Erststaats ist eine Systemwidrigkeit, Rz. 2913. Es genügt, bei der ordre public-Prüfung des ausländischen Verfahrens (§ 343 I 2 Nr. 2 InsO) darüber zu wachen, dass dem Gemeinschuldner das rechtliche Gehör nicht verweigert wurde.
286 In diese Richtung tendiert E. Habscheid a.a.O. 327 ff. 287 Kindler in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch3, Bd. 11, 1999, IntGesR, vor Art. 50 EGBGB Rz. 526. Zur Frage der Diskriminierung deutscher Gläubiger in US-amerikanischen Insolvenzverfahren differenzierend Schollmeyer ZZP 108 (1995), 525. 288 Dies stellt die amtliche Begründung zum EInsO (Bundestagsdrucksache 12/2443 S. 236) klar heraus: „Die privatrechtlichen Ordnungsaufgaben des Insolvenzverfahrens werden in ausländischen Rechtsordnungen mitunter von Zielen einer gesamtwirtschaftlich orientierten Wirtschaftslenkung oder Industrie- oder Arbeitsmarktpolitik überlagert, teilweise sogar völlig verdrängt. Manche ausländische Verfahren entspreche