274 84 8MB
German Pages 1360 Year 2017
Schaumburg Internationales Steuerrecht
Internationales Steuerrecht Außensteuerrecht Doppelbesteuerungsrecht herausgegeben von
Prof. Dr. Harald Schaumburg
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht, Bonn Honorarprofessor an der Universität zu Köln bearbeitet von
Dr. Arne von Freeden, LL.M. (NYU) Rechtsanwalt, Steuerberater und Fachanwalt für Steuerrecht, Hamburg Lehrbeauftragter an der Johannes Gutenberg Universität, Mainz
Dr. Nils Häck Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht, Bonn
Prof. Dr. Harald Schaumburg Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht, Bonn Honorarprofessor an der Universität zu Köln
4., völlig überarbeitete Auflage
2017
Zitierempfehlung: Bearbeiter in Schaumburg, Internationales Steuerrecht, 4. Aufl., Rz. 1.1 ff.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet u¨ber http://dnb.d-nb.de abrufbar. Verlag Dr. Otto Schmidt KG Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Ko¨ln Tel. 02 21/9 37 38-01, Fax 02 21/9 37 38-9 43 [email protected] www.otto-schmidt.de ISBN 978-3-504-26023-1 ª 2017 by Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Ko¨ln Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschu¨tzt. Jede Verwertung, die nicht ausdru¨cklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere fu¨r Vervielfa¨ltigungen, Bearbeitungen, ¨ bersetzungen, Mikroverfilmungen und die EinspeicheU rung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das verwendete Papier ist aus chlorfrei gebleichten Rohstoffen hergestellt, holz- und sa¨urefrei, alterungsbesta¨ndig und umweltfreundlich. Einbandgestaltung: Lichtenford, Mettmann Satz: Scha¨per, Bonn Druck: Ko¨sel, Krugzell Printed in Germany
Vorwort zur 4. Auflage Seit Erscheinen der dritten Auflage hat das Internationale Steuerrecht eine rasante Entwicklung erlebt. Das gilt sowohl für das innerstaatliche Recht als auch für die zahlreichen völkerrechtlichen Vereinbarungen, die Deutschland abgeschlossen hat. Von besonderer Bedeutung ist die normative Implementierung des „Authorised OECD Approach“ (AOA), die dazu geführt hat, dass nunmehr die für verbundene Unternehmen maßgebliche Einkünftekorrektur bei grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen auch im Verhältnis zu Betriebsstätten Anwendung findet. Des Weiteren ist die aktuelle Gesetzgebung vor allem dadurch geprägt, den BEPSAktionsplan („Action Plan on Base Erosion and Profit Shifting“) der OECD umzusetzen. Im Vordergrund steht hierbei das am 16.12.2016 verabschiedete „Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen“ (AHRL-ÄndUmsG). Das derzeit im Entwurf vorliegende Steuerumgehungsbekämpfungsgesetz (StUmgBG) enthält ebenfalls Vorschriften, die gegen internationale Gewinnkürzungen und -verlagerungen gerichtet sind. Diesem Ziel dienen schließlich einige neue bzw. geänderte EU-Richtlinien sowie zahlreiche bi- und multilaterale Abkommen, die einen Informationsaustausch gewährleisten sollen.
Die im Zusammenhang mit den AOA-Regeln bedeutsamen Rechtsfragen werden insbesondere in Kapitel 21 (Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung) behandelt. Dem BEPS-Projekt wurde ein gesondertes Kapitel 5 (Internationaler Steuerwettbewerb) gewidmet. Ausführungen zu den durch das AHRL-ÄndUmsG erweiterten Mitwirkungs- und Dokumentationspflichten sowie zum Informationsaustausch enthält Kapitel 22 (Grenzüberschreitende Sachaufklärung). Neu aufgenommen wurde das Kapitel 11, in dem es um internationale Aspekte der Aufwand- und Verbrauchsteuern geht. Neu ist auch Kapitel 12, in dem das Internationale Investmentsteuerrecht auf Grundlage des derzeit und des ab 1.1. 2018 geltenden Investmentsteuergesetzes dargestellt wird. Damit umfasst die vierte Auflage, die den Rechtsstand vom 1.1.2017 berücksichtigt, nunmehr alle Steuerrechtsgebiete, soweit diese internationale Bezüge aufweisen. Die Neuauflage beruht auch auf dem großen Engagement der Herren Dr. Arne von Freeden und Dr. Nils Häck, die an der Überarbeitung und Neubearbeitung einiger Kapitel wesentlich mitgewirkt haben. Beide Berufskollegen, die mir aus langjähriger beruflicher Zusammenarbeit vertraut sind, gewährleisten, dass auch die Neuauflage aus einem Guss erscheint. Bonn, im Januar 2017
Harald Schaumburg
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Vorwort zur 1. Auflage Das Steuerrecht ist weit davon entfernt, als Gerechtigkeitsordnung verstanden zu werden. Als Massenfallrecht entzieht es sich weitgehend rationaler Klarheit und Einsichtigkeit. Nicht konzeptionelle, an den Grundrechten orientierte Wertungsmaßstäbe regieren das Steuerrecht, sondern durchweg auf Aufkommensmaximierung gerichtete Regellosigkeit. Dies gilt in besonderem Maße für das Internationale Steuerrecht, das mit sei nen Teilrechtsgebieten Außensteuerrecht und Doppelbesteuerungsrecht in mehreren Steuergesetzen normativ verankert und damit unterschiedlichen Wertungen unterworfen ist. Ein derartiger Befund ist an sich keine Ermutigung, ein Buch zu schreiben, das es sich unter anderem zum Anliegen gemacht hat, die Wertungen des Internationalen Steuerrechts sichtbar zu machen. Mein akademischer Lehrer Klaus Tipke hat mich ermuntert, ein solches Buch dennoch zu verfassen und hierbei meine Erfahrungen als Lehrbeauftragter und als insbesondere auf dem Gebiet des Internationalen Steuerrechts tätiger Berater einzubringen. Hervorgegangen ist dieses Buch aus meinen Vorlesungsskripten „Außensteuerrecht“ und „Doppelbesteuerungsrecht“, die ich seit Jahren begleitend zu meinen Vorlesungen „Grundzüge des Internationalen Steuerrechts“ an der Universität zu Köln herausgebe. Die äußere Stoffanordnung habe ich beibehalten. Sie entspricht dem didaktischen Konzept meiner Vorlesungen. Das Buch wendet sich sowohl an den mit Internationalem Steuerrecht befaßten Praktiker als auch an jene, die sich mit diesem Rechtsgebiet oder Teilbereichen hieraus vertraut machen wollen. Es ist mir darauf angekommen, das internationale Steuerrecht mit seinen normübergreifenden Zusammenhängen darzustellen und hierbei die verfassungsrechtlichen, europarechtlichen und völkerrechtlichen Bezüge aufzuzeigen. Die enorme Stoffülle machte es erforderlich, eine Themenauswahl zu treffen und die Ausführungen auf das Wesentliche zu beschränken, ohne die insbesondere für grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen wichtigen Einzelheiten allzusehr zu vernachlässigen. Soweit erklärende und problematisierende Kurzdarstellungen angebracht waren, sind diese im laufenden Text durch einen hellgrauen Hintergrund besonders gekennzeichnet. Es war nicht einfach, als Partner einer aus Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern bestehenden Kanzlei die Zeit für das Schreiben dieses Buches zu finden. Das Buch wäre nicht zustande gekommen, hätte meine Ehefrau meine Arbeiten hieran nicht über Jahre hinweg mit Verständnis und fachlich kompetentem Rat begleitet. Dieses Buch sei ihr daher in Dankbarkeit gewidmet. Bonn, im Januar 1993
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Harald Schaumburg
Inhaltsübersicht Seite
Vorworte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Abkürzungsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Gesamtliteraturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXVII
1. Teil: Einführende Grundlagen Rz.
Seite
Kapitel 1 Begriff des Internationalen Steuerrechts (Schaumburg) .
1.1
1
Kapitel 2 Normengruppen im System des Internationalen Steuerrechts (Schaumburg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.1
5
. . . . .
2.1 2.3 2.10 2.21 2.24
6 7 9 11 13
Kapitel 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts (Schaumburg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
3.1
14
. . . . .
3.1 3.4 3.15 3.20 3.45
16 17 20 22 35
Kapitel 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote im Internationalen Steuerrecht (Schaumburg) . . . . . .
4.1
69
. . . . .
4.1 4.4 4.12 4.37 4.44
69 70 76 92 94
. .
4.46 4.49
96 98
Kapitel 5 Internationaler Steuerwettbewerb (Schaumburg) . . . .
5.1
107
A. Steuern als Standortfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Rechtliche Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Unfairer Steuerwettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
5.1 5.5 5.9
108 109 111
A. B. C. D. E.
A. B. C. D. E.
A. B. C. D. E. F.
Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kollisionsbegründende und kollisionsauflösende Normen Normen zur Vermeidung von Einkünfteverlagerungen . . Grenzüberschreitende wirtschaftslenkende Normen . . . . Vereinfachungszwecknormen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . Völkerrechtliche Normen . . . . . . . . Supranationale Normen (Unionsrecht) Zur Normenhierarchie . . . . . . . . . . Europäisches Steuerrecht . . . . . . . .
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Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gleichheitssatz des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . EU-Diskriminierungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . EWR-Diskriminierungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . GATT-Diskriminierungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diskriminierungsverbote nach dem Freizügigkeitsabkommen mit der Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. DBA-Diskriminierungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VII
Inhaltsübersicht
2. Teil: Außensteuerrecht Rz.
Seite
6.1
129
. . . .
6.1 6.9 6.122 6.312
131 134 185 264
.
6.370
282
Kapitel 7 Körperschaftsteuer (Schaumburg/von Freeden) . . . . . .
7.1
319
A. Unbeschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Beschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.1 7.19
319 330
7.43
340
Kapitel 8 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer (Schaumburg/ von Freeden) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
8.1
351
. . . .
8.1 8.8 8.31 8.53
351 353 365 373
Kapitel 9 Gewerbesteuer (Schaumburg/von Freeden) . . . . . . . .
9.1
377
. . . . .
9.1 9.3 9.11 9.12 9.15
378 378 380 380 386
Kapitel 10 Umsatzsteuer (Schaumburg) . . . . . . . . . . . . . . . .
10.1
387
A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.1 B. Steuerobjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.7 C. Steuersubjekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.132
387 390 437
Kapitel 11 Besondere Verkehr- und Verbrauchsteuern (Schaumburg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.1
443
A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Besondere Verkehrsteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Besondere Verbrauchsteuern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
11.1 11.6 11.40
443 446 462
Kapitel 12 Internationales Investmentsteuerrecht (von Freeden) .
12.1
483
A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12.1 12.3
486 486
Kapitel 6 Einkommensteuer (Schaumburg) . . . . . . . . . . . . . . A. B. C. D. E.
A. B. C. D.
A. B. C. D. E.
VIII
Anknüpfungspunkte für die Besteuerung . . . . . . . . . . . . . Unbeschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erweiterte beschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Anknüpfungspunkte für die Besteuerung Unbeschränkte Steuerpflicht . . . . . . . Beschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . Erweiterte beschränkte Steuerpflicht . .
Einleitung . . . . . . . . . Steuerobjekt . . . . . . . . Steuersubjekt . . . . . . . Gewerbeertrag . . . . . . . Pauschbetragsfestsetzung
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Inhaltsübersicht Rz.
Seite
C. Investmentsteuergesetz 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Investmentsteuergesetz 2018 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12.7 12.61
488 501
Kapitel 13 Hinzurechnungsbesteuerung (Schaumburg) . . . . . . .
13.1
510
. 13.1 . 13.8 . 13.16 . 13.42 . 13.71 . 13.160
511 516 518 529 538 570
A. B. C. D. E. F.
Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Systematische Einordnung . . . . . . . . . . . Persönliche Tatbestandsvoraussetzungen . . Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen . . . . Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Kapitel 14 Zurechnungsbesteuerung bei Familienstiftungen (Schaumburg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
14.1
603
. . . . .
14.1 14.10 14.15 14.17 14.31
604 607 609 610 614
Kapitel 15 Begriff der Doppelbesteuerung (Schaumburg) . . . . . .
15.1
617
Kapitel 16 Ursachen der Doppelbesteuerung (Schaumburg) . . . .
16.1
622
Kapitel 17 Vermeidung der Doppelbesteuerung (Schaumburg) . .
17.1
625
A. Gründe für die Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . . . B. Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . . . . C. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . .
17.1 17.16 17.40
627 634 643
Kapitel 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Schaumburg) . . . . . . . . . . . . . . . . .
18.1
645
. 18.1 . 18.143 . 18.215 . 18.243
646 698 725 736
A. B. C. D. E.
Zielsetzung der Zurechnungsbesteuerung Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . Gegenstand der Zurechnung . . . . . . . . Zurechnungsempfänger . . . . . . . . . . . Einkünfteermittlung . . . . . . . . . . . . .
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3. Teil: Doppelbesteuerungsrecht
A. B. C. D.
Einkommensteuer Körperschaftsteuer Gewerbesteuer . . . Erbschaftsteuer . .
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Kapitel 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) (Schaumburg/Häck) . . . . . . . . . A. B. C. D. E.
Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Multinationale Entwicklung . . . . . . . . Abschluss und Wirksamwerden von DBA Änderungen und Erlöschen von DBA . . . Anwendung von DBA . . . . . . . . . . . .
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19.1
742
19.1 19.12 19.19 19.24 19.29
744 748 752 755 757 IX
Inhaltsübersicht Rz.
Seite
. . . . . . .
19.49 19.124 19.169 19.184 19.189 19.194 19.211
766 802 820 828 830 831 838
Kapitel 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht (Schaumburg/Häck) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
20.1
979
F. G. H. I. J. K. L.
Auslegung von DBA . . . . . Steuerumgehung bei DBA . . Persönlicher Geltungsbereich Räumlicher Geltungsbereich Sachlicher Geltungsbereich . Steuerberechtigung . . . . . . Verteilung der Steuergüter . .
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4. Teil: Übergreifende Themen
A. B. C. D.
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug Grenzüberschreitende Umwandlungen . . . . . . Ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug
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. 20.1 981 . 20.26 997 . 20.75 1032 . 20.139 1079
Kapitel 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung (Schaumburg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. B. C. D.
Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten . . . . . Einkünftezuordnung bei Personengesellschaften Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften .
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21.1 1103
. 21.1 1104 . 21.16 1110 . 21.114 1156 . 21.136 1169
Kapitel 22 Grenzüberschreitende Sachaufklärung (Schaumburg) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
22.1 1230
A. Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Mitwirkungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Internationaler Informationsaustausch . . . . . . . . . . . . . . .
22.1 1230 22.7 1234 22.55 1257
Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
X
1297
Abkürzungsverzeichnis a.A. AB abl. ABl. EG ABl. EU Abs. Abschn. abw. AcP a.E. AEAO AEUV a.F. AfA AG AhiRL aHZB AIG AktG AlkopopStG AlkStG allg. Alt. a.M. amtl. Anh. Anm. AO AOA AöR APA Art. ASA AStG ATR Aufl. ausf. ausl. AuslInvG AVR AWD AWG Az.
andere(r) Ansicht Ausführungsbestimmung(en) ablehnend Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften (bis Januar 2003) Amtsblatt der Europäischen Union (ab Februar 2003) Absatz Abschnitt abweichend Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) am Ende Anwendungserlass zur Abgabenordnung Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Absetzung für Abnutzung Aktiengesellschaft; auch „Die Aktiengesellschaft“ (Zeitschrift) Amtshilfe-Richtlinie anzusetzender Hinzurechnungsbetrag Auslandsinvestitionsgesetz Aktiengesetz Alkopopsteuergesetz Alkoholsteuergesetz allgemein Alternative anderer Meinung amtlich Anhang Anmerkung Abgabenordnung Authorised OECD Approach Archiv für öffentliches Recht (Zeitschrift) Advanced Pricing Agreement(s) Artikel Archiv für Schweizerisches Abgabenrecht (Zeitschrift) Außensteuergesetz Advance Tax Rulings Auflage ausführlich ausländisch Auslandsinvestmentgesetz Archiv für Völkerrecht (Zeitschrift) Außenwirtschaftsdienst des Betriebsberaters (Zeitschrift) Außenwirtschaftsgesetz Aktenzeichen XI
Abkürzungsverzeichnis
Bad.Württ. BaFin BAnz. BAO BayObLG BayVBl BayVerfGH BB BBG BBK Bd. BdF BDI Begr. BeitrRL Bem. BEPS BergPG BerlinFG bes. Beschl. bestr. betr. BewG BfF BFH BFHE BFH/NV BFuP BG BGB BGBl. BGE BGH BGHSt BGHZ BierStG BierStV BIFD BilMoG B/J/S B/K/K/R
XII
Baden-Württemberg Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesanzeiger Bundesabgabenordnung (Österreich) Bayerisches Oberstes Landesgericht Bayerische Verwaltungsblätter (Zeitschrift) Bayerischer Verfassungsgerichtshof Betriebs-Berater (Zeitschrift) Bundesbeamtengesetz Buchführung, Bilanz, Kostenrechnung, Zeitschrift für das gesamte Rechnungswesen Band Bundesminister der Finanzen Bundesverband der Deutschen Industrie Begründung Beitreibungsrichtlinie Bemerkung(en) Base Erosion and Profit Shifting Bergmannsprämiengesetz Berlinförderungsgesetz besonders Beschluss bestritten betreffend Bewertungsgesetz Bundesamt für Finanzen Bundesfinanzhof Entscheidungssammlung des BFH Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (Zeitschrift) Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis (Zeitschrift) Bundesgericht (Schweiz) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Teil I oder II Entscheidungen des schweizerischen Bundesgerichts Bundesgerichtshof Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Biersteuergesetz Verordnung zur Durchführung des Biersteuergesetzes Bulletin for International Fiscal Documentation Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, EnergieStG – StromStG Bendlinger/Kanduth-Kristen/Kofler/Rosenberger, Internationales Steuerrecht
Abkürzungsverzeichnis
B/K/L/M/R
BZSt bzw.
Brezing/Krabbe/Lempenau/Mössner/Runge, Kommentar zum Außensteuerrecht Bundesministerium der Finanzen Bundesministerium für Wirtschaft Betriebsprüfung Betriebsprüfungsordnung Branch Profits Tax Bundesrat Drucksachen des Bundesrates Gesetz über das Branntweinmonopol Bundessozialgericht Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung Beispiel beispielsweise Bundessteuerberaterkammer Bundessteuerblatt (Teil I oder II) Bundestag Drucksache(n) des Bundestages British Tax Review (Zeitschrift) Buchstabe Bundesverfassungsgericht Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch Bundesverfassungsgerichtsgesetz Bundesverwaltungsgericht Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bundeszentralamt für Steuern beziehungsweise
CbCR CCN C-Corp CDFI CGI CFC CIR Corp CSI CV
Country-by-Country-Reporting Common Communication Network Subchapter C Corporation Cahiers de Droit Fiscal International Général des impôts Controlled Foreign Companies Code des impôts sur les revenus Corporation Common System Interface Commanditaire Vennootschap
DB DBA DBW DDR DepotG
Der Betrieb (Zeitschrift) Doppelbesteuerungsabkommen Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift) Deutsche Demokratische Republik Depotgesetz
BMF BMWi Bp BpO BPT BR BR-Drucks. BranntwMonG BSG BsGaV Bsp. bspw. BStBK BStBl. BT BT-Drucks. BTR Buchst. BVerfG BVerfGE B/W BVerfGG BVerwG BVerwGE
XIII
Abkürzungsverzeichnis
DE-VG DFGT dgl. d.h. d.i. DIHT Diss. DJT DK DNotZ Dok. DÖV D/P/M D/P/P/M Drucks. DStG DStJG DStR DStRE DStZ DStZ A und B DSWR dt. DV (DVO) DVBl. DVR E EAG EAS EC EDV EFG EF-VO e.G. EG EGAHiG EGAO EGBGB EGHGB EGKS XIV
Deutsche Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen Deutscher Finanzgerichtstag (Tagungsband) dergleichen das heißt das ist Deutscher Industrie- und Handelstag Dissertation Deutscher Juristentag Der Konzern (Zeitschrift) Deutsche Notar-Zeitschrift Dokument, Dokumentation Die öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer Dötsch/Patt/Pung/Möhlenbrock, Umwandlungsteuerrecht Drucksache Deutsche Steuergewerkschaft Veröffentlichungen der Deutschen Steuerjuristischen Gesellschaft e.V. (Tagungsbände) Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift) Deutsches Steuerrecht Entscheidungsdienst (Zeitschrift) Deutsche Steuer-Zeitung (seit 1980) Deutsche Steuer-Zeitung Ausgabe A (bis 1979) und B (bis 1979) Datenverarbeitung in Steuer, Wirtschaft und Recht (Zeitschrift) deutsch Durchführungsverordnung Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau (Zeitschrift) (Gesetzes-)Entwurf Europäische Atomgemeinschaft Express-Antwort-Service des BMF (Österreich) Tax Review European Communities Tax Review (Zeitschrift) Elektronische Datenverarbeitung Entscheidungssammlung der Finanzgerichte (Zeitschrift) Verordnung über die Eingangsabgabenfreiheit von Waren im persönlichen Gepäck der Reisenden eingetragene Genossenschaft Europäische Gemeinschaft EG-Amtshilfegesetz Einführungsgesetz zur Abgabenordung Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl
Abkürzungsverzeichnis
EGV Einf. Einl. einschl. EK EMCS EMRK EnergieStG EnergieStV Entsch. entspr. EntwHStG EntwLStG EP ErbSt ErbStG Erl. E/S ESt EStB EStDV EStG EStH EStR EStZ ET EU EUAHiG EUBeitrG EuGH EuGHE EuGH-URep EuR EU-SchU EUStBV EuStZ EuZW e.V. evtl. EWG EWGV EWIV EWIV-AG
Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der Fassung des Vertrages von Amsterdam Einführung Einleitung einschließlich (verwendbares) Eigenkapital Excise Movement and Control System Europäische Menschenrechtskonvention Energiesteuergesetz Verordnung zur Durchführung des Energiesteuergesetzes Entscheidung entsprechend Entwicklungshilfe-Steuergesetz Entwicklungsländer-Steuergesetz Europäisches Parlament Erbschaftsteuer Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz Erlass Erle/Sauter, Körperschaftsteuergesetz Einkommensteuer Einkommensteuerberater (Zeitschrift) Einkommensteuer-Durchführungsverordnung Einkommensteuergesetz Einkommensteuer-Hinweise Einkommensteuer-Richtlinien Europäische Steuer-Zeitung European Taxation (Zeitschrift) Europäische Union EU-Amtshilfegesetz EU-Beitreibungsgesetz Europäischer Gerichtshof Sammlung der Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs EuGH-Umsatzsteuerreport Europarecht (Zeitschrift) Europäisches Schiedsübereinkommen (Schiedsverfahrenskonvention) Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung Europäische Steuerzeitung Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) eingetragener Verein eventuell Europäische Wirtschaftsgemeinschaft EWG-Vertrag Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung Gesetz zur Ausführung der EWG-Verordnung über die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung
XV
Abkürzungsverzeichnis
EWIV-VO EWR EWRA EWS f. FA FamRZ FATCA FATCA-USA-UmsV FeuerschStG ff. FG FGO Fifo FiMaNoG Fin.Arch. FinMin. FinSen. FinVerw. F/D F/G FKAustG Fn. FN-IdW FR FRL FS FuSt FVerlV FVG F/W/B/S F/W/K G GA GATS GATT GAufzV GbR gem. GemVO GenG GewArch. XVI
Verordnung über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung Europäischer Wirtschaftsraum Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift) folgende (eine Seite) Finanzamt Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Foreign Tax Account Compliance Act FATCA-USA-Umsetzungsverordnung Feuerschutzsteuergesetz fortfolgende (mehrere Seiten) Finanzgericht; Festgabe Finanzgerichtsordnung First in – first out Finanzmarktnovellierungsgesetz Finanzarchiv (Zeitschrift) Finanzministerium Finanzsenator Finanzverwaltung Frotscher/Drüen, KStG-Kommentar Frotscher/Geurts, EStG-Kommentar Finanzkonten-Informationsaustauschgesetz Fußnote Fachnachrichten des Instituts der Wirtschaftsprüfer (Zeitschrift) Finanz-Rundschau (Zeitschrift) Fusions-Richtlinie Festschrift Finanzen und Steuern Funktionsverlagerungsverordnung Gesetz über die Finanzverwaltung Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA Deutschland – Schweiz Gesetz Generalanwalt General Agreement on Trade and Services General Agreement on Tarifs and Trade Gewinnaufzeichnungsverordnung Gesellschaft des bürgerlichen Rechtes gemäß Gemeinnützigkeitsverordnung Genossenschaftsgesetz Gewerbearchiv (Zeitschrift)
Abkürzungsverzeichnis
GewStDV GewStG GewStR GG ggf. GKG G/K/G GKKB gl.A. GmbH GmbHG GmbHR GmbH-StB GoB GoS Gr. GRCh GrEStG GrS GS GS GuV GVBl. GVG GWR H Halbs., HS HB Hdb. Hess. HFA HFA des IdW HFR HGB HGrG H/H H/H/R H/H/Sp Hifo H/K/G/R h.L. H/M h.M. Hrsg.
Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung Gewerbesteuergesetz Gewerbesteuer-Richtlinien Grundgesetz gegebenenfalls Gerichtskostengesetz Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA Gemeinsame konsolidierte KörperschaftsteuerBemessungsgrundlage gleicher Ansicht Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betr. die GmbH GmbH-Rundschau (Zeitschrift) GmbH-Steuerberater (Zeitschrift) Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung Grundsätze ordnungsmäßiger Speicherbuchführung Gruppe Charta der Grundrechte der EU Grunderwerbsteuergesetz Großer Senat Gesetzessammlung Gedächtnisschrift Gewinn- und Verlustrechnung Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) Hinweis(e) Halbsatz Handelsbilanz Handbuch Hessen Hauptfachausschuss Hauptfachausschuss des Instituts der Wirtschaftsprüfer Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung (Zeitschrift) Handelsgesetzbuch Haushaltsgrundsätzegesetz Haase/Hruschka, Umwandlungsteuergesetz Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung Highest in – first out Haun/Kahle/Goebel/Reiser, Außensteuerrecht herrschende Lehre Haritz/Menner, Umwandlungsteuergesetz herrschende Meinung Herausgeber, herausgegeben XVII
Abkürzungsverzeichnis
HZB
Hinzurechnungsbetrag
i.A. IAS IBFD i.d.F. i.d.R. i.d.S. IdW i.E. i.e.S. IFA IFRS IGH i.H.v. Inc. INF
IRC IRG IRS i.S. ISR IStGH IStR ITA ITJ ITPJ i.V. IWB i.w.S.
im Allgemeinen International Accounting Standard International Bureau of Fiscal Documentation in der Fassung in der Regel in dem Sinne Institut der Wirtschaftsprüfer im Einzelnen im engeren Sinne International Fiscal Association International Financial Reporting Standard Internationaler Gerichtshof in Höhe von Incorporated Die Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (Zeitschrift) Informationsaustauschabkommen inländisch insbesondere Insolvenzordnung Institut „Finanzen und Steuern“ international International Tax Review (Zeitschrift) Investmentgesetz Investmentsteuergesetz Investitionszulagengesetz Initial Public Offering Internationales Privatrecht Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts (Zeitschrift) Internal Revenue Code Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen Internal Revenue Service im Sinne Internationale Steuer-Rundschau (Zeitschrift) Internationaler Strafgerichtshof Internationales Steuerrecht (Zeitschrift) Income Tax Act The international Tax Journal (Zeitschrift) International Transfer Pricing Journal (Zeitschrift) in Verbindung Internationale Wirtschafts-Briefe im weiteren Sinne
JA Jb.
Juristische Arbeitsblätter (Zeitschrift) Jahrbuch
InfAustAbk inl. insb. InsO Inst.FuSt intern. Intertax InvG InvStG InvZulG IPO IPR IPrax
XVIII
Abkürzungsverzeichnis
JbFStR JBl. Jg. JöR JStG Jura JuS JZ
Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht Juristische Blätter (Zeitschrift) Jahrgang Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Jahressteuergesetz Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Juristische Schulung (Zeitschrift) Juristenzeitung (Zeitschrift)
KaffeeStG KAG Kap. KapErhStG KapErtrSt KapErtrStDV K/E KFR KF-VO Kfz. KG KGaA Kj. KÖSDI KraftStG krit. K/S/M KSt KStDV KStG KStR KStZ KWG
Kaffeesteuergesetz Kommunalabgabengesetz Kapitel Gesetz über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln Kapitalertragsteuer Kapitalertragsteuer-Durchführungsverordnung Kapp/Ebeling, Erbschaftsteuergesetz, Kommentar Kommentierte Finanzrechtsprechung Kleinsendungs-Einfuhrfreimengen-Verordnung Kraftfahrzeug Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Kalenderjahr Kölner Steuerdialog (Zeitschrift) Kraftfahrzeugsteuergesetz kritisch Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz Körperschaftsteuer Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung Körperschaftsteuergesetz Körperschaftsteuer-Richtlinien Kommunale Steuer-Zeitschrift Gesetz über das Kreditwesen
LB L/B/P LG Lifo li.Sp. lit. Ltd. LLC L/L/H LLLP LLP LoB LP L/S
Lehrbuch Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht Landgericht Last in – first out linke Spalte Buchstabe Private Company Limited by Shares, Limited Limited Liability Company Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung Limited Liability Limited Partnership Limited Liability Partnership Limitation of Benefit Limited Partnership Lenski/Steinberg, GewStG-Kommentar XIX
Abkürzungsverzeichnis
LStDV lt. LuF LuftVStG
Lohnsteuer-Durchführungsverordnung laut Land- und Forstwirtschaft Luftverkehrsteuergesetz
MA m. Anm. m.a.W. MCCA
MRK MTR MüKo M/W m.w.N. MwSt MwStSystRL MwSt-ZVO MZK
Musterabkommen mit Anmerkung(en) mit anderen Worten Multilateral Competent Authority Agreement on the Exchange of Country-by-Country Reports Multilateral Convention on Mutual Administrative Assistance in Tax Matters Monatsschrift für Deutsches Recht (Zeitschrift) MwSt-Informations-Austausch-System Mineralölsteuergesetz Million(en) mit Recht Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen Gesetz zur Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen Menschenrechtskonvention Mutter-Tochter-Richtlinie Münchner Kommentar Moench/Weinmann, ErbStG mit weiteren Nachweisen Mehrwertsteuer Mehrwertsteuersystemrichtlinie Mehrwertsteuer-Zusammenarbeitsverordnung Modernisierter Zollkodex
Nds. n.F. NJW NL Nr. nrkr. NRW, NW NSt NV NVwZ NW NWB NZG
Niedersachsen neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift Niederlande Nummer nichtrechtskräftig Nordrhein-Westfalen Neues Steuerrecht von A-Z (Zeitschrift) Namenloze Vennootschap (Niederlande) Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfalen Neue Wirtschafts-Briefe Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht
o.Ä. OECD
oder Ähnliches Organization for Economic Cooperation and Development
MCMAA MDR MIAS MinöStG Mio. m.R. MoMiG MoRaKG
XX
Abkürzungsverzeichnis
OECD-MA
OFD OFH o.g. OHG OLG OR OR-Geschäfte ÖStZ OVG OVGE OVGSt OWiG ÖZöffR, ÖZöR
OECD-Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen OECD-Musterkommentar Transfer Pricing Guidelines der OECD Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit (Vorgängerorganisation der OECD) Oberfinanzdirektion(en) Oberster Finanzgerichtshof oben genannt offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht schweizerisches Obligationenrecht Geschäfte ohne Rechnung Österreichische Steuerzeitung Oberverwaltungsgericht Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte Entscheidungen des preuß. OVG in Staatssteuersachen Ordnungswidrigkeitengesetz Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht
p.a. PartGG PIStB Pkw plc Preuß./(pr.) Prot.
per annum Partnerschaftsgesellschaftsgesetz Praxis Internationale Steuerberatung (Zeitschrift) Personenkraftwagen Public Limited Company preußisch Protokoll
R RabelsZ
Richtlinie Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (Zeitschrift) Reichsabgabenordnung Rechnungsabgrenzungsposten Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz Rechtsverordnung Referentenentwurf Regierungsbegründung Real Estate Investment Trust Rennwett- und Lotteriesteuergesetz rechte Spalte Revision Reichsfinanzhof Sammlung der Entscheidungen des Reichsfinanzhofs Reichsgesetzblatt Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen
OECD-MK OECD-TPG OEEC
RAO RAP R/D RechtsVO RefE Reg.-Begr. REIT RennwLottG re.Sp. Rev. RFH RFHE RGBl. RGSt.
XXI
Abkürzungsverzeichnis
RGZ R/H/N R/H/vL RIW RJF R/K/L rkr. RL Rs. Rspr. RStBl. RT RWP Rz. s. S. S.A. Sàrl SC SCA SCE SCE-VO SchaumwZwStG Schl.-Holst. Schr. S-Corp S/D SE sec. SEED SEStEG SE-VO S/F sfr. SGB SGG S/H/S SICAF SICAR-Status XXII
Amtliche Sammlung von Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rödder/Herlinghaus/Neumann, Körperschaftsteuergesetz Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Umwandlungssteuergesetz Recht der internationalen Wirtschaft (Zeitschrift) Revue des Jurisprudence Fiscale (Zeitschrift) Reiß/Kraeusel/Langer, Umsatzsteuergesetz rechtskräftig Richtlinie Rechtssache Rechtsprechung Reichssteuerblatt Reichstag Rechts- und Wirtschafts-Praxis (Zeitschrift) Randziffer siehe Seite Société anonyme; Sociéta a accomandita Société à responsabilité limitée Sociedad en comandita Société en Commandite par Actions Societas Cooperativa Europaea, Europäische Genossenschaft Verordnung über das Statut der Europäischen Genossenschaft Schaumweinsteuer- und Zwischenerzeugnissteuergesetz Schleswig-Holstein Schreiben Subchapter S Corporation Schönfeld/Ditz, DBA-Kommentar Societas Europaea, Europäische Aktiengesellschaft, Europa-AG section System for Exchange of Excise Data Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften Verordnung über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE) Schnitger/Fehrenbacher, KStG-Kommentar Schweizer Franken Sozialgesetzbuch Sozialgerichtsgesetz Schmitt/Hörtnagl/Stratz, Umwandlungsteuergesetz Société d’investissement à capital fixe Société d’investissement en capital à risque
Abkürzungsverzeichnis
SICAV S/K/K Slg. SNC S/R s.o. sog. SolZG Sp. SP SpA SparPG SrC SRÜ st. St ST StÄndG StandOG StAnpG StB Stbg StbJb StbKongrRep StBp StEK SteuerHBekG SteuerHBekV StEUVUmsG StGB StJ StLex StPO StQ str. StR StRev. StRK StromStG StSäumG StStud StuB StuW stv. StVergAbG StVj.
Société d’investissement à capital variable Strunk/Kaminski/Köhler, AStG und OECD-MA Amtliche Sammlung der EuGH-Entscheidungen Société en nom collectif Sölch/Ringleb, Umsatzsteuergesetz siehe oben so genannt Solidaritätszuschlagsgesetz Spalte Schlussprotokoll Societa per Azioni Sparprämiengesetz Sociedad regular colecitva Seerechtsübereinkommen ständig Steuer Der Schweizer Treuhänder (Zeitschrift) Steueränderungsgesetz Standortsicherungsgesetz Steueranpassungsgesetz Der Steuerberater (Zeitschrift) Die Steuerberatung (Zeitschrift) Steuerberater-Jahrbuch Steuerberaterkongress-Report (Zeitschrift seit 1977) Die steuerliche Betriebsprüfung (Zeitschrift) Felix/Carlé, Steuererlasse in Karteiform, Loseblatt und CD-ROM Steuerhinterziehungsbekämpfungsgesetz Steuerhinterziehungsbekämpfungs-Verordnung Gesetz zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften Strafgesetzbuch Steuerjournal (Zeitschrift) Steuer-Lexikon Strafprozessordnung Quintessenz des Steuerrechts (Zeitschrift) strittig Steuerrecht Steuer-Revue (Zeitschrift) Steuerrechtskartei Stromsteuergesetz Steuersäumnisgesetz Steuer und Studium (Zeitschrift) Steuern und Bilanzen (Zeitschrift) Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift) stellvertretend Steuervergünstigungsabbaugesetz Steuerliche Vierteljahresschrift (Zeitschrift) XXIII
Abkürzungsverzeichnis
StWa s.u. SWI
Steuer-Warte (Zeitschrift) siehe unten Steuer & Wirtschaft International (Zeitschrift)
TabStG TabStV T/G/J TIEA T/K TLR TMTP TNI TNMM TPIR Tz.
Tabaksteuergesetz Verordnung zur Durchführung des Tabaksteuergesetzes Troll/Gebel/Jülicher, Erbschaftsteuergesetz Tax Information Exchange Agreement (Informationsaustauschabkommen) Tipke/Kruse, Abgabenordnung – Finanzgerichtsordnung Tax Law Review (Zeitschrift) Tax Management Transfer Pricing (Zeitschrift) Tax Notes International (Zeitschrift) Transactional net margin method Tax Planning International Review (Zeitschrift) Textziffer
u. u.a. u.a.m. u.Ä. Übers. Ubg udgl. UmwG UmwR UmwStG UN UR UrhG Urt. USA USt UStDV UStG USt-IdNr. UStKongrBericht UStR usw. u.U. UVR UWG UZK
und und andere, unter anderem und andere(s) mehr und Ähnliches Übersicht Die Unternehmensbesteuerung (Zeitschrift) und dergleichen Umwandlungsgesetz Umwandlungsrecht Umwandlungssteuergesetz United Nations Umsatzsteuer-Rundschau (Zeitschrift) Urheberrechtsgesetz Urteil Vereinigte Staaten von Amerika Umsatzsteuer Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung Umsatzsteuergesetz Umsatzsteuer-Identifikationsnummer Umsatzsteuerkongress-Bericht Umsatzsteuer-Richtlinien und so weiter unter Umständen Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht (Zeitschrift) Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb Unionszollkodex
v. VAG VAT V/B/E
vom, von Versicherungsaufsichtsgesetz Value added Tax Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise
XXIV
Abkürzungsverzeichnis
v.E. VerbrStSystRL VerbrSt-ZVO VermBG VersR VersRAI VersStG VerwArch. Vfg. vGA VGH vgl. v.H. VJSchrStFR V/L VO Vol. Vorb. VRL VSt VStDV VStG VStSystRL VVaG VVDStRL VWG BsGa VwGO VwVfG VwZG W/A/D W/B WEG WiB WiRO WiSt wistra WiVerw W/J Wj. WKBG WKV WM
verdeckte Einlage Verbrauchsteuersystemrichtlinie Verbrauchsteuer-Zusammenarbeitsverordnung Vermögensbildungsgesetz Versicherungsrecht, Juristische Rundschau für die Individualversicherung Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht Versicherungsteuergesetz Verwaltungsarchiv (Zeitschrift) Verfügung verdeckte Gewinnausschüttung Verwaltungsgerichtshof vergleiche vom Hundert Vierteljahresschrift für Steuer- und Finanzrecht (Zeitschrift) Vogel/Lehner, Doppelbesteuerungsabkommen Verordnung Volume Vorbemerkung Verschmelzungs-Richtlinie Vermögensteuer Vermögensteuer-Durchführungsverordnung Vermögensteuergesetz Verbrauchsteuersystem-Richtlinie Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Veröffentlichungen der Vereinigung der deutschen Staatsrechtslehrer Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Verwaltungszustellungsgesetz Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen Wohnungseigentumsgesetz Wirtschaftliche Beratung (Zeitschrift) Wirtschaft und Recht in Osteuropa (Zeitschrift) Wirtschaftswissenschaftliches Studium (Zeitschrift) Zeitschrift für Wirtschaft, Steuer, Strafrecht Wirtschaftsverwaltung (Zeitschrift) Wilms/Jochum, Erbschaftsteuergesetz, Kommentar Wirtschaftsjahr Gesetz zur Förderung von Wagniskapitalbeteiligungen Wiener Vertragsrechtskonvention Wertpapier-Mitteilungen (Zeitschrift) XXV
Abkürzungsverzeichnis
W/M WPg W/R/S WTO WTOÜ WÜD WÜK WÜRV WVK
ZaöRV z.B. ZBstA ZErb ZEV ZfB ZfbF ZfgK ZfV ZfZ ZG ZGB ZGR ZHR Ziff. ZiLiRL ZiRL ZIP zit. ZIV ZK ZPO ZRP z.T. zutr. ZVglRWiss
XXVI
Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift) Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht Welthandelsorganisation WTO-Übereinkommen Wiener Übereinkommen für Diplomaten Wiener Übereinkommen für Konsuln Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge Wiener Konvention über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen und zwischen internationalen Organisationen Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht zum Beispiel Zinsbesteuerungsabkommen Zeitschrift für die Steuer- und Erbrechtspraxis Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zeitschrift für Betriebswirtschaft Schmalenbachs Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen Zeitschrift für Völkerrecht Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern Zollgesetz Schweizerisches Zivilgesetzbuch Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer Zins- und Lizenz-Richtlinie Zinsrichtlinie Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis zitiert, Zitat Zinsinformationsverordnung Zollkodex Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik zum Teil zutreffend Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft einschließlich des Rechts der Entwicklungsländer und der ethnologischen Rechtsforschung
Gesamtliteraturverzeichnis Bächle/Knies/Ott/Rupp, Internationales Steuerrecht, 2. Aufl., Stuttgart 2008 Baranowski, Besteuerung von Auslandsbeziehungen, 2. Aufl., Herne/Berlin 2000 Beermann/Gosch, Steuerliches Verfahrensrecht, Kommentar, Loseblatt, Bonn Bendlinger/Kanduth-Kristen/Kofler/Rosenberger, Internationales Steuerrecht, Wien 2015 Birk, Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, Herne/Berlin 1995 Birk/Ehlers, Rechtsfragen des europäischen Steuer-, Außenwirtschafts- und Zollrechts, Köln 1995 Birkenfeld/Wäger, Das große Umsatzsteuer-Handbuch, Loseblatt, Köln Bleckmann, Europarecht, 6. Aufl., Köln/Berlin 1997 Blümich, EStG, KStG, GewStG und Nebengesetze, Kommentar, Loseblatt, München Blumenberg/Benz, Die Unternehmensteuerreform 2008, Erläuterungen und Gestaltungshinweise, Köln 2007 Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, EnergieStG, StromStG, Loseblatt, München Bordewin/Brandt, EStG, Kommentar, Loseblatt, Heidelberg Brähler, Internationales Steuerrecht, 8. Aufl., Wiesbaden 2014 Bunjes, Umsatzsteuergesetz, 15. Aufl., München 2016 Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl., München 2016 Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Loseblatt, München Debatin/Endres, Das neue Doppelbesteuerungsabkommen USA/Bundesrepublik Deutschland, München 1990 Dietlein/Hecker/Ruttig, Glücksspielrecht, Kommentar, 2. Aufl., München 2013 Dötsch/Pung/Möhlenbrock, Die Körperschaftsteuer, Kommentar, Loseblatt, Stuttgart Endres/Jacob/Gohr/Klein, DBA Deutschland – USA, München 2009 Erle/Sauter, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl., Heidelberg 2010 Ernst & Young, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Bonn Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales Erbrecht, Loseblatt, München Fischer/Kleineidam/Warneke, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 5. Aufl., Berlin 2005 Fischer/Köck, Allgemeines Völkerrecht, 6. Aufl., Wien 2007 Flick/Piltz, Der internationale Erbfall, 2. Aufl., München 2008 Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld, Außensteuerrecht, Kommentar, Loseblatt, Köln Flick/Wassermeyer/Kempermann, Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland – Schweiz, Kommentar, Loseblatt, Köln Friedrich/Meißner, Kommentar zu den Energiesteuern, Loseblatt, Freiburg Frotscher, Internationales Steuerrecht, 4. Aufl., München 2015 Frotscher/Drüen, Praxiskommentar Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Umwandlungssteuergesetz, Loseblatt, Freiburg XXVII
Gesamtliteraturverzeichnis
Frotscher/Geurts, Praxiskommentar Einkommensteuergesetz, Loseblatt, Freiburg Fuhrmann, Außensteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl., Herne 2017 Gambke/Flick, Versicherungssteuergesetz Kommentar, 4. Aufl., Köln 1996 Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 6. Aufl., München 2013 Geiger/Khan/Kotzur, EUV/AEUV, 6. Aufl., München 2017 Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl., München 2014 Gosch, Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl., München 2015 Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Kommentar, Loseblatt, Herne/Berlin Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union: EUV/AEUV, Loseblatt, München von der Groeben/Schwarze, Kommentar zum Vertrag über die Europäische Union – Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union – Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 7. Aufl., Baden-Baden 2015 Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung, 3. Aufl., Herne/Berlin 2013 Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht – BewG, ErbStG, Kommentar, Loseblatt, Köln Haase, Außensteuergesetz/Doppelbesteuerungsabkommen, Kommentar, 3. Aufl., Heidelberg 2016 Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., München 2011 Haritz/Menner, Umwandlungssteuergesetz, Kommentar, 4. Aufl., München 2015 Hartmann/Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz, Loseblatt, Berlin Haun/Kahle/Goebel/Reiser, AStG-Kommentar, Loseblatt, Stuttgart Helios/Wewel/Wiesbrock, REITG, München 2008 Herdegen, Europarecht, 18. Aufl., München 2016 Herdegen, Völkerrecht, 15. Aufl., München 2016 Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Loseblatt, Köln Herzig, Organschaft, Stuttgart 2003 Hobe, Europarecht, 8. Aufl., München 2014 Höhn, Handbuch des Internationalen Steuerrechts der Schweiz, 2. Aufl., Bern/ Stuttgart 1993 Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Kommentar, Loseblatt, Köln Hüffer/Koch, Aktiengesetz, 9. Aufl., München 2010 Ipsen, Völkerrecht, 6. Aufl., München 2014 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 8. Aufl., München 2016 Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 14. Aufl., München 2016 Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, München 2016 Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl., München 2015 Kallmeyer, Umwandlungsgesetz, 6. Aufl, Köln 2017 Kapp/Ebeling, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Köln Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, 2. Aufl., München 2008 Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., Köln 2016 XXVIII
Gesamtliteraturverzeichnis
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Loseblatt, Heidelberg Klein, Kommentar zur Abgabenordnung, 13. Aufl., München 2016 Kloepfer, Luftverkehrsteuer – Rechtsprobleme eines Luftverkehrsteuergesetzes (LuftVStG), Berlin 2010 Kluge, Das Internationale Steuerrecht, 4. Aufl., München 2000 Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl., Köln 1993 König, Abgabenordnung, Kommentar, 3. Aufl., München 2014 Korn, Einkommensteuergesetz, Loseblatt, Bonn Kraft, Außensteuergesetz, Kommentar, 2. Aufl., München 2017 Kroppen, Handbuch Internationale Verrechnungspreise, Loseblatt, Köln Lademann, EStG, Kommentar, Loseblatt, Stuttgart Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Köln Lenz/Borchardt, EU-Verträge, 6. Aufl., Köln 2012 Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, Loseblatt, Stuttgart Locher, Einführung in das Internationale Steuerrecht der Schweiz, 4. Aufl., Bern 2016 Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung, 2. Aufl., München 2011 Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, Baden-Baden 2008 Lüdicke/Sistermann, Unternehmenssteuerrecht, 2. Aufl., München 2017 Lutter, Holding-Handbuch, 5. Aufl., Köln 2015 Lutter, Umwandlungsgesetz, Kommentar, 5. Aufl., Köln 2014 Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 19. Aufl., Köln 2016 Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar, 2. Aufl., Köln 2015 Maunz/Dürig, Grundgesetz, Kommentar, Loseblatt, München Medert/Axer/Voß, Versicherungsteuergesetz Kommentar, Karlsruhe 2015 Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, 16. Aufl., München 2012 Mennel/Förster, Steuern in Europa, Amerika und Asien, Loseblatt, Herne Moench/Weinmann, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, München Möhlenkamp/Milewski, EnergieStG, StromStG, 2. Aufl., München 2017 Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl., Köln 2012 Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Bd. 11: Internationales Wirtschaftsrecht, 6. Aufl., München 2015 Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 7. Aufl., München 2016 Palandt, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 76. Aufl., München 2017 Pechstein, EU-Prozessrecht, 4. Aufl., Tübingen 2011 Peters/Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, 2. Aufl., München 2011 Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Köln 2013 Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Köln 2015 Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Köln Reiß/Kraeusel/Langer, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, Loseblatt, Bonn Reith, Internationales Steuerrecht – Handbuch zum Doppelbesteuerungs- und Außensteuerrecht, München 2004 XXIX
Gesamtliteraturverzeichnis
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Gesamtliteraturverzeichnis
Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Kommentar zu allen deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, Loseblatt, München Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstättenhandbuch, 2. Aufl., Köln 2017 Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Köln 2014 Wassermeyer/Lang, M./Schuch, OECD-MA, DBA Österreich/Deutschland, 2. Aufl., Wien 2010 Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2. Aufl., Köln 2015 Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, 2. Aufl., München 2016 von Wedelstädt, Abgabenordnung mit Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 21. Aufl., Stuttgart 2015 Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Kommentar, Loseblatt, Bonn Wilke/Weber, Internationales Steuerrecht, 13. Aufl., Herne 2016 Witte, Zollkodex, 6. Aufl., München 2013
XXXI
1. Teil Einführende Grundlagen Kapitel 1 Begriff des Internationalen Steuerrechts Literatur Bendlinger/Kanduth-Kristen/Kofler/Rosenberger, Internationales Steuerrecht, Wien 2015; Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, Amsterdam 1964; Frotscher, Internationales Steuerrecht, 4. Aufl. München 2015, Rz. 27 f.; Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, 4. Aufl. Heidelberg 2014, Rz. 12 f.; Isay, Internationales Finanzrecht, Stuttgart/Berlin 1934; Liedtke, Gibt es ein Internationales Steuerrecht?, DB 1977, 1208; Mössner, Der Begriff des Internationalen Steuerrechts in der neueren Literatur, ÖZöffR 1974, 255; Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts, Köln 1993; Schöne, Internationales Steuerrecht und Außensteuerrecht, FR 1976, 32; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, Amsterdam 1936 (Neudruck Köln 1967), 548; Teichner, Internationales Steuerrecht, Stuttgart 1967; Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm – Eine Untersuchung über die Grundfragen des sog. Internationalen Verwaltungs- und Steuerrechts, Frankfurt/Berlin 1965; Vogel, Internationales Steuerrecht, DStZ 1997, 269.
Was eigentlich unter Internationalem Steuerrecht zu verstehen ist, welche Begriffsbildungen maßgeblich sein sollen und ob es ein Internationales Steuerrecht überhaupt gibt, ist umstritten. Es wird die Meinung vertreten, das Internationale Steuerrecht umfasse nur jene Normen, die der Quelle nach völkerrechtlicher Natur seien, wodurch der Begriff recht eng gefasst wird und nur auf die Herkunft des Rechts bezogen ist.1 Es wird aber auch die Ansicht vertreten, dass zum Internationalen Steuerrecht alle Normen gehörten, die auslandsbezogene Sachverhalte erfassten.2 Letztlich findet sich aber auch die Meinung, dass zum Internationalen Steuerrecht lediglich Kollisionsnormen bzw. Konfliktregeln gehörten, also Rechtsnormen, die die Steuerhoheiten gegeneinander abgrenzten.3
1.1
Die kontroverse Diskussion um die Findung nach dem „richtigen“ Begriff dauert an, solange man sich überhaupt mit Internationalem Steuerrecht4 beschäftigt. Die unterschiedlichen Begriffsbildungen sind letztlich darauf zurückzuführen, dass an den Begriff selbst von Anfang an die unterschiedlichsten Anforderungen gestellt wurden.
1.2
Isay bezeichnet als Internationales Finanzrecht den Inbegriff der Konfliktregeln auf internationalem finanzrechtlichen Gebiet, also den Inbegriff der Regeln, durch welche der Anwendungsbereich der Steuergesetze umgrenzt wird. Er unterscheidet das „positive“ und das „reine“ Internationale Finanzrecht. Unter dem positiven Internationalen Finanzrecht versteht er die Gesetze, durch welche
1.3
1 Debatin in Wassermeyer, DBA, Systematik I, Rz. 2 (2000). 2 Mössner, ÖZöffR 1974, 255 (277); Schöne, FR 1976, 32 ff. 3 Isay, Internationales Finanzrecht, 1 ff.; Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, 1 ff.; Teichner, Internationales Steuerrecht, 5. 4 In der älteren Literatur durchweg als Internationales Finanzrecht bezeichnet.
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Kap. 1 Begriff des Internationalen Steuerrechts
der einzelne Staat seine Finanzgewalt selbst umgrenzt. Danach gibt es ein jeweils national geprägtes Internationales Finanzrecht. Das reine Internationale Finanzrecht soll diejenigen Rechtssätze umfassen, die die Grenzen aufzeigen, die die staatliche Finanzgewalt nicht überschreiten dürfe.1 Die vorstehende Auffassung von Isay macht deutlich, dass der Begriff Internationales Finanzrecht auf Konfliktregeln, also auf solche Rechtssätze beschränkt wird, die die staatliche Finanzgewalt umgrenzen. Demgegenüber geht Spitaler davon aus, dass als Internationales Finanzrecht nur die von allen oder fast allen Staaten übernommenen Rechtsregeln verstanden werden könnten, die für diese Staaten verpflichtendes Recht wären. Ein derart allgemeines Internationales Finanzrecht, das materiell-rechtliche Konfliktregeln enthielte und von der Quelle her Völkerrecht wäre, gebe es einstweilen tatsächlich aber nicht.2 Als Internationales Finanzrecht wird demnach nur jenes Recht aufgefasst, das Konfliktregeln enthält und allgemein für alle oder jedenfalls für mehrere Staaten verbindlich ist. Ein so verstandenes Internationales Finanz-(Steuer-)recht gibt es auch heute noch nicht.3 Bühler bezeichnet als Internationales Steuerrecht das Recht der Abgrenzung der Steuergewalten. Soweit diese Kollisionsnormen dem Völkerrecht zu entnehmen seien, handele es sich um Internationales Steuerrecht im engeren Sinne. Im weiteren Sinne umfasse das Internationale Steuerrecht indessen auch nationale Kollisionsnormen.4 Auch hier erfährt der Begriff des Internationalen Steuerrechts eine gegenständliche Einschränkung dahingehend, dass nur Kollisionsnormen erfasst werden. 1.4
An den Begriff des Internationalen Steuerrechts sind Systemanforderungen gestellt worden, die dieser von vornherein nicht zu erfüllen vermochte. Das Steuerrecht ist nämlich, soweit es internationale Bezüge hat, nicht einheitlich kodifiziert und ohne systematische Konzeption. Daher kann das Internationale Steuerrecht nicht als Systembegriff verstanden werden, sondern allenfalls als Ordnungsbegriff.5 Die Begriffsvielfalt bedarf daher keiner näheren Darstellung. Der Streit um den „richtigen“ Begriff des Internationalen Steuerrechts ist letztlich unfruchtbar. Aus dem Begriff als solchem lassen sich nämlich keine Prinzipien, keine Orientierungsmaßstäbe für die Anwendung der in Betracht kommenden Normen gewinnen. Der Begriff des Internationalen Steuerrechts hat daher letztlich Bedeutung nur für die Verständigung. Wenn daher im Folgenden vom Internationalen Steuerrecht die Rede ist, so sind damit jene Normen angesprochen, die auslandsbezogene Sachverhalte erfassen. Angesprochen sind hierbei inländische Sachverhalte mit Auslandsbezug, grenzüberschreitende Sachverhalte sowie ausländische Sachverhalte mit Inlandsbezug.6 Es kann sich hierbei um 1 2 3 4 5 6
Isay, Internationales Finanzrecht, 17 f. Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 550. Liedtke, DB 1977, 1208 (1214). Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, 1 ff. Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 6. Vgl. zum parallelen Begriff des Internationalen Umwandlungssteuerrecht Rz. 20.4.
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Kap. 1 Begriff des Internationalen Steuerrechts
Normen handeln, die der Quelle nach entweder nationales oder internationales Recht sind. Der Begriff des Internationalen Steuerrechts lässt sich auf einer weiteren Stufe in zwei weitere Ordnungsbegriffe dahingehend aufteilen, dass sich all jene Normen, die der Vermeidung der Doppelbesteuerung dienen, als Doppelbesteuerungsrecht und alle übrigen Normen als Außensteuerrecht bezeichnen lassen. Im Hinblick darauf, dass das Internationale Steuerrecht die Gesamtheit der Rechtsvorschriften umfasst, die sich auf Auslandssachverhalte, insbesondere grenzüberschreitende Sachverhalte beziehen,1 bedarf es stets eines Bezuges zu einer bestimmten Rechtsordnung, so dass jeder Staat sein eigenes Internationales Steuerrecht hat. Im Vordergrund steht hier das Internationale Steuerrecht Deutschlands.2
1.5
Völkerrecht und Internationales Steuerrecht befinden sich auf völlig verschiedenen Begriffsebenen. Das Völkerrecht ist neben den förmlichen Gesetzen, Rechtsverordnungen, autonomen Satzungen, Gewohnheitsrecht und supranationalem Recht eine Rechtsquelle, und zwar auch eine des Steuerrechts (Rz. 3.1 ff.). Demgegenüber erfasst das Internationale Steuerrecht ein Rechtsgebiet, dem die unterschiedlichsten Rechtsquellen, Rechtsnormen oder Rechtssätze zugrunde liegen. So schöpft das Internationale Steuerrecht u.a. auch aus supranationalem Recht (Unionsrecht) und aus völkerrechtlichen Verträgen, insbesondere Doppelbesteuerungsabkommen (Rz. 3.6 ff., 3.15 ff.).
1.6
Das auf primäres und sekundäres Unionsrecht sowie auf sonstige europarechtliche Rechtsquellen zurückzuführende Steuerrecht wird auch als Europäisches Steuerrecht (Rz. 3.44 ff.) bezeichnet.3 Von Bedeutung sind neben dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) selbst vor allem EU-Verordnungen und EU-Richtlinien steuerrechtlichen Inhalts sowie diejenigen steuerrechtlichen Normen nationalen Rechts, durch die EU-Richtlinien umgesetzt worden sind (Rz. 3.61 ff.). Zu den Rechtsquellen des Europäischen Steuerrechts zählen ferner nur für einzelne Mitgliedstaaten oder Unionsbürger verbindliche Beschlüsse (Art. 288 AEUV), die für das Steuerrecht allerdings kaum Bedeutung haben (Rz. 3.47). Hierzu gehören schließlich auch völkerrechtliche Vereinbarungen zwischen Mitgliedstaaten, die der Ratifikation durch die nationalen Parlamente bedürfen.4 Die Identifizierung Europäischen Steuerrechts ist insbesondere unter zwei Gesichtspunkten von Bedeutung: Soweit etwa eine EU-Richt-
1.7
1 Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, 3; Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 3; Vogel, DStZ 1997, 269 (269); Seer in Tipke/Lang22, § 1 Rz. 83; Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 27; Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht4, Rz. 13; Kanduth-Kristen in Bendlinger/Kanduth-Kristen/Kofler/Rosenberger, Internationales Steuerrecht, Rz. II/1. 2 Weitere gebräuchliche Untergliederungen bei einzelnen Steuerarten: Internationales Umwandlungssteuerrecht (vgl. Rz. 20.4 ff.); Internationales Umsatzsteuerrecht (vgl. Englisch in Tipke/Lang22, § 17 Rz. 392 ff.). 3 Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 1.2; vgl. auch Englisch in Tipke/Lang22, § 4 Rz. 21 ff.; Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht2, Rz. 1 f. 4 Auf dem Gebiet des Steuerrechts ist hier insbesondere die Schiedsverfahrenskonvention zu erwähnen (90/436/EWG, ABl.EG Nr. L 225, 10 v. 20.8.1990; Änderungsprotokoll v. 25.5.1999, ABl. EG Nr. C 202/1 v. 16.7.1999; Ergänzung ABl. EU Nr. C 160, 11 v. 30.6. 2005); hierzu Rz. 3.79 ff.
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Kap. 1 Begriff des Internationalen Steuerrechts
linie nicht fristgemäß oder nicht ordnungsgemäß in nationales Steuerrecht umgesetzt worden ist, erzeugt sie für den Bürger unmittelbar geltendes Recht mit der Folge, dass sich dieser gegenüber dem Mitgliedstaat, der die Richtlinie nicht fristgemäß oder ordnungsgemäß umgesetzt hat, unter bestimmten Voraussetzungen auf die Richtlinienregelung berufen kann (Rz. 3.46). Im Übrigen ist das auf der Grundlage von EU-Richtlinien harmonisierte Steuerrecht stets richtlinienkonform auszulegen (Rz. 3.54 ff.). 1.8
Im Hinblick darauf, dass das Steuerstrafrecht Blankettstrafnormen1 enthält, in deren Rahmen auf die blankettausfüllenden Normen auch des Internationalen Steuerrechts zugrückzugreifen ist, hat insoweit auch das Internationale Steuerstrafrecht Bedeutung.2 Neben diesem Bezug zum Internationalen Steuerrecht umfasst das Internationale Steuerstrafrecht u.a. auch folgende Rechtsgebiete: Internationales Strafanwendungsrecht3, Internationales Steuerstrafverfahren4 sowie Internationale Amts- und Rechtshilfe in Steuer- und Steuerstrafsachen.5
1 BVerfG v. 16.6.2011 – 2 BvR 542/09, BFH/NV 2011, 1820; v. 8.5.1974 – 2 BvR 636/72, BVerfGE 37, 201 (208); BGH v. 28.1.1987 – 3 StR 373/86, BGHSt 34, 272 (282); v. 7.11. 2001 – 5 StR 295/01, BGHSt 47, 138 (141); zur Kritik (normatives Verständnis) z.B. Ransiek in Kohlmann, § 370 AO Rz. 20 ff. 2 Zu Begrifflichkeiten vgl. Schaumburg in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 1.1 ff. 3 Peters in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 3.1 ff. 4 Peters in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 5.1 ff. 5 Schaumburg/Peters in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 7.1 ff., 8.1 ff., 9.1 ff.
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Kapitel 2 Normengruppen im System des Internationalen Steuerrechts A. Überblick . . . . . . . . . . . . . B. Kollisionsbegründende und kollisionsauflösende Normen . C. Normen zur Vermeidung von Einkünfteverlagerungen . . . . .
_ _ _ 2.1
D. Grenzüberschreitende wirtschaftslenkende Normen . . . .
2.3
E. Vereinfachungszwecknormen .
_ _
2.21
2.24
2.10
Literatur Kommentare zu Art. 107 AEUV; von Beckerath, Der Durchgriff im Außensteuerrecht, Berlin 1978; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, Köln 1983; Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, Amsterdam 1964; Bürger, Steuerflucht, Berlin/Wien/Zürich 2006; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, Baden-Baden 1993; Crezelius, Beschränkte Steuerpflicht und Gestaltungsmissbrauch, DB 1984, 530; Croxatto, Die Begrenzung der staatlichen Steuerhoheit durch internationales Gewohnheitsrecht, StuW 1964, 879; Eichhorn, Das „Steuerfluchtgesetz“ im Streitgespräch, DB 1971, 447; Endriss, Wohnsitz- oder Ursprungsprinzip?, Köln 1967, 6; Fischer/Kleineidam/Warneke, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 5. Aufl. Berlin 2005; Flick, Vereinbarkeit des Steuerfluchtgesetzes mit Doppelbesteuerungsabkommen, BB 1971, 250; Frenz/ Roth, Steuer- und Abgabenbefreiungen als Beihilfe, DStZ 2006, 465; Frotscher, Internationales Steuerrecht, 4. Aufl. München 2015; Großfeld, Basisgesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Tübingen 1974; Hey, Erscheinungsformen steuerlicher Wirtschaftspolitik, DStJG 39 (2016), S. 11 ff.; Kamps/Fraedrich, Verfassungsrechtliche Bedenken bei der rückwirkenden Änderung des Investitionszulagengesetzes aufgrund von Entscheidungen der EU, FR 2005, 969; Kluge, Das Internationale Steuerrecht, 4. Aufl. München 2000; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, Köln 1987/88; Mössner, Die internationale Steuerflucht, in Hansmeyer (Hrsg.), Staatsfinanzierung im Wandel, Berlin 1983, 817; Müller, Die völkerrechtliche Zulässigkeit der Erstreckung der deutschen Steuerhoheit auf ausländische Tochtergesellschaften, Diss. München 1969; Oppermann/Classen/ Nettesheim, Europarecht, 7. Aufl., München 2016; Ritter, Brauchen wir ein neues Steuerfluchtgesetz?, BB 1987, 65; Schaumburg, Internationale Minderbesteuerung in Festschrift Frotscher, Freiburg 2013, S. 503; Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Köln 2015; Schmid, Die internationale Steuerflucht, Zürich/Sankt Gallen 1961; Stober, Rechtliche Rahmenbedingungen der Wirtschaftsförderung, BB 1996, 1845; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I, 2. Aufl. Köln 2000; Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. Köln 2015; Verdross, Völkerrecht, 5 Aufl. Wien 1964, 319; Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, – Eine Untersuchung über die Grundfragen des sog. Internationalen Verwaltungs- und Steuerrechts, Frankfurt/Bern 1965; Vogel, Theorie und Praxis im Internationalen Steuerrecht, DStR 1968, 428; Vogel, Steuergerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit, DStZ A 1975, 404; Vogel, Die Abschichtung von Rechtsfolgen im Steuerrecht, StuW 1977, 97; Wassermeyer, Noch einmal verschärftes Steuerfluchtgesetz, DStR 1972, 519; Weber-Fas, Völkerrecht und Steuerhoheit, RIW 1979, 585; de Weerth, Keine Bestandskraft des Steuerbescheids bei Verstoß gegen das EU-Beihilfeverbot?, IStR 2010, 172; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, Tübingen 2005.
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Kap. 2 Normengruppen im System des Internationalen Steuerrechts
A. Überblick 2.1
Das Internationale Steuerrecht ist nicht einheitlich kodifiziert, ist kein monistisches System mit einer einheitlichen Grundwertung und sich daraus ergebenden Einzelwertungen.1 Das Internationale Steuerrecht besteht vielmehr aus einem Rechtsstoff, der in mehreren Steuergesetzen mit unterschiedlichen Grundwertungen angesiedelt ist. Bei einem derart pluralistischen System können daher nur für einzelne Normen bestimmte Wertungen aufgedeckt werden.2 Insoweit unterscheidet sich das Internationale Steuerrecht nicht vom übrigen Steuerrecht. Hier wird im System der steuergesetzlichen Normengruppen durchweg zwischen Fiskalzwecknormen, Sozialzwecknormen und Vereinfachungszwecknormen unterschieden.3 Während die auf Einnahmeerzielung der öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen gerichteten Fiskalzwecknormen auch das Internationale Steuerrecht beherrschen, spielen Sozialzwecknormen und Vereinfachungszwecknormen dort nur eine untergeordnete Rolle. Zu den Fiskalzwecknormen, die sich insbesondere am Leistungsfähigkeitsprinzip zu orientieren haben,4 zählen nicht nur die steuerbelastenden, sondern auch die steuerentlastenden Normen, etwa diejenigen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Rz. 2.4 ff.). Sozialzwecknormen sind ebenfalls dual ausgerichtet: Sie schaffen nicht nur Steuerentlastungen, sondern auch Steuersonderbelastungen.5 Zu diesen Steuersonderbelastungen gehören im Bereich des Internationalen Steuerrechts z.B. die Verlustausgleichsbeschränkungen des § 2a Abs. 1 und 2 EStG (Rz. 6.69 ff.). Soweit Sozialzwecknormen Steuerentlastungen bewirken, sind hiermit im besonderen Maße sachlich eigentlich nicht zum Steuerrecht gehörende wirtschaftslenkende Normen6 angesprochen (Rz. 2.21 ff.). Vereinfachungszwecknormen, die sowohl Fiskalzweckals auch Sozialzwecknormen vereinfachen können,7 haben im Internationalen Steuerrecht insbesondere im Bereich des Außensteuergesetzes Bedeutung erlangt (Rz. 2.24 f.).
2.2
Dieses vorstehende in der Steuerrechtswissenschaft weitgehend akzeptierte steuergesetzliche Normensystem gilt uneingeschränkt auch für das Internationale Steuerrecht. Wegen der im Internationalen Steuerrecht stark ausgeprägten Wertungspluralität bedarf es innerhalb der vorgenannten drei Normengruppen allerdings einer weiteren Differenzierung und Präzisierung. Im Hinblick darauf lassen sich folgende Normengruppen bilden:
Zum sog. inneren System Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 67 ff. Hierzu Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 67 ff.; Hey in Tipke/Lang22, § 3 Rz. 9 ff. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 73 ff.; Hey in Tipke/Lang22, § 3 Rz. 19 ff. Hierzu insbesondere Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 77, 479 ff.; zum Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht Rz. 4.9 f. 5 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 78; Vogel, DStZ A 1975, 404 (414). 6 Hierzu Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 79; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 68; Vogel, StuW 1977, 97 (99). 7 Insofern stehen sie nicht selbständig neben den Fiskalzweck- und Sozialzwecknormen; hierzu Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 80.
1 2 3 4
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B. Kollisionsbegründende und kollisionsauflösende Normen
B. Kollisionsbegründende und kollisionsauflösende Normen Kollisions- oder konfliktbegründend sind alle Normen, durch die eine Doppelbesteuerung verursacht wird. Kollisions- und konfliktauflösend oder auch nur -begrenzend wirken demgegenüber diejenigen Normen, die die Doppelbesteuerung ganz oder zum Teil aufheben.1
2.3
Die Kollisionsbegründung erfolgt im Bereich der Subjektsteuern (z.B. Einkommen- und Körperschaftsteuer) durch das internationale Nebeneinander von unbeschränkter Steuerpflicht durch Erfassung des Welteinkommens in Anknüpfung an Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt, Sitz oder Ort der Geschäftsleitung und beschränkter Steuerpflicht durch Erfassung inländischen Einkommens. Bei Doppelwohnsitz oder Mehrfachwohnsitz kommt es zu einer Kollisionsbegründung auch durch ein Nebeneinander von unbeschränkter Steuerpflicht in mehreren Staaten. Schließlich ist eine Kollision auch durch eine verschiedenartig ausgeprägte beschränkte Steuerpflicht in mehreren Staaten möglich. Eine Kollisionsauflösung ist die Folge von Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf bilateraler (Doppelbesteuerungsabkommen) und unilateraler Ebene (z.B. § 34c EStG).
2.4
Das System kollisionsbegründender und kollisionsauflösender Normen2 beruht auf einer Wechselwirkung zwischen dem fehlenden völkerrechtlichen Verbot einer Doppelbesteuerung und dem in Deutschland grundrechtlich abgesicherten Leistungsfähigkeitsprinzip.3 Zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts zählt zwar für jeden Staat das Verbot, die Steuerpflicht aufgrund seiner Steuergesetze ohne jegliche räumliche oder persönliche Schranken auszudehnen, so dass nur solche Sachverhalte der einseitigen Regelung eines Staates unterworfen sind, die eine tatsächliche Anknüpfung (genuine link) zum regelnden Staat aufweisen.4 Dieser völkerrechtlich verbindliche Grundsatz ist aber so vage, dass er eine Doppelbesteuerung nicht unterbindet. Jeder Staat darf daher frei bestimmen, ob und inwieweit (Steuer-)Ausländer innerhalb seines Gebietes sowie ausländische Einkünfte und Vermögenswerte von Staatsangehörigen und (Steuer-)Inlän-
2.5
1 Die hier verwendeten Begriffe kollisionsbegründende und kollisionsauflösende Normen haben nichts mit den Kollisionsnormen (Kollisionsrecht) im Sinne des Internationalen Privatrechts zu tun. 2 Hierzu auch Seer in Tipke/Lang22, § 1 Rz. 91 ff. 3 Hierzu z.B. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 488 ff.; Hey in Tipke/Lang22, § 3 Rz. 40 ff., 121 ff. 4 BVerfG v. 22.3.1983 – 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343 (369); BVerfG v. 14.5.1968 – 2 BvR 544/63, BVerfGE 23, 288 (309 f.); BFH v. 26.4.1963 – III 237/58 U, BStBl. III 1963, 413; v. 18.12.1963 – I 230/61 S, BStBl. III 1964, 253; v. 16.12.1964 – II 154/61, BStBl. III 1965, 134; v. 30.10.1975 – I 50/71, BStBl. II 1974, 107; v. 24.1.2001 – I 100/99, BFH/NV 2001, 1402; v. 27.2.2006 – III 170/05, BFH/NV 2006, 1090; v. 31.5.2006 – II 66/04, BStBl. II 2007, 49; Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 11; Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, D Rz. 10; Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 45; Müller, Deutsche Steuerhoheit und ausländische Tochtergesellschaften, 121; Vogel, Verwaltungsrechtsnorm, 144; Vogel, DStR 1968, 428 ff.; Weber-Fas, RIW 1979, 585 ff.; Crezelius, DB 1984, 530 (533); Croxatto, StuW 1964, 879 (880, 882).
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Kap. 2 Normengruppen im System des Internationalen Steuerrechts
dern zur Steuer herangezogen werden sollen. Ein völkerrechtliches Verbot der Doppelbesteuerung gibt es daher nicht.1 2.6
Es ist deshalb erklärlich, dass durchweg alle Staaten als Wohnsitzstaat oder Quellenstaat im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht das Welteinkommen/ -vermögen und im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht das Inlandseinkommen/-vermögen weitgehend lückenlos erfassen. Damit kollidiert zwangsläufig die Wohnsitzbesteuerung in dem einen Staat mit der Quellenbesteuerung in dem anderen Staat. Eine derartige Doppelbesteuerung verletzt das Leistungsfähigkeitsprinzip, nach dem jeder nur entsprechend seiner Leistungsfähigkeit Steuern zu zahlen hat. Dieses allgemein im Steuerrecht geltende Fundamentalprinzip2 gebietet eine Vermeidung der Doppelbesteuerung (Rz. 17.8 ff.).
2.7
Hierzu dienen die kollisionsauflösenden Normen, die auf bilateraler Ebene im Rahmen von Doppelbesteuerungsabkommen das Steuergut zwischen dem Wohnsitzstaat und dem Quellenstaat aufteilen (Zuteilungs- oder Aufteilungsnormen) und sowohl auf bilateraler als auch auf unilateraler Ebene insbesondere im Rahmen innerstaatlicher Rechtsnormen, z.B. durch Steueranrechnung, zu einem vollständigen oder partiellen Steuerverzicht des Wohnsitzstaates führen.
2.8
Das System kollisionsbegründender und kollisionsauflösender Normen ist ein tragendes Prinzip des Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- und Erbschaftsteuergesetzes. Nur hier gilt das Universalitätsprinzip in dem Sinne, dass im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht Welteinkommen und Weltvermögen erfasst werden. Im Gewerbesteuer- und Umsatzsteuergesetz gibt es dagegen das Wechselspiel von kollisionsbegründenden und kollisionsauflösenden Normen grundsätzlich nicht, weil hier nicht das Universalitätsprinzip, sondern das Territorialitätsprinzip maßgeblich ist. Der Gewerbesteuer unterliegen nämlich lediglich im Inland betriebene Gewerbebetriebe (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG) und der Umsatzsteuer lediglich im Inland ausgeführte Umsätze (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG).
2.9
Zu einer Kollision der Steuerpflichten in verschiedenen Staaten kann es aber auch unter der Geltung des Territorialitätsprinzips kommen. Dies gilt sowohl im Bereich der beschränkten Steuerpflicht als auch bei der Gewerbesteuer und Umsatzsteuer. So knüpft etwa eine beschränkte Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit alternativ an eine Ausübung und Verwertung im Inland an. Damit kann die beschränkte Steuerpflicht des Landes, in dem die selbständige Arbeit ausgeübt wird, mit derjenigen des Landes kollidieren, in dem die selbständige Arbeit verwertet wird. Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG ist Steuergegenstand ein Gewerbebetrieb im Inland. Zu diesem Gewerbebetrieb zählt allerdings auch der Gewerbeertrag aus ausländischen Einkunftsquellen, soweit sie nicht dortigen Betriebsstätten zuzuordnen sind. In den vorgenannten Fällen wird die Doppelbesteuerung nur partiell vermieden bzw. gemildert (z.B. § 50 Abs. 3 EStG; § 9 Nr. 7 GewStG). Umsatzsteuerbar sind nur sonstige Leistungen, die im Inland erbracht werden. Der Ort der sonstigen Leis1 BFH v. 14.2.1975 – VI R 210/72, BStBl. II 1975, 497; Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, D Rz. 10; Burmester, Internationale Regelungskumulation und -kollision, 277; Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 13; Vogel, Verwaltungsrechtsnorm, 351 f. 2 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 478 ff.; Hey in Tipke/Lang22, § 3 Rz. 40 ff.
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C. Normen zur Vermeidung von Einkünfteverlagerungen
tung bestimmt sich nach § 3a UStG. Die dort genannten Anknüpfungspunkte sind nur innerhalb der EU harmonisiert, so dass es im Verhältnis zu Drittstaaten zu einer doppelten umsatzsteuerlichen Erfassung ein und derselben sonstigen Leistung kommen kann. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sind hier nicht vorgesehen.
C. Normen zur Vermeidung von Einkünfteverlagerungen Auf internationaler Ebene bewirken grenzüberschreitende Einkünfteverlagerungen in aller Regel eine Erhöhung des Steueraufkommens des einen Staates zu Lasten des anderen Staates. Im Hinblick darauf haben viele Staaten ein Normeninstrumentarium entwickelt, um zu ihren Lasten gegenwärtig und in die Zukunft wirkende Einkünfteverlagerungen zu verhindern. Diese Vermeidungsnormen haben systematisch unterschiedliche Ansätze und unterscheiden sich insbesondere in ihren Rechtsfolgen danach, ob die Einkünfteverlagerungen in Hochsteuer- oder/und in Niedrigsteuerländer erfolgen. Die Vermeidungsnormen sind sowohl im Außensteuerrecht als auch im Doppelbesteuerungsrecht angesiedelt.
2.10
Einkünfteverlagerungen sowohl in Hochsteuerländer als auch in Niedrigsteuerländer werden im Außensteuerrecht insbesondere durch §§ 4 Abs. 1 Sätze 3 u. 4; 16 Abs. 3a EStG, § 12 Abs. 1, 3 KStG (Steuerentstrickung), § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG (verdeckte Gewinnausschüttung), § 1 AStG (Berichtigung von Einkünften) und § 6 AStG (Wegzugsbesteuerung) vermieden. Es handelt sich hierbei um unilaterale Vermeidungsnormen des Außensteuerrechts, die lediglich einseitig wirken und keine Rücksicht darauf nehmen, ob die betreffenden Einkünfte in dem begünstigten Staat besteuert werden. Zu den bilateralen Vermeidungsnormen gehört Art. 7 OECD-MA, der im Unterschied zu den unilateralen Vermeidungsnormen zweiseitiger Natur ist und damit zugleich der zwischenstaatlichen Einkünfteabgrenzung dient. Die Vermeidung der Einkünfteverlagerung ist hier freilich nur Nebenzweck; Primärwertung des Art. 7 OECD-MA ist die Vermeidung der Doppelbesteuerung zugunsten des betreffenden Steuerpflichtigen (Rz. 19.52, 19.230 ff.).
2.11
Zu den Normen zur Vermeidung von Einkünfteverlagerungen zugunsten nur von Niedrigsteuerländern zählen vor allem die §§ 2 bis 5 AStG (erweiterte beschränkte Steuerpflicht), §§ 7 bis 14 AStG (Hinzurechnungsbesteuerung), § 15 AStG (Besteuerung bei ausländischen Familienstiftungen) sowie § 42 AO (Steuerumgehung).
2.12
Bei den §§ 2 bis 5 AStG geht es allerdings nicht nur um die Erfassung von Einkünfte-(Vermögens-)verlagerungen von der Bundesrepublik Deutschland in einen anderen Staat, sondern auch darum, bei den von der unbeschränkten in die beschränkte Steuerpflicht überwechselnden Personen die Besteuerungslücken des § 49 Abs. 1 EStG zu schließen, um damit die Besteuerung bestimmter Einkünfte und Vermögen nicht allein dem Wohnsitzstaat zu überlassen. Es ist daher sachgerecht, auch diesen Normenkomplex zu den Normen zur Vermeidung von Einkünfte-(Vermögens-)verlagerungen zu zählen.1
2.13
1 Hierzu gehört auch § 2 Abs. 1 Nr. 1b ErbStG (erweiterte unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht).
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Kap. 2 Normengruppen im System des Internationalen Steuerrechts
2.14
Demgegenüber gehören die §§ 7 bis 14, 15 AStG zum eigentlichen Kernstück der Vermeidungsnormen. Im Wesentlichen bewirken sie, dass von ausländischen Kapitalgesellschaften/Familienstiftungen erzielte Einkünfte unter bestimmten Voraussetzungen dem inländischen Anteilseigner/Stifter oder Bezugs- oder Anfallsberechtigten als eigene Einkünfte zugerechnet werden.
2.15
§ 42 AO richtet sich im außensteuerlichen Kontext vor allem gegen Einkünfteverlagerungen auf ausländische Basisgesellschaften. Stellt sich die Geschäftsbeziehung zu einer derartigen Basisgesellschaft als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts dar, so wird die Steuer so erhoben, wie wenn die ausländische Basisgesellschaft in die betreffende Geschäftsbeziehung nicht eingeschaltet worden wäre.1
2.16
Die §§ 7 bis 14, 15 AStG und § 42 AO werden mitunter auch als Normen verstanden, die sich gegen die Steuerflucht richten. Einen allgemein anerkannten Begriff der Steuerflucht gibt es zwar nicht,2 mit diesem Phänomen wird aber zumeist das Problem der Ausnutzung von Steuerbelastungsdifferenzen zwischen international verschiedenen Steuerhoheiten durch Verlagerung vorhandener oder künftiger Steuersubstanz in Verbindung gebracht.3
2.17
Es hat auch nicht an Versuchen gefehlt, den Begriff Steuerflucht sehr weit zu ziehen und über die §§ 7 bis 14, 15 AStG und § 42 AO hinaus verschiedene Normengruppen wertungsmäßig als Normen zur Bekämpfung der Steuerflucht, als Steuerfluchtnormen, zusammenzufassen.4 So wurde etwa das Außensteuergesetz insbesondere in seiner Anfangsphase insgesamt als Steuerfluchtgesetz bezeichnet5 mit der Folge, dass sämtliche Normen dieses Gesetzes einer einheitlichen Wertung unterstellt wurden.6 Ein derartiges einheitliches Steuerfluchtrecht ist im Außensteuergesetz indessen nicht normiert.
2.18
Wer etwa seinen Wohnsitz aus dienstlichen Gründen von Deutschland nach Brasilien verlegt, wer in die USA auswandert oder sich auf Dauer an der Costa Brava niederlässt, mag zwar der Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG unterliegen, als Steuerflüchtling wird man ihn aber nicht bezeichnen können. Wer in die Schweiz verzieht, um dort einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, kann der erweiterten beschränkten Einkommensteuerpflicht unterliegen, eine Steuerflucht hat er damit aber nicht begangen. Wer schließlich in der Schweiz an einer Dienstleistungsgesellschaft wesentlich beteiligt ist, die europaweit mit eigenem Personal tätig ist, mag der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7–14 AStG) unterliegen, weil er etwa selbst als Subunternehmer Aufträge für die Dienstleistungsgesellschaft ausgeführt hat (vgl. § 8 Abs. 1 Nr. 5a AStG); mit Steuerflucht hat dies aber nichts zu tun. 1 Zu Einzelheiten Rz. 13.23 ff.; zu § 50d Abs. 3 EStG als Sondernorm zu § 42 AO siehe Rz. 19.160 ff. 2 Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, 169; Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, B Rz. 34; Seer in Tipke/Lang22, § 6 Rz. 29; Mössner, Die internationale Steuerflucht, 817 ff.; umfassend Bürger, Steuerflucht, 1 ff. 3 So z.B. von Schmid, Die internationale Steuerflucht, 4; Endriss, Wohnsitz- oder Ursprungsprinzip?, 6. 4 Vgl. etwa Seer in Tipke/Lang22, § 1 Rz. 89, 6 Rz. 29. 5 Flick, BB 1971, 250 f.; Eichhorn, DB 1971, 447 ff.; Wassermeyer, DStR 1972, 519 ff.; Ritter, BB 1987, 65 ff. 6 So früher Fischer/Warneke, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre3, 45 ff.
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D. Grenzüberschreitende wirtschaftslenkende Normen
Da der Begriff der Steuerflucht sehr unbestimmt ist, auf unterschiedlichen Vorstellungen über die Akzeptanz steuervermeidender Gestaltungen beruht und dabei nicht selten von reiner Gefühlsjurisprudenz getragen ist, vermag er für die Rechtsanwendung wenig zu leisten.
2.19
Auf die Vermeidung von Einkünfteverlagerung gerichtete Normen haben auch im Doppelbesteuerungsrecht Verbreitung gefunden. Zu diesen Vermeidungsnormen zählt u.a. § 50d Abs. 3 EStG. Durch diese Treaty-Shopping-Klausel soll insbesondere die missbräuchliche Inanspruchnahme einer Quellensteuerreduktion nach Maßgabe der Doppelbesteuerungsabkommen und des § 43b EStG vermieden werden. Dies geschieht dadurch, dass die Zwischenschaltung von ausländischen Gesellschaften steuerlich nicht anerkannt wird, soweit Personen an ihnen beteiligt sind, denen die Steuerentlastung (Quellensteuerreduktion) nicht zustünde, wenn sie die Einkünfte unmittelbar selbst erzielten, und die von der ausländischen Gesellschaft im betreffenden Wirtschaftsjahr erzielten Bruttoerträge nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen, sowie für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen oder die ausländische Gesellschaft mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt. Diese Missbrauchsvorschrift, die eine normative Konkretisierung des § 42 AO darstellt, zielt insbesondere auf Holdinggesellschaften und sog. Künstler- und Sportlergesellschaften ab (Rz. 19.160 ff.). Auf der gleichen Systemlinie liegt § 20 Abs. 1 AStG, der im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung von der Rechtsfolge her darauf gerichtet ist, die Abschirmwirkung von DBA zu beseitigen (Rz. 13.201). Damit korrespondiert § 20 Abs. 2 AStG, wonach bei ausländischen Betriebsstätteneinkünften mit Kapitalanlagecharakter in Abweichung von den bilateralen Regelungen der DBA die Doppelbesteuerung nicht durch Freistellung, sondern durch Anrechnung vermieden wird (Rz. 19.544). Entsprechendes gilt für Subject-to-tax-Klauseln (z.B. § 50d Abs. 8 EStG), Switch-over-Klauseln (z.B. § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG) und internationale Korrespondenzklauseln (z.B. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d Satz 2 u. 3 EStG), die sämtlich auch auf die Vermeidung einer internationalen Minderbesteuerung1 gerichtet sind (Rz. 18.26, 19.523 ff.).
2.20
D. Grenzüberschreitende wirtschaftslenkende Normen Die Steuergesetze enthalten nicht nur die vorgenannten Fiskalzwecknormen, sondern auch Sozialzwecknormen,2 insbesondere wirtschaftslenkende Normen.3 Das gilt auch für den Bereich des Internationalen Steuerrechts. Vergünstigungsoder Förderziele werden freilich nicht immer klar erkennbar. Grenzüberschreitende wirtschaftslenkende Normen enthielten insbesondere das im Wesentlichen bis 1981 geltende Entwicklungsländersteuergesetz und das mit Wirkung ab 1990 aufgehobene Auslandsinvestitionsgesetz, das steuerliche Hemmnisse beseitigen wollte, die sich bei Investitionen im Ausland störend auswirken. 1 Hierzu Schaumburg in FS Frotscher, S. 503 ff. 2 Hey in Tipke/Lang22, § 3 Rz. 21 f.; 131 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 77 ff. 3 Umfassend hierzu Wernsmann, Verhaltenslenkung, 1 ff.; ferner im Überblick Hey in Tipke/Lang22, § 19 Rz. 1 ff.; Hey, DStJG 39 (2016), S. 11 (28 ff.).
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2.21
Kap. 2 Normengruppen im System des Internationalen Steuerrechts
Der zum Außensteuerrecht zählende und im Kern ab 1999 aufgehobene § 2a Abs. 3 EStG stellt(e) ebenso wie die 1999 eingeführte Tonnagebesteuerung für die internationale Handelsschifffahrt gem. § 5a EStG auf diesen Gesichtspunkt ab. Wirtschaftslenkenden Charakter haben schließlich im Bereich des Doppelbesteuerungsrechts der bis 1999 geltende § 26 Abs. 3 KStG (EntwicklungsländerSchachtelprivileg) sowie Regelungen in einigen Doppelbesteuerungsabkommen über den sog. tax matching credit und tax sparing credit, die die Anrechnung fiktiver Steuern zum Gegenstand haben (Rz. 19.566 f.). 2.22
Obwohl grenzüberschreitende wirtschaftslenkende Normen auf wirtschaftliche Lenkung oder soziale Gestaltung, nicht aber auf gerechte, gleichmäßige Steuerlastenverteilung gerichtet sind mit der Folge, dass auf derartige Lenkungsnormen das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht ohne weiteres wie auf Fiskalzwecknormen anwendbar ist,1 dürfen sich deren Vergünstigungseffekte nicht ungezielt entfalten. Lenkungsnormen müssen sich vielmehr an den Grundsätzen der Erforderlichkeit, Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit messen lassen.2 Wird den vorgenannten Grundsätzen nicht entsprochen, erweisen sich die für die Lenkungsnormen gesetzten normativen Maßstäbe als nicht sachgerecht, so wird die materielle Gleichheit und damit der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt.3
2.23
Wirtschaftslenkende Normen müssen sich schließlich auch an Art. 107 AEUV messen lassen. Hiernach sind staatliche oder aus staatlichen Mitteln gewährte Beihilfen grundsätzlich verboten. Zu diesen Beihilfen zählen alle Maßnahmen, die die Wettbewerbslage bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige verbessern.4 Das gilt auch für steuerliche Vergünstigungen,5 und zwar dann, wenn sie selektiv wirken und nicht unmittelbar Folge der Grund- und Leitprinzipien des Steuersystems sind.6 Angesprochen sind damit neben gezielten Steuerbefreiungen und -vergünstigungen insbesondere auch Investitionszulagen. Derartige Beihilfen sind gem. Art. 108 Abs. 3 AEUV der Kommission zu melden (Notifizierungsverfahren). Kommt die Kommission nach einer Vorprüfung zu dem Ergebnis, dass ein Vorhaben als Beihilfe mit dem gemeinsamen Markt unvereinbar ist, wird das Prüfverfahren eingeleitet.7 Während dieser Zeit darf die betreffende wirtschaftslenkende Norm nicht angewendet und die Beihilfe nicht gewährt werden.8 Eine rechtswidrige 1 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 340, 495 f. 2 Zu Einzelheiten Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 340 ff.; Hey in Tipke/Lang22, § 19 Rz. 70 ff. 3 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 345, 347 ff.; Hey in Tipke/Lang22, § 19 Rz. 76 ff.; Wernsmann, Verhaltenslenkung in einem rationalen Steuersystem, 346 ff. 4 Cremer in Calliess/Ruffert5, Art. 107 AEUV Rz. 10 ff.; Classen in Oppermann/Classen/ Nettesheim, Europarecht7, § 21 Rz. 6 ff. 5 Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 9.4 ff. 6 EuGH v. 2.7.1974 – Rs. C-173/73 – Kommission ./. Italien, Slg. 1974, 709; EuGH v. 15.12 2005 – Rs. C-148/04 – Azoren, Slg. 2006, I-7115. 7 Vgl. den Kurzüberblick bei Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 24.26. 8 Dieses Schicksal haben z.B. die Investitionszulage nach dem InvZulG 1991 und die steuerfreie Rücklage nach § 6 Fördergebietsgesetz erlitten; vgl. ferner „Sanierungsklausel“ in § 8c Abs. 1a KStG durch Beschluss der Kommission v. 26.1.2011 – 2011/527/EU, ABl. L 235, 26 und die erfolglose Klage beim EuG (EuG v. 4.2.2016 – T-620/11-GFKL – SinnLeffers ./. Kommission, ECLI:EU:T:2016:59).
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E. Vereinfachungszwecknormen
Beihilfe muss zurück gefordert werden,1 so dass insoweit Vertrauensschutz grundsätzlich nicht gewährt wird.2
E. Vereinfachungszwecknormen Vereinfachungszwecknormen dienen der technisch-ökonomischen Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens3 und sind auch im Bereich des Internationalen Steuerrechts zu finden. Zu diesen Vereinfachungszwecknormen gehören im Außensteuerrecht insbesondere § 9 AStG und im Doppelbesteuerungsrecht etwa § 34c Abs. 5 EStG.
2.24
Vereinfachungszwecknormen finden ihre Berechtigung durchweg darin, dass sich die Gleichmäßigkeit der Besteuerung nur im Rahmen praktischer Verwirklichungsmöglichkeiten durchsetzen lässt.4 Dies gilt z.B. für die in den § 9 AStG geregelten Freigrenzen, die auch den Zweck haben, die Finanzverwaltung von unsinniger Hinzurechnungsbesteuerung arbeitsmäßig zu entlasten. Indessen gilt auch hier: Für die Vereinfachung muss ein erkennbares Bedürfnis bestehen.5 Die in § 34c Abs. 5 EStG verankerte Steuerpauschalierung für ausländische Einkünfte ist unter dem vorgenannten Gesichtspunkt nicht beanstandet worden.6
2.25
1 Hierzu Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 24.27. 2 Hierzu Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 24.27 f.; Hey, Steuerplanungssicherheit als Rechtsproblem, 361 ff.; ferner Kamps/Fraedrich, FR 2005, 969 ff.; de Weerth, IStR 2010, 172 ff. 3 Hierzu Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 80; Hey in Tipke/Lang22, § 3 Rz. 23 ff. 4 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 349; Hey in Tipke/Lang22, § 3 Rz. 145 ff. 5 BVerfG v. 6.11.1985 – 1 BvL 47/83, BVerfGE 71, 146 (157). 6 BVerfG v. 19.4.1978 – 2 BvL 2/75, BStBl. II 1978, 548 (552); zu Einzelheiten Rz. 18.136 ff.
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Kapitel 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts A. Überblick . . . . . . . . . . . . . B. I. II. III. IV.
Völkerrechtliche Normen . . . Einführung . . . . . . . . . . . . Völkerrechtliche Verträge . . . Völkergewohnheitsrecht . . . Allgemeine Rechtsgrundsätze
. . . . .
C. Supranationale Normen (Unionsrecht) . . . . . . . . . . . D. Zur Normenhierarchie . . . . . I. Überblick . . . . . . . . . . . . II. Der Rang der allgemeinen Regeln des Völkerrechts . . . . III. Der Rang völkerrechtlicher Verträge . . . . . . . . . . . . . IV. Rang supranationaler Normen (Unionsrecht) . . . . . . . . . . E. I. II. 1. 2.
Europäisches Steuerrecht . . Einführung . . . . . . . . . . . Auslegungsgrundsätze . . . . Auslegung des Unionsrechts Unionsrechtskonforme Auslegung . . . . . . . . . . . . .
. . . .
. . . . . . . . .
. .
__ _ _ _ _ _ __ _ _ _ __ __ _ 3.1
3.4 3.4 3.6 3.11 3.14
3.15
3.20 3.20
3.22
3.23
3.27
3.45 3.45 3.56 3.56
3.60
III. Stand der Harmonisierung . . . 1. Direkte Steuern . . . . . . . . . . a) Harmonisierungskompetenz b) Fusionsrichtlinie . . . . . . . c) Mutter-Tochter-Richtlinie . . d) Zins- und LizenzgebührenRichtlinie . . . . . . . . . . . . e) Zinsrichtlinie . . . . . . . . . f) Schiedsverfahrenskonvention . . . . . . . . . . . . . . . g) Bilanzrichtlinien . . . . . . . . 2. Indirekte Steuern . . . . . . . . . a) Harmonisierungsauftrag . . . b) Umsatzsteuer-Richtlinien und MehrwertsteuersystemRichtlinie . . . . . . . . . . . . c) Verbrauchsteuer-Richtlinien/Systemrichtlinie . . . . 3. Steuerverfahrensrecht . . . . . . a) Harmonisierungskompetenz b) Amtshilferichtlinie . . . . . . c) Beitreibungsrichtlinie . . . . . d) Mehrwertsteuer-Zusammenarbeitsverordnung . . . . . . . e) Verbrauchsteuer-Zusammenarbeitsverordnung . . . . . . .
_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ __ _ _
3.63 3.63 3.63 3.66 3.70
3.74 3.77
3.79 3.82 3.87 3.87
3.90
3.97 3.102 3.102 3.104 3.107
3.111
3.113
Literatur Kommentare zu Art. 267, 288, 290 AEUV; §§ 2, 4 AO; Art. 6 EUV; Art. 25, 31, 59, 80 GG; Art. 28 OECD-MA; Auer, Neues zu Umfang und Grenzen der richtlinienkonformen Auslegung, NJW 2007, 1106; Bayer, Das Völkerrecht in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, StuW 1981, 61; Bleckmann, Zu den Auslegungsmethoden des Europäischen Gerichtshofs, NJW 1982, 1177; Bleckmann/Pieper, Die Maastricht-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, RIW 1993, 969; Böcking/Herold/Wiederhold, Modernisierung des HGB in Richtung IAS/IFRS, DK 2003, 394; Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 5. Aufl. München 2016; Classen, Zur Bedeutung von EWG-Richtlinien für Privatpersonen, EuZW 1993, 83; Cordewener, Juristische Auslegungsmethoden im Europäischen Mehrwertsteuerrecht, UR 2006, 673; Cordewener/Schnitger, Europarechtliche Vorgaben für die Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung im Wege der Anrechnungsmethode, StuW 2006, 50; Croxatto, Die Begrenzung der staatlichen Steuerhoheit durch internationales Gewohnheitsrecht, StuW 1964, 879; Dolfen, Nacherhebung, Erstattung und Erlass von Abgaben nach dem neuen Zollkodex, EuZW 1993, 754; Epiney, Unmittelbare Anwendbarkeit und objektive Wirkung von Richtlinien, DVBl. 1996, 409; Fischer, Europäisches Gemeinschaftsrecht und Steuerberatung in Deutschland, DStR 1993, 1928; Friedrich, Zollkodex und Abgabenordnung, StuW 1995, 15; Frotscher, Zur Zulässigkeit des „Treaty Override“, in Spindler/ Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 678; Frotscher, Treaty Override – causa finita?, IStR 2016, 561; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 6. Aufl. München 2013; Gosch, Über das Treaty Overriding, IStR 2008, 413; Götz, Europäische Gesetzgebung durch Richtlinien – Zusammenwirken von Gemeinschaft und Staat, NJW 1992, 1849; Grabitz, Das Verhältnis des Europarechts zum nationalen
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Kap. 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts Recht, DStJG 11 (1988), 33; Häde, Das Bundesverfassungsgericht und der Vertrag von Maastricht, BB 1993, 2457; Herdegen, Europarecht, 18. Aufl. München 2016; Herdegen, Völkerrecht, 15. Aufl. München 2016; Herlinghaus, Bedeutung und Reichweite der richtlinienkonformen Auslegung nationalen Rechts, Bonn 1997; Hirsch, Europäischer Gerichtshof und Bundesverfassungsgericht – Kooperation oder Konfrontation, NJW 1996, 2457; Hobe, Europarecht, 8. Aufl. München 2014; Hofmann, Zurück zu Solange II! Zum Bananenmarktordnungs-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, in Cremer/Giegerich/Richter/Zimmermann (Hrsg.), Tradition und Weltoffenheit, FS für Helmut Steinberger, Berlin u.a. 2002, 1207; Hummel, Anmerkung zum Beschluss des BVerfG vom 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, IStR 2016, 335; Ipsen, Völkerrecht, 6. Aufl. München 2014; Jarass, Haftung für die Verletzung von EU-Recht durch nationale Organe und Amtsträger, NJW 1994, 881; Jarass, Voraussetzungen der innerstaatlichen Wirkung des EG-Rechts, NJW 1990, 2420; Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 14. Aufl. München 2016; Kirchhof, Besteuerung nach Gesetz, in Drenseck/ Seer (Hrsg.), FS für Kruse, Köln 2001, 17; Kußmaul/Schwarz, Steuerrechtliche Grundlagen zum Phänomen des treaty overriding – gerichtliche Äußerungen und Würdigung, Ubg 2016, 464; Lang, Rechtsquellen und Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, DStJG 36 (2013), 7; Lehner, Treaty Override ist nicht verfassungswidrig – Anmerkung zum Beschluss des BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, IStR 2015, 217; Leisner, Abkommensbruch durch Außensteuerrecht?, RIW 1993, 1013; Mager, Die staatengerichtete Entscheidung als supranationale Handlungsform, EuR 2001, 661; Meilicke, Zur Bedeutung der richtlinienkonformen Auslegung für das deutsche Steuerrecht, BB 1992, 969; Michel, Zur Geltung und Wirksamkeit von Normen des Völkergewohnheitsrechts, Diss. Marburg 1990; Moran, Die Haftung der EG-Mitgliedstaaten für legislatives Unrecht, IStR 1993, 573; Müller, Die völkerrechtliche Zulässigkeit der Erstreckung der deutschen Steuerhoheit auf ausländische Tochtergesellschaften, Diss. München 1969; Musil, Deutsches Treaty Overriding und seine Vereinbarkeit mit Europäischem Gemeinschaftsrecht, Berlin 2000; Musil, Spielräume des deutschen Gesetzgebers bei der Verhütung grenzüberschreitender Steuerumgehung, RIW 2006, 287; Musil, Treaty Override nach der Entscheidung des BVerfG, FR 2016, 297; Nettesheim, Die Bananenmarkt-Entscheidung des EuGH: Europarecht und nationaler Mindestgrundrechtsstandard, Jura 2001, 686; Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 7. Aufl. München 2016; Ossenbühl, Gesetz und Recht – Die Rechtsquellen im demokratischen Rechtsstaat, in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Aufl. Heidelberg 2007, § 100 Rz. 1 ff.; Payandeh, Grenzen der Völkerrechtsfreundlichkeit, NJW 2016, 1279; Pechstein, Die Anerkennung der rein objektiven unmittelbaren Richtlinienwirkung, EWS 1996, 261; Pechstein, EU-Prozessrecht, 4. Aufl. Tübingen 2011; Pieper, Mitgliedstaatliche Haftung für die Nichtbeachtung von Gemeinschaftsrecht, NJW 1992, 2454; Rabe, Europäische Gesetzgebung – das unbekannte Wesen, NJW 1993, 1; Roth, Die richtlinienkonforme Auslegung, EWS 2005, 385; Rust, Rechtsfolgen EG-rechtswidriger Normen, IStR 2009, 382; Rust/Reimer, Treaty Override im deutschen Internationalen Steuerrecht, IStR 2005, 843; Sachs, Grundgesetz, 7. Aufl. München 2014; Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Köln 2015; Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts, Köln 1993, 35; Schönfeld, Doppelbesteuerung und EG-Recht, StuW 2006, 79; Seer, Grenzen der Zulässigkeit eines treaty overridings am Beispiel der Switch-over-Klausel des § 20 AStG, IStR 1997, 481; Seidl-Hohenveldern/Loibl, Das Recht der Internationalen Organisationen einschließlich der Supranationalen Gemeinschaften, 7. Aufl. Köln/Berlin/Bonn/ München 2000; Shannon, Die DBA der USA, München 1987; Spetzler, Wirkung und Einfluss des Rechts der Europäischen Gemeinschaft auf das nationale Steuerrecht, DB 1993, 553; Stein/v. Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl. München 2017; Stöber, Zur verfassungs- und europarechtlichen (Un-)Zulässigkeit von Treaty Overrides, DStR 2016, 1889; Streck/Olgemöller, Das Recht der Europäischen Gemeinschaft und seine Durchsetzung in der Steuerberaterpraxis, DStR 1993, 417; Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. München 2012; Streinz, Staatshaftung für die Verletzungen primären Gemeinschaftsrechts durch die Bundesrepublik Deutschland, EuZW 1993, 599; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I, 2. Aufl. Köln 2000; Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. Köln 2015; Vedder, Einwirkungen des Europarechts auf das innerstaatliche Recht und auf internationale Verträge der Mit-
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Kap. 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts gliedstaaten: die Regelung der Doppelbesteuerung, in Lehner/Thömmes u.a., Europarecht und Internationales Steuerrecht, München 1994, 1; Verdross, Entstehungsweisen und Geltungsgrund des universellen völkerrechtlichen Gewohnheitsrechts, ZaöRV 29 (1969), 635; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl. Berlin 1984 (Neudruck 2010); Vogel, Abkommensbindung und Missbrauchsabwehr, in Cagianut/Vallender (Hrsg.), Steuerrecht, Ausgewählte Probleme am Ende des 20. Jahrhunderts, FS für Höhn, Bern/Stuttgart/Wien 1995, 461; Vogel, Theorie und Praxis im Internationalen Steuerrecht, DStR 1968, 428; Vogel, Völkerrechtliche Verträge und innerstaatliche Gesetzgebung, IStR 2005, 29; Wassermeyer, Die Vermeidung der Doppelbesteuerung im Europäischen Binnenmarkt, DStJG 19 (1996), 151; Weber-Fas, Staatsverträge im Internationalen Steuerrecht, Tübingen 1982; Weber-Fas, Völkerrecht und Steuerhoheit, RIW 1979, 585.
A. Überblick 3.1
Die Besteuerung ist nur zulässig, sofern und soweit sie durch Gesetz angeordnet ist.
3.2
Das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung1 hat seine Wurzeln sowohl im Verfassungsrecht als auch in einfachen Gesetzen. Abgeleitet wird es aus Art. 2 Abs. 1 GG, wonach die freie Entfaltung der Persönlichkeit, insbesondere die ökonomische Handlungsfreiheit nur durch Gesetz eingeschränkt werden darf. Zur Handlungsfreiheit gehört auch das Grundrecht des Bürgers, nur aufgrund solcher Rechtsvorschriften zu Steuern herangezogen zu werden, die formell und materiell verfassungsgemäß sind und deshalb zur verfassungsmäßigen Ordnung gehören.2 Verfassungsrechtliche Grundlage ist weiterhin Art. 20 Abs. 3 GG, wonach die vollziehende Gewalt an Gesetz und Recht gebunden ist. Schließlich ergibt sich das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung auch aus der Abgabenordnung selbst; so aus § 3 Abs. 1 AO, wonach Steuern Geldleistungen sind, die allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; ferner aus § 38 AO, wonach die Entstehung des Steueranspruchs die Verwirklichung eines gesetzlichen Steuertatbestandes voraussetzt.3
3.3
Gesetz ist jede Rechtsnorm (§ 4 AO). Im Hinblick darauf, dass, entsprechend dem hier verwendeten Begriff des Internationalen Steuerrechts, hierzu alle Rechtsnormen gehören, die auslandsbezogene Sachverhalte erfassen, werden Rechtsnormen betroffen, die der Quelle nach entweder nationales oder internationales Recht sind. Zu diesen Rechtsnormen zählen: Förmliche Gesetze, Rechtsverordnungen, autonome Satzungen, völkerrechtliche Normen und supranationale
1 Hierzu Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 118 ff.; Hey in Tipke/Lang22, § 3 Rz. 230. 2 BVerfG v. 3.12.1958 – 1 BvR 488/57, BVerfGE 9, 3 (11); v. 14.12.1965 – 1 BvR 413/60, 1 BvR 416/60, BVerfGE 19, 206 (215 ff.); 226 (241); 242 (247); 248 (251); 253 (257); 268 (273); v. 13.12.1966 – 1 BvR 512/65, BVerfGE 21, 1 (3); v. 27.7.1971 – 2 BvF 1/68, 2 BvR 702/68, BVerfGE 31, 314 (333 f.). 3 Zu weiteren Einzelheiten Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 118 ff.; ferner P. Kirchhof in FS Kruse, 17 ff.
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B. Völkerrechtliche Normen
Normen.1 Im Internationalen Steuerrecht haben die völkerrechtlichen Normen und die supranationalen Normen (Unionsrecht) eine besondere Bedeutung.
B. Völkerrechtliche Normen I. Einführung Zu den Völkerrechtsnormen zählen völkerrechtliche Verträge, das völkerrechtliche Gewohnheitsrecht und die allgemeinen Rechtsgrundsätze der Kulturvölker.
3.4
Die drei vorgenannten völkerrechtlichen Rechtsquellen werden allgemein dem Art. 38 Abs. 1 des Statuts des Internationalen Gerichtshofs2 entnommen. Das IGH-Statut3 enthält als weitere Entscheidungsmaßstäbe richterliche Entscheidungen des IGH und anerkannte Lehrmeinungen. Indessen handelt es sich hierbei nicht um Rechtsnormen, sondern lediglich um Hilfsmittel zur Feststellung bereits existierender Völkerrechtsnormen.4
3.5
II. Völkerrechtliche Verträge Der völkerrechtliche Vertrag ist eine Willenseinigung zwischen Völkerrechtssubjekten, deren Gegenstand die Begründung oder Änderung völkerrechtlicher Rechte und Pflichten ist.5 Als Vertragsparteien können entweder zwei Völkerrechtssubjekte (bilaterale Verträge) oder mehrere Völkerrechtssubjekte (multilaterale Verträge) beteiligt sein.
3.6
Der Abschluss völkerrechtlicher Verträge erfolgt in aller Regel in einem mehrphasigen Verfahren. Hierbei ist wesentlich, dass an der Festlegung des Vertragstextes und der Herbeiführung seiner Verbindlichkeit verschiedene Organe der Vertragsparteien beteiligt sind. Zwischen dem Abschluss der Vertragsverhandlungen und der Erklärung, die dem Vertrag völkerrechtliche Verbindlichkeit verleiht, liegt nach dem Recht Deutschlands das parlamentarische Verfahren.
3.7
Nach den Regeln des Grundgesetzes lassen sich folgende Phasen unterscheiden:6
3.8
– Vertragsverhandlungen durch Vertreter, die eine Verhandlungsvollmacht des Bundespräsidenten haben, der nach Art. 59 Abs. 1 GG den Bund völkerrechtlich vertritt und allein befugt ist, völkerrechtliche Verträge abzuschließen. 1 Zu den Steuerrechtsnormen im Einzelnen Tipke, Die Steuerrechtsordnung2, Band I, 73 ff.; Englisch in Tipke/Lang22, § 5 Rz. 1 ff. 2 BGBl. II 1973, 505; zum IGH Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, Rz. 948 ff.; Heintschel von Heinegg in Ipsen, Völkerrecht6, Einl. Kap. 3 Rz. 1 ff. 3 Art. 38 Abs. 12 IGH-Statut. 4 Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht6, 78. 5 Zum Begriff Herdegen, Völkerrecht15, § 15 Rz. 1 ff. 6 Zu Einzelheiten Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 451 ff.; Stein/von Buttlar/ Kotzur, Völkerrecht14, Rz. 50 ff.; Heintschel von Heinegg in Ipsen, Völkerrecht6, § 11 Rz. 8 ff.
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Kap. 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts
– Annahme des Vertragstextes durch Zustimmung der Unterhändler. – Authentifizierung und damit endgültige Festlegung des Vertragstextes regelmäßig durch Paraphierung, d.h. Unterzeichnung des Vertragstextes durch die Unterhändler und ggf. zusätzliche Unterzeichnung durch jeweils ein Regierungsmitglied. Diese Paraphierung begründet keine völkerrechtliche Verpflichtung zur Annahme des Vertrages, sondern verpflichtet nur, den Vertrag in angemessener Zeit dem Parlament zur Entscheidung vorzulegen. – Die Bundesregierung fasst den Beschluss, den Vertrag im Bundestag zwecks Zustimmung durch Gesetz (Zustimmungsgesetz) einzubringen. Das Zustimmungsgesetz zum Vertrag (Art. 59 Abs. 2 GG) wird im Bundestag verabschiedet; der Bundesrat hat gegebenenfalls zuzustimmen (Art. 78 GG). – Die Ratifikation erfolgt durch den Bundespräsidenten. Durch Unterzeichnung der Ratifikationsurkunde wird erklärt, dass Deutschland den in dieser Urkunde wiedergegebenen Text vertragsgemäß einzuhalten gewillt ist und sich damit nunmehr völkerrechtlich für gebunden hält. – Schließlich erfolgt ein Austausch der Ratifikationsurkunden. Erst dadurch wird der Vertragspartner formell vom Willen des anderen ratifizierenden Staates in Kenntnis gesetzt, dass der Vertrag nunmehr völkerrechtlich verbindlich sein soll. Mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden beginnt also erst die völkerrechtliche Verbindlichkeit. Bei multilateralen Verträgen tritt die Verbindlichkeit erst zum Zeitpunkt der Hinterlegung der Ratifikationserklärung bei einer bestimmten Stelle ein. 3.9
Zu den bilateralen Völkerrechtsverträgen mit steuerrechtlichem Inhalt gehören insbesondere die DBA, Abkommen auf dem Gebiet der Rechts- und Amtshilfe und des Auskunftsaustauschs (InfAust) sowie Verträge mit verschiedenen Bündnispartnern und sonstige zwischenstaatliche Vereinbarungen.1 Hierzu gehören z.B. das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA über die von der Bundesrepublik Deutschland zu gewährenden Abgabenvergünstigungen für die von den USA im Interesse der gemeinsamen Verteidigung geleisteten Ausgaben vom 15.10.1954, ratifiziert durch das Offshore-Steuergesetz vom 18.8.1955,2 sowie das NATO-Truppenstatut vom 19.6.1951 und das Zusatzabkommen hierzu vom 3.8.1959.3
3.10
Zu den multilateralen Völkerrechtsverträgen mit steuerrechtlichem Inhalt zählen das Wiener Übereinkommen vom 18.4.1961 über die diplomatischen Beziehungen (WÜD),4 welches am 11.12.1964 für die Bundesrepublik Deutschland in Kraft getreten ist,5 ferner das Wiener Übereinkommen vom 24.4.1963 über konsularische Beziehungen (WÜK),6 das für die Bundesrepublik Deutschland seit
1 Hierzu der Überblick im BStBl. I 2016, 76. 2 BGBl. II 1955, 821, zuletzt geändert durch Gesetz v. 24.6.1976, BGBl. I 1975, 1509; DVO v. 23.3.1964, BGBl. I 1964, 224. 3 BGBl. II 1961, 1218. 4 BGBl. II 1964, 957. 5 BGBl. II 1965, 147. 6 BGBl. II 1969, 1585.
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B. Völkerrechtliche Normen
dem 7.10.1971 gilt1 sowie die auf der Grundlage des Art. 293 EG a.F. ergangene sog. Schiedsverfahrenskonvention.2
III. Völkergewohnheitsrecht Völkergewohnheitsrecht ist eine allgemeine ständige Übung der Staaten, die von der Überzeugung der beteiligten Staaten getragen ist, dass eine Rechtspflicht zu deren Befolgen besteht.3 Unter das Völkergewohnheitsrecht fallen insbesondere die allgemeinen Regeln des Völkerrechts, die gem. Art. 25 GG Bestandteil des Bundesrechts sind, den übrigen Gesetzen vorgehen und Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesgebietes erzeugen.
3.11
Art. 25 GG lässt offen, aus welcher völkerrechtlichen Rechtsquelle die allgemeinen Regeln des Völkerrechts gespeist werden. Der Wortlaut der Bestimmung, der insoweit keine Einschränkung enthält, deutet darauf hin, dass sowohl Gewohnheitsrecht, Vertragsrecht als auch allgemeine Rechtsgrundsätze zu diesen Rechtsquellen gehören. Indessen ergibt sich aus dem Verhältnis von Art. 25 GG einerseits zu Art. 59 Abs. 2 GG andererseits, dass völkerrechtliche Verträge als Rechtsquellen für die allgemeinen Regeln des Völkerrechts ausscheiden. Für die Einbeziehung von Völkervertragsrecht enthält nämlich Art. 59 Abs. 2 GG eine dem Art. 25 GG vorgehende Sonderregelung dahingehend, dass völkerrechtliche Verträge grundsätzlich durch die entsprechenden Vertragsgesetze zu innerstaatlichem Recht werden und damit lediglich Gesetzesrang haben.4 Im Hinblick darauf hat etwa die EMRK im Unterschied zur Rechtslage in anderen Staaten5 in Deutschland nur einfachgesetzlichen Rang.6
3.12
Als steuerrechtliches Völkergewohnheitsrecht7 hat sich das Verbot für jeden Staat herausgebildet, die Steuerpflicht aufgrund seiner Steuergesetze ohne jegliche räumliche oder persönliche Schranke auszudehnen. Hiernach dürfen also nur solche Sachverhalte der einseitigen steuerrechtlichen Regelung eines Staates un-
3.13
1 BGBl. II 1971, 1285; zu weiteren Einzelheiten zum WÜD und WÜK Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 11; Engelschalk in V/L6, Art. 28 OECD-MA Rz. 5 ff. 2 90/436/EWG v. 23.7.1990, ABl.EG Nr. L 225, 10 v. 20.8.1990; Änderungsprotokoll v. 25.5. 1999, ABl. EG Nr. C 202/1 v. 16.7.1999; Ergänzung ABl. EU Nr. C 160, 11 v. 30.6.2005; siehe ferner Rz. 3.79 ff., 19.114 ff. 3 Vgl. Art. 38 Abs. 16 IGH-Statut; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, Rz. 122 ff.; Heintschel von Heinegg in Ipsen, Völkerrecht6, § 17 Rz. 2 ff.; Herdegen, Völkerrecht15, § 16 Rz. 1 ff.; zu den wichtigsten Theorien, die zum Entstehen und zur rechtlichen Geltung von Völkergewohnheitsrecht vertreten werden Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 346 ff.; Verdross, ZaöRV 29 (1969), 635 ff.; Michel, Zur Geltung und Wirksamkeit von Normen des Völkergewohnheitsrechts. 4 BVerfG v. 26.3.1957 – 2 BvG 1/55, BVerfGE 6, 309 (363); v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 (316 f.); BFH v. 1.2.1989 – I R 74/86, BStBl. II 1990, 4; Herdegen in Maunz/Dürig, Art. 25 GG Rz. 20; Jarass in Jarass/Pieroth14, Art. 59 GG Rz. 19; Streinz in Sachs7, Art. 59 GG Rz. 63; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 5; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht6, 168 f. 5 Österreich, Schweiz, Frankreich, Spanien. 6 Vgl. zu den damit verbundenen Problemen Gerards, Die Europäische Menschenrechtskonvention im Konstitutionalisierungsprozess einer gemeinsamen Grundrechtsordnung, 2007, 132 ff. 7 Hierzu Croxatto, StuW 1964, 879 ff.
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Kap. 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts
terworfen werden, die eine tatsächliche Anknüpfung zum regelnden Staat aufweisen (genuine link).1
IV. Allgemeine Rechtsgrundsätze 3.14
Unter den allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Kulturvölker versteht man die übereinstimmenden Grundsätze, die sich aus dem innerstaatlichen Recht der Staaten entnehmen und auf internationale Sachverhalte übertragen lassen.2 Für das Internationale Steuerrecht sind jene allgemeinen Rechtsgrundsätze von Bedeutung, die allgemeine rechtslogische Regeln beinhalten. Hierzu gehören die Sätze „lex posterior derogat legi priori“, „lex specialis derogat legi generali“ sowie einige allgemeine Grundsätze materieller Natur, wie das Verbot des Rechtsmissbrauchs sowie der Grundsatz von Treu und Glauben.3
C. Supranationale Normen (Unionsrecht) 3.15
Supranationale Normen sind Rechtsnormen, die von zwischenstaatlichen Organisationen erlassen werden und die zu ihrer Wirksamkeit keiner Transformation in innerstaatliches Recht bedürfen; Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG gilt insoweit nicht.4 Derartige supranationale Normen beinhaltet das europäische Unionsrecht (Europarecht), das sich aus den sog. Integrationsverträgen5 ableitet. Von besonderer Bedeutung ist hierbei das primäre Unionsrecht (EUV/AEUV), dessen Bestimmungen unmittelbar anwendbar sind, soweit sie unbedingt sind und aufgrund ihrer inhaltlichen Bestimmtheit keiner weiteren Umsetzung bedürfen.6 Das sekundäre Unionsrecht wird auf der Grundlage von Primärrecht7 gesetzt, z.B. durch Verordnungen und Richtlinien. Während die Verordnungen sich an jedermann richten und im gesamten Unionsbereich unmittelbar geltendes Recht darstellen (Art. 288 Abs. 2 AEUV), sind Adressaten der Richtlinien lediglich die Mitglied1 BVerfG v. 22.3.1983 – 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343 (369); v. 14.5.1968 – 2 BvR 544/63, BVerfGE 23, 288 (309 f.); BFH v. 26.4.1963 – III 237/58 U, BStBl. III 1963, 413; v. 18.12. 1963 – I 230/61 S, BStBl. III 1964, 253; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 781 f.; Vogel, DStR 1968, 428 ff.; Weber-Fas, RIW 1979, 585 ff. 2 Vgl. Art. 38 Abs. 1 IGH-Statut; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 383; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht6, 89 ff.; Heintschel von Heinegg in Ipsen, Völkerrecht6, § 18 Rz. 1 ff. 3 Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, Rz. 163; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht6, 89. 4 Vgl. zum Folgenden Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 3.1 ff. 5 Ursprünglich EG-Vertrag; überarbeitet durch den am 7.2.1992 in Maastricht unterzeichneten Vertrag über die Europäische Union (EU-Vertrag); Zustimmungsgesetz v. 28.12. 1992, BGBl. II 1992, 1251; durch den Vertrag von Amsterdam v. 2.10.1997; Zustimmungsgesetz BGBl. II 1998, 387; durch den Vertrag von Nizza v. 26.2.2001, Zustimmungsgesetz BGBl. II 2001, 1667; und durch den Vertrag von Lissabon v. 13.12.2007, Zustimmungsgesetz BGBl. II 2008, 1038; im Überblick Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 2.1 ff. 6 Grundlegend EuGH v. 5.2.1963 – Rs. 26/62 – van Gend & Loos, Slg. 1963, 1 ff. (24 ff.) 7 Hierzu Schroeder in Streinz2, Art. 288 AEUV Rz. 23; Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht7, § 9 Rz. 64.
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C. Supranationale Normen (Unionsrecht)
staaten. Nach Art. 288 Abs. 3 AEUV ist jede Richtlinie für den Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Eine EU-Verordnung muss nicht mehr in nationales Recht umgesetzt werden, sodass sie insoweit unmittelbare Rechtsnormqualität hat.1 Sie ist unmittelbar verbindlich sowohl für Personen des Privatrechtes als auch für alle staatlichen Stellen.2 EU-Richtlinien sind demgegenüber grundsätzlich kein für den Unionsbürger unmittelbar wirkendes Recht. Etwas anderes gilt nur, wenn eine EU-Richtlinie von einem Mitgliedstaat nicht, nicht fristgemäß oder nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt worden ist: Sie erzeugt – soweit sie hinreichend bestimmt und unbedingt ist – für den Bürger unmittelbar geltendes Recht mit der Folge, dass sich dieser gegenüber dem Mitgliedstaat, der die Richtlinie nicht fristgemäß oder ordnungsgemäß umgesetzt hat, unter bestimmten Voraussetzungen im Einzelfall auf die Richtlinienregelung zu seinen Gunsten berufen kann.3 EU-Verordnungen haben besondere Bedeutung im Zollrecht.4 Im Bereich des Steuerrechts spielen sie nur eine geringe Rolle.5
3.16
Neben den EU-Verordnungen und EU-Richtlinien zählen auch noch Beschlüsse, Empfehlungen und Stellungnahmen zum sekundären Unionsrecht.6 Während Beschlüsse durchweg rechtsverbindliche Einzelfallregelungen sind,7 erzeugen Empfehlungen und Stellungnahmen keine verbindliche Wirkung.8 Im Steuerrecht haben Empfehlungen nur geringe Bedeutung erlangt. Entscheidungen steuerrechtlichen Inhalts sind ebenfalls bisher nur vereinzelt ergangen.9
3.17
1 Schroeder in Streinz2, Art. 288 AEUV Rz. 52; Hobe, Europarecht8, Rz. 388; Herdegen, Europarecht18, § 8 Rz. 40; Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht7, § 9 Rz. 75. 2 Schroeder in Streinz2, Art. 288 AEUV Rz. 57; Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht7, § 9 Rz. 78 ff. 3 EuGH v. 5.2.1981 – Rs. 154/80 – Genossenschaft, Slg. 1981, I-445; EuGH v. 2.2.1984, Rs. 70/83 – Kloppenburg, Slg. 1984, I-1075; EuGH v. 26.2.1986 – Rs. C-152/84 – Marshall, Slg. 1986, I-723; EuGH v. 27.6.1989 – Rs. C-50/88 – Kühne, Slg. 1989, I-1925; EuGH v. 25.5.1993 – Rs. C-193/91 – Mohsche, Slg. 1993, I-2615. 4 Z.B. der gemeinsame Zolltarif, Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates v. 23.7.1987, ABl. EG 1987 Nr. L 256, 1; sowie Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates v. 12.10. 1992 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl. EG Nr. L 302 v. 19.10.1992; Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 der Kommission mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl. EG Nr. L 253 v. 11.10.1993; nunmehr Unionszollkodex (UZK) VO (EU) Nr. 952/2013 des EU-Parlaments und des Rates vom 9.10.2013 zur Festlegung des Zollkodex der Union (UZK), ABl. EU 2013 Nr. L 169, 1; zu Einzelheiten Hohrmann in H/H/Sp, Einf. ZK Rz. 19 ff.; Rüsken in Dorsch, Zollrecht, Einf. Rz. 63 ff. 5 Vgl. MWSt-ZusammenarbeitsVO (VO [EU] Nr. 904/2010 v. 7.10.2010 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer, ABl. EU Nr. L 268 v. 12.10.2010, I. 6 Hierzu die Übersicht bei Ruffert in Calliess/Ruffert5, Art. 288 AEUV Rz. 15; Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht7, § 9 Rz. 113 ff. 7 Art. 288 Abs. 4 AEUV; hierzu Mager, EuR 2001, 661 ff. 8 Hierzu Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV Rz. 200 ff.; Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht7, § 9 Rz. 127. 9 Z.B. die Entscheidung des Rates 90/640/EWG v. 3.12.1990, ABl. EG Nr. L 349 v. 13.12. 1990, 19, aufgrund deren Deutschland ermächtigt wurde, abweichend von der 6. EGRichtlinie für Umsätze an die sowjetischen Truppen bis zu deren Abzug Steuerbefreiungen auszusprechen (UR 1991, 41).
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Kap. 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts
3.18
Neben primärem und sekundärem Unionsrecht als Hauptquellen des Unionsrechts ist das sog. Tertiärrecht von Bedeutung, das aufgrund sekundärrechtlicher Übertragung von Gesetzgebungsbefugnissen von Kommission und Rat erlassen wird (Art. 290 AEUV). Hierzu zählt auch die eingeräumte Ermächtigung an die Kommission, „nicht wesentliche“ Vorschriften des Sekundärrechts zu ergänzen oder zu ändern sowie Durchführungsbestimmungen zum Sekundärrecht zu erlassen (Art. 291 Abs. 2 AEUV).1 Darüber hinaus haben als Neben- oder Komplementärquellen über die bereits erwähnten Rechtsquellen hinaus noch Bedeutung: Entschließungen, Erklärungen, Kommuniqués und Mitteilungen.2
3.19
Der dem vorgenannten sekundären Unionsrecht als primäres Unionsrecht zugrunde liegende AEUV erzeugt partiell ebenfalls unmittelbar geltendes Recht, soweit dessen Bestimmungen self-executing sind.3 Zu den Bestimmungen, die dem Unionsbürger subjektive Rechte verleihen, gehören im Steuerrecht insbesondere die die Grundfreiheiten – Warenverkehrsfreiheit (Art. 28 ff. AEUV), Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 ff. AEUV), Niederlassungsfreiheit (Art. 49 ff. AEUV), Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 ff. AEUV), Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 ff. AEUV) – regelnden Normen des AEUV. Zum primären Unionsrecht zählen neben dem AEUV selbst z.B. auch der EURATOM-Vertrag, die entsprechenden Beitrittsverträge, Änderungen und Ergänzungen der Verträge, das Unionsgewohnheitsrecht, die Charta der Grundrechte der EU (GRCh)4 sowie die geschriebenen und ungeschriebenen allgemeinen Rechtsgrundsätze der Union.5
D. Zur Normenhierarchie I. Überblick 3.20
Das Normengefüge des Internationalen Steuerrechts stellt sich als eine gegliederte Rechtsordnung dar, innerhalb deren eine Normenhierarchie besteht, die den einzelnen Rechtsnormen eine bestimmte Rangstufung zuweist.6 Die Rangstufung der Rechtsnormen ist notwendig, weil nur so eine gesicherte Rechtsanwendung möglich ist. Eine Normenhierarchie ist nur zwischen völkerrechtlichen und innerstaatlichen sowie innerhalb innerstaatlicher Normen feststellbar. Eine Normenhierarchie innerhalb völkerrechtlicher Normen gibt es aus 1 Hierzu im Überblick Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV Rz. 31; Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht7, § 9 Rz. 19; Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 3.15 ff. 2 Hierzu Ruffert in Calliess/Ruffert5, Art. 288 AEUV Rz. 95 ff.; Nettesheim in Oppermann/ Classen/Nettesheim, Europarecht7, § 9 Rz. 145 ff. 3 Grundlegend EuGH v. 5.2.1963 – Rs. 26/62 – van Gend & Loos, Slg. 1963, 1 ff. (24 ff.); Herdegen, Europarecht18, § 8 Rz. 13. 4 Vgl. Art. 6 Abs. 1 EUV; Kingreen in Calliess/Ruffert5, Art. 6 EUV Rz. 12. 5 Solche sind: Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, Grundsatz des Verwaltungsschutzes, Grundsatz der Rechtssicherheit, Grundsatz des Verbots von Rückwirkungen belastender Rechtsakte, Grundsatz des rechtlichen Gehörs; vgl. hierzu die Hinweise bei Nettesheim in Oppermann/Classen/ Nettesheim, Europarecht7, § 9 Rz. 31 ff. 6 Vgl. zu Folgendem Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 4.1 ff.
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D. Zur Normenhierarchie
der Sicht des Völkerrechts im Grundsatz nicht, sodass Völkergewohnheitsrecht, völkerrechtliche Verträge und allgemeine Rechtsgrundsätze prinzipiell gleichrangig nebeneinanderstehen.1 Auf der Ebene der vorgenannten völkerrechtlichen Normen werden Konflikte allerdings durch die allgemeinen Konflikt vermeidenden Rechtsanwendungsregeln vermieden. So geht stets der besondere Rechtssatz dem allgemeinen (lex specialis derogat legi generali) und der spätere Rechtssatz dem früheren vor (lex posterior derogat legi priori). Für die völkerrechtliche Praxis hat das die bedeutsame Folge, dass ein völkerrechtlicher Vertrag regelmäßig völkerrechtliches Gewohnheitsrecht als spezielleres Recht verdrängt.2 Das gilt insbesondere dann, wenn ein völkerrechtlicher Vertrag ausdrücklich oder inzidenter bestehendes völkerrechtliches Gewohnheitsrecht kodifiziert.3
3.21
II. Der Rang der allgemeinen Regeln des Völkerrechts Nach Art. 25 Satz 2 GG gehen „allgemeine Regeln des Völkerrechts“, zu denen Völkergewohnheitsrecht und allgemeine Rechtsgrundsätze zählen,4 den „Gesetzen“ vor. Diese Bestimmung verankert den Vorrang der allgemeinen Regeln des Völkerrechts vor Bundesgesetzen oder Landesgesetzen. Im Falle der Kollision ist daher Bundes- und Landesrecht unanwendbar.5 Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts sind aber nicht mit Überverfassungsrang ausgestattet. Dies ergibt sich aus Art. 79 Abs. 3 GG, in dem Art. 25 GG nicht unter jenen Artikeln aufgeführt ist, die durch das Grundgesetz nicht geändert werden dürfen. Schließlich sieht Art. 100 Abs. 2 GG keine Kontrolle des Verfassungsrechts anhand allgemeiner Regeln des Völkerrechts vor. Allgemeine Regeln des Völkerrechts können daher nach Art. 25 GG nur insoweit Bestandteil der innerstaatlichen Rechtsordnung sein, als sie nicht dem Verfassungsrecht widersprechen. Das Verfassungsrecht hat somit gegenüber den allgemeinen Regeln des Völkerrechts den Vorrang.6 Die allgemeinen völkerrechtlichen Regeln sind daher im Rang zwischen den formellen Gesetzen und dem Grundgesetz angesiedelt.7
1 Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 413 f.; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht15, Rz. 159; Heintschel von Heinegg in Ipsen, Völkerrecht6, § 21 Rz. 1; da die allgemeinen Rechtsgrundsätze zumeist wenig konkret sind, kommen sie insoweit nur subsidiär und zur Lückenausfüllung völkerrechtlicher Verträge zur Anwendung; hierzu Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, Rz. 165 f.; Herdegen, Völkerrecht15, § 17 Rz. 5. 2 Zu Einzelheiten Heintschel von Heinegg in Ipsen, Völkerrecht6, § 21 Rz. 2 ff.; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, Rz. 153 f., 159. 3 So etwa durch das IStGH-Statut. 4 Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, Rz. 195 ff.; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht6, 159 f. 5 Streinz in Sachs7, Art. 25 GG Rz. 93. 6 BVerfG v. 26.3.1957 – 2 BvG 1/55, BVerfGE 6, 309 (363); v. 7.4.1965 – 2 BvR 227/64, BVerfGE 18, 441 (448); v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 (318); BFH v. 18.12.1963 – I 230/61 S, BStBl. III 1964, 253; v. 1.2.1989 – I R 74/86, BStBl. II 1990, 4; Herdegen in Maunz/Dürig, Art. 25 GG Rz. 7, 42 f. 7 Herdegen in Maunz/Dürig, Art. 25 GG Rz. 42; Streinz in Sachs7, Art. 25 GG Rz. 88; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht6, 159 f.; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, Rz. 201.
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3.22
Kap. 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts
III. Der Rang völkerrechtlicher Verträge 3.23
Völkerrechtliche Verträge stehen, da Art. 25 GG nicht gilt, durch Zustimmungsgesetz gem. Art. 59 Abs. 2 GG im Rang von Bundesgesetzen.1 Das gilt auch für völkerrechtliche Verträge auf dem Gebiet des Steuerrechts, und zwar auch dann, wenn sie allgemein geltende Rechtsgrundsätze enthalten. So hat z.B. die EMRK durch einfachgesetzliche Transformation2 lediglich den Rang eines einfachen Bundesgesetzes3, obwohl Art. 6 Abs. 3 EUV die in der EMRK verankerten Grundrechte als allgemeine Rechtsgrundsätze des Unionsrechts qualifiziert. Insoweit handelt es sich nämlich lediglich um eine unionsrechtliche Rechtserkenntisquelle und nicht etwa um eine Rechtsquelle mit der Folge, dass sie in der Normenhierarchie nicht in das mit Vorrang ausgestattete Unionsrecht aufsteigt.4 Das Grundgesetz geht in seiner prinzipiellen, insbesondere sich aus Art. 25 GG ergebenden Völkerrechtsfreundlichkeit nicht so weit, die Einhaltung bestehender völkerrechtlicher Verträge durch eine Bindung des Gesetzgebers an das ihnen entsprechende Recht zu sichern.5 Es überlässt vielmehr die Erfüllung der bestehenden völkerrechtlichen Vertragspflichten der Verantwortung des Gesetzgebers. Solange also nicht völkerrechtliche Verträge durch Zustimmungsgesetz Bestandteile der innerstaatlichen Rechtsordnung geworden sind (Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG), stellen sie keine Rechtsnormen dar. Insbesondere führt auch der völkerrechtlich anerkannte Grundsatz „pacta sunt servanda“ nicht dazu, dass ein völkerrechtlicher Vertrag, dem nicht durch ein förmliches Gesetz gem. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG zugestimmt wurde, als in innerstaatliches Recht überführt gilt.6
3.24
Im Hinblick darauf ist etwa § 2 Abs. 1 AO, der den Vorrang völkerrechtlicher Vereinbarungen, insbesondere von DBA, vor Steuergesetzen normiert, weitgehend leerläufig. § 2 Abs. 1 AO kann als einfaches Bundesgesetz die Rangregel des Art. 59 Abs. 2 GG nicht suspendieren.7 Die Regelung des § 2 Abs. 1 AO hätte – um konstitutive Wirkung entfalten zu können – mit qualifizierter Mehrheit (Art. 79 Abs. 2 GG) in das Grundgesetz zu Art. 25 GG eingeführt werden müssen.8 § 2 Abs. 1 AO
1 BVerfG v. 26.3.1957 – 2 BvG 1/55, BVerfGE 6, 309 (363); v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 (316 f.); BFH v. 1.2.1989 – I R 74/86, BStBl. II 1990, 4; v. 13.7.1994 – I R 120/93, BStBl. II 1995, 129; v. 17.5.1995 – I B 183/94, BStBl. II 1995, 781; v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, IStR 2016, 191 Rz. 33; Herdegen in Maunz/Dürig, Art. 25 GG Rz. 20; Streinz in Sachs7, Art. 59 GG, Rz. 63; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 5. 2 Gesetz v. 7.8.1952, BGBl. II 1952, 685, 953; BGBl. II 1954, 14. 3 BVerfG v. 29.5.1990 – 2 BvR 254/88, BVerfGE 82, 106 (120); v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307, v. 25.9.2009 – 2 BvR 1113/06, HFR 2010, 69. 4 Kingreen in Calliess/Ruffert5, Art. 6 EUV Rz. 7; Geiger in Geiger/Khan/Kotzur6, Art. 6 EUV Rz. 26; Jarass, GRCh2, Einl. Rz. 40 f.; Art. 52 GRCh Rz. 64; zur Rechtsquelle wird die EMRK erst durch den gem. Art. 6 Abs. 2 EUV vorgesehenen Beitritt der EU; vgl. hierzu Kerkmann-Wittzack, DÖV 2005, 152 ff. (153). 5 BVerfG v. 26.3.1957 – 2 BvG 1/55, BVerfGE 6, 309 (362 f.); v. 9.6.1971 – 2 BvR 225/69, BVerfGE 31, 145 (177 f.). 6 BVerfG v. 26.3.1957 – 2 BvG 1/55, BVerfGE 6, 309 (363); v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, IStR 2016, 191 Rz. 47; BFH v. 1.2.1989 – I R 74/86, BStBl. II 1990, 4; Seer, IStR 1997, 481 (483). 7 BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, IStR 2016, 191 Rz. 48. 8 Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 1; Seer, IStR 1997, 481 (484); zur Rechtslage im Ausland Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 203 ff.
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D. Zur Normenhierarchie
hat daher allenfalls deklaratorische Bedeutung.1 Indessen beruht diese nicht darauf, dass völkerrechtliche Verträge eingehalten werden müssen. Zwar ist der Satz „pacta sunt servanda“ eine grundlegende Bestimmung des Völkergewohnheitsrechts und zugleich eine allgemeine Regel des Völkerrechts,2 hierdurch werden die Normen der völkerrechtlichen Verträge selbst aber noch nicht in allgemeine Regeln des Völkerrechts mit Vorrang vor dem anderen innerstaatlichen Recht umgewandelt.3 Die deklaratorische Bedeutung des § 2 Abs. 1 AO lässt sich lediglich unter dem Gesichtspunkt einer völkerrechtsfreundlichen Auslegungsregel feststellen. Aus Art. 25 GG ergibt sich nämlich die grundsätzliche Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes4 mit der Folge, dass nationale Gesetze nach Möglichkeit so auszulegen sind, dass ein Konflikt mit völkerrechtlichen Verpflichtungen nicht entsteht.5 Das ändert aber nichts daran, dass entsprechend dem Lex-posterior-Grundsatz nachfolgendes ranggleiches innerstaatliches Recht ältere völkervertragliche Regelungen im Umfang des Widerspruchs außer Kraft setzt, es sei denn, die ältere Regelung ist spezieller als die jüngere.6 In diesem Zusammenhang entfaltet § 2 Abs. 1 AO dadurch Bedeutung, dass er dem Lex-specialis-Grundsatz gegenüber dem Lex-posterior-Grundsatz Vorrang einräumt,7 so dass insoweit die (normtechnische) Spezialität insbesondere von DBA geklärt ist. Dieses Spezialverhältnis kann allerdings – verfassungsrechtlich zulässig –8 durch ein innerstaatliches Gesetz suspendiert werden, soweit ein dahingehender Gesetzesbefehl hinreichend deutlich wird.9 Das ist in all jenen Fällen so, in denen sich der Gesetzgeber der Formulierung „ungeachtet des Abkommens“ bedient. Hieraus folgt, dass bei einem bloß normativen Widerspruch zwischen völkerrechtlichem Vertrag und innerstaatlichem Recht der völkerrechtliche Vertrag als spezielleres Recht entsprechend § 2 Abs. 1 AO Vorrang hat. Das gilt unabhängig davon, ob das betreffende innerstaatliche Recht vor oder nach dem völkerrechtlichen Vertrag geschaffen worden ist.10 Enthält allerdings das abweichende innerstaatliche Recht eine Treaty-overriding-Klausel („ungeachtet des Abkommens“), wird das innerstaatliche Recht gegenüber dem völkerrechtlichen Vertrag zum spezielleren Recht, und zwar auch gegenüber späteren völkervertraglichen Regeln.11 Jede andere Aus1 Kritisch unter dem Gesichtspunkt der Normenwahrheit Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 1. 2 BVerfG v. 26.3.1957 – 2 BvG 1/55, BVerfGE 6, 309 (363); v. 9.6.1971 – 2 BvR 225/69, BVerfGE 31, 145 (178); BFH v. 1.2.1989 – I R 74/86, BStBl. II 1990, 4; vgl. auch Art. 26 WÜRV. 3 BVerfG v. 26.3.1957 – 2 BvG 1/55, BVerfGE 6, 309 (363); v. 9.6.1971 – 2 BvR 225/69, BVerfGE 31, 145 (177 f.); v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, IStR 2016, 191 Rz. 47; BFH v. 1.2. 1989 – I R 74/86, BStBl. II 1990, 4. 4 BVerfG v. 26.3.1957 – 2 BvG 1/55, BVerfGE 6, 309 (362); v. 31.3.1987 – 2 BvM 2/86, BVerfGE 75, 1 (17); v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 (317). 5 BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, IStR 2016, 191 Rz. 71. 6 BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, IStR 2016, 191 Rz. 50; hierzu Lehner, IStR 2016, 217; Frotscher, IStR 2016, 561; Hummel, IStR 2016, 335. 7 Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 6b. 8 BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, IStR 2016, 191. 9 BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, IStR 2016, 191 Rz. 50, 72; Nettesheim in Mauz/Dürig, Art. 59 GG Rz. 187; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 6b. 10 Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 6b; Frotscher, IStR 2016, 561 (562). 11 BFH v. 25.5.2016 – I R 64/13, DStR 2016, 2087; Schwarz, Treaty overriding und § 50d EStG, 287 f.; Frotscher, IStR 2016, 561 (565 ff.); Trinks/Frau, IWB 2016, 308 (311); a.A. Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 6b; Gosch, DB 2016, M5; Stöber, DStR 2016, 1889 (1893).
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Kap. 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts
legung der Treaty-overriding-Klausel würde zu einem Höchstmaß an Rechtsunsicherheit führen.1 Im Hinblick darauf sollte die Formulierung aus Gründen der Klarstellung lauten: „ungeachtet gegenwärtiger und zukünftiger Abkommen“. Treaty-overriding-Gesetze als Eingriffe des nationalen Gesetzgebers in geltende völkerrechtliche Verträge,2 etwa DBA, stellen völkerrechtswidrige Vertragsverletzungen dar,3 die gem. Art. 60 WÜRV zu einer Kündigung oder einseitigen Beendigung des Vertrags durch den anderen Vertragspartner führen können.4 Eine Verletzung des AEUV ist indessen nicht gegeben.5 3.25
Ein derartiges Treaty Overriding ist in der internationalen Vertragspraxis von DBA nicht selten anzutreffen. Es wird zunehmend auch durch den deutschen Gesetzgeber insofern betrieben, als in einzelne Normen von DBA eingegriffen wird. Auch wenn derartige Vertragsverstöße6 nach innerstaatlichem deutschen Recht zulässig sind,7 führen sie doch zu einer Störung der auf der Grundlage bi- und multilateraler Verträge angelegten internationalen Zusammenarbeit, die gerade von Deutschland z.B. im Bereich des internationalen Auskunftsaustauschs seit Jahren forciert wird (Rz. 22.55 ff.). Im Übrigen bedeutet es einen Affront gegenüber jenen Vertragsstaaten, denen aus Gründen ihres nationalen Rechts ein Treaty overriding versagt bleibt8 und somit vertragstreu bleiben müssen. Im Hinblick darauf sollte ein Treaty overriding ultima ratio bleiben.9
3.26
Sollte kein eindeutiges Spezialitätenverhältnis festgestellt werden können, ist entsprechend dem Verfassungsgebot der völkerrechtsfreundlichen Auslegung derjenigen Auslegungsmöglichkeit der Vorzug zu geben, die die innerstaatliche Wirksamkeit der völkervertraglichen Regelung aufrechterhält.10
1 Zu Einzelheiten Frotscher, IStR 2016, 561 (565 ff.). 2 Gesetzestechnisch handelt es sich um die Aufhebung oder inhaltliche Änderung des Zustimmungsgesetzes; vgl. BFH v. 13.7.1994 – I R 120/93, BStBl. II 1995, 129; BFH v. 17.5. 1995 – I B 183/94, BStBl. II 1995, 781; Anm. F.W., IStR 1995, 483, aus der Sicht des Völkerrechts handelt es sich um einen Vertragsbruch. 3 Musil, RIW 2006, 287 (288). 4 Vgl. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, IStR 2016, 191 Rz. 63; Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 197; Vogel in FS Höhn, 1995, S. 461 ff. 5 EuGH v. 6.12.2007 – Rs. C-298/05 – Columbus Container, Slg. 2007, I-10454; anders für den Fall, dass der Lex-posterior-Grundsatz Geltung behält: Stöber, DStR 2016, 1889 (1893). 6 Zu Fällen des Treaty overriding Frotscher in FS Schaumburg, 2009, S. 687 ff.; Gosch, IStR 2008, 413 ff. 7 BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, IStR 2016, 191. 8 So z.B. in Frankreich, Niederlande, Luxemburg, Schweiz. 9 Vgl. Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 45b; Lehner, IStR 2016, 217 (219); Musil, FR 2015, 297 (302); Payandeh, NJW 2016, 1279 (1281). 10 BVerfG v. 26.3.1957 – 2 BvG 1/55, BVerfGE 6, 309 (362); v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 (316 f.); v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, IStR 2016, 191 Rz. 71; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 5.
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D. Zur Normenhierarchie
IV. Rang supranationaler Normen (Unionsrecht) Der Rang supranationaler Normen1 innerhalb der Normenhierarchie2 des Internationalen Steuerrechts hängt im Wesentlichen davon ab, welche Wirkung den supranationalen Normen zukommt.3 Handelt es sich um Normen, die sich von ihrem Inhalt her an die einzelnen Staaten wenden und diese Staaten lediglich verpflichten, etwa durch staatliche Akte ihre innerstaatliche Gesetzgebung in bestimmter Weise zu ergänzen oder zu ändern,4 so schaffen diese Normen durchweg nicht unmittelbar auch gegenüber dem Bürger anwendbares Recht,5 sind also non self executing.6 Bei diesen Normen stellt sich die Frage nach dem Rangverhältnis grundsätzlich nicht.7 Innerstaatliche Normen, die aufgrund einer derartigen verpflichtenden supranationalen Norm erlassen werden, haben im innerstaatlichen Recht hinsichtlich Dauer und Grad ihrer Wirksamkeit keine bevorzugte Stellung gegenüber gleichartigen innerstaatlichen Normen.8
3.27
Die Bestimmungen des EUV und des AEUV beanspruchen allerdings unmittelbare Geltung, soweit sie den Unionsbürgern subjektive Rechte verleihen9. In Art. 288 Abs. 2 AEUV ist zudem die unmittelbare Wirkung von EU-Verordnungen normiert. Eine vergleichbare Regelung für EU-Richtlinien findet sich nicht. Hieraus folgt indessen nicht, dass EU-Richtlinien keine den EU-Verordnungen vergleichbare verbindliche Wirkung erzielen können. So ist eine EU-Richtlinie für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet ist, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich. Sie überlässt den nationalen Gesetzgebungsorganen lediglich die Wahl der Form und der Mittel.10 Die Mitgliedstaaten sind daher nicht berechtigt, von EU-Richtlinien einseitig abzuweichen und auf den von den EU-Richtlinien geregelten Gebieten mitgliedstaatliche Rechtsvorschriften anderen Inhalts zu erlassen.11 Bei ent-
3.28
1 Zum Unionsrecht als supranationales Recht Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV Rz. 38. 2 Zur Normenhierarchie innerhalb des Unionsrechts und im Verhältnis zum nationalen Recht Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 4.1 ff. 3 Zu den einzelnen Normengruppen des EU-Rechts Nettesheim in Oppermann/Classen/ Nettesheim, Europarecht7, § 9 Rz. 19 ff.; Hobe, Europarecht8, Rz. 363 ff.; Herdegen, Europarecht18, § 8 Rz. 1 ff.; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht6, 218 ff.; Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 3.1 ff. 4 Art. 288 Abs. 3 AEUV für EU-Richtlinien. 5 Die EuGH-Judikatur verwendet den Begriff „unmittelbare Wirkung“; zu weiteren terminologischen Differenzierungen Grabitz, DStJG 11 (1988), 33 (38 f.). 6 Hierzu Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, Rz. 185 ff., 203 speziell zu EU-Richtlinien. 7 Bei Verstoß gegen die Umsetzungspflicht erzeugen EU-Richtlinien indessen unter bestimmten Voraussetzungen unmittelbare Wirkung mit der Folge, dass sie sodann Teil der Normenhierarchie werden; zu Einzelheiten Schroeder in Streinz2, Art. 288 AEUV Rz. 101 ff.; ferner nachfolgend Rz. 3.36 ff. 8 Seidl-Hohenveldern/Loibl, Das Recht der Internationalen Organisationen einschließlich der Supranationalen Gemeinschaften, Rz. 1721; Götz, NJW 1992, 1849 (1852). 9 So z.B. die Grundfreiheiten; vgl. Classen in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht7, § 22 Rz. 1 ff. 10 Art. 288 Abs. 3 AEUV. 11 Sog. negative Sperrwirkung oder Stand-still-Effekt; Nettesheim in Oppermann/Classen/ Nettesheim, Europarecht7, § 9 Rz. 98; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht6, 219; Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 4.58.
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Kap. 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts
sprechenden Verstößen kann die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren (Art. 258 AEUV) einleiten. 3.29
Solange die Umsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist,1 entfaltet die EU-Richtlinie grundsätzlich keine unmittelbare Wirkung für den Unionsbürger. Das Gleiche gilt, sobald die Richtlinie in vollem Umfang ordnungsgemäß umgesetzt wurde. In diesem Fall gehen die unmittelbaren Wirkungen von den seitens des jeweiligen Mitgliedstaates erlassenen Umsetzungsmaßnahmen aus.2 Insoweit erlangen EU-Richtlinien keinen formellen Rang im nationalen Recht. Sie sind damit grundsätzlich auch nicht Glied der Normenhierarchie.
3.30
Solange indessen eine EU-Richtlinie nach Ablauf der Umsetzungsfrist nicht oder nicht ordnungsgemäß umgesetzt worden ist, kann sich jeder Bürger auf diese EURichtlinie zu seinen Gunsten3 berufen, sofern die Bestimmungen in der EU-Richtlinie inhaltlich unbedingt und hinreichend genau erscheinen und sie zu ihrer Anwendung keines Ausführungsaktes mehr bedürfen.4 In diesem Fall erlangt die EU-Richtlinie eine gegenüber dem nationalen Recht mit Vorrang5 ausgestattete unmittelbare Wirkung, sodass einzelnen Bürgern nicht entgegengehalten werden kann, die EU-Richtlinie sei noch nicht oder abweichend umgesetzt worden. Eine unmittelbare Richtlinienwirkung kommt unter den vorgenannten Voraussetzungen allerdings dann nicht in Betracht, wenn subjektiv-öffentliche Rechte von Unionsbürgern keine Rolle spielen.6 Die unmittelbare Wirkung der Richtlinien beruht damit letztlich auf Rechtsschutzgesichtspunkten zugunsten des einzelnen Bürgers (Mindestgarantie) und Sanktionsaspekten zulasten der Mitgliedstaaten,7 die in Entschädigungsansprüchen geschädigter Bürger gegen den betreffenden Mitgliedstaat (Staatshaftung) einmünden können.8 1 Während der Umsetzung dürfen keine Vorschriften erlassen werden, die geeignet sind, die Erreichung des in der betreffenden Richtlinie vorgeschriebenen Ziels ernstlich infrage zu stellen; EuGH v. 18.12.1997 – Rs. C-129/96 – Wallonie, Slg. 1997, I-7411; v. 22.11.2005 – Rs. C-144/04 – Mangold, Slg. 2005, I–9981; vgl. hierzu Frenz, EWS 2011, 33 ff. 2 EuGH v. 19.1.1982 – Rs 8/81 – Becker, Slg. 1982, 53 (70). 3 Eine unmittelbare Wirkung zulasten des Unionsbürgers ist ausgeschlossen, EuGH v. 12.5.1987 – Rs. 372/374/85 – Traen, Slg. 1987, I-2141; EuGH v. 8.10.1987 – Rs. 80/86 – Kolpinhuis, Slg. 1987, 3982; EuGH v. 3.5.2005 – Rs. C-387/02 u.a. – Berlusconi, Slg. 2005, I-3565; zu weiteren Einzelheiten insbesondere bei EU-Richtlinien mit Doppelwirkung, Classen, EuZW 1993, 83 ff. 4 EuGH v. 5.2.1981 – Rs. 154/80 – Genossenschaft, Slg. 1981, I-445; EuGH v. 25.5.1993 – Rs. C-193/91 – Mohsche, Slg. 1993, I-2615; zu den Voraussetzungen im Einzelnen Jarass, NJW 1990, 2420 (2422 f.); Classen, EuZW 1993, 83 ff.; ferner Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 49. 5 EuGH v. 22.2.1984 – Rs. C-70/83 – Kloppenburg, Slg. 1984, 1075; EuGH v. 26.2.1986 – Rs. 152/84 – Marshall, Slg. 1986, 723; EuGH v. 14.7.1988 – Rs. 207/87 – Weissgerber, Slg. 1988, 4433; aus der Rspr. des BFH: BFH v. 11.10.2012 – V R 9/10, DStR 2012, 2331; v. 24.10.2013 – V R 17/13, MwStR 2014, 166. 6 EuGH v. 11.8.1995 – Rs. C-431/92 – Kommission/Bundesrepublik Deutschland, Slg. 1995, I-2189/2220; zur objektiven unmittelbaren Richtlinienwirkung Epiney, DVBl. 1996, 409 ff.; Pechstein, EWS 1996, 261 ff. 7 Ausführlich hierzu Jarass, NJW 1990, 2420 (2422). 8 EuGH v. 19.11.1991 – Rs. C-6/90 und C-9/90 – Francovich, Slg. 1991, I-5403 bei Richtlinienverstoß; v. 30.9.2003 – Rs. C-224/01 – Köbler, Slg. 2003, I-10239; v. 5.3.1996 – Rs. C-46/93 und C-48/93 – Brasserie du Pêcheur, Slg. 1996, I-1029 bei Grundfreiheitsverstoß; vgl. auch EuGH v. 12.12.2006 – Rs. C-446/04 – Test Claimants in the FII Group Litigation, Slg. 2006, I-11753; v. 23.4.2008 – Rs. C-201/05 – Test Claimants in the CFC and Dividend
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Schaumburg
D. Zur Normenhierarchie
Normativ ergibt sich das Recht des Unionsbürgers, sich auf die unmittelbare Wirkung der EU-Richtlinie zu berufen, aus Art. 288 Abs. 3 AEUV i.V.m. Art. 4 Abs. 3 EUV. Hieraus folgt, dass z.B. die Finanzverwaltung verpflichtet ist, die Vorschriften der Richtlinie ggf. entgegen den damit nicht im Einklang stehenden nationalen Rechtsvorschriften zugunsten des Bürgers anzuwenden.1 Da EU-Richtlinien nur die nationalen Gesetzgebungsorgane verpflichten (Art. 288 Abs. 3 AEUV), darf die Finanzverwaltung demgegenüber die EU-Richtlinien nicht zulasten des Bürgers anwenden.2
3.31
Die innerstaatlichen Gerichte haben bei der Auslegung der nationalen Durchführungsregelungen auf den Inhalt der EU-Richtlinien abzustellen,3 und zwar auch dann, wenn die Voraussetzungen der unmittelbaren Wirkung nicht vorliegen.4 Diese Verpflichtung findet ihre Schranken allerdings in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen, die Teil des Unionsrechts sind, und zwar insbesondere in dem Grundsatz der Rechtssicherheit und im Rückwirkungsverbot.5
3.32
Im Verhältnis zu den nationalen Gerichten hat der EuGH die abschließende Entscheidungsbefugnis über die Auslegung des AEUV und über die Gültigkeit und die Auslegung der EU-Richtlinien (Art. 267 AEUV). Dagegen entscheidet der EuGH weder über nationales Recht noch über die Vereinbarkeit nationaler Rechtsvorschriften mit dem Unionsrecht.6 Indessen überprüft grundsätzlich (s. Rz. 3.42 f.) aber auch nicht das BVerfG die Vereinbarkeit des Unionsrechts mit den Grundrechten des Grundgesetzes.7 Deshalb werden innerstaatliche Rechtsvorschriften, die EU-Richtlinien umsetzen, nicht an den Grundrechten gemessen, wenn das Unionsrecht keinen Umsetzungsspielraum lässt.8
3.33
Ist die Frage der Gültigkeit oder Auslegung von EU-Richtlinien entscheidungserheblich, können die nationalen Instanzgerichte diese Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorlegen (Art. 267 Abs. 2 AEUV). Das Vorlageverfahren wird
3.34
1 2
3 4
5 6 7 8
Group Litigation, HFR 2008, 985; BGH v. 24.10.1996 – III ZR 127/91, EuZW 1996, 761; hierzu im Überblick Hobe, Europarecht8, Rz. 569 ff. und Schaumburg in Schaumburg/ Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 24.36 ff. EuGH v. 22.6.1989 – Rs. C-103/88 – Fratelli Constanzo, Slg. 1989, I-1839; Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 3.11. EuGH v. 12.5.1987 – Rs. 372/374/85 – Traen, Slg. 1987, I-2141; v. 8.10.1987 – Rs. 80/86 – Kolpinghuis, Slg. 1987, 3969 (3982); Jarass, NJW 1990, 2420 (2421); hierdurch darf es aber nicht zu überschießenden Begünstigungsregelungen kommen; so BFH v. 7.7.2011 – V R 36/10, BFH/NV 2011, 2192. BVerfG v. 8.4.1987 – 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223 (242 ff.); EuGH v. 8.10.1987 – Rs. 80/86 – Kolpinghuis, Slg. 1987, 3969 (3982). EuGH v. 10.4.1984 – Rs 14/83 – Colson, Slg. 1984, 1891; v. 8.10.1987 – Rs. 80/86 – Kolpinghuis, Slg. 1987, 3969 (3986); v. 20.9.1988 – Rs. 31/87 – Beentjes, Slg. 1988, 4635 (4662); BVerfG v. 8.4.1987 – 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223 (237 ff.); BFH v. 28.9.1988 – X R 6/82, BStBl. II 1989, 122; v. 20.1.1988 – X R 48/81, BStBl. II 1988, 557; v. 11.3.1988 – V R 30/84, BStBl. II 1988, 643. EuGH v. 8.10.1987 – Rs. 80/86 – Kolpinghuis, Slg. 1987, 3969 (3982). EuGH v. 3.10.1985 – Rs. 249/84 – Profant, Slg. 1985, 3250. BVerfG v. 22.10.1986 – 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339; v. 7.6.2000 – 2 BvL 1/97, BVerfGE 102, 147; hierzu Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht7, § 10 Rz. 15 ff. BVerfG v. 4.10.2011 – 1 BvL 3/08, BFH/NV 2011, 2220.
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Kap. 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts
durch einen Vorlagebeschluss des Gerichts eingeleitet.1 Letztinstanzliche Gerichte sind gem. Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Vorlage an den EuGH verpflichtet, es sei denn, die richtige Anwendung des Unionsrechts ist derart offenkundig, dass keinerlei Raum für einen vernünftigen Zweifel verbleibt.2 3.35
Die letztinstanzlichen deutschen Gerichte machen inzwischen3 von der Vorlage an den EuGH regen Gebrauch.4 Dies beruht letztlich darauf, dass der EuGH gesetzlicher Richter i.S. des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist5 und eine Verletzung der Vorlagepflicht zur Folge hätte, dass dem Kläger der gesetzliche Richter entzogen würde, was im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde gerügt werden könnte.6 Dem Gebot, vorrangig auf Unionsrecht abzustellen, wird in der Gerichtspraxis schließlich auch im Rahmen der Auslegung entsprochen. Denn alle Normen, die einen europarechtlichen Bezug aufweisen, insbesondere die aufgrund einer Richtlinie ergangen sind, sind in Orientierung an die Grundfreiheiten7 unionsrechtskonform (Rz. 3.60 ff.), also primärrechtskonform und/oder richtlinienkonform (Rz. 3.61 f.) auszulegen. Die Pflicht zur unionsrechtskonformen Auslegung8 trifft nicht nur die Gerichte9 und die Verwaltung,10 sie ist auch Beraterpflicht.11
3.36
Soweit supranationale Normen unmittelbare Wirkung im innerstaatlichen Recht beanspruchen, also die Bestimmungen des AEUV, soweit sie den Unionsbürgern, wie etwa die Grundfreiheiten, subjektive Rechte verleihen, EU-Verordnungen und nicht fristgemäß oder ordnungsgemäß umgesetzte EU-Richtlinien, ergibt sich die entsprechende Rangregel aus Art. 23 Abs. 1 GG.12 Diese Bestimmung be1 Zum Vorlageverfahren Karpenstein in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 267 AEUV Rz. 13 ff.; im Überblick Pechstein, EU-Prozessrecht4, Rz. 740; Seer in T/K, EuR Rz. 30 ff.; Oellerich in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 5.1. 2 EuGH v. 6.10.1982 – Rs. 283/81 – C.I.L.F.I.T, Slg. 1982, 3415; hierzu Karpenstein in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 267 AEUV Rz. 51 ff. („acte claire“); vgl. auch BFH v. 10.1.2007 – I R 87/03, BStBl. II 2008, 22; v. 29.1.2008 – I R 85/06, BStBl. II 2008, 671; v. 18.11.2008 – VIII R 2/06, BFH/NV 2009, 731. 3 Kritisch zur früheren Gerichtspraxis Meilicke, BB 1992, 969 (969); Spetzler, DB 1993, 553 (554 f.). 4 Das gilt allerdings nicht in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 69, 114 FGO); vgl. BFH v. 30.12.1996 – I B 61/96, BStBl. II 1997, 466; v. 17.12.1997 – I B 108/97, BStBl. II 1998, 558; v. 5.2.2001 – I B 140/00, BStBl. II 2001, 598, v. 29.11.2007 – I B 181/07, BStBl. II 2008, 195; hierzu Seer in T/K, § 69 FGO Rz. 99. 5 EuGH v. 6.10.1982 – Rs. 283/81 – C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, 3415; BVerfG v. 22.10.1986 – 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339 (336 ff.); v. 31.5.1990 – 2 BvL 12/88, 2 BvL 13/88, 2 BvR 1436/87, BVerfGE 82, 159 (194 ff.). 6 BVerfG v. 9.1.2001 – 1 BvR 1036/99, NJW 2001, 1267; v. 9.2.2010 – 2 BvR 1178/07, NJW 2010, 2419. 7 Insbesondere Art. 49, 54 AEUV (Niederlassungsfreiheit); Art. 57 AEUV (Dienstleistungsfreiheit); Art. 63 AEUV (Kapitalverkehrsfreiheit). 8 Zur unionsrechtskonformen Auslegung im einzelnen Kofler in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 13.9 ff. 9 EuGH v. 6.10.1982 – Rs. C-283/81 – C.I.L.F.I.T, Slg. 1982, 3415; v. 8.10.1987 – Rs. C-80/86 – Kolpinhuis, Slg. 1987, 3969 (3982). 10 EuGH v. 22.6.1989 – Rs. C-103/88 – Fratelli Constanze, Slg. 1989, I-1839. 11 Meilicke. BB 1992, 969 (974); Streck/Olgemöller, DStR 1993, 417 ff.; Fischer, DStR 1993, 1928 ff. 12 Art. 23 Abs. 1 GG ist lex specialis zu Art. 24 Abs. 1 GG; zur Funktion des Art. 23 (Art. 24) GG Grabitz in DStJG 11 (1988), S. 33 (39 f.).
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D. Zur Normenhierarchie
sagt nicht nur, dass eine Übertragung von Hoheitsrechten zulässig ist, sondern auch, dass Normen der Organe der zwischenstaatlichen Einrichtungen vom ursprünglich ausschließlichen Hoheitsträger anzuerkennen sind und kraft dieser Anerkennung entgegenstehendes nationales Recht überlagern und verdrängen.1 Das gilt auch gegenüber völkerrechtlichen Verträgen und allgemeinen Regeln des Völkerrechts, die nach Maßgabe des Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG bzw. gem. Art. 25 GG Bestandteil der nationalen Rechtsordnung sind. Da sich das Unionsrecht ohnehin an den allgemeinen Regeln des Völkerrechts orientiert und zudem auch im Lichte des Völkerrechts auszulegen ist,2 kommt diesem Rangverhältnis keine besondere Bedeutung zu.3 Obwohl weder das GG noch der EUV und der AEUV (eindeutige) Regelungen über etwaige Normenkollisionen zwischen Unionsrecht und (deutschem) nationalem Recht enthalten, ist der Vorrang des Unionsrechts heute4 im Grundsatz unstreitig.5 Aus europarechtlicher Sicht folgt die Vorrangstellung des Unionsrechts aus der Notwendigkeit, die insbesondere in Art. 4 Abs. 3 EUV angeführten Vertragsziele zu erreichen und die Diskriminierungsverbote (Art. 18 AEUV) durchzusetzen.6 Neben dieser teleologischen Begründung ergibt sich die Vorrangstellung des Unionsrechts mittelbar auch aus Art. 288 Abs. 2 Satz 2 AEUV, wonach Verordnungen als Sekundärrecht verbindlich sind und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat Geltung haben. Diese Regelung ginge ins Leere, wenn sie durch nationales Recht überspielt werden könnte, wodurch die EU ihre Rechtsgrundlage verlöre.7
3.37
Im Falle der Kollision von Unionsrecht und nationalem Recht8 gilt daher Folgendes: Das Unionsrecht hat stets Vorrang vor dem nationalen Recht, und zwar unabhängig davon, ob es sich hierbei um Bundes-, Landes- oder Kommunalrecht handelt.9 Hierbei spielt es keine Rolle, welchen Rang die betreffende Norm innerhalb der Normenhierarchie des Unionsrechts einnimmt. Ebenso wenig ist von Bedeutung, auf welcher Rangstufe die kollidierenden Normen des nationalen Rechts angesiedelt sind.10 Das bedeutet, dass Primär-, Sekundär- und Tertiär-
3.38
1 BVerfG v. 9.6.1971 – 2 BvR 225/69, BVerfGE 31, 145 (174); v. 22.10.1986 – 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339 (375); v. 8.4.1987 – 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223 (242 f.); v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155 (182 ff.). 2 EuGH v. 14.7.1998 – Rs. C-284/95 – Safety Hi-Tech, Slg. 1998, I-4301. 3 Vgl. die Hinweise bei Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht7, § 9 Rz. 152 ff. 4 Vgl. zu den früheren Kontroversen Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV Rz. 47 f. 5 Vgl. die Nachweise bei Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht7, § 10 Rz. 4 ff. 6 Vgl. EuGH v. 15.7.1964 – Rs. 6/64 – Costa/ENEL, Slg. 1964, 1215. 7 EuGH v. 15.7.1964 – Rs. 6/64 – Costa/ENEL, Slg. 1964, 1215 (1269 f.); seitdem ständige Rechtsprechung des EuGH, z.B. EuGH v. 17.12.1970 – Rs. 11/70 – Internationale Handelsgesellschaft, Slg. 1970, 1125 (1135); v. 9.3.1978 – Rs. 106/77 – Simmenthal, Slg. 1978, 629 (643 f.); v. 11.1.2000 – Rs. C-285/98 – Kreil, Slg. 2000, I-69. 8 Zur Rangabstufung als Kollisionsregel Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht7, § 10 Rz. 33; Funke, DÖV 2007, 733. 9 EuGH v. 29.4.1999 – Rs. C-224/97 – Ciola, Slg. 1999, I-2517. 10 Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV Rz. 52; Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht7, § 10 Rz. 34.
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Kap. 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts
recht1 gleichermaßen im Grundsatz Vorrang gegenüber dem jeweiligen nationalen Verfassungsrecht beanspruchen.2 Hieraus folgt z.B., dass die Vereinbarkeit einer steuerrechtlichen Norm mit dem GG keiner Prüfung bedarf, wenn sie schon (vorrangig) wegen Verstoßes gegen das Unionsrecht unangewendet bleibt.3 3.39
Der Vorrang des Unionsrechts gilt auch in den Fällen, in denen kollidierendes nationales Recht zu einem späteren Zeitpunkt in Kraft getreten ist.4 Eine dem Unionsrecht widersprechende Rechtsnorm des nationalen Rechts ist nicht etwa nichtig, sondern unanwendbar, soweit die Kollision reicht.5 Dieser Anwendungsvorrang des Unionsrechts gilt ohne weiteres und unmittelbar mit der Folge, dass sie von Legislative, Exekutive und Judikative gleichermaßen beachtet werden muss.6 Ein Verwerfungsmonopol gibt es daher insoweit nicht.7
3.40
Wie jede Rechtsordnung ist auch das Unionsrecht durch eine Normenhierarchie wie folgt geprägt8: Auf der obersten Hierarchiestufe steht das (primäre) Unionsvertragsrecht – EUV, AEUV, EAGV – einschließlich aller Erklärungen, Protokolle und sonstiger Anhänge.9 Darüber hinaus zählt hierzu über Art. 6 Abs. 1 EUV auch die GrCh.10 Auf der nächsten Stufe ist das ungeschriebene primäre Unionsrecht angesiedelt, und zwar das Gewohnheitsrecht und die allgemeinen Rechtsgrundsätze des Unionsrechts.11 Im Rang zwischen Primär- und Sekundärrecht sind schließlich die von der Union im Rahmen ihrer auswärtigen Kompetenz abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge (Art. 216 Abs. 2 AEUV) an1 Zu diesen Rechtsquellen Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 3.1 ff. 2 EuGH v. 17.12.1970 – Rs. 11/70 – Internationale Handelsgesellschaft, Slg. 1970, 1125 Rz. 3; v. 13.12.1979 – Rs. 44/79 – Hauser, Slg. 1979, 3727 Rz. 14; BVerfG v. 19.7.2011 – 1 BvR 1916/09, BVerfGE 129, 78 (94); v. 21.6.2016 – 2 BvR 2728/13 u.a., RIW 2016, 519 Rz. 118; Schroeder in Streinz2, Art. 288 AEUV Rz. 44; Nettesheim in Grabitz/Hilf/ Nettesheim, Art. 288 AEUV Rz. 52. 3 BVerfG v. 4.10.2011 – 1 BvL 3/08, BVerfGE 129, 186; BFH v. 6.3.2013 – I R 14/07, FR 2013, 867 m. Anm. Nöcker = ISR 2013, 287 m. Anm. Quilitzsch = GmbHR 2013, 875 m. Anm. Haritz/Werneburg = IStR 2013, 638. 4 Die Lex-posterior-Regel gilt also nicht; hierzu Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV Rz. 52. 5 EuGH v. 9.3.1978 – Rs. 106/77 – Simmenthal, Slg. 1978, 629; v. 11.7.1989 – Rs. 170/77 – Ford Espana, Slg. 1989, 2305; v. 13.3.1997 – Rs. C-358/95, Morellato, Slg. 1997, I-1431; v. 22.10.1998 – Rs. C-10-22/97 – IN.CO.GE., Slg. 1998, I-6307; Nettesheim in Grabitz/Hilf/ Nettesheim, Art. 288 AEUV Rz. 53. 6 EuGH v. 12.6.1990 – Rs. C-8/88 – Deutschland ./. KOM, Slg. 1990, I-2321; v. 22.6.1989 – Rs. 103/88 – Costanzo, Slg. 1989, 1839. 7 EuGH v. 4.6.1992 – Rs. C-13/91 und 113/91 – Debus, Slg. 1992, I-3617; Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV Rz. 52 f. 8 Zu Einzelheiten Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 4.6 ff. 9 Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV Rz. 226; Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht7, § 10 Rz. 39; Hobe, Europarecht8, Rz. 369. 10 Schorkopf in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 6 EUV Rz. 28; Hobe, Europarecht8, Rz. 369. 11 Diese werden durch geschriebenes Primärrecht derogiert; so etwa die allgemeinen Rechtsgrundsätze durch die GrCh; hierzu Schorkopf in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 6 EUV Rz. 56; vgl. im Übrigen Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht7, § 10 Rz. 37.
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D. Zur Normenhierarchie
gesiedelt.1 Zur dritten Hierarchiestufe zählt das Sekundärrecht, also Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse.2 Auf der untersten Stufe befindet sich das Tertiärrecht, also Rechtsakte, die nicht auf der Grundlage der Verträge, sondern auf der Grundlage von Sekundärrecht erlassen wurden (Art. 290, 291 AEUV).3 Der Vorrang des Unionsrechts wird von den Mitgliedstaaten in ihren nationalen Rechtsordnungen nachvollzogen und damit im Ergebnis anerkannt.4 Das gilt auf der Grundlage von Art. 23 Abs. 1 GG auch für das deutsche Recht.5 Vorbehalte zum Vorrang des Unionsrechts gelten allerdings im Verhältnis zum deutschen Verfassungsrecht, und zwar unter dem Gesichtspunkt des Grundrechtschutzes, der Einhaltung der Kompetenzgrenzen und des Schutzes der Verfassungsidentität.6
3.41
Hierzu folgende Einzelheiten:7 Unter dem Gesichtspunkt des vom GG verbürgten Grundrechtschutzes übt das BVerfG eine Grundrechtskontrolle dahingehend aus, ob das Unionsrecht mit den im GG verankerten Grundrechten vereinbar ist und daher in Deutschland zur Anwendung kommen darf. Während das BVerfG8 zunächst davon ausging, das Unionsrecht sei an den deutschen Grundrechten zu messen, solange das Unionsvertragsrecht keinen dem Grundrechtskatalog entsprechenden Katalog von Grundrechten enthält,9 hat das BVerfG zu einem späteren Zeitpunkt10 entschieden, dass es seine Gerichtsbarkeit über die Anwendbarkeit von Sekundär- und Tertiärrecht nicht mehr ausüben werde, weil der vom Unionsvertragsrecht garantierte Grundrechtschutz dem deutschen Grundrechtstandard entspreche, so dass insoweit Vorlagen (Art. 100 Abs. 1 GG) sowie Verfassungsbeschwerden unzulässig seien.11 Demgegenüber wurde danach vorübergehend die Grundrechtskontrolle jedenfalls gegenüber dem Sekundärrecht in weiteren Entscheidungen des BVerfG wieder aktiviert.12 Im Hinblick darauf, dass der Wesensgehalt der Grundrechte durch die Rechtsprechung des EuGH auf der Grundlage des Unionsvertragsrechts generell verbürgt ist, erfolgt allerdings
3.42
1 EuGH v. 12.12.1972 – Rs. 21/72 u.a. – International Fruit Company, Slg. 1972, 1219 Rz. 5 ff.; v. 10.9.1996 – Rs. C-61/94 – KOM ./. Deutschland, Slg. 1996, I-3989 Rz. 52; Mögele in Streinz2, Art. 216 AEUV Rz. 52; Hobe, Europarecht8, Rz. 443. 2 Schroeder in Streinz2, Art. 288 AEUV Rz. 24; Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht7, § 10 Rz. 39. 3 Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 290 AEUV Rz. 56; Kellermann in Streinz2, Art. 290 AEUV Rz. 3. 4 Vgl. hierzu die Übersicht bei Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht7, § 10 Rz. 28 ff. 5 BVerfG v. 18.10.1967 – 1 BvR 248/63 u. 216/67, BVerfGE 22, 293 (296); v. 9.6.1971 – 2 BvR 225/69, BVerfGE 31, 145. 6 Vgl. Streinz in Sachs7, Art. 23 GG Rz. 42; Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV Rz. 56. 7 Ausführlich Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV Rz. 57 ff. 8 BVerfG v. 29.5.1974 – 2 BvL 52/71, BVerfGE 37, 271 (Solange I). 9 BVerfG v. 29.5.1974 – 2 BvL 52/71, BVerfGE 37, 271 (285). 10 BVerfG v. 22.10.1986 – 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339 (Solange II). 11 Hierzu Ipsen, EuR 1987, 1 ff.; Fedder, NJW 1987, 526; Stein in FS Zeidler, Bd. II, 1987, 1711 ff.; vgl. auch BVerfG v. 8.4.1987 – 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223 = UR 1987, 355 m. Anm. Weiss. 12 BVerfG v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134, 2159/92, BVerfGE 89, 155 (Maastricht); v. 22.1.1997 – 2 BvR 1915/91, BVerfGE 95, 173 (Tabaketikettierung).
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Kap. 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts
nach dem derzeitigen Stand der Rechtsprechung des BVerfG1 keine Grundrechtskontrolle mehr, weil der unabdingbar gebotene Grundrechtschutz auf Unionsebene gewährleistet ist. 3.43
Hinsichtlich der Einhaltung der Kompetenzgrenzen erfolgt seitens des BVerfG eine Ultra-vires-Kontrolle, denn Sekundärrecht kann nur dann einen Vorrang beanspruchen, wenn es auf Grund einer ausdrücklichen im Unionsvertragsrecht enthaltenen Ermächtigung erlassen worden ist.2 Im Hinblick darauf, dass unionsrechtlich für etwa ausbrechende Rechtsakte das Verwerfungsmonopol beim EuGH liegt,3 wird das BVerfG allerdings nur dann tätig werden, wenn der Verstoß gegen das Kompetenzgefüge offensichtlich ist und zudem erheblich ins Gewicht fällt.4 Das BVerfG wird unter dem Gesichtspunkt des Schutzes der Verfassungsidentität ferner dann tätig (Identitätskontrolle), wenn durch den fortschreitenden Integrationsprozess die deutsche Verfassungsidentität ausgehöhlt wird.5
3.44
Im nationalen (deutschen) Recht ergibt sich die Normenhierarchie aus den Art. 20, 70 ff., 93, 100 GG, wonach dem Grundgesetz selbst die höchste Rangstufe zukommt.6 Auf Grund dieser Vorrangstellung ergibt sich, dass dem Grundgesetz widersprechende, auf den nachfolgenden Stufen angesiedelte Rechtsnormen entweder nichtig oder aber anzugleichen sind,7 wobei dem BVerfG das alleinige Verwerfungsmonopol zukommt, soweit es sich um nachkonstitutionelle Gesetze handelt.8 Diese Rangstufe bedeutet zugleich, dass dem Grundgesetz nachfolgende Rechtsnormen im Zweifel verfassungskonform auszulegen9 und etwaige Lücken in Übereinstimmung mit der Verfassung zu schließen sind.10 Auf der nächsten Stufe sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts angesiedelt, die gem. Art. 25 GG Bestandteil des Bundesrechts sind, dem Bundesgesetz und den Landesgesetzen aber vorgehen (Art. 25 Satz 2 GG). Im Falle der Kollision ist daher Bundes- und Landesrecht unanwendbar.11 Da das Verfassungsrecht gegenüber den allgemeinen Regeln des Völkerrechts Vorrang hat,12 sind diese daher im Rang 1 BVerfG v. 7.6.2000 – 2 BvL 1/97, BVerfGE 102, 147 (Bananenmarkt); v. 13.3.2007 – 1 BvF 1/05, BVerfGE 118, 79. 2 BVerfG v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134, 2159/92, BVerfGE 89, 155 (Maastricht); v. 21.6.2016 – 2 BvR 2728/13 u.a., RIW 2016, 519 Rz. 121, 152. 3 EuGH v. 22.10.1987 – Rs. 314/85 – Foto-Frost, Slg. 1987, 4199. 4 BVerfG v. 6.7.2010 – 2 BvR 2661/06, BVerfGE 126, 286 (304) (Honeywell). 5 BVerfG v. 30.6.2009 – 2 BvE 2, 5/08 u.a., BVerfGE 123, 267 (Lissabon); v. 7.11.2011 – 2 BvR 987, 1485, 1099/10, BVerfGE 129, 124 (EFSF); v. 21.6.2016 – 2 BvR 2728/13 u.a., RIW 2016, 519 Rz. 121, 139. 6 Zu Rangabstufungen innerhalb des Grundgesetzes selbst vgl. Sachs in Sachs7, Art. 20 GG Rz. 5, Art. 79 Rz. 28. 7 Zu den verschiedenen Entscheidungsmöglichkeiten des BVerfG Graßhof in Umbach/ Clemens/Dollinger, § 78 BVerfG Rz. 32 ff.; Seer in T/K, VerfRS Rz. 56 ff. 8 Seer in T/K, VerfRS Rz. 14; für VO i.S. des Art. 80 GG gilt das nicht; vgl. Seer in T/K, VerfRS Rz. 15 m.w.N. 9 Zur verfassungskonformen Auslegung Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 238 ff. 10 Hierzu Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 355, 359. 11 Streinz in Sachs7, Art. 25 GG Rz. 93. 12 BVerfG v. 26.3.1957 – 2 BvG 1/55, BVerfGE 6, 309 (363); v. 7.4.1965 – 2 BvR 227/64, BVerfGE 18, 441 (448); v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 (318); BFH v. 18.12.1963 – I 230/61 S, BStBl. III 1964, 253; BFH v. 1.2.1989 – I R 74/86, BStBl. II 1990, 4; Herdegen in Maunz/Dürig, Art. 25 GG Rz. 7, 42 f.
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E. Europäisches Steuerrecht
zwischen den formellen Gesetzen und dem Grundgesetz angesiedelt.1 Auf der nächsten Stufe sind die formellen Gesetze des Bundesrechts angesiedelt. Hierzu gehören auch Vertragsgesetze (Art. 59 Abs. 2 GG), die im Zusammenhang mit Doppelbesteuerungsabkommen im Steuerrecht eine besondere Bedeutung haben.2 Die formellen Gesetze des Bundes sind demgegenüber mit höherem Rang ausgestattet als die auf ihrer Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen (Art. 80 GG).3 Ein Vorrang von Bundesgesetzen einschließlich der vom Bund erlassenen Rechtsverordnungen vor Landesrecht besteht insoweit, als Bundesrecht und Landesrecht einander widersprechen (Art. 31 GG).4 Den beiden nachgeordnet sind schließlich autonome Satzungen, insbesondere Gemeinderecht (Art. 28 Abs. 2 GG).5
E. Europäisches Steuerrecht Literatur Kommentare zu § 4 AO; Art. 234, 267, 290, 288 AEUV; Art. 6 EUV; § 50g EStG; Art. 11, 27 OECD-MA; Ahmann, Die Bilanzrichtlinie und die steuerliche Gewinnermittlung – Eine Zwangsehe?, in Raupach/Uelner (Hrsg.), Ertragsbesteuerung, FS für Schmidt, München 1993, 269; Beermann, Das Verbraucher-Binnenmarktgesetz, DStZ 1993, 257, 291; Beisse, Grundsatzfragen der Auslegung des neuen Bilanzrechts, BB 1990, 2007; Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, Herne/Berlin 1995; Birk/Ehlers, Rechtsfragen des europäischen Steuer-, Außenwirtschafts- und Zollrechts, Köln 1995; Birkenfeld/ Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch (Loseblatt); Bleckmann, Probleme der Auslegung europäischer Richtlinien, ZGR 1992, 364; Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, 2. Aufl. München 2011; Buerstedde, Juristische Methodik des Europäischen Gemeinschaftsrechts, Baden-Baden 2006; Clausen, Das neue Rechnungslegungsrecht der Kreditinstitute, DB 1991, 1129; Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, Köln 2002; Dänzer-Vanotti, Die richtlinienkonforme Auslegung deutschen Rechts hat keinen rechtlichen Vorrang, RIW 1991, 754; Dänzer-Vanotti, Methodenstreit um die den EG-Richtlinien konforme Auslegung, DB 1994, 1052; Dänzer-Vanotti, Richtlinienkonforme Auslegung und Rechtsfortbildung, StVj 1991, 1; Dauses, Handbuch EU-Wirtschaftsrecht (Loseblatt); Dautzenberg, Unternehmensbesteuerung im EG-Binnenmarkt, Lohmar/ Köln 1997; Dederichs, Die Methodik des EuGH, Baden-Baden 2004; Dörr, Praxisfragen zur Umsetzung der Zins- und Lizenzrichtlinie in § 50g EStG, IStR 2005, 109; Di Fabio, Richtlinienkonformität als ranghöchstes Normauslegungsprinzip?, NJW 1990, 947; Fantozzi, Besteuerung von Gesellschaften – Die Entwicklung der Harmonisierung der direkten Steuern innerhalb der EG, in Beisse u.a. (Hrsg.), FS für Beusch, Berlin/New York 1993, 167; Frenz, Demokratiebegründete nationale Mitwirkungsrechte und Aufgabenreservate, EWS 2009, 345; Friedrich, Zollkodex und Abgabenordnung, StuW 1995, 15; Frotscher, Treaty Override – causa finita?, IStR 2016, 561; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 6. Aufl. München 2013; Groh, Bilanzrecht vor dem EuGH, DStR 1996, 1206; Hahn, Gemeinschaftsrecht und Recht der direkten Steuern, DStZ 2005, 435; Hennrichs, Zinsschranke, Eigenkapital1 Herdegen in Maunz/Dürig, Art. 25 GG Rz. 42; Jarass in Jarass/Pieroth13, Art. 25 GG Rz. 14; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht6, 152 f.; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, Rz. 201. 2 Zum Rang von DBA als einfache Bundesgesetze BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, IStR 2016, 191 Rz. 33 ff. 3 Maunz in Maunz/Dürig, Art. 80 GG Rz. 3, 37; Sommermann in v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 20 GG Rz. 265; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 43 f., § 4 AO Rz. 41. 4 Korioth in Maunz/Dürig, Art. 31 GG Rz. 19 ff.; Huber in Sachs7, Art. 31 GG Rz. 18 ff.; Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 42. 5 Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 41.
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Kap. 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts vergleich und IFRS, DB 2007, 2101; Herber, Hat der deutsche Richter das Bilanzrichtliniengesetz an den ihm zugrunde liegenden EG-Richtlinien zu messen?, in Knobbe-Keuk/ Klein/Moxter (Hrsg.), Handels- und Steuerrecht, FS für Döllerer, München 1988, 225; Herdegen, Völkerrecht, 15. Aufl. München 2016; Herdegen, Europarecht, 18. Aufl. München 2016; Herzig, Europäisierung und Internationalisierung der steuerlichen Gewinnermittlung, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 751; Herzig, Besteuerung der Unternehmen in Europa – Harmonisierung im Wettbewerb der Systeme, DStJG 19 (1996), 121; Herzig/Dautzenberg, Auswirkungen der Internationalisierung der Rechnungslegung auf die Steuerbilanz, BFuP 1998, 27; Herzog, Leitlinien und Entwicklungstendenzen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in Steuerfragen, StbJb 1985/86, 27; Hey, Wettbewerb der Rechtsordnungen oder Europäisierung des Steuerrechts?, in Reimer, E. u.a. (Hrsg.), Europäisches Gesellschafts- und Steuerrecht. Grundlagen – Entwicklungen – Verbindungslinien, Münchener Schriften zum Internationalen Steuerrecht, Bd. 27, München 2007, 295; Hobe, Europarecht, 8. Aufl. München 2014; Holoubeck/Lang, Verfahren der Zusammenarbeit von Verwaltungsbehörden in Europa, Wien 2012; Hummel, Anmerkung zum Beschluss des BVerfG vom 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, IStR 2016, 335; Ipsen, Völkerrecht, 6. Aufl. München 2014; Jarass, Richtlinienkonforme bzw. EG-rechtskonforme Auslegung nationalen Rechts, EuR 1991, 211; Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, München 2016; Jesse, Richtlinien-Umsetzungsgesetz – EURLUmsG: Anpassung des § 43b EStG (Kapitalertragsteuerbefreiung) an die geänderte Mutter-Tochter-Richtlinie, IStR 2005, 151; Kirchhof, Gegenwartsfragen an das Grundgesetz, JZ 1989, 452; Knobbe-Keuk, Die beiden Unternehmenssteuerrichtlinien, EuZW 1992, 336; Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Steuerrecht, Wien 2007; Kofler, Kommentare zur Mutter-Tochter-Richtlinie Wien 2011; Krech, Die Theorie der allgemeinen Rechtsgrundsätze im französischen öffentlichen Recht, Göttingen 1973; Langenfeld, Zur Direktwirkung von EG-Richtlinien, DÖV 1992, 955; Lutter, Die Auslegung angeglichenen Rechts, JZ 1992, 593; Lehner, Treaty Override ist nicht verfassungswidrig – Anmerkung zum Beschluss des BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, IStR 2015, 217; Meyer-Arndt, Die Zuständigkeit des Europäischen Gerichtshofs für das Bilanzrecht, BB 1993, 1623; Prahl, Die neuen Vorschriften des Handelsgesetzbuches für Kreditinstitute (Teil I und Teil II), WPg 1991, 401, 438; Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 7. Aufl. München 2016; Pechstein, EU-Prozessrecht, 4. Aufl. Tübingen 2011; Reich/König, Europäisches Steuerrecht, Zürich 2006; Rendels, Schwerpunkte des Verbraucher-Binnenmarktgesetzes, DStR 1993, 113; Riesenhuber, Europäisches Methodenlehre, 3. Aufl. Berlin 2015; Rödder, Deutsche Unternehmensbesteuerung im Visier des EuGH, DStR 2004, 1629; Sailer/Ismer, Steuergerechtigkeit in Europa durch Information über Zinserträge und ihre Besteuerung an der Quelle?, IStR 2005, 1; Sapusek, Ökonomische und juristische Analyse der Steuerharmonisierung in der Europäischen Union, Frankfurt/M. u.a., 1996; Saß, Die Fusionsrichtlinie und die Mutter/Tochterrichtlinie, DB 1990, 2340; Saß, Zum EG-Abkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung (Schlichtungsverfahren) im Falle einer Gewinnberichtigung bei Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen, DB 1991, 984; Schaumburg, Nichtanwendungserlasse, Nichtanwendungsgesetze und Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz, DFGT 1 (2004), 73; Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Köln 2015; Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Köln 2015; Schlienkamp, 18. EG-Richtlinie zur Harmonisierung der Umsatzsteuern – Aufhebung bestimmter Übergangsregelungen der 6. Richtlinie, UR 1989, 268; Schlienkamp, EG-Richtlinie vom 19.10.1992 zur Annäherung der Mehrwertsteuersätze, UR 1993, 3; Schön, Steuerliche Einkünfteermittlung, Maßgeblichkeitsprinzip und Europäisches Bilanzrecht, in Klein/Stihl/Wassermeyer/Piltz/Schaumburg (Hrsg.) Unternehmen/Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 573; Schön, Der „Wettbewerb“ der europäischen Steuerordnungen als Rechtsproblem, DStJG 23 (2000), 191; Schön, Gemeinschaftskonforme Auslegung und Fortbildung des nationalen Steuerrechts – unter Einschluss des Vorlageverfahrens nach Art. 177 EGV, DStJG 19 (1996), 167; Schön, Unternehmensbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, StbJb 2003/2004, 27; Schulz, Zinsschranke und IFRS – Geklärte, ungeklärte und neue Fragen nach dem Anwendungserlass vom 4.7.2008, DB 2008, 2043; Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, 3. Aufl. Baden-Baden 2015; Spengel, Gewinn-
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E. Europäisches Steuerrecht ermittlung und Bemessungsgrundlage als eigentliches Problem des Steuerwettbewerbs?, in Reimer, E. u.a. (Hrsg.), Europäisches Gesellschafts- und Steuerrecht. Grundlagen – Entwicklungen – Verbindungslinien, Münchener Schriften zum Internationalen Steuerrecht, Bd. 27, München 2007, 253; Spetzler, Die richtlinienkonforme. Auslegung als vorrangige Methode steuerjuristischer Hermeneutik, RIW 1991, 579; Terra/Wattel, Euorpean Tax Law, 6. Aufl. Amsterdam 2012; Tipke, Die Steuerrechtsordnung Band I, III, 2. Aufl. Köln 2003/2012; Tipke/Lang; Steuerrecht, 22. Aufl. Köln 2015; Stein/v. Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl. München 2017; Vanistendael, Europäischer Gerichtshof und seine Rolle als oberster Richter in steuerrechtlichen Streitigkeiten, in Klein/Stihl/Wassermeyer/Piltz/ Schaumburg (Hrsg.) Unternehmen/Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 1021; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl. Berlin 1984 (Neudruck 2010); Vogel, Harmonisierung des Internationalen Steuerrechts in Europa als Alternative zur Harmonisierung des (materiellen) Körperschaftsteuerrechts, StuW 1993, 380; Voß, Europäisches und nationales Steuerrecht, StuW 1993, 155; Voß, Steuerrecht, in Dauses (Hrsg.), Handbuch des EG-Wirtschaftsrechts, München 2009; Wachweger, Die erste und die zweite Richtlinie zur Harmonisierung der Umsatzsteuer, UR 1967, 123; Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, 2. Aufl. München 2016; Wernsmann, Steuerrecht, in Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, 3. Aufl. Baden-Baden 2015; de Weerth, Bilanzrecht und Europarecht, RIW 1996, 763; Wiedow, in Lehner/Thömmes u.a.; Europarecht und Internationales Steuerrecht, München 1994, 45; Widmann, Die Entwicklung der Umsatzsteuer im Europäischen Binnenmarkt – Fehlentwicklungen und Perspektiven, DStJG 19 (1996), 219.
I. Einführung Das Europäische Steuerrecht umfasst insbesondere das auf primäres und sekundäres Unionsrecht sowie auf sonstige europarechtliche Rechtsquellen zurückzuführende und im Übrigen durch Unionsrecht beeinflusste Steuerrecht.1 Hierzu gehören vor allem die die Grundfreiheiten regelnden Normen des AEUV, EU-Verordnungen, EU-Richtlinien, völkerrechtliche Vereinbarungen und Entscheidungen steuerlichen Inhalts sowie das nationale Steuerrecht, soweit es EU-Richtlinien umsetzt.
3.45
Die vier in Art. 26 Abs. 2 AEUV verankerten Grundfreiheiten sind die Warenverkehrsfreiheit (Art. 28 ff. AEUV), die Personenfreizügigkeit, und zwar die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV) und die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV), die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) und die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV). Die vorgenannten Grundfreiheiten sind binnenmarktfinal, das bedeutet, dass sie nach ihrer Zielrichtung einen freien Verkehr von Waren und Dienstleistungen, von Personen und Kapital über die Grenzen zwischen den Mitgliedstaaten hinweg gewährleisten. Damit errichten sie eine Schrankenwirkung gegenüber nationalen Vorschriften, soweit diese z.B. den grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr behindern. Im Bereich der direkten Steuern hat der EuGH in besonderer Weise die Grundfreiheiten (Art. 26 Abs. 2 AEUV) aktiviert und dabei tiefe Spuren im deutschen Steuerrecht hinterlassen.2 Nur einige Beispiele: Neufassung des § 1 Abs. 3 EStG und Einführung des § 1a EStG, wonach im Rahmen der sog. erweiterten unbeschränkten Einkommensteuerpflicht be-
3.46
1 Zum Begriff im Einzelnen Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 1.1 ff.; Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht2, § 1 Rz. 1 f.; Englisch in Tipke/ Lang22, § 4 Rz. 1. 2 Hierzu Schön, StbJb. 2003/2004, 27 ff.; Rödder, DStR 2004, 1629 ff.; Schaumburg, DB 2005, 1129 ff.
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Kap. 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts
schränkt steuerpflichtige Unionsbürger das Ehegattensplitting in Anspruch nehmen können, wenn sie ihr Einkommen ganz oder fast ausschließlich in Deutschland erzielen und ihr Familienwohnsitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat liegt (Rz. 6.49);1 Begrenzung der Verlustausgleichsbeschränkung (§ 2a EStG) auf Drittstaateneinkünfte (§ 2a Abs. 1 EStG) (Rz. 6.75);2 Einschränkung der Hinzurechnungsbesteuerung bei Beteiligung an EU-Kapitalgesellschaften (§ 8 Abs. 2 AStG) (Rz. 13.140 ff.);3 Einschränkung der Wegzugsbesteuerung bei Wegzug in EU-/EWRStaaten (§ 6 Abs. 5 AStG) (Rz. 6.434).4 3.47
Die auf Vorschlag der Kommission (Art. 293 Abs. 1 AEUV) vom EU-Parlament und vom EU-Rat gemeinsam erlassenen Verordnungen sind unmittelbar in jedem Mitgliedstaat anwendbar (Art. 288 Abs. 2 AEUV). Es bedarf insoweit keiner Umsetzung in nationales Recht.5 Die Verordnungen werden daher unmittelbar Bestandteil der in den Mitgliedstaaten geltenden Rechtsordnungen.6 Aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit7 besteht die Verpflichtung, mit Inkrafttreten der Verordnung (Art. 297 AEUV) etwa entgegenstehendes innerstaatliches Recht aufzuheben oder zu ändern, obwohl dieses ohnehin wegen des Vorrangs der Verordnungen suspendiert ist.8 Die Änderung kollidierender nationaler Bestimmungen hat so zu erfolgen, dass sich hierdurch keine bloße Normwiederholung im Sinne einer nationalen Parallelgesetzgebung ergibt.9 Während das voll harmonisierte Zollrecht durch Verordnungen geregelt ist,10 sind im Bereich des Steuerrechts lediglich die beiden auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer und der Verbrauchssteuern ergangenen Zusammenarbeitsverordnungen11 von Bedeutung. 1 Als Folge von EuGH v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, Slg. 1995, I-225 = FR 1995, 224 m. Anm. Waterkamp-Faupel; v. 11.8.1995 – Rs. C-80/94 – Wielockx, Slg. 1995, I-2493; ferner v. 25.1.2007 – Rs. C-329/05 – Meindl, Slg. 2007, I-1107, wonach §§ 1 Abs. 3, 1a Abs. 1 EStG wiederum neu gefasst wurden. 2 Zurückzuführen auf EuGH v. 29.3.2007 – Rs. C-347/04 – Rewe Zentral Finanz, Slg. 2007, I-2647 = GmbHR 2007, 494 m. Anm. Rehm/Nagler. 3 Reaktion auf EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, Slg. 2006, I-7995 = GmbHR 2006, 1049 m. Anm. Kleinert = FR 2006, 987 m. Anm. Lieber. 4 Folge von EuGH v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 – Hughes de Lasteyrie du Saillant, Slg. 2004, I-2409 = GmbHR 2004, 504 m. Anm. Meilicke. 5 EuGH v. 31.1.1978 – Rs. 94/77 – Zerbone, Slg. 1978, 99 Rz. 22, 27; Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV Rz. 101. 6 Schroeder in Streinz2, Art. 288 AEUV Rz. 58. 7 Es handelt sich hierbei um eine durch Art. 6 EUV geschützte rechtsstaatliche Garantie; vgl. Streinz in Streinz2, Art. 6 EUV Rz. 31. 8 EuGH v. 20.3.1986 – Rs. 72/85 KOM ./. Niederlande, Slg. 1986, 1219; v. 26.4.1988 – Rs. 74/86 – KOM ./: Deutschland, Slg. 1988, 2139 Rz. 10. 9 Zum Normwiederholungsverbot EuGH v. 10.10.1973 – Rs 34/73 – Variola, Slg. 1973, 981 Rz. 9; Schroeder in Streinz2, Art. 280 AEUV Rz. 58, 62. 10 Zollkodex (ZK): VO (EWG) Nr. 2913 des Rates v. 12.10.1992 (ABl. EG 1992 Nr. L 302, 1): nunmehr Zollkodex der Union (UZK) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 9.10.2013, ABl. EU Nr. L 269, 1 (gem. Art. 288 UZK anwendbar ab 30.10. 2013/1.6.2016); Gemeinsamer Zolltarif (GZT): VO (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23.7.1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den gemeinsamen Zolltarif (ABl. EG 1987 Nr. L 256, 1). 11 MwSt-ZVO: VO (EU) Nr. 904/2010 v. 7.10.2010 (ABl. 2010 Nr. L 268, 1); VerbrauchStZVO: VO (EU) Nr. 389/2012 v. 2.5.2012 (ABl. 2012 Nr. L 121, 1); hierzu Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 20.75 ff.
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E. Europäisches Steuerrecht
Richtlinien sind für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet sind, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, wobei jedoch den Mitgliedstaaten die Wahl der Form und der Mittel überlassen bleibt (Art. 288 Abs. 3 AEUV). Im Unterschied zu Verordnungen schaffen Richtlinien kein unmittelbar geltendes Recht in dem jeweiligen Mitgliedstaat, sondern bedürfen hierfür grundsätzlich der Umsetzung in nationales Recht. Im Hinblick darauf, dass Richtlinien lediglich hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich sind, stellen sie in erster Linie ein Instrument der Rechtsangleichung dar und sind damit im Unterschied zu Verordnungen nur auf eine Mindestharmonisierung des betroffenen Rechts gerichtet. Richtlinien enthalten indessen nicht selten umfassende Detailregelungen, so dass insoweit den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung kein nennenswerter Spielraum mehr verbleibt. Damit ist im Ergebnis kein Unterschied zu den auf Vollharmonisierung (Rechtsvereinheitlichung) gerichteten Verordnungen gegeben.1
3.48
Die an die Mitgliedstaaten gerichteten und mit Vorrang gegenüber dem nationalen Recht (vgl. hierzu Rz. 3.76 ff.) ausgestatteten Richtlinien sind fristgemäß und zielkonform umzusetzen. Diese Verpflichtung ergibt sich nicht nur aus der betreffenden Richtlinie selbst, sondern auch aus Art. 288 Abs. 3 AEUV und aus Art. 4 Abs. 3 EUV (Unionstreue).2 Wird dieser Umsetzungsverpflichtung nicht entsprochen, kann dies die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens (Art. 258, 259 AEUV)3 zur Folge haben.4 Darüber hinaus hat der betreffende Mitgliedstaat wegen fehlender oder fehlerhafter Richtlinienumsetzung ggf. Schadensersatz zu leisten (Art. 340 AEUV).5 Schließlich eröffnet sich für den einzelnen Bürger die Möglichkeit, sich unmittelbar auf eine Richtlinie zu berufen, soweit diese hinreichend genau und von keinen weiteren Bedingungen abhängig ist (hierzu Rz. 3.30). In diesem Fall können sich etwa Steuerpflichtige unmittelbar auf einzelne Regelungen in den Richtlinien berufen.6 Voraussetzung für die unmittelbare Wirkung von nicht oder nur fehlerhaft umgesetzten Richtlinien7 ist, dass die betreffenden Richtlinienbestimmungen hinreichend genau formuliert
3.49
1 Zu dieser Rechtsentwicklung Schroeder in Streinz2, Art. 288 AEUV Rz. 69; Ruffert in Calliess/Ruffert5, Art. 288 AEUV Rz. 25. 2 EuGH v. 10.4.1984 – Rs. 14/83 – von Colson Kamann, Slg. 1984, 1891 Rz. 26; v. 20.9.1988 – Rs. 31/87 – Beentjes, Slg. 1988, 4635 Rz. 39; v. 13.11.1990 – Rs. C-106/89 – Marleasing, Slg. 1990, I-4135 Rz. 8; v. 27.6.2000 – Rs. C-240-244/98 – Océano, Slg. 2000, I-4941 Rz. 30; Schroeder in Streinz2, Art. 288 AEUV Rz. 77, 78, 125. 3 Ggf. auch Verhängung eines Zwangsgeldes (§ 260 Abs. 2 AEUV); vgl. hierzu EuGH v. 4.7. 2000 – Rs. C-387/97 – KOM ./. Griechenland, Slg. 2000, I-5047; Karpenstein, EuZW 2000, 537. 4 Hierzu Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 23.26. 5 EuGH v. 19.11.1991 – Rs. C-6/90, 9/90 – Francovich, Slg. 1991, I-5357 Rz. 31: Nichtumsetzung; v. 26.3.1996 – Rs. C-392/93 – British Telecommunications, Slg. 1996, I-1631 Rz. 40: Fehlerhafte Umsetzung. 6 EuGH v. 4.12.1974 – Rs. 41/74 – van Doyn, Slg. 1974, 1337 Rz. 12; v. 5.4.1979 – Rs. 148/78 – Ratti, Slg. 1979, 1629 Rz. 18 ff.; v. 19.1.1982 – Rs. 8/81 – Becker, Slg. 1982, 53 Rz. 21; es handelt sich hierbei um eine auf Art. 19 Abs. 1 AEUV beruhende Rechtsfortbildung, die vom BVerfG (v. 8.4.1987 – 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223 = UR 1987, 355 m. Anm. Weiss, 241 ff.) akzeptiert worden ist; hierzu Schroeder in Streinz2, Art. 288 AEUV Rz. 102. 7 Zu diesen beiden Fallkonstellationen EuGH v. 22.6.1989 – Rs. 103/88 – Costanzo, Slg. 1989, 1861 Rz. 29.
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Kap. 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts
und inhaltlich unbedingt sind.1 Das bedeutet einerseits, dass die Richtlinienbestimmungen so konkret formuliert sind,2 dass auf ihrer Grundlage überhaupt Entscheidungen getroffen werden können,3 und andererseits die Richtlinienbestimmungen nicht mit einem Vorbehalt oder einer Bedingung, die bei der Umsetzung Wahlmöglichkeiten eröffnet, versehen sind.4 Sind die Richtlinienbestimmungen unter diesem Gesichtspunkt unmittelbar wirksam, gilt dies indessen stets nur zugunsten des Steuerpflichtigen.5 Die unmittelbare Wirkung nicht oder nur fehlerhaft umgesetzter Richtlinien führt dazu, dass kollidierendes nationales Recht zurücktritt mit der Folge, dass stattdessen die betreffende Richtlinienbestimmung anzuwenden ist.6 Diese unmittelbare Richtlinienwirkung ist von den Verwaltungsbehörden und den Gerichten ohne weiteres zu beachten, allerdings nur, soweit z.B. Steuerbescheide überhaupt noch geändert werden können. Das ist in aller Regel nicht der Fall, wenn die maßgeblichen Rechtsbehelfsfristen abgelaufen und Steuerbescheide daher bestandskräftig geworden sind.7 3.50
Während die Einwirkung der Richtlinien auf die Umsatzsteuer – MwStSystRL8 – und auf die Verbrauchsteuern – VerbStSystRL9 – im Sinne einer Vollharmonisierung sehr weitgehend sind, haben die Richtlinien zu den direkten Steuern nur eine begrenzte Bedeutung. Es geht hierbei insbesondere um die Fusionsrichtlinie,10 die sich mit der Steuerneutralität von grenzüberschreitenden Umwand1 EuGH v. 4.12.1974 – Rs. 41/74 – van Duyn, Slg. 1974, 1337 Rz. 12; v. 5.4.1979 – Rs. 148/78 – Ratti, Slg. 1979, 1629 Rz. 18; v. 19.1.1982 – Rs. 8/81 – Becker, Slg. 1982, 53 Rz. 25. 2 Unbestimmte Rechtsbegriffe sind wegen der Möglichkeit der Vorabentscheidung durch den EuGH (Art. 267 AEUV) unschädlich. 3 Zu Einzelheiten Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV Rz. 147; Schroeder in Streinz2, Art. 288 AEUV Rz. 108. 4 Zu Einzelheiten Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV Rz. 146; Schroeder in Streinz2, Art. 288 AEUV Rz. 109. 5 Steuerliche oder steuerstrafrechtliche Nachteile sind also ausgeschlossen; EuGH v. 11.6.1987 – Rs. 14/86 – Pretore di Salò, Slg. 1987, 2545 Rz. 19; v. 8.10.1987 – Rs. 80/86 – Kolpinghuis, Slg. 1987, 3969 Rz. 9 f., 13; v. 26.9.1996 – Rs. C-168/95 – Arcaro, Slg. 1996, I-4705 Rz. 3 f.; v. 3.5.2005 – Rs. C-387/02 u.a. – Berlusconi, Slg. 2005, I-3565 Rz. 74; Rechtsgrund: Die unmittelbare Wirkung ist eine Sanktion gegenüber dem Mitgliedstaat, der aus der fehlenden oder fehlerhaften Richtlinienumsetzung keinen Vorteil haben soll; vgl. auch Schroeder in Streinz2, Art. 288 AEUV Rz. 115. 6 Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV Rz. 166; Schroeder in Streinz2, Art. 288 AEUV Rz. 119; vgl. aus dem MwStR BFH v. 24.10.2013 – V R 17/13, BFH/NV 2014, 284. 7 Vgl. BFH v. 16.9.2010 – V R 57/09, BStBl. II 2011, 151; v. 23.11.2006 – V R 67/05, BStBl. II 2007, 436; das entgegenstehende Urteil des EuGH v. 25.7.1991 – Rs. C-208/90 – Emmott, Slg. 1991, I-4269 Rz. 23 betrifft einen Einzelfall. 8 RL 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. 2006 Nr. L 347, 1. 9 RL 2008/118/EG v. 16.12.2008, ABl. EU 2009 Nr. 9, 12; vgl. den Überblick bei Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, Rz. C 1 ff. 10 Richtlinie 2009/133/EG des Rates v. 19.10.2009 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, Abspaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen sowie die Verlegung des Sitzes einer Europäischen Gesellschaft oder einer Europäischen Genossenschaft von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat, ABl. 2009 Nr. L 310, 34.
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E. Europäisches Steuerrecht
lungsvorgängen befasst (hierzu im Einzelnen Rz. 3.66 ff.), die Mutter-TochterRichtlinie,1 wonach die Hindernisse beseitigt werden sollen, die für grenzüberschreitende Dividendenzahlungen von einer in einem Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft an eine im anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft aus der Besteuerung im Quellen- und im Ansässigkeitsstaat resultieren können (hierzu im Einzelnen Rz. 3.70 ff.), die Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie,2 auf Grund deren Zins- und Lizenzgebührenzahlungen zwischen verbundenen Unternehmen von der Besteuerung an der Quelle befreit werden (hierzu im Einzelnen Rz. 3.74 ff., die inzwischen aufgehobene Zinsrichtlinie,3 die das Ziel hatte, die Besteuerung im Unionsgebiet sicherzustellen (hierzu im Einzelnen Rz. 3.77 ff.), sowie die Amtshilferichtlinie4 und die Beitreibungsrichtlinie5 (hierzu Rz. 3.104 ff.). Neben Verordnungen und Richtlinien zählen auch Beschlüsse zu den verbindlichen Rechtsakten der EU (Art. 288 Abs. 4 AEUV). Sie sind nicht auf Rechtsvereinheitlichung oder Rechtsangleichung gerichtet,6 es geht vielmehr um die Regelung in bestimmten Einzelfällen. Die Reichweite einer derart verbindlichen Regelung hängt davon ab, ob es sich um einen adressatenlosen Beschluss oder um einen solchen handelt, der sich an einen bestimmten Adressaten richtet (Art. 288 Abs. 4 Satz 2 AEUV).7 Adressatenlose Beschlüsse erzeugen unmittelbare Bindungswirkung nur für die Union und ihre Einrichtungen.8 Es handelt sich insoweit um eine Regelung mit Rechtsnormcharakter nur im Binnenbereich der EU. Die Mitgliedstaaten sind lediglich auf der Grundlage der in Art. 4 Abs. 3 EUV verankerten Loyalitätspflicht gehalten, die verwaltungsmäßige Umsetzung der Beschlüsse zu fördern.9 Eine Auswirkung erlangen derartige Beschlüsse in den Fällen, in denen der Verpflichtung von Unionsorganen Rechte von Unionsbürgern gegenüberstehen mit der Folge, dass diese die Rechte unmittelbar selbst geltend machen können.10 Soweit sich Beschlüsse an bestimmte Adressaten richten (bis 2009 als Entscheidungen bezeichnet), hängt die Reichweite der Bindungswirkung davon ab, wer der Adressat ist. Sind es die Mitgliedstaaten (staatengerichtete Be1 Richtlinie 2011/96/EU des Rates v. 30.11.2011 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, ABl. 2011 Nr. L 345, 8, hierzu Kofler in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 15.1 ff. 2 RL 2003/49/EG, ABl. EG 2003 Nr. L 157, 1; hierzu Kofler in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 14.1 ff. 3 RL 2003/48/EG v. 3.6.2003, ABl. EU 2003 Nr. L 157, 38, zuletzt geändert durch RL 2006/98/EG v. 20.11.2006, ABl. EU 2006 Nr. L 363, 19; aufgehoben am 10.11.2015 durch den ECOFIN-Rat auf Vorschlag der EU-Kommission zum 31.12.2015 (RL 2015/2060, ABl. EU L 201 v. 18.11.2015, 1); zur Zinsrichtlinie ausführlich Fehling in Schaumburg/ Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 19.1 ff. 4 ABl. EU 2011 Nr. L 64,1; hierzu Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 20.15 ff. 5 ABl. EU 2010 Nr. L 84, 1; hierzu Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 20.39 ff. 6 So nur die Zielrichtung von Verordnungen und Richtlinien. 7 Zur unterschiedlichen Terminologie Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV Rz. 172. 8 Schroeder in Streinz2, Art. 288 AEUV Rz. 134. 9 EuGH v. 30.5.1989 – Rs. 242/87 – KOM ./. Rat, Slg. 1989, 1425 Rz. 11, 19. 10 EuGH v. 30.4.1996 – Rs. C-58/94 – Niederlande ./. Rat, Slg. 1996, I-2169 Rz. 38.
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Kap. 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts
schlüsse1), erzeugen die Beschlüsse Rechtswirkungen, die mit Richtlinien vergleichbar sind, soweit sie ebenso in dem im Art. 289 Abs. 1 AEUV verankerten Gesetzgebungsverfahren – Verabschiedung durch das Europäische Parlament und den Rat auf Vorschlag der Kommission – entspricht.2 Richten sich die Beschlüsse an Unionsbürger (individual gerichtete Beschlüsse3), kommt der Beschluss im Ergebnis der Wirkung eines Verwaltungsaktes gleich.4 Beschlüsse haben bislang im Steuerrecht keine Bedeutung erlangt.5 3.52
Rechtsnormcharakter haben die zum Tertiärrecht gehörenden delegierte Rechtsakte (Art. 290 AEUV) und Durchführungsrechtsakte (Art. 291 Abs. 2 AEUV). In beiden Fällen handelt es sich um eine unmittelbar verbindliche exekutive Rechtsetzung durch die Kommission und ggf. auch des Rates auf Grund einer in einem legislativen Gesetzgebungsakt verankerten Ermächtigung.
3.53
Während es im Steuerrecht delegierte Rechtsakte (Art. 290 AEUV) bislang nicht gibt, zählt zu den Durchführungsrechtsakten (Art. 291 Abs. 2 AEUV) die vom Rat erlassene MwSt-DV6 auf Grundlage von Art. 397 MwStSystRL.7 Darüber hinaus sind auch im Zollrecht Durchführungsverordnungen der Kommission erlassen worden.8
3.54
Europäisches Steuerrecht stützt sich auch auf die von der EU selbst abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge sowie auf solche zwischen den Mitgliedstaaten, die auf die Initiative der EU zurückgehen. Schließlich sind auch die von der EU und den Mitgliedstaaten einerseits und Drittstaaten andererseits abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge (gemischte Verträge)9 von Bedeutung. Die von der EU abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge binden sowohl die Organe der Union als auch die Mitgliedstaaten (Art. 216 Abs. 2 AEUV). Diese unionsrechtliche Pflicht ist zwingend und kann nicht etwa im Rahmen eines sog. Treaty-overriding überspielt werden.10 Kommt ein Mitgliedstaat der Verpflichtung aus einem von der EU abgeschlossenen völkerrechtlichen Vertrag entgegen Art. 216 Abs. 2 AEUV nicht nach, ist daher ein Vertragsverletzungsverfah-
9 10
Vgl. zur Terminologie Schroeder in Streinz2, Art. 288 AEUV Rz. 137. Hierzu Schroeder in Streinz2, Art. 288 AEUV Rz. 137. Zur Terminologie Schroeder in Streinz2, Art. 288 AEUV Rz. 137. Ruffert in Calliess/Ruffert5, Art. 288 AEUV Rz. 91, Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV Rz. 174; hiergegen ist Nichtigkeitsklage gem. Art. 263 Abs. 4 AEUV gegeben. Vgl. allerdings z.B. die Entscheidung des Rates 90/640/EWG v. 3.12.1990, ABl. EG 1990 Nr. L 349, 19 v. 13.12.1990, aufgrund deren Deutschland ermächtigt wurde, abweichend von der 6. EG-Richtlinie für Umsätze an die sowjetischen Truppen bis zu deren Abzug Steuerbefreiungen auszusprechen (UR 1991, 41). VO (EU) Nr. 282/2011 v. 15.3.2011, ABl. EU 2011 Nr. L 77, 1; geändert durch VO (EU) Nr. 967/2012 v. 9.10.2012, ABl. Nr. L 290, 1 und VO (EU) Nr. 1042/2013 v. 7.10.2013, ABl. Nr. L 284, 1. RL 2006/112/EG v. 28.11.2006, ABl. EU 2006, Nr. L 347, 1; bei ABl. EU 2007 Nr. L 335, 60. Z.B. VO (EWG) Nr. 2454/93 v. 2.7.1993 (ZKDVO), ABl. EG 1993 Nr. L 253, 1 mit über 40 ÄnderungsVO. Hierzu Hummer in Dauses, Handbuch EU-Wirtschaftsrecht, K III Rz. 83, 90. Anders bei DBA gem. BVerfG v. 5.12.2015 – 2 BvL 1/12, IStR 2016, 191; hierzu Rz. 3.24 f.
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ren seitens der Kommission (Art. 258 AEUV) die Folge.1 Im Bereich des Steuerrechts haben bislang insbesondere die mit Drittstaaten abgeschlossenen Freizügigkeitsabkommen Bedeutung erlangt: Sie dehnen die Grundfreiheiten auch auf Unionsbürger aus, die in solchen Drittstaaten ansässig sind.2 Zu den völkerrechtlichen Verträgen der Mitgliedstaaten, die auf Initiative der EU abgeschlossen wurden, zählt die Schiedsverfahrenskonvention3 und zu den gemischten Verträgen das EWR-Abkommen.4 Empfehlungen und Stellungnahmen sind offizielle Äußerungen der Organe der EU, die nicht verbindlich und damit dem sog. soft law zuzurechnen sind (Art. 288 UAbs. 5 AEUV). Sie begründen keine Rechte und sind somit auch nicht unmittelbar anwendbar.5 Sie sind allerdings rechtlich durchaus von Bedeutung, etwa als Prozessvoraussetzung vor dem EuGH (Art. 258, 259, 265 Abs. 2 AEUV) oder im Gesetzgebungsverfahren (Art. 242 AEUV). Darüber hinaus entsteht eine Selbstbindung des betreffenden Organs in dem Sinne, dass sein Handeln nicht ohne weiteres im Widerspruch zur eigenen Stellungnahme oder Empfehlung stehen darf.6 Während Empfehlungen auf Rechtsangleichung gerichtet sind,7 sind Stellungnahmen unverbindliche Meinungsäußerungen, die zumeist in den sachpolitischen Bereichen Bedeutung erlangen, in denen insbesondere die Kommission zuständig ist. Darüber hinaus zählen zum soft law auch Entschließungen, Mitteilungen, Leitlinien, Erklärungen usw. Diese haben in der Vergangenheit im Bereich sowohl der indirekten als auch der direkten Steuern Bedeutung erlangt.8 1 Vgl. EuGH v. 19.3.2002 – Rs. C-13/00 – KOM ./. Irland, Slg. 2002, I-2943. 2 Vgl. im Verhältnis zur Schweiz EuGH v. 28.2.2013 – Rs. C-425/11 – Ettwein, ECLI:EU:C:2013:121 = IStR 2013, 353; hierzu auch Sunde, IStR 2013, 568 ff.; umfassend zum Freizügigkeitsabkommen mit der Schweiz Erhard in F/W/K, Art. 1 DBA-Schweiz Rz. 52 ff. 3 Übereinkommen 90/436/EWG über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen v. 23.7.1990, ABl. 1990 Nr. L 225, 10 (Schiedsverfahrenskonvention v. 23.7.1990, BStBl. I 1993, 819); zu Einzelheiten Rz. 3.79, 19.114 ff. 4 ABl. EG 1994 Nr. L 1. 5 EuGH v. 13.12.1989 – Rs. 322/88 – Grimaldi, Slg. 1989, 4407 Rz. 18. 6 Schroeder in Streinz2, Art. 288 AEUV Rz. 143, 148. 7 Schroeder in Streinz2, Art. 288 AEUV Rz. 145; Ruffert in Calliess/Ruffert5, Art. 288 AEUV Rz. 95. 8 Indirekte Steuern z.B.: Grünbuch über die Zukunft der Mehrwertsteuer-Wege zu einem einfacheren, robusteren und effizienteren MwSt-System v. 1.12.2010, KOM (2010) 695 endg.; Mitteilung der KOM an das EP, den Rat und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss zur Zukunft der Mehrwertsteuer-Wege zu einem einfacheren, robusteren und effizienteren MwSt-System, das auf den Binnenmarkt zugeschnitten ist, v. 6.12.2011, KOM (2011), 851 endg. Direkte Steuern z.B.: Mitteilung der KOM an das EP und den Rat über konkrete Maßnahme, auch in Bezug auf Drittländer, zur Verstärkung der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung v. 27.6.2012, KOM (2012) 351 endg.; Mitteilung der KOM an das EP und den Rat: Aktionsplan zur Verstärkung der Bekämpfung von Steuerbetrug und Steuerhinterziehung v. 6.12.2012, KOM (2012) 722 endg.; Empfehlung der KOM für Maßnahmen, durch die Drittländer zur Anwendung von Mindeststandards für verantwortungsvolles Handeln im Steuerbereich veranlasst werden sollen, v. 6.12.2012, KOM (2012) 8805 endg.; Empfehlung der KOM betreffend aggressive Steuerplanung v. 6.12.2012, KOM (2012) 8806 endg.
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Kap. 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts
II. Auslegungsgrundsätze 1. Auslegung des Unionsrechts 3.56
Die Auslegung insbesondere des primären und sekundären Unionsrechts durch die Unionsorgane und die Mitgliedstaaten gewinnt in den Fällen eine besondere Bedeutung, in denen es um die unmittelbare Anwendung von EU-Verordnungen (Rz. 3.15) und – ausnahmsweise – EU-Richtlinien (Rz. 3.15) oder um die Vereinbarkeit des nationalen Rechts mit dem Unionsrecht geht.1 In diesen Fällen steht dem EuGH für das Unionsrecht eine letztinstanzliche Auslegungsbefugnis zu.2 Darüber hinaus ist er auch zuständig für die Auslegung der von der EU abgeschlossenen völkerrechtlichen Verträge und sog. gemischter Abkommen, soweit Teilbereiche betroffen sind, die in die Zuständigkeit der EU fallen.3 Diese Auslegungsbefugnis stützt sich auf Art. 19 EUV, wonach der EuGH die Aufgabe hat, das reibungslose Zusammenwirken der Unionsrechtsordnung mit den mitgliedstaatlichen Rechtsordnungen zu gewährleisten. Diese Aufgabe erfüllt der EuGH im Wesentlichen auf der Grundlage von Vorabentscheidungsverfahren (Art. 267 AEUV).4 Hiernach sind insbesondere die FG berechtigt (Art. 267 Abs. 2 AEUV) und der BFH verpflichtet (Art. 267 Abs. 3 AEUV), entscheidungserhebliche Auslegungsfragen5 vorzulegen, soweit diesbezügliche vernünftige Zweifel bestehen.6 Die Vorlagepflicht entfällt daher insbesondere, wenn zu der europarechtlich relevanten Frage bereits eine gesicherte Rechtsprechung des EuGH vorliegt.7 Hierbei beschränkt sich der EuGH auf die Auslegung des primären und sekundären Unionsrechts selbst; er prüft weder das nationale Recht8 noch dessen Vereinbarkeit mit Unionsrecht.9
1 Zu Einzelheiten Kofler in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 13.1 ff. 2 EuGH v. 7.1.2003 – Rs. C-306/99 – BIAO, Slg. 2003, I-1; Pechstein/Drechsler in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre3, § 7 Rz. 14; Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 24.5 ff. 3 EuGH v. 7.10.2004 – Rs. C-239/03 – KOM ./. Frankreich, Slg. 2004, I-9325; Pechstein/ Drechsler in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre3, § 7 Rz. 14. 4 Hierzu Oellerich in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 5.8 ff. 5 Hierzu EuGH v. 23.3.1982 – Rs. 102/81 – Nordsee, Slg. 1982, 1095; v. 6.10.1981 – Rs. 246/80 – Broekmeulen, Slg. 1981, 2311. 6 Die richtige Anwendung des Unionsrechts darf also nicht offenkundig sein; sog. acte clair-Doktrin; EuGH v. 6.10.1982 – Rs. 283/81 – C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, 3415; vgl. auch BFH v. 10.1.2007 – I R 87/03, BStBl. II 2008, 22; v. 29.1.2008 – I R 85/06, BStBl. II 2008, 671; v. 18.11.2008 – VIII R 2/06, BFH/NV 2009, 731; zuletzt BFH v. 12.7.2011 – VII R 10/13, BFHE 234, 83; v. 19.12.2012 – I R 73/11, BFHE 240, 99 = BStBl. II 2013, 392 = ISR 2013, 191 m. Anm. Oellerich; v. 10.4.2013 – I R 45/11, BStBl. II 2013, 771 = GmbHR 2013, 1057 m. Anm. Roser = ISR 2013, 347 m. Anm. Andresen; v. 31.7.2013 – I R 31/12, BFH/NV 2014, 185; v. 31.7.2013 – I R 82/12, BFHE 243, 180; vgl. hierzu Oellerich in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 5.19. 7 Hierzu der Überblick bei Oellerich in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 5.19. 8 EuGH v. 17.12.1970 – Rs. 11/70 – Internationale Handelsgesellschaft, Slg. 1970, 1125; v. 13.12.1979 – Rs. 44/79 – Hauer ./. Land Rheinland-Pfalz, Slg. 1979, 3727. 9 EuGH v. 3.10.1985 – Rs. 249/84 – Profant, Slg. 1985, 3237 (3250); vgl. hierzu Seer in T/K, EuRS Rz. 10.
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E. Europäisches Steuerrecht
Die Auslegung durch den EuGH insbesondere im Bereich des Europäischen Steuerrechts ist nach Maßgabe des Art. 19 EUV im Wesentlichen auf die Entwicklung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen und die Durchsetzung der Grundfreiheiten gerichtet.1 Diese auf die Wahrung der Rechtseinheit innerhalb der EU ausgerichtete Auslegung verbietet grundsätzlich einen Rückgriff auf die Begriffswelt des jeweiligen nationalen Rechts.2 Auf der Grundlage dieser unionsautonomen Auslegung3 hat sich eine eigene unionsrechtliche Begriffswelt entwickelt, die im primären und sekundären Unionsrecht alleinige Anwendung und im harmonisierten nationalen Steuerrecht im Rahmen unionsrechtskonformer Auslegung4 besondere Beachtung beansprucht.
3.57
Die Auslegungsmethodik des EuGH5 beruht zwar auf einem pragmatischen Ansatz, so dass eine Einbindung in eine bestimmte europäische Rechtstradition kaum feststellbar ist,6 sie ist aber doch in Teilen geprägt durch die französische Doktrin, wonach auch jenseits des möglichen Wortverständnisses Auslegung möglich ist.7 Im Hinblick darauf wird seitens des EuGH nicht durchgängig zwischen Auslegung einerseits und Rechtsfortbildung andererseits unterschieden8 mit der Folge, dass eine Lückenschließung9 auch mit Mitteln der Auslegung erfolgt.10 Diese dynamische Auslegung11 muss sich freilich noch in dem Rahmen halten, der durch das Transformationsgesetz gem. Art. 23 (24) GG an die Union bei der Ratifikation der Unionsverträge übertragen worden ist.12 Das BVerfG hat
3.58
1 EuGH v. 6.10.1982 – Rs. 283/81 – C.I.L.F.I.T., Slg. 1982, 3415 Rz. 20; v. 15.7.1982 Rs. 270/81 – Rickmers-Linie, Slg. 1982, 2771 (2784); v. 23.3.1982 – Rs. 53/81 – Levin, Slg. 1982, 1035 (1048); Pechstein/Drechsler in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre3, § 7 Rz. 27. 2 EuGH v. 13.12.1979 – Rs. 44/79 – Hauer, Slg. 1979, 3727 (3743 f.); v. 3.10.1985 – Rs. 249/84 – Profant, Slg. 1985, 3237 (3256 ff.); v. 10.1.1990 – Rs. C-115/88 – Reichert, Slg. 1990, 27 ff.; zu weiteren Einzelheiten Bleckmann/Pieper in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, B. I Rz. 54. 3 EuGH v. 18.1.1984 – Rs. 327/82 – EGKO ./. Produktshop, Slg. 1984, 107 Rz. 11; Riesenhuber in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre3, § 10 Rz. 4 ff. 4 Zur unionsrechtskonformen Auslegung Kofler in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 13.9 ff. 5 Hierzu Stotz in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre3, § 22 Rz. 1 ff.; Dederichs, Die Methodik des EuGH; Buerstedde, Juristische Methodik des Europäischen Gemeinschaftsrechts, 28 ff.; Hobe, Europarecht8, Rz. 407 ff. 6 Vgl. hierzu Baldus in Riesenhuber, Europäische Methoenlehre3, § 3 Rz. 102 ff. 7 Krech, Die Theorie der allgemeinen Rechtsgrundsätze im französischen öffentlichen Recht, 102 ff., Anzwiler, Die Auslegungsmethoden des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften, 39; Walter, Rechtsfortbildung durch den EuGH, 55 ff.; zu weiteren Einzelheiten Vanistendael in FS Flick, 1021 (1028 ff.). 8 Vgl. nur Borchardt in Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht3, § 15 Rz. 3; der EuGH respektiert zugleich aber auch den möglichen Wortsinn als Grenze der Auslegung zur Bedeutung des Wortlauts in der Rechtsprechung des EuGH Bleckmann/Pieper in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR. B. I Rz. 5 ff.; Neuner in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre3, § 12 Rz. 11 ff. 9 Zur Anwendung der sog. „implied-powers-Lehre“ durch den EuGH Oppermann in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht7, § 11 Rz. 11; Hobe, Europarecht8, Rz. 208 ff.; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht4, 176 f. 10 Hobe, Europarecht8, Rz. 414. 11 Hierzu Bleckmann, NJW 1982, 1177 ff.; Bleckmann/Pieper, RIW 1993, 969 (976). 12 Kirchhof, JZ 1989, 452 (454); Bleckmann/Pieper, RIW 1993, 969 (970).
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Kap. 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts
in seiner Maastricht-Entscheidung1 im Anschluss an seine bisherige Rechtsprechung2 bestätigt, es sei berechtigt zu prüfen, ob Einrichtungen oder Organe der EU das Primärrecht der Union in einer Weise handhaben oder fortbilden, die vom deutschen Zustimmungsgesetz nicht mehr gedeckt ist.3 Diesen Vorbehalt hat das BVerfG in seinem Lissabon-Urteil4 und danach5 bekräftigt. Das BVerfG hat sich hierbei ausdrücklich die Feststellung vorbehalten, ggf. den auf unzulässige Rechtsfortbildung beruhenden Rechtsakten der Union die Bindungswirkung für deutsche Organe zu nehmen.6 Angesprochen ist damit auch die Rechtsprechung des EuGH.7 Im Hinblick darauf, dass das BVerfG sich bislang ggü. der Rechtsfortbildung insbesondere im Steuerrecht tolerant gezeigt hat,8 wird das BVerfG wohl kaum je in die Lage kommen, die Rechtsprechung des EuGH wegen unzulässiger Rechtsfortbildung im Steuerrecht unmittelbar oder mittelbar für unverbindlich zu erklären.9 3.59
Der EuGH bewegt sich weit gehend im Rahmen der klassischen Auslegungskanones der Wortauslegung, der teleologischen, systematischen und historischen Auslegung.10 Der Wortauslegung des Unionsrechts sind allerdings von vornherein schon deshalb Grenzen gesetzt, weil es keinen einheitlichen Wortlaut gibt, vielmehr jede Sprachfassung gleichermaßen verbindlich ist (Art. 55 EUV, Art. 358 AEU).11 In der Rechtsprechung des EuGH ist die teleologische
1 BVerfG v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155 ff. 2 BVerfG v. 23.6.1981 – 2 BvR 1107/77, 2 BvR 1124/77, 2 BvR 195/79, BVerfGE 58, 1 (30 f.); v. 8.4.1987 – 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223 (235, 242). 3 BVerfG v. 12.10.1993 – 2 BvR 2134/92, 2 BvR 2159/92, BVerfGE 89, 155 (182 ff.). 4 BVerfG v. 30.6.2009 – 2 BvE 2/08, 2 BvE 5/08, 2 BvR 1010/08, 2 BvR 1022/08, 2 BvR 1259/08, 2 BvR 182/09, BVerfGE 123, 267. 5 BVerfG v. 6.7.2010 – 2 BvR 2661/06, BVerfGE 126, 286 (304); v. 14.1.2014 – 2 BvR 2728/13 u.a., EWG 2014, 270; v. 18.3.2014 – 2 BvR 1390/12 u.a., EWS 2014, 273; zuletzt v. 21.6.2016 – 2 BvR 2728/13 u.a., RIW 2016, 519 Rz. 130. 6 Hierzu Bleckmann/Pieper, RIW 1993, 969 (976); Häde, BB 1993, 2457 (2462); Frenz, EWS 2009, 345 ff. 7 Vgl. Borchardt in Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht3, § 15 Rz. 27; Bleckmann/ Pieper, RIW 1993, 969 (970). 8 Hierzu die Rechtsprechungsübersicht bei Oppermann in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht7, § 11 Rz. 11; Hobe, Europarecht8, Rz. 208 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 182 ff.; Herzog, StbJb 1985/86, 27 (41 ff.). 9 So hat das BVerfG mit Beschlüssen v. 8.4.1987 – 2 BvR 687/85, UR 1987, 355 und v. 4.11. 1987 – 2 BvR 763/85, UR 1988, 25 die Rechtsfortbildung des EuGH zur unmittelbaren Wirkung von EU-Richtlinien gebilligt; vgl. zuletzt auch BVerfG v. 21.6.2016 – 2 BvR 2728/13 u.a., RIW 2016, 519 Rz. 161. 10 Stotz in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre3, § 22 Rz. 11 ff.; Kofler in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 13.1 ff.; Bleckmann/Pieper in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, B. I Rz. 5 ff.; Vanistendael in FS Flick, 1021 (1028 ff.). 11 EuGH v. 12.11.1969 – Rs. 29/69 – Stauder, Slg. 1969, 419 (424 f.); v. 27.10.1977 – Rs. 30/77 – Bouchereau, Slg. 1977, 1999 (2009 ff.); v. 28.3.1985,Rs. 100/84 – Kommission ./. GB, Slg. 1985, 1169 (1181 ff.); BVerfG v. 21.6.2016 – 2 BvR 2728/13 u.a., RIW 2016, 519 Rz. 159; zu weiteren Einzelheiten Stotz in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre3, § 22 Rz. 12 ff.; Borchardt in Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht3, § 15 Rz. 34 ff.; Kofler in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 13.3 ff.; Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts, 50 ff.; z.T. a.A. Pechstein/Drechsler in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre3, § 7 Rz. 21.
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E. Europäisches Steuerrecht
Auslegung dominierend.1 Orientierungsmaßstäbe sind hierbei insbesondere die Ziele des AEUV sowie die spezifischen Zielsetzungen der einzelnen Vertragsnormen bzw. der Normen des sekundären Unionsrechts, wobei jede Norm so auszulegen ist, dass sie ihre volle Wirkung entfaltet.2 Während der EuGH im Rahmen der teleologischen Auslegung des primären Unionsrechts nur selten auf die in der Präambel und in Art. 3 EUV verankerten Ziele und Aufgaben abstellt,3 vielmehr die Ziele der Einzelbestimmungen des AEUV in den Vordergrund rückt, ist die teleologische Auslegung des Sekundärrechts insbesondere an den in den Begründungserwägungen der Präambeln der Rechtsakte des Ministerrats oder der Kommission zum Ausdruck kommenden Ziele ausgerichtet.4 Darüber hinaus geht es im Rahmen der teleologischen Auslegung auch darum, das Sekundärrecht vertragskonform, d.h. in Übereinstimmung mit dem AEUV, auszulegen (primärrechtskonforme Auslegung).5 Die teleologische Auslegung der steuerrechtlichen Normen des Unionsrechts orientiert sich in erster Linie an dem Ziel der Entwicklung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen und der Durchsetzung der Grundfreiheiten.6 2. Unionsrechtskonforme Auslegung Die in Art. 4 Abs. 3 EUV verankerte Unionstreue bindet Legislative, Exekutive und Judikative gleichermaßen.7 Diese auf die Durchsetzung des Unionsrechts gerichtete Verpflichtung bedeutet für die Exekutive und die Judikative, die Auslegung des nationalen Rechts insbesondere an dem primären und sekundären Unionsrecht auszurichten (unionsrechtskonforme Auslegung).8 Im Hinblick da1 Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht7, § 9 Rz. 176 ff.; Bleckmann/Pieper in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, B. I. Rz. 15 ff.; Stotz in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre3, § 22 Rz. 15; Schön, DStJG 19 (1996), 67 (173 f.). 2 Grundsatz des „effet utile“; EuGH v. 6.10.1970 – Rs. 9/70 – Grad, Slg. 1970, 825; v. 8.3. 2007 – Rs. C-44/06 – Gerlach, Slg. 2007, I-2077 Rz. 28; v. 18.7.2007 – Rs. C-119/05 – Lucchine, Slg. 2007, I-6199 Rz. 61; v. 21.10.2015 – Rs. C-215/15 – Gogova, ECLI:EU:C:2015:710, Rz. 45; Stotz in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre3, § 22 Rz. 16; Borchardt in Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht3, § 15 Rz. 47; Schön, Die Auslegung des europäischen Steuerrechts, 53. 3 Nachweise bei Bleckmann/Pieper in Dauses Hdb. EU-WirtschaftsR, B. I Rz. 21 ff. 4 Bleckmann/Pieper in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, B. I Rz. 17; Stotz in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre3, § 22 Rz. 17. 5 EuGH v. 25.11.1986, Rs. 201-202/85 – Kleusen, Slg. 1986, 3477; v. 28.9.1994 – Rs. C-7/93 – Beune, Slg. 1994, I, 4471 (4523); Bleckmann/Pieper in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, B. I Rz. 25; Stotz in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre3, § 22 Rz. 20 f. 6 EuGH v. 9.10.1980 – Rs. 823/79 – Carciati, Slg. 1980, 2773 (2780); v. 3.10.1985 – Rs. 249/84 – Profant, Slg. 1985, 3237 (3255 ff.); Voß in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR. I Rz. 10; Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts, 47. 7 EuGH v. 10.4.1984 – Rs. 79/83 – Harz, Slg. 1984, 1921 (1942); v. 10.4.1984 – Rs. 14/83 – Colson u. Kamann, Slg. 1984, 1891 (1909); v. 26.2.1986 – Rs. 152/84 – Marshall, Slg. 1886, 723 (747); v. 20.9.1988 – Rs. 31/87 – Beentjes, Slg. 1988, 4635 ff.; v. 13.11.1990 – Rs. C-106/89 – Marleasing, Slg. 1990, 4135 (4159); BVerfG v. 8.4.1987 – 2 BvR 687/85, BVerfGE 75, 223 (237). 8 EuGH v. 22.6.1989 – Rs. 103/88 – Fratelli Costanzo, Slg. 1989, 1839 (1870 f.); v. 13.11.1990 – Rs. C-106/89 – Marleasing, Slg. 1990, 4135 ff.; Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 240; Schön, Die Auslegung europäischen Steuerrechts, 38 ff.
Schaumburg
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3.60
Kap. 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts
rauf ist zwischen primärrechts- und richtlinienkonformer Auslegung zu unterscheiden. 3.61
Die primärrechtskonforme Auslegung ist keine spezifische Auslegungsmethode, so dass der für die Auslegung des Steuerrechts maßgebliche Auslegungskanon uneingeschränkt Geltung hat.1 Die primärrechtskonforme Auslegung bewegt sich somit im Rahmen der durch die allgemeine Methodenlehre gezogenen Grenzen2 mit der Folge, dass auch insoweit der mögliche Wortlaut die Grenze der Auslegung bildet.3 Die primärrechtskonforme Auslegung greift daher im Rahmen des möglichen Wortsinns nur dann ein, wenn die verschiedenen Auslegungsmethoden eine (abweichende) Deutung zulassen.4 Damit wird im Ergebnis dem Vorrang des Primärrechts entsprochen und zudem verhindert, dass die dem Primärrecht widersprechende Rechtsnorm unanwendbar ist.5 Um die Unanwendbarkeit einer dem Primärrecht widersprechenden Norm zu vermeiden, ist es ausnahmsweise zulässig, über die Wortlautgrenze hinaus im Wege normerhaltender Reduktion dem Primärrecht Rechnung zu tragen, soweit dies dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers entspricht.6 Eine normerhaltende Reduktion von dem Primärrecht widersprechenden Rechtsnormen hat vor allem Bedeutung im Zusammenhang mit der Umsetzung von EuGH-Urteilen.7
3.62
Die richtlinienkonforme Auslegung8 gilt ohne weiteres für in nationales Recht umgesetzte Richtlinien.9 Demgegenüber ist eine solche Auslegung bestehenden nationalen Rechts vor Ablauf der Umsetzungsfrist nicht verpflichtend,10 es sei denn, die erkennbaren gesetzgeberischen Maßnahmen zielen darauf ab, die Richtlinien nicht oder nicht richtig umzusetzen.11 Schließlich besteht auch keine unionsrechtliche Verpflichtung zur richtlinienkonformen Auslegung in den Fällen überschießender Umsetzung, wenn etwa aus Gründen der Gleichbe1 Vgl. Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 246; Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 13.7 ff. 2 Englisch in Tipke/Lang22, § 4 Rz. 28. 3 Tipke, Die Steuerrechtsordnung III, 1624 ff.; Englisch in Tipke/Lang22, § 5 Rz. 58; Kofler in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 13.7 ff. 4 Vgl. Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 246. 5 Zum Vorrang der primärrechtskonformen Auslegung EuGH v. 4.2.1988 – Rs. 157/86 – Murphy, Slg. 1988, I-673 Rz. 11; v. 10.2.2000 – Rs. C-270/97 u.a. – Deutsche Post, Slg. 2000, I-929 Rz. 62; v. 26.9.2000 – Rs. C-262/97 – Engelbrecht, Slg. 2000, I-7321 Rz. 38 ff.; v. 22.6.2010 – Rs. C-188/10 u.a. – Melki u.a., Slg. 2010, I-5667 Rz. 50. 6 Aus der Rechtsprechung des BFH: BFH v. 20.9.2006 – I R 113/03, BFH/NV 2007, 220; v. 20.12.2006 – I R 94/02, BFHE 216, 269; v. 13.6.2006 – I R 78/04, BFHE 215, 82; v. 24.4. 2007 – I R 39/04, BStBl. II 2008, 95; v. 22.7.2008 – I R 101/02, BFH/NV 2008, 1747. 7 Vgl. nur M. Lang in FS Lang, 1003 ff. (1008 ff.). 8 In der Rspr. des EuGH und der Mitgliedstaaten als Grundsatz anerkannt; vgl. die Hinweise bei Ruffert in Calliess/Ruffert5, Art. 288 AEUV Rz. 77. 9 EuGH v. 16.12.1993 – Rs. C-334/92 – Wagner Miret, Slg. 1993, I-6911; v. 11.7.1996 – Rs. C-71/94 – Eurim-Pharm, Slg. 1996, I-3603; v. 22.9.1998 – Rs. C-185/97 – Coote, Slg. 1998, I-5199. 10 EuGH v. 4.7.2006 – Rs. C-212/04 – Adeneler, Slg. 2006, I-6067 Rz. 115; Nettesheim in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 288 AEUV Rz. 133; Schroeder in Streinz2, Art. 288 AEUV Rz. 130; sie ist aber nach nationalem Recht durchaus zulässig; BGH v. 5.2.1998 – I ZR 211/95, NJW 1998, 2208. 11 Zu diesem Sonderfall EuGH v.18.12.1997 – Rs. C-129/96 – Inter-Environnement, Slg. 1997, I-7411 Rz. 40 ff.
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E. Europäisches Steuerrecht
handlung von einer Richtlinie nicht erfasste Regelungsbereiche dem Richtlinienrecht angepasst werden.1 Die richtlinienkonforme Auslegung ist keine originäre Auslegungsmethode,2 so dass der allgemein gültige Auslegungskanon auch hier zur Anwendung kommt. Das hat u.a. zur Folge, dass sich im Grundsatz die richtlinienkonforme Auslegung nur im Rahmen des maßgeblichen Wortlauts bewegen darf.3 Damit kommt der richtlinienkonformen Auslegung gegenüber den nationalen Auslegungskriterien kein Vorrang zu.4 Sie greift somit im Rahmen des möglichen Wortsinns nur dann ein, wenn die verschiedenen Auslegungsmethoden eine (abweichende) Deutung zulassen.5 Soweit allerdings eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung nach nationalem Recht möglich ist, gilt dies auch für die richtlinienkonforme Auslegung.6
III. Stand der Harmonisierung 1. Direkte Steuern a) Harmonisierungskompetenz Im Gegensatz zu den indirekten Steuern ist die Harmonisierung der direkten Steuern in der EU weniger weit fortgeschritten. Die Gründe hierfür liegen insbesondere im Fehlen einer eindeutigen Harmonisierungskompetenz der EU. Während Art. 113 AEUV eine autonome Rechtsgrundlage für die Harmonisierung der indirekten Steuern7 enthält, kann die Harmonisierung der direkten Steuern nur auf die allgemeine Ermächtigung in Art. 115 AEUV gestützt werden.8 Art. 116 AEUV, der eine Harmonisierung von Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten nur bei einer spezifischen und besonders erheblichen Wettbewerbsverzerrung vorsieht, scheidet als Rechtsgrundlage für eine Harmonisierung der direkten Steuern aus.9 Art. 115 AEUV ermächtigt indessen nicht ohne jede Voraussetzung zu einer Harmonisierung der direkten Steuern. Die Ermächtigung steht nämlich unter dem Vorbehalt der Subsidiarität (Art. 5 Abs. 3 EUV) und der Erforderlichkeit (Art. 5 Abs. 4 EUV). Das bedeutet einerseits, dass die Union10 in Bereichen, für die sie nicht von vornherein ausschließlich zuständig ist, nur tätig werden darf, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen auf der Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend und 1 Ruffert in Calliess/Ruffert5, Art. 288 AEUV Rz. 83; Brandner, Die überschießende Umsetzung von Richlinien, 91 ff.; Mansel in FS Canaris, 809 ff. (832); vgl auch (differenzierend) Habersach/Mayer in Riesenhuber, Europäische Methodenlehre, § 15 Rz. 23 ff. 2 Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 246. 3 Schroeder in Streinz2, Art. 288 AEUV Rz. 128. 4 Vgl. zum Streitstand Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 242 ff. 5 Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 246. 6 Schroeder in Streinz2, Art. 288 Rz. 128. 7 Hierzu Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 1.9; Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, Rz. A 2, 7. 8 Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 1.17. 9 Derartige Wettbewerbsverzerrungen sind hierfür bislang nicht festgestellt worden; vgl. Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 1.19. 10 Zum Subsidiaritätsprinzip Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 11.1 ff.
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Kap. 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts
besser als auf der Unionsebene erreicht werden können. Andererseits bedeutet dies, dass die Maßnahmen zur Erreichung der angestrebten Ziele geeignet und erforderlich sein müssen, so dass, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende Maßnahme zu wählen ist (Verhältnismäßigkeitsprinzip).1 Damit bleibt für den Bereich der direkten Steuern das Konzept der Vollharmonisierung versagt mit der Folge, dass die EU weiterhin durch einen Wettbewerb der Steuersysteme geprägt ist (Rz. 5.1 ff.). Das gilt insbesondere für die unterschiedlichen Körperschaftsteuersysteme innerhalb der EU, die eine grenzüberschreitende Tätigkeit der Unternehmen wesentlich erschweren.2 3.64
Aufgrund der strikten Anwendung der europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten3 durch die Rechtsprechung des EuGH ist bereits vor Jahren ein Prozess der stillen Harmonisierung eingeleitet worden,4 der im Ergebnis auf der Vorrangstellung der Grundfreiheiten (Primärrecht) gegenüber dem nationalen Steuerrecht beruht. Diese Grundfreiheiten hat der EuGH seit vielen Jahren in besonderer Weise aktiviert. Seinen insbesondere im Vorabentscheidungsverfahren (Art. 267 AEUV) ergehenden Auslegungs- und Gültigkeitsurteilen kommt eine erga omnes-Wirkung zu, so dass eine Bindung für alle Gerichte und Verwaltungsbehörden bei Anwendungen derjenigen Vorschriften besteht, die Gegenstand des Vorabentscheidungsverfahrens waren.5 Diese Bindung trifft darüber hinaus auch den jeweiligen Steuergesetzgeber, so dass Gesetze entsprechend der Doktrin des Vorrangs der Grundfreiheiten ggü. der Steuersouveränität der EU-Staaten6 nachfolgend7 geändert werden müssen.8 Seitdem haben zahlreiche Entscheidungen in die deutsche Steuersouveränität mit folgenschweren fiskalischen Wirkungen
1 Hierzu Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht7, § 11 Rz. 33. 2 Der aus dem Jahre 1975 stammende Richtlinienvorschlag zur Harmonisierung der Körperschaftsteuersysteme (ABl. 253 v. 5.11.1975) wurde 1990 zurückgezogen, und die Empfehlungen des Ruding-Komitees (DB 1992, Beilage 5) wurden nicht umgesetzt; zu weitergehenden Entwicklungen insbesondere zu einer EU-weiten konsolidierten Besteuerung Spengel in Reimer u.a., Europäischen Gesellschafts- und Steuerrecht, 253 (276 ff.); Herzig in FS Schaumburg, 751 (758 ff.); Rödder in FS Herzig, 349 (359 ff.); speziell zum GKKB Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 18.1 ff. 3 Verkürzt: Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 ff. AEUV); Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 ff. AEUV); Niederlassungsfreiheit für Unternehmer (Art. 49 ff. AEUVEG) bzw. die Freizügigkeit für Arbeitnehmer (Art. 45 ff. AEUV) sowie die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 ff. AEUV). 4 Hierzu auch Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 25 ff.; Schön, StbJb 2003/2004, 27 ff.; Rödder, DStR 2004, 1629 ff.; Hey in Reimer u.a., Europäisches Gesellschafts- und Steuerrecht, 295 (305 ff.). 5 EuGH v. 17.2.2005 – Rs. C-453/02, 462/02 – Linneweber, Slg. 2005, I-1131 Rz. 41; v. 22.10.1998 – Rs. C-10/97 – 22/97 – IN.CO.GE, Slg. 1998, I-6307 Rz. 23; v. 27.3.1980 – Rs. 61/79 – Denkavit italiana, Slg. 1980, 1205 Rz. 16; Karpenstein in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 267 AEUV Rz. 104; Ehricke in Streinz2, Art. 267 AEUV Rz. 72; Seer in T/K, AO/FGO, EuRS Rz. 48. 6 Seit EuGH v. 7.5.1985 – Rs. 18/84 – Kommission ./. Frankreich, Slg. 1985, 1339; hierzu die Einzelanalyse von Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 386 ff. 7 Vgl. zu Beispielen Ismer in H/H/R, Einf. ESt Rz. 490 ff. 8 Rechtsgrundlage Art. 4 Abs. 3 UAbs. 2 EUV; zu dieser Loyalitätspflicht Streinz in Streinz2, Art. 4 EUV Rz. 31 ff.
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E. Europäisches Steuerrecht
eingegriffen.1 Diese beruhen nicht zuletzt darauf, dass die Urteile des EuGH, die für sich Verbindlichkeit beanspruchen,2 durchweg zeitlich zurückwirken.3 Die Harmonisierung der direkten Steuern erschöpft sich weitgehend in einigen EU-Richtlinien, die vor allem darauf gerichtet sind, die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten zu gewährleisten. Allerdings gehen auch von dem in Art. 107 f. AEUV verankerten (steuerlichen) Beihilfeverbot gewisse Harmonisierungseffekte aus. Hiernach ist nämlich eine wettbewerbsverfälschende Unterstützung bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige durch staatliche Beihilfen, zu denen auch Steuervergünstigungen gehören, verboten.4
3.65
b) Fusionsrichtlinie Mit der Fusionsrichtlinie5 wird eine wesentliche Beschränkung der Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) (Rz. 4.29 ff.) beseitigt. Hierdurch wird im Wesentlichen die Steuerneutralität von grenzüberschreitenden Umstrukturierungen sowie der Sitzverlegung von SE und SCE gewährleistet,6 was letztlich eine Europäisierung des Umwandlungssteuerrechts bedeutet.
3.66
So ergibt sich unmittelbar aus der Fusionsrichtlinie, dass grenzüberschreitende Verschmelzungen und Spaltungen sowie die grenzüberschreitende Sitzverlegung von SE und SCE keine Besteuerung etwa zu realisierender stiller Reserven auslösen dürfen. Diese Steuerneutralität ist sowohl auf Gesellschaftsebene für die einbringende und übernehmende Gesellschaft (Art. 4 Abs. 1, 7 FRL) als auch auf Gesellschafterebene (Art. 8 FRL) verbindlich.7 Das gilt indessen nur unter dem Vorbehalt, dass der Staat, in dem die übertragende Gesellschaft ansässig
3.67
1 Nur beispielhaft: EuGH v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, Slg. 1995, I-225; v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – Saint Gobain, Slg. 1999, I-6161; v. 26.10.1999 – Rs. C-294/97 – Eurowings, Slg. 1999, I-7447; v. 12.12.2002 – Rs. C-324/00 – Lankhorst-Hohorst, Slg. 2002, I-11779. 2 EuGH v. 6.10.1982 – Rs. 283/71 – C.I.L.F.I.T, Slg. 1982, 3415; Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 24.3 ff. 3 Zur unbegrenzten Rückwirkung EuGH v. 3.10.2002 – Rs. C-347/00 – Barreira Pérez, Slg. 2002, I-8191; v. 17.2.2005 – Rs. C-435/02 u. C-462/02 – Linneweber und Akritidis, Slg. 2005, I-1131; zur begrenzten Rückwirkung aus Vertrauensschutzgründen EuGH v. 6.3. 2007 – Rs. C-292/04 – Meilicke, Slg. 2007, I-1872; Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 24.9, 24.11, 24.20. 4 Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 9.1 ff.; Beispiel: Die Sanierungsklausel des § 8c Abs. 1a KStG wurde von der Kommission nicht genehmigt und (Beschluss der Kommission v. 26.1.2011 – 2011/527/EU, ABl. L 235, 26) ist deshalb nicht in Kraft getreten; vgl. auch die hiergegen erfolglose Klage zum EuG (EuG v. 4.2.2016 – T620/11 – GFKL, ECLI:EU:T:2016:59 = IStR 2016, 249). 5 RL 2009/133/EG des Rates v. 19.10.2009 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, Abspaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, sowie für die Verlegung des Sitzes einer Europäischen Gesellschaft oder einer Europäischen Genossenschaft von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat, ABl. EU 2009 L 310 v. 25.11.2009, 34; vgl. zu Einzelheiten Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 17.1 ff. 6 Zum Internationalen Umwandlungssteuerrecht Rz. 20.1 ff. 7 Bei der übernehmenden Gesellschaft ist hierfür eine Mindestbeteiligung von 10 % an der einbringenden Gesellschaft erforderlich (Art. 7 Abs. 3 FRL).
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ist, keinen Verlust an Besteuerungssubstrat erleidet (Art. 4 Abs. 4 FRL). Im Hinblick darauf erstreckt sich die Steuerneutralität der Umwandlung nur auf dasjenige Aktiv- und Passivvermögen der übertragenden Gesellschaft, das nach der Umwandlung tatsächlich zu einer Betriebsstätte in dem Mitgliedstaat der übertragenden Gesellschaft gehört und zur Erzielung des steuerpflichtigen Ergebnisses beiträgt (Art. 4 Abs. 2 Buchst. b FRL). Eine entsprechende Regelung ist für die Sitzverlegung einer SE/SCE vorgesehen (Art. 12 Abs. 1 FRL). Danach darf die Sitzverlegung einer SE/SCE ebenfalls keine Besteuerung auslösen, soweit nach der Sitzverlegung die betreffenden Wirtschaftsgüter unverändert einer Betriebsstätte im Wegzugsstaat zuzuordnen sind. Für Wirtschaftsgüter, die wegzugsbedingt einer Betriebsstätte im Wegzugsstaat nicht mehr zuzuordnen sind, erfolgt eine Besteuerung stiller Reserven. Schließlich steht die vorstehende Europäisierung auch unter Missbrauchsvorbehalt (Art. 15 Abs. 1 FRL). 3.68
Von der Reichweite der Fusionsrichtlinie sind lediglich bestimmte EU-Kapitalgesellschaften erfasst,1 so dass hiernach etwa die Einbringung eines Teilbetriebs einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft besteuert werden darf.2 Zudem gilt die Fusionsrichtlinie auch für EWR-Gesellschaften.3
3.69
Die Fusionsrichtlinie hat derzeit lediglich eine begrenzte Wirkung, weil für grenzüberschreitende Fusionen und Spaltungen die handelsrechtlichen Voraussetzungen (noch) nicht vollständig gegeben sind. Entsprechende Rechtsgrundlagen gibt es insoweit lediglich für die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften (§§ 122a ff. UmwG). Schließlich sieht auch die SE-VO4 und die SCE-VO5 die Gründung einer SE/SCE durch grenzüberschreitende Verschmelzung vor, wobei insoweit lediglich eine Verschmelzung durch Aufnahme oder durch Neugründung möglich ist. c) Mutter-Tochter-Richtlinie
3.70
Die Mutter-Tochter-Richtlinie6 ist darauf gerichtet, innerhalb der Union die Mehrfachbesteuerung von Dividenden zwischen Kapitalgesellschaften7 zu vermeiden.8 1 Nach dem Anhang I. Teil A zu Art. 3 der FRL gehören hierzu in Deutschland die AG, GmbH, die KGaA, der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaft sowie Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts. 2 Nach deutschem Steuerrecht ergibt sich indessen die Steuerneutralität ggf. gem. § 20 Abs. 1 UmwStG. 3 Vgl. EuGH v. 19.7.2012 – Rs. C-48/11 – A, ECLI:EU:C:2012:485. 4 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 v. 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. EG Nr. L 294 v. 10.11.2001. 5 Verordnung (EG) Nr. 1435/2003 über das Statut der Europäischen Gemeinschaft (SEC) v. 22.7.2003, ABl. EU Nr. L 207 v. 18.8.2003. 6 RL 2011/96/EU des Rates v. 30.11.2011 über das gemeinsame Steuersystem der Mutterund Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, Abl. 2011 Nr. L 345, 8; zuletzt geändert durch RL 2014/86/EU des Rates v. 8.7.2014, ABl. 2014 Nr. L 219, 40; zu Einzelheiten Kofler in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 14.1 ff. 7 Der Kreis der erfassten Kapitalgesellschaften entspricht dem der Fusionsrichtlinie, siehe Rz. 3.63. 8 Es geht hierbei um die Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung; vgl. Rz. 15.3, 18.143.
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Diese Mehrfachbesteuerung wird auf der Ebene der Muttergesellschaft dadurch vermieden, dass einerseits die Quellensteuern bei der ausschüttenden Tochtergesellschaft nicht erhoben (Art. 5 Abs. 1 MTR) und andererseits die Ausschüttungen bei der Muttergesellschaft von der Steuer freigestellt werden oder aber eine indirekte Steueranrechnung ermöglicht wird (Art. 4 Abs. 1 MTR). Diese Maßnahmen bedeuten einen ersten Einstieg in die Schaffung binnenmarktähnlicher Verhältnisse und damit zugleich in ein europäisches Konzernsteuerrecht, durch das steuerliche Behinderungen gegen europaweite Zusammenschlüsse von Konzernen beseitigt werden sollen.1 Die Mutter-Tochter-Richtlinie ist durch § 43b EStG, § 8b Abs. 1, 9 KStG und § 9 Nr. 7 Satz 1 Halbs. 2 GewStG in nationales Recht umgesetzt worden. Im Übrigen wird den Vorgaben der Mutter-Tochter-Richtlinie auf Ebene der Muttergesellschaft insbesondere durch § 8b Abs. 1 KStG entsprochen.
3.71
Die Quellensteuerreduktion auf Null setzt nach der Mutter-Tochter-Richtlinie bei einer Mindestbeteiligungsquote von 10 % ein (§ 43b Abs. 2 EStG). Darüber hinaus wird die Nichterhebung der Quellensteuer (Kapitalertragsteuer) von einer Mindestbeteiligungsdauer abhängig gemacht, wonach die Beteiligung an einer Tochtergesellschaft mindestens ununterbrochen zwölf Monate bestehen muss (§ 43b Abs. 2 Satz 4 EStG). Dieser Regelung entspricht auch § 8b Abs. 4 Satz 1 KStG, wonach für die Steuerbefreiung bei der die Ausschüttung empfangenden Muttergesellschaft eine Mindestbeteiligungsquote von 10 v.H. seit Beginn des Kalenderjahres erforderlich ist (Rz. 18.157 f.). Darüber hinaus steht die Steuerfreistellung unter dem Vorbehalt, dass die Dividenden bei der ausschüttenden Tochtergesellschaft nicht zu einem steuerlichen Abzug geführt haben (Art. 4 Abs. 1 Buchst. a MTR).2 Diese internationale Korrespondenzklausel ist in § 8b Abs. 1 Sätze 2–4 KStG verankert (Rz. 18.150 f.). Schließlich sind die Mitgliedstaaten ermächtigt, korrespondierend zur Steuerfreistellung der Dividenden ein Abzugsverbot für Beteiligungsaufwendungen vorzusehen, wobei mit der Beteiligung zusammenhängende Verwaltungskosten pauschal mit bis zu 5 v.H. der Dividenden vom Abzug ausgeschlossen werden dürfen (Art. 4 Abs. 2 MTR). Diesen Vorgaben entspricht § 8b Abs. 5 Satz 1 KStG (Rz. 18.164 ff.).
3.72
Die Mutter-Tochter-Richtlinie enthält eine gegen das „Richtlinienshopping“ gerichtete Missbrauchsklausel (Art. 1 Abs. 2 MTR). Hiernach ist es den Mitgliedstaaten über die Regelungen der Mindestbeteiligungsdauer hinaus freigestellt, einen weiteren Missbrauchstatbestand zu normieren. Von dieser Ermächtigung hat der deutsche Gesetzgeber durch § 50d Abs. 3 EStG Gebrauch gemacht (Rz. 19.160 ff.).
3.73
d) Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie Die Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie3 regelt die Steuerbefreiung für Zinsen und Lizenzgebühren in dem Mitgliedstaat, in dem der Schuldner ansässig ist 1 Knobbe-Keuk, EuZW 1992, 336 (337); Saß, DB 1990, 2340 (2240); Voß, StuW 1993, 155 (163). 2 Vgl. zu dieser Neuregelung der MTR Haase, IStR 2014, 650; Kahlenberg, StuB 2014, 647. 3 RL 2003/49/EG des Rates v. 3.6.2003, ABl. Nr. L 157, 1 v. 26.6.2003, 49; zuletzt geändert durch RL 2013/13/EU, ABl. 2013 Nr. L 141, 30.
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3.74
Kap. 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts
(Art. 1 Abs. 1 ZiLiRL).1 Diese Freistellung, die im Wesentlichen Quellensteuern betrifft, ist darauf gerichtet, Finanzbeziehungen zwischen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten in der EU nicht gegenüber gleichartigen Beziehungen zwischen Unternehmen ein und desselben Mitgliedstaates steuerlich zu benachteiligen. Im Kern geht es um die Vermeidung der Doppelbesteuerung, die nur bei einem grenzüberschreitenden Zins- oder Lizenztransfer entstehen kann.2 Im Hinblick auf die vorgenannte Zielsetzung entfaltet die Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie allerdings nur eine begrenzte Wirkung. Soweit es Zinsen anbelangt, unterliegen diese ohnehin nur in den Fällen, in denen die zugrunde liegenden Forderungen dinglich gesichert sind (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa EStG), der beschränkten Steuerpflicht. Darüber hinaus hat Deutschland abkommensrechtlich weitgehend auf die Erhebung der Quellensteuer verzichtet.3 Lizenzgebühren unterliegen zwar der beschränkten Steuerpflicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 2, 3, 6 und 9 EStG), für die ein Quellensteuerabzug vorgesehen ist (§ 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG), abkommensrechtlich ist Deutschland aber auch hier zumeist die Quellensteuerbefugnis genommen.4 Damit hat die Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie, die durch §§ 50g, 50h EStG umgesetzt worden ist, keine große praktische Bedeutung. Sie bestätigt im Kern nur das, was sich ohnehin aus dem nationalen bzw. dem Abkommensrecht ergibt. Darüber hinaus ist die Reichweite der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie auch dadurch begrenzt, dass sie den steuerlichen Abzug beim Vergütungsschuldner nicht regelt.5 3.75
Von der Reichweite der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie werden nur miteinander verbundene Unternehmen, soweit es sich hierbei um Kapitalgesellschaften handelt, erfasst (§ 50g Abs. 3 Nr. 5 EStG). Zu den Kapitalgesellschaften gehören die AG, die GmbH und die KGaA (Art. 3 ZiLiRL). Verbundene Unternehmen sind solche, die vertikal oder horizontal miteinander verbunden sind, wobei auf eine Mindestbeteiligungsquote von 25 % abgestellt wird (§ 50g Abs. 3 Nr. 5 EStG). Eine Mindestbesitzzeit wird nicht gefordert.
3.76
Die Steuerbefreiung steht unter Missbrauchsvorbehalt (Art. 5 ZiLiRL), die in § 50g Abs. 4 EStG dahingehend konkretisiert wird, dass eine Steuerbefreiung ausscheidet, wenn der hauptsächliche Beweggrund oder einer der hauptsächlichen Beweggründe für Geschäftsvorfälle die Steuervermeidung oder der Missbrauch sind. Darüber hinaus bleibt auch § 50d Abs. 3 EStG anwendbar (§ 50g Abs. 4 Satz 2 EStG).6
1 Zu Einzelheiten Kofler in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 15.1 ff. 2 Erwägungsgründe 1 und 2 der ZiLiRL. 3 Hierzu die Abkommensübersicht bei Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 11 OECD-MA Rz. 48. 4 Hierzu die Abkommensübersicht bei Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 12 OECD-MA Rz. 29. 5 EuGH v. 21.7.2011 – Rs. C-397/09 – Scheuten Solar, Slg. 2011, I-6455, BFH v. 7.12.2011 – I R 30/08, BStBl. II 2012, 507; vgl. zu § 8 Nr. 1 GewStG Rz. 9.13 und zu § 4h EStG Rz. 6.117 ff. 6 Zu weiteren Einzelheiten Rehfeld in H/H/R, § 50g EStG Rz. 1 ff.; Wagner in Blümich, § 50g EStG Rz. 1 ff.; Dörr, IStR 2005, 109 ff.; ferner Rz. 19.160 ff.
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e) Zinsrichtlinie Die Zinsrichtlinie (Sparzinsrichtlinie),1 die am 10.11.2015 vom ECOFIN-Rat auf Vorschlag der EU-Kommission zum 31.12.2015 aufgehoben worden ist,2 betrifft die Zinsbesteuerung natürlicher Personen. Ziel der Richtlinie ist es, die Besteuerung von Zinserträgen unionsrechtlich zu koordinieren und hierdurch die Besteuerung im Unionsgebiet überhaupt sicherzustellen.3 Die Zinsrichtlinie will gewährleisten, dass die Zinszahlungen im Ansässigkeitsstaat des Gläubigers der Besteuerung unterworfen werden (Art. 1 Abs. 1 ZiRL). Im Hinblick darauf werden die die Zinsen auszahlenden Zahlstellen verpflichtet, die Identität und den Wohnsitz der Zahlungsempfänger bei der Eröffnung eines Kontos festzustellen (Art. 3 ZiRL). Damit sind im Ergebnis anonyme Konten unzulässig. Schließlich sieht die Zinsrichtlinie, die auf der Grundlage des § 45e EStG durch die Zinsinformationsverordnung (ZIV) in deutsches Recht umgesetzt worden ist, ein grenzüberschreitendes Informationssystem vor, wonach die Zahlstellen zur Mitteilung der Zinszahlung an die zuständigen Behörden ohne besondere Aufforderung verpflichtet sind (Art. 8, 9 ZiRL).4
3.77
Das vorstehende Informationssystem besteht neben den bereits durch DBA (Art. 26 OECD-MA; Rz. 22.85 ff.) besondere Abkommen über den Informationsaustausch (Rz. 22.98 ff.) und die Amtshilferichtlinie (Rz. 22.80 ff.) geregelten Informationspflichten.5 Die Zins-Richtlinie betrifft aber nur grenzüberschreitende Zinszahlungen, allerdings unabhängig davon, ob sie der unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht unterliegen.6 Um Überschneidungen zu vermeiden, wurde die Zinsrichtlinie durch die Änderung der nunmehr breiter gefassten Amtshilferichtlinie7 ersetzt und die darauf beruhende Zinsinformationsverordnung (ZIV) aufgehoben.8 Aufgrund der geänderten Amtshilferichtlinie wird insbesondere der automatische Austausch von Informationen über Finanzkonten zwischen den Mitgliedstaaten erleichtert (Rz. 22.122 ff.).
3.78
f) Schiedsverfahrenskonvention Auf der Grundlage des Art. 293 EG a.F. haben die EU-Staaten das Übereinkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Fall von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen9 abgeschlossen. Diese sog. Schiedsver1 RL 2003/48/EG des Rates v. 3.6.2003, ABl. EU 2003, Nr. L 157, 38; RL 2014/48/EU des Rates v. 24.3.2014 zur Änderung der RL 2003/48/EG im Bereich der Besteuerung von Zinserträgen, ABl. EU Nr. L 111 v. 15.4.2014, 50; zu Einzelheiten Fehling in Schaumburg/ Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 19.1 ff. 2 RL 2015/2060 EU, ABl. L 301 v. 18.11.2015, 1. 3 Nr. 5 der Erwägungsgründe der Zinsrichtlinie. 4 Für Luxemburg und Österreich galten für eine Übergangszeit noch Sonderregelungen (Art. 10–15 ZiRL). 5 Hierzu Sailer/Ismer, IStR 2005, 1 (2 ff.). 6 Zu weiteren Einzelheiten Sailer/Ismer, IStR 2005, 1 ff. 7 RL 2014/107/EU v. 9.12.2014, ABl. Nr. L 359, 1. 8 BStBl. I 2016, 725. 9 Schiedsverfahrenskonvention (90/436/EWG) v. 23.7.1990, ABl.EG Nr. L 225, 10 v. 20.8. 1990; Änderungsprotokoll v. 25.5.1999, ABl. EG Nr. C 202/1 v. 16.7.1999; Ergänzung ABl. EU Nr. C 160, 11 v. 30.6.2005.
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fahrenskonvention (Rz. 19.114 ff.)1 ist ein multilateraler völkerrechtlicher Vertrag,2 der nach Hinterlegung aller Ratifikationsurkunden3 zum 1.1.1995 in Kraft getreten ist. Ihr steht der höhere Rang des Europarechts (Rz. 3.27 ff.) nicht zu.4 3.80
Die zunächst auf 5 Jahre befristete und inzwischen ohne Zeitbegrenzung verlängerte Schiedsverfahrenskonvention ist auf die Beseitigung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung gerichtet, die dadurch entstehen kann, dass die Finanzverwaltungen der Mitgliedstaaten nicht abgestimmte Einkünfteberichtigungen vornehmen, die sich als Folge von Verrechnungspreiskorrekturen zwischen verbundenen Kapitalgesellschaften und veränderter Einkünfteabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätten in verschiedenen Mitgliedstaaten ergeben. Dadurch wird sichergestellt, dass mit der auf Gewinnerhöhung gerichteten Erstberichtigung in dem einen Mitgliedstaat eine auf Gewinnminderung gerichtete Gegenberichtigung in dem oder den anderen Vertragsstaaten korrespondiert. Da die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die auf dieser nicht abgestimmten Einkünfteberichtigung beruhende wirtschaftliche Doppelbesteuerung zu vermeiden (Art. 12 Abs. 1), entfaltet die Schiedsverfahrenskonvention eine Schutzwirkung zugunsten der in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässigen verbundenen Unternehmen gegenüber einseitigen Gewinnkorrekturen durch den einen oder anderen Mitgliedstaat.
3.81
Diese Schutzwirkung beruht im Wesentlichen darauf, dass die betroffenen Unternehmen in den Fällen nicht abgestimmter Einkünfteberichtigungen nicht nur einen Anspruch auf Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung haben, sondern auch darauf, dass nach der Schiedsverfahrenskonvention Einkünfteberichtigungen nur unter Beachtung der in Art. 4 Abs. 1 enthaltenen Rechtsgrundsätze, insbesondere nach Maßgabe des international anerkannten dealing at arm’s lengthPrinzips (Rz. 19.298 ff., 21.104 ff.), vorgenommen werden dürfen (zu Einzelheiten Rz. 19.114 ff.). g) Bilanzrichtlinien
3.82
Die Bilanzrichtlinien,5 die den Jahresabschluss von Unternehmen betreffen, haben zwar keinen spezifisch-steuerrechtlichen Inhalt, über das in § 5 Abs. 1 EStG verankerte Maßgeblichkeitsprinzip,6 wirken sie aber auf das deutsche Steuerrecht dadurch ein,7 dass § 5 Abs. 1 EStG Bezug nimmt auf die Vorschriften des 3. Buches des Handelsgesetzbuches, die die Regelungen über die für alle Kaufleute geltenden GOB enthalten. Ihnen liegt wiederum die Jahresabschlussrichtlinie (Bilanzricht1 Auch Schiedsabkommen oder Schiedsübereinkommen genannt; vgl. zu Einzelheiten auch Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 16.1 ff. 2 Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 16.1. 3 Art. 18 der Schiedsverfahrenskonvention. 4 Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 16.1. 5 Früher Bilanzrichtlinie (4. Richtlinie), Konzernbilanzrichtlinie (7. Richtlinie); nunmehr Jahresabschlussrichtlinie (Bilanzrichtlinie) – RL 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rats vom 26.6.2013, ABl. v. 29.6.2013, L 182, 19 ff. 6 Zur Reichweite des Maßgeblichkeitsprinzips vgl. Anzinger in H/H/R, § 5 EStG Rz. 160 ff.; Hennrichs in Tipke/Lang22, § 9 Rz. 100 ff. 7 Anzinger in H/H/R, § 5 EStG Rz. 43 ff.; Crezelius in Kirchhof15, § 5 EStG Rz. 8 ff.; Wassermeyer in FS Lutter, 1633 (1636 f.); Schön in FS Flick, 573 (579 ff.); de Weerth, RIW 1996, 763 (765); Groh, DStR 1996, 1206 (1209).
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E. Europäisches Steuerrecht
linie) zugrunde.1 Die Bilanzrichtlinie enthält Regelungen über die Rechnungslegung, Publizität und Prüfung von Kapitalgesellschaften. Ziel der Bilanzrichtlinie ist die Schaffung eines einheitlichen europäischen Bilanzrechts für Kapitalgesellschaften. Sie enthält darüber hinaus Vorschriften über den Jahresabschluss von Konzernen. Vorläufer waren die 4.2 und 7.3 Richtlinie, deren Regelungen weitgehend durch die Jahresabschlussrichtlinie4 übernommen worden sind. Die drei vorgenannten Bilanzrichtlinien sind durch das Bilanzrichtliniengesetz5 zum 1.1.1986 in nationales deutsches Recht umgesetzt. Darüber hinaus wurde mit Wirkung zum 1.1.1991 auch die EU-Richtlinie über den Jahresabschluss von Banken6 durch das Bilanzrichtliniengesetz7 in nationales Recht umgesetzt.8 Die dort enthaltenen Vorschriften haben nicht nur Bedeutung für den Jahresabschluss von Banken, sondern allgemein für das Bilanzrecht.9 Schließlich enthält auch die Versicherungsbilanzrichtlinie10 Regelungen mit Auswirkungen auf das Bilanzsteuerrecht.
3.83
Für das Steuerrecht hat insbesondere die 4. Richtlinie und sodann die Jahresabschlussrichtlinie weitreichende Bedeutung. So enthalten der 1. Abschn. des 3. Buches des Handelsgesetzbuches (§§ 238 ff. HGB) für alle Kaufleute geltende Rechnungslegungsvorschriften und der zweite Abschnitt des 3. Buches des Handelsgesetzbuches (§§ 264 ff. HGB) ergänzende Vorschriften speziell für Kapitalgesellschaften.
3.84
Soweit die §§ 238 ff. und §§ 264 ff. HGB Regelungen zu den GOB enthalten, sind diese im Ergebnis im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 EStG einheitlich für alle
3.85
1 Diese mittelbare Wirkung des Unionsrechts begründet bereits insoweit die Prüfungskompetenz des EuGH; vgl. EuGH v. 27.6.1996 – Rs. C-234/94 – Tomberger, Slg. 1996, I-3133; v. 14.9.1999 – Rs. C-275/97 – DE + ES, Slg. 1999, I-5331; v. 7.1.2003 – Rs. C-306/99, – BIAO, Slg. 2003, I-1; v. 3.10.2013 – Rs. C-322/12 – GIMLE, ECLI:EU:C:2013:632, IStR 2014, 24; diese Frage ist allerdings immer noch streitig; zum Meinungsstand Krumm in Blümich, § 5 EStG Rz. 99; Hennrichs in Tipke/Lang22, § 9 Rz. 69, 72 f. 2 Vierte EU-Richtlinie, 78/660/EWG v. 25.7.1978 zur Koordinierung der einzelstaatlichen Vorschriften über Form und Inhalt des Jahresabschlusses und des Lageberichts von AG, KGaA und GmbH, ABl. EG Nr. L 220, 11 v. 14.8.1978. 3 Siebente EU-Richtlinie, 83/349/EWG zur Koordinierung der einzelstaatlichen Vorschriften über die Konzernrechnungslegung von AG, KGaA und GmbH v. 13.6.1983, ABl. EG Nr. L 193, 1 v. 18.7.1983. 4 RL 2013/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 26.6.2013 über den Jahresabschluss, den konsolidierten Abschluss und damit verbundene Berichte von Unternehmen bestimmter Rechtsformen und zur Änderung der RL 2006/43/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der RL 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates, ABl. v. 29.6.2013, L 182, 19; Umsetzung durch Bilanzrichtlinie-Umsetzungsgesetz (BilRUG) v. 17.7.2015, BGBl. I 2015, 1245; mit Wirkung ab 31.12.2015. 5 Vom 19.12.1985, BGBl. I 1985, 2355. 6 86/635/EWG, ABl. EG Nr. 1 372, 1. 7 Vom 30.11.1990, BGBl. I 1990, 2570. 8 Ergänzend hierzu erging die Richtlinie 89/117/EWG des Rates über die Pflichten der in einem Mitgliedstaat eingerichteten Zweigniederlassungen von Kreditinstituten und Finanzinstituten mit Sitz außerhalb dieses Mitgliedstaates zur Offenlegung von Jahresabschlussunterlagen v. 13.2.1989 (ABl. EG Nr. L 44, 40 v. 19.2.1989); in deutsches Recht durch VO über die Rechnungslegung der Kreditinstitute v. 10.2.1992, BGBl. I 1992, 203, umgesetzt. 9 Hierzu Clausen, DB 1991, 1129 ff.; Prahl, WPg 1991, 401 ff., 438 ff. 10 91/674/EWG v. 19.12.1991, ABl. EG Nr. L 374, 7 v. 19.12.1991; in deutsches Recht umgesetzt durch Gesetz (VersRiLiG) v. 24.6.1994, BGBl. I 1994, 1377.
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Kap. 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts
Kaufleute richtlinienkonform anzulegen.1 Das gilt allerdings nicht für den in § 264 Abs. 2 HGB normierten Grundsatz des true and fair view, der mit dem Steuerbilanzrecht unvereinbar ist.2 3.86
Die IFRS-Verordnung3 gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat der EU (Art. 11 IFRS-VO). Hiernach sind kapitalmarktorientierte Unternehmen verpflichtet, ihren Konzernabschluss nach den IFRS aufzustellen (Art. 4 IFRS-VO). Für nicht börsennotierte Gesellschaften besteht die Option zur Anwendung der IFRS (Art. 5 IFRS-VO), wobei freilich den Mitgliedstaaten die Möglichkeit verbleibt, nach Maßgabe des nationalen Rechts entweder IFRS vorzuschreiben oder aber als Wahlrecht zuzulassen. Dieses Wahlrecht ergibt sich aus § 315a Abs. 2 HGB. Die IFRS haben allerdings keine Geltung für Einzelabschlüsse, und zwar auch soweit es sich um kapitalmarktorientierte Unternehmen handelt. Insoweit verbleibt es dabei, dass der nach dem Bilanzrecht des Handelsgesetzbuches aufzustellende Einzelabschluss allein Bedeutung hat für den Maßgeblichkeitsgrundsatz gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG. Der nach IFRS aufzustellende Konzernabschluss hat demgegenüber Bedeutung im Zusammenhang mit der Anwendung der Zinsschranke (§ 4h Abs. 2 Buchst. c) EStG).4 2. Indirekte Steuern a) Harmonisierungsauftrag
3.87
Für die indirekten Steuern5 enthält der AEUV einen eindeutigen Harmonisierungsauftrag: Art. 113 AEUV verpflichtet die Organe der Union im Interesse des gemeinsamen Marktes zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern, die Verbrauchsabgaben und sonstigen indirekten Steuern, soweit dies für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarktes und die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen notwendig ist (Harmonisierungszwang). Diese Harmonisierung ist auf die Verwirklichung des Binnenmarktes gerichtet, so wie er seine Definition in Art. 26 Abs. 2 AEUV gefunden hat. Danach umfasst der Binnenmarkt einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen der Verträge gewährleistet ist. Neben dieser geforderten Binnenmarktzielsetzung können im Zuge der Harmonisierung der indirekten Steuern auch Nebenziele verfolgt werden, zu denen insbesondere gesundheits-, verbraucher-, umweltschutz- oder sozial- bzw. wirtschaftspolitische Ziele gehören.6 1 Vgl. EuGH v. 14.9.1999 – Rs. C 275/97 – DE + ES, Slg. 1999, I-5331; v. 7.1.2003 – Rs. C 306/99 – BIAO, Slg. 2003, I-1 Rz. 90, die entsprechende Vorabentscheidungsverfahren als zulässig ansehen; ferner BFH v. 15.9.2004 – I R 5/04, BStBl. II 2009, 100; v. 8.11.2000 – I R 6/96, BStBl. 2001, 570; im Schrifttum ist diese Frage umstritten, vgl. den Überblick bei Anzinger in H/H/R, § 5 EStG Rz. 44. 2 Hierzu Anzinger in H/H/R, § 5 EStG Rz. 45; vgl. auch Hennrichs in Tipke/Lang22, Rz. 72. 3 Vom 19.7.2002, ABl. EG L 243, 1 v. 11.9.2002. 4 Vgl. hierzu Hick in H/H/R, § 4h EStG Rz. 60; Schulz, DB 2008, 2043 ff.; Hennrichs, DB 2007, 2101ff. 5 Zum Begriff Hey in Tipke/Lang22, § 8 Rz. 20. 6 EuGH v. 5.10.2000 – Rs. C-376/98 – Deutschland ./. Parlament und Rat, Slg. 2000, I-8419 Rz. 88 (Gesundheitsschutz); v. 13.5.1957 – Rs. C-233/94 – Deutschland ./. Parlament und Rat, Slg. 1997, I-2405 Rz. 10, 16 (Verbraucherschutz); v. 11.6.1991 – Rs. C-300/89 – KOM
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E. Europäisches Steuerrecht
Die Harmonisierung der indirekten Steuern hat zum größten Integrationsfortschritt seit Gründung der EG (EU) geführt: Seit 1.1.1993 gilt innerhalb der EU ein weitgehend harmonisiertes System indirekter Steuern, wobei freilich die Harmonisierungsintensität unterschiedlich ausgeprägt ist. Während für die Umsatzsteuer – abgesehen von den unterschiedlichen Steuersätzen (Art. 96 ff. MwStSystRL)1 – eine Vollharmonisierung erreicht ist2, hat die EU für den Bereich der Verbrauchsteuern3 von ihrer Gesetzgebungskompetenz (Art. 113 AEUV) noch nicht vollständig Gebrauch gemacht, so dass in Deutschland unverändert nicht harmonisierte Verbrauchsteuern – Kaffeesteuer, Alkopopsteuer, Kernbrennstoffsteuer4 – erhoben werden.5
3.88
Im Hinblick auf den sich unmittelbar aus dem AEUV ergebenden Harmonisierungszwang für die indirekten Steuern und den weit fortgeschrittenen Harmonisierungsstand hat das Gebot der richtlinienkonformen Auslegung des in nationales Recht umgesetzten Unionsrechts besondere Bedeutung. Soweit eine richtlinienkonforme Auslegung nicht mehr möglich ist, kann sich der Unionsbürger, soweit das umgesetzte Recht von der zugrunde liegenden EU-Richtlinie abweicht, unmittelbar auf die EU-Richtlinie berufen, soweit deren Bestimmungen hinreichend genau und unbedingt sind.6 Diese Voraussetzungen werden von der Mehrwertsteuersystem-Richtlinie (MwStSystRL),7 in die die verschiedenen Umsatzsteuer-Richtlinien mit Wirkung ab 1.1.2008 eingegangen sind, erfüllt.
3.89
b) Umsatzsteuer-Richtlinien und Mehrwertsteuersystem-Richtlinie Die Harmonisierung der Umsatzsteuer ist in mehreren Stufen erfolgt.8 Auf der ersten Stufe wurde durch die 1. und 2. Umsatzsteuer-Richtlinie9 die Grundlage für das gemeinschaftliche Mehrwertsteuersystem geschaffen. Dieses Mehrwertsteuersystem, das in seinen Grundzügen auch heute noch Geltung hat, ist auf Wettbewerbsgleichheit in dem Sinne gerichtet, dass gleichartige Waren inner-
1 2 3 4 5 6 7 8
9
./. Rat, Slg. 1991, I-2867 Rz. 22 (Umweltschutz); v. 9.10.2001 – Rs. C-377/98 – Niederlande ./. Parlament und Rat, Slg. 2000, I-7079 Rz. 28 (Stärkung industrieller Entwicklung und wissenschaftlicher Forschung); hierzu Kamann in Streinz2, Art. 113 AEUV Rz. 9. Hierzu Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 11.31. Das Ziel des Übergangs von Bestimmungsland- zum Ursprungslandsystem wurde faktisch aufgegeben; vgl. Mitteilung der KOM v. 6.12.2011 zur Zukunft der Mehrwertsteuer, KOM (2011) 851 endg., 5 f. Zu internationalen Aspekten Rz. 11.40 ff. EuGH v. 4.6.2015 – Rs. C-5/14 – Kernkraftwerke Lippe-Ems, KLE, ECLI:EU:C:2015:354, ZfZ 2015, 189 hat den Verbrauchsteuercharakter verneint; vgl im Übrigen FG Hamburg v. 29.1.2013 – 4 K 270/11, ZfZ 2013, 192 (Az. beim BVerfG: 2 BvL 6/13). Hierzu Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, Rz. C 24. Hierzu Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 4.60. Richtlinie 2006/112/EG v. 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem, ABl. EU 2006, Nr. L 347, 1 v. 11.12.2006. Voß in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, J Rz. 172 ff.; Mick in Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 26 Rz. 10 ff.; Wernsmann in Schulze/Zuleeg/ Kadelbach, Europarecht3, § 30 Rz. 21; Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 11.23 ff. 1. Umsatzsteuer-Richtlinie EWG-67/227/EWG v. 11.4.1967, ABl. EG 1967 Nr. L 71 v. 14.4.1967, 1301; 2. Umsatzsteuer-Richtlinie EWG-67/228/EWG v. 14.4.1967, ABl. EG 1967 Nr. L 71 v. 14.4.1967.
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3.90
Kap. 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts
halb der Union unabhängig von der Länge des Produktions- und Vertriebswegs steuerlich gleich behandelt werden.1 Die 2. Umsatzsteuer-Richtlinie, die Vorschriften über die Ausgestaltung der nationalen Umsatzsteuergesetze2 enthielt, wurde durch das UStG 1967/19733 in deutsches Steuerrecht umgesetzt und somit zugleich Grundlage für die weitreichende deutsche Mehrwertsteuer-Reform.4 3.91
Während die 3. bis 5. Umsatzsteuer-Richtlinie5 lediglich Fristen für die Einführung des einheitlichen Mehrwertsteuersystems verlängerten, erfolgte ein weiterer wesentlicher Harmonisierungsschritt durch die 6. Umsatzsteuer-Richtlinie.6 Mit dieser 6. Umsatzsteuer-Richtlinie wurde die zweite Stufe der UmsatzsteuerHarmonisierung erreicht.7 Die 6. Umsatzsteuer-Richtlinie verfolgte wirtschaftspolitische, binnenmarktpolitische und finanzpolitische Ziele.8 In wirtschaftspolitischer Hinsicht ging es um die Herstellung eines wettbewerbsneutralen Umsatzsteuer-Systems. Unter binnenmarktpolitischen Gesichtspunkten stand die Ermöglichung eines exakten Grenzausgleichs – steuerbefreite Ausfuhr einerseits und Einfuhrumsatzsteuer andererseits – und finanzpolitisch die Schaffung einer einheitlichen Umsatzsteuer-Bemessungsgrundlage als Ausgangspunkt für die Finanzbeiträge der Mitgliedstaaten an die Union im Vordergrund.
3.92
Die 6. Umsatzsteuer-Richtlinie wurde von dem Grundsatz getragen, dass unabhängig von der Zahl der Umsätze auf Gegenstände und Dienstleistungen eine allgemeine zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen proportionale Verbrauchsteuer erhoben wurde.9 Dieser Grundsatz erfuhr zahlreiche Konkretisierungen im Bereich der Steuerbarkeit, Steuerfreiheit und des Vorsteuerabzugs.10
3.93
Die 8. Umsatzsteuer-Richtlinie11 verankerte die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, einem nicht im Inland, aber in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Steuerpflichtigen die Umsatzsteuer als Vorsteuer in einem besonderen Verfahren zu erstatten.12 Die 9. Umsatzsteuer-Richtlinie13 beschränkte sich darauf, die Frist für die Umsetzung der 6. Umsatzsteuer-Richtlinie bis zum 1.1.197914 zu verlängern. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
60
So die Begründungserwägungen der 1. Umsatzsteuer-Richtlinie. Hierzu Wachweger, UR 1967, 123 ff. BGBl. I 1967, 545 = BStBl. I 1973, 545. Hierzu der Überblick von Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, Einf. Rz. 17 ff. 3. Umsatzsteuer-Richtlinie EWG-69/463 EWG, ABl. 1969 Nr. L 320 v. 20.12.1969, 34; 4. Umsatzsteuer-Richtlinie EWG-71/401 EWG, ABl. EG Nr. L 283 v. 24.12.1971, 41; 5. Umsatzsteuer-Richtlinie EWG-72/250 EWG, ABl. EG 1972 Nr. L 162 v. 18.7.1972, 18. EWG-77/388/EWG v. 17.5.1977, ABl. EG Nr. L 145 v. 13.7.1977, 1; vgl. hierzu den Überblick über die EuGH-Rechtsprechung zur 6. Umsatzsteuer-Richtlinie bei Lohse in R/D, 6. USt-RL. Voß in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, J Rz. 174. Voß, StuW 1993, 155 (158). EuGH v. 3.3.1988 – Rs. 252/86 – Bergandi, Slg. 1988, 1343. Zu Einzelheiten Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, Einführung Rz. 454 ff. EWG v. 6.12.1979, 79/1072/EWG, ABl. EG 1979 Nr. L 331 v. 27.12.1979, 11. Vgl. §§ 59–61 UStDV 1980. EWG v. 26.6.1978, 78/583/EWG, ABl. EG 1978 Nr. L 194 v. 19.7.1978, 16. Deutschland konnte allerdings auch diese Frist nicht einhalten; die Umsetzung der 6. Umsatzsteuer-Richtlinie gelang erst mit Inkrafttreten des UStG 1980 v. 26.11.1979, BGBl. I 1979, 1953. Ein zwischenzeitlich von der EU-Kommission eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren beim EuGH wurde hierdurch erledigt.
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E. Europäisches Steuerrecht
Die 10. Umsatzsteuer-Richtlinie1 regelte den Ort der sonstigen Leistung bei der Vermietung beweglicher körperlicher Gegenstände, durch die § 3a UStG 1980 entsprechend angepasst wurde.2 Während die 11., 13., 15. und 17. UmsatzsteuerRichtlinie3 Regelungen enthalten, die entweder für Deutschland überhaupt nicht oder nur von geringer Bedeutung waren, betraf die 18. Umsatzsteuer-Richtlinie4 Regelungen, die im deutschen Umsatzsteuerrecht zum 1.1.1990 zu Änderungen im Bereich der Umsatzsteuerbefreiungen geführt haben.5
3.94
Während die nachfolgenden Umsatzsteuer-Richtlinien keine besondere Bedeutung hatten, wurde mit der wichtigen sog. Ergänzungs-Richtlinie (Binnenmarktrichtlinie) die dritte Stufe der Umsatzsteuer-Harmonisierung eingeleitet. Zu dieser Binnenmarktrichtlinie erging schließlich auch eine Änderungsrichtlinie zur Annäherung der Mehrwertsteuersätze.6 Auf dieser Grundlage wurde in Deutschland das Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz7 und die 9. Verordnung zur Änderung der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung8 erlassen.
3.95
Die Binnenmarktrichtlinie wurde in der Folgezeit durch verschiedene Richtlinien9 geändert und ergänzt, ohne dass hierdurch das Grundsystem der 6. Umsatzsteuer-Richtlinie eine wesentliche Änderung erfuhr. Das gilt auch für die seit 2008 geltende Mehrwertsteuersystem-Richtlinie,10 die im Wesentlichen lediglich eine Neukodifizierung der 6. Umsatzsteuer-Richtlinie und der nachfolgenden Richtlinien darstellt.11 Im Hinblick darauf, dass durch die Mehrwertsteuersystem-Richtlinie keine wesentlichen inhaltlichen Änderungen vorgenommen wurden, gilt die bisherige Auslegung seitens des EuGH zur 6. UmsatzsteuerRichtlinie unverändert.12 Zum für die Umsatzsteuer maßgeblichen Harmonisierungspaket gehört auch die in Anwendung von Art. 291 Abs. 2 AEUV aufgrund der Ermächtigung in Art. 397
1 EWG v. 31.7.1984, 84/386/EWG, ABl. EG 1984 Nr. L 208 v. 3.8.1984, 58. 2 Durch das Steuerbereinigungsgesetz 1985 v. 14.12.1985, BGBl. I 1985, 1493. 3 11. USt-Richtlinie, EWG v. 26.3.1980, 80/368/EWG, ABl. EG 1980 Nr. L 90 v. 3.4.1980, 41; 13. USt-Richtlinie, EWG v. 17.11.1983, 86/560/EWG, ABl. EG 1983 Nr. L 326 v. 23.12.1983, 40; 15. USt-Richtlinie EWG v. 19.12.1983, 83/648/EWG, ABl. EG 1983 Nr. L 360 v. 23.12.1983, 49; 17. USt-Richtlinie EWG v. 16.7.1985, 85/362/EWG, ABl. EG 1985 Nr. L 192 v. 24.7.1985, 20. 4 EWG v. 18.7.1989, 89/465/EWG, ABl. EG 1989 Nr. L 226 v. 2.8.1989, 21. 5 Hierzu Schlienkamp, UR 1989, 268 ff. 6 Vom 19.10.1992, 92/77 EWG, ABl. EG Nr. L 316, 1; hierzu Schlienkamp, UR 1993, 3 ff. 7 Vom 25.8.1992, BGBl. I 1992, 1548. 8 Vom 3.12.1992, BGBl. I 1992, 1982. 9 Hierzu die Übersicht bei Lohse in R/D, Einf. I 6. MwStRL. 10 RL 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem v. 28.11.2006, ABl. 2006 Nr. L 347, 1; zuletzt geändert durch RL 2013/61/EU v. 17.12.2013, ABl. 2013 Nr. L 353, 5. 11 Nach Wernsmann in Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht3, § 30 Rz. 28 die vierte Stufe der USt-Harmonisierung. 12 Reiß in R/K/L, Einführung UStG Rz. 124.
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3.96
Kap. 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts
MwStSystRL seitens des Rates erlassene MwStDVO.1 Von Bedeutung ist ferner die MwStBefreiungsRL2 sowie die MwStErstattungsRL.3 c) Verbrauchsteuer-Richtlinien/Systemrichtlinie 3.97
Ebenso wie die Umsatzsteuer-Richtlinien sind auch die Verbrauchsteuer-Richtlinien darauf gerichtet, durch Schaffung eines Binnenmarktes Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.4 Die hierfür maßgeblichen Verbrauchsteuer-Richtlinien5 sind überwiegend im Jahre 1992 ergangen, allerdings ergänzt um die Energiesteuerrichtlinie 20036 und die Systemrichtlinie 2009.7
1 VO (EU) Nr. 282/2011 zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem v. 15.3.2011, ABl. 2011 Nr. L 77, 1; geändert durch VO (EU) Nr. 967/2012 v. 9.10.2012, ABl. Nr. L 290, 1 und VO (EU) Nr. 1042/2013 v. 7.10.2013, ABl. Nr. L 284, 1. 2 Richtlinie 2009/132/EG zur Festlegung des Anwendungsbereichs von Art. 143 Buchst. b und c der Richtlinie 2006/112/EG hinsichtlich der Mehrwertsteuerbefreiung bestimmter endgültiger Einfuhren von Gegenständen v. 19.10.2009, ABl. 2009 Nr. L 292, 5. 3 Richtlinie 2008/9/EG zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gem. der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige v. 12.2.2008, ABl. 2008 Nr. L 44, 23. 4 Zu den Harmonisierungszielen und zu den einzelnen Harmonisierungsschritten Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, Rz. A 1; Schröer-Schallenberg in Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 27 Rz. 1 ff.; Voß in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, J Rz. 263. 5 Richtlinie 92/12/EWG des Rates v. 25.2.1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren, ABl. EG Nr. L 76 v. 23.3.1992, 1 (System RL bis 15.1.2009); Richtlinie 92/78/EWG des Rates v. 19.10.1992 zur Änderung der Richtlinien 72/464/EWG und 79/32/EWG über die anderen Verbrauchsteuern auf Tabakwaren als die Umsatzsteuer, ABl. EG Nr. L 316, 5 v. 31.10.1992; Richtlinie 92/79/EWG des Rates v. 19.10.1992 zur Annäherung der Verbrauchsteuern auf Zigaretten, ABl. EG Nr. L 316, 8 v. 31.10.1992; Richtlinie 92/80/EWG des Rates v. 10.10.1992 zur Annäherung der Verbrauchsteuern auf andere Tabakwaren als Zigaretten, ABl. EG Nr. L 316, 10 v. 31.10.1992; Richtlinie 92/83/EWG des Rates v. 19.10.1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke, ABl. EG Nr. L 316, 21 v. 31.10.1992 (Struktur RL); Richtlinie 92/84/EWG des Rates v. 19.10. 1992 über die Annäherung der Verbrauchsteuersätze auf Alkohol und alkoholische Getränke, ABl. EG Nr. L 316, 29 v. 31.10.1992(Satz RL); Richtlinie 92/81/EWG des Rates v. 19.10.1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle, ABl. EG Nr. L 316, 12 v. 31.10.1992; Richtlinie 92/82/EWG des Rates v. 19.10.1992 zur Annäherung der Verbrauchsteuersätze für Mineralöle, ABl. EG Nr. L 316, 19 v. 31.10. 1992; Richtlinie 92/108 des Rates v. 14.12.1992 zur Änderung der Richtlinie 92/12/EWG des Rates über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren, ABl. EG Nr. L 390, 124 v. 31.12.1992; vgl. auch den Kurzüberblick über die SystemRL, StrukturRL und SatzRL bei Bongartz in Bongartz/SchröerSchallenberg, Verbrauchsteuerrecht2, B 9 ff. 6 Richtlinie 2003/96/EG v. 27.10.2003, ABl. EU Nr. L 283, 51 v. 31.10.2003; hierzu im Überblick Jatzke in Bongartz, EngieStG, StromStG, EnergieStRL Rz. 14 ff. 7 Richtlinie 2008/118/EG v. 16.12.2008, ABl. EU Nr. 9, 12 v. 14.1.2009 mit Wirkung ab 16.1.2009; hierzu Schröer-Schallenberg/Bongartz, ZfZ 2009, 161 ff.; zur Systemrichtlinie im Überblick Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, C 1 ff.
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E. Europäisches Steuerrecht
Auf der Grundlage dieses ersten Richtlinienpaketes ist das deutsche Verbrauchsteuerrecht durch das Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetz1 angepasst worden.2 Hierdurch sind mit Wirkung zum 1.1.1993 die Steuergrenzen und Grenzkontrollen zwischen den Mitgliedstaaten beseitigt worden, so dass seitdem im innergemeinschaftlichen Verkehr an den Binnengrenzen der Union Verbrauchsteuern nicht mehr erhoben werden. Mithin werden die Besteuerung bei der Einfuhr und die Steuerbefreiung bei der Ausfuhr grundsätzlich auf den Warenverkehr mit Drittländern beschränkt.
3.98
Das Verbrauchsteuer-Richtlinienpaket harmonisiert die wichtigsten Verbrauchsteuern der Union, also die Verbrauchsteuern auf Mineralöl, Strom, Tabak, Alkohol und alkoholhaltige Getränke. Darüber hinaus bleibt den Mitgliedstaaten allerdings die Möglichkeit, andere Verbrauchsteuern national einzuführen oder bereits bestehende beizubehalten, sofern diese keine Grenzformalitäten verursachen. Aufgrund des Richtlinienpaketes soll für die Verbrauchsteuern auf Dauer das Bestimmungslandprinzip beibehalten werden. Das bedeutet, dass im Grundsatz die Steuer erst bei Abgabe zum Verbrauch entsteht. Die Herstellung, Verarbeitung und der Besitz verbrauchsteuerpflichtiger Waren in Herstellungsbetrieben und anderen Steuerlagern erfolgt wie der anschließende Versand im innergemeinschaftlichen Warenverkehr unter Steueraussetzung, die erst mit der Abgabe an den Endverbraucher beendet wird. Abweichend hiervon gilt im nichtkommerziellen innergemeinschaftlichen Reiseverkehr das Ursprungslandprinzip, wonach Waren, die private Verbraucher zum eigenen Bedarf aus einem Mitgliedstaat in den anderen Mitgliedstaat überführen, nur in dem Mitgliedstaat besteuert werden, in dem sie erworben werden (Art. 32 Abs. 1 VerbrauchStSystRL).3
3.99
Neben der grundlegenden VerbrauchStSystRL und der hierzu ergangenen DVO4 sind auch die sog. Strukturrichtlinien für bestimmte Verbrauchsteuern maßgeblich.5 Hierzu zählen die TabakStRL,6 die AlkoholStRL7 und die Energie-
3.100
1 Gesetz zur Anpassung von Verbrauchsteuer- und anderen Gesetzen an das Gemeinschaftsrecht sowie zur Änderung anderer Gesetze (Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetz vom 21.12.1992, BGBl. I 1992, 2150 = BStBl. I 1993, 96. 2 Einzelheiten zum Verbrauchsteuer-Binnenmarktgesetz, Rendels, DStR 1993, 114 ff.; Beermann, DStZ 1993, 227 ff., 291 ff. 3 Hierzu Bongartz in Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht2, E 19. 4 Vgl. etwa VO (EG) Nr. 684/2009 zur Durchführung der Richtlinie 2008/118/EG in Bezug auf die EDV-gestützten Verfahren für die Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren unter Steueraussetzung v. 24.7.2009, ABl. 2009 Nr. L 197, 24, zuletzt geändert durch DVO (EU) Nr. 76/2014 v. 28.1.2014, ABl. 2014 Nr. L 26, 4; es handelt sich um eine DVO i.S.v. Art. 291 Abs. 2 AEUV mit Ermächtigungsgrundlage in Art. 21 VerbrauchStSystRL. 5 Zu diesen Strukturrichtlinien vgl. Bongartz in Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, B17 f. 6 Richtlinie 2011/64/EU über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren v. 21.6.2011, ABl. 2011 Nr. L 176, 24; vgl. hierzu Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, Rz. E 1 ff. 7 Richtlinie 92/83/EWG zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Alkohol und alkoholische Getränke v. 19.10.1992, ABl. 1992 Nr. L 316, 21; vgl. hierzu Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, Rz. D 1 ff.
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Kap. 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts
und StromStRL.1 Schließlich dient die VerbrauchStZVO dem grenzüberschreitenden Informationsaustausch insbesondere für Zwecke der Bekämpfung der Verbrauchsteuerhinterziehung (vgl. Rz. 22.82 ff.).2 3.101
Auf der Grundlage der vorgenannten Richtlinien und Verordnungen sind in Deutschland folgende Verbrauchsteuern angepasst worden: Branntweinsteuer (ab 2018 Alkoholsteuer3), Schaumweinsteuer inklusive Steuer auf Zwischenerzeugnisse,4 Biersteuer, Energie- und Stromsteuer sowie die Tabaksteuer.5 3. Steuerverfahrensrecht a) Harmonisierungskompetenz
3.102
Es entspricht dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 1, 2 EUV), dass die EU zum Vollzug des von ihr selbst gesetzten Rechts nur dann berechtigt ist, wenn sie hierfür eine Gesetzgebungskompetenz hat.6 Diese Gesetzgebungskompetenz verbleibt daher bei den Mitgliedstaaten, soweit sie diese nicht ganz oder teilweise auf die EU übertragen haben (Art. 4 Abs. 1 EUV). Das ist nur ausnahmsweise der Fall.7 Für den Bereich des Steuerrechts obliegt der Vollzug insbesondere des Primär- und Sekundärrechts im Grundsatz jedenfalls bei den Mitgliedstaaten. Die hierfür maßgeblichen steuerlichen Verfahrensvorschriften sind innerstaatliches Recht und die Verwaltungsbehörden sind solche der Mitgliedstaaten.
3.103
Dieser Verfahrensautonomie sind allerdings Schranken gesetzt. So hat sich etwa das deutsche Steuerverfahrensrecht am Äquivalenz- und Effektivitätsgebot (Art. 4 Abs. 3 EUV) zu orientieren, wonach u.a. alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen sind, um die Verpflichtungen, die sich aus dem EUV/AEUV oder aus Handlungen der Union ergeben, zu erfüllen.8 Darüber hinaus ist die EU ermächtigt, im Rahmen der sich aus Art. 115 AEUV für direkte Steuern und aus Art. 113
1 Richtlinie 2003/96/EG zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom v. 27.10.2003, ABl. 2003 Nr. L 283, 51; vgl. hierzu Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, Rz. F 9 ff. 2 VO (EU) Nr. 389/2012 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Verbrauchsteuern und zur Aufhebung der VO (EG) Nr. 2073/2004 v. 2.5.2012, ABl. 2012 Nr. L 121, 1, geändert durch VO (EU) Nr. 517/2013 v. 13.5.2013, ABl. 2013 Nr. L 158, 1; vgl. hierzu Schaumburg in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 8.29 ff. 3 Ab 1.1.2018 gilt das AlkoholStG; vgl. BranntwMonAbschG v. 21.6.2013, BGBl. I 2013, 1650; zu Einzelheiten Esser, ZfZ 2013, 225 ff. (230 ff.). 4 Zwar ist unionsrechtlich eine Weinsteuer vorgesehen, wegen eines Mindeststeuersatzes von 0 E bleibt es den Mitgliedstaaten im Ergebnis überlassen, ob eine Weinsteuer erhoben wird; Deutschland hat von diesem Wahlrecht Gebrauch gemacht und erhebt keine Weinsteuer. 5 Vgl. die Überblicksdarstellungen bei Schröer-Schallenberg und Bongartz in Bongartz/ Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht2, G90 – K118; ferner zu internationalen Aspekten Rz. 11.40 ff. 6 Hierzu Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 11.1 ff. 7 Z.B. Kartellaufsicht (Art. 105 AEUV), Beihilfekontrolle (Art. 108 AEUV). 8 Hierzu Wernsmann in Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht3, § 20 Rz. 134.
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E. Europäisches Steuerrecht
AEUV für indirekte Steuern ergebenden Annexkompetenz1, Verfahrensregeln zu schaffen, um die einheitliche Durchsetzung des Unionsrechts zu gewährleisten.2 Auf dieser Grundlage wurden die Amtshilferichtlinie, die Beitreibungsrichtlinie, die Mehrwertsteuer-Zusammenarbeitsverordnung sowie die VerbrauchsteuerZusammenarbeitsverordnung erlassen. b) Amtshilferichtlinie Die Amtshilferichtlinie (EU-AHiRL)3 ist darauf gerichtet, den grenzüberschreitenden Informationsaustausch zwischen den Verwaltungsbehörden durch einheitlich geltende Regeln zu erleichtern, um hierdurch das Funktionieren der nationalen Steuersysteme sicherzustellen.4 Dieser grenzüberschreitende Informationsaustausch erfolgt auf der Grundlage von Ersuchensauskünften, automatischen und Spontanauskünften (Rz. 22.80 ff.).5
3.104
Der persönliche Anwendungsbereich der EU-AHiRL ist sehr weit gefasst. Es geht nicht nur um die steuerlichen Angelegenheiten von Unionsbürgern, sondern um alle Informationen, die für die Anwendung und Durchsetzung des innerstaatlichen Steuerrechts der Mitgliedstaaten „voraussichtlich“ erheblich sind (Art. 1 Abs. 1 EU-AHiRL). Angesprochen sind damit vor allem Sachverhalte im Zusammenhang mit unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht natürlicher und juristischer Personen und darüber hinaus mit multinationalen Unternehmen hinsichtlich des sog. Country-by-Country-Reporting (CbCR).6 Erfasst sind hiermit zugleich auch Fragen der Einkünfteermittlung und der Zuordnung von materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern zu Mitunternehmerschaften und Betriebsstätten.
3.105
In sachlicher Hinsicht erfasst die EU-AHiRL alle Steuern unabhängig davon, ob sie von einem oder für einen Mitgliedstaat bzw. von oder für Gebiets- oder verwaltungsmäßige Gliederungseinheiten eines Mitgliedstaates einschließlich lokaler Behörden erhoben werden (Art. 2 Abs. 1 EU-AHiRL). Dem Anwendungsbereich der EU-AHiRL unterliegt nicht der Informationsaustausch betreffend die Umsatzsteuern, einschließlich der Einfuhrumsatzsteuer, Zölle und die harmonisierten Verbrauchsteuern7 (Art. 2 Abs. 2 EU-AHiRL). Im Ergebnis ist damit
3.106
1 Grundlage ist die auch im Unionsrecht anerkannte sog. implied-powers-Doktrin, wonach die unionsrechtliche Gesetzgebungskompetenz u.a. auf notwendige Durchführungsmaßnahmen erweitert wird; vgl. hierzu im Überblick König in Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht3, § 2 Rz. 8. 2 Hierzu Gundel in Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht3, § 3 Rz. 110. 3 Richtlinie 2011/16/EU des Rates v. 15.2.2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG, ABl. 2011 Nr. L 64, 1; geändert durch RL 2014/107/EU v. 9.12.2014, ABl. Nr. L 359, 1; in Deutschland umgesetzt durch das EUAHiG v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809. 4 Vgl. Rz. 1 der Erwägungsgründe der EU-AHiRL. 5 Art. 5, 8, 9 EU-AHiRL. 6 Ergänzung der EU-AHiRL durch RL (EU) 2016/881 des Rates v. 25.5.2016, ABl. L 146 v. 3.6.2016, 8; vgl. hierzu Rz. 22.128. 7 Die in Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates v. 16.12.2008 über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG (ABl. 2009 Nr. L 9, 12), geändert durch die Richtlinie 2010/12/EU (ABl. 2010 Nr. L 50, 1) genannt werden.
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Kap. 3 Rechtsquellen des Internationalen Steuerrechts
aus deutscher Sicht ein grenzüberschreitender Informationsaustausch als Grundlage der EU-AHiRL insbesondere für die ESt, KSt, GewSt und ErbSt möglich (vgl. zu Einzelheiten Rz. 22.80 ff.). c) Beitreibungsrichtlinie 3.107
Die Beitreibungsrichtlinie (EU-BeitrRL)1 regelt die zwischenstaatliche Amtshilfe bei der Steuererhebung (Vollstreckungshilfe). Sie ist eine Ergänzung zur EUAHiRL, die die zwischenstaatliche Amtshilfe im Rahmen des steuerlichen Festsetzungsverfahrens einschließlich des Ermittlungsverfahrens ermöglicht. Es geht also im Wesentlichen um die Vollstreckung, also die Geltendmachung des Steueranspruchs seitens der Steuerbehörden der Mitgliedstaaten und damit die finanziellen Interessen der Mitgliedstaaten (Rz. 4 der Erwägungsgründe zur EUBeitrRL). Zugleich dient die gegenseitige Unterstützung insbesondere bei der Vollstreckung dem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes (Rz. 1 der Erwägungsgründe zur EU-BeitrRL).
3.108
Rechtsgrundlagen für die Inanspruchnahme von Vollstreckungshilfe im EU-Ausland sind § 117 AO2 und § 10 EU-BeitrG und für die Gewährung von Vollstreckungshilfe Art. 10 Abs. 1, 13 Abs. 1 Satz 1 EU-BeitrRL und § 9 Abs. 1 EU-BeitrG. Die Verpflichtung zur Gewährung von Vollstreckungshilfe in der EU enthält die EU-BeitrRL, die EU-BeitrDVO3 sowie der an die Mitgliedstaaten gerichtete EUBeitrDbeschl.4
3.109
Im Hinblick darauf, dass die EU-BeitrRL vor allem den finanziellen Interessen der Mitgliedstaaten gerecht werden soll, ist der persönliche Anwendungsbereich weit gefasst. Das bedeutet, dass insbesondere Beitreibungsersuchen auch für Forderungen gegen Schuldner möglich sind, die nicht in einem anderen Mitgliedstaat ansässig und nicht Unionsbürger sind.
3.110
In sachlicher Hinsicht erfasst die EU-BeitrRL Forderungen, die in den Mitgliedstaaten entstanden sind (Art. 2 Abs. 1 EU-BeitrRL, § 1 Abs. 1 Satz 1 EU-BeitrG). Damit ist etwa ein Vollstreckungsersuchen wegen in Drittstaaten entstandener Forderungen ausgeschlossen. Zu den unter die EU-BeitrRL fallenden Forderungen gehören Steuern und Abgaben5 aller Art, die von einem oder für einen Mitgliedstaat oder für die EU erhoben werden (Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EUBeitrRL, § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a und b EU-BeitrG).
1 RL 2010/24/EU des Rates v. 16.3.2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstigen Maßnahmen, ABl. EU 2010 Nr. L 84, 1. 2 Czakert in Schönfeld/Ditz, Art. 27 OECD-MA Rz. 20. 3 Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1189/2011 v. 18.11.2011, ABl. 2011 Nr. L 302, 16. 4 Durchführungsbeschluss der Kommission v. 18.11.2011, KOM (2011), 8193. 5 Im Wesentlichen Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Art. 4 Nr. 10 und 11 ZK (Art. 5 Nr. 20 und 21 (UZK).
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E. Europäisches Steuerrecht
d) Mehrwertsteuer-Zusammenarbeitsverordnung Die Mehrwertsteuer-Zusammenarbeitsverordnung (MwSt-ZVO)1 und die in diesem Zusammenhang bedeutsamen VO-EU 79/20122 und VO-EU 815/20123 dienen ganz allgemein dem grenzüberschreitenden Informationsaustausch und in besonderer Weise der Bekämpfung des Mehrwertsteuerbetrugs.4 Im Vordergrund steht hier die Steuerhinterziehung bei innergemeinschaftlichen Umsätzen (Rz. 22.82 ff.), die insbesondere durch betrügerische Umsatzsteuerkarusselle begangen wird.5 Der Anwendungsbereich der MwSt-ZVO erstreckt sich auf das Unionsgebiet; das bedeutet, dass die Zusammenarbeit und der Informationsaustausch alle steuerbaren Umsätze betrifft unabhängig davon, ob die betreffenden Unternehmer6 im Unionsgebiet ansässig sind oder nicht. Im Hinblick darauf tauschen die Mitgliedstaaten auch Informationen aus, die sie aus Drittstaaten erhalten (Art. 50 Abs. 1 MwSt-ZVO), und geben darüber hinaus auch Informationen an Drittstaaten weiter, die sie von anderen Mitgliedstaaten erhalten haben, sofern der andere Mitgliedstaat dieser Weitergabe zugestimmt hat und im Verhältnis zum Drittstaat die Gegenseitigkeit7 gewährleistet ist (Art. 50 Abs. 2 MwSt-ZVO).
3.111
Die MwSt-ZVO regelt folgende Arten des Informationsaustauschs: Ersuchensauskünfte (Art. 7 ff. MwSt-ZVO), automatische Auskünfte (Art. 13 ff. MwStZVO) und Spontanauskünfte (Art. 15 MwSt-ZVO).
3.112
e) Verbrauchsteuer-Zusammenarbeitsverordnung Neben dem Informationsaustausch geht es bei der Verbrauchsteuer-Zusammenarbeitsverordnung (VerbrSt-ZVO)8 auch um die Bekämpfung der Steuerhinterziehung bei grenzüberschreitender Beförderung unter Steueraussetzung.9
3.113
Vom Regelungsbereich der VerbrSt-ZVO werden alle harmonisierten Verbrauchsteuern erfasst (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Nr. 16 VerbrSt-ZVO). Zu diesen Verbrauchsteuern gehören Steuern auf Energieerzeugnisse und elektrischen Strom, Alkohol
3.114
1 VO (EU) Nr. 904/2010 des Rates v. 7.10.2010, ABl. EU 2010 Nr. L 268, 1. 2 DV (EU) Nr. 79/2012 der Kommission zur Regelung der Durchführung bestimmter Vorschriften der Verordnung (EU) Nr. 904/2010 des Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden und die Betrugsbekämpfung auf dem Gebiet der Mehrwertsteuer vom 31.1.2012, ABl. EU 2012 Nr. L 29, 13. 3 DV (EU) Nr. 815/2012 der Kommission v. 13.9.2012 mit Durchführungsbestimmungen zur VO-EU Nr. 904/2010 des Rates hinsichtlich der Sonderregelungen für gebietsfremde Steuerpflichtige, die Telekommunikationsdienstleistungen, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen oder elektronische Dienstleistungen an Nichtsteuerpflichtige erbringen, ABl. EU 2012 Nr. L 249, 3. 4 Erwägungsgründe Nr. 2–4 MwSt-ZVO und Erwägungsgründe Nr. 1 und 9 VerbrSt-ZVO. 5 Erwägungsgründe Nr. 11, 18 MwSt-ZVO; zu Umsatzsteuerkarussellen vgl. Schaumburg in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 17.41 ff. 6 In der Terminologie der MwStSystRL „Steuerpflichtige“. 7 Zum Gegenseitigkeitsprinzip Seer in Holoubek/Lang, Verfahren der Zusammenarbeit von Verwaltungsbehörden in Europa, 85 (96 f.). 8 VO (EU) Nr. 389/2012 des Rates über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden auf dem Gebiet der Verbrauchsteuern und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2073/2004 v. 2.5.2012, ABl. EU 2012 Nr. L 121, 1. 9 Erwägungsgründe Nr. 7 VerbrSt-ZVO; hierzu auch Schaumburg in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 19.21.
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und alkoholische Getränke sowie auf Tabakwaren (Art. 1 Abs. 1 VerbrStSystRL); aus deutscher Sicht sind das Energiesteuern, Stromsteuern, Bier- und Branntweinsteuer (ab 2018 Alkoholsteuer)1 sowie Sektsteuer und Tabaksteuer. Nicht erfasst sind dagegen die Alkopopsteuer, Kaffeesteuer und die Kernbrennstoffsteuer. Der Informationsaustausch erfolgt zwar nur zwischen den Mitgliedstaaten, er erfasst aber auch Informationen aus Drittstaaten, soweit dies auf Grund besonderer Amtshilfevereinbarungen zugelassen ist (Art. 32 VerbrSt-ZVO). Neben Ersuchensauskünften sind auch automatische und Spontanauskünfte vorgesehen.
1 Ab 1.1.2018 gilt das AlkoholStG; vgl. BranntwMonAbschG v. 21.6.2013, BGBl. I 2013, 1650; zu Einzelheiten Esser, ZfZ 2013, 225 ff. (230 ff.); zu internationalen Aspekten Rz. 11.40 ff.
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Kapitel 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote im Internationalen Steuerrecht A. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . B. Gleichheitssatz des Grundgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . C. EU-Diskriminierungsverbote . . I. Diskriminierungsverbote und Freizügigkeitsrechte . . . . . . . II. Grundfreiheiten . . . . . . . . . . 1. Bedeutung . . . . . . . . . . . . . 2. Schranken . . . . . . . . . . . . . 3. Die einzelnen Grundfreiheiten . a) Warenverkehrsfreiheit . . . . b) Arbeitnehmerfreizügigkeit . . c) Niederlassungsfreiheit . . . . d) Dienstleistungsfreiheit . . . . e) Kapitalverkehrsfreiheit . . . . D. EWR-Diskriminierungsverbote . E. GATT-Diskriminierungsverbote . . . . . . . . . . . . . . .
_ __ _ _ _ _ __ _ _ _ _ _ _ 4.1
4.4
4.12
4.12 4.16 4.16 4.18 4.21 4.21 4.23 4.25 4.30 4.33
4.37
F. Diskriminierungsverbote nach dem Freizügigkeitsabkommen mit der Schweiz . . . . . . . . . . G. DBA-Diskriminierungsverbote . I. Einführung . . . . . . . . . . . . . II. Verbot der Staatsangehörigkeitsdiskriminierung . . . . . . . III. Verbot der Diskriminierung von Staatenlosen . . . . . . . . . IV. Verbot der Betriebsstättendiskriminierung . . . . . . . . . . V. Verbot der Schuldnerdiskriminierung . . . . . . . . . . . . . . . VI. Verbot der Diskriminierung von Kapital- und Personengesellschaften mit ausländischer Beteiligung . . . . . . . . . . . . .
4.44
_ __ _ _ _ _ _
4.46
4.49 4.49 4.51 4.56
4.57
4.61
4.64
Literatur Adonnino, Diskriminierungsverbote im internationalen Steuerrecht, CDFI LXXVIIIb (1993), 131; Bachmann, Diskriminierungsverbote im internationalen Steuerrecht, RIW 1993, 322; Mössner/Strobl, Diskriminierungsverbote im internationalen Steuerrecht, CDFI LXXVIIIb (1993), 443; van Raad, Non-discrimination in International Tax Law, Deventer 1986; Rust, Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote im Internationalen Steuerrecht, DStJG 36 (2013), 71; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl. München 2017.
A. Rechtsgrundlagen Es gibt keine allgemeine völkerrechtliche Regel, die in allen Staaten den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verbürgt. Anerkannt ist lediglich ein allgemeines völkerrechtliches Diskriminierungsverbot für den Bereich der elementaren Menschenrechte.1 Es handelt sich hierbei um eine Ausprägung des völkerrechtlichen Fremdenrechts.2 Dieses völkerrechtliche Fremdenrecht gewährt Ausländern lediglich einen Mindeststandard an Rechten, etwa Rechtsfähigkeit, Schutz vor entschädigungsloser Enteignung sowie bestimmte Freiheitsrechte.3 Dieser Mindeststandard schützt aber nicht vor Ungleichbehandlung mit Inländern und damit auch nicht vor steuerlicher Benachteiligung. 1 Nachweise bei Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 11. 2 Hierzu der Überblick bei Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, Rz. 575 ff. 3 Hierzu Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, Rz. 580.
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4.1
Kap. 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote
4.2
Im Internationalen Steuerrecht wirkende Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote ergeben sich daher allein entweder aus den Normen des jeweiligen innerstaatlichen Rechts, insbesondere des Verfassungsrechts,1 des supranationalen Rechts, insbesondere des EU-Rechts,2 oder aus völkerrechtlichen Verträgen, insbesondere Rechtsschutz- und Rechtshilfeabkommen,3 Doppelbesteuerungsabkommen4 und dem EWR-Abkommen.5
4.3
Die vorstehenden Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote haben im internationalen Kontext eine unterschiedliche Reichweite: Während Diskriminierungsverbote, etwa die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten (z.B. Art. 49 AEUV) und das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot (Art. 24 OECD-MA), vor allem die Benachteiligung von Steuerausländern gegenüber Steuerinländern verbieten, schließen sie aber nicht die Bevorzugung des derart geschützten Personenkreises aus. Dem gegenüber wendet sich das Gleichbehandlungsgebot (etwa Art. 3 Abs. 1 GG) gleichermaßen gegen steuerliche Benachteiligung und Bevorzugung, umfasst also sowohl ein Diskriminierungs- als auch ein Privilegierungsverbot. Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote stehen selbständig nebeneinander, so dass die dem persönlichen Schutzbereich dieser Normen unterstellten natürlichen und zumeist juristischen Personen Schutz nach Art der Meistbegünstigung beanspruchen können.6 Für Steuerpflichtige, die der Besteuerung in Deutschland unterliegen, stehen daher der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), die EU-Diskriminierungsverbote (Art. 18, 45, 49, 56, 63 AEUV), die EWR-Diskriminierungsverbote (Art. 28, 31, 36, 41, 58 EWR-Abkommen), die GATT-Diskriminierungsverbote (Art. III Abs. 1 GATT-Vertrag) und die in Doppelbesteuerungsabkommen verankerten Diskriminierungsverbote (Art. 24 OECD-MA) im Vordergrund.
B. Gleichheitssatz des Grundgesetzes Literatur Kommentare zu Art. 3 Abs. 1 GG; Arndt, Gleichheit im Steuerrecht, NVwZ 1988, 787; Birk, Gleichheit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung, StuW 1989, 212; Birk, Das Gebot des gleichmäßigen Steuervollzugs und dessen Sanktionierung, StuW 2004, 277; Desens, Die Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips als Maßstab der Steuernomen in der Rechtsprechung des BVerfG, StuW 2016, 240; Drüen, Unternehmensbesteuerung und Verfassung im Lichte der jüngsten Rechtsprechung des BVerfG, DStR 2010, 513; Eckhoff, „Steuergerechtigkeit“ als verfassungsrechtliches und steuerpolitisches Argument, StuW 2016, 207; Elschen, Entscheidungsneutralität, Allokationseffizienz und Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, StuW 1991, 99; Englisch, Folgerichtiges Steuerrecht als Verfassungsgebot in Tipke/Seer/Hey/Englisch, Gestaltung der Steuerrechtsordnung, FS für Jochen Lang, 1 Etwa aus dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. 2 Etwa aus Art. 18, 45, 49, 56, 63 AEUV. 3 Z.B. Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrag mit den USA von 1956, BGBl. II 1956, 487. 4 Z.B. Art. 24 OECD-MA. 5 Vom 2.5.1992, BGBl. I 1993, 266, 1294; Bekanntmachung v. 14.10.1993, BGBl. I 1993, 1666. 6 Weitere spezielle Diskriminierungsverbote ergeben sich aus Art. 13 und 14 GATT, Art. 4 EGKS-Vertrag sowie aus Handelsabkommen.
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B. Gleichheitssatz des Grundgesetzes Köln 2010, 167; Friauf, Verfassungsrechtliche Anforderungen an die Gesetzgebung, DStJG 12 (1989), 3; Gosch, Vielerlei Gleichheiten – Das Steuerrecht im Spannungsfeld von bilateralen, supranationalen und verfassungsrechtlichen Anforderungen, DStR 2007, 1553; Hesse, Der Gleichheitssatz in der neueren Verfassungsentwicklung, AöR 109, 174; Hey, Vollzugsdefizit bei Kapitaleinkommen: Rechtschutzkonsequenzen und Reformoptionen, DB 2004, 724; Hey, Zur Geltung des Gebots der Folgerichtigkeit im Unternehmenssteuerrecht, DStR 2009, 2561; Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. Köln 2015, § 3 Rz. 110; Jachmann, Steuergesetzgebung zwischen Gleichheit und wirtschaftlicher Freiheit, Stuttgart 2000; Jahndorf, Folgerichtigkeit im Steuerrecht als Verfassungsgebot, StuW 2016, 256; G. Kirchhof in H/H/R, Einf. ESt Rz. 260; Kirchhof, Steuergleichheit, StuW 1984, 297; Kirchhof, Die freiheitsrechtliche Struktur der Steuerrechtsordnung, StuW 2006, 3; Kirchhof, Allgemeiner Gleichheitssatz in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band VIII, 3. Aufl. Heidelberg 2010, § 189; Kischel, Gleichheitssatz und Steuerrecht in Mellinghoff/ Palm, Gleichheit im Verfassungsstaat, Heidelberg 2009, 175; Klein, Gleichheitssatz im Steuerrecht, Köln 1966; Kruse, Über die Gleichmäßigkeit der Besteuerung, StuW 1990, 332; Lang, Die gleichheitsrechtliche Verwirklichung der Steuerrechtsordnung, StuW 2006, 22; Lang, Der Stellenwert des objektiven Nettoprinzips im deutschen Einkommensteuerrecht, StuW 2007, 3; Lang, Steuergerechtigkeit und Globalisierung, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 45; Lang, Steuergerechtigkeit, StuW 2016, 101; Maaß, Die neuere Rechtsprechung des BFH zum allgemeinen Gleichheitssatz – ein Neuansatz?, NVwZ 1988, 14; Matteotti, Steuergerechtigkeit und Rechtsfortbildung, Bern 2007; Mellinghoff, Der Beitrag der Rechtsprechung zur Systematisierung des Steuerrechts am Beispiel des Gebots der Folgerichtigkeit, Ubg 2012, 369; Ossenbühl, Die gerechte Steuerlast, Heidelberg/Löwen 1972; Pezzer, Gleichmäßiger Gesetzesvollzug in der Steuerrechtsordnung, StuW 2007, 101; Rodi, Faktische Nichtbesteuerung und Gleichheitssatz, NJW 1990, 3246; Sachs, Die Auswirkungen des allgemeinen Gleichheitssatzes auf das Steuerrecht in der Rechtsprechung des BVerfG, StVj 1994, 75; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS für Tipke, Köln 1995, 125; Schaumburg/ Schaumburg, Steuergerechtigkeit in der Zeit, StuW 2013, 61; Schoch, Der Gleichheitssatz, DVBl. 1988, 863; Seiler, Das Steuerrecht als Ausgangspunkt aktueller Fortentwicklung der Gleichheitsdogmatik, JZ 2004, 481; Spindler, Der Bundesfinanzhof und das Bundesverfassungsgericht im Zusammenwirken für ein verfassungskonformes Steuerrecht, in Spindler/ Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 169; Steichen, Der Gleichheitssatz im Europäischen Steuerrecht in Burmester/Endres, Außensteuerrecht, Doppelbesteuerungsabkommen und EU-Recht im Spannungsverhältnis, FS Debatin, München 1997, 417; Stoll, Das Sachgesetzlichkeitsprinzip als Ausformung des Gleichheitssatzes, ÖStZ 1989, 188; Tipke, Anwendung des Gleichheitssatzes im Steuerrecht – Methode oder irrationale Spekulation –, BB 1973, 157; Tipke, Steuergerechtigkeit in Theorie und Praxis, Köln 1981; Tipke, Über Steuerreform und Steuergerechtigkeit, in Fürst/Herzog/Umbach (Hrsg.), FS für Zeidler I, Berlin/New York 1987, 717; Tipke, Die Methode der Anwendung des Gleichheitssatzes unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, in Doralt/Gassner/Lechner/Ruppe/Tanzer/Werndl (Hrsg.), Steuern im Rechtsstaat, FS für Stoll, Wien 1990, 229; Tipke, Vom Konglomerat herkömmlicher Steuern zum System gerechter Steuern, BB 1994, 437; Tipke, Steuerrechtsprechung/Steuergesetz/Steuerreform, in Kirchhof/Jakob/Beermann (Hrsg.), Über Deklarieren und Verifizieren, FS für Offerhaus, Köln 1999, 819; Tipke, Steuergerechtigkeit unter besonderer Berücksichtigung des Folgerichtigkeitsgebots, StuW 2007, 201; Tipke, Mehr oder weniger Entscheidungsspielraum für den Steuergesetzgeber?, JZ 2009, 533; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I, 2. Aufl. Köln 2000, 282; Vogel, Der ausländische Aktionär in den Gesetzentwürfen zur Körperschaftsteuerreform, München 1973, 24; Vogel, Der Verlust des Rechtsgedankens im Steuerrecht, DStJG 12 (1989), 123; Vogel, Über „Besteuerungsrechte“ und über das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Kirchhof/Offerhaus/Schöberle (Hrsg.), Steuerrecht/Verfassungsrecht/Finanzpolitik, FS für Klein, Köln 1994, 361; Walz, Steuergerechtigkeit und Rechtsanwendung, Heidelberg/Hamburg 1980; Wernsmann, Das gleichheitswidrige Steuergesetz – Rechtsfragen und Rechtsschutz, Berlin 2000.
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Kap. 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote
4.4
In Deutschland bildet der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG den zentralen verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab für Steuergesetze.1 Aus dem generellen Charakter des Art. 3 Abs. 1 GG, wonach alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, folgt das Gebot der Gleichmäßigkeit der Besteuerung.
4.5
Der Gleichheitssatz hat in der Rechtsprechung des BVerfG eine unterschiedliche Interpretation erfahren. Überwiegend wird der Gleichheitssatz als Willkürverbot verstanden. Die „Willkür“-Formel des BVerfG lautet: Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Ungleichbehandlung nicht finden lässt, kurzum, wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muss.2 In anderen Entscheidungen entnimmt das BVerfG dem Gleichheitssatz das Gebot der Gerechtigkeit und stellt darauf ab, ob für eine am Gerechtigkeitsdenken orientierte Betrachtungsweise die tatsächlichen Ungleichheiten in dem jeweils in Betracht kommenden Zusammenhang so bedeutsam sind, dass der Gesetzgeber sie bei einer Regelung beachten muss.3 Schließlich verwendet das BVerfG eine „neue“ Formel, nach der der Gleichheitssatz vor allem dann verletzt ist, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten.4
4.6
Den vorstehenden Formeln entspricht eine abgestufte Dichte der verfassungsrechtlichen Prüfung, die sich letztlich an der unterschiedlichen Weite des gesetzgeberischen Spielraums orientiert. Hieraus folgt: Bei Regelungen, die Personengruppen verschieden behandeln oder sich auf die Wahrnehmung von Grundrechten nachteilig auswirken, wendet das BVerfG die „neue Formel“ an.5 Liegt keine dieser Voraussetzungen vor, kommt nur die Willkürformel in Betracht.6
4.7
Unabhängig von der Verwendung der einen oder anderen Formel, gesteht das BVerfG dem Gesetzgeber stets eine weite Beurteilungs- und Gestaltungsfreiheit zu, die sich u.a. auch von finanzpolitischen, volkswirtschaftlichen, sozialpoliti1 Hey in Tipke/Lang22, § 3 Rz. 110 ff.; Kirchhof, StuW 1984, 297 ff.; Friauf, DStJG 12 (1989), 3 (27). 2 Ständige Rechtsprechung des BVerfG; hierzu die Übersicht bei Drüen in T/K, § 3 AO Rz. 45; zu dieser Rechtsprechung Hesse, AöR 109, 174 ff.; der Rechtsprechung des BVerfG folgt auch der BFH z.B. BFH v. 12.12.1990 – I R 43/89, BStBl. II 1991, 427; v. 15.1.1993 – VI R 32/92, BStBl. II 1993, 356. 3 Zu dieser „Gerechtigkeits“-Formel die Entscheidungsübersicht bei Hey in Tipke/Lang22, § 3 Rz. 110 ff.,; zur Kritik Drüen in T/K, § 3 AO Rz. 42, der darauf hinweist, dass Gerechtigkeit nicht aus dem Gleichheitssatz folge, sondern umgekehrt der Gleichheitssatz einen Ausfluss der Gerechtigkeit darstelle; vgl zur Steuergerechtigkeit Eckhoff, StuW 2016, 207 ff.; Lang, StuW 2016, 101 ff.; Schaumburg/Schaumburg, StuW 2013, 61 ff. 4 Diese „neue“ Formel wird verwendet seit BVerfG v. 7.10.1980 – 1 BvL 50/79, 1 BvL 89/79, 1 BvR 240/79, BVerfGE 55, 72 (88); hierzu die Rechtsprechungsübersicht bei Hey in Tipke/Lang22, § 3 Rz. 124; zu dieser „neuen“ Formel im Einzelnen Maaß, NVwZ 1988, 14 ff.; der BFH verwendet diese neue Formel ebenfalls, z.B. BFH v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136. 5 BVerfG v. 26.1.1993 – 1 BvL 38/92, 1 BvL 40/92, 1 BvL 43/92, BVerfGE 88, 87 (96 f.); weitere Rechtsprechungsnachweise bei Hey in Tipke/Lang22, § 4 Rz. 73. 6 Hierzu BVerfG v. 8.6.1993 – 1 BvL 20/85, BStBl. II 1994, 59.
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B. Gleichheitssatz des Grundgesetzes
schen oder steuertechnischen Erwägungen leiten lassen dürfe.1 Darüber hinaus räumt das BVerfG dem Gesetzgeber das Recht ein, sich bei der Ausgestaltung seiner Normen generalisierender, typisierender und pauschalierender Regelungen zu bedienen.2 Damit hat der Gesetzgeber zwar insbesondere bei der Auswahl des Steuergegenstandes und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum,3 einmal getroffene Belastungsentscheidungen sind dann aber folgerichtig im Sinne einer Belastungsgleichheit umzusetzen.4 Dieses Folgerichtigkeitsgebot bedeutet, dass vom Gesetzgeber selbst gesetzte Wertungen und Sachgesetzlichkeiten system- und wertungskonsequent normativ vollzogen werden müssen.5 Zu dieser System- und Wertungskonsequenz gehört auch die Ableitung von Folgeprinzipien aus Primärprinzipien, etwa des Nettoprinzips aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip.6 Die Besteuerungsgleichheit hat als ihre Komponenten die an den (deutschen) Gesetzgeber7 gerichtete Pflicht zur Rechtsetzungsgleicheit sowie die – insbesondere die Finanzverwaltung betreffende – Pflicht zur Rechtsanwendungsgleichheit.8 Daraus folgt, dass das materielle Steuergesetz stets in ein normatives Umfeld eingebettet sein muss, welches die Gleichheit der Belastung auch hinsichtlich des tatsächlichen Erfolges prinzipiell gewährleistet.9
4.8
Der dem Gesetzgeber bis in die 1980er Jahre vom BVerfG eingeräumte weite Gestaltungsspielraum10 hat in der Vergangenheit dazu geführt, dass der Gleichheitssatz zum Formalprinzip entwertet und seiner Korrektivfunktion weitgehend entkleidet wurde.11 Er hatte den Steuergesetzgeber aus der Disziplin entlassen, Steuergesetze aufgrund einer einheitlichen systematischen Konzeption möglichst frei
4.9
1 Z.B. BVerfG v. 29.11.1989 – 1 BvR 1402/87, 1 BvR 1528/87, BStBl. II 1990, 479; ihm folgend der BFH, z.B. BFH v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136. 2 BVerfG v. 31.5.1988 – 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214 (226 f.); auch hier folgt der BFH, z.B. BFH v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136. 3 BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 (136), 165 (172); v. 4.12.2002 – 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (47); v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (30 f.). 4 Zu dieser zweistufigen Prüfung des Gleichheitssatzes Hey in Tipke/Lang22, § 3 Rz. 124 ff.; Hey, DStR 2009, 2561 (2562 ff.). 5 BVerfG v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (271); v. 6.3.2002 – 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (125); v. 4.12.2002 – 2 BvR 400/98 u.a., BVerfGE 107, 27 (46 f.); v. 21.6. 2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (180); v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1(30); v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210 (231); v. 12.5.2009 – 2 BvL 1/00 BVerfGE 123, 111 (120); v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, IStR 2016, 191 Rz. 96; ferner Kirchhof, StuW 2006, 14 ff.; Lang, StuW 2007, 3 ff.; Tipke, StuW 2007, 201 (205 ff.); Mellinghoff, Ubg 2012, 239 ff.; Jahndorf, StuW 2016, 256 (259 ff.). 6 Von Tipke, JZ 2009, 533 (535) als vertikale Folgerichtigkeit bezeichnet. 7 Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG in den Grenzen der jeweiligen Steuergesetzgebungskompetenz. 8 Hey in Tipke/Lang22, § 3 Rz. 116 ff.; Spindler in FS Schaumburg, 169 (175 f.). 9 BVerfG v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BStBl. II 1991, 654 (665); v. 9.3.2004 – 2 BvL 17/02, BVerfGE 110, 94 (112 ff.); hierzu Tipke in FS Offerhaus, 819 ff.; Birk, StuW 2004, 277; Hey, DB 2004, 724 ff.; Pezzer, StuW 2007, 101 ff. 10 Hierzu Hey in Tipke/Lang22, § 3 Rz. 100; Tipke, JZ 2009, 533 (533 f.); Friauf, DStJG 12 (1989), 3 (27); Schoch, DVBl. 1988, 863 (881 f.). 11 Kruse, Steuerrecht, Bd. I, 45 f.; Friauf, DStJG 12 (1989), 3 (27); Tipke in FS Zeidler I, 717 (731).
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Kap. 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote
von Wertungswidersprüchen zu schaffen. Die in der Vergangenheit auf der formal-rechtsstaatlichen Gewaltenteilung beruhende richterliche Zurückhaltung (judicial self-restraint) verliert insbesondere dann ihre Legitimation, wenn der Gesetzgeber die der Gerechtigkeitsfunktion des Gleichheitssatzes dienende System- und Wertungskonsequenz durchbricht.1 In diesem Fall ist das BVerfG zu einem judikativen Eingriff (judicial activism) aufgerufen, den es in zunehmendem Maße auch vornimmt.2 Hierbei sind eine Ausrichtung am Leistungsfähigkeitsprinzip3 als dem für Art. 3 Abs. 1 GG maßgeblichen Vergleichsmaßstab4 und eine Einengung der gesetzgeberischen Gestaltungsspielräume, die eine Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips nur in Ausnahmefällen zulässt,5 erforderlich. Dies gilt nicht nur für den Binnenbereich einzelner Steuergesetze, nicht nur für einzelne Normen und Normenkomplexe, sondern auch für Steuergesetze in ihrer Gesamtheit, und zwar auch insoweit, als die betreffenden Steuern in Art. 106 GG genannt sind.6 Das steuerrechtliche Gleichheitsgebot lautet daher: Steuerpflichtige, die gleich leistungsfähig sind, müssen gleich hohe Steuern zahlen (horizontale Gleichheit). Steuerpflichtige, die unterschiedlich leistungsfähig sind, müssen, entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit, unterschiedlich hohe Steuern zahlen (vertikale Gleichheit). 4.10
Das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit als systemtragendes Gleichheitsgebot7 erlangt im Internationalen Steuerrecht besondere Bedeutung.8 Der Steuergesetzgeber hat sich gerade bei den Normen des Außensteuerrechts 1 Hey in Tipke/Lang22, § 3 Rz. 100. 2 So eindrucksvoll geschehen z.B. durch die beiden Beschlüsse des BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 165 ff. zur VSt und ErbSt, durch den Erbschaftsteuerbeschluss v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 ff., durch das Urteil zur Pendlerpauschale v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 123, 211 ff. und zur Erbschaftsteuer v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BStBl. II 2015, 50. 3 Fähigkeit, Steuerleistungen erbringen zu können (Zahlungsfähigkeit); hierzu Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 479 ff.; Hey in Tipke/Lang22, § 3 Rz. 40 ff. 4 Im Grundsatz wird das Leistungsfähigkeitsprinzip vom BVerfG als Verfassungsprinzip anerkannt; z.B. BVerfG v. 23.11.1976 – 1 BvR 150/75, BVerfGE 43, 108 (120); v. 11.10. 1977 – 1 BvR 343/73, 1 BvR 83/74, 1 BvR 183/75, 1 BvR 428/75, BVerfGE 47, 1 (29); v. 3.11.1982 – 1 BvR 620/78, 1 BvR 1335/78, 1 BvR 1104/79, 1 BvR 363/80, BVerfGE 61, 319 (343 f.); v. 22.2.1984 – 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214 (222 ff.); v. 4.10.1984 – 1 BvR 789/79, BVerfGE 67, 290 (296 ff.); v. 17.10.1984 – 1 BvR 527/80, 1 BvR 528/81, 1 BvR 441/82, BVerfGE 68, 143 (152 f.); v. 28.11.1984 – 1 BvR 1157/82, BVerfGE 68, 287 (310); v. 10.2.1987 – 1 BvL 18/81, 1 BvL 20/82, BVerfGE 74, 182 (199 f.); v. 29.5.1990 – 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60 (86); v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 (269 ff.); v. 30.9.1998 – 2 BvR 1818/91, BVerfGE 99, 88 (95); v. 6.3.2002 – 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73 (125); v. 4.12.2002 – 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (46 f.); v. 7.11.2006 – 1 BvL 10/02, BVerfGE 117, 1 (30); v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210 (231); v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, IStR 2016, 191 Rz. 96; vgl. hierzu auch den Überblick von Desens, StuW 2016, 240 ff. 5 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 329 ff.; Hey in Tipke/Lang22, § 3 Rz. 128 ff. 6 Zu weiteren Einzelheiten Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 298 ff.; 201 ff.; 483 ff.; Tipke, BB 1994, 437 ff.; Tipke, StuW 2007, 207 f. 7 So die treffende Formulierung von Friauf, DStJG 12 (1989), 3 (28). 8 Hierzu Vogel in FS Klein, 361 (364 ff.); Schaumburg in FS Tipke, 125 (128 ff.) Lang in FS Schaumburg, 45 ff.
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B. Gleichheitssatz des Grundgesetzes
und des Doppelbesteuerungsrechts von wirtschaftspolitischen Erwägungen leiten lassen, so dass das Normengefüge des Internationalen Steuerrechts nicht nur aus am Leistungsfähigkeitsprinzip orientierten Finanzzwecknormen, sondern auch aus wirtschaftslenkenden Normen besteht, die das Leistungsfähigkeitsprinzip durchbrechen.1 Die Durchbrechung des Leistungsfähigkeitsprinzips durch Lenkungsnormen2 im Internationalen Steuerrecht hat die Rechtsprechung allerdings durchweg nicht als einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG betrachtet.3 Auch die kollisionsbegründenden und kollisionsauflösenden Normen (Rz. 2.3 ff.) sind am Leistungsfähigkeitsprinzip zu messen. Die bestehenden Besteuerungsunterschiede zwischen unbeschränkter Steuerpflicht einerseits und beschränkter Steuerpflicht andererseits, insbesondere die nur eingeschränkte Berücksichtigung des Leistungsfähigkeitsprinzips im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht, sind seitens der Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG indessen nicht als willkürlich angesehen worden.4 Schließlich haben sich auch die Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung gegenüber dem Leistungsfähigkeitsprinzip als systemtragendem Gleichheitsgebot zu legitimieren. Das gilt umso mehr, als die Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht bloße Klugheitsregeln sind. Sie sind vielmehr die Kehrseite der mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu vereinbarenden Besteuerung des Welteinkommens/-vermögens (Rz. 6.53 ff.) und entsprechen damit selbst dem Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (Rz. 14.8 ff.). Die Reichweite des allgemeinen Gleichheitssatzes ist freilich begrenzt. Grundrechtsträger sind nach Art. 3 Abs. 1 GG zwar alle natürlichen Personen ohne Rücksicht auf ihre Ansässigkeit und ihre Staatsangehörigkeit,5 gem. Art. 19 Abs. 3 GG können aber nur inländische juristische Personen, also solche, die nach deutschem Recht errichtet worden sind, Grundrechtsschutz beanspruchen.6 Zu den Normadressaten des Art. 3 Abs. 1 GG gehören daher nicht nach ausländischem Recht errichtete juristische Personen,7 für sie besteht insoweit ein Grundrechtsdefizit, das lediglich durch die Diskriminierungsverbote des 1 Hierzu Elschen, StuW 1991, 99 (112). 2 Hierzu Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 336 ff., 525. 3 So BFH v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136 zu dem von ihm als Lenkungsnorm eingestuften § 2a EStG, der ein partielles Verlustausgleichsverbot enthält und damit das sich aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip ergebende Nettoprinzip durchbricht; im Einzelnen hierzu Rz. 6.71. 4 Ständige Rechtsprechung des BFH, s. BFH v. 11.8.1961 – VI 30/60 U, BStBl. III 1961, 486; v. 13.8.1963 – VI 96/62 U, BStBl. III 1963, 486; v. 14.2.1975 – VI R 210/72, BStBl. II 1975, 497; ebenso BVerfG v. 24.9.1965 – 1 BvR 228/65, BVerfGE 19, 119; v. 12.10.1976 – 1 BvR 2328/73, BVerfGE 43, 1; v. 9.2.2010 – 2 BvR 1178/07 – 1. Kammer des 2. Senats – NJW 2010, 2419 (2420); v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, IStR 2016, 191 Rz. 98. 5 BVerfG v. 14.2.1968 – 1 BvR 628/66, BVerfGE 23, 98 (104); v. 23.3.1971 – 2 BvL 17/69, BVerfGE 30, 392 (412); v. 12.10.1976 – 1 BvR 2328/73, BStBl. II 1977, 190; Osterloh in Sachs7, Art. 3 GG Rz. 69. 6 BVerfG v. 1.3.1967 – 1 BvR 46/66, BVerfGE 21, 207 (208 f.); v. 19.3.1968 – 1 BvR 554/65, BVerfGE 23, 229 (236); zu Einzelheiten Sachs in Sachs7, Art. 19 GG Rz. 57 ff. 7 Ein objektiv-verfassungsrechtliches Verbot sachlich nicht begründeter Ungleichbehandlung aufgrund des Demokratieprinzips und des Rechtsstaatsprinzips auch für ausländische juristische Personen postuliert Vogel, Der ausländische Aktionär in den Gesetzentwürfen zur Körperschaftsteuerreform, 24 f.; Vogel, DStJG 12 (1989), 123 (141).
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4.11
Kap. 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote
AEUV und der Doppelbesteuerungsabkommen ausgeglichen werden kann mit der Folge, dass etwa in anderen EU-Staaten ansässige Kapitalgesellschaften trotz der Inländerklausel des Art. 19 Abs. 3 GG Verfassungsbeschwerde erheben können.1 Schließlich endet die steuerliche Gleichmäßigkeit an der Grenze der für die Gesetzgebung zuständigen Gebietskörperschaften,2 so dass der allgemeine Gleichheitssatz nicht dadurch verletzt werden kann, dass Bürger in ausländischen Staaten höhere oder niedrigere Steuern zahlen als Bürger in Deutschland. Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vermag daher nur eine begrenzte Wirkkraft zu erzeugen.
C. EU-Diskriminierungsverbote Literatur Kommentare zu Art. 28, 30, 45, 49, 56, 63, 110 AEUV; Art. 6, 18 EUV; Art. 20, 51, 53 GrCh; Balke, Steuerliche Gestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten und freier Warenverkehr im Europäischen Binnenmarkt, Baden-Baden 1997; Behrens, Die Konvergenz der wirtschaftlichen Freiheiten des EWG-Vertrages, EuR 1992, 145; Bode, Diskriminierungsverbote im Vertrag über die EWG, Göttingen 1968; Canenbley, Das Diskriminierungsverbot in den Wettbewerbsregeln des Vertrags zur Begründung der EWG, Berlin 1970; Cordewener, Deutsche Unternehmensbesteuerung und europäische Grundfreiheiten – Grundzüge des materiellen und formellen Rechtsschutzsystems der EG, DStR 2004, 6; Cordewener, Europäische Grundfreiheit und nationales Steuerrecht – „Konvergenz“ des Gemeinschaftsrechts und „Kohärenz“ der direkten Steuern in der Rechtsprechung des EuGH, Köln 2002; Cordewener/Kofler/Schindler, Free Movement of Capital, Third Country Relationships and National Tax Law: An Emerging Issue bevor the EJC, ET 2007, 107, 371; Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Loseblatt, München, Hobe, Europarecht, 8. Aufl. München 2014; Dautzenberg, Der Vertrag von Maastricht, das neue Grundrecht auf allgemeine Freizügigkeit und die beschränkte Steuerpflicht der natürlichen Personen, BB 1993, 1563; Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, Berlin 2003; Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, Tübingen 2008; Everling, Das Niederlassungsrecht im gemeinsamen Markt, Berlin/Frankfurt 1963; Fontana, Direct Investments and Third Countries, ET 2007, 431; Frotscher, Internationales Steuerrecht, 4. Aufl. München 2015; Füller, Grundlagen und inhaltliche Reichweite der Warenverkehrsfreiheiten nach dem EGVertrag, Baden-Baden 1999; Hahn, Erläuterungen und legislatorische Überlegungen zur EuGH-Entscheidung in der Rechtssache Cadbury Schweppes, DStZ 2007, 201; Hüttemann/ Helios, Gemeinnützige Zweckverfolgung im Ausland nach der „Stauffer“-Entscheidung des EuGH, DB 2006, 2481; Ismer in H/H/R, Einf. ESt Rz. 430; Jachmann, Die Entscheidung des EuGH im Fall Stauffer – Nationale Gemeinnützigkeit in Europa, BB 2006, 2607; Jarass, Die Niederlassungsfreiheit in der Europäischen Gemeinschaft, RIW 1993, 1; Jarass, EUGrundrechte, München 2005; Kaefer/Saß, Beschränkte Steuerpflicht und Diskriminierungsverbot im Licht des EuGH-Urteils vom 14.2.1995, DB 1995, 642; Knobbe-Keuk, Freizügigkeit und direkte Besteuerung, EuZW 1995, 167; König, Das Problem der Inländerdiskriminierung, AöR 1993, 591; Kramer, Beschränkte Steuerpflicht und Europarecht, RIW 1996, 951; Kumpf/Roth, Wahlbesteuerung für beschränkt Einkommensteuerpflichtige?, StuW 1996, 259; Lechner/Staringer/Tumpel, Kapitalverkehrsfreiheit und Steuerrecht, Wien 2000; Lehner, Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, München 2002; Leh1 BVerfG v. 19.7.2011 – 1 BvR 1916/09, BVerfGE 129, 78 (98); Sachs7, Art. 19 GG Rz. 55. 2 BVerfG v. 25.2.1960 – 1 BvL 8/55, BVerfGE 10, 340 (372); v. 2.5.1961 – 1 BvR 203/53, BVerfGE 12, 319 (324); v. 14.4.1964 – 2 BvR 69/62, BVerfGE 17, 319 (331); v. 21.12.1966 – 1 BvR 33/64, BVerfGE 21, 54 (68); v. 29.10.1969 – 1 BvR 65/68, BVerfGE 27, 175 (179); v. 23.2.1972 – 2 BvL 36/71, BVerfGE 32, 346 (460).
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C. EU-Diskriminierungsverbote ner, Bedeutung der Grundrechte-Charta der Europäischen Union für das nationale Steuerrecht der Mitgliedstaaten, IStR 2016, 265; Lehner, Grundfreiheiten im Steuerrecht der EUStaaten, München 2000; Nowack, Vereinbarkeit der Vorschriften über die Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger mit den Personenverkehrsfreiheiten des EWG-Vertrages, Herne/ Berlin 1994; Ohler, Europäische Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit, Berlin/Heidelberg 2002; Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 7. Aufl. München 2016; Richter, Die französische Wegzugsbesteuerung auf dem EuGH-Prüfstand, IStR 2003, 157; Roth, Die Niederlassungsfreiheit zwischen Beschränkungs- und Diskriminierungsverbot, in Schön (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Knobbe-Keuk, Köln 1997, 729; Saß, Gleichbehandlung von beschränkt Steuerpflichtigen mit unbeschränkt Steuerpflichtigen aufgrund der Rechtsprechung des EuGH, StuW 1988, 362; Schaumburg, Besteuerung von Einkommen, DStJG 24 (2001), 225; Schaumburg, Außensteuerrecht und europäische Grundfreiheiten, DB 2005, 1129; Schaumburg, Zuzug von Unternehmen, DK 2005, 347; Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Köln 2015; Schaumburg/Schaumburg, Steuerliche Leistungsfähigkeit und europäische Grundfreiheiten im Internationalen Steuerrecht, StuW 2005, 306; Schnitger, Die Grenzen der Einwirkung der Grundfreiheiten des EG-Vertrages auf das Ertragsteuerrecht, Düsseldorf 2006; Schön, Die beschränkte Steuerpflicht zwischen europäischem Gemeinschaftsrecht und deutschem Verfassungsrecht, IStR 1995, 119; Schön, Europäische Kapitalverkehrsfreiheit und nationales Steuerrecht, in Schön (Hrsg.), Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, Köln 1997, 743; Schön, Unternehmensbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, StbJb 2003/2004, 27; Schön, Aktuelle Fragen zum Europäischen Gesellschafts- und Steuerrecht, JbFSt 2008/2009, 29; Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, 3. Aufl. Baden-Baden 2015; Thömmes, Tatbestandsmäßigkeit und Rechtfertigung steuerlicher Diskriminierungen nach EG-Recht, in Schön (Hrsg.), Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, Köln 1997, 795; Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht, 2. Aufl. München 2016; Wiebe, Das Verbot der Erhebung von Abgabenzoll gleicher Wirkungen in Abgrenzung zu anderen Regelungen des EG-Vertrags, Frankfurt/M. 1999.
I. Diskriminierungsverbote und Freizügigkeitsrechte Zu den Grundlagenentscheidungen der EU gehören die Chartagrundrechte (Art. 6 Abs. 1 EUV) und die Unionsgrundrechte (Art. 6 Abs. 3 EUV), die weitgehend identisch sind mit den in den einzelnen Verfassungen der Mitgliedstaaten verankerten Grundrechten und wie diese auch Diskriminierungsverbote enthalten. Aus der Sicht der Mitgliedstaaten als Verpflichtungsadressaten bei der Durchführung von Unionsrecht (Art. 51 GrCh) folgt hieraus eine Doppelbindung an die unionalen und nationalen Grundrechte,1 wobei allerdings das BVerfG entsprechend seiner selbststatuierten verfassungsrechtlichen Vorbehalte2 seine „Reservekompetenz“ nicht wahrnehmen wird, solange das Schutzniveau der unionalen Grundrechte mindestens den Grundrechten des GG entspricht.3 Der EuGH hat zwar in zahlreichen Fällen die Unionsgrundrechte (Art. 6 Abs. 3 EUV) zur Anwendung gebracht,4 im Steuerrecht haben sie ebenso wie die Grundrechtecharta (Art. 20 GrCh) aber noch keinen Niederschlag gefunden.5 Dies beruht im Wesentlichen darauf, dass soweit es sich um grenzüberschreitende Vorgänge handelt, nur die 1 Streinz/Michel in Streinz2, Art. 51 GrCh Rz. 8. 2 Hierzu Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 4.21 ff. 3 Davon ist im Hinblick auf die Meistbegünstigungsklausel des Art. 53 GrCH auszugehen; vgl. hierzu Streinz/Michel in Streinz2, Art. 53 GrCH Rz. 3 f. 4 Hierzu der Überblick bei Streinz/Michel in Streinz2, Art. 6 EUV Rz. 29 ff. 5 Vgl. Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 4.26; speziell zur GrCH Lehner, IStR 2016, 265.
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4.12
Kap. 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote
Grundfreiheiten (Art. 26 Abs. 2 AEUV) herangezogen werden.1 Das gilt auch im Verhältnis zu den in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Grundrechten, die über Art. 6 Abs. 3 EUV als allgemeine Rechtsgrundsätze des Unionsrechts zu berücksichtigen sind.2 Insoweit besteht nur ein subsidiärer Grundrechtschutz (Art. 13, 35 EMRK), da diese nur einen Mindeststandard gewähren und somit die Anwendung der unionalen Grundrechte, der Grundfreiheiten und der nationalen Grundrechte nicht einschränken (Art. 53 EMRK).3 4.13
Über die im EUV im Rahmen der unionalen Grundrechte verankerten Diskriminierungsverbote hinaus, verbietet der AEUV jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit (Art. 18 Abs. 1 AEUV).4 Unter dieses Diskriminierungsverbot fallen auch sog. versteckte Diskriminierungen, bei denen benachteiligende Regelungen zwar unabhängig von der Staatsangehörigkeit gelten, die betreffenden Tatbestände jedoch ausschließlich oder regelmäßig nur von ausländischen Staatsangehörigen erfüllt werden.5 Dieses Diskriminierungsverbot gilt nicht nur für natürliche Personen, sondern auch für juristische Personen, insbesondere für nach dem Recht eines Mitgliedstaates errichtete Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung6 oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der EU haben (Art. 54, 62 AEUV).7
4.14
Das Diskriminierungsverbot aus Gründen der Staatsangehörigkeit (Art. 18 Abs. 1 AEUV) ist eine besondere Ausformung des zu den Grundprinzipien des Unionsrechts zählenden allgemeinen Gleichheitssatzes. In seinem Anwendungsbereich wird Art. 18 Abs. 1 AEUV allerdings durch die speziell geregelten europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten verdrängt,8 so dass Art. 18 AEUV im Steuerrecht keine besondere Bedeutung erlangt.9 Die Grundfreiheiten wiederum wirken 1 Vgl. zum Konkurrenzverhältnis Pache in Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht3, § 10 Rz. 51. 2 Kingreen in Calliess/Ruffert5, Art. 6 EUV Rz. 5; Kraus in Dörr/Grote/Marauhn, EMRK/ GG2, Kap 3. Rz. 66. 3 Vgl. BVerfG v. 14.10.2004 – 2 BvR 1481/04, BVerfGE 111, 307 (329); v. 4.5.2011 – 2 BvR 2365/09 u.a., NJW 2011, 1931 Rz. 90. 4 Im Sinne von „Staatszugehörigkeit“, so dass neben natürlichen Personen auch juristische Personen erfasst werden; so EuGH v. 10.2.1994 – Rs. C-398/92 – Hatrex, Slg. 1994, I-474; v. 26.9.1996 – Rs. C-43/95 – Data Celecta, Slg. 1996, I-4661; a.A. noch BFH v. 31.10.1990 – II R 176/87, BStBl. II 1991, 161 und OLG Düsseldorf v. 10.2.1993 – 15 U 146/92, EuZW 1993, 326. 5 EuGH v. 12.2.1974 – Rs. 152/73 – Sotgiu, Slg. 1974, 153 (161 ff.); v. 8.5.1990 – Rs. C-175/88 – Biehl, Slg. 1991, I-1779 ff.; v. 13.7.1993 – Rs. C-330/91 – Commerzbank, Slg. 1993, I-4017 ff.; ferner von Bogdandy in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 18 AEUV Rz. 15; Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 118 ff.; 143 ff. 6 Im Sinne eines Ortes der Geschäftsleitung (§ 10 AO); hierzu Saß, StuW 1988, 362 (363). 7 EuGH v. 20.10.1993 – Rs. C-272/92 – Spolti, Slg. 1993, I-5185 ff.; v. 15.5.1997 – Rs. C-250/95 – Futura/Singer, Slg. 1997, I-2471 ff.; von Bogdandy in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 18 AEUV Rz. 29; Streinz in Streinz2, Art. 18 AEUV Rz. 36. 8 EuGH v. 10.12.1991 – Rs. C-179/90 – Genova, Slg. 1991, I-5889; v. 14.7.1994 – Rs. C-279/92 – Peralta, Slg. 1994, I-3453 ff.; v. 12.4.1994 – Rs. C-1/93 – Halliburton; Slg. 1994, I-1137 ff., v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, Slg. 1998, I-2823 ff.; v. 12.7.2005 – Rs. C-403/03 – Schempp, Slg. 2005, I-6421 ff.; Pache in Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht3, § 10 Rz. 49. 9 Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 4.26; Cordewener, DStR 2004, 6 (9).
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C. EU-Diskriminierungsverbote
ebenso wie das in Art. 18 AEUV verankerte Diskriminierungsverbot grundsätzlich nur grenzüberschreitend, so dass rein innerstaatliche Sachverhalte durch sie nicht geschützt werden.1 Diesen Schutz vermögen nur die Verfassungen der Mitgliedstaaten selbst zu leisten (z.B. Art. 3 Abs. 1 GG), wodurch eine unmittelbare Verknüpfung von europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Diskriminierungsverboten bewirkt wird. Daher gilt: Normen des nationalen Steuerrechts, die dem EU-Diskriminierungsverbot in dem Sinne entsprechen, dass sie die übrigen Unionsbürger den inländischen Staatsangehörigen für Zwecke der Besteuerung gleichstellen, entfalten über Art. 3 Abs. 1 GG, der ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit wirkt,2 eine Schutzwirkung zugunsten von Staatsangehörigen anderer Staaten.3 So verstößt etwa § 1a EStG, der bestimmte familienstandsbezogene Steuerermäßigungen nur Unionsbürgern und Staatsangehörigen von EWR-Staaten4 einräumt, gegen Art. 3 Abs. 1 GG (Rz. 6.51). Über das in Art. 18 Abs. 1 AEUV verankerte allgemeine Diskriminierungsverbot hinaus enthält Art. 21 AEUV auch ein allgemeines Freizügigkeitsrecht, das gegenüber allen Mitgliedstaaten nicht nur als bloßes Diskriminierungsverbot,5 sondern auch als unmittelbar geltendes Beschränkungsverbot wirkt, so dass es sich gleichermaßen an den Bestimmungs- und Herkunftsstaat richtet.6 Hiernach hat jeder Unionsbürger das Recht, sich innerhalb des Unionsgebietes frei zu bewegen und aufzuhalten. Art. 21 AEUV stellt das Bewegungs- und Aufenthaltsrecht jedoch unter weitgehenden Vorbehalt: Jede andere Vorschrift des AEUV sowie entsprechende Bestimmungen in einer Verordnung oder Richtlinie gehen vor. Angesprochen sind hiermit vor allem die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten, die den wirtschaftlich motivierten Aufenthalt betreffen. Art. 21 AEUV regelt damit im Ergebnis den privat motivierten Aufenthalt in dem Sinne, dass es jedem Mitgliedstaat verboten ist, die Einreise und den Verbleib eines Unionsbürgers zu erschweren und die Ausreise eines eigenen Bürgers in einen anderen Staat zu behindern.7 Im Hinblick auf die vorrangig zur Anwendung kommenden europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten hat Art. 21 AEUV im Bereich des Steuerrechts nur eine begrenzte Reichweite.8 1 EuGH v. 24.10.1978 – Rs. 15/78 – Koestler, Slg. 1978, 1971 ff.; v. 6.11.1984 – Rs. 182/83 – Tearon, Slg. 1984, 3677 ff.; v. 26.1.1993 – Rs. C-112/91 – Werner, Slg. 1993, I-463; Pache in Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht3, § 10 Rz. 12 ff.; Hobe, Europarecht8, Rz. 619. 2 BVerfG v. 14.2.1968 – 1 BvR 628/66, BVerfGE 23, 98 (104); BVerfG v. 23.3.1971 – 2 BvL 17/69, BVerfGE 30, 409 (412); BVerfG v. 12.10.1976 – 1 BvR 2328/73, BStBl. II 1977, 190; Osterloh/Nußberger in Sachs7, Art. 3 GG Rz. 69. 3 Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 4.72; Schaumburg, DB 2005, 1129 (1134); Kumpf/Roth, StuW 1996, 259 (262 f.); a.A. die h.M. z.B. Schön, IStR 1995, 119 (123 f.); Knobbe-Keuk, EuZW 1995, 167 (168); Kaefer/Saß, DB 1995, 642 (648). 4 Zu EWR-Diskriminierungsverboten Rz. 4.41 ff. 5 Magiera in Streinz2, Art. 21 AEUV Rz. 16. 6 Magiera in Streinz2, Art. 21 AEUV Rz. 14; zu Einzelheiten Dautzenberg, BB 1993, 1563 (1565 f.); Richter, IStR 2003, 157 (159). 7 Vgl. hierzu die Freizügigkeitsrichtlinie RL 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates v. 29.4.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, ABl. 2004 Nr. L 229, 35. 8 Vgl. Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 4.28; ferner die Aufzählung bei Schnitger, Die Grenzen der Einwirkung der Grundfreiheiten des EG-Vertrages auf das Ertragsteuerrecht, 62 f.
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Kap. 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote
II. Grundfreiheiten 1. Bedeutung 4.16
Die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten, von denen für den Bereich der indirekten Steuern die Warenverkehrsfreiheit (Art. 28 ff. AEUV) und für den Bereich der direkten Steuern die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV), die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV), die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) und die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) Bedeutung haben, verlangen unter dem Gesichtspunkt der Inländergleichbehandlung,1 dass jeder ausländische EU-Bürger im Ergebnis wie ein inländischer Staatsbürger behandelt wird. Mit dieser vor allem die Mitgliedstaaten treffenden Verpflichtung korrespondiert das subjektive Recht jedes Unionsbürgers auf Durchsetzung dieser Verpflichtung.2 Die Kehrseite dieses Gleichbehandlungsgebots sind die normativ verankerten allgemeinen und speziellen Diskriminierungsverbote, zu denen insbesondere die Grundfreiheiten gehören.3 Diese sind zum zentralen Orientierungspunkt in der Rechtsprechung des EuGH geworden, soweit es um die steuerliche Benachteiligung von EU-Steuerausländern geht. Da die Normen des deutschen Steuerrechts indessen nur ausnahmsweise an die Staatsangehörigkeit anknüpfen,4 stehen sog. versteckte Diskriminierungen5 im Vordergrund. Da hierdurch nicht nur natürliche, sondern auch juristische Personen betroffen sind, erstreckt sich der Schutzbereich der Grundfreiheiten, soweit es nicht um die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV) geht, auch auf nach dem Recht eines Mitgliedstaats errichtete juristische Personen, insbesondere Kapitalgesellschaften und darüber hinaus auch auf nichtrechtsfähige Gesellschaften. Die Grundfreiheiten können auch von Staatsangehörigen der EWR-Staaten (Island, Liechtenstein, Norwegen) in Anspruch genommen werden. Dies beruht auf dem zwischen der EU und deren Mitgliedstaaten einerseits und den (früheren) EFTA-Vertragsparteien andererseits auf der Grundlage des Art. 310 EG-Vertrags6 abgeschlossenen und zum 1.1.1994 in Kraft getretenen Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen).7 Angehörige von Drittstaaten haben somit grundsätzlich keinen Zugang zu dem von den Grundfreiheiten ausgehenden Schutzbereich.8 Etwas anderes gilt allerdings für die Kapitalver1 Es wird auch der Begriff der „Inländerbehandlung“ verwendet; gemeint ist die Gleichbehandlung mit Inländern. 2 Streinz in Streinz2, Art. 18 AEUV Rz. 10; Epiney in Calliess/Ruffert5, Art. 18 AEUV Rz. 41; Lenz in Lenz/Borchardt5, Art. 18 AEUV Rz. 1. 3 Art. 18 Abs. 1 AEUV einerseits und die Grundfreiheiten andererseits; zur Abgrenzung Streinz in Streinz2, Art. 18 AEUV Rz. 13 ff. 4 Z.B. § 2 Abs. 1 AStG, § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG. 5 Seit EuGH v. 16.2.1978 – Rs. C-61/77 – Seefischerei, Slg. 1978, 417 f.; vgl. zum Steuerrecht z.B. EuGH v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, Slg. 1995, I-249; v. 27.6.1996 – Rs. C-107/94 – Asscher, Slg. 1996, I-3113. 6 Heute Art. 217 AEUV. 7 ABl. EG 1994 Nr. L 1. 8 Das gilt auch für Staatsangehörige von Drittstaaten, die mit der EU Assoziierungsabkommen abgeschlossen haben; Besonderheiten gelten allerdings im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit; vgl. hierzu das Freizügigkeitsabkommen mit der Schweiz (ABl. 2002 Nr. L 144, 6; Tz. 4.46 ff.); hierzu EuGH v. 28.2.2013 – Rs. C-425/11 – Ettwein, IStR 2013, 353.
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C. EU-Diskriminierungsverbote
kehrsfreiheit (Art. 63 AEUV), auf die sich ausnahmsweise auch Angehörige von Drittstaaten berufen können, soweit sie in der EU investieren.1 Die in Art. 26 Abs. 2 AEUV verankerten Grundfreiheiten sind vom EuGH über das eigentliche Diskriminierungsverbot im Sinne einer Inländergleichbehandlung hinaus zu einem Beschränkungsverbot dahingehend entwickelt worden,2 dass auch Inländer unter die Schutzwirkung der Grundfreiheiten fallen, soweit sie grenzüberschreitend oder im EU-Ausland tätig sind.3
4.17
2. Schranken Die im AEUV verankerten Grundfreiheiten sind Schranken ausgesetzt, aufgrund deren unter bestimmten Voraussetzungen Eingriffe seitens der Mitgliedstaaten in die Grundfreiheiten gerechtfertigt sein können.4 Neben den im Zusammenhang mit den Grundfreiheiten ausdrücklich normierten (geschriebenen) Rechtfertigungsgründen5 sind die vom EuGH in seiner langjährigen Rechtsprechung6 entwickelten ungeschriebenen Rechtfertigungsgründe von besonderer Bedeutung. Das gilt vor allem für den Bereich des Steuerrechts.7 Diese „ungeschriebenen Rechtfertigungsgründe“ sind „zwingende Erfordernisse“, also solche aus „zwingenden Gründen des Allgemeinwohls“,8 die allerdings nur bei versteckten Diskriminierungen und bei Verstößen gegen das Beschränkungsverbot zur Anwendung kommen.9 Die hiermit verbundenen Schranken müssen ihrerseits stets dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz entsprechen, also zur Erreichung des jeweiligen Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen10 sein.11 Zu den SchrankenSchranken, also gegen Rechtfertigungsgründe selbst gerichtete Schranken, zählen schließlich die unionalen Grundrechte.12
4.18
Ob ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten gegeben ist, prüft der EuGH in der Regel auf drei unterschiedlichen Ebenen, und zwar auf der Tatbestandsebene, der
4.19
1 Hierzu Reimer in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 7.99. 2 Nur beispielhaft: EuGH v. 12.12.2002 – Rs. C-385/00 – de Groot, Slg. 2002, I-11838 = FR 2003, 141 m. Anm. Schnitger zur Arbeitnehmerfreizügigkeit; v. 13.4.2000 – Rs. C-251/98 – Baars, Slg. 2000, I-2850 zur Niederlassungsfreiheit; v. 6.6.2000 – Rs. C-35/98 – Verkooijen, Slg. 2000, I-4113 = FR 2000, 720 m. Anm. Dautzenberg zur Kapitalverkehrsfreiheit; zu dieser Entwicklung Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 104 ff. 3 Hierzu der Überblick bei Kokott in Lehner, Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 1 ff.; Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 288 ff. 4 Vgl. nur Pache in Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht3, § 10 Rz. 52 ff. 5 Art. 36, 45 Abs. 3, 52, Art. 62 i.V.m. Art. 52, 64 Abs. 1, Art. 65 Abs. 1 AEUV; vgl. hierzu die Übersicht bei Pache in Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht3, § 10 Rz. 53. 6 Seit EuGH v. 20.2.1979 – Rs. 120/78 – Rewe-Zentral AG, Slg. 1979, 649. 7 Zu Einzelheiten Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 7.199 ff. 8 EuGH v. 20.2.1979 – Rs. 120/78 – Rewe-Zentral AG, Slg. 1979, 649 Rz. 8. 9 Vgl. Wernsmann in Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht3, § 30 Rz. 113; Ehlers in Ehlers, Europäische Grundrechte und Grundfreiten4, § 7 Rz. 118. 10 Die Angemessenheit wird vom EuGH zumeist nicht gesondert geprüft; vgl Pache in Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht3, § 10 Rz. 57. 11 Hierzu Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 7.205 f.; Wernsmann in Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht3, § 30 Rz. 120. 12 Pache in Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht3, § 10 Rz. 58.
Schaumburg
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Kap. 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote
Rechtfertigungsebene und auf der Ebene der Verhältnismäßigkeit.1 Auf der Tatbestandsebene geht es darum, ob die betreffenden Normen gegen das Diskriminierungsverbot oder gegen das Beschränkungsverbot verstoßen. Wenn das der Fall ist, wird auf der Rechtfertigungsebene geprüft, ob dieser Verstoß gerechtfertigt ist oder nicht. Im Wesentlichen geht es im Bereich des Steuerrechts um ungeschriebene Rechtfertigungsgründe, wobei zunächst auf ein und denselben Steuerpflichtigen abgestellt wurde,2 nunmehr aber eine personenübergreifende Betrachtung vorherrscht.3 Im Hinblick darauf gibt es bis heute keine allgemein gültige Dogmatik, auf Grund derer Verstöße gegen die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten als gerechtfertigt angesehen werden können.4 Die sog. Gebhard-Formel5 hat zwar als Rechtfertigungsgründe insbesondere das zwingende Allgemeininteresse sowie die Geeignetheit und Erforderlichkeit zugelassen, im Bereich des Steuerrechts hat sich aber im Hinblick auf dessen spezifischen Erfordernisse in Orientierung an die Gebhard-Formel ein eigenständiges Rechtfertigungskonzept entwickelt, das sich in einen Negativ- und in einen Positiv-Katalog6 aufteilen lässt.7 Zunächst zum Positiv-Katalog:8 – Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten;9 – Verhinderung von Steuerhinterziehung und Steuerumgehung/-missbrauch, wobei missbräuchliche Gestaltungen nur solche sind, die rein künstlich sind und jeder wirtschaftlichen Realität entbehren und nur dem Zweck dienen, Steuern zu sparen;10 1 Zu dieser Dreistufenprüfung Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 110 ff.; der EuGH prüft die Verhälnismäßigkeit durchweg auf der Rechtfertigungsebene. 2 EuGH v. 13.4.2000 – Rs. C-251/98 – Baars, Slg. 2000, I-2787 ff., Rz. 40. 3 Seit EuGH v. 7.9.2004 – Rs. C-319/02 – Manninen, Slg.2004, I-7498 Rz. 42 ff. 4 Hierzu Cordewener, DStR 2004, 6 (8). 5 EuGH v. 30.11.1995 – Rs. C-95/94 – Gebhard, Slg. 1995, I-4165 (4197). 6 Hierzu Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 931 ff. 7 Hierzu Thömmes in Gedächtnisschrift Knobbe-Keuk, 795 (818 ff.); Reimer in Lehner, Grundfreiheiten im Steuerrecht der EU-Staaten, 39 (59 ff.); Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 926 ff. 8 Hierzu Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 7.223 ff.; Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 926 ff.; im Überblick Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 119 ff.; Weber-Grellet, Europäisches Steuerrecht2, § 9 Rz. 37, 53 ff.; ferner Schaumburg, DB 2005, 1129 (1133 f.). 9 Z.B. EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, Slg. 1998, I-2823 ff.; v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, Slg. 2005, I-10866 ff.; v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, Slg. 2006, I-7995 ff.; v. 29.3.2007 – Rs. C-347/04 – Rewe Zentralfinanz, Slg. 2007, I-2647; v. 15.5.2008 – Rs. C-414/06 – Lidl Belgium, Slg. 2008, I-3601 Rz. 30 ff.; v. 18.7.2007 – Rs. C-231/05 – Oy AA, Slg. 2007, I-6373 Rz. 56; in den vorgenannten Fällen zunächst zusammen mit dem Rechtfertigungsgrund „Verhinderung von Steuerumgehung“; aber auch isoliert etwa EuGH v. 25.2.2010 – Rs. C-337/08 – X-Holding, Slg. 2010, I-1215 Rz. 28; v. 10.2. 2011 – Rs. C-436/08 – Haribo, Slg. 2011, I-305 Rz. 121; v. 23.1.2014 – Rs. C-164/12 – DMC, ECLI:EU:C:2014:20 Rz. 46 = ISR 2014, 98 ff. m. Anm. Zwirner; zu dieser unklaren Rechtsprechungslinie Mitschke, IStR 2013, 37 ff. (40); Musil/Schulz, DStR 2013, 2205 ff. (2210). 10 Z.B. EuGH v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 – Hughes de Lasteyrie du Saillant, Slg. 2004, I-2431 ff.; v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, Slg. 2005, I-10866 ff.; v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, Slg. 2006, I-7995 ff.; v. 29.3.2007 – Rs. C-347/04 – Rewe Zentralfinanz, Slg. 2007, I-2647; v. 21.1.2010 – Rs. C-311/08 – SGI, Slg. 2010, I-487 Rz. 65; v. 28.10.2010 – Rs. C-72/09 – Rimbaud, Slg. 2010, I-10659 Rz. 33; v. 6.6.2013 – Rs. C-383/10 – KOM ./. Belgien, ABl.EU 2013, Nr C 225, 2, Rz. 51.
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C. EU-Diskriminierungsverbote
– steuerliche Kontrolle im Sinne der Sicherstellung der nationalen Besteuerung;1 – Verhinderung steuermindernder Doppelentlastungen;2 – Kohärenz3 des Steuersystems.4 Zu den nicht anerkannten Rechtfertigungsgründen gehören (Negativ-Katalog):5 – fehlende Harmonisierung;6 – Steuermindereinnahmen;7 – Erschwernisse bei der Sachaufklärung8 und beim Steuervollzug;9 – Vorteilsausgleich, wonach ein in einem Mitgliedstaat gewährter Steuervorteil dem anderen Mitgliedstaat nicht das Recht zu einer Höherbesteuerung gibt;10 – Nachteilsausgleich, wonach Nachteile für Gebietsfremde im selben Mitgliedstaat Vorteilen gegenüberstehen;11 – Wirtschaftsförderung.12 Auf der dritten Ebene ist die europarechtliche Prüfung darauf gerichtet, ob die Regelung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht. Diese Prüfung setzt 1 EuGH v. 15.5.1997 – Rs. C-250/95 – Futura Singer, Slg. 1997, I-2492 ff.; v. 14.9.2006 – Rs. C-386/04 – Stauffer, Slg. 2006, I-8203 ff. 2 EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, Slg. 2005, I-10866 ff.; v. 29.3. 2007 – Rs. C-347/04 – Rewe Zentralfinanz, Slg. 2007, I-2647; v. 15.5.2008 C-414/06 – Lidl Belgium, Slg. 2008, I-3601. 3 Systematischer Zusammenhang verschiedener Regelungen, die in einer Wechselwirkung stehen, wobei zunächst auf ein und denselben Steuerpflichtigen abgestellt wurde (EuGH v. 13.4.2000 – Rs. C-251/98 – Baars, Slg. 2000, I-2787 ff. Rz. 40); nunmehr aber personenübergreifende Betrachtung seit EuGH v. 7.9.2004 – Rs. C-319/02 – Manninen, Slg. 2004, I-7498 Rz. 42 ff.; vgl. auch EuGH v. 7.11.2013 – Rs. C-322/11 – K, ECLI:EU:C:2013:716, Rz. 66 = ISR 2013, 425 m. Anm. Müller. 4 Z.B. EuGH v. 28.1.1992 – Rs. C-204/90 – Bachmann, Slg. 1992, I-249 Rz. 21 ff.; EuGH v. 6.6.2000 – Rs. C-35/98 – Verkooijen, Slg. 2000, I-4113 ff.; v. 18.9.2003 – Rs. C-168/01 – Bosal Holding, Slg. 2003, I-9430 ff.; v. 7.9.2004 – Rs. C-319/02 – Manninen, Slg. 2004, I-7498 ff. 5 Hierzu Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 7.208 ff.; im Überblick Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 127. 6 EuGH v. 28.1.1986 – Rs. C-270/83 – Avoir Fiscal, Slg. 1986, 285; v. 15.5.1997 – Rs. C-250/95 – Futura Singer, Slg. 1997, I-2492 ff. 7 Z.B. EuGH v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – Saint-Gobain, SLG. 1999, I-6181 ff.; v. 6.6.2000 – Rs. C-35/98 – Verkooijen, Slg. 2000, I-4113 ff.; v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, Slg. 2006, I-7995 ff.; v. 15.7.2004 – Rs. C-315/02 – Lenz, Slg. 2004, I-07063 Rz. 49; v. 16.10.2011 – Rs. C-10/10 – KOM ./. Österreich, ECLI:EU:C:2011:399, Rz. 40. 8 EuGH v. 28.1.1992 – Rs. C-204/90 – Bachmann, Slg. 1992, I-249 ff. 9 EuGH v. 15.7.2004 – Rs. C-315/02 – Lenz, Slg. 2004, I-07063, Rz. 48; v. 1.7.2000 – Rs. C-233/09 – Dijkmann, Slg 2010, I-6649, Rz. 60. 10 EuGH v. 26.10.1999 – Rs. C-294/97 – Eurowings, Slg. 1999, I-7463 ff.; v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury-Schweppes, Slg. 2006, I-7995 ff.; v. 29.3.2007 – Rs. C-347/04 – Rewe Zentralfinanz, Slg. 2007, I-2647. 11 EuGH v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – Saint Gobain, Slg. 1999, I-6181 Rz. 50 ff.; v. 6.6.2000 – Rs. C-35/98 – Verkooijen, Slg. 2000, I-4113 Rz. 61, v. 15.7.2004 – Rs. C-315/02 – Lenz, Slg. 2004, I-07063 Rz. 43. 12 EuGH v. 6.6.2000 – Rs. C-35/98 – Verkooijen, Slg. 2000, I-4113 ff.; v. 12.6.2003 – Rs. C-234/01 – Gerritse, Slg. 2003, I-5945 ff.
Schaumburg
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4.20
Kap. 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote
dann ein, wenn die betreffende Regelung, die zu einer Einschränkung der Grundfreiheiten führt, durch Verfolgung eines legitimen Zieles gerechtfertigt ist. Die betreffende Regelung muss zur Erreichung dieses Ziels überhaupt geeignet sein und darf nicht über das hinausgehen, was hierzu erforderlich ist, so dass stets nur das mildeste Mittel eingesetzt werden darf.1 3. Die einzelnen Grundfreiheiten a) Warenverkehrsfreiheit 4.21
Die Warenverkehrsfreiheit (Art. 28 ff. AEUV) bildet den Kern des Binnenmarktes, dessen Funktionsfähigkeit im Wesentlichen darauf beruht, dass Ein- und Ausfuhrzölle oder Abgaben gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedstaaten verboten sind (Art. 30 AEUV).2 Zu den Abgaben mit zollgleicher Wirkung gehören einseitige staatliche Abgaben, die auf eine Ware aus Anlass eines Grenzübertritts erhoben werden, so z.B. Gebühren für bestimmte Genehmigungen oder Untersuchungen anlässlich des Grenzübertritts.3 Inländische Abgaben steuerlicher Art, die auch grenzüberschreitende Belastungswirkungen erzeugen, fallen im Grundsatz nicht unter den Anwendungsbereich der Art. 28 ff. AEUV, sondern werden allenfalls von Art. 110 AEUV erfasst4 mit der Folge, dass sie nicht das absolute Erhebungsverbot, sondern nur das im Art. 110 AEUV verankerte Diskriminierungsverbot trifft.5 Soweit es sich freilich um eine Steuer handelt, die gezielt auf die Belastung von aus anderen Mitgliedstaaten eingeführten Waren abzielt, es sich also um eine Umgehung des Verbots von Einfuhrzöllen (Art. 30 AEUV) handelt, greifen die Art. 28 ff. AEUV ein.6 Die Warenverkehrsfreiheit entfaltet somit für den Bereich der direkten und indirekten Steuern keine besonderen Schutzwirkungen.
4.22
Die Art. 28 ff. AEUV werden indessen durch Art. 110 f. AEUV ergänzt. Hier sind folgende Diskriminierungsverbote geregelt: Gemäß Art. 110 Abs. 1 AEUV dürfen Mitgliedstaaten auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten weder unmittelbar noch mittelbar höhere inländische Abgaben gleich welcher Art erheben als gleich-
1 EuGH v. 15.5.1997 – Rs. C-250/95 – Futura/Singer, Slg. 1997, I-2471; v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 – Hughes de Lasteyrie du Saillant, Slg. 2004, I-2409; v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, Slg. 2005, I-10866. 2 Zu Einzelheiten Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 6.1 ff. 3 Vgl. die Übersicht zur EuGH-Rspr. bei Herrmann in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 30 AEUV Rz. 12, 17. 4 Exklusivitätsverhältnis: EuGH v. 18.6.1975 – Rs. 94/74 – IGAV, Slg. 1975, 699 Rz. 10, 13; v. 15.6.2006 – Rs. C-393/04 u. C-41/05 – Air Liquide, Slg. 2006, I-5293 Rz. 50; Schön, EuR 2001, 216 (219). 5 EuGH v. 8.7.1965 – Rs. 10/65 – von Fonzi, Slg. 1965, 642; v. 28.1.1981 – Rs. 32/80 – Kortmann, Slg. 1981, 251 Rz. 14; v. 15.6.2006 – Rs. C-393/04 u. C-41/05 – Air Liquide, Slg. 2006, I-5293 Rz. 56; Kamann in Streinz2, Art. 110 AEUV Rz. 18. 6 EuGH v. 22.4.1999 – Rs. C-109/98 – CRT France International, Slg. 1999, I-2237; vgl. hierzu Reimer in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 7.63 f.; Englisch, Wettbewerbsgleichheit im grenzüberschreitenden Handel, 691 f.; Balke, Steuerliche Gestaltungsfreiheit der Mitgliedstaaten und freier Warenverkehr im Europäischen Binnenmarkt, 153 ff.
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C. EU-Diskriminierungsverbote
artige inländische Waren unmittelbar oder mittelbar zu tragen haben.1 Zu den vorgenannten Abgaben zählen neben indirekten Steuern2 auch produktbezogene Beiträge und Gebühren.3 Art. 110 Abs. 2 AEUV untersagt den Mitgliedstaaten, auf Waren aus anderen Mitgliedstaaten Abgaben zu erheben, die geeignet sind, andere Produktionen mittelbar zu schützen (Protektionsverbot).4 Obwohl sich der Wortlaut des Art. 110 AEUV nur auf die Einfuhr von Waren bezieht, hat der EuGH das Diskriminierungsverbot auch auf Ausfuhren in andere Mitgliedstaaten ausgedehnt, um so eine vollkommene Wettbewerbsneutralität zu gewährleisten.5 b) Arbeitnehmerfreizügigkeit Die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 ff. AEUV) gehört zusammen mit der Niederlassungsfreiheit für Selbständige (Art. 49 ff. AEUV) zu den personenbezogenen Grundfreiheiten, die die Freiheit des Personenverkehrs innerhalb der Union gewährleisten sollen.6 Kern der Arbeitnehmerfreizügigkeit ist das in Art. 45 Abs. 2 AEUV verankerte Gebot der Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit hat auf Grundlage der in Art. 40 EGV7 eingeräumten Ermächtigung ihre sekundärrechtliche Konkretisierung durch verschiedene Rechtsverordnungen erfahren. Hierzu gehören insbesondere die beiden Freizügigkeitsverordnungen,8 die die Einzelheiten über das Reise- und Aufenthaltsrecht der Unionsbürger regeln,9 sowie die Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen.10 Unter den Schutzbereich des Art. 45 AEUV fallen zwar im Grundsatz nur Unionsbürger und Staatsbürger der EWR-Staaten sowie deren Familienangehörige,11 soweit sie in EU-/EWR-Staaten ansässig sind, auf Grund verschiedener völkerrechtlicher Verträge werden unter bestimmten Voraussetzungen aber auch Drittstaatenangehörige und in Drittstaaten ansässige 1 Zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen im Überblick mit Nachweisen aus der EuGHRechtsprechung Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht7, § 35 Rz. 30 ff. 2 EuGH v. 2.4.1998 – Rs. C-213/96 – Outokumpu Oy, Slg. 1998, I-1777 ff. (Verbrauchsteuer auf eingeführte Elektrizität); v. 20.9.2007 – Rs. C-74/06 – KOM ./. Griechenland, Slg. 2007, I-7585 (Besteuerung eingeführter Gebrauchtwagen); weitere Beispiele bei Kamann in Streinz2, Art. 110 AEUV Rz. 15. 3 EuGH v. 22.3.1977 – Rs. 78/76 – Absatzfonds, Slg. 1977, 595; v. 25.1.1977 – Rs. 46/76 – Bauhuis/Niederlande, Slg. 1977, 5. 4 Zu Einzelheiten mit Nachweisen aus der EuGH-Rechtsprechung Kamann in Streinz2, Art. 110 AEUV Rz. 26 ff. 5 EuGH v. 27.2.1980 – Rs. 168/78 – KOM ./. Frankreich, Slg. 1980, 347 (359); v. 29.6.1978 – Rs. 142/78 – Statens Kontrol, Slg. 1978, 1543 Rz. 21, 27; v. 22.5.2003 – Rs. C-355/00 – Freskot, Slg. 2003, I-5263 Rz. 45. 6 Zu Einzelheiten Reimer in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 7.66 ff. 7 Heute Art. 46 AEUV. 8 VO Nr. 1612/68 v. 15.10.1968 (ABl. EG 1968 Nr. L 257, 2) und VO Nr. 883/2004 v. 29.4. 2004 (ABl. EG 2004 Nr. L 166, 1). 9 Hierzu Pache in Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht3, § 10 Rz. 124 ff. 10 ABl. 2005 Nr. L 255, 22; hierzu Pache in Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht3, § 10 Rz. 128. 11 UnionsbürgerRL v. 29.4.2004, RL 2004/38, ABl. EU 2004 Nr. L 158, 77.
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4.23
Kap. 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote
EU-/EWR-Staatsangehörige einbezogen. Hierzu gehört etwa das zwischen der EU und der Schweiz abgeschlossene Freizügigkeitsabkommen (Rz. 4.46 ff.).1 4.24
Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist in besonderer Weise durch steuerliche Regelungen dann betroffen, wenn beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer im Vergleich zu unbeschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern benachteiligt werden (Diskriminierungsverbot).2 Das Beschränkungsverbot ist demgegenüber tangiert, soweit die in einem anderen Mitgliedstaat erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit im Wohnsitzstaat zu steuerlichen Nachteilen führen.3 c) Niederlassungsfreiheit
4.25
Die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 ff. AEUV) betrifft die Freizügigkeit selbständiger Unternehmer und gehört somit zum Kernbereich der personenbezogenen Grundfreiheiten.4 Sie ist für das Unternehmensteuerrecht diejenige Grundfreiheit, an der sich europaweit die entsprechende Normenwelt zu orientieren hat. Von der Reichweite der Niederlassungsfreiheit werden natürliche Personen erfasst, soweit diese Staatsangehörige eines Mitgliedstaates sind (Art. 49 Abs. 1 AEUV). Im Falle der sog. primären Niederlassung (Art. 49 Abs. 1 Satz 1 AEUV) ist hierbei ohne Bedeutung, ob die Unionsbürger ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt innerhalb oder außerhalb der EU haben. Für den Fall der sekundären Niederlassung, etwa bei Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen oder Tochtergesellschaften (Art. 49 Abs. 1 Satz 2 AEUV), ist demgegenüber die Ansässigkeit in einem der Mitgliedstaaten erforderlich.5 Geschützt werden ferner rechtsfähige und nichtrechtsfähige Gesellschaften, die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates gegründet worden sind und entweder ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der EU haben (Art. 54 Abs. 1 AEUV), ohne dass es darauf ankommt, ob die Gesellschafter eine EU-Staatsangehörigkeit aufweisen.6 Damit können im Ergebnis auch Drittstaatenangehörige mittelbar die Schutzwirkung der Niederlas1 ABl. EG 2002 Nr. L 114, 6 = BGBl. II 2001, 810; vgl. hierzu EuGH v. 28.2.2013 – Rs. C-425/11 – Ettwein, BStBl. II 2013, 896, wonach auch in der Schweiz ansässige Unionsbürger und EWR-Staatsangehörige § 1a EStG beanspruchen können; vgl. zur Umsetzung BMF v. 16.9.2013 – IV C 3-S 1325/11/10014 – DOK2013/0855952, BStBl. I 2013, 1325. 2 Aus der Rechtsprechung des EuGH: EuGH v. 28.1.1992 – Rs. C-204/90 – Bachmann, Slg. 1992, I-276; v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, Slg. 1995, I-249 = FR 1995, 224 m. Anm. Waterkamp-Faupel; v. 27.6.1996 – Rs. C-107/94 – Asscher, Slg. 1996, I-3113 = FR 1996, 666 m. Anm. Waterkamp-Faupel; v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, Slg. 1998, I-2823 = FR 1998, 847 m. Anm. Dautzenberg; v. 14.9.1999 – Rs. C-391/97 – Gschwind, Slg. 1999, I-5478 = FR 1999, 1076 m. Anm. Stapperfend; v. 1.7.2004 – Rs. C-169/03 – Wallentin, Slg. 2004, I-6458; v. 21.2.2006 – Rs. C-152/03 – Ritter Coulais, Slg. 2006, I-1737; vgl. hierzu auch die Analyse der vorgenannten Urteile bei Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 480 ff. 3 Aus der Rechtsprechung des EuGH: EuGH v. 8.5.1990 – Rs. 175/88 – Biehl, Slg. 1990, I-1789; v. 12.12.2002 – Rs. C-385/00 – de Groot, Slg. 2002, I-11838 = FR 2003, 141 m. Anm. Schnitger; vgl. hierzu auch die Analyse der Rspr. bei Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 422 ff. 4 Vgl. hierzu Reimer in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 7.71 ff. 5 Zu Einzelheiten Forsthoff in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 49 AEUV Rz. 11, 56 ff. 6 EuGH v. 25.7.1991 – Rs. C-221/89 – Factortame, Slg. 1991, I-3905; Forsthoff in Grabitz/ Hilf/Nettesheim, Art. 49 AEUV Rz. 16.
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C. EU-Diskriminierungsverbote
sungsfreiheit in Anspruch nehmen. Drittstaatenangehörige werden schließlich von den Schutzwirkungen der Niederlassungsfreiheit auch in den Fällen erfasst, in denen sie etwa als Familienangehörige von Unionsbürgern in einen Mitgliedstaat einreisen und sich dort aufhalten (Recht auf Einreise und Aufenthalt).1 Die Niederlassungsfreiheit umfasst insbesondere die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen nach den Bestimmungen des Aufnahmestaates (Art. 49 Abs. 2 AEUV). Damit ist der Schutzbereich sehr weit gezogen, so dass im Ergebnis jedwede unternehmerische Tätigkeit, gleich in welcher Rechtsform, erfasst wird.2
4.26
Wie die übrigen Grundfreiheiten erfährt die Niederlassungsfreiheit ihre spezifische Ausprägung im Diskriminierungsverbot und Beschränkungsverbot.
4.27
Im Steuerrecht3 verstoßen gegen das Diskriminierungsverbot vor allem jene Normen, die den Zuzug von Unternehmen4 direkt oder indirekt erschweren sowie im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht im Vergleich zur unbeschränkten Steuerpflicht eine steuerliche Höherbelastung vorsehen. Angesprochen ist insbesondere eine steuerliche Benachteiligung von Unionsbürgern und EU-Kapitalgesellschaften mit Betriebsstätteneinkünften im EU-Ausland.5 Entsprechendes gilt für Tochtergesellschaften, die der beschränkten Steuerpflicht unterliegen.6 Schließlich ist auch eine Benachteiligung in den Fällen untersagt, in denen im betreffenden EUStaat weder eine Betriebsstätte noch eine Tochtergesellschaft unterhalten wird.7
4.28
1 EuGH v. 7.7.1992 – Rs. C-370/90 – Singh, Slg. 1992, I-4265; ein umfassender Schutz gewährleistet die sog. UnionsbürgerRL v. 29.4.2004, RL 2004/38, ABl. EU 2004 Nr. L 158, 77. 2 Forsthoff in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 49 AEUV Rz. 16 ff. m.w.N. insbesondere aus der Rspr. des EuGH. 3 Vgl. die Checkliste potentiell EU-rechtswidriger Normen des deutschen direkten Steuerrechts bei Kessler/Spengel, DB 2016, Beilage Nr. 1 zu Heft 5. 4 Aus der Rechtsprechung: EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 – Centros, Slg. 1999, I-1459 = FR 1999, 449 m. Anm. Dautzenberg; v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 – Überseering, Slg. 2002, I-9919; v. 30.1.2003 – Rs. C-167/01 – Inspire Art, Slg. 2003, I-10155 = GmbHR 2003, 1260 m. Anm. Meilicke (Gründungstheorie statt Sitztheorie). 5 Aus der Rechtsprechung: EuGH v. 28.1.1986 – Rs. 270/83 – Avoir Fiscal, Slg. 1986, 285 (keine Körperschaftsteuer-Anrechnung für inländische Betriebstätten ausländischer Kapitalgesellschaften); v. 13.7.1993 – Rs. C-330/91 – Commerzbank, Slg. 1993, I-4038 (Steuerzuschläge nur bei inländischen Betriebstätten ausländischer Kapitalgesellschaften); v. 15.5.1997 – Rs. C-250/95 – Futura/Singer, Slg. 1997, I-2492 = FR 1997, 567 m. Anm. Dautzenberg (Erfordernis einer im Inland geführten Buchführung); v. 29.4.1999 – Rs. C-311/97 – Royal Bank of Scotland, Slg. 1999, I-2651 = FR 1999, 822 m. Anm. Dautzenberg (höherer Steuertarif bei beschränkter Steuerpflicht); v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – Saint-Gobain, Slg. 1999, I-6181 (kein Schachtelprivileg für ausländische Gesellschaften mit inländischen Betriebstätten); v. 23.2.2006 – Rs. C-253/03 – CLT-UFA, Slg. 2006, I-1861 (höherer Steuertarif bei beschränkter Steuerpflicht). 6 Aus der Rechtsprechung EuGH v. 12.12.2002 – Rs. C-324/00 – Langhorst-Hohorst, Slg. 2002, I-11802 (Unterkapitalisierungsregelung nur für beschränkt steuerpflichtige Anteilseigner); v. 13.3.2007 – Rs. C-524/04 – Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, Slg. 2007, I-2107 (Unterkapitalisierungsregeln nur bei beschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern). 7 EuGH v. 12.4.1994 – Rs. C-1/93 – Halliburton, Slg. 1994, I-1151 (Grunderwerbsteuer); v. 14.9.2006 – Rs. C-386/04 – Stauffer, Slg. 2006, I-8203 (keine Steuerbefreiung für ausländische gemeinnützige Rechtsträger).
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Kap. 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote
4.29
Ein Verstoß gegen das Beschränkungsverbot ist stets dann gegeben, wenn die Tätigkeit in einem anderen EU-Staat insbesondere durch steuerliche Vorschriften behindert oder weniger attraktiv wird und hierdurch eine Erschwerung des Marktzugangs die Folge ist. Im Vordergrund steht hierbei der grenzüberschreitende Wegzug von Kapital- und Personengesellschaften oder aber von maßgeblich beteiligten Gesellschaftern.1 Die Niederlassungsfreiheit hat freilich besondere Bedeutung für die grenzüberschreitende Konzernbesteuerung, und zwar im Zusammenhang mit der Besteuerung von Dividenden aus dem EU-Ausland,2 der grenzüberschreitenden Verlustverrechnung3 und Umstrukturierung,4 der Gruppenbesteuerung5 und der Hinzurechnungsbesteuerung.6 d) Dienstleistungsfreiheit
4.30
Die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 ff. AEUV) ist darauf gerichtet, den ungehinderten Dienstleistungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten zu gewährleisten.7 Geschützt ist lediglich der grenzüberschreitende Dienstleistungsverkehr, so dass Empfänger und Erbringer der Dienstleistung in verschiedenen Mitgliedstaaten 1 Aus der Rechtsprechung: EuGH v. 27.9.1988 – Rs. 81/87 – Daily Mail, Slg. 1988, I-5505 (wegzugsbedingte Liquidationsbesteuerung); v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02– Hughes de Lasteyrie du Saillant, Slg. 2004, I-2431 = GmbHR 2004, 504 m. Anm. Meilicke (Wegzugsbesteuerung auf Gesellschafterebene); v. 7.9.2006 – Rs. C-470/04 – N, EuGH 2006, I-7409 (Wegzugsbesteuerung auf Gesellschafterebene); v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 – Cartesio, NJW 2009, 569 (Liquidationsbesteuerung bei formwahrendem Wegzug); v. 12.7.2012 – Rs. C-378/10 – VALE, ECLI:EU:C:2012:440 = EWS 2012, 375 (Liquidationsbesteuerung bei formwechselndem Wegzug); v. 29.11.2011 – Rs. C-371/10 – National Grid Indus, EWS 2012, 38 = FR 2012, 25 m. Anm. Musil; v. 6.9.2012 – Rs. C-38/10 – KOM ./. Portugal, ECLI:EU:C:2012:521 = ISR 2012, 60 m. Anm. Müller; v. 25.4.2013 – Rs. C-64/11 – KOM ./. Spanien, ECLI:EU:C:2013: 264 = ISR 2013, 225 m. Anm. Müller (Wegzugsbesteuerung auf Gesellschaftsebene). 2 EuGH v. 8.3.2001 – Rs. C-397/98 und C-410/98 – Metallgesellschaft/Hoechst, Slg. 2001, I-1760 (Körperschaftsteuervorauszahlung nur bei ausländischen Dividenden); v. 18.9. 2003 – Rs. C-168/01 – Bosal Holding, Slg. 2003, I-9430 (keine Berücksichtigung von Finanzierungsaufwendungen im Zusammenhang mit ausländischen Dividenden); v. 12.12.2006 – Rs. C-446/04 – Test Claimants in the FI Group Litigation, Slg. 2006, I-1173 (Steuerpflicht nur von Auslandsdividenden); v. 23.2.2006 – Rs. C-471/04 – Keller Holding, Slg. 2006, I-2107= GmbHR 2006, 435 m. Anm. Roser (keine Finanzierungskosten bei ausländischen Dividenden). 3 Aus der Rechtsprechung: EuGH v. 16.7.1998 – Rs. C-265/96 – ICI, Slg. 1998, I-4711 (keine Verlustverrechnung bei ausländischen Betriebsstätten); v. 14.12.2000 – Rs. C-141/99 – AMID, Slg. 2000, I-11632 (keine Verlustverrechnung bei ausländischen Betriebsstätten); v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, Slg. 2005, I-10866 (kein grenzüberschreitender Verlustausgleich); v. 28.3.2007 – Rs. C-347/04 – REWE-Zentralfinanz, Slg. 2007, I-2647 = GmbHR 2007, 494 m. Anm. Rehm/Nagler (keine verlustberücksichtigende Teilwertabschreibung). 4 Aus der Rechtsprechung EuGH v. 21.11.2002 – Rs. C-436/00 – X & Y, Slg. 2002, I-10847= FR 2003, 84 m. Anm. Schnitger (keine steuerneutrale Umstrukturierung bei ausländischen Beteiligungen). 5 Aus der Rechtsprechung: EuGH v. 18.11.1999 – Rs. C-200/98, FR 2000, 62 – XAB und YAB, Slg. 1999, I-8276 (keine Einschränkung der Gruppenbesteuerung im Falle ausländischer Beteiligungen). 6 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, Slg. 2006, I-7995 = GmbHR 2006, 1049 m. Anm. Kleinert = FR 2006, 987 m. Anm. Lieber. 7 Zu Einzelheiten Reimer in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 7.82 ff.
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C. EU-Diskriminierungsverbote
ansässig sein müssen. Erfasst werden insbesondere gewerbliche, kaufmännische, handwerkliche und freiberufliche Tätigkeiten, darüber hinaus aber auch die Tätigkeiten des Reise- und Baugewerbes ebenso wie die Vermietung und das Leasing, der Gesamtbereich der Finanzdienstleistungen, Börsengeschäfte, Beratungs-, Vermittlungs- und Werbetätigkeiten.1 In Abgrenzung zur Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV) werden nur solche Leistungen erfasst, die seitens des Auftragnehmers selbständig gegen Entgelt erbracht werden.2 Geschützt wird die aktive und passive Dienstleistungsfreiheit. Die aktive Dienstleistungsfreiheit betrifft den Fall, dass der Erbringer der Dienstleistungen die Dienstleistungen im Land des Empfängers verbringt, etwa die Durchführung von Bauprojekten und freiberuflichen Leistungen vor Ort,3 wobei durch Art. 57 Abs. 3 AEUV auch ein vorübergehendes Aufenthalts- und Tätigkeitsrecht als Begleitrecht gewährleistet wird. Die passive Dienstleistungsfreiheit betrifft den Fall, dass der Dienstleistungsempfänger die Dienstleistung in dem anderen Mitgliedstaat, in dem der Erbringer der Dienstleistung ansässig ist, in Anspruch nimmt, also beispielsweise die Leistungen der Hotels, Krankenhäuser und der Ärzte.4 Schließlich wird auch die sog. Korrespondenzdienstleistungsfreiheit geschützt, die gegeben ist, wenn sowohl der Dienstleistungsempfänger als auch der Dienstleistungserbringer in ihrem jeweiligen EU-Ansässigkeitsstaat verbleiben und nur die Dienstleistung grenzüberschreitend erbracht wird.5 Hierzu gehören insbesondere die Bank- und Versicherungsdienstleistungen sowie die Leistungen von Hörfunk und Fernsehen.6 Von den Schutzwirkungen der Dienstleistungsfreiheit werden auch Gesellschaften erfasst (Art. 56, 52 i.V.m. Art. 54 AEUV). Die Dienstleistungsfreiheit wird konkretisiert durch die Dienstleistungs-Richtlinie7 und durch die Entsende-Richtlinie.8
4.31
Die Dienstleistungsfreiheit schützt wie die übrigen Grundfreiheiten auch vor steuerlicher Benachteiligung, und zwar als Diskriminierungsverbot9 und als Beschränkungsverbot.10
4.32
1 So die Aufzählung von Roth in Dauses, Hdb. EU-Wirtschaftsrecht, E. 1 Rz. 130; vgl. auch die Übersicht aus der Rspr. des EuGH bei Randelshofer/Forsthoff in Grabitz/Hilf/ Nettesheim, Art. 56/57 AEUV Rz. 48. 2 Zur Abgrenzung Randelshofer/Forsthoff in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 56/57 AEUV Rz. 40 u. Forsthoff in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 45 AEUV Rz. 69 ff. 3 Roth in Dauses, Hdb. EU-Wirtschaftsrecht, E. 1 Rz. 139. 4 Roth in Dauses, Hdb. EU-Wirtschaftsrecht, E. 1 Rz. 141. 5 Hierzu Randelshofer/Forsthoff in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 56/57 AEUV Rz. 54. 6 Classen in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht7, § 25 Rz. 10. 7 206/123/EG v. 12.12.2006, ABl. EU 2006 Nr. L 376, 36. 8 Richtlinie 96/71 v. 16.12.1996, ABl. EG 1997 Nr. L 18, 1; Einzelheiten zu diesen beiden Richtlinien bei Classen in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht7, § 25 Rz. 23 ff. 9 Aus der Rechtsprechung: EuGH v. 28.1.1992 – Rs. C-204/90 – Bachmann, EuGH 1992, I-276 (Steuerliche Abziehbarkeit nur von Beiträgen an inländische Versicherung); v. 12.6.2003 – Rs. C-234/01 – Gerritse, Slg. 2003, I-5945 (kein Abzug von Betriebsausgaben bei beschränkter Steuerpflicht); v. 3.10.2006 – Rs. C-290/04 – Scorpio, Slg. 2006, I-9461 (kein Betriebsausgabenabzug beim Steuerabzugsverfahren); v. 15.2.2007 – Rs. C-345/04 – Centro Equestre, Slg. 2007, I-1425 (nur teilweise Berücksichtigung von Betriebsausgaben bei beschränkter Steuerpflicht). 10 Z.B. EuGH v. 26.10.1999 – Rs. C-294/97 – Eurowings, Slg. 1999, I-7463 = FR 1999, 1327 m. Anm. Dautzenberg (gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Mieten an ausländische Leasinggeber).
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Kap. 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote
e) Kapitalverkehrsfreiheit 4.33
Die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 ff. AEUV) gewährleistet den freien Kapital- und Zahlungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und zwischen den Mitgliedstaaten und Drittstaaten.1 Diese somit nicht auf den EU-Bereich beschränkte Kapitalverkehrsfreiheit ist unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion.2 Dass die Kapitalverkehrsfreiheit auch im Verhältnis zu Drittstaaten Geltung hat, entspricht der Notwendigkeit, den Euro als eine internationale Handels-, Investitions- und Reservewährung über den eigentlichen Währungsraum weltweit zu implementieren und so auch eine weltweite Liberalisierung des Kapital- und Zahlungsverkehrs zu befördern.3 Es handelt sich somit eigentlich um eine internationale Kapitalverkehrsfreiheit, die alle Kapitalbewegungen zwischen den EU-Staaten und dem Verhältnis zu Drittstaaten unabhängig von einer Staatsangehörigkeit der Begünstigten und der Herkunft der Mittel begünstigt.4 Dieses primärrechtliche Gebot, dass freilich wie bei den übrigen Grundfreiheiten nicht für den reinen innerstaatlichen Kapital- und Zahlungsverkehr gilt, ist unmittelbar verbindlich und kann somit von jeder Person mit Wohnsitz, Sitz oder Niederlassung in einem Mitgliedstaat oder Drittstaat in Anspruch genommen werden.5
4.34
Entsprechend der Zielsetzung ist der Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit sehr weit gezogen,6 so dass auch gesellschafts- und steuerrechtliche Regelungen, durch die grenzüberschreitende Investitionen beeinträchtigt werden, betroffen sind. Diese weitgehenden Schutzwirkungen werden freilich dadurch eingeschränkt, dass die Kapitalverkehrsfreiheit gegenüber der Niederlassungs- oder Dienstleistungsfreiheit zurücktritt, soweit sich die Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit als zwangsläufige Folge der Beschränkung der vorgenannten Grundfreiheiten darstellt.7 Im Bereich des Unternehmenssteuerrechts ist der Vorrang der Niederlassungsfreiheit im Hinblick auf Beteiligungsverhältnisse von besonderer Bedeutung. Hiernach greifen die Schutzwirkungen der Niederlassungsfreiheit ein, wenn die Beteiligung es ihrem Inhaber ermöglicht, einen sicheren Einfluss auf die Entscheidungen der betreffenden Gesellschaft auszuüben und deren Tätigkeiten zu bestimmen. Demgegenüber sind sog. Portfolioinvestitionen, also solche, die in der alleinigen Absicht der Geldanlage erfolgen, ohne dass auf die Ver1 Vgl. Reimer in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 7.87 ff. 2 Hierzu Ress/Ukrow in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 63 AEUV Rz. 7 ff.; im Überblick Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht7, § 30 Rz. 1. 3 EuGH v. 20.5.2008 – Rs. C-194/06 – Orange European Smallcap Fund, Slg. 2008, I-3747 Rz. 7; Nettesheim in Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht7, § 30 Rz. 12. 4 Follak in Dauses, Hdb. EU-Wirtschaftsrecht, F.II Rz. 5. 5 EuGH v. 14.12.1995 – Rs. C-163/94 – Sanz de Lera, Slg. 1995, I-4821; v. 18.12.2007 – Rs. C-101/05 – A, Slg. 2007, I-11568; v. 4.6.2009 – Rs. C-439/07 u. C-499/07 – KBC Bank, IStR 2009, 494; Ress/Ukrow in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 63 AEUV Rz. 102; Follak in Dauses, Hdb. EU-Wirtschaftsrecht, F.II Rz. 5. 6 EuGH v. 17.9.2009 – Rs. C-182/08 – Glaxo Welcome, Slg. 2009, I-8591. 7 EuGH v. 23.2.2006 – Rs. C-513/03 – van Hilten-van der Heijten, Slg. 2006, I-1981; v. 12.9. 2006 – Rs. C-196/04 – Cadburry Schweppes, Slg. 2006, I-7959 = GmbHR 2006, 1049 m. Anm. Kleinert = FR 2006, 987 m. Anm. Lieber; v. 3.10.2006 – Rs. C-452/04 – Fidium Finanz, Slg. 2006, I-9521; v. 13.3.2007 – Rs. C-524/04 – Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, Slg. 2007, I-2107; v. 10.5.2007 – Rs. C-492/04 – Lasertec, Slg. 2007, I-3775 = FR 2007, 692 m. Anm. Prinz = GmbHR 2007, 773 m. Anm. Rehm/Nagler; vgl. auch Reimer in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 7.87 ff.
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C. EU-Diskriminierungsverbote
waltung und Kontrolle des Unternehmens Einfluss genommen werden soll, dem Regelungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit unterworfen.1 Maßgeblich hierfür ist die Zielsetzung der betreffenden Steuernorm,2 wobei (typisierend) bei einer Beteiligung von mindestens 10 %3 von einer unter die Schutzwirkungen der Niederlassungsfreiheit fallenden unternehmerischen Beteiligung auszugehen ist.4 Für die Kapitalverkehrsfreiheit ergibt sich eine Besonderheit dadurch, dass Art. 64 Abs. 1 AEUV im Ergebnis auf Drittstaaten bezogene Beschränkungen aus dem Anwendungsbereich ausnimmt, soweit diese Beschränkungen auf Grund einzelstaatlicher oder unionsrechtlicher Regelungen bereits zum 31.12. 1993 bestanden.5 Von dieser Stand-Still-Klausel wird aber nur der Kapitalverkehr im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, mit der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten6 erfasst.
4.35
In der Praxis der EuGH-Rechtsprechung hat die Kapitalverkehrsfreiheit für das Steuerrecht unter dem Gesichtspunkt des Diskriminierungsverbotes7 und des Beschränkungsverbotes8 gleichermaßen Bedeutung.9
4.36
1 EuGH v. 17.9.2009 – Rs. C-182/08 – Glaxo Wellcome, Slg. 2009, I-8591 Rz. 36 ff.; v. 19.7.2012 – Rs. C-31/11 – Scheunemann, ECLI:EU:C:2012:481 = ISR 2012, 23 m. Anm. Steger = DStR 2012, 1508 Rz. 17 ff.; v. 21.11.2001 – Rs. C-436/00 – X u.Y, Slg. 2002, I-10829 Rz. 66 ff.; v. 12.12.2006 – Rs. C-446/04 – Test Claimants in the FII Group Litigation, Slg. 2006, I-11753 Rz. 37 f.; eine andere Abgrenzung ergibt sich ggf. nach EuGH v. 3.10.2013 – Rs. C-282/12 – Itelcar, ECLI:EU:C:2013:629 = ISR 2013, 376 m. Anm. Müller, m. Anm. Schwenke, ISR 2013, 380. 2 BFH v. 29.8.2012 – I R 7/12, BFH/NV 2013, 158 Rz. 11 = ISR 2013, 13 m. Anm. Quilitzsch. 3 Qualifizierte Mindestbeteiligungsquote gem. § 8b Abs. 4 KStG. 4 BFH v. 29.8.2012 – I R 7/12, BFH/NV 2013, 158 Rz. 11 = ISR 2013, 13 m. Anm. Quilitzsch; v. 6.3.2013 – I R 14/07, BFH/NV 2013, 1325 Rz. 14 = ISR 2013, 287 m. Anm. Quilitzsch; dagegen auf die Kapitalverkehrsfreiheit auch ab einer Beteiligung von 10 % abstellend EuGH v. 11.9.2014 – Rs. C-47/12 – Kronos International, ECLI:EU:C:2014:2200 = ISR 2014, 337 m. Anm. Spies; vgl. auch EuGH v. 3.10.2013 – Rs. C-282/12 – Itelcar, ECLI:EU:C:2013:629 Rz. 22 = ISR 2013, 376 m. Anm. Müller, m. Anm. Schwenke, ISR 2013, 380. 5 Hierzu Ress/Ukrow in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 64 AEUV Rz. 19. 6 Geboten ist eine enge Auslegung; vgl. BFH v. 6.8.2013 – VIII R 39/12, BFH/NV 2013, 1976 = ISR 2013, 420 m. Anm. Kammeter (Vorlagebeschluss zum EuGH). 7 EuGH v. 5.7.2005 – Rs. C-376/03 – D., Slg. 2005, I-5852 (keine Vermögensteuerfreibeträge für Nichtansässige); v. 14.9.2006 – Rs. C-386/04 – Stauffer, Slg. 2006, I-8203 (keine Gemeinnützigkeit für inländische Einkünfte); v. 3.10.2006 – Rs. C-290/04 – Scorpio, Slg. 2006, I-9461 (kein Betriebsausgabenabzug im Steuerabzugsverfahren); v. 13.3.2007 – Rs. C-524/04 – Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation, Slg. 2007, I-2107; v. 17.10. 2013 – Rs. C-181/12 – Welte, ECLI:EU:C:2013:662 = ErbStB 2014, 32 = ISR 2013, 294 m. Anm. Felten; v. 8.6.2016 – Rs. C-479/14 – Hünnebeck, ECLI:EU:C:2016:412 (geringere Erbschaftsteuerfreibeträge für Nichtansässige). 8 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, Slg. 2006, I-7959 = GmbHR 2006, 1049 m. Anm. Kleinert = FR 2006, 987 m. Anm. Lieber (Hinzurechnungsbesteuerung); v. 23.2.2006 – Rs. C-471/04 – Keller Holding, Slg. 2006, I-2107 = GmbHR 2006, 435 m. Anm. Roser (Abzug von Finanzierungskosten); v. 6.6.2000 – Rs. C-35/98 – Verkooijen, EuGH 2000, I-4113 = FR 2000, 720 m. Anm. Dautzenberg (keine Steuerfreistellung von Auslandsdividenden); v. 15.7.2004 – Rs. C-242/03 – Weidert & Paulus, Slg. 2004, I-7391 (kein Abzug von Kosten für den Erwerb von Auslandsanteilen); v. 21.11.2002 – Rs. C-436/00 – X und Y, Slg. 2002, I-10847 = FR 2003, 84 m. Anm. Schnitger (keine steuerneutrale Umstrukturierung bei ausländischen Beteiligungen); v. 18.11.1999 – Rs. C-200/98 – X AB und Y AB, Slg. 1999, I-8276 (keine Einschränkung der Gruppenbesteuerung im Falle ausländischer Beteiligung). 9 Vgl. hierzu M. Lang, StuW 2011, 209.
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Kap. 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote
D. EWR-Diskriminierungsverbote Literatur Achatz, Die steuerlichen Auswirkungen des EWR-Abkommens, SWI 1993, 23; Cordewener, Das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum; eine unerkannte Baustelle des deutschen Steuerrechts, FR 2005, 236; Cordewener, Seminar A: Der Einfluss von EUNichtdiskriminierungsregeln auf Nicht-EU-Staaten, IStR 2008, 536; Dauses, Handbuch des EU-Wirtschaftsrechts, Loseblatt, München; Dürrschmidt/Wobst, Anmerkung zu EFTAGerichtshof, Urt. v. 3.10.2012 – Rs. E-15/11, Arcade Brilling, IStR 2013, 2024; Friedrich, Das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, DB 1994, 313; Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Köln 2015; Streit, Das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum, NJW 1994, 555; Tumpel, EWR-Diskriminierungsverbote und direkte Steuern, ecolex 1992, 583, 655; Weber, Der assoziationsrechtliche Status Drittstaatsangehöriger in der Europäischen Union, Frankfurt u.a. 1997.
4.37
Das zwischen der EG (EU) und deren Mitgliedstaaten einerseits1 und den damaligen EFTA-Vertragsparteien2 andererseits auf der Grundlage des Art. 310 EGV a.F. abgeschlossene und zum 1.1.1994 in Kraft getretene Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWRA),3 das auf die Schaffung binnenmarktähnlicher Verhältnisse abzielt, bewirkt, dass die Grundfreiheiten des EU-Binnenmarkts auch zwischen den EWR-Vertragsparteien gelten.4 Diese Grundfreiheiten haben für EWR-Sachverhalte eine besondere Bedeutung, weil in Norwegen, Island und Liechtenstein das Sekundärrecht der EU nicht gilt, so dass insoweit nur ein eingeschränkter Schutzbereich wirksam wird. Das EWR-Abkommen ist als gemischter Vertrag in der Normenhierarchie des Unionsrechts zwischen Primär- und Sekundarrecht angesiedelt5 und somit gegenüber dem jeweiligen nationalen Recht vorrangig.6
4.38
Kern des EWR-Abkommens sind neben der in Teil II verankerten Warenverkehrsfreiheit7 die in Teil III aufgeführten Diskriminierungsverbote, die sich sowohl vom Aufbau als auch vom Inhalt her stark an den entsprechenden Vorschriften des AEUV (Titel III) orientieren. Diese Diskriminierungsverbote beruhen auf dem in Art. 4 EWRA8 verankerten allgemeinen Diskriminierungsverbot, wonach jede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit verboten ist. Dementsprechend werden Arbeitnehmer mit Staatsangehörigkeit von Norwegen, Island und Liechtenstein in EU-Ländern durch das in Art. 28 EWRA geregelte Diskriminierungsverbot geschützt.9 Damit haben diese Arbeitnehmer Anspruch auf Freizügigkeit auch in der EU und sind somit etwa bezüglich der Auf1 Sog. „gemischtes Abkommen“; hierzu Hummer in Dauses Hdb. EU-WirtschaftsR, K. III Rz. 83, 90. 2 Österreich, Finnland, Island, Liechtenstein, Norwegen und Schweden; Österreich, Finnland und Schweden sind zwischenzeitlich der EU beigetreten. 3 ABl. EG 1994 Nr. L 1 v. 3.1.1994. 4 Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 2.32; Reimer in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 7.7. 5 Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 4.12 6 Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 4.19. 7 Hierzu Hummer in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, K III Rz. 119 ff. 8 Entspricht Art. 18 AEUV; vgl. Rz. 4.13 ff. 9 Entspricht Art. 45 AEUV; vgl. Rz. 4.23 f.
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D. EWR-Diskriminierungsverbote
enthaltserlaubnis Angehörigen der EU-Mitgliedstaaten gleichgestellt.1 Aus diesem Diskriminierungsverbot folgt weiter, dass die Freizügigkeit auch mittelbar nicht durch steuerliche Vorschriften eingeschränkt werden darf.2 Von besonderer Bedeutung ist die in Art. 31 EWRA verankerte Niederlassungsfreiheit, die ebenfalls sowohl natürliche als auch juristische Personen betrifft (Art. 34 EWRA) und von Staatsangehörigen von Norwegen, Island und Liechtenstein in den EU-Staaten in Anspruch genommen werden kann.3 Damit besteht ein Gleichlauf zwischen Art. 31 EWRA und Art. 49 AEUV4 dem normativ durchweg dadurch entsprochen wird, dass europäisierte Regelungen nicht nur für EUStaaten, sondern auch für (sonstige) EWR-Staaten Anwendung finden .
4.39
Mit dem allgemeinen Diskriminierungsverbot korrespondiert die Dienstleistungsfreiheit der Selbständigen (Art. 36 EWRA). Auch diese Dienstleistungsfreiheit,5 die sowohl von natürlichen als auch von juristischen Personen beansprucht werden kann (Art. 39, 34 EWRA), darf nicht durch nachteilige steuerliche Vorschriften behindert werden. Diese in Anlehnung an Art. 56 AEUV verankerte Dienstleistungsfreiheit gilt indessen nicht uneingeschränkt für den Verkehrsbereich. Hierfür greift lediglich ein allgemeines Diskriminierungsverbot ein (Art. 48 EWRA).
4.40
Schließlich wird von der Reichweite der EWR-Diskriminierungsverbote auch der Kapitalverkehr erfasst (Art. 40 EWRA).6
4.41
Im Hinblick darauf, dass die EWR-Diskriminierungsverbote nach dem Vorbild der EU-Diskriminierungsverbote ausgestaltet sind, ergibt sich eine weitgehend parallele Anwendungspraxis, die durchweg auch im Steuerrecht normativ verankert ist. So gelten etwa die an den Grundfreiheiten des AEUV orientierten Sonderregelungen gleichermaßen auch für den (sonstigen) EWR-Bereich.7 Im Übrigen wird für Zwecke der einheitlichen Anwendung des EWR-Abkommens auf die EuGH-Rechtsprechung zurückgegriffen.8 Gemäß Art. 105 EWRA hat es nämlich
4.42
1 So die Konkretisierung in Art. 34 Nr. 2 EWR-AusführungsG v. 27.4.1993, BGBl. I 1993, 512; zu Einzelheiten Hummer in Dauses, Hdb. EU-WirtschafsR, K III Rz. 144 ff. 2 Aus der Rspr. des EuGH: EuGH v. 23.2.2006 – Rs. C-471/04 – Keller Holding, Slg. 2006, I-2107; v. 25.10.2012 – Rs. C-387/11 – KOM/Belgien, ECLI:EU:C:2012:670 Rz. 88; aus der Rspr. des EFTA-Gerichtshofs; EFTA v. 23.11.2004 – Rs. E-1/04 – Fokus Bank, IStR 2005, 55; v. 7.5.2008 – Rs. E-7/07 – Seabrokers, IStR 2009, 315; v. 3.10.2012 – Rs. E-15/11 – Arcade Drilling, IStR 2013, 195; hierzu Dürrschmidt/Wobst, IStR 2013, 2024. 3 Zu Einzelheiten Hummer in Dauses, EU-WirtschaftsR, K. III Rz. 148. 4 Weil das Sekundärrecht der EU im Verhältnis zu Norwegen, Island und Liechtenstein keine Anwendung findet (Ausnahme: Art. 7 Abs. 2 VO 1612/68 v. 15.10.1968, Abl. EG 1968 Nr. L 257, 2 – Wanderarbeitnehmer), spielen bei der Prüfung, ob ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten gegeben ist, insbesondere die EU-Richtlinie (z.B. Fusionsrichtlinie, Amtshilferichtlinie) auf der Rechtfertigungsebene keine Rolle. 5 Hummer in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, K. III Rz. 149. 6 Hummer in Dauses, Hdb. EU-WirtschaftsR, K. III Rz. 150. 7 Vgl. z.B. §§ 1 Abs. 3 und 1a, 2a Abs. 2a Satz 2, 36 Abs. 5. Satz 1, 50 Abs. 2 Satz 7, 50a Abs. 3 EStG; § 12 Abs. 3 Satz 1 KStG, § 1 Abs. 2 Nr. 1 UmwStG, § 6 Abs. 5 AStG, § 2 Abs. 3 Satz 1 ErbStG; anders § 4g EStG. 8 Vgl. die Urteile des EFTA-Gerichtshofs v. 23.11.2004 – Rs. E-1/04 – Fokus, IStR 2005, 55 zur Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 40 EWRA) und v. 7.5.2008 – Rs. E-7/07 – Seabrokers, IStR 2009, 315 zur Niederlassungsfreiheit (Art. 31 EWRA).
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Kap. 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote
der Gemeinsame EWR-Ausschuss übernommen, die Entwicklung der EuGHRechtsprechung zu verfolgen und erforderlichenfalls Maßnahmen vorzuschlagen, wie EuGH-Entscheidungen Rechnung zu tragen ist. Darüber hinaus sieht Art. 107 EWRA auch vor, den Gerichten der EWR-Staaten zu erlauben, den EuGH um die Auslegung einer EWR-Bestimmung zu ersuchen. Wird von dieser Ermächtigung nicht Gebrauch gemacht, entscheiden also die entsprechenden nationalen Gerichte der EWR-Staaten autonom über die Anwendung des EWR-Abkommens, so kann bei Divergenzen der Gemeinsame EWR-Ausschuss angerufen werden, der dann wiederum seinerseits den EuGH um eine Entscheidung ersuchen kann (Art. 111 EWRA). 4.43
Wegen weiterer Einzelheiten der EWR-Diskriminierungsverbote wird auf die vorstehenden Ausführungen zu den EU-Diskriminierungsverboten verwiesen (Rz. 4.12 ff.).
E. GATT-Diskriminierungsverbote Literatur Fischer-Zernin, Regeln des internationalen Steuerrechts in zwischenzeitlichen Handelsabkommen – dargestellt am Beispiel der FCN-Verträge und des GATT-Vertrages, RIW 1988, 286 ff.; Fischer-Zernin, Internationale Ertragsteuern und Welthandelsordnung (GATT/ WTO), Köln 1996; Hilf/Petersmann, GATT und Europäische Gemeinschaft, Baden-Baden 1986; Hilpold, Die Neuregelung der Schutzmaßnahmen im GATT/WTO-Recht und ihr Einfluss auf „Grauzonenmaßnahmen“, ZaöRV 55 (1995), 89 ff.; Hobe, Europarecht, 8. Aufl. München 2014; Ipsen, Völkerrecht, 6. Aufl. München 2014; Lang/Herding/Hofbauer, WTO and Direct Taxation, Wien 2005; Paemen/Bensch, From the GATT to the WTO: The European Community in the Uruguay Round, Leuven 1995; Robra, Welthandelsrechtliche Aspekte der internationalen Besteuerung aus europäischer Perspektive, Halle 2005; Rust, Rahmenbedingungen des Internationalen Wirtschaftsrechts, DStJG 39 (2016), 119; Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Köln 2015; Schön, WTO und Steuerrecht, RIW 2004, 50 ff.; Trottmann, Ertragsteuerrecht, Warenverkehr und Inländergleichbehandlung vor der Welthandelsorganisation (WTO), IStR 2004, 6612 ff.; Vogelgesang, Steuerfragen im „General Agreement on Trade in Services“, IStR 1993, 1 ff.
4.44
Das GATT-Abkommen (GATT)1 ist ein gemischter Vertrag,2 der unter dem Dach des WTO-Übereinkommens (WTOÜ)3 in Anlage 1 auch für die EU als integrierender Bestandteil des Unionsrechts verbindlich ist (Art. 216 Abs. 2 AEUV).4 Innerhalb der für das Unionsrecht maßgeblichen Normenhierarchie5 kommt dem
1 Das GATT (General Agreement on Tarifs and Trade) in der Fassung nach Abschluss der sog. Uruguay-Verhandlungsrunde und der Änderungen und Ergänzungen von Marrakesch wurde mit Zustimmungsgesetz vom 8.7.1994 in deutsches Recht umgesetzt (BGBl. II 1994, 1438) und ist mit Wirkung zum 1.1.1995 in Kraft getreten (BGBl. II 1995, 456); ABl. 1994 Nr. L 336, 11. 2 Haltern in Ipsen, Völkerrecht6, § 33 Rz. 112; Hobe, Europarecht8, Rz. 449. 3 Übereinkommen zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO) v. 15.4.1994, BGBl. II 1994, 1625; die EU ist als Rechtsnachfolgerin der EG Mitglied der WTO (Art. XI Abs. 1 WTOÜ). 4 EuGH v. 30.4.1974 – RS. C-181/73 – Haegemann, Slg. 1974, 449 (460). 5 Hierzu Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 4.6 ff.
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E. GATT-Diskriminierungsverbote
GATT eine Stellung zwischen Primär- und Sekundärrecht zu1 mit der Folge eines Vorrangs gegenüber dem jeweiligen nationalen Recht.2 Indessen: Der EuGH hat dem GATT aufgrund der „Flexibilität“ seiner Bestimmungen keine unmittelbare Wirkung zuerkannt, so dass sich der einzelne Unionsbürger hierauf nicht berufen kann, sondern nur auf die jeweiligen Umsetzungsakte.3 Die Regelungen des GATT-Abkommens sind auch steuerlich von Bedeutung. Es enthält zwar keine spezifisch steuerrechtlichen Regelungen, die auf die Beseitigung von Import- und Exportbarrieren gerichtet sind, seine Normen4 entfalten aber steuerliche Schrankenwirkungen gegen Steuern, sofern durch deren Erhebung die vorgenannten Zielsetzungen des GATT berührt werden.5 Im Hinblick auf diese Zielsetzungen ist im GATT der Grundsatz der Inländergleichbehandlung verankert, wonach eingeführte Waren weder direkt noch indirekt höheren inneren Abgaben oder sonstigen Belastungen unterworfen sein dürfen als gleichartige inländische Waren (Art. III Abs. 1, 2 GATT). Zu den einfuhrbehindernden Abgaben gehören neben den indirekten Steuern6 auch direkte Steuern, insbesondere Ertragsteuern, soweit diese sich auf die Preise der eingeführten Waren auswirken (Art. III Abs. 4 GATT).7 Im Allgemeinen gilt zwar, dass Ertragsteuern als direkte Steuern nicht auf Überwälzung angelegt sind,8 tatsächlich lassen sich aber in Abhängigkeit von der jeweiligen Wettbewerbslage Abwälzungseffekte auch bei Ertragsteuern feststellen, so dass auch hierdurch der Preis von Importwaren beeinflusst wird.9 Damit erfasst das in Art. III GATT verankerte steuerobjektbezogene Diskriminierungsverbot sowohl das Verbot der direkten Benachteiligung von Importwaren durch höhere Verkehr- und Verbrauchsteuern als auch das Verbot der indirekten Benachteiligung durch höhere Ertragsteuern. Hiernach darf etwa die Einfuhrumsatzsteuer auf die Einfuhr von Waren nicht höher sein als die Umsatzsteuer auf die im Inland gelieferten Waren.10 Besondere Bedeutung hat das GATT-Diskriminierungsverbot für Verbrauchsteuern: Eingeführte Waren dürfen unter keinen Umständen mit höheren Verbrauchsteuern belastet werden als inländische Waren.11 Für den Bereich der Ertragsteuern geht es darum, dass bei feststellbaren 1 Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 4.13. 2 Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 4.18 ff. 3 EuGH v. 12.12.1972 – Rs. 21/72, International Fruit Company – Slg. 1972, 1219 Rz. 1 ff.; v. 16.3.1983 – Rs. 267/81 – SPI u. SAMI, Slg. 1983, 801 Rz. 21 ff.; v. 5.10.1994 – Rs. C-280/93 – Bananenmarktordnung, Slg. 1994, I-4973 Rz. 9; zur Kritik an dieser Rspr. Hobe, Europarecht8, Rz. 451 f.; Haltern in Ipsen, Völkerrecht6, § 33 Rz. 120 jeweils m.w.N. 4 Vgl. hierzu den Überblick bei Haltern in Ipsen, Völkerrecht6, § 33 Rz. 187 ff. 5 Haltern in Ipsen, Völkerrecht6, § 33 Rz. 208 ff.; Fischer-Zernin, Internationale Ertragsteuern und Welthandelsordnung (GATT/WTO), 14. 6 Hierzu gehören die Umsatzsteuer sowie die Verbrauch- und Verkehrsteuern. 7 Fischer-Zernin, Internationale Ertragsteuern und Welthandelsordnung (GATT/WTO), 18; Trottmann, IStR 2004, 661 (665 f.); Schön, RIW 2004, 50 (54). 8 Hey in Tipke/Lang22, § 7 Rz. 20. 9 Vgl. hierzu die Nachweise bei Fischer-Zernin, Internationale Ertragsteuern und Welthandelsordnung (GATT/WTO), 18 ff. 10 Die in § 12 UStG sowohl für die Lieferung als auch für die Einfuhr von Waren gleichermaßen geltenden Steuersätze sind daher GATT-konform. 11 Da die im Einzelnen geltenden Verbrauchsteuersätze nicht zwischen eingeführter Ware und Inlandsware differenzieren, sind die deutschen Verbrauchsteuersätze GATT-konform.
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Kap. 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote
Abwälzungseffekten Gewinne aus Importgeschäften steuerlich nicht höher belastet werden dürfen als Gewinne aus Inlandsgeschäften. Im Hinblick darauf steht die Hinzurechnungsbesteuerung für nicht aktiv tätige ausländische Einkaufsgesellschaften (Rz. 13.92 ff.) ebenso auf dem Prüfstand1 wie die im Ausland nicht selten anzutreffende Liefergewinnbesteuerung (Rz. 18.123). 4.45
Ebenso wie das GATT enthält auch das allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS)2 ein Diskriminierungsverbot, das darauf gerichtet ist, eine zu hohe oder gar doppelte Besteuerung von Gewinnen aus grenzüberschreitenden Dienstleistungen zu vermeiden (Art. XVII GATS).3 Betroffen hierdurch sind insbesondere grenzüberschreitende Finanzdienstleistungen und Versicherungen, soweit diese im Schuldnerland einer auf Bruttobasis erhobenen Quellensteuer unterliegen.4
F. Diskriminierungsverbote nach dem Freizügigkeitsabkommen mit der Schweiz Literatur Kommentare zu § 1a EStG; Beiser, Die Freizügigkeit zwischen der EU und der Schweiz: Versteinerung, Aushöhlung oder dynamische Auslegung – eine kritische Sicht der Rspr. des BFH, IStR 2012, 303; Benesch, Das Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Gemeinschaft, Tübingen 2007; Breitenmoser/Weyeneth, Die Abkommen zwischen der Schweiz und der EU, EuZW 2012, 854; von Brocke, Erweiterung der Schumacher-Grundsätze gegenüber der Schweiz, IWB 2013, 226; Cloer/Vogel, Ausdehnung der Schumacker-Rspr. auch auf Schweizer Grenzgänger, DB 2013, 531; Haslehner, Die Anwendung von EG-Grundfreiheiten im Verhältnis zur Schweiz, SWI 2007, 221; Ismer in H/H/R, Einf. ESt Rz. 555 ff.; Jung, Die Niederlassungsfreiheit von Schweizer Gesellschaften bei Sitzwahl und Sitzverlegung im Europäischen Wirtschaftsraum, EuZW 2012, 863; KahilWolff/Mosters, Das Abkommen über die Freizügigkeit EG – Schweiz, EuZW 2001, 5; Sunde, Entfalten die Grundfreiheiten ihre steuerlichen Auswirkungen auch im Verhältnis zur Schweiz? Besprechung des EuGH-Urteils v. 28.2.2013 – C-425/11, IStR 2013, 568; Weimar, Aktuelle Entwicklungen bei der grenzüberschreitenden Familienbesteuerung, ISR 2014, 1.
4.46
Das zwischen der EG (EU) und den Mitgliedstaaten einerseits und der Schweiz andererseits abgeschlossene Freizügigkeitsabkommen (EGFreizügAbk CHE)5 ist als sog. gemischter Vertrag integrierender Bestandteil des Unionsrechts6 und somit für die Union selbst und die Mitgliedstaaten verbindlich (Art. 216 Abs. 2 1 Zu Einzelheiten Fischer-Zernin, Internationale Ertragsteuern und Welthandelsordnung (GATT/WTO), 38 ff. 2 Das GATS (General Agreement on Trade and Services) in der Fassung der Uruguay-Runde, BGBl. II 1994, 1473, 1643; ABl. EG 1994 Nr. L 336, 191; es handelt sich um einen gemischten Vertrag; die Rechtswirkungen entsprechen dem des GATT; vgl. hierzu den Überblick bei Haltern in Ipsen, Völkerrecht6, § 33 Rz. 270 ff. 3 Fischer-Zernin, Internationale Ertragsteuern und Welthandelsordnung (GATT/WTO), 81 ff.; Vogelgesang, IStR 1993, 1 ff. 4 Fischer-Zernin, Internationale Ertragsteuern und Welthandelsordnung (GATT/WTO), 84 f. 5 ABl. EG 2002 Nr. L 114, 6; abgekürzt im Folgenden FZA. 6 In der Normenhierarchie zwischen Primär- und Sekundärrecht angesiedelt; vgl. hierzu Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 4.13.
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F. Diskriminierungsverbote nach dem Freizügigkeitsabkommen mit der Schweiz
AEUV) mit der Folge eines Vorrangs gegenüber dem jeweiligen nationalen Recht.1 Dieser Vorrang kommt insbesondere den im Freizügigkeitsabkommen verankerten Diskriminierungsverboten zu. Diese haben allerdings nur eine begrenzte Reichweite. Gem. Art. 2 FZA ist nämlich nur eine Diskriminierung wegen der Staatsangehörigkeit verboten und das auch nur im Zusammenhang mit der Freizügigkeit von Arbeitnehmern (Art. 9 Abs. 2 FZA), von Selbständigen (Art. 15 Abs. 1 FZA) und von Dienstleistungserbringern (Art. 19 FZA).2 Hieraus folgt, dass z.B. Schulgeldzahlungen an eine schweizerische Privatschule über den Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG hinaus nicht als Sonderausgaben berücksichtigungsfähig sind, weil nach dem Freizügigkeitsabkommen nur Dienstleitungserbringer, nicht aber der Empfänger von Dienstleistungen geschützt werden.3 Dem gegenüber fallen selbständige Grenzgänger mit Wohnsitz in der Schweiz und Tätigkeitsort in einem EU-/EWR-Staat unter den Schutzbereich des Freizügigkeitsabkommens, so dass ihnen aus deutscher Sicht die Vergünstigungen des § 1a Abs. 1 EStG (Rz. 6.47 ff.) zu gewähren sind.4 Das gilt nicht nur für EU-/EWR-Staatsangehörige, sondern auch für Staatsangehörige der Schweiz.5
4.47
Eine weitere Einschränkung des Anwendungsbereiches des Freizügigkeitsabkommens ergibt sich aus der in Art. 16 Abs. 2 FZA verankerten Stand-Still-Regelung, wonach für die Anwendung des Freizügigkeitsabkommens Begriffe des Unionsrechts nur insoweit herangezogen werden, als diese auf der vor dem 21.6.19996 ergangenen Rechtsprechung des EuGH beruhen. Die nach diesem Zeitpunkt ergangene EuGH-Rechtsprechung ist nur zu berücksichtigen, wenn dies von dem im Freizügigkeitsabkommen vorgesehenen Gemischten Ausschuss beschlossen wird.7 Dies gilt gleichermaßen für die Anwendung in der Schweiz als auch in den EU-/EWR-Staaten.8 Die Stand-Still-Regelung (Art. 16 Abs. 2 FZA) schließt nur die Berücksichtigung nachfolgender9 neuer Rechtsprechung des EuGH aus. Das gilt indessen nicht für neue Urteile des EuGH, die auf der bisherigen Linie seiner Rechtsprechung liegen.10
4.48
1 BFH v. 7.9.2011 – I B 157/10, IStR 2012 Rz. 31; vgl. allgemein zum Vorrang des Unionsrechts Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 4.18 ff. 2 EuGH v. 15.7.2010 – Rs. C-70/09 – Hengartner/Gasser, Slg. 2010, I-7233, Rz. 39; BFH v. 9.5.2012 – X R 43/10, BFH/NV 2012, 1947 Rz. 31 f. 3 BFH v. 9.5.2012 – X R 43/10, BFH/NV 2012, 1947 Rz. 33. 4 EuGH v. 28.2.2013 – Rs. C-425/11 – Ettwein, ECLI:EU:C:2013:121 = BStBl. II 2013, 896; BMF v. 16.9.2013 – IV C 3-S 1325/11/10014 – DOK2013/0855952, BStBl. I 2013, 1325; anders wenn die unterschiedliche Behandlung auf DBA-Vorschriften – Art. 4 Abs. 4 Satz 1 DBA-Schweiz (überdachende Besteuerung) – beruht; EuGH v. 19.11.2015 – Rs. C 241/14 – Bukovansky, ECLI:EU:C:2015:766 = EuZW 2016, 108 mit Anm. Wassermeyer. 5 Reimer/Weimar in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, § 1a EStG Rz. B 33; Weimar, ISR 2014, 1 ff. (6); von Brocke, IWB 2013, 225 (228); Cloer/Vogel, DB 2013, 1141 (1144); Lüdicke, IStR 2013, 928. 6 Zeitpunkt der Unterzeichnung des Freizügigkeitsabkommens. 7 BFH v. 7.9.2011 – I B 157/10, BStBl. II 2012, 590 Rz. 33. 8 BFH v. 7.9.2011 – I B 157/10, BStBl. II 2012, 590 Rz. 34. 9 Es handelt sich insoweit um eine statische Verweisung; Kokott in FS Sternberger, 771 (783); Lang/Lüdicke/Reich, IStR 2008, 709 (714). 10 Ismer in H/H/R, Einf. ESt Rz. 560; Kahl-Wolff/Mosters, EuZW 2001, 5 (7); noch weitergehend im Sinne einer dynamischen Verweisung Beiser, IStR 2012, 303.
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Kap. 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote
G. DBA-Diskriminierungsverbote Literatur Kommentare zu Art. 24 OECD-MA; Avery Jones, The non-discrimination article in tax treaties, ET 1991, 310; Böckli, Die Verweigerung der Steuergutschrift gegenüber Steuerausländern nach der deutschen Körperschaftsteuerreform 1977 aus der Sicht eines Vertragsstaates, StuW 1979, 1; Bohnert, US-Steuerreform und deutsch-amerikanisches Doppelbesteuerungsabkommen, RIW 1987, 37; Debatin, Das Verbot steuerlicher Diskriminierung, DStZ A 1970, 129; Ebenroth/Willburger, Die Organträgerfähigkeit US-amerikanischer Kapitalgesellschaften im deutschen Körperschaftsteuerrecht, RIW 1995, Beilage 3, 1; Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern auf Bruttobasis, Heidelberg 1988; Fekar/Schnitger, Art. 24 Abs. 1 OECD-MA als Eintrittsklausel zur mittelbaren und unmittelbaren Anwendung der Grundfreiheiten des EG-Vertrages für Drittstaaten, SWI 2002, 76; Görlich, Ausländerdiskriminierung im Körperschaftsteuerrecht, FR 1978, 367; Gosch, Vielerlei Gleichheiten – Das Steuerrecht im Spannungsfeld von bilateralen, supranationalen und verfassungsrechtlichen Anforderungen, DStR 2007, 1553; Hageböke/Käbisch, Zur Ausdehnung des Anwendungsbereichs des UmwStG i.d.F. SEStEG-E auf Grund der Diskriminierungsverbote in Art. 24 OECD-MA, IStR 2006, 849; Hahn, DBA- und EG-rechtliche Diskriminierungsverbote, BB 2005, 521; Hintzen, Die Diskriminierungsvorschrift der Doppelbesteuerungsabkommen und ihre Verbesserung, DB 1976, 2226; IFA, Non-discrimination rules in international taxation, LXXIXb (1993); Jacob, Betriebsstättendiskriminierung – eine neues altes Problem, IStR 2002, 735; M. Lang, Betriebsstättendiskriminierungsverbot und Verlustvortrag für beschränkt Steuerpflichtige, SWI 1990, 34; Lang/Schuch/Staringer, Die Diskriminierungsverbote im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2006; Lehner, Der Einfluss des Europarechts auf die Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2001, 329; Loukota, Das DBA-Diskriminierungsverbot, SWI 2005, 56; Meilicke, Ausländer-Diskriminierung bei der stillen Gesellschaft, FR 1980, 105; van Raad, Non discrimination in International Tax Law, Deventer 1986, 141; Raupach, Diskriminierungsverbot und Gleichbehandlungsklausel in Doppelbesteuerungsabkommen, AWD 1966, 85; Rust, Ermöglichen Diskriminierungsverbote eine Organschaft über die Grenze?, IStR 2003, 658;Rust, Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote im Internationalen Steuerrecht, DStJG 36 (2013), 71; Saß, Zur Auslegung der in Doppelbesteuerungsabkommen übernommenen OECD-Klausel über die Nichtdiskriminierung von Betriebsstätten, AWD 1965, 106; Schänzle, Abkommensrechtliches Diskriminierungsverbot in Festgabe für Wassermeyer, München 2015, 495; Schaumburg, Diskriminierungsverbote von Staatsangehörigen in Festgabe für Wassermeyer, München 2015, 121; Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Köln 2015;Vogel, Das Verbot der Betriebsstättendiskriminierung im Körperschaftsteuerrecht, AWD 1970, 349.
I. Einführung 4.49
Die Doppelbesteuerungsabkommen normieren durchweg auf Gegenseitigkeit angelegte Diskriminierungsverbote.1 Die DBA-Diskriminierungsverbote, die absolut wirken und keinen Rechtfertigungsgründen zugänglich sind,2 beziehen sich auf Staatsangehörige (Art. 24 Abs. 1, 2 OECD-MA) und Betriebsstätten von Unternehmen des anderen Vertragsstaates (Art. 24 Abs. 3 OECD-MA), auf die 1 Art. 24 OECD-MA; einige deutsche DBA enthalten hiervon abweichend keine oder nur abgeschwächte Diskriminierungsverbote; hierzu die Abkommensübersicht bei Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 23, 26. 2 Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 4; BFH v. 10.3.2005 – II R 51/03, BFH/NV 2005, 1500; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 24 OECD-MA Rz. 26, Hageböke in S/K/K, Art. 24 OECD-MA Rz. 6.
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G. DBA-Diskriminierungsverbote
Geltendmachung von Schulden und Betriebsausgaben, soweit Gläubiger oder Empfänger derselben im anderen Vertragsstaat ansässig sind (Art. 24 Abs. 4 OECD-MA) und auf Kapital- und Personengesellschaften (Art. 24 Abs. 5 OECDMA). Die vorstehenden Regelungen, die selbständig nebeneinander anwendbar sind,1 gelten für die Anwendung des jeweiligen innerstaatlichen Steuerrechts2 und grundsätzlich für alle Steuern, auch soweit sie nicht unter den Anwendungsbereich der Abkommen fallen.3 Sind neben Art. 24 Abs. 1 OECD-MA zugleich auch die Voraussetzungen anderer Diskriminierungsverbote erfüllt,4 kann der Steuerpflichtige dasjenige für sich beanspruchen, das für ihn den größeren Schutz gewährt.5 Das bedeutet, dass im jeweiligen Aufnahmestaat6 an die Stelle der diskriminierenden Regelungen die für eigene Staatsangehörige (Steuerinländer) geltenden Regelungen zur Anwendung kommen.7 Im Hinblick darauf, dass jedes einzelne Doppelbesteuerungsabkommen einen in sich geschlossenen Regelungskreis enthält (Rz. 19.49 ff.), ist die Anwendung der in Art. 24 OECD-MA verankerten Diskriminierungsverbote auf den Binnenbereich des jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen begrenzt. Hieraus folgt, dass grundsätzlich Angehörige8 dritter Staaten sich hierauf nicht berufen können.9 Das gilt sowohl im Anwendungsbereich des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG)10 als auch bei Anwendung der europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten (Art. 26 Abs. 2 AEUV).11 Aus europarechtlicher Sicht gilt: Die die Grundfreiheiten regelnden Normen (Art. 28, 45, 49, 56, 63 AEUV) sind zwar gegenüber den Normen der Doppelbesteuerungsabkommen mit Vorrang ausgestattet,12 eine etwaige Ungleichbehandlung ist aber wegen der den Mit1 Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 6, 165a; Bruns in Schönfeld/Ditz, Art. 24 OECD-MA Rz. 25. 2 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 24 OECD-MA Rz. 1; Hageböke in S/K/K, Art. 24 OECD-MA Rz. 10. 3 Art. 24 Abs. 6 OECD-MA; in einigen deutschen Doppelbesteuerungsabkommen gilt das Diskriminierungsverbot indessen nur für die unter das Abkommen fallenden Steuern; hierzu die Abkommensübersicht bei Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 184, 185 f. 4 Z.B. die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten (hierzu Rz. 4.12 ff.) und nach dem Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika (BGBl. II 1965, 488). 5 Hierzu Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 18; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 24 OECD-MA Rz. 13 ff. 6 Die Diskriminierungsverbote des Art. 24 OECD-MA richten sich nur gegen den Aufnahmestaat, also in sog. Inbound-Fällen; vgl. Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 7. 7 BFH v. 22.4.1998 – I R 54/96, IStR 1998, 504; Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 2. 8 Ausnahmen: „Most Favoured Nation“-Klauseln; vgl. hierzu die Übersicht bei Rädler in FS Debatin, 335 (337). 9 BFH v. 15.9.1971 – I R 202/67, BStBl. II 1972, 281; v. 14.3.1989 – I R 20/87, BStBl. II 1989, 649; v. 19.12.2003 – I R 22/02, BStBl. II 2004, 560; v. 8.5.2005 – V B 123/03, BStBl. II 2005, 585; Bruns in Schönfeld/Ditz, Art. 24 OECD-MA Rz. 6, 27; Lehner, IStR 2001, 329 (336). 10 Begrenzung auf das jeweilige Doppelbesteuerungsabkommen; vgl. BVerfG v. 12.10.1976 – 1 BvR 2328/73, BVerfGE 43,1; v. 9.2.2010 – 2 BvR 1178/07, IStR 2010, 327; BFH v. 10.1. 2012 – I R 66/09, BFH/NV 2012, 1056 Rz. 26; Schaumburg in FS Frotscher, 503 (509). 11 BFH v. 30.3.2011 – I R 63/10, BFH/NV 2011, 1428 Rz. 24. 12 Das gilt nur für nach dem 1.1.1958 (Inkrafttreten des EWG-Vertrages) abgeschlossene Doppelbesteuerungsabkommen; vgl. zu den einzelnen Differenzierungen Oellerich in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.157 f.
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4.50
Kap. 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote
gliedstaaten überlassenen Aufteilung und Abgrenzung ihrer Besteuerungsbefugnisse gerechtfertigt,1 so dass eine relevante Diskriminierung nicht gegeben ist.2
II. Verbot der Staatsangehörigkeitsdiskriminierung 4.51
Staatsangehörige eines Vertragsstaates dürfen in dem anderen Vertragsstaat aus Gründen der Staatsangehörigkeit steuerlich nicht schlechter gestellt werden. Da die Besteuerung international grundsätzlich nicht an die Staatsangehörigkeit, sondern an die Ansässigkeit, etwa Wohnsitz (§ 8 AO) oder gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO), anknüpft, spielt die Staatsangehörigkeitsdiskriminierung in der Abkommenspraxis keine große Rolle.3 Die Nichtansässigkeit ist damit im Rahmen des abkommensrechtlichen Diskriminierungsverbotes kein Diskriminierungsmerkmal, und zwar selbst dann nicht, wenn es sich hierbei zumeist um fremde Staatsangehörige4 handelt. Verboten ist daher nur eine Diskriminierung, die ausschließlich auf der Staatsangehörigkeit beruht.5 Eine versteckte Diskriminierung ist daher erlaubt.6 Hierin unterscheidet sich das DBA-Diskriminierungsverbot von den EU-Diskriminierungsverboten.7 Hiervon ausgehend stellt die steuerliche Differenzierung zwischen unbeschränkter Steuerpflicht einerseits und beschränkter Steuerpflicht andererseits keinen Verstoß gegen das Verbot der Staatsangehörigkeitsdiskriminierung8 dar.9 Innerhalb der Gruppen der unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtigen Personen dürfen freilich fremde Staatsangehörige nicht benachteiligt werden.10 1 Zu den Rechtfertigungsgründen vgl. Rz. 4.19. 2 EuGH v. 5.7.2005 – Rs. C-376/03 – D, Slg. 2005, I-5821 Rz. 52; v. 19.11.2009 – Rs. C-540/07 – KOM ./. Italien, Slg. 2009, I-10983 Rz. 29; v. 29.11.2011 – Rs. C-371/10 – National Grid Indus, ECLI:EU:C:2011:785 = Slg. 2011, I-12273 Rz. 45; v. 23.1.2014 – Rs. C-164/12 – DMC, ECLI:EU:C:2014:20 = ISR 2014, 96 m. Anm. von Brocke/Wohlhöfler; Oellerich in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.162; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 24 OECD-MA Rz. 13a; a.A. BFH v. 29.1.2003 – I R 6/99, BStBl. II 2004, 1043 zu Art. 24 Abs. 4 DBA/USA (Nichtanwendungserlass BMF v. 8.12. 2004 – IV B 4-S 1301 USA-12/04, BStBl. I 2004, 1181). 3 Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 36; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 24 OECD-MA Rz. 14. 4 Der Diskriminierungsschutz wird gem. Art. 24 Abs. 2 OECD-MA auch auf Staatenlose erstreckt; in deutschen DBA ist das nicht die Regel; hierzu die Abkommensübersicht bei Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 88. 5 BFH v. 19.11.2003 – I R 22/02, BStBl. II 2004, 560; v. 17.12.2004 – I R 20/04, BFH/NV 2005, 892; v. 30.3.2011 – I R 63/10, BStBl. II 2011, 747; Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 49; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 24 OECD-MA Rz. 16; Bruns in Schönfeld/ Ditz, Art. 24 OECD-MA Rz. 39. 6 BFH v. 30.4.1975 – I R 41/73, BStBl. II 1975, 706; Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 6; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 24 OECD-MA Rz. 16, 86; Bruns in Schönfeld/Ditz, Art. 24 OECD-MA Rz. 60. 7 Zum Verbot der versteckten EU-Diskriminierung Rz. 4.13. 8 Art. 24 Abs. 1, 2 OECD-MA. 9 BFH v. 20.1.1959 – I 112/57 S, BStBl. III 1959, 133; v. 16.8.1963 – VI 96/62 U, BStBl. III 1963, 486; v. 5.2.1965 – VI 334/63 U, BStBl. III 1965, 352; v. 8.1.1969 – I 158/64, BStBl. II 1969, 466; v. 18.4.1975 – III B 24/74, BStBl. II 1975, 595; v. 4.6.1975 – I R 250/73, BStBl. II 1975, 708. 10 BFH v. 18.4.1975 – III B 24/74, BStBl. II 1975, 595; v. 20.10.1976 – I R 224/74, BStBl. II 1977, 175; Rust in V/L6 Art. 24 OECD-MA Rz. 51.
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G. DBA-Diskriminierungsverbote
Das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot schützt nur fremde Staatsangehörige, so dass eigene Staatsangehörige, etwa im Rahmen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht (§§ 2 bis 5 AStG), im Vergleich zu fremden Staatsangehörigen steuerlich benachteiligt werden dürfen.1 Da der Diskriminierungsschutz zugunsten der Staatsangehörigen der Vertragsstaaten ohne Rücksicht darauf wirkt, wo diese ansässig sind,2 werden auch in Drittstaaten ansässige Staatsangehörige geschützt.3
4.52
Soweit Vorschriften des deutschen Steuerrechts (ausnahmsweise) Staatsangehörigen des jeweils anderen Vertragsstaates z.B. Steuervergünstigungen vorenthalten,4 haben diese einen Anspruch auf Gleichbehandlung. Das gilt auch in den Fällen, in denen die Steuervergünstigungen nicht nur deutschen, sondern in Orientierung an die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten auch anderen EU-/EWR-Staatsangehörigen gewährt werden. Insoweit wirken die Grundfreiheiten über Art.24 Abs. 1 OECD-MA im Ergebnis auch zugunsten von Staatsangehörigen dritter Vertragsstaaten (Rz. 4.14).5
4.53
Das Verbot der Staatsangehörigkeitsdiskriminierung betrifft im Hinblick auf die Definition in Art. 3 Abs. 1 Buchst. g OECD-MA nicht nur natürliche Personen, sondern auch juristische Personen und Personengesellschaften. Während bei natürlichen Personen auf das jeweilige Staatsangehörigkeitsrecht des anderen Vertragsstaates abgestellt wird,6 ist bei juristischen Personen das Errichtungsstatut maßgeblich, so dass insbesondere die steuerliche Schlechterstellung von Kapitalgesellschaften untersagt ist, die nach ausländischem Recht errichtet worden sind.7 Bei Personengesellschaften wird ebenfalls auf das Errichtungsstatut abgestellt, wobei sich der abkommensrechtliche Diskriminierungsschutz nur insoweit auswirken kann, als Personengesellschaften selbst unmittelbar steuerrechtsfähig sind.8
4.54
1 Schaumburg in FG Wassermeyer, 121 (123); diese Ungleichbehandlung ist allerdings an Art. 3 Abs. 1 GG zu messen; hierzu im Einzelnen Rz. 6.323. 2 Art. 24 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA; bei einigen deutschen DBA wird dagegen die Ansässigkeit in dem einen oder anderen Vertragsstaat gefordert; hierzu die Abkommensübersicht bei Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 66. 3 Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 40; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 24 OECD-MA Rz. 1; Bruns in Schönfeld/Ditz, Art. 24 OECD-MA Rz. 50. 4 Z.B. §§ 1a Abs. 1, 50 Abs. 2 Satz 7 EStG, § 6 Abs. 5 AStG, die nicht für Angehörige von Drittstaaten gelten. 5 So im Ergebnis Dommes/Metzler in Lang/Schuch/Staringer, Die Diskriminierungsverbote im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2006, 93 (133 f.); Schaumburg in FG Wassermeyer, 121 (124); Gosch, DStR 2007, 1553 (1560); Fekar/Schnitger, SWI 2002, 76 (85); Loukota, SWI 2005, 55 (57 f.); a.A. Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 53 (teleologische Reduktion); Bruns in Schönfeld/Ditz, Art. 24 OECD-MA Rz. 69 (keine gleichen Verhältnisse). 6 In Deutschland Art. 116 GG. 7 Art. 24 Abs. 1 OECD-MA verbietet nur eine Differenzierung nach dem Errichtungsstatut nicht aber nach dem Sitz bzw. dem verlegten Verwaltungssitz; BFH v. 18.4.1975 – III B 24/74, BStBl. II 1975, 595; v. 3.8.1983 – II R 20/80, BStBl. II 1984, 9; zu Einzelheiten Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 55 ff.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 24 OECD-MA Rz. 14. 8 Hier kann allerdings das spezielle Verbot der Diskriminierung von Kapital- und Personengesellschaften (Art. 24 Abs. 5 OECD-MA) eingreifen; Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 163.
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Kap. 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote
4.55
Das Diskriminierungsverbot verbietet es nicht nur, Staatsangehörigen anderer Vertragsstaaten höhere Steuern als den eigenen Staatsangehörigen aufzuerlegen, sondern gebietet es auch, den Staatsangehörigen anderer Vertragsstaaten alle Vorteile – Steuerbefreiungen, Steuervergünstigungen und Steuerermäßigungen – zukommen zu lassen, die eigenen Staatsangehörigen gewährt werden.1 Das gilt auch für die Anwendung von Drittstaatenabkommen.2 Inhaltlich bezieht sich das Verbot der Staatsangehörigkeitsdiskriminierung grundsätzlich nicht nur auf das Steuerschuldverhältnis, sondern erfasst das gesamte steuerliche Pflichtenverhältnis.3 Daher müssen etwa steuerliche Wirtschaftslenkungsmaßnahmen des nationalen Rechts auch zugunsten fremder Staatsangehöriger wirken.4
III. Verbot der Diskriminierung von Staatenlosen 4.56
Art. 24 Abs. 2 OECD-MA verbietet den Vertragsstaaten dort ansässige Staatenlose5 allein wegen ihrer Staatenlosigkeit steuerlich ungünstiger zu behandeln als ihre eigenen Staatsangehörigen. Da das deutsche Steuerrecht durchweg nicht an die Staatsangehörigkeit anknüpft,6 spielt Art. 24 Abs. 2 OECD-MA in der Praxis nur eine sehr geringe Rolle.7 Von der Schutzwirkung des Diskriminierungsverbotes werden nur natürliche Personen erfasst und auch nur dann, wenn sie in einem der Vertragsstaaten ansässig sind.8 Eine dem Art. 24 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA entsprechende Regelung enthält Art. 24 Abs. 2 OECD-MA nicht mit der Folge, dass Staatenlose vor steuerlicher Diskriminierung in beiden Vertragsstaaten geschützt werden,9 wobei im Ergebnis nur eine Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen im jeweils besteuernden Staat verlangt wird.10 Eine steuerliche Benachteiligung gegenüber Staatsangehörigen des anderen Vertragsstaats oder von Drittstaaten ist hiernach nicht verboten.11
IV. Verbot der Betriebsstättendiskriminierung 4.57
Die in der Praxis wichtigste Ausprägung des abkommensrechtlichen Diskriminierungsverbotes ist das Verbot, die Besteuerung von Betriebsstätten eines im an1 BFH v. 14.3.1989 – I R 20/87, BStBl. II 1989, 649. 2 BFH v. 14.3.1989 – I R 20/87, BStBl. II 1989, 649; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 24 OECD-MA Rz. 21; Bruns in Schönfeld/Ditz, Art. 24 OECD-MA Rz. 68. 3 Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 45; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 24 OECD-MA Rz. 20; Bruns in Schönfeld/Ditz, Art. 24 OECD-MA Rz. 64. 4 BFH v. 18.12.1981 – VI R 97/81, BStBl. II 1982, 256. 5 Zur Rechtstellung dieses Personenkreises Epping in Ipsen, Völkerrecht6, § 5 Rz. 110 ff. 6 Ausnahmen z.B. §§ 1 Abs. 2, 1a Abs. 1, 50 Abs. 2 S. 7, 50 Abs. 3 S. 2 EStG, §§ 2 Abs. 1, 6 Abs. 5AStG, § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. b ErbStG. 7 Der Diskriminierungsschutz für Staatenlose ist nur in wenigen deutschen Abkommen verankert; vgl. die Abkommensübersicht bei Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 88. 8 Die Frage der Ansässigkeit beurteilt sich nach Art. 4 Abs. 1 OECD-MA; vgl. hierzu Bruns in Schönfeld/Ditz, Art. 24 OECD-MA Rz. 79. 9 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 24 OECD-MA Rz. 39. 10 Bruns in Schönfeld/Ditz, Art. 24 OECD-MA Rz. 81. 11 Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 84; Bruns in Schönfeld/Ditz, Art. 24 OECD-MA Rz. 81.
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G. DBA-Diskriminierungsverbote
deren Vertragsstaat ansässigen Unternehmens ungünstiger zu gestalten als die Besteuerung eigener Unternehmen (Art. 24 Abs. 3 OECD-MA). Da Betriebsstätten keine eigenständigen Steuersubjekte sind, werden aus deutscher Sicht nicht etwa Betriebsstätten selbst, sondern ausländische Unternehmen geschützt, soweit sie im Inland Betriebsstätten unterhalten und hiermit der Besteuerung unterliegen.1 Für die Tätigkeit dieser Betriebsstätten (Art. 5 OECD-MA) hat daher jeder Vertragsstaat für ausländische Unternehmen die gleichen steuerlichen Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten wie für die entsprechende Tätigkeit einheimischer Unternehmen.2 Der Diskriminierungsschutz gilt zugunsten der Betriebsstätten unabhängig davon, ob diese von einem Einzelunternehmen, einer Kapitalgesellschaft oder einer Personengesellschaft des anderen Vertragsstaates betrieben werden.3 Für Personengesellschaften gilt das jedoch nur dann, wenn sie selbst abkommensberechtigt sind, anderenfalls gelten die Gesellschafter als Träger der Betriebsstätte. In diesem Fall können die Gesellschafter den Diskriminierungsschutz für ihre Betriebsstätte beanspruchen, wenn sie in dem anderen Vertragsstaat ansässig sind.4
4.58
Die Feststellung der Diskriminierung verlangt einen hypothetischen Vergleich zwischen der inländischen Betriebsstättenbesteuerung des ausländischen Unternehmens und der Besteuerung eines Unternehmens des Betriebsstättenstaats.5 Gegen das Verbot der Betriebsstättendiskriminierung wird nur dann verstoßen, wenn die finanzielle Belastung (Gesamtsteuerbelastung)6 des ausländischen Unternehmens hinsichtlich seiner inländischen Betriebsstätte höher ist.7 Abzustellen ist daher allein auf die Geldzahlungslast8 mit der Folge, dass verfahrensrechtliche Diskriminierungen zulässig sind. Ein Steuerabzug an der Quelle ist daher, für sich betrachtet, keine Diskriminierung,9 es sei denn, dass die Steuerpflicht durch den Steuerabzug auf Bruttobasis abgegolten ist und hierdurch eine höhere Steuerlast entsteht.10 Verboten sind aber Sonderbelastungen. Im Hinblick darauf
4.59
1 Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 95; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 24 OECD-MA Rz. 46; Hageböke in S/K/K, Art. 24 OECD-MA Rz. 65; Bruns in Schönfeld/ Ditz, Art. 24 OECD-MA Rz. 88. 2 Zu einigen Besonderheiten in der deutschen Abkommenspraxis Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 126 ff. 3 Seit OECD-MA 2000 werden auch freiberuflich oder sonst selbständig tätige Steuerpflichtige erfasst; vgl. Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 98. 4 BFH v. 8.1.1969 – I 158/64, BStBl. II 1969, 466; Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 99; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 24 OECD-MA Rz. 42; zur Abkommensberechtigung von Personengesellschaften im Einzelnen Rz. 19.177 ff. 5 Hierzu im Einzelnen Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 95, 103 ff.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 24 OECD-MA Rz. 46; Bruns in Schönfeld/Ditz, Art. 24 OECD-MA Rz. 91 ff. 6 BFH v. 14.9.1994 – I B 40/94, IStR 1995, 78. 7 Auf die Besteuerung der Anteilseigner ausländischer Unternehmen kommt es nicht an; vgl. Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 111. 8 Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 104; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 24 OECD-MA Rz. 49. 9 BFH v. 14.9.1994 – I B 40/94, IStR 1995, 78; Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 104. 10 Wegen § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG nicht relevant.
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Kap. 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote
sind spezielle Betriebsstättensteuern, wenn sie zu einer höheren Steuerbelastung führen, unzulässig.1 4.60
Die Reichweite des Verbots der Betriebsstättendiskriminierung2 wird dadurch eingeschränkt, dass Steuervorteile, die ihren Rechtsgrund in persönlichen Verhältnissen des im anderen Vertragsstaat ansässigen Unternehmers haben, nicht gewährt werden müssen (Art. 24 Abs. 4 Satz 2 OECD-MA).3 Diese Einschränkung, die lediglich für die Besteuerung natürlicher Personen gilt,4 wird von der deutschen Rechtsprechung allgemein in dem Sinne verstanden, dass sich das Diskriminierungsverbot im Ergebnis nur auf betriebsbezogene Besteuerungsmerkmale erstreckt.5 Die generelle Ausklammerung nicht betriebsbezogener Besteuerungsmerkmale aus dem für Betriebsstätten geltenden abkommensrechtlichen Diskriminierungsschutz ist indessen durch den Wortlaut der Doppelbesteuerungsabkommen nicht geboten.6
V. Verbot der Schuldnerdiskriminierung 4.61
Das abkommensrechtliche Schuldnerdiskriminierungsverbot erfasst die Diskriminierung, die sich daraus ergibt, dass in manchen Ländern Zinsen, Lizenzgebühren und andere Entgelte uneingeschränkt steuerlich abgezogen werden dürfen, wenn der Empfänger eine dort ansässige Person ist, während der Abzug bei nicht ansässigen Empfängern eingeschränkt oder unzulässig ist (Art. 24 Abs. 4 OECD-MA).
4.62
Dieses Diskriminierungsverbot7 ist gegen den jeweiligen Ansässigkeitsstaat gerichtet. Geschützt werden somit unmittelbar inländische8 Unternehmen:9 Sie sollen keine steuerlichen Nachteile dadurch erleiden, dass sie mit in anderen Vertragsstaaten ansässigen Personen Geschäfte betreiben.10 Damit erstreckt 1 Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 107; in der deutschen Abkommenspraxis wird allerdings einigen Vertragsstaaten die Erhebung einer branch profits tax ausdrücklich vorbehalten; Nachweise bei Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 107. 2 Vgl. hierzu den Rechtsprechungsüberblick bei Bruns in Schönfeld/Ditz, Art. 24 OECD-MA Rz. 111 ff. 3 § 50 Abs. 1 Satz 2 EStG, wonach bei inländischen Betriebsstätteneinkünften für Zwecke der Berechnung des Steuertarifs eine Erhöhung um den Grundfreibetrag erfolgt, verstößt daher nicht gegen das Betriebsstättendiskriminierungsverbot; vgl. Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 105. 4 Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 109. 5 BFH v. 8.1.1969 – I 158/64, BStBl. II 1969, 466; v. 13.1.1970 – I 32/65, BStBl. II 1970, 790; v. 30.10.1973 – I R 38/70, BStBl. II 1974, 255. 6 Im Einzelnen hierzu Rust in V/L5, Art. 24 OECD-MA Rz. 109; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 24 OECD-MA Rz. 51; Hageböke in S/K/K, Art. 24 OECD-MA Rz. 77. 7 Es ist erst in den neueren deutschen DBA verankert; hierzu die Abkommensübersicht bei Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 154. 8 Abzustellen ist auf die Ansässigkeit gem. Art. 4 Abs. 1 OECD-MA, so dass auch Fälle der Doppelansässigkeit erfasst werden; vgl. Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 145. 9 I.S.v. Art. 3 Abs. 1 Buchst. c, h OECD-MA, so dass Land- und Forstwirte sowie Privatpersonen also nicht geschützt werden. 10 Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 143; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 24 OECD-MA Rz. 62; Bruns in Schönfeld/Ditz, Art. 24 OECD-MA Rz. 127; Hageböke in S/K/K, Art. 24 OEC-MA Rz. 77.
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G. DBA-Diskriminierungsverbote
sich der Schutzbereich mittelbar auch auf Steuerausländer. Zinsen, Lizenzgebühren und andere Entgelte, die an sie als Gegenleistung für eine von ihnen erbrachte Leistung gezahlt werden, sollen vom inländischen Schuldner ebenso steuerlich abgezogen werden können wie entsprechende Zahlungen an inländische Gläubiger. Das Schuldnerdiskriminierungsverbot gilt für Zinsen (Art. 11 Abs. 3 OECDMA),1 Lizenzgebühren (Art. 12 Abs. 2 OECD-MA)2 und andere Entgelte, zu denen Zahlungen und nicht in Geld bestehende Gegenleistungen gehören.3 Die Reichweite von Art. 24 Abs. 4 OECD-MA ist allerdings begrenzt: Zwischen verbundenen Unternehmen greift Art. 9 Abs. 1 OECD-MA und zwischen in besonderen Beziehungen stehenden Personen Art. 11 Abs. 6, 12 Abs. 4 OECD-MA ein.4 Im Ergebnis kommt Art. 24 Abs. 4 OECD-MA in diesen Fällen auf den angemessenen Teil der Zins- oder Lizenzzahlungen zur Anwendung.5 Bei Zahlungen an nicht verbundene Unternehmen und an nicht in besonderen Beziehungen stehende Personen hat Art. 24 Abs. 4 OECD-MA dagegen eine uneingeschränkt eigenständige Bedeutung.6
4.63
VI. Verbot der Diskriminierung von Kapital- und Personengesellschaften mit ausländischer Beteiligung Art. 24 Abs. 5 OECD-MA untersagt, ansässige Unternehmen steuerlich zu benachteiligen, nur weil deren Kapital ganz oder teilweise unmittelbar oder mittelbar in ausländischen Händen liegt (Gesellschafterdiskriminierungsverbot). Dieses Diskriminierungsverbot, das sich nur auf die Besteuerung des Unternehmens, nicht aber auf die der Gesellschafter bezieht,7 ist gegen den Ansässigkeitsstaat gerichtet und erfasst Kapital- und Personengesellschaften gleichermaßen.8 Vom Schutzbereich des Diskriminierungsverbotes wird das gesamte steuerliche Pflichtverhältnis erfasst, wobei besondere Berichts- und Kontrollpflichten zwecks Angemessenheitsprüfung von Verrechnungspreisen keine Diskriminierung bedeuten.9
4.64
Der Diskriminierungsschutz zugunsten der inländischen Unternehmen setzt nur dann ein, wenn die Diskriminierung darauf beruht, dass ausländische Gesellschafter beteiligt sind. Die Beteiligung von Steuerausländern muss also der aus-
4.65
1 Vgl. Rz. 19.356 ff. 2 Vgl. Rz. 19.369 ff. 3 Zur weiteren Auslegung Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 142; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 24 OECD-MA Rz. 65; Bruns in Schönfeld/Ditz, Art. 24 OECD-MA Rz. 133; Hageböke in S/K/K, Art. 24 OECD-MA Rz. 89. 4 Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 138. 5 Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 138. 6 Hierzu Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 140 mit weiteren Einzelheiten. 7 BFH v. 20.2.1974 – I R 8/71, BStBl. II 1974, 616; Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 164; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 24 OECD-MA Rz. 86. 8 Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 163; Hageböke in S/K/K, Art. 24 OECD-MA Rz. 103; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 24 OECD-MA Rz. 89; offen gelassen von BFH v. 19.11.2003 – I R 22/02, BStBl. II 2004, 560. 9 So jedenfalls OECD-Kommentar zu Art. 24 Rz. 80.
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Kap. 4 Gleichbehandlungsgebote und Diskriminierungsverbote
lösende Umstand für die steuerliche Schlechterstellung sein.1 Im Hinblick darauf kann etwa die Nichtanerkennung grenzüberschreitender Organschaften2 und die steuerliche Benachteiligung grenzüberschreitender Umstrukturierungen3 von Art. 24 Abs. 5 OECD-MA erfasst werden. Dass es hierbei ggf. zu einer internationalen Minderbesteuerung (Keinmalbesteuerung) kommen kann, spielt keine Rolle.4 Um diese weitreichende Wirkung zu vermeiden, ist Deutschland dazu übergegangen, durch Protokoll zu Art. 24 OECD-MA klarzustellen, dass das Diskriminierungsverbot nicht die Zulassung einer grenzüberschreitenden Organschaft erzwingt.5 4.66
Das Verbot der Diskriminierung von Kapital- und Personengesellschaften mit ausländischer Beteiligung ist nicht in allen deutschen Doppelbesteuerungsabkommen verankert. Einige enthalten entweder überhaupt kein derartiges Diskriminierungsverbot oder aber nur sog. Meistbegünstigungsklauseln, die lediglich einen eingeschränkten Diskriminierungsschutz gewähren.6
1 Aus diesem Grunde verstieß z.B. § 8a KStG a.F. nicht gegen Art. 24 Abs. 5 OECD-MA; vgl. hierzu Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 165. 2 BFH v. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, BStBl. II 2012, 106 zur gewerbesteuerlichen Organschaft (§ 2 Abs. 2 GewStG); Nichtanwendungserlass: BMF v. 27.12.2011 – IV C 2-S 2770/11/10002 – DOK2011/0965132, BStBl. I 2012, 119; zu Einzelheiten Rz. 7.14 ff. 3 Hageböke/Käbisch, IStR 2006, 849 ff.; vgl. ferner Rz. 20.75 ff. 4 BFH v. 9.2.2011 – I R 54, 55/10, BStBl. II 2012, 106; a.A. Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 166a, der eine teleologische Reduktion von Art. 24 Abs. 5 OECD-MA befürwortet. 5 Vgl. zur deutschen Verhandlungsgrundlage (Art. 23 DE-VG, Protokoll Nr. 6); Schwenke in Wassermeyer, Art. 24 OECD-MA Rz. 111; vgl. ferner die Abkommensübersicht bei Bruns in Schönfeld/Ditz, Art. 24 OECD-MA Rz. 179 ff.; vgl. zur grenzüberschreitenden Organschaft Rz. 7.14 ff. 6 Hierzu die Abkommensübersicht bei Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 172 ff.
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Kapitel 5 Internationaler Steuerwettbewerb A. Steuern als Standortfaktor . . . . B. Rechtliche Rahmenbedingungen I. Steuersouveränität der Staaten . II. Handlungsfreiheit der Steuerbürger . . . . . . . . . . . . . . . . C. I. II. 1. 2. III. 1. 2.
Unfairer Steuerwettbewerb Grundlagen . . . . . . . . . Maßnahmen . . . . . . . . . Legislative Bindung . . . . Einzelmaßnahmen . . . . . Das BEPS-Projekt . . . . . . Hintergrund . . . . . . . . . Aktionspunkte . . . . . . . a) Überblick . . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
. . . . . . . . .
___ __ _ _ _ _ _ ___ 5.1
5.5 5.5 5.6
5.9 5.9 5.11 5.11 5.14 5.17 5.17 5.20 5.20
_ _ _ _ __ __ _ _ _
b) Besteuerung der digitalen Wirtschaft . . . . . . . . . . . c) Hybride Gestaltungen . . . . d) Hinzurechnungsbesteuerung e) Zinsabzug . . . . . . . . . . . . f) Schädliche Steuerpraktiken . g) Abkommensmissbrauch . . . h) Betriebsstätten . . . . . . . . . i) Verrechnungspreise . . . . . . j) Offenlegung . . . . . . . . . . k) Verrechnungspreisdokumentation . . . . . . . . . . . . . . l) Verständigungs- und Schiedsverfahren . . . . . . .
5.22 5.23 5.24 5.25 5.26 5.29 5.31 5.32 5.36 5.37
5.38
Literatur Kommentare zu DBA und zu § 42 AO; Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, Köln 2002; Dobratz, Grundfreiheiten und steuerliche Wirtschaftspolitik, DStJG 39 (2016), 145; Drüen, Unternehmerfreiheit und Steuerumgehung, StuW 2008, 154; Fuest, Ökonomische Prinzipien gerechter und effizienter Besteuerung DStJG 37 (2014), 65; Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung, 3. Aufl. Herne 2011; Hey, Steuerplanung in Festschrift Kirchhof, Heidelberg 2013, § 153; Hey, Erscheinungsformen steuerlicher Wirtschaftspolitik, DStJG 39 (2016), 11; Ipsen, Völkerrecht, 6. Aufl. München 2014; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 8. Aufl. München 2016, 885 ff.; Kirchhof, Mittel staatlichen Handelns in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Band V, 3. Aufl., Heidelberg 2007, § 99 Rz. 1 ff.; Lang, Steuergerechtigkeit und Globalisierung in Spindler/Tipke/Rödder, Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 45; Lehner, Wettbewerb der Steuersysteme im Spiegel europäischer und US-amerikanischer Steuerpolitik, StuW 1998, 159; Mellinghoff, Anforderungen an ein zukunftsfähiges Steuerrecht, Stbg 2007, 549; Müller/Sureth/Läufer, Mögliche Fallstricke einer Optimierung unternehmerischer Investitionsentscheidungen auf der Grundlage der Konzernsteuerquote, WPg 2010, 1028; Nussbaum, Steuerliche Bedingungen von Investitionen, DStJG 39 (2016), 263; Pinkernell, Steuerliche Bedingungen von Forschung und Entwicklung, DStJG 39 (2016), 369; Rodi, Internationaler Steuerwettbewerb, StuW 2008, 327; Rödder, Deutsche Unternehmensbesteuerung im Visier des EuGH, DStR 2004, 1629; Runge, Schädlicher Steuerwettbewerb in der Europäischen Union und in den OECD-Ländern in Festschrift Rädler, München 1999, 558; Runge, Wettbewerb nationaler Steuerrechte in Festschrift Flick, Köln 1997, 957; Schaumburg, Steuerwettbewerb: Systematischer Überblick über die Gründe und die Auswirkungen des internationalen Steuerwettbewerbs, ISR 2016, 371; Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Köln 2015; Schaumburg/ Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Köln 2015; Schön in Becker/Schön, Steuer- und Sozialstaat im europäischen Systemwettbewerb, Tübingen 2005, 41; Schön, Internationales Steuerrecht in Festschrift Kirchhof, Bd. II, Heidelberg 2013, § 150; Schön, Der „Wettbewerb“ der europäischen Steuerordnung als Rechtsproblem, in DStJG 23 (2000), 191; Schön, Unternehmensbesteuerung und Europäisches Steuerrecht, StbJb 2003/2004, 27 ff.; Spengel/Olbert, Die Berücksichtigung von Steuern in internationalen Investitionsentscheidungen – Stand der Wissenschaft und Praxiseinblicke, Ubg 2016, 285; Spengel, Neutralitätskonzepte und Anreizwirkungen im Internationalen Steuerrecht, DStJG 36 (2013), 39; Spengel, Konzern-
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Kap. 5 Internationaler Steuerwettbewerb steuerquoten im internationalen Vergleich – Bestimmungsfaktoren und Implikationen für die Steuerpflichtigen in Oestreicher, Internationale Steuerplanung, Herne/Berlin 2005, 89 ff.; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl. München 2017; Sureth/Halberstadt/Bischoff, Der Einfluss von Internationalisierung, Vermögens-. und Kapitalstruktur auf die Konzernsteuerquote im Branchenvergleich, StuW 2009, 50; Tipke/Lang; Steuerrecht, 22. Aufl. Köln 2015; Valta, Das Internationale Steuerrecht zwischen Effizienz, Gerechtigkeit und Entwicklungshilfe, Tübingen 2014, 76 ff.
A. Steuern als Standortfaktor 5.1
Internationale Investitionsentscheidungen werden neben anderen Faktoren1 auch durch Steuern beeinflusst.2 Das gilt vor allem für international operierende Kapitalgesellschaften, für die die tarifliche Körperschaftsteuerbelastung international sehr stark divergiert. Das maßgebliche Steuergefälle reicht hier von 10 %3 bis über 40 %.4 Dem gegenüber beträgt die entsprechende Steuerbelastung in Deutschland unter Einbeziehung des Solidaritätszuschlages und der Gewerbesteuer im Durchschnitt 30,2 %5 und erreicht in der Spitze 34 %.6 Unter steuerlichen Gesichtspunkten werden Investitionsentscheidungen indessen nicht nur durch die körperschaftsteuerliche Tarifbelastung beeinflusst, sondern auch durch Gesichtspunkte der Steuerbemessungsgrundlage und der Effizienz der uni- und bilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Schließlich spielen in der Praxis auch die gezielte steuerliche Begünstigung von Holdingeinkünften7 sowie von Lizenzeinkünften8 eine besondere Rolle.
5.2
Die vorstehenden, nur beispielhaft genannten steuerlichen Einflussfaktoren führen zu einer Verzerrung ökonomischer Entscheidungen und vereiteln die insoweit gebotene internationale Steuerneutralität.9 Im Zusammenhang mit der Vermeidung der Doppelbesteuerung (Rz. 17.1 ff.) werden im Wesentlichen mit der Kapitalexport- und Kapitalimportneutralität (Rz. 17.20 ff.) zwei zum Teil gegensätzliche Konzepte (gleichzeitig) verwirklicht. Soweit unilateral oder bilateral das Anrechnungsverfahren als Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung eingreift, ist im Ausgangspunkt gewährleistet, dass in- und ausländische Gewinne gleichermaßen belastet werden. Dieser Neutralitätseffekt wird indessen nur dann erreicht, wenn die ausländische Steuerbelastung nicht höher ist als die inländische (Rz. 17.29 ff.) und zudem ausländische Tochtergesellschaften, die die entsprechen1 Z.B. Kostenstruktur, qualifizierte Arbeitnehmerschaft, Infrastruktur, Kundennähe, Rechtssicherheit, staatliche Ansiedlungshilfen; vgl. hierzu Nussbaum, DStJG 39 (2016), 263 (266 ff.). 2 Hierzu zuletzt Spengel/Olbert, Ubg. 2016, 285; Nussbaum, DStJG 39 (2016), 263 (268 ff.). 3 Z.B. Zypern, Bulgarien. 4 Japan (40,8 %) und Indien (45,2 %). 5 Bei einem Hebesatz der Gewerbesteuer i.H.v. 440 %. 6 Bei einem Hebesatz der Gewerbesteuer i.H.v. 520 %. 7 Hierzu die Länderübersicht bei Schaden/Polatzky in Lutter/Bayer, Holding-Handbuch, 5. Aufl. Köln 2015, Rz. 17.1 ff. 8 Vgl. zur Rechtslage in Luxemburg Koijk, TNI 2013, 291 und in Niederlanden Baaijens/ Breuer, BB 2010, 2932; zu sog. Patent- und Lizenzboxen Monteith, StuB 2014, 883. 9 Zu den Konzepten internationaler Steuerneutralität Spengel, DStJG 36 (2013), 39 (44 ff.); Lehner, StuW 1998, 159 (164 ff.).
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B. Rechtliche Rahmenbedingungen
den Investitionen auf dem ausländischen Markt vornehmen, Gewinne nicht thesaurieren.1 Das gilt auch im Anwendungsbereich des deutschen Körperschaftsteuerrechts, es sei denn, die ausländische Tochterkapitalgesellschaft erzielt niedrig besteuerte Einkünfte aus passivem Erwerb. In diesem Fall sorgt die Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 ff. AStG) in Durchbrechung des Trennungsprinzips dafür, dass die Zwischeneinkünfte im Inland einer kapitalexportneutralen Besteuerung zugeführt werden (Rz. 13.1 ff.). Dem gegenüber bewirkt die auf unilateraler und bilateraler Ebene verankerte auf die Vermeidung der Doppelbesteuerung ausgerichtete Steuerfreistellung eine kapitalimportneutrale Besteuerung, weil insoweit das ausländische Steuerniveau die steuerliche Definitivbelastung für die betreffenden Auslandsinvestitionen darstellt. Ist die ausländische Steuerbelastung niedriger, werden hierdurch Investitionen in das betreffende Ausland gelenkt. Derartige Anreizeffekte werden allerdings singulär z.B. durch Aktivitätsklauseln oder Korrespondenzklauseln (Rz. 18.149 f.) suspendiert (Rz. 5.15). Der Einfluss der Steuern auf internationale Investitionsentscheidungen hängt weitgehend von der Mobilität der zum Einsatz kommenden Produktionsfaktoren ab. Im Hinblick darauf sind Real- und Geldkapital ebenso wie immaterielle Wirtschaftsgüter (Patente, Marken und Know-how) als mobile Besteuerungsgüter in besonderer Weise geeignet, das internationale Steuergefälle zu nutzen. Wird für derart mobile Einkünfte die Doppelbesteuerung durch Freistellung vermieden, erfolgt insoweit im Vergleich zu immobilen Einkünften aus Boden und Arbeit eine privilegierte Besteuerung.2 Diese mobilitätsbedingten Verzerrungen als Folge der kapitalimportneutralen Besteuerung führen letztlich dazu, dass staatliche Umverteilungen vor allem durch indirekte Steuern und darüber hinaus durch direkte Steuern auf immobile Einkünfte finanziert werden müssen.3
5.3
Den Einfluss der Steuern auf internationale Investitionsentscheidungen zurückzudrängen und damit zugleich den zwischenstaatlichen Steuerwettbewerb zu reduzieren, liegt insbesondere im Interesse hoch besteuernder Staaten. Im Hinblick darauf sind die entsprechenden Bemühungen einerseits auf internationale Kooperation und zum anderen auf eine restriktive nationale Steuergesetzgebung angelegt. Die hierfür maßgeblichen rechtlichen Rahmenbedingungen ergeben sich im Verhältnis zu anderen Staaten aus dem Völkerrecht und im Verhältnis zu den eigenen Steuerbürgern aus dem jeweiligen Verfassungsrecht.
5.4
B. Rechtliche Rahmenbedingungen I. Steuersouveränität der Staaten Die Entscheidung über die Einführung und Abschaffung von Steuern, über die Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage des Tarifs und des Verfahrens obliegt im Grundsatz allein der staatlichen Gesetzgebung. Der Vollzug ist Aufgabe der 1 Hierzu Spengel, DStJG 36 (2013), 39 (48). 2 Hierzu Valta, Das internationale Steuerrecht zwischen Effizienz, Gerechtigkeit und Entwicklungshilfe, Tübingen 2014, 174 ff.; Schön, DStJG 23 (2000), 192 (202). 3 Hierzu Valta, Das internationale Steuerrecht zwischen Effizienz, Gerechtigkeit und Entwicklungshilfe, Tübingen 2014, 175 f.
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5.5
Kap. 5 Internationaler Steuerwettbewerb
Finanzverwaltung. Das gilt auch, soweit sich die gesetzgeberischen Maßnahmen und das Verwaltungshandeln gegen die Steuerinteressen anderer Staaten richten.1 Insoweit handelt der Staat nach innen hin autonom2 und im Verhältnis zu anderen Staaten souverän.3 Hieraus folgt, dass die jeweilige innerstaatliche Rechtsordnung grundsätzlich abgeschirmt ist gegenüber anderen Staaten,4 so dass die unmittelbare Einwirkung etwa der Völkergemeinschaft auf das innerstaatliche Steuerrecht versagt bleibt.5 Da das völkerrechtliche Interventionsverbot indessen nicht Bestandteil des zwingenden Völkerrechts (ius cogens) ist,6 sind Eingriffe und Beschränkungen der Steuersouveränität aufgrund völkerrechtlicher Verträge ohne weiteres zulässig und auch üblich. Hierzu gehören etwa der mit Vorrang gegenüber dem innerstaatlichen Recht ausgestaltete Vertrag über die Arbeitsweise der EU (AEUV) (Rz. 3.27 ff.) und die Doppelbesteuerungsabkommen7 (Rz. 19.1 ff.). Soweit es sich um das BEPS-Projekt (Rz. 5.17 ff.) handelt, ist dieses allerdings rechtlich unverbindlich. Es handelt sich lediglich um sogenanntes „soft law“, das sich unmittelbar an die beteiligten Staaten wendet8 und nur darauf gerichtet ist, dass jeweilige nationale Steuerrecht und insbesondere die Doppelbesteuerungsabkommen durch gesetzgeberische Maßnahmen zu ändern.9
II. Handlungsfreiheit der Steuerbürger 5.6
Es gehört zur allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), etwa als Unternehmer im In- oder Ausland zu investieren10 oder sein Unternehmen und seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in das Ausland zu verlegen.11 Diese Handlungsfreiheit gilt auch in den Fällen, in denen die vorstehenden Maßnahmen steuerlich motiviert sind.
1 Zur „beggar your neighbour“-Politk, die durch das BEPS-Projekt beendet werden soll, Fehling, FR 2015, 817 (822). 2 Kirchhof in HStR V3, § 99 Rz. 36; Valta, Das internationale Steuerrecht zwischen Effizienz, Gerechtigkeit und Entwicklungshilfe, Tübingen 2014, 52 f., 72 f.; das Autonomieprinzip hat auch innerhalb der EU Geltung; vgl. hierzu Dobratz, DStJG 39 (2016), 145 (148 f.). 3 Zur (äußeren) Souveränität der Staaten: Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, Rz. 511 ff.; Epping in Ipsen, Völkerrecht6, § 5 Rz. 138. 4 Der internationale Anpassungsdruck ist allerdings beachtlich; vgl. hierzu Lang in FS Schaumburg, 45 (50). 5 Vgl. zu diesem Interventionsverbot Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, Rz. 631 ff. 6 Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, Rz. 653. 7 DBA sind allerdings einem Treaty overriding ausgesetzt; BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, IStR 2016, 191; vgl. Rz. 3.24 f. 8 Vgl. Fehling, FR 2015, 817 (818); Kreienbaum, WPg 2014, 493 (495 f.). 9 Fehling, IWB 2016, 160 (161). 10 BVerfG v. 16.5.1961 – 2 BvF 1/60, BVerfGE 12, 341 (347); v. 28.1.1970 – 1 BvL 4/67, BVerfGE 27, 375 (384); v. 14.10.1970 – 1 BvR 306/68, BVerfGE 29, 260 (266 f.); v. 1.3. 1979 – 1 BvR 532, 533/77 u.a., BVerfGE 50, 290 (366); v. 19.10.1983 – 2 BvR 298/81, BVerfGE 65, 196 (210 f.); Murswiek in Sachs7, Art. 2 GG Rz. 54. 11 Auf Art. 2 Abs. 1 GG stützend, BVerfG, v. 14.5.1986 – 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200 (245); dagegen auf Art. 11 GG stützende Pagenkopf in Sachs7, Art. 11 GG Rz. 29.
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C. Unfairer Steuerwettbewerb
Freiheitsrechtlich abgesichert (Art. 12, 14, 2 Abs. 1 GG) – freilich nur innerhalb der geltenden Gesetze – ist auch die internationale Steuerplanung.1 Hiernach steht es jedem Steuerpflichtigen frei, Gestaltungen so zu wählen, dass sie eine möglichst geringe Steuerbelastung auslösen.2 Diese grundrechtlich verbürgte steuerliche Gestaltungsfreiheit schließt auch die Freiheit ein, die Steuer gänzlich zu vermeiden.3 Im Hinblick darauf ist Steuervermeidung nicht strafbar, und zwar auch dann nicht, wenn es sich um einen Fall der Steuerumgehung (§ 42 AO) handelt.4
5.7
Internationale Steuerplanung ist für international operierende Unternehmen eine Notwendigkeit.5 Die Effizienz der Steuerplanung wird u.a. abgebildet in der Konzernsteuerquote,6 die bei kapitalmarktorientierten Unternehmen als Kennzahl im Jahresabschluss veröffentlicht wird.7
5.8
C. Unfairer Steuerwettbewerb I. Grundlagen Die Steuerausfälle durch auf Gewinnverlagerung und Gewinnvermeidung gerichtete internationale Steuergestaltungen werden auf 4 bis 10 % des weltweiten Körperschaftsteueraufkommens geschätzt, d.h. zwischen 100 und 240 Mrd. USD pro Jahr.8 Die Mindereinnahmen beruhen im Wesentlichen auf der „Aushöhlung“ steuerlicher Bemessungsgrundlagen (base erosion) und der Gewinnverlagerung in niedrig besteuernde Länder (profit shifting). Soweit insbesondere die grenzüberschreitenden Gewinnverlagerungen veranlasst werden durch gezielte Steuererleichterungen für gebietsfremde Unternehmen und Personen, wird die-
1 Drüen in T/K, § 42 AO Rz. 3. 2 BVerfG v. 14.4.1959 – 1 BvL 23, 34, 57, BVerfGE 9, 237 (249 f.); BFH v. 16.1.1996 – IX R 13/92; BStBl. II 1996, 214; v. 14.9.1995 – IX R 54/93, BStBl. II 1996, 158; v. 23.10.1996 – IX R 39/99, BStBl. II 1998, 90; v. 19.10.1999 – IX R 39/99, BStBl. II 2000, 224; v. 18.3.2004 – III R 25/02, BStBl. II 2004, 787 (791); v. 25.2.2004 – I R 42/02, BStBl. II 2005, 14 (16); v. 29.8. 2007 – IX R 17/07; BStBl. II 2008, 502; v. 17.3.2010 – IV R 25/08, BStBl. II 2010, 622; Drüen in T/K, § 42 AO Rz. 3; Mellinghoff, Stbg. 2007, 559. 3 Drüen, StuW 2008, 156. 4 BFH v. 1.2.1983 – VIII R 30/80, BStBl. II 1983, 534; v. 17.3.1994 – V R 123/91, BFH/NV 1995, 274 (275); BGH v. 10.11.1999 – 5 StR 221/99, wistra 2000, 137; BFH v. 21.5.1999 – VII B 37/99, BFH/NV 1999, 1496; Drüen in T/K, § 42 AO Rz. 6; Seer in Tipke/Lang22, § 23 Rz. 25; Peters in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 10.106 ff. 5 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 887; Grotherr in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 26. 6 Hierzu Spengel, Konzernsteuerquoten im internationalen Vergleich – Bestimmungsfaktoren und Implikationen für die Steuerpolitik, in Oestreicher, Internationale Steuerplanung, Herne/Berlin 2005, 89 ff.; Lühn, Gestaltbarkeit der Konzernsteuerquote im Rahmen der internationalen Konzernsteuerplanung in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 153 ff.; Sureth/Halberstadt/Bischoff, StuW 2009, 50; Müller/Sureth/ Läufer, WPg 2010, 1028. 7 Vgl. hierzu Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 885 ff.; Lühn in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 153 ff. 8 OECD-Measuring and monitoring BEPS, Action 11: 2015 Final report, 79.
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5.9
Kap. 5 Internationaler Steuerwettbewerb
ser Steuerwettbewerb als „schädlich“ oder als „unfair“ kritisiert.1 Zu diesen „schädlichen“ oder „unfairen“ Steuervergünstigungen zählen vor allem die sogenannten Patent- und Lizenzboxen.2 5.10
Der „unfaire“ Steuerwettbewerb führt zu Verwerfungen im zwischenstaatlichen Steueraufkommen und widerspricht der Verteilungsgerechtigkeit zwischen den Staaten.3 Die damit einher gehenden Steuergestaltungen führen dazu, dass die betreffenden Staaten nicht diejenigen Besteuerungsanteile geltend machen können, die eigentlich der Inanspruchnahme staatlicher Gesamtleistungen entsprechen (Globaläquivalenz).4 Zugleich wird aber auch die individuelle Steuergerechtigkeit tangiert, weil das internationale Steuergefälle nur im Rahmen mobiler Einkünfte genutzt werden kann, so dass durchweg Steuerpflichtige mit Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit und Einkünften aus Vermietung und Verpachtung von Immobilien steuerlich im Nachteil sind.5 Im Hinblick darauf ist es legitim, wenn die betreffenden Staaten jeweils gesondert oder gemeinsam normative Maßnahmen ergreifen, um den „unfairen“ Steuerwettbewerb zu begrenzen.
II. Maßnahmen 1. Legislative Bindung 5.11
Es entspricht zwar der Fiskalautonomie des Staates, das Steuerrecht normativ zu gestalten (Rz. 5.5), hierbei ist er aber rechtsstaatlich gebunden6 und unterliegt vor allem den Schrankenwirkungen des Grundgesetzes (Art. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG). Hiernach ergibt sich insbesondere eine Bindung an formale und materiale Rechtsstaatlichkeit.7 Von besondere Bedeutung ist die Befolgung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 GG),8 so dass die (normativen) Maßnahmen gegen den „unfairen“ Steuerwettbewerb sich stets am Gleichheitssatz messen lassen müssen. Darüber hinaus gelten auch die Eingriffsschranken, die insbesondere durch das im Rechtsstaatprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG)9 begründete Rückwirkungsverbot10 1 Zur Differenzierung zwischen fairem und unfairem Steuerwettbewerb Hey in Tipke/ Lang22, § 7 Rz. 73 f.; Schön in FS Kirchhof, § 50 Rz. 17; Schön, DStJG 23 (2000), 191 (206 f.). 2 Hierzu Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 150 ff. 3 Valta, Das internationale Steuerrecht zwischen Effizienz, Gerechtigkeit und Entwicklungshilfe, Tübingen 2014, 45, 178; Schön, DStJG 23 (2000), 191 (201 f.); vgl. auch Rz. 6.57. 4 Valta, Das internationale Steuerrecht zwischen Effizienz, Gerechtigkeit und Entwicklungshilfe, Tübingen 2014, 22 ff., 178. 5 Valta, Das internationale Steuerrecht zwischen Effizienz, Gerechtigkeit und Entwicklungshilfe, Tübingen 2014, 174 ff.; Schön, DStJG 23 (2000), 191 ff. (202). 6 Tipke, Die Steuerrechtsordnung I2, 105; Kirchhof in HStR V3, § 99 Rz. 36; Hey in Tipke/ Lang22, § 3 Rz. 9 ff. 7 Tipke, Die Steuerrechtsordnung I2, 105; Hey in Tipke/Lang22, § 3 Rz. 93 f. 8 Zu Einzelheiten Hey in Tipke/Lang22, § 3 Rz. 110 ff.; ferner Rz. 4.4 ff. 9 Zu den Elementen des Rechtsstaatsprinzips im Überblick Sachs in Sachs7, Art. 20 GG Rz. 77 ff. 10 Hierzu der Überblick bei Hey in Tipke/Lang22, § 3 Rz. 260 ff.; aus der Rspr. vor allem BVerfG v. 7.7.2010 – 2 BvL 14/02 u.a. BVerfGE 127, 1; v. 7.7.2010 – 2 BvL 1/03 u.a., BVerfGE 127, 31; v. 7.7.2010 – 2 BvR 748/05 u.a., BVerfGE 127, 61.
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und Übermaßverbot,1 dem aus Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG abgeleiteten Verbot der Erdrosselungssteuer,2 der Berufsfreiheit (Art. 12 GG)3 und durch das Prinzip eigentumsschonender Besteuerung (Art. 14 GG)4 konkretisiert wird. Des Weiteren ergibt sich eine Bindung an das unionsrechtliche Primärrecht, insbesondere an die Grundfreiheiten als unmittelbar geltendes Recht (Rz. 3.28) sowie durch Bindung an EU-Richtlinien (Rz. 3.28 ff.). Ferner ist auch das unionsrechtliche Beihilfenrecht5 von Bedeutung. Schließlich sind auch die Schrankenwirkungen völkerrechtlicher Verträge (Rz. 3.23 ff.) zu beachten. Hierzu gehören insbesondere die Regelungen der Doppelbesteuerungsabkommen (Rz. 19.1 ff.) und verschiedener Freundschafts- und Freizügigkeitsabkommen (Rz. 4.46 ff.), die durchweg verbindliche Diskriminierungsverbote enthalten. Indessen entfalten insbesondere Doppelbesteuerungsabkommen nur eine eingeschränkte Bindungswirkung.6 Das bedeutet, dass abweichendes innerstaatliches Recht begründet oder geändert werden kann, falls dies zur Beseitigung eines „unfairen“ Wettbewerbs erforderlich ist.7 Anderenfalls sind bilaterale Verhandlungen zur Änderung der Doppelbesteuerungsabkommen geboten oder aber es werden die entsprechenden normativen Maßnahmen im Rahmen eines multilateralen Abkommens getroffen, die zielgerichtet als spezielleres Recht bereits geschlossene Doppelbesteuerungsabkommen verdrängen.8 Schließlich geht es auch um die im WTO/GATT (Rz. 4.44) und im GATS (Rz. 4.45) verankerten Diskriminierungsverbote. Begrenzungen des internationalen Steuerwettbewerbs gehen derzeit vor allem von der auf die Verwirklichung des Binnenmarktes gerichtete Angleichung der nationalen Steuerrechtssysteme nach Maßgabe der unionsrechtlichen Vorgaben aus.9 Diese Angleichung der Steuersysteme ist bislang nur für die indirekten Steuern im Sinne einer Vollharmonisierung vollzogen. Die entsprechende Gesetzgebungskompetenz, die von der Sache her einen Harmonisierungsauftrag darstellt, ergibt sich aus Art. 113 AEUV. Dem gegenüber fehlt es für den Bereich der direkten Steuern, insbesondere für die Ertragsteuern, an einer ausdrücklichen Gesetzgebungskompetenz für die Union. Im Hinblick darauf ist eine Rechtsangleichung nur auf der Grundlage der allgemeinen Harmonisierungsvorschriften (Art. 115, 116 AEUV) und darüber hinaus in Anwendung der Grundfreiheiten (Art. 26 Abs. 2 AEUV)10 möglich. Für die Ertragsteuern ist damit insoweit das Konzept der Vollharmonisierung (einstweilen) versagt geblieben mit der Folge, dass die EU weiterhin durch einen Steuerwettbewerb geprägt ist. Eine durchaus wirksame Begrenzung ist indessen durch die Fusions-Richtlinie (Rz. 3.66 ff.), die 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Tipke, Die Steuerrechtsordnung I2, 205 ff., 417 ff.; Hey in Tipke/Lang22, § 3 Rz. 180 ff. Drüen in T/K, § 3 AO Rz. 17; Hey in Tipke/Lang22, § 3 Rz. 184. Hey in Tipke/Lang22, § 3 Rz. 188. Hey in Tipke/Lang22, § 3 Rz. 189 ff. Hierzu Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 9.1 ff. Ein Treaty overriding ist vom BVerfG für verfassungsgemäß gehalten worden; BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, DStR 2016, 359 (zu § 50d Abs. 8 EStG). Zur Kritik an dieses Treaty overriding Rz. 3.24 f. Voraussetzung ist die Identität der Vertragspartner. Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 1.4. Insbesondere Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV), Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV), Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) und Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV); zu Einzelheiten Rz. 4.21 ff.
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Kap. 5 Internationaler Steuerwettbewerb
Mutter-Tochter-Richtlinie (Rz. 3.70 ff.) und durch die Zins- und LizenzgebührenRichtlinie (Rz. 3.74 ff.), die sämtlich in nationales Recht umgesetzt worden sind, gewährleistet. Zudem ist vor Jahren durch wichtige EuGH-Entscheidungen zur Anwendung der Grundfreiheiten ein Prozess der stillen Harmonisierung eingeleitet worden.1 Diese stille Harmonisierung beruht auf der Doktrin des Vorrangs der Grundfreiheiten gegenüber der Steuersouveränität der Mitgliedstaaten (Rz. 3.36 ff., Rz. 3.64), was dazu geführt hat, dass zahlreiche Entscheidungen des EuGH in das deutsche Steuerrecht umgesetzt worden sind und zu einer europaweiten Rechtsangleichung geführt haben.2 5.13
Die in Art. 107 f. AEUV verankerte Beihilfenkontrolle3 hat den Steuerwettbewerb ebenfalls reguliert. Denn das Beihilfenverbot ist gegen staatliche Beihilfen zugunsten bestimmter Unternehmen oder Produktionszweige gerichtet, soweit sie wettbewerbsverfälschend sind und den Handel zwischen Mitgliedstaaten beeinträchtigt.4 Zu diesen verbotenen Beihilfen zählen auch Steuervergünstigungen für Unternehmen.5 Die Beihilfekontrolle trägt damit zur Verhinderung eines „unfairen“ (schädlichen) Steuerwettbewerbs bei und zwingt die Mitgliedstaaten insoweit zu einer Angleichung ihrer Steuersysteme frei von wettbewerbsverfälschenden Steuervergünstigungen.6 2. Einzelmaßnahmen
5.14
Im deutschen Steuerrecht sind auf uni- und bilateraler Ebene zahlreiche Normen verankert, die gegen den internationalen Steuerwettbewerb gerichtet sind, soweit sich dieser zu Lasten des deutschen Steueraufkommens auswirkt. Den in Betracht kommenden Normen und Normenkomplexen liegt keine in sich geschlossene Konzeption zugrunde, so dass sie nur singulär wirken. Im Hinblick darauf haben sie sich in besonderer Weise gegenüber dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes (Art. 3 Abs. 1 GG) und den unionsrechtlich verbürgten Grundfreiheiten7 zu legitimieren.8 Bei den in Betracht kommenden Normen geht es im internationalen Kontext insbesondere darum, – den Verlust deutschen Steuersubstrats, – die Steuerflucht in Niedrigsteuerländer, 1 Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 2.10; Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 25 ff.; Schön, StbJb 2003/2004, 27 ff.; Rödder, DStR 2004, 1629 ff. 2 Vgl. nur § 6 Abs. 5 AStG (Wegzugsbesteuerung als Folge von EuGH vom 11.3.2004 – Rs. C-9/02 – Hughes de Lasteyrie du Saillant, Slg. 2004, I-2409; v. 7.9.2006 – Rs. C-470/04 – N, Slg. 2006, I-7445) und § 8 Abs. 2 AStG (Hinzurechnungsbesteuerung aufgrund EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, Slg. 2006, I-7995). 3 Für den EWR-Bereich gilt Art. 61 EWRA und spezielle im Verhältnis zur Schweiz Art. 23 des Freihandelsabkommens EU-Schweiz; zu Einzelheiten Rz. 4.46 ff. 4 Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht Rz. 9.1. 5 Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht Rz. 9.4 m.w.N. aus der Rspr. des EuGH. 6 Schön, DStJG 23 (2000), 191 (214 ff.) 7 Warenverkehrsfreiheit (Art. 28 AEUV), Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV), Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV), Dienstleistungsfreiheit (Art. 46 AEUV) und Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV). 8 Zu den entsprechenden Diskriminierungsverboten vgl. Rz. 4.1 ff.
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C. Unfairer Steuerwettbewerb
– eine internationale Minderbesteuerung und – Steuerumgehung zu verhindern. 5.15
Hierzu der nachfolgende Überblick: – Entstrickungsbesteuerung, der im Inland gebildete stille Reserven eines Wirtschaftsguts im Falle des Ausschlusses oder der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts auch ohne Realisierungsakt unterliegen (Rz. 6.381 ff.). Die entsprechenden Entstrickungsklauseln sind verankert für Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens in §§ 4 Abs. 1 Sätze 3 u. 4, 4g, 16 Abs. 3a, 36 Abs. 5, 50i Abs. 1 EStG1 und § 12 KStG und für das Privatvermögen in § 17 Abs. 5 EStG. Darüber hinaus enthält auch das Umwandlungssteuergesetz (§§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3, 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1, 24 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 UmwStG) Entstrickungsklauseln, aufgrund deren eine steuerneutrale Umwandlung grundsätzlich nur möglich ist, wenn deutsches Besteuerungsrecht nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (Rz. 20.14 f.). – Wegzugsbesteuerung, aufgrund derer der Vermögenszuwachs privat gehaltener Kapitalanteile (§ 17 Abs. 1 Satz 1 EStG) bei Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht gem. § 6 AStG der Einkommensteuer unterliegt (Rz. 6.406 ff.). – Erweitert beschränkte Steuerpflicht (§§ 2, 4 AStG), die dazu führt, dass bei einem Wohnsitzwechsel in niedrig besteuernde Gebiete für weitere zehn Jahre nach dem Wegzug erweiterte Inlandseinkünfte und der entsprechend zugrunde liegende Erwerb der Einkommen- und Erbschaftsteuer unterworfen sind (Rz. 6.312 ff.). – Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7–14 AStG), die darauf gerichtet ist, die Abschirmwirkung niedrig besteuerter ausländischer Kapitalgesellschaften mit Einkünften aus passivem Erwerb zu beseitigen und deren Gewinne bei inländischen Anteilseignern als (fiktive) Dividenden steuerlich zu erfassen (Rz. 13.1 ff.). – Zurechnungsbesteuerung (§ 15 AStG) mit der Folge, dass Einkünfte einer ausländischen Familienstiftung dem unbeschränkt steuerpflichtigen Stifter oder sonst unbeschränkt steuerpflichtigen Destinatären als eigene Einkünfte zugerechnet werden (Rz. 14.1 ff.). – Missbrauchsbesteuerung (§ 42 AO), wonach bei einer Steuerumgehung der Steueranspruch so entsteht, wie er ohne die missbräuchliche Gestaltung zum Zwecke der Steuervermeidung, etwa durch Einschaltung von Basisgesellschaften, entstanden wäre (Rz. 13.33 ff.). – Grenzüberschreitende Einkünftekorrektur, die u.a. auf Grundlage verdeckter Gewinnausschüttung (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG), verdeckter Einlage (§ 8 Abs. 3 Satz 4 KStG) oder gem. § 1 AStG bei unangemessenen Verrechnungspreisen eingreift (Rz. 21.1 ff.). – Zinsschranke (§ 4h EStG, § 8a KStG), die bewirkt, dass betrieblich veranlasste Zinsaufwendungen, und zwar auch solche für in das Ausland gezahlte Zinsen, nur bis zur Höhe des Zinsertrags und, soweit sie diese übersteigen, nur bis zur Höhe von 30 % eines modifizierten Betriebsergebnisses (verrechenbares EBITDA) abziehbar sind (Rz. 6.117 ff.). 1 In der Fassung des AHRL-ÄndUmsG.
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Kap. 5 Internationaler Steuerwettbewerb
– Internationale Korrespondenzklauseln, die eine Verknüpfung von steuerabzugsfähigen Ausgaben in dem einen Staat mit zu versteuernden Einnahmen in dem anderen Staat herstellen, um so insbesondere auf Abkommensebene1 oder im nationalen Steuerrecht (§§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d Satz 2, 4i, 32d Abs. 2 Nr. 4, 50d Abs. 8–10 EStG, §§ 8 Abs. 3 Satz 4, 8b Abs. 1 Satz 2, 14 Abs. 1 Nr. 5 KStG) eine internationale Minderbesteuerung zu vermeiden (Rz. 18.149 f.).2 – Subject-to-Tax-Klauseln, die bestimmen, dass die an sich nach Abkommensrecht gebotene Freistellung nur gewährt wird, wenn im anderen Staat eine Besteuerung erfolgt, so dass auch hierdurch eine internationale Minderbesteuerung vermieden wird (Rz. 15.8, 19.522 f.).3 – Remittance-Base-Klauseln, wonach im Quellenstaat eine Freistellung oder eine Steuerermäßigung davon abhängig gemacht wird, dass die Einkünfte in dem anderen Vertragsstaat bezogen werden und zusätzlich dort der Besteuerung unterliegen (Rz. 19.349).4 – Switch-over-Klauseln (Umschaltklauseln), aufgrund deren der Ansässigkeitsstaat für Zwecke der Vermeidung der Doppelbesteuerung auf Abkommensebene5 oder nach nationalem Recht (§ 50d Abs. 9 EStG, § 20 Abs. 2 AStG) von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode überwechselt, wenn anderenfalls eine Minderbesteuerung erfolgt (Rz. 19.140, 19.525). – Beneficiary-Klauseln, die sicherstellen, dass Abkommensvorteile, insbesondere die Reduzierung von Quellensteuern oder deren Nichterhebung im Quellenstaat nur den Nutzungsberechtigten, also jenen zu Gute kommen, die nicht nur ein formales Recht auf die Einkünfte haben, sondern tatsächlich über die Einkünfte verfügen können (Rz. 19.139, 19.347).6 – Grundstücksklauseln (Art. 13 Abs. 4 OECD-MA), wonach Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Grundstücksgesellschaften vom Belegenheitsstaat besteuert werden dürfen, um so Immobilieninvestoren die Möglichkeit zu nehmen, durch Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft die Besteuerung im Belegenheitsstaat zu vermeiden (Rz. 19.143, 19.396 f.). – Künstlerverleihklauseln (Art. 17 Abs. 2 OECD-MA), die bewirken, dass Personen, denen Einkünfte aus der Tätigkeit als Künstler oder Sportler zufließen, obwohl sie selbst nicht als Künstler oder Sportler auftreten, der Besteuerung in dem Staat unterliegen, in dem die künstlerische oder sportliche Tätigkeit ausgeübt wird (Rz. 19.142, 19.458). – Arbeitnehmerüberlassungsklauseln (z.B. Art. 15 Abs. 3 DBA-Österreich), aufgrund deren sowohl der Tätigkeitsstaat als auch der Ansässigkeitsstaat besteuern dürfen, wobei der Ansässigkeitsstaat die Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung vermeidet (Rz. 19.144). 1 Vgl. etwa Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 3 DBA-Österreich. 2 Die in §§ 1 Abs. 5 Satz 8 AStG verankerte Korrespondenzklausel dient dagegen der Vermeidung der Doppelbesteuerung; § 4i EStG idF des AHRL-ÄndUmsG betrifft Sonderbetriebsausgaben. 3 Vgl. zur Abkommensübersicht Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 135e ff.; Dürrschmidt in V/L6, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 19 ff. 4 Vgl. zur Abkommensübersicht Dürrschmidt in V/L6, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 18 ff. 5 Vgl. zur Abkommensübersicht Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 136 ff. 6 Vgl. zur Abkommensübersicht Tischbirek in V/L6, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 26 f.
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– Aktivitätsklauseln (z.B. Art. 24 Abs. 1 Buchst. a und b DBA-Schweiz), die für die Anwendung der Freistellungsmethode insbesondere bei Betriebsstätteneinkünften voraussetzen, dass im Quellenstaat tatsächlich eine aktive Wirtschaftstätigkeit ausgeübt wird (Rz. 19.515 f., 19.544, 19.550). – Treaty-Shopping-Klauseln gegen die missbräuchliche Inanspruchnahme der Quellensteuerreduktion nach Maßgabe der Doppelbesteuerungsabkommen und der Mutter-Tochter-Richtlinie (§ 43b EStG) gem. § 50d Abs. 3 EStG und entsprechend die sog. LoB-Klauseln1 der Doppelbesteuerungsabkommen mit der Folge, dass die (künstliche) Zwischenschaltung von Gesellschaften steuerlich nicht anerkannt wird, soweit Personen an ihnen beteiligt sind, denen die Steuerentlastung (Quellensteuerreduktion) nicht zustünde, wenn sie die Einkünfte unmittelbar selbst erzielten (Rz. 19.127, 19.160 ff.). Die Bekämpfung des „unfairen“ internationalen Steuerwettbewerbs setzt eine entsprechende Informationsbeschaffung für die beteiligten Finanzbehörden voraus. Von besonderer Bedeutung ist hierbei der automatische Auskunftsverkehr auf der Grundlage der Amtshilferichtlinie, der Auskunftsklauseln der Doppelbesteuerungsabkommen (Art. 26 OECD-MA), der Informationsaustauschabkommen sowie weiterer völkerrechtlicher Vereinbarungen (Rz. 22.55 ff.). Soweit es um die Mitwirkung der Steuerpflichtigen an der Sachaufklärung geht, spielen die besonderen und gesteigerten Mitwirkungspflichten eine bedeutsame Rolle (Rz. 22.19 ff.).
III. Das BEPS-Projekt Literatur Bannes/Cloer, BEPS Aktionsplan 4: Begrenzung des Abzugs von Zinsen und anderen finanziellen Aufwendungen, BB 2016, 1815; Bannes/Cloer, BEPS Aktionsplan 3: Stärkung der Hinzurechnungsbesteuerung, BB 2016, 1565; Becker/Loose, EU-Kommission präsentiert Vorschlag für eine Anti-BEPS-Richtlinie, IStR 2016, 153; Bendlinger, Hilfsbetriebsstätten in BEPS-Action 7, SWI 2016, 188; Benz/Böhmer, Das BEPS-Projekt der OECD/G20: Vorlage der abschließenden Berichte zu den Aktionspunkten, DB 2015, 2535; Benz/Böhmer, Das Anti Tax Avoidance Package (ATA-Paket) der EU-Kommission zu Umsetzung der BEPSMaßnahmen in der EU, DB 2016, 307; Benz/Böhmer, Das BEPS-Projekt der OECD/G20: Vorlage der abschließenden Berichte zu den Aktionspunkten, DB 2015, 2535; Benz/Eilers, Empfehlungen zur Umsetzung der Maßnahmen zum BEPS-Projekt von OECD/G20 in Deutschland, IStR-Beihefter zu Heft 4/2016, 307; Böhmer, Base Erosion and Profit Shifting in Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, 2. Aufl. Köln 2016, Rz. 14.1 ff.; Ditz/Pinkernell/Quilitzsch, BEPS-Reformvorschläge zu Lizenzgebühren und Verrechnungspreisen bei immateriellen Wirtschaftsgütern aus Sicht der Beratungspraxis, IStR 2014, 45; Ditz/Quilitzsch, Erweiterung der Offenlegungspflichten durch Country by Country Reporting, DStR 2014, 127; Eilers/Hennig, BEPS: Hinzurechnungsbesteuerung – BEPS und neue Rechtsentwicklungen, ISR 2015, 422; Fehling, Das BEPS-Projekt auf der Zielgeraden – was bedeutet dies für Deutschland?, FR 2015, 817; Fehling, Post-BEPS: Wie geht es nach den BEPS-Empfehlungen weiter?, IWB 2016, 160; Greinert/Metzner, Die Bedeutung von Risiken bei der Ermittlung fremdüblicher Verrechnungspreise – Diskussionsentwurf bei der OECD zu den Maßnahmen 8, 9 und 10 des BEPS-Aktionsplans, Ubg 2015, 60; Groß, Verrechnungspreisdokumentation, DB Beilage zu Heft 47/2014, 10; Grotherr, Analyse und Auswirkungen des geplanten spontanen Informationsaustausches (OECD/G20) über steuerbegünstigende Vorabzusagen („Tax Rulings“), RIW 2016, 179; Hagemann/Kahlenberg, 1 Limitation on Benefits-Klausel (z.B. Art. 28 DBA-USA).
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Kap. 5 Internationaler Steuerwettbewerb Der OECD-Abschlussbericht zur BEPS-Aktion 3 – Designing Effective Controlled Foreign Company Rules, Ubg 2016, 15; Herzig, CCCTB und BEPS – Rivalen oder Partner, in Lüdicke/Mellinghoff/Rödder (Hrsg.), Nationale und Internationale Unternehmensbesteuerung in der Rechtsordnung, Festschrift für Gosch, München 2016, 151; Jochimsen/Zinowsky, BEPS und der Weg der Europäischen Union – Anmerkungen zum ersten Entwurf einer Europäischen Richtlinie gegen Steuervermeidungsansätze, ISR 2016, 106; Kahle/Baschnagel/Kindich, Aktuelle Aspekte der Ertragsbesteuerung von Server-Betriebsstätten, FR 2016, 193; Kreienbaum, OECD/G20-Staaten schließen BEPS-Aktionsplan erfolgreich ab, IStR 2015, 753; Kroppen, Neues zur Betriebsstätte unter Berücksichtigung der Vorschläge der OECD vom 31.10.2014 und vom 15.5.2015, in Lüdicke/Mellinghoff/Rödder (Hrsg.), Nationale und Internationale Unternehmensbesteuerung in der Rechtsordnung, Festschrift für Gosch, München 2016, 221; Krüger, Das „intangible“ als neuer Begriff in der Verrechnungspreisbestimmung – eine Einordnung nach Maßnahme 8 des BEPS-Aktionsplans, DStZ 2016, 64; Linn, Die Anti-Tax-Avoidance-Richtlinie der EU-Anpassungsbedarf in der Hinzurechnungsbesteuerung, IStR 2016, 645; Lück, BEPS-Abschlussberichte der OECD/G20 im Überblick, IWB 2015, 758; Lück, Der Referentenentwurf des BMF zur Bekämpfung von BEPS, IWB 2016, 478; Lüdicke/Oppel, Der Vorschlag der EU-Kommission einer AntiBEPS-Richtlinie – ein erster Überblick, BB 2016, 351; Lüdicke/Oppel, Kommissions-Entwurf einer Anti-BEPS-Richtlinie: Grundlegende Änderungen und Verschärfungen des deutschen Rechts, DB 2016, 549; Mückl/München, Automatischer Informationsaustausch über grenzüberschreitende Steuervorbescheide und Vorabverständigungsvereinbarungen, BB 2015, 2775; Müller/Wohlhöfler, Neue Richtlinienvorschläge zur Unternehmensbesteuerung in der EU, IWB 2016, 200; Nientimp/Stein/Schwarz, Neuer OECD Dreiklang für Verrechnungspreisdokumentationen – Standortbestimmung nach dem Anti BEPS-Umsetzungsgesetz-E, Ubg 2016, 299; Music/Schlie/Schulz, Die Besteuerung der digitalen Wirtschaft – BEPS, in Blumenberg/Crezelius/Gosch/Schüppen (Hrsg.), Festschrift für Haarmann, Düsseldorf 2015, 713; Oppel, Das BEPS-Projekt der OECD/G20 – Kerninhalte der Abschlussberichte und Auswirkungen auf das deutsche (internationale) Steuerrecht, SteuK 2016, 53; Piltz, Base Erosion and Profit Shifting (BEPS): die ganze Wahrheit?, IStR 2013, 681; Piltz, BEPS und das staatliche Interesse, IStR 2015, 529; Pinkernell, Internationale Steuergestaltung im Electronic Commerce, IFSt-Schrift Nr. 494 (2014); Pinkernell, EU: Bericht der Expertengruppe zur Besteuerung der „Digital Economy“, IStR-LB 2014, 57; Pinkernell, OECD/G20: Diskussionsentwurf zu Maßnahme Nr. 3 des BEPS-Aktionsplans (Hinzurechnungsbesteuerung), IStR-LB 2015, 45; Pinkernell, Ein Musterfall zur internationalen Steuerminimierung durch US-Konzerne, StuW 2012, 369; Pross/Radmanesh, Der Aktionsplan der OECD/G20 zu Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) – Richtschnur für eine Überarbeitung der internationalen Besteuerungsregelungen in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Festgaben, 2015, Nr. 72, S. 535; Puls/Heravi, „Mandatory Disclosure Rules“ für grenzüberschreitende Steuergestaltungen: Wohin will die OECD?, ISR 2015, 284; Rasch/Mank/Tomson, Die finale Fassung des neuen OECD Kapitels zur Dokumentation und zum „Country-by-Country Reporting“ – Neue Herausforderungen für Unternehmen, IStR 2015, 424; Reimer, Das Multilaterale Übereinkommen (BEPS-Maßnahme Nr. 15) als Instrument einer flexiblen Anpassung der bestehenden DBA, IStR 2015, 1; Schnitger, Der Entwurf des AHRL-ÄndUmsG, IStR 2016, 637; Seer, Grenzen steuerlicher Transparenz multinational tätiger Unternehmen, IWB 2016; 6; Spengel/Nusser, Aktueller Stand des OECD-BEPS-Projekts und mögliche Konsequenzen für die Konzernbesteuerung, Der Konzern 2015, 9; Staats, Zur „Begrenzung der Gewinnverkürzung durch Abzug von Zins- oder sonstigen finanziellen Aufwendungen“ – Der OECD-Bericht zu Maßnahme 4 des BEPS-Aktionsplans, IStR 2016, 135; Staringer, BEPS – Was kommt jetzt auf uns zu?, SWI 2015, 575; Teichert, BEPS-Aktionsplan 6: Verhinderung von Abkommensmissbrauch, IWB 2015, 642; Valta, Base Erosion and Profit Shifting: Die jüngsten Diskussionsentwürfe der OECD zum BEPS-Projekt (Teil 1), ISR 2014, 176; Valta, Base Erosion and Profit Shifting: Die jüngsten Diskussionsentwürfe der OECD zum BEPS-Projekt (Teil 2): Herausforderungen der digitalisierten Wirtschaft, ISR 2014, 214; Wagemann, Verschärfungen des Betriebsstättenbegriffs nach OECD-MA, IWB 2016, 14; Watrin/Thomsen/Weiß, Die BEPS-Maßnahmenberichte und ihre aktuelle Umsetzung, DStZ 2016, 400; Zech, Umsetzung des BEPS-Aktionsplans 13 und des CbCR in deutsches Recht, IWB 2015, 924.
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1. Hintergrund Im Gefolge der intensiven Medienberichterstattung und der sich daran anschließenden Diskussion im politischen Raum über bestimmte Steuerpraktiken, insbesondere global agierender US-amerikanischer Konzerne,1 wurde das Problem der Aushöhlung steuerlicher Bemessungsgrundlagen und der Gewinnverlagerung in Niedrigsteuerländern (Base Erosion and Profit Shifting, BEPS)2 von den G20-Staaten und der OECD thematisiert. Auf deren Initiative benannte der Steuerausschuss der OECD im Rahmen eines Aktionsplans im Jahre 2013 insgesamt 15 Maßnahmen, mit denen die Staaten den Steuervermeidungsstrategien Einhalt gebieten könnten.3 Am 5. Oktober 2015 wurden sodann die 15 Aktionspunkte, zumeist in endgültiger Fassung, bekannt gemacht.4 Während dieser Zeit hat auch die Europäische Kommission ebenfalls einen Aktionsplan für eine faire und effiziente Unternehmensbesteuerung in der EU veröffentlicht.5 Im Vordergrund stehen hier fünf Aktionspunkte,6 und zwar
5.17
– gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB), – Besteuerung am Ort der Wertschöpfung und Sicherstellung einer effektiven Besteuerung, – Verbesserung steuerlicher Rahmenbedingungen für Unternehmen, – Schaffung von Transparenz und – Verbesserung der Koordination zwischen den Mitgliedstaaten. Dieser Aktionsplan der Europäischen Kommission zielt darauf ab, einerseits die Arbeit zur GKKB wiederzubeleben7 und andererseits eine Grundlage für ein gemeinsames Vorgehen gegen den „unfairen“ Steuerwettbewerb zu gewährleisten. Der BEPS-Aktionsplan der OECD vom 5. Oktober 20158 ist zwar von den G-20-Finanzministern am 27. Februar 2016 gebilligt worden, er hat aber hierdurch noch keine rechtliche Verbindlichkeit erlangt. Es handelt sich vielmehr um eine Empfehlung (Soft law).9 Rechtsnormcharakter erlangen die einzelnen Aktionspunkte erst durch Umsetzung in nationales Recht, entweder durch Ergänzung der nationalen steuerrechtlichen Vorschriften, oder auf Grundlage bila1 Zu den von diesen Unternehmen gewählten Gestaltungen Pinkernell, StuW 2012, 369; Pinkernell, IStR-LB 2013, 59; Pinkernell, IfSt-Schrift Nr. 494 (2014); Richter/Hontheim, DB 2013, 1260. 2 Base Erosion and Profit Shifting, Aushöhlung steuerlicher Bemessungsgrundlagen („base erosion“) und der Gewinnverlagerung in Niedrigsteuerländer („profit shifting“). 3 OECD, Action Plan on Base Erosion and Profit Shifting, 2013. 4 Zu Einzelheiten Benz/Böhmer, DB 2015, 2535; Oppel, SteuK 2016, 53. 5 Anti Tax Avoidance Direktive – ATAD; nunmehr RL 2016/1164 v. 12.7.2016, ABl. L 193, 1 v. 19.7.2016 (Anti-BEPS-RL). 6 Zu Einzelheiten Krauß, IStR 2016, 59. 7 Vgl. Herzig in FS Gosch, 151. 8 Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über eine Gemeinsame KSt-Bemessungsgrundlage (COM [2016] 685 final [GKB]) und Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über eine Gemeinsame konsolidierte KSt-Bemessungsgrundlage (COM [2006] 683 final [GKKB]); vgl. hierzu im Überblick Benz/Böhmer, DB 2016, 2800; ferner Fehling, FR 2015, 817; Staringer, SWI 2015, 575; Benz/Böhmer, DB 2015, 2535; Lück, IWB 2015, 758; Watrin/Thomsen/ Weiß, DStZ 2016, 400. 9 Fehling, IWB 2016, 160 (161).
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Kap. 5 Internationaler Steuerwettbewerb
teraler oder multilateraler völkerrechtlicher Vereinbarungen (z.B. Doppelbesteuerungsabkommen) oder auf Grundlage von EU-Richtlinien. Hierzu ist inzwischen die Anti-BEPS-Richtlinie1 ergangen, die bis zum 31.12.2018 in nationales Recht umgesetzt werden muss (Art. 11 Anti-BEPS-RL).2 Geregelt werden aus der Sicht der EU-Kommission besonders wichtige Handlungsfelder, die weitgehend mit dem BEPS-Aktionsplan der OECD identisch sind, und zwar – – – – – 5.19
Beschränkung des Zinsabzugs (Art. 4), Wegzugs- und Entstrickungsbesteuerung (Art. 5), allgemeine Missbrauchsvermeidungsregeln (Art. 6), Hinzurechnungsbesteuerung (Art. 7 u. 8) und hybride Gestaltungen (Art. 9).3
Darüber hinaus ist auch die EU-Amtshilferichtlinie (Rz. 3.104 ff.) dahingehend ergänzt worden,4 dass nunmehr multinationale Unternehmen für Zwecke der Besteuerung zur Erstellung länderbezogener Berichte verpflichtet sind, wobei die entsprechenden Informationen sodann automatisch zwischen den Mitgliedstaaten ausgetauscht werden (Country-by-Country-Reporting – CbCR). Die Umsetzung in nationales Recht ist durch § 138a AO mit Wirkung ab dem Wirtschaftsjahr 2016/2017 erfolgt.5 2. Aktionspunkte a) Überblick
5.20
Der BEPS-Aktionsplan verfolgt im Wesentlichen drei Ziele, und zwar – Kohärenz der verschiedenen nationalstaatlichen Steuersysteme, um so „unfairen“ Steuerwettbewerb zu verringern, – Substanz als Anknüpfungspunkt für die Besteuerung und – transparente Unternehmensbesteuerung.6 Die einzelnen Aktionspunkte sind den vorgenannten Zielsetzungen zugeordnet, ohne dass hier eine eindeutige Abgrenzung möglich ist.7
5.21
Eine unterschiedliche Zuordnung ergibt sich aus der Sicht der OECD auch hinsichtlich der Verbindlichkeit der Umsetzung. So werden einzelne Aktionspunkte im Sinne eines Mindeststandards qualifiziert (Aktionspunkte 5, 6, 13 und 14) und weitere Aktionspunkte lediglich als Programmsätze aufgefasst, aufgrund deren davon ausgegangen wird, dass die betreffenden Staaten ihr Steuerrecht in überschaubarer Zeit einander angleichen (Aktionspunkte 2, 4, 7 sowie 8–10). Im Üb1 RL (EU) 2016/1164 des Rates v. 12.7.2016, ABl. L 193 v. 19.7.2016, 1. 2 Vgl. hierzu Oppel, IStR 2016, 797. 3 Vgl. zum vorangegangenen Vorschlag der EU-Kommission den Überblick bei Lüdicke/ Oppel, BB 2016, 351 und DB 2016, 549; Jochimsen/Zinowsky, ISR 2016, 106; Müller/ Wohlhöfler, IWB 2016, 200; Krauß, IStR 2016, 59; zur Richtlinie selbst Oppel, IStR 2016, 797. 4 RL (EU) 2016/881 des Rates v. 25.5.2016, ABl. L 146 v. 3.6.2016, 8. 5 Art. 3 EGAO § 31 (AHRL-ÄndUmsG). 6 OECD, Action Plan on Base Erosion and Profit Shifting, 2013, 13 f. 7 Vgl. Benz/Böhmer, IStR 2015, 380 (381).
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rigen handelt es sich lediglich um unverbindliche Empfehlungen, für die kein Umsetzungszwang besteht (Aktionspunkte 3 und 12). Ob die Umsetzung in innerstaatliches Recht durch nationale Gesetzgebung, auf Grundlage insbesondere von Doppelbesteuerungsabkommen oder von multilateralen völkerrechtlichen Verträgen gelingt, hängt im Wesentlichen davon ab, wie viele Staaten sich tatsächlich an der normativen Umsetzung beteiligen.1 b) Besteuerung der digitalen Wirtschaft Unternehmen der digitalen Wirtschaft sind im Hinblick auf die von Ihnen gehaltenen Wirtschaftsgüter in der Lage, steuerliche Anknüpfungspunkte etwa durch Betriebsstätten im Quellenstaat zu vermeiden.2 Dieser Steuervermeidung mangels physischer Präsenz (Betriebsstätte), die insbesondere beim Cloud-Computing möglich ist, lässt sich dadurch begegnen, dass im jeweiligen nationalen Steuerrecht (etwa im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht) sowie auf Abkommensebene mit einer „digitalen Präsenz“ ein weiterer Steueranknüpfungspunkt geschaffen wird (Aktionspunkt 1).3 Darüber hinaus kommt auch eine Quellensteuer in Betracht, die auf Zahlungen für online erworbene Waren oder Dienstleistungen im Quellenstaat erhoben werden.4 Neben diesen möglichen spezifischen Maßnahmen bietet sich eine Erweiterung der Hinzurechnungsbesteuerung dahingehend an, dass auch nachgeschaltete Zwischengesellschaften in anderen Niedrigsteuerländern5 erfasst werden.6
5.22
c) Hybride Gestaltungen Steuervorteile hybrider Gestaltungen beruhen im Wesentlichen auf Qualifikationskonflikten von zwei oder mehreren Staaten. Sie beziehen sich sowohl auf Gesellschaften und Finanzinstrumente. Soweit es um Gesellschaften geht, sind vor allen Dingen doppelt ansässige Gesellschaften und hybride Gesellschaftsformen angesprochen, die in dem einen Staat als steuerlich transparent und im anderen Staat als intransparent behandelt werden.7 Bei hybriden Finanzinstrumenten geht es darum, dass die Vergütungen für das hingegebene Kapital in dem einen Staat als Zinsen und damit als Betriebsausgaben und in dem anderen Staat als (steuerfreie) Dividenden qualifiziert werden (Rz. 18.150). Als Folge dieser Qualifikationskonflikte kann es zu einem Betriebsausgabenabzug in dem einen und zu einer Freistellung in dem anderen Staat oder zu einer doppelten Freistellung bzw. 1 Zu den Zweifeln hinsichtlich der USA Pilz, IStR 2015, 529. 2 Vgl. hierzu nur Pinkernell, IfSt-Schrift Nr. 494 (2014), 114 ff. 3 OECD- Adressing the tax challenges of the digital economy, Action 1: 2015 final report; hierzu Fehling, IStR 2015, 797 (799 ff.); Oppel, SteuK 2016, 53 (54 f.); Bannes/Cloer, BB 2015, 1431; Kahle/Baschnagel/Kindich, FR 2016, 193 (197 f.). 4 Fehling, IStR 2015, 797 (800); kritisch hierzu: Muciz/Schlie/Schulz in FS Haarmann, 713 (729). 5 Entsprechend § 14 AStG; vgl. hierzu Rz. 13.222 ff. 6 Zu der entsprechenden Lücke in der US-Hinzurechnungsbesteuerung Pinkernell, IStR 2013, 180 (185); ob die USA zu dieser Lückenschließung bereit sind, ist mehr als zweifelhaft; vgl. hierzu Piltz, IStR 2015, 529 ff.; Kellar/Hellkamp, taxjournal v. 31.10.2015, 32; Oppel, SteuK 2016, 53 (55). 7 Zum Problem bei Personengesellschaften vgl. Rz. 21.119.
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Kap. 5 Internationaler Steuerwettbewerb
Anrechnung kommen. Soweit es um doppelt ansässige Gesellschaften geht, wird empfohlen (Aktionspunkt 2),1 anstelle der bisher geltenden Tie-Breaker-Rule (Rz. 18.194 ff.) ein Verständigungsverfahren vorzusehen, aufgrund dessen die Ansässigkeit in dem einen oder dem anderen Staat bestimmt werden soll.2 Für die übrigen Fälle werden internationale Korrespondenzklauseln als angemessen angesehen, um so eine internationale Minderbesteuerung zu verhindern.3 Aus deutscher Sicht bedürfte es über die bereits bestehenden internationalen Korrespondenzklauseln hinaus (Rz. 5.15) einer solchen, die den Abzug als Betriebsausgabe versagt.4 d) Hinzurechnungsbesteuerung 5.24
Die Hinzurechnungsbesteuerung ist darauf gerichtet, die Abschirmwirkung niedrig besteuerter Kapitalgesellschaften im Ausland aufzuheben.5 Die in diesem Zusammenhang seitens der OECD unterbreiteten Vorschläge (Aktionspunkt 3)6 sowie die Vorgaben der Anti-BEPS-RL (Art. 7) stimmen weitgehend mit der in den §§ 7–14 AStG verankerten Hinzurechnungsbesteuerung (Rz. 13.1 ff.) überein,7 bleiben hinter dieser in einigen Punkten sogar zurück.8 Änderungen sind allerdings geboten beim Aktivitätskatalog (§ 8 Abs. 1 AStG), bei der Definition der Niedrigbesteuerung (§ 8 Abs. 3 AStG) und bei der Steueranrechnung (§ 12 Abs. 1 AStG).9 e) Zinsabzug
5.25
Im Hinblick darauf, dass gerade bei grenzüberschreitenden Konzernen aufgrund der garantierten Finanzierungsfreiheit10 mittels konzerninterner Darlehen nicht selten der Gewinn von Hoch- in Niedrigsteuerländer gelenkt wird, wird eine so1 OECD, Neutralisierung the effects of hybrid mismatch arrangements, Action 2: 2015 final report; vgl. Art. 10 der Anti Tax Avoidance Directive RL 2016/1164 v. 12.7.2016, ABl. L 193, 1 (Anti-BEPS-RL); inzwischen hat die Komission eine Richtlinie des Rates zur Änderung der RL (EU) 2016/1164 bzgl. hybrider Gestaltungen mit Drittländern vorgeschlagen (COM [2016], 687 final). 2 Vgl. hierzu Pamperl, SWI 2014, 502. 3 Vgl. Böhmer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 14.22 ff. 4 Vgl. hierzu den Entwurf eines § 4 Abs. 5a EStG aus dem Jahre 2014, nunmehr § 4i EStG (AHRL-ÄndUmsG) für Sonderbetriebsausgaben; zur Kritik an den dem Individualsteuerprinzip nicht entsprechenden Korrespondenzklauseln Hey in Tipke/Lang22, § 8 Rz. 24; Schaumburg in FS Frotscher, 503 (514 ff.). 5 Mehr als 30 Staaten haben eine derartige Hinzurechnungs- bzw. CFC-Besteuerung. 6 OECD, Designing effective controlled foreign company rules, Action 3: 2015 final report; vgl. hierzu Bannes/Cloer, BB 2016, 1565; Hagemann/Kahlenberg, Ubg 2016, 15. 7 Eilers/Hennig, ISR 2015, 422 (428); Pinkernell, IStR-LB 2015, 45 (46). 8 Hierzu Eilers/Hennig, ISR 2015, 422 (428); Linn, IStR 2016, 645 (647 ff.). 9 Vgl. zu Art. 8 u. 9 der Anti Tax Avoidance Directive RL 2016/1164 v. 12.7.2016, ABl. L 193, 1 v. 19.7.2016 (Anti-BEPS-RL); hierzu der Überblick von Schnitger/Nitzschke/Gebhardt, IStR 2016, 960. 10 Zur Finanzierungsfreiheit BFH v. 5.2.1992 – I R 127/90, BStBl. II 1992, 532; wegen Verstoßes gegen das objektive Nettoprinzip wird § 4h EStG für verfassungswidrig gehalten von BFH v. 14.2015 – I R 20/15, DStR 2016, 301 (Vorlagebeschluss zum BVerfG, dortiges Az.: 2 BvL 1/16).
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genannte fixed-ratio-Regelung für richtig gehalten (Aktionspunkt 4).1 Hiernach soll der Zinsabzug in einem Korridor von 10–30 % des EBITDA2 der Gesellschaft begrenzt werden.3 Darüber hinaus wird auch eine sogenannte Group-ratio-Regelung vorgeschlagen, so dass ein Konzernunternehmen Zinsaufwand geltend machen kann, auch soweit es die eigene EBITDA-Quote, nicht aber die des gesamten Konzern übersteigt.4 Aus deutscher Sicht besteht auch unter Berücksichtigung der Vorgaben der Anti-BEPS-RL (Art. 4) angesichts der Grundlagenregelung in § 4h EStG im Ergebnis kein Anpassungsbedarf.5 f) Schädliche Steuerpraktiken Die Bekämpfung „schädlicher“ Steuerpraktiken ist vor allem gegen den „schädlichen“ (unfairen) Steuerwettbewerb gerichtet, wobei in Abgrenzung zu zulässigen steuerlichen Lenkungsnormen6 die Qualifikation als schädliche Regelung aufgrund bestimmter Kriterien vorgenommen wird (Aktionspunkt 5).7 Abgestellt wird hierbei stets auf die Niedrig- oder Nichtbesteuerung der Einkünfte und eines weiteren Kriteriums, wie etwa Suspendierung internationaler Verrechnungspreisgrundsätze oder aber Nichtbesteuerung ausländischer Einkünfte im Ansässigkeitsstaat.8 Angesprochen sind hiermit insbesondere die sogenannten Patentund Lizenzboxen,9 die von Gesetzes wegen eine niedrige Sonderbesteuerung für Lizenzeinnahmen vorsehen.10 Derartige Vergünstigungen sollen zukünftig11 nicht mehr gewährt werden dürfen. Akzeptiert werden Steuervergünstigungen nur soweit die Forschungs- oder Entwicklungstätigkeit selbst durchgeführt wird. Im Hinblick darauf wird die Steuerbegünstigung von der Höhe der Ausgaben für Forschung und Entwicklung abhängig gemacht, wobei Aufwendungen für grenzüberschreitende Auftragsforschung innerhalb des Konzerns nicht berücksichtigungsfähig sind.12
5.26
Zu den schädlichen Steuerpraktiken werden auch Rulings gezählt, aufgrund deren die betreffenden Steuerverwaltungen ein bestimmtes Verwaltungshandeln zusagen.13 Derartige Rulings werden einem verpflichtenden spontanen Informa-
5.27
1 OECD, Limiting base erosion involving interest deductions and other financial payments, Action 4: 2015 final report. 2 Earnings before interest, tax depreciation and amortization. 3 Dorenkamp, StuW 2015, 345 (352); dort auch zur Kritik an diesem Korridor. 4 Staats, IStR 2016, 135 (139). 5 Dorenkamp, StuW 2015, 345 (352); Bannes/Cloer, BB 2016, 1815; vgl. Art. 4 der Anti Tax Avoidance Direktive RL 2016/1164 v. 12.7.2016, ABl. L 193, 1 v. 19.7.2016 (AntiBEPS-RL). 6 Zur Rechtfertigung von Lenkungsnormen Hey in Tipke/Lang22, § 19 Rz. 70 ff. 7 OECD, Countering harmful tax practices more effectively, taking into account transparency and substance, Action 5: 2015 final report. 8 Zu Einzelheiten Becker, IStR 2014, 704 (706). 9 Z.B. in den Niederlanden, Belgien, Luxemburg und Großbritannien. 10 Zu den Patent- und Lizenzboxen in den Niederlanden Baaijens/Breuer, BB 2010, 2932 und in Luxemburg Koijk, TNI 2013, 291; vgl. hierzu ferner Monteith, StuB 2014, 883. 11 Ab 1.7.2016; allerdings besteht eine Übergangsregelung für sogenannte Altfälle. 12 Zu Einzelheiten Böhmer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 14.62 ff. 13 In Deutschland Verbindliche Zusage und APA (Rz. 19.104 ff.); Grotherr, RIW 2015, 179 (181).
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tionsaustausch unterzogen, soweit sie sich auf die Gewährung bestimmter Steuervergünstigungen1 beziehen.2 5.28
Die Umsetzung erfolgt auf Grundlage der geänderten EU-Amtshilferichtlinie (Rz. 3.104 ff.) durch Anpassung des EU-Amtshilfegesetzes3 und darüber hinaus durch entsprechende Ergänzung der in den Doppelbesteuerungsabkommen verankerten Auskunftsklauseln (Art. 26 OECD-MA)4 der Informationsaustauschabkommen (Rz. 22.29 ff.) oder auf Grundlage multilateraler völkerrechtlicher Vereinbarungen, zu denen das bereits in deutsches Recht umgesetzte MCAA5 gehört (Rz. 22.135). g) Abkommensmissbrauch
5.29
Es geht hier um die Vermeidung der missbräuchlichen Inanspruchnahme von Doppelbesteuerungsabkommen (Rz. 19.124 ff.). Derartige insbesondere gegen ein Treaty Shopping (Rz. 19.127 ff.) gerichtete Maßnahmen sollen vor allem auf Abkommensebene angesiedelt werden (Aktionspunkt 6).6 Angesprochen sind damit sogenannte LOB-Klauseln,7 die Abkommensvorteile, etwa reduzierte Quellensteuersätze, nur berechtigten Personen einräumen.8 Im Hinblick darauf werden insbesondere zwischengeschaltete Holdinggesellschaften nur dann unschädlich sein, wenn sie geschäftsleitend tätig sind und zugleich konzerninterne Dienstleistungen erbringen.9
5.30
Die Umsetzung der OECD-Vorschläge hat in erster Linie durch Ergänzung der Doppelbesteuerungsabkommen zu erfolgen. Davon unabhängig sind auch entsprechende unilaterale Regelungen möglich, wobei deren Anwendung durch entsprechende auf Abkommensebene verankerte LOB-Klauseln nicht ausgeschlossen ist (Rz. 5.15).10 Da § 50d Abs. 3 EStG bereits eine vergleichbare Regelung enthält (Rz. 19.160 ff.), ist aus deutscher Sicht insoweit kein Handlungsbedarf gegeben. h) Betriebsstätten
5.31
Um die Besteuerung im Quellenstaat auszuweiten (im Interesse vor allem der Entwicklungs- und Schwellenländer), wird eine Aufweichung des Betriebsstät-
1 Vgl. hierzu die Hinweise bei Böhmer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 14.67. 2 Zu Einzelheiten Grotherr, RIW 2015, 179; Mückl/München, BB 2016, 2775; Czakert, IStR 2016, 985. 3 Vgl. § 7 Abs. 3–14 EU-AHiG. 4 Hierzu Rz. 22.85. 5 Multilateral Competent Authority Agreement. 6 OECD, Preventing the granting of treaty benefits in inappropriate circumstances, Action 6: 2015 final reports. 7 Limitation on Benefit. 8 Zu den LOB-Klauseln in Art. 28 DBA-USA vgl. Wolff in Wassermeyer, Art. 28 D-USA Rz. 1 ff.; ferner Teichert, IWB 2015, 642 (643 ff.). 9 Entsprechend § 50d Abs. 3 EStG. 10 Valta, ISR 2014, 176 (182).
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tenbegriffs für erforderlich gehalten (Aktionspunkt 7).1 So soll insbesondere der in Art. 5 Abs. 4 OECD-MA verankerte Katalog der Betriebsstättenausnahmen eingeschränkt werden. Betroffen sind hierdurch insbesondere internetbasierte Unternehmen, z.B. Online-Versandhändler, die aufgrund der angedachten Maßnahmen mit der Lagerung und Auslieferung der Waren und der sonstigen Aktivitäten im Quellenstaat zukünftig einen steuerlichen Anknüpfungspunkt bieten werden.2 Darüber hinaus soll es auch bei Kommissionärstrukturen künftig nicht mehr darauf ankommen, ob dem Kommissionär wie einem Vertreter eine formale Vollmacht erteilt wurde. Dem entsprechend soll Art. 5 Abs. 5 OECD-MA (Rz. 19.241 ff., 21.100 ff.) entsprechend geändert werden mit der Folge, dass es ausreichend ist, dass der Kommissionär eine maßgebliche Rolle für den Abschluss des Vertrages spielt.3 i) Verrechnungspreise Es geht im Wesentlichen um die Verrechnungspreise bei immateriellen Wirtschaftsgütern (Aktionspunkt 8), für Leistungen kapitalintensiver und funktionsarmer Unternehmen (Aktionspunkt 9) und für konzerninterne Dienstleistungen (Aktionspunkt 10).4
5.32
Soweit es immaterielle Wirtschaftsgüter (Intangibles) betrifft,5 soll der Fremdvergleichsgrundsatz in Orientierung an die Wertschöpfung angewendet werden. Das bedeutet, dass die Inhaberschaft alleine noch nicht bewirkt, dass dem Inhaber auch die Erträge zuzuordnen sind. Abgestellt wird in diesem Zusammenhang vielmehr auf die ausgeübten Funktionen, genutzten Wirtschaftsgüter und die übernommenen Risiken.6 Als Indizien sind hierfür maßgeblich der Personalund Kapitaleinsatz.7 Im Falle der Veräußerung von immateriellen Wirtschaftsgütern sollen Unsicherheiten in der Bewertung durch Preisanpassungsklauseln ausgeglichen werden, wenn auch unabhängige Unternehmen solche vereinbart hätten.8
5.33
Der für die Verrechnungspreisbestimmung maßgebliche Fremdvergleich orientiert sich bei kapitalintensiven und funktionsarmen Unternehmen an den von Ihnen übernommenen Risiken. Abzustellen ist hierbei auf die entsprechende vertragliche Gestaltung sowie auf die Personal- und Kapitalausstattung. Hieraus
5.34
1 OECD, Preventing the artificial avoidence of permanent establishment status, Action 7: 2015 final report; vgl. hierzu Schönfeld, DStJG 36 (2013), 233 (239); Wagemann, IWB 2016, 14; Bendlinger, SWI 2016, 188; Ban/Niehus/Pestl, DB 2016, 2136; zur Kritik aus deutscher Sicht Kreienbaum in FG Wassermeyer, 49 (54). 2 Hierzu Bendlinger, SWI 2016, 188 (189 f.). 3 Vgl. hierzu Wagemann, IWB 2016, 14 (17 f.); Waldens/Sprenger, DB 2016, 2125; Bendlinger, IStR 2016, 914 (916). 4 OECD, Aligning transfer pricing outcomes with value creation, Actions 8-10: 2015 Final reports. 5 Beispiele: Patente, Know how, Geschäftsgeheimnisse, Warenzeichen, Handelsnamen, Marken. 6 Krüger, DStZ 2016, 64 (74); Naumann/Groß, IStR 2014, 906 (910). 7 Greinert/Metzner, Ubg 2014, 307 (312); Roeder/Fellner, ISR 2014, 428 (434). 8 Dies entspricht in etwa der in § 1 Abs. 3 Satz 11 AStG verankerten Preisanpassungsklausel (Rz. 21.202).
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Kap. 5 Internationaler Steuerwettbewerb
folgt, dass etwa Finanzierungsgesellschaften, die keine weitergehenden Risiken übernehmen, ein Entgelt nur für die Finanzierungsfunktion beanspruchen können. 5.35
Für konzerninterne Dienstleistungen,1 etwa für Buchhaltung, Rechnungswesen, Personalwesen, Recht und Steuern, soll sich der Fremdvergleich an den Kosten orientieren, die für die Erbringung dieser Dienstleistungen angefallen sind. Entsprechend der auf die einzelnen Konzerngesellschaften entfallenden Anteile wird sodann ein Gewinnaufschlag von 5 % für angemessen gehalten.2 j) Offenlegung
5.36
Es werden Regelungen vorgeschlagen, die die Offenlegung3 (aggressiver) Steuerplanungsmodelle gegenüber den Finanzbehörden vorschreiben (Aktionspunkt 12).4 Diese Offenlegung dient der Transparenz und soll die Steuerverwaltungen frühzeitig über entsprechende (grenzüberschreitende) Gestaltungsmodelle informieren. Als zu dieser Offenlegung verpflichtete Personen kommen die betreffenden Steuerpflichtigen sowie die Vermarkter, also insbesondere Rechtsanwälte, Steuerberater oder sonstige Berater in Betracht.5 Die Steuermodelle, insbesondere hybride Gestaltungen sollen von den Vermarktern gegenüber den Finanzbehörden bereits zu dem Zeitpunkt offengelegt werden, zu dem sie für Zwecke der konkreten Umsetzung verfügbar sind. Soweit Steuerpflichtige zur Offenlegung verpflichtet sind, ist der Zeitpunkt der Umsetzung maßgeblich.6 Schließlich ist auch vorgesehen, dass die Angehörigen der nationalen Finanzverwaltungen in den Stand versetzt werden, sich über die offen gelegten Gestaltungsmodelle auszutauschen.7 k) Verrechnungspreisdokumentation
5.37
Um die Transparenz in der internationalen Unternehmensbesteuerung sicherzustellen8, ist eine dreiteilige Verrechnungspreisdokumentation vorgesehen (Aktionspunkt 13)9, und zwar eine Stammdokumentation (master file), eine detaillierte Verrechnungspreisdokumentation (local file) sowie eine länderbezogene Aufstellung bestimmter Konzernkennzahlen (Country-by-Country-Reporting – CbCR). Während die Stammdokumentation Informationen über den Organisationsauf1 Vgl. Ackermann/Greil, IWB 2015, 3; Elbert/Münch, IStR 2015, 341. 2 Hierzu Böhmer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 14.106. 3 Der Aktionspunkt 11 – OECD, Measuring and monitoring BEPS, Action 11: 2015 final report – betreffend Statistik wird hier nicht dargestellt; zu Einzelheiten vgl. Böhmer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 14.108 ff. 4 OECD, mandatory disclosure rules, Action 12: 2015 final report; vgl. § 138a AO (AHRLÄndUmsG). 5 Puls/Heravi, ISR 2015, 284. 6 Hierzu Böhmer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 14.116. 7 Böhmer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 14.120. 8 Es geht um die Informationsbeschaffung zugunsten der beteiligten Finanzbehörden; vgl. Naumann/Groß, IStR 2014, 792 (793). 9 OECD, Transfer pricing documentation and country-by-country reporting, Action 13: 2015 Final report.
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C. Unfairer Steuerwettbewerb
bau, wirtschaftliche Tätigkeiten, immaterielle Wirtschaftsgüter, konzerninterne Finanzaktivitäten und Finanzanlagen enthalten soll, geht es bei der detaillierten Verrechnungspreisdokumentation (local file) um Informationen darüber, ob die kaufmännischen und finanziellen Beziehungen dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen.1 Die Stammdokumentation ist von der betreffenden Konzernobergesellschaft und die detaillierte Verrechnungspreisdokumentation von jeder Konzerngesellschaft abzugeben. Das Country-by-Country-Reporting verpflichtet international agierende Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 750 Mio. US-Dollar länderbezogene Angaben insbesondere über Gewinne vor Steuern, zu zahlende Steuern, Anzahl der Mitarbeiter, Grundkapital, Rücklagen und Wirtschaftsgüter bereit zu stellen.2 Die so der zuständigen Finanzbehörde übermittelten Informationen sollen sodann im Wege des automatischen Informationsaustauschs den Finanzbehörden anderer Staaten zur Verfügung gestellt werden.3 Die Umsetzung erfolgt aus deutscher Sicht insbesondere durch Änderung von § 90 Abs. 3 AO und durch § 138a AO4 und zudem durch Ergänzung oder Änderung der betreffenden Doppelbesteuerungsabkommen und Informationsaustauschabkommen. Darüber hinaus ist der entsprechende Informationsaustausch auch auf Grundlage des MCAA5 sowie nach Maßgabe der EU-Amtshilferichtlinie möglich.6 l) Verständigungs- und Schiedsverfahren Während die Aktionspunkte 1–13 sämtlich auf die Vermeidung einer internationalen Minderbesteuerung gerichtet sind, geht es im Aktionspunkt 14 darum, durch Verbesserung der Streitbeilegungsmechanismen im Rahmen von Verständigungs- und Schiedsverfahren zwecks Vermeidung der Doppelbesteuerung zu verbessern. Im Vordergrund steht, den Zugang zu Verständigungsverfahren in Orientierung an Art. 25 Abs. 1–3 OECD-MA zu erleichtern und dies insbesondere bei Verrechnungspreisstreitigkeiten zu gewährleisten. Das bedeutet, dass auch bei Einigungen im Rahmen von Betriebsprüfungen Verständigungsverfahren noch möglich bleiben.7 Darüber hinaus soll auch gewährleistet werden, dass der Steuerpflichtige wählen kann, in welchem Staat er das Verständigungsverfahren einleiten möchte. Von besonderer Bedeutung ist, dass die Verständigungsverfahren in Zukunft zeitnah, d.h. innerhalb von 24 Monaten, beendet werden. Darüber hinaus sollen noch obligatorische Schiedsverfahren durchgeführt werden können.8
1 2 3 4 5 6 7 8
Groß, DB, Beilage zu Heft 47/2014, 10 (11). Zur Kritk an diesem Country-by-Country-Reporting Piltz, IStR 2015, 529 (531). Zu Fragen des Steuergeheimnisses Seer, IWB 2016, 6 (13). Vgl. AHRL-ÄndUmsG; hierzu Schnitger, IStR 2016, 637; Lück, IWB 2016, 478; Zech, IWB 2015, 924; Kahle/Schulz, DStZ 2016, 819. Multilateral Competent Authority Agreement on the Exchange of Country-by-Country Reports; vgl. Rz. 22.41. Hierzu Böhmer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 14.128. Vgl. zur derzeitigen Rechtslage Flüchter in S/D, Art. 25 OECD-MA, Rz. 100. Böhmer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch2, Rz. 14.133.
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5.38
Kap. 5 Internationaler Steuerwettbewerb
5.39
In Aktionspunkt 15 geht es schließlich um die Möglichkeit, durch multilaterale Abkommen simultane Änderungen aller bestehenden DBA nach Änderungen des OECD-MA entsprechend anzupassen.1 Im Hinblick auf die unverändert von allen Staaten für unverzichtbar gehaltene Steuersouveränität (Rz. 5.5) werden entsprechende Pläne wohl kaum umgesetzt werden.2
1 Zu Einzelheiten Reimer, IStR 2015, 1 ff. 2 In der Zwischenzeit hat allerdings die OECD den Text einer „Multilateral Convention to Implement Tax Treaty Related Measures to Prevent BEPS“ vorgelegt, das ab 31.12.2016 unterzeichnet werden kann; hierzu Geberth, GmbHR 2016, R380 (382).
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2. Teil Außensteuerrecht Kapitel 6 Einkommensteuer A. Anknüpfungspunkte für die Besteuerung . . . . . . . . . . . . B. I. II. III. IV. V. 1. 2. VI. VII. 1. 2. 3. VIII. IX. 1. 2. 3. 4. 5.
X. 1. 2. 3. 4. 5.
Unbeschränkte Steuerpflicht . . Wohnsitzprinzip . . . . . . . . . Wohnsitz . . . . . . . . . . . . . . Gewöhnlicher Aufenthalt . . . . Inland . . . . . . . . . . . . . . . . Sonderregelungen . . . . . . . . . NATO-Truppenstatut . . . . . . EU-Bedienstete . . . . . . . . . . Erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . Fingierte unbeschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . Europarechtliche Grundlagen . . Unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG . . . . . . . Familienstandsbezogene Steuerermäßigungen . . . . . . . Besteuerung des Welteinkommens (Welteinkommensprinzip) Durchbrechungen des Welteinkommensprinzips . . . . . . . Grundsatz . . . . . . . . . . . . . Fiskalimmunität . . . . . . . . . Verlustausgleichsbeschränkung (§ 2a Abs. 1 und 2 EStG) . . . . . Steuerfreistellung durch DBA . Steuerfreistellungen nach innerstaatlichem Recht . . . . . a) Teileinkünfteverfahren . . . . b) Hinzurechnungsbesteuerung c) Auslandstätigkeiten . . . . . . Umfang der Besteuerung . . . . Steuerbare Einkünfte . . . . . . . Zeitliche Zuordnung . . . . . . . Persönliche Zurechnung . . . . . Einkunftsartenzuordnung . . . . Einkünfteermittlung . . . . . . . a) Grundsätze . . . . . . . . . . . b) Zweistufige Gewinnermittlung . . . . . . . . . . . c) Besonderheiten . . . . . . . .
_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ __ _ _ _ _ _ _ __ _ __ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ 6.1
6.9 6.9 6.12 6.20 6.28 6.34 6.34 6.36
6.37
6.40 6.40 6.43
6.47
6.53
6.61 6.61 6.62 6.69 6.86
6.90 6.90 6.94 6.96 6.99 6.99 6.101 6.103 6.104 6.108 6.108 6.110 6.117
C. Beschränkte Steuerpflicht . . . . I. Überblick . . . . . . . . . . . . . II. Territorialitätsprinzip . . . . . . III. Objektsteuercharakter . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . 2. Durchbrechung des Nettoprinzips 3. Verstoß gegen das AusländerDiskriminierungsverbot . . . . . IV. Qualifizierung der inländischen Einkünfte . . . . . . . . . . . . . 1. Inlandsbezogene Qualifikationsmerkmale . . . . . . . . . . . . . 2. Isolierende Betrachtungsweise . V. Einkunftsarten . . . . . . . . . . 1. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft . . . . . . . . . . 2. Einkünfte aus Gewerbebetrieb . a) Allgemeines . . . . . . . . . . b) Betriebsstätte . . . . . . . . . . c) Ständiger Vertreter . . . . . . d) Beförderung mit Seeschiffen oder Luftfahrzeugen . . . . . . e) Internationale Betriebsgemeinschaften oder PoolAbkommen . . . . . . . . . . . f) Darbietungen . . . . . . . . . . g) Veräußerung von Anteilen an inländischen Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . h) Vermietung und Verpachtung sowie Veräußerung von unbeweglichem Vermögen, Sachinbegriffen und Rechten i) Vermittlung von Berufssportlern . . . . . . . . . . . . 3. Einkünfte aus selbständiger Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit . . . . . . . . . . . . . 5. Einkünfte aus Kapitalvermögen 6. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung . . . . . . . . . . . . 7. Sonstige Einkünfte . . . . . . . . VI. Veranlagung und Steuerabzug . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . .
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_ _ _ _ __ _ _ __ _ __ _ __ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _
6.122 6.122 6.126 6.129 6.129 6.132 6.146
6.150 6.150 6.153 6.158 6.158 6.160 6.160 6.163 6.176 6.182
6.188 6.191
6.205
6.213 6.219 6.223 6.231 6.242 6.249 6.259 6.267 6.267
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Kap. 6 Einkommensteuer 2. Veranlagung . . . . . . . . . . . . 3. Steuerabzug . . . . . . . . . . . . a) Grundsätze . . . . . . . . . . . b) Ausnahmen vom Steuerabzug mit Abgeltungswirkung . . . c) Steuerabzug auf Bruttobasis . d) Steuerabzug auf Nettobasis . e) Steuerabzug auf Anordnung . f) Abzugsverfahren . . . . . . . . g) Erstattungsverfahren . . . . . h) Freistellungs- und Kontrollmeldeverfahren . . . . . . . . 4. Steuererlass/Pauschbesteuerung D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick . . . . . . . . . . . . . II. Persönliche Voraussetzungen . 1. Deutsche Staatsangehörigkeit . 2. Frühere unbeschränkte Steuerpflicht im Inland . . . . . . . . . 3. Ansässigkeit im Ausland . . . . 4. Niedrigbesteuerung . . . . . . . . III. Sachliche Voraussetzungen . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . 2. Unmittelbare Inlandsinteressen 3. Mittelbare Inlandsinteressen . . IV. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . 2. Besteuerung erweiterter Inlandseinkünfte . . . . . . . . . 3. Vollprogression und Mindeststeuer . . . . . . . . . . . . . . . . V. Zurechnung bei zwischengeschalteten Auslandsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . 1. Zielsetzung . . . . . . . . . . . .
___ _ _ _ __ _ __ _ _ _ _ _ _ _ _ __ _ _ _
6.270 6.281 6.281
2. Gegenstand der Zurechnung . . 6.365 3. Zurechnungsempfänger . . . . . 6.366 4. Steueranrechnung . . . . . . . . 6.369
6.283 6.291 6.295 6.299 6.301 6.304
E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . 6.370
6.306 6.310
6.312 6.312 6.321 6.321
6.324 6.326 6.328 6.336 6.336 6.338 6.348 6.350 6.350 6.351 6.357 6.363 6.363
I. Einheitliche Veranlagung . . . . 6.370 II. Steuerentstrickung/Steuerverstrickung . . . . . . . . . . . . 6.372 III. Gewinnrealisierung durch Steuerentstrickung . . . . . . . . 1. Überblick . . . . . . . . . . . . . 2. Reichweite der Steuerentstrickung . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Steuerentstrickung im Betriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . a) Grundsätze . . . . . . . . . . . b) Ausnahmen (§ 50i Abs. 1 EStG) . . . . . . . . . . . . . . 4. Steuerentstrickung im Privatvermögen . . . . . . . . . . . . . .
6.381 6.381 6.383 6.385 6.385 6.391 6.399
IV. Steuerfolgen der Steuerverstrickung . . . . . . . . . . . . . . . . 6.402 V. Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG . . . . . . . . . . . . . . 1. Zielsetzung . . . . . . . . . . . . 2. Konzeptionelle Mängel . . . . . 3. Grundtatbestand . . . . . . . . . 4. Ergänzungstatbestände . . . . . . 5. Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . 6. Vorübergehende Abwesenheit . 7. Stundung . . . . . . . . . . . . . . a) Wegzug in Drittstaaten . . . . b) Wegzug in EU-/EWR-Staaten
6.406 6.406 6.407 6.411 6.416 6.423 6.430 6.433 6.433 6.434
Literatur Kommentare zu § 1 EStG; von Beckerath, Der Durchgriff im Außensteuerrecht, Berlin 1978; Beil, Der Belastungsgrund des steuerstaatlichen Synallagmas, Frankfurt/M. u.a., 2001; Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, Amsterdam 1964, 130 ff.; 161 ff.; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, Baden-Baden 1993, 228 ff., 276 ff.; Endriss, Wohnsitz- oder Ursprungsprinzip, Köln 1967; Großfeld, Basisgesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Tübingen 1974; Kluge, Das Internationale Steuerrecht, 4. Aufl. München 2000; Kroschel, Die Federal Income Tax der Vereinigten Staaten von Amerika, 1999; Kußmaul/Ruiner, Verfassungsrechtliche Grundlagen, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der Steuerpflicht bei natürlichen Personen in der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika, StuW 2009, 80; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, Köln 1981/88; Mennel/Förster, Steuern in Europa, Amerika und Asien (Loseblatt); Müller, Die völkerrechtliche Zulässigkeit der Erstreckung der deutschen Steuerhoheit auf ausländische Tochtergesellschaften, Diss. München 1969; Scheffler, Besteuerung der grenzüberschreitenden Unternehmenstätigkeit, München 1995, 49 ff.; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, Amsterdam 1936 (Neudruck Köln
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A. Anknüpfungspunkte für die Besteuerung 1967), 219 ff., 256 ff., 328 ff.; Stein/v. Buttlar/Kotzur, Völkerrecht, 14. Aufl. München 2017; Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. Köln 2015; Valta, Das Internationale Steuerrecht zwischen Effizienz, Gerechtigkeit und Entwicklungshilfe, Tübingen 2014; Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm – Eine Untersuchung über die Grundfragen des sog. Internationalen Verwaltungs- und Steuerrechts, Frankfurt/Berlin 1965; Weber-Fas, Grundzüge des allgemeinen Steuerrechts der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1979; Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, Hamburg 1991.
A. Anknüpfungspunkte für die Besteuerung Es gehört zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts, dass jeder Staat eine Steuerpflicht aufgrund seiner Steuergesetze nur dann begründen darf, wenn es hierfür persönliche oder räumliche Anknüpfungspunkte (genuine link) gibt.1
6.1
Für den Bereich der Steuern vom Einkommen ist es international üblich die persönliche Beziehung zum besteuernden Staat als Anknüpfungspunkt für die unbeschränkte Steuerpflicht und die räumliche Beziehung zum besteuernden Staat als Anknüpfungspunkt für die beschränkte Steuerpflicht zu wählen. Im Bereich der unbeschränkten Steuerpflicht wird wie in Deutschland durchweg in der Staatenpraxis auf den Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt (Wohnsitzprinzip) und in Ausnahmefällen auf die Staatsangehörigkeit (Nationalitätsprinzip) abgestellt. Das Wohnsitzprinzip (Ansässigkeitsprinzip) und Nationalitätsprinzip kennzeichnen die Umschreibung des Steuersubjekts.2 Mit diesen korrespondiert auf der Seite des Steuerobjekts3 zumeist das Welteinkommensprinzip (Universalitätsprinzip, Totalitätsprinzip oder Globalprinzip) und in Ausnahmefällen das Quellenprinzip (Territorialitätsprinzip). Bei beschränkter Steuerpflicht wird demgegenüber stets das Quellenprinzip (Territorialitätsprinzip) verwirklicht.
6.2
Der Begriff des Territorialitätsprinzips ist doppeldeutig. Soweit nämlich bei der Anknüpfung am Steuersubjekt Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt als territoriale Merkmale maßgeblich sind, wird zwecks Abgrenzung zum Nationalitätsprinzip der Begriff subjektives Territorialitätsprinzip verwendet. Auf der Ebene des Steuerobjekts findet dieser Begriff seine Parallele im sog. objektiven Territorialitätsprinzip, wodurch im Gegensatz zum Universalitätsprinzip eine Anknüpfung nur an inländische Steuerquellen gekennzeichnet wird.4
6.3
Die vorgenannten steuersubjekt- und steuerobjektbezogenen Anknüpfungsmerkmale sind in den verschiedenen Staaten unterschiedlich ausgeprägt. So
6.4
1 BFH v. 18.12.1963 – I 230/61 S, BStBl. III 1964, 253; v. 16.12.1964 – II 154/61 U, BStBl. III 1965, 134; Lehner/Waldhoff in K/S/M, § 1 EStG Rz. A 464 ff.; Lehner in V/L6; Grundlagen Rz. 11; Weber-Fas, Grundzüge des allgemeinen Steuerrechts der Bundesrepublik Deutschland, 61 (64); Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, 82 ff.; von Beckerath, Der Durchgriff im Außensteuerrecht, 143; Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, 78 f.; Valta, Das Internationale Steuerrecht zwischen Effizienz, Gerechtigkeit und Entwicklungshilfe, Tübingen 2014, 47. 2 Hierzu allgemein Seer in Tipke/Lang22, § 6 Rz. 30 ff. 3 Hierzu allgemein Seer in Tipke/Lang22, § 6 Rz. 36 ff.; umfassend Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 34 ff. 4 Vgl. den Diskussionsbeitrag von Mössner, DStJG 8 (1985), 122.
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Kap. 6 Einkommensteuer
hat insbesondere das Territorialitätsprinzip weltweit Weiterungen derart erfahren, dass nicht nur inländische, sondern im Ergebnis auch ausländische Einkunftsquellen erfasst werden. 6.5
Im Bereich der Besteuerung von (inländischen) Betriebsstätteneinkünften wird auf einer ersten Stufe zunächst auf das Territorialitätsprinzip dahingehend abgestellt, dass die beschränkte Steuerpflicht das Vorhandensein einer inländischen Betriebsstätte voraussetzt. Auf einer zweiten Stufe im Rahmen der Einkünfteermittlung der Betriebsstätte gilt sodann nicht mehr das Territorialitätsprinzip, sondern die sachliche – nicht räumliche – Zuordnung von Einkünften mit der Folge, dass auch ausländische Einkunftsquellen erfasst werden. Auch bei den übrigen der beschränkten Steuerpflicht unterworfenen Einkünften ist die territoriale Anknüpfung weit gezogen. So werden gem. § 49 Abs. 1 Nr. 3 und 4 EStG auch Einkünfte aus einer im Ausland ausgeübten selbständigen oder nichtselbständigen Arbeit erfasst, wenn sie im Inland verwertet wird oder worden ist.1
6.6
Im Bereich der unbeschränkten Steuerpflicht steht international die Anknüpfung an den Wohnsitz und den gewöhnlichen Aufenthalt (Ansässigkeit) sowie an die Staatsangehörigkeit im Vordergrund. Die Anknüpfung an Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt (Wohnsitzprinzip) findet ihre Rechtfertigung darin, dass grundsätzlich die staatlichen Leistungen allen Bewohnern zugänglich gemacht werden und diese ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit die verfassungsrechtlich verankerten Gleichheitsgewährleistungen in Anspruch nehmen können.2 Eine kumulative oder alternative Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit lässt sich unter dem Gesichtspunkt der staatlichen Gewährleistung – Wahlrecht, diplomatischer Auslandsschutz – ebenfalls rechtfertigen.3 Im Hinblick darauf ist die Gewichtung in den einzelnen Staaten unterschiedlich.4
6.7
Die USA knüpfen die unbeschränkte Steuerpflicht sowohl an die Ansässigkeit als auch an die Staatsangehörigkeit an. Im Vordergrund steht die Staatsangehörigkeit (Nationalitätsprinzip). Darüber hinaus werden im Rahmen des Ansässigkeitsprinzips jene Personen erfasst, die entweder im Besitz einer Daueraufenthaltsgenehmigung der USA sind (permanent residency permit, sog. greencard)5 oder sich im laufenden und in den beiden vergangenen Kalenderjahren – berechnet nach einem bestimmten Schlüssel – insgesamt mindestens 183 Tage in den USA aufgehalten haben, wobei auf das laufende Kalenderjahr eine Aufenthaltsfrist von mindestens 31 Tagen entfallen muss (substantial presence).6 1 Noch weitergehend § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c EStG, wonach die ausländische Tätigkeit eines Geschäftsführers, Prokuristen oder eines Vorstandsmitglieds einer Gesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland auch ohne Verwertung im Inland erfasst wird; vgl. hierzu Rz. 6.237. 2 Vgl. nur Valta, Das Internationale Steuerrecht zwischen Effizienz, Gerechtigkeit und Entwicklungshilfe, Tübingen 2014, 195 f. m.w.N. 3 Valta, Das Internationale Steuerrecht zwischen Effizienz, Gerechtigkeit und Entwicklungshilfe, Tübingen 2014, 196 m.w.N. 4 Zum internationalen Vergleich Lehner/Waldhoff in K/S/M, § 1 EStG Rz. A 246 ff.; vgl. auch die Länderdarstellungen bei Mennel/Förster, Steuern in Europa, Amerika und Asien. 5 Maywald/Miethe in Mennel/Förster, Steuern in Europa, Amerika und Asien, USA Rz. 36. 6 Sog. Substantial presence test; Maywald/Miethe in Mennel/Förster, Steuern in Europa, Amerika und Asien, USA Rz. 36; Kroschel, Die Federal Income Tax der Vereinigten Staaten von Amerika, S. 48; vgl. auch Kußmaul/Ruiner, StuW 2009, 80 (81 ff.).
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A. Anknüpfungspunkte für die Besteuerung
In Kanada knüpft die unbeschränkte Steuerpflicht in erster Linie an den gewöhnlichen Aufenthalt an. Erfasst werden „resident persons“, also jene Personen, die sich insgesamt mindestens 183 Tage in dem betreffenden Steuerjahr in Kanada aufgehalten haben. Einwanderer können sich auf Antrag während der ersten fünf Jahre so behandeln lassen, als seien sie nicht in Kanada ansässig.1 Die unbeschränkte Steuerpflicht in Großbritannien setzt bei einer natürlichen Person eine residence bzw. eine ordinarily residence oder ein domicile voraus. Die residence knüpft an den Wohnsitz im Inland an, es sei denn, trotz Wohnsitzes wird im Ausland eine vollberufliche Tätigkeit ausgeübt. Auch bei einem Aufenthalt von mehr als 183 Tagen im Steuerjahr oder während durchschnittlich mindestens dreier Monate pro Jahr innerhalb der letzten drei aufeinander folgenden Jahre liegt ein Wohnsitz in Großbritannien vor. Mit gewissen Beschränkungen modifiziert steuerpflichtig ist, wer in Großbritannien zwar „ansässig“, aber nicht „gewöhnlich ansässig“ (ordinarily resident) ist, also nicht beabsichtigt, auf Dauer im Inland zu leben oder eine Wohnung zu unterhalten. Er kann erst nach weiteren zwei oder drei Jahren unter gewissen Voraussetzungen der vollen unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen.2 Wer zwar eine residence in Großbritannien hat, aber kein domicile, unterliegt ebenfalls Modifizierungen der unbeschränkten Steuerpflicht, wobei das domicile daran anknüpft, ob jemand Großbritannien als seine Heimat betrachtet. Nach den Grundsätzen des „domicile of origin“ hat der Steuerpflichtige sein domicile am Wohnsitzstaat des Vaters bzw. der Mutter.3 Unter die unbeschränkte Steuerpflicht in Frankreich fallen nicht nur Personen, die dort ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt haben, sondern auch jene, die dort einer selbständigen oder unselbständigen und nicht nur nebenberuflich ausgeübten Tätigkeit nachgehen, oder deren Mittelpunkt der wirtschaftlichen Interessen in Frankreich liegt, ohne dort einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt zu haben.4 Damit sind in Frankreich die Anknüpfungspunkte für die unbeschränkte Steuerpflicht sehr weit gezogen. In der Schweiz werden von der unbeschränkten Steuerpflicht Personen erfasst, die dort ihren Wohnsitz haben, sich dort für mindestens 30 Tage aufhalten und eine Erwerbstätigkeit ausüben, oder sich, ohne eine Erwerbstätigkeit auszuüben, mindestens 90 Tage in der Schweiz aufhalten.5 Japan hat ein ähnliches Steuerregime wie Großbritannien: Personen, die den Mittelpunkt ihrer Lebensverhältnisse in Japan haben oder sich dort seit mindestens einem Jahr aufhalten, sind unbeschränkt steuerpflichtig. Ausländer, die nicht beabsichtigen, in Japan ansässig zu werden, und innerhalb der letzten zehn Jahre 1 Maywald in Mennel/Förster, Steuern in Europa, Amerika und Asien, Kanada Rz. 34. 2 Zu den Einzelheiten Alberts in Mennel/Förster, Steuern in Europa, Amerika und Asien, Großbritannien Rz. 22. 3 Alberts in Mennel/Förster, Steuern in Europa, Amerika und Asien, Großbritannien Rz. 23. 4 Hellio/Crucifix/Schruoffeneger in Mennel/Förster, Steuern in Europa, Amerika und Asien, Frankreich Rz. 40. 5 Kolb in Mennel/Förster, Steuern in Europa, Amerika und Asien, Schweiz Rz. 22; Kubaile/ Suter/Jakob, Der Steuer- und Investitionsstandort Schweiz2, 18.
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Kap. 6 Einkommensteuer
tatsächlich nicht länger als fünf Jahre ansässig geworden sind, unterliegen einer modifizierten unbeschränkten Steuerpflicht dahingehend, dass nur die inländischen Einkünfte und die von ihnen ins Inland transferierten ausländischen Einkünfte der Besteuerung unterliegen.1 6.8
Die in der internationalen Staatenpraxis gängige Differenzierung zwischen Universalitätsprinzip bei unbeschränkter Steuerpflicht und Territorialitätsprinzip bei beschränkter Steuerpflicht gilt vor allem bei einigen lateinamerikanischen Staaten nicht, deren Einkommensteuerrecht noch vom Territorialitätsprinzip geprägt ist.2
B. Unbeschränkte Steuerpflicht I. Wohnsitzprinzip Literatur Kommentare zu § 1 Abs. 1 bis 3 EStG; Bayer, Der Stufenbau des Steuertatbestandes, FR 1985, 337; Bayer/Müller, Das Einkommen – der Steuergegenstand des Einkommensteuerrechts?, BB 1978, 1; Gnazzo in Engelschalk/Flick u.a., Steuern auf ausländische Einkünfte, München 1985, 57 ff.; Huemer, Die unbeschränkte Steuerpflicht natürlicher Personen, Wien 1996; Valdés Costa in Engelschalk/Flick u.a., Steuern auf ausländische Einkünfte, München 1985, 43 ff.
6.9
Das Einkommensteuergesetz folgt dem international üblichen Wohnsitzprinzip, indem es die unbeschränkte Steuerpflicht an den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt anknüpft (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG).
6.10
Das derzeit geltende Wohnsitzprinzip mit der ausschließlichen Anknüpfung an Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt wurde erst durch das Einkommensteuergesetz 19253 verwirklicht. Bis dahin galt daneben auch das Nationalitätsprinzip. Dieses Nationalitätsprinzip wurde begründet im preußischen Einkommensteuergesetz von 1891, in dem die unbeschränkte Steuerpflicht ausschließlich an die preußische Staatsangehörigkeit anknüpfte.4 Mit dem Einkommensteuergesetz 19205 wurde das Nationalitätsprinzip durch das Wohnsitzprinzip dahingehend modifiziert, dass unbeschränkt steuerpflichtig alle Deutschen waren, sofern sie sich nicht länger als zwei Jahre im Ausland aufhielten, sowie Ausländer, soweit sie sich ständig oder länger als sechs Monate im Inland aufhielten.
6.11
Mit dem in § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG normierten Wohnsitzprinzip wird das Steuersubjekt, die persönliche Seite des Steuertatbestandes geregelt. Demgegenüber bestimmt § 2 EStG das Steuerobjekt, die sachlichen Voraussetzungen des Steuertatbestandes.6 Dieser dualistische Steuertatbestand, der um die Elemente der Zu1 Arnold in Mennel/Förster, Steuern in Europa, Amerika und Asien, Japan Rz. 19 f. 2 Z.B. in Bolivien, Costa Rica, Uruguay; hierzu Valdés Costa in Engelschalk/Flick u.a., Steuern auf ausländische Einkünfte, 43 ff.; Gnazzo in Engelschalk/Flick u.a., Steuern auf ausländische Einkünfte, 57 ff. 3 Einkommensteuergesetz 1925 v. 10.6.1925, RGBl. I 1925, 189. 4 Hinweise bei Clausen in H/H/R, Dok. Rz. 3. 5 Vom 29.3.1920, RGBl. 1920, 359. 6 Zur „Lehre vom Einkommensteuertatbestand“ Musil in H/H/R, § 2 EStG Rz. 17, 51.
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B. Unbeschränkte Steuerpflicht
rechnung – Verknüpfung zwischen Steuersubjekt und Steuerobjekt – und des Steuertarifs ergänzt wird,1 gilt nur bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht. Für die beschränkte Steuerpflicht wird demgegenüber durch § 1 Abs. 4 EStG ein monistischer Steuertatbestand dadurch statuiert, dass Steuerausländer nur dann beschränkt steuerpflichtig sind, wenn sie inländische Einkünfte i.S. des § 49 EStG erzielen. Hiernach kann nur diejenige natürliche Person Steuersubjekt sein, der ein Steuerobjekt zugerechnet werden kann. Im Hinblick darauf haben die Begriffe der unbeschränkten und beschränkten Steuerpflicht vor allem Bedeutung für das Steuerobjekt.
II. Wohnsitz Literatur Kommentare zu § 8 AO, § 1 EStG; Birkholz, Der Wohnsitz, seine Begründung, seine Aufgabe und deren Bedeutung im Rahmen des Steuerrechts, DStZ A 1979, 247 ff.; Debatin, Der doppelte Wohnsitz im Internationalen Steuerrecht, AWD 1966, 313 ff.; E. Becker, Wohnsitz, StuW 1939, 553 ff.; Esser, Die Wohnsitzregelung im deutschen Steuerrecht, RIW 1976, 513 ff.; Flick/Flick-Pistorius, Zur Frage des steuerlichen (Studenten-) Wohnsitzes, DStR 1989, 623 ff.; Greven, Der Wohnsitz natürlicher Personen nach deutschem Steuerrecht, Diss. Basel 1955; Heining, Der Wohnsitz im Internationalen Steuerrecht, JbFSt 1967/68, 37 ff.; Lederer, Doppelter Wohnsitz natürlicher Personen im Internationalen Steuerrecht, RIW/AWD 1981, 463 ff.; Lohmeyer, Wohnsitz und gewöhnlicher Aufenthalt im Steuerrecht, DVStR 1975, 21 ff.; Paus, Zeitliche Mindestanforderungen bei der Begründung eines Wohnsitzes im Inland und bei der Förderung von Ferienwohnungen, DStZ 1989, 283 ff.; Strickrodt, Auslandswohnsitz und Ausländereigenschaft als Besteuerungsmerkmale, DStR 1966, 99 ff.; Tanzer, Der Ansässigkeits-(Wohnsitz-)begriff im international-nachbarschaftlichen Vergleich (Österreich-Deutschland-Schweiz) in Festschrift Loukota, Wien 2005, 521 ff.
Einen Wohnsitz hat jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird (§ 8 AO).
6.12
Mit § 8 AO hat sich das Steuerrecht einen spezifischen Wohnsitzbegriff geschaffen, der sich etwa von den §§ 7 und 8 BGB dadurch unterscheidet, dass er nicht auf subjektive Umstände, sondern allein auf die tatsächliche Gestaltung abstellt.2 Im Hinblick darauf kommt es auch nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige einen Wohnsitz begründen oder aufheben wollte. Manifestiert sich der Wille des Steuerpflichtigen indessen nach außen, etwa durch An- und Abmeldung des Wohnsitzes bei der Ordnungsbehörde, kann insoweit ein dahingehender Indikator für den Wohnsitz gegeben sein.3
6.13
Der Wohnsitzbegriff setzt eine Wohnung voraus. Es müssen also zum Wohnen geeignete Räumlichkeiten vorhanden sein, die allerdings nicht bestimmten Anforderungen entsprechen müssen. Daher spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob
6.14
1 Hierzu im Überblick Musil in H/H/R, § 2 EStG Rz. 17. 2 BFH v. 14.11.1969 – III R 95/68, BStBl. II 1970, 153; v. 23.11.1988 – II R 139/87, BStBl. II 1989, 182; v. 24.7.1996 – I R 74/95, BStBl. II 1997, 132; v. 19.3.1997 – I R 69/96, BStBl. II 1997, 447; v. 21.3.2003 – III B 123/02, BFH/NV 2003, 944; Drüen in T/K, § 8 AO Rz. 2; Lehner/Waldhoff in K/S/M, § 1 EStG Rz. B 87; Tiede in H/H/R, § 1 EStG Rz. 62. 3 RFH v. 25.4.1933, RStBl. 1933, 1075; v. 17.11.1938, RStBl. 1938, 1122; BFH v. 14.11.1969 – III R 95/68, BStBl. II 1970, 153.
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Kap. 6 Einkommensteuer
die Räumlichkeiten angemessen oder gar standesgemäß sind.1 Somit kommen als Wohnung in Betracht: Baracken, Hotelzimmer bei Dauernutzung, Wochenendhäuser, Jagdhäuser, Gartenhäuschen in einer Laubenkolonie, Wohnwagen bei Dauermiete auf einem Campingplatz.2 Ebenso ist es ohne Bedeutung, ob die Räumlichkeiten möbliert sind oder nicht.3 6.15
Der Wohnsitzbegriff verlangt ferner ein Innehaben der Wohnung. Ein Innehaben ist zu bejahen, wenn der Steuerpflichtige über die Wohnung tatsächlich verfügen kann, und zwar aufgrund eigener oder abgeleiteter Verfügungsmacht.4 Eine jedenfalls abgeleitete Verfügungsmacht ist insbesondere in den Fällen eines Familienwohnsitzes anzunehmen, wenn der Betreffende bei sich bietender Gelegenheit dorthin immer wieder zurückkehrt, um dort mit der Familie zu wohnen.5 Im Hinblick darauf ist im Zweifel davon auszugehen, dass etwa auswärts arbeitende Ehegatten und an einem anderen Studienort studierende Kinder ihren Wohnsitz dort haben, wo die Familie ihren Wohnsitz hat.6 Eine derartige Verfügungsmacht ist indessen grundsätzlich zu verneinen, wenn sich jemand lediglich zu Besuchszwecken bei einer anderen Person, auch wenn es sich hierbei um Verwandte handelt, oder in einem Hotel aufhält.7
6.16
Für den Wohnsitzbegriff kommt es auch auf die Umstände des Innehabens an. Diese müssen darauf schließen lassen, dass die Wohnung beibehalten und benutzt wird. Wesentlich ist somit, dass objektiv die Wohnung ihrem Inhaber jederzeit als Bleibe zur Verfügung steht und von ihm subjektiv zu entsprechender Nutzung auch bestimmt ist.8 Es wird also nicht auf die tatsächliche Nutzung abgestellt. So reicht es bei Abwesenheit des Wohnungsinhabers aus, wenn die Wohnung so ausgestattet ist, dass er jederzeit zurückkehren und sich hierin aufhalten kann.9 Wird die Wohnung während der Abwesenheit dagegen vermietet, entfällt die von § 8 AO vorausgesetzte Verfügungsmacht über diese Wohnung, es sei denn, es handelt sich nur um eine vorübergehende Unterbrechung der Verfügungsmacht.10 In Anlehnung an § 9 Satz 2 AO kann ein Zeitraum von nicht mehr als sechs Monaten noch als vorübergehend angesehen werden.11 1 Drüen in T/K, § 8 AO Rz. 5. 2 So die Aufzählung bei Drüen in T/K, § 8 AO Rz. 5 und Tiede in H/H/R, § 1 EStG Rz. 63 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung. 3 Tiede in H/H/R, § 1 EStG Rz. 63. 4 BFH v. 23.11.1988 – II R 139/87, BStBl. II 1989, 182; v. 23.11.2000 – VI R 107/99, BStBl. II 2001, 294. 5 BFH v. 29.10.1959 – IV 129/58 S, BStBl. III 1960, 61; v. 19.3.2002 – VIII R 62/00, BFH/NV 2002, 1146 (1148); v. 30.10.2002 – VIII R 86/00, BFH/NV 2003, 464. 6 Zu Ehegatten BFH v. 6.2.1985 – I R 23/82, BStBl. II 1985, 331; v. 2.11.1994 – I B 110/94, BFH/NV 1995, 753; zu Studenten BFH v. 23.11.2000 – VI R 107/99, BStBl. II 2001, 294; zu weiteren Einzelheiten Tiede in H/H/R, § 1 EStG Rz. 65 ff.; Drüen in T/K, § 8 AO Rz. 7.10 ff. 7 Zu Einzelheiten Drüen in T/K, § 8 AO Rz. 6, 6a, 6b. 8 BFH v. 30.8.1989 – I R 215/85, BStBl. II 1989, 956; v. 22.4.1994 – III R 22/92, BStBl. II 1994, 887; v. 17.5.1995 – I R 8/94, BStBl. II 1996, 2; v. 19.3.1997 – I R 69/96, BStBl. II 1997, 447; v. 23.11.2000 – VI R 107/99, BStBl. II 2001, 294. 9 BFH v. 17.5.1995 – I R 8/94, BStBl. II 1996, 2; weitere Einzelheiten bei Drüen in T/K, § 8 AO Rz. 9 ff. 10 BFH v. 23.3.1972 – I R 128/70, BStBl. II 1972, 949; Tiede in H/H/R, § 1 EStG Rz. 70. 11 BFH v. 22.8.2007 – III R 89/06, BFH/NV 2008, 351; Tiede in H/H/R, § 1 EStG Rz. 68.
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B. Unbeschränkte Steuerpflicht
Ob die Umstände auf ein Beibehalten und Benutzen der Wohnung schließen lassen, beurteilt sich nach der Lebenserfahrung.1 Hiernach werden Räumlichkeiten, die eine den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen entsprechende Bleibe darstellen, ebenso für ein Beibehalten und Benutzen sprechen2 wie regelmäßige Aufenthalte des Steuerpflichtigen dortselbst.3
6.17
Das Innehaben einer Wohnung unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass der Steuerpflichtige sie beibehalten und benutzen wird, drückt schließlich ein Zeitmoment aus. Das bedeutet, dass die Umstände dafür sprechen müssen, dass die Wohnung nicht nur vorübergehend benutzt wird. Da § 8 AO keine konkrete Zeitregelung enthält, kann insoweit auf die Sechsmonatsfrist des § 9 Satz 2 AO zurückgegriffen werden.4
6.18
Im Hinblick auf die vorgenannten Begriffsmerkmale kann ein Steuerpflichtiger durchaus mehrere Wohnsitze gleichzeitig haben.5
6.19
III. Gewöhnlicher Aufenthalt Literatur Kommentare zu § 9 AO und § 1 EStG; Deppe, Zur Vorhersehbarkeit von Entscheidungen zum gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO), StuW 1982, 332 ff.; Hartmann, Der gewöhnliche Aufenthalt im Steuerrecht, DB 1974, 2427 ff.; Heinemann, Eintritt der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 14 Abs. 1 Satz 2 StAnpG, FR 1964, 26; Land, Zur Frage der unbeschränkten Steuerpflicht in Sonderfällen, DStZ 1980, 472 ff.; Löffler/Stadler, Der gewöhnliche Aufenthalt (§ 9 AO) des weggezogenen „aktiven Gesellschafters“, IStR 2008, 832.
Gemäß § 9 Satz 1 AO hat jemand seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt. Damit knüpft der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts ebenso wie der Wohnsitzbegriff an äußere Merkmale an. Auf einen entsprechenden Willen des Steuerpflichtigen kommt es nicht an.6 Daher kann auch ein Zwangsaufenthalt, etwa im Gefängnis7 oder im Krankenhaus,8 zu einem gewöhnlichen Aufenthalt führen.
1 BFH v. 19.3.1997 – I R 69/96, BStBl. II 1997, 447; Drüen in T/K, § 8 AO Rz. 9. 2 BFH v. 24.4.1964 – VI 236/62 U, BStBl. III 1964, 462; v. 14.11.1969 – III R 95/68, BStBl. II 1970, 153; v. 23.10.1985 – I R 274/82, BStBl. II 1986, 133; v. 19.3.1997 – I R 69/96, BStBl. II 1997, 447. 3 BFH v. 4.6.1964 – IV 29/64 U, BStBl. III 1964, 535; v. 6.3.1968 – I 38/65, BStBl. II 1968, 439; v. 26.2.1986 – II R 200/82, BFH/NV 1987, 301; v. 23.11.1988 – II R 139/87, BStBl. II 1989, 182; v. 22.4.1994 – III R 22/92, BStBl. II 1994, 887. 4 BFH v. 30.8.1989 – I R 215/85, BStBl. II 1989, 956; BFH v. 22.8.2007 – III R 89/06, BFH/NV 2008, 351; Tiede in H/H/R, § 1 EStG Rz. 68. 5 BFH v. 24.10.1969 – IV 290/64, BStBl. II 1970, 109; v. 10.8.1983 – I R 241/82, BStBl. II 1984, 11; v. 26.2.1986 – II R 200/82, BFH/NV 1987, 301; v. 19.3.1997 – I R 69/96, BStBl. II 1997, 447; v. 23.11.2000 – VI R 107/99, BStBl. II 2001, 294; v. 19.3.2002 – VIII R 62/00, BFH/NV 2002, 1411; v. 28.1.2004 – I R 56/02, BFH/NV 2004, 917. 6 Drüen in T/K, § 9 AO Rz. 2; Tiede in H/H/R, § 1 EStG Rz. 74. 7 RFH v. 19.10.1940, RFHE 49, 186; BFH v. 14.11.1986 – VI B 97/86, BFH/NV 1987, 262. 8 BFH v. 23.7.1971 – III R 60/70, BStBl. II 1971, 758; hier greift aber ggf. § 9 Satz 3 AO ein.
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Kap. 6 Einkommensteuer
6.21
§ 9 Satz 1 AO verlangt einen nicht nur vorübergehenden Aufenthalt. Hierfür ist eine körperliche Anwesenheit für einen längeren Zeitraum an einem bestimmten Ort oder in einem bestimmten Gebiet erforderlich.1 Hieraus folgt, dass auch ein wechselnder Aufenthalt an verschiedenen Orten im Bundesgebiet nach § 9 Satz 1 AO einen gewöhnlichen Aufenthalt begründen kann.2
6.22
Im Wege des Umkehrschlusses aus § 9 Satz 2 AO ergibt sich, dass eine Aufenthaltsdauer von mehr als sechs Monaten nicht erforderlich ist, um einen gewöhnlichen Aufenthalt nach Maßgabe des § 9 Satz 1 AO zu begründen. In diesem Fall muss aber erkennbar gewesen sein, dass der Steuerpflichtige sich ursprünglich länger als sechs Monate im Inland aufhalten wollte.3 Im Hinblick darauf wird in der Besteuerungspraxis bei einer kürzeren Aufenthaltsdauer ein gewöhnlicher Aufenthalt nur ausnahmsweise angenommen werden können.4
6.23
Die Umstände des Aufenthalts müssen erkennen lassen, dass sich die betreffende Person nicht nur vorübergehend im Inland aufhält. Diese Voraussetzung ist insbesondere nicht bei Personen erfüllt, die im Inland eine Tätigkeit ausüben und täglich in ihre im Ausland gelegene Wohnung zurückkehren. Daher ist ein gewöhnlicher Aufenthalt bei ausländischen Grenzgängern stets zu verneinen.5 Dies gilt unabhängig davon, ob es sich um Arbeitnehmer oder um selbständige Unternehmer handelt.6 Wer allerdings regelmäßig an Arbeitstagen am inländischen Arbeits-/Geschäftsort übernachtet und sich nur am Wochenende bzw. an Feiertagen und im Urlaub zu seinem ausländischen Wohnsitz begibt, hat jedenfalls einen inländischen gewöhnlichen Aufenthalt.7
6.24
Im Hinblick darauf, dass die Begriffsmerkmale vorübergehender Aufenthalt und Begleitumstände des Aufenthalts sehr unscharf sind, enthält § 9 Satz 2 AO die Bestimmung, dass als gewöhnlicher Aufenthalt im Inland stets und von Beginn an ein zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten Dauer anzusehen ist. Sobald die Sechsmonatsfrist überschritten ist, wird der gewöhnliche Aufenthalt auf den Beginn zurückbezogen. § 9 Satz 2 AO regelt, dass kurzfristige Unterbrechungen, etwa zu Urlaubszwecken, unberücksichtigt blei1 BFH v. 3.8.1977 – I R 210/75, BStBl. II 1978, 118; v. 30.8.1989 – I R 215/85, BStBl. II 1989, 956. 2 Musil in H/H/Sp, § 9 AO Rz. 19; Drüen in T/K § 9 Rz. 5; Tiede in H/H/R, § 1 EStG Rz. 74; für Zwecke der unbeschränkten Steuerpflicht wird das gesamte Inland als „Gebiet“ angenommen. 3 BFH v. 3.8.1977 – I R 210/75, BStBl. II 1978, 118; v. 30.8.1989 – I R 215/85, BStBl. II 1989, 956. 4 Vgl. BMF v. 31.1.2014 – IV A 3 - S 0062/14/10002 – DOK 2014/0108334, BStBl. I 2014, 290 (AO-Anwendungserlass) zu § 9 AO Tz. 1. 5 BFH v. 10.5.1989 – I R 50/85, BStBl. II 1989, 755; v. 25.1.1989 – I R 205/82, BStBl. II 1990, 687; v. 25.5.1988 – I R 225/82, BStBl. II 1988, 944; v. 20.4.1988 – I R 219/82, BStBl. II 1990, 701; v. 10.8.1983 – I R 241/82, BStBl. II 1984, 11; v. 5.2.1965 – VI 334/63 U, BStBl. III 1965, 352; v. 9.2.1966 – I 244/63, BStBl. III 1966, 522; v. 1.3.1963 – VI 119/61 U, BStBl. III 1963, 212; Tiede in H/H/R, § 1 EStG Rz. 74 m.w.N. 6 BFH v. 6.2.1985 – I R 23/82, BStBl. II 1985, 331; Deppe, StuW 1982, 332 (443); BMF v. 31.1. 2014 – IV A 3 - S 0062/14/10002 – DOK 2014/0108334, BStBl. I 2014, 290 (AO-Anwendungserlass) zu § 9 AO Tz. 2. 7 BFH v. 25.5.1988 – I R 225/82, BStBl. II 1988, 944; BMF v. 31.1.2014 – IV A 3 - S 0062/14/ 10002 – DOK 2014/0108334, BStBl. I 2014, 290 (AO-Anwendungserlass) zu § 9 AO Tz. 2.
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B. Unbeschränkte Steuerpflicht
ben mit der Folge, dass sie einerseits nicht zu einer Neuberechnung der Sechsmonatsfrist führen und andererseits bei der Berechnung der Sechsmonatsfrist nicht mit einzubeziehen sind.1 Die Sechsmonatsfrist2 muss nicht zur Gänze in ein Kalenderjahr fallen.3 Aus § 9 Sätze 1 und 2 AO folgt, dass ein Steuerpflichtiger gleichzeitig nicht mehrere gewöhnliche Aufenthalte haben kann.4
6.25
§ 9 Satz 3 AO ist eine Sondervorschrift im Verhältnis zu § 9 Satz 2 AO, so dass ein gewöhnlicher Aufenthalt nicht anzunehmen ist, wenn der Aufenthalt ausschließlich zu Besuchs-, Erholungs-, Kur- oder ähnlichen privaten Zwecken erfolgt und nicht länger als ein Jahr dauert. Damit wird die Sechsmonatsfrist für die vorgenannten Zwecke auf ein Jahr ausgedehnt. In derartigen Fällen kann gleichwohl aber ein gewöhnlicher Aufenthalt nach Maßgabe des § 9 Satz 1 AO begründet werden.
6.26
Da sich weder aus den §§ 8 und 9 AO noch aus § 1 Abs. 1 EStG eine Regelung über die Konkurrenz zwischen Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt entnehmen lässt, stehen beide Anknüpfungsmerkmale für die unbeschränkte Steuerpflicht selbständig nebeneinander.5 Gleichwohl wird in der Besteuerungspraxis primär auf den Wohnsitz abgestellt.6
6.27
IV. Inland Literatur Kommentare zu § 1 Abs. 1 EStG; Behrendt/Wischott/Krüger, Praxisfragen zu deutschen Besteuerungsrechten im Zusammenhang mit Offshore-Windparks in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone, BB 2012, 1827; Bode, Grundsatzfragen einer beschränkten Steuerpflicht der im deutschen Kontinentalsockelbereich der Nordsee tätig gewordenen Steuerausländer, DB 1976, 405; Frowein, Verfassungsrechtliche Probleme um den deutschen Festlandsockel, ZaöRV 25 (1965), 1; Hawlitschek, Gedanken zur geplanten (vermeintlichen) Erweiterung des Inlandsbegriffs für die Ertragsteuern, IStR 2015, 413; Hillert, Steuerliche Behandlung des Festlandsockels, FR 1974, 266; Kölble, Bundesstaat und Festlandsockel, DÖV 1964, 217; Kübler, Klärung der allgemeinen Hoheitsverhältnisse auf dem Bodensee?, DÖV 1976, 184; Kurz, Der Bodensee – steuerrechtliches Inland der Bundesrepublik?, DStR 1975, 461; Lang, Zum Inlandsbegriff des EStG 1975, StuW 1974, 293; Maciejewski/Theilen, Steuern an ihren Grenzen: Der (erweiterte) Inlandsbegriff im deutschen Ertragsteuerrecht und seine völkerrechtlichen Bezüge, IStR 2013, 846; Petry, Die Ertragsbesteuerung auf dem deutschen Festlandsockel und in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone, Lohmar 2008; Rudolf, Deutsch-luxemburgisches Kondominium, AVR 24 (1986), 301; Schenk, Brauchen wir ein Bodensee-Statut?, BayVBl. 1979, 428; Schmidt, Neue „Inland“- und „Ausland“-Begriffe im Steuerrecht, DB 1977, 2016; Scholtz, Festlandsockel – Land- und Forstwirtschaft – Modernisierungsaufwand – beschränkte Steuerpflicht – Erfindervergünstigungen, DStZ A 1974, 241; Schröer, Staatliche Gebietshoheit und die 1 2 3 4
Drüen in T/K, § 9 AO Rz. 10, 11. Berechnung nach §§ 187 ff. BGB. BFH v. 19.8.1981 – I R 51/78, BStBl. II 1982, 452; Deppe, StuW 1982, 332 ff. BFH v. 9.2.1966 – I 244/63, BStBl. III 1966, 522; v. 10.8.1983 – I R 241/82, BStBl. II 1984, 11; Drüen in T/K, § 9 AO Rz. 3. 5 Drüen in T/K, § 9 AO Rz. 1. 6 Vgl. etwa BFH v. 28.8.1968 – I B 7/68, BStBl. II 1968, 819; Tiede in H/H/R, § 1 EStG Rz. 73.
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Kap. 6 Einkommensteuer verfassungsrechtlichen Verhältnisse am deutschen Festlandsockel, RIW 1978, 507; Schweiger, Staatsgremium Bodensee und IGH-Statut, BayVBl. 1995, 65; Waldhoff/Engler, Die Küste im deutschen Ertragsteuerrecht – am Beispiel der Besteuerung von Offshore-Energieerzeugung, FR 2012, 254; Wengler, Der Inlandsbegriff im deutschen Recht mit besonderer Berücksichtigung des Personenstandsrechts, Saarbrücken 1986.
6.28
Das Einkommensteuergesetz enthält keine Definition des Inlandsbegriffs. Der Verzicht auf eine derartige Definition ist politisch motiviert,1 hat seit der Wiedervereinigung aber keine Bedeutung mehr.
6.29
Mangels einer besonderen gesetzlichen Regelung ist das Inland i.S. des Einkommensteuergesetzes identisch mit dem Geltungsbereich des Grundgesetzes, so dass das Inland das Hoheitsgebiet Deutschlands erfasst.2 Zum Inland gehören daher auch die (früheren) Zollfrei- und Zollausschlussgebiete,3 nicht dagegen die ehemaligen deutschen Ostgebiete,4 sudetendeutschen Gebiete5 und die Zollanschlussgebiete.6
6.30
Zum Inland gem. § 1 Abs. 1 EStG zählt auch das Küstenmeer. Es handelt sich dabei um den an die Küste Deutschlands grenzenden Meeresstreifen, über den sich die territoriale Souveränität Deutschlands erstreckt. Diese erfasst auch den Luftraum über dem Küstenmeer sowie dessen Meeresboden und Meeresgrund.7 Die für die Küstenstaaten maßgebliche Küstenmeerbreite beträgt 12 Seemeilen.8
6.31
Zum Inland gehört auch der Luftraum oberhalb des Staatsgebietes,9 so dass Luftfahrzeuge, solange sie sich im deutschen Luftraum aufhalten oder völkerrechtliches Niemandsland überfliegen, ebenfalls zum Inland gehören.10 Zum Inland zählen auch Schiffe unter inländischer Flagge11 in deutschen Gewässern oder auf hoher See,12 nicht jedoch in ausländischen Gewässern.13 1 Lang, StuW 1974, 293 ff., 304 ff. (304). 2 Das deutsch-luxemburgische Kondominium über Mosel, Sauer und Our gehört zum Gebiet beider Staaten (vgl. Rudolf, AVR 24 [1986], 301 ff.) und ist somit ebenso Inland wie die zwischen dem deutschen Ufer und der Seemitte gelegenen Teile des Bodensees (RFH v. 1.6.1934 – VA 186/33, RStBl. 1934, 1445) entsprechend der sog. Realteilungstheorie; vgl. Kübler, DÖV 1976, 184 ff.; Kurz, DStR 1975, 461 ff.; Schenk, BayVBl. 1979, 428 ff.; Schweiger, BayVBl 1995, 65 ff. 3 BFH v. 13.4.1989 – IV R 196/85, BStBl. II 1989, 614 (zur Exklave Büsingen); vgl. auch BVerfG v. 22.7.1991 – 1 BvR 829/89, HFR 1992, 424: keine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG. 4 Vgl. BVerfG v. 31.7.1973 – 2 BvF 1/73, BVerfGE 36, 1. 5 BFH v. 3.3.1978 – VI R 195/75, BStBl. II 1978, 372. 6 Lehner/Waldhoff in K/S/M, § 1 EStG Rz. B 29; Stapperfend in H/H/R, § 1 EStG Rz. 57. 7 Art. 2 Abs. 2 SRÜ (BGBl. II 1994, 1798). 8 Art. 3 SRÜ (BGBl. II 1994, 1798) i.V.m. der Proklamation des BReg v. 11.11.1994 (BGBl. I 1994, 3428). 9 BFH v. 14.12.1988 – I R 148/87, BStBl. II 1989, 319; Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht3, 664 f.; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, Rz. 282; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht6, 258; Epping in Ipsen, Völkerrecht6, § 5 Rz. 5. 10 BFH v. 14.12.1988 – I R 148/87, BStBl. II 1989, 319; Gosch in Kirchhof15, § 1 EStG Rz. 6. 11 FlaggenrechtsG v. 8.2.1951 (BGBl. I 1951, 79) i.d.F. v. 6.6.1995 (BGBl. I 1995, 778). 12 BFH v. 13.2.1974 – I R 2/71, BStBl. II 1974, 361; v. 12.11.1986 – I R 38/83, BStBl. II 1987, 377; v. 19.3.1997 – I R 237/96, IStR 1997, 374. 13 BFH v. 5.10.1977 – I R 250/75, BStBl. II 1978, 50; zu Einzelheiten Maciejewski/Theilen, IStR 2013, 846 (849 f.).
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B. Unbeschränkte Steuerpflicht
Eine Erweiterung des Inlandsbegriffs enthält § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 u. 2 EStG durch Einbeziehung des der Bundesrepublik Deutschland zustehenden Anteils an der ausschließlichen Wirtschaftszone und am Festlandssockel. Die Erweiterung entspricht der durch Art. 55 ff. SRÜ eingeräumten funktional beschränkten Regelungskompetenz für diese Gebiete.1 Im Hinblick darauf gehören die ausschließliche Wirtschaftszone und der Festlandssockel, die geografisch deckungsgleich sind, nicht generell zum Inland, sondern nur mit bestimmten tätigkeitsund zweckbezogenen Einschränkungen. Hiernach gehören zum Inland der Deutschland zustehende Anteil an der ausschließlichen Wirtschaftszone (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG) nur, soweit dort
6.32
– Tätigkeiten zur (wirtschaftlichen) Erforschung oder Ausbeutung der ausschließlichen Wirtschaftszone ausgeübt werden, wie bspw. die Energieerzeugung aus Wasser, Strömung und Wind oder – künstliche Inseln errichtet oder genutzt werden und Anlagen und Bauwerke für die vorgenannten Zwecke errichtet oder genutzt werden und am Festlandssockel, soweit dort – dessen natürliche Ressourcen erforscht oder ausgebeutet werden; natürliche Ressourcen in diesem Sinne sind die mineralischen und sonstigen nicht lebenden Ressourcen des Meeresbodens und seines Untergrunds sowie die zu den sesshaften Arten gehörenden Lebewesen, die im nutzbaren Stadium entweder unbeweglich auf oder unter dem Meeresboden verbleiben oder sich nur in ständigem körperlichen Kontakt mit dem Meeresboden oder seinem Untergrund fortbewegen können; oder – künstliche Inseln errichtet oder genutzt werden und Anlagen und Bauwerke für die vorgenannten Zwecke errichtet oder genutzt werden. Die vorgenannten tätigkeits- und zweckbezogenen Einschränkungen des Inlandsbegriffs sind mit der der unbeschränkten Steuerpflicht als Konzeption zugrunde liegenden Trennung von Steuersubjekt und Steuerobjekt2 unvereinbar.3 Zudem widerspricht es dem Welteinkommensprinzip und damit auch zugleich dem Gleichheitsgebot (Art. 3 Abs. 1 GG), wenn nur bestimmte Einkünfte aus bestimmten Tätigkeiten der unbeschränkten Steuerpflicht unterworfen werden. Damit hat der unrichtig platzierte § 1 Abs. 1 Satz 2 EStG keine unmittelbare Bedeutung für die unbeschränkte Steuerpflicht,4 sondern lediglich für die beschränkte Steuerpflicht, so dass etwa die Einkünfte aus der Erforschung oder 1 Vgl. Proklamation der Bundesrepublik Deutschland über die Errichtung einer ausschließlichen Wirtschaftszone in der Nordsee und in der Ostsee v. 25.11.1994 (BGBl. II 1994, 3769) sowie über die Erforschung und Ausbeutung des deutschen Festlandssockels v. 20.1.1964, BGBl. II 1964, 104. 2 Vgl. nur Hey in H/H/R, Einf. ESt Rz. 610 ff.; Seer in T/L22, § 6 Rz. 27 ff. 3 Anders bei beschränkter Steuerpflicht (Rz. 6.122). 4 Heinicke in Schmidt35, § 1 EStG Rz. 31; Rauch in Blümich, § 1 EStG Rz. 138; Behrend/ Wischott/Krüger, BB 2012, 1827 (1829); Hawlitschek, IStR 2015, 413 (416 ff.), der allerdings für Inseln, Anlagen und Bauwerke in Anlehnung an Art. 60 Abs. 2, 80 SRÜ die ausschließlich Hoheitsrechte verleiht, zum „originären Hoheitsgebiet“ und damit zum Inland (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG) zählt; gl.A. Rauch in Blümich, § 1 EStG Rz. 138a; a.A. Tiede in H/H/R, § 1 EStG Rz. 104; Gosch in Kirchhof15, § 1 EStG Rz. 6 f.; Waldhoff/Engler, FR 2012, 254 (259); Maciejewski/Theilen, IStR 2013, 846 (847).
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6.33
Kap. 6 Einkommensteuer
Ausbeutung von Naturschätzen des Festlandsockels zu den inländischen Einkünften i.S.d. § 49 Abs. 1 EStG zählen.1
V. Sonderregelungen 1. NATO-Truppenstatut Literatur Kommentare zu § 1 EStG; App, Zur inländischen Einkommensteuerpflicht von zivilen Angehörigen der Stationierungsstreitkräfte, DStZ 1984, 90; Feuerstein/Michel, Einkommensteuerpflicht bei NATO-Beschäftigungsverhältnissen, DB 1993, 1211; Fremer, Beschränkte Einkommensteuerpflicht für Mitglieder der Stationierungsstreitkräfte des zivilen Gefolges und deren Angehörige, Stbg. 1983, 79; Ränsch/Scheunemann, Unbeschränkte Steuerpflicht technischer Fachkräfte der US-Armee, IStR 2004, 871; Streck, Steuerpflicht und Steuerbefreiungen von Diplomaten, Konsuln, NATO-Truppenmitgliedern und ihnen gleichgestellten Personen, StuW 1973, 119.
6.34
Art. X Abs. 1 Satz 1 NATO-Truppenstatut,2 das als spezielleres Recht dem EStG vorgeht (Rz. 3.24), enthält eine Einschränkung der für die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EStG) maßgeblichen Anknüpfung an den Wohnsitz und den gewöhnlichen Aufenthalt. Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTruppenstatut fingiert nämlich, dass Mitglieder fremder NATO-Truppen und deren ziviles Gefolge sowie technische Fachkräfte,3 soweit sie nicht deutsche Staatsangehörige sind,4 keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt begründen, wenn sie sich ausschließlich5 in dieser Eigenschaft in Deutschland aufhalten.6 Die Durchbrechung der unbeschränkten Steuerpflicht bezieht sich aber nur auf die Zeitabschnitte, in denen die Anwesenheit im Inland ihren Grund allein in der Mitgliedschaft bei einer Truppe oder dem zivilen Gefolge oder als technische Fachkraft hat.7
6.35
Als Rechtsfolge dieser Fiktion ergibt sich, dass der vorstehend genannte Personenkreis mit seinen inländischen Einkünften (§ 49 Abs. 1 EStG) lediglich be1 Vgl. nur Rauch in Blümich, § 1 EStG Rz. 134 ff. 2 BGBl. II 1961, 1190; BGBl. II 1963, 745; zu weiteren Abkommen im Zusammenhang mit Organisationen und Einrichtungen der Verteidigung, Friedensicherung und Rüstungskontrolle vgl. die Übersicht in BMF v. 18.3.2013 – IV B 4 - S 1311/07/10039 – DOK 2013/0234331, BStBl. I 2013, 404, Teil A. Dort ist auch eine Zusammenstellung zwischenstaatlicher Vereinbarungen über steuerliche Vorrechte und Befreiungen enthalten; nachstehend werden nur die wichtigsten Rechtsgrundlagen benannt und kurz erläutert. 3 Vgl. Zusatzabkommen (ZA) zum NATO-Truppenstatut v. 3.8.1959 (BGBl. II 1961, 1218). 4 Art. X Abs. 4 Nato-Truppenstatut; Art. 68 Abs. 4 ZA. 5 Hierzu BFH v. 22.2.2006 – I R 19/05, juris; v. 26.4.1991 – III R 104/89, BFH/NV 1992, 373; weitere Nachweise bei Tiede in H/H/R, § 1 EStG Rz. 35; Rauch in Blümich, § 1 EStG Rz. 173. 6 Vgl. BFH v. 21.9.2015 – I R 72/14, ISR 2016, 43 m. Anm. Becht = BFH/NV 2016, 28; BFH v. 18.9.2012 – I B 10/12, BFH/NV 2013, 27: Rückkehrabsicht in den Ausgangs- oder Heimatstaat. 7 BFH v. 16.9.1970 – I R 2/69, BStBl. II 1970, 869; v. 19.5.1971 – I R 55/69, BStBl. II 1971, 659; v. 24.2.1988 – I R 69/84, BStBl. II 1989, 290; v. 24.2.1988 – I R 121/84, BFH/NV 1988, 632; v. 24.1.1990 – I B 58/89, BFH/NV 1990, 488; v. 26.4.1991 – III R 104/89, BFH/NV 1992, 373.
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B. Unbeschränkte Steuerpflicht
schränkt steuerpflichtig ist, wobei die Truppenbezüge gem. Art. X Abs. 1 Satz 2 NATO-Truppenstatut steuerbefreit sind.1 Entsprechendes gilt für Angehörige der Truppenmitglieder und des zivilen Gefolges (Art. 68 Abs. 4 des ZA zum NATOTruppenstatut).2 2. EU-Bedienstete Literatur Kommentare zu § 1 EStG; Klinke, Diener, Dienen und Verdienen: Der EG-Beamte und die direkten Steuern, IStR 1995, 217; Kofler in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 21.1 ff.; Neyer, Einkommensteuerliche Behandlung der Mitarbeiter der Europäischen Zentralbank, BB 2013, 1244; Nissen, Sonderausgabenabzug für Bausparverträge, Wohnungsbauprämien und Sparprämien, DStZ A 1974, 155; Schotten, Besoldung, Besteuerung und Versorgung von EG-Beamten, IWB, F. 11, Europäische Gemeinschaften, Gr. 1, 77.
Nach Art. 13 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Union (ProtVB)3 sind die Bediensteten der EU, der Europäischen Zentralbank (EZB) und der Europäischen Investitionsbank (EIB), die sich lediglich zur Ausübung einer Amtstätigkeit im Dienste der EU im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates als desjenigen Staates niederlassen, in dem sie zur Zeit des Dienstantritts ihren steuerlichen Wohnsitz haben, in beiden Staaten so zu behandeln, als hätten sie ihren früheren Wohnsitz beibehalten, sofern sich dieser in einem Mitgliedstaat der Union befindet.4 Diese Vorschrift gilt für alle Behörden der EU. Die vorstehenden supranationalen Bestimmungen5 fingieren die unbeschränkte Steuerpflicht und die abkommensrechtliche Ansässigkeit im Entsendestaat ohne Rücksicht darauf, ob dort ein Wohnsitz oder ein gewöhnlicher Aufenthalt aufrechterhalten worden ist.6 Demnach bleiben etwa deutsche EU-Beamte in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig, wenn sie zur Ausübung ihrer Diensttätigkeit ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat nehmen.7 Diese Fiktion gilt auch für die Ehegatten bzw. Lebenspartner (§ 2 Abs. 8 EStG) der betreffenden EU-Bediensteten, soweit sie keine eigene Berufstätigkeit ausüben, sowie für die Kinder, soweit sie unter der Aufsicht der vorbezeichneten Personen stehen und von ihnen unterhalten werden. Im umgekehrten Fall, also bei Begründung des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts zum Dienstantritt im Inland, ist keine unbeschränkte Steuerpflicht gegeben, so dass auch abkommensrechtlich die Ansässigkeit im Entsendestaat verbleibt.8 Als Rechtsfolge hiervon 1 Vgl. zu weiteren Einzelheiten Tiede in H/H/R, § 1 EStG Rz. 35; Rauch in Blümich, § 1 EStG Rz. 175 f. 2 Vom 3.8.1959, BGBl. II 1961, 1218. 3 Vom 8.4.1965, BGBl. II 1965, 1482 in der Fassung des Vertrages von Amsterdam vom 2.10. 1997, geändert durch Vertrag von Lissabon vom 13.12.2007, BGBl. II 2007, 1038; zuletzt geänderte Fassung: ABl. Nr. C 83 v. 30.3.2010, 266. 4 Hierzu Kofler in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 21.3. 5 Es handelt sich um mit Vorrang ggü. dem nationalen Recht ausgestattetes primäres Unionsrecht; Kofler in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 21.1; vgl. Klinke, IStR 1995, 217 (217). 6 Zu weiteren Einzelheiten Lehner/Waldhoff in K/S/M, § 1 EStG Rz. C 119 ff.; Kofler in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 21.1; Klinke, IStR 1995, 217 ff. 7 Tiede in H/H/R, § 1 EStG Rz. 38; Rauch in Blümich, § 1 EStG Rz. 191. 8 Tiede in H/H/R, § 1 EStG Rz. 38; Neyer, BB 2013, 1244 (1245).
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6.36
Kap. 6 Einkommensteuer
werden die Beamten und Bediensteten im Aufnahmestaat beschränkt steuerpflichtig,1 wobei sie nach Art. 12 Abs. 2 des vorgenannten Protokolls von innerstaatlichen Steuern auf ihre Dienstbezüge befreit werden.2 Die EU erhebt entsprechend Art. 12 Abs. 1 des Protokolls auf die Bezüge eine eigene Steuer.3
VI. Erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht Literatur Kommentare zu §§ 1 Abs. 2; 1a Abs. 2; 3 Nr. 29 EStG; Bauer, Die Besteuerung der Auslandslehrer, FR 1988, 425; Hellwig, Vom Unwesen der „einkommensteuerpflichtigen Einkünfte“ und „einkommensteuerpflichtigen Einnahmen“ oder „gut gemeint ist nicht immer gut“, DB 1987, 2379; Keßler, Neue Regelungen zur unbeschränkten und beschränkten Einkommensteuerpflicht im Steuerbereinigungsgesetz 1986, BB 1986, 1890; Keßler, Unbeschränkte Einkommensteuerpflicht bei Diplomaten mit Ehegatten der Staatsangehörigkeit des Empfangsstaates ohne eigene Einkünfte, FR 1987, 141; Lang, Zum Inlandsbegriff des EStG 1975, StuW 1974, 293; Rieger, Ehe, Familie, und die (Verfassungs-)Widrigkeiten des Einkommensteuerrechts, Frankfurt/Berlin/Bern/New York/Paris/Wien 1992; Rodi, Das Kassenstaatsprinzip im nationalen und internationalen Steuerrecht, RIW 1992, 484; Stenten, Die „Neufassung“ des § 1 Abs. 2 EStG, Inf. 1983, 518; Streck, Steuerpflicht der Diplomaten, FR 1975, 261.
6.37
Nach § 1 Abs. 2 EStG wird für einen bestimmten Personenkreis die unbeschränkte Steuerpflicht fingiert.4 Es ist insoweit keine selbständige Form der Steuerpflicht gegeben,5 so dass bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 Abs. 2 EStG die unbeschränkte Steuerpflicht als allgemeine Rechtsfolge gilt.6 Daraus folgt weiter, dass alle Vorschriften, die an die unbeschränkte Steuerpflicht anknüpfen, automatisch auch die Fälle des § 1 Abs. 2 EStG erfassen. Hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen geht daher § 1 Abs. 2 EStG dem § 1 Abs. 1 EStG vor.7
6.38
Nach § 1 Abs. 2 EStG sind deutsche Staatsangehörige unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, die im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt haben, die aber zu einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts8 in einem Dienstverhältnis stehen und dafür Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse beziehen (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG). Es muss sich also stets um Arbeitslohn aus einem mit einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts bestehenden Dienstverhältnis handeln.9 Die Zahlung aus einer inländischen öffentlichen Kasse für ein mit einem ausländischen 1 Kofler in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 21.18. 2 Hierzu Lehner/Waldhoff in K/S/M, § 1 EStG Rz. C 119 ff.; Kofler in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 21.11 ff.: Steuerbefreiung ohne Progressionsvorbehalt. 3 Zu Einzelheiten Kofler in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 21.6 ff. 4 Regelungstechnisch dagegen nicht als Fiktion wertend Lehner/Waldhoff in K/S/M, § 1 EStG Rz. C 2. 5 Lang, StuW 1974, 293 ff., 304 ff. (304). 6 Gosch in Kirchhof15, § 1 EStG Rz. 9; Heinicke in Schmidt35, § 1 EStG Rz. 37. 7 Gosch in Kirchhof15, § 1 EStG Rz. 9. 8 Hierzu gehören Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts; zu weiteren Einzelheiten Tiede in H/H/R, § 1 EStG Rz. 157. 9 Hierzu zählt nicht das Goethe-Institut; BFH v. 22.2.2006 – I R 60/05; BStBl. II 2007, 106.
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B. Unbeschränkte Steuerpflicht
Rechtsträger bestehendes Dienstverhältnis reicht daher nicht aus.1 In die erweiterte unbeschränkte Einkommensteuerpflicht werden auch die zum Haushalt der öffentlich Bediensteten gehörenden Angehörigen (§ 15 AO) einbezogen, sofern sie ebenfalls die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder keine Einkünfte oder ausschließlich im Inland steuerpflichtige Einkünfte beziehen.2 Die erweiterte unbeschränkte Einkommensteuerpflicht setzt voraus, dass der öffentlich Bedienstete bzw. seine Angehörigen in dem Staat, in dem sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, lediglich in einem der beschränkten Einkommensteuerpflicht ähnlichen Umfang zur Besteuerung herangezogen werden (§ 1 Abs. 2 Satz 2 EStG). Damit sollen eine doppelte unbeschränkte Steuerpflicht und die damit verbundenen steuerlichen Vergünstigungen vermieden werden.3 Ob diese Voraussetzung gegeben ist, beurteilt sich ohne Berücksichtigung von DBA4 abstrakt nach dem hierfür maßgeblichen ausländischen Steuerrecht ohne Rücksicht darauf, ob die Betroffenen dort tatsächlich überhaupt Steuern zahlen.5 Diese Vorschrift will für den genannten Personenkreis, der in aller Regel wenig Einfluss auf den Ort der Arbeitsausübung hat, einerseits den Nachteil einer sowohl im Inland als auch im Ausland die persönliche Leistungsfähigkeit nur unzureichend berücksichtigenden beschränkten Steuerpflicht vermeiden,6 andererseits aber auch Besteuerungslücken schließen, die dadurch entstehen können, dass Personen trotz ihrer an sich im Ausland gegebenen unbeschränkten Steuerpflicht zu keiner umfassenden Besteuerung herangezogen werden.7 Eine derart eingeschränkte Besteuerung ergibt sich insbesondere aufgrund des Wiener Übereinkommens für diplomatische Beziehungen (WÜD)8 und des Wiener Übereinkommens für konsularische Beziehungen (WÜK).9 Nach diesen beiden multilateralen völkerrechtlichen Verträgen, die völkerrechtliches Gewohnheitsrecht kodifizieren, werden Diplomaten und Berufskonsuln des Entsendestaates im Empfangsstaat lediglich mit den dort erzielten Einkünften nach Art der beschränkten Steuerpflicht einer Besteuerung unterworfen, allerdings mit der Besonderheit, dass die Bezüge für ihre Tätigkeit im Empfangsstaat von jeglicher Besteuerung freigestellt werden. Ohne § 1 Abs. 2 EStG könnten diese Bezüge sowie die Einkünfte aus Drittstaaten keiner umfassenden Besteuerung im Rahmen einer unbeschränkten Steuerpflicht unterworfen werden. Unter diesem Gesichtspunkt ist § 1 Abs. 2 EStG als Spiegelbild völ-
1 BFH v. 2.3.1988 – I R 96/84, BStBl. II 1988, 768; v. 14.11.1986 – VI R 209/82, BStBl. II 1989, 351; v. 4.12.1991 – I R 38/91, BStBl. II 1992, 548; v. 12.10.1995 – I R 39/95, BStBl. II 1996, 87; zu Besonderheiten für Auslandslehrer BMF v. 13.10.1994 – IV B 4 - S 2102 20/94, BStBl. I 1994, 853 (USA); v. 17.6.1996 – IV B 4 - S 2102 - 35/96, BStBl. I 1996, 688 (Ecuador/Kolumbien); v. 20.9.1999 – IV B 4 - S 1301 USA - 81/99, BStBl. I 1999, 844 (DBA-USA). 2 Zu den einzelnen Fallvarianten Tiede in H/H/R, § 1 EStG Rz. 166. 3 BFH v. 5.9.2001 – I R 88/00, BFH/NV 2002, 623; v. 19.9.2013 – V R 9/12, BStBl. II 2014, 715, Tz. 16. 4 BFH v. 5.9.2001 – I R 88/00, BFH/NV 2002, 623. 5 Tiede in H/H/R, § 1 EStG Rz. 174; Gosch in Kirchhof15, § 1 EStG Rz. 11. 6 Lehner/Waldhoff in K/S/M, § 1 EStG Rz. C 5; Eicher in L/B/P, § 1 EStG Rz. 79. 7 BFH v. 5.9.2001 – I R 88/00, BFH/NV 2002, 623; Gosch in Kirchhof15, § 1 EStG Rz. 9. 8 Vom 18.4.1961, BGBl. II 1964, 957. 9 Vom 24.4.1963, BGBl. II 1969, 1585, BGBl. II 1971, 1285.
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Kap. 6 Einkommensteuer
kerrechtlicher Steuerprivilegien zu verstehen.1 Im Übrigen gelten die Rechtsfolgen gem. § 1a Abs. 2 EStG (Rz. 6.47 ff.).
VII. Fingierte unbeschränkte Steuerpflicht Literatur Kommentare zu §§ 1 Abs. 3, 1a EStG; Böhmer, Zusammenveranlagung von Ehegatten mit Wohnsitz Ausland – aktuelle Rechtsprechung zur fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht, SteuK 2015, 274; von Brocke, Erweiterung der Schumacker-Grundsätze gegenüber der Schweiz, IWB 2013, 226; Grosse, Die Voraussetzungen und Rechtsfragen der beschränkten und der (fiktiven) unbeschränkten Steuerpflicht, DStR 2003, 10; Grosse, Die Wahl der Steuerpflichtigen nach dem Jahressteuergesetz 1996, IStR, 105; Grosse/Ludert, Beschränkte vs. fiktive unbeschränkte Steuerpflicht, IStR 1999, 737; Kaefer/Kaefer, Ausländische Einkünfte und erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht, IStR 2006, 37; Knobbe-Keuk, Freizügigkeit und direkte Besteuerung, EuZW 1995, 167; Kumpf/Roth, Wahlbesteuerung für beschränkt Einkommensteuerpflichtige?, StuW 1996, 259; Lüdicke, Merkwürdigkeiten bei der Umsetzung des Schumacker-Urteils des EuGH, IStR 1996, 111; Melkonyan/Mroz, Maßgeblichkeit des deutschen Steuerrechts für die Wesentlichkeitsgrenzen nach § 1 Abs. 3 i.V.m. § 1a Abs. 1 EStG, zu BFH v. 1.10.2014 – I R 18/13, IWB 2015, 227; Müller, Das „Schumacker“-Urteil des EuGH und seine Auswirkungen auf die beschränkte Steuerpflicht, DStR 1995, DStR 1995, 585; Rädler, Analysis of the european Court of justice’s Schumacker-Decision, TNI 1995, 1683; Schaumburg, Außensteuerrecht und europäische Grundfreiheiten, DB 2005, 1129; Schaumburg, Besteuerung von Einkommen, DStJG 24 (2001), 225; Schaumburg/Schaumburg, Steuerliche Leistungsfähigkeit und europäische Grundfreiheiten im Internationalen Steuerrecht, StuW 2005, 306; Schön, Die beschränkte Steuerpflicht zwischen europäischem Gemeinschaftsrecht und deutschem Verfassungsrecht, IStR 1995, 119; Schulze zur Wiesche, Die Besteuerung von unbeschränkt Steuerpflichtigen und beschränkt Steuerpflichtigen nach dem Jahressteuergesetz 1996, IStR 1996, 105; Tiedtke/Langheim, Die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der beschränkten und der (fiktiven) unbeschränkten Steuerpflicht, DStZ 2003, 10; Waterkamp, Ehegattenveranlagung und Freizügigkeit in der Europäischen Gemeinschaft, Köln 1993.
1. Europarechtliche Grundlagen 6.40
Die im Normengefüge der §§ 1 Abs. 3 und 1a EStG verankerte fingierte unbeschränkte Einkommensteuerpflicht ist darauf gerichtet, unter bestimmten Voraussetzungen beschränkt steuerpflichtige Personen in Ausrichtung auf die persönliche Leistungsfähigkeit unbeschränkt steuerpflichtigen Personen ganz oder teilweise gleichzustellen. Erfasst werden im Wesentlichen Grenzpendler,2 deren personen- und familienbezogene Verhältnisse wegen des internationalen Gefüges von unbeschränkter Steuerpflicht einerseits und beschränkter Steuerpflicht andererseits im Ausgangspunkt keine Berücksichtigung finden: Im Wohnsitzstaat kommt die persönliche Leistungsfähigkeit im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht steuerlich nicht zur Geltung, weil bei Anwendung von DBA entweder keine oder nur geringe Einkünfte zu versteuern sind, und im Tätigkeitsstaat bleibt die Berücksichtigung der persönlichen Leistungsfähigkeit im Rahmen 1 BFH v. 18.12.1968 – III 199/64, BStBl. II 1969, 355, v. 18.12.1968 – III R 169/66, BStBl. II 1969, 360; Streck, FR 1975, 261 ff. 2 Ein physischer Grenzüberschritt ist nicht erforderlich; vgl. Lehner/Waldhoff in K/S/M, § 1 EStG Rz. D 21.
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B. Unbeschränkte Steuerpflicht
der beschränkten Steuerpflicht von Rechts wegen versagt.1 Diese fehlende Orientierung der Besteuerung an der persönlichen Leistungsfähigkeit hat der EuGH2 für unvereinbar mit dem Freizügigkeitsrecht für Arbeitnehmer in der EU (Art. 45 AEUV) für den Fall erklärt, dass beschränkt steuerpflichtige Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten ihr Einkommen ganz oder fast ausschließlich aus nichtselbständiger Tätigkeit in Deutschland erzielen. Diese Entscheidung des EuGH zum europarechtlichen Diskriminierungsverbot (Rz. 4.12 ff.) liegt auf der Linie der gesamten Rechtsprechung des EuGH, wonach eine unterschiedliche Steuerbelastung von Inländern und übrigen Unionsbürgern gegen die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten verstößt. § 1 Abs. 3 EStG enthält die Grundregelung, nach der auf Antrag natürliche Personen, soweit sie inländische Einkünfte (§ 49 EStG) haben, als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt werden, obwohl sie im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Diese fiktive unbeschränkte Steuerpflicht gilt nur unter den weiteren Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 Sätze 2 bis 6 EStG (Rz. 6.43 ff.). Für diesen Personenkreis sowie darüber hinaus aber auch für unbeschränkt steuerpflichtige Personen gem. § 1 Abs. 1 EStG und auch für erweitert unbeschränkt steuerpflichtige Personen gem. § 1 Abs. 2 EStG gelten besondere familienbezogene Regelungen, die sich im Einzelnen aus § 1a Abs. 1 und 2 EStG ergeben. Hiernach ist wie folgt zu differenzieren:
6.41
– Natürliche Personen ohne EU-/EWR-Staatsangehörigkeit, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, werden zwar auf Antrag als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt (§ 1 Abs. 3 Satz 1 EStG), die familienbezogene Sonderregelungen des § 1a Abs. 1, 2 EStG bleiben ihnen aber verschlossen, so dass weder ein tarifliches Ehegattensplitting (§§ 26, 32a Abs. 5 EStG) noch ein Realsplitting (§§ 10 Abs. 1 Nr. 1, 22 Nr. 1a EStG) in Anspruch genommen werden kann. – Natürliche Personen mit EU-/EWR-Staatsangehörigkeit, die entweder gem. § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig oder gem. § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig gelten oder gem. § 1 Abs. 2 EStG als Angehörige des öffentlichen Dienstes mit Dienstort im Ausland erweitert unbeschränkt steuerpflichtig sind, können die familienbezogenen Sonderregelungen des § 1a EStG in Anspruch nehmen, d.h. insbesondere das tarifliche Ehegattensplitting (§§ 26, 32a Abs. 5 EStG) und das Realsplitting (§§ 10 Abs. 1 Nr. 1, 22 Nr. 1a EStG) und zwar auch dann, wenn der Ehegatte bzw. der geschiedene oder getrennt lebende Ehegatte nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist. Wenn auch die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht darauf gerichtet ist, beschränkt steuerpflichtige Personen im Hinblick auf ihre persönliche Leistungsfähigkeit unbeschränkt steuerpflichtigen Personen ganz oder teilweise gleichzustellen, so ist die Reichweite der §§ 1 Abs. 3, la EStG dennoch begrenzt: Im Unterschied zur normalen (§ 1 Abs. 1 EStG) und erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 2 EStG) werden nicht etwa das Welteinkommen, sondern 1 Vgl. nur § 50 Abs. 1 EStG. 2 EuGH v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93 – Schumacker, Slg. 1995, I-249; hierzu die Besprechungen von Kaefer/Saß, DB 1995, 642 ff.; Rädler, DB 1995, 793 ff., Rädler, TNI 1995, 1683 ff.; Schön, IStR 1995, 119 ff.
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6.42
Kap. 6 Einkommensteuer
lediglich die inländischen Einkünfte i.S. von § 49 Abs. 1 EStG (Rz. 6.150) erfasst,1 die ggf. auch dem Steuerabzug gem. § 50a EStG unterliegen (§ 1 Abs. 3 Satz 6 EStG). Die ausländischen Einkünfte bleiben freilich nicht völlig unberücksichtigt, sondern werden im Wege des Progressionsvorbehalts gem. § 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EStG erfasst.2 Die in §§ 1 Abs. 3; 1a EStG verankerte Fiktion gilt schließlich nicht auf der Ebene von DBA mit der Folge, dass die Ansässigkeit einer Person (Art. 4 OECD-MA) und damit die Frage, welcher Staat Wohnsitzstaat ist, losgelöst von den §§ 1 Abs. 3; 1a EStG zu entscheiden ist.3 2. Unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG 6.43
Natürliche Personen, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, sind auf Antrag4 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig zu behandeln, soweit sie inländische Einkünfte i.S. des § 49 EStG beziehen und ihre Einkünfte5 mindestens zu 90 %6 der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG7 nicht übersteigen, wobei der vorgenannte Betrag zu kürzen ist, soweit dies nach den Verhältnissen des Wohnsitzstaates notwendig und angemessen ist (§ 1 Abs. 3 Satz 2 EStG).8 Bei der Berechnung, ob die vorgenannten Grenzen erreicht bzw. überschritten sind, gelten zwei Besonderheiten: Zu den nicht der inländischen Besteuerung unterliegenden Einkünften zählen die nicht unter § 49 Abs. 1 EStG fallenden Einkünfte, also insbesondere ausländische Einkünfte, sowie inländische Einkünfte, soweit diese nach dem in Betracht kommenden DBA ausschließlich im Ansässigkeitsstaat zu besteuern sind,9 und solche Einkünfte, die abkommensrechtlich der Höhe nach nur beschränkt, etwa durch eine Quellensteuer, besteuert werden dürfen (§ 1 Abs. 3 Satz 3 EStG).10 Dem gegenüber bleiben nicht der 1 Aus diesem Grunde bedarf es auch einer begrifflichen Unterscheidung zwischen § 1 Abs. 2 EStG (erweiterte unbeschränkte Einkommensteuerpflicht) und §§ 1 Abs. 3; 1a EStG (fingierte unbeschränkte Steuerpflicht). 2 Berücksichtigt wird auch ein negativer Progressionsvorbehalt. 3 BFH v. 20.9.2006 – I R 13/02, IStR 2007, 148; v. 2.9.2009 – I R 90/08 IStR 2009, 817; Gosch in Kirchhof15, § 1 EStG Rz. 15; Tiede in H/H/R, § 1 EStG Rz. 297. 4 Der Antrag kann bis zur Bestandskraft des Steuerbescheids und bei Anfechtung spätestens in der (letzten) mündlichen Verhandlung beim FG (BFH v. 19.10.2010 – I R 109/09, BStBl. II 2011, 443) nicht aber mehr im Revisionsverfahren gestellt werden (BFH v. 13.8. 1997 – I R 65/95, BStBl. II 1998, 21). 5 Zu ermitteln nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts. 6 Diese 90 %-Grenze (relative Wesentlichkeitsgrenze) ist durch den EuGH v. 14.9.1999 – Rs. C- 391/97 – Gschwind, BStBl. II 1999, 841 akzeptiert worden; vgl. auch BFH v. 15.5. 2002 – I R 40/01, BStBl. II 2002, 660; v. 13.11.2002 – I R 67/01, BStBl. II 2003, 587. 7 Im Jahr 2016: 8.652 Euro und im Jahr 2017: 8.820 Euro (absolute Wesentlichkeitsgrenze). 8 Nach BT-Drucks. 12/6476, 12 soll die Kürzung entsprechend den Regelungen zu §§ 32 Abs. 6 Satz 4, 33a Abs. 1 Satz 5, Abs. 2 Satz 3 EStG erfolgen; hierzu die Ländergruppeneinteilung gem. BMF v. 18.11.2013 – IV C 4 - S 2285/07/0005:013 – DOK 2013/1038632, BStBl. I 2013, 1462. 9 BFH v. 20.8.2003 – I R 72/02, BFH/NV 2004, 321, Tz. 175; Tiede in H/H/R, § 1 EStG Rz. 278; Gosch in Kirchhof15, § 1 EStG Rz. 20; Lüdicke, IStR 1996, 111 (112). 10 § 1 Abs. 3 Satz 3 EStG bezieht sich somit nur auf den unmittelbar vorangehenden Satz 2; BFH v. 13.11.2002 – I R 67/01, BStBl. II 2003, 587; v. 16.11.2015 – I R 62/13, BStBl. II 2016, 201 mit Hinweis darauf, dass § 2 Abs. 5b EStG nicht für die Prüfung der Einkunfts-
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B. Unbeschränkte Steuerpflicht
deutschen Einkommensteuer unterliegende Einkünfte, die im Ausland nicht besteuert werden, dort also nicht steuerbar oder steuerfrei sind, insgesamt außer Ansatz, soweit vergleichbare Einkünfte im Inland steuerfrei sind (§ 1 Abs. 3 Satz 4 EStG).1 Beide in § 1 Abs. 3 Sätze 3 und 4 EStG verankerten Sonderregelungen entsprechen weder verfassungsrechtlichen noch europarechtlichen Vorgaben. Soweit bei der Berechnung der in § 1 Abs. 3 Satz 2 EStG bezeichneten Einkunftsgrenzen zum Nachteil des Steuerpflichtigen diejenigen inländischen Einkünfte nicht einbezogen werden, die aufgrund eines DBA in Deutschland nicht oder nur der Höhe nach beschränkt besteuert werden dürfen, führt diese Nichtberücksichtigung im Ergebnis zu einer Ungleichbehandlung und damit zu einem Verstoß gegen die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten und gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Da diese inländischen Einkünfte gem. § 1 Abs. 3 Sätze 2 und 3 EStG unberücksichtigt bleiben, wird für Personen, die in Staaten ansässig sind, mit denen Deutschland ein DBA abgeschlossen hat, der Zugang zur fingierten unbeschränkten Steuerpflicht erschwert, ohne dass hierfür einleuchtende Gründe erkennbar wären.2 Soweit zum Vorteil des Steuerpflichtigen bei der vorgenannten Berechnung die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte unter den in § 1 Abs. 3 Satz 4 EStG genannten Voraussetzungen nicht zu berücksichtigen sind, verbleibt es in den Fällen bei einer Ungleichbehandlung im Vergleich zu einem unbeschränkt Steuerpflichtigen in vergleichbarer Lage, wenn in EU-/EWRFällen im Ergebnis gleichwohl die persönliche Leistungsfähigkeit in keinem anderen Staat Berücksichtigung findet.3
6.44
Die Höhe der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte muss durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde nachgewiesen werden (§ 1 Abs. 3 Satz 5 EStG). Dieses Nachweiserfordernis setzt voraus, dass überhaupt Einkünfte vorhanden sind, die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegen. Hat der Steuerpflichtige keine anderweitigen Einkünfte, ist er gleichwohl zur Vorlage einer Bescheinigung verpflichtet.4
6.45
Wird zur unbeschränkten Steuerpflicht optiert, ergibt sich als Rechtsfolge, dass insbesondere die für beschränkt Steuerpflichtige geltende Sonderregelung des § 50 EStG weit gehend suspendiert wird. Es bleibt allerdings beim nicht abgeltend wirkenden Steuerabzug nach § 50a EStG (§ 1 Abs. 3 Satz 6 EStG),5 wodurch insbesondere Berufssportler und Künstler betroffen sind. Im Übrigen gelten im Zuge der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 3 EStG die für
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grenzen des § 1 Abs. 3 i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG gilt; die Anrechnung ausl. Steuer gem. § 34c Abs. 1 EStG fällt nicht unter § 1 Abs. 3 Satz 3 EStG; vgl. Tiede in H/H/R, § 1 EStG Rz. 278; Gosch in Kirchhof15, § 1 EStG Rz. 20. Umsetzung der Entscheidung des EuGH v. 25.1.2007 – Rs. C-329/05 – Meindl, Slg. 2007, I-1107 durch das JStG 2008 (BStBl. I 2008, 3150). Gosch in Kirchhof15, § 1 EStG Rz. 20; Lüdicke, IStR 1996, 111 (112). Insoweit ist die Entscheidung des EuGH v. 25.1.2007 – Rs. C-329/05 – Meindl, Slg. 2007, I-1107 durch das JStG 2008 (BGBl. I 2008, 3150) nur unzureichend umgesetzt worden; vgl. hierzu Stapperfend in H/H/R, Vor §§ 1, 1a EStG Rz. 39 sowie § 1 EStG Rz. 265; Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.3 ff. Sog. „Nullbescheinigung“; BFH v. 8.9.2010 – I R 80/09, BStBl. II 2011, 447, Tz. 19. Anrechnung im Rahmen der Veranlagung (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG; ab 2017 § 36 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a EStG); vgl. Gosch in Kirchhof15, § 1 EStG Rz. 24.
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Kap. 6 Einkommensteuer
die unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 1 EStG maßgeblichen Vorschriften,1 soweit nicht ausnahmsweise etwas anderes bestimmt ist. So werden etwa die unter § 1 Abs. 3 EStG fallenden Personen aus der Ehegattenbesteuerung (§ 26 Abs. 1 Satz 1 EStG) grundsätzlich ausgeschlossen, so dass die Gewährung des Splitting-Tarifs insoweit nicht in Betracht kommt.2 Dementsprechend ist bei Arbeitnehmern, die zur fingierten unbeschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 3 EStG) optieren, für Zwecke des Lohnsteuerabzugs grundsätzlich die Steuerklasse I anzuwenden (§ 38b Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG).3 3. Familienstandsbezogene Steuerermäßigungen 6.47
§ 1a EStG eröffnet dem dort näher bezeichneten Personenkreis4 bestimmte familien- und personenbezogene Steuerentlastungen, die im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 1 EStG, der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 2 EStG und der fingierten unbeschränkten Einkommensteuerpflicht gem. § 1 Abs. 3 EStG insbesondere deshalb nicht in Anspruch genommen werden können, weil etwa der Ehegatte nicht im Inland ansässig ist oder nicht die deutsche Staatsangehörigkeit5 besitzt.
6.48
§ 1a Abs. 1 EStG erfasst Unionsbürger6 sowie EWR-Staatsangehörige,7 die gem. § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig sind und die nach § 1 Abs. 3 EStG auf Antrag als unbeschränkt steuerpflichtig zu behandeln sind.
6.49
Zu den von § 1a Abs. 1 EStG erfassten familienstandsbezogenen Steuerermäßigungen gehören – als Sonderausgaben gem. § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG abzugsfähige Unterhaltsleistungen an geschiedene oder dauernd getrennt lebende nicht unbeschränkt steuerpflichtige Ehegatten/Lebenspartner (Realsplitting), wenn diese in einem anderen EU-/EWR-Staat einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt haben8 und die Unterhaltszahlungen dort tatsächlich besteuert werden und dies durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde nachgewiesen wird (§ 1a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und b EStG); – abzugsfähige auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende lebenslange und wiederkehrende Versorgungsleistungen (§ 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG), wenn der nicht unbeschränkt steuerpflichtige Empfänger in einem anderen EU-/EWRStaat einen Wohnsitz oder einen gewöhnlichen Aufenthalt hat und die Versorgungsleistungen dort tatsächlich besteuert werden und dies durch eine Be1 So z.B. der Progressionsvorbehalt, der sich auch auf die ausländischen Einkünfte erstreckt (§ 32b Abs. 1 Nr. 5 EStG); Tiede in H/H/R, § 1 EStG Rz. 297; Kaefer, BB 1995. 1615 (1619); Lüdicke, IStR 1996, 111 (112); a.A. Gosch in Kirchhof15, § 1 EStG Rz. 27. 2 Ausnahme: § 1a EStG; vgl. § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. 3 Ausnahme: § 1a EStG; vgl. § 38b Abs. 1 Satz 3 EStG. 4 Kritisch zu der durch §§ 1 Abs. 3; 1a EStG begründeten Mehrklassengesellschaft Schulze zur Wiesche, IStR 1996, 105 (109 f.); Kumpf/Roth, StuW 1996, 259 (262 f.). 5 Vgl. § 1 Abs. 2 EStG. 6 Also auch deutsche Staatsangehörige. 7 Staatsangehörige von Island, Norwegen und Liechtenstein. 8 Eine EU-/EWR-Staatsangehörigkeit des Empfängers der Unterhaltsleistungen ist nicht erforderlich; vgl. Tiede in H/H/R, § 1a EStG Rz. 25.
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B. Unbeschränkte Steuerpflicht
scheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde nachgewiesen wird (§ 1a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und b EStG); – Ausgleichszahlungen zur Vermeidung eines Versorgungsausgleichs (§ 10 Abs. 1a Nr. 3 EStG), wobei der Empfänger nicht unbeschränkt steuerpflichtig sein muss; – Ausgleichszahlungen im Rahmen des Versorgungsausgleichs, soweit die ihnen zugrunde liegenden Einnahmen bei der ausgleichspflichtigen Person der Besteuerung unterliegen und die ausgleichsberechtigte Person unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist (§ 10 Abs. 1a Nr. 4 EStG); – die Anwendung des Splitting-Tarifs (§ 32a Abs. 5 EStG) bei Zusammenveranlagung auf Antrag, wenn der nicht dauernd getrennt lebende, nicht unbeschränkt steuerpflichtige Ehegatte/Lebenspartner seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen EU-/EWR-Staat hat, und die von den Ehegatten/ Lebenspartnern insgesamt bezogenen Einkünfte mindestens zu 90 % der inländischen Besteuerung unterliegen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den doppelten Grundfreibetrag im Kalenderjahr nicht übersteigen1 und dies durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde nachgewiesen wird (§ 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG). Die vorstehenden familienstandsbezogenen Steuerermäßigungen kommen im Ergebnis insbesondere Arbeitnehmern aus EU-/EWR-Staaten zugute, deren Familien weiterhin im Heimatland leben. Ausgeschlossen sind demgegenüber Personen aus Drittstaaten.
6.50
§ 1a Abs. 1 EStG entspricht zwar weitgehend dem europarechtlichen Diskriminierungsverbot,2 eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) und des abkommensrechtlichen Staatsangehörigkeitsdiskriminierungsverbot (Art. 24 Abs. 1 OECD-MA) besteht aber dennoch: Die familienstandsbezogenen Steuerermäßigungen, insbesondere die Gewährung des Splitting-Tarifs, bleiben jenen Personen vorenthalten, die nicht Unionsbürger sind oder nicht die Staatsangehörigkeit eines EWR-Staates haben; sie können ferner nicht von Unionsbürgern und Staatsangehörigen von EWR-Staaten in Anspruch genommen werden, wenn sie nicht dort auch ansässig sind. So kann etwa ein Gastarbeiter aus Portugal, dessen Familie im Heimatland lebt unter den in § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG genannten Voraussetzungen im Rahmen der Zusammenveranlagung den Splitting-Tarif in Anspruch nehmen, während demgegenüber etwa einem Gastarbeiter aus der Türkei die vorstehende Vergünstigung versagt bleibt. Es sind keine Gründe erkennbar, die eine derartige Differenzierung rechtfertigen könnten. Die Staatsangehörigkeit ist jedenfalls ein derartiger Differenzierungsgrund3 nicht.4
6.51
1 Ob die maßgeblichen Einkunftsgrenzen eingehalten sind, ist im Rahmen einer einstufigen Prüfung zu beurteilen, wonach die Einkünfte zusammenzurechnen sind und der Grundfreibetrag zu verdoppeln ist; BFH v. 6.5.2015 – I R 16/14, ISR 2016, 14 m. Anm. Weiss = BStBl. II 2015, 957. 2 Zu den EU- und EWR-Diskriminierungsverboten Rz. 4.12 ff. 3 Gemäß Art. 3 Abs. 3 GG gehört zwar die Staatsangehörigkeit ebenso wie die Ansässigkeit nicht zu den verbotenen Differenzierungskriterien, damit erübrigt sich aber noch nicht das nach Art. 3 Abs. 1 GG gebotene Rechtfertigungsargument; hierzu Rz. 4.11, 4.14. 4 Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.5 ff.; Kumpf/ Roth, StuW 1996, 259 (262 f.); kritisch auch Gosch in Kirchhof15, § 1a EStG Rz. 5; anders
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Damit gilt: Soweit § 1a Abs. 1 EStG dem europarechtlichen Diskriminierungsverbot (Rz. 4.12 ff.) entspricht, hat er wegen der hiervon ausgehenden Drittwirkung auf Staatsangehörige anderer Staaten, auch dem verfassungsrechtlichen und abkommensrechtlichen Diskriminierungsverbot zu entsprechen.1 6.52
§ 1a Abs. 2 EStG erfasst schließlich erweitert unbeschränkt steuerpflichtige Personen (§ 1 Abs. 2 EStG) sowie der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht unterliegende Personen (§ 1 Abs. 3 EStG), wenn alle vorgenannten Personen an einem ausländischen Dienstort tätig sind und deren Einkünfte im Kalenderjahr mindestens zu 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG) nicht übersteigen.2 Als Rechtsfolge ergibt sich, dass in beiden vorgenannten Fallgruppen das Splitting auch dann in Anspruch genommen werden kann, wenn der Ehegatte/Lebenspartner selbst nicht gem. § 1 Abs. 1, 2 EStG unbeschränkt steuerpflichtig ist.3 Voraussetzung ist allerdings, dass der Ehegatte/Lebenspartner Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Staat des ausländischen Dienstorts hat.4
VIII. Besteuerung des Welteinkommens (Welteinkommensprinzip) Literatur Kommentare zu § 2 EStG; Beil, Der Belastungsgrund des steuerstaatlichen Synallagmas, Zur Zulässigkeit des Welteinkommensprinzips im deutschen internationalen Einkommensteuerrecht, Frankfurt 2001; Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, Amsterdam 1964, 165; Debatin, Die beschränkte Steuerpflicht bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, BB 1960, 1015; Debatin, Konzeptionen zur Steuerpflicht, FR 1969, 277; Endriss, Ist die Unterscheidung zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht noch zeitgemäß?, FR 1968; 338; Endriss, Wohnsitz- oder Ursprungsprinzip?, Köln 1967; Engelschalk/ Flick u.a., Steuern auf ausländische Einkünfte, München 1985; Fleischmann, Auslandsverluste – Stiefkinder unseres Steuerrechts?, DStR 1983, 191; Flick, Recht und Gerechtigkeit im Internationalen Steuerrecht, FR 1961, 171; Friauf, Steuergleichheit, Systemgerechtigkeit und Dispositionssicherheit als Prämissen einer rechtsstaatlichen Einkommensbesteuerung, StuW 1985, 308; Lehner/Reimer, Quelle vs. Ansässigkeit – Wie sind die grundlegenden Ver-
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dagegen z.B. BVerfG v. 20.3.1979 – 1 BvR 111/74, 1 BvR 283/78, BVerfGE 51, 1 (30); v. 23.1. 1990 – 1 BvR 306/86, BVerfGE 81, 208 (224 f.)und die h.M. in der Literatur z.B. Stapperfend in H/H/R, Vor §§ 1, 1a EStG Rz. 32. Hierzu allgemein Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 4.71 ff.; Schaumburg/Schaumburg, StuW 2005, 306 ff.; Kumpf/Roth, StuW 1996, 269 (262 f.). Schaumburg, DStJG 24 (2001), 225 (232); Schaumburg, DB 2005, 1129 (1134); speziell zu § 1a Abs. 1 EStG Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.7; Schaumburg in FS Wassermeyer, 121 (125 f.); a.A. die h.M., z.B. Schön, IStR 1995, 119 (123 f.); Müller, DStR 1995, 585 (589); Knobbe-Keuk, EuZW 1995; 167 (168); zu Einzelheiten Rz. 4.14. Für die Frage, ob Ehegatten/Lebenspartner die maßgeblichen Einkunftsgrenzen für das Wahlrecht zur Zusammenveranlagung in Fällen der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 3 EStG) wahren, ist im Rahmen einer einstufigen Prüfung nach § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG auf die Einkünfte beider Ehegatten/Lebenspartner abzustellen und der Grundfreibetrag zu verdoppeln; BFH v. 6.5.2015 – I R 16/14, ISR 2016, 14 m. Anm. Weiss = BStBl. II 2015, 957. Vgl. § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG. Hierzu Tiede in H/H/R, § 1a EStG Rz. 60.
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B. Unbeschränkte Steuerpflicht teilungsprinzipien des Internationalen Steuerrechts austariert?, IStR 2005, 542 ff.; Lornson, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei Einkommen- und Körperschaftsteuer, Frankfurt/Bern/New York/Paris 1987; Morgenthaler, Beschränkte Steuerpflicht und Gleichheitssatz, IStR 1993, 258; Mössner, Welteinkommensprinzip, in Tipke/Bozza, Besteuerung von Einkommen, Köln 2000, 253; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS für Tipke, Köln 1995, 125; Schulze-Brachmann, Totalitäts- oder Territorialitätsprinzip, StuW 1964, 589; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, Amsterdam 1936 (Neudruck Köln 1967); Tipke in Deutsche Landesreferate zum öffentlichen Recht und Völkerrecht, XI. Internationaler Kongress für Rechtsvergleichung, 1982, 211; Valta, Das Internationale Steuerrecht zwischen Effizienz, Gerechtigkeit und Entwicklungshilfe, Tübingen 2014, 45 ff.; Vogel in Vogel/Ellis u.a., Steueroasen und Außensteuergesetz, München 1981, 125; Vogel, Which Method Should the European Community Adopt for the Avoidance of Double Taxation?, BIFD 2002, 4 (6); Vogel, Neuere Befürworter des Quellenprinzips (Territorialitätsprinzips) in den Vereinigten Staaten, in Kleineidam (Hrsg.), FS für L. Fischer, Berlin 1999, 1007; Vogel, Die Besteuerung von Auslandseinkünften, DStJG 8 (1985), 3; Vogel, Worldwide vs. source taxation of income, Intertax 1988, 216; 319; 393; Vogel, Perfektionismus im Steuerrecht, StuW 1980, 206; Vogel, Über „Besteuerungsrechte“ und über das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in FS für Klein, Köln 1994, 361; Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, Hamburg 1991.
Bei unbeschränkter (§ 1 Abs. 1 EStG) und erweiterter unbeschränkter Steuerpflicht (§ 1 Abs. 2 EStG) wird als Steuerobjekt das durch den Rahmen der sieben Einkunftsarten abgesteckte Welteinkommen erfasst. Dieses Welteinkommensprinzip (Totalitätsprinzip, Universalitätsprinzip oder Globalprinzip) hat zwar keine ausdrückliche Regelung in den §§ 1 oder 2 EStG erfahren, es ergibt sich aber als Rückschluss aus den §§ 1 Abs. 4; 2a; 34c; 34d und 49 EStG.
6.53
Dass unbeschränkt steuerpflichtige Personen mit ihrem Welteinkommen zur Einkommensteuer herangezogen werden, wird zu den Grundsatzaussagen des § 2 EStG über die Einkommensteuer gezählt1 und daher durchweg als (normkonzipierendes) Prinzip verstanden.2 Demgegenüber wird die Auffassung vertreten, in dem Begriff „Welteinkommensprinzip“ komme lediglich das Bestreben zum Ausdruck, das Erfassen des weltweiten Einkommens auf den Nenner eines Prinzips zu bringen,3 tatsächlich handele es sich nur um einen bloßen Programmsatz, der in der Rechtswirklichkeit weitgehend eingeschränkt worden sei.4
6.54
Das Welteinkommensprinzip ist indessen mehr als ein (unverbindlicher) bloßer Programmsatz. Es ist zwar nicht unmittelbar in einem Rechtssatz niedergelegt, es liegt dem Einkommensteuergesetz aber als Zweckgedanke zugrunde und wirkt damit als normkonzipierendes Prinzip,5 das im Wege der Induktion aus dem Einkommensteuergesetz, und zwar aus den §§ 1 Abs. 4; 2a; 34c; 34d und 49 EStG gewonnen werden kann. Das Welteinkommensprinzip beruht damit 1 Z.B. Kirchhof in K/S/M, § 2 EStG Rz. A 81 ff. 2 Z.B. BFH v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136; Kirchhof in K/S/M, § 2 EStG Rz. A 145; Menck in Engelschalk/Flick u.a., Steuern auf ausländische Einkünfte, 28 (34 f.); Friauf, StuW 1985, 308 (313); Fleischmann, DStR 1983, 191 (193); Schaumburg in FS Tipke, 125 (132). 3 So etwa der BFH v. 26.3.1991 – IX R 162/85, BStBl. II 1991, 704 unter Hinweis auf Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, 165. 4 BFH v. 26.3.1991 – IX R 162/85, BStBl. II 1991, 704. 5 Hierzu Hey in Tipke/Lang22, § 3 Rz. 17; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 67 ff.
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zwar nur auf einfach-gesetzlicher Grundlage,1 es entfaltet aber unter dem Gesichtspunkt der Folgerichtigkeit (Rz. 4.7 ff.) besondere Bedeutung. Vom Welteinkommensprinzip kann daher nur abgewichen werden, wenn es hierfür rechtfertigende Gründe gibt. Diese Gründe müssen sich an den Grundrechten, insbesondere an Art. 3 Abs. 1 GG, messen lassen (Rz. 4.4). 6.55
Die Besteuerung des Welteinkommens im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit. Das Welteinkommensprinzip hat in der Staatenpraxis erst in diesem Jahrhundert das bis dahin allgemein geltende Quellenprinzip (Territorialitätsprinzip) verdrängt. Es gehörte zuvor zu den finanzwissenschaftlichen Ordnungsprinzipien, in einem anderen Land erzielte Einkünfte im Wohnsitzstaat nicht zu besteuern.2 Das Quellenprinzip (Territorialitätsprinzip) war früher vor allen Dingen in Lateinamerika verbreitet.3 Es wird in der Staatenpraxis allerdings häufig modifiziert. Dies gilt insbesondere für die Besteuerung von Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren sowie von Entgelten für die Leistung von Diensten bzw. die technische Assistenz. Hier wird das Territorialitätsprinzip nicht selten durch ein System steuerlicher Anreize für den Kapital- und Technologietransfer überlagert, soweit er für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der betreffenden Staaten für erforderlich gehalten wird.4
6.56
Das Welteinkommensprinzip im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht wird von der herrschenden Meinung seit jeher gebilligt5 und überwiegend damit gerechtfertigt, dass der Bezieher der Einkünfte bei unbeschränkter Steuerpflicht im staatlichen Hoheitsgebiet einen Schwerpunkt seiner Lebensführung oder seiner Geschäftstätigkeit habe.6 Dieser nutzentheoretisch orientierten Begründung, die im Kern von der Vermutung ausgeht, dass die in einem Land Ansässigen auch die staatlichen Leistungen dieses Landes (Wohnsitzstaat) in Anspruch nehmen,7 aber gerade deshalb nicht die Erfassung des Welteinkommens zu rechtfertigen vermag,8 steht ideengeschichtlich die opfertheoretische Fundierung des Welteinkommensprinzips gegenüber, wonach allein der Wohnsitzstaat die Besteuerung des weltweiten Einkommens zu beanspruchen habe.9 Zugleich entspreche die Besteuerung des Welteinkommens dem Prinzip der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Die steuerliche Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen, die allein über seinen Steuerbeitrag zu entscheiden habe, schließe es aus, inländisches und auslän1 2 3 4 5
6 7 8 9
BFH v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136. Flick in Engelschalk/Flick u.a., Steuern auf ausländische Einkünfte, 93 f. Z.B. in Argentinien bis 1998; in Uruguay, Bolivien und Costa Rica noch heute (Rz. 6.8). Zur Staatenpraxis Lateinamerikas Costa in Engelschalk/Flick u.a., Steuern auf ausländische Einkünfte, 43 (51 ff.). Z.B. von Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 219 ff.; 256 ff.; 328 ff.; Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, 130 ff.; 161 ff.; Debatin, BB 1960, 1015; Debatin, FR 1969, 277; Menck in Engelschalk/Flick u.a., Steuern auf ausländische Einkünfte, 28 (33 ff.); für ein strenges Territorialitätsprinzip dagegen Beil, Der Belastungsgrund des steuerstaatlichen Synallagmas, Zur Zulässigkeit des Welteinkommensprinzips im deutschen internationalen Steuerrecht, Frankfurt a.M. u.a. 2001, 126 ff.; vgl. zu den Entwicklungslinien Lehner/Reimer, IStR 2005, 542 (542). Debatin, BB 1960, 1015 ff.; Debatin, FR 1969, 277 ff.; ähnlich BFH v. 14.4.1993 – I R 29/92, BStBl. II 1994, 27. So z.B. die Begründung des BFH v. 14.4.1993 – I R 29/92, BStBl. II 1994, 27. Vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 617. Zu Einzelheiten Vogel in FS Klein, 361 (368).
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B. Unbeschränkte Steuerpflicht
disches Einkommen ungleich zu behandeln1 und Besteuerungslücken zu nutzen.2 Von den Befürwortern des Welteinkommensprinzips wird zugleich aber auch das Quellenprinzip bei beschränkter Steuerpflicht gebilligt, weil die Inlandseinkünfte mit der inländischen Volkswirtschaft so eng verknüpft seien, dass der Quellenstaat auf die Besteuerung nicht verzichten könne.3 Damit wird im Ergebnis ein die Doppelbesteuerung auslösendes Nebeneinander von Welteinkommensprinzip und Quellenprinzip hingenommen. Für das Quellenprinzip (Territorialitätsprinzip) wird demgegenüber angeführt, nur hierdurch sei systematisch eine Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung möglich. Im Übrigen müsse unter dem Gesichtspunkt internationaler Gerechtigkeit demjenigen Staat der Vorrang für die Besteuerung zukommen, in dessen Gebiet die Erträge erwirtschaftet würden. Die Welteinkommensbesteuerung sei protektionistisch. Sie benachteilige insbesondere die Staaten mit ungünstigen Investitionsbedingungen.4 Das Quellenprinzip erfahre seine Rechtfertigung insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Nutzentheorie, wonach sich die Besteuerung als Gegenleistung für die vom Staat gewährten öffentlichen Güter verstehe. Der Quellenstaat sei es nämlich, der durch Erbringung öffentlicher Leistungen die Erzielung von Einkünften ermögliche.5 Dieser nutzentheoretische Aspekt trage auch zur gerechten Verteilung der Steuergüter unter mehreren Staaten (Verteilungsgerechtigkeit)6 bei. Insbesondere das Nebeneinander von Welteinkommensprinzip bei unbeschränkter Steuerpflicht und Quellenprinzip bei beschränkter Steuerpflicht stelle eine Prinzipienuntreue dar und führe zu einem Affront gegenüber allen Staaten, die sich auf eine Besteuerung allein auf der Grundlage des Quellenprinzips beschränkten und damit im Kern die internationale Doppelbesteuerung schon durch die Eingrenzung der Steuerpflicht vermieden hätten.7
6.57
Die bislang weitgehend opfer- und nutzentheoretisch ausgerichtete Diskussion um die Frage, ob dem Welteinkommens- oder dem Territorialitätsprinzip der Vorzug zu geben sei, lässt eine eindeutige Orientierung am Leistungsfähigkeitsprinzip vermissen. Das Leistungsfähigkeitsprinzip verlangt keineswegs die unterschiedslose Erfassung des weltweiten Einkommens.8 Da das Leistungsfähig-
6.58
1 Menck in Engelschalk/Flick u.a., Steuern auf ausländische Einkünfte, 28 (33); Debatin, FR 1969, 277 ff. 2 Valta, Das Internationale Steuerrecht zwischen Effizienz, Gerechtigkeit und Entwicklungshilfe, Tübingen 2014, 200 ff. 3 Debatin, BB 1960, 1015 (1015); Debatin, FR 1969, 277 ff.; ähnlich BFH v. 14.4.1993 – I R 29/92, BStBl. II 1994, 27. 4 Vogel in Vogel/Ellis u.a., Steueroasen und Außensteuergesetze, 125 ff.; Vogel, StuW 1980, 206 (211 f.). 5 Vogel DStJG 8 (1985), (20 ff.); ähnlich Kirchhof in K/S/M, § 2 EStG Rz. A 146. 6 Vogel, DStJG 8 (1985), 3 (20 ff.). 7 Flick in Engelschalk/Flick u.a., Steuern auf ausländische Einkünfte, 93 (96 ff.); SchulzeBrachmann, StuW 1964, 589 ff.; Tipke in Deutsche Landesreferate zum öffentlichen Recht und Völkerrecht, XI. Internationaler Kongress für Rechtsvergleichung, 211 (218 f.); Endriss, Wohnsitz- oder Ursprungsprinzip?, 67 ff., 78 ff.; Endriss, FR 1968; 338 ff.; Vogel, StuW 1980, 206 (211 ff.); Vogel in Vogel/Ellis u.a., Steueroasen und Außensteuergesetz, 125 (127 ff.); Vogel, DStJG (1985), 3 (17 ff.), Vogel, Intertax 1988, 216 ff.; 319 ff.; 393 ff.; kritisch ggü. dem Welteinkommensprinzip ferner Kirchhof in K/S/M, § 2 EStG Rz. A 146. 8 Zum Einkommen als am meisten geeigneter Maßstab steuerlicher Leistungsfähigkeit Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 619 ff.
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keitsprinzip auch auf die Verwirklichung der Wettbewerbsneutralität gerichtet ist,1 lässt sich aus den bei der Erzielung aus- und inländischer Einkommensteile geltenden unterschiedlichen Rahmen- und Standortbedingungen auch eine unterschiedliche steuerliche Leistungsfähigkeit ableiten. Ist etwa der im Auslandsgeschäft tätige Steuerpflichtige den im Ausland geltenden wirtschaftlichen, gesellschafts- und rechtspolitischen Verhältnissen unmittelbar und nachhaltig ausgesetzt, so ist es sachgerecht, die dortigen steuerlichen Belastungswirkungen zum alleinigen Maßstab für die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zu erheben.2 Im Hinblick darauf, dass bei Geltung des Territorialitätsprinzips im Gegensatz zum Welteinkommensprinzip nicht die weltweite Leistungsfähigkeit (Gesamtleistungsfähigkeit) steuerlich erfasst wird, ist die Unterscheidung zwischen in- und ausländischer Leistungsfähigkeit erforderlich.3 Damit ist neben dem Welteinkommensprinzip auch das Territorialitätsprinzip eine Konkretisierungsmöglichkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips.4 6.59
Daraus ergibt sich: Der Gesetzgeber kann sich für das Welteinkommensprinzip oder für das Territorialitätsprinzip, aber auch für das Welteinkommensprinzip und das Territorialitätsprinzip entscheiden, beide Prinzipien also miteinander kombinieren.5 Das ist sowohl unter verfassungsrechtlichen als auch unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten grundsätzlich akzeptabel. 6 Die einmal getroffene Wertentscheidung muss er allerdings dann auch folgerichtig durchhalten (zum Gebot der Folgerichtigkeit Rz. 4.7).
6.60
Wenn auch das Welteinkommensprinzip und das Territorialitätsprinzip mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip vereinbar sind, so ist doch dem Territorialitätsprinzip der Vorzug zu geben.7 1 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band III, 1285. 2 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 18 ff.; Lornson, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei Einkommen- und Körperschaftsteuer, 42 ff.; Schaumburg in FS Tipke, 125 (131). 3 Lornson, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 44; Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, 98 ff.; Vogel, DStJG 8 (1985), 3 (28 ff.); Schaumburg in FS Tipke, 125 (131). 4 Im Einzelnen Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, 90 ff.; Vogel, DStJG 8 (1985), 3 (23 ff.); Vogel, Intertax 1988, 216 ff., 310 ff., 393 ff.; Schaumburg in FS Tipke, 125 (131). 5 Im Internationalen Steuerrecht ist dies auch geschehen; Beispiel: Unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht. 6 Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.8. 7 Ebenso Endriss, Wohnsitz- oder Ursprungsprinzip?, 67 ff., 78 ff.; Endriss, FR 1968, 388 ff.; Flick in Engelschalk/Flick u.a., Steuern auf ausländische Einkünfte, 93 (93 f.); SchulzeBrachmann, StuW 1964, 589 ff.; Tipke in Deutsche Landesreferate zum öffentlichen Recht und Völkerrecht, XI. Internationaler Kongress für Rechtsvergleichung, 211 (218 f.); Vogel, StuW 1980, 206 (211 f.); Vogel in Vogel/Ellis u.a., Steueroasen und Außensteuergesetz, 125 (127 ff.); Vogel, DStJG 8 (1985), 28 ff.; Vogel, Intertax 1988, 216 ff., 319 ff., 393 ff.; Vogel, BIFD 2002, 4 (6); Vogel in FS L. Fischer, 1007 ff.; Schaumburg in FS Tipke, 125 (131) Morgenthaler, IStR 1993, 258 (260); Morgenthaler, IStR 2000, 289 (292 ff.); Beil, Der Belastungsgrund des steuerstaatlichen Synallagmas, Zur Zulässigkeit des Welteinkommensprinzips im deutschen internationalem Steuerrecht, Frankfurt a.M. u.a. 2001, 126 ff.; kritisch ggü. dem Welteinkommensprinzip ferner Kirchhof in K/S/M, § 2 EStG Rz. A 146.
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B. Unbeschränkte Steuerpflicht
Das im Einkommensteuergesetz verankerte Welteinkommensprinzip ist nämlich das Ergebnis fiskalischer Zweckmäßigkeitsüberlegungen, nicht aber ein an der Gerechtigkeit ggü. dem Steuerpflichtigen und den beteiligten Staaten orientiertes Prinzip. Insoweit ist das Welteinkommensprinzip nicht sachgerecht. Es eröffnet den Zugriff auf Einkünfte, die nach der eigenen Wertung des Einkommensteuergesetzes (§ 49 Abs. 1 EStG) den Quellenstaaten zuzuordnen sind. Wenn es nämlich richtig ist, dass der Quellenstaat wegen der engen Verbindung mit der inländischen Volkswirtschaft auf die Besteuerung sämtlicher Einkünfte aus seinen inländischen Quellen nicht verzichten könne,1 so muss das für jeden Staat gelten, wenn nicht Prinzipienuntreue zur Grundlage der Besteuerungskonzeption werden soll. Im Hinblick darauf muss ein Staat, der für sich die Besteuerung inländischer Quellen in Anspruch nimmt, anderen Staaten auch deren Quellen für Zwecke der Besteuerung überlassen. Diese auf Gegenseitigkeit und Verteilungsgerechtigkeit angelegte internationale Steuerabgrenzung2 wird durch das Welteinkommensprinzip gestört. Schließlich sind die das Welteinkommensprinzip tragenden Normen des Einkommensteuergesetzes als kollisionsbegründende Normen bereits in ihrer rechtlichen Grundausrichtung auf eine die Gleichmäßigkeit der Besteuerung verletzende Doppelbesteuerung angelegt. Zwar wird diese Doppelbesteuerung entweder durch DBA oder unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (§ 34c EStG) ganz oder zum Teil vermieden bzw. aufgehoben, es ist aber sachgerechter, diese Doppelbesteuerung von vornherein zu verhindern. Eine am Territorialitätsprinzip ausgerichtete Besteuerung wird freilich nur dann eine Doppelbesteuerung vermeiden können, wenn das Territorialitätsprinzip frei von Widersprüchen ist. Hierzu bedürfte es eines internationalen Konsensus aller Staaten. Ein weltweit geltendes Territorialitätsprinzip müsste als eine in sich geschlossene Gerechtigkeitsordnung begriffen werden, innerhalb deren für alle Staaten gleiche oder vergleichbare territoriale Anknüpfungspunkte für die Quellenbesteuerung Geltung haben müssten. Das Territorialitätsprinzip hat indessen international keine Chance, sich durchzusetzen. Insbesondere die reichen – zumeist hochbesteuernden – Staaten werden das Welteinkommensprinzip schon aus fiskalischen Gründen nicht aufgeben.
IX. Durchbrechungen des Welteinkommensprinzips 1. Grundsatz Nach der Konzeption des Einkommensteuergesetzes gilt zwar im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht grundsätzlich das Welteinkommensprinzip, hiervon gibt es allerdings folgende Ausnahmen:
1 Debatin, BB 1960, 1015 (1015); Debatin, FR 1969, 277 f. 2 Hierzu Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 23 ff.; Tipke, Steuergerechtigkeit, 120; Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, 105 ff.; ausführlich Valta, Das Internationale Steuerrecht zwischen Effizienz, Gerechtigkeit und Entwicklungshilfe, Tübingen 2014, 45 ff.
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Kap. 6 Einkommensteuer
2. Fiskalimmunität Literatur Kommentare zu §§ 1 und 3 Nr. 29 EStG sowie zu § 2 AO und Art. 28 OECD-MA; Debatin, Nochmals: Zur deutschen unbeschränkten Steuerpflicht für UNO-Bedienstete, FR 1991, 580; Lang, Grundsätzliches zur Interpretation völkerrechtlicher Abkommen im Steuerrecht, dargestellt an dem Beispiel der Frage, ob der Diplomat einer ausländischen Mission beschränkt einkommensteuerpflichtig ist, StuW 1975, 285; Richter, Die Besteuerung der Altersbezüge von UN-Bediensteten in Deutschland, IStR 2007, 202; Streck, Steuerpflicht der Diplomaten, FR 1975, 261; Streck, Steuerpflicht und Steuerbefreiungen von Diplomaten, Konsuln, NATO-Truppenmitgliedern und ihnen gleichgestellten Personen, StuW 1973, 119; Zeileissen, Die abgabenrechtlichen Privilegien in den diplomatischen und konsularischen Beziehungen mit besonderer Berücksichtigung der völkerrechtlichen Verpflichtungen Österreichs, Wien 1971.
6.62
Das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen (WÜD) vom 18.4. 19611 befreit nach seinem Art. 34 die Diplomaten, das heißt die Missionschefs und die Mitglieder des diplomatischen Personals der Mission, von allen staatlichen, regionalen und kommunalen Personal- und Realsteuern oder -abgaben, soweit – aus deutscher Sicht – der vorgenannte Personenkreis weder die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt noch im Geltungsbereich des Einkommensteuergesetzes ständig ansässig2 ist. Die Befreiung gilt allerdings nicht für Steuern und sonstige Abgaben von privaten Einkünften, deren Quellen sich im Empfangsstaat befinden. Das bedeutet, dass ein ausländischer Diplomat im Ergebnis nur mit seinen inländischen Einkünften i.S. des § 49 Abs. 1 EStG steuerpflichtig ist.3 Die Dienstbezüge sind hierbei gem. § 3 Nr. 29 Buchst. a EStG steuerfrei.
6.63
Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 29 EStG ist mit der Befreiungsregelung des WÜD/ WÜK nicht deckungsgleich. So bleibt sie hinter den völkervertraglichen Befreiungsregelungen dadurch zurück, dass z.B. Familienmitglieder nicht begünstigt werden.4 Diese Unterschiede sind nicht völkerrechtlich veranlasst. Da die entsprechenden Regelungen im WÜD/WÜK Völkergewohnheitsrecht5 kodifizieren und in der Normenhierarchie als allgemeine Regeln des Völkerrechts (Rz. 3.11 ff.) über Art. 25 GG den einfachen Gesetzen und damit auch dem § 3 Nr. 29 EStG vorgehen (Rz. 3.22), beruht die Steuerbefreiung für Familienangehörige unmittelbar auf Art. 37 Abs. 1 WÜD und Art. 49 Abs. 1 WÜK.6 Im Übrigen gilt: Soweit § 3 Nr. 29 EStG mit der Befreiungsregelung des WÜD/WÜK identisch ist, hat diese Gesetzesvorschrift nur deklaratorische Bedeutung.7 Soweit § 3 Nr. 29 EStG Völ1 Gesetz v. 6.8.1964 zu dem Wiener Übereinkommen v. 18.4.1961 über diplomatische Beziehungen – BGBl. II 1964, 957; BGBl. II 1965, 147. 2 Personen, die im Zeitpunkt ihrer Anstellung durch die betreffende Mission bereits längere Zeit – Sechsmonatsfrist des § 9 Satz 2 AO als Indiz (BFH v. 30.8.1989 – I R 215/85, BStBl. II 1989, 956) – im Empfangsstaat ihren Wohnsitz hatten; BFH v. 25.7.2007 – III R 781/03, BFH/NV 2008, 196; v. 19.9.2013 – V R 9/12, BFH/NV 2014, 90 (Kindergeld). 3 Tiede in H/H/R, § 1 EStG Rz. 37; Rauch in Blümich, § 1 EStG Rz. 184; zu weiteren Einzelheiten Bergkemper in H/H/R, § 3 Nr. 29 EStG Rz. 1; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 14 f. 4 Zu den Unterschieden von Beckerath in K/S/M, § 3 EStG Rz. B 29/22; Bergkemper in H/H/R, § 3 Nr. 29 EStG Rz. 1. 5 Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 7, 13; Tiede in H/H/R, § 1 EStG Rz. 37; Rauch in Blümich, § 1 EStG Rz. 183. 6 Bergkemper in H/H/R, § 3 Nr. 29 EStG Rz. 1. 7 Von Beckerath in K/S/M, § 3 EStG Rz. B 29/22 ff.; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 15.
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B. Unbeschränkte Steuerpflicht
kergewohnheitsrecht wiederholt, wirkt diese Vorschrift auch in den Fällen, in denen Staaten dem WÜD/WÜK nicht beigetreten sind.1 Nach Art. 37 WÜD sind den Diplomaten gleichgestellt deren Familienmitglieder, soweit sie nicht Angehörige des Empfangsstaates sind, ferner Mitglieder des Verwaltungspersonals und des technischen Personals und deren Familienmitglieder, wenn sie weder Angehörige des Empfangsstaates noch in demselben ständig ansässig sind.2 Für die konsularischen Vertretungen gilt das Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen (WÜK) vom 24.4.1963.3 Die Bestimmungen dieses Abkommens sind weitgehend denen des WÜD nachgebildet. Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 29 Buchst. b EStG erfasst dementsprechend auch die Dienstbezüge von Berufskonsuln, Konsulatsangehörigen und deren Personal, soweit sie Angehörige des Entsendestaates sind und in Deutschland außerhalb ihres Amtes oder Dienstes keinen Beruf, kein Gewerbe und keine andere gewinnbringende Tätigkeit ausüben.
6.64
Die Vorschriften des WÜK gelten nur für Berufskonsuln, nicht aber für Wahlkonsuln; das bedeutet, dass die Steuerbefreiungen des Art. 49 WÜK auf Wahlkonsuln keine Anwendung finden (Art. 58 WÜK). Wahlkonsuln sind aber nach Art. 66 WÜK von allen Steuern und sonstigen Abgaben für Bezüge befreit, die sie für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben vom Entsendestaat erhalten.
6.65
Für Mitglieder solcher ausländischer Missionen oder ausländischer konsularischer Vertretungen und ihre Bediensteten, deren Entsendestaat dem WÜD/WÜK noch nicht rechtswirksam beigetreten ist, ergibt sich eine Steuerbefreiung aus der Verwaltungsanordnung der Bundesregierung vom 13.10.1950 (Bundesanzeiger Nr. 212).4 Nach dieser Verwaltungsanordnung, die sowohl verbindliches Völkergewohnheitsrecht (Rz. 3.11 ff.) als auch nicht verbindliche Völkerrechtssitte (courtoisie, comity)5 wiedergibt, werden die dort aufgeführten Personen im Ergebnis ebenfalls nur eingeschränkt besteuert.
6.66
Die die Steuerbefreiung regelnden Vorschriften des WÜD und des WÜK befassen sich nur mit Fragen des Steuerobjekts, nicht aber mit solchen des Steuersubjekts. Daher sind Diplomaten und Konsuln, soweit sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben, unbeschränkt steuerpflichtig. Daran ändert auch nichts der Umstand, dass dieser Personenkreis zu den Exterritorialen rechnet. Denn die Exterritorialität ist eine Frage der Unterwerfung unter die deutsche Gerichtsbarkeit (§§ 18 ff. GVG) und der Durchführung von Zwangsmaßnahmen. Eine Fiktion, dass Exterritoriale keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, ergibt sich aus den vorstehenden Regelungen nicht. Daher sind Diplomaten und Konsuln, soweit sie die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 EStG erfüllen, unbeschränkt steuerpflichtig6 mit der Folge, dass an sich das Welteinkommensprinzip gilt. WÜD und WÜK legen demgegenüber
6.67
1 Von Beckerath in K/S/M, § 3 EStG Rz. B 29/22 ff.; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 13. 2 Zu Einzelheiten H 3.29 Nr. 3 EStH. 3 Gesetz v. 26.8.1969 zum Wiener Übereinkommen v. 24.4.1963 über konsularische Beziehungen – BGBl. II 1969, 1585; BGBl. II 1971, 1285. 4 Vgl. H 3.29 Nr. 10 EStH. 5 Hierzu Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, Rz. 129. 6 Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 15; Lang, Systematisierung der Steuervergünstigungen, 136 f.; Lang, StuW 1975, 285 (285, 293); Jütte, IStR 1995, 85 (86); dagegen von beschränkter Steu-
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Kap. 6 Einkommensteuer
für Diplomaten und Konsuln verbindlich das Quellenprinzip (Territorialitätsprinzip) fest. Unter diesem Gesichtspunkt handelt es sich bei § 3 Nr. 29 EStG um eine auf der Grundlage von WÜD und WÜK veranlasste Rückführung des Welteinkommensprinzips auf das Quellenprinzip. 6.68
Weitere Steuerbefreiungen, die zu einer Durchbrechung des Welteinkommensprinzips führen, sind u.a. für UN-Bedienstete vorgesehen für Dienstbezüge, die unmittelbar von der UNO oder von Sonderorganisationen gezahlt werden.1 Im Übrigen sind sie in einer Vielzahl völkerrechtlicher Verträge enthalten, die dem Fundstellennachweis B (völkerrechtliche Vereinbarungen), jährlicher Sonderdruck des Bundesgesetzblatts Teil II, entnommen werden können. 3. Verlustausgleichsbeschränkung (§ 2a Abs. 1 und 2 EStG) Literatur Kommentare zu § 2a Abs. 1 und 2 EStG; Baumgärtel/Perlet in Maßbaum/Meyer-Scharenberg/Perlet, Die deutsche Unternehmensbesteuerung im europäischen Binnenmarkt, Frankfurt 1994; von Brocke, Lidl Belgium und die praktischen Folgen, DStR 2008, 2201; Fleischmann, Auslandsverluste – Stiefkinder unseres Steuerrechts?, DStR 1983, 191 (193); Friauf, Steuergleichheit, Systemgerechtigkeit und Dispositionssicherheit als Prämissen einer rechtsstaatlichen Einkommensbesteuerung – zur verfassungsrechtlichen Problematik des § 2a EStG, StuW 1985, 308 ff.; Goebel/Schmidt, Grenzüberschreitende Verlustverrechnung und das JStG 2009 – Anwendung des Progressionsvorbehalts bei Einkünften aus gewerblichen EU-/EWR- und Drittstaats-Betriebsstätten, IStR 2009, 620; Goertzen, Verfassungswidrige Beschränkung der Verlustverrechnung bei Auslandsbezug, EWS 1992, 93; Grützner, Berücksichtigung der Ergebnisse ausländischer Betriebsstätten in Organschaftsfällen iS der §§ 14, 17 KStG, GmbHR 1995, 502; Henkel, Zur Stellung des § 2a im Einkommensteuerrecht und im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Münster 1988; Hey, Können ausländische Verluste aus Vermietung trotz Freistellung nach DBA und § 2a EStG berücksichtigt werden?, RIW 2003, 557; Krabbe, Steuerliche Behandlung ausländischer Verluste nach § 2a EStG, RIW/AWD 1983 42; Kröner, Verrechnungsbeschränkte Verluste im Ertragsteuerrecht, Wiesbaden 1986; Krömker, Beschränkung des negativen Progressionsvorbehalts durch § 2a EStG, EStB 2011, 214; Lang, Der Stellenwert des objektiven Nettoprinzips im deutschen Einkommensteuerrecht, StuW 2007, 3; Loritz/Wagner, § 2a EStG und Europäische Gemeinschaft- und Verfassungsrechtliche und europarechtliche Fragen, BB 2001, 2266; Manke, Angeklagt: § 2a EStG – Plädoyer für und an den Gesetzgeber, DStZ 1984, 241; Rädler, Abzugsfähigkeit von Auslandsverlusten, FR 1983, 337 ff.; Rehm/ Nagler, Zur Frage der Zulässigkeit der Einschränkung des steuerlichen Ausgleichs von Verlusten der Muttergesellschaft aus Abschreibungen auf Beteiligungswerte von EU-Tochtergesellschaften, GmbHR 2007, 500; Schaumburg, Besteuerung von Einkommen, DStJG 24 (2001), 225; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS für Tipke, Köln 1995, 125; Schaumburg/Schaumburg, Steuerliche Leistungsfähigkeit und europäische Grundfreiheiten im Internationalen Steuerrecht, StuW 2005, 306; Scholten/Griemla, Beteiligungserpflicht ausgehend BFH v. 13.11.1996 – I R 119/95, BFH/NV 1997, 664; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 28 OECD-MA Rz. 10, 16 ff.; Streck, StuW 1973, 119 ff.; Streck, FR 1975, 261 ff.; Levedag in Schmidt35, § 3 EStG Rz. 104; H 3.29 Nr. 2 EStH. 1 Art. V Abschn. 18 Buchst. b des Übereinkommens über die Vorrechte und Immunitäten der Vereinten Nationen v. 13.2.1946 (G. v. 16.8.1980, BGBl. II 1980, 941) und das Abkommen über die Vorrechte und Befreiungen der Sonderorganisationen der Vereinten Nationen v. 21.11.1947 (G. v. 22.6.1954, BGBl. II 1954, 639); vgl. zu Einzelheiten Debatin, FR 1981, 580; Richter, IStR 2007, 202.
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B. Unbeschränkte Steuerpflicht strukturen im Problemfeld des § 2a EStG – Der mehrstufige Kombinationsfall, IStR 2007, 306, 346, 615; Strobl/Schäfer, Berücksichtigung von Auslandsverlusten bei atypisch stiller Gesellschaft, IStR 1993, 206; Tipke, Hütet das Nettoprinzip!, in Kirchhof/Schmidt/Schön/ Vogel (Hrsg.), Steuer- und Gesellschaftsrecht zwischen Unternehmerfreiheit und Gemeinwohl, FS für Raupach, Köln 2006, 177; Tipke, Bezüge und Abzüge im Einkommensteuerrecht, StuW 1980, 1; Tipke, Das Nettoprinzip – Angriff und Abwehr, dargestellt am Beispiel des Werkstorprinzips, BB 2007, 1525; Verfürth, Verlustausgleichsverbote im Einkommensteuerrecht, Diss. Köln 2002; Vogel, Besteuerung fiktiver Einkünfte, in Wendt/Höfling/Karpen/Oldiges (Hrsg.), FS für Friauf, Heidelberg 1996, 825; Weigell, Die Beschränkung des Ausgleichs ausländischer Verluste durch den neuen § 2a EStG, Gelsenkirchen 1986; Weinreich, Probleme des Verlustausgleichs über die Grenze, Frankfurt/Berlin/Bern/New York/ Paris/Wien 1994.
Aus dem Welteinkommensprinzip folgt, dass im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht nicht nur im Ausland erzielte positive, sondern auch dort erzielte negative Einkünfte Berücksichtigung finden müssen. Die Berücksichtigung sowohl positiver als auch negativer Einkünfte folgt aus § 2 Abs. 2 EStG, wonach prinzipiell nur Rein- oder Nettoeinkünfte der Einkommensteuer unterliegen.1 Hierdurch wird das objektive Nettoprinzip2 positioniert, wonach im Grundsatz die uneingeschränkte Berücksichtigung von Erwerbsaufwendungen und damit zugleich auch von Verlusten geboten ist.3 Im Hinblick darauf sind auch negative Einkünfte aus dem Ausland grundsätzlich in den horizontalen und vertikalen Verlustausgleich einzubeziehen.4 Diese uneingeschränkte Verlustberücksichtigung als Ausprägung des objektiven Nettoprinzips führt zu einer legislativen Bindung auf Grund des gleichheitsrechtlichen Folgerichtigkeitsgebots; Ausnahmen von der Verlustberücksichtigung bedürfen daher eines besonderen, sachlich rechtfertigenden Grundes.5
6.69
Durch den Verlustausgleich gem. § 2 Abs. 1 bis 3 EStG können bei der Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte positive und negative Einkünfte eines Jahres verrechnet werden. Hierbei sind zunächst negative Einkünfte einer Einkunftsart mit positiven Einkünften derselben Einkunftsart auszugleichen (horizontaler Verlustausgleich). Sodann werden die verbleibenden positiven und negativen Einkünfte verschiedener Einkunftsarten ausgeglichen (vertikaler Verlustausgleich).6 Verluste, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen werden können, sind nach § 10d EStG durch Verlustabzug (Verlustvortrag/Verlustrücktrag) zu berücksichtigen (interperiodischer Verlustausgleich).7
6.70
1 Hey in Tipke/Lang22, § 8 Rz. 54 ff.; Tipke, StuW 1980, 1 ff. 2 Zum normkonzipierenden Charakter des Nettoprinzips Kirchhof in K/S/M, § 2 EStG Rz. A 127; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 762 ff.; Hey in Tipke/Lang22, § 8 Rz. 54; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 60 ff., 183 ff. 3 Hey in Tipke/Lang22, § 8 Rz. 54 ff.; Lang, StuW 2007, 3 ff.; Tipke in FS Raupach, 177 ff.; Tipke, BB 2007, 1525 ff. 4 Schaumburg in FS Lang, 1099 ff. (1105 ff.); Schaumburg/Schaumburg, StuW 2013, 61 ff. (64 ff.). 5 Vgl. BVerfG v. 4.12.2002 – 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (48); v. 21.6. 2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (180 f.); v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210 (235 ff.). 6 Zum horizontalen und vertikalen Verlustausgleich im Einzelnen Hey in Tipke/Lang22, § 8 Rz. 60 ff. 7 Zu den Ausnahmen (Verlustverrechnungsbeschränkungen) vgl. Hey in Tipke/Lang22, § 8 Rz. 65 ff.
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Kap. 6 Einkommensteuer
6.71
§ 2a Abs. 1 und 2 EStG stellt eine Durchbrechung sowohl des Welteinkommensprinzips als auch des Nettoprinzips dar. Diese Vorschrift untersagt nämlich einen Verlustausgleich zwischen positiven inländischen Einkünften und negativen ausländischen Einkünften aus – einer in einem Drittstaat belegenen land- und forstwirtschaftlichen oder gewerblichen Betriebsstätte (§ 2a Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG), – der Beteiligung an einem Handelsgewerbe als stiller Gesellschafter und aus partiarischen Darlehen, wenn der Schuldner Wohnsitz, Sitz oder Geschäftsleitung in einem Drittstaat hat (§ 2a Abs. 1 Nr. 5 EStG), – der Vermietung oder der Verpachtung unbeweglichen Vermögens oder von Sachinbegriffen, wenn diese in einem Drittstaat belegen sind (§ 2a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a EStG).
6.72
Darüber hinaus unterliegen auch inländische negative Einkünfte (Gewinnminderungen), soweit sie durch in einem Drittstaat veranlassten Aufwand entstanden sind, der Verlustausgleichsbeschränkung des § 2a EStG. Es handelt sich hierbei um negative Einkünfte aus – Anteilen an einer Drittstaaten-Körperschaft (§ 2a Abs. 1 Nr. 3 und 4 EStG) oder an einer nicht in einem Drittstaat ansässigen Zwischengesellschaft (§ 2a Abs. 1 Nr. 7 EStG), – der entgeltlichen Überlassung von Schiffen, wenn diese ausschließlich oder fast ausschließlich in Drittstaaten eingesetzt worden sind, es sei denn, es handelt sich um eine ausgerüstete Überlassung von einem Vercharterer oder um die Überlassung an nicht in Drittstaaten ansässige Ausrüster oder um eine nur vorübergehende Überlassung an in Drittstaaten ansässige Ausrüster. (§ 2a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b EStG), – der Teilwertabschreibung oder Übertragung von in Drittstaaten belegenem unbeweglichen Vermögen oder der vorgenannten Schiffe (§ 2a Abs. 1 Nr. 6c EStG).
6.73
Derartige negative Einkünfte dürfen mit Ausnahme der in § 2a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b EStG genannten Fälle nur mit positiven Einkünften der jeweils selben Art aus demselben Staat ausgeglichen werden (per country limitation). Soweit ein solcher Ausgleich im Veranlagungszeitraum nicht möglich ist, dürfen die positiven Einkünfte der jeweils selben Art, die der Steuerpflichtige in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus demselben Staat erzielt, gemindert werden. Ein Verlustvor- und -rücktrag nach § 10d EStG ist ausgeschlossen. Verluste aus Anteilen an einer nicht in einem Drittstaat ansässigen Zwischengesellschaft (§ 2a Abs. 1 Nr. 7 EStG) unterliegen einer erweiterten Verlustausgleichsbeschränkung insoweit, als sie nur mit positiven Einkünften aufgrund von Tatbeständen der jeweils selben Art aus demselben Staat ausgeglichen werden dürfen.
6.74
§ 2a Abs. 1 EStG schränkt den Verlustausgleich auf allen drei Ebenen ein, so dass neben dem horizontalen und vertikalen Verlustausgleich (§ 2a Abs. 1 Satz 1 EStG) auch der interperiodische Verlustausgleich betroffen ist (§ 2a Abs. 1 Satz 3 EStG).1 Die Verlustausgleichsbeschränkung des § 2a EStG setzt bei der Ermitt1 Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. A 9 f.
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B. Unbeschränkte Steuerpflicht
lung der Summe der Einkünfte an1 und beeinflusst somit das zu versteuernde Einkommen, das nicht nur Steuerbemessungsgrundlage, sondern auch Bemessungsgrundlage für die Höhe des Steuersatzes (Steuersatz-Einkommen) ist.2 Hieraus folgt, dass § 2a Abs. 1 EStG auch zu einer Versagung der Progressionsmilderung durch Verluste führt. Dies gilt auch in jenen Fällen, in denen DBA einen (negativen) Progressionsvorbehalt vorsehen. Die Einbeziehung ausländischer Einkünfte in die Ermittlung des Steuersatz-Einkommens beruht nämlich allein auf deutschem Einkommensteuerrecht, das der Gesetzgeber ohne weiteres ändern kann. Der abkommensrechtliche Progressionsvorbehalt lässt diese Einbeziehung lediglich zu, hat insoweit also nur deklaratorische Wirkung. Damit schließt § 2a Abs. 1 EStG einen negativen Progressionsvorbehalt auch in Abkommensfällen aus,3 wobei dieser für den EU-/EWR-Bereich ohnehin ausgeschlossen ist (§ 32b Abs. 1 Satz 2 EStG).4 Die vorgenannte Verlustausgleichsbeschränkung gilt im Hinblick insbesondere auf die europarechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) nicht in EU-/EWR-Fällen,5 soweit die hierdurch betroffenen Staaten Amtshilfe gewähren (§ 2a Abs. 2a Satz 2 EStG). Unter dem Gesichtspunkt der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV)6 sind aber auch Verluste aus Drittstaaten zu berücksichtigen,7 soweit im Einzelfall nicht die sog. Stand-Still-Klausel (Art. 64 AEUV) eingreift,8 wonach die bereits am 31.12.1993 existierenden Verlustausgleichsbeschränkungen des § 2a Abs. 1 AStG europarechtlich abgesegnet werden.9 Darüber hinaus wird sie für negative Einkünfte (Gewinnminderungen) aus bestimmten aktiven Tätigkeiten wieder aufgehoben (§ 2a Abs. 2 EStG).
6.75
§ 2a Abs. 1 EStG führt im Ergebnis dazu, dass für bestimmte ausländische und im Ausland veranlasste inländische Einkünfte, soweit sie positiv sind, das Welteinkommensprinzip, und, soweit sie auf Dauer negativ sind, das Territorialitätsprinzip gilt. Diese Durchbrechung sowohl des Welteinkommensprinzips10 als auch
6.76
1 Probst in F/W/B/S, § 2a EStG Rz. 313, 339. 2 Z.B. BFH v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136; v. 12.12.1990 – I R 127/88, BFH/NV 1992, 104, v. 13.5.1993 – IV R 69/92, BFH/NV 1994, 100 v. 12.1.2011 – I R 35/10, BStBl. II 2011, 494. Hierdurch kommt es im Ergebnis zu einer das Leistungsfähigkeitsprinzip verletzenden Besteuerung von fiktiven Einkünften; hierzu Vogel in FS Friauf, 825 (829 f.). 3 BFH v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136; v. 13.5.1993 – IV R 69/92, BFH/NV 1994, 100; v. 17.11.1999 – I R 7/99, BStBl. II 2000, 605; v. 12.1.2011 – I R 35/10, BStBl. II 2011, 494; v. 10.8.2011 – I R 45/10, BStBl. II 2012, 118; Probst in F/W/B/S, § 2a EStG Rz. 92; Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 2a EStG Rz. 8, 89 f. 4 In der Fassung des JStG 2009; zu Einzelheiten Probst in F/W/B/S, § 2a EStG Rz. 89 f. 5 EuGH v. 29.3.2007 – Rs. C-347/04 – Rewe Zentralfinanz, Slg. 2007, I-2647. 6 Zum Verhältnis Niederlassungsfreiheit/Kapitalverkehrsfreiheit vgl. Rz. 4.34. 7 Aufgrund des inzwischen weitreichenden Informationsaustauschs auch mit Drittstaaten besteht kein Grund, den Anwendungsbereich der Kapitalverkehrsfreiheit generell einzuschränken (so aber Gosch in Kirchhof15, § 2a EStG Rz. 15). 8 Vgl. hierzu Probst in F/W/B/S, § 2a EStG Rz. 54. 9 Zu Einzelheiten Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.9 ff. 10 Der BFH v. 26.3.1991 – IX R 162/85, BStBl. II 1991, 704 erkennt hierin keinen Systembruch.
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Kap. 6 Einkommensteuer
des objektiven Nettoprinzips hat die höchstrichterliche Rechtsprechung1 nicht als einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gewertet.2 Die Regelung in § 2a Abs. 1 und 2 EStG sei nicht grob sachwidrig. Es hätten sachbezogene Gründe bestanden, um zwischen Inlands- und bestimmten Auslandseinkünften zu unterscheiden. Dem Gesetzgeber sei es nämlich darum gegangen, unerwünschte Steuerersparnismöglichkeiten, die sich aus Verlustzuweisungsmodellen ergeben hätten, zu verhindern. Dass über dieses Ziel hinaus auch „gute“ Auslandsverluste durch die Regelung des § 2a Abs. 1 und 2 EStG betroffen würden, sei als Typisierung verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.3 6.77
Mit dieser Rechtsprechung, die durch das BVerfG gedeckt ist,4 wird Art. 3 Abs. 1 GG weitgehend seiner individualrechtlichen Korrektivfunktion entkleidet und zum Formalprinzip entwertet. Eine auf bloße Verlusterzielung und damit auf Steuerersparnis ausgerichtete Tätigkeit mag zwar den Gesetzgeber berechtigen, ein Verlustausgleichs- und Verlustabzugsverbot zu statuieren, dies rechtfertigt indessen keine typisierenden Regelungen zu Lasten einer Mehrheit, deren Tätigkeit nicht auf Verlusterzielung ausgerichtet ist. Dies gilt umso mehr, als durch den Diskriminierungsrahmen des § 2a Abs. 1 EStG nicht nur Drittstaaten-Verluste, sondern auch in Drittstaaten veranlasste inländische Verluste betroffen sind, die mit unerwünschten ausländischen Verlustzuweisungsmodellen nichts zu tun haben. Darüber hinaus vermag § 2a Abs. 1 und 2 EStG eine sachlich gerechtfertigte Differenzierung zwischen in- und ausländischen Verlusten ohnehin nicht zu erklären; was letztlich auch dazu geführt hat, dass § 2a Abs. 1 EStG i.d.F. vor dem JStG 2009 europarechtlich nicht haltbar war.5 Wegen der Konvergenz der Gleichheitsrechte6 gilt dies auch für Art. 3 Abs. 1 GG insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Folgerichtigkeit, der Ausnahmen nur bei besonderen, sachlich rechtfertigenden Gründen zulässt,7 die hier nicht gegeben sind.8 1 Z.B. BFH v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136; v. 12.12.1990 – I R 127/88, BFH/NV 1991, 820; v. 26.3.1991 – IX R 162/85, BStBl. II 1991, 704; v. 5.9.1991 – IV R 40/90, BStBl. II 1992, 192; v. 13.5.1993 – IV R 69/92, BFH/NV 1994, 100; v. 29.5.2001 – VIII R 43/00, BFH/NV 2002, 14; vgl. auch die weitergehende Rechtsprechungsübersicht bei Probst in F/W/B/S, § 2a EStG Rz. 40 in Fußnote 1. 2 Der Rechtsprechung folgend z.B. Probst in F/W/B/S, § 2a EStG Rz. 42; Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. A 55 ff. 3 Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG wird demgegenüber angenommen z.B. von Gosch in Kirchhof15, § 2a EStG Rz. 2; Kaminski in Korn, § 2a EStG Rz. 16.1; Weigell, Die Beschränkung des Ausgleichs ausländischer Verluste durch den neuen § 2a EStG, 172; Friauf, StuW 1985, 308 ff.; Rädler, FR 1983, 337 ff.; Fleischmann, DStR 1983, 191 (193); Schaumburg in FS Tipke, 125 (133); Schaumburg, DStJG 24 (2001), 225 (245); Prokisch, DStJG 28 (2005), 229 (234); Kessler in Lehner, Verluste im nationalen und Internationalen Steuerrecht, 2004, 83 ff. (109 ff.). 4 Z.B. BVerfG v. 31.5.1988 – 1 BvR 520/83, BVerfGE 78, 214 (226 ff.); v. 27.3.1998 – 2 BvR 1986/93, 2 BvR 2058/92, 2 BvR 220/92, IStR 1998, 344, 376. 5 EuGH v. 29.3.2007 – Rs. C-347/04 – Rewe Zentralfinanz, Slg. 2007, I-2647. 6 Hierzu Schaumburg/Schaumburg, StuW 2005, 306 (307 f.). 7 Vgl. BVerfG v. 4.12.2002 – 2 BvR 400/98, 2 BvR 1735/00, BVerfGE 107, 27 (48); v. 21.6.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (180 f.); v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210; v. 12.5.2009 – 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (121); v. 6.7.2010 – 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268 (278); v. 12.10.2010 – 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 (245). 8 Dass die in Betracht kommenden Gründe unzureichend sind, hat der EuGH v. 29.3.2007 – Rs. C-347/04 – Rewe Zentralfinanz, Slg. 2007, I-2647 eindrucksvoll belegt.
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B. Unbeschränkte Steuerpflicht
Dem § 2a Abs. 1 und 2 EStG liegt keine einheitliche Konzeption zugrunde. Die Auswahl der in dem Diskriminierungskatalog erfassten Verluste (Gewinnminderungen) erscheint willkürlich.
6.78
Zu den beschränkt ausgleichsfähigen Verlusten1 im Einzelnen:
6.79
– Verluste aus einer in einem Drittstaat belegenen land- und forstwirtschaftlichen Betriebsstätte2 (§ 2a Abs. 1 Nr. 1 EStG) unterfallen uneingeschränkt der Verlustausgleichsbeschränkung, und zwar unabhängig davon, unter welche Einkunftsart diese Verluste fallen.3 Nach der gesetzgeberischen Motivation sollten vor allem konzeptionell verlustbringende Tierfarmen – etwa in Paraguay – getroffen werden; tatsächlich werden aber generell Verluste aus Land- und Forstwirtschaft der Ausgleichsbeschränkung unterworfen, obwohl die Land- und Forstwirtschaft nach den Wertungen des deutschen Einkommensteuerrechts durchweg als besonders förderungswürdig angesehen wird. So werden land- und forstwirtschaftliche Einkünfte einerseits etwa durch den Freibetrag nach § 13 Abs. 3 EStG und durch die Gewinnermittlung nach § 13a EStG privilegiert und gem. § 8 Abs. 1 Nr. 1 AStG als „gute“ Einkünfte eingestuft, andererseits aber durch § 2a Abs. 1 Nr. 1 EStG als „böse“ Einkünfte diskriminiert. Dieser Wertungswiderspruch ist nicht auflösbar.4 Schließlich verstößt es gegen Art. 3 Abs. 1 GG, dass durch die Aktivitätsklausel des § 2a Abs. 2 EStG land- und forstwirtschaftliche Verluste nicht erfasst werden.5 Sind die (negativen) Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlichen Betriebsstätten in Drittstaaten aufgrund von DBA freigestellt (Belegenheitsprinzip), können die ausländischen Verluste ohnehin nicht mit inländischen (positiven) Einkünften ausgeglichen werden, weil die abkommensrechtliche Freistellung bewirkt, dass sowohl positive als auch negative Einkünfte aus der Bemessungsgrundlage auszunehmen sind (Rz. 6.88 f.). Insoweit wirkt sich § 2a Abs. 1 Nr. 1 EStG nur auf den negativen Progressionsvorbehalt aus.
6.80
– Verluste aus einer in einem Drittstaat belegenen gewerblichen Betriebsstätte (§ 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG),6 zu der auch die Beteiligung an einer ausländischen Personengesellschaft zählt, soweit diese im Ausland eine Betriebsstätte unter-
6.81
1 Die negativen Einkünfte aus Drittstaaten sind nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln; BFH v. 22.5.1991 – I R 32/90, BStBl. II 1992, 94; Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 2a EStG Rz. 24; Gosch in Kirchhof15, § 2a EStG Rz. 12. 2 Der Begriff der Betriebsstätte ergibt sich aus § 12 AO. 3 Für die Einkünftequalifikation gilt die isolierende Betrachtungsweise, so dass die Subsidiaritätsklauseln (§§ 20 Abs. 2; 21 Abs. 3 EStG) suspendiert sind; BFH v. 13.5.1993 – IV R 69/92, BFH/NV 1994, 100; v. 17.11.1999 – I R 7/99, BStBl. II 2000, 605; v. 31.3. 2004 – I R 71/03, BStBl. II 2004, 742; zu Einzelheiten Probst in F/W/B/S, § 2a EStG Rz. 126. 4 A.A. BFH v. 13.5.1993 – IV R 69/92, BFH/NV 1994, 100; eingehend zur Kritik an § 2a Abs. 1 Nr. 1 EStG Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. B 20a. 5 A.A. BFH v. 12.12.1990 – I R 127/88, BFH/NV 1992, 104; v. 13.5.1993 – IV R 69/92, BFH/NV 1994, 100; Probst in F/W/B/S, § 2a EStG Rz. 138. 6 Maßgeblich ist der Betriebsstättenbegriff des § 12 AO (BFH v. 17.11.1999 – I R 7/99, BStBl. II 2000, 605); für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern und in der Folge von Einkünften gelten ebenfalls (nur) die Grundsätze des deutschen Steuerrechts; vgl. Gosch in Kirchhof15, § 2a EStG Rz. 18.
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Kap. 6 Einkommensteuer
hält,1 unterliegen nur dann der Verlustausgleichsbeschränkung, wenn ihnen Tätigkeiten zugrunde liegen, die in § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG nicht als förderungswürdig anerkannt werden. Aufgrund der vorgenannten Aktivitätsklausel sind danach begünstigt die Herstellung oder Lieferung von Waren, außer Waffen, die Gewinnung von Bodenschätzen sowie sonstige gewerbliche Leistungen, soweit diese nicht in der Errichtung oder in dem Betrieb von Fremdenverkehrseinrichtungen oder in der Vermietung oder der Verpachtung von Wirtschaftsgütern einschließlich der Überlassung von Rechten, Plänen, Mustern, Verfahren, Erfahrungen und Kenntnissen bestehen. Als gewerbliche Leistungen gelten auch die unmittelbare Beteiligung von mindestens einem Viertel an einer ausländischen Kapitalgesellschaft sowie die mit dem Halten dieser Beteiligung im Zusammenhang stehende Finanzierung, vorausgesetzt, die ausländische Kapitalgesellschaft übt die vorgenannten aktiven Tätigkeiten entweder selbst oder etwa über ihre nachgeschalteten Kapitalgesellschaften aus.2 Damit werden unter den vorgenannten Voraussetzungen auch bestimmte Holdingfunktionen aus dem Diskriminierungsrahmen des § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG ausgenommen.3 § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG enthält Plausibilitätsdefizite. So ist nicht erkennbar, warum bestimmte Verluste aus ausländischen gewerblichen Betriebsstätten der Verlustausgleichsbeschränkung unterworfen sind, Verluste aus einer entsprechenden Tätigkeit von ständigen Vertretern dagegen nicht.4 In beiden Fällen handelt es sich um ausländische Einkünfte, für die die aus § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG erkennbare Wertung gleichermaßen zutrifft.5 Einen Wertungswiderspruch bedeutet es schließlich auch, dass durch § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG in den Fällen der mittelbar ausgeübten aktiven Tätigkeit der ausländischen Betriebsstätte nur unmittelbare Beteiligungen von mindestens einem Viertel aus dem Diskriminierungsrahmen des § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG ausgenommen werden. Diskriminiert bleiben daher stets im ausländischen Betriebsvermögen gehaltene Kapitalbeteiligungen von weniger als einem Viertel. Im Hinblick auf die sich aus § 8 Abs. 1 Nr. 8 u. 9 AStG ergebenden Wertungen sind die in § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG getroffenen Regelungen insoweit unverständlich. Sind die Betriebsstätteneinkünfte aufgrund von DBA im Inland freigestellt (Betriebsstättenprinzip), führt dies grundsätzlich zur Nichtberücksichtigung entsprechender Verluste (sog Symmetriethese).6 Insoweit hat § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG lediglich Bedeutung für den negativen Progressionsvorbehalt, falls dieser nicht ohnehin ausgeschlossen ist (§ 32b Abs. 1 Satz 2 EStG). 1 Z.B. BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; Probst in F/W/B/S, § 2a EStG Rz. 157. Zu Besonderheiten im Zusammenhang mit einer atypisch stillen Gesellschaft Strobl/Schäfer, IStR 1993, 206 ff. 2 Zum Aktivitätskatalog des § 2a Abs. 2 EStG im Einzelnen Probst in F/W/B/S, § 2a EStG Rz. 359 ff. 3 Für den Aktivitätstest wird letztlich auf die letzte Beteiligungsstufe abgestellt; Baumgärtel/Perlet in Maßbaum/Meyer-Scharenberg/Perlet, Die deutsche Unternehmensbesteuerung im europäischen Binnenmarkt, 740; Scholten/Griemla, IStR 2007, 346 (350 ff.); a.A. Probst in F/W/B/S, § 2a EStG Rz. 391. 4 Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 2a EStG Rz. 30; Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. B 43. 5 Hierzu im Einzelnen Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. B 43. 6 Herkenroth/Striegel in H/H/R § 2a EStG Rz. 8; vgl. ferner Rz. 6.88 f.
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B. Unbeschränkte Steuerpflicht
– Verluste bzw. Gewinnminderungen aufgrund einer Teilwertabschreibung (§ 2a Abs. 1 Nr. 3a EStG), aus der Veräußerung oder Entnahme von zu einem Betriebsvermögen gehörenden Anteilen an Drittstaaten-Körperschaften oder aus der Auflösung oder der Herabsetzung des Kapitals einer derartigen Körperschaft (§ 2a Abs. 1 Nr. 3b EStG) unterliegen nur dann nicht der Verlustausgleichsbeschränkung, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass die ausländische Körperschaft entweder seit ihrer Gründung oder während der letzten fünf Jahre und in dem maßgeblichen Veranlagungszeitraum selbst eine aktive Tätigkeit i.S. des § 2a Abs. 2 Satz 1 EStG ausgeübt hat (§ 2a Abs. 2 Satz 2 EStG). § 2a Abs. 1 Nr. 3 EStG soll der Gleichstellung von Betriebsstätten einerseits und Tochtergesellschaften andererseits in dem Sinne dienen, dass mittelbare Verluste ebenso der Verlustausgleichsbeschränkung unterworfen sind wie unmittelbare Verluste.1 Die vorstehende Verlustausgleichsbeschränkung gilt gem. § 2a Abs. 1 Nr. 4 EStG für unter § 17 EStG fallende Anteile an Drittstaaten-Kapitalgesellschaften sinngemäß.2 Mit dieser „Gleichstellung“ ist der Gesetzgeber allerdings weit über das Ziel hinausgegangen, so dass § 2a Abs. 1 Nr. 3 EStG auf einer höheren Diskriminierungsebene angesiedelt ist als § 2a Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG. So sind etwa Gewinnminderungen aufgrund von Teilwertabschreibungen bloß vermögensverwaltender Tochtergesellschaften der Verlustausgleichsbeschränkung stets unterworfen, während unmittelbare Verluste aus vermögensverwaltender Tätigkeit im Ausland, abgesehen von § 2a Abs. 1 Nr. 5 EStG und von Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens oder von Sachinbegriffen (§ 2a Abs. 1 Nr. 6 EStG), nicht diskriminiert sind.3 Da Gewinne aus der Veräußerung und dieser gleichgestellten Vorgängen auf Abkommensebene grundsätzlich dem jeweiligen Wohnsitzstaat zur Besteuerung zugewiesen sind, hat § 2a Abs. 1 Nr. 3 und 4 EStG auch bei Anwendung von DBA uneingeschränkt Bedeutung.4 Einschränkungen ergeben sich allerdings unter dem Gesichtspunkt der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) in den Fällen, in denen die sog. Stand-Still-Klausel (Art. 64 AEUV) nicht eingreift.5
6.82
– Aus dem Bereich der Kapitaleinkünfte werden gem. § 2a Abs. 1 Nr. 5 EStG lediglich Verluste aus stillen Gesellschaften6 und partiarischen Darlehen der Verlustausgleichsbeschränkung unterworfen. Eine Ausnahme hiervon sieht die Aktivitätsklausel des § 2a Abs. 2 EStG nicht vor. Mit der Einbeziehung der vorgenannten Verlustkategorien in den Regelungsbereich des § 2a Abs. 1 EStG verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, ein Ausweichen ausländischer Verlustkonstruktionen auf stille Gesellschaften zu unter-
6.83
1 Probst in F/W/B/S, § 2a EStG Rz. 166. 2 Zu Einzelheiten Probst in F/W/B/S, § 2a EStG Rz. 202 ff. 3 § 2a Abs. 1 Nr. 3 EStG wird für verfassungswidrig gehalten z.B. von Goertzen, EWS 1992, 93 (96 ff.). 4 Im Übrigen gelten §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG und § 8b Abs. 3 KStG ohnehin; zum Konkurrenzverhältnis Probst in F/W/B/S, § 2a EStG, Rz. 174 ff. 5 Probst in F/W/B/S, § 2a EStG Rz. 169 ff.; 211; ferner Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.10 f. 6 Erfasst werden nur typisch stille Beteiligungen; atypisch stille Beteiligungen fallen unter § 2a Abs. 1 Nr. 2 EStG; Probst in F/W/B/S, § 2a EStG Rz. 227.
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Kap. 6 Einkommensteuer
binden.1 Die partiarischen Darlehen wurden wegen der Schwierigkeit der Abgrenzung ggü. der stillen Beteiligung mit erfasst.2 Dass stille Beteiligungen an in Drittstaaten ansässigen Handelsgesellschaften ausnahmslos wirtschaftlich als nicht sinnvoll qualifiziert werden, geht weit über die Zielsetzung des § 2a Abs. 1 und 2 EStG hinaus. So ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen die Aktivitätsklausel des § 2a Abs. 2 EStG nicht auch stille Beteiligungen erfasst. Wegen dieser fehlenden Differenzierung sind Verluste aus stillen Beteiligungen im Gegensatz zu solchen aus mitunternehmerischen Beteiligungen an in Drittstaaten ansässigen Personengesellschaften selbst dann nicht mit positiven inländischen Einkünften ausgleichsfähig, wenn das ausländische Handelsgewerbe, an dem die stille Beteiligung besteht, eine aktive Tätigkeit i.S. des § 2a Abs. 2 EStG ausübt.3 Die Einbeziehung partiarischer Darlehen ist ohnehin ungerechtfertigt, weil es hier nur zu Verlusten kommen kann, wenn die Werbungskosten die Einnahmen übersteigen: Hierdurch wird das objektive Nettoprinzip verletzt mit der Folge, dass im Ergebnis Roheinnahmen der Besteuerung unterworfen werden.4 Da Einkünfte aus stillen Beteiligungen und aus partiarischen Darlehen auf Abkommensebene der Besteuerung durch den Wohnsitzstaat zugeordnet sind, ergeben sich durch DBA keine Einschränkungen für die Anwendung des § 2a Abs. 1 EStG. Soweit typisch stille Beteiligungen und partiarische Darlehen nicht als Direktinvestitionen oder als Finanzdienstleistungen zu qualifizieren sind,5 greift die sog. Stand-Still-Klausel (Art. 64 AEUV) nicht ein, so dass die Verlustausgleichsbeschränkung an der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) scheitert.6 6.84
– Neben Verlusten aus der Vermietung oder Verpachtung von in Drittstaaten belegenem unbeweglichem Vermögen und Sachinbegriffen (§ 2a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a EStG) werden in die Verlustausgleichsbeschränkung auch Verluste aus der entgeltlichen Überlassung von Schiffen einbezogen, wenn diese ausschließlich oder fast ausschließlich in Drittstaaten eingesetzt worden sind, es sei denn, es handelt sich um eine ausgerüstete Überlassung von einem Vercharterer oder um die Überlassung an nicht in Drittstaaten ansässige Ausrüster (§ 2a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b EStG). Darüber hinaus werden auch Verluste aus einer Teilwertabschreibung oder aus der Übertragung von im Betriebsvermögen gehaltenem vorbezeichneten Grundbesitz oder zu einem Betriebsvermögen gehörenden Schiffen erfasst (§ 2a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. c EStG).7 § 2a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a EStG verdankt seine Entstehung dem seinerzeitigen Angebot steuersparender ausländischer Bauherrenmodelle und Leasingmodelle,8 die nicht zuletzt aber gerade deshalb steuerlich Bedeutung gewannen, weil Deutschland in Abkehr vom traditionellen Abkommensmuster in den DBA 1 Hierzu Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. B 50; Krabbe, RIW 1983, 42. 2 Vgl. den Hinweis bei Probst in F/W/B/S, § 2a EStG Rz. 217. 3 Zur Kritik auch Gosch in Kirchhof15, § 2a EStG Rz. 26; Kaminski in Korn, § 2a EStG Rz. 45; Naujok in Bordewin/Brandt, § 2a EStG Rz. 88. 4 Zur Kritik umfassend Mössner in K/S/M, § 2a EStG Rz. B 50 ff., 72 ff. 5 Zur Qualifikation in diesem Sinne Probst in F/W/B/S, § 2a EStG Rz. 219. 6 Probst in F/W/B/S, § 2a EStG Rz. 219. 7 Zu Einzelheiten Probst in F/W/B/S, § 2a EStG Rz. 237 ff. 8 Krabbe, RIW/AWD 1983, 42 (44); Manke, DStZ 1984, 241 ff.
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B. Unbeschränkte Steuerpflicht
mit der Schweiz und mit Spanien die Steueranrechnung als Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung durchgesetzt hatte. Erst dadurch konnten Verluste aus Immobilieninvestitionen in diesen Ländern im Inland steuerlich geltend gemacht werden. § 2a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a EStG stellt sich insoweit als ein Korrektiv zu den vorgenannten DBA dar.1 Gemessen an dem von § 2a Abs. 1 Nr. 6 EStG verfolgten Zweck ist schließlich unklar, aus welchen Gründen die Vermietung von Sachinbegriffen, nicht aber die Vermietung einzelner Sachen im Ausland in die Verlustausgleichsbeschränkung einbezogen ist. Soweit aufgrund von DBA Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen im Wohnsitzstaat freigestellt sind, hat § 2a Abs. 1 Nr. 6 EStG nur Bedeutung für den negativen Progressionsvorbehalt, soweit dieser nicht ohnehin ausgeschlossen ist (§ 32b Abs. 1 Satz 2 EStG). Im Übrigen sind gegen die Verlustausgleichsbeschränkungen des § 2a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a EStG die Schrankenwirkungen der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) gerichtet, soweit nicht die sog. Stand-Still-Klausel (Art. 64 AEUV) eingreift.2 In den Fällen des § 2a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b EStG kommt dagegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) wegen des Vorrangs der Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 (AEUV) zur Anwendung.3 – § 2a Abs. 1 Nr. 7 EStG erweitert die Verlustausgleichsbeschränkung auf Verluste aus einer Teilwertabschreibung, aus der Veräußerung oder Entnahme eines Anteils sowie aus der Auflösung oder Herabsetzung des Kapitals an einer nicht in einem Drittstaat ansässigen Zwischengesellschaft, soweit die Verluste auf Tätigkeiten zurückzuführen sind, die unter den Katalog des § 2a Abs. 1 Nr. 1 bis 6 EStG fallen. Durch diese Regelung soll eine Umgehung der Verlustausgleichsbeschränkung durch Zwischenschaltung insbesondere inländischer Körperschaften vermieden werden. 4. Steuerfreistellung durch DBA Literatur Kommentare zu Art. 23 OECD-MA; Dörfler/Heurung/Adrian, Korrespondenzprinzip bei verdeckter Einlage und verdeckter Ausschüttung, DStR 2007, 514; Dötsch/Pung, JStG 2007: Die Änderungen des KStG und des GewStG, DB 2007, 11; Kahler, Die Freistellungsmethode in deutschen Doppelbesteuerungsabkommen und die Vereinbarkeit mit dem EGVertrag, Frankfurt/M. 2007; Lieber, Neuregelung der Hinzurechnungsbesteuerung durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz, FR 2002, 139; Linn, Vermeintliche oder tatsächliche Rechtskontinuität in der Rechtsprechung des EuGH, IStR 2016, 103; Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, Baden-Baden 2008; Mitschke, Finale Verluste in der „Zwickmühle“ des Europäischen Steuerrechts, IStR 2013, 209; Mitschke, Direktes Europäisches Steuerrecht auf Schlingerkurs?, IStR 2014, 37; Mössner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung – Vorzüge, Nachteile, aktuelle Probleme, DStJG 8 (1985), 135; Mössner, Beschränkungen des Verlustausgleichs und Verlustabzugs, DStJG 17 (1994), 231; Pohl/Raupach, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen 1 Hierzu im Einzelnen Flick in Engelschalk/Flick u.a., Steuern auf ausländische Einkünfte, 93 (100). 2 Vgl. hierzu im Einzelnen Probst in F/W/B/S, § 2a EStG Rz. 247; Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.12. 3 Hierzu Probst in F/W/B/S, § 2a EStG Rz. 254.
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6.85
Kap. 6 Einkommensteuer nach dem JStG 2007, FR 2007, 210; Reinhart, Der Auslandstätigkeitserlass, DB 1983, 2246; Schaumburg, Das Nettoprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Tipke/Seer/Hey/Englisch, Gestaltung der Steuerrechtsordnung, Festschrift für J. Lang, Köln 2010, 1099; Schön, Zum Entwurf eines Steuersenkungsgesetzes, StuW 2000, 151; Schnitger, EuGH in der Rs. Timac Agro zu finalen ausländischen Betriebsstättenverlusten – Was es das bei der Freistellungsmethode?, IStR 2016, 72; Strnad, Das Korrespondenzprinzip in § 8, § 8b KStG gemäß JStG 2007, GmbHR 2006, 1321; Wassermeyer, Außensteuerrechtliche Probleme der Unternehmensbesteuerung, DStJG 25 (2002), 103.
6.86
Soweit auf der Ebene von DBA (Rz. 19.1 ff.) die Doppelbesteuerung dadurch vermieden wird, dass im Ausland erzielte Einkünfte von deutscher Steuer freigestellt werden (Freistellungsmethode; Art. 23A Abs. 1 OECD-MA), handelt es sich um eine Durchbrechung des auf der Ebene des Einkommensteuergesetzes konzipierten Welteinkommensprinzips. Die Steuerfreistellung hat entsprechend der abkommensrechtlichen Terminologie im Wohnsitzstaat dadurch zu erfolgen, dass die betreffenden Einkünfte von der Besteuerung auszunehmen sind. Wie dies technisch nach innerstaatlichem Recht umzusetzen ist, regeln die in Betracht kommenden DBA nicht. Eine umfassende Regelung enthält auch das EStG nicht. Im Hinblick darauf gilt folgendes: Die Reichweite der (sachlichen) Steuerbefreiung1 richtet sich allein nach Abkommensrecht, wobei die Berücksichtigung im Rahmen eines Progressionsvorbehalts dem innerstaatlichen Recht (§ 32b EStG) vorbehalten bleibt. Soweit sich die abkommensrechtliche Freistellung nur auf die Einnahmen (Bruttobeträge)2 bezieht, entspricht sie im Ergebnis der in § 3c EStG getroffenen Regelung3 mit der Folge, dass für Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten das Abzugsverbot des § 3c Abs. 1 EStG gilt. Umfasst die Freistellung dagegen die Einkünfte im Sinne von Nettobeträgen,4 fehlt eine entsprechende Regelung im innerstaatlichen Recht. Aus deutscher Sicht bedeutet das, dass in beiden Fallgruppen die in Betracht kommenden Einkünfte grundsätzlich nicht in das zu versteuernde Einkommen (§ 2 Abs. 5 EStG) eingehen und somit nicht zur Bemessungsgrundlage gehören.5 Damit sind sie – abgesehen vom Progressionsvorbehalt – der inländischen Besteuerung uneingeschränkt entzogen, und zwar so, wie wenn die Einkünfte überhaupt nicht vorhanden wären.6 Durch die vorgenannte Freistellungsmethode wird damit das Welteinkommensprinzip (Totalitätsprinzip) auf das Quellenprinzip (Territorialitätsprinzip) zurückgeführt.
6.87
In den von Deutschland abgeschlossenen DBA spielt die Freistellungsmethode insbesondere bei Betriebsstätteneinkünften (Betriebsstättenprinzip), Einkünften aus unbeweglichem Vermögen (Belegenheitsprinzip) und bei den Einkünften aus unselbständiger Arbeit (Arbeitsortprinzip) eine dominierende Rolle (Rz. 19.521 ff.). Im Übrigen gilt durchweg die Anrechnungsmethode, die im Grundsatz das Welteinkommensprinzip auch auf der Ebene der DBA aufrechterhält (Rz. 19.552 ff.). 1 BFH v. 14.3.1989 – I R 20/87, BStBl. II 1989, 649; v. 1.10.1992 – I B 42/92, I B 43/92, I B 42/92, I B 43/92, BFH/NV 1993, 156. 2 So bei den Einkünften i.S. der Art. 10, 11, 12, 15, 16, 18, 19 und 20 OECD-MA. 3 Bis 1975 galt hierfür § 3 Nr. 41 EStG; vgl. auch Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 52. 4 So bei den Einkünften i.S. des Art. 6, 7, 8, 13, 14 a.F. und 17 OECD-MA. 5 Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 42. 6 BVerfG v. 10.3.1971 – 2 BvL 3/68, BStBl. II 1973, 431; BFH v. 3.11.1982 – I R 39/80, BStBl. II 1983, 182.
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B. Unbeschränkte Steuerpflicht
Die Freistellungsmethode bewirkt, dass die von ihr erfassten Einkünfte der Besteuerung durch den Quellenstaat verbleiben und von der Besteuerung im Wohnsitzstaat auszunehmen sind. Zu diesen Einkünften zählen aus deutscher Sicht nicht nur positive Einkünfte, sondern auch Verluste, so dass ausländische negative Einkünfte – abgesehen von einem negativen Progressionsvorbehalt – im Inland grundsätzlich unberücksichtigt bleiben (sog. Symmetriethese).1 Eine Ausnahme hiervon gebietet allenfalls die europarechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV)2 für sog. finale Verluste,3 die phasenverschoben4 zu dem Zeitpunkt anzusetzen sind, in dem die Verluste jedenfalls aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr berücksichtigt werden können.5
6.88
Die Nichtberücksichtigung von Verlusten führt zu einer Störung des Welteinkommensprinzips und zu einer Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips. Das wird insbesondere dann deutlich, wenn infolge des Verlustberücksichtigungsverbotes im Inland Einkünfte zu versteuern sind, die in der Gesamtheit überhaupt nicht angefallen sind. In diesen Fällen führt die abkommensrechtliche Steuerfreistellung tatsächlich zu einer Steuerverschärfung. Diese Rechtsfolge ist indessen nicht zwingend, da DBA durch Steuerfreistellung zwar die Besteuerung positiver Einkünfte, nicht aber die steuerliche Berücksichtigung ausländischer Verluste verbieten.6 Im Hinblick darauf ist eine dem früheren § 2a Abs. 3 und 4 EStG7 vergleichbare Norm geboten, wonach ausländische Verluste unter Nachsteuervorbehalt steuerlich berücksichtigungsfähig sind.8 Jedenfalls sollte der Ge-
6.89
1 Hierzu BFH v. 5.2.2014 – I R 48/11, ISR 2014, 204 m. Anm. Müller = IStR 2014, 377; v. 9.6. 2010 – I R 107/09, BFH/NV 2010, 1744; v. 3.2.2010 – I R 23/09, BStBl. II 2010, 593; v. 17.7. 2008 – I R 84/04, BStBl. II 2009, 630; v. 29.1.2008 – I R 85/06, BStBl. II 2008, 671; v. 29.11. 2006 – I R 45/05, BStBl. II 2007, 398; seit jeher ständige Rechtsprechung z.B. BFH v. 9.8. 1989 – I B 118/88, BStBl. II 1990, 175; v. 16.11.1989 – IV R 143/85, BStBl. II 1990, 204; v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136; vgl. ferner Rz. 19.532. 2 Die Berücksichtigung von Betriebsstättenverlusten aus Drittstatten kann nicht auf die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) gestützt werden; EuGH v. 6.11.2007 – Rs. C-415/06 – Stahlwerk Ergste Westig, IStR 2008, 107. 3 EuGH v. 15.5.2008 – Rs. C-3414/06 – Lidl Belgium, Slg. 2008, I-3617; v. 21.2.2013 – Rs. C-123/11 – A Oy, EU:C:2013:84 Rz. 55 = ISR 2013, 103 m. Anm. Müller; BFH v. 3.2.2010 – I R 23/09, BFH/NV 2010, 1163; v. 9.6.2010 – I R 100/09, IStR 2010, 670; v. 9.6.2010 – I R 107/09, IStR 2010, 663; v. 5.2.2014 – I R 48/11, IStR 2014, 377. 4 BFH v. 9.11.2010 – I R 16/10, BFH/NV 2011, 524. 5 Vgl. EuGH v. 15.5.2008 – Rs. C-414/06 – Lidl Belgium, ECLI:EU:C:2008:278; v. 13.12. 2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, ECLI:EU:C:2005:763; v. 21.2.2013 – Rs. C-123/11 – A Oy, ECLI:EU:C:2013:84, Tz. 55 = ISR 2013, 103 m. Anm. Müller; BFH v. 9.6.2010 – I R 107/09, IStR 2010, 663; v. 5.2.2014 – I R 48/11, ISR 2014, 204 m. Anm. Müller = IStR 2014, 377; Englisch, IStR 2008, 404 ff.; Ditz/Quilitzsch, IStR 2013, 242; Mitschke, IStR 2013, 209; restriktiv nunmehr EuGH v. 17.7.2014 – Rs. C-48/13 – Nordea Bank Danmark, ECLI:EU:C:2014:2087 = ISR 2014, 311 m. Anm. Henze = BB 2014, 1813; v. 17.12.2015 – Rs. C-388/14 – Timac Agro, ECLI:EU:C:2015:829 = ISR 2016, 54 m. Anm. Müller = IStR 2016, 74 m. Anm. Schiefer u. Benecke/Staats; BFH v. 22.9.2015 – I B 83/14, BFH/NV 2016, 375; vgl. zu noch offenen Fragen Schnitger, IStR 2016, 72. 6 BFH v. 28.3.1973 – I R 59/71, BStBl. II 1973, 531; Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (148 ff.); Mössner, DStJG 17 (1994), 231 (250 ff.). 7 § 2a Abs. 3 EStG aufgehoben durch Gesetz v. 24.3.1999 (BStBl. I 1999, 402). 8 Schaumburg in FS Lang, 1099 (1110); eine derartige Lösung wäre europarechtlich nicht zu beanstanden; vgl. EuGH v. 23.10.2008 – Rs. C-157/07 – KR Wannsee, BStBl. II 2009, 566.
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Kap. 6 Einkommensteuer
setzgeber trotz großzügiger EuGH-Rechtsprechung1 den Abzug sog. finaler Verluste normativ verankern.2 5. Steuerfreistellungen nach innerstaatlichem Recht a) Teileinkünfteverfahren Literatur Vgl. die Übersicht vor Rz. 18.1.
6.90
§ 3 Nr. 40 EStG regelt die Steuerbefreiung (40 %) der mit Körperschaftsteuer vorbelasteten Einnahmen des Anteilseigners. Es handelt sich insoweit um ein Teileinnahmeverfahren mit dem das in § 3c Abs. 2 EStG geregelte Teilabzugsverfahren korrespondiert. Der Umfang der Steuerfreistellung auf Gesellschafterebene orientiert sich im Grundsatz an der Körperschaftsteuerbelastung auf Gesellschaftsebene. Damit wird die Kapitalgesellschaft als Belastungsebene stets einbezogen, ohne dass hierdurch das maßgebliche Trennungsprinzip aufgehoben wird.3 Das Teileinkünfteverfahren erfasst im Wesentlichen Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen (§ 3 Nr. 40 Buchst. a EStG) und Dividenden (§ 3 Nr. 40 Buchst. d EStG), allerdings nur insoweit, als es sich um betriebliche Einkünfte handelt (§ 3 Nr. 40 Satz 2 EStG).4 Die partielle Steuerbefreiung insbesondere von Veräußerungsgewinnen und Dividenden ist kein Steuerprivileg,5 sondern im Kern nur eine Technik zur Vermeidung von Mehrfachbelastungen desselben Einkommens bei unterschiedlichen Steuersubjekten.6 Da das Teileinkünfteverfahren u.a. auch für die Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an ausländischen Gesellschaften und für aus dem Ausland stammende Dividenden Anwendung findet, ist § 3 Nr. 40 EStG im internationalen Kontext auch auf die Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung gerichtet (Rz. 18.20 ff.). Insoweit wird unilateral partiell die Freistellungsmethode umgesetzt, wodurch das Welteinkommensprinzip suspendiert wird. Da § 3 Nr. 40 EStG nur eine partielle Steuerbefreiung einräumt und damit im Übrigen das Welteinkommensprinzip aufrechterhalten bleibt, können etwaige Quellensteuern nach Maßgabe des § 34c Abs. 1 EStG (Rz. 18.49 ff.) nicht nur teilweise, sondern im Rahmen der Höchstbeträge im vollem Umfange zur Anrechnung gebracht werden.
6.91
Obwohl die teilweise Steuerfreistellung grundsätzlich nicht davon abhängt, ob und ggf. in welcher Höhe auf Gesellschaftsebene eine körperschaftsteuerliche Vorbelastung gegeben ist, enthält § 3 Nr. 40 Buchst. d Satz 2 EStG eine materielle Korrespondenz dahingehend, dass die partielle Steuerfreistellung nur dann eingreift, wenn das Einkommen der leistenden Körperschaft hierdurch nicht gemindert wurde. Das Teileinkünfteverfahren ist insbesondere in den Fällen aus1 EuGH v. 17.12.2015 – Rs. C-388/14 – Timac Agro, ECLI:EU:C:2015:829 = ISR 2016, 54 m. Anm. Müller = IStR 2016, 74. 2 Vgl. Gosch in Kirchhof15, § 2a EStG Rz. 5b. 3 Zu Einzelheiten Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 7. 4 Für die Besteuerung privater Einkünfte gilt die Abgeltungsteuer gem. § 32d EStG. 5 BFH v. 19.6.2007 – VIII R 69/05, BStBl. II 2008, 551; Schön, StuW 2008, 151 (154). 6 BFH v. 19.6.2007 – VIII R 69/05, BStBl. II 2008, 551; Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 7.
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geschlossen, in denen etwa ein überhöhtes Gehalt eines Gesellschaftergeschäftsführers bei der leistenden Körperschaft bestandskräftig als Betriebsausgabe erfasst wurde. Derart verdeckt ausgeschüttete Gewinne sind beim Gesellschafter somit in voller Höhe zu besteuern. Diese Ausnahmeregelung betrifft vor allem Sachverhalte mit Auslandsbezug, wodurch sog. weiße Einkünfte vermieden werden sollen.1 Die korrespondierende Besteuerung, die dem deutschen Steuerrecht weitgehend fremd ist,2 stellt eine Ausnahme zu dem dem Einkommensteuergesetz zugrunde liegenden Konzept der Individualbesteuerung3 dar. Das bedeutet, dass im Grundsatz nur auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen abzustellen ist, so dass allein dessen Verhältnisse für Zwecke der Besteuerung maßgeblich sind.4 Von diesem Konzept der Individualbesteuerung darf unter dem Gesichtspunkt des gleichheitsrechtlichen Folgerichtigkeitsgebots (Rz. 4.7) nur dann abgewichen werden, wenn es hierfür besondere sachliche Gründe gibt. Diese sind hier darin zu sehen, dass die (partielle) Steuerfreistellung für bestimmte Bezüge (Dividenden), ihre Rechtfertigung in der steuerlichen Vorbelastung der leistenden (ausländischen) Körperschaft haben. Im Hinblick darauf ist § 3 Nr. 40 Buchst. d Satz 2 EStG systemkonsequent angelegt und mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.5
6.92
Die korrespondierende Besteuerung gilt allerdings nicht bei sog. Dreieckssachverhalten, in denen die verdeckte Gewinnausschüttung das Einkommen einer dem Anteilseigner nahe stehenden Person erhöht hat und diese Steuerfestsetzung nicht mehr gem. § 32a KStG geändert werden kann (§ 3 Nr. 40 Buchst. d Satz 3 EStG). Da die Anwendung des § 32a KStG insbesondere bei einer im Ausland ansässigen nahe stehenden Person6 ausgeschlossen ist, sind hier im Wesentlichen grenzüberschreitende Sachverhalte betroffen. Zu weiteren Einzelheiten Rz. 18.20 ff.
6.93
b) Hinzurechnungsbesteuerung Literatur Vgl. die Übersicht vor Rz. 13.1.
§ 3 Nr. 41 EStG enthält eine Steuerbefreiung für Gewinnausschüttungen und Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen, soweit die entsprechenden Gewinne in der Vergangenheit bereits der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7–14 1 Pohl/Raupach, FR 2007, 210 ff.; Dötsch/Pung, DB 2007, 11 ff.; Schaumburg in FS Frotscher, 503 ff. (514 ff.). 2 Vgl. die Hinweise bei Schaumburg in FS Frotscher, 503 ff. (514 ff.); ferner Hinweis auf § 4i EStG i.d.F. des AHRL-ÄndUmsG. 3 Abgeleitet aus § 2 Abs. 1 EStG; BFH v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608; Lehner/ Waldhoff in K/S/M, § 1 EStG Rz. A6; Musil in H/H/R, § 2 EStG Rz. 62. 4 Hierzu Hey in Tipke/Lang22, § 8 Rz. 22 ff.; ein allgemeines Korrespondenzgebot gibt es daher nicht; BFH v. 6.6.2012 – I R 6/11, BFH/NV 2012, 1905 Rz. 23 = ISR 2012, 91 m. Anm. Kammeter. 5 Hierzu Schaumburg in FS Frotscher, 503 ff. (514 ff.). 6 Hier kann auf § 1 Abs. 2 AStG abgestellt werden; vgl. Pohl/Raupach, FR 2007, 210 (216); Strnad, GmbHR 2006, 1321 (1322), a.A. Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 135.
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6.94
Kap. 6 Einkommensteuer
AStG) unterlegen haben. Damit soll folgende Doppelbesteuerung vermieden werden: Soweit in der Vergangenheit niedrigbesteuerte Einkünfte aus passivem Erwerb ausländischer Kapitalgesellschaften beim Anteilseigner1 als Hinzurechnungsbetrag angesetzt wurde (§ 10 Abs. 1 Satz 1 AStG), erfolgte bei ihm eine Besteuerung als fiktive Dividende (§ 10 Abs. 2 Satz 1 AStG), für die das Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG) nicht in Anspruch genommen werden konnte (§ 10 Abs. 2 Satz 3 AStG).2 Bei einer nachfolgenden3 tatsächlichen Ausschüttung/Veräußerung käme es zu einer nochmaligen Besteuerung, die im Grundsatz durch § 3 Nr. 41 Buchst. a u. b EStG vermieden wird. Die Steuerbefreiung ist allerdings zeitlich limitiert auf sieben Jahre nach dem Ansatz des jeweiligen Hinzurechnungsbetrags.4 6.95
Im Ergebnis führt die Steuerfreistellung gem. § 3 Nr. 41 EStG zu einer Durchbrechung des Welteinkommensprinzips, die indessen wegen der bereits vorangegangenen steuerlichen Erfassung des Hinzurechnungsbetrags systembedingt ist. Mit der Steuerfreistellung für Gewinnausschüttungen korrespondiert § 3c Abs. 2 EStG, wonach die mit den Einnahmen in Zusammenhang stehenden Aufwendungen einer Abzugsbeschränkung ausgesetzt sind.5 Trotz Steuerfreistellung ermöglicht § 12 Abs. 3 AStG die Anrechnung ausländischer Quellensteuern (Rz. 13.210 ff., 13.221). Zu weiteren Einzelheiten Rz. 13.1 ff. c) Auslandstätigkeiten Literatur Vgl. die Übersicht vor Rz. 18.1.
6.96
§ 34c Abs. 5 EStG enthält für die obersten Finanzbehörden der Länder und für die von ihnen beauftragten Finanzbehörden eine Ermächtigung, mit Zustimmung des Bundesministers der Finanzen die auf ausländische Einkünfte entfallende deutsche Einkommensteuer ganz oder zum Teil zu erlassen oder zu pauschalieren, wenn es aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig oder die Steueranrechnung besonders schwierig ist. Auf dieser Grundlage ist der in der Besteuerungspraxis bedeutsame Auslandstätigkeitserlass6 ergangen, der für die Einkünfte aus im Ausland ausgeübter nichtselbständiger Arbeit einen Steuererlass für bestimmte gleichgelagerte Fälle aus volkswirtschaftlichen Gründen ausspricht, soweit keine DBA eingreifen. Nach dem Auslandstätigkeitserlass werden Einkünfte aus im Ausland ausgeübter nichtselbständiger Tätigkeit von der deutschen Besteuerung freigestellt, soweit die Auslandstätigkeit mindestens 1 Die Regelung gilt auch für Kapitalgesellschaften, so dass § 8b KStG zur Gänze verdrängt wird; Intemann in H/H/R, § 3; Levedag in Schmidt35, § 3 EStG Rz. 150; Schönfeld in F/W/B/S, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 60; R 8.1 KStR. 2 Für Kapitalgesellschaften wird § 8b Abs. 1 KStG ebenfalls suspendiert. 3 Vorabausschüttungen sind also nicht begünstigt (Rz. 18.43). 4 Diese zeitliche Limitierung ist nicht gerechtfertigt; vgl. zur Kritik Gläser/Birk, ISR 2015, 231. 5 Kritisch hierzu Schönfeld in F/W/B/S, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 22; Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 15; Lieber, FR 2002, 139 (142 f.); Wassermeyer, DStJG 25 (2002), 103 (107 ff.). 6 BMF v. 31.10.1983 – IV B 6 - S 2293 - 50/83, BStBl. I 1983, 470.
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drei Monate beträgt und im Zusammenhang steht mit dem Anlagenbau, dem Aufsuchen oder der Gewinnung von Bodenschätzen, mit Consulting sowie der deutschen öffentlichen Entwicklungshilfe im Rahmen der technischen oder finanziellen Zusammenarbeit. Die Steuerfreistellung steht unter Progressionsvorbehalt. Als volkswirtschaftliche Gründe werden allgemein angeführt die Förderung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen, die insbesondere im Bereich des internationalen Anlagenbaus gegenüber ausländischen Konkurrenten mit geringeren Lohnkosten benachteiligt seien.1 Indessen sind es weniger die Ziele der Exportförderung, die im Vordergrund stehen; es sind vielmehr finanzielle Anreize zur Motivierung von inländischen Arbeitnehmern, die wohl kaum für Auslandseinsätze zu gewinnen wären, wenn sie für ihre Auslandseinkünfte hohe (deutsche) Steuern zahlen müssten. Im Hinblick darauf hat der Auslandstätigkeitserlass subventionierenden Charakter.
6.97
Die Steuerfreistellung aufgrund des Auslandstätigkeitserlasses führt zu einer Durchbrechung des Welteinkommensprinzips. Konzeptionell entsprechen die durch den Auslandstätigkeitserlass getroffenen Regelungen, die der Vermeidung der (virtuellen) Doppelbesteuerung dienen, der Freistellungsmethode, wie sie auf der Ebene der DBA, insbesondere bei Betriebsstätteneinkünften (Betriebsstättenprinzip) und Einkünften aus unbeweglichem Vermögen (Belegenheitsprinzip) durchaus üblich ist. Im innerstaatlichen Recht ist sie dagegen die Ausnahme.2 Zu weiteren Einzelheiten Rz. 18.132 ff.
6.98
X. Umfang der Besteuerung 1. Steuerbare Einkünfte Literatur Kommentare zu § 2 Abs. 1 EStG; Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. Köln 2015, § 8 Rz. 121 ff.; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, Köln 1981/88, 258 ff.; Pferdmenges, Einkünfteerzielungsabsicht, Düsseldorf 1990; Escher, Steuerliche Liebhaberei und Subjektbezug, Aachen 2005; Falkner, Die Einkünfteerzielungsabsicht als subjektives Besteuerungsmerkmal, Frankfurt a.M. 2009; Urban, Die Einkünfteerzielungsabsicht in der Systematik des Einkommensteuergesetzes, Baden-Baden 2010; Toifl, Der subjektive Tatbestand im Steuer- und Steuerstrafrecht, Wien 2010; Kirchhof/Pezzer/Dötsch/Schön/Sieker/ Weber-Grellet, Subjektive Tatbestandsmerkmale im Steuerrecht, DStR 2007, Beil. 39.
Die dem Welteinkommensprinzip entsprechende weltweite Besteuerung erfasst in- und ausländische Einkünfte gleichermaßen, soweit sie während der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht erzielt werden oder erzielt worden sind (§ 2 Abs. 1 Satz 1 EStG).3 Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass überhaupt steuerbare Einkünfte im Sinne der in § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG aufgeführten sieben Einkunftsarten vorliegen. Hierzu gehören nicht diejenigen Einkünfte, die nicht 1 Reinhart, DB 1983, 2246 (2247). 2 Vgl. zur Freistellungsmethode im innerstaatlichen Recht Schaumburg in Gassner/Lang/ Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, 269 ff. 3 Zu den Durchbrechungen des Welteinkommensprinzips Rz. 6.61 ff.
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6.99
Kap. 6 Einkommensteuer
unter den abschließend aufgezählten Einkünftekatalog (§ 2 Abs. 1 Satz 1 EStG) fallen (objektiv nicht steuerbare Einkünfte) sowie solche, bei denen eine Einkünfteerzielungsabsicht zu verneinen ist (subjektiv nicht steuerbare Einkünfte).1 6.100
Eine derartige Einkünfteerzielungsabsicht fehlt insbesondere in den Fällen der Liebhaberei,2 wozu nicht nur durch private Neigung geprägte Tätigkeiten, sondern auch berufliche Tätigkeiten gehören, wenn sie bei objektiver Betrachtung zur Erzielung eines Totalgewinns/-überschuss ungeeignet sind.3 Für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb, Land- und Forstwirtschaft und selbständiger Arbeit (Gewinneinkünfte) sind hierbei in erster Linie die Vorschriften über den Bestandsvergleich (§§ 4, 5 EStG) maßgebend und für die Überschusseinkünfte die Vorschriften über den Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§§ 8, 9, 11 EStG). Unberücksichtigt bleiben dabei objektiv nicht steuerbare Einkünfte, die also bereits ihrer Art nach nicht unter die sieben Einkunftsarten fallen. Einzubeziehen sind dagegen aber ausländische Einkünfte, und zwar auch dann, wenn sie aufgrund Abkommensrechts steuerfrei sind.4 2. Zeitliche Zuordnung Literatur Kommentare zu § 2 Abs. 2 EStG; Hennrichs in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. Köln 2015, § 9 Rz. 400 ff.; Gosch, Die Zeit im Abkommensrecht, in Festgabe Wassermeyer, München 2015, 209; Gosch, Über die Zeit im Abkommensrecht, IStR 2015, 709 ff.
6.101
Es werden nur diejenigen unter die sieben Einkommensarten fallenden Einkünfte erfasst, die während der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht erzielt werden oder erzielt worden sind. Entsprechend dem dem Einkommensteuergesetz als Konzeption zugrunde liegenden Dualismus der Einkunftsarten (§ 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 EStG) ist hierbei zwischen Gewinneinkünften und Überschusseinkünften zu unterscheiden: Bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich (§§ 4 Abs. 1; 5 EStG) richtet sich der Zeitpunkt der Einkünfteerzielung nach dem Realisationsprinzip und dem Imparitätsprinzip als den Prinzipien der Gewinn- und Verlustrealisierung.5 Bei Überschusseinkünften und bei der Gewinnermittlung durch Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) gilt dagegen im Grundsatz das Zu- und Abflussprinzip (§ 11 EStG).
6.102
Im internationalen Kontext ist allerdings nicht die bloß rechtstechnische Anknüpfung an Zufluss und Abfluss, sondern die Orientierung am Veranlassungsprinzip geboten. Für die zeitliche Zuordnung ist daher allein von Bedeutung, wann die den Einkünften zugrunde liegende Erwerbstätigkeit erfolgt ist, also die betreffenden, steuerbegründeten Tatbestandsmerkmale verwirklicht worden 1 Zu Einzelheiten Musil in H/H/R, § 2 EStG Rz. 79 f.; 345 ff. 2 Musil in H/H/R, § 2 EStG Rz. 346 ff.; Hey in Tipke/Lang22, § 8 Rz. 133 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung II2, 663 ff. 3 Grundlegend BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751; zu Einzelheiten mit zahlreichen Hinweisen auf Rechtsprechung und Literatur Musil in H/H/R, § 2 EStG Rz. 380 ff. 4 Zur Einbeziehung auch steuerfreier Einkünfte generell Musil in H/H/R, § 2 EStG Rz. 515; zur abkommensrechtlichen Freistellungsmethode Rz. 19.521 ff. 5 Vgl. hierzu Hennrichs in Tipke/Lang22, § 9 Rz. 400 ff.
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sind.1 Das in § 11 EStG verankerte Zu- und Abflussprinzip vermag dem gegenüber das Veranlassungsprinzip nicht zu verdrängen.2 Diese Grundsätze führen dazu, dass etwa nachträgliche Vergütungen für eine früher im Ausland ausgeübte nicht selbständige Tätigkeit eines früher nur im Ausland unbeschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmers im Inland nicht der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen, wenn diese nachträglichen Vergütungen zu einem Zeitpunkt nach Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht im Inland (Zuzug) zufließen. Diese für die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht maßgebliche Zeitzuordnung entspricht auch derjenigen, die im Rahmen der beschränkten Einkommensteuerpflicht Geltung hat (Rz. 6.151).3 3. Persönliche Zurechnung Literatur Kommentare zu § 2 Abs. 1 EStG; Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. Köln 2015, § 8 Rz. 150 ff.; Stadie, Die persönliche Zurechnung von Einkünften, Berlin 1983; Tipke, Die Übertragung von Einkunftsquellen im Steuerrecht, DStJG, Band 1 (1978); L. Schmidt, Subjektive Zurechnung von Einkünften, StbJb 1980/81, 115 ff.
Ebenso wie für die zeitliche Zuordnung ist auch für die persönliche Zurechnung von Einkünften § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG die maßgebliche Rechtsgrundlage. Danach sind die Einkünfte der Person zuzurechnen, die sie erzielt. In Orientierung an dem auch insoweit geltenden Veranlassungsprinzip ist hierbei darauf abzustellen, wer die maßgeblichen Einkünfte erwirtschaftet.4 Im Zusammenhang mit der Vermeidung grenzüberschreitender Einkünfteverlagerungen haben vor allem folgende (Sonder-)Regelungen Bedeutung: – Steuerumgehung (§ 42 AO): Werden unangemessene rechtliche Gestaltungen, etwa durch Zwischenschaltung ausländischer Basisgesellschaften, gewählt, um hierdurch einen gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil zu beanspruchen, entsteht der Steueranspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht (§ 42 Abs. 1 Satz 3 AO). Diese Rechtsfolge kann bei Einschaltung ausländischer Basisgesellschaften zu einer anderweitigen persönlichen Zurechnung zu den hinter diesen Gesellschaften stehenden natürlichen oder juristischen Personen führen (Rz. 13.23 ff.).5 – Erweitert beschränkte Einkommensteuerpflicht: Sind erweitert beschränkt Steuerpflichtige (§ 2 AStG) an im Ausland zwischengeschalteten Kapitalgesellschaften (Zwischengesellschaften; vgl. Rz. 13.4) beteiligt, werden deren Einkünfte den erweitert beschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern zugerechnet (§ 5 Abs. 1 Satz 1 AStG; vgl. Rz. 6.363 ff.) 1 Vgl. BFH v. 20.9.2006 – I R 59/05, BStBl. II 2007, 756; Gosch, IStR 2015, 709 (712); zum Abkommensrecht BFH v. 26.2.2014 – I R 56/12, ISR 2014, 273 m. Anm. Haase = BStBl. II 2014, 703; v. 20.5.2015 – I R 75/14, BFH/NV 2015, 1687. 2 BFH v. 20.9.2006 – I R 59/05, BStBl. II 2007, 756 (758); Gosch, IStR 2015, 709 (714); Gosch in FG Wassermeyer, 209 (218); a.A. Musil in H/H/R, § 2 EStG Rz. 82. 3 Zur Zeitzuordnung bei in- und ausländischen Betriebsstätteneinkünften Rz. 21.95 ff. 4 Zu Einzelheiten Musil in H/H/R, § 2 EStG Rz. 100 ff.; Hey in Tipke/Lang22, § 8 Rz. 150 ff. 5 Zum Konkurrenzverhältnis zu § 7 AStG Rz. 13.36 ff.
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Kap. 6 Einkommensteuer
– Nachgeschaltete Zwischengesellschaften: Für Zwecke der Hinzurechnungsbesteuerung (§ 7–14 AStG; vgl. Rz. 13.222 ff.) werden Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft der vorgeschalteten ausländischen Obergesellschaft zugerechnet (§ 14 Abs. 1 Satz 1 AStG). Die Zurechnung gilt entsprechend auch für weitere nachgeschaltete Untergesellschaften (§ 14 Abs. 3 AStG; vgl. Rz. 13.243 ff.). – Familienstiftungen: Einkünfte ausländischer Familienstiftungen werden dem Stifter, wenn er unbeschränkt steuerpflichtig ist, sonst den unbeschränkt steuerpflichtigen Personen, die bezugsberechtigt oder anfallsberechtigt sind, entsprechend ihrem Anteil zugerechnet (§ 15 Abs. 1 Satz 1 AStG; vgl. Rz. 14.1 ff.). 4. Einkunftsartenzuordnung Literatur Kommentare zu § 2 Abs. 1, 15 Abs. 2 EStG; Hey in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl., Köln 2015, § 8 Rz. 400 ff.; v. Beckerath, Einkunftsarten, in Festschrift Kirchhof, Heidelberg 2013, II § 171; Bachmann, Die internationale Betriebsaufspaltung, Frankfurt a.M. 2004; Söffing/ Micker, Die Betriebsaufspaltung, 5. Aufl. Herne 2013; Kaligin, Die Betriebsaufspaltung, 9. Aufl. Berlin 2015, 277 ff.; Dehmer, Betriebsaufspaltung, 3. Aufl. München 2015, § 9; Becker/Gümbel, Betriebsaufspaltung über die Grenze, in Festschrift Schmidt, München 1993, 483; Schmidt-Liebig, Gewerbliche und private Grundstücksgeschäfte, 4. Aufl. Bielefeld 2002; Söffing/Thonemann, Gewerblicher Grundstückshandel und private Veräußerungsgeschäfte mit Grundstücken, 3. Aufl. Herne 2011.
6.104
Die steuerlichen Belastungswirkungen hängen im Wesentlichen davon ab, welchen Einkunftsarten die vom Steuerpflichtigen erzielten Einkünfte zuzuordnen sind.1 Die Einkunftsartenzuordnung bedingt stets eine Abgrenzung zwischen den sieben Einkunftsarten. Abzustellen ist hierbei allein auf die im Einkommensteuergesetz verankerten Regelungen, die allerdings auf Abkommensebene keine Bedeutung haben (Rz. 19.211 ff.). Zu den im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht geltenden Regelungen gehören u.a. § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG, wonach Einkünfte aus Gewerbebetrieb nur dann vorliegen, wenn die zugrunde liegende Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft, noch als Ausübung eines freien Berufs, noch als eine andere selbständige Arbeit anzusehen ist. Darüber hinaus führt die Anwendung der Subsidiaritätsregeln in §§ 20 Abs. 8, 21 Abs. 3, 22 Nr. 3 EStG dazu, dass die Zuordnung zu den Gewinneinkunftsarten Vorrang hat.2
6.105
Für die Zuordnung zu einer der sieben Einkunftsarten spielt es keine Rolle, ob die betreffenden Einkünfte im In- oder Ausland erzielt worden sind. Das hat in den Fällen einer grenzüberschreitenden Betriebsaufspaltung mit inländischem Besitzunternehmen und ausländischer Betriebsgesellschaft zur Folge, dass nach den allgemeinen Grundsätzen3 Einkünfte aus Gewerbebetrieb gegeben sind, wobei 1 Zur Relevanz der Einkunftsartenzuordnung Kirchhof in Kirchhof15, § 2 EStG Rz. 39 ff.; Hey in Tipke/Lang22, § 8 Rz. 401. 2 Im Rahmen der beschränkten Einkommensteuerpflicht werden die Subsidiaritätsklauseln aufgrund der sogenannten isolierenden Betrachtungsweise (§ 49 Abs. 2 EStG) allerdings suspendiert (Rz. 6.153 ff.). 3 Hierzu Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 800 ff.
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B. Unbeschränkte Steuerpflicht
es nicht darauf ankommt, ob die ausländische Betriebsgesellschaft eine Betriebsstätte im Inland unterhält.1 Ausländische Besteuerungsmerkmale sind auch für die Entscheidung heranzuziehen, ob ein gewerblicher Grundstückshandel vorliegt.2 In dem hierfür maßgeblichen Anwendungsbereich der Drei-Objekt-Grenzen3 sind auch ausländische Grundstücke als Zählobjekte4 zu berücksichtigen.5
6.106
Entsprechendes gilt auch für den Wertpapierhandel, soweit der Steuerpflichtige nach außen wie ein Händler auftritt.6 Ob die hierfür maßgeblichen Kriterien7 im In- oder Ausland gegeben sind, ist auch hier ohne Bedeutung.
6.107
5. Einkünfteermittlung Literatur Kommentare zu §§ 2 Abs. 2, 3c, 5a, 4h, 6, 13a EStG und § 1 AStG; Bohn, Zinsschranke und Alternativmodelle zur Beschränkung des steuerlichen Zinsabzugs, Wiesbaden 2009; Gosch, Die Zeit im Abkommensrecht, in Festgabe Wassermeyer, München 2015, 2090; Gosch, Über die Zeit im Abkommensrecht, IStR 2015, 709 ff.; Groh, Teilwertabschreibungen auf Auslandsbeteiligungen – Sicht der Rechtsprechung, in Piltz/Schaumburg, Aufwand und Verluste bei internationalen Steuersachvorbehalten, Köln 1999, 87 ff.; Hey in Tipke/ Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. Köln 2015, § 8 Rz. 180 ff.; Hey, Einkünfteermittlung, DStJG 34 (2011); Heyes, Ursachen, Rahmenbedingungen und neue Rechtfertigungsansätze zur Zinsschranke, Berlin 2014; Hoffmann, Zinsschranke, Stuttgart 2008; Ismer, Verfassungsrechtliche Rechtfertigung der Zinsschranke, FR 2014, 777; Kaminski, Überlegungen zu den internationalen Aspekten der Zinsschranke, IStR 2011, 783; Körner, Offene Praxisfragen im Umgang mit der Zinsschranke, Ubg 2011, 610; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, Köln 1987/88, 273 ff.; Lambrecht, Ermittlung der Einkünfte, in Festschrift Kirchhof, Heidelberg 2013, II, § 170; Martinen, Die Tonnagesteuer, Frankfurt a.M. 2010; Piltz in Piltz/Schaumburg, Aufwand und Verluste bei internationalen Steuersachverhalten, Köln 1999, 101; Tipke, Die Steuerrechtsordnung II, 2. Aufl. Köln 2003, 682 ff., 718 ff.; Wassermeyer in Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen Köln 2014, Rz. 2.4.
1 Gluth in H/H/R, § 15 Rz. 776; Kaligin, Die Betriebsaufspaltung7, 263; Bachmann, Die Internationale Betriebsaufspaltung, Frankfurt/Main 2004, 187; Becker/Günkel in FS Schmidt, München 1993, 483 (485); Kaligin, WPg 1983, 457; a.A. Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 855, 862. 2 Zu Einzelheiten Buge in H/H/R, § 15 EStG Rz. 1120 ff.; Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 47 ff. 3 Grundlegend BFH v. 9.12.1986 – VIII R 317/82, BStBl. II 1988, 244; v. 10.12.2001 – GrS 1/98, BStBl. II 2002, 291; BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434, Tz. 5. 4 Zur Objektzählung im Einzelnen Buge in H/H/R, § 15 EStG Rz. 1132. 5 Buge in H/H/R, § 15 EStG Rz. 1132; Reiß in Kirchhof15, § 15 EStG Rz. 120; Schmidt-Liebig, Gewerbliche und private Grundstücksgeschäfte4, Rz. 507; OFD München v. 13.7. 1993, DB 1993, 1647; ob ggf. ein DBA eingreift, spielt für die Zuordnung zu gewerblichen Einkünften (§ 15 Abs. 2 EStG) keine Rolle. 6 BFH v. 20.12.2000 – X R 1/97, BStBl. II 2001, 706; Buge in H/H/R, § 15 EStG Rz. 1171; Reiß in Kirchhof15, § 15 EStG Rz. 131. 7 BFH v. 20.12.2000 – X R 1/97, BStBl. II 2001, 706.
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Kap. 6 Einkommensteuer
a) Grundsätze 6.108
Die erst im Gefolge der persönlichen Zurechnung und der Einkunftsartenzuordnung mögliche Einkünfteermittlung ist durch einen Dualismus geprägt:1 Gewinneinkünfte (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG), die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit umfassen sowie Überschusseinkünfte (§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG), die Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit, aus Kapitalvermögen, aus Vermietung, Verpachtung und sonstige Einkünfte betreffen. Darüber hinaus ist eine pauschalierende Einkünfteermittlung für Einkünfte aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr (§ 5a EStG) sowie für kleinere Betriebe der Land- und Forstwirtschaft (§ 13a EStG) vorgesehen. Die nach den vorstehenden Regeln zu ermittelnden Einkünfte gelten unterschiedslos für in- und ausländische Einkünfte, so dass etwa ausländische Einkünfte für Zwecke des ausländischen Steuerrechts nach Maßgabe der dort maßgeblichen Regeln und für Zwecke der Besteuerung im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht im Inland nach den Grundsätzen des deutschen Steuerrechts zu ermitteln sind.
6.109
Im Rahmen der Einkünfteermittlung sind entsprechend dem normübergreifenden Veranlassungsprinzip Erwerbsbezüge und Erwerbsaufwendungen zu erfassen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob diese inlands- oder auslandsbezogen sind.2 Aus dem Veranlassungsprinzip ergibt sich insbesondere, dass vorab entstandene und nachträgliche Erwerbsaufwendungen gleichermaßen zu erfassen sind.3 b) Zweistufige Gewinnermittlung
6.110
Im internationalen Kontext ist der Betriebsvermögensvergleich (§§ 4 Abs. 1, 5 EStG) für Unternehmer von besonderer Bedeutung.4 In Ausrichtung an die normativ vorgegebene Systematik des Betriebsvermögensvergleichs erfolgt die Gewinnermittlung zweistufig.5 Auf der ersten Stufe ist der Unterschiedsbetrag zu ermitteln, der sodann auf der zweiten Stufe durch Hinzurechnungen und Kürzungen zum maßgeblichen Gewinn führt. Auf der ersten Gewinnermittlungsstufe wird nur der steuerbare Gewinn erfasst. Hierzu gehören jene Gewinne nicht, für die eine Gewinnerzielungsabsicht nicht feststellbar ist (Rz. 6.100) sowie Entstrickungsgewinne nicht, die grundsätzlich erst auf der zweiten Gewinnermittlungsstufe zu berücksichtigen sind (Rz. 6.385 ff.).
1 Gebilligt durch das BVerfG v. 9.7.1969 – 2 BvL 20/65, BVerfGE 26, 302 (zu § 23 EStG); v. 7.10.1969 – 2 BvL 3/66 u. 2 BvR 701/66, BVerfGE 27, 111, (zu § 17 EStG); v. 11.5.1970 – 1 BvL 17/67, BVerfGE 28, 227 (zu Land- und Forstwirtschaft); dagegen Tipke, Die Steuerrechtsordnung II2, 718 ff.; Hey in Tipke/Lang22, § 8 Rz. 185. 2 Hey in Tipke/Lang22, § 8 Rz. 205, 213, 230 ff.; dort auch zum Gleichlauf von Betriebsausgaben einerseits und Werbungskosten andererseits. 3 Vgl. hierzu Hey in Tipke/Lang22, § 8 Rz. 233 f.; zu vorab entstandenen und nachträglichen Aufwendungen im Zusammenhang mit ausländischen DBA-Betriebsstätten Rz. 21.95 ff. 4 Die Einnahmeüberschussrechnung gem. § 4 Abs. 3 EStG spielt in der Praxis insoweit keine große Rolle. 5 Vgl. BFH v. 5.6.2002 – I R 69/01, BStBl. II 2003, 329; v. 10.7.2002 – I R 37/01, BStBl. II 2003, 418; zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 64 ff.; Wassermeyer in W/B, Rz. 2.4; ferner Rz. 21.3 ff.
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B. Unbeschränkte Steuerpflicht
Auf der ersten Gewinnermittlungsstufe werden vor allem Innentransaktionen betreffende (fingierte) Gewinne nicht erfasst. Angesprochen ist damit § 1 Abs. 5 AStG, der eine beschränkte Reichweite hat und lediglich als Einkünftekorrektur auf der zweiten Gewinnermittlungsstufe zu berücksichtigen ist.1 Auf der zweiten Gewinnermittlungsstufe sind neben Korrekturbeträgen nach§ 1 Abs. 1 AStG, auf der ersten Stufe nicht berücksichtigte Entnahmen und schließlich auch nicht abziehbare Erwerbsaufwendungen hinzuzurechnen, soweit sie zuvor auf der ersten Gewinnermittlungsstufe als Betriebsausgaben bereits abgezogen worden sind. Hierzu gehören unter anderem Betriebsausgaben, deren Empfänger nicht benannt worden sind (§ 160 AO), was im grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr von besonderer Bedeutung ist (Rz. 22.46 ff.). Zu den auf der zweiten Gewinnermittlungsstufe zu berücksichtigenden, nicht abziehbaren Erwerbsaufwendungen gehören auch Betriebsausgaben, die im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit abkommensrechtlich steuerfreien Einnahmen stehen (§ 3c Abs. 1 EStG).2 Hierzu zählen u.a. auch Betriebsausgaben im wirtschaftlichen Zusammenhang mit gem. § 3 Nr. 40 EStG dem Teileinkünfteverfahren (vgl. Rz. 6.90 ff.) unterliegenden Einnahmen (§ 3c Abs. 2 EStG). Nicht abziehbar und damit ebenfalls auf der zweiten Gewinnermittlungsstufe hinzuzurechnen sind Schmier- und Bestechungsgelder (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 10 EStG), und zwar auch in den Fällen der Bestechungen mit Auslandsbezug.3
6.111
Abweichend von der zweistufigen Gewinnermittlung enthalten § 5a EStG (Tonnagegewinnermittlung) und § 13a EStG (Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen) Sonderregelungen, die auch bei Auslandsbeziehungen von Bedeutung sind.
6.112
§ 5a Abs. 1 EStG lässt anstelle der Ermittlung des Gewinns nach §§ 4 Abs. 1, 5 EStG auf Antrag die (pauschale) Ermittlung des Gewinns, soweit er auf den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr entfällt, nach der im Betrieb geführten Tonnage zu (sog. Tonnagesteuer). Diese Sonderregelung ist als Lenkungsnorm mit Subventionscharakter4 darauf gerichtet, den Schifffahrtsstandort Deutschland zu sichern, zumal verschiedene EU-Staaten sowie Drittstaaten vergleichbare Tonnagesteuersysteme haben.5 Insoweit beinhaltet § 5a EStG ein spezielles für den internationalen Steuerwettbewerb (Rz. 5.1 ff.) relevantes Steuerregime.6
6.113
Die mit § 5a EStG verfolgten lenkungspolitischen Maßnahmen führen zwar zu einer begünstigenden Ungleichbehandlung gegenüber anderen Gewerbetreibenden, angesichts der (großzügigen) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts7 er-
6.114
1 Gosch, IStR 2015, 709 (713); Gosch in FG Wassermeyer, 209 (216); Schwenke in FS Gosch, 377 (385); Schaumburg, ISR 2013, 197 (198); weitere Einzelheiten in Rz. 21.67. 2 Bei Freistellung von Einkünften gilt § 3c Abs. 1 EStG nicht; Desens in H/H/R, § 3c EStG Rz. 33; Levedag in Schmidt35, § 3c EStG Rz. 7. 3 Hierzu im Einzelnen Peters in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 12.33 f.; Schaumburg in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht Rz. 15.230 ff. 4 Vgl. BFH v. 21.10.2010 – IV R 23/08, BStBl. II 2011, 277 Rz. 29; v. 26.9.2013 – IV R 46/10, BStBl. II 2014, 253, Tz. 19; Voss in H/H/R, § 5a EStG Rz. 3; Gosch in Kirchhof15, § 5a EStG Rz. 1; Hey in Tipke/Lang22, § 8 Rz. 202. 5 Vgl. hierzu den Überblick bei Martinen, Die Tonnagesteuer, Frankfurt a.M. 2010, 84 ff. 6 Hierzu Ismer, FR 2014, 777. 7 Vgl. nur BVerfG v. 21.06.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 Rz. 71 ff.
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Kap. 6 Einkommensteuer
scheint die Sonderregelung aber gerechtfertigt.1 Darüber hinaus ist die Regelung mit den europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten (Rz. 4.16 ff.) vereinbar2 und verstößt auch nicht gegen das europarechtliche Beihilfeverbot.3 Im Hinblick auf die mit § 5a EStG verfolgten Lenkungsziele sind nur Gewerbebetriebe mit Geschäftsleitung im Inland begünstigt, soweit auch die Bereederung im Inland erfolgt (§ 5a Abs. 1 Satz 1 EStG).4 Soweit die Tatbestandsvoraussetzungen der Tonnagegewinnermittlung erfüllt sind, verdrängt diese den Betriebsvermögensvergleich vollen Umfangs, suspendiert also die erste und zweite Gewinnermittlungsstufe (Rz. 6.110)5 sowie bei Personengesellschaften auch den Sonderbilanzbereich (§ 5a Abs. 4a Satz 3 EStG).6 6.115
Die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittssätzen (§ 13a EStG) ist ein typisierter Betriebsvermögensvergleich,7 in dessen Rahmen wegen der pauschalisierenden Wirkung grundsätzlich alle Aufwendungen abgegolten sind.8 Dem entsprechend können auch keine Verluste und auch keine fehlende Einkünfteerzielungsabsicht geltend gemacht werden.9 Die den kleineren Land- und Forstwirten vorbehaltende Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen gilt für in- und ausländische Einkünfte gleichermaßen, so dass der Gewinn des ausländischen Betriebs eines unbeschränkt Steuerpflichtigen, soweit die Voraussetzungen im Übrigen gegeben sind, nach Durchschnittssätzen zu ermitteln ist.10
6.116
Im Hinblick auf die mit der Ermittlung des Gewinns nach Durchschnittsätzen verbundene geringe Gewinnerfassungsquote ist ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gegeben.11 Da die Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen auch auf Auslandsbetriebe und auch auf Inlandsbetriebe beschränkt steuerpflichtiger Land- und Forstwirte anzuwenden ist, liegt dagegen kein Verstoß gegen die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten (Rz. 4.21 ff.) vor.12 Ein Verstoß gegen das europarechtliche Beihilfeverbot ist ebenfalls nicht gegeben.13 1 BFH v. 26.9.2013 – IV R 46/10, BStBl. II 2014, 253, Tz. 19; Seeger in Schmidt35, § 5a EStG Rz. 3; Voss in H/H/R, § 5a EStG Rz. 6 m.w.N. 2 Hierzu Voss in H/H/R, § 5a EStG Rz. 7 m.w.N. 3 Vgl. BGBl. I 1998, 4023; zum Beihilfeverbot Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 9.1 ff. 4 Zu Einzelheiten Voss in H/H/R, § 5a EStG Rz. 21, 25. 5 Voss in H/H/R, § 5a EStG Rz. 31; BMF v. 24.3.2000 – IV C 6 - S 1900 - 22/00, BStBl. I 2000, 453. 6 Voss in H/H/R, § 5a EStG Rz. 31; Gosch in Kirchhof15, § 5a EStG Rz. 6. 7 Kanzler in H/H/R, § 13a EStG Rz. 4; Kube in Kirchhof15, § 13a EStG Rz. 1. 8 Kanzler in H/H/R, § 13a EStG Rz. 1; Kulosa in Schmidt35, § 13a EStG Rz. 23. 9 BFH v. 24.7.1986 – IV R 137/84, BStBl. II 1986, 808; v. 1.12.1988 – IV R 72/87, BStBl. II 1989, 234; Kanzler in H/H/R, § 13a EStG Rz. 4. 10 Kanzler in H/H/R, § 13a EStG Rz. 9; Kulosa in Schmidt35, § 13a EStG Rz. 4; BMF v. 22.10.2015 – IV C 7 - S 2149/15/10002 – DOK 2015/0942805, BStBl. I, 2015, 795, Tz. 1. 11 Zu § 13a EStG a.F. Hiller in Lademann, § 13a EStG Rz.16; Tipke, Die Steuerrechtsordnung II2, 682 ff.; Kanzler, FR 1999, 424 f.; Hiller, INF 1999, 449 (487); zu § 13a EStG n.F. zweifelnd Kanzler in H/H/R, § 13a EStG Rz. 5; Kube in Kirchhof15, § 13a EStG Rz. 1; Kulosa in Schmidt35, § 13a EStG Rz. 4; Hiller in Lademann, § 13a EStG Rz. 19, 127 ff. mit Hinweisen auf unverändert bestehende Erfassungslücken. 12 Kanzler in H/H/R, § 13a EStG Rz. 5. 13 Vgl. zum Beihilfeverbot Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 9.1 ff.
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B. Unbeschränkte Steuerpflicht
c) Besonderheiten Die in § 4h EStG verankerte Zinsschranke zielt darauf ab zu verhindern, dass international tätige Unternehmen mittels grenzüberschreitender Fremdkapitalfinanzierung seitens ausländischer nachgeschalteter Gesellschaften in Deutschland erwirtschaftete Erträge ins Ausland transferieren.1 Angesprochen sind damit vor allem in der Rechtsform von Kapitalgesellschaften geführte Konzerne, die an die im Ausland ansässige nach- oder vorgeschaltete, dem Konzern zugehörige Unternehmen Zinsen für aufgenommene Darlehen zu zahlen haben (sog. asymmetrische Finanzierungsstrukturen). Damit soll letztlich zwecks Sicherung des deutschen Steueraufkommens eine übermäßige (grenzüberschreitende) Fremdfinanzierung unterbunden werden. Die Zinsschranke geht allerdings weit darüber hinaus. Sie gilt für in- und ausländische Gewinneinkünfte aller Unternehmensformen und für jede Art von Fremdfinanzierung.2 Im Hinblick darauf ist auch unter Berücksichtigung der Anti-BEPS-RL (Art. 4)3 kein Anpassungsbedarf gegeben (Rz. 5.25).
6.117
Die Zinsschranke hat folgende Grundstruktur: Die den Zinsertrag übersteigenden Zinsaufwendungen eines Betriebs (Zinssaldo) können nur bis zu einem Anteil von 30 % des um den Zinssaldo sowie die Abschreibung erhöhten Gewinns (EBITDA)4 abgezogen werden (§ 4h Abs. 1 Satz 1 EStG). Die diesen Wert übersteigenden Zinsen können sodann im Wege eines Zinsvortrags in die Folgeperioden vorgetragen werden (§ 4h Abs. 1 Satz 2 EStG). Von dem vorgenannten Betriebsausgabenabzugsverbot enthält § 4h Abs. 2 Satz 1 EStG (Escape-Klausel) drei Ausnahmen. Danach sind die Zinsen abzugsfähig, wenn erstens der Zinssaldo die Freigrenze von 3 Mio. Euro nicht übersteigt (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. a EStG), zweitens der Betrieb nicht oder nur anteilsmäßig zu einem Konzern gehört (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG) oder drittens konzernzugehörige Betriebe, deren Eigenkapitalquote am Schluss des vorangegangenen Abschlussstichtags diejenige des Konzerns um nicht mehr als zwei Prozentpunkte unterschreitet (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c EStG). Hiervon enthält § 8a Abs. 2, 3 KStG eine Rückausnahme, aufgrund derer die Zinsschranke dennoch eingreift, wenn die Vergütungen an wesentlich beteiligte Anteilseigner, diesen nahe bestehenden Personen oder gegenüber diesen zum Rückgriff berechtigte Dritte mehr als 10 % des Zinssaldos ausmachen (Rz. 7.11).
6.118
Die Zinsschranke, die insbesondere wegen Verletzung des objektiven Nettoprinzips für verfassungswidrig gehalten wird,5 stellt auf die Zinsaufwendungen eines Betriebs ab. Da ein Einzelunternehmer mehrere Betriebe unterhalten kann,6 ist
6.119
1 2 3 4 5
BT-Drs. 16/4841, 57. Loschelder in Schmidt35, § 4h EStG Rz. 1. RL (EU) 2016/1164 des Rates v. 12.7.2016, ABl. L 193 v. 19.7.2016, 1. Earnings before interests, taxes, depreciation and amortization. BFH v. 14.10.2015 – I R 20/15, ISR 2016, 86 m. Anm. Glahe = DStR 2016, 301 (Vorlagebeschluss zum BVerfG, dortiges Az.: 2 BvL 1/16). 6 BFH v. 9.8.1989 – X R 130/87, BStBl. II 1989, 901; Hick in H/H/R, § 4h EStG Rz. 25; BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742 - a/07/10001 – DOK 2008/0336202, BStBl. I 2008, 718, Tz. 3; Körperschaften und Personengesellschaften unterhalten dagegen stets nur einen Betrieb; vgl. BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001 – DOK 2008/0336202, BStBl. I 2008, 718, Tz. 8.
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Kap. 6 Einkommensteuer
für jeden Betrieb gesondert die Zinsschranke zu ermitteln, so dass die Betriebe insoweit (partielle) Gewinnermittlungsobjekte sind.1 Dies gilt für in- und ausländische Betriebe gleichermaßen,2 wobei inländische und ausländische Betriebsstätten eines inländischen Einzelunternehmers keine Betriebe, sondern Teile eines Betriebs sind.3 Hieraus folgt, dass etwa im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht die Zinsschrankenregelung den inländischen Betrieb unter Einschluss der diesem zuzuordnenden ausländischen Betriebsstätte erfasst.4 Da im Verhältnis zwischen inländischem Betrieb und ausländischer Betriebsstätte Rechtsbeziehungen ausgeschlossen sind (Rz. 21.39), findet für etwaige Innentransaktionen § 4h EStG keine Anwendung.5 Daran ändert auch nichts die in § 1 Abs. 5 AStG enthaltene für Betriebsstätten geltende Selbstständigkeitsfiktion, da diese nur für Zwecke der Einkünftekorrektur im Rahmen des § 1 AStG Geltung hat (Rz. 21.66 f.). 6.120
Eine Besonderheit ergibt sich für Organschaften, wonach der Organkreis für Zwecke der Zinsschranke als ein einheitlicher Betrieb fingiert wird (§ 15 Abs. 1 und 3 KStG). Das gilt im Grundsatz auch für eine grenzüberschreitende Organschaft6, wenn etwa die Organgesellschaft den Ort der Geschäftsleitung im Inland und den Sitz im EU-/EWR-Bereich hat (§ 14 Abs. 1 Satz 1 KStG).7
6.121
Im internationalen Kontext haben auch Bewertungsfragen Bedeutung. Das gilt insbesondere im Zusammenhang mit der Anschaffung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, die bilanziell grundsätzlich mit den Anschaffungskosten anzusetzen sind (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG). Erfolgt die Anschaffung in Fremdwährung ist für die Umrechnung8 auf den Wechselkurs im Anschaffungszeitpunkt abzustellen.9 Maßgeblich ist der Devisenkassamittelkurs zum Anschaffungszeitpunkt.10 Diese Bewertungsgrundsätze gelten auch für Anteile an ausländischen Kapitaltochtergesellschaften.11 Es kommt hierbei allerdings bei voraussichtlich dauernden Wertminderungen der Ansatz mit dem niedrigeren Teilwert in Betracht (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG). Für Anteile an ausländischen Tochterkapitalgesellschaften kann eine derartige Teilwertabschreibung, soweit sie nicht aufgrund von Sonderregelungen ohnehin ganz oder teilweise ausgeschlossen ist,12 1 Loschelder in Schmidt35, § 4h EStG Rz. 8; Schaden/Käshammer, BB 2007, 2317 (2319). 2 Daher kein Verstoß gegen die Grundfreiheiten; Oellerich in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8, 119 m.w.N. 3 Hick in H/H/R, § 4h EStG Rz. 26; Loschelder in Schmitd35, § 4h EStG Rz. 8; Seiler in Kirchhof15, § 4h EStG Rz. 14; BMF v. 4.7.2008 – IV C 7 - S 2742-a/07/10001 – DOK 2008/0336202, BStBl. I 2008, 718, Tz. 9. 4 Hick in H/H/R, § 4h EStG Rz. 26. 5 Hick in H/H/R, § 4h EStG Rz. 26. 6 Dass ausländische Tochtergesellschaften nicht einbezogen sind, verstößt nicht gegen die Grundfreiheiten; vgl. Oellerich in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.120. 7 Zur grenzüberschreitenden Organschaft Rz. 7.14 ff. 8 Der handelsrechtliche Jahresabschluss ist in Euro aufzustellen (§ 244 HGB). 9 BFH v. 16.12.1977 – III R 92/75, BStBl. II 1978, 233; v. 9.8.1989 – I B 118 /88, BStBl. II 1990, 175; v. 6.11.1997 – III R 190/94, BStBl. II 1998, 123. 10 § 256a HGB; vgl. hierzu Richter in H/H/R, § 6 EStG Rz. 31. 11 Richter in H/H/R, § 6 EStG Rz. 37. 12 Z.B. gem. § 2a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a EStG; Rz. 6.72, 6.82 und § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG; Rz. 6.90.
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C. Beschränkte Steuerpflicht
nicht schon allein auf einen gesunkenen Kurs der ausländischen Währung gestützt werden.1 Eine Teilwertabschreibung ist danach erst zulässig, wenn auch der innere Wert der Beteiligung-Ertragslage und -aussichten, Vermögenswert und die funktionale und wirtschaftliche Bedeutung des Beteiligungsunternehmens – gesunken ist.2 Darüber hinaus ist eine Teilwertabschreibung auch nur dann zulässig, wenn es sich nicht um Anlaufverluste – bei einer ausländischen Tochterkapitalgesellschaft fünf Jahre – 3 handelt, es sei denn der Erwerb oder die Neugründung der ausländischen Tochterkapitalgesellschaft war eine Fehlmaßnahme.4
C. Beschränkte Steuerpflicht Literatur Kommentare zu §§ 1 Abs. 4 und 49 EStG; Albeseder/Baumgartner/Weiler, Zur Besteuerung der Grenzgänger zwischen Deutschland/Österreich/Schweiz mit Hinweis auf andere Länder, DStR 1988, 491; Arndt, Entwicklungstendenzen der beschränkten Steuerpflicht im deutschen und amerikanischen Einkommensteuerrecht, StuW 1990, 354; Bayer, Die unbeschränkte und die beschränkte Einkommensteuer – ein Vergleich, in FS für Mosler, Berlin/ Heidelberg/New York 1983, 59; Berkes, Die beschränkte Steuerpflicht der Arbeitnehmer im System des Einkommensteuergesetzes, Frankfurt/Bern/New York/Paris 1991; Eckert, Die beschränkte Steuerpflicht, Diss. Bonn 1995; Ege, Beschränkte Steuerpflicht – Systematik und aktuelle Entwicklungen, DStR 2010, 1205; Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern auf Bruttobasis, Heidelberg 1988; Fischer (Hrsg.), Besteuerung wirtschaftlicher Aktivitäten von Ausländern in Deutschland, Köln 1995; Gassner/Lang/Lechner/Schuck/ Staringer, Die beschränkte Steuerpflicht im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, Wien 2004; Grams, Zum Rechtscharakter der Steuererhebung nach § 50a Abs. 4 EStG, DB 1996, 907; Haarmann (Hrsg.), Die beschränkte Steuerpflicht, Köln 1993; Hey, Das Territorialitätsprinzip als theoretische Grundlage der beschränkten Steuerpflicht – isolierende Betrachtungsweise und Objektsteuercharakter als konkrete Ausprägungen, IWB 2004, Fach 3, Gr. 1, 2003; Kumpf/Roth, Wahlbesteuerung für beschränkt Einkommensteuerpflichtige?, StuW 1996, 259; Labermeier, Die Ertragsbesteuerung des Electronic-Commerce im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht, Frankfurt am Main u.a. 2001; Lang, Der Stellenwert des objektiven Nettoprinzips im deutschen Einkommensteuerrecht, StuW 2007, 3; Lehner, Die verfassungsrechtliche Verankerung des objektiven Nettoprinzips, DStR 2009, 185; Lehner/Reimer, Quelle vs. Ansässigkeit – Wie sind die grundlegenden Verteilungsprinzipien des Internationalen Steuerrechts austariert?, IStR 2005, 542; Liedtke, „Beschränkte Steuerpflicht“ – Ein Grundlagenbegriff oder ein Fremdbegriff (Fremdkörper) im Steuerrecht?, DB 1985, 671; Lüdicke, Aktuelle Fragen zur beschränkten Steuerpflicht, in Schaumburg/Wassermeyer/Lüdicke (Hrsg.), Internationales Steuerrecht – Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts; Außensteuergesetz, Beschränkte Steuerpflicht, Bonn/Berlin 2002, 97 ff.; Lüdicke, Probleme der Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger im Inland, DStR 2008, Beihefter zu Heft 17, 25; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufs1 Kulosa in Schmidt35, § 6 EStG Rz. 287. 2 BFH v. 27.7.1988 – I R 104/84, BStBl. II 1989, 274; v. 9.3.2000 – X B 106/99, BFH/NV 2000, 1194; v. 6.11.2003 – IV R 10/01, BStBl. II 2004, 416; v. 28.4.2004 – I R 20/03, BFH/NV 2005, 19; v. 4.2.2014 – I R 52/12, BFH/NV 2014, 1016. 3 BFH v. 27.7.1988 – I R 104/84, BStBl. II 1989, 274; Richter in H/H/R, § 6 EStG Rz. 542. 4 In einem derartigen Fall ist eine vorzeitige Teilwertabschreibung zulässig; Richter in H/H/R, § 6 EStG Rz. 542; Groh in Piltz/Schaumburg, Aufwand und Verluste bei internationalen Steuersachverhalten, Köln 1999, 87 (89 ff.); zum Ganzen auch Piltz in Piltz/Schaumburg, Aufwand und Verluste bei internationalen Steuersachverhalten, Köln 1999, 101.
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Kap. 6 Einkommensteuer sportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, Herne/Berlin 1991; Morgenthaler, Beschränkte Steuerpflicht und Gleichheitssatz, IStR 1993, 258; Mössner, Isolierende Betrachtungsweise – Essay einer dogmatischen Klärung, in Klein/Stihl/Wassermeyer/Piltz/ Schaumburg (Hrsg.), Unternehmen – Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 939; Nowack, Vereinbarkeit der Vorschriften über die Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger mit den Personenverkehrsfreiheiten des EWG-Vertrages, Herne/Berlin 1994; Schaumburg, Besteuerung von Einkommen, DStJG 24 (2001), 225; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS für Tipke, Köln 1995, 125; Schaumburg/Schaumburg, Steuerliche Leistungsfähigkeit und europäische Grundfreiheiten im Internationalen Steuerrecht, StuW 2005, 306; Schrettl, Rechtsfragen der beschränkten Steuerpflicht, Dargestellt anhand der Besteuerung gewerblich tätiger beschränkt steuerpflichtiger Künstler, Sportler und Artisten, Frankfurt/ Berlin/Bern/New York/Paris/Wien 1994; Selling, Vergütung von Körperschaftsteuer aufgrund von Billigkeit?, FR 1987, 245; Tipke, Das Bundesverfassungsgericht zum Nettoprinzip, StuW 1974, 84; Tipke, Verteidigung des Nettoprinzips, DB 2008, 263; Uelner, Zur Konkretisierung des subjektiven Nettoprinzips im Einkommensteuerrecht, in FS für Schmidt, München 1993, 21; Wassermeyer, Die beschränkte Steuerpflicht, DStJG 8 (1985), 49; Zwick, Die Einkommensbesteuerung von Grenzgängern, Herne/Berlin 1986.
I. Überblick 6.122
Natürliche Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind, soweit nicht die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht (§ 1 Abs. 2 EStG) oder die fingierte unbeschränkte Steuerpflicht (§§ 1 Abs. 3; 1a EStG) gegeben ist, beschränkt einkommensteuerpflichtig, wenn sie inländische Einkünfte i.S. des § 49 EStG erzielen. Im Unterschied zu den Regelungen über die unbeschränkte Steuerpflicht ist systematisch eine klare Trennung zwischen Steuersubjekt und Steuerobjekt nicht möglich, weil gem. § 1 Abs. 4 EStG die beschränkte Steuerpflicht nur dann gegeben ist, wenn zugleich inländische Einkünfte bezogen werden.1
6.123
§ 49 Abs. 1 EStG führt im Einzelnen auf, welche inländischen Einkünfte der beschränkten Einkommensteuerpflicht unterliegen. Der Einkünftekatalog des § 49 Abs. 1 EStG knüpft zwar an die Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG an, ebenso ist das Verhältnis der in § 49 Abs. 1 EStG aufgeführten Einkünfte zueinander nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 13 ff. EStG zu beurteilen, die Einkünftequalifikation selbst erfolgt aber nach den besonderen Gesetzmäßigkeiten der in § 49 Abs. 2 EStG verankerten isolierenden Betrachtungsweise.
6.124
§ 49 Abs. 3 EStG enthält eine unwiderlegliche Gewinnvermutung für beschränkt steuerpflichtige Schifffahrt- und Luftfahrtunternehmen. § 49 Abs. 4 EStG stellt schließlich Schifffahrt- und Luftfahrteinkünfte ausländischer Unternehmen unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit von der deutschen beschränkten Steuerpflicht frei.
6.125
Während § 49 EStG Regelungen über die beschränkte Steuerpflicht dem Grunde nach enthält, handelt es sich bei den §§ 50 und 50a EStG insbesondere um technische Vorschriften, die der Ermittlung der inländischen Einkünfte und der Durchführung der Besteuerung dienen. Auf der Grundlage der Ermächtigungsvorschrift in § 50a Abs. 6 EStG sind die §§ 73a, 73c bis 73g EStDV ergangen. 1 Hierzu Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 5; Mössner in FS Flick, 939 (948 f.).
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C. Beschränkte Steuerpflicht
II. Territorialitätsprinzip Der beschränkten Steuerpflicht liegt als gesetzgeberische Konzeption das Territorialitätsprinzip (Rz. 6.55 f.) zugrunde.1 Damit hat der Gesetzgeber für Steuerausländer die Anknüpfungspunkte für die Besteuerung im Grundsatz auf inländische Einkünfte beschränkt.2
6.126
Mit dem Begriff beschränkte Steuerpflicht sollte zum Ausdruck gebracht werden, dass Steuerausländer nicht wie Steuerinländer uneingeschränkt der inländischen Steuerpflicht unterliegen, sondern dass diese nur eingeschränkt, nämlich nicht mit dem Welteinkommen, sondern lediglich mit den inländischen Einkünften der Besteuerung unterworfen sein sollen.3
6.127
Die beschränkte Steuerpflicht als rechtstechnische Umschreibung des Territorialitätsprinzips findet erstmals Erwähnung in den „Motiven“ zum Entwurf eines Gesetzes wegen Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb des Norddeutschen Bundes vom 14.2.1870.4 Der Entwurf, der niemals Gesetz wurde, enthält Regelungen, in welchen Staaten eigene Staatsangehörige mit ihrem Gesamteinkommen und in welchen Staaten sie nur mit ihrem inländischen Einkommen steuerpflichtig sind. Eine dem heutigen § 1 Abs. 4 EStG entsprechende gesetzliche Regelung findet sich erstmals im Einkommensteuergesetz 19205 und in erweiterter Form im Einkommensteuergesetz 1925.6 Die Grundstruktur ist seitdem unverändert geblieben.7 Das Territorialitätsprinzip ist als Rechtsprinzip im Internationalen Steuerrecht anerkannt (Rz. 6.55 ff.). Im Hinblick darauf, dass dem Völkerrecht kein Rechtssatz zu entnehmen ist, der ein Verbot der Doppelbesteuerung beinhaltet, (Rz. 2.5) gibt es auch keinen konkreten Besteuerungsrahmen, innerhalb dessen sich das Territorialitätsprinzip zu verwirklichen hätte. Die allgemeinen Regeln des Völkerrechts enthalten lediglich ein Verbot, die Steuerpflicht aufgrund der Steuergesetze ohne jegliche räumliche oder persönliche Schranke auszudehnen (Rz. 2.5, 3.13). Diesem Verbot der grenzenlosen Besteuerung entspricht das Gebot, die Besteuerung von Steuerausländern auf solche Sachverhalte zu begrenzen, die einen Bezug zum Inland aufweisen (genuine link). Es handelt sich hierbei lediglich um eine völkerrechtliche Minimalschranke, mit der die in § 49 Abs. 1 EStG normierten Anknüpfungspunkte nicht kollidieren.8
1 Hey in Tipke/Lang22, § 9 Rz. 27; Preuninger, Rechtsprobleme des Funktionswandels deutscher Doppelbesteuerungsabkommen, 15; Morgenthaler, IStR 1993, 258 (260 f.); Schaumburg in FS Tipke, 125 (128 ff.). 2 Zur Universalisierung der beschränkten Steuerpflicht vgl. Lehner/Reimer, IStR 2005, 542 (544). 3 Zur Entwicklung des Begriffs Berkes, Die beschränkte Steuerpflicht der Arbeitnehmer im System des Einkommensteuergesetzes, 12 ff.; Liedtke, DB 1985, 671 ff. 4 Vgl. Nachweis bei Liedtke, DB 1985, 671 ff. 5 EStG v. 29.3.1920, RGBl. I 1920, 359. 6 EStG 1925 v. 10.8.1925, RGBl. I 1925, 189. 7 Kritisch zu dieser „sträflichen Vernachlässigung“ Flick in Engelschalk/Flick u.a., Steuern auf ausländische Einkünfte, 93 (101). 8 Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 12; Wassermeyer, DStJG 8 (1985), 49 ff.
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6.128
Kap. 6 Einkommensteuer
III. Objektsteuercharakter 1. Allgemeines 6.129
Die beschränkte Steuerpflicht ist dadurch gekennzeichnet, dass im Unterschied zur unbeschränkten Steuerpflicht die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen weitgehend unberücksichtigt bleiben, wodurch sie einen objektsteuerähnlichen Charakter erhält.1 Dieser Objektsteuercharakter gründet sich insbesondere darauf, dass etwa – Sonderausgaben (§§ 10, 10a EStG) nicht abzugsfähig sind (§ 50 Abs. 1 Satz 3 EStG)2, – der Pauschbetrag für Sonderausgaben (§ 10c EStG),3 der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG), die Kinderfreibeträge des § 32 EStG, das Splittingprivileg des § 32a Abs. 6 EStG, die Abzüge wegen außergewöhnlicher Belastung (§§ 33 und 33a EStG) sowie die Pauschbeträge für Behinderte, Hinterbliebene und Pflegepersonen (§ 33b EStG) und die Steuerermäßigungen wegen haushaltsnaher Beschäftigungsverhältnisse sowie für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen und Handwerkerleistungen (§ 35a EStG) nicht berücksichtigt werden (§ 50 Abs. 1 Satz 3 EStG), – der Freibetrag gem. § 16 Abs. 4 EStG nicht in Betracht kommt (§ 50 Abs. 1 Satz 3 EStG), – Einkünfte, die dem abgeltenden Steuerabzug unterliegen, weder beim Verlustausgleich mit anderen Einkunftsarten noch beim Verlustabzug berücksichtigt werden dürfen (vgl. § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG), – der Splittingtarif grundsätzlich4 nicht zur Anwendung kommt (vgl. §§ 26 Abs. 1, 32a Abs. 5 EStG) und bei Anwendung des Grundtarifs das zu versteuernde Einkommen um den Grundfreibetrag erhöht wird (§ 50 Abs. 1 Satz 2 EStG), – die Bildung eines steuerlichen Ausgleichspostens gem. § 4g EStG ausgeschlossen ist und schließlich, – die Einkommensteuer für steuerabzugspflichtige Einkünfte im Grundsatz5 mit dem Steuerabzug abgegolten ist (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG).
6.130
Im Hinblick auf die vorgenannten, die steuerliche Leistungsfähigkeit beschränkt steuerpflichtiger Personen nicht berücksichtigenden Einschränkungen wird die Ansicht vertreten, insoweit handele es sich nicht mehr um eine Einkommen1 BFH v. 27.7.2011 – I R 32/10, BStBl. II 2014, 513; Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 1; Strunk in Korn, § 49 EStG Rz. 1; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 1; Berkes, Die beschränkte Steuerpflicht der Arbeitnehmer im System des Einkommensteuergesetzes, 16 ff.; Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern auf Bruttobasis, 82 f. 2 In Umsetzung des EuGH-Urteils v. 24.2.2015 – Rs. C-559/13 – Grünewald, ECLI:EU:C: 2015:109 ist § 50 Abs. 1 Satz 3 EStG dahingehend geändert worden, dass zukünftig Versorgungsleistungen unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG abzugsfähig sind (AHRL-ÄndUmsG); gem. § 52 Abs. 46 Satz 1 EStGE ab 2017. 3 Für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer gelten allerdings die in § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG bezeichneten Ausnahmen. 4 Ausnahme: §§ 1 Abs. 3, 1a Abs. 1 EStG. 5 Ausnahmen in § 50 Abs. 2 Satz 2 EStG.
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C. Beschränkte Steuerpflicht
steuer, sondern um eine Objekt- und Nicht-Personensteuer1 oder um eine Umsatzsteuer, soweit das Steuerabzugsverfahren gilt (§ 50a Abs. 1 EStG).2 Indessen stehen die Regelungen über die beschränkte Einkommensteuerpflicht nicht außerhalb des Einkommensteuergesetzes, werden Merkmale, die die steuerliche Leistungsfähigkeit indizieren, wenn auch nur rudimentär, berücksichtigt. Dies gilt insbesondere bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 50 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2, Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 EStG). Schließlich kommt, soweit eine Veranlagung erfolgt, auch der progressiv ausgestaltete Steuertarif (Grundtabelle) zur Anwendung. Daher ist die Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger, soweit sie nicht ohnehin gem. §§ 1 Abs. 3; 1a EStG wie unbeschränkt Steuerpflichtige behandelt werden, (Rz. 6.40 ff.) jedenfalls im Ansatz am Prinzip der Leistungsfähigkeit ausgerichtet,3 die Einkommensteuer deshalb auch insoweit eine Personensteuer.4 Der Objektsteuercharakter ist bei den einzelnen Einkunftsarten unterschiedlich stark ausgeprägt. Besonders augenfällig ist er bei den steuerabzugspflichtigen Einkünften, bei denen die Steuer grundsätzlich5 durch den Steuerabzug abgegolten ist (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG). Hier wird die Steuer durchweg6 auf Einnahmen erhoben. Insoweit erfolgt also eine Bruttobesteuerung.
6.131
2. Durchbrechung des Nettoprinzips Die auf dem Nettoprinzip beruhende Nettobesteuerung gehört zu den primären Grundwertungen des Einkommensteuergesetzes. Denn nur durch die Nettobesteuerung kann die Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit verwirklicht werden. Das Leistungsfähigkeitsprinzip verlangt für Zwecke der Besteuerung eine Reduzierung des Bruttobetrages der Einnahmen um die Aufwendungen, die zur Erzielung der Einnahmen gemacht werden (erwerbssichernde Aufwendungen), sowie die von dem Steuerpflichtigen getätigten Ausgaben zur Abdeckung von Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen (existenzsichernde Aufwendungen). Das Nettoprinzip ist daher mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip untrennbar verbunden.7 1 So schon Strutz, Handbuch des Reichssteuerrechts, 310; in neuerer Zeit Bayer in FS Mosler, 59 (69 f.). 2 So etwa Grams, DB 1996, 907 ff. 3 BVerfG v. 12.10.1976 – 1 BvR 2328/73, BVerfGE 43, 1; v. 24.2.1989 – 1 BvR 519/87, StRK, EStG 1975, § 36b R. 2a; BFH v. 20.4.1988 – I R 219/82, BStBl. II 1990, 701; Wassermeyer, DStJG 8 (1985), 49 (55); Arndt, StuW 1990, 354 (365). 4 BFH v. 20.1.1959 – I 112/57 S, BStBl. III 1959, 133; Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 1; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 1. 5 Ausnahme: § 50 Abs. 2 Satz 2 EStG. 6 Ausnahme: § 50a Abs. 3 EStG. 7 BVerfG v. 3.11.1982 – 1 BvR 620/78, 1 BvR 1335/78, 1 BvR 1104/79, 1 BvR 363/80, BVerfGE 61, 320 (343 f.); v. 22.2.1984 – 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214, 223; v. 23.1.1990 – 1 BvL 4/87, 1 BvL 5/87, 1 BvL 6/87, 1 BvL 7/87, BStBl. II 1990, 483 (486); v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210; v. 6.7.2010 – 2 BvL 13/09, BVerfGE 126, 268 (279); Hey in H/H/R, Einf. ESt Rz. 44; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 762 ff.; Tipke, Steuergerechtigkeit, 95 f.; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 60 ff., 183 ff.; Lang, StuW 2007, 3 ff.; Jüptner, Leistungsfähigkeit und Veranlassung, 12 f.; Tipke, StuW 1974, 84 ff.; Tipke, DB 2008, 263 ff.; Tipke, BB 2008, 1525 ff.; Uelner in FS Schmidt, 21 (24); Schaumburg in FS Tipke, 125 (134); vgl. auch die Beiträge in DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 77 ff.
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6.132
Kap. 6 Einkommensteuer
6.133
Rechtlich verankert ist dieses Nettoprinzip unmittelbar in § 2 Abs. 2 EStG, wonach nur Reineinkünfte der Einkommensteuer unterliegen.1 Der Grundsatz, dass die Bruttoeinnahmen um erwerbssichernde Aufwendungen (objektives Nettoprinzip) und existenzsichernde Aufwendungen (subjektives Nettoprinzip)2 zu kürzen sind, wird im Bereich der beschränkten Steuerpflicht mehrfach durchbrochen.
6.134
Das objektive Nettoprinzip, das die Maßgröße objektiver Leistungsfähigkeit betrifft,3 gilt nicht für jene beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte, die dem Steuerabzug (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG) unterliegen, ohne dass die Voraussetzungen des § 50 Abs. 2 Satz 2 EStG, insbesondere die Möglichkeit zur Veranlagung, gegeben sind. Hier ist die Einkommensteuer durch den Steuerabzug abgegolten. Das gilt insbesondere für Lizenzvergütungen, die gem. § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG dem Steuerabzug unterliegen. Diese Abgeltungswirkung führt zu einer Bruttobesteuerung, weil die Steuer dabei nicht von den Einkünften, sondern von den Einnahmen ohne Berücksichtigung von Betriebsausgaben und Werbungskosten erhoben wird. Etwas anderes gilt nur für EU-/EWR-Staatsangehörige für die Einkünfte, die durch im Inland ausgeübte künstlerische, sportliche, artistische, unterhaltende oder ähnliche Darbietungen oder aus deren inländischer Verwertung erzielt werden sowie für Aufsichtsratsvergütungen. Hier erfolgt entweder eine abgeltende Quellenbesteuerung auf Nettobasis (§ 50a Abs. 3 EStG) oder aber eine Nettobesteuerung im Rahmen einer auf Antrag durchzuführenden Veranlagung (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 Satz 7 EStG).
6.135
Das subjektive Nettoprinzip, das sich auf die Maßgröße subjektiver Leistungsfähigkeit bezieht,4 wird im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht unabhängig von der Einkunftsart insbesondere dadurch eingeschränkt, dass gem. § 50 Abs. 1 EStG z.B. Sonderausgaben (§ 10 EStG) und Abzüge wegen außergewöhnlicher Belastung (§§ 33, 33a EStG) sowie weitere Steuerermäßigungen entweder überhaupt nicht oder nur unter ganz engen Voraussetzungen berücksichtigt werden können (Rz. 6.273 ff.).
6.136
Da bei beschränkter Steuerpflicht im Gegensatz zur unbeschränkten Steuerpflicht das objektive Nettoprinzip und das subjektive Nettoprinzip sowie der Splittingtarif (§ 32a Abs. 5 EStG) nur eingeschränkt berücksichtigt werden,5 haben sich Rechtsprechung und Literatur mit der Frage beschäftigt, ob insoweit nicht ein Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt.
6.137
Seitens der Rechtsprechung des BVerfG und des BFH wird eine Verletzung des Gleichheitssatzes allgemein verneint. Das BVerfG hat sich bislang nur in weni1 Hey in Tipke/Lang22, § 8 Rz. 54 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 762 ff.; zur verfassungsrechtlichen Verankerung Lehner, DStR 2009, 185 ff. und Englisch, DStR 2009, Beihefter zu Heft 34, 92 ff. 2 Zur Trennung in subjektives und objektives Nettoprinzip Kirchhof in K/S/M, § 2 EStG Rz. A 126 f.; Hey in Tipke/Lang21, § 8 Rz. 42 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 762 ff.; 785 ff. 3 Das BVerfG (z.B. BVerfG v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210/234), v. 12.5.2009 – 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (121) hat den Verfassungsrang des objektiven Nettoprinzips bislang offengelassen. 4 Dem subjektiven Nettoprinzip hat das BVerfG (zuletzt BVerfG v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210 und v. 13.2.2008 – 2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125) Verfassungsrang eingeräumt. 5 Ausnahme: §§ 1 Abs. 3, 1a Abs. 1 EStG.
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gen Entscheidungen1 hierzu geäußert. So hat es den Quellensteuerabzug mit Abgeltungswirkung (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG) damit gerechtfertigt, dass er eine ausreichende Gewähr für eine wirksame Steuererhebung biete und damit dem objektsteuerartigen Charakter der Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen Rechnung trage. Im Übrigen sei die Quellensteuer der Höhe nach limitiert, wodurch eine geringere Steuerbelastung als bei unbeschränkt steuerpflichtigen Personen entstehen könne.2 Die Nichtberücksichtigung der persönlichen Verhältnisse bei beschränkt steuerpflichtigen Personen wird schließlich damit gerechtfertigt, dass es allein Aufgabe des Wohnsitzstaates sei, die persönliche Leistungsfähigkeit dieses Personenkreises zu berücksichtigen.3 Davon abgesehen, werde dem Leistungsfähigkeitsprinzip ohnehin schon dadurch entsprochen, dass beschränkt Steuerpflichtige nicht mit ihrem gesamten Einkommen in Deutschland zur Einkommensteuer herangezogen würden.4 Der BFH hat in seinen Entscheidungen grundsätzlich einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG mit der Begründung verneint, dass aufgrund der unterschiedlichen Ausgestaltung der unbeschränkten und beschränkten Steuerpflicht eine ungleiche Behandlung zu rechtfertigen sei. Eine Ungleichbehandlung rechtfertige sich insbesondere deshalb, weil nur im Falle unbeschränkter Steuerpflicht sämtliche Einkünfte des Steuerpflichtigen der Besteuerung in Deutschland unterlägen.5 In der Literatur wird die Ungleichbehandlung im Wesentlichen mit dem Objektsteuercharakter der beschränkten Steuerpflicht gerechtfertigt.6
6.138
Art. 3 Abs. 1 GG, auf den sich auch beschränkt Steuerpflichtige berufen können,7 verlangt im Grundsatz eine Gleichbehandlung zwischen unbeschränkt steuerpflichtigen und beschränkt steuerpflichtigen Personen, sofern zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen können.8 Derartige Rechtfer-
6.139
1 Vgl. etwa BVerfG v. 24.9.1965 – 1 BvR 228/65, BVerfGE 19, 119; v. 12.10.1976 – 1 BvR 2328/73, BVerfGE 43, 1; v. 5.9.1975 – 1 BvR 219/75, HFR 1975, 540; v. 24.2.1989 – 1 BvR 519/87, StRK EStG 1975, § 36b R. 2a. 2 BVerfG v. 24.9.1965 – 1 BvR 228/65, BVerfGE 19, 119. 3 BVerfG v. 24.9.1965 – 1 BvR 228/65, BVerfGE 19, 119. 4 BVerfG v. 12.10.1976 – 1 BvR 2328/73, BVerfGE 43, 1; weitergehend die Analyse der Entscheidungen des BVerfG bei Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern auf Bruttobasis, S. 77 ff. 5 BFH v. 20.1.1959 – I 112/57 S, BStBl. III 1959, 133; v. 16.8.1963 – VI 96/62 U, BStBl. III 1963, 486; v. 14.2.1975 – VI R 210/72, BStBl. II 1975, 497; v. 10.10.1973 – I R 162/71, BStBl. II 1974, 30; v. 5.2.1965 – VI 334/63 U, BStBl. III 1965, 352; v. 20.4.1988 – I R 219/82, BStBl. II 1990, 701; einschränkend aber BFH v. 12.5.1992 – I B 90/91, BFH/NV 1992, 736; vgl. auch den Überblick bei Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 50 EStG Rz. 6. 6 Stapperfend in H/H/R, Vor §§ 1, 1a EStG Rz. 31; Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern auf Bruttobasis, 87; differenzierend Strunk in Korn, § 50 EStG Rz. 10; Wassermeyer, DStJG 8 (1995), 49 (64 ff.); kritisch Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 3. 7 BVerfG v. 12.10.1976 – 1 BvR 2328/73, BVerfGE 43, 1; BFH v. 4.2.1987 – I R 252/83, BStBl. II 1987, 682. 8 Nach der herkömmlichen Rechtsprechung des BVerfG ist der Gleichheitssatz allgemein dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache folgender oder sonstig einleuchtender Grund für eine gesetzliche Differenzierung nicht finden lässt, so z.B. BVerfG v. 12.10.1976 – 1 BvR 2328/73, BVerfGE, 42, 374, 388; v. 20.3.1979 – 1 BvR 111/74, 1 BvR 283/78, BVerfGE 51, 1, 23; zur „Willkür“-Formel Rz. 4.5.
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Kap. 6 Einkommensteuer
tigungsgründe gibt es für die Ungleichbehandlung von unbeschränkter Steuerpflicht einerseits und beschränkter Steuerpflicht andererseits nicht. Im Einzelnen: 6.140
Die Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips und damit die Normierung der Bruttobesteuerung im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht wird u.a. damit gerechtfertigt, dass bei in das Ausland fließenden Einnahmen die Anwendung des Quellenabzugsverfahrens für eine wirksame Steuererhebung unabdingbar sei.1 Damit wird unterstellt, dass der Quellensteuerabzug von Bruttoeinnahmen zur Vermeidung der Steuerhinterziehung beitrage.2 Die Vermeidung der Steuerhinterziehung mag zwar einen Quellensteuerabzug von den Bruttoeinnahmen erforderlich machen, erklärt aber nicht die differenzierende Behandlung zwischen unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtigen Personen. Denn auch bei unbeschränkt steuerpflichtigen Personen ist unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung der Steuerhinterziehung bei Kapitalerträgen der Steuerabzug an der Quelle normiert (§ 43 EStG). Schließlich beruht die Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips nicht auf der Quellenbesteuerung, die auch auf Nettobasis erfolgen kann,3 sondern allein auf der Abgeltungswirkung bei auf Bruttobasis vorgenommener Quellenbesteuerung (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG). Es ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen der Gesichtspunkt der Vermeidung der Steuerhinterziehung den Gesetzgeber daran hindern könnte, quellensteuerpflichtige Einkünfte insgesamt in das Veranlagungsverfahren beschränkt steuerpflichtiger Personen einzubeziehen und unter Berücksichtigung von Betriebsausgaben und Werbungskosten sowie unter Anrechnung der Quellensteuer einer individuellen Steuerbelastung zuzuführen.4 § 50 Abs. 2 Satz 2 EStG eröffnet das Veranlagungsverfahren indessen nur für bestimmte Einkünfte und z.T. nur für einen bestimmten Personenkreis. Nicht erfasst werden hiervon etwa Dividenden und Lizenzgebühren. Die Kapitalertragsteuer (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 EStG) bzw. die Quellensteuer (§ 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG) wirken definitiv, soweit sie nicht in einer inländischen Betriebsstätte anfallen (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG).5
6.141
Zur Rechtfertigung für die Bruttobesteuerung sind auch Gründe der Verwaltungsvereinfachung angeführt worden.6 Eine Bruttobesteuerung wird zwar eine Vereinfachung für die Finanzverwaltung und eine Reduzierung der Verwaltungskosten bedeuten,7 wenn die finanziellen Lasten des Quellensteuerabzugs vom Staat überwälzt werden; dieses Argument vermag aber nicht die Differenzierung zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht zu begründen.8 Mit diesem Argument ließe sich nämlich auch eine durchgängige Bruttobesteuerung 1 BVerfG v. 24.9.1965 – 1 BvR 228/65; BVerfGE 19, 119. 2 Zu diesem Argument eingehend Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern auf Bruttobasis, 9 f., 78. 3 Vgl. § 50a Abs. 3 EStG. 4 Hierzu Schaumburg in FS Tipke, 125 (136). 5 In diesem Fall entfällt für Dividenden auch die Abgeltungsteuer (§§ 32d Abs. 1 Satz 1, 20 Abs. 8 EStG), so dass entsprechende Betriebsausgaben geltend gemacht werden können. 6 So die Begründung zu § 50 Abs. 4 Satz 1 EStG 1934, RStBl. I 1935, 33 (60); weitere Rechtfertigungsversuche bei Menck in Engelschalk/Flick u.a., Steuern auf ausländische Einkünfte, 28 (30 ff.). 7 Hierzu Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern auf Bruttobasis, 7 f., 50 ff. 8 Hierzu Mössner in Haarmann (Hrsg.), Die beschränkte Steuerpflicht, 110 (124 f.).
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C. Beschränkte Steuerpflicht
bei unbeschränkter Steuerpflicht rechtfertigen, die indessen nur für bestimmte Einkünfte aus Kapitalvermögen vorgesehen ist (§ 32d EStG). Wie wenig durchgreifend schließlich das Argument der Verwaltungsvereinfachung ist, zeigt sich auch daran, dass nicht sämtliche von § 49 Abs. 1 EStG erfassten Einkünfte der Abgeltungswirkung unterworfen sind (§ 50 Abs. 2 Satz 2) und etwa im Rahmen der erweiterten beschränkten Einkommensteuerpflicht die Abgeltungswirkung des § 50 Abs. 5 Satz 1 EStG aufgehoben ist (§ 2 Abs. 5 Satz 2 AStG).1 Soweit die Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips und die daraus folgende Bruttobesteuerung bestimmter Einkünfte im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht ferner damit gerechtfertigt wird, es sei nicht Aufgabe den Quellenstaates, die Besteuerung an der individuellen Leistungsfähigkeit auszurichten,2 ist dieses Argument im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG ebenfalls nicht stichhaltig, da der allgemeine Gleichheitssatz auch für beschränkt steuerpflichtige Personen gilt. Es wird zwar überwiegend die Ansicht vertreten, dass ausschließlich der Wohnsitzstaat für die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit zuständig sei,3 dies vermag aber allenfalls die Nichtberücksichtigung von Ausgaben zu rechtfertigen, die in keinem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einnahmen im Quellenstaat stehen.4 Ausgaben aber, die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit Einnahmen im Quellenstaat stehen, mindern dagegen die Leistungsfähigkeit auch im Quellenstaat und müssen daher berücksichtigt werden,5 und zwar entweder durch eine abgeltende Quellenbesteuerung auf Nettobasis (§ 50a Abs. 3 EStG) oder/und durch Einbeziehung in eine steuerliche Veranlagung (§ 50 Abs. 2 Satz 2 EStG).
6.142
Eine Verletzung des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) ergibt sich aber nicht nur unter dem Gesichtspunkt der unterschiedlichen Besteuerung von unbeschränkt Steuerpflichtigen einerseits und beschränkt Steuerpflichtigen andererseits. Gleichheitswidrig ist vielmehr auch die steuerlich unterschiedliche Behandlung innerhalb der Gruppe der beschränkt Steuerpflichtigen, für die teils das Nettoprinzip und teils das Bruttoprinzip gilt.6
6.143
Die Durchbrechung des objektiven Nettoprinzips mit der Folge der Bruttobesteuerung, die in Einzelfällen auch zu einer die Eigentumsgarantie (Art. 14 GG) verletzenden konfiskatorisch wirkenden Besteuerung führen kann, verstößt daher gegen Art. 3 Abs. 1 GG und ist verfassungswidrig. Insoweit gilt das sich aus § 2 Abs. 2 EStG ergebende Konzept der Besteuerung von Reineinkünften auch für die beschränkte Steuerpflicht. Hiergegen verstößt die Bruttobesteuerung (§ 50 Abs. 5 Satz 1 EStG).7 Um dem Gleichheitssatz zu entsprechen, sollten, damit
6.144
1 Hierzu Schaumburg in FS Tipke, 125 (136). 2 So BVerfG v. 24.9.1965 – 1 BvR 228/65, BVerfGE 19, 119; BFH v. 25.3.1986 – IX R 4/83, BStBl. II 1986, 603. 3 Z.B. BFH v. 20.4.1988 – I R 219/82, BStBl. II 1990, 701. 4 Z.B. Sonderausgaben und Ausgaben für außergewöhnliche Belastung. 5 Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern auf Bruttobasis, 80; Mössner in Haarmann (Hrsg.), Die beschränkte Steuerpflicht, 110 (123 f.). 6 Zu diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Bedenken Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern auf Bruttobasis, 50 ff., 91 ff.; Wassermeyer, DStJG 8 (1985), 49 (66). 7 Hierzu Schaumburg in FS Tipke, 125 (137); Schaumburg, DStJG 24 (2001), 225 (276 ff.); Schaumburg, StuW 2000, 368 (371 f.); Schaumburg in FS Lang, 1099 (1111 ff.); zu verfas-
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ein Minimalprogramm inländischer Leistungsfähigkeit berücksichtigt wird, die abzugspflichtigen Einkünfte über die in § 50 Abs. 2 Satz 2 EStG genannten Fälle hinaus wenigstens auf Antrag veranlagt und damit von der Bruttobesteuerung auf die Nettobesteuerung überführt werden können.1 6.145
Die Durchbrechung des subjektiven Nettoprinzips, also die Nichtberücksichtigung von Familienlasten, Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen sowie die Nichtgewährung des Splitting-Tarifs, ist demgegenüber dadurch gerechtfertigt, dass im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht nicht das Welteinkommen der Besteuerung unterliegt. Familienlasten, Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen stehen in keinem Zusammenhang mit bestimmten Einkünften, sie sind vielmehr personenbezogen und daher auf die Erfassung der Gesamtleistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet. Die Gesamtleistungsfähigkeit wird aber entscheidend bestimmt durch das Welteinkommen, das der Steuerpflichtige in einem Besteuerungszeitraum erzielt. Ebenso stellt auch der Splitting-Tarif auf die Gesamtleistungsfähigkeit ab und steht damit in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Welteinkommensprinzip. Würden im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht derartige personenbezogene Aufwendungen berücksichtigt und der Splitting-Tarif gewährt, käme es unter Umständen zu einer Doppelberücksichtigung, falls der Wohnsitzstaat derartige die individuelle Leistungsfähigkeit indizierende Umstände ebenfalls berücksichtigt. Aus der Sicht des Art. 3 Abs. 1 GG, wäre dies nicht zu rechtfertigen.2 Die Durchbrechung des subjektiven Nettoprinzips führt damit grundsätzlich nicht zu einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG.3 Erzielt der Steuerpflichtige im Wohnsitzstaat allerdings keine oder nur geringe positive Einkünfte, scheidet unter Umständen eine leistungsfähigkeitsorientierte Besteuerung gänzlich aus, wenn im Quellenstaat erzielte Einkünfte aufgrund eines DBA nur dem Quellenstaat zur Besteuerung zugewiesen sind oder aber im Ansässigkeitsstaat negative Einkünfte erzielt werden, die die im Quellenstaat erzielten positiven Einkünfte ausgleichen. In beiden Fällen verbleibt es im Ergebnis bei einer die persönliche Leistungsfähigkeit nicht berücksichtigenden Besteuerung im Quellenstaat. Hierdurch hervorgerufene Ungleichbehandlungen hat der Einkommensteuergesetzgeber für einen eng umgrenzten Kreis von Steuerpflichtigen durch eine fingierte unbeschränkte Steuerpflicht beseitigt (§§ 1 Abs. 3; 1a EStG; Rz. 6.43 ff.). Eine an der Leistungsfähigkeit orientierte Besteuerung verlangt indessen eine Ausdehnung der fingierten unbeschränkten Steuerpflicht unter Einbeziehung der personen- und familienbezogenen Vergünstigungen des § 1a EStG auf alle im Ausland lebenden Personen und deren Ehegatten, wenn deren Einkünfte überwiegend4 aus inländischen
1 2 3 4
sungsrechtlichen Bedenken ferner Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 60 ff.; Berkes, Die beschränkte Steuerpflicht der Arbeitnehmer im System des Einkommensteuergesetzes, 35 f., 39 ff.; Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern auf Bruttobasis, 75 ff.; Wassermeyer, DStJG 8 (1985), 49 (66). Eine derart umfassende gesetzgeberische Maßnahme zur Beseitigung der Ungleichbehandlung ist einem dem gleichen Ziel dienenden Erlass gem. § 227 AO vorzuziehen; hierzu Wassermeyer, DStJG 8 (1985), 49 (65). Wassermeyer, DStJG 8 (1985), 49 (63 f.). Vgl. BFH v. 20.4.1988 – I R 219/82, BStBl. II 1990, 701; der grundsätzlich ebenso einen Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 14 GG verneint. Schwellenwert gem. § 1 Abs. 3 EStG: 90 %.
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C. Beschränkte Steuerpflicht
Einkünften bestehen.1 In diesen Fällen ist daher eine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende Ungleichbehandlung und eine mit Art. 14 GG nicht zu vereinbarende konfiskatorisch wirkende Besteuerung durch Steuererlass (§ 227 AO) zu vermeiden.2 Maßstab hierfür ist diejenige Steuer, die bei unbeschränkter Steuerpflicht hätte gezahlt werden müssen.3 Dieser verfassungsrechtlich gebotene Steuererlass kommt in der Besteuerungspraxis vor allem Einpendlern (Grenzgängern) ohne EU-/EWR-Staatsangehörigkeit zugute, die ausschließlich in Deutschland einer Erwerbstätigkeit nachgehen und täglich in ihre in einem Drittstaat gelegene Wohnung zurückkehren.4 3. Verstoß gegen das Ausländer-Diskriminierungsverbot Der AEUV verbietet jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit (Art. 18 Abs. 1 AEUV). Dieses EU-Diskriminierungsverbot erstreckt sich auf alle offenen und versteckten Diskriminierungen, erfasst damit auch benachteiligende Regelungen, die zwar unabhängig von der Staatsangehörigkeit gelten, deren Tatbestände jedoch ausschließlich oder regelmäßig nur von ausländischen Staatsangehörigen erfüllt werden (Rz. 4.13).
6.146
Eine Ausprägung dieses allgemeinen Diskriminierungsverbotes ist insbesondere die in Art. 49 AEUV gewährleistete Niederlassungsfreiheit für die Unionsbürger zur Ausübung eines Berufs, die nicht nur ein Willkürverbot, sondern darüber hinaus eine strikte Inländergleichbehandlung gebietet (Rz. 4.25 ff.). Dieses Gleichbehandlungsgebot räumt jedem Unionsbürger das Recht ein, sich auch gegenüber nationalen steuerrechtlichen Regelungen auf die Niederlassungsfreiheit zu berufen.
6.147
Da die §§ 49 und 50 EStG tatbestandlich nicht an die Staatsangehörigkeit anknüpfen, ist ein Verstoß gegen das Verbot offener Diskriminierung nicht gegeben. Die §§ 49, 50, 50a EStG beinhalten aber auch nicht eine versteckte Diskriminierung, soweit diese spezifischen für beschränkt steuerpflichtige Personen geltenden Vorschriften im Rahmen der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht (§§ 1 Abs. 3; 1a EStG) eine der unbeschränkten Steuerpflicht angenäherte Besteuerung sicherstellen,5 die Möglichkeit einer Veranlagung (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5, Satz 7 EStG,
6.148
1 Schaumburg in FS Tipke, 125 (139); Kumpf/Roth, StuW 1996, 259 (265); Schaumburg/ Schaumburg, StuW 2005, 306 (315). 2 BVerfG v. 12.10.1976 – 1 BvR 2328/73, BVerfGE 43, 1 (12); BFH v. 4.2.1987 – I R 252/83, BStBl. II 1987, 682; v. 25.5.1988 – I R 225/82, BStBl. II 1988, 944; v. 20.4.1988 – I R 219/82, BStBl. II 1990, 701; v. 25.1.1989 – I R 205/82, BStBl. II 1990, 687; v. 12.5.1992 – I B 90/91, BFH/NV 1992, 736; Berkes, Die beschränkte Steuerpflicht der Arbeitnehmer im System des Einkommensteuergesetzes, 29 ff.; 42 f.; Wassermeyer, DStJG 8 (1985), 49 (64). 3 BFH v. 4.2.1987 – I R 252/83, BStBl. II 1987, 682; v. 25.5.1988 – I R 225/82, BStBl. II 1988, 944; v. 25.1.1989 – I R 205/82, BStBl. II 1990, 687; Wassermeyer, DStJG 8 (1985), 49 (64); Selling, FR 1987, 245 ff. 4 Hierzu Zwick, Die Einkommensbesteuerung von Grenzgängern; Albeseder/Baumgartner/Weiler, DStR 1988, 491 ff.; im Verhältnis zur Schweiz erfolgt die Gleichstellung mit EU-/EWR-Staatsangehörigen (teilweise) durch das Freizügigkeitsabkommen ABl. EG 2002 Nr. L 114, 6; vgl. hierzu EuGH v. 28.2.2013 – Rs. C-425/11 – Ettwein, ECLI:EU:C:2013:121 = BStBl. II 2013, 896; umgesetzt durch BMF v. 16.9.2013 – IV C 3 S 1325/11/10014 – DOK 2013/0855952, BStBl. I 2013, 1325; vgl. Rz. 4.46 ff. 5 Zu §§ 1 Abs. 3, 1a EStG siehe Rz. 6.40 ff. und zu § 50 Abs. 2 Satz 2 EStG siehe Rz. 6.283 ff.
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Kap. 6 Einkommensteuer
Rz. 6.289) oder eines Steuerabzugs auf Nettobasis (§ 50a Abs. 3 EStG; Rz. 6.295) einräumen. Da die vorgenannten Regelungen nicht nur für Unionsbürger, sondern auch für Angehörige von EWR-Staaten gelten, wird zugleich dem EWR-Diskriminierungsverbot (Rz. 6.295 ff.) entsprochen. Im Übrigen wird allerdings gegen die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten verstoßen. Das gilt insbesondere im Hinblick auf den Steuerabzug auf Bruttobasis bei Lizenzvergütungen, für die weder ein Veranlagungswahlrecht noch ein Steuerabzug auf Nettobasis vorgesehen ist (§§ 50a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3; 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 EStG).1 6.149
Ein Ausländerdiskriminierungsverbot enthalten auch die von Deutschland abgeschlossenen DBA (Art. 24 OECD-MA). Dieses bilaterale Diskriminierungsverbot untersagt bei der Besteuerung eine Differenzierung aufgrund der Staatsangehörigkeit des Steuerpflichtigen (Rz. 4.51 ff.). Rechtlich zulässig dagegen sind die steuerlichen Differenzierungen, die insbesondere an die Ansässigkeit des Steuerpflichtigen anknüpfen.2 Da die nachteiligen Wirkungen der beschränkten Steuerpflicht durchweg Folge der Ansässigkeit, nicht jedoch der Staatsangehörigkeit sind, ist das bilaterale Diskriminierungsverbot grundsätzlich nicht verletzt.3 Gegen das abkommensrechtliche Staatsangehörigkeitsdiskriminierungsverbot wird allerdings im Anwendungsbereich der fingierten unbeschränkten und beschränkten Einkommensteuerpflicht in folgenden Fällen verstoßen: § 1a Abs. 1 EStG gewährt nur EU-/EWR-Staatsangehörigen unter bestimmten Voraussetzungen familienbezogene Vergünstigungen, die Drittstaatsangehörigen bei sonst gleichen Verhältnissen aus Gründen der Gleichbehandlung ebenfalls zu gewähren sind.4 Entsprechendes gilt im Anwendungsbereich von § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG, wonach im Rahmen der beschränkten Einkommensteuerpflicht lediglich EU-/EWRStaatsangehörigen die Möglichkeit eröffnet wird, einen Antrag auf Veranlagung zu stellen, um so der Abgeltungswirkung des Steuerabzugs (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG) zu entgehen. Hier haben aus Gründen der sich aus Art. 24 Abs. 1 OECD-MA ergebenden Gleichbehandlungsverpflichtung Drittstaatsangehörige ebenfalls Anspruch auf Durchführung einer Veranlagung, falls sie im EU-/EWRGebiet ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben.5 Diese Gleichbehandlungsverpflichtung kommt auch im Zusammenhang mit § 50a Abs. 3 EStG zur Geltung. Sie führt dazu, dass Drittstaatsangehörigen unter den gleichen Voraussetzungen wie EU-/EWR-Staatsangehörigen der Zugang zum Steuerabzug auf Nettobasis (§50a Abs. 3 EStG) zu gewähren ist.6 Soweit das bilaterale Diskriminierungsverbot sich auf die Besteuerung von Betriebsstätten erstreckt,7 ist ein Verstoß hiergegen nicht zu erkennen, weil nach der Konzeption der §§ 49 und 50 EStG Betriebsstätteneinkünfte grundsätzlich nicht höher belastet sind als ver1 Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.39. 2 Eine versteckte Diskriminierung ist daher nicht verboten; vgl. hierzu im Einzelnen Rz. 4.51. 3 Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 53 f.; Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern auf Bruttobasis, 101 f. 4 Gosch in Kirchhof15, § 1a EStG Rz. 3; Gosch, DStR 2007, 1553 ff. (1560); Schaumburg in FG Wassermeyer Rz. 121 (125). 5 Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 50 EStG Rz. 12; Gosch in Kirchhof15, § 50 EStG Rz. 24; Schaumburg in FG Wassermeyer, Rz. 121 (125). 6 Gosch in Kirchhof15, § 50a EStG Rz. 22; Schaumburg in FG Wassermeyer, Rz. 121 (125). 7 Art. 24 Abs. 3 OECD-MA; zu Einzelheiten Rz. 4.57 ff.
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C. Beschränkte Steuerpflicht
gleichbare inländische Unternehmen im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht.1 Das gilt insbesondere im Hinblick auf Art. 24 Abs. 3 Satz 2 OECD-MA, wonach beim maßgeblichen Belastungsvergleich persönliche Steuervorteile unberücksichtigt bleiben, so dass im Ergebnis allein betriebsbezogene Besteuerungsmerkmale einzubeziehen sind.2
IV. Qualifizierung der inländischen Einkünfte Literatur Kommentare zu § 49 Abs. 2 EStG; Bilsdorfer, Die sogenannte isolierende Betrachtungsweise, RIW/AWD 1983, 850; Coenen, Die isolierende Betrachtungsweise nach § 49 Abs. 2 EStG, Diss. Münster 2004; Crezelius, Die isolierende Betrachtungsweise, insbesondere die grenzüberschreitende Betriebsaufspaltung, in Haarmann (Hrsg.), Die beschränkte Steuerpflicht, Köln 1993, 75; Gosch, Altes und Neues, Bekanntes und weniger Bekanntes zur sog. isolierenden Betrachtungsweise, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, 263; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, Herne/Berlin 1991, 162; Mössner, Isolierende Betrachtungsweise – Essay einer dogmatischen Klärung, in Klein/Stihl/Wassermeyer/Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Unternehmen – Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 939; Morgenthaler, Die „isolierende Betrachtungsweise“ im internationalen Einkommensteuerrecht, in Baumhoff/Dücker/Köhler (Hrsg.), Besteuerung, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, FS Norbert Krawitz, Wiesbaden 2010, 277 ff.; Walter, Die sog. „isolierende Betrachtungsweise“ bei der Bestimmung der inländischen Einkünfte und des Inlandsvermögens der Ausländer, Diss. Heidelberg 1977; Wassermeyer, Das Besteuerungsrecht für nachträgliche Einkünfte im internationalen Steuerrecht, IStR 2010, 461.
1. Inlandsbezogene Qualifikationsmerkmale Der Einkünftekatalog des § 49 Abs. 1 EStG knüpft grundsätzlich an die Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG an. Die Verweisungen auf die §§ 13 bis 23 EStG bedeuten, dass zugleich alle Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschriften erfüllt sein müssen. Insoweit hat § 49 Abs. 1 EStG keine konstitutive Bedeutung, sondern wiederholt nur das, was bereits in § 2 Abs. 1 EStG dadurch zum Ausdruck kommt, dass die dort bezeichneten Einkünfte, die der Steuerpflichtige während seiner unbeschränkten Einkommensteuerpflicht oder als inländische Einkünfte während seiner beschränkten Einkommensteuerpflicht erzielt, der Einkommensteuer unterliegen.3
1 Vgl. Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 104; Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern auf Bruttobasis, 102. 2 BFH v. 8.1.1969 – I 158/64, BStBl. II 1969, 466; v. 13.1.1970 – I 32/65, BStBl. II 1970, 790; v. 30.10.1973 – I R 38/70, BStBl. II 1974, 255; vgl. ferner Rz. 4.60. 3 BFH v. 20.2.1974 – I R 217/71, BStBl. II 1974, 511; v. 12.11.1986 – I R 192/85, BStBl. II 1987, 383; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 5; Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 11; Mössner in FS Flick, 939 (948); Gosch in FS Wassermeyer, 263 (268); dementsprechend gelten für die Einkünfteermittlung im Grundsatz keine Besonderheiten, wobei sich freilich die Einkünfteermittlung nur auf die inländischen Einkünfte (§ 49 Abs. 1 EStG) bezieht; vgl. BFH v. 17.12.1997 – I R 95/96, BStBl. II 1998, 260; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 2.
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Kap. 6 Einkommensteuer
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Die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 13 bis 23 EStG werden gem. § 49 Abs. 1 EStG allerdings um jene Tatbestandsmerkmale erweitert, die die vorgenannten Einkünfte als inländische Einkünfte qualifizieren1 und diese von übrigen Einkünften abgrenzen.2 Die Bedeutung des § 49 Abs. 1 EStG erschöpft sich mithin darin, den Inlandsbezug der in den §§ 13 bis 23 EStG genannten Einkunftsarten herzustellen.3 Es gelten daher im Grundsatz die allgemeinen durch das Veranlassungsprinzip4 geprägten Zuordnungsregeln, wonach betrieblich/beruflich veranlasste Aufwendungen/Ausgaben Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind (§ 50 Abs. 1 Satz 1 EStG). Im Hinblick darauf kommt es nicht darauf an, ob die Betriebsausgaben oder Werbungskosten in den Zeitraum der beschränkten Steuerpflicht fallen. Entscheidend ist allein, ob sie durch unter § 49 Abs. 1 EStG fallende Tätigkeiten oder Rechtsverhältnisse veranlasst sind.5 Für nachträgliche Einnahmen ergibt sich dies allgemein schon aus § 24 Nr. 1 und 2 EStG6 sowie speziell aus § 49 Abs. 1 Nr. 3 und 4 Buchst. a EStG7 und § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG.8 Das bedeutet, dass etwa nachträgliche Betriebseinnahmen aus einer in einem vorangegangenen Veranlagungszeitraum im Inland aufgelösten Betriebsstätte von § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG erfasst werden.9 Aus diesem Grund sind auch vorweggenommene und nachträgliche Betriebsausgaben und Werbungskosten im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht zu berücksichtigen.10 Voraussetzung ist allerdings, dass der in § 49 Abs. 1 EStG verlangte für die Qualifizierung als inländische Einkünfte maßgebliche Objektbezug auch tatsächlich gegeben ist.11 Dass die (vergeblichen) Aufwendungen angefallen sind, 1 Die im nachfolgenden verwendeten Begriffe „Qualifizierung“ oder „Qualifikation“, die dem Internationalen Privatrecht entstammen und dort nur Bedeutung im Zusammenhang mit Kollisionsnormen erlangen, haben auch die Begriffswelt des Internationalen Steuerrechts erobert und hierbei unterschiedliche Deutungen erfahren (vgl. hierzu Lehner in V/L6, DBA, Grundlagen Rz. 96b ff.). Diese Begriffe stehen hier für „Einordnung“ oder „Bestimmung“. 2 BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663. 3 BFH v. 18.12.1963 – I 230/61 S, BStBl. III 1964, 253; Wassermeyer, DStJG 8 (1985), 49 (61 f.). 4 Hierzu im Überblick Hey in Tipke/Lang22, § 8 Rz. 213 ff. 5 Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 15; § 50 Rz. 9; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 4147 f.; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 53; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 107 a.A. BFH v. 17.4.1996 – I R 78/95, BStBl. II 1996, 571, wonach bei Überschusseinkünften (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG) auf das Zu- und Abflussprinzip (§ 11 EStG) abgestellt wird. 6 Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 15; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 107. 7 Wortlaut: „… worden ist.“ 8 Entschädigungen für die Auflösung eines (früheren) Dienstverhältnisses; vgl. hierzu auch § 50d Abs. 12 EStG idF des AHRL-ÄndUmsG. 9 BFH v. 15.7.1964 – I 415/61 U, BStBl. III 1964, 551; v. 28.10.2009 – I R 99/08, BStBl. II 2011, 1019, Rz. 23; vgl. auch BFH v. 20.5.2015 – I R 75/14, ISR 2015, 416 m. Anm. Böhmer = IStR 2015, 883; Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 15; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 53; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 4147 f.; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 107; Kumpf/Roth, DB 2000, 787; vgl. auch Rz. 21.95 ff. 10 BFH v. 28.3.1984 – I R 191/79, BStBl. II 1984, 664; v. 28.10.2009 – I R 99/08, BStBl. II 2011, 1019 Rz. 23; v. 26.2.2014 – I R 56/12, BStBl. II 2014, 703, Tz. 20; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 127; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 53; so für die unter § 49 Abs. 1 Nr. 3 und 4 EStG nicht aber für die unter § 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG fallenden Einkünfte Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 5.3; vgl. auch Rz. 21.95 ff. 11 Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 4111 f., 4129 f.; unter abkommensrechtlichen Gesichtspunkten ebenso; vgl. Rz. 19.264 ff.
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um diesen Objektbezug herzustellen, reicht nicht aus.1 Die vorgenannten Grundsätze gelten uneingeschränkt auch für Überschusseinkünfte (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG). Das für § 49 Abs. 1 EStG maßgebliche Veranlassungsprinzip wird nämlich durch das Zu- und Abflussprinzip (§ 11 Abs. 1 u. 2 EStG) nicht verdrängt,2 weil letzteres als bloß technisches Prinzip nur über das „Wann“, nicht aber auch über das „Ob“ der Besteuerung entscheidet.3 Die den Inlandsbezug herstellenden Qualifikationsmerkmale des § 49 Abs. 1 EStG lassen keine einheitliche gesetzgeberische Wertung erkennen. Sie dienen zwar der Verwirklichung des Territorialitätsprinzips, sind aber bei den einzelnen Einkunftsarten derart unterschiedlich ausgeprägt, dass sie insgesamt als willkürlich erscheinen. Während bei den territorial gebundenen Einkünften, etwa den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG), aus Vermietung und Verpachtung (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG) und betriebsstättenbezogenen Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG), das Belegenheits- und das Betriebsstättenprinzip zur Anwendung kommen, stehen bei den territorial nicht gebundenen Einkünften, etwa den Einkünften aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 und 4 EStG), das Arbeitsort- und Verwertungsortprinzip oder andere Gesichtspunkte im Vordergrund.
6.152
Die mangelnde Sachgesetzlichkeit bei der Bestimmung der inlandsbezogenen Qualifikationsmerkmale zeigt sich auch in der fehlenden Abgestimmtheit zu den auslandsbezogenen Qualifikationsmerkmalen des § 34d EStG. Wird etwa eine selbständige Tätigkeit im Inland ausgeübt, im Ausland aber verwertet, so handelt es sich um inländische Einkünfte (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG) und zugleich um ausländische Einkünfte (§ 34d Nr. 3 EStG). Darüber hinaus bestehen aber auch erhebliche Besteuerungslücken bei den territorial nicht gebundenen Einkünften, etwa bei Zinseinkünften und den Einkünften aus Gewerbebetrieb, z.B. aus der Tätigkeit als Vertreter, Makler oder Unternehmensberater, soweit diese Personen für ihre Tätigkeit keine Betriebsstätte unterhalten. Die fehlende Besteuerung derartiger nichtinländischer Einkünfte kann zu erheblichen Wettbewerbsverfälschungen führen, zumal dann, wenn im betreffenden Ansässigkeitsstaat nur eine geringe Steuer erhoben wird. 2. Isolierende Betrachtungsweise Gemäß § 49 Abs. 2 EStG bleiben im Ausland gegebene Besteuerungsmerkmale (Sachverhaltselemente)4 außer Betracht, soweit bei ihrer Berücksichtigung inländische Einkünfte i.S. des § 49 Abs. 1 EStG nicht angenommen werden könnten.
6.153
§ 49 Abs. 2 EStG räumt den im Inland verwirklichten Sachverhaltselementen die Priorität für die Bestimmung der Einkunftsart ein. Ausländische Sachverhaltsele-
6.154
1 Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 53; a.A. BFH v. 26.2.2014 – I R 56/12, ISR 2014, 273 m. Anm. Haase = BFH/NV 2014, 1297 Rz. 21; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 107. 2 BFH v. 20.9.2006 – I R 59/05, BStBl. II 2007, 756 unter II.3.; Gosch in FG Wassermayer, 209 (218). 3 BFH v. 20.9.2006 – I R 59/05, BStBl. II 2007, 756 unter II.3; Krüger in Schmidt35, § 11 EStG Rz. 1; Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 9 mit einem Überblick über den Stand der Meinungen; vgl. zur unbeschränkten Steuerpflicht Rz. 6.102. 4 Clausen in H/H/R, § 49 EStG Rz. 1220; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. K 266.
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Kap. 6 Einkommensteuer
mente scheiden bei der Bestimmung der Einkunftsart nur insoweit aus, als ihre Berücksichtigung eine nach den Verhältnissen im Inland begründete Steuerpflicht ausschließen würde.1 Für die Bestimmung der Einkunftsart stehen daher die inlandsbezogenen Qualifikationsmerkmale im Vordergrund. Im Hinblick darauf spielen insbesondere die Subsidiaritätsregeln der Einkunftsarten (§§ 20 Abs. 8; 21 Abs. 3; 22 Nr. 1 Satz 1; 22 Nr. 3 Satz 1; 23 Abs. 2 EStG) keine Rolle, soweit ein auslandsbezogenes Qualifikationsmerkmal hierfür bestimmend wäre.2 Erzielt etwa ein ausländischer Gewerbetreibender Einkünfte für die Hingabe eines Darlehens, das durch inländischen Grundbesitz besichert ist (Hypothekenzinsen) und zu seinem ausländischen Betriebsvermögen gehört, so handelt es sich ohne Rücksicht auf die Subsidiaritätsklausel des § 20 Abs. 8 EStG stets um Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa EStG). 6.155
Die in § 49 Abs. 2 EStG verankerte isolierende Betrachtungsweise suspendiert für Zwecke der Bestimmung der Einkunftsarten (§ 49 Abs. 1 EStG) im Ergebnis damit die Subsidiaritätsregeln der Einkunftsarten zugunsten ihrer objektiven Bestimmung, soweit die Merkmale der vorrangigen Einkunftsart nicht im Inland, sondern im Ausland verwirklicht sind.3 Danach bleiben solche Auslandsverhältnisse außer Betracht, die bei einer isolierten inländischen Betrachtungsweise ihrem Wesen nach gegebene Inlandseinkünfte der Inlandsbesteuerung aufgrund der vorgenannten Subsidiaritätsklauseln entziehen würden.4 Darüber hinaus greift die isolierende Betrachtungsweise auch in jenen Fällen ein, in denen keine besonderen Subsidiaritätsklauseln normiert sind, sich die Subsidiarität vielmehr aus der Gesetzessystematik ergibt, wie etwa die Subsidiarität des § 17 EStG ggü. den §§ 15 und 16 EStG.5 Einschränkungen ergeben sich allerdings durch die vor allem in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d u. f., Nr. 3 und 4 Buchst. a EStG enthaltenen Sonderregelungen, durch die die isolierende Betrachtungsweise in der Praxis an Bedeutung verloren hat.6
6.156
Eine weitergehende Bedeutung hat § 49 Abs. 2 EStG nicht. Daher bietet § 49 Abs. 2 EStG keine Legitimationsgrundlage für eine Fiktion nicht vorhandener oder für die Einbeziehung inländischer Besteuerungsmerkmale.7 Im Hinblick darauf müssen etwa im Ausland verwirklichte Sachverhaltsmerkmale stets insoweit mit einbezogen werden, als dies für die Entscheidung, ob überhaupt eine und gegebenenfalls welche Einkunftsart vorliegt, erforderlich ist. Das gilt insbesondere in jenen Fällen, in denen es um die Frage der Einkünfteerzielungs1 BFH v. 1.12.1982 – I B 11/82, BStBl. II 1983, 367; v. 7.11.2001 – I R 14/01, BStBl. II 2002, 861; Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 133; kritisch zu der hierdurch vorgegebenen zweistufigen Subsumtionstechnik Crezelius, StVj 1992, 312 (325 f.). 2 BFH v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550. 3 BFH v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. K9; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 103. 4 BFH v. 1.12.1982 – I B 11/82, BStBl. II 1983, 367; v. 20.6.1984 – I R 283/81, BStBl. II 1984, 828; v. 6.2.1985 – I R 87/84, BFH/NV 1985, 104; v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550; zu weiteren Einzelheiten Gosch in FS Wassermeyer, 263 (270 ff.). 5 Zu dieser Subsidiarität Weber-Grellet in Schmidt35, § 17 EStG Rz. 12. 6 Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 103; zum Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG hinsichtlich dieser Sonderregelungen Morgenthaler in FS Krawitz, 275 ff. (292). 7 BFH v. 7.11.2001 – I R 14/01, BStBl. II 2002, 861.
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absicht1 geht und darüber hinaus die Einkunftsart nicht losgelöst vom Steuersubjekt bestimmt werden kann.2 Im Hinblick darauf können insbesondere ausländische Kapitalgesellschaften3 keine Einkünfte aus der ihrer Art nach selbständigen Arbeit erzielen.4 Soweit § 49 Abs. 2 EStG die Subsidiaritätsklauseln im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung und bei den sonstigen Einkünften aufhebt (§§ 49 Abs. 1 Nr. 5 bis 9; 20 Abs. 3; 21 Abs. 8; 22 Nr. 1 Satz 1; 22 Nr. 3 Satz 1; 23 Abs. 2 EStG), bewirkt die isolierende Betrachtungsweise eine Umqualifizierung von Gewinnermittlungseinkunftsarten, insbesondere Einkünften aus Gewerbebetrieb, in Überschusseinkunftsarten der vorgenannten Art.5 Daraus folgt zugleich, dass die Überschusseinkünfte so zu versteuern sind, wie es der Fall wäre, wenn sie außerhalb eines land- und forstwirtschaftlichen oder gewerblichen Betriebs oder außerhalb der Einkünfte aus selbständiger Arbeit angefallen wären, wodurch auch § 11 Abs. 1 EStG sowie die spezifischen Überschussermittlungsvorschriften der betreffenden Einkunftsart zur Anwendung kommen.6
6.157
V. Einkunftsarten 1. Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft Literatur Kommentare zu § 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG; Debatin, Die Land- und Forstwirtschaft im Spiegel des Internationalen Steuerrechts, DB 1988, 1.
Zu den inländischen Einkünften zählen gem. § 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG die Einkünfte aus einer im Inland betriebenen Land- und Forstwirtschaft (§§ 13 und 14 EStG). Land- und Forstwirtschaft wird im Inland betrieben, wenn sich die bewirtschafteten Grundstücke im Inland befinden, und zwar unabhängig davon, wo die Betriebsleitung ihren Sitz hat, ob im Inland eine Betriebsstätte gegeben 1 BFH v. 7.11.2001 – I R 14/01, BStBl. II 2002, 861 v. 2.2.2010 – I B 912/09, BFH/NV 2010, 878; Clausen in H/H/R, § 49 EStG Rz. 1230; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. K 9 ff.; Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 11; Frotscher in Frotscher, § 49 EStG Rz. 428; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 852; Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.34 (europarechtliche Aspekte); a.A. Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 104, der nur auf die im Inland verwirklichten Sachverhaltselemente abstellt. 2 Hierzu Crezelius, StVj 1992, 322 (328, 330). 3 Über §§ 2 Nr. 1; 8 Abs. 1 KStG gilt § 49 EStG auch für beschränkt körperschaftsteuerpflichtige Steuersubjekte. 4 BFH v. 4.3.1970 – I R 140/66, BStBl. II 1970, 428; v. 23.5.1973 – I R 163/71, BStBl. II 1974, 287; v. 20.2.1974 – I R 217/71, BStBl. II 1974, 511; v. 20.6.1984 – I R 283/81, BStBl. II 1984, 828. 5 Diese Umqualifizierung gilt nicht für Zwecke der Anwendung von DBA; BFH v. 23.3. 1972 – I R 128/70, BStBl. II 1972, 948; Clausen in H/H/R, § 49 EStG Rz. 1206. 6 BFH v. 28.3.1984 – I R 129/79, BStBl. II 1984, 620; v. 6.2.1985 – I R 87/84, BFH/NV 1985, 104; v. 30.8.1989 – I 39/89, BFH/NV 1990, 161; Clausen in H/H/R, § 49 EStG Rz. 1210; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. K 367 f.; a.A. Wassermeyer, DStJG 8 (1985), 49 (61 f.), der annimmt, die Bedeutung der isolierenden Betrachtungsweise erschöpfe sich darin, die maßgeblichen territorialen Anknüpfungspunkte für die beschränkte Steuerpflicht zu bestimmen, ohne dass eine Umqualifizierung der Einkunftsart erfolge.
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Kap. 6 Einkommensteuer
ist1 oder ob die Land- und Forstwirtschaft von aus dem Ausland entsandten Personen betrieben wird.2 Damit knüpft § 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG an das international übliche Belegenheitsprinzip an,3 das auf der Ebene von DBA dem Belegenheitsstaat durchweg die Besteuerungsbefugnis zuteilt. Für die Qualifizierung als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft gelten die allgemeinen Grundsätze, so etwa im Fall gemischter Tätigkeiten und bei Betriebsverpachtung und Betriebsaufgabe.4 Zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft gehören auch die Gewinne aus der Veräußerung eines Betriebs, Teilbetriebs oder eines Anteils an einem Betrieb oder Teilbetrieb (§ 14 EStG), ferner auch insoweit, als die Einkünfte von Pächtern, Nießbrauchern oder sonstigen Nutzungsberechtigten erzielt werden.5 6.159
Da für Einkünfte aus grundstücksbezogener Land- und Forstwirtschaft auch in den DBA das Belegenheitsprinzip verankert ist, wird die Besteuerung durch ein DBA weder ausgeschlossen noch eingeschränkt (Art. 6 Abs. 1 und Art. 13 Abs. 1 OECD-MA; vgl. Rz. 19.219 ff., 19.381 ff.). 2. Einkünfte aus Gewerbebetrieb a) Allgemeines
6.160
Nach Maßgabe des § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG führt nicht jegliche gewerbliche Betätigung im Inland zur Begründung der beschränkten Steuerpflicht. Anknüpfungspunkte für die beschränkte Steuerpflicht sind vielmehr bestimmte, in den Buchstaben a bis g aufgeführte sachliche und persönliche oder sich auf bestimmte Tätigkeiten oder Vorgänge beziehende Merkmale im Inland, und zwar eine inländische Betriebsstätte oder ein für das Inland bestellter ständiger Vertreter, Beförderungsvorgänge mit Seeschiffen und Luftfahrzeugen zwischen inländischen und von inländischen zu ausländischen Häfen, nicht selbst durchgeführte Beförderungen oder Beförderungsleistungen im Rahmen einer internationalen Betriebsgemeinschaft oder eines Poolabkommens, künstlerische, sportliche, artistische, unterhaltende oder ähnliche Darbietungen oder deren Verwertung im Inland sowie Gewinne aus der Veräußerung von bestimmten Anteilen an einer inländischen Kapitalgesellschaft und von unbeweglichem Vermögen, Sachinbegriffen und bestimmten Rechten. Nicht erfasst werden Warenlieferungen und gewerbliche Dienstleistungen in das Inland, soweit sie neben der Inlandsansässigkeit des Leistungsempfängers als Direktgeschäfte kein weiteres inländisches Anknüpfungsmerkmal aufweisen. Das führt dazu, dass etwa ausländische E-Commerce-Unternehmen den deutschen Markt durch ausländische Vertriebskapitalgesellschaften bedienen.6 Durch solche und ähnliche Geschäftsmodelle lässt sich eine deutsche Besteuerung weitgehend vermeiden.7 Nach Aktions1 Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 8; vgl. auch BFH v. 2.4.2014 – I R 68/12, ISR 2014, 274 m. Anm. Krain = BFH/NV 2014, 1248. 2 Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 133; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 8; vgl. auch BFH v. 17.12.1997 – I R 95/96, BStBl. II 1998, 260, dort auch zur Anwendung des § 13a EStG. 3 Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 133; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. C 12, 20. 4 Zu Einzelheiten Clausen in H/H/R, § 49 EStG Rz. 1245. 5 Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 134; Hidien in K/S/M§ 49 EStG Rz. C 14. 6 Hierzu Pinkernell, ifst-Schrift Nr. 494 (2014), 24 ff. 7 Ausführlich Pinkernell, ifst-Schrift Nr. 494 (2014), 24 ff.
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C. Beschränkte Steuerpflicht
punkt 1 des BEPS-Aktionsplanes wird mit einer „digitalen Präsenz“ ein weiterer Anknüpfungspunkt für die Besteuerung im Inland vorgeschlagen (Rz. 5.22). Die Lückenhaftigkeit der beschränkten Steuerpflicht beruht darauf, dass den für die Besteuerung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb gewählten Anknüpfungspunkten keine einheitliche gesetzgeberische Konzeption zugrunde liegt. So wird im Wesentlichen nur an das international anerkannte Betriebsstättenprinzip angeknüpft, das aber in wichtigen Fällen partiell durchbrochen wird, so dass Wertungswidersprüche entstehen.
6.161
Die insbesondere durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG im Zuge des Steuerbereinigungsgesetzes 19861 mit Wirkung vom Veranlagungszeitraum 1986 an bewirkte Abkehr vom Betriebsstättenprinzip führt dazu, dass bei einem eingegrenzten Kreis von Leistungen an eine im Inland ausgeübte Tätigkeit angeknüpft wird. So werden die Einkünfte eines Berufssportlers für seine im Inland ausgeübte Tätigkeit, soweit diese als Darbietung zu qualifizieren ist, der beschränkten Steuerpflicht unterworfen, während etwa die im Inland ausgeübte gewerbliche Tätigkeit eines Unternehmensberaters2 oder eines Handelsvertreters, soweit diese keine inländischen Betriebsstätten unterhalten, der beschränkten Steuerpflicht nicht unterliegen. Für diese Differenzierung gibt es keinen rechtfertigenden Grund, so dass die damit verbundene Ungleichbehandlung gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt.
6.162
b) Betriebsstätte Literatur Kommentare zu § 12 AO und zu § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG; Buciek, „Unterbetriebsstätte“ und Außensteuerrecht, in Klein/Stihl/Wassermeyer/Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Unternehmen – Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 647; Cortez/Reiser, Betriebsstättenbegriff im Wandel – zur veränderten Bedeutung des Kriteriums der Verfügungsmacht, IStR 2013, 6; Diehl, Zweigniederlassungen ausländischer Banken, Rechtsfragen und Besteuerung, Frankfurt 1978; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, Berlin 2004; Ditz/ Quilitzsch, Aktuelle Entwicklungen im Hinblick auf die Definition der Betriebsstätte, FR 2012, 493; Feuerbaum, In- und ausländische Besteuerung von Bauausführungen und Montagen deutscher Unternehmen im Ausland, Herne/Berlin 1987; Haiß, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten im Internationalen Steuerrecht, Neuwied/Kriftel 2000; Helling, Die Vertreterbetriebsstätte im Internationalen Steuerrecht, Hamburg 2009; Hemmelrath, Die Ermittlung des Betriebsstättengewinns im Internationalen Steuerrecht, München 1982; Holler/Heerspink, Betriebsstättenbegründung durch Errichtung eines Verkaufsservers im Internet?, BB 1998; 771; Kahle/Baschnagel/Kindisch, Aktuelle Aspekte der Ertragbesteuerung von Server-Betriebsstätten, FR 2016, 193; Kahle/Ziegler, Betriebsstättenbegriff – Grundlagen und aktuelle Entwicklungen, DStZ 2009, 834; Kaminski, Aktuelle Entwicklungen bei der Betriebsstättenbesteuerung, Stbg 2012, 354; Kessler/Peter, Weiterentwicklung des Betriebsstättenbegriffs, BB 2000, 1545; Kolck, Der Betriebsstättenbegriff im nationalen und internationalen Steuerrecht, Diss. Münster 1974; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, Köln 1982; Loukota, Antwort des Verfassers von EAS. 2670 auf Wassermeyer, IStR 2006, 273, IStR 2006, 274; Löwenstein/Looks/Hein1 Vom 19.12.1985, BStBl. I 1985, 735. 2 BFH v. 11.10.1989 – I R 77/88, BStBl. II 1990, 166; vgl. auch BFH v. 28.6.2006 – I R 92/05, BStBl. II 2007, 100; v. 4.6.2008 – I R 30/07, BStBl. II 2008, 922; v. 22.4.2009 – I B 196/08, BFH/NV 2009, 1588; ein bloßes Tätigwerden in den Räumlichkeiten des Vertragspartners reicht nicht.
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Kap. 6 Einkommensteuer sen, Betriebsstättenbesteuerung, 2. Aufl., München 2011; Merkert, Die steuerliche Problematik der Bauausführungen als Betriebsstätte, DB 1968, 1239; Mersmann, Ertragsbesteuerung inländischer Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ausländischer Kapitalgesellschaften, Heidelberg 1966; Mössner, Neuere Entwicklungen beim Betriebsstättenbegriff in Kirchhof/Lehner/Raupach/Rodi, Staaten und Steuern, Festschrift für K. Vogel, Heidelberg 2000, 945 ff.; Mutscher, Die Kapitalstruktur von Betriebsstätten im Internationalen Steuerrecht, Bielefeld 1997; Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, Köln 2001; Puls, Die Betriebsstätte im Abgaben- und Abkommensrecht, Köln/Berlin/München 2005; Rautenstrauch/Binger, Dienstleistungsbetriebsstätten – Zukunft oder bereits Realität?, Ubg 2009, 619; Remberg, Anmerkungen zu den OECD-Überlegungen zur Betriebsstättenbesteuerung aus der Sicht des Anlagenbaus, IStR 2006, 545; Schauhoff, Der Umfang der erweitert beschränkten Einkommensteuerpflicht bei gewerblich tätigen Handelsvertretern, Unternehmensberatern, Fotomodellen, Sportlern und anderen umherreisenden Unternehmern, IStR 1995, 108 (110); Tappe, Steuerliche Betriebsstätten in der Cloud – Neuere technische Entwicklungen im Bereich des E-Commerce als Herausforderung für den ertragsteuerlichen Betriebsstättenbegriff, IStR 2011, 870; Wassermeyer, Die Betriebsstätte – ein in vieler Hinsicht unbekanntes Wesen, in Drenseck/Seer (Hrsg.), FS für Kruse, Köln 2001, 590; Wassermeyer, Qualifikationskonflikt bei doppelstöckigen Mitunternehmerschaften, IStR 2006, 273; Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten Handbuch, Köln 2006; Ziegler, Der Betriebsstättenbegriff, DStZ 2009, 834.
6.163
Die Betriebsstätte ist der primäre Anknüpfungspunkt für die Besteuerung inländischer Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Hiernach sind beschränkt einkommensteuerpflichtig Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§§ 15 bis 17 EStG), für den im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird. Insoweit wird auf das international übliche Betriebsstättenprinzip zurückgegriffen. Dieses Betriebsstättenprinzip ist durchweg auch in den deutschen DBA verankert (vgl. Art. 7 Abs. 1 OECD-MA). Soweit der abkommensrechtliche Betriebsstättenbegriff (Art. 5 OECD-MA) indessen enger ist als der des § 12 AO, wird die beschränkte Steuerpflicht auf Abkommensebene eingegrenzt (Rz. 19.241 ff.).
6.164
Der Begriff der Betriebsstätte ergibt sich aus § 12 AO, wonach eine Betriebsstätte jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage ist, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient.
6.165
Als Betriebsstätten sind insbesondere anzusehen: – – – – – – –
die Stätte der Geschäftsleitung, Zweigniederlassungen, Geschäftsstellen, Fabrikations- oder Werkstätten, Warenlager, Ein- oder Verkaufsstellen, Bergwerke, Steinbrüche oder andere stehende, örtlich fortschreitende oder schwimmende Stätten der Gewinnung von Bodenschätzen, – Bauausführungen oder Montagen, auch örtlich fortschreitende oder schwimmende, wenn die einzelne Bauausführung oder Montage oder eine von mehreren zeitlich nebeneinander bestehenden Bauausführungen oder Montagen oder mehrere ohne Unterbrechung aufeinander folgende Bauausführungen oder Montagen länger als sechs Monate dauern. 6.166
Die Geschäftseinrichtung (§ 12 Satz 1 AO) muss fest sein im Sinne einer örtlichen Lokalisierung, nicht aber etwa im Sinne einer festen Verbindung mit der 204
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C. Beschränkte Steuerpflicht
Erdoberfläche,1 so dass auch Marktstände2 sowie fahrbare Verkaufsstätten mit bestimmten Standplätzen, Server,3 unterirdische Gasspeicher4 sowie unterirdisch verlaufende Rohrleitungen5 Betriebsstätten sein können.6 Die Geschäftseinrichtung oder Anlage muss ferner in der Verfügungsmacht des Unternehmers stehen.7 Eigentum ist nicht erforderlich, es reichen vielmehr gemietete oder gepachtete Räumlichkeiten aus,8 wofür nicht mehr als eine Mitverfügungsmacht verlangt wird.9 Die Verfügungsgewalt darf allerdings nicht nur von ganz vorübergehender Natur sein.10 Die Verfügungsmacht des Gewerbetreibenden muss aufgrund einer nicht ohne weiteres entziehbaren Rechtsposition bestehen,11 wofür es ausreicht, dass eine Verfügungsmacht aus tatsächlichen Gründen besteht und diese nicht bestritten wird.12 Daher ist eine Verfügungsmacht nicht gegeben, wenn das Gewerbe in Räumlichkeiten eines anderen Unternehmens ausgeübt wird, in denen hierfür Arbeitsplätze von Fall zu Fall zugewiesen werden.13
1 BFH v. 9.10.1974 – I R 128/73, BStBl. II 1975, 203; v. 8.3.1988 – VIII R 270/81, BFH/NV 1988, 735; v. 18.9.1991 – XI R 34/90, BStBl. II 1992, 90; v. 29.11.2000 – I R 38/99, BStBl. II 2001, 374; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 196; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 576. 2 BFH v. 9.10.1974 – I R 128/73, BStBl. II 1975, 203; v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148; v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004, 396 bei einem auf Dauer zugewiesenen Platz. 3 Vgl. BFH v. 5.6.2002 – I R 86/01, BStBl. II 2002, 683; Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 43 ff.; Pinkernell, ifst-Schrift Nr. 494 (2014), 29. 4 FG Hamburg v. 1.10.2004 – VI 181/02, EFG 2005, 804. 5 BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12. 6 Der Einsatz von Personal ist also nicht erforderlich; vgl. BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12; v. 25.5.2000 – III R 20/97, BStBl. II 2001, 365; Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 20; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 200; Buciek, DStZ 2003, 142; a.A. Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 13; Portner, IStR 1998, 554 ff.; Riemenschneider, IStR 2002, 561 ff. 7 BFH v. 18.3.1976 – IV R 168/72, BStBl. II 1976, 365; v. 11.10.1989 – I R 77/88, BStBl. II 1990, 166; v. 3.2.1993 – I R 80/91, I R 81/91, BStBl. II 1993, 462; v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12; v. 23.5.2002 – III R 8/00, BStBl. II 2002, 512; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 201; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 13; a.A. Wassermeyer in FS Kruse, 590 (595 f.). 8 BFH v. 30.1.1974 – I R 87/72, BStBl. II 1974, 327; v. 18.3.1976 – IV R 168/72, BStBl. II 1976, 365; Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 12 m.w.N. 9 BFH v. 10.5.1961 – IV 155/60 U, BStBl. III 1961, 317, Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 12 m.w.N. bloße Mitbenutzungsmöglichkeit reicht dagegen nicht, so dass etwa in Fällen nicht ausschließlicher Nutzung eines inländischen Servers eines inländischen Webhosters durch ausländische Unternehmen eine Betriebsstätte nicht begründet wird; vgl. zu Einzelheiten Pinkernell, ifst-Schrift Nr. 494 (2014), 31 ff.; BFH v. 16.5.1990 – I R 113/87, BStBl. II 1990, 983; v. 3.2.1993 – I R 80/91, I R 81/91, BStBl. II 1993, 462. 10 BFH v. 10.5.1961 – IV 155/60 U, BStBl. III 1961, 317; v. 9.3.1962, BStBl. III 1962, 227; v. 5.10.1977 – I R 250/75, BStBl. II 1978, 205; v. 7.3.1979 – I R 145/76, BStBl. II 1979, 527; v. 17.3.1982 – I R 189/79, BStBl. II 1982, 624; v. 28.8.1986 – V R 20/79, BStBl. II 1987, 162; v. 29.4.1987 – I R 118/83, BFH/NV 1988, 122; v. 11.10.1989 – I R 77/88, BStBl. II 1990, 166. 11 BFH v. 30.1.1974 – I R 87/72, BStBl. II 1974, 327; v. 17.3.1982 – I R 189/79, BStBl. II 1982, 624; v. 11.10.1989 – I R 77/88, BStBl. II 1990, 166. 12 BFH v. 30.1.1974 – I R 87/72, BStBl. II 1974, 327; v. 18.3.1976 – IV R 168/72, BStBl. II 1976, 365; v. 3.2.1993 – I R 80/91, I R 81/91, BStBl. II 1993, 462; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 13. 13 BFH v. 18.3.1976 – IV R 168/72, BStBl. II 1976, 365; v. 7.3.1979 – I R 145/76, BStBl. II 1979, 527; v. 17.3.1982 – I R 189/79, BStBl. II 1982, 624; v. 11.10.1989 – I R 77/88, BStBl. II 1990, 166; v. 4.6.2008 – I R 30/07, BStBl. II 2008, 922; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 201.
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Kap. 6 Einkommensteuer
6.167
Die in der Verfügungsgewalt des Unternehmers stehende feste Geschäftseinrichtung muss schließlich dem Geschäftsgegenstand in dem Sinne dienen, dass sie für die Tätigkeit des Unternehmens zur Verfügung steht.1 Daran fehlt es, wenn es sich bloß um einen Gegenstand der Geschäftstätigkeit handelt.2 Daher ist etwa das vermietete inländische Grundstück, das zu einem ausländischen Betriebsvermögen gehört, noch keine Betriebsstätte.3 Das gilt auch, wenn der beschränkt Steuerpflichtige seinen Grundbesitz an eine von ihm beherrschte inländische Kapitalgesellschaft vermietet, also bei einer grenzüberschreitenden Betriebsaufspaltung.4
6.168
Als unternehmerische Tätigkeiten sind auch nebensächliche oder bloße Hilfsoder Vorbereitungstätigkeiten anzusehen, wenn sie dem Gewerbebetrieb als solchem unmittelbar dienen, und zwar selbst dann, wenn diese Tätigkeiten nur Kosten verursachen sollten.5 Einrichtungen, etwa Erholungsheime, die dem Unternehmen nur mittelbar dienen, sind daher keine Betriebsstätten.6 Gegenüber dem Grundtatbestand des § 12 Satz 1 AO enthält § 12 Satz 2 AO eine Definitionserweiterung in dem Sinne, dass jedenfalls die dort aufgeführten an Tätigkeiten anknüpfenden Betriebsstätten nicht zugleich auch eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage sein müssen.7 So setzen insbesondere die im Positivkatalog des § 12 Satz 2 AO genannten örtlich fortschreitenden oder schwimmenden Stätten zu Gewinnung von Bodenschätzen, die Stätte der Geschäftsleitung und Bauausführungen oder Montagen, auch örtlich fortschreitende, wenn sie länger als sechs Monate dauern, keine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage voraus.8 Hieraus ergibt sich z.B., dass es einen Gewerbebetrieb ohne Stätte der Geschäftsleitung und damit ohne Betriebsstätte nicht gibt,9 die sich in Er1 Die bloße Benutzung für eine gewisse Dauer reicht schon aus; BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12. 2 BFH v. 2.3.1990 – III R 24/85, BStBl. II 1990, 756; v. 13.9.2000 – X R 174/96, BStBl. II 2001, 734; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 672; Roth in H/H/R,. § 49 EStG Rz. 201. 3 BFH v. 29.11.1960 – I B 222/59 U, BStBl. III 1961, 52; v. 6.7.1978 – IV R 24/73, BStBl. II 1979, 18; v. 10.2.1988 – VIII R 159/84, BStBl. II 1988, 653; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 201; Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 25; Wassermeyer in FS Kruse, 590 (593). 4 BFH v. 28.7.1982 – I R 196/79, BStBl. II 1983, 77; Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 25; Piltz, DB 1981, 2044 ff.; Gebbers, RIW 1984, 774 ff.; Günkel/Kussel, FR 1980, 553 ff.; Kaligin, WPg. 1983, 457 ff. 5 BFH v. 10.5.1961 – IV 155/60 U, BStBl. III 1961, 317. 6 BFH v. 16.6.1959 – I B 214/58 U, BStBl. III 1959, 349; v. 29.11.1960 – I B 222/59 U, BStBl. III 1961, 52; v. 7.3.1979 – I R 145/76, BStBl. II 1979, 527; v. 10.2.1988 – VIII R 159/84, BStBl. II 1988, 653; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 201; Mössner in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 2.114; a.A. Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 22; Buciek in Beermann/Gosch, § 12 AO Rz. 23; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 680; Wassermeyer in FS Kruse, 590 (598). 7 BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148; v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694; v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004, 396; Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 23; a.A. Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 205. 8 BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148, v. 17.9.2003 – I R 12/02, BStBl. II 2004, 396, wonach Verkaufsstellen (§ 12 Satz 2 Nr. 6 AO) dagegen wiederum eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage erfordern. 9 BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148; v. 19.11.2003 – I R 3/02, BStBl. II 2004, 932; v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672; v. 12.6.2013 – I R 47/12, BStBl. II 2014, 770; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 13; Wassermeyer in W/A/D, BetriebsstättenHandbuch, Rz. 10.1; Wassermeyer, IStR 2004, 676 f.; a.A. Kramer, IStR 2004, 672; Kramer, IStR 2014, 21.
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C. Beschränkte Steuerpflicht
mangelung eines anderen Ortes im Zweifel am Wohnsitz des Gewerbetreibenden befindet.1 Von den im Positivkatalog des § 12 Satz 2 AO aufgeführten Beispielsfällen2 haben Bauausführungen und Montagen in der internationalen Besteuerungspraxis besondere Bedeutung.3 Zu den Bauausführungen zählen alle zur Fertigstellung oder zum Abbruch eines Bauwerks erforderlichen Arbeiten einschließlich der Bauplanung und Bauüberwachung sowie Baunebentätigkeiten (z.B. Gerüsterstellung), soweit diese von dem betreffenden Bauunternehmer selbst oder teilweise von Subunternehmern ausgeführt werden.4 Überträgt der Generalunternehmer die gesamte Bautätigkeit einschließlich Bauplanung und Bauleitung auf Subunternehmer, wird hierdurch zwar dem Subunternehmer, nicht aber dem Generalunternehmer eine Betriebsstätte vermittelt.5 Die isolierte Bauplanung und Bauleitung ist demgegenüber keine eine Betriebsstätte bildende Bauausführung.6
6.169
Ob Bauausführungen an einem bestimmten Ort oder örtlich fortschreitend ausgeführt werden, spielt keine Rolle. Daher sind die Verlegung von Leitungsrohren (Pipelinebau), Schienen, Hochspannungsleitungen ebenso Bauausführungen wie Arbeiten auf oder von am Meeresboden verankerten Bohrinseln und Schwimmbaggern.7 Zu den Montagen zählen insbesondere die Aufstellung von Stahlgerüsten oder Produktionseinrichtungen8 sowie das Zusammenfügen oder der Umbau vorgefertigter Einzelteile in jedem Stadium der Produktion,9 nicht dagegen bloße Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten.10
6.170
1 BFH v. 17.2.1955 – IV 77/53 S, BStBl. III 1955, 100; v. 11.7.1960 – V 182/58 U, BStBl. III 1960, 376; v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148; v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 13; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 58; speziell für Berufssportler: Schauhoff, IStR 1995, 108 (110). 2 Einzelheiten hierzu bei Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 24 ff.; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten, 36 ff. 3 Spezialliteratur (Monographien): Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten, 38 f.; 153 ff.; Mersmann, Die Ertragsbesteuerung inländischer Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ausländischer Kapitalgesellschaften, 50 f., 66 ff.; Feuerbaum, Internationale Besteuerung des Industrieanlagenbaus2; Schieber, Die Besteuerung von Auslandsbetriebsstätten, 57 ff.; Storck, Ausländische Betriebsstätten im Ertrag- und Vermögensteuerrecht, 169 ff.; Schweizer, Die Betriebsstätteneigenschaft von Bauausführungen und ihre gewerbesteuerliche Behandlung. 4 BFH v. 13.11.1962 – I B 224/61 U, BStBl. III 1963, 71; v. 10.12.1998 – V R 49/97, BFH/NV 1999, 839; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.3.3; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 215; Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.181; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 37 ff. 5 Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 215; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 2400; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.3.2 Satz 3; zur Kritik Bendlinger/Remberg/Kuckhoff, IStR 2002, 40 (42). 6 BFH v. 30.10.1956 – I B 71/56 U, BStBl. III 1957, 8; v. 13.11.1962 – I B 224/61 U, BStBl. III 1963, 71; FG München v. 18.3.1975 – II 154/71, EFG 1975, 442; Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 36; Merkert, DB 1968, 1239 ff. 7 Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 34; zu weiteren Beispielen Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 2321. 8 BFH v. 7.3.1979 – I R 145/76, BStBl. II 1979, 527. 9 Weitere Beispiele bei Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 2339. 10 BFH v. 16.5.1990 – I R 113/87, BStBl. II 1990, 983; v. 13.11.1990 – VIII R 152/86, BStBl. II 1991, 94; v. 20.1.1993 – I B 106/92, BFH/NV 1993, 404; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 -
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Kap. 6 Einkommensteuer
6.171
Bauausführungen und Montagen erfüllen erst dann die Voraussetzungen für eine Betriebsstätte, wenn sie länger als sechs Monate bestehen. In diesem Fall ist die Betriebsstätteneigenschaft von Anfang an als begründet anzusehen, und zwar auch dann, wenn die Bauausführungen oder Montagen nach den ursprünglichen Planungen den Zeitraum von sechs Monaten nicht überschreiten sollten.1 Die maßgebliche Sechs-Monats-Frist beginnt nicht erst mit der Aufnahme der eigentlichen Bau- und Montagetätigkeiten, sondern bereits mit den Vorbereitungsbzw. Nebenarbeiten,2 etwa mit der Errichtung von Baubuden,3 und endet entsprechend mit dem Abschluss von Nebentätigkeiten, etwa dem Probelauf einer aufgestellten Maschinenanlage.4 Übliche Arbeitsunterbrechungen, z.B. arbeitsfreie Wochenenden sowie Urlaubszeiten, werden ebenso mitgezählt wie sonstige kurzfristige anderweitige Arbeitsunterbrechungen.5 Längerfristige baubedingte Arbeitsunterbrechungen sowie unvorhergesehene Verzögerungen, etwa infolge von Streiks oder Natureinflüssen oder wegen mangelnder Mitwirkung des Auftraggebers hemmen dagegen die Frist.6 Für Zwecke der Sechs-Monats-Frist werden zeitlich nebeneinander bestehende sowie zeitlich ohne Unterbrechung aufeinander folgende Bauausführungen und Montagen bei wirtschaftlicher und geografischer Einheit7 zusammengerechnet.8 Wegen weiterer Einzelheiten des Betriebsstättenbegriffs wird auf die in der Literatur aufgeführten BetriebsstättenABCs verwiesen.9
6.172
Durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG werden die in der inländischen Betriebsstätte erwirtschafteten bzw. die durch sie erzielten Gewinne erfasst.10 Dies setzt eine Zuordnung der der Betriebsstätte dienenden Wirtschaftsgüter voraus, wobei grundsätzlich unerheblich ist, ob diese Wirtschaftsgüter im Inland oder im Ausland belegen sind.11 Maßgeblich für die Zuordnung sind die allgemeingültigen Grundsätze des Veranlassungszusammenhangs und nicht etwa die in § 1 Abs. 5 AStG verankerten AOA-Regeln. Diese haben lediglich eine begrenzte Reichweite und gelten nur für Zwecke der Einkünftekorrektur (Rz. 21.66 f.).
6.173
Da eine inländische Personengesellschaft nach deutschem Einkommensteuerrecht kein Steuersubjekt ist, Steuersubjekte vielmehr die Mitunternehmer sind, ist die Stätte der Geschäftsleitung zugleich gemeinsame Betriebsstätte dieser Mit-
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.3.1 Abs. 2; Drüen in T/K, § 12 AO Rz. 32; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 2365; a.A. Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 212. BFH v. 30.10.1956 – I B 71/56 U, BStBl. III 1957, 8. BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 218; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.3.1 Abs. 4, 5. Schieber, Die Besteuerung von Auslandsbetriebsstätten, 61. BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694; Kruse in T/K, § 12 AO Rz. 37; Buciek, IStR 1999, 629. Frist: 14 Tage; vgl. BFH v. 8.2.1979 – IV R 56/76, BStBl. II 1979, 479; v. 21.10.1981 – I R 21/78, BStBl. II 1982, 241; H 2.9 (2) GewStR. BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.3.1 Abs. 6; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 218. Vgl. zu Einzelheiten Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 219. Musil in H/H/Sp, § 12 AO Rz. 201. Etwa bei Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 4501; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 201. Zu Einzelheiten der Betriebsstättengewinnermittlung Rz. 21.16 ff. Hierzu Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.78; Roth in Lüdicke, Zurechnung von Wirtschaftsgütern im Internationalen Steuerrecht, 87 ff.
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C. Beschränkte Steuerpflicht
unternehmer. Daneben kann die Personengesellschaft weitere in- und ausländische Betriebsstätten unterhalten, die den Mitunternehmern als eigene Betriebsstätten zuzurechnen sind.1 Schließlich kann darüber hinaus auch jeder einzelne Mitunternehmer eine eigene, nicht von der Personengesellschaft vermittelte Betriebsstätte unterhalten, soweit er von dort aus etwa Geschäftsbeziehungen mit der Mitunternehmerschaft abwickelt.2 Wegen der Einzelheiten zur Gewinnzuordnung und zur Gewinnermittlung vgl. Rz. 21.114 ff. Zum Betriebsstättengewinn gehört auch der Gewinn aus der Veräußerung oder Aufgabe der Betriebsstätte selbst. Entsprechendes gilt für die Veräußerung von Anteilen an inländischen Personengesellschaften durch beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter.3 Scheiden anlässlich der Veräußerung dieser Anteile Wirtschaftsgüter aus dem Sonderbetriebsvermögen aus oder wird das gesamte Sonderbetriebsvermögen des beschränkt Steuerpflichtigen aufgelöst, so zählt der nach den Grundsätzen der Betriebsaufgabe zu berechnende Gewinn aus der Auflösung der stillen Reserven zum Betriebsstättengewinn.4 Wegen der Einzelheiten zur Gewinnzuordnung, für die die AOA-Regeln nicht gelten, und zur Ermittlung des Betriebsstättengewinns vgl. Rz. 21.37 ff.
6.174
Die den ausländischen Betriebsstätten inländischer Personengesellschaften zuzurechnenden Gewinne stellen allerdings keine beschränkt steuerpflichtigen Einkünfte aus Gewerbebetrieb dar, weil sie in keiner inländischen Betriebsstätte angefallen sind. Soweit daher beschränkt steuerpflichtige Personen an einer inländischen Personengesellschaft beteiligt sind, müssen die ausländischen Betriebsstättengewinne aus der beschränkten Steuerpflicht ausgenommen werden.5
6.175
c) Ständiger Vertreter Literatur Kommentare zu § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG; Buciek, Kann ein Organ einer Kapitalgesellschaft deren „ständiger Vertreter“ sein?, in FS Wassermeyer 2005, 289 ff.; Gebbers, Der „ständige Vertreter“ bei Grundstücksvermietung oder -verpachtung, StBp. 1989, 78; Helling, Die Vertreterbetriebsstätte im Internationalen Steuerrecht, Hamburg 2009; Heussner, Vertreterbetriebsstätte einer ausländischen Kapitalgesellschaft, IStR 2004, 161; Höpfner, Freiberufler als ständige Vertreter im Sinne des § 13 AO, Aachen 2009; Kunze, Der Begriff der Betriebsstätte und des ständigen Vertreters, Diss. Mannheim 1963; Leisner-Egensperger, Grenzen gesetzlicher Regelungen zum Internationalen Steuerrecht – Am Beispiel des „Ständigen Vertreters“ bei beschränkter Steuerpflicht (§§ 1 Abs. 4, 49 EStG, § 13 AO), IStR 2012, 889; Märkle, Steuervereinfachung durch die Verwaltung, in FS für Meyding, Heidelberg 1994, 117; Osterloh, Gesetzesbindung und Typisierungsspielräume, Baden-Baden 1992; Sieker, Ist einer Vertreterbetriebsstätte ein Gewinn zuzurechnen?, BB 1996, 981; 1 BFH v. 29.1.1964 – I 153/61 S, BStBl. III 1964, 165; v. 11.3.1988 – V R 30/84, BStBl. II 1988, 643; v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211; v. 18.12.2002 – I R 92/01, BFH/NV 2003, 964; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 7.4. 2 Hierzu Wassermeyer, IStR 2006, 273 ff.; Loukota, IStR 2006, 274 ff. 3 Einzelheiten bei Mick/Dyckmanns in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 8.189 ff. 4 BFH v. 18.5.1983 – I R 5/82, BStBl. II 1983, 771. 5 BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663; Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 28; hierzu auch Buciek in FS Flick, 647 ff.
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Kap. 6 Einkommensteuer Vogel, Verwaltungsvorschriften zur Vereinfachung der Sachverhaltsermittlung und „normkonkretisierende“ Verwaltungsvorschriften, in FS für Thieme, Köln/Berlin/Bonn/München 1993, 605; Wassermeyer, Kritische Anmerkungen zur Vertreterbetriebsstätte, SWI 2010, 505.
6.176
Für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§§ 15 bis 17 EStG) ergibt sich aus § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG neben der inländischen Betriebsstätte in der Person eines für den Gewerbebetrieb im Inland bestellten ständigen Vertreters ein weiteres Anknüpfungsmerkmal. Soweit ein derartiger ständiger Vertreter im Rahmen einer dem ausländischen Unternehmen zuzurechnenden festen Geschäftseinrichtung tätig wird, folgt die beschränkte Steuerpflicht der Einkünfte aus Gewerbebetrieb schon aufgrund des Vorliegens einer inländischen Betriebsstätte.1 Das personale Anknüpfungsmerkmal des ständigen Vertreters tritt in diesem Fall zurück.2
6.177
Ein ständiger Vertreter ist nach § 13 AO eine Person, die nachhaltig3 die Geschäfte eines Unternehmers besorgt und dabei dessen Sachweisungen unterliegt. Beispiele gem. § 13 Satz 2 AO:4 Abschluss oder Vermittlung von Verträgen, Einholung von Aufträgen oder die Unterhaltung eines Bestandes von Gütern oder Waren, von dem Auslieferungen vorgenommen werden.
6.178
Als Vertreter kommen sowohl natürliche als auch juristische Personen sowie Personengesellschaften in Betracht.5 Es können Angestellte, selbständige Gewerbetreibende oder Tochtergesellschaften sein. Sie müssen nur mit der Besorgung von Geschäften betraut sein, womit in erster Linie Handelsvertreter, Agenten, Kommissionäre, Spediteure, Bankiers und Pächter gemeint sind, letztere allerdings nur insoweit, als sie die Geschäfte des Verpächters besorgen.6 Nicht erforderlich ist, dass die Geschäftsbesorgung auf der Grundlage rechtsgeschäftlichen Handelns (§§ 164 ff. BGB) erfolgt,7 ausreichend ist vielmehr eine tatsächliche wirtschaftliche Repräsentanz8 in dem Sinne, dass der Vertreter anstelle des Unternehmers9 Handlungen vornimmt, die in dessen Betrieb 1 Die Gewerbesteuer knüpft an eine inländische Betriebsstätte, nicht aber an einen inländischen ständigen Vertreter an (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG). 2 Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 230; Mössner in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 2.158. 3 Hierbei ist auf einen Zeitraum von 6 Monaten abzustellen; vgl. BFH v. 3.8.2005 – I R 87/04, BStBl. II 2006, 220; Buciek in Beermann/Gosch, § 13 AO Rz. 4; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 14; Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 30; Kumpf in Haarmann, Die beschränkte Steuerpflicht, 27 (42); Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 1564 f. 4 Die Voraussetzungen von § 13 Satz 1 AO müssen erfüllt sein; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 235. 5 Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 231. 6 BFH v. 12.4.1978 – I R 136/77, BStBl. II 1978, 494; v. 28.7.1982 – I R 196/79, BStBl. II 1983, 77; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 235. 7 BFH v. 12.4.1978 – I R 136/77, BStBl. II 1978, 494; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 232; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 14; offen gelassen durch BFH v. 18.12.1990 – X R 82/89, BStBl. II 1991, 395. 8 Gebbers, StBp. 1989, 78 (79). 9 Der Unternehmer selbst sowie Organmitglieder können daher nicht Vertreter i.S. von § 13 AO sein; BFH v. 18.12.1990 – X R 82/89, BStBl. II 1991, 395 (als Unternehmer selbst); Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 1549; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 232, Drüen in T/K, § 13 AO Rz. 3; Gersch in Klein13, § 13 AO Rz. 2; a.A. Buciek in FS Wassermeyer, 289; offenlassend BFH v. 3.8.2005 – I R 87/04, BStBl. II 2006, 220 (als gesetzlicher Vertreter der ausländischen Kapitalgesellschaft).
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C. Beschränkte Steuerpflicht
fallen.1 Hieraus ergibt sich eine nur begrenzte Reichweite des für inländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb maßgeblichen personalen Anknüpfungsmerkmals: Der anstelle des ausländischen Unternehmers (Geschäftsherrn) handelnde ständige Vertreter vermittelt diesem nur insoweit inländische Einkünfte, als dieser bei eigenem Tätigwerden ebenfalls inländische Einkünfte erzielte. Inländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind danach nur dann gegeben, wenn der ständige Vertreter im Inland eine Betriebsstätte oder eine feste Einrichtung unterhält und die Einkünfte durch das Tätigwerden in dieser Betriebsstätte veranlasst sind.2 Unterhält daher der ständige Vertreter eine Betriebsstätte im Ausland, so führen die von dort aus für den ausländischen Unternehmer vorgenommenen Geschäftsbesorgungen im Inland oder Ausland zu keinen inländischen Einkünften.3 Voraussetzung ist ferner die Weisungsgebundenheit des ständigen Vertreters. Diese ist nicht dadurch ausgeschlossen, dass dieser seinerseits selbständiger Unternehmer ist und die weisungsgebundenen Tätigkeiten etwa aufgrund eines Geschäftsbesorgungsverhältnisses (§§ 662, 675 BGB) in den Rahmen seines eigenen selbständigen Gewerbebetriebs fallen.4 Damit ist der Begriff des ständigen Vertreters weiter gefasst als dies international üblich und in den DBA Deutschlands – dort verwendeter Begriff: abhängiger Vertreter – verankert ist. Im Hinblick darauf hat die Finanzverwaltung auf der Grundlage des § 50 Abs. 7 EStG a.F. (ab 2009: § 50 Abs. 4 EStG) in R. 49.1 Abs. 1 Sätze 2 u. 3 EStR für jene Fälle einen Steuerverzicht ausgesprochen, in denen der ständige Vertreter ein Kommissionär oder Makler ist, der Geschäftsbeziehungen für das ausländische Unternehmen im Rahmen seiner ordentlichen Geschäftstätigkeit5 unterhält, soweit die Besteuerung nicht ohnehin durch ein DBA ausgeschlossen ist. Entsprechendes gilt auch, wenn der ständige Vertreter ein Handelsvertreter (§ 84 HGB) ist, der weder eine allgemeine Vollmacht zu Vertragsverhandlungen und Vertragsabschlüssen für das ausländische Unternehmen besitzt noch über ein Warenlager dieses Unternehmens verfügt, von dem er regelmäßig Bestellungen für das Unternehmen ausführt.6
6.179
Es ist nicht erkennbar, welche volkswirtschaftlichen Gründe für diesen einseitigen Steuerverzicht gem. § 50 Abs. 4 EStG maßgeblich sein sollen. Aus systematischen Gründen ist jedenfalls die Herausnahme dieses personalen Anknüpfungspunktes im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht unter dem vorgenannten Gesichtspunkt nicht gerechtfertigt. Der Gesetzgeber hat nämlich vor allen Dingen in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb weitere auf eine inländische Tätigkeit abstellende personale Anknüpfungspunkte gewählt und damit die entsprechende gesetzgeberische Wertung vorgege-
6.180
1 BFH v. 27.11.1963 – I 335/60 U, BStBl. III 1964, 76; v. 18.12.1990 – X R 82/89, BStBl. II 1991, 395. 2 BFH v. 18.12.1990 – X R 82/89, BStBl. II 1991, 395; Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 30; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 307; a.A. Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 14; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 226. 3 Lüdicke in Lademann, § 49 EStG 307; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 14. 4 BFH v. 28.6.1972 – I R 35/70, BStBl. II 1972, 785. 5 Abzustellen ist auf den branchenüblichen Geschäftsbereich, BFH v. 14.9.1994 – I R 116/93, BStBl. II 1995, 238. 6 Hierzu Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 305.
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Kap. 6 Einkommensteuer
ben. Eine Legitimation erfährt R 49 Abs. 1 EStR allenfalls als exekutive Typisierungsvorschrift:1 Soweit selbständige Handelsvertreter, Kommissionäre und Makler mit ihren Einkünften aus der Geschäftsbesorgung für ausländische Unternehmer unmittelbar selbst der Besteuerung im Inland unterliegen, verbleiben aufgrund des Tätigwerdens des ständigen Vertreters keine dem ausländischen Unternehmer zuzurechnenden inländischen Einkünfte2 mit der Folge, dass aus Gründen typisierender Vereinfachung auf die steuerliche Erfassung der gewerblichen Inlandseinkünfte des ausländischen Unternehmers verzichtet werden darf. 6.181
Im Hinblick darauf, dass auf Abkommensebene die Tätigkeit von abhängigen Vertretern das Betriebsstättenprinzip vermittelt (Art. 5 Abs. 4 OECD-MA) und der Abkommensbegriff „abhängiger Vertreter“ enger ist als der Begriff des ständigen Vertreters (§ 13 AO), wird die Besteuerung durch Abkommensvorschriften durchweg entsprechend eingegrenzt. Wegen der Einzelheiten zur Ermittlung des der Vertreterbetriebsstätte zuzurechnenden Gewinns vgl. unter Rz. 21.100 ff. d) Beförderung mit Seeschiffen oder Luftfahrzeugen Literatur Kommentare zu § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG; Brons, Nationale und internationale Besteuerung der Seeschifffahrt, Bielefeld 1990; Dahm, Die Besteuerung von Handelsschiffen im internationalen Verkehr, Hamburg 2001; Hilger, Besteuerung der internationalen Seeschifffahrt, Frankfurt/M. 2007; Ritter, Neugestaltung der beschränkten Steuerpflicht für ausländische Schifffahrt- und Luftfahrtunternehmen, DStZ A 1971, 16.
6.182
Zu den inländischen Einkünften aus Gewerbebetrieb zählen nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG auch Einkünfte, die durch den Betrieb eigener oder gecharterter Seeschiffe oder Luftfahrzeuge aus Beförderungen zwischen inländischen und von inländischen zu ausländischen Häfen erzielt werden. Eingeschlossen sind Einkünfte aus anderen, mit den steuerpflichtigen Beförderungen zusammenhängenden Beförderungsleistungen, die sich auf das Inland erstrecken. Es handelt sich dabei insbesondere um Zubringertransporte und Anschlussbeförderungen. Damit ist neben der Betriebsstätte und dem ständigen Vertreter für die inländischen Einkünfte aus Gewerbebetrieb ein dritter Anknüpfungspunkt, nämlich der Beförderungsvorgang, gewählt worden.3 Die Anknüpfungspunkte „ständiger Vertreter“ und „Beförderungsvorgang“ haben aber insoweit eine Gemeinsamkeit, als sie beide auf eine bestimmte, im Inland ausgeübte Tätigkeit abstellen. Damit wird die singuläre, auf keiner erkennbaren gesetzgeberischen Konzeption beruhende Erfassung nur ganz bestimmter Tätigkeiten im Bereich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb erneut deutlich.
6.183
§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG, der eine partielle Erweiterung der beschränkten Steuerpflicht und auf eine branchenspezifische Diskriminierung hinausläuft,4 ist 1 Hierzu Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 87 ff.; Osterloh, Gesetzesbindung und Typisierungsspielräume, 451 ff.; Vogel in FS Thieme, 605 ff.; Märkle in FS Meyding, 117 ff. 2 Angemessenheit der Entgelte unterstellt; vgl. hierzu Sieker, BB 1996, 981 ff.; ferner Rz. 21.100 ff. 3 Die Anknüpfung gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst a EStG (Betriebsstätte/ständiger Vertreter) geht vor; Lieber in H/H/R, § 49 EStG Rz. 413. 4 Brons, Nationale und internationale Besteuerung der Seeschifffahrt, 214.
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C. Beschränkte Steuerpflicht
nicht systematisch konzipiert, sondern lediglich als Vergeltungsvorschrift für die Fälle vorgesehen, in denen ausländische Staaten inländische Schifffahrt- und Luftfahrtunternehmen der Besteuerung unterwerfen, ohne dass diese in dem ausländischen Staat eine Betriebsstätte oder einen ständigen Vertreter unterhalten. Im Hinblick darauf gewährt § 49 Abs. 4 EStG eine Steuerbefreiung, sofern auch der andere Staat auf die Besteuerung inländischer Schifffahrt- und Luftfahrtunternehmen verzichtet und das Bundesverkehrsministerium dies für verkehrspolitisch unbedenklich erklärt hat (§ 49 Abs. 4 Satz 2 EStG).1 Dieses Druckmittel soll dazu führen, dass andere Staaten Steuerverzichte auch ohne DBA (Art. 8 OECD-MA) oder Sonderabkommen betreffend Einkünfte und Vermögen von Schifffahrt- und Luftfahrtunternehmen2 aussprechen.3 § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG erfasst Einkünfte aus Beförderungen, die durch den Betrieb eigener oder gecharterter Seeschiffe oder Luftfahrzeuge erzielt werden. In Abgrenzung zu § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG müssen die Beförderungsleistungen vom ausländischen Unternehmen selbst erbracht werden.4 Erfasst werden lediglich die Einkünfte aus Beförderungen zwischen inländischen Häfen und von inländischen zu ausländischen Häfen. Einkünfte aus Beförderungen von einem ausländischen zu einem inländischen Hafen sind dagegen ebenso wenig inländische Einkünfte wie Einkünfte aus Beförderungen von einem inländischen Hafen auf die freie See.5 Schließlich werden auch Einkünfte aus Beförderungen innerhalb eines inländischen Hafens nicht erfasst.6 Dagegen rechnet zu den inländischen Beförderungseinkünften bei einer einheitlichen Beförderung von einem ausländischen Hafen zu einem anderen ausländischen Hafen über einen inländischen Hafen der Teilgewinn, der auf die Beförderung vom inländischen zum ausländischen Zielhafen entfällt.7
6.184
Für Beförderungseinkünfte gilt, soweit diese unter § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG oder unter § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG fallen, eine unwiderlegbare Gewinnvermutung i.H.v. 5 % der vereinbarten Entgelte (§ 49 Abs. 3 EStG),8 es sei denn, das deutsche Besteuerungsrecht wird durch ein DBA auch der Höhe nach nicht eingeschränkt (§ 49 Abs. 3 Satz 3 EStG).9
6.185
Die in § 49 Abs. 3 EStG verankerte unwiderlegbare Gewinnvermutung ist zwar aus Gründen der Vereinfachung der Gewinnermittlung und im Hinblick auf inter-
6.186
1 Hierzu im Einzelnen Lieber in H/H/R, § 49 EStG Rz. 1400 ff.; die verkehrspolitische Unbedenklichkeit dient dem Zweck, die Steuerfreistellung für „billige“ Flaggen zu verhindern; vgl. Strunk in Korn, § 49 EStG Rz. 142. 2 Übersicht über den Abkommensstand zum 1.1.2016 in BStBl. I 2016, 80. 3 Hierzu Lieber in H/H/R, § 49 EStG Rz. 1400; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz.109. 4 Lieber in H/H/R, § 49 EStG Rz. 431; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 414; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. E 37. 5 Lieber in H/H/R, § 49 EStG Rz. 451; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 419. 6 Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. E 66; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 419; a.A. Lieber in H/H/R, § 49 EStG Rz. 448. 7 BFH v. 2.3.1988 – I R 57/84, BStBl. II 1988, 596; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. E 69; a.A. Lieber in H/H/R, § 49 EStG Rz. 449. 8 Die spezielle Gewinnermittlungsregelung des § 49 Abs. 3 EStG geht der des § 5a EStG (Rz. 6.113 f.) vor; Lieber in H/H/R, § 49 EStG Rz. 413. 9 Erfasst werden hierdurch insbesondere Beförderungen im inländischen Verkehr durch ausländische Luftfahrtunternehmen für die als Regel das Betriebsstättenprinzip gilt; hierzu Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 237.
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Kap. 6 Einkommensteuer
nationale Gepflogenheiten geschaffen worden;1 diese Gründe vermögen aber nicht diese Gewinnfiktion zu rechtfertigen, wenn der Gewinn tatsächlich geringer oder gar ein Verlust entstanden ist. Insbesondere ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen etwa gerade bei den durch eine inländische Betriebsstätte erzielten Beförderungseinkünften die Gewinnfiktion Geltung haben soll, während die übrigen Betriebsstätteneinkünfte nach Maßgabe der handels- und steuerrechtlichen Gewinnermittlungsvorschriften einzeln zu ermitteln sind. Die Gewinnfiktion des § 49 Abs. 3 EStG ist daher mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG), den abkommensrechtlichen Diskriminierungsverboten (Art. 24 OECD-MA) und der europarechtlich verbürgten Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV)2 unvereinbar.3 6.187
Nach den von Deutschland abgeschlossenen DBA steht die Besteuerung aus dem Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr dem Staat zu, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet (Art. 8 OECD-MA; Rz. 19.280 ff.). Damit wird der Steueranspruch gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG insoweit ausgeschlossen. e) Internationale Betriebsgemeinschaften oder Pool-Abkommen Literatur Kommentare zu § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG; vgl. im Übrigen die Literatur zu d).
6.188
Nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch solche, die von einem Unternehmen im Rahmen einer internationalen Betriebsgemeinschaft oder eines Pool-Abkommens, bei denen ein Unternehmen mit Sitz oder Geschäftsleitung im Inland die Beförderung durchführt, aus Beförderungen und Beförderungsleistungen zwischen inländischen und von inländischen zu ausländischen Häfen erzielt werden. Durch diese Regelung werden über § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG hinaus ausländische Unternehmen erfasst, die, ohne selbst im Inland Beförderungen durchzuführen oder im Inland über eine Betriebsstätte oder einen ständigen Vertreter zu verfügen, an Beförderungsleistungen i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG durch ihre Mitgliedschaft in einer internationalen Betriebsgemeinschaft oder an einem Pool partizipieren.4
6.189
Die Pool-Einkünfte werden der beschränkten Steuerpflicht nur dann unterworfen, wenn ein inländisches Unternehmen die inländische Beförderung durchführt. Diese Regelung ist nicht plausibel. Soweit das Gesetz für die beschränkte Steuerpflicht an inländische Beförderungsvorgänge anknüpft, kann es für die Besteuerung der Pool-Einkünfte eigentlich nicht darauf ankommen, ob die Beförderung von inländischen oder ausländischen Unternehmen durchgeführt wird.5 1 Hierzu Ritter, DStZ A 1971, 16 (18). 2 Wegen § 49 Abs. 3 Satz 3 EStG (keine 5 %-Besteuerung bei DBA-Freistellung) spielt die Niederlassungsfreiheit praktisch keine Rolle. 3 Gosch in Kirchhhof15, § 49 EStG Rz. 20; Lieber in H/H/R, § 49 EStG Rz. 1302; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. L 6; Brons, Nationale und internationale Besteuerung der Seeschifffahrt, 216; Hilger, Besteuerung der internationalen Seeschifffahrt, 55 f.; zu weiteren Ungereimtheiten des § 49 Abs. 3 EStG Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 432 ff.; vgl. auch BFH v. 22.4.1998 – I R 54/96, IStR 1998, 504. 4 Lieber in H/H/R, § 49 EStG Rz. 472. 5 Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 93; Lieber in H/H/R, § 49 EStG Rz. 486.
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Wegen dieser Tatbestandseingrenzung bleiben daher die Einkünfte ausländischer Pool-Unternehmen unversteuert, wenn die Beförderung von einem ausländischen Unternehmen durchgeführt wird.1 Die Vorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG hat in der Praxis allerdings keine sehr große Bedeutung, weil nach den maßgeblichen Vorschriften der DBA (Art. 7 und 8 OECD-MA) die Besteuerung ohnehin nicht Deutschland zugeteilt ist und im Übrigen die auf Gegenseitigkeit beruhende Befreiung nach § 49 Abs. 4 EStG die Besteuerung auf jene Fälle reduziert, in denen eine entsprechende Gegenseitigkeitsregelung nicht besteht. Damit wird letztlich sichtbar, dass es auch in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c EStG vor allem auch darum geht, die Bereitschaft anderer Staaten zu wecken, deutschen Unternehmen im Rahmen der Gegenseitigkeit Steuerbefreiung einzuräumen.2 f) Darbietungen Literatur Kommentare zu § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG; Burgstaller/Schuch, Beschränkt steuerpflichtige Schriftsteller, Vortragende, Künstler, Architekten, Sportler, Artisten und Mitwirkende an Unterhaltungsdarbietungen, in Gassner/Lang/Lechner/Schuch/Staringer, Die beschränkte Steuerpflicht im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, Wien 2004, 127 ff.; Graf, Abkommensrechtliche Behandlung von Vergütungen für die Überlassung von LiveFernsehübertragungsrechten, BB 2009, 1572; Grams, Besteuerung von beschränkt steuerpflichtigen Künstlern, Herne/Berlin 1999; Grossmann, Die Besteuerung des Künstlers und Sportlers im internationalen Verhältnis, Bern/Stuttgart/Wien 1992; Haarmann, Aktuelle Brennpunkte der Künstlerbesteuerung, in Kleineidam (Hrsg.), Unternehmenspolitik und Internationale Besteuerung, Festschrift für Lutz Fischer, Berlin 1999, 589 ff.; Hahn-Joecks, Zur Problematik der Besteuerung ausländischer Künstler und Sportler, Baden-Baden 1999; Holthaus, Steuerabzug bei Darbietungseinkünften, IWB 2011, 68; Kudert/Jarzynska, Die Besteuerung von grenzüberschreitend tätigen Künstlern, Sportlern, Artisten und Entertainern, 2012, 380 ff.; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, Herne/Berlin 1991; Mody, Die deutsche Besteuerung international tätiger Künstler und Sportler, Baden-Baden 1994; Mody, Problembereiche der Besteuerung beschränkt steuerpflichtiger Künstler und Sportler, in Kleineidam (Hrsg.), Unternehmenspolitik und Internationale Besteuerung, Festschrift für Lutz Fischer, Berlin 1999, 769 ff.; Nacke, Besteuerung beschränkt steuerpflichtiger Künstler und Sportler, IWB 2011, 607; Reisch/Reinhardt/Urbanke, Probleme bei der Besteuerung von Amateursportlern aus nationaler und internationaler Sicht, DB 1988, 359; Sandler, The Taxation of International Entertainers and Athletes, The Hague 1995; Schauhoff, Inländische Einkünfte im Ausland wohnender Sportler, IStR 1993, 363; Schauhoff, Quellensteuerabzug bei Zahlungen an beschränkt steuerpflichtige Künstler und Sportler, IStR 1997, 5; Schauhoff/Cordewener/Schlotter, Besteuerung ausländischer Künstler und Sportler in der EU, München 2008; Schauhoff/Idler, Änderung der BFH-Rechtsprechung zur Besteuerung von Werbeverträgen mit beschränkt Steuerpflichtigen, IStR 2008, 341; Schlotter, Konkurrenz von Steuerabzugstatbeständen in der beschränkten Steuerpflicht am Beispiel von Vergütungen für Fernsehübertragungsrechte an Sportveranstaltungen, FR 2010, 651; Schrettl, Rechtsfragen der beschränkten Steuerpflicht, dargestellt anhand der Besteuerung gewerblich tätiger beschränkt steuerpflichtiger Künstler, Sportler und Artisten, Frankfurt/Berlin/Bern/New York/Wien 1994; Stuhrmann, Die Änderungen durch das Steuerbereinigungsgesetz 1986 im Bereich der Einkommensteuer, DStZ 1986, 92. 1 Lieber in H/H/R, § 49 EStG Rz. 486. 2 Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 101.
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Kap. 6 Einkommensteuer
6.191
Durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG werden in die inländischen Einkünfte aus Gewerbebetrieb einbezogen die Einkünfte, die durch künstlerische, sportliche, artistische, unterhaltende oder ähnliche Darbietungen im Inland oder durch Verwertung im Inland erzielt werden, einschließlich der Einkünfte aus anderen mit diesen Leistungen zusammenhängenden Leistungen, unabhängig davon, wem die Einnahmen zufließen. Voraussetzung ist, dass diese Einkünfte nicht bereits als inländische Einkünfte aus selbständiger oder nichtselbständiger Arbeit (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 und 4 EStG) zu qualifizieren sind. Es müssen also alle Tatbestandsmerkmale des § 15 EStG – z.B. Gewinnerzielungsabsicht1 – erfüllt sein.2 Unter den Regelungsbereich des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG fallen damit vor allem ausländische Berufssportler, Eis-Revuen, Tourneetheater und Zirkusunternehmen sowie sog. Künstlerverleihgesellschaften und Konzertdirektionen gewerblich organisierte Orchester, Schauspiel- und Opernunternehmen, sofern die Darbietungen bei physischer Anwesenheit der Berufssportler, Künstler usw. im Inland oder aber im Falle inländischer Verwertung auch im Ausland erfolgen3 und der vorgenannte Personenkreis im Inland weder eine Betriebsstätte,4 etwa durch ein ständiges Trainingslager,5 noch einen ständigen Vertreter, etwa durch einen Manager,6 unterhält.7
6.192
Unter den Regelungsbereich des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG fallen damit bestimmte Gewerbetreibende, die im Inland weder eine Betriebsstätte noch einen ständigen Vertreter haben, weil an bestimmte Tätigkeiten oder Verwertungstatbestände angeknüpft wird.8
6.193
Indessen ist diese steuerliche Anknüpfung in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG nur unvollkommen, weil nur ganz bestimmte Tätigkeiten einzelner Berufsgruppen erfasst werden. Für die durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG vorgenommene gesetzliche Differenzierung ist kein rechtfertigender Grund erkennbar. So vermag nicht einzuleuchten, warum die Einkünfte eines Berufssportlers, etwa eines Tennisspielers, oder die eines Artisten, etwa die eines Trapezkünstlers, der beschränkten Steuerpflicht unterliegen, während die Einkünfte eines Wahrsagers oder Hellsehers tatbestandsmäßig nicht erfasst werden. Ebenso ist nicht erkennbar, warum die Einkünfte eines Unternehmensberaters, Kommissionärs oder Handelsvertreters, soweit diese Personen im Inland keine Betriebsstätte unterhalten oder keinen ständigen Vertreter bestellt haben, von der beschränkten Steuerpflicht ausgenommen sind.9 Diese gesetzgeberische Konzeptionslosigkeit führt zu einer gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Ungleichbehandlung. 1 BFH v. 7.11.2001 – I R 14/01, BStBl. II 2002, 861; Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 517; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 24; Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 39. 2 Maßbaum in H/H/R, § 49 Rz. 516; Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 36. 3 Zum Ort der Darbietung Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 538 ff. 4 Die Zuordnung der Einkünfte zu einer ausländischen (Geschäftsleitungs-)Betriebsstätte ist dagegen ohne Bedeutung; vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 1365 ff. 5 BFH v. 17.2.1955 – IV 77/53 S, BStBl. III 1955, 100. 6 Schauhoff, IStR 1993, 363 (364). 7 In diesen Fällen käme § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG in Betracht; BFH v. 2.2.1994 – I B 143/93, BFH/NV 1994, 864; Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 505. 8 Hierdurch sollen sonst verbleibende Besteuerungslücken geschlossen werden; vgl. Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 23. 9 Hierzu auch Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 503.
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C. Beschränkte Steuerpflicht
Der beschränkten Steuerpflicht werden Einkünfte unterworfen, die durch künstlerische, sportliche, artistische, unterhaltende oder ähnliche Darbietungen oder deren Verwertung im Inland erzielt werden. Da § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG nicht an Einkünfte anknüpft, die aus den vorgenannten Tätigkeiten bzw. deren Verwertung erzielt werden, fallen unter den Regelungsbereich dieser Vorschrift nicht nur diejenigen Personen, die die entsprechende Tätigkeit selbst ausüben, etwa Berufssportler, sondern auch diejenigen, die diese Tätigkeit zur Verfügung stellen.1 Damit unterliegen der beschränkten Steuerpflicht insbesondere auch Konzertdirektionen und Unternehmen, die Berufssportler und Künstler vermarkten.2 § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG führt in diesen Fällen zu einer Doppelanknüpfung3 und damit nicht selten zu einer gleichheitswidrigen Überbesteuerung, soweit die vorgenannten Einkünfte gem. §§ 50 Abs. 2 Satz 1; 50a Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 EStG einer Bruttobesteuerung unterliegen,4 ohne dass ein Quellensteuerabzug auf Nettobasis oder eine Veranlagung in Betracht kommt.5 Diese Überbesteuerung, die vor allem Drittstaatenangehörige trifft, ist dann besonders gravierend, wenn sowohl das Unternehmen, das die Darbietung erbringt, als auch die selbständig oder unselbständig tätigen Personen, die im Rahmen dieser Darbietungen tatsächlich selbst tätig werden, mit ihren Einkünften dem Steuerabzug an der Quelle unterliegen und der Steuerabzug Abgeltungswirkung hat (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG). In diesen Fällen liegt die Besteuerung regelmäßig weit höher als bei unbeschränkter Steuerpflicht. Im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG ist daher ein Steuererlass gem. §§ 163, 227 AO und § 50 Abs. 4 EStG geboten,6 soweit eine Überbesteuerung nicht ohnehin schon dadurch vermieden wird, dass von einem Steuerabzug auf der zweiten Stufe abgesehen wird (§ 50a Abs. 4 EStG).
6.194
Das wesentliche inlandsbezogene Qualifikationsmerkmal ist die Darbietung als eine ganz bestimmte Tätigkeit, die darauf gerichtet ist, etwas aufzuführen, vorzuführen, zu zeigen oder zu Gehör zu bringen, wie etwa in Ausstellungen, Konzerten, Theateraufführungen, Shows, Turnieren und Wettkämpfen.7 Erfasst werden nicht nur unmittelbare persönliche Auftritte vor einem Publikum, sondern auch nichtöffentliche Auftritte sowie Live-Aufnahmen, die über Rundfunk-, Film- und Fernsehaufzeichnungen ausgestrahlt werden.8
6.195
Künstlerische Darbietungen sind solche, durch die eine eigenschöpferische Leistung dargestellt wird. Als darbietende Künstler werden erfasst vor allem Büh-
6.196
1 BFH v. 2.2.1994 – I B 143/93, BFH/NV 1994, 864; Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 521; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 469; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 23, 31. 2 Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, 203 ff.; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 23: „rent-a-star-company“. 3 Hierzu Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. E 234. 4 Zum Problem der Bruttobesteuerung Rz. 6.132 ff. 5 Vgl. § 50a Abs. 3 u. § 50 Abs. 2 Satz 7 EStG, die nur für EU-/EWR-Staatsbürger gelten. 6 Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. E 234; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 24; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 108; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, 262 ff. 7 Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 521. 8 Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 538; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 109 f.; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, 186 f.
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nen-, Film-, Rundfunk- und Fernsehkünstler, Tänzer, Musiker und Dirigenten. Nicht zu den darbietenden Künstlern gehören schaffende Künstler wie Maler, Komponisten, Fotografen, Regisseure, Schriftsteller und Kunsthandwerker, soweit sie nicht ihre Werke, etwa durch Dichterlesung und dergleichen, darbieten.1 Da unter § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG nur Einkünfte aus Gewerbebetrieb fallen, werden folglich in erster Linie die Einkünfte aus künstlerischen Darbietungen ausländischer Künstlerverleihunternehmen und Konzertdirektionen erfasst. Die künstlerische Darbietung erfolgt durch Künstler, die diese Unternehmen als Vertragspartner den inländischen Veranstaltern zur Verfügung stellen. Ob die betreffenden Künstler im Inland oder Ausland ansässig sind, spielt keine Rolle.2 6.197
Mit den sportlichen Darbietungen3 in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG sind in erster Linie nicht Amateursportler, sondern Berufssportler angesprochen, weil diese eine gewerbliche Tätigkeit ausüben. Da aber auch Amateursportler für ihre Auftritte nicht selten Startgelder erhalten, die über den bloßen Aufwandsersatz hinausgehen und somit eine Gewinnerzielungsabsicht indizieren, werden in zunehmendem Maße auch sog. Amateursportler unter die Regelung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG fallen.4 Erfasst werden auch sportliche Darbietungen durch Sportler, die durch ausländische Promotion-Unternehmen und Vermittlungsunternehmen inländischen Veranstaltern zur Verfügung gestellt werden. Dementsprechend unterliegen auch die Einkünfte ausländischer Profifußballvereine für Gastspiele ihrer Mannschaften im Inland der Besteuerung aufgrund sportlicher Darbietungen gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG.5 Nicht erfasst werden dagegen die Einkünfte, die durch Werbespots, Interviews, Moderationen, Fotoanzeigen und aufgrund von Ausrüsterverträgen erzielt werden,6 es sei denn, die zu erbringenden Leistungen stellen sich als bloße Nebenleistungen der sportlichen Darbietung dar.7 Diese Dienstleistungen fallen ggf. aber unter § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG oder aber als Vermarktung des Namens, des Bildes und etwa der Unterschrift unter § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG.8 1 Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 25; Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 526; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, 189. 2 Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 525; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, 190. 3 Rein geistige Tätigkeiten wie Schach und andere Brettspiele gehören nicht dazu; Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 530; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 111; a.A. Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 26. 4 Zu weiteren Einzelheiten Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, 191 ff.; Reisch/Reinhardt/Urbanke, DB 1988, 359 ff. 5 Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 532; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 26. 6 BFH v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550; v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672; v. 7.9.2011 – I B157/10, BStBl. II 2012, 590 Rz. 19; Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 533 ff.; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 26; Schauhoff/Idler, IStR 2008, 341 ff.; BMF v. 25.11.2010 – IV C 3 - S 2303/09/1000 – DOK 2010/08615492, BStBl. I 2010, 1350, Tz. 94. 7 BFH v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550; v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672. 8 BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672 in Abweichung von BFH v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550; Schauhoff/Idler, IStR 2008, 341 (342 ff.).
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C. Beschränkte Steuerpflicht
Zu den artistischen Darbietungen gehören vor allen Dingen die Darbietungen von Akrobaten, Trick- und Zauberkünstlern, Dompteuren und Clowns in einem Zirkus, einer Revue oder einer Show.1
6.198
Die Erfassung auch von unterhaltenden Darbietungen (seit 2009) bedeutet eine Erweiterung insbesondere zu den künstlerischen und sportlichen Darbietungen mit dem Ziel, das gesamte Show- und Unterhaltungsgeschäft zu erfassen:2 Zu den inländischen Einkünften zählen auch Vergütungen, die Künstler und Sportler für ihre Auftritte z.B. auf Benefizveranstaltungen mit Unterhaltungscharakter erhalten, ohne hierbei selbst in künstlerischer oder sportlicher Hinsicht tätig zu sein, ferner Moderatoren und aktive Teilnehmer an Talkshows.3 Hierdurch wird der durch Art. 17 OECD-MA gesteckte Besteuerungsrahmen ausgeschöpft.4
6.199
Ähnliche Darbietungen sind solche, die sich nicht ohne weiteres unter die vorgenannten Katalog-Darbietungen einordnen lassen, mit diesen aber vergleichbar sind. Damit werden Darbietungen erfasst, die nicht die Gestaltungshöhe künstlerischer Darbietungen erreichen5 und zudem nicht unterhaltend sind.6 Damit werden im Ergebnis nur Fälle erfasst, in denen etwa prominente Persönlichkeiten gegen Entgelt bei Einweihungsfeiern oder sonstigen Anlässen ohne weitere Aktivitäten bloß anwesend sind.7 Da die Katalogdarbietungen den Rahmen für die Auslegung des Begriffs „ähnliche Darbietungen“ stecken, ist dieser Begriff – wie auch die Parallele zu den in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG im Katalog benannten „ähnlichen Berufen“ zeigt – hinreichend konkretisiert, so dass der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung entsprochen wird.8
6.200
Neben der Darbietung ist in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG die Verwertung als weiteres inlandsqualifizierendes Anknüpfungsmerkmal genannt. Erfasst werden die Einkünfte, die durch die Verwertung von Inlands- und Auslandsdarbietungen im Inland erzielt werden,9 wobei die Darbietung von einer anderen Person als dem Darbietenden verwertet werden kann.10 Im Hinblick darauf, dass Verwertung einer Darbietung deren Vermarktung11 im Sinne einer finanziellen Nutzbarmachtung etwa durch Einräumung oder Überlassung von Rechten ist,12 wird der
6.201
1 Zur Abgrenzung gegenüber sportlichen und künstlerischen Darbietungen Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, 193 f. 2 Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 535 dort auch zur mangelnden Bestimmbarkeit des Steuertatbestandes. 3 Vgl. zu Einzelfällen: Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 535. 4 Vgl. hierzu Stockmann in V/L6, Art. 17 OECD-MA Rz. 22; ferner Rz. 19.453 ff. 5 Zum Begriff der künstlerischen Tätigkeit umfassend Heuer, Die Besteuerung der Kunst, 131 ff.; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, 9 ff. 6 Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 29. 7 Hierzu Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 29. 8 BFH v. 17.10.2007 – I R 81, 82/06, I R 81/06, I R 82/06, BFH/NV 2008, 356; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 28. 9 Hierzu Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 539; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 24. 10 BFH v. 17.12.1997 – I R 18/97, BStBl. II 1998, 440; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 24. 11 Es muss ein unmittelbarer sachlicher Zusammenhang zu der Darbietung bestehen; BFH v. 16.5.2001 – I 64/99, BStBl. II 2003, 641; v. 4.3.2009 – I R 6/07, BStBl. II 2009, 625. 12 BFH v. 4.3.2009 – I R 6/07, BStBl. II 2009, 625.
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Inlandsbezug in aller Regel durch den inländischen Vertragspartner des Übertragenden hergestellt.1 Im Übrigen reicht jede Inlandsnutzung von in- und ausländischen Darbietungen aus,2 so dass etwa das Musik-Streaming im Internet durch inländische Kunden den Verwertungstatbestand erfüllt.3 6.202
§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG erfasst schließlich auch Einkünfte aus anderen mit den Katalogleistungen und ihnen ähnlichen Leistungen zusammenhängenden Leistungen. Von einer mit diesen Leistungen zusammenhängenden Leistung kann nur gesprochen werden, wenn ein sachlicher und personeller Zusammenhang mit den Hauptleistungen besteht.4 Aufgrund dieser Regelung soll eine Besteuerung auch dann gewährleistet sein, wenn die zu erbringenden Leistungen in mehreren Verträgen vereinbart werden. Es muss sich dabei stets um Leistungen handeln, die der wegen der Darbietung oder der Verwertung beschränkt Steuerpflichtige selbst erbringt, so dass etwa Nebenleistungen dritter Personen nicht erfasst werden.5 Angesprochen sind damit vor allem Nebenleistungen bei der Organisation ganzer Veranstaltungen im Inland, etwa die medizinische und technische Betreuung bei Sportveranstaltungen6 oder die Gestellung der BühnenTon- und Bildtechnik bei Konzerten.7 Nicht erfasst werden demgegenüber aktive Werbeleistungen, wenn sie unabhängig von einzelnen Veranstaltungen zu erbringen sind. Die Einkünfte hieraus unterliegen, soweit hierfür weder eine Betriebsstätte noch ein ständiger Vertreter unterhalten wird, der beschränkten Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG.8
6.203
Nach der ausdrücklichen Regelung im letzten Halbsatz des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG spielt es keine Rolle, ob die Einkünfte aus Darbietungen oder der Verwertung dem Darbietenden oder dem Verwertenden selbst oder dritten Personen zufließen. Diese Vorschrift ist darauf gerichtet, mögliche Vertragsgestaltungen beschränkt steuerpflichtiger Personen, die etwa durch Einschaltung von Vermarktungs-, Künstlerverleih- und Promotionsgesellschaften zum Fehlen der beschränkten Steuerpflicht geführt hätten, zu vereiteln.9 Tatsächlich ist sie
1 Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 542, Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. E 376, der auf die Nutzung im Inland abstellt; vgl. auch BFH v. 4.3.2009 – I R 6/07, BStBl. II 2009, 625. 2 Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 24. 3 Zu Einzelheiten Pinkernell, ifst-Schrift Nr. 494 (2014), 47 ff.; Pinkernell, Ubg 2012, 331 (335 f.); zu den strafrechtlichen Implikationen bei einer derart uferlosen Inlandsanknüpfung Schaumburg in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 15.311 ff. 4 BFH v. 28.7.2010 – I R 93/09, BFH/NV 2010, 2263; v. 16.11.2011 – I R 65/10, BFH/NV 2012, 924. 5 BFH v. 16.5.2001 – I R 64/99, BStBl. II 2003, 641; v. 17.11.2004 – I R 20/04, BFH/NV 2005, 892; v. 28.7.2010 – I R 93/09, BFH/NV 2010, 2263; v. 16.11.2011 – I R 65/10, BFH/NV 2012, 924 (Leistungen „aus einer Hand“); Frotscher in Frotscher/Geurts, § 49 EStG Rz. 59; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 30; Schauhoff, IStR 1997, 5 (9). 6 Weitere Einzelheiten bei Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, 205 ff. 7 Zu weiteren Einzelheiten Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 549; Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 43. 8 BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672 in Abweichung von BFH v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550; Schauhoff/Idler, IStR 2008, 341 ff. 9 Stuhrmann, DStZ 1986, 92 (97).
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C. Beschränkte Steuerpflicht
aber weitgehend ohne Bedeutung,1 weil der Grundtatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG ohnehin schon zu einer Besteuerungslücken ausfüllenden Doppelanknüpfung führt.2 Nach den Regelungen der DBA3 bleibt die Besteuerung von Einkünften aus dem Auftreten von Künstlern, Sportlern und Artisten Deutschland als Quellenstaat vorbehalten. Die Besteuerungsbefugnis entfällt allerdings für Unternehmenseinkünfte aus Hilfstätigkeiten, die mit der Darbietung zusammenhängen, also z.B. aus kaufmännischen oder technischen Leistungen oder auch aus Vermittlungstätigkeiten. Schließlich ist auch die Besteuerung aufgrund des Verwertungstatbestandes in aller Regel ausgeschlossen.4
6.204
g) Veräußerung von Anteilen an inländischen Kapitalgesellschaften Literatur Kommentare zu § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG; Buciek, Das kapitalersetzende Darlehen im Steuerrecht, Stbg 2000, 109; Nitzschke, Veräußerung direkt gehaltener Beteiligungen an Kapitalgesellschaften durch beschränkt Körperschaftsteuerpflichtige – Führt § 8b Abs. 3 KStG zur partiellen Besteuerung eines Veräußerungsgewinns?, IStR 2012, 125; Wacker, Vermögensverwaltende Gesamthand und Bruchteilsbetrachtung – eine Zwischenbilanz, DStR 2005, 2014; Widmann, Auswirkungen der beschränkten Steuerpflicht und der Doppelbesteuerungsabkommen bei Umwandlungen, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, Festschrift für Franz Wassermeyer, München 2005, 581 ff.
Erfasst werden neben den Gewinnen aus der Veräußerung von Kapitalanteilen i.S. von § 17 EStG (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG) auch Anteilsveräußerungsgewinne nach vorangegangener grenzüberschreitender Verschmelzung (§ 13 Abs. 2 UmwStG), grenzüberschreitendem Anteilstausch (§ 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 UmwStG) oder Sitzverlegung innerhalb der EU (§ 17 Abs. 5 Satz 2 EStG), soweit die betreffenden Kapitalanteile hierbei nicht mit dem gemeinen Wert angesetzt wurden (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. bb).
6.205
Während die Gewinne aus der Veräußerung eines Betriebes, Teilbetriebes und damit auch einer Betriebsstätte bereits gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG der beschränkten Steuerpflicht unterliegen, werden die Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an inländischen5 Kapitalgesellschaften (§ 17 EStG) durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG erfasst.
6.206
Gehören die Kapitalanteile zum Betriebsvermögen eines inländischen Betriebes (Betriebsstätte), so sind die Veräußerungsgewinne dem § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG zuzuordnen. Insoweit gilt die sich aus der allgemeinen Gesetzessystematik
6.207
1 Maßbaum in H/H/R, § 49 EStG Rz. 556; Lüdicke in Lademann § 49 EStG Rz. 480; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 31; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, 212 f. 2 Vgl. zu europarechtlichen Aspekten Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.35. 3 Art. 17 OECD-MA. 4 Hierzu im Einzelnen Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 120; ferner Rz. 19.453 ff. 5 Ort der Geschäftsleitung oder Sitz im Inland.
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ergebende Subsidiarität des § 17 EStG ggü. den §§ 4 und 5 EStG.1 § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG greift daher nur dann ein, wenn die Anteile nicht zu einem inländischen Betriebsvermögen gehören. Ob die Anteile zu einem ausländischen Betriebsvermögen gehören, ist im Hinblick auf die isolierende Betrachtungsweise, die die Subsidiarität des § 17 EStG ggü. den §§ 4 und 5 EStG suspendiert, (Rz. 6.154) ohne Bedeutung.2 Soweit Anteilsveräußerungsgewinne dem Regelungsbereich des § 20 Abs. 2 EStG unterfallen,3 greift § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. d EStG i.V.m. § 43 Abs. 1 Nr. 9 EStG ein.4 6.208
Gehören die Kapitalanteile zu einem in- oder ausländischen Gesamthandsvermögen ohne Betriebsvermögen, so ist die Veräußerung der Anteile am Gesamthandsvermögen zugleich eine anteilige Veräußerung der im Gesamthandsvermögen gehaltenen Kapitalanteile,5 so dass die §§ 17 und 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG eingreifen.6 Entsprechendes gilt, wenn die Gesamthandsgemeinschaft ohne Betriebsvermögen die zum Gesamthandsvermögen gehörenden Kapitalanteile veräußert.7 Gehören die Kapitalanteile zu einem ausländischen Gesamthandsvermögen mit nur ausländischem Betriebsvermögen, greifen in Anwendung der isolierenden Betrachtungsweise (Rz. 6.153 ff.) ebenfalls die §§ 17 und 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG ein.8
6.209
Da § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG auf § 17 EStG insgesamt verweist, werden nicht nur die Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen erfasst, sondern auch Gewinne (Verluste) aus der Auflösung einer Kapitalgesellschaft, aus der Herabsetzung und Rückzahlung ihres Nennkapitals und die Ausschüttung oder Zurückzahlung von Beträgen aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S. des § 27 KStG, soweit die Rückzahlung nicht als Gewinnanteil (Dividende) gilt (§ 17 Abs. 4 EStG).9 Das Gleiche gilt auch für verdeckte Einlagen von Kapitalanteilen.10 Zu den von § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG erfassten Veräußerungsvorgängen gehört auch der Tausch von Kapitalanteilen soweit die Steuerneutralität sich nicht aus § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG oder aus anderen Vorschriften des UmwStG ergibt11 sowie die der Veräußerung gleich gestellte Verlegung des Sitzes und des Ortes der Geschäftsleitung bei Beschränkung oder Ausschluss des deutschen Besteuerungsrecht (§ 17 Abs. 5 Satz 1 EStG). Schließlich werden auch Übernahmegewinne, die im Zuge der Umwandlung von Kapi1 Hierzu Weber-Grellet in Schmidt35, § 17 EStG Rz. 12; Buciek, Stbg 2000, 109 (118). 2 Link in H/H/R, § 49 EStG Rz. 577; Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 48; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 35. 3 Gem. § 20 Abs. 8 EStG geht § 17 EStG und damit auch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG vor. 4 Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 48. 5 BFH v. 19.3.1996 – VIII R 15/94, BStBl. II 1996, 312; v. 18.5.2005 – VIII R 34/01, BStBl. II 2005, 857; Weber-Grellet in Schmidt35, § 17 EStG Rz. 55 (113); Wacker, DStR 2005, 2014 (2016). 6 Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 48. 7 Bruchteilsbetrachtung gem. § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO; vgl. BFH v. 9.5.2000 – VIII R 41/99, BStBl. II 2000, 686; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 35. 8 Link in H/H/R, § 49 EStG Rz. 577; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 35. 9 Zu Einzelheiten Weber-Grellet in Schmidt35, § 17 EStG Rz. 210 ff. 10 § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG. 11 Zum Internationalen Umwandlungssteuerrecht Rz. 20.1 ff.
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C. Beschränkte Steuerpflicht
tal- in Personengesellschaften durch die auch für beschränkt Steuerpflichtige geltende Einlagefiktion des § 5 Abs. 2 UmwStG entstehen, von der Reichweite des 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG erfasst.1 Eine Sonderregelung gilt für sog. sperrfristverhaftete Anteile (§ 22 Abs. 2 UmwStG): Werden sie innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist durch den übernehmenden Rechtsträger oder dessen Rechtsnachfolger veräußert oder liegt ein der Veräußerung gleich gestellter Vorgang (§ 22 Abs. 2 Satz 6 i.V.m. Abs. 1 Satz 6 UmwStG) vor, wird der Gewinn aus der Einbringung rückwirkend im Veranlagungszeitraum des Einbringungszeitpunktes besteuert (Einbringungsgewinn II). War der Einbringende zu diesem Zeitpunkt mit den eingebrachten Anteilen beschränkt steuerpflichtig, greift rückwirkend im Anwendungsbereich des § 17 EStG § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG ein.2 § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. bb EStG enthält eine Tatbestandserweiterung in den Fällen der Hinausverschmelzung (§ 13 Abs. 2 UmwStG), der grenzüberschreitenden Anteilseinbringung (§ 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 UmwStG) und des grenzüberschreitenden Wegzugs einer Kapitalgesellschaft in einen anderen EUStaat (§ 17 Abs. 5 Satz 2 EStG), soweit der Buchwert angesetzt worden ist. Sie ermöglicht bei späterer Veräußerung eine Nachversteuerung auch dann, wenn der Veräußerer im maßgeblichen Zeitpunkt nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist. Diese Nachversteuerung erfolgt, soweit die Steuerneutralität auf Art. 8 FRL beruht, unbeschadet entgegenstehender DBA (§§ 13 Abs. 2 Nr. 2, 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 UmwStG, § 17 Abs. 5 Satz 2 EStG).3 Es handelt sich um folgende Fälle:
6.210
Unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 UmwStG führt die Hinausverschmelzung insbesondere in EU- Staaten (§§ 122a ff. UmwG) auf Gesellschafterebene bei Buchwertfortführungen zu keiner Gewinnrealisierung, wenn Art. 8 FRL zur Anwendung kommt (Rz. 20.89 ff.). Die Steuerneutralität wird dadurch ermöglicht, dass bei beschränkt steuerpflichtigen Personen § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. bb EStG die beschränkte Steuerpflicht auf die Gewinne aus der (späteren) Veräußerung der durch die Hinausverschmelzung erworbenen Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft erstreckt. § 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 UmwStG erfasst die grenzüberschreitende Anteilseinbringung (Anteilstausch, soweit sie EUKapitalgesellschaften betrifft). Hiernach ist die grenzüberschreitende Anteilseinbringung (Anteilstausch) unter den Voraussetzungen des Art. 8 FRL auf Antrag steuerneutral durchzuführen, allerdings mit der Maßgabe, dass die Gewinne aus einer späteren Veräußerung der erhaltenen Anteile ungeachtet etwa entgegenstehender abkommensrechtlicher Regelungen in Deutschland so zu besteuern sind, wie die Veräußerung der Anteile der erworbenen Gesellschaft zu besteuern gewesen wäre (Rz. 20.92). Die Sicherstellung dieser Besteuerung erfolgt durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. bb EStG.
6.211
Gemäß § 17 Abs. 5 Satz 1 EStG steht zwar die grenzüberschreitende Sitzverlegung einer Kapitalgesellschaft deren Veräußerung gleich. Das gilt aber nicht in den Fällen einer Sitzverlegung einer Kapitalgesellschaft in einen anderen EU-
6.212
1 Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 35a; Schmitt in S/H/S7, § 5 UmwStG Rz. 30. 2 Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 35a; Schmitt in S/H/S7, § 22 UmwStG Rz. 127 f. 3 Hierzu Link in H/H/R, § 49 EStG Rz. 583; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 36; vgl. zum treaty overriding Rz. 3.24 f.
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Kap. 6 Einkommensteuer
Mitgliedstaat mit der Folge, dass insoweit auf eine Besteuerung verzichtet wird. Werden indessen zu einem späteren Zeitpunkt die Anteile an der weggezogenen Kapitalgesellschaft veräußert, ist der Veräußerungsgewinn ungeachtet etwaiger entgegenstehender Abkommensbestimmungen so zu besteuern, wie die Veräußerung dieser Anteile ohne Wegzug der Kapitalgesellschaft zu besteuern gewesen wäre (§ 17 Abs. 5 Satz 3 EStG i.V.m. Art. 8 FRL). Auch diese Besteuerung wird bei beschränkter Steuerpflicht durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. bb EStG sichergestellt. h) Vermietung und Verpachtung sowie Veräußerung von unbeweglichem Vermögen, Sachinbegriffen und Rechten Literatur Kommentare zu § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG; Bornheim, Einbeziehung ausländischer Grundstücksverkäufe in gewerblichen Grundstückshandel?, DStR 1998, 1773; Bron, Betriebsbegriff und beschränkte Steuerpflicht im Rahmen der Zinsschrankenregelung der §§ 4h und 8a KStG, IStR 2008, 14; Bron, Geänderte Besteuerung von gewerblichen Immobilieneinkünften beschränkt Steuerpflichtiger, DB 2009, 591; Gläser/Birk, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung beschränkt Steuerpflichtiger – Anmerkungen zum BMFSchreiben vom 16.5.2011, BStBl. I 2011, 530, IStR 2011, 762; Hendricks, § 49 Abs. 1 Nr. 2f EStG – Anwendungsbereich und Einkunftsermittlung, IStR 1997, 229; Huschke/Hartwig, Das geplante Jahressteuergesetz 2009: Auswirkungen auf Vermietungseinkünfte beschränkt steuerpflichtiger Kapitalgesellschaften, IStR 2008, 745; Lieber/Wagner, InboundInvestitionen in deutsches Immobilienvermögen aus steuerlicher Sicht, Ubg 2012, 229; Lüdicke, Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz: Die Besteuerung gewerblicher Veräußerungsgewinne beschränkt Steuerpflichtiger, DB 1994, 952; Mensching, Neufassung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG durch das Jahressteuergesetz 2009, DStR 209, 96; Töben/Lohbeck/Fischer, Aktuelle steuerliche Fragen im Zusammenhang mit Inbound-Investitionen in deutsches Grundvermögen, FR 2009, 151; Wassermeyer, Gesetzliche Neuregelung der Vermietung inländischen Grundbesitzes in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG, IStR 2009, 238.
6.213
§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG enthält zu § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG insoweit eine Tatbestandserweiterung, als zu den beschränkt steuerpflichtigen Einkünften aus Gewerbebetrieb (§§ 15 bis 17 EStG) die Gewinne aus der Vermietung und Verpachtung und aus der Veräußerung von inländischem unbeweglichem Vermögen, Sachinbegriffen oder bestimmten Rechten auch insoweit zählen, als hierfür weder eine Betriebsstätte noch ein ständiger Vertreter unterhalten wird.1 Diese Vorschrift ist in erster Linie darauf gerichtet, als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizierende Gewinne lückenlos zu erfassen und hierbei die Gewinne aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Veräußerung gleich zu behandeln. Um auch die Besteuerung insbesondere ausländischer Immobilienkapitalgesellschaften2 sicherzustellen, enthält § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. bb Satz 3 EStG eine den § 49 Abs. 2 EStG3 verdrängende4 Gewerblich1 § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG geht also vor; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 40. 2 Deren Buchführungspflicht gem. § 141 AO ist ernstlich zweifelhaft; BFH v. 15.10.2015 – I B 93/15, ISR 2016, 47 m. Anm. Richter/John = GmbHR 2016, 34. 3 Isolierende Betrachtungsweise. 4 Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 54; Bornheim, DStR 1998, 1773 (1777 f.); a.A. Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. E 664.
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C. Beschränkte Steuerpflicht
keitsfiktion1 für Gewinne aus der Veräußerung von Grundstücken.2 Über die vorgenannten Gewinne aus der Veräußerung von inländischen Immobilien hinaus werden aber auch die Gewinne aus der Veräußerung von Sachinbegriffen und bestimmten Rechten erfasst, womit letztlich unternehmerische Liefergewinne (Direktgeschäfte) auch ohne die international übliche Anknüpfung an eine Betriebsstätte oder an einen ständigen Vertreter der Besteuerung unterworfen werden.3 Da Deutschland die Besteuerungsbefugnis dieser abkommensrechtlich als Unternehmensgewinne (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA) zu qualifizierenden Veräußerungsgewinne in Abkommensfällen genommen ist, hat diese Regelung in der Praxis nur eine sehr eingeschränkte Bedeutung. Zum unbeweglichen Vermögen gehören Grundstücke, Gebäude, Gebäudeteile, Schiffe, soweit sie in einem inländischen Schiffsregister eingetragen sind, sowie grundstücksgleiche Rechte, etwa Erbbaurechte und Mineralgewinnungsrechte, ferner Wohnungseigentum nach dem WEG sowie in die inländische Luftfahrzeugrolle eingetragene Luftfahrzeuge,4 und zwar ohne Rücksicht darauf, ob diese Wirtschaftsgüter vor ihrer Veräußerung vermietet oder verpachtet wurden.5 Zu den Sachinbegriffen6 gehören solche Wirtschaftsgüter, die funktional und technisch so aufeinander abgestimmt sind, dass sie eine wirtschaftliche Einheit bilden, etwa eine Wohnungseinrichtung, der Maschinenpark oder eine Großrechenanlage.7 Zu den Rechten zählen schließlich insbesondere in- und ausländische schriftstellerische, künstlerische und gewerbliche Urheberrechte (vgl. § 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG), und zwar auch als verbrauchende Rechtsüberlassung wie z.B. die erschöpfende Nutzung zu Werbezwecken anlässlich einer Sportveranstaltung (Bandenwerbung).8 Die Gewinne aus der Vermietung und Verpachtung sowie der Veräußerung der vorgenannten Wirtschaftsgüter unterliegen allerdings nur dann der beschränkten Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG, wenn hierfür bestimmte inlandsbezogenen Anknüpfungsmerkmale erfüllt sind. Hiernach wird im Grundsatz auf die Belegenheit des unbeweglichen Vermögens, der Sachinbegriffe und der Rechte abgestellt (Belegenheitsprinzip). Daneben ist die Eintragung in ein öffentliches Buch oder Register maßgeblich. Schließlich knüpft die Besteuerung auch an die Verwertung in einer inländischen Betriebsstätte oder in einer anderen Einrichtung an.
6.214
§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG setzt voraus, dass die Veräußerungsgewinne den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§§ 15 bis 17 EStG) zuzuordnen sind. Während die Gewerblichkeit für ausländische Körperschaften gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. bb Satz 3 EStG fingiert wird, muss die Veräußerung
6.215
1 Kritisch zur Verankerung dieser Norm in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. bb Satz 3 EStG Lüdicke in Lademann, Vor § 49 EStG Rz. 6. 2 Die Gewerblichkeitsfiktion betrifft nicht auch Betriebsstätten, so dass sie ohne Auswirkung auf die GewSt ist; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 39; Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 54. 3 Zur Kritik Lüdicke, DB 1994, 952 (952). 4 BFH v. 2.5.2000 – IX R 71/96, BStBl. II 2000, 467. 5 Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 621 f.; Lüdicke in Lademann, Vor § 49 EStG Rz. 9; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. E 650; Hendricks, IStR 1997, 229 (229 f.). 6 Vgl. § 21 Abs. 1 Nr. 2 EStG. 7 Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 621. 8 Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 620; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 41.
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Kap. 6 Einkommensteuer
durch natürliche Personen oder durch Personengesellschaften, soweit an ihnen natürliche Personen beteiligt sind, nach allgemeinen Grundsätzen eine gewerbliche Tätigkeit sein.1 So ist die Gewerblichkeit etwa dann gegeben, wenn unbebaute und bebaute Grundstücke wiederholt innerhalb eines überschaubaren Zeitraums veräußert werden.2 Hierbei beurteilt sich die Gewerblichkeit sowohl nach in- als auch nach ausländischen Merkmalen mit der Folge, dass etwa bei der für die Abgrenzung zwischen Vermögensverwaltung einerseits und gewerblichem Grundstückshandel andererseits maßgeblichen sog. Drei-Objekte-Grenze3 auch Grundstücksverkäufe im Ausland zu berücksichtigen sind.4 6.216
§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG hat eine begrenzte Reichweite, weil nur die Gewinne aus der Vermietung und Verpachtung sowie der Veräußerung der dort bezeichneten Wirtschaftsgüter der Besteuerung unterworfen sind. So zählen etwa zu der Veräußerung im Sinne der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums5 zwar auch Übertragungen aufgrund von Kauf, Tausch, gemischten Schenkungen und Einbringungen in Kapitalgesellschaften oder Personengesellschaften gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten, ferner auch die zeitlich unbefristete und verbrauchende Überlassung von Rechten;6 nicht dazu zählen mangels Entgeltlichkeit aber die Einbringung in eine vermögensverwaltende Personengesellschaft, soweit dem Einbringenden die Beteiligung auch nach der Übertragung zuzurechnen ist (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO),7 und die verdeckte Einlage der vorbezeichneten Wirtschaftsgüter in eine Kapitalgesellschaft.8
6.217
Da § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG keine eigenständige Regelung darüber enthält, wie die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie der Veräußerungsgewinn zu ermitteln sind, gelten die allgemeinen für die Einkünfte aus Gewerbetrieb maßgeblichen Grundsätze (§§ 4 ff. EStG).9 Hieraus folgt: Die Ein1 Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 615, 617; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 43. 2 Zum gewerblichen Grundstückshandel Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 47 ff.; BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434. 3 BMF v. 26.3.2004 – IV A 6 - S 2240 - 46/04, BStBl. I 2004, 434, Tz. 5 ff. 4 § 49 Abs. 2 EStG (isolierende Betrachtungsweise) greift hier nicht ein, weil ausländische Besteuerungsmerkmale nur insoweit ausscheiden, als bei ihrer Berücksichtigung inländische Einkünfte nicht angenommen werden könnten (Rz. 6.155 f.); im Ergebnis ebenso Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 615; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 43, Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 119. 5 Vgl. BFH v. 5.6.2002 – I R 81/00, BStBl. II 2004, 344; Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 620; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 42; Hinweis: Die Beteiligung an einer vermögensverwaltenden Personengesellschaft steht den betreffenden Wirtschaftsgütern gleich – bruchteilsmäßiger Durchgriff – (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG in der ab VZ 2017 geltenden Fassung). 6 Zu Einzelheiten Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 620. 7 BFH v. 6.10.2004 – IX R 68/01, BStBl. II 2005, 324; Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 620. 8 BFH v. 5.6.2002 – I R 81/00, BStBl. II 2004, 344; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. E 656; im Gegensatz zu § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG fehlt in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG eine dem § 17 Abs. 1 Satz 2 EStG entsprechende Regelung; vgl. im übrigen den Negativkatalog bei Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 620 und Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 42. 9 BFH v. 5.6.2002 – I R 81/00, BStBl. II 2004, 344; Peffermann in H/H/R, § 49 EStG Rz. 633; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 45.
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C. Beschränkte Steuerpflicht
künfte aus Vermietung und Verpachtung sind entweder durch Einnahme-Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) oder durch Betriebsvermögensvergleich (§§ 4 Abs. 1, 5 EStG) zu ermitteln, wobei die spezifisch betriebsbezogenen Gewinnermittlungsvorschriften (z.B. § 4h EStG) außer Betracht bleiben, weil § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG zwar gewerbliche Einkünfte, nicht aber einen Betrieb fingiert.1 Veräußerungsgewinn ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungs- oder Herstellungskosten2 abzgl. der in Anspruch genommenen AfA übersteigt.3 Der so ermittelte Veräußerungsgewinn ist für den beschränkt Steuerpflichtigen im Zuge einer Veranlagung der Besteuerung zuzuführen. Besonderheiten im Besteuerungsverfahren gibt es insoweit nicht. Insbesondere greift der Steuerabzug gem. § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG nicht ein, da diese Vorschrift nur für die Nutzungsüberlassung des Rechts auf Nutzung von Rechten, insbesondere von Urheberrechten und gewerblichen Schutzrechten, nicht aber für die Veräußerung4 derselben eingreift. Nach den Regeln der DBA bleibt die Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Grundvermögen Deutschland als Belegenheitsstaat vorbehalten (Art. 13 Abs. 1 OECD-MA; Rz. 19.381 ff.). Da allerdings Schiffe und Luftfahrzeuge abkommensrechtlich nicht als unbewegliches Vermögen gelten (Art. 13 Abs. 1; Art. 6 Abs. 2 OECD-MA), entfällt insoweit im Ergebnis die Besteuerung gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG (Art. 13 Abs. 2, 3; Art. 23A OECD-MA). Das gilt auch für die Gewinne aus der Veräußerung der übrigen in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG genannten Wirtschaftsgüter (Art. 13 Abs. 2; Art. 23A OECD-MA).
6.218
i) Vermittlung von Berufssportlern Literatur Kommentare zu § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. g EStG; Gradl, Steuern und Sport – Besteuerungsfragen bei Profisportlern, IWB 2014, 489; Haase/Brändel, Rechtsübertragung versus Nutzungsüberlassung – Steuerabzug bei Spielerleihe und Spielertransfer, IWB 2010, 795; Holthaus, Hin und Her beim Spielertransfer, PIStB 2011, 130; Kraft, Die Gelegenheitsverschaffung zur Vertragsverpflichtung von Berufssportlern im Inland, IStR 2011, 486; Schlotter/ Degenhart, Besteuerung von Transferentschädigungen und Entgelten für Spielerleihen nach dem JStG 2010, IStR 2011, 457.
§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. g EStG ist eine selektive Ergänzung im Katalog der inländischen Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Hiernach unterliegen Einkünfte, die aus der Verschaffung der Gelegenheit erzielt werden, einen Berufssportler als solchen im Inland vertraglich zu verpflichten, der beschränkten Einkommensteuerpflicht. Es geht um die Erfassung aus Transfergeschäften im Profi-Sportbereich, ohne dass hierfür eine inländische Anknüpfung im Rahmen einer Betriebsstätte 1 Ebenso Gosch, in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 46; Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 59; Huschke/Hartwig, IStR 2008, 745 (749); Bron, IStR 2008, 14 (18). 2 Bei vor dem 1.1.1994 angeschafften Wirtschaftsgütern ist auf den Teilwert zu diesem Zeitpunkt abzustellen; BFH v. 5.6.2002 – I R 81/00, BStBl. II 2004, 344; v. 22.8.2006 – I R 6/06, BFH/NV 2007, 127. 3 Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 45. 4 Nutzungsüberlassung und Überlassung des Rechts auf Nutzung ist nicht Veräußerung; vgl. BFH v. 16.5.2001 – I R 64/99, BStBl. II 2003, 641; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 48.
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Kap. 6 Einkommensteuer
oder eines ständigen Vertreters gegeben ist. Im Hinblick darauf ist § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. g EStG subsidiär.1 Diese auf die Schließung von Lücken gerichtete Sonderregelung beruht auf der Rechtsprechung des BFH2, wonach das ausländischen Vereinen gezahlte Entgelt für den Transfer und die Leihe von Berufssportlern (Profi-Fußball) nicht unter den Einkünftekatalog des § 49 Abs. 1 EStG, insbesondere nicht unter § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG fällt. 6.220
Der weitgehende Wortlaut des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. g EStG erfasst jedwedes Entgelt für die dem inländischen Verein verschaffte Gelegenheit, eine neue Spielererlaubnis für den Sportler zu erhalten sowie eine entsprechende vertragliche Bindung mit dem Sportler einzugehen.3 Wer das Entgelt an wen zahlt, ist unerheblich.4 Da es bloß auf die Verschaffung der Gelegenheit zur Verpflichtung ankommt, spielt es auch keine Rolle, ob der betreffende ausländische Spieler tatsächlich verpflichtet wird.5 Nicht erfasst werden dagegen Entgelte, die darüber hinaus und zwar im Zusammenhang mit der Spielerleihe oder dem Spielertransfer, aber für eine andere Leistung entrichtet werden. Dazu gehören Handgelder an den ausländischen Berufssportler6 sowie Entgelte für Spielerberater7 oder für Spielervermittler.8
6.221
Der für die beschränkte Steuerpflicht erforderliche Inlandsbezug wird durch die vertragliche Verpflichtung im Inland hergestellt. Gemeint ist damit die vertragliche Verpflichtung des Berufssportlers, für einen inländischen Sportverein/Veranstalter zu spielen bzw. aufzutreten. Auf den Ort des Vertragsabschlusses selbst kommt es daher nicht an.9
6.222
Soweit die Freigrenze von 10 000 Euro pro Transfergeschäft überschritten ist, sind die Einkünfte insgesamt der beschränkten Steuerpflicht zu unterwerfen. Die Besteuerung selbst erfolgt im Falle der Spielerleihe im Hinblick über den begrenzten Zeitraum der Verpflichtung im Wege des Steuerabzugs (§ 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG) und im Falle eines (endgültigen) Spielertransfers im Rahmen der Veranlagung.10 Die praktische Bedeutung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. g EStG ist im Hinblick auf die Schrankenwirkungen der DBA begrenzt, weil insbesondere Art. 17 OECD-MA (Künstler und Sportler) sowie Art. 12 OECD-MA (Lizenzgebühren) nicht einschlägig sind und Art. 7 OECD-MA (Unternehmensgewinne)
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Link/Hagena in H/H/R, § 49 EStG Rz. 637a. BFH v. 27.5.2009 – I R 86/07, BStBl. II 2010, 120. Link/Hagena in H/H/R, § 49 EStG Rz. 638a. Link/Hagena in H/H/R, § 49 EStG Rz. 638, 638a. Link/Hagena in H/H/R, § 49 EStG Rz. 638a; Frotscher in Frotscher/Geurts, 49 EStG Rz. 215b. Link/Hagena in H/H/R, § 49 EStG Rz. 638a; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 140b. Link/Hagena in H/H/R, § 49 EStG Rz. 638a; Schlotter/Degenhart, IStR 2011, 457 (461); a.A. Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 65; Kraft, IStR 2011, 486 (488). Link/Hagena in H/H/R, § 49 EStG Rz. 638a; a.A. Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 65. Link/Hagena in H/H/R, § 49 EStG Rz. 638b; Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 64; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 140b; a.A. Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 49d; Schlotter/Degenhart, IStR 2011, 457 (462). Link/Hagena in H/H/R, § 49 EStG Rz. 637c; Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 68; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 140b; Schlotter/Degenhart, IStR 2011, 457 (462 f).
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C. Beschränkte Steuerpflicht
nicht eingreift, weil in aller Regel im Inland weder eine Betriebsstätte noch ein ständiger Vertreter unterhalten wird.1 3. Einkünfte aus selbständiger Arbeit Literatur Kommentare zu § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG; Görl, Die freien Berufe im Internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, München 1983; Grams, Besteuerung von beschränkt steuerpflichtigen Künstlern, Herne/Berlin 1999; Grossmann, Die Besteuerung des Künstlers und Sportlers im internationalen Verhältnis, Bern/Stuttgart/Wien 1992; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, Herne/Berlin 1991; Mody, Die deutsche Besteuerung international tätiger Künstler und Sportler, Baden-Baden 1994; Schauhoff/Cordewener/ Schlotter, Besteuerung ausländischer Künstler und Sportler in der EU, München 2008; Thulfaut, Die Besteuerung international tätiger Anwaltssozietäten, Frankfurt/M. 2005; Wübbelsmann, Die beschränkte Steuerpflicht der Freiberufler, Köln/München 2008.
Die beschränkte Einkommensteuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG knüpft bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG)2 an die Ausübung und an die Verwertung sowie an eine feste Einrichtung und Betriebsstätte im Inland an. Im Unterschied zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb ergibt sich im Grundsatz eine lückenlose Erfassung freiberuflicher Tätigkeit im Inland.
6.223
Damit wird erneut deutlich, dass die inlandsqualifizierten Anknüpfungsmerkmale bei den einzelnen Einkunftsarten im Rahmen des § 49 Abs. 1 EStG keiner einheitlichen Konzeption folgen. So ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen ein gewerblich tätiger Unternehmensberater für seine Beratungstätigkeit im Inland nicht beschränkt steuerpflichtig sein soll, während der freiberuflich tätige Steuerberater für seine vergleichbare Tätigkeit im Inland gem. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG zur Steuer herangezogen wird. Für diese gleichheitswidrige Differenzierung gibt es keinen rechtfertigenden Grund, so dass ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gegeben ist.3 Die Ungleichbehandlung zwischen beschränkt steuerpflichtigen Gewerbetreibenden einerseits und Freiberuflern andererseits wird noch durch den Verwertungstatbestand in § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG verschärft. Abgesehen von dem in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG normierten Verwertungstatbestand, gibt es hierfür im Bereich der Einkünfte aus Gewerbebetrieb keine Parallele. So fällt unter den Verwertungstatbestand etwa die Veräußerung von Berichten über im Ausland erstellte Marktanalysen im Inland durch freiberufliche Berater4 oder etwa der Verkauf im Ausland gemalter Bilder im Inland durch Künstler.5 Dem Verwertungstatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG entspräche es, wenn der Verkauf im Ausland produzierter Güter im Inland bei den Einkünf-
6.224
1 Vgl. Link/Hagena in H/H/R, § 49 EStG Rz. 637b; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 49f; Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 68; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 140b; Schlotter/Degenhart, IStR 2011, 457 (463 f.). 2 Alle Tatbestandsmerkmale des § 18 EStG müssen erfüllt sein. 3 Hierzu Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 50; Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 72; Lüdicke, DStR 2008, Beihefter zu Heft 17, 1 (27). 4 BFH v. 12.11.1986 – I R 69/83, BStBl. II 1987, 379. 5 BFH v. 12.11.1986 – I R 268/83, BStBl. II 1987, 372; v. 20.7.1988 – I R 174/85, BStBl. II 1989, 87; OFD Frankfurt v. 19.2.2004, DB 2004, 1016.
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Kap. 6 Einkommensteuer
ten aus Gewerbebetrieb ebenfalls der beschränkten Steuerpflicht unterworfen würde. 6.225
Das Anknüpfungsmerkmal Ausübung verlangt grundsätzlich eine persönliche Tätigkeit im Inland.1 Neben diesen aktiven Leistungen fallen auch passive Leistungen unter den Ausübungstatbestand. Hierzu zählt etwa das Unterlassen einer Konkurrenztätigkeit. Diese Leistungen werden dort erbracht, wo der Leistende sich aufhält bzw. dort, wo keine Konkurrenz entfaltet werden darf.2 Dies setzt regelmäßig eine physische Anwesenheit des Steuerpflichtigen im Inland voraus, wobei allerdings die Eigenarten der betreffenden Tätigkeit zu berücksichtigen sind.3 Daher wird eine selbständige Arbeit im Inland auch dann ausgeübt, wenn hier zwar der Steuerpflichtige nicht selbst, für ihn aber angestellte Mitarbeiter oder freiberufliche Partner tätig sind.4 Eine nachhaltige Tätigkeit im Inland ist nicht erforderlich.5 Bei Künstlern oder Schriftstellern ist hierbei auf die eigentliche schöpferische Leistung abzustellen.6 Bei Erfindern kommt es darauf an, von wo aus diese ihre Erfinderideen planmäßig verwirklichen bzw. ihre Rechte aus den von ihnen abgeschlossenen Lizenzverträgen geltend machen.7 Bei Rechtsanwälten und Steuerberatern ist schließlich darauf abzustellen, wo etwa die Prozessvertretung oder die Beratung erfolgt.8 Wird die selbständige Arbeit nur zum Teil im Inland ausgeübt, sind die Einkünfte entsprechend aufzuteilen, so dass bei teilweiser Ausübung im Inland ggf. eine Aufteilung der Entgelte zu erfolgen hat.9
6.226
Verwertung setzt einen über die eigentliche Leistung hinausgehenden Vorgang voraus, ein körperliches oder geistiges Produkt, das der Steuerpflichtige selbst (Personengleichheit) dem Inland zuführt.10 Hierunter fallen vor allen Dingen Vorgänge, die durch § 15 UrhG erfasst sind, wonach der Urheber das ausschließliche Recht hat, sein Werk in körperlicher Form insbesondere zu verwerten, d.h. zu vervielfältigen, zu verbreiten und auszustellen. Um überhaupt eine Abgrenzung zwischen Tätigkeit einerseits und Verwertung andererseits zu ermöglichen, kann unter Verwerten nur ein Nutzbarmachen gemeint sein, das an einem Ort 1 BFH v. 12.11.1986 – I R 268/83, BStBl. II 1987, 372; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 57. 2 BFH v. 9.9.1970 – I R 19/69, BStBl. II 1970, 867; v. 9.11.1977 – I R 254/75, BStBl. II 1978, 195; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 51. 3 BFH v. 12.11.1986 – I R 268/83, BStBl. II 1987, 372; v. 11.4.1990 – I R 82/86, BFH/NV 1991, 143; Übermittlung per Videokonferenz oder sonstiger elektronischer Medien ins Inland reicht nicht aus; hierzu Strunk in Korn, § 49 EStG Rz. 166. 4 BFH v. 27.6.1985 – I R 22/81, BFH/NV 1985, 17; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 545. 5 Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 670. 6 BFH v. 28.2.1973 – I R 145/70, BStBl. II 1973, 660; v. 12.11.1986 – I R 268/83, BStBl. II 1987, 372; v. 15.2.1990 – IV R 13/89, BStBl. II 1990, 621; zu weiteren Einzelheiten Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, 90 ff. 7 BFH v. 20.11.1974 – I R 1/73, BFHE 114, 530; v. 13.10.1976 – I R 261/70, BStBl. II 1977, 76; v. 11.4.1990 – I R 82/86, BFH/NV 1991, 143. 8 Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 672, dort auch zu weiteren Einzelfällen. 9 BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663; Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 73. 10 BFH v. 12.11.1986 – I R 38/83, BStBl. II 1987, 377, 379; v. 12.11.1986 – I R 69/83, BStBl. II 1987, 379; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 53.
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C. Beschränkte Steuerpflicht
geschieht, der von dem der Tätigkeit abweicht.1 Anderenfalls hätte es des Anknüpfungsmerkmals der Verwertung neben der Ausübung nicht bedurft. Das Anknüpfungsmerkmal der Ausübung stellt den Grundtatbestand dar, wohingegen das Anknüpfungsmerkmal der Verwertung zurücktritt, so dass der Verwertungstatbestand auf die Fälle beschränkt ist, in denen das Anknüpfungsmerkmal der Ausübung im Inland nicht erfüllt ist.2 Im Ergebnis greift der Verwertungstatbestand daher nur dann ein, wenn eine im Ausland ausgeübte Tätigkeit durch eine zusätzliche Handlung im Inland verwertet wird. Das ist dann stets der Fall, wenn durch die im Ausland ausgeübte Tätigkeit ein selbständig verwertbares Recht geschaffen wird, das im Inland nutzbar gemacht wird. Hierzu gehören neben Urheberrechten auch Patente und Know-how.3 So erfolgt etwa die Verwertung von Erfindungen durch Lizenzvergabe an einen inländischen Lizenznehmer4 und die Verwertung schriftstellerischer Tätigkeit durch Überlassung der Autorenrechte an einen inländischen Verlag.5 Die Quellensteuer bei inländischer Tätigkeit und bei inländischer Verwertung im Zusammenhang mit künstlerischen, sportlichen, artistischen, unterhaltenden oder ähnlichen Darbietungen sowie bei Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung von Rechten beträgt 15 % der Einnahmen (§ 50a Abs. 2 Satz 1 EStG) und in den Fällen des Steuerabzugs auf Nettobasis 30 bzw. 15 % (§ 50a Abs. 3 EStG).
6.227
Die Anknüpfung an eine im Inland unterhaltene feste Einrichtung6 oder Betriebsstätte (§ 12 Satz 1 AO) zielt im Wesentlichen auf grenzüberschreitend tätige, freiberufliche Personengesellschaften7 ab, wodurch die ausländischen Gesellschafter mit ihren auf die inländische feste Einrichtung oder Betriebsstätte entfallenden Gewinnanteilen der beschränkten Steuerpflicht unabhängig davon unterworfen werden, ob sie auch selbst im Inland persönlich tätig sind.8
6.228
Zu den inländischen Einkünften aus selbständiger Arbeit gehören auch Gewinne aus der Veräußerung von Betriebsvermögen sowie Gewinne aus der Veräußerung oder Aufgabe des der selbständigen Arbeit dienenden Betriebes.9 Schließlich fallen auch nachträglich erzielte Einkünfte unter § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG.10
6.229
1 BFH v. 12.11.1986 – I R 38/83, BStBl. II 1987, 377, 379, 381, 383; v. 5.11.1992 – I R 41/92, BStBl. II 1993, 407. 2 BFH v. 12.11.1986 – I R 268/83, BStBl. II 1987, 372; Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 685; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 54. 3 Zur Verwertung der Arbeit von Künstlern und Berufssportlern im Einzelnen Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, 105 ff. 4 BFH v. 13.10.1976 – I R 21/70, BStBl. II 1977, 76; R 49.2 EStR. 5 Vgl. BFH v. 20.7.1988 – I R 174/85, BStBl. II 1989, 87; Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 681, dort auch zu weiteren Einzelfällen. 6 Im Sinne von Art. 14 OECD-MA a.F.; zu Einzelheiten Rz. 19.404 ff. 7 Bei ausländischen Personengesellschaften ist die Qualifikation aus deutscher Sicht maßgeblich (Typenvergleich); vgl. hierzu Rz. 21.114 ff. 8 Sog. Betriebsstättenmodelle; vgl. BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751;v. 26.2. 2014 – I R 56/12, BStBl. II 2014, 703; Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 693; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 50; anders zu Art. 14 DBA-USA BFH v. 25.11.2015 – I R 50/14, ISR 2016, 198 m. Anm. Richter/Kater = BFH/NV 2016, 977 (Ausübungsmodell). 9 BFH v. 12.10.1978 – I R 69/75, BStBl. II 1979, 64; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 52. 10 BFH v. 12.10.1978 – I R 69/75, BStBl. II 1979, 64; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 52; Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 677, 682.
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Kap. 6 Einkommensteuer
6.230
Auf der Ebene von DBA wird die beschränkte Steuerpflicht weitgehend eingeschränkt, weil diese durchweg nicht auf die Verwertung abstellen und zudem die bloße Tätigkeit nicht ausreichen lassen, sondern vielmehr eine dem Steuerpflichtigen regelmäßig zur Verfügung stehende Einrichtung (Betriebsstätte) verlangen.1 4. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit Literatur Kommentare zu § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG; Anger/Wagemann, Steuerliche Behandlung des Arbeitslohns nach den Doppelbesteuerungsabkommen, IWB 2015, 49; Berkes, Die beschränkte Steuerpflicht der Arbeitnehmer im System des Einkommensteuergesetzes, Frankfurt/Bern/New York/Paris 1991; Grossmann, Die Besteuerung des Künstlers und Sportlers im internationalen Verhältnis, Bern/Stuttgart/Wien 1992; Gümbel, Die Besteuerung von Abfindungen an beschränkt Steuerpflichtige, IStR 2009, 889; Kölbl/Roß-Kirsch, Abfindungen bei Aufhebungsverträgen im In- und Ausland, IWB 2014, 711; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, Herne/Berlin 1991; Neyer, Erweiterung des Umfangs der beschränkten Steuerpflicht: § 49 Abs. 1 Nr. 4d EStG n.F., IStR 2004, 403; Neyer, Die bezahlte Untätigkeit im internationalen Steuerrecht, IStR 2001, 587; Neyer/Schlepper, Deutsche Besteuerung von Entlassungsentschädigungen beim international mobilen Arbeitnehmer, FR 2011, 648; Portner, Die Besteuerung von Abfindungen auf der Grundlage des DBA mit Belgien und den Niederlanden, IStR 2008, 584; Schauhoff/Cordewener/Schlotter, Besteuerung ausländischer Künstler und Sportler in der EU, München 2008; Schwerdtfeger, Änderung der beschränkten Steuerpflicht für Geschäftsführer, Vorstände und Prokuristen im Rahmen des Steueränderungsgesetzes 2001, IStR 2002, 361; Steinhäuser, Internationale Aspekte der Besteuerung von Arbeitnehmererfindungen, Baden-Baden 2004; Steinhäuser, Die Besteuerung der Einkünfte leitender Angestellter nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c EStG, FR 2003, 652; Urbahns, Die Besteuerung der Arbeitslöhne von Bordpersonal auf Schiffen und Flugzeugen, NWB 2013, 3749; Vetter/Lünen, Einführung eines neuen Besteuerungstatbestandes im Bereich der beschränkten Einkommensteuerpflicht – § 49 Abs. 1 Nr. 4e EStG, RIW 2007, 300; Wiek, Arbeitnehmerentsendung zwischen Deutschland und den Niederlanden, Hamburg 2008.
6.231
Die beschränkte Steuerpflicht knüpft bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit an die Merkmale der Ausübung oder der Verwertung im Inland, der Zahlung aus inländischen öffentlichen Kassen, der Tätigkeit als Geschäftsführer, Prokurist oder Vorstandsmitglied einer Gesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland, der Auflösung eines Dienstverhältnisses, soweit die für die zuvor ausgeübte Tätigkeit bezogenen Einkünfte der inländischen Besteuerung unterlegen haben und der an Bord eines im internationalen Luftverkehr eingesetzten Luftfahrzeugs ausgeübten Tätigkeit, soweit das Luftfahrzeug von einem Unternehmen mit Geschäftsleitung im Inland betrieben wird, an. Die Anknüpfungsmerkmale Ausübung und Verwertung in § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG sind mit denen in § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG identisch. Im Hinblick darauf gelten die dortigen Ausführungen (Rz. 6.223) entsprechend. Regelmäßig wird der für das Anknüpfungsmerkmal Ausübung maßgebliche Tätigkeitsort durch den Ort der Arbeitsausübung fixiert. Der ist in aller Regel dort, wo sich die betreffende Person physisch aufhält und die Berufstätigkeit persönlich ausübt.2 Wird die Tätigkeit sowohl im Inland als auch 1 Art. 14 OECD-MA a.F.; Art. 7 OECD-MA 2000; zu Einzelheiten Rz. 19.412 ff. 2 BFH v. 21.1.1983 – VI R 87/79, BStBl. II 1983, 224; v. 29.1.1986 – I R 22/85, BStBl. II 1986, 479; Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 740.
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C. Beschränkte Steuerpflicht
im Ausland ausgeübt, ist der hierfür gezahlte Arbeitslohn nach Veranlassungsgesichtspunkten im Zweifel nach Maßgabe der im In- und Ausland geleisteten Arbeitstagen aufzuteilen.1 Das gilt auch dann, wenn die Tätigkeit etwa im Inland nur kurzfristig bzw. vorübergehend ist.2 Krankheits- oder urlaubsbedingte Unterbrechungen sind der inländischen Tätigkeit zuzuordnen, soweit ein Veranlassungszusammenhang (z.B. Arbeitsunfall) hiermit gegeben ist.3 Die Ausübung nichtselbständiger Arbeit kann auch passiver Natur sein. Hierzu zählen etwa das Zurverfügungstehen und Bereithalten sowie das Einhalten eines Wettbewerbsverbots.4 Diese passiven Leistungen werden dort erbracht, wo der Leistende sich aufhält bzw. dort, wo keine Tätigkeit bei einem Wettbewerber ausgeübt werden darf.5 Zu den unter den Ausübungstatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG fallenden Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören auch Einkünfte für eine früher im Inland ausgeübte Tätigkeit (nachträgliche Einkünfte),6 insbesondere betriebliche Altersruhegelder7, nachträglich gezahlte Tantiemen8 und Erfindervergütungen.9 Einnahmen aus der Ausübung von stock options zählen ebenfalls zu den inländischen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit, soweit sie hierauf zeitanteilig entfallen.10
6.232
Aus im öffentlichen Interesse liegenden wettbewerbs-, kultur- oder sportpolitischen Gründen kann die Einkommensteuer gem. § 50 Abs. 4 EStG ganz oder zum Teil erlassen oder in einem Pauschalbetrag festgesetzt werden.11
6.233
Der für das Anknüpfungsmerkmal Verwertung maßgebliche Ort ist dort, wo der Arbeitnehmer das Ergebnis seiner nichtselbständigen Arbeit seinem Arbeitgeber zuführt.12 Da der Arbeitnehmer stets allein als Verwerter in Betracht kommt, ist auf andere Personen nicht abzustellen.13 Der Verwertungstatbestand ist ggü. dem Ausübungstatbestand subsidiär.14 Hieraus folgt, dass die Verwertung im Inland als Anknüpfungsmerkmal für die beschränkte Steuerpflicht nur dann in Betracht kommt, wenn die nichtselbständige Arbeit im Ausland ausgeübt wird. Erfasst werden damit etwa die ausländischen Tätigkeiten von Auslandskorrespondenten und Bildberichterstattern, soweit deren Berichte im inländischen Fernsehen ausgestrahlt oder in inländischen Zeitungen oder Zeitschriften abgedruckt werden.15
6.234
1 Zu Einzelheiten Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 795. 2 BFH v. 29.1.1986 – I R 22/85, BStBl. II 1986, 479; v. 14.12.1988 – I R 148/87, BStBl. II 1989, 319; v. 27.11.1992 – VI R 95/90, BFH/NV 1993, 365; v. 7.5.1993 – VI R 98/92, BFH/NV 1994, 91. 3 Hierzu mit z.T. a.A. Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 737. 4 Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 735. 5 Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 740 m.w.N. 6 Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 746; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 64. 7 BFH v. 18.2.1954 – IV 174/53 U, BStBl. III 1954, 130. 8 BFH v. 27.1.1972 – I R 37/70, BStBl. II 1972, 459. 9 BFH v. 21.10.2009 – I R 70/08, BFH/NV 2010, 350. 10 Auf den Zuflusszeitpunkt kommt es nicht an; Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 746. 11 Vgl. H 50 EStH; Beispiele bei Wied in Blümich, § 50 EStG Rz. 126. 12 BFH v. 12.11.1986 – I R 38/83, BStBl. II 1987, 377; v. 12.11.1986 – I R 69/93, BStBl. II 1987, 379. 13 BFH v. 12.11.1986 – I R 38/83, BStBl. II 1987, 377; v. 12.11.1986 – I R 69/93, BStBl. II 1987, 379. 14 BFH v. 12.11.1986 – I R 268/83, BStBl. II 1987, 372. 15 Zu weiteren Einzelfällen Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 751.
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Kap. 6 Einkommensteuer
6.235
Die Besteuerung aufgrund der Verwertung der Arbeit im Inland ist durch verschiedene Verwaltungsanweisungen auf der Grundlage des § 50 Abs. 4 EStG (Billigkeitsmaßnahmen) stark eingeschränkt worden. So ergibt sich aus dem sog. Auslandstätigkeitserlass,1 dass unter bestimmten Voraussetzungen bei beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern auch ohne Nachweis einer entsprechenden ausländischen Steuerbelastung Steuerbefreiung eintritt. Diese Billigkeitsmaßnahmen sind vor dem Hintergrund des kollisionsbegründenden Charakters des Verwertungstatbestandes des § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG zu sehen. Im Hinblick darauf, dass international, vor allem auf der Ebene von DBA, bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit allein die Tätigkeit als Anknüpfungsmerkmal Bedeutung hat (Arbeitsortprinzip; Rz. 19.424 ff.), wird aus Gründen der Vermeidung der Doppelbesteuerung im Ergebnis der Verwertungstatbestand weitgehend eliminiert.
6.236
Als drittes inlandsbezogenes Anknüpfungsmerkmal enthält § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG die öffentlichen Kassen. Danach gehören zu den beschränkt steuerpflichtigen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit auch Einkünfte, die aus inländischen öffentlichen Kassen2 einschließlich der Kassen des Bundeseisenbahnvermögens3 und der Deutschen Bundesbank mit Rücksicht auf ein gegenwärtiges oder früheres Dienstverhältnis gewährt werden, ohne dass ein unmittelbarer Zahlungsanspruch ggü. der inländischen öffentlichen Kasse bestehen muss.4 Dieses Anknüpfungsmerkmal entspricht weit gehend dem sog. öffentlichen Kassenprinzip, das international allgemein üblich ist. Es folgt dem Grundgedanken, dass kein Staat gezwungen sein soll, die zu Lasten seines Haushalts gezahlten Beträge aus seiner eigenen Besteuerungshoheit zu entlassen. Dieses Kassenprinzip ist auch in Art. 19 OEDC-MA verankert, wonach im Grundsatz die Besteuerung dem Kassenstaat vorbehalten bleibt (Kassenstaatsprinzip). Voraussetzung ist zumindest aber,5 dass der Kassenstaat zugleich auch Dienstherr ist, was § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b EStG nicht verlangt. Für diese Fälle fingiert § 50d Abs. 7 EStG ein Dienstverhältnis, um so die beschränkte Steuerpflicht auch in Abkommensfällen aufrecht zu erhalten.
6.237
Vierter Anknüpfungspunkt ist die Tätigkeit als Geschäftsführer, Prokurist oder Vorstandsmitglied einer Gesellschaft mit Geschäftsleitung im Inland (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c EStG). Erfasst werden auch Geschäftsführer und Prokuristen von Personengesellschaften, soweit die betreffenden Personen nicht zugleich auch Gesellschafter sind, weil sonst ihre Einkünfte nicht als solche aus nichtselbständiger Arbeit zu qualifizieren sind.6 Ob die (gegenwärtige oder nachträgliche)Vergütung unmittelbar von der inländischen Gesellschaft selbst oder aber etwa von einer ausländischen Konzernobergesellschaft gezahlt wird, spielt keine Rolle.7 1 BMF v. 31.10.1983 – IV B 6 - S 2293 - 50/83, BStBl. I 1983, 470; hierzu auch Rz. 6.96 ff. 2 Hierzu die Übersicht bei Bergkemper in H/H/R, § 3 Nr. 12 EStG Rz. 13. 3 Vergütungen an Nichtbeamte, die unmittelbar seitens der Deutsche Bahn AG gewährt werden, fallen nicht hierunter. 4 Erfasst werden insbesondere Bedienstete des Goethe-Instituts und des akademischen Austauschdienstes; vgl. BFH v. 14.11.1986 – VI R 209/82, BStBl. II 1989, 351; v. 13.8.1997 – I R 65/95, BStBl. II 1998, 21; zu weiteren Einzelheiten Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 761. 5 Vgl. die Abkommensübersicht bei Dürrschmidt in V/L6, Art. 19 OECD-MA Rz. 36. 6 Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 779; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 165; Strunk in Korn, § 49 EStG Rz. 178. 7 Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 67.
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C. Beschränkte Steuerpflicht
Fünfter Anknüpfungspunkt ist die Auflösung eines Dienstverhältnisses, soweit die für die zuvor ausgeübte Tätigkeit bezogenen Einkünfte der inländischen Besteuerung unterlegen haben (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. d EStG). Erfasst werden Entlassungsentschädigungen i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG. Voraussetzung ist, dass die Einkünfte aus der vorangegangenen nichtselbständigen Tätigkeit der unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht unterlegen haben, wobei unerheblich ist, ob die vorangegangene Besteuerung abkommensrechtlichen Schrankenwirkungen ausgesetzt war.1 Erfasst werden damit im Wesentlichen diejenigen Fälle, in denen ein Arbeitnehmer, bevor er aus seinem Dienstverhältnis ausscheidet, seinen Wohnsitz in das Ausland verlegt, um danach die Entlassungsentschädigung zu vereinnahmen. War dagegen der betreffende Arbeitnehmer durchgängig im Ausland ansässig und erhält er eine Entlassungsentschädigung, die sowohl seine vorangegangene nichtselbständige Tätigkeit im Inland als auch diejenige im Ausland erfasst, hat eine entsprechende Aufteilung zu erfolgen.2
6.238
Das letzte Anknüpfungsmerkmal betrifft die Tätigkeit an Bord eines im internationalen Luftverkehr eingesetzten, durch ein Unternehmen mit inländischer Geschäftsleitung betriebenen Luftfahrzeugs (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. e EStG). Diese Regelung erfasst im Wesentlichen die Einkünfte ausländischen Bordpersonals von Flugzeugen inländischer Luftfahrtunternehmen. Die beschränkte Steuerpflicht erstreckt sich hierbei auch auf diejenigen Einkünfte des Bordpersonals, die anteilig auf das Ausland entfallen. Ohne diese weit gehende Regelung entstünden sog. weiße Einkünfte (Rz. 15.10), weil gem. Art. 15 Abs. 3 OECD-MA das Besteuerungsrecht für Einkünfte des Bordpersonals unabhängig vom Ausübungsort allein dem Staat zusteht, in dem sich der Ort der Geschäftsleitung des Luftfahrtunternehmens befindet.3 Eine entsprechende Arbeitsortfiktion für Schiffspersonal, deren Vergütungen ebenfalls dem Art. 15 Abs. 3 OECD-MA unterfallen, fehlt indessen.4
6.239
Die Zuteilungsnormen der DBA stellen bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit lediglich auf die Anknüpfungsmerkmale der Tätigkeit und der öffentlichen Kasse ab. Die Besteuerung aufgrund der Verwertung, der Tätigkeit als Geschäftsführer, Prokurist oder Vorstandsmitglied und der Auflösung eines Dienstverhältnisses im Inland (Abfindungen) ist nach den DBA wegen des allgemein geltenden Arbeitsortsprinzips (Rz. 19.424 ff.) zumeist ausgeschlossen. Hinsichtlich der Tätigkeit ergibt sich allerdings insoweit eine Einschränkung, als beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer, die im Inland tätig werden, sich hier jedoch nur vorübergehend, höchstens 183 Tage im Kalenderjahr, aufhalten, aus der Besteuerung ausgenommen werden, wenn die Vergütung von einem Arbeitgeber ihres Wohnsitzstaates gezahlt und nicht von einer inländischen Betriebsstätte dieses Arbeitgebers getragen wird (sog. 183-Tage-Klausel). Eine weitere Einschränkung ergibt sich aufgrund einiger mit Nachbarstaaten abgeschlossener DBA wonach Arbeitsbezüge von Grenzgängern nur im Wohnsitzstaat besteuert
6.240
1 Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 69; Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 787; a.A. Neyer, IStR 2004, 403 (404). 2 Zu Einzelheiten Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 787. 3 Hierzu Haiß in H/H/R, § 49 EStG Rz. 790; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 70; Vetter/ Lühn, RIW 2007, 300 ff.; zu Art. 15 Abs. 3 OECD-MA vgl. Rz. 19.439 ff. 4 Eine Analogie scheidet aus; vgl. Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 70.
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Kap. 6 Einkommensteuer
werden dürfen (Rz. 19.445 f.). Die sich aus dem abkommensrechtlichen Kassenstaatsprinzip ergebenden Einschränkungen werden freilich, soweit Lohn aus einer öffentlichen Kasse gezahlt wird, ohne dass die öffentliche Hand auch Dienstherr ist, durch die Treaty-overriding-Klausel1 des § 50d Abs. 7 EStG suspendiert. Soweit es um Abfindungen für den Verlust des (inländischen) Arbeitsplatzes geht, regeln zwar einige Konsultationsvereinbarungen, dass deutsches Besteuerungsrecht entgegen Art. 15 Abs. 1 OECD-MA aufrecht erhalten bleibt,2 die hierauf beruhenden auf Grundlage der Ermächtigungsnorm des § 2 Abs. 2 AO ergangenen Verordnungen sind aber nichtig, weil sie in der Normenhierachie unterhalb von formellen Gesetzen3 stehend diese nicht ändern dürfen.4 6.241
Bei beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern ist die Einkommensteuer im Grundsatz durch den Steuerabzug abgegolten (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG). Dies gilt allerdings insbesondere nicht in dem Fall, in dem ein Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer gestellt wird (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b EStG), der allerdings nur EU-/EWR-Staatsangehörigen möglich ist (§ 50 Abs. 2 Satz 7 EStG). Arbeitnehmer aus Drittstaaten sind daher insoweit benachteiligt, als ihnen das an die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit orientierte subjektive und objektive Nettoprinzip vorenthalten bleibt (Rz. 6.132 ff.). Die steuerliche Benachteiligung dieser beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmer verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG (Rz. 6.136 ff.). Zwecks Milderung der Steuernachteile sind daher Billigkeitsmaßnahmen geboten (§§ 163, 227 AO).5 5. Einkünfte aus Kapitalvermögen Literatur Kommentare zu § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG; Ackermann, Beschränkte Steuerpflicht bei Einkünften aus Kapitalvermögen, IWB 2015, 270; Haase/Dorn, Beschränkte Steuerpflicht bei inländischer Besicherung ohne Inlandsbeteiligte – Zweifelsfragen und Anwendungsgrundsätze, IStR 2012, 180; Helios/Hierstetter, Aktuelle Praxisfälle der Kapitalertragsteuer im nationalen und internationalen Konzernsteuerrecht, Ubg 2012, 505; Helios/Klein, Steuerrechtliche Behandlung der Veräußerung von Dividendenansprüchen durch Steuerausländer – oder: Änderung von Steuergesetzen durch BMF-Schreiben?, FR 2014, 110; Micker, Die Abgeltungsteuer bei Auslandssachverhalten, IWB 2010, 480; Schönfeld/Bergmann, Grundbesitzbesicherte Darlehen im Internationalen Steuerrecht – einige Merkwürdigkeiten rund um § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG, IStR 2014, 254; Sieker, Zur Bestimmung der Quelle von Zinseinnahmen, IStR 1993, 413; Wiese/Berner, Veräußerung von Dividendenansprüchen durch Steuerausländer an Dritte im Lichte des BMF-Schreibens vom 26.7.2013, DStR 2013, 2674.
1 2 3 4
Zum treaty overriding Rz. 3.24 f. Vgl. die Nachweise bei Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 72. Hierzu zählen auch die DBA(-Vertragsgesetze). BFH v. 10.6.2015 – I R 79/13, ISR 2016, 10 m. Anm. Kempermann = BStBl. II 2016, 326, Tz. 20 ff.; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 43e ff.; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 72; zum vergleichbaren Problem bewirkt die ab 2017 geltende Ermächtigung in § 2 Abs. 3 Nr. 1 AO (AHRL-ÄndUmsG), aufgrund deren durch Erlass von Rechtsverordnungen in Abkommensfällen unter bestimmten Voraussetzungen von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode übergewechselt werden darf. 5 Vgl. BFH v. 20.4.1988 – I R 219/82, BStBl. II 1990, 701; FG Köln v. 10.1.1991 – 5 K 2381/89, DStR 1991, 740.
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C. Beschränkte Steuerpflicht
§ 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG enthält für bestimmte Einkünfte aus Kapitalvermögen unterschiedliche inlandsbezogene Anknüpfungsmerkmale. Erfasst werden im Wesentlichen die Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 EStG sowie unter bestimmten Voraussetzungen auch die Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen i.S. von § 20 Abs. 2 EStG und von Anteilen an Investmentfonds i.S.v. § 16 Abs. 1 Nr. 3 InvstG 2016. Die Einkünfte aus Diskontbeträgen von Wechseln und Anweisungen einschließlich der Schatzwechsel (§ 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG) sind von der beschränkten Steuerpflicht gänzlich ausgenommen. Obwohl § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG nicht ausdrücklich auf § 20 Abs. 8 EStG Bezug nimmt, gilt die dort für die Einkünfte aus Kapitalvermögen verankerte Subsidiaritätsklausel grundsätzlich auch für die Einkünftequalifzierung gem. § 49 Abs. 1 EStG. Diese Subsidiaritätsklausel wird durch § 49 Abs. 2 EStG (isolierende Betrachtungsweise) nur hinsichtlich der ausländischen Bestimmungsmerkmale der Einkunftsart suspendiert (Rz. 6.153). Hieraus folgt: Wenn sich die Zuordnung der Kapitaleinkünfte zu einer anderen Einkunftsart aus ausländischen Bestimmungsmerkmalen – z.B. ausländischer Gewerbebetrieb – ergibt, bleiben diese außer Betracht (§ 49 Abs. 2 EStG), so dass § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG eingreift. Gehören die Kapitaleinkünfte dagegen aufgrund inländischer Bestimmungsmerkmale – z.B. inländische gewerbliche Betriebsstätte – zu einer anderen Einkunftsart, so sind nicht Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG), sondern wegen § 20 Abs. 8 EStG Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG), Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG), Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG) oder Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG) gegeben. Diese Zuordnung hat etwa zur Folge, dass Zinsen, die in einer inländischen Betriebsstätte anfallen (Einkünfte aus Gewerbebetrieb), der beschränkten Steuerpflicht unterliegen, während Zinsen bei den Einkünften aus Kapitalvermögen mangels Inlandsanknüpfung grundsätzlich nicht steuerpflichtig sind.
6.242
Zu den von § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG erfassten Einkünften gehören Beteiligungserträge (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a EStG) bis 2017 Investmenterträge (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. b EStG; Rz. 12.80), Zinsen (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. c EStG) und Erträge aus Tafelgeschäften (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. d EStG). Der maßgebliche Inlandsbezug ist hierbei unterschiedlich ausgestaltet.
6.243
Primäres Anknüpfungsmerkmal für die in § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG erfassten Beteiligungserträge (z.B. Dividenden) ist die inländische Ansässigkeit des Schuldners. Abgestellt wird dabei auf Wohnsitz (§ 8 AO), Geschäftsleitung (§ 10 AO) oder Sitz (§ 11 AO) im Inland, und zwar zu dem Zeitpunkt, in dem die Einkünfte zu erfassen sind.1 Das gilt gleichermaßen für Gewinnanteile (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG),2 Bezüge aus Kapitalherabsetzung und Auflösung (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG), Einnahmen aus (typisch) stiller Gesellschaft3 und patriari-
6.244
1 BFH v. 28.3.1984 – I R 129/79, BStBl. II 1984, 620; v. 6.2.1985 – I R 87/84, BFH/NV 1985, 104. 2 Einschließlich Bezügen aus beteiligungsähnlichen Genussrechten; vgl. Klein/Link in H/H/R, § 49 EStG Rz. 822; Ackermann, IWB 2015, 270 (271). 3 Der Gewinnanteil des stillen Gesellschafters fließt auch dann zu, wenn es wegen der Wiederauffüllung der durch Verluste geminderten Einlage zu keiner Auszahlung kommt; BFH v. 24.1.1990 – I R 55/85, BStBl. II 1991, 147; kritisch hierzu Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 668.
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Kap. 6 Einkommensteuer
schen Darlehen (§ 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG), Erträge aus Versicherungen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG), Einnahmen aus Leistungen bestimmter Körperschaftsteuersubjekte (§ 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG) und schließlich kraft Sonderregelung auch für Erträge aus bestimmten Tafelgeschäften, die über eine inländische Zahlstelle abgewickelt werden (§ 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG). Eine weitere Sonderregelung enthält § 49 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a 2. Halbs. EStG, wonach ebenfalls auf den inländischen Schuldner der Erträge abgestellt wird. Angesprochen sind hiermit Erträge aus Wandelanleihen und Gewinnobligationen, die an sich als Erträge aus sonstigen Forderungen (§ 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG) in den Regelungsbereich des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. c Doppelbuchst. aa EStG fallen.1 Für Investmenterträge (§ 49 Abs.1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. b EStG) ergeben sich keine besonderen inlandsbezogenen Qualifikationsmerkmale, so dass wegen der Verweisung auf § 7 InvStG 2004 bis einschließlich 2017 (§ 52 Abs. 45a EStG) im Ergebnis Dividenden und Dividendensurrogate inländischer Kapitalgesellschaften, ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge eines inländischen Investmentfonds aus Vermietung und Verpachtung von inländischen Grundstücken oder grundstücksgleichen Rechten sowie Gewinne aus der Veräußerung derselben erfasst werden.2 Für Zinsen (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. c EStG) wird der erforderliche Inlandsbezug dadurch hergestellt, dass das betreffenden Kapitalvermögen durch inländischen Grundbesitz, grundstücksgleiche Rechte oder durch in ein inländischen Schiffsregister eingetragene Schiffe gesichert ist (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa EStG). Das gilt nicht für bestimmte Zinsen aus Anleihen und Forderungen (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. c Doppelbuchst. aa Satz 2 EStG).3 Nach §49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. bb EStG werden auch nicht beteiligungsähnliche Genussrechte erfasst, ohne dass hierfür ein Inlandsbezug benannt wird. Im Hinblick auf die Gesamtausrichtung des § 49 Abs. 1 EStG (inländische Einkünfte) ist eine teleologische Reduktion dahingehend geboten, dass auf den inländischen Schuldner abzustellen ist.4 Tafelgeschäfte (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. d EStG) führen nur dann zu inländischen Einkünften, wenn die Kapitalerträge von inländischen Zahlstellen ausgezahlt oder gutgeschrieben werden, wobei vorausgesetzt wird, dass die Wertpapiere weder vom inländischen Schuldner noch vom inländischen Kreditinstitut verwahrt werden.5 6.245
Zu einigen Besonderheiten: Zu den von § 49 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a EStG erfassten Beteiligungserträgen gehören auch gesetzlich fingierte Einnahmen. Hieraus folgt, dass etwa die im Rahmen der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft bestehenden offenen Rücklagen, soweit sie 1 § 49 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a 2. Halbs. EStG geht also vor; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 74; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 665; Ramackers in L/B/P, § 49 EStG Rz. 49; Ackermann, IWB 2015, 270 (272); a.A. Klein/Link in H/H/R, § 49 EStG Rz. 833; Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 99; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 184; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. 245. 2 Zu Einzelheiten Klein/Link in H/H/R, § 49 EStG Rz. 541 f.; ferner Rz. 12.55 ff.; zu der ab 2018 geltenden Regelung, nach der eine beschränkte Steuerpflicht wegen Besteuerung auf Fondsebene entfällt, Rz. 12.80. 3 Zu Einzelheiten Klein/Link in H/H/R, § 49 EStG Rz. 847. 4 Klein/Link in H/H/R, § 49 EStG Rz. 850; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 80; Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 101; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 194. 5 Hierzu Klein/Link in H/H/R, § 49 EStG Rz. 857, 860.
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C. Beschränkte Steuerpflicht
keine Einlagen darstellen, bei den ausländischen Anteilseignern des übertragenden Rechtsträgers mit Ablauf des steuerlichen Übertragungsstichtages als Beteiligungserträge gem. § 5 UmwStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG als zugeflossen gelten und somit dem Regelungsbereich des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a EStG unterfallen.1 Dagegen fallen Gewinne aus der Veräußerung von Dividendenansprüchen nicht unter § 49 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a EStG, weil die Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung an die Stelle der Dividendenbesteuerung tritt, falls die Besteuerung tatsächlich erfolgt ist (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG).2 Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gem. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Buchst a EStG gehören wegen der Bezugnahme auf § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ferner nicht Ausschüttungen, für die Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto der Kapitalgesellschaft i.S. des § 27 KStG (Rz. 7.37 ff.) als verwendet gelten (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG) und generell ab 2018 sowie bis 2017 kraft besonderer gesetzlicher Anordnung auch nicht ausgeschüttete sowie ausschüttungsgleiche Erträge und Zwischengewinne aus Investmentanteilen (§ 2 InvStG 2004). Diese Investmenterträge werden aber bis 2017 partiell von § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b EStG erfasst, und zwar insoweit, als es sich um inländische Dividenden (§ 7 Abs. 3 InvStG 2004) und um bestimmte Tafelgeschäfte (§ 7 Abs. 1, 2 und 4 InvStG 2004 i.V.m. § 44 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG) handelt (Rz. 12.55 ff.). So weit in den übrigen Fällen eine Kapitalertragsteuer einbehalten wurde, ist diese auf Antrag des beschränkt steuerpflichtigen Gläubigers zu erstatten (§ 7 Abs. 6 InvStG 2004).§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa EStG erfasst Zinsen aus Hypotheken (§ 1113 BGB) und Grundschulden (§ 1192 BGB) sowie Renten aus Rentenschulden (§ 1199 Abs. 1 BGB) als Einkünfte gem. § 20 Abs. 1 Nr. 5 EStG und Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen als Einkünfte gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG,3 soweit das Kapitalvermögen im Inland dinglich gesichert ist. Die dingliche Sicherheit des Kapitalvermögens,4 die zu dem Zeitpunkt bestehen muss, in dem die Einkünfte zu erfassen sind,5 kann auch bloß mittelbarer Natur sein, so dass etwa die treuhänderische Verwahrung von Hypotheken- oder Grundschuldbriefen zugunsten des Darlehensgebers ausreicht.6 Im Ergebnis sind damit Zinseinkünfte, etwa aus Sparbüchern und Festgeldanlagen, beschränkt steuerpflichtiger Personen aus der Besteuerung ausgenommen.7 1 Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 74. 2 Diese Regelung gilt ab VZ 2014; vgl. zur Kontroverse vorangegangener VZ Klein/Link in H/H/R, § 49 EStG Rz. 822; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 74 m.w.N. 3 Für Wandelanleihen und Gewinnobligationen gilt die Sondervorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a Halbs. 2 EStG. 4 Auf die dingliche Sicherung der Erträge kommt es nicht an; BFH v. 28.3.1984 – I R 129/79, BStBl. II 1984, 620. 5 BFH v. 28.3.1984 – I R 129/79, BStBl. II 1984, 620; v. 6.2.1985 – I R 87/84, BFH/NV 1985, 104. 6 BFH v. 13.4.1994 – I R 97/93, BStBl. II194, 743; v. 17.11.1999 – I R 11/99, BStBl. II 2001, 822; v. 20.1.1999 – IR 69/97, BStBl. II 1999, 514; zu weiteren Einzelheiten Klein/Link in H/H/R, § 49 EStG Rz. 847. 7 Eine gleichwohl erhobene Abgeltungsteuer ist im Rahmen des Erstattungsverfahrens nach § 44b Abs. 5 EStG oder auf formlosen Antrag hin durch das Betriebsstättenfinanzamt des Abzugsschuldners (auszahlende Stelle) zu erstatten; vgl. BMF v. 9.10.2012 – IV C 1 - S 2252/10/10013 – DOK 2011/0948384, BStBl. I 2012, 953, Tz. 307 ff.
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Kap. 6 Einkommensteuer
6.246
Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 EStG findet § 20 Abs. 3 EStG entsprechende Anwendung mit der Folge, dass auch bestimmte Ersatz- oder Zusatzbezüge wie etwa Damnum, Disagio und Zahlungen auf Grund von Versicherungsklauseln sowie unter bestimmten Voraussetzungen auch Einnahmen aus der Veräußerung von Dividenden bzw. Zinsscheinen den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzurechnen sind. Voraussetzung ist also stets, dass der Schuldner im Inland ansässig ist.
6.247
Soweit von den Kapitalerträgen, insbesondere von Dividenden, die Steuer nach § 43 EStG im Wege des Steuerabzugs als Kapitalertragsteuer (Abgeltungsteuer) erhoben wird, tritt gem. § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG im Grundsatz Abgeltungswirkung ein.1 Da in diesem Fall Werbungskosten zum steuerlichen Abzug nicht zugelassen sind,2 kann eine die steuerliche Leistungsfähigkeit verletzende Überbesteuerung eintreten. Betroffen sind auch ausländische Aktionäre, die ihren inländischen, in einem ausländischen Betriebsvermögen gehaltenen Wertpapierbesitz fremdfinanziert haben. Dem gegenüber kommt für inländische Aktionäre in vergleichbarer Lage das Nettoprinzip zur Geltung. Diese die ausländischen Aktionäre benachteiligende Besteuerung führt zu einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG sowie gegen die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten (Rz. 6.146 ff., 6.285). Entsprechendes gilt für private Kapitalerträge, soweit die spezifisch für beschränkt Steuerpflichtige maßgebliche Abgeltungswirkung des § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG über die Abgeltungswirkung des § 43 Abs. 5 EStG hinausgeht. Von Bedeutung sind hier die in § 43 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 32d Abs. 2 EStG geregelten Ausnahmen, die zu einer Besteuerung auf Nettobasis3 führen, die beschränkt Steuerpflichtigen vorenthalten bleibt.4
6.248
Auf der Ebene der DBA wird die Besteuerung der Einkünfte aus Kapitalvermögen im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht weitgehend eingeschränkt. Für Dividenden ist das Besteuerungsrecht grundsätzlich dem Wohnsitzstaat des Dividendenempfängers zugeteilt (Rz. 19.324 ff.), wobei allerdings der Quellenstaat in beschränktem Umfang berechtigt ist, eine Quellensteuer zu erheben (Art. 10 OECD-MA). Die DBA sehen für Deutschland als Quellenstaat regelmäßig Quellensteuersätze i.H.v. 5 bis 15 % und in Ausnahmefällen von 25 % vor. Für Zinsen liegt das Besteuerungsrecht ebenfalls beim Wohnsitzstaat des Gläubigers. Daneben darf der Quellenstaat aber noch eine Quellensteuer bis zu 10 %, in Ausnahmefällen bis zu 25 %, des Bruttobetrages der Zinsen erheben (Art. 11 OECD-MA). In den von Deutschland abgeschlossenen DBA hat Deutschland weitgehend auf die Quellensteuerbefugnis für Zinsen verzichtet (Rz. 19.365), so dass die ohnehin nur partiell bestehende beschränkte Steuerpflicht auf Zinseinkünfte insoweit leer läuft.
1 Die Abgeltungswirkung gem. § 43 Abs. 5 EStG ist gegenüber derjenigen gem. §50 Abs. 2 Satz 1 EStG subsidiär; vgl. Kube in K/S/M, § 50 EStG Rz. E 15. 2 Zur Bruttobesteuerung Rz. 6.134. 3 Der besondere Steuertarif gem. § 32d Abs. 1 EStG kommt zwar in diesen Fällen nicht in Betracht, was bei fremdfinanzierten Kapitalanlagen aber vorteilhaft sein kann. 4 Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.38.
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C. Beschränkte Steuerpflicht
6. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung Literatur Kommentare zu § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG; Böhl/Schmidt-Nuschke/Böttcher, Besteuerung von Vermietungseinkünften aus Direktinvestitionen in Deutschland, IStR 2008, 651; Ditz/ Pinkernell/Quilitzsch, BEPS-Reformvorschläge zu Lizenzgebühren und Verrechnungspreisen bei immateriellen Wirtschaftsgütern aus Sicht der Beratungspraxis, IStR 2014, 45; Holthaus, Beschränkte Steuerpflicht: Aktuelle Entwicklungen beim Steuerabzug für Vergütungen an beschränkt Steuerpflichtige nach § 50a EStG, ISR 2013, 2556; Kahle/Schultz, Besteuerung von Inbound-Investitionen – Ermittlung der inländischen Einkünfte und Durchführung der Besteuerung nach dem Jahressteuergesetz 2009, RIW 2009, 140; Lüdicke, Probleme der Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger im Inland, DStR 2008, Beihefter zu Heft 17, 25; Schultz, Immobilieninvestitionen durch Steuerausländer – Inbound Real Estate Investments, StbJb. 2009/2011, 179; Töben/Lohbeck/Fischer, Aktuelle steuerliche Fragen im Zusammenhang mit Inbound-Investitionen in deutsches Grundvermögen FR 2009, 151.
Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG unterliegen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG), soweit sie nicht zu den Einkünften i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 1 bis 5 EStG gehören, der beschränkten Steuerpflicht, wenn das unbewegliche Vermögen, die Sachinbegriffe oder Rechte im Inland belegen oder in ein inländisches öffentliches Buch oder Register eingetragen sind oder in einer inländischen Betriebsstätte oder in einer anderen Einrichtung verwertet werden.
6.249
Aus der vorgenannten Subsidiaritätsklausel folgt vor allem, dass Einkünfte, die im Grundsatz sowohl § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG als auch § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG zugeordnet werden können, vorrangig unter die erstgenannte Vorschrift fallen.1 Dies gilt auch im Übrigen, wenn unbewegliches Vermögen Betriebsvermögen einer inländischen Betriebsstätte ist. Die Subsidiaritätsklausel führt im Ergebnis dazu, dass die Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen, von Sachinbegriffen oder von Rechten unter den Voraussetzungen des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und f EStG stets als inländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren sind.
6.250
§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG knüpft an die in § 21 EStG aufgeführten Einkunftsgruppen an, so dass Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens und von Sachinbegriffen, der zeitlich begrenzten Überlassung von Rechten und der Veräußerung von Miet- und Pachtungsforderungen erfasst werden.
6.251
§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG enthält drei verschiedene inlandsbezogene Anknüpfungsmerkmale. Im Grundsatz wird auf die Belegenheit des unbeweglichen Vermögens, der Sachinbegriffe und der Rechte abgestellt (Belegenheitsprinzip). Daneben ist die Eintragung in ein öffentliches Buch oder Register maßgeblich. Schließlich knüpft die Besteuerung auch an die Verwertung in einer inländischen Betriebsstätte oder in einer anderen Einrichtung an.
6.252
Das inlandsbezogene Qualifikationsmerkmal Belegenheit betrifft unbewegliches Vermögen, Sachinbegriffe und Miet- und Pachtzinsforderungen.2 Bei unbeweglichem Vermögen und bei Rechten wird der Inlandsbezug (zusätzlich)3 durch Ein-
6.253
1 Hierzu Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 84. 2 Klein in H/H/R, § 49 EStG Rz. 941; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 86. 3 Betrifft vor allem Grundstücke.
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Kap. 6 Einkommensteuer
tragung in ein öffentliches Buch oder ein Register hergestellt. Hierzu zählen das Grundbuch, Schiffsregister, Patent- und Sortenschutzrolle, Muster- und Markenregister. Für wen das unbewegliche Vermögen, Sachinbegriffe oder Rechte eingetragen sind, spielt keine Rolle.1 6.254
Der Verwertungstatbestand, der etwa bei der Nutzung einer Vertriebslizenz2 oder von Rezepturen für Medikamente3 in Betracht kommt, ist erfüllt bei jeder Nutzung der überlassenen Sachen und Rechte, etwa durch Nutzen, Benutzen oder Gebrauchen im Rahmen eigener Tätigkeit durch den Berechtigten.4
6.255
Die Verwertung muss in einer inländischen Betriebsstätte oder in einer anderen Einrichtung eines in- oder ausländischen Unternehmens erfolgen.5 Bei der Verwertung in einer eigenen Betriebsstätte oder anderen Einrichtung des Berechtigten selbst, werden in aller Regel Einkünfte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG gegeben sein.6 Das in Ergänzung zur Betriebsstätte (§ 12 AO) geschaffene Tatbestandsmerkmal andere Einrichtung ist als eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage zu verstehen, die nur deshalb nicht als Betriebsstätte anzusehen ist, weil sie nicht der Tätigkeit eines Unternehmens dient, z.B. Einrichtungen von öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten.7
6.256
Soweit es um die zeitlich begrenzte Überlassung von Rechten (§ 21 Abs. 1 Nr. 3 EStG) geht, gelten folgende Besonderheiten: Erfasst werden Rechte unabhängig davon, ob sie schuldrechtlicher oder dinglicher Natur,8 originär oder derivativ erworben9 sind.10 Eine zeitlich begrenzte Überlassung setzt grundsätzlich voraus, dass die zugrunde liegende Vereinbarung kündbar ist.11 Hierbei kommt es im Ergebnis darauf an, dass das Recht nicht in das Vermögen des Nutzenden übergeht.12 Davon kann selbst dann ausgegangen werden, wenn bei Abschluss des Vertrages ungewiss ist, ob und wann die Überlassung zur Nutzung endet.13 Eine zeitlich begrenzte Überlassung lässt sich jedoch nicht schon daraus ableiten, dass die überlassenen Rechte selbst etwa nach dem Patent- und Markengesetz zeitlich begrenzt sind.14 Soweit Rechte nicht zeitlich begrenzt überlassen, sondern endgültig 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14
Vgl. hierzu Klein in H/H/R, § 49 EStG Rz. 943; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 86. BFH v. 23.5.1973 – I R 163/71, BStBl. II 1974, 287. BFH v. 5.11.1992 – I R 41/92, BStBl. II 1993, 407. BFH v. 23.5.1973 – I R 163/71, BStBl. II 1974, 287, vgl. auch BFH v. 12.11.1986 – I R 38/83, BStBl. II 1987, 377; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 752. Wer Eigentümer ist, spielt keine Rolle; vgl. BFH v. 5.11.1992 – I R 41/92, BStBl. II 1993, 407. Klein in H/H/R, § 49 EStG Rz. 955. Klein in H/H/R, § 49 EStG Rz. 954; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 86. BFH v. 7.12.1977 – I R 54/75, BStBl. II 1978, 355; v. 23.5.1979 – I R 163/77, BStBl. II 1979, 757; v. 1.12.1982 – 1 B 11/82, BStBl. II 1983, 367. BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BStBl. II 2010, 398. Hierzu Klein in H/H/R, § 49 EStG Rz. 931. BFH v. 27.2.2002 – I R 62/01, BFH/NV 2002, 1142; v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672. BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BStBl. II 2010, 398; v. 27.5.2009 – I R 86/07, BStBl. II 2010, 120; BMF v. 25.11.2010 – IV C 3 - S 2303/09/1000 – DOK 2010/08615492, BStBl. I 2010, 1350, Tz. 23. BFH v. 7.12.1977 – I R 54/75, BStBl. II 1978, 355. Klein in H/H/R, § 49 EStG Rz. 932; Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 113.
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C. Beschränkte Steuerpflicht
veräußert werden, greift § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG also nicht ein.1 Das gilt auch, wenn sich der Wert während der Überlassung wirtschaftlich erschöpft oder verbraucht.2 In diesen Fällen kommt eine beschränkte Steuerpflicht nur gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG in Betracht (Rz. 6.214). Soweit allerdings Know-how zeitlich unbegrenzt überlassen wird, unterliegen Know-how-Gebühren jedenfalls der subsidiär eingreifenden Vorschrift des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG.3 Die zur Besteuerung von Lizenzgebühren unterbreiteten BEPS-Vorschläge betreffen in erster Linie bestimmte in einigen Ländern gewährte Steuervergünstigungen, die im Zusammenhang mit der deutschen beschränkten Steuerpflicht keine Bedeutung haben (Rz. 5.26 ff.).4 Während im Falle der Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen und Sachinbegriffen für Zwecke der Besteuerung eine Veranlagung erfolgt, ist die Besteuerung bei der Überlassung von Rechten durch den Steuerabzug (§ 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG) i.H.v. 15 % der Einnahmen abgegolten (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG). Ein Steuerabzug auf Nettobasis ist insoweit ebenso wenig vorgesehen, wie eine Veranlagung auf Antrag.5 Diese die steuerliche Leistungsfähigkeit nicht berücksichtigende Bruttobesteuerung (Rz. 6.132 ff.) führt zu einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 49 AEUV, wenn mit diesen Einnahmen Werbungskosten im Zusammenhang stehen, die steuerlich keine Berücksichtigung finden können (Rz. 6.136 ff.; 6.146 ff.).
6.257
Die beschränkte Steuerpflicht der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens wird nach den DBA grundsätzlich nicht eingeschränkt, da auch insoweit durchweg das Belegenheitsprinzip gilt (Art. 6 OECDMA; vgl. Rz. 19.219 ff.). Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von Sachinbegriffen sind auf der Ebene der DBA mangels inländischer Betriebsstätte als andere Einkünfte (Art. 21 OECD-MA)6 und die Nutzungsüberlassung von Rechten als Lizenzeinkünfte (Art. 12 OECD-MA) zu qualifizieren mit der Folge, dass im Grundsatz die Besteuerung ausschließlich dem Wohnsitzstaat zugewiesen ist. Eine Quellensteuerbefugnis ergibt sich für Deutschland grundsätzlich nicht.
6.258
7. Sonstige Einkünfte Literatur Kommentare zu § 49 Abs. 1 Nr. 7 bis 10 EStG; Decker/Looser, Die Auswirkungen der Doppelbesteuerungsabkommen und des Alterseinkünftegesetzes auf die zwischenstaatliche Besteuerung von Renten, IStR 2009, 652; Ditz/Pinkernell/Quilitzsch, BEPS-Reformvor1 BFH v. 16.5.2001 – I R 64/99, BFH/NV 2002, 94; v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 72; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 85; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 205. 2 BFH v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550; v. 16.5.2001 – I R 64/99, BStBl. II 2003, 641; v. 27.2.1975 – III R 64/74, BStBl. II 1976, 529; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 85. 3 Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 85. 4 Vgl. zu Einzelheiten Ditz/Pinkernell/Quilitzsch, IStR 2014, 45. 5 Vgl. §§ 50a Abs. 3, 50 Abs. 2 Satz 2 EStG. 6 In zahlreichen deutschen DBA werden sie von Art. 12 OECD-MA erfasst („Nutzung von Ausrüstungen“); vgl. die Abkommensübersicht bei Pöllath/Lohbeck in VIL6, Art. 12 Rz. 79.
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Kap. 6 Einkommensteuer schläge zu Lizenzgebühren und Verrechnungspreisen bei immateriellen Wirtschaftsgütern aus Sicht der Beratungspraxis, IStR 2014, 45; Haberland, Beschränkt steuerpflichtige Einkünfte aus der Nutzung beweglicher Sachen im Inland, DStR 2012, 1115; Lohr, Die Besteuerung von Politikern, DStR 1997, 1230; Lüdicke, Probleme der Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger im Inland, DStR 2008, Beihefter zu Heft 17, 25; Pinkernell, Internationale Steuergestaltung im Electronic Commerce, ifSt-Schrift, Nr. 494 (2014).
6.259
Die sonstigen Einkünfte i.S. des § 22 EStG sind in § 49 Abs. 1 Nr. 7 bis 10 EStG erfasst. Die inlandsbezogenen Qualifikationsmerkmale sind sehr unterschiedlich und lassen keine einheitliche Konzeption erkennen. Die Folge ist eine nur sehr lückenhafte Erfassung der sonstigen Einkünfte im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht, wodurch eine gleichheitswidrige Besteuerung und damit ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG indiziert ist. Erfasst werden Leibrenten und andere Leistungen (§ 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG), Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 49 Abs. 1 Nr. 8 EStG), Abgeordnetenbezüge (§ 49 Abs. 1 Nr. 8a EStG), bestimmte sonstige Einkünfte (§ 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG) und Leistungen aus Pensionsfonds, Pensionskassen und Direktversicherungen (§ 49 Abs. 1 Nr. 10 EStG), wobei nur selektiv an die in § 22 EStG aufgeführten Einkunftsgruppen angeknüpft wird.1
6.260
§ 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG betrifft Leibrenten und andere Leistungen (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG), die von den inländischen gesetzlichen Rentenversicherungsträgern, inländischen landwirtschaftlichen Alterskassen, inländischen berufsständischen Versorgungseinrichtungen, inländischen Versicherungsunternehmen oder sonstigen inländischen Zahlstellen gewährt werden. Entsprechendes gilt für Leibrenten und andere Leistungen ausländischer Zahlstellen, wenn die den Leistungen zugrunde liegenden Beiträge nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG ganz oder teilweise bei der Ermittlung der Sonderausgaben berücksichtigt wurden. Hierdurch soll im Ergebnis sichergestellt werden, dass Rentenleistungen, für die zu Lasten des deutschen Steueraufkommens in der Vergangenheit Beiträge geleistet worden sind, auch dann versteuert werden können, wenn die Leistungsempfänger bei Rentenbezug nicht mehr in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig sind.2 Abkommensrechtlich hat allerdings grundsätzlich der jeweilige Ansässigkeitsstaat das alleinige Besteuerungsrecht (Art. 18 OECD-MA; Rz. 19.459 ff.).3 Die Besteuerung erfolgt im Wege der Veranlagung.4
6.261
§ 49 Abs. 1 Nr. 8 EStG erfasst private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2 EStG), soweit es sich um inländische Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte handelt. In Abgrenzung zu § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e, f EStG werden nur solche Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte erfasst, die keiner inländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind und auch nicht Gegenstand eines gewerblichen Grundstückshandels sind.5 Entsprechendes gilt für Erträge aus Investmentanteilen, die aus den vorgenannten privaten Veräußerungsgeschäften stammen (§ 15 1 Vgl. hierzu die Übersicht bei Kuhn in H/H/R, § 49 EStG Rz. 1000. 2 Zu diesem Förderstaatsprinzip Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 90a. 3 In der deutschen Abkommenspraxis wird aber nicht selten das Besteuerungsrecht für Sozialversicherungsrenten dem Quellenstaat zugewiesen; vgl. hierzu die Abkommensübersicht bei Ismer in V/L6, Art. 18 OECD-MA Rz. 82 ff. 4 Zentrale Zuständigkeit beim FA Neubrandenburg (§ 19 Abs. 6 AO i.V.m. der EStZustV); hierzu BFH v. 20.8.2014 – I R 43/12, BFH/NHV 2015, 306 Rz. 18 ff.; Stahl, ISR 2013, 8 (11). 5 Insoweit ist § 49 Abs. 1 Nr. 8 EStG subsidiär; Kuhn in H/H/R, § 49 EStG Rz. 1015.
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C. Beschränkte Steuerpflicht
Abs. 2 Satz 2 InvStG 2004; Rz. 12.59). Von der Reichweite der privaten Veräußerungsgeschäfte wird wegen der über § 22 Nr. 2 EStG zu beachtenden Verweisung auf § 23 EStG auch die Veräußerungsfiktion des § 23 Abs. 1 Satz 5 EStG erfasst, so dass auch der Tausch sowie Einbringungsvorgänge1 eine beschränkte Steuerpflicht auslösen können. Die Besteuerung erfolgt durch Veranlagung. Sie wird durch DBA nicht eingeschränkt, weil die Besteuerung insoweit regelmäßig dem Belegenheitsstaat zusteht (Art. 13 Abs. 1 OECD-MA, vgl. Rz. 19.381 ff.). § 49 Abs. 1 Nr. 8a EStG betrifft die in § 22 Nr. 4 EStG genannten Abgeordnetenbezüge, die im Wege der Veranlagung besteuert werden. Die beschränkte Steuerpflicht wird durch DBA allerdings weitgehend eingeschränkt, weil die Besteuerung nur dem Wohnsitzstaat zusteht (Art. 21 OECD-MA; vgl. Rz. 19.473 ff.).
6.262
§ 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfasst beschränkt steuerpflichtige Entgelte aus inländischen unterhaltenden Darbietungen, aus der Nutzung beweglicher Sachen im Inland sowie aus der Überlassung von Know-how. Damit werden nicht alle der in § 22 Nr. 3 EStG aufgeführten Leistungen erfasst. § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG greift nur dann ein, wenn die angesprochenen Einkünfte nicht unter eine andere Einkunftsart fallen. Insoweit hat § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG den Charakter einer Auffangklausel,2 die allerdings dadurch modifiziert wird, dass § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG bestimmt, dass die sonstigen Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 3 EStG auch dann zu den inländischen Einkünften gehören, wenn sie bei Anwendung der Subsidiaritätsklausel des § 22 Nr. 3 EStG einer anderen Einkunftsart zuzurechnen wären. Da zugleich der Vorrang der unter § 49 Abs. 1 Nr. 1 bis 8 EStG fallenden Einkunftsarten normiert ist, zielt diese Bestimmung insbesondere darauf ab, Vergütungen für die Überlassung von Know-how zu erfassen, die, ohne dass eine Betriebsstätte oder ein ständiger Vertreter gegeben ist, aufgrund der inländischen Bestimmungsmerkmale als sonst nicht unter § 49 Abs. 1 EStG fallende Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren wären.3 Unter die erste Alternative des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG – inländische unterhaltende Darbietungen4 – fallen Auftritte von Künstlern usw. in Talkshows, soweit es sich nicht um gewerbliche Einkünfte handelt, für die § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG eingreift.5 Voraussetzung ist die physische Anwesenheit des Betreffenden im Inland.6 Die zweite Alternative erfasst insbesondere das Mobilien-Leasing von Einzelgegenständen7 durch ausländische Leasinggeber an inländische Leasingnehmer. Erfasst wird nur eine Nutzungsüberlassung im Inland,8 nicht aber eine Veräußerung,9 so dass etwa der Verkauf
6.263
1 Hierzu Weber-Grellet in Schmidt35, § 23 EStG Rz. 50 ff. 2 Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 126; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 805; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 225. 3 Zu dieser Lückenschließfunktion Klein in H/H/R, § 49 EStG Rz. 1050, 1053; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 94. 4 Anknüpfung nur an die Ausübung, nicht aber an die Verwertung. 5 § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG ist insoweit also subsidiär; Klein in H/H/R, § 49 EStG Rz. 1053. 6 Klein in H/H/R, § 49 EStG Rz. 1100; BMF v. 25.11.2010 – IV C 3 - S 2303/09/1000 – DOK 2010/08615492, BStBl. I 2010, 1350, Tz. 18. 7 Die zeitweilige Gebrauchsüberlassung von Sachgesamtheiten und Immobilien fällt unter § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG. 8 Abgestellt wird auf die „tatsächliche“ Nutzung im Inland; BFH v. 10.4.2013 – I R 22/12, ISR 2013, 349 m. Anm. Holthaus = BStBl. II 2013, 728. 9 Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 122.
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Kap. 6 Einkommensteuer
digitaler Produkte, wie z.B. Standardsoftware, nicht unter § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG fällt.1 Das gleiche gilt, wenn sich aus dem zugrunde liegenden Vertragsverhältnis nicht die Nutzung einer beweglichen Sache, sondern eine (technische) Dienstleistung ergibt.2 Die dritte Alternative des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG – Überlassung von Know-how zur Nutzung im Inland3 – betrifft jene Know-how-Gebühren, die mangels Betriebsstätte keine Einkünfte nach § 49 Nr. 2 Buchst. a EStG, mangels Anwendbarkeit der isolierenden Betrachtungsweise (§ 49 Abs. 2 EStG) keine Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG4 und mangels zeitlicher Begrenzung der Überlassung auch keine Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG sind.5 § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG erfasst Entgelte für die Überlassung von Know-how nur insoweit, als sie gezahlt werden für die Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung von gewerblichen, technischen, wissenschaftlichen oder ähnlichen Erfahrungen, Kenntnissen und Fertigkeiten. Hierzu zählen Pläne, Muster und Verfahren, nicht aber Autorenrechte i.S. des § 15 UrhG6 und Vertriebsrechte.7 Da § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG keine Erweiterung des § 22 Nr. 3 EStG bedeutet, werden hiervon generell keine Veräußerungsvorgänge erfasst.8 6.264
Die Besteuerung der dem § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG unterliegenden Einkünfte aus inländischen Darbietungen erfolgt grundsätzlich durch Steuerabzug i.H.v. 15 % (§ 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG). Für EU-/EWR-Staatsangehörige kann allerdings unter bestimmten Voraussetzungen ein Steuerabzug auf Nettobasis (§ 50a Abs. 3 EStG) oder auf Antrag eine Veranlagung (§ 50 Abs. 2 Satz 7 EStG) erfolgen (vgl. Rz. 6.288 f.). Bei den Einkünften aus Know-how ist das dagegen nicht vorgesehen, so dass im Hinblick auf die Abgeltungswirkung des Steuerabzugs (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG) Werbungskosten nicht berücksichtigungsfähig sind. Dies kann zu einer gegen Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 49 AEUV verstoßenden Überbesteuerung führen (Rz. 6.136 ff., 6.140 ff.). Bei den Einkünften aus der Nutzung beweglicher Sachen erfolgt dagegen die Besteuerung im Wege der Veranlagung, so dass insoweit wiederum das Nettoprinzip (Rz. 6.132 ff.) zur Geltung kommt.
6.265
Die unter § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG fallenden sonstigen Einkünfte aus inländischen Darbietungen und aus der Überlassung von Know-how werden auf Abkommensebene durchweg als Lizenzgebühren qualifiziert, für die das Besteuerungsrecht grundsätzlich beim Wohnsitzstaat liegt (Art. 12 OECD-MA). Als Quellenstaat steht Deutschland eine Quellensteuerbefugnis nur in Ausnahmefällen zu (Rz. 19.376 f.). Die Einkünfte aus der Nutzung beweglicher Sachen unterliegen dem Anwendungsbereich von Art. 21 OECD-MA, so dass insoweit im Ergebnis nur der Wohnsitzstaat besteuern darf (Rz. 19.473 ff.).
1 Pinkernell, ifst-Schrift Nr. 494, 61. 2 Vgl. BFH v. 27.2.2000 – I R 130/97, IStR 2000, 438; vgl. auch Pinkernell, ifst-Schrift Nr. 494, 61 zu Cloud-Computing-Verträgen. 3 Erfasst wird auch die frühere Nutzung im Inland. 4 BFH v. 20.2.1974 – I R 217/71, BStBl. II 1974, 511. 5 Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 94; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 811; Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 230. 6 BFH v. 20.7.1988 – I R 174/85, BStBl. II 1989, 87. 7 BFH v. 27.7.1988 – I R 130/84, BStBl. II 1989, 101; weitere Beispiele bei Loschelder in Schmidt35, § 49 EStG Rz. 125. 8 BFH v. 20.7.1988 – I R 61/85, BStBl. II 1989, 99.
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C. Beschränkte Steuerpflicht
Soweit schließlich Leistungen ausländischer Zahlstellen aus Altersvorsorgeverträgen, Pensionsfonds, Pensionskassen und Direktversicherungen (§ 22 Nr. 5 EStG) auf Beiträgen des Arbeitgebers beruhen, die zu Lasten des deutschen Steueraufkommens beim Begünstigten steuerfrei geblieben sind oder nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG ganz oder teilweise bei der Ermittlung der Sonderausgaben berücksichtigt wurden, unterliegen diese gem. § 49 Abs. 1 Nr. 10 EStG ohne weiteren Inlandsbezug1 der beschränkten Steuerpflicht (Korrespondenzprinzip). Betroffen sind wie bei § 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG sog. Auslandsrentner.2 Bei Leistungen inländischer Zahlstellen kommt es allerdings nicht darauf an, ob steuerliche Vergünstigungen vorangegangen sind.3 Die Besteuerung erfolgt im Wege der Veranlagung, wobei in Abkommensfällen Deutschland gem. Art. 18 OECD-MA regelmäßig das Besteuerungsrecht genommen ist (Rz. 19.459 ff.).
6.266
VI. Veranlagung und Steuerabzug 1. Überblick Bei beschränkt Steuerpflichtigen wird die Einkommensteuer entweder im Rahmen einer Veranlagung oder durch Steuerabzug an der Quelle erhoben. Soweit die Einkommensteuer durch den Steuerabzug an der Quelle abgegolten ist (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG),4 besteht zwischen Steuerveranlagung einerseits und Steuerabzug andererseits insoweit ein Ausschließungsverhältnis.
6.267
Eine Steuerveranlagung kommt nur dann in Betracht, wenn
6.268
– ein Steuerabzug an der Quelle nicht vorgesehen ist, – die dem Steuerabzug unterliegenden Einkünfte solche eines inländischen Betriebs sind (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG), – sich später herausstellt, dass die Voraussetzungen der erweiterten unbeschränkten (§ 1 Abs. 2 EStG) oder fingierten unbeschränkten Steuerpflicht (§§ 1 Abs. 3; 1a EStG) nicht vorlagen (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG), – im Kalenderjahr sowohl eine beschränkte als auch eine unbeschränkte Steuerpflicht bestanden hat, so dass die während der beschränkten Steuerpflicht erzielten Einkünfte in eine Veranlagung zur unbeschränkten Steuerpflicht einzubeziehen sind (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. § 2 Abs. 7 Satz 3 EStG), – als Lohnsteuerabzugsmerkmal ein Freibetrag (§ 39a Abs.4 EStG) für Werbungskosten (§ 9 EStG), Spenden (§ 10b EStG), bestimmte wie Sonderausgaben abziehbare Kosten (§§ 10e, 10i EStG) eingetragen wurden sowie für den Freibetrag oder den Hinzurechnungsbetrag gem. § 39a Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. a EStG), – eine Veranlagung beantragt wurde für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b EStG) und für Einkünfte i.S. der § 50a Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 EStG (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 1 Das für § 49 Abs. 1 EStG maßgebliche Territorialitätsprinzip (Rz. 6.126 ff.) wird damit durchbrochen. 2 Kuhn in H/H/R, § 49 EStG Rz. 1150; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 95a. 3 Kuhn in H/H/R, § 49 EStG Rz. 1150. 4 Eine Abgeltungswirkung ergibt sich auch aus § 43 Abs. 5 Satz 1 EStG (Abgeltungsteuer).
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Kap. 6 Einkommensteuer
EStG), soweit die Antragsteller Staatsangehörige eines EU/EWR-Staates sind und dort ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 50 Abs. 2 Satz 7 EStG)1 oder – ein Steuerabzug auf Anordnung des Finanzamtes erfolgt (§ 50a Abs. 7 Satz 4 EStG). 6.269
Der Steuerabzug ergibt sich bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit aus den §§ 38 EStG, bei den Einkünften aus Kapitalvermögen aus § 43 EStG, bei den Einkünften aus künstlerischen, sportlichen, artistischen, unterhaltenden und ähnlichen Darbietungen im Inland sowie aus deren Verwertung im Inland aus § 50a Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG, bei den Einkünften aus Rechtsüberlassungen (Lizenz- oder Know-how-Gebühren) aus § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG und bei Aufsichtsratsvergütungen aus § 50a Abs. 1 Nr. 4 EStG. Die Höhe des Steuerabzugs ist für die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in § 39b EStG und für die Einkünfte aus Kapitalvermögen in den §§ 32d, 43, 43a und 43b EStG geregelt. Für Aufsichtsratsvergütungen ist ein Steuerabzug i.H.v. 30 % (§ 50a Abs. 2 Satz 1 EStG) vorgesehen; bei den übrigen nach § 50a EStG steuerabzugspflichtigen Einkünften beträgt der Steuersatz 15 % der Einnahmen (§ 50a Abs. 2 Satz 2 EStG) und bei dem gem. § 50a Abs. 3 EStG vorgesehenen Steuerabzug auf Nettobasis 30 % bei natürlichen Personen und 15 % bei Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen (§ 50a Abs. 3 Satz 4 EStG).2 2. Veranlagung Literatur Kommentare zu § 50 EStG; Cordewener, Das EuGH-Urteil „Gerritse“ und seine Umsetzung durch das BMF-Schreiben v. 3.11.2003 – Steine statt Brot für die Besteuerungspraxis, IStR 2004, 109; Hidien/Holthaus, Besteuerung beschränkt steuerpflichtiger Arbeitnehmer ab 2009, PiStB 2009, 108; Holthaus, Praxisprobleme bei der ab 2009 geänderten Besteuerung beschränkt steuerpflichtiger Künstler und Sportler, IStR 2010, 23; Krumm, Bedeutung des „Korrespondenzprinzips“ für die unionsrechtliche Rechtfertigung des § 50 Abs. 1 Satz 3 EStG, IWB 2014, 13; Lüdicke, Probleme der Besteuerung beschränkt Steuerpflichtiger, DStR 2008, Beihefter zu Heft 17, 25; Schnitger, Das Ende der Bruttobesteuerung beschränkt Steuerpflichtiger, FR 2003, 745; Seer, Die beschränkte Steuerpflicht aus dem Blickwinkel des Gemeinschaftsrechts, IWB 2004, Fach 11, Gr. 2, 573; Thiemann, Pflichtveranlagung ausländischer Arbeitnehmer neu geregelt – Kommentar, NWB 2010, 2353; Tiedtke/Langheim, Die Voraussetzungen und Rechtsfolgen der beschränkten und der (fiktiven) unbeschränkten Steuerpflicht, DStZ 2003, 10; Tiedtke/Möllmann, Spendenabzug und Europarecht, IStR 2007, 837.
6.270
Im Grundsatz wird das zu versteuernde Einkommen bei beschränkt steuerpflichtigen Personen nach den gleichen Regeln ermittelt wie bei unbeschränkt Steuerpflichtigen. Die Unterschiede bestehen darin, dass bei beschränkt steuerpflichti1 Die Beschränkung der Antragsveranlagung auf EU-/EWR-Staatsagehörige verstößt sowohl gegen Art. 3 Abs. 1 GG als auch gegen die abkommensrechtlichen Staatsangehörigkeitsdiskriminierungsverbote (Art. 24 OECD-MA); vgl. zu dem zuletzt genannten Aspekt Kumpf/Roth, StuW 1996, 259 (163); Gosch, DStR 2007, 1553 (1560); Schaumburg in FG Wassermeyer, Rz. 121 (124). 2 Zum Dualismus von Nettobesteuerung und Bruttobesteuerung und seinen verfassungsrechtlichen Implikationen vgl. Rz. 6.136 ff.
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C. Beschränkte Steuerpflicht
gen Personen lediglich diejenigen Einkünfte angesetzt werden, die § 49 Abs. 1 EStG aufzählt, steuerabzugspflichtige Einkünfte auszuscheiden sind, soweit die Abgeltungswirkung gem. § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG eingreift,1 und schließlich bestimmte in § 50 EStG näher aufgeführte Vorschriften nicht oder nur eingeschränkt zur Anwendung kommen. Betriebsausgaben und Werbungskosten sind nach § 50 Abs. 1 Satz 1 EStG grundsätzlich abziehbar, soweit sie in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit inländischen Einkünften stehen (§ 50 Abs. 1 Satz 1 EStG), ohne Rücksicht darauf, ob diese im In- oder Ausland,2 vorab oder nachträglich3 angefallen sind. Da ein unmittelbarer Zusammenhang nicht verlangt wird, gilt für die Betriebsausgaben und Werbungskosten ganz allgemein das Veranlassungsprinzip.4 Für die Einkünfteermittlung gelten darüber hinaus die allgemeinen Grundsätze. Im Hinblick darauf kommen insbesondere auch die Abzugsverbote für Betriebsausgaben und Werbungskosten zur Anwendung.5 Schließlich gelten auch besondere Einschränkungen bei den Werbungskosten für Pauschbeträge, die nur zeitanteilig beansprucht werden können, wenn die Einkünfte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG nicht während eines vollen Kalenderjahres oder Kalendermonats zugeflossen sind (§ 50 Abs.1 Satz 5 EStG) und bei der Bildung eines Ausgleichspostens bei Entstrickungsentnahme gem. § 4g EStG, der für beschränkt Steuerpflichtige nicht zur Anwendung kommt.6
6.271
§ 50 EStG schränkt zwar den Verlustausgleich nicht ein, ein Verlustausgleichsverbot ergibt sich allerdings für steuerabzugspflichtige Einkünfte mit Abgeltungswirkung, wonach derartige positive Einkünfte nicht mit (Veranlagungs-) Verlusten ausgeglichen werden dürfen. Dieses Verlustausgleichsverbot gilt auch in die umgekehrte Richtung, so dass positive Veranlagungseinkünfte auch nicht mit negativen steuerabzugspflichtigen Einkünften ausgeglichen werden dürfen. Dieser Ausschluss des Verlustausgleichs in beiden Richtungen ist eine Folge der Abgeltungswirkung des § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG.7
6.272
Sonderausgaben (§§ 10, 10a EStG) sind grundsätzlich nicht abzugsfähig, so dass auch die Pauschbeträge nach § 10c EStG entfallen (§ 50 Abs. 1 Satz 3 EStG).8
6.273
1 Ob tatsächlich ein Steuerabzug vorgenommen wurde, spielt grundsätzlich keine Rolle; BFH v. 26.4.1978 – I R 97/76, BStBl. II 1978, 628; v. 5.12.1990 – I R 19/89, BFH/NV 1991, 805; v. 4.5.1993 – I B 39/93, BFH/NV 1993, 727. 2 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140. 3 Vgl. Rz. 6.101 ff., 6.151, 21.95 ff.; dort auch zu vergeblichen Aufwendungen, die nicht berücksichtigungsfähig sind; anders BFH v. 26.2.2014 – I R 56/12, BStBl. II 2014, 703. 4 Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 50 EStG Rz. 38 ff.; Loschelder in Schmidt35, § 50 EStG Rz. 7. 5 Vgl. hierzu die Aufzählung bei Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 50 EStG Rz. 35; Gosch in Kirchhof15, § 50 EStG Rz. 4. 6 Zur Kritik hieran vgl. Rz. 6.388. 7 Vgl. BFH v. 10.4.1975 – I R 261/72, BStBl. II 1975, 586; v. 3.11.1982 – I R 3/79, BStBl. II 1983, 259; v. 12.11.1986 – I R 222/82, BStBl. II 1987, 256, Gosch in Kirchhof15, § 50 EStG Rz. 9; Wied in Blümich, § 50 EStG Rz. 42. 8 In Umsetzung des EuGH-Urteils v. 24.2.2015 – Rs. C-559/13 – Grünewald, ECLI:EU:C: 2015:109 ist § 50 Abs. 1 Satz 3 EStG dahingehend geändert worden, dass ab 2017 Versorgungsleistungen unter den Voraussetzungen des § 10 Abs. 1a Nr. 2 EStG abzugsfähig sind (AHRL-ÄndUmsG).
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Kap. 6 Einkommensteuer
Eine Besonderheit gilt für Arbeitnehmer, denen der Pauschbetrag nach § 10c EStG gewährt wird (§ 50 Abs. 1 Satz 4 EStG). Im Übrigen können beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer Altersvorsorgebeiträge (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) sowie Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG) abziehen, wobei allerdings der Höchstbetrag gem. § 10 Abs. 3 EStG zur Anwendung kommt (§ 50 Abs. 1 Satz 4 EStG). Der Spendenabzug gem. § 10b EStG und § 34g EStG, der Verlustabzug (§ 10d EStG) sowie die Anwendung der §§ 10f bis 10h EStG sind im Übrigen wie bei unbeschränkt steuerpflichtigen Personen zulässig. Hieraus folgt, dass bei einem Wechsel zur unbeschränkten Steuerpflicht und umgekehrt der Verlustabzug erhalten bleibt. 6.274
Der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende (§ 24b EStG), Kinderfreibeträge (§ 32 EStG) sowie das erweiterte Splitting (§ 32a Abs. 6 EStG) kommen demgegenüber nicht zur Anwendung (§ 50 Abs. 1 Satz 3 EStG).
6.275
Außergewöhnliche Belastungen (§§ 33, 33a, 33b EStG) sowie Aufwendungen für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse (§ 35a EStG) sind gem. § 50 Abs. 1 Satz 3 EStG ebenfalls nicht berücksichtigungsfähig.
6.276
Gemäß § 50 Abs. 1 Satz 3 EStG ist schließlich auch der erhöhte Veräußerungsfreibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG nicht abziehbar.
6.277
Die Steuer für beschränkt steuerpflichtige Personen ist grundsätzlich1 nach der Grundtabelle (§ 32a Abs. 1 EStG) zu berechnen (§ 50 Abs. 1 Satz 2 EStG),2 wobei das zu versteuernde Einkommen um den Grundfreibetrag des § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG, der das Existenzminimum freistellen soll, zu erhöhen ist.3 Dies wirkt sich nur auf den Steuersatz aus und führt im Ergebnis nicht zur Besteuerung tatsächlich nicht erzielter Einkünfte.4 Die Nichtberücksichtigung des Grundfreibetrages beim anzuwendenden Steuersatz sowie die Anwendung nur der Grundtabelle entspricht zwar dem Grundsatz, dass der Ansässigkeitsstaat, nicht aber der Quellenstatt gehalten ist, die persönliche Leistungsfähigkeit zu berücksichtigten (Rz. 17.12, 18.51), in den Fällen aber, in denen beschränkt Steuerpflichtige im Ansässigkeitsstaat keine oder nur ganz geringe Einkünfte erzielen, kann die persönliche Leistungsfähigkeit dort nicht berücksichtigt werden. Da diese Sachlage bei beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern typischerweise gegeben ist, enthält § 50 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 EStG eine Sonderregelung, wonach der Grundfreibetrag teilweise5 zugestanden wird. Diese Besonderheit gilt für EU-/EWRund Drittstaatsangehörige gleichermaßen. Dem gegenüber wird in den vorgenannten Fällen der Splittingtarif im Rahmen der fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht nur EU-/EWR-Staatsangehörigen, nicht aber Drittstaatsangehörigen gewährt (§§ 1 Abs. 3, 1a EStG). 1 Ausnahme: In den Fällen fiktiver unbeschränkter Steuerpflicht (§ 1 Abs. 3 EStG) gilt gem. § 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG ggf. der Splittingtarif. 2 Zuzüglich Solidaritätszuschlag; vgl. BFH v. 30.8.1995 – I R 10/95, BStBl. II 1995, 868. 3 Das gilt nicht für Arbeitnehmer mit Einkünften gem. § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG (§ 50 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 EStG). 4 Infolge der Gegenkorrekturen in § 32a Abs. 1 Sätze 3 u. 4 bzw. Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 u. 5 EStG; vgl. die Beispeile bei Loschelder in Schmidt35, § 50 EStG Rz. 11. 5 Nur insoweit als der Grundfreibetrag die Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG abzüglich der abziehbaren Aufwendungen nach § 50 Abs. 1 Satz 4 EStG übersteigt; vgl. hierzu Gosch in Kirchhof15, § 50 EStG Rz. 14.
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C. Beschränkte Steuerpflicht
Die Nichtanwendung des Splittingtarifs ist zwar seitens der deutschen Rechtsprechung nicht als Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG1 angesehen worden, wenn diese Personen ausschließlich oder fast ausschließlich ihre Einkünfte im Inland beziehen. Da aber Unionsbürger und EWR-Staatsangehörige gem. §§ 1 Abs. 3; 1a Abs. 1 Nr. 2 EStG ausnahmsweise den Splittingtarif in Anspruch nehmen können, darf er aus Gründen der Gleichbehandlung beschränkt steuerpflichtigen Personen mit anderer Staatsangehörigkeit nicht versagt werden.2 In diesem Fall ist zwecks Vermeidung von Härten ein Steuererlass gem. §§ 163, 227 AO geboten.3
6.278
§ 50 Abs. 3 EStG sieht zum Zwecke der Vermeidung der Doppelbesteuerung ausnahmsweise auch bei beschränkter Steuerpflicht die Anrechnung ausländischer Steuern auf die deutsche Einkommensteuer oder den Abzug ausländischer Steuern bei der Ermittlung der Einkünfte vor (§ 34c Abs. 1 bis 3 EStG). Das gilt auch in den Fällen, in denen ein DBA zur Anwendung kommt.4 Steueranrechnung und Steuerabzug (Rz. 18.49 ff., 18.118 ff.) kommen allerdings nur in Betracht bei den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit, für die im Inland ein Betrieb unterhalten wird, und zwar nur für jene aus dem Ausland stammenden Einkünfte, die im Quellenstaat beim beschränkt Steuerpflichtigen nicht nach den Maßstäben der unbeschränkten Steuerpflicht erfasst werden.5
6.279
Obwohl Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung allgemein nur als Aufgabe des Wohnsitzstaates aufgefasst werden, (Rz. 17.12, 18.51) ergibt sich für beschränkt Steuerpflichtige die Notwendigkeit, Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vorzusehen aus dem Umstand, dass in den Bereich der Gewinneinkünfte auch Einkunftsquellen einbezogen werden, die im Ausland belegen sind. Gehören etwa Kapitalanteile an ausländischen Gesellschaften zum inländischen Betriebsvermögen eines in einem Drittland ansässigen Steuerausländers, so zählen diese Dividendeneinkünfte zu den Gewinneinkünften gem. § 49 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG. Damit kollidiert die beschränkte Steuerpflicht in Deutschland als Betriebsstättenstaat mit der beschränkten Steuerpflicht im Staat des Schuldners der Dividenden, dem Quellenstaat. Damit zeigt sich, dass die inlandsbezogenen Qualifikationsmerkmale des § 49 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG kollisionsbegründend sind. Durch die Zuordnung zum inländischen Betriebsvermögen wird der Kreis der Inlandseinkünfte über die inländischen Quellen hinaus gezogen. Es wäre sachgerecht gewesen die inländischen Einkünfte auf inländische Einkunftsquellen zu beschränken und auf die Einbeziehung etwa von Zinsen und Dividenden aus ausländischen Quellen in die inländischen Betriebsstätteneinkünfte zu verzichten.6
6.280
1 BVerfG v. 11.12.1969 – 1 BvR 154/69, StRK, EStG, § 50 R. 21; BFH v. 5.2.1965 – VI 334/63 U, BStBl. II 1965, 352. 2 Zu diesem Gleichbehandlungsgebot Rz. 6.44. 3 BFH v. 20.4.1988 – I R 219/82, BStBl. II 1990, 701; v. 25.1.1989 – I R 205/82, BStBl. II 1990, 687. 4 Gosch in Kirchhof15, § 50 EStG Rz. 28. 5 Zu den einzelnen Voraussetzungen Wied in Blümich, § 50 EStG Rz. 115 ff. 6 Zu den unilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vgl. im Einzelnen Rz. 18.1 ff.
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Kap. 6 Einkommensteuer
3. Steuerabzug Literatur Kommentare zu §§ 50 Abs. 2 und 50a EStG; Berkes, Die beschränkte Steuerpflicht der Arbeitnehmer im System des Einkommensteuergesetzes, Frankfurt/Bern/New York/Paris 1991, 107 ff.; Cordewener, Europäische Vorgaben für die Verfahrensrechte von Steuerausländern – Formell-rechtliche Implikationen der „Fokus Bank“-Entscheidung des EFTA-Gerichtshofs, IStR 2006, 158; Cordewener, Das EuGH-Urteil „Gerritse“ und seine Umsetzung durch das BMF-Schreiben v. 3.11.2003 – Steine statt Brot für die Besteuerungspraxis!, IStR 2004, 109; Cordewener/Grams/Molenaar, Neues aus Luxemburg zur Abzugsbesteuerung nach § 50a EStG – Erste Erkenntnisse aus dem EuGH-Urteil vom 3.10.2006 (C-290/04, „FKP Scorpio Konzertproduktionen GmbH“), IStR 2006, 739; Delcker, Der Sicherstellungsbescheid nach § 50a Abs. 7 EStG bei beschränkt Steuerpflichtigen, RIW 1985, 472 ff.; Dörr, Inhalt und Wirkungen einer Steueranmeldung gemäß § 73e EStDV 1997 – Prüfungsmaßstab der Drittanfechtung durch den Vergütungsgläubiger, BB 2008, 599; Drüen, Inanspruchnahme Dritter für den Steuervollzug, DStJG 31 (2008), 167; Ehlig, Möglichkeiten des Rechtsschutzes im Rahmen des Steuerabzugs nach § 50a EStG bei inländischen Darbietungen ausländischer Künstler und Sportler, DStZ 2011, 647; Engelschalk, Die Besteuerung von Steuerausländern auf Bruttobasis, Heidelberg 1988; Felten, Abzugsteuerpflicht bei Werbeleistungen eines ausländischen Motorsport-Rennteams, EStB 2012, 448; Gosch, Vielerlei Gleichheiten – Das Steuerrecht im Spannungsfeld von bilateralen, supranationalen und verfassungsrechtlichen Anforderungen, DStR 2007, 1553; Gradl, Steuern und Sport – Besteuerungsfragen bei Profisportlern, IWB 2014, 489; Grams, Besteuerung von beschränkt steuerpflichtigen Künstlern, Herne/Berlin 1999; Haarmann/Fuhrmann, Konsequenzen aus der EU-Rechtswidrigkeit der abgeltenden Abzugsbesteuerung auf Bruttobasis für beschränkt Steuerpflichtige innerhalb der Europäischen Union, IStR 2003, 558; Hahn-Joecks, Zur Problematik der Besteuerung ausländischer Künstler und Sportler, Baden-Baden 1999; Hartmann, Neuregelung des Steuerabzugs bei Honorarzahlungen an beschränkt steuerpflichtige Künstler durch das JStG 2009, DB 2009, 197; Hey, Steuern verwalten durch Banken, FR 1998, 497; Hidien, Mehrwertsteuerschuldnerschaft qualifizierter Leistungsempfänger für Eingangsleistungen gemäß § 13b UStG, RIW 2002, 208; Holthaus, Geänderter Steuerabzug nach § 50a EStG ab 2009 – Großmaß an Entlastung und Vereinfachung mit kleinen Tücken, DStZ 2008, 741; Holthaus, Besteuerung ausländischer Künstler in der aktuellen deutschen Finanzamtspraxis – Wie könnte man Steine statt Brot verdauen?, IStR 2008, 95; Holthaus, Beschränkte Steuerpflicht: Aktuelle Entwicklungen beim Steuerabzug für Vergütungen an beschränkt Steuerpflichtige nach § 50a EStG, ISR 2013, 256; Holthaus, Aktuelle Streitpunkte zur Bemessung des Steuerabzugs nach § 50a EStG, IWB 2013, 303; Jahn, JStG 2009 – Neuregelung des Steuerabzugs bei beschränkt Steuerpflichtigen nach § 50a EStG, PIStB 2008, 143; Kahle, StÄndG 2001 – Auswirkung der Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (§ 13b Abs. 2 UStG n.F.) auf den Steuerabzug nach § 50a EStG, DB 2002, 13; Kahle/Schulz, Besteuerung von Inbound-Investitionen – Ermittlung der inländischen Einkünfte und Durchführung der Besteuerung nach dem Jahressteuergesetz 2009, RIW 2009, 140; Lüdicke, StÄndG 2001: Unbeabsichtigte Auswirkungen des „Reverse Charge“-Verfahrens nach § 13b UStG auf den Steuerabzug nach § 50a EStG, IStR 2002, 18; Lüdicke, Die mangelnde Abstimmung von Steuerabzug nach § 50a i.d.F. des JStG 2009 und beschränkter Steuerpflicht, IStR 2009, 2006; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, Herne/Berlin 1991, 216 ff.; Mody, Die deutsche Besteuerung international tätiger Künstler und Sportler, Baden-Baden 1994; Müller, Zweifelsfragen bei der Anordnung des Steuerabzugs gem. § 50a Abs. 7 EStG, DB 1984, 2221; Müller, Weiterentwicklung der ScorpioRechtsprechung – Abzugssteuern grundsätzlich unionsrechtskonform, IWB 2012, 843; Nacke, Besteuerung beschränkt steuerpflichtiger Künstler und Sportler, NWB 2011, 607; Petersen, Quellensteuer bei Überlassung von Standardsoftware, IStR 2013, 896; Rüping, Anpassung des Steuerrechts an Recht und Rechtsprechung der Europäischen Union durch Änderung der §§ 50, 50a EStG im Entwurf des Jahressteuergesetzes 2009, IStR 2008, 575; Schalast, Das Abzugsverfahren für Einkünfte beschränkt Steuerpflichtiger – Verhältnis
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C. Beschränkte Steuerpflicht von DBA und innerstaatlichem Verfahrensrecht, FR 1990, 212; Schauhoff, Endlich Rechtssicherheit bei der Besteuerung von Werbeverträgen mit beschränkt Steuerpflichtigen – Grundsatzurteil zum Quellensteuerabzug, IStR 2004, 706; Schauhoff/Cordewener/Schlotter, Besteuerung ausländischer Künstler und Sportler in der EU, München 2008; Schlotter, Konkurrenz von Steuerabzugstatbeständen in der beschränkten Steuerpflicht am Beispiel von Vergütungen für Fernsehübertragungsrecht an Sportveranstaltungen, FR 2010, 651; Schnitger, Das Ende der Bruttobesteuerung beschränkt Steuerpflichtiger, FR 2003, 745; Streck, Die Anordnung eines Steuerabzugs für beschränkt Steuerpflichtige nach § 50a Abs. 7 des EStG, BB 1984, 846; Trzaskalik, Die Steuererhebungspflichten Dritter, DStJG 12 (1989), 157; Unterbusch, Zur Frage der Rückwirkung des § 50a Abs. 7 EStG, DB 1985, 302 ff.; Wassermeyer, Stellungnahme zu dem vorstehenden Beitrag von Kramer über die Frage nach der Relevanz einer Betriebsstätte im Wohnsitzstaat für die Besteuerung im Quellenstaat, IStR 2004, 676.
a) Grundsätze Für Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Arbeitslohn, vom Kapitalertrag oder dem Steuerabzug gem. § 50a EStG unterliegen, greift gem. § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG grundsätzlich die Abgeltungswirkung ein.1 Ein Abzug von Werbungskosten oder Betriebsausgaben kommt daher grundsätzlich nicht in Betracht (Bruttobesteuerung). Mit Ausnahme insbesondere von Lizenzvergütungen (§ 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG) können allerdings im Zusammenhang mit gem. § 50a Abs. 1 EStG steuerabzugspflichtigen Vergütungen unter bestimmten Voraussetzungen Werbungskosten und Betriebsausgaben bereits im Abzugsverfahren geltend gemacht werden (§ 50a Abs. 3 EStG, Rz. 6.295 ff.) so dass insoweit ein Steuerabzug auf Nettobasis erfolgt. Die Abgeltungswirkung und damit ein Steuerabzug auf Bruttobasis scheidet schließlich auch in den in § 50 Abs. 2 Satz 2 EStG genannten Fällen aus (Rz. 6.283 ff.).
6.281
Die Abgeltungswirkung des § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG führt in den Fällen zu einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG und die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten, in denen den inländischen Einnahmen Betriebsausgaben oder Werbungskosten in erheblichem Umfang gegenüberstehen, (Rz. 6.290) ohne dass die Möglichkeit eines Steuerabzugs auf Nettobasis oder einer Steuerveranlagung besteht.2 Betroffen sind hierdurch insbesondere die Vergütungen für die Nutzung oder für die Überlassung von Urheberrechten usw., die gem. § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG einer Abzugsteuer von 15 % (§ 50a Abs. 2 Satz 1 EStG) unterliegen. Im Gegensatz zu den ebenfalls abzugsteuerpflichtigen Einkünften aus der Ausübung oder Verwertung einer im Inland ausgeübten Tätigkeit als Künstler, Berufssportler usw. (§ 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG) bleibt den vorbezeichneten Vergütungen ein Steuerabzug auf Nettobasis oder eine Einbeziehung in eine Steuerveranlagung und damit eine Berücksichtigung von Betriebsausgaben oder Werbungskosten versagt. Im Hinblick darauf ist ein Steuererlass (§§ 163, 227 AO) geboten.3
6.282
1 Ausnahmen: § 50 Abs. 2 Satz 2; § 50a Abs. 7 Satz 4 EStG. 2 Zu europarechtlichen Aspekten vgl. Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.38 f. 3 Vgl. BVerfG v. 5.9.1975 – 1 BvR 219/75, StRK, EStG § 42 R. 12; BFH v. 20.4.1988 – I R 219/82, BStBl. II 1990, 701; v. 25.1.1989 – I R 205/82, BStBl. II 1990, 687.
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Kap. 6 Einkommensteuer
b) Ausnahmen vom Steuerabzug mit Abgeltungswirkung 6.283
§ 50 Abs. 2 Satz 2 EStG enthält folgende Ausnahmen vom Steuerabzug mit Abgeltungswirkung:
6.284
Fallen die Einnahmen im Rahmen eines inländischen Betriebes an, sind diese im Rahmen einer Veranlagung unter Berücksichtigung von Betriebsausgaben und Werbungskosten zu erfassen (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG). Das bedeutet, dass eine etwa einbehaltene Kapitalertragsteuer (§ 43 Abs. 4 EStG), Quellensteuer (§ 50a EStG) oder eine Steuer auf Bauleistungen (§§ 48 ff. EStG) zur Anrechnung zu bringen sind.1 Soweit es die Quellensteuer gem. § 50a EStG anbelangt, entfällt letztlich die Abgeltungswirkung auch in den Fällen der erweitert beschränkten Steuerpflicht (§ 2 Abs. 5 Satz 2 AStG, Rz. 6.357 ff.) sowie für Erträge aus inländischen Spezial-Investmentfonds (§ 15 Abs. 2 Satz 5 InvStG 2004; Rz. 12.59). Die Anknüpfung an einen inländischen Betrieb führt dazu, dass für alle einem Steuerabzug unterliegende Betriebseinnahmen unabhängig davon, ob sie zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb, Land- und Forstwirtschaft oder selbständiger Arbeit gehören,2 die Abgeltungswirkung entfällt. Von der Reichweite des § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG werden Betriebe und Betriebsstätten (§ 12 AO)3 und bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch ständige Vertreter (§ 13 AO)4 erfasst.
6.285
Dass die zur Bruttobesteuerung führende Abgeltungswirkung in dem hier interessierenden Zusammenhang nur dann suspendiert wird, wenn die dem Steuerabzug unterliegenden Einkünfte im Rahmen eines inländischen Betriebs anfallen, ist mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG und mit den europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten unvereinbar. Es ist jedenfalls kein rechtfertigender Grund erkennbar, die Abgeltungswirkung und damit die nachteilige Bruttobesteuerung in den übrigen Fällen, soweit nicht weitere Ausnahmen vorgesehen sind (Rz. 6.286 ff.), aufrecht zu erhalten. Die hiermit verbundenen Verwerfungen führen in der Praxis zu Gestaltungszwängen, insbesondere in den Fällen, in denen Lizenzvergütungen dem Steuerabzug gem. § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG unterliegen. Um hier etwa Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen als Betriebsausgaben im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht zum steuerlichen Abzug zu bringen, besteht für beschränkt steuerpflichtige Vergütungsgläubiger die Notwendigkeit, die Rechte z.B. in eine inländische Betriebsstätte einzubringen, um so der Abgeltungswirkung zu entgehen.
6.286
Die Abgeltungswirkung entfällt ferner dann, wenn nachträglich festgestellt wird, dass die Voraussetzungen der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 2, 3; § 1a EStG) nicht vorgelegen haben (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG). Diese Ausnahme betrifft insbesondere beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer, bei denen die Lohnsteuer zu Unrecht im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht 1 Rechtsgrundlagen: §§ 36 Abs. 2 Nr. 2, 48c, 50a Abs. 7 Satz 4 EStG. 2 Hierzu Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 50 EStG Rz. 220; Strunk in Korn, § 50 EStG Rz. 47; Loschelder in Schmidt35, § 50 EStG Rz. 28. 3 Art. 5 OECD-MA spielt keine Rolle. 4 Das ergibt sich aus § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG; vgl. BFH v. 12.4.1978 – I R 136/77, BStBl. II 1978, 494; v. 23.10.1991 – I R 86/89, BStBl. II 1992, 185; Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 50 EStG Rz. 221; Gosch in Kirchhof15, § 50 EStG Rz. 19a; Strunk in Korn, § 50 EStG Rz. 41.
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C. Beschränkte Steuerpflicht
gem. §§ 39b, 39c EStG etwa unter Berücksichtigung des Splitting-Tarifs einbehalten wurde. In diesen Fällen wird durch § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG die Möglichkeit eröffnet, nachträglich eine Veranlagung auf der Grundlage der beschränkten Steuerpflicht durchzuführen und dementsprechend die Lohnsteuer nachzufordern (§ 39 Abs. 7 Satz 4 EStG). § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG ist keine Korrekturvorschrift; die Rechtsfolgen sind allein auf die Beseitigung der Abgeltungswirkung gerichtet.1 Eine weitere Ausnahme von der Abgeltungswirkung ist beim Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht vorgesehen, um so entsprechend § 2 Abs. 7 Satz 3 EStG sicherzustellen, dass die während der beschränkten Einkommensteuerpflicht erzielten inländischen Einkünfte in einer Veranlagung zur unbeschränkten Einkommensteuerpflicht einbezogen werden können (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG).
6.287
Die Abgeltungswirkung wird schließlich auch in den Fällen beseitigt, in denen für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer für Werbungskosten oder Sonderausgaben als Lohnsteuerabzugsmerkmal ein Freibetrag nach § 39a Abs. 4 EStG gebildet worden ist. (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. a EStG). Neben dieser Arbeitnehmerpflichtveranlagung wird auf Antrag nur für in einem EU-/EWR-Staat ansässige EU-/EWR-Staatsangehörige (§ 50 Abs. 2 Satz 7 EStG) ein Veranlagungsverfahren ohne weitere Voraussetzungen (§ 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG) durchgeführt mit der Folge, dass die Abgeltungswirkung entfällt (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b EStG).2
6.288
Über die vorgenannten Fälle hinaus wird schließlich ganz allgemein für bestimmte gem. § 50a Abs. 1 EStG steuerabzugspflichtige Einkünfte auf Antrag eine Veranlagung durch das Bundeszentralamt für Steuern durchgeführt (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5, Abs. 2 Satz 8 EStG) mit der Folge, dass insoweit die Abgeltungswirkung ebenfalls suspendiert wird. Die Reichweite ist allerdings in zweifacher Hinsicht begrenzt: Von der Antragsveranlagung sind in persönlicher Hinsicht von vorneherein alle Drittstaatsangehörige und solche EU-/EWR-Staatsbürger ausgeschlossen, die im EU-/EWR-Gebiet weder ihren Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 50 Abs. 2 Satz 7 EStG) und in sachlicher Hinsicht z.B. Lizenzvergütungen, soweit diese unter § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG fallen.
6.289
Aus welchen Gründen beschränkt Steuerpflichtige für dem Steuerabzug gem. § 50a EStG unterliegende Lizenzvergütungen (§ 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG) keine Veranlagung zur Einkommensteuer beantragen können, erschließt sich nicht. Für die vorgenannten Einkünfte eröffnet sich aber auch nicht die Möglichkeit eines Steuerabzugs auf Nettobasis (§ 50a Abs. 3 Satz 1 EStG) mit der Folge, dass eine Bruttobesteuerung nur dann vermieden werden kann, wenn die Lizenzvergütun-
6.290
1 Loschelder in Schmidt35, § 50 EStG Rz. 32; durch die Bezugnahme auf § 39 Abs. 7 EStG (Rechtsgrundverweisung) ist auch eine Lohnsteuernachforderung möglich; vgl. BFH v. 23.9.2008 – I R 65/07, BStBl. II 2009, 666. 2 Wegen der Beschränkung auf EU-/EWR-Staatsangehörige ist ein Verstoß gegen die abkommensrechtlichen Diskriminierungsverbote (Art. 24 OECD-MA)gegeben; vgl. Gosch in Kirchhof15, § 50 EStG Rz. 24; Gosch, DStR 2007, 1553 (1560); Schaumburg in FG Wassermeyer, 121 (126); einen Verstoß gegen Art. 24 OECD-MA dagegen verneinend Rust in V/L6, Art. 24 OECD-MA Rz. 53.
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Kap. 6 Einkommensteuer
gen im Rahmen eines inländischen Betriebs vereinnahmt werden (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG). Diese Diskriminierung von beschränkt steuerpflichtigen Gläubigern von Lizenzvergütungen ist mit Art. 3 Abs. 1 GG ebenso unvereinbar wie mit den europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten.1 c) Steuerabzug auf Bruttobasis 6.291
Im Hinblick darauf, dass der Steuerabzug grundsätzlich auf Bruttobasis erfolgt,2 bewirkt die sich aus § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG ergebende Abgeltungswirkung eine definitive Bruttobesteuerung, soweit nicht die Ausnahmen gem. § 50 Abs. 2 Satz 2 EStG gegeben sind (Rz. 6.283 ff.) oder aber ein Steuerabzug auf Nettobasis eingreift (Rz. 6.295 ff.). Ein Steuerabzug auf Bruttobasis ist im Ergebnis allerdings zwingend für alle Lizenzvergütungen unabhängig davon, wo der beschränkt steuerpflichtige Vergütungsgläubiger ansässig ist (§ 50a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 EStG), für sämtliche dem Steuerabzug gem. § 50a EStG unterliegende Vergütungen an Drittstaatenangehörige (§ 50a Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 EStG) sowie entsprechende Vergütungen an EU-/EWR-Staatsangehörige, die in Drittstaaten ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben (§ 50a Abs. 3 Satz 2, Alt. 2 EStG). Werden die vorstehenden Vergütungen nicht im Rahmen eines inländischen Betriebs vereinnahmt (§ 50 Abs. 2 Satz 2 EStG) ist die Bruttobesteuerung infolge der Abgeltungswirkung (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG) definitiv.
6.292
Soweit in sachlicher Hinsicht Lizenzvergütungen und in persönlicher Hinsicht Drittstaatenangehörige und in Drittstaaten ansässige EU-/EWR-Staatsangehörige in den durch die Bruttobesteuerung gezogenen Diskriminierungsrahmen fallen, ist ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gegeben. Die hierfür maßgebliche Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit erlaubt eine derartige Diskriminierung nicht. Jedenfalls ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen eine höhere Besteuerung beschränkt steuerpflichtiger Personen nur deshalb geboten sein sollte, weil sie Drittstaatenangehörige oder als EU-/EWR-Staatsbürger in Drittstaaten ansässig sind. Die Diskriminierung des vorgenannten Personenkreises ist nicht nur mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip unvereinbar, sondern entspricht darüber hinaus auch nicht der dem Einkommensteuergesetz zugrunde liegenden Konzeption, wonach die Besteuerung unabhängig von der Staatsangehörigkeit erfolgt (Rz. 6.9 ff.).
6.293
Der Steuerabzug auf Bruttobasis erfährt allerdings insoweit eine Modifikation, als vom Vergütungsschuldner ersetzte oder übernommene Reisekosten unter bestimmten Voraussetzungen nicht zu den dem Steuerabzug unterliegenden Einnahmen gehören (§ 50a Abs. 2 Satz 2 EStG). Voraussetzung ist, dass die Fahrtund Übernachtungsauslagen die tatsächlichen Kosten und die Vergütung für die Verpflegungsmehraufwendungen die Pauschbeträge gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG nicht übersteigen.3 Demgegenüber gehören zu den maßgeblichen Einnahmen auch die Umsatzsteuer,4 es sei denn, sie wird im Rahmen des sog. 1 2 3 4
Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.36 ff. §§ 39b Abs. 2; § 43a Abs. 2 Satz 1; § 50a Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG. Zu Einzelheiten Holthaus DStZ 2008, 741 (744). BFH v. 24.4.2007 – I R 39/04, BStBl. II 2008, 95; v. 5.5.2010 – I R 104/08, BFH/NV 2010, 1814; v. 5.5.2010 – I R 105/08, BFH/NV 2010, 2043.
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C. Beschränkte Steuerpflicht
Reverse-Charge-Verfahrens (§ 13b UStG) vom Vergütungsschuldner als inländischem Leistungsempfänger getragen.1 Der Steuerabzug beträgt in den Fällen des § 50a Abs. 1 Nr. 1–3 EStG grundsätzlich 15 % und im Übrigen für Aufsichtsratvergütungen 30 % der Einnahmen (§ 50a Abs. 2 Satz 1 EStG). Bei den Einnahmen aus Darbietungen (§ 50a Abs. 1 Nr. 1 EStG) greift eine Bagatellgrenze ein, wonach vom Steuerabzug abgesehen wird, wenn die Einnahmen je Darbietung Euro 250,– nicht übersteigen (§ 50a Abs. 2 Satz 3 EStG). Das gilt auch dann, wenn mehrere Darbietungen von ein und demselben Veranstalter organisiert werden.2
6.294
d) Steuerabzug auf Nettobasis Für beschränkt steuerpflichtige Vergütungsgläubiger, die EU-/EWR-Staatsbürger sind und in einem EU-/EWR-Staat auch ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, eröffnet sich die Möglichkeit eines Steuerabzugs auf Nettobasis (§ 50a Abs. 3 EStG).3 Dieser Steuerabzug auf Nettobasis ist indessen für Lizenzvergütungen (§ 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG) ausgeschlossen.4 Der Steuerabzug auf Nettobasis führt dazu, dass der Vergütungsschuldner den Steuerabzug unter Berücksichtigung nachgewiesener Werbungskosten oder Betriebsausgaben vornimmt. Voraussetzung ist, dass die Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einnahmen stehen.5 Angesprochen sind damit etwa bei künstlerischen Darbietungen insbesondere Reise-, Transport- und Unterkunftskosten sowie Aufwendungen etwa für Ton- und Lichtanlagen und Bühne, nicht aber allgemeine Personal- und Verwaltungskosten.6 Ein bloßer Veranlassungszusammenhang reicht somit nicht aus.7 Darüber hinaus müssen die Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben dem Vergütungsschuldner von einem beschränkt Steuerpflichtigen in einer für das Bundeszentralamt für Steuern nachprüfbaren Form nachgewiesen werden.8 Ein Nachweis ist allerdings entbehrlich, wenn die in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben oder Werbungskosten vom Vergütungsschuldner übernommen worden sind (§ 50a Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 EStG).9 In diesem
1 BMF v. 25.11.2010 – IV C 3 - S 2303/09/1000 – DOK 2010/08615492, BStBl. I 2010, 1350, Tz. 45; Loschelder in Schmidt35, § 50a EStG Rz. 17; Lüdicke, IStR 2002, 18 ff.; kritisch hierzu Hidien, RIW 2002, 208 ff.; Kahle, DB 2002, 13 ff. 2 Loschelder in Schmidt35, § 50a EStG Rz. 18; BMF v. 25.11.2010 – IV C 3 - S 2303/09/1000 – DOK 2010/08615492, BStBl. I 2010, 1350, Tz. 55. 3 Zurückzuführen auf das Urteil des EuGH v. 15.2.2007 – Rs. C-345/04 – Centro Equestre, Slg. 2007, I-1442. 4 Zu dieser nicht einsichtigen Differenzierung Rz. 6.290. 5 BFH v. 27.7.2011 – I R 32/10, BStBl. II 2014, 513 Rz. 17; v. 27.7.2011 – I R 56/10, BFH/NV 2012, 181 Rz. 11; BMF v. 17.6.2014, BStBl. I 2014, 887; Wied in Blümich, § 50a EStG Rz. 34. 6 Hierzu Loschelder in Schmidt35, § 50a EStG Rz. 23; Gosch in Kirchhof15, § 50a EStG Rz. 23; Cordewener/Grams/Molenaar, IStR 2006, 739 (741); Hartmann DB 2009, 197 (199). 7 Vgl. BFH v. 24.4.2007 – I R 93/03, BStBl. II 2008, 132. 8 Zu Einzelheiten § 73d EStDV. 9 § 73d Abs. 1 Satz 3 EStDV; vgl. Loschelder in Schmidt35, § 50a EStG Rz. 24.
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6.295
Kap. 6 Einkommensteuer
Fall ist lediglich die Staatsangehörigkeit des Gläubigers zu dokumentieren.1 Liegen die vorgenannten Voraussetzungen nicht vor, kann der Vergütungsschuldner bei einem zu geringen Steuerabzug als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden (§ 50a Abs. 5 Satz 4 EStG, § 73g EStDV). 6.296
Mit dem Steuerabzug auf Nettobasis (§ 50a Abs. 3 Satz 1 EStG) wird dem Vergütungsschuldner ein erheblicher Prüfungs- und Verwaltungsaufwand auferlegt. Er hat nicht nur die Staatsangehörigkeit und Ansässigkeit des Vergütungsgläubigers festzustellen und zu überprüfen, sondern auch die Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben insbesondere hinsichtlich ihres wirtschaftlichen Zusammenhangs mit den Vergütungen. So gesehen ist der Vergütungsschuldner zwangsverpflichteter Gehilfe des Staates, der insoweit als Steuereinnehmer für diesen mit der Folge der möglichen Inanspruchnahme als Haftender tätig ist.2 Diese weit reichende Indienstnahme mit dem damit verbundenen Haftungsrisiko, die sowohl verfassungsrechtlich3 als auch europarechtlich4 problematisch ist, wird dadurch abgemildert, dass die Vergütungsgläubiger unter bestimmten Voraussetzungen unabhängig vom Steuerabzug auf Nettobasis einen Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer stellen können (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 EStG, Rz. 6.289 f.) und darüber hinaus ohnehin vom Vergütungsschuldner ersetzte oder übernommene Reisekosten von den dem Steuerabzug unterliegenden Einnahmen in Abzug gebracht werden können (§ 50a Abs. 2 Satz 2 EStG, Rz. 6.293).
6.297
Im Hinblick auf den Steuerabzug auf Nettobasis beträgt der Steuerabzug 30 %, wenn der Gläubiger der Vergütung eine natürliche Person ist und 15 %, wenn es sich insoweit um eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse handelt (§ 50a Abs. 3 Satz 4 EStG). Dieser im Vergleich zum Steuerabzug auf Bruttobasis höhere Steuersatz rechtfertigt sich vor dem Hintergrund, dass beim Steuerabzug auf Bruttobasis bereits ein pauschaler Betriebsausgabenabzug in Form des verminderten Steuersatzes von 15 % Berücksichtigung findet, so dass eine doppelte Berücksichtigung von Werbungskosten oder Betriebsausgaben vermieden wird.5
6.298
Eine Besonderheit enthält § 50a Abs. 4 EStG für den Fall des mehrstufigen Steuerabzugs. Danach soll ein sog. Kaskadeneffekt vermieden werden, der dadurch eintreten kann, dass auf jeder Vergütungsstufe erneut ein Steuerabzug vorzunehmen ist. Im Hinblick darauf kann ein Vergütungsgläubiger, der seinerseits Vergütungsschuldner ist, von einem nochmaligen Einbehalt und der Anmeldung des Steuerabzugs absehen, wenn auf seine Vergütungen bereits ein Steuerabzug nach § 50a Abs. 2 EStG vorgenommen wurde. Das gilt freilich dann nicht, wenn 1 Hierzu Maßbaum in H/H/R, § 50a EStG Rz. 108. 2 Zur Verfassungsmäßigkeit der Indienstnahme des Unternehmers zur Erhebung von Steuern: BVerfG v. 16.3.1971 – 2 BvL 17/69, BVerfGE 30, 392; v. 29.11.1967 – 1 BvR 175/66, BVerfGE 22, 380; Hey, FR 1998, 497 ff.; Trzaskalik, DStJG 12 (1989), 157 (163); Drüen, DStJG 31 (2008), 167 (180 ff.). 3 Hierzu die Nachweise in der vorstehenden Fußnote. 4 Nach EuGH v. 3.10.2006 – Rs. C-290/04 – Scorpio, BStBl. II 2007, 352, ist die Mitteilung von Werbungskosten und Betriebsausgaben ausreichend; hierzu Holthaus, IStR 2008, 95 (97), Hartmann, DB 2009, 197 (200). 5 Hierzu Gosch in Kirchhof15, § 50a EStG Rz. 26; Kahle/Schulz, RIW 2009, 140 (146); zu europarechtlichen Bedenken Holthaus, IWB 2011, 369 (372).
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C. Beschränkte Steuerpflicht
für die Einnahmen auf der vorangegangenen Stufe vom Vergütungsschuldner im Nachgang eine vollständige oder teilweise Erstattung auf Grund Abkommensrechts beantragt wird (§ 50d Abs. 1 EStG), eine Veranlagung nach § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 EStG oder ein Steuerabzug auf Nettobasis (§ 50a Abs. 3 EStG) erfolgt.1 Im Ergebnis wird damit sichergestellt, dass ein Kaskadeneffekt nur dann vermieden wird, wenn der Steuerabzug auf der vorangegangenen Stufe auf Bruttobasis erfolgt ist.2 e) Steuerabzug auf Anordnung § 50a Abs. 7 EStG gestattet es dem Finanzamt in weiteren Fällen, zur Sicherstellung des Steueranspruchs einen Steuerabzug zu verlangen.3 Voraussetzung ist, dass der Steuerabzug unter dem Gesichtspunkt der Sicherstellung des Steueranspruchs zweckmäßig ist. Das ist von vornherein nicht der Fall, wenn abkommensrechtlich überhaupt kein deutsches Besteuerungsrecht besteht.4 Die als Verwaltungsakt5 zu qualifizierende Abzugsanordnung, die im pflichtgemäßen Ermessen des für den Vergütungsgläubiger zuständigen Finanzamtes (§§ 19 Abs. 2; 20 Abs. 2 AO) steht, darf sich nur auf Einnahmen beziehen, die durch das konkrete Rechtsverhältnis zwischen Vergütungsgläubiger und -schuldner veranlasst sind, so dass ein Steuerabzug für anderweitige Einnahmen außer Betracht bleibt.6 Der Steuerabzug beträgt 25 %, bei Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen 15 %.7 Es kann indessen ein unter 25 % liegender Satz angeordnet werden, wenn aus Sicht des Finanzamtes erkennbar ist,8 dass die geschuldete Einkommensteuer letztlich niedriger ist (§ 50a Abs. 7 Satz 2 EStG).
6.299
Steuerschuldner ist der beschränkt Steuerpflichtige als Vergütungsgläubiger. Der Schuldner der Vergütungen kann allerdings als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden. Insoweit entspricht die Rechtslage derjenigen beim Lohnsteuer- und Kapitalertragsteuerabzug. Dementsprechend entsteht die Abzugsteuer, abweichend von § 38 AO, im Zeitpunkt des Zufließens, grundsätzlich also bei Auszahlung der Vergütungen (§ 50a Abs. 7 Satz 3 EStG; § 73c EStDV). Zu diesem Zeitpunkt ist auch der Steuerabzug vorzunehmen (§ 73e EStDV).9
6.300
1 Zu weiteren Einzelheiten Jahn, PIStB 2008, 143 (146); Holthaus, DStR 2008, 741 (745). 2 Vgl. Wied in Blümich, § 50a EStG Rz. 101; Rüping, IStR 2008, 575 (578); Kahle/Schulz, RIW 2009, 140 (145). 3 Zu Einzelheiten Maßbaum in H/H/R, § 50a EStG Rz. 180 ff.; Streck, BB 1984, 846 ff.; Müller, DB 1984, 2221 ff.; Unterbusch, DB 1985, 302 ff.; Delcker, RIW 1985, 472 ff.; Lieven, IStR 1996, 153 ff. 4 Gosch in Kirchhof15, § 50a EStG Rz. 41; Loschelder in Schmidt35, § 50a EStG Rz. 43; Maßbaum in H/H/R, § 50a EStG Rz. 198; Wied in Blümich, § 50a EStG Rz. 135. 5 Vom Abzugsverpflichteten und vom Steuerschuldner mit dem Einspruch anfechtbar; BFH v. 24.3.1999 – I B 113/98, BFH/NV 1999, 1314; Wied in Blümich, § 50a EStG Rz. 146. 6 Wied in Blümich, § 50a EStG Rz. 140; Streck, DB 1984, 846 (846); a.A. Müller, DB 1984, 2221 (2221). 7 Keine Abgeltungswirkung (§ 50 Abs. 7 Satz 4 EStG). 8 Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung. 9 Ausnahmen gelten für die Gema und ähnliche Rechtsträger gem. § 73f EStDV.
Schaumburg
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Kap. 6 Einkommensteuer
f) Abzugsverfahren 6.301
Der Steuerabzug ist in allen Fällen zu dem Zeitpunkt vorzunehmen, zu dem die betreffenden Einkünfte, die dem Steuerabzug vom Arbeitslohn, vom Kapitalertrag oder von den Vergütungen gem. § 50a Abs. 1 EStG unterliegen, zufließen (§§ 38 Abs. 2 Satz 2, 44 Abs. 1 Satz 2, 50a Abs. 5 Satz 1, 50a Abs. 7 Satz 3 EStG). Für Vergütungen i.S. des § 50a Abs. 1 EStG wird dies durch § 73c EStDV für die Fälle der Zahlung, Verrechnung und Gutschrift konkretisiert. Bestehen aus der Sicht des Vergütungsschuldners Zweifel, ob der Vergütungsgläubiger beschränkt steuerpflichtig ist, muss der Steuerabzug dennoch vorgenommen werden, es sei denn der Gläubiger weist durch eine Bescheinigung des für ihn zuständigen Finanzamtes nach, dass er unbeschränkt steuerpflichtig ist. (§ 73e Satz 6 EStDV). Soweit in Abkommensfällen die Abzugsteuer entfällt oder der Höhe nach reduziert ist, darf der Steuerabzug nur dann unterbleiben oder nach einem geringeren Steuersatz vorgenommen werden, wenn eine diesbezügliche Bescheinigung des Bundeszentralamtes für Steuern vorliegt (§ 50d Abs. 2 EStG).
6.302
Die Anmeldung der Abzugsteuer auf Vergütungen (§ 50a Abs. 1 EStG) ist bis zum 10. des Monats, der dem Kalendervierteljahr folgt, in dem die Vergütung ausgezahlt wurde, ggü. dem Bundeszentralamt für Steuern vorzunehmen (§ 73e Satz 2 EStDV). Innerhalb dieser Frist muss auch die Abzugsteuer an das Bundeszentralamt für Steuern abgeführt werden (§ 50a Abs. 5 Satz 3 EStG, § 73e Satz 1 EStDV). Wenn der Vergütungsschuldner die Abzugsteuer nicht oder nicht vollständig einbehält und abführt, haftet er, und zwar sowohl in den Fällen des Steuerabzugs auf Bruttobasis (§ 50a Abs. 2 EStG) als auch beim Steuerabzug auf Nettobasis (§ 50a Abs. 3 EStG). Die Inanspruchnahme als Haftender (§ 50a Abs. 5 Satz 4 EStG), die unionsrechtlich unbedenklich ist,1 erfolgt im Grundsatz durch Haftungsbescheid (§ 73g EStDV). Die Inanspruchnahme des Vergütungsschuldners kann auf Grundlage des § 167 Abs. 1 Satz 1 AO allerdings auch durch einen Nacherhebungsbescheid2 oder bei schriftlichem Anerkenntnis oder bei erfolgter Anmeldung auch ohne Bescheid (§ 73g Abs. 2 EStDV, § 167 Abs. 1 Satz 3 AO) erfolgen.3 Hierbei sind keine besonderen Ermessenserwägungen anzustellen.4 Hat allerdings der Vergütungsschuldner die Abzugsteuer nicht oder nicht vollständig einbehalten und abgeführt, kann auch der beschränkt steuerpflichtige Vergütungsgläubiger durch Nachforderungsbescheid in Anspruch genommen werden (§ 50a Abs. 5 Satz 5 EStG; § 73g Abs. 1 Alt. 2 EStDV). Ob der Vergütungsschuldner oder der Vergütungsgläubiger in Anspruch genommen wird, liegt im Ermessen des Bundeszentralamts für Steuern, wobei freilich die Inanspruchnahme des Vergütungsgläubigers durch Nachforderungsbescheid ermessensfehlerhaft ist, wenn die Abzugsteuer seitens des Vergütungsschuldners zwar einbehalten, aber nicht an das Bundeszentralamt für Steuern abgeführt wurde.5
1 2 3 4
BFH v. 22.8.2007 – I R 46/02, BStBl. II 2008, 190. Wahlrecht; vgl. BFH v. 19.12.2012 – I R 81/11, BFH/NV 2013, 698. Hierzu Loschelder in Schmidt35, § 50a EStG Rz. 121 ff. BFH v. 19.12.2012 – I R 81/11, BFH/NV 2013, 698; Gosch in Kirchhof15, § 50 EStG Rz. 56; Loschelder in Schmidt35, § 50a EStG Rz. 35; Wied in Blümich, § 50a EStG Rz. 123; a.A. Drüen, DB 2005, 299 (305 ff.). 5 Loschelder in Schmidt35, § 50a EStG Rz. 38.
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Schaumburg
C. Beschränkte Steuerpflicht
Im Hinblick darauf, dass die Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht (§ 168 AO), kann diese durch Einspruch und Klage angefochten werden, und zwar entweder durch den Vergütungsschuldner, wenn dieser das Bestehen seiner Steuerentrichtungsschuld überprüfen lassen will1 oder durch den beschränkt steuerpflichtigen Vergütungsgläubiger, um die Abzugsverpflichtung des Vergütungsschuldners überprüfen zu lassen.2 Unter den gleichen Voraussetzungen kann auch die Aussetzung der Vollziehung beantragt werden.3 Gegen den Haftungsbescheid kann ebenfalls neben dem als Haftungsschuldner in Anspruch genommenen Vergütungsschuldner der Vergütungsgläubiger mit Einspruch und Klage vorgehen.4
6.303
g) Erstattungsverfahren Der Steuerabzug ist im Grundsatz unabhängig davon durchzuführen, ob sich nach Maßgabe des nationalen Rechts oder nach Abkommensrecht ein niedrigerer Steuersatz oder gar eine Steuerfreistellung ergibt. Diese in § 50d Abs. 1 Satz 1 EStG verankerte und im Ausgangspunkt unbedingt wirkende Abzugsverpflichtung dient der Sicherung des Steueraufkommens5 und enthält im Hinblick auf abweichende abkommensrechtliche und auf EU-Richtlinien beruhende Regelungen ein treaty und directive overriding.6 Im Wesentlichen geht es um die Kapitalertragsteuer (§§ 43 ff. EStG) für Dividenden und die Quellensteuer gem. § 50a EStG auf Lizenzvergütungen. In diesen Fällen ist der Gläubiger der Kapitalerträge oder der Vergütungen darauf angewiesen, entsprechende ggf. der Verzinsung unterliegende Erstattungsansprüche7 ggü. dem Bundeszentralamt für Steuern zu stellen (§ 50d Abs. 1 Sätze 2 bis 13 EStG). Die Erstattung der einbehaltenen und abgeführten Abzugsteuer erfolgt nur auf Antrag des Vergütungsgläubigers (§ 50d Abs. 1 Satz 3, 6 EStG) und setzt eine Steuerentlastung gem. §§ 43b, 50g EStG oder nach Abkommensrecht voraus, wobei die Ansässigkeit des Vergütungsgläubigers im Ausland durch eine Bestätigung der dort zuständigen Steuerbehörde nachzuweisen ist (§ 50d Abs. 4 EStG).8 Die Erstattung erfolgt schließlich nur unter den Voraussetzungen des § 50j EStG, so dass vom Gläubiger der Kapitalerträge u.a. nachzuweisen ist, dass er während der Mindestbehaltensdauer von 45 Tagen vor und nach der Fälligkeit der Kapitalerträge ununterbrochen unwiderruflicher Eigentümer der zugrunde liegenden Anteile oder Genussscheine war. Die Frist 1 BFH v. 28.1.2004 – I R 73/02, BStBl. II 2005, 550; Gosch in Kirchhof15, § 50a EStG Rz. 39; Loschelder in Schmidt35, § 50a EStG Rz. 40; Schauhoff, IStR 2004, 706 (708 f.); Wassermeyer, IStR 2004, 709. 2 BFH v. 7.11.2007 – I R 19/04, BStBl. II 2008, 228; v. 13.8.1997 – I B 30/97, BStBl. II 1997, 700; Loschelder in Schmidt35, § 50a EStG Rz. 40; Dörr, BB 2008, 599; zur Kritik Cordewener IStR 2006, 158 (161 f.). 3 Vgl. hierzu BFH v. 13.8.1997 – I B 30/97, BStBl. II 1997, 700. 4 BFH v. 24.4.2007 – I R 39/04, BStBl. II 2008, 95; Loschelder in Schmidt35, § 50a EStG Rz. 40. 5 Vgl. Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 1. 6 Klein/Hagena in H/H/R, § 50d EStG Rz. 6; Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 1, 24; zur Zulässigkeit vgl. Rz. 3.24 f. 7 § 50d Abs. 1a EStG in Fällen von § 50g EStG. 8 Bei ausländischen Kapitalgesellschaften als Erstattungsberechtigte sind vor allem die Voraussetzungen des § 50d Abs. 3 EStG zu erfüllen; hierzu Rz. 19.160 ff.
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6.304
Kap. 6 Einkommensteuer
für den Antrag auf Erstattung beträgt vier Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem die Kapitalerträge bzw. Vergütungen bezogen wurden (§ 50d Abs. 1 Satz 9 EStG), sie endet aber nicht vor Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt der Entrichtung der Steuer (§ 50d Abs. 1 Satz 10 EStG).1 6.305
Wurde die Abzugsteuer ohne Rechtsgrund einbehalten und abgeführt, hat der beschränkt steuerpflichtige Gläubiger gem. § 37 Abs. 2 AO einen gegen das Bundeszentralamt für Steuern gerichteten Erstattungsanspruch.2 Dieser Erstattungsanspruch, der ausgenommen in den Fällen von § 50g EStG (§ 50d Abs. 1a EStG) keiner Verzinsung nach § 233 AO unterliegt,3 besteht auch in den Fällen, in denen die Steueranmeldung nicht angefochten wurde.4 h) Freistellungs- und Kontrollmeldeverfahren
6.306
Ein Steuerabzug kann ausnahmsweise in den Fällen des Freistellungs- und Kontrollmeldeverfahren ganz oder teilweise unterbleiben (§ 50d Abs. 2, 5, 6 EStG). Das in der Praxis im Vordergrund stehende Freistellungsverfahren gilt vor allem für Vergütungen gem. § 50a Abs. 1 EStG (Rz. 6.281) für Dividenden gem. §§ 43b EStG oder außerhalb der EU in Abkommensfällen (§ 50d Abs. 2 Satz 1 EStG), sowie für Zinsen5 und Lizenzgebühren gem. § 50g EStG, die von einem inländischen Unternehmen etwa an ein verbundenes EU-Unternehmen gezahlt werden.
6.307
Die Freistellung erfolgt nur auf Antrag des Vergütungsgläubigers beim Bundeszentralamt für Steuern (§ 50d Abs. 2 Satz 1 EStG). Voraussetzung hierfür ist die Vorlage einer Ansässigkeitsbestätigung der betreffenden Steuerbehörde des ausländischen Ansässigkeitsstaates (§ 50d Abs. 4 EStG). Wird die Freistellungsbescheinigung erteilt, so beinhaltet sie, je nach Rechtsgrund der Zahlung an den Vergütungsgläubiger, entweder eine Einmalfreistellung oder eine Dauerfreistellung, wobei diese mindestens ein Jahr und längstens drei Jahre Gültigkeit hat (§ 50d Abs. 2 Satz 4 EStG). Die Geltungsdauer beginnt allerdings frühestens an dem Tag, an dem der Antrag beim Bundeszentralamt für Steuern eingeht (§ 50d Abs. 2 Satz 4 EStG), so dass eine Freistellung für bereits vorher erhaltene Kapitalerträge bzw. Vergütungen ausgeschlossen ist. Die Freistellung, die unter dem Vorbehalt des Widerrufs erteilt und von Auflagen oder Bedingungen abhängig gemacht werden kann (§ 50d Abs. 2 Satz 2 EStG), ist ein begünstigender Verwaltungsakt, der gem. §§ 130, 131 AO geändert werden kann und bei dessen Ablehnung der Einspruch (§ 347 Abs. 1 Nr. 1 AO) und sodann Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) gegeben ist.6 Vorläufiger Rechtsschutz wird über die einstweilige Anordnung gewährt (§ 114 FGO).7 1 Zu dieser Ablaufhemmung Klein/Hagena in H/H/R, § 50d EStG Rz. 23; Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 11. 2 Loschelder in Schmidt35, § 50a EStG Rz. 41. 3 BFH v. 18.9.2007 – I R 15/05, BStBl. II 2008, 332. 4 Die Steueranmeldung ist keine Steuerfestsetzung gegen den Vergütungsgläubiger; vgl. BFH v. 7.11.2007 – I R 19/04, BStBl. II 2008, 228; Loschelder in Schmidt35, § 50a EStG Rz. 41. 5 Zinsen für grundpfandrechtlich geschuldete Forderungen gem. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c, Doppelbuchst. aa EStG. 6 Klein/Hagena in H/H/R, § 50d EStG Rz. 40; Loschelder in Schmidt35, § 50a EStG Rz. 21. 7 Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 20.
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C. Beschränkte Steuerpflicht
Wird dagegen eine Freistellungsbescheinigung aufgehoben oder geändert, ist nach dem Einspruch Anfechtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) und als vorläufiger Rechtsschutz die Aussetzung der Vollziehung (§ 69 FGO) gegeben.1 Da der Vergütungsschuldner wegen möglicher Haftungsschuld durch die Verweigerung der Freistellungsbescheinigung in seinen Rechten verletzt sein kann, ist er neben dem Vergütungsgläubiger rechtsbehelfsbefugt.2
6.308
In Fällen geringer steuerlicher Bedeutung kann auch im Rahmen des Kontrollmeldeverfahrens vom Steuerabzug Abstand genommen werden (§ 50d Abs. 5 und 6 EStG). Angesprochen hierdurch sind Einzelzahlungen bis Euro 5.500 und Gesamtzahlungen bis zu Euro 40 000,3 allerdings nur soweit es sich um Vergütungen gem. § 50a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG (Lizenzgebühren) handelt (§ 50d Abs. 5 Satz 1 EStG). Darüber hinaus können auch Kapitalerträge gem. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 4 EStG (Dividenden, Lebensversicherungserträge) in das Kontrollmeldeverfahren einbezogen werden (§ 50d Abs. 6 EStG).
6.309
4. Steuererlass/Pauschbesteuerung Literatur Kommentare zu § 50 Abs. 4 EStG; Anzinger, Steuerbefreiung der FIFA anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland durch Ministererlass, FR 2006, 857; Balzerkiewicz/Voigt, Kriterien eines Steuererlasses nach § 50 Abs. 7 EStG bei Sportereignissen unter Berücksichtigung der Gleichbehandlung verschiedener Sportarten, BB 2005, 302; Holthaus, Befreiung von der Abzugssteuer nach § 50a EStG bei öffentlich geförderten ausländischen Kulturvereinigungen – Praxisprobleme und aktuelle Weisungslage, IStR 2003, 120; Siefert, Die Besteuerung bei der Entsendung von Arbeitskräften in das Ausland, Frankfurt 1985.
Gemäß § 50 Abs. 4 EStG kann die Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen ganz oder zum Teil erlassen oder in einem Pauschbetrag festgesetzt werden, wenn dies im besonderen öffentlichen Interesse liegt. Ein derartiges öffentliches Interesse besteht insbesondere an ausländischen Veranstaltungen international bedeutsamer kultureller und sportlicher Ereignisse, um deren Ausrichtung ein internationaler Wettbewerb stattfindet, oder an inländischen Auftritten ausländischer Kulturvereinigungen, wenn ihr Auftritt wesentlich aus öffentlichen Mitteln gefördert wird (§ 50 Abs. 4 Nr. 1 u. 2 EStG).4 Damit wird klargestellt, dass Ereignisse, die nur in Verbindung mit den vorgenannten Veranstaltungen und Auftritten stehen, nicht erfasst werden.5 Über die entsprechenden Billigkeitsmaßnahmen hat die Finanzverwaltung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden (§ 5 AO),6 wobei die Zustimmung des Bundesfinanzministeriums erforderlich ist. 1 BFH v. 13.4.1994 – I B 212/93, BStBl. II 1994, 835; v. 13.8.1997 – I B 30/97, BStBl. II 1997, 700; Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 20. 2 BFH v. 4.3.2009 – I R 6/07, BFH/NV 2009, 1195; Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 20; Loschelder in Schmidt35, § 50d EStG Rz. 21. 3 BMF v. 18.12.2002, BStBl. I 2002, 1386; v. 20.5.2009, BStBl. I 2009, 645. 4 Das gilt etwa für Orchester, nicht aber für solistisch besetzte Ensembles; BFH v. 7.3.2007 – I R 98/05, BStBl. II 2008, 186. 5 Gosch in Kirchhof15, § 50 EStG Rz. 31; Wied in Blümich, § 50 EStG Rz. 124. 6 Antragsberechtigt ist nur der Vergütungsgläubiger; BFH v. 30.5.2007 – I B 124/06, BFH/NV 2007, 1905.
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6.310
Kap. 6 Einkommensteuer
6.311
Im Hinblick darauf, dass § 50 Abs. 4 EStG keine abschließende Regelung enthält, handelt es sich im Ergebnis um eine Generalklausel, die aber dennoch als hinreichend bestimmt und begrenzt angesehen werden kann.1 Auf § 50 Abs. 4 EStG beruht u.a. die Steuerfreistellung für Einkünfte aus der Verwertung nichtselbständiger Arbeit im Inland2 sowie für solche im Zusammenhang mit inländischen Sportereignissen.3
D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht Literatur Kommentare zu § 2 AStG; Ackert/Riedel/Riedl/Trost, Der Wegzug einer natürlichen Person nach Gibraltar, ISR 2014, 73; Angermann/Anger, Der neue Erlass zum Außensteuergesetz – Erweitert beschränkte Steuerpflicht bei Wohnsitz in Großbritannien?, IStR 2005, 439; Baranowski in Runge/Ebling/Baranowski, Die Anwendung des Außensteuergesetzes, Heidelberg 1974, 25; Dautzenberg, Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht des AStG und der EG-Vertrag, IStR 1997, 39; Debatin, Leitsätze für ein Gesetz zur Wahrung der steuerlichen Gleichmäßigkeit bei Auslandsbeziehungen und zur Verbesserung der steuerlichen Wettbewerbslage bei Auslandsinvestitionen, DStZ A 1971, 89; Flick, Missbrauchsgesetzgebung contra Steuerumgehung, in Kirchhof/Offerhaus/Schöberle (Hrsg.), Steuerrecht – Verfassungsrecht – Finanzpolitik, FS für Klein, Köln 1994, 329; Haase, Erweiterte beschränkte Steuerpflicht nach § 2 AStG und Abgeltungsteuer, BB 2008, 2555; Haase/Dorn, Vorteile der erweitert beschränkten Steuerpflicht im Sinne des § 2 AStG?, IStR 2013, 909; Hellwig, Ausgewählte Fragen zur erweitert beschränkten Steuerpflicht, DStZ A 1974, 4; Korn/Stahl, Steuervorteile durch Wohnungsverlegung ins Ausland?, KÖSDI 1995, 10263; Kreile, Zum Außensteuergesetz, BB 1972, 929; Kußmaul/Cloß, Die sachlichen Voraussetzungen des § 2 AStG, StuB 2010, 501; Mössner, Verlustverrechnung bei Zusammentreffen von beschränkter und erweitert beschränkter Steuerpflicht, FR 1980, 277; Pohl, Generalthema II: Die steuerliche Behandlung des Wohnsitzwechsels natürlicher Personen, IStR 2002, 541; Salditt, Steuerlast und Wanderlust, StuW 1972, 16; Schauhoff, Der Umfang der erweitert beschränkten Einkommensteuerpflicht bei gewerblich tätigen Handelsvertretern, Unternehmensberatern, Fotomodellen, Sportlern und anderen umherreisenden Unternehmen, IStR 1995, 108; Schaumburg in Krause/Schaumburg/Wassermeyer, Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten, Bonn 1996, 23; Telkamp, Der Außensteuergesetz-Entwurf, StuW 1972, 97; Wassermeyer, 25 Jahre Außensteuergesetz, in Klein/Stihl/Wassermeyer/Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Unternehmen – Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 1057; Wassermeyer, Die beschränkte Steuerpflicht, DStJG 8 (1985), 49; Wassermeyer, Die Fortentwicklung der Besteuerung von Auslandsbeziehungen, IStR 2001, 113; Wassermeyer, Stellungnahme zu dem vorstehenden Beitrag von Kramer über die Frage nach der Relevanz einer Betriebsstätte im Wohnsitzstaat für die Besteuerung im Quellenstaat, IStR 2004, 676.
I. Überblick 6.312
Neben der unbeschränkten, erweiterten unbeschränkten, fingierten unbeschränkten und beschränkten Steuerpflicht regelt § 2 AStG die sog. erweiterte beschränkte Steuerpflicht, die noch durch die Umgehungsvorschrift des § 5 1 BFH v. 7.3.2007 – I R 98/05, BStBl. II 2008, 186; zweifelnd Anzinger, FR 2006, 857. 2 BMF v. 31.10.1983 – IV B 6 - S 2293 - 50/83, BStBl. I 1983, 470 (Auslandstätigkeitserlass). 3 Vfg. OFD Münster v. 10.2.2006, DStR 2006, 376 (Fußball-WM 2006); BMF v. 20.3.2008, BStBl. I 2008, 538 (europäische Vereinswettbewerbe); vgl. ferner die Beispiele bei Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 50 EStG Rz. 500; Gosch in Kirchhof15, § 50 EStG Rz. 32; Wied in Blümich, § 50 EStG Rz. 126 ff.
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D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht
Abs. 1 AStG ergänzt wird. Durch § 2 AStG wird die beschränkte Steuerpflicht (§§ 49 und 50 EStG) insbesondere dahingehend erweitert, dass nicht nur die in § 49 Abs. 1 EStG enumerativ aufgeführten Inlandseinkünfte, sondern in Abgrenzung zu § 34d EStG alle nichtausländischen Einkünfte (sog. erweiterte Inlandseinkünfte) erfasst und einer Vollprogression unterworfen werden und die für die abzugspflichtigen Einkünfte gem. § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG vorgesehene Abgeltungswirkung aufgehoben wird. Diese erweiterte beschränkte Steuerpflicht gilt für natürliche Personen, die in ein Niedrigsteuerland weggezogen sind und in den letzten zehn Jahren davor insgesamt fünf Jahre lang als deutsche Staatsangehörige unbeschränkt steuerpflichtig waren. Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht wird sodann für weitere zehn Jahre aufrechterhalten. Es verbleibt allerdings bei der normalen beschränkten Steuerpflicht (§§ 1 Abs. 4 und 49 EStG) für diejenigen Veranlagungszeiträume, in denen die Inlandseinkünfte und erweiterten Inlandseinkünfte insgesamt nicht mehr als 16 500 Euro betragen (§ 2 Abs. 1 Satz 3 AStG). Es hat nicht an Versuchen gefehlt, § 2 AStG systematisch zu rechtfertigen. So ist die Ansicht vertreten worden, § 2 AStG sei als Abrundung der beschränkten Steuerpflicht gegenüber Niedrigsteuerländern anzusehen, weil es insoweit an einer von §§ 49, 50 und 50a EStG unterstellten kompensierenden Besteuerung im Wohnsitzstaat fehle.1 Gegen diese These spricht indessen die Ausgestaltung der Tatbestandsvoraussetzungen, wonach nur deutsche Staatsangehörige erfasst werden, sowie vor allem auch die zeitliche Begrenzung der erweiterten beschränkten Steuerpflicht.2 Die zeitlich begrenzte erweiterte beschränkte Steuerpflicht rechtfertigt auch keine nachträglich erhobene Steuer als Entgelt für den früher aus der deutschen Infrastruktur gezogenen Nutzen, weil für die Vergangenheit im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht bereits Steuer gezahlt wurde und zudem die Besteuerung des § 2 AStG an gegenwärtige Zustände und nicht an frühere Wirtschaftsinteressen anknüpft.3 Schließlich stellt § 2 AStG auch keine Konkretisierung des § 42 AO dar, weil die Auswanderung in ein Niedrigsteuerland sich nicht als Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts darstellt.4
6.313
§ 2 AStG ist eine gegen Einkünfteverlagerungen gerichtete Norm (Rz. 2.12). Mit ihr wird das politische Ziel verfolgt, dem Wegzug in Niedrigsteuerländer die steuerlichen Anreize zu nehmen.5 In der Gesetzesbegründung6 heißt es hierzu:
6.314
„Wer seinen Wohnsitz in niedrig besteuernde Länder verlegt, aber wesentliche Wirtschaftsinteressen im deutschen Inland beibehält, soll auch nach der Wohnsitzverlegung mit seinem deutschen Einkommen und deutschen Vermögen zu einer Besteuerung herangezogen werden, wie sie der im Inland Verbliebene unter gleichen Bedingungen zu tragen hat (§§ 2 bis 5 AStG). Der Entwurf erweitert deshalb bei diesem Personenkreis für die ersten zehn Jahre nach der Wohnsitzverlegung die jeden Steuerausländer treffende beschränkte Steuerpflicht.“
6.315
1 2 3 4 5 6
So Debatin, DStZ A 1971, 89 (95); Kreile, BB 1972, 929 (931). Dazu Salditt, StuW 1972, 16 (18). Hierzu Salditt, StuW 1972, 16 (19). Telkamp, StuW 1972, 97 (103 ff.); Salditt, StuW 1972, 16 (19); Flick in FS Klein, 329 (327). Vgl. nur Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 13 m.w.N. Schriftlicher Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. VI/3537.
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Kap. 6 Einkommensteuer
6.316
Damit wird deutlich, dass der deutsche Gesetzgeber die sich auf der Grundlage der normalen beschränkten Steuerpflicht ergebenden inländischen Besteuerungsmöglichkeiten als unzureichend empfand. Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht gem. § 2 AStG ist daher lediglich die Folge der mit schweren Systemfehlern durchsetzten §§ 49, 50 und 50a EStG.1
6.317
§ 2 AStG beseitigt zwar weitgehend diese Systemfehler, insbesondere durch Ausfüllung der nur lückenhaft erfassten Inlandseinkünfte des § 49 Abs. 1 EStG (Rz. 6.152) und Ablösung der gleichheitswidrigen Bruttobesteuerung durch eine Nettobesteuerung, § 2 AStG seinerseits ist aber durch wiederum anders gelagerte Systembrüche behaftet und Ergebnis einer verfehlten gesetzgeberischen Konzeption. Es wäre sachgerechter gewesen, die §§ 49, 50 und 50a EStG von ihren Systemmängeln insgesamt zu befreien.2 Eines § 2 AStG hätte es dann nicht bedurft. So aber hat der Gesetzgeber mit § 2 AStG für einen zahlenmäßig sehr engen Personenkreis3 eine Sondernorm geschaffen, die die ohnehin schon gleichheitswidrige Besteuerung von beschränkt steuerpflichtigen Personen teilweise noch weiter verschärft.
6.318
Im Hinblick darauf, dass der Wegziehende nach dem Wegzug im Ergebnis steuerlich nicht anders belastet wird als derjenige, der im Inland verblieben ist,4 ergibt sich hierdurch noch kein Verstoß gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV) oder Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV).5 Dass der Wegziehende im ausländischen Zuzugsstaat einer weitergehenden (höheren) Besteuerung (zusätzlich) unterliegt, ist angesichts der fehlenden Harmonisierung bei den direkten Steuern unionsrechtlich hinzunehmen.6 Mit Unionsrecht unvereinbar ist allerdings, dass die erweitert beschränkte Steuerpflicht von der Höhe der Steuerbelastung im Zuzugsstaat abhängt.7
6.319
Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht unterliegt ebenso wie die beschränkte Steuerpflicht den Schrankenwirkungen der DBA.8 Daher läuft die erweiterte beschränkte Steuerpflicht insbesondere bei Gewinnen aus der Veräußerung wesentlicher Beteiligungen, im Inland verwerteter selbständiger und unselbständiger Tätigkeit sowie für Zins- und Lizenzeinkünfte durchweg ins Leere, weil die ausschließliche Besteuerung in diesen Fällen im Ergebnis zumeist dem Wohnsitzstaat zugewiesen ist. Die durch § 2 Abs. 5 AStG normierte Vollprogression wird demgegenüber abkommensrechtlich nicht eingeschränkt, weil insoweit allein nationales Recht maßgeblich ist.9 1 Wassermeyer, DStJG 8 (1985), 49 (75). 2 Hierzu Pohl, IStR 2002, 541 (543). 3 Das zusätzliche Steueraufkommen aufgrund dieser Vorschrift ist gering; vgl. Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 13; Kaiser in Haase3, § 2 AStG Rz. 13. 4 Vgl die in § 2 Abs. 6 AStG geregelte Belastungsobergrenze (Rz. 6.361). 5 Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 22; Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.40. 6 Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.40 m.w.N. 7 Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit; Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 24; Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.40 jeweils m.w.N. 8 Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 33. 9 BFH v. 15.5.2002 – I R 40/01, BStBl. II 2002, 660; v. 19.12.2001 – I R 63/00, BStBl. II 2003, 202; vgl auch Rz. 6.358.
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D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht
Besonderheiten ergeben sich z.B. aufgrund des DBA-Schweiz.1 Hiernach entfallen weitgehend die Abkommensschranken, wenn in Deutschland beschränkt und erweitert beschränkt steuerpflichtige Personen in der Schweiz als Wohnsitzstaat nicht mit allen aus Deutschland stammenden Einkünften den allgemein erhobenen schweizerischen Steuern unterliegen (Art. 4 Abs. 6 DBA-Schweiz). Darüber hinaus bleibt die beschränkte und erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht im Jahr des Wegzugs und in den folgenden fünf Jahren, ungeachtet der sich für Deutschland als Quellenstaat ergebenden Abkommensschranken, aufrechterhalten (Art. 4 Abs. 4 DBA-Schweiz). Die Doppelbesteuerung wird in diesen Fällen durch Steueranrechnung seitens Deutschlands vermieden.
6.320
II. Persönliche Voraussetzungen 1. Deutsche Staatsangehörigkeit Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht betrifft nur natürliche Personen. Eine vergleichbare Vorschrift für juristische Personen, insbesondere Kapitalgesellschaften, gibt es nicht. Vor dem Hintergrund, dass als natürliche Personen nur deutsche Staatsangehörige erfasst werden, ist die erweiterte beschränkte Steuerpflicht nur für natürliche Personen sachgerecht, weil vergleichbare juristische Personen mit Sitz im Inland bei Verlegung des Orts der Geschäftsleitung ins Ausland unbeschränkt steuerpflichtig bleiben. Ein Überwechseln in die beschränkte Steuerpflicht ist identitätswahrend nur ausnahmsweise möglich,2 wobei eine Gewinnrealisierung nur insoweit zu vermeiden ist, als stille Reserven in einer inländischen Betriebsstätte verhaftet bleiben (vgl. § 12 Abs. 1 KStG).
6.321
§ 2 Abs. 1 AStG macht die erweiterte beschränkte Steuerpflicht von der deutschen Staatsangehörigkeit abhängig,3 die innerhalb eines Zehnjahreszeitraums vor der Auswanderung mindestens fünf Jahre lang gemeinsam mit der unbeschränkten Steuerpflicht vorgelegen haben muss.
6.322
Da im Grundsatz4 weder die unbeschränkte noch die beschränkte Steuerpflicht an die Staatsangehörigkeit anknüpft, ist die Erstreckung der erweiterten beschränkten Steuerpflicht nur auf deutsche Staatsangehörige sachfremd. Soll sich die Besteuerung an der Leistungsfähigkeit orientieren, so ist nicht erkennbar, unter welchen Gesichtspunkten es gerechtfertigt sein könnte, deutsche Staatsangehörige unter sonst gleichen Bedingungen schärfer zu besteuern als Ausländer.5 Das BVerfG6 hat in § 2 AStG insoweit dennoch keinen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG festgestellt, weil die Nichtbesteuerung von Ausländern auf der
6.323
1 Zum DBA-Italien und DBA-Großbritannien Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 37 f.; Kaiser in Haase3, § 2 AStG Rz. 23 ff. 2 Z.B. gem. § 8 Abs. 1 SE-VO und § 7 Abs. 1 SCE-VO; zum identitätswahrenden, formwechselnden Wegzug vgl. EuGH v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 – Cartesio, NJW 2009, 569; v. 12.7.2012 – Rs. C-278/10 – VALE, EWS 2012, 334; zu Einzelheiten Rz. 7.45 ff. 3 Ob daneben der Wegziehende noch eine weitere Staatsangehörigkeit hat, spielt keine Rolle; Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 48 m.w.N. 4 Ausnahmen: z.B. §§ 1a; 50 Abs. 2 Satz 7; 50a Abs. 3 Satz 2 EStG. 5 Zu Einzelheiten Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 28 ff., 42; Schaumburg, StuW 2000, 369 (372 f.). 6 BVerfG v. 14.5.1986 – 2 BvL 2/83, BStBl. II 1986, 628 (643).
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Kap. 6 Einkommensteuer
sachgerechten und darum den Willkürvorwurf ausschließenden Erwägung beruhe, Ausländer nicht von der Rückwanderung in ihre Heimat abzuhalten. § 2 AStG kollidiert indessen mit der europarechtlich verbürgten Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV), auf die sich auch die eigenen Staatsbürger eines Mitgliedstaates berufen können.1 2. Frühere unbeschränkte Steuerpflicht im Inland 6.324
Von der erweiterten beschränkten Steuerpflicht werden nur deutsche Staatsangehörige erfasst, die in den letzten zehn Jahren vor dem Ende ihrer unbeschränkten Steuerpflicht insgesamt mindestens fünf Jahre lang unbeschränkt steuerpflichtig waren. § 2 Abs. 1 AStG verweist wegen der unbeschränkten Steuerpflicht lediglich auf § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG, so dass die Fälle, in denen die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht (§ 1 Abs. 2 EStG) und die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht (§ 1 Abs. 3 EStG) endet oder in dem maßgeblichen Zehnjahreszeitraum bestand, nicht erfasst werden.2
6.325
Die in § 2 Abs. 1 AStG angesprochene Zehnjahresfrist und Fünfjahresfrist berechnen sich nicht nach Veranlagungszeiträumen, sondern nach tatsächlicher Zeit gem. § 108 AO i.V.m. §§ 187 ff. BGB.3 Die Fünfjahresfrist verlangt keinen ununterbrochenen Zeitraum, in dem der Auswanderer Deutscher oder unbeschränkt steuerpflichtig war. Die fünfjährige unbeschränkte Steuerpflicht kann sich vielmehr aus mehreren zeitlichen Teilstücken zusammensetzen.4 3. Ansässigkeit im Ausland
6.326
Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 AStG greift die erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht nur ein, wenn der Wegzügler in einem ausländischen Gebiet ansässig ist, in dem er mit seinem Einkommen nur einer niedrigen Besteuerung unterliegt, oder in keinem ausländischen Staat ansässig ist. Ansässig ist eine Person in einem niedrig besteuernden Gebiet dann, wenn sie dort die Voraussetzungen erfüllt, die denen der deutschen unbeschränkten Steuerpflicht entsprechen.5 Nicht vorausgesetzt ist, dass die Ansässigkeit im Niedrigsteuerland sich unmittelbar an die unbeschränkte Steuerpflicht im Inland anschließt. Erforderlich ist lediglich die Ansässigkeit in einem Niedrigsteuerland innerhalb eines Zehnjahreszeitraums nach dem Ende der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht.6 Obwohl § 2 Abs. 1 Nr. 1 AStG darauf abstellt, dass der Wegzügler (auch) in einem Niedrigsteuerland ansässig ist, ist diese Vorschrift einschränkend dahingehend auszulegen, dass die Rechtsfolgen nur dann eintreten, wenn der Wegzügler nur in einem Niedrigsteuerland ansässig wird. Unterliegt nämlich der Wegzügler auf1 Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Stuerrecht, Rz. 840. 2 Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 45, 51; Kraft in Kraft, § 2 AStG Rz. 32; Kaiser in Haase3, § 2 AStG Rz. 57. 3 Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 45, 51; Steierberg in Fuhrmann3, § 2 AStG Rz. 64. 4 Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 53. 5 Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 56; Elicker in Blümich, § 2 AStG Rz. 16; Zimmermann/ Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 49 f. 6 Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 72; Kraft in Kraft, § 2 AStG Rz. 37.
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D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht
grund eines mehrfachen Wohnsitzes mit seinem gesamten Welteinkommen der Besteuerung in einem Hochsteuerland, entfällt jeglicher Grund für die erweiterte beschränkte Steuerpflicht.1 Über § 2 Abs. 1 Nr. 1 AStG werden schließlich sog. Umherziehende erfasst, also Personen, die weder im Inland noch im Ausland Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt begründen.2 Die Beweislast für die Annahme der Ansässigkeit in einem Niedrigsteuerland trifft nach allgemeinen Beweislastgrundsätzen die Finanzverwaltung.3
6.327
4. Niedrigbesteuerung Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht tritt im Wesentlichen ein, wenn die natürliche Person in einem ausländischen Gebiet ansässig ist, in dem sie nur einer niedrigen Besteuerung unterliegt. In welchen ausländischen Gebieten eine niedrige Besteuerung vorliegt, ist nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 AStG grundsätzlich abstrakt anhand eines generellen Einkommensteuerbelastungsvergleichs einer unverheirateten natürlichen Person mit steuerpflichtigen Einkünften von Euro 77 000 zu ermitteln. Ergibt dieser unabhängig von den Verhältnissen der konkret zu besteuernden Person anzustellende Vergleich, dass die fiktive Einkommensteuer in dem ausländischen Gebiet mehr als ein Drittel geringer ist als die Belastung einer im Inland ansässigen natürlichen Person, so spricht eine widerlegbare Vermutung dafür, dass die zu besteuernde Person im ausländischen Gebiet einer niedrigen Besteuerung unterliegt (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 AStG). Die Niedrigbesteuerung liegt ferner dann vor, wenn die betroffene natürliche Person in dem ausländischen Gebiet eine Vorzugsbesteuerung in Anspruch nehmen kann (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 AStG). Auch diese Vermutung kann widerlegt werden.
6.328
Die erste Alternative in § 2 Abs. 2 Nr. 1 AStG stellt auf einen abstrakten Belastungsvergleich ab. Dabei wird auf die Steuerbelastungsquote einer unverheirateten natürlichen Person mit einem steuerpflichtigen Einkommen4 von 77 000 Euro abgestellt. Verglichen wird die Einkommensteuer,5 die für diese Person in dem ausländischen Wohnsitzstaat zu erheben wäre, mit der Einkommensteuer,6 die bei inländischer unbeschränkter Steuerpflicht erhoben werden müsste. Im Hinblick darauf, dass der Steueranspruch erst mit Ablauf des Veranlagungs-
6.329
1 Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 60; Kraft in Kraft, § 2 AStG Rz. 38; BMF v. 14.12.2004, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1), Tz. 2.2.1; Steierberg in Fuhrmann3, § 2 AStG Rz. 69; Haase/Kluger, BB 2010, 1823. 2 Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 62; Elicker in Blümich, § 2 AStG Rz. 18. 3 Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 62; Elicker in Blümich, § 2 AStG Rz. 18; Zimmermann/ Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 54; Kraft in Kraft, § 2 AStG Rz. 39; a.A. BMF v. 14.12. 2004, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1), Tz. 2.2.1. 4 Im Sinne von „zu versteuerndes Einkommen“; Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 166. 5 Sie muss im Gegensatz zu der Regelung in § 34c Abs. 1 EStG mit der deutschen Einkommensteuer nicht vergleichbar sein; Steierberg in Fuhrmann3, § 2 AStG Rz. 75; Hahn in Lademann, § 2 AStG Rz. 70; a.A. Kraft in Kraft, § 2 AStG Rz. 52; Kaiser in Haase3, § 2 AStG Rz. 71. 6 Zuschlagsteuern und Kirchensteuer gehören nicht zur deutschen Einkommensteuer; BFH v. 30.11.1988 – I R 84/85, BStBl. II 1989, 365; Elicker in Blümich, § 2 AStG Rz. 21; Weggenmann/Kaiser in Haase2, § 2 AStG Rz. 62; a.A. Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 163.
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Kap. 6 Einkommensteuer
zeitraums entsteht (§ 36 Abs. 1 EStG), ist für die Umrechnung der ausländischen Währung in EURO der Kurs zum Ende des Veranlagungszeitraums maßgebend.1 6.330
Der vom Gesetz geforderte abstrakte Belastungsvergleich, der darauf abstellt, ob bei einem steuerpflichtigen Einkommen von 77 000 Euro die im ausländischen Gebiet erhobene Einkommensteuer um mehr als ein Drittel geringer ist als die deutsche Einkommensteuer, beruht auf der inzwischen zum Teil überholten Konzeption der synthetischen Einkommensteuer mit einheitlichem Tarif. Da für wesentliche Teile der Einkünfte aus Kapitalvermögen eine Kapitalertragsteuer mit abgeltender Wirkung (§ 32d EStG) und eine Thesaurierungsteuer auf thesaurierte Gewinne aus Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit sowie Land- und Forstwirtschaft (§ 34a EStG) erhoben werden, lässt sich der abstrakte Belastungsvergleich, wie von § 2 Abs. 2 Nr. 1 AStG unterstellt, nicht durchführen. Im Hinblick darauf ist § 2 Abs. 2 Nr. 1 AStG wegen Verstoßes gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3, 19 Abs. 4 GG) folgende Bestimmtheitsgebot verfassungswidrig.2 Hält man dennoch eine Anwendung des § 2 Abs. 2 Nr. 1 AStG für möglich,3 ist zugunsten der Steuerpflichtigen im Rahmen der Vergleichsberechnung von der günstigsten inländischen Belastungswirkung (§ 32d EStG) auszugehen.4
6.331
In der zweiten Alternative (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 AStG) ist eine Niedrigbesteuerung dann gegeben, wenn die Einkommensteuerbelastung des betreffenden Steuerpflichtigen in dem ausländischen Wohnsitzstaat aufgrund einer ggü. der allgemeinen Besteuerung eingeräumten Vorzugsbesteuerung erheblich gemindert sein kann. Eine derartige Vorzugsbesteuerung liegt dann vor, wenn der Steuerpflichtige im Ausland ganz oder zu einem wesentlichen Teil von den dortigen Steuern freigestellt werden kann, wenn insbesondere Auslandseinkünfte nicht oder nur unter begünstigenden Sonderbedingungen der Steuer unterworfen sein können5 oder wenn die Besteuerung durch besondere steuerliche Abmachungen (Steuerverträge) ermäßigt werden kann.6
6.332
Ob die Vorzugsbesteuerung von dem Steuerpflichtigen tatsächlich in Anspruch genommen wird, ist unerheblich.7 Voraussetzung ist allerdings, dass die Vorzugsbesteuerung, soweit sie in Anspruch genommen werden kann,8 zu einer erhebli1 Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 169; nach BMF v. 14.12.2004, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1), Tz. 2.2.2 Nr. 1 ist dagegen auf den Wechselkurs zu Beginn des Jahres und auf Antrag des Steuerpflichtigen auf den Durchschnittskurs abzustellen. 2 Vgl. BVerfG v. 23.10.1986 – 2 BvL 7/84, 2 BvL 8/84, BVerfGE 73, 388 (400); v. 12.10.1978 – 2 BvR 154/74, BVerfGE 49, 343 (362); zuletzt BFH v. 6.9.2006 – XI R 26/04, BStBl. II 2007, 167; konkret zu § 2 Abs. 2 Nr. 1 AStG Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 99.2. 3 So etwa Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 175 unter Hinweis auf fünf Auslegungsmöglichkeiten. 4 Ebenso Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 99.3; ferner Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 168, 179. 5 So z.B. nach Ansicht der FinVerw die remittance-base-Besteuerung in Großbritannien; vgl. BMF v. 14.12.2004, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1), Tz. 2.2.2 a.E.; a.A. Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 223.1. 6 Zu Einzelheiten Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 223. 7 Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 224. 8 Die Vorzugsbesteuerung darf für den betreffenden Steuerpflichtigen daher nicht ausgeschlossen sein; Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 224; Steierberg in Fuhrmann3, § 2 AStG Rz. 77; Schönwetter in H/K/G/R, § 2 AStG Rz. 43.
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D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht
chen Steuerminderung führt. Wann eine Steuerminderung erheblich ist, sagt das Gesetz nicht.1 In Orientierung an § 2 Abs. 2 Nr. 1 AStG liegt es nahe, ebenfalls von einer relativen Grenze von einem Drittel auszugehen.2 Die sich aus § 2 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AStG ergebende Vermutung der Niedrigbesteuerung kann durch den Steuerpflichtigen dadurch widerlegt werden, dass er den Nachweis erbringt, dass die von seinem Einkommen insgesamt zu entrichtenden (in- und ausländischen) Steuern mindestens zwei Drittel der Einkommensteuer betragen, die er bei unbeschränkter Steuerpflicht im Inland zu entrichten hätte. Der Nachweis dieser Zwei-Drittel-Belastung erfolgt durch einen konkreten Belastungsvergleich im Rahmen einer Schattenveranlagung. Bemessungsgrundlage für die Vergleichsberechnung ist das Einkommen. Soweit es um die im Ausland hierauf entrichteten Steuern geht, ist auf das Einkommen i.S. des betreffenden ausländischen Steuerrechts abzustellen.3 Daher sind auch ausländische Steuern auf Einkunftsarten, die in Deutschland nicht der Einkommensbesteuerung unterliegen, in den Vergleich mit einzubeziehen.4
6.333
Für die Vergleichsberechnung sind neben der deutschen Einkommensteuer5 – nicht aber Ergänzungsabgabe (Solidaritätszuschlag)6 und Kirchensteuer – auch die im Wohnsitzstaat und in Drittstaaten zu entrichtenden7 ausländischen Steuern vom Einkommen zu berücksichtigen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie der deutschen Einkommensteuer entsprechen. Entscheidend ist nur, dass sie ebenfalls das Einkommen als Bemessungsgrundlage haben. Daher kommen sowohl Gemeinde- und Ländersteuern8 als auch ausländische Kirchensteuern, soweit sie vom Einkommen erhoben werden, in Betracht.9 Im Rahmen der Vergleichsberechnung sind bei Ermittlung der bei unbeschränkter Steuerpflicht zu entrichtenden deutschen Einkommensteuer Entlastungen zwecks Vermeidung der Doppelbesteuerung aufgrund von DBA und gem. § 34c EStG10 zu berücksichtigen.11
6.334
Im Rahmen der Schattenveranlagung ist die betroffene natürliche Person so zu stellen, wie wenn sie im Inland unbeschränkt steuerpflichtig wäre. Dies bedeu-
6.335
1 Zu diesbezüglichen verfassungsrechtlichen Bedenken Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 108, 111. 2 Vgl. hierzu Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 111. 3 Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 197; Schönwetter in H/K/G/R, § 2 AStG Rz. 50. 4 Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 113. 5 Hierzu gehört auch die (abgeltende) Kapitalertragsteuer (§ 32d Abs. 1, 4 EStG). 6 BFH v. 30.11.1988 – I R 84/85, BStBl. II 1989, 365; a.A. Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 212, der, um Verzerrungen im Belastungsvergleich zu vermeiden, den Solidaritätszuschlag einbeziehen will. 7 Auf die tatsächlich entrichteten Steuern kommt es nicht an; Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 198: Steierberg in Fuhrmann3, § 2 AStG Rz. 78; a.A. Hahn in Lademann, § 2 AStG Rz.80. 8 BFH v. 30.11.1988 – I R 84/85, BStBl. II 1989, 365. 9 Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 196; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1), Tz. 2.2.4 Nr. 1. 10 BFH v. 26.11.1986 – I R 78/81, BStBl. II 1987, 363. 11 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1), Tz. 2.2.4 Nr. 2; dort (Tz. 2.2.4 a.E.) auch zu einer Vereinfachungsregelung; Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 211.
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tet, dass die im Ausland bestehenden persönlichen Verhältnisse auch bei der Ermittlung der konkreten inländischen Steuerlastquote zu berücksichtigen sind. Daher kommt auch der Splittingtarif zur Anwendung, wenn etwa Eheleute im Ausland zusammenleben.1
III. Sachliche Voraussetzungen 1. Überblick 6.336
Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht setzt nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AStG voraus, dass der Wegzügler wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland hat. Der Begriff der wesentlichen wirtschaftlichen Interessen im Inland wird in den Abs. 3 und 4 dieser Vorschrift näher umschrieben. Die in § 2 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 AStG aufgeführten Alternativen betreffen die unmittelbaren wesentlichen wirtschaftlichen Inlandsinteressen, während in § 2 Abs. 4 i.V.m. § 5 AStG auch mittelbare wesentliche wirtschaftliche Inlandsinteressen genannt werden. Die Alternativen des § 2 Abs. 3 und 4 AStG stellen nicht darauf ab, ob die wesentlichen wirtschaftlichen Inlandsinteressen bereits zum Zeitpunkt des Wegzuges bestanden haben oder erst später begründet werden.
6.337
Eine Rechtfertigung für die erweiterte beschränkte Steuerpflicht gibt es allenfalls dann, wenn der Wegziehende bereits zu der Zeit seiner unbeschränkten Steuerpflicht im Inland wesentliche wirtschaftliche Interessen hatte. Hat ein Steuerpflichtiger bis zum Zeitpunkt seines Wegzuges überhaupt keine steuerpflichtigen Einkünfte bezogen, so ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen später innerhalb des Zehnjahreszeitraums nach dem Wegzug bezogene Inlandseinkünfte der erweiterten beschränkten Steuerpflicht unterworfen werden sollen. Als gegen Einkünfteverlagerungen in Niedrigsteuerländer gerichtete Norm geht § 2 Abs. 3 und 4 AStG damit vom Wortlaut her weit über seinen Sinn und Zweck hinaus.2 2. Unmittelbare Inlandsinteressen
6.338
§ 2 Abs. 3 AStG beschreibt drei (alternative) Fälle unmittelbarer wesentlicher wirtschaftlicher Inlandsinteressen, nämlich: – Unternehmer- bzw. Mitunternehmerschaft eines inländischen Gewerbebetriebs oder das Halten einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft zu Beginn des Veranlagungszeitraums (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 AStG), – nichtausländische Einkünfte, soweit sie mehr als 30 % der Gesamteinkünfte oder 62 000 Euro übersteigen (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 AStG) und – nichtausländisches Vermögen, soweit dieses zu Beginn des Veranlagungszeitraums mehr als 30 % des Gesamtvermögens oder 154 000 Euro übersteigt (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 AStG). 1 Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 204; Schönwetter in H/K/G/R, § 2 AStG Rz. 50; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/044, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1), Tz. 2.2.4 Nr. 2. 2 Vgl. hierzu auch den schriftlichen Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. VI/3537, wonach die erweiterte beschränkte Steuerpflicht ihre Rechtfertigung darin finden soll, dass jemand seinen Wohnsitz in ein Niedrigsteuerland verlegt, aber wesentliche Wirtschaftsinteressen im Inland beibehält.
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D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht
Gemäß § 2 Abs. 3 Nr. 1 AStG hat jeder Unternehmer und Mitunternehmer, der im Inland einen Gewerbebetrieb unterhält oder an einem solchen beteiligt ist, stets unmittelbare wesentliche wirtschaftliche Inlandsinteressen. Erfasst werden damit im Ergebnis vor allem inländische Betriebsstätten,1 wobei über § 2 Abs. 1 Satz 3 AStG2 eine inländische Geschäftsleitungsbetriebsstätte in den Fällen fingiert wird, in denen Einkünfte weder durch eine ausländische Betriebsstätte noch durch einen im Ausland tätigen ständigen Vertreter erzielt werden.3
6.339
Diese Sonderregelung verfehlt indessen ihre ohnehin nur auf § 2 AStG beschränkte Wirkung,4 weil sie nicht ausschließt, dass die betreffenden gewerblichen Einkünfte z.B. einer ausländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte zuzurechnen sind. Eine derartige ggf. auch substanzschwache Geschäftsleitungsbetriebsstätte besteht im Zweifel am ausländischen Wohnsitz des Steuerpflichtigen.5 Angesprochen sind vor allem Einkünfte aus der Persönlichkeitsvermarktung etwa von Sportlern und Fotomodellen im Ausland.6 § 2 Abs. 1 Satz 3 AStG läuft somit leer.7
6.340
Für Kommanditisten gilt eine Sonderregelung, wonach diese erst dann wesentliche Inlandsinteressen haben, wenn auf sie zu Beginn des Veranlagungszeitraums mehr als 25 % der Einkünfte i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG aus der Gesellschaft entfallen.8 Die Verweisung auf § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG führt dazu, dass sämtliche Vorabvergütungen wie Geschäftsführergehälter, Honorare, Zinsen, Mietzahlungen usw. bei der Berechnung des Gewinns der Kommanditgesellschaft und des Gewinnanteils des betroffenen Gesellschafters9 mit einzubeziehen sind.
6.341
Unmittelbare wesentliche wirtschaftliche Inlandsinteressen sind gem. § 2 Abs. 3 Nr. 1 AStG ferner dann gegeben, wenn ein Steuerpflichtiger eine Beteiligung i.S. des § 17 Abs. 1 EStG an einer inländischen Kapitalgesellschaft hält. Mangels besonderer gesetzlicher Regelung sind als inländische Kapitalgesellschaften solche anzusehen, deren Sitz oder Ort der Geschäftsleitung im Inland belegen ist.10
6.342
1 Ein ständiger Vertreter (§ 13 AO) im Inland genügt nicht. 2 Diese Regelung gilt erstmals ab Veranlagungszeitraum 2009; vgl. § 21 Abs. 18 Satz 1 AStG. 3 Nichtanwendungsregelung zu BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672, wonach § 2 AStG für Werbeeinnahmen eines Berufssportlers, der in ein niedrig besteuerndes Gebiet verzogen war, verneint wurde, weil diese dem Wohnsitz als Betriebsstätte zuzuordnen waren. 4 § 2 Abs. 1 Satz 3 AStG gilt z.B. nicht für Zwecke der Ent- und Verstrickung. 5 BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672, wonach es betriebsstättenlose Einkünfte aus Gewerbebetrieb (floating income) nicht gibt. 6 Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 144. 7 Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 144; Stahl, Die Reichweite der erweiterten beschränkten Steuerpflicht nach § 2 AStG, Berlin 2013, 123; in der Praxis sind die Gestaltungen vorsorglich ohnehin darauf gerichtet, eine ausländische Betriebsstätte zu begründen. 8 Diese Regelung gilt auch für an einer Kommanditgesellschaft mittelbar Beteiligte (z.B. atypisch still Beteiligte); Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 266 mit Nachweisen auch zur Gegenmeinung. 9 Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 132. 10 Kraft in Kraft, § 2 AStG Rz. 83; Hahn in Lademann, § 2 AStG Rz. 135; a.A. Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 272, der auf Sitz und Ort der Geschäftsleitung im Inland abstellt.
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Kap. 6 Einkommensteuer
6.343
Die Anknüpfung nur an Kapitalgesellschaften mit inländischem Sitz oder Ort der Geschäftsleitung ist sachfremd und stellt im Vergleich zu den übrigen Alternativen des § 2 Abs. 3 Nr. 1 AStG einen Wertungswiderspruch dar. Wesentliche wirtschaftliche Inlandsinteressen werden nämlich auch durch inländische Betriebsstätten eines ausländischen Unternehmens, das dem Weggezogenen als Unternehmer oder Mitunternehmer gehört, vermittelt. Im Hinblick darauf ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen wesentliche wirtschaftliche Inlandsinteressen nicht vorliegen sollen, wenn etwa der Weggezogene wesentlich an einer ausländischen Kapitalgesellschaft beteiligt ist, die ihre Einkünfte durch inländische Betriebsstätten erwirtschaftet.
6.344
Schließlich ist ein Wertungswiderspruch auch darin zu erblicken, dass für Kommanditisten auf eine Beteiligung von mehr als 25 % an den Einkünften, für Anteilseigner an Kapitalgesellschaften dagegen auf eine Beteiligung von (nur) mindestens 1 % am Vermögen abgestellt wird. Mit der Anknüpfung an die Einkünfte sollte bei Kommanditisten einer Umgehungsmöglichkeit vorgebeugt werden, Kommanditbeteiligungen unter 25 % mit übermäßigen Gewinnanteilen auszustatten. Diese Umgehungsmöglichkeit ist indessen bei Kapitalgesellschaften, insbesondere bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung, ebenfalls möglich.1 Darüber hinaus sind die unterschiedlichen Beteiligungsgrenzen, die ursprünglich gleich waren,2 nicht plausibel.3
6.345
Da in § 2 Abs. 3 Nr. 1 AStG lediglich Einzelunternehmen, Mitunternehmerschaften und Beteiligungen an Kapitalgesellschaften angesprochen sind, vermitteln andere Körperschaften und Vermögensmassen, etwa Genossenschaften, Vereine und Stiftungen, keine wesentlichen wirtschaftlichen Inlandsinteressen. Auch diese Einschränkung ist sachfremd.
6.346
In der zweiten Alternative knüpfen wesentliche wirtschaftliche Inlandsinteressen an die Höhe der nichtausländischen Einkünfte (erweiterte Inlandseinkünfte) an (§ 2 Abs. 3 Nr. 2 AStG).4 Damit sind jene Einkünfte angesprochen, die in § 34d EStG nicht genannt sind, d.h. die inländischen Einkünfte i.S. des § 49 Abs. 1 EStG und zusätzlich die Einkünfte, die nicht nach § 34d EStG ausländisch sind.5
6.347
Die dritte Alternative stellt auf die Höhe des Vermögens ab, dessen Erträge bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht nichtausländische Einkünfte wären (§ 2 Abs. 3 Nr. 3 AStG). Es handelt sich hierbei um das sog. erweiterte Inlandsvermögen, das über das Inlandsvermögen gem. § 121 BewG hinausgeht.6 1 § 29 Abs. 3 Satz 2 GmbHG; zu Einzelheiten Verse in Scholz11, § 29 GmbHG Rz. 74; eine disquotale Ausschüttung ist grundsätzlich auch steuerlich anzuerkennen; BFH v. 19.8. 1999 – I R 77/96, BStBl. II 2001, 43; v. 28.6.2006 – I R 97/05, BFH/NV 2006, 2207; einschränkend dagegen BMF v. 7.12.2000, BStBl. I 2001, 47. 2 Die Absenkung der für § 17 Abs. 1 EStG maßgeblichen Beteiligungsgrenzen erfolgte in zwei Stufen durch das StEntlG 1999/2000/20002 und durch das StSenkG. 3 Hierzu Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 270. 4 Zur Ermittlung der relevanten Einkünfte Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 284. 5 BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 11/04, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1), Tz. 2.3.2 i.V.m. Tz. 2.5.0.1; Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 282; Elicker in Blümich, § 2 AStG Rz. 35; a.A. Hahn in Lademann § 2 AStG Rz. 138. 6 Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 294.
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D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht
3. Mittelbare Inlandsinteressen § 2 Abs. 4 AStG erfasst den Fall, dass ein Steuerpflichtiger wesentliche wirtschaftliche Inlandsinteressen mittelbar hat. Angesprochen ist damit, dass ein Steuerpflichtiger unter den Voraussetzungen des § 5 AStG an einer ausländischen Gesellschaft beteiligt ist, die ihrerseits unmittelbare wesentliche wirtschaftliche Interessen im Inland gem. § 2 Abs. 3 AStG hat. Aus der Verweisung auf § 5 AStG folgt, dass die ausländische Gesellschaft die Qualifikation einer Zwischengesellschaft i.S. von § 7 AStG haben muss. Es muss sich also um eine ausländische Kapitalgesellschaft handeln, die mit ihren Einkünften aus passivem Erwerb (vgl. § 8 Abs. 1 und 2 AStG) einer niedrigen Besteuerung (§ 8 Abs. 3 AStG) unterliegt (Rz. 13.153 ff.). Damit vermitteln lediglich derartige (ausländische) Zwischengesellschaften, nicht aber übrige ausländische Kapitalgesellschaften, wesentliche wirtschaftliche Inlandsinteressen. Den Anteilseignern werden die wesentlichen wirtschaftlichen Inlandsinteressen aber nur nach Maßgabe ihrer Beteiligungsquote an der Zwischengesellschaft zugerechnet. Hierbei sind die in § 2 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 AStG genannten Grenzen, bei deren Überschreitung wesentliche wirtschaftliche Inlandsinteressen vorliegen, in der Person eines jeden Anteilseigners an der Zwischengesellschaft zu erfüllen.1
6.348
Die Regelung des § 2 Abs. 4 AStG, aufgrund deren wesentliche wirtschaftliche Inlandsinteressen von (ausländischen) Zwischengesellschaften zugerechnet werden, ist systemwidrig und wäre überflüssig, wenn § 2 Abs. 3 Nr. 1 AStG wesentliche wirtschaftliche Inlandsinteressen nicht nur bei Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften regelte. Sachgerecht wäre es nämlich, wesentliche wirtschaftliche Inlandsinteressen auch bei Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften anzunehmen, falls diese ihrerseits wesentliche wirtschaftliche Inlandsinteressen haben, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Zwischengesellschaften handelt oder nicht. Im Hinblick darauf käme es auch zu keinem Wertungswiderspruch dahingehend, dass bei einer unmittelbaren Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft von weniger als 1 % unmittelbare wirtschaftliche Inlandsinteressen (§ 2 Abs. 3 Nr. 1 AStG, § 17 Abs. 1 EStG) zu verneinen und bei einer solchen Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft (§§ 2 Abs. 4, 7 Abs. 6 Satz 3 AStG) dagegen mittelbare wirtschaftliche Inlandsinteressen zu bejahen sind.2
6.349
IV. Rechtsfolgen 1. Überblick § 2 Abs. 1 AStG begründet die erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht auf die Dauer von zehn Jahren. Da das Jahr des Wegzuges bei der Berechnung der Zehnjahresfrist nicht mitgerechnet wird, kann die erweiterte beschränkte Ein1 Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 305; Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 144. 2 Kritisch hierzu auch Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 145 und Kaiser in Haase3, § 2 AStG Rz. 137, wonach § 2 Abs. 4 AStG teleologisch im Sinne einer Mindestbeteiligung von 1 % zu reduzieren ist; anders dagegen im Hinblick auf § 2 Abs. 3 Nr. 3 AStG; Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 306.
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6.350
Kap. 6 Einkommensteuer
kommensteuerpflicht sich auf längstens elf Jahre erstrecken. Außer durch Zeitablauf endet die erweiterte beschränkte Steuerpflicht ggf. vor Ablauf dieser zehn Jahre, wenn der Steuerpflichtige – seinen Wohnsitz aus dem Niedrigsteuerland in ein Hochsteuerland verlegt, – die wesentlichen wirtschaftlichen Inlandsinteressen aufgibt oder – eine Niedrigbesteuerung durch höhere ausländische Steuern oder niedrigere inländische Steuern oder durch Änderung von Währungsparitäten wegfällt.1 Rechtsfolge der erweiterten beschränkten Steuerpflicht ist darüber hinaus die steuerliche Erfassung von erweiterten Inlandseinkünften sowie eine modifizierte Anwendung des § 50 EStG. 2. Besteuerung erweiterter Inlandseinkünfte 6.351
§ 2 Abs. 1 AStG ordnet an, dass erweitert beschränkt steuerpflichtige Personen über die normale beschränkte Steuerpflicht i.S. des Einkommensteuergesetzes hinaus beschränkt einkommensteuerpflichtig sind mit allen Einkünften, die nichtausländische Einkünfte i.S. des § 34d EStG sind. Da es Einkünfte gibt, die sowohl inländische i.S. des § 49 Abs. 1 EStG als auch solche i.S. des § 34d EStG sind,2 ist zweifelhaft, welche Einkünfte tatsächlich unter § 2 Abs. 1 AStG fallen.
6.352
Überwiegend wird davon ausgegangen, § 2 Abs. 1 AStG erfasse die inländischen Einkünfte i.S. von § 49 Abs. 1 EStG und zusätzlich noch die nichtausländischen Einkünfte nach § 34d EStG.3 Demgegenüber wird die Ansicht vertreten, § 2 Abs. 1 AStG betreffe jene Einkünfte nicht, die einerseits inländische i.S. des § 49 Abs. 1 EStG und andererseits ausländische i.S. des § 34d EStG seien. § 2 Abs. 1 AStG erstrecke sich nämlich nach seinem Wortlaut nur auf nichtausländische Einkünfte.4
6.353
Die Bedeutung der Frage, ob die erweiterte beschränkte Steuerpflicht sich auch auf Einkünfte erstreckt, die zugleich als inländische i.S. des § 49 Abs. 1 EStG und als ausländische i.S. des § 34d EStG zu qualifizieren sind, reduziert sich im Wesentlichen auf die Fälle, in denen doppelt qualifizierte Einkünfte vorliegen. Im Hinblick darauf, dass § 2 Abs. 5 AStG die dort genannten Rechtsfolgen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht auf sämtliche Einkünfte anwendet, ergibt sich, dass der Gesetzgeber mit § 2 AStG konzeptionell auf der beschränkten Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 EStG aufbauen und diese ausschließlich erweitern wollte. Es wäre unverständlich, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 AStG und die Rechtsfolgen des § 2 Abs. 5 AStG nicht die gleichen Einkünfte beträfen. Unter den Regelungsbereich des § 2 Abs. 1 AStG fallen daher uneingeschränkt die inländischen Einkünfte i.S. von § 49 Abs. 1 EStG. 1 Im Einzelnen Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 72 ff.; Kraft in Kraft, § 2 AStG Rz. 110. 2 Beispiel: Im Ausland ausgeübte, aber im Inland verwertete selbständige Arbeit (§ 34d Nr. 3 EStG und § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG). 3 BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672; Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 80; Hahn in Lademann, § 2 AStG Rz. 7; Elicker in Blümich, § 2 AStG Rz. 40; Zimmermann/ Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 60 ff.; Kaiser in Haase3, § 2 AStG Rz. 156; BMF v. 14.5. 2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1), Tz. 2.5.0.1. 4 Gosch in FS Wassermeyer, 263 (286).
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D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht
Davon ausgehend, dass § 2 AStG auch den gesamten Einkünftekatalog des § 49 Abs. 1 EStG umfasst, werden darüber hinaus zusätzlich insbesondere noch folgende erweiterte Inlandseinkünfte erfasst:1
6.354
1. Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die a) weder einer inländischen noch einer ausländischen Betriebsstätte zuzurechnen sind oder b) aus Bürgschafts- und Avalprovisionen erzielt werden, deren Schuldner unbeschränkt steuerpflichtig ist; 2. Einkünfte aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern, die zum Anlagevermögen eines ausländischen Betriebs gehören und im Inland belegen sind; hierzu gehört auch ein nicht schon unter § 17 EStG fallender Gewinn aus der Veräußerung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, die ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland hat; 3. Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 EStG, wenn der Schuldner unbeschränkt steuerpflichtig ist und es sich nicht um ausländische Einkünfte i.S. des § 34d Nr. 6 EStG handelt; hierunter fallen z.B. Zinsen, die von Inländern auf Schuldscheindarlehen an erweitert beschränkt Steuerpflichtige gezahlt werden, wenn diese Darlehen nicht durch ausländischen Grundbesitz gesichert sind; 4. Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung von beweglichem Vermögen im Inland, sofern dieses nicht zu einem im Ausland belegenen Sachinbegriff gehört; 5. Einkünfte aus wiederkehrenden Bezügen i.S. des § 22 Nr. 1 EStG, wenn der Verpflichtete unbeschränkt steuerpflichtig ist oder seinen Sitz im Inland hat; 6. Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 22 Nr. 2 EStG, wenn die veräußerten Wirtschaftsgüter nicht im Ausland belegen sind; 7. Einkünfte aus Leistungen, wenn der zur Vergütung der Leistung Verpflichtete unbeschränkt steuerpflichtig ist oder seinen Sitz im Inland hat; 8. andere Einkünfte, die das deutsche Steuerrecht (§§ 49 und 34d EStG) weder dem Inland noch dem Ausland zurechnet (z.B. Erträge aus beweglichen Sachen, die nicht zum Anlagevermögen eines ausländischen Betriebs gehören); 9. Einkünfte, die dem Steuerpflichtigen nach §§ 5, 15 AStG zuzurechnen sind. § 2 Abs. 1 Satz 1 AStG hat, wie der vorgenannte Katalog zeigt, nur eine begrenzte Reichweite, weil von den über die in § 49 Abs. 1 EStG genannten Einkünften hinaus von den erweiterten Inlandseinkünften Einkünfte aus Gewerbebetrieb regelmäßig deshalb nicht erfasst werden, weil ein weggezogener Gewerbetreibender im Ausland eine Betriebsstätte unterhält, die sich im Zweifel an seinem (ausländischen) Wohnsitz befindet.2 Dies gilt insbesondere für ins Ausland weggezo1 Auszugsweise Wiedergabe des BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1), Tz. 2.5.0.1; zu Einzelheiten Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 97 ff.; Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 66 ff. 2 Betriebsstättenlose gewerbliche Einkünfte (floating income) gibt es nicht; BFH v. 10.5. 1961 – IV 155/60 U, BStBl. III 1961, 317; v. 18.10.1962 – IV 319/60 U, BStBl. III 1963, 38; v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148; v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.1; Wassermeyer, IStR 2004, 676; Schauhoff, IStR 1995, 108 (110 f.).
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6.355
Kap. 6 Einkommensteuer
gene Berufssportler.1 Im Hinblick auf vermeintliche Besteuerungslücken enthält § 2 Abs. 1 Satz 2 AStG insoweit eine Fiktion, als Einkünfte, die funktional keiner konkreten ausländischen Betriebsstätte oder keinem im Ausland tätigen ständigen Vertreter zugerechnet werden können, einer inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte zugerechnet werden.2 Im Hinblick auf den eingeschränkten Anwendungsbereich von § 1 Abs. 5 AStG als Einkünftekorrekturnorm gelten für die Einkünftezurechnung die Grundsätze des Veranlassungszusammenhangs und nicht etwa die AOA-Regeln (Rz. 21.66 f.). 6.356
Für die Ermittlung der erweiterten Inlandseinkünfte kommen die allgemeinen Vorschriften des EStG zur Anwendung, so dass auch negative Einkünfte im Rahmen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht zu berücksichtigen sind. Soweit nicht anderweitig ein Verlustausgleich ausgeschlossen ist, kommt er auch im Bereich der erweiterten Inlandseinkünfte in Betracht. Damit ist auch ein Ausgleich von Verlusten bei Einkünften, die zusätzlich der erweiterten beschränkten Steuerpflicht unterliegen, mit positiven Einkünften i.S. von § 49 Abs. 1 EStG zulässig.3 3. Vollprogression und Mindeststeuer
6.357
§ 2 Abs. 5 AStG normiert, abweichend von der normalen beschränkten Steuerpflicht, dass die erweiterten Inlandseinkünfte unter Progressionsvorbehalt stehen und die Abgeltungswirkung des § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht gilt.
6.358
Für die erweiterten Inlandseinkünfte kommt der Steuersatz zur Anwendung, der sich für sämtliche Einkünfte des Steuerpflichtigen ergibt. Nicht erfasst werden dabei Einkünfte aus Kapitalvermögen, die dem besonderen Steuersatz des § 32d Abs. 1 EStG (25 %) unterliegen (§ 2 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 AStG). Im Hinblick auf diesen Progressionsvorbehalt hat der Wegzügler, obwohl er mit seinem Welteinkommen nicht mehr der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegt, für Zwecke des Progressionsvorbehaltes sein gesamtes Welteinkommen offen zu legen.4
6.359
Dieser Progressionsvorbehalt im Rahmen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht ist systemwidrig und geht bei weitem über das durch den Sinn und Zweck des § 2 AStG gebotene Maß hinaus. Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht zielt in ihrem Kern nämlich lediglich darauf ab, durch die Erfassung der nichtausländischen Einkünfte und die Suspendierung der Abgeltungswirkung der Quellensteuer die vermeintlichen mit der beschränkten Steuerpflicht verbundenen Steuervorteile für Wegzügler zu vereiteln (Rz. 6.315). Durch den Progressionsvorbehalt wird indessen auf ein Rechtsinstitut zurückgegriffen, das allein der unbeschränkten Steuerpflicht für die Besteuerung des Welteinkommens vorbehalten ist. 1 BFH v. 17.2.1955 – IV 77/53 S, BStBl. III 1955, 100; v. 11.7.1960 – V 182/58 U, BStBl. III 1960, 376; v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, 150; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 58; Schauhoff, IStR 1995, 108 (110); Korn/Stahl, KÖSDI 1995, 10263 (10267). 2 Insoweit Nichtanwendungsgesetz zu BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672. 3 BFH v. 3.11.1982 – I R 3/79, BStBl. II 1983, 259; Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 87; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1), Tz. 2.5.1.2. 4 Der Progressionsvorbehalt wird durch Doppelbesteuerungsabkommen nicht eingeschränkt; BFH v. 15.5.2002 – I R 40/01, BStBl. II 2002, 660; v. 19.12.2001 – I 63/00, BStBl. II 2003, 302; vgl. Rz. 19.534 f.
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D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht
§ 2 Abs. 5 Satz 2 AStG ordnet an, dass auf Einkünfte, die der Kapitalertragsteuer oder der Quellensteuer gem. § 50a EStG unterliegen, § 50 Abs. 2 EStG nicht zur Anwendung kommt. Hiermit wird die Abgeltungswirkung beseitigt mit der Folge, dass insoweit uneingeschränkt das Nettoprinzip gilt.1 Im Rahmen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht sind daher etwa Lizenzvergütungen (§ 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG) im Rahmen eines steuerlichen Veranlagungsverfahrens zu erfassen, wobei im Jahr des Wegzugs nur eine Veranlagung zur Einkommensteuer durchgeführt werden muss (§ 2 Abs. 7 Satz 3 EStG).2
6.360
Da die erweiterte beschränkte Steuerpflicht die vermeintlichen Steuervergünstigungen des § 49 EStG durch Erfassung der nichtausländischen Einkünfte und Suspendierung der Abgeltungswirkung beseitigen will, stellt die Steuer, die im Rahmen der normalen beschränkten Steuerpflicht zu erheben wäre, im Ausgangspunkt die Untergrenze dar. Dies folgt insbesondere auch aus § 2 Abs. 6 AStG, wonach die im Rahmen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht zusätzlich zu entrichtende Steuer auf diejenige Steuer begrenzt ist, die im Rahmen unbeschränkter Steuerpflicht zu erheben wäre. Damit bildet die bei unbeschränkter Steuerpflicht zu erhebende Steuer die Obergrenze, soweit diese die durch die normale beschränkte Steuerpflicht im Grundsatz fixierte Untergrenze überschreitet. Mit anderen Worten: Die bei unbeschränkter Steuerpflicht zu erhebende Steuer darf nur dann überschritten werden, wenn die bei normaler beschränkter Steuerpflicht zu erhebende Steuer höher liegt.3
6.361
Für die Berechnung der beiden vorgenannten Grenzen sind gegebenenfalls zwei Schattenveranlagungen durchzuführen. Die eine Schattenveranlagung betrifft die beschränkte Steuerpflicht, soweit nicht die Abgeltungswirkung des § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG eingreift, und die zweite Schattenveranlagung erfolgt auf der Grundlage der unbeschränkten Steuerpflicht, wobei für Zwecke des Tarifs (§§ 32 ff. EStG) zugunsten des Steuerpflichtigen die ausländischen Verhältnisse auf das Inland zu projizieren sind mit der Folge, dass etwa für eine im Ausland verheiratete erweitert beschränkt steuerpflichtige Person der Splittingtarif anzusetzen ist.4
6.362
V. Zurechnung bei zwischengeschalteten Auslandsgesellschaften 1. Zielsetzung § 5 AStG erfasst als Ergänzung zu § 2 AStG auch jene Fälle, in denen erweitert beschränkt steuerpflichtige Personen ihre wesentlichen wirtschaftlichen Inlandsinteressen nicht unmittelbar, sondern mittelbar über zwischengeschaltete Auslandsgesellschaften (§ 7 AStG) halten. In diesem Falle sind die erweiterten Inlandseinkünfte der zwischengeschalteten Auslandsgesellschaft wie Einkünfte des erweitert beschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners selbst bei diesem zu versteuern. Insoweit will § 5 AStG die Umgehung der erweitert beschränkten 1 § 32d EStG (Abgeltungsteuer) bleibt aber anwendbar (§ 2 Abs. 5 Satz 3 AStG i.V.m. § 43 Abs. 5 EStG). 2 Hierzu Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 153. 3 Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 348; Kaiser in Haase3, § 2 AStG Rz. 204. 4 Kaiser in Haase3, § 2 AStG Rz. 203; Zimmermann/Könemann in S/K/K, § 2 AStG Rz. 162; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1), Tz. 2.6.2.
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6.363
Kap. 6 Einkommensteuer
Steuerpflicht verhindern und erweitert beschränkt steuerpflichtige Personen so stellen, wie sie stünden, wenn die Vermögenswerte nicht auf die zwischengeschaltete Gesellschaft übertragen worden wären.1 6.364
Trotz dieser Zielsetzung spielt es nach dem Wortlaut dieser Vorschrift keine Rolle, ob der erweitert beschränkt steuerpflichtige Anteilseigner an der ausländischen Gesellschaft bereits bei seinem Wegzug beteiligt war oder ob er diese Beteiligung erst später erworben hat.2 Durch die Verweisung auf die für die Hinzurechnungsbesteuerung maßgeblichen Vorschriften der §§ 7, 8 und 14 AStG bewirkt § 5 AStG auch eine Ergänzung zu den §§ 7 ff. AStG insoweit, als erweitert beschränkt steuerpflichtige Anteilseigner den unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern gleichgestellt werden.3 Bei der Verweisung geht es konkret darum, die der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegenden Einkünfte zu umschreiben. Im Übrigen unterscheidet sich die Zurechnung gem. § 5 AStG von der Hinzurechnung der §§ 7 ff. AStG grundlegend. Die Zurechnung der von der zwischengeschalteten Auslandsgesellschaft erzielten Einkünfte auf den erweitert beschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner entspricht der Zurechnung nach Art eines Treuhandverhältnisses.4 2. Gegenstand der Zurechnung
6.365
Zugerechnet werden diejenigen erweiterten Inlandseinkünfte der zwischengeschalteten Auslandsgesellschaft, mit denen erweitert beschränkt steuerpflichtige Anteilseigner bei unbeschränkter Steuerpflicht nach den §§ 7, 8 und 14 AStG steuerpflichtig wären. Gegenstand der Zurechnung sind damit Zwischeneinkünfte, also niedrig besteuerte Einkünfte aus passivem Erwerb (§ 8 AStG) (Rz. 13.76 ff.). Über § 14 AStG, auf den § 5 AStG verweist, werden schließlich auch die Zwischeneinkünfte nachgeschalteter Auslandsgesellschaften erfasst. Die Zurechnung beschränkt sich dabei ebenfalls nur auf jene Zwischeneinkünfte, die erweiterte Inlandseinkünfte sind.5 3. Zurechnungsempfänger
6.366
Die Zurechnungsbesteuerung im Rahmen des § 5 AStG setzt beim erweitert beschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner an. Es muss sich hierbei um eine natürliche Person handeln, die in den letzten zehn Jahren vor der Auswanderung als Deutscher insgesamt mindestens fünf Jahre nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig war. Darüber hinaus muss der Anteilseigner in einem ausländischen Gebiet ansässig sein, in dem er mit seinem Einkommen nur einer niedrigen Besteuerung gem. § 2 Abs. 2 AStG unterliegt. 1 Baßler in F/W/B/S, § 2 AStG Rz. 301; Rundshagen in S/K/K, Art. 5 AStG Rz. 1, 13; Kraft in Kraft, § 5 AStG Rz. 2, 16. 2 Schönfeld in F/W/B/S, § 5 AStG Rz. 116; Elicker in Blümich, § 5 AStG Rz. 7; Steierberg in Fuhrmann3, § 5 AStG Rz. 28. 3 Schönfeld in F/W/B/S, § 5 AStG Rz. 66. 4 Schönfeld in F/W/B/S, § 5 AStG Rz. 172; Rundshagen in S/K/K, Art. 5 AStG Rz. 1. 5 Schönfeld in F/W/B/S, § 5 AStG Rz. 171; Rundshagen in S/K/K, § 5 AStG Rz. 40 a.A. Kaiser in Haase3, § 5 AStG Rz. 41.
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D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht
Im Hinblick darauf ist die Niedrigbesteuerung zweifach festzustellen, nämlich einmal bei der Qualifizierung der erweiterten Inlandseinkünfte als Zwischeneinkünfte gem. § 8 AStG1 und ein weiteres Mal beim Anrechnungsempfänger hinsichtlich seiner Qualifizierung als erweitert beschränkt steuerpflichtige Person gem. § 2 AStG.2
6.367
Die zuzurechnenden Zwischeneinkünfte, soweit sie nichtausländische Einkünfte (erweiterte Inlandseinkünfte) sind, werden jeweils mit Ablauf des für ihre Ermittlung maßgebenden Wirtschaftsjahres der zwischengeschalteten Auslandsgesellschaft dem Zurechnungsempfänger zugerechnet.3 Diese Zurechnung erfolgt allerdings nur nach Maßgabe der Beteiligung des erweitert beschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners am Kapital der zwischengeschalteten Auslandsgesellschaft.4
6.368
4. Steueranrechnung Obwohl § 5 AStG nicht auf die für die Hinzurechnungsbesteuerung maßgebliche Steueranrechnung (§ 12 AStG) verweist, ist auch im Rahmen der Zurechnungsbesteuerung nach Maßgabe des § 5 AStG eine Steueranrechnung möglich, anderenfalls entstünde eine mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip nicht zu vereinbarende Übermaßbesteuerung, die darin besteht, dass die zugerechneten Einkünfte sowohl bei der ausländischen Gesellschaft als auch bei der erweitert beschränkt steuerpflichtigen Person als Zurechnungsempfängerin der Besteuerung unterliegen.5 Die Möglichkeit der Vermeidung einer derartigen Übermaßbesteuerung6 ergibt sich aus § 2 Abs. 6 AStG, wonach die Einkommensteuer bei unbeschränkter Steuerpflicht die Obergrenze der Gesamtbelastung bildet (Rz. 6.361).7 Da im Falle der unbeschränkten Steuerpflicht für die hinzugerechneten Einkünfte im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung eine Steueranrechnung gem. § 12 Abs. 1 AStG möglich wäre (Rz. 13.210 ff.), führt das im Ergebnis dazu, dass die von der zwischengeschalteten Auslandsgesellschaft gezahlten inund ausländischen Steuern angerechnet werden können.8 Das gilt auch in Fällen nachträglicher Ausschüttungen auf Grundlage von § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG.9
1 Niedrigbesteuerung gem. § 8 Abs. 3 AStG. 2 Niedrigbesteuerung gem. § 2 Abs. 2 AStG. 3 Schönfeld in F/W/B/S, § 5 AStG Rz. 181; Elicker in Blümich, § 5 AStG Rz. 10; Kraft in Kraft, § 5 AStG Rz. 67; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1), Tz. 5.1.1.2. 4 Schönfeld in F/W/B/S, § 5 AStG Rz. 182. 5 Schönfeld in F/W/B/S, § 5 AStG Rz. 177; Rundshagen in S/K/K, Art. 5 AStG Rz. 12; Kaiser in Haase3, § 5 AStG Rz. 52. 6 Zu verfassungsrechtlichen Aspekten vgl. Hey in Tipke/Lang22, § 3 Rz. 180 ff. 7 Schönfeld in F/W/B/S, § 5 AStG Rz. 177; Kaiser in Haase3, § 5 AStG Rz. 51 f. 8 Schönfeld in F/W/B/S, § 5 AStG Rz. 177; Schulz in Lademann, § 5 AStG Rz. 57; dagegen für eine Anrechnung (nur von inländischen Steuern) gem. § 36 Abs. 2 EStG Elicker in Blümich, § 5 AStG Rz. 11; Kraft in Kraft, § 5 AStG Rz. 68 ff.; Steierberg in Fuhrmann3, § 5 AStG Rz. 36; Kaiser in Haase3, § 5 AStG Rz. 53; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1), Tz. 5.1.1.3. 9 Schönfeld in F/W/B/S, § 5 AStG Rz. 178.
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Kap. 6 Einkommensteuer
E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht I. Einheitliche Veranlagung 6.370
§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 EStG bestimmt, dass in den Fällen, in denen während eines Kalenderjahres sowohl unbeschränkte als auch beschränkte Einkommensteuerpflicht besteht (§ 2 Abs. 7 Satz 3 EStG), die Abgeltungswirkung (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG) entfällt. Im Hinblick darauf sind auch die dem Steuerabzug unterliegenden Einkünfte in eine Veranlagung miteinzubeziehen. Hierfür gilt die Besonderheit, dass die während der beschränkten Steuerpflicht erzielten inländischen Einkünfte in die Veranlagung eingehen, die für die unbeschränkte Steuerpflicht durchzuführen ist. Trotz einheitlicher Veranlagung sind die während der beschränkten Steuerpflicht erzielten inländischen Einkünfte nach den hierfür maßgeblichen Vorschriften zu ermitteln,1 so dass insbesondere die Restriktionen des § 50 Abs. 1 EStG (Rz. 6.271) zur Anwendung kommen. Die auf diese Weise zu ermittelnden inländischen Einkünfte werden mit denen während der unbeschränkten Steuerpflicht erzielten Einkünfte zusammengerechnet (Summe der Einkünfte), so dass im Ergebnis ein einheitliches zu versteuerndes Einkommen (§ 2 Abs. 5 EStG) die Bemessungsgrundlage für die tarifliche Einkommensteuer bildet.
6.371
Das Gebot der einheitlichen Veranlagung gilt auch bei einem mehrmaligen Wechsel der Steuerpflicht im Kalenderjahr, wobei der Wechsel von und zur unbeschränkten Steuerpflicht auch die Fälle der erweiterten unbeschränkten und fiktiven unbeschränkten Steuerpflicht (§§ 1 Abs. 2, 3; § 1a EStG) erfasst. Zum Anwendungsbereich der beschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 4 EStG) zählt schließlich auch die erweitert beschränkte Steuerpflicht (§§ 2, 5 AStG). Als Folge der einheitlichen Veranlagung ergibt sich, dass die ausländischen Einkünfte (§ 34d EStG), die im Veranlagungszeitraum nicht der deutschen Einkommensteuer unterlegen haben, in den Progressionsvorbehalt einzubeziehen sind (§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG).2
II. Steuerentstrickung/Steuerverstrickung 6.372
Im Hinblick darauf, dass allein im Rahmen der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht das Welteinkommensprinzip (Rz. 6.53 ff.) zur Geltung kommt, kann jedes Ausscheiden aus der unbeschränkten Steuerpflicht, etwa durch Aufgabe des inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts, zu einem Ausschluss oder zu einer Beschränkung3 des deutschen Besteuerungsrechts führen. Bleibt keine beschränkte oder erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht aufrechterhalten, scheidet der Steuerpflichtige aus der deutschen Steuerhoheit vollends aus. Dieses vollständige oder teilweise Ausscheiden aus der deutschen Steuerhoheit (Steuerentstrickung) hat zur Folge, dass – sofern keine Sonderregelungen eingreifen – etwaige während der Zeit der unbeschränkten 1 Musil in H/H/R, § 2 EStG Rz. 923. 2 Diese Regelung ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden; vgl. BFH v. 19.12.2001 – I R 63/00, BStBl. II 2003, 302; v. 19.11.2003 – I R 19/03, BStBl. II 2004, 549; vgl. zum Progressionsvorbehalt im Einzelnen Rz. 19.534 ff. 3 Z.B. infolge Anrechnung ausländischer Steuern (§ 34c EStG).
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E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht
Steuerpflicht im Inland im Zusammenhang mit Wirtschaftsgütern gebildete stille Reserven der deutschen Besteuerung entzogen werden. Ein Ausscheiden aus der deutschen Steuerhoheit erfolgt auch dann, wenn der Steuerpflichtige seine unbeschränkte Steuerpflicht im Inland zwar aufrechterhält, durch Begründung einer weiteren unbeschränkten Steuerpflicht im Ausland nach einem DBA dort aber als ansässig gilt (Art. 4 Abs. 2 OECD-MA; vgl. Rz. 19.194 ff.) mit der Folge, dass abkommensrechtlich Deutschland die Eigenschaft als Wohnsitzstaat und damit die Befugnis zur uneingeschränkten Besteuerung des Welteinkommens grundsätzlich verliert. Eine Steuerentstrickung tritt auch dann ein, wenn der Steuerpflichtige durch Wohnsitzwechsel im Ausland bewirkt, dass die beschränkte Steuerpflicht durch ein DBA eingeschränkt wird. Schließlich ist eine Steuerentstrickung auch durch Ausscheiden aus der erweiterten beschränkten Steuerpflicht infolge Wohnsitzwechsels des Steuerpflichtigen denkbar.
6.373
Neben den vorgenannten Fällen, in denen der Steuerpflichtige etwa durch Wegzug aus der deutschen Steuerhoheit ausscheidet (subjektbezogene Steuerentstrickung), sind auch jene Fälle von Bedeutung, in denen ein Besteuerungsgegenstand aus der deutschen Steuerhoheit ausscheidet (objektbezogene Steuerentstrickung). Hierbei geht es vor allem um die Überführung eines Wirtschaftsgutes von einem inländischen Betrieb auf eine ausländische Betriebsstätte, deren Gewinn für Zwecke der Besteuerung abkommensrechtlich der Besteuerung dem Betriebsstättenstaat zugewiesen ist (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA; vgl. Rz. 19.229 ff.).
6.374
Eine Steuerentstrickung kommt daher insbesondere in folgenden Fällen in Betracht:1
6.375
Subjektbezogene Steuerentstrickung
6.376
– Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht im Ausland unter Aufrechterhaltung der unbeschränkten Steuerpflicht im Inland (Doppelwohnsitz), soweit nach einem DBA der andere Staat als Ansässigkeitsstaat (Wohnsitzstaat) gilt, – Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht (z.B. durch Wegzug) und Überwechseln zur beschränkten Steuerpflicht, – Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht ohne Begründung der beschränkten Steuerpflicht, – Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht in einem anderen Staat unter Aufrechterhaltung der bisherigen beschränkten Steuerpflicht im Inland, soweit nach einem DBA Deutschland die Befugnis zur Besteuerung inländischer Einkünfte verliert (z.B. Wohnsitzwechsel von einem Nicht-DBA-Staat in einen DBA-Staat), – Beendigung der erweiterten beschränkten Steuerpflicht (z.B. durch Wegzug von einem Niedrigsteuerland in ein Hochsteuerland), – Beendigung der Hinzurechnungsbesteuerung (z.B. durch Sitzverlegung der ausländischen Kapitalgesellschaft von einem Niedrigsteuerland in ein Hochsteuerland). 1 Vgl. auch Schnitger, Die Entstrickung im Steuerrecht, IFSt-Schrift Nr. 487 (2013), 26; Schaumburg in Krause/Schaumburg/Wassermeyer, Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten, 23 (39 f.).
Schaumburg
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Kap. 6 Einkommensteuer
6.377
Objektbezogene Steuerentstrickung – Überführung von Wirtschaftsgütern auf eine ausländische Betriebsstätte, soweit nach einem DBA die Betriebsstättenbesteuerung in Deutschland entfällt, – Überführung von Grundstückszubehör in das Ausland, soweit nach einem DBA die Besteuerung der Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen für Deutschland nicht gegeben ist, – Überführung von Wirtschaftsgütern von einer inländischen auf eine ausländische Betriebsstätte, soweit hierdurch inländische Einkünfte (§ 49 Abs. 1 EStG) nicht mehr vorliegen (z.B. bei Beteiligung beschränkt steuerpflichtiger Personen an einer inländischen Mitunternehmerschaft1), – Erfüllung abkommensrechtlicher Aktivitätserfordernisse mit der Folge des Wechsels von einer Anrechnungs- zu einer Freistellungsbetriebsstätte.
6.378
Den vorgenannten Fallgruppen ist gemeinsam, dass das deutsche Besteuerungsrecht entweder ausgeschlossen oder beschränkt sein kann. Dies gilt vor allem für die Besteuerung des Vermögenszuwachses, soweit dieser während einer Zeit erfolgt ist, in der im Rahmen der unbeschränkten, beschränkten oder erweiterten beschränkten Steuerpflicht eine Besteuerung durch Deutschland gewährleistet war. Die hierdurch ausgelöste (aktive) Steuerentstrickung beruht ausnahmslos auf Handlungen des Steuerpflichtigen selbst. Darüber hinaus kann es zu einer Beschränkung oder zu einem Ausschluss des Besteuerungsrechts durch einen inoder ausländischen Gesetzgeber kommen, ohne dass es auf irgendwelche Handlungen des Steuerpflichtigen ankommt. Eine derartige (passive) Steuerentstrickung kann z.B. in folgenden Fällen eintreten:2 – Abschluss oder Änderung eines DBA, – Heraufsetzung des Steuersatzes im Ausland oder/und Absenkung des maßgeblichen Niedrigsteuersatzes im Inland (z.B. § 8 Abs. 3 AStG) für Zwecke der Hinzurechnungsbesteuerung oder – Austritt aus der EU (z.B. Brexit) mit der Folge, dass die zugunsten von EU-/ EWR-Staatsangehörigen wirkenden Grundfreiheiten entfallen.3
6.379
Im Kern geht es bei der Steuerentstrickung um die Sicherstellung der stillen Reserven für Zwecke der Besteuerung. Im Hinblick darauf sind Wirtschaftsgüter (§ 4 Abs. 1 Satz 3 1. Alt. EStG), Teilbetreibe und Betriebe (§ 16 Abs. 3a EStG) betroffen. Darüber hinaus geht es aber auch um die Sicherstellung der Besteuerung laufender Einkünfte aus der (grenzüberschreitenden) Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern (§ 4 Abs. 1 Satz 3 2. Alt. EStG).4 Dieser Nutzungsentstrickung steht allerdings keine Nutzungsverstrickung gegenüber.5
1 BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663. 2 Vgl. Schnitger, Die Entstrickung im Steuerrecht, IFSt-Schrift Nr. 487 (2013), 26. 3 Vgl. nur Dorn/Schwarz, NWB 2016, 2182; Linn, IStR 2016, 557; Peykann/Hanten/Gegusch, DB 2016, 1526. 4 Die Entstrickungsregelungen gehen der in § 1 Abs. 4 u. 5 EStG verankerten AOA-Regelung über die Einkünftekorrektur vor; Schnitger, IStR 2012, 633 (638); Kahle, DStR 2012, 691 (698); Hemmelrath/Kepper, IStR 2013, 37 (41); Schaumburg, ISR 2013, 197 (198 f.); vgl. Rz. 21.67. 5 Hierzu Schnitger, Die Entstrickung im Steuerrecht, IFSt-Schrift Nr. 487 (2013), 39.
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E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht
Der Wechsel von der beschränkten in die unbeschränkte Steuerpflicht, etwa bei Aufgabe des ausländischen und Begründung eines inländischen Wohnsitzes, führt grundsätzlich1 auch zu einem für die Besteuerung maßgeblichen Wechsel vom Territorialitätsprinzip in das Universalitätsprinzip mit der Folge, dass die inländische Besteuerung nunmehr das Welteinkommen erfasst. Dieses Eintreten in die unbeschränkte Steuerpflicht (Steuerverstrickung) hat zur Folge, dass – sofern keine Sonderregelungen eingreifen – etwaige während der Zeit vor Beginn der unbeschränkten Steuerpflicht im Ausland im Zusammenhang mit Wirtschaftsgütern gebildete stille Reserven nunmehr von der deutschen Besteuerung erfasst werden.2 Eine Steuerverstrickung tritt auch dann ein, wenn der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz im Ausland zwar aufrechterhält, durch Begründung eines weiteren inländischen Wohnsitzes nach dem maßgeblichen DBA (Art. 4 Abs. 2 OECD-MA; vgl. Rz. 19.204 ff.) hier aber als ansässig gilt, so dass eine etwa bislang bestehende Beschränkung deutschen Besteuerungsrechts zum Fortfall kommt. Eine Steuerverstrickung ist schließlich auch in den Fällen denkbar, in denen durch Wohnsitzwechsel im Ausland eine bislang bestehende Einschränkung der beschränkten oder erweiterten beschränkten Steuerpflicht entfällt. Im Übrigen gelten die für die Steuerentstrickung maßgeblichen Grundsätze vice versa auch für die Steuerverstrickung, so dass auch insoweit zwischen subjektbezogener und objektbezogener Steuerverstrickung zu unterscheiden ist.
III. Gewinnrealisierung durch Steuerentstrickung Literatur Kommentare zu §§ 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4; 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1; 4g; 16 Abs. 3a, 36 Abs. 5 EStG; Beutel/Rehberg, National Grid Indus – Schlusspunkt der Diskussion oder Quell neuer Kontroverse zur Enstrickungsbesteuerung?, IStR 2012, 94; Burmester, Probleme der Gewinn- und Verlustrealisierung, Baden-Baden 1986, 53; 93; Diebold, Steuerverstrickung und Steuerentstrickung im Normengefüge des Einkommen- und Körperschaftsteuerrechts, Diss. Augsburg 1984; Ditz, Aufgabe der finalen Entnahmetheorie – Analyse des BFH-Urteils vom 17.7.2008 und seiner Konsequenzen, IStR 2009, 115; Dörfler/Adrian/ Oblau, Europäisierung des deutschen Steuerrechts durch das SEStEG, RIW 2007, 266; Förster, SEStEG: Rechtsänderungen im EStG, DB 2007, 72; Hahn, Kritische Erläuterungen und Überlegungen zum Entwurf des SEStEG, IStR 2006, 797; Hoffmann, Aufgabe der Theorie der finalen Entnahme in der BFH-Rechtsprechung, DB 2008, 2286; Hruschka, Die Entund Verstrickung stiller Reserven nach dem SEStEG, StuB 2006, 584; Inst. FuSt., Zur Gewinnverwirklichung durch Steuerentstrickung (Brief 140), Bonn 1973; Kahle/Beinert, Zur Diskussion um die Europarechtswidrigkeit der Entstrickungstatbestände nach Verder LabTec, FR 2015, 585; Kessens, Die Besteuerung der grenzüberschreitenden Überführung von Wirtschaftsgütern, Frankfurt/M. 2009; Kessler/Huck, Grenzüberschreitender Transfer von Betriebsvermögen StuW 2005, 193; Kessler/Philipp, Rechtssache National Grid Indus BV – Ende oder Bestätigung der Entstrickungsbesteuerung?, DStR 2012, 267; Koch, Bilanzierung und Gewinnrealisierung bei Einbringung einer 100%igen Beteiligung in eine ausländische Betriebsstätte, BB 2008, 2450; Köhler, Der Wegzug von Unternehmen und Unternehmensteilen in die EU, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 813; Körner, Europarechtliches Verbot der Sofortbesteuerung stil1 Ausnahme: Wechsel von der beschränkten zur fingierten unbeschränkten Steuerpflicht (§§ 1 Abs. 3; 1a EStG). 2 Die vorstehenden Grundsätze gelten auch dann, wenn vorher keine beschränkte Steuerpflicht gegeben war.
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Kap. 6 Einkommensteuer ler Reserven beim Transfer ins EU-Ausland, IStR 2012; Linn, Das EuGH-Urteil in der Rs. DMC und der Vorlagebeschluss des FG Düsseldorf – Ende der Diskussion um die Wegzugssteuer?, IStR 2014, 136; Mitschke, Nochmals: Aufgabe der „finalen Entnahmetheorie“ – Nachlese zum BFH-Urteil – I R 77/06, FR 2008, 1149, FR 2009, 326; Mitschke, Zur gesetzlichen Entstrickungsregelung des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG, DB 2009, 1376; Mitschke, Konkretisierung der gesetzlichen Entstrickungsregelungen und Kodifizierung der finalen Betriebsaufgabetheorie durch das Jahressteuergesetz 2010, Ubg 2011, 328; Mitschke, Schlussurteil zu Verder LabTec: Entstrickungsbesteuerung nach § 4 Abs. 1 S. 3 und 4 EStG ist rechtmäßig und unionsrechtskonform, IStR 2016, 126; Mitschke, National Grid Indus – Ein Pyrrhussieg für die Gegner der Sofortbesteuerung?, IStR 2012, 6; Müller-Gatermann, Das SEStEG im Überblick-Entstrickung und Verstrickung sowie neues Umwandlungssteuerrecht, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 939; Musil, Die Ergänzung des Entstrickungstatbestands durch § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG – Herrscht nun endlich Klarheit?, FR 2011, 545; Pach-Hanssenheimb, Die Verstrickung von Wirtschaftsgütern in die deutsche Steuerhoheit, Baden-Baden 1991; Rödder/ Schumacher, Das kommende SEStEG Teil I: Die geplanten Änderungen des EStG, KStG und AStG, DStR 2006, 1481; Teil II: Das geplante neue Umwandlungssteuergesetz, DStR 2006, 1525; Rödder/Schumacher, Das SEStEG – Überblick über die endgültige Fassung und die Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf, DStR 2007, 369; Roser, Überführung von Wirtschaftsgütern ins Ausland – eine Grundsatzentscheidung mit vielen Fragen, DStR 2008, 2389; Salditt, Verlagerung von Wirtschaftsgütern in die auslandsbelegene Betriebsstätte eines einheitlichen Unternehmens: Grundsätzliches zur Realisierung stiller Reserven, Diss. Köln 1969; Schaumburg, Die neue Dogmatik der internationalen Steuerentstrickung, StbJb 2008/2009, 193; Schneider/Oepen, Finale Entnahme, Sicherstellung stiller Reserven und Entstrickung, FR 2009, 22; Schnitger, Die Entstrickung im Steuerrecht, Berlin 2013; Statzkowski, Das Prinzip der Gewinnverwirklichung durch Steuerentstrickung im deutschen Steuerrecht, Diss. Berlin 1986; Sydow, Neues bei der Exit-Tax: EuGH erklärt Fünftelungsregelung zur Besteuerung stiller Reserven und Bankgarantien für unionsrechtskonform, DB 2014, 265; Wassermeyer, Verliert Deutschland im Fall der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte das Besteuerungsrecht?, DB 2006, 1176; Weiser, Das arm’s length-Prinzip beim Güter- und Leistungstransfer zwischen Stammhaus und Betriebsstätten im Gemeinschaftsrecht, DB 2008, 2724; Werra/ Teiche, Das SEStBeglG aus der Sicht international tätiger Unternehmen DB 2006, 1455.
1. Überblick 6.381
Das inländische Steueraufkommen ist in den Fällen der Steuerentstrickung weitgehend normativ gesichert. Im Vordergrund steht hierbei die Regelung des § 4 Abs. 1 Sätze 3 u. 4 EStG, wonach in den Fällen, in denen hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt wird, eine (fiktive) Entnahme zum gemeinen Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG) angenommen wird. Soweit es hiernach zu einer Gewinnrealisierung der Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens kommt, kann ein Ausgleichsposten mit der Maßgabe gebildet werden, dass dieser im Wirtschaftsjahr der Bildung und in den vier folgenden Wirtschaftsjahren jeweils zu 1/ 5 gewinnerhöhend aufzulösen ist (§ 4g EStG). Angesprochen sind hierdurch insbesondere Fälle des grenzüberschreitenden Betriebsvermögenstransfers von einem inländischen Stammhaus auf eine ausländische Betriebsstätte, wobei freilich die vorgenannte Steuerstreckung1 auf EU-Fälle beschränkt 1 § 4g EStG betrifft nur Anlagevermögen und vom persönlichen Anwendungsbereich her nur unbeschränkt steuerpflichtige Personen; vgl. zu diesbezüglichen europarechtlichen Problemen (Diskriminierung) Rz. 6.389.
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E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht
bleibt.1 Ergänzend hierzu wird allerdings auch die Betriebs- bzw. Teilbetriebsverlegung sowie der Wegzug eines Einzelunternehmens oder einer Mitunternehmerschaft insgesamt erfasst (§ 16 Abs. 3a EStG), wobei die auf den Aufgabegewinn entfallende Steuer in EU-/EWR-Fällen in fünf gleichen Jahresraten entrichtet werden kann (§ 36 Abs. 5 EStG).2 Schließlich gibt es auch eine entsprechende Regelung für den Wegzug von Kapitalgesellschaften (§ 12 Abs. 1, 3 KStG), wobei die hieran anknüpfenden Rechtsfolgen auf Gesellschafterebene in § 17 Abs. 5 EStG normiert sind (Rz. 7.45 ff.). Sobald natürliche Personen wegziehen, kommt für im Privatvermögen gehaltene Kapitalanteile die Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG in Betracht (Rz. 6.406 ff.). Im Übrigen sind Entstrickungsregelungen z.B. in § 6 Abs. 5 Satz 1 EStG, § 12 Abs. 1, 2 Satz 1 Nr. 2 KStG und im UmwStG3 enthalten. Konzeptionell liegt der im Einkommensteuergesetz verankerten Entstrickungsdogmatik die in der Vergangenheit von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelte Lehre von der finalen Entnahme zugrunde, wonach zwar allgemein eine Gewinnrealisierung durch Steuerentstrickung verneint,4 durch extensive Auslegung des Entnahmetatbestands (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG) oder gar dessen analoge Anwendung sowie durch extensive Auslegung des Betriebsaufgabebegriffs (§ 16 Abs. 3 EStG) im Ergebnis aber die Gewinnrealisierung durch Steuerentstrickung zum allgemeinen Rechtsprinzip erhoben wurde.5 Der BFH hat seine frühere Rechtsprechung zur Theorie der finalen Entnahme6 und der finalen Betriebsaufgabe7 indessen in den Jahren 20088 und 20099 aufgegeben.10 Der BFH stützt die Aufgabe der Theorie der finalen Entnahme im Wesentlichen darauf, dass das Gesetz hierfür keine hinreichende Grundlage habe. Für eine Entnahme nach § 4 1 Im Unterschied zu § 6 Abs. 5 AStG und anderen durch das SEStEG eingeführten Vorschriften werden EWR-Fälle nicht erfasst. 2 Da § 16 Abs. 3a EStG sich tatbestandlich nur auf den Gewerbebetrieb bezieht, wird der Wegzug eines Mitunternehmers nur von § 4 Abs. 1 Satz 3 u. 4 EStG erfasst. 3 §§ 3 Abs. 2 Nr. 4. 2; 9 i.V.m. 3 Abs. 2 Nr. 2, 11 Abs. 2 Nr. 2, 13 Abs. 2 Nr. 1, 15 Abs. 1 i.V.m. 11 Abs. 2 Nr. 2, 15 Abs. 1 i.V.m. 13 Abs. 2, 16 i.V.m. 3 Abs. 2 Nr. 2, 20 Abs. 2 Nr. 2, 21 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1, 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG; zu diesen Entstrickungsklauseln Schaumburg in FS Herzig, 711 ff. 4 BFH v. 16.7.1969 – I 266/65, BStBl. II 1970, 175; v. 10.2.1972 – I R 205/66, BStBl. II 1972, 455; v. 16.12.1975 – VIII R 3/74, BStBl. II 1976, 246. 5 Theorie der finalen Entnahme: BFH v. 16.7.1969 – I 266/65, BStBl. II 1970, 175; v. 28.4. 1971 – I R 55/66, BStBl. II 1971, 630; v. 30.5.1972 – VIII R 111/69, BStBl. II 1972, 760; v. 24.11.1982 – I R 123/78, BStBl. II 1983, 113; v. 19.2.1998 – IV R 38/97, BStBl. II 1998, 509; im Urteil v. 16.12.1975 – VIII R 3/74, BStBl. II 1976, 246 hat der BFH eine Gewinnrealisierung durch Steuerentstrickung allerdings für den Fall verneint, dass ein DBA im Nachhinein abgeschlossen wird und dadurch stille Reserven zuvor in das Ausland überführter Wirtschaftsgüter aus der inländischen Besteuerung ausscheiden. 6 BFH v. 16.7.1969 – I 266/65, BStBl. II 1970, 175; v. 30.5.1972 – VIII R 111/69, BStBl. II 1972, 760; v. 16.12.1975 – VIII R 3/74, BStBl. II 1976, 246; v. 24.11.1982 – I R 123/78, BStBl. II 1983, 113; v. 19.2.1998 – IV R 38/97, BStBl. II 1998, 509. 7 BFH v. 28.4.1971 – I R 55/66, BStBl. II 1971, 630; v. 13.10.1976 – I R 261/70, BStBl. II 1977, 76; v. 28.3.1984 – I R 191/79, BStBl. II 1984, 664. 8 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; Nichtanwendungserlass: BMF v. 20.5. 2009, BStBl. I 2009, 671. 9 BFH v. 28.10.2009 – I R 99/08, BFH/NV 2010, 346; v. 28.10.2009 – I R 28/08, IStR 2010, 103. 10 Hierzu Koch, BB 2008, 2450; Weiser, DB 2008, 2724 ff.; Roser, DStR 2008, 2389 ff.
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Kap. 6 Einkommensteuer
Abs. 1 Satz 2 EStG setze das Gesetz nämlich voraus, dass das Entnahmeobjekt für betriebsfremde Zwecke entnommen werde. Dies sei aber etwa bei der Überführung eines Wirtschaftsguts in eine ausländische Betriebsstätte des gleichen Unternehmens nicht der Fall, da der bestehende betriebliche Funktionszusammenhang nicht gelöst werde. Schließlich, so der BFH, gehe auch bei einem grenzüberschreitenden Betriebsvermögenstransfer der steuerliche Zugriff auf die stillen Reserven ohnehin nicht verloren, wenn abkommensrechtlich ausländische Betriebsstättengewinne freigestellt würden. Nach Art. 13 Abs. 2 OECD-MA könnten zwar Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Betriebsstättenvermögens im Betriebsstättenstaat versteuert werden, bei Geltung der Freistellungsmethode (Art. 23A OECD-MA) gehe der inländische Besteuerungszugriff auf diese Veräußerungsgewinne aber nur in jenem Umfang verloren, in dem das Vermögen der Betriebsstätte auch tatsächlich zuzuordnen sei und in dem die realisierten Gewinne auch durch jene Betriebsstätte erwirtschaftet würden. Daher sei abkommensrechtlich eine Aufteilung künftiger Veräußerungsgewinne zwischen Stammhaus und Betriebsstätte nach Verursachungsbeiträgen geboten.1 Ausgehend davon ist den Entstrickungsregeln des Ertragsteuerrechts zu einem großen Teil die Grundlage entzogen.2 Daran ändert auch § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG nichts, der lediglich ein Regelbeispiel aufzählt, ohne konstitutiv festzuschreiben, dass sämtliche in § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG geregelten Fälle stets zu einem Ausschluss oder zu einer Beschränkung deutschen Besteuerungsrechts führen.3 Das bedeutet, dass auch bei einem Zuordnungswechsel von Wirtschaftsgütern zu einer ausländischen Betriebsstätte stets die Grundvoraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG gegeben sein müssen.4 Gleichwohl wird im Folgenden von der Teleologie ausgegangen, die durch § 4 Abs. 3 Satz 4 EStG zum Ausdruck kommt. 2. Reichweite der Steuerentstrickung 6.383
Da allgemein als Steuerentstrickung vor allem solche Vorgänge bezeichnet werden, auf Grund deren die in Wirtschaftsgütern gebildeten stillen Reserven der Besteuerung ganz oder teilweise entzogen werden, ohne dass eine die Gewinnrealisierung auslösende Außentransaktion gegeben ist, werden gleichermaßen Betriebs- und Privatvermögen, Steuersubjekte und Steuerobjekte sowie Vorgänge im Inland und Ausland sowie schließlich auch grenzüberschreitende Vorgänge betroffen. Darüber hinaus wird von der Reichweite der Steuerentstrickung auch der bloße subjekt- und objektbezogene Statuswechsel etwa durch Abschluss 1 Die Begründung zur Aufgabe der finalen Betriebsaufgabe ist weitgehend gleichlautend. 2 Vgl. hierzu die (damalige) Diskussion zu dem Urteil des BFH v. 17.7.2008 mit z.T. abweichenden Meinungen z.B. Schneider/Oepen, FR 2009, 22 ff.; Hoffmann, DB 2008, 2286 ff.; Ditz, IStR 2009, 115 ff. Mitschke, FR 2009, 326 ff.; Blöchle, IStR 2009, 645 ff.; Göbel/Ungemach/Jacobs, DStZ 2009, 531 ff.; Kahle/Franke, IStR 2009, 406 ff.; Körner, IStR 2009, 741 ff.; Prinz, IStR 2009, 807 ff.; Schönfeld, IStR 2010, 133 ff.; Mitschke, IStR 2010, 95 ff. 3 Schnitger, Die Entstrickung im Steuerrecht; IFSt-Schrift Nr. 487 (2013), 25; Gosch IWB 2012, 779 (785 f.); Lendewig/Jaschke, StuB 2011, 90 (94); Kessler/Philipps, DStR 2012, 267 (270); Schaumburg, ISR 2013, 197 (200); a.A. Musil in H/H/R, 4 EStG Rz. 240; Reiß in Kirchhof15, § 16 EStG Rz. 207; Frotscher in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 375; Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 229 ff. 4 Das ist z.B. bei inländischen Grundstücken, die auf eine ausländische Betriebsstätte überführt werden, nicht der Fall (Art. 6 Abs. 2, 4 i.V.m. Art. 23A Abs. 1 OECD-MA).
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E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht
oder Änderung von DBA erfasst. Schließlich ist die Steuerentstrickung kein Spezifikum des Einkommen- oder Körperschaftsteuerrechts und des Umwandlungssteuerrechts, sondern auch von Bedeutung im Rahmen der Gewerbesteuer und der Erbschaftsteuer. Dort fehlen aber diesbezügliche Regelungen. Im Hinblick darauf müssten entsprechende normative Entstrickungsregelungen sachlogisch sämtliche Wirtschaftsgüter mit stillen Reserven erfassen, und zwar für jede Steuerart gesondert und unabhängig voneinander. Ein derartiges Entstrickungsprinzip1 müsste, um sich ggü. dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG legitimieren zu können, konsequent umgesetzt sein und als sachgerechte Wertentscheidung folgerichtig durchgehalten werden.2 Die dem Einkommensteuergesetz zugrunde liegende Entstrickungskonzeption erfasst indessen nur die subjekt- und objektbezogene Steuerentstrickung im Betriebsvermögensbereich (§ 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG) sowie die wegzugsbedingte Steuerentstrickung im Zusammenhang mit im Privatvermögen gehaltenen Anteilen i.S. von § 17 EStG (§ 6 AStG). Vergleichbare Vorgänge im Privatvermögensbereich im Übrigen lösen demgegenüber keine entsprechenden Steuerfolgen aus. Das gilt insbesondere in den Fällen, in denen natürliche Personen wegzugsbedingt aus der unbeschränkten Steuerpflicht ausscheiden und hierdurch der Steuerzugriff für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an inoder ausländischen Kapitalgesellschaften (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG) mangels beschränkter Steuerpflicht oder abkommensrechtlich dem deutschen Steuerzugriff entzogen werden. Nicht erfasst werden auch Vorgänge, auf Grund deren der Gewerbesteuerzugriff entfällt, so etwa beim Strukturwandel, wenn etwa ein Gewerbebetrieb zu einem landwirtschaftlichen oder freiberuflichen Betrieb wird.3 Schließlich ist für gewerbesteuerliche Zwecke eine Steuerentstrickung auch dann nicht vorgesehen, wenn ein Betrieb im Inland von einer Hochsteuerin eine Niedrigsteuergemeinde verlegt wird. Entsprechendes gilt für den Wegzug von einem Niedrig- in ein Hochsteuerland, wenn hierdurch eine Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 bis 14 AStG.) entfällt. An eine Steuerentstrickung anknüpfende Steuerfolgen werden schließlich auch nicht dadurch ausgelöst, dass wegzugsbedingt ausländisches Vermögen und bei Anwendung von DBA auch Inlandsvermögen aus dem deutschen Erbschaftsteuerzugriff ausscheiden. Da im Wesentlichen nur die Steuerentstrickung im Betriebsvermögensbereich normativ verankert ist, ist der Steuerentstrickung mithin eine umfassende Gesamtkonzeption versagt geblieben. Damit gibt es eine in sich geschlossene Entstrickungskonzeption nur für den Betriebsvermögensbereich für Zwecke der Einkommenund Körperschaftsteuer, wobei es allerdings wegen der unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen zu erheblichen Verwerfungen kommt. So ist die Entnahme von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens, etwa Waren, mit dem Teilwert anzusetzen (§§ 4 Abs. 1 Satz 2, 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Halbs. 1 EStG), während für einen 1 Hierzu Hennrichs in Tipke/Lang22, § 9 Rz. 450 ff. 2 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 327 ff. 3 Die Rechtsprechung lehnt hier eine Betriebsaufgabe (Totalentnahme) ab; so BFH v. 7.10. 1974 – GrS 1/73, BStBl. II 1975, 168; v. 9.12.1986 – VIII R 26/80, BStBl. II 1987, 342; v. 12.3.1992 – IV R 29/91, BStBl. II 1993, 36; hierzu Reiß in Kirchhof15, § 16 EStG Rz. 205; vgl. auch BMF v. 11.11.2011, 1314, Tz. 3.18, wonach der Ausschluss bzw. die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts sich ausschließlich auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer bezieht.
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Kap. 6 Einkommensteuer
vergleichbaren grenzüberschreitenden Betriebsvermögenstransfer der gemeine Wert maßgeblich ist (§§ 4 Abs. 1 Satz 3, 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 Halbs. 2 EStG) mit der Folge, dass nur im zweiten Fall (fiktive Entnahme) ein etwaiger Produktions- und Liefergewinn der Besteuerung zuzuführen ist. 3. Steuerentstrickung im Betriebsvermögen a) Grundsätze 6.385
Die Steuerentstrickung im Betriebsvermögensbereich ist eine Ausnahme von dem dem Bilanzsteuerrecht konzeptionell zugrunde liegenden Realisationsprinzip. Nach diesem Realisationsprinzip dürfen nur realisierte Gewinne ausgewiesen werden, so dass bloße Wertsteigerungen der Vermögensgegenstände nicht erfasst werden.1 Das Realisationsprinzip, das zu den materiellen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung bei der Bilanzierung gehört, ist in § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG2 verankert, wonach der für die Ermittlung des Gewinns maßgebliche Betriebsvermögensvergleich von den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung abhängig gemacht wird. Damit wird für das Bilanzsteuerrecht das handelsrechtliche System ordnungsmäßiger Buchführung und damit zugleich auch das Realisationsprinzip rezipiert. Dieses Realisationsprinzip, das eine Konkretisierung des Vorsichtsprinzips3 ist, bedeutet, dass eine Gewinnrealisierung nicht schon bei bloßer Wertsteigerung, sondern erst dann eintritt, wenn eine Außentransaktion erfolgt, wenn etwa der Unternehmer eine Lieferung oder sonstige Leistung gegenüber Dritten erbringt. Dieses Realisationsprinzip ist aber nicht mehr als ein Grundsatz mit wichtigen steuerspezifischen Ausnahmen. Hierzu gehört insbesondere § 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG, wonach auch ohne Transaktion eine steuerliche Abrechnung der stillen Reserven zu dem Zeitpunkt ermöglicht wird, zu dem die Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung entfällt oder beschränkt wird.
6.386
Von der in § 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG verankerten Entstrickungsregelung werden der Ausschluss und die Beschränkung des Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder Nutzung eines Wirtschaftsgutes erfasst. Angesprochen ist damit vor allem der grenzüberschreitende Betriebsvermögenstransfer etwa vom inländischen Stammhaus auf eine ausländische Betriebsstätte, deren Gewinne abkommensrechtlich freigestellt sind oder eine Anrechnung ausländischer Steuern auslösen. Da nicht auf die Veräußerung, sondern bereits auf die vorgelagerte Überführung abgestellt wird, knüpft § 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG die Rechtsfolge im Ergebnis an die abstrakte Gefährdung4 des deutschen Besteuerungsrechts an.5 Im Rahmen der (aktiven) Entstrickung wird neben einem grenzüberschreitenden auch ein ausländischer Betriebsvermögenstransfer 1 2 3 4
Vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 1 letzter Halbs. HGB. Über § 8 Abs. 1 KStG gilt diese Vorschrift auch für Kapitalgesellschaften. Ableitung aus § 252 Abs. 1 und 4 HGB. Musil in H/H/R, § 4 EStG Rz. 228; Heinicke in Schmidt35, § 4 EStG Rz. 329; Wassermeyer, DB 2006, 1176 (1176). 5 Eine derartige Gefährdung ist indessen nach der Rspr. des BFH bei einer ausländischen Freistellungsbetriebsstätte nicht gegeben, da im Veräußerungsfall die im Inland gebildeten stillen Reserven auch abkommensrechtlich für Zwecke der deutschen Besteuerung erhalten bleiben; BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464.
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erfasst, wenn etwa ein Wirtschaftsgut von einer sog. Anrechnungs- auf eine Freistellungsbetriebsstätte überführt wird.1 Schließlich können die Entstrickungsfolgen auch ausgelöst werden, wenn etwa ein Gewerbetreibender, der in einem ausländischen Staat, mit dem Deutschland kein DBA abgeschlossen hat, wegzugsbedingt aus der unbeschränkten Steuerpflicht ausscheidet.2 Entsprechendes gilt bei einem Wegzug eines an einer ausländischen Personengesellschaft beteiligten Mitunternehmers. Anknüpfungspunkt für die in § 4 Abs. 1 Sätze 3 u. 4 EStG geregelte Entstrickungsbesteuerung sind stets Wirtschaftsgüter, soweit die Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung derselben ausgeschlossen oder beschränkt wird. Worauf der Ausschluss oder die Beschränkung beruht, spielt nach dem Wortlaut von § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG keine Rolle. Damit werden auch Fälle der passiven Entstrickung erfasst.3 Angesprochen ist damit vor allem der Ausschluss oder die Beschränkung deutschen Besteuerungsrechts durch Abschluss oder Änderung eines DBA.4 Eine wirtschaftsgutbezogene Entstrickungsbesteuerung setzt ferner dann ein, wenn z.B. der gesamte Betrieb oder Teilbetrieb in das Ausland verlegt wird oder der Unternehmer unter „Mitnahme“ seines Betriebs oder Teilbetriebs dorthin verzieht (§ 16 Abs. 3a EStG). Ein Rechtsträgerwechsel oder eine Außentransaktion liegt dagegen außerhalb der Reichweite der Steuerentstrickung.5 Die Steuerentstrickung erfolgt als fiktive Entnahme (§ 4 Abs. 1 Sätze 3 u. 4 EStG) zum gemeinen Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG). Hierdurch wird im Ergebnis sichergestellt, dass im Unterschied zur „normalen“ Entnahme, die mit dem Teilwert anzusetzen ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 1 EStG), auch die in Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens enthaltenen stillen Reserven erfasst werden.6 Im Falle der fiktiven Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3a EStG) ermittelt sich der Aufgabegewinn auf der Grundlage des gemeinen Werts aller Wirtschaftsgüter (§ 16 Abs. 3 Satz 7 i.V.m. § 16 Abs. 2 EStG), wobei im Gegensatz zur „echten“ Betriebsaufgabe im Hinblick auf die Weiterführung des Betriebes oder Teilbetriebs auch der Geschäftswert einzubeziehen ist.7 Die vorgenannten Grundsätze gelten auch bei einer Realteilung,8 soweit Wirtschaftsgüter danach einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind (§ 16 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG). Die in § 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG (§ 12 Abs. 1 KStG) verankerte Entstrickungsregelung9 erfasst nicht nur die Überführung von Wirtschaftsgütern in eine aus1 Musil in H/H/R, § 4 EStG Rz. 230; Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 486c. 2 Vgl. zu den Fallkonstellationen der subjektbezogenen Steuerentstrickung Rz. 6.376. 3 Musil in H/H/R, § 4 EStG Rz. 230; Heinicke in Schmidt35, § 4 EStG Rz. 331; Herbort/ Sendke, IStR 2014, 449; Hosp/Langer, IWB 2013, 15; davon ausgehend auch Ziff. 4 Protokoll DBA-Liechtenstein (BGBl. II 2012, 1462), a.A. Bron, IStR 2014, 918. 4 Vgl. hierzu die Sonderregelung in Ziff. 4 des Protokolls zum DBA-Liechtenstein (BStBl. I 2013, 503), die von der Anwendung des § 4 Abs. 1 Sätze 3. u. 4 EStG ausgeht und hierfür eine dem § 4g EStG vergleichbare Steuerstreckung enthält. 5 Musil in H/H/R, § 4 EStG Rz. 216; Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1525 (1527). 6 Kulosa in Schmidt35, § 6 EStG Rz. 504. 7 Vgl. BFH v. 27.3.2001 – I R 42/00, BStBl. II 2001, 771 v. 16.6.2004 – X R 34/03, BStBl. II 2005, 378; Kulosa in H/H/R, § 16 EStG Rz. 583. 8 Zum Begriff Wacker in Schmidt35, § 16 EStG Rz. 535. 9 Diese geht dem § 1 Abs. 4 und 5 AStG insoweit vor; vgl. Schnitger, IStR 2012, 633 ff. (638); Hemmelrath/Kepper, IStR 2013, 37 ff. (41); Schaumburg, ISR 2013, 197 ff. (198 f.); vgl. auch Rz. 21.67.
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Kap. 6 Einkommensteuer
ländische Betriebsstätte als Hauptanwendungsfall, sondern auch eine entsprechende Nutzungsüberlassung. Angesprochen sind damit insbesondere diejenigen Fälle, in denen etwa das inländische Stammhaus der ausländischen Betriebsstätte materielle und immaterielle Wirtschaftsgüter zur Nutzung überlässt, ohne dass dadurch eine Zuordnung dieser Wirtschaftsgüter zum ausländischen Betriebsstättenvermögen und damit ein grenzüberschreitender Betriebsvermögenstransfer erfolgt. Soweit hierfür der gemeine Wert anzusetzen ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 1 EStG), bezieht sich dieser auf den Nutzungswert und nicht etwa auf das betreffende Wirtschaftsgut selbst.1 Ob ein Wirtschaftsgut auf eine ausländische Betriebsstätte überführt oder dieser lediglich zur Nutzung überlassen worden ist, entscheidet sich nach Veranlassungsgesichtspunkten, wobei allgemein davon ausgegangen wird, dass ein Wirtschaftsgut entweder nur dem Stammhaus oder nur der Betriebsstätte zuzuordnen ist.2 In Orientierung an diesen Grundsatz ist eine Überführung auf eine ausländische Betriebsstätte dann gegeben, wenn das betreffende Wirtschaftsgut ausschließlich und auf Dauer von der ausländischen Betriebsstätte genutzt wird.3 Wird dagegen das Wirtschaftsgut der ausländischen Betriebsstätte nur vorübergehend oder nicht ausschließlich zur Nutzung überlassen, ist eine überführungsbedingte Entstrickung ausgeschlossen, sodass die stillen Reserven des betreffenden Wirtschaftsgutes selbst nicht realisiert werden. Allein möglich ist daher nur eine nutzungsbedingte Entstrickung, für die als gemeiner Wert (Nutzungswert) der kapitalisierte Barwert der zukünftigen Nutzungsvergütungen anzusetzen ist.4 Die vorgenannte nutzungsbedingte Entstrickungsregelung wird nicht durch § 1 Abs. 5 AStG5 verdrängt, weil die dort verankerte Einkünftekorrektur wegen des in Bezug genommenen § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG6 lediglich subsidiär zur Anwendung kommt.7 6.388
Die mit der Steuerentstrickung verbundene Gewinnrealisierung ist konzeptionell auf eine Sofortbesteuerung gerichtet, für die allerdings in bestimmten Fallkonstellationen eine Steuerstreckung vorgesehen ist. Die hierfür maßgeblichen Regelungen (§§ 4g, 36 Abs. 5 EStG) haben nur einen eingeschränkten Anwendungsbereich. So kann zwar gem. § 4g Abs. 1 EStG für die fingierte Entnahme (§ 4 Abs. 1 Sätze 3 u. 4 EStG) auf Antrag in Höhe des Entstrickungsgewinns zwecks Vermeidung einer sofortigen Gewinnerhöhung ein über fünf Jahre gewinn-
1 Bode in Kirchhof15, § 4 EStG Rz. 108; Musil in H/H/R, § 4 EStG Rz. 232; Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481 ff. (1485); anders Werra/Teiche, DB 2006, 1456 ff. (1457 f.); Förster, DB 2007, 72 ff. (75 f.). 2 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.4; v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004, BStBl. I 2009, 888; für eine anteilige Zuordnung dagegen z.B. Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.44. 3 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 278; Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 327; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 294; Ditz/ Tcherveniachki, Ubg 2012, 101 ff. (102). 4 Vgl. Brüninghaus in V/B/E, Hdb. der Verrechnungspreise4, L Rz. 121; Frotscher in Frotscher/Drüen, § 12 KStG Rz. 52; Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 370: Summe der erzielbaren Vergütungen. 5 I.d.F. des AmtshilfeRLUmsG. 6 „Unbeschadet anderer Vorschriften“; vgl. Rz. 21.137. 7 Schnitger, IStR 2012, 633 ff. (638); Kahle, DStZ 2012, 691 ff. (698); Hemmelrath/Kepper, IStR 2013, 37 ff. (41); Schaumburg, ISR 2013, 197 ff. (198 f.); vgl. auch Rz. 21.67.
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erhöhend aufzulösender Ausgleichsposten gebildet werden,1 dass gilt aber nur für Entstrickungsgewinne, die auf Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens entfallen. Entstrickungsgewinne, die etwa durch den grenzüberschreitenden Transfer von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens und in den Fällen der Nutzungsüberlassung entstanden sind, bleiben im Rahmen des § 4g EStG unberücksichtigt.2 Erfasst werden ferner nicht Fälle der subjektbezogenen Steuerentstrickung (Rz. 6.376), in denen es zu keinem Zuordnungswechsel von Wirtschaftsgütern zu einer anderen (ausländischen) Betriebsstätte kommt.3 Schließlich kann die Bildung eines Ausgleichspostens nur von unbeschränkt steuerpflichtigen Personen in Anspruch genommen werden, und zwar nur insoweit, als die Zuordnung der entstrickten Wirtschaftsgüter zu einer anderen Betriebsstätte in einen anderen EU-Staat erfolgt.4 Beschränkt Steuerpflichtige und EWR-Betriebsstätten sind daher aus dem Begünstigungsrahmen ausgeschlossen.5 Für die fingierte Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3a EStG) kann gem. § 36 Abs. 5 EStG auf Antrag die auf den Aufgabegewinn und den Gewinn aufgrund des Wechsels der Gewinnermittlungsart6 festgesetzte Steuer in fünf gleichen Jahresraten zinslos entrichtet werden. Voraussetzung hierfür ist, dass die betreffenden Wirtschaftsgüter einem Betriebsvermögen des Steuerpflichtigen in einem anderen EU-/EWR-Staat zuzuordnen sind. Im Unterschied zu § 4g Abs. 1 EStG sind damit generell auch Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens sowie der Betriebsvermögenstransfer in einen EWRStaat begünstigt.7 Schließlich verlangt § 36 Abs. 5 EStG alsVoraussetzung für die Steuerstreckung, dass der andere Staat Amtshilfe entsprechend der EU-AHiRL8 gem. § 2 Abs. 2 EUAHiG und gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung im Sinne der EU-BeitrRL9 leistet. §§ 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4, 16 Abs. 3a EStG verstoßen nicht gegen die unionsrechtlich verbürgten Grundfreiheiten, insbesondere nicht gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV),10 obwohl vergleichbare Vorgänge im Inland keine Besteuerung auslösen. Die deutsche Entstrickungsbesteuerung ist nämlich im Hinblick auf die unionsrechtlich den Mitgliedstaaten zugestandene Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse11 gerechtfertigt und angesichts der in §§ 4g Abs. 2, 36 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
Vgl. zu Einzelheiten Kolbe in H/H/R, § 4g EStG Rz. 15 ff. Hierzu Kolbe in H/H/R, § 4g EStG Rz. 17. Hierzu Kolbe in H/H/R, § 4g EStG Rz. 17. Kolbe in H/H/R, § 4g EStG Rz. 19. Schnitger, Die Entstrickung im Steuerrecht; IFSt-Schrift Nr. 487 (2013), 36. Vgl. zur Berechnung Lammers in H/H/R, § 36 EStG Rz. 68. Für diese Unterschiede sind keine sachlogischen Gründe erkennbar; zur Notwendigkeit der Synchronisierung der Entstrickungstatbestände Oellerich in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.98. Zur AmtshilfeRL im Einzelnen Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 20.15 ff.; ferner Rz. 22.80. Zur BeitrRL im Einzelnen Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 20.39 ff.; ferner Rz. 22.81. So im Ergebnis EuGH v. 23.1.2014 – Rs. C-164/12 – DMC, ECLI:EU:C:2014:20 = ISR 2014, 136 m. Anm. Müller = BFH/NV 2014, 478; v. 21.5.2015 – Rs. C-657/13 – Verder Lab Tec, ECLI:EU:C:2015:331 = ISR 2015, 259 m. Anm. Müller = FR 2015, 600. Zu diesem Rechtfertigungsgrund erstmals EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, Slg. 2005, I-10837 Rz. 45; vgl. zu Einzelheiten Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 7.22 ff.
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Kap. 6 Einkommensteuer
Abs. 5 EStG geregelten fünfjährigen Steuerstreckung auch verhältnismäßig.1 Indessen gilt diese den Fiskalinteressen der EU-Staaten sehr entgegenkommende Rechtsprechung des EuGH nicht ohne weiteres für eine subjektbezogene Steuerentstrickung in den Fällen, in denen z.B. dem Betriebsvermögen zuzuordnende Anteile an Kapitalgesellschaften durch Wegzug des Steuerpflichtigen aus dem deutschen Steuerzugriff ausscheiden oder zu einer Beschränkung des Besteuerungsrechts führen.2 Insoweit gebietet Art. 3 Abs. 1 GG eine Gleichbehandlung mit den in § 6 AStG (Rz. 6.406 ff.) geregelten Fällen der Wegzugsbesteuerung.3 Im Übrigen ist die konkrete Ausgestaltung des § 4g EStG mit der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) insoweit nicht vereinbar, als in persönlicher Hinsicht beschränkt Steuerpflichtige und in sachlicher Hinsicht Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens4 und EWR-Betriebsstättenvermögen aus dem Begünstigungsrahmen ausgeschlossen sind.5 6.390
Die gem. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG mit dem gemeinen Wert anzusetzende entstrickungsbedingte Entnahme (§ 4 Abs. 1 Sätze 3 u. 4 EStG) gilt ausnahmsweise nicht, wenn eine SE oder SCE ihren Sitz verlegen und hierdurch die Gewinne aus der Veräußerung der Anteile an der SE/SCE wegzugsbedingt nicht mehr oder nur noch beschränkt besteuert werden können (§ 4 Abs. 1 Satz 5 EStG). Betroffen ist hier insbesondere der Wegzug in EU-Staaten, denen zuzugsbedingt abkommensrechtlich ein Besteuerungsrecht für Gewinne aus der Veräußerung der Anteile mit der Folge der Anrechnung in Deutschland zufällt.6 Diese Ausnahme von der Entnahmefiktion, die auf Art. 10d Abs. 1 FRL beruht, führt dazu, dass die Anteile weiterhin steuerverstrickt bleiben. Werden die Anteile an der weggezogenen SE/SCE später veräußert, so ist ein etwaiger Veräußerungsgewinn gem. § 15 Abs. 1a EStG ungeachtet abkommensrechtlicher Schranken zu versteuern7 und zwar auch hinsichtlich der erst nach dem Wegzug gebildeten stillen Reserven.8
1 EuGH v. 23.1.2014 – Rs. C-164/12 – DMC, ECLI:EU:C:2014:20 = ISR 2014, 96 m. Anm. Zwirner = BFH/NV 2014, 478; v. 21.5.2015 – Rs. C-657/13 – Verder Lab Tec, ECLI:EU:C:2015:331 = ISR 2015, 259 m. Anm. Müller = FR 2015, 600; anders noch EuGH v. 29.11.2011 – Rs. C-371/10 – National Grid Indus, ECLI:EU:C:2011:785 = Slg. 2011, I-12273, Tz. 68; v. 6.9.2012 – Rs. C-38/10 – Kommission/Portugal, ECLI:EU:C:2012:521 = ISR 2012, 60 m. Anm. Müller = IStR 2012, 763; v. 25.4.2013 – Rs. C-64/11 – Kommission/Spanien, ECLI:EU:C:2013:264 = ISR 2013, 225 m. Anm. Müller; der von einer Stundung bis zur tatsächlichen Realisation und EuGH v. 18.7.2013 – Rs. C-261/11 – Kommission/Dänemark, ECLI:EU:C:2013:480 = ISR 2013, 311 m. Anm. Müller, der eine Ausnahme von der Gewinnrealisation nur bei der Verbringung von Einzelwirtschaftsgütern für geboten hält. 2 Insoweit gilt EuGH v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 – Lasteryie du Saillant, Slg. 2004, I-2409, aufgrund dessen kein Grund besteht, zwischen Kapitalanteilen im Privat- und Betriebsvermögen zu differenzieren. 3 Vgl. Oellerich in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.98. 4 Bei geringer Umschlagshäufigkeit (z.B. „Ladenhüter“). 5 Crezelius in Kirchhof15, § 4g EStG Rz. 9; Kolbe in H/H/R, § 4g EStG Rz. 6, Oellerich in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.92. 6 Vgl. Art. 13 Abs. 3, 23 Abs. 1 Buchst. b DBA-Tschechien. 7 Dieses treaty overriding (Rz. 3.24 f.) entspricht den Vorgaben von Art. 10 Abs. 2 FRL. 8 Kritisch hierzu Stapperfend in H/H/R, § 15 EStG Rz. 972; Bode in Kirchhof15, § 4 EStG Rz. 109; Förster, DB 2007, 72 (75 f.); Frotscher, IStR 2006, 65 (68).
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b) Ausnahme (§ 50i Abs. 1 EStG) Literatur Kommentare zu § 50i EStG; Bilitewski/Schifferdecker, Aktuelle Entwicklungen im Bereich der Wegzugsbesteurung natürlicher Personen in Drittstaaten, Ubg 2013, 559; Bodden, Familienpersonengesellschaften im Spannungsfeld zwischen § 50i EStG und § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG – Steuergefahren beim Wegzug von Gesellschaftern, KÖSDI 2015, 19249; Häck, Wegzugsbesteuerung bei Vererbung und Schenkung von Kapitalgesellschaftsanteilen im steuerlichen Privat- und Betriebsvermögen, IStR 2015, 267; Liekenbrock, „Steuerfreie“ Entstrickung oder § 50i EStG? – Besteuerung von Personengesellschaften mit ausländischen Gesellschaftern nach dem AmtshilfeRLUmsG, IStR 13, 690; Lüdicke, Gedanken zu § 50i EStG, FR 2015, 128; Pohl, Die „vermögensverwaltende“ Personengesellschaft im Abkommensrecht – Rechtsänderungen durch den neuen § 50i EStG, IStR 2013, 669; Prinz, Der neue § 50i EStG: grenzüberschreitende „Gepräge-KG“ zur Verhinderung einer Wegzugsbesteuerung – Gestaltungsüberlegungen nach Verabschiedung des AmtshilfeRLUmsG, DB 13, 1378; Salzmann, Weitere Treaty Overrides aufgrund des AmtshilfeRLUmsG, IWB 2012, 405; Strothenke, Entstrickung von Wirtschaftsgütern und Wiederverstrickung durch § 50i Abs. 1 EStG, StuB 2016, 187.
§ 50i Abs. 1 EStG1 enthält eine Ausnahme von der im Übrigen gesetzlich vorgeschriebenen Entstrickung von Wirtschaftsgütern im Betriebsvermögen für den Fall, dass Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens oder Anteile an Kapitalgesellschaften i.S.d. § 17 EStG vor dem 29.6.2013 (Stichtag) in das Betriebsvermögen einer gewerblich geprägten oder in den vermögensverwaltenden Bereich einer gewerblich infizierten Personengesellschaft i.S.d. § 15 Abs. 3 EStG übertragen oder überführt worden sind (§ 50i Abs. 1 Satz 1 EStG). Der Übertragung oder Überführung von Anteilen i.S.d. § 17 EStG werden bestimmte Fälle des § 20 UmwStG gleichgestellt (§ 50i Abs. 1 Satz 2 EStG). Das bedeutet z.B., dass bei einer Beteiligung an einer gewerblich geprägten Personengesellschaft (GmbH & Co. KG) eine Entstrickung beim Wegzug eines Mitunternehmers unterbleibt. Stattdessen wird die spätere (nach dem Wegzug eintretende) tatsächliche Gewinnrealisierung (Veräußerung, Entnahme) ungeachtet abkommensrechtlicher Schrankenwirkungen (treaty overriding, Rz. 3.24 f.) der deutschen Besteuerung unterworfen. Diese Sonderregelung beruht darauf, dass die Finanzverwaltung2 in der Vergangenheit eine wegzugsbedingte Entstrickung in der Annahme verneint hat, dass in den vorgenannten Fällen auch nach dem Wegzug das deutsche Besteuerungsrecht an den stillen Reserven und den laufenden Gewinnen uneingeschränkt erhalten bleibe.3 Es handelte sich damit insbesondere um Fälle, in denen der Steuerpflichtige vor dem Wegzug Kapitalanteile i.S.d. § 17 EStG in eine gewerblich geprägte Personengesellschaft (GmbH & Co. KG) im Wege etwa einer verdeckten Sacheinlage steuerneutral eingebracht hatte. Die Finanzverwaltung ging dabei davon aus, dass auch nach dem Wegzug Deutschland das uneingeschränkte Besteuerungsrecht sowohl hinsichtlich der als Unternehmensgewinne (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA) zu qualifizierenden laufenden Einkünfte als auch hinsichtlich der Veräußerungs1 § 50i Abs. 2 EStG betrifft im Wesentlichen (internationales) Umwandlungssteuerrecht und wird daher unter Rz. 20.8 erörtert. 2 BMF v. 11.7.2011 – IV C 6 - S 2178/09/10001 – DOK 2011/0524044, BStBl. I 2011, 713, Abschn. 2b. 3 BMF v. 16.4.2010, BStBl. I 2010, 354, Tz. 3.1, nunmehr anders BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.3.
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6.391
Kap. 6 Einkommensteuer
gewinne (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA) habe.1 Diese seit jeher bestrittene Auffassung der Finanzverwaltung (vgl. im Einzelnen Rz. 19.234 ff.) stand im Widerspruch zur Rechtsprechung des BFH.2 Hiernach schlägt die maßgebliche Gewerblichkeitsfiktion des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG nicht auf das Abkommensrecht durch mit der Folge, dass unabhängig davon Einkünfte aus vermögensverwaltenden Tätigkeiten gewerblich geprägter Personengesellschaften keine Unternehmensgewinne (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA), sondern z.B. Einkünfte aus Dividenden (Art. 10 OECD-MA) oder Zinsen (Art. 11 OECD-MA) sind, für die Deutschland kein uneingeschränktes Besteuerungsrecht hat. Mit § 50i Abs. 1 EStG wird dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung entsprochen und zugleich für alle vor dem 29.06.20133 bewirkten Übertragungs- und Überführungsvorgängen normativer Vertrauensschutz gewährt. Zugleich werden aber die stillen Reserven und die entsprechenden laufenden Einkünfte für Zwecke der deutschen Besteuerung durch ein treaty overriding (Rz. 3.24 f.) „gerettet“. Zu einigen Einzelheiten: 6.392
Von § 50i Abs. 1 EStG werden natürliche Personen und Körperschaften gleichermaßen erfasst,4 allerdings nur insoweit, als sie in einem anderen Vertragsstaat ansässig sind.5 Zu welchem Zeitpunkt vor dem 1.1.20176 die Ansässigkeit in dem anderen Vertragsstaat begründet worden ist, spielt für die Anwendung des § 50i Abs. 1 EStG keine Rolle, so dass unter dem insoweit zu Gunsten des Steuerpflichtigen ausgehenden Vertrauensschutz alle Wegzugsfälle vor diesem Zeitpunkt erfasst werden.7 Hieraus folgt, dass § 50i Abs. 1 EStG bis zum 31.12.2016 als lex specialis eine Sperrwirkung gegenüber den allgemeinen Entstrickungsnormen (§§ 4 Abs. 1 Sätze 3 u. 4, 16 Abs. 3a EStG, § 12 KStG) entfaltet.8 Erforderlich ist allerdings, dass zum Zeitpunkt der Veräußerung oder der Entnahme der Wirtschaftsgüter bzw. Kapitalanteile die abkommensrechtliche Ansässigkeit des Steuerpflichtigen (Art. 4 OECD-MA) gegeben ist.9 In Betracht hierfür kommt nur ein Zeitpunkt nach dem 29. Juni 2013 (§ 52 Abs. 48 Satz 1 EStG).
6.393
Von der Reichweite des § 50i Abs. 1 Satz 1 EStG werden nur steuerneutrale Übertragungs- und Überführungsvorgänge in Personengesellschaften i.S.d. § 15 Abs. 3 EStG erfasst. Angesprochen sind damit gewerblich infizierte und gewerblich ge-
1 BMF v. 16.4.2010, BStBl. I 2010, 354, Rz. 3.1, nunmehr anders BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.3. 2 BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BStBl. II 2014, 754; v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156; v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760; v. 24.8.2011 – I R 46/10, BStBl. II 2014, 764. 3 Veröffentlichung des AmtshilfeRLUmsG im BGBl. I 2013, 1809. 4 Gosch in Kirchhof15, § 50i EStG Rz. 3; Liekenbrock in F/W/B/S, § 50i EStG Rz. 56. 5 Zur Ansässigkeit vgl. Rz. 19.170 ff. 6 Diese zeitliche Limitierung ergibt sich aus § 50i Abs. 1 EStG i.d.F. des AHRL-ÄndUmsG. 7 Liekenbrock in F/W/B/S, § 50i EStG Rz. 56, 58; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/ 10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.3.3.1. 8 Gosch in Kirchhof15, § 50i EStG Rz. 11; Rehfeld in H/H/R, § 50i EStG Rz. 6; Liekenbrock in F/W/B/S, § 50i EStG Rz. 49; Hinweis: § 6 AStG (Rz. 6.406 ff.) kommt ebenfalls nicht zur Anwendung, weil die dort verankerte Wegzugsbesteuerung nur Anteile im Privatvermögen (§ 17 EStG) betrifft. 9 Liekenbrock in F/W/B/S, § 50i EStG Rz. 58; Pohl in Blümich, § 50i EStG, Rz. 26; Bodden in Korn, § 50i EStG Rz. 18.
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E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht
prägte Personengesellschaften (§ 15 Abs. 3 Nr. 1, 2 EStG).1 Nicht erfasst werden daher originär gewerblich tätige Personengesellschaften (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG) und sog. Zebragesellschaften,2 für die der in § 50i Abs. 1 Satz 1 EStG in Bezug genommene § 15 Abs. 3 EStG keine Anwendung findet.3 Gegenstand der Übertragung und Überführung sind neben Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens vor allem Kapitalanteile i.S.d. § 17 EStG (§ 50i Abs. 1 Satz 1 EStG). Hierzu gehören nicht einbringungsgeborene Anteile i.S.d. § 21 UmwStG a.F. und sperrfristverhaftete Anteile i.S.v. § 22 UmwStG.4 Soweit die Anwendung des § 50i Abs. 1 Satz 1 EStG davon abhängt, dass die Überführungs- und Übertragungsvorgänge vor dem 29. Juni 2013 steuerneutral erfolgt sind, werden in Orientierung an den Sinn und Zweck dieser Vorschrift auch Fälle erfasst, in denen nur Zwischenwerte der Besteuerung zu Grunde gelegt worden sind.5
6.394
Die Rechtsfolgen des § 50i Abs. 1 Satz 1 EStG knüpfen an die Veräußerung der Entnahme der Wirtschaftsgüter oder der Kapitalanteile i.S.d. § 17 EStG nach dem 29. Juni 2013 (§ 52 Abs. 48 Satz 1 EStG) an. Dabei geht es darum, einerseits eine Entstrickung auf Grund allgemeiner Entstrickungsnormen (§§ 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4, 16 Abs. 3a EStG, § 12 Abs. 1 KStG) zu verhindern und andererseits eine Besteuerung des Veräußerungs- oder Entnahmegewinns ungeachtet entgegenstehender Bestimmungen eines DBA (treaty overriding) zu gewährleisten. Da es sich im Ergebnis um eine nachgeholte Entstrickungsbesteuerung handelt, sind ebenso wie bei §§ 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4, 16 Abs. 3a EStG und § 12 Abs. 1 KStG auch Veräußerungs- und Entnahmeverluste zu berücksichtigen.6
6.395
Der Grundtatbestand des § 50i Abs. 1 Satz 1 EStG wird in Satz 2 dahingehend ergänzt, dass bestimmte Einbringungsvorgänge nach § 20 UmwStG als Übertragung bzw. Überführung von Anteilen i.S.d. § 17 EStG fingiert werden. Als Übertragung oder Überführung von Anteilen i.S.d. § 17 EStG in das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft gilt unter bestimmten Voraussetzungen auch die Gewährung neuer Anteile an die einbringende Personengesellschaft im Zuge der Einbringung in eine Kapitalgesellschaft. Voraussetzung ist, dass der Einbringungszeitpunkt vor dem 29.6.2013 liegt und die Personengesellschaft nach der Einbringung als Personengesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 3 EStG fortbesteht.
6.396
1 Zu diesen Mitunternehmerschaften im Einzelnen Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 180 ff., 211 ff. 2 Vermögensverwaltend tätige Personengesellschaften, an denen natürliche Personen und Kapitalgesellschaften beteiligt sind; vgl. Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 201. 3 Vgl. Liekenbrock in F/W/B/S, § 50i EStG Rz. 70; Bäuml in Frotscher/Geurts, § 50i EStG Rz. 57. 4 Gosch in Kirchhof15, § 50i EStG Rz. 6; Liekenbrock in F/W/B/S, § 50i EStG Rz. 74 f. unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BFH (BFH v. 10.11.1992 – VIII R 40/89, BStBl. II 1994, 222; v. 17.10.2001 – I R 111/00, BFH/NV 2002, 628; v. 24.6.2008 – IX R 58/05, BStBl. II 2008, 872), die vom lex specialis-Charakter zu § 17 EStG ausgeht; a.A. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.3.3. 5 BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.3.3.2. 6 Insoweit zählt zum Gewinn „auch ein negativer Gewinn“ (Verluste); Liekenbrock in F/W/B/S, § 50i EStG Rz. 101; Pohl in Blümich, § 50i EStG Rz. 31; Bodden in Korn, § 50i EStG Rz. 36; Bäuml in Frotscher/Geurts, § 50i EStG Rz. 40; Prinz, DB 2013, 1378 (1381); a.A. Gosch in Kirchhof15, § 50i EStG Rz. 10.
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Kap. 6 Einkommensteuer
Gemeint ist damit z.B. der Fall, dass eine originär gewerblich tätige GmbH & Co. KG im Rahmen einer Ausgliederung ihren gesamten Geschäftsbetrieb zu Buchwerten in eine inländische GmbH gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten einbringt (§ 20 Abs. 1 UmwStG) und danach nur noch als gewerblich geprägte Personengesellschaft fortbesteht.1 6.397
Eine Erweiterung des Grundtatbestandes enthält ferner § 50i Abs. 1 Satz 3 EStG, wonach über die stillen Reserven hinaus auch die laufenden Einkünfte ungeachtet der DBA (treaty overriding) der Besteuerung unterworfen werden. Infolge der Verknüpfung mit dem Grundtatbestand in § 50i Abs. 1 Satz 1 EStG unterliegen die laufenden Einkünfte der Besteuerung nur so lange, wie überhaupt steuerneutral transferiertes Betriebsvermögen und Anteile i.S.v. § 17 EStG noch im Betriebsvermögen der gewerblich infizierten oder gewerblich geprägten Personengesellschaft vorhanden sind.2
6.398
§ 50i Abs. 1 Satz 4 EStG erstreckt den Anwendungsbereich schließlich auf Fälle der Betriebsaufspaltung. Hiernach gelten § 50i Abs. 1 Sätze 1 und 3 EStG sinngemäß, wenn Wirtschaftsgüter vor dem 29. Juni 2013 Betriebsvermögen eines Einzelunternehmens oder einer Personengesellschaft geworden sind, „die deswegen Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen, weil der Steuerpflichtige sowohl im überlassenen Betrieb als auch im nutzenden Betrieb allein oder zusammen mit anderen Gesellschaftern einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchsetzen kann und dem nutzenden Betrieb eine wesentliche Betriebsgrundlage zur Nutzung überlässt.“3 Die Erstreckung des § 50i Abs. 1 EStG auf die Betriebsaufspaltung ist vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BFH verständlich, wonach die Tätigkeit des (inländischen) Besitzunternehmens keine Unternehmensgewinne (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA) auslöst und zugleich auch mit der Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern keine Betriebsstätte (Art. 5 OECDMA) vermittelt wird.4 Im Hinblick darauf ist die steuerliche Ausgangslage nicht anders als bei gewerblich infizierten und gewerblich geprägten Personengesellschaften mit der Folge, dass auch hier in Anwendung des § 50i Abs. 1 Satz 1 EStG die maßgeblichen Rechtsfolgen eintreten.5 4. Steuerentstrickung im Privatvermögen
6.399
Für dem Privatvermögen zuzuordnende Wirtschaftsgüter ist eine Steuerentstrickung nur für Anteile i.S.v. § 17 EStG normativ geregelt, und zwar in § 17 Abs. 5 EStG im Falle des Wegzugs der Kapitalgesellschaft, an der die Anteile gehalten werden, und in § 6 AStG bei Wegzug des Anteilseigners. Weitere steuerrelevante 1 Vgl. das Beispiel in Rz. 2.3.3.2 des BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258; zu weiteren Einzelheiten Liekenbrock in F/W/B/S, § 50i EStG Rz. 105 ff.; Bäuml in Frotscher/Geurts, § 50i EStG Rz. 60a ff. 2 Liekenbrock in F/W/B/S, § 50i EStG Rz. 120; Loschelder in Schmidt35, § 50i EStG Rz. 4; Pohl in Blümich, § 50i EStG Rz. 36; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.3.3.5. 3 Das Gesetz enthält insoweit erstmals eine gesetzliche Definition der Betriebsaufspaltung. 4 BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760; vgl. auch Liekenbrock in F/W/B/S, § 50i EStG Rz. 136. 5 Zu Einzelheiten Liekenbrock in F/W/B/S, § 50i EStG Rz. 136 ff.
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E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht
Entstrickungsfälle, etwa für Anteile i.S.v. § 20 Abs. 2 EStG oder für die von § 23 EStG erfassten Vermögenswerten, sind ungeregelt geblieben, ohne dass hierfür eine Begründung ersichtlich ist.1 Die in § 17 Abs. 5 EStG verankerte Entstrickungsregelung knüpft an den (identitätswahrenden) Wegzug von Kapitalgesellschaften an, an denen der Anteilseigner entsprechend beteiligt ist. Es handelt sich insoweit um einen Fall einer (aktiven) objektbezogenen Steuerentstrickung (Rz. 6.377). Im Ergebnis wird damit sichergestellt, dass die stillen Reserven beim Wegzug der Kapitalgesellschaft nicht nur auf Gesellschafts-, sondern auch auf Gesellschafterebene steuerlich erfasst werden. Der Anwendungsbereich des § 17 Abs. 5 EStG ist auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen die Kapitalgesellschaft wegzugsbedingt nicht aufgelöst wird, weil anderenfalls bereits § 17 Abs. 4 EStG eingreift.2 Von Bedeutung ist daher vor allem der (simultane) Wegzug von SE und SCE, für den § 17 Abs. 5 Satz 2 EStG eine Sonderregelung3 bereit hält, und die Verlagerung der Geschäftsleitung einer nach ausländischem Recht errichteten Kapitalgesellschaft in das Ausland. Zu einigen Einzelheiten4: Verlegt eine SE oder SCE Sitz und Ort der Geschäftsleitung in einen anderen EU-Staat unterbleibt zwar zunächst eine Entstrickungsbesteuerung, die Besteuerung wird aber ungeachtet der Bestimmungen eines DBA5 bei tatsächlicher Veräußerung nachgeholt (§§ 17 Abs. 5 Satz 3; 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. bb EStG), wobei in Orientierung an Sinn und Zweck dieser Vorschrift nur die bis zum Wegzug gelegten stillen Reserven zu erfassen sind.6 Soweit Doppelbesteuerungsabkommen eingreifen, hat § 17 Abs. 5 EStG bei Ansässigkeit des Anteilseigners im Inland keine große Bedeutung, weil entsprechend Art. 13 Abs. 5 OECD-MA das Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaates grundsätzlich nicht eingeschränkt ist.7 Ist sie eingeschränkt,8 ist ein fiktiver Veräußerungsgewinn der Besteuerung zu unterwerfen, wobei § 17 Abs. 5 Satz 2 EStG in den Fällen bloß isolierter Verlegung des Orts der Geschäftsleitung einer Kapitalgesellschaft9 vom Inland in das (EU-)Ausland keinen Besteuerungsaufschub gewährt.10
6.400
Ein in der Praxis bedeutsamer Fall ist schließlich die subjektbezogene Steuerentstrickung für Anteile i.S.v. § 6 AStG. Zu dieser Wegzugbesteuerung Rz. 6.406 ff.
6.401
1 Diese selektive Entstrickungsbesteuerung entspricht nicht dem Folgerichtigkeitsgebot und verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. Rz. 4.7). 2 Eilers/R.Schmidt in H/H/R, § 17 EStG Rz. 350; Gosch in Kirchhof15, § 17 EStG Rz. 143. 3 Umsetzung von Art. 10d Abs. 2 FRL. 4 Vgl. im Übrigen Rz. 7.45 ff. 5 Treaty overriding; vgl. Rz. 3.24 f. 6 Eilers/Schmidt in H/H/R, § 17 EStG Rz. 353; zu unionsrechtlichen Problemen Gosch in Kirchhof15, § 17 EStG Rz. 143; Vogt in Blümich, § 17 EStG Rz. 895. 7 Vgl. Abkommensübersicht bei Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 225. 8 Etwa gem. Art. 13 Abs. 3 DBA-Tschechien, Art. 13 Abs. 3 DBA-Zypern oder generell bei Immobiliengesellschaften (Art. 13 Abs. 4 OECD-MA). 9 Betrifft nicht SE und SCE. 10 Vgl. allerdings § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 AStG (Rz. 6.437).
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Kap. 6 Einkommensteuer
IV. Steuerfolgen der Steuerverstrickung Literatur Kommentare zu §§ 4 Abs. 1 Satz 8, 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG; Böhmer/Wegener, Zum Verhältnis der Verstrickung zu sonstigen Vorschriften des nationalen Rechts, Ubg 2015, 69; Diebold, Steuerverstrickung und Steuerentstrickung im Normengefüge von Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, Diss. Augsburg 1984; Hruschka, Die Ent- und Verstrickung stiller Reserven nach dem SEStEG, StuB 2006, 574; Pach-Hanssenheimb, Die Verstrickung von Wirtschaftsgütern in die deutsche Steuerhoheit, Baden-Baden 1991; Jochimsen/Kraft, Entstrickung und Verstrickung von Sonderbetriebsvermögen außerhalb des § 50i EStG im Outbound-Kontext – illustriert anhand von Fallstudien, FR 2015, 629; Töben/Reckwartdt, Entstrickung und Verstrickung privater Anteile an Kapitalgesellschaften, FR 2007, 159.
6.402
Ebenso wie für die Gewinnrealisierung durch Steuerentstrickung gibt es auch für die Steuerverstrickung im Betriebsvermögen eine allgemein geltende Regelung, wonach einer Einlage die Begründung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts gleichsteht (§ 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG). Aktive und passive Steuerverstrickung werden damit gleichermaßen erfasst.1 Bemessungsgrundlage ist auch hier der gemeine Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG). Aus der Sicht des deutschen Steuerrechts geht es darum, steuerliche Doppelerfassungen zu vermeiden.2 Angesprochen ist hiermit insbesondere der Import stiller Reserven: Werden etwa Wirtschaftsgüter von einer ausländischen Betriebsstätte, die in einem Land belegen ist, mit dem Deutschland ein DBA abgeschlossen hat, das die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Steuerfreistellung vorsieht (Freistellungsbetriebsstätte), auf das inländische Stammhaus übertragen und anschließend veräußert, so werden die im Ausland außerhalb der deutschen Besteuerung3 gebildeten stillen Reserven der deutschen Besteuerung nicht unterworfen, weil für die transferierten Wirtschaftsgüter eine Eingangsbewertung zum gemeinen Wert vorgeschrieben ist. Die für die Steuerent- und Steuerverstrickung maßgeblichen Regelungen sind indessen insoweit inkongruent, als eine fiktive Einlage zum gemeinen Wert nur bei Begründung nicht aber bei Stärkung des deutschen Besteuerungsrechts angenommen wird.4 Im Hinblick darauf werden etwa die Buchwerte von Wirtschaftsgütern fortgeführt, die von einer ausländischen Betriebsstätte, für deren Einkünfte die Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung vermieden wird (Anrechnungsbetriebsstätte), auf das inländische Stammhaus eines unbeschränkt Steuerpflichtigen überführt werden. Im Unterschied zur Steuerentstrickung erstreckt sich die Steuerverstrickung schließlich auch nicht auf Nutzungen.5 Das führt im Ergebnis zu einer nicht vermeidbaren Doppelbesteuerung, da auch § 1 Abs. 4 u. 5 AStG keine Korrektur zugunsten des Steuerpflichtigen zulässt (Rz. 21.67). Wird ein ganzer Betrieb oder Teilbetrieb in das Inland verlegt, greift § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 1 Zur passiven Steuerentstrickung vgl. Rz. 6.386. 2 Auf die steuerliche Behandlung im anderen Staat kommt es im Unterschied zu § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG nicht an (Rz. 6.404). 3 Abkommensrechtliche Freistellung aufgrund des Betriebsstättenprinzips (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA); vgl. zu Einzelheiten Rz. 19.543 f. 4 Zur Kritik z.B. Musil in H/H/R, § 4 EStG Rz. 321; Bode in Kirchhof15, § 4 EStG Rz. 110; Frotscher in Frotscher/Geurts, § 4 EStG Rz. 425; Schnitger, Die Entstrickung im Steuerrecht, IFSt-Schrift 487 (2013), 27; Carlé, KÖSDI 2007, 15401 (15403). 5 Musil in H/H/R, § 4 EStG Rz. 322; Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 513.
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E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht
EStG ebenfalls ein.1 Der Ansatz erfolgt hierbei mit dem gemeinen Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG), in dessen Rahmen auch ein Firmenwert zu berücksichtigen ist.2 Eine die Steuerverstrickung im Privatvermögen betreffende Regelung enthält § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG, wonach verhindert werden soll, dass Deutschland den vor einem Zuzug entstandenen, bereits im Ausland besteuerten, Wertzuwachs ein weiteres Mal besteuert. Die steuerliche Doppelerfassung wird dadurch vermieden, dass für Zwecke der Veräußerungsgewinnbesteuerung nicht die Anschaffungskosten, sondern derjenige Wert zugrunde gelegt wird, den der Wegzugsstaat bei der Berechnung der der Steuer nach § 6 AStG vergleichbaren Steuer angesetzt hat. Der Anwendungsbereich dieser Verstrickungsnorm ist indessen dadurch eingeschränkt, das höchstens der gemeine Wert der Anteile zum Zeitpunkt des Zuzugs nach Deutschland angesetzt wird.3 Sofern daher der Wegzugsstaat tatsächlich einen höheren als den gemeinen Wert ansetzt, kommt es zu einer partiellen steuerlichen Doppelerfassung. Eine Wertaufstockung bis zur Höhe des gemeinen Werts unterbleibt schließlich auch dann, wenn der Steuerpflichtige nur vorübergehend von Deutschland abwesend ist und sodann wieder nach Deutschland zuzieht (§ 17 Abs. 2 Satz 4 EStG).4
6.403
Die in § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG enthaltene Verstrickungsklausel ist in mehrfacher Hinsicht lückenhaft und im Vergleich zu § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG mit Wertungswidersprüchen durchsetzt. So wird nur die durch den Zuzug des Anteilseigners bedingte Steuerverstrickung erfasst. Damit ist der Grundfall angesprochen, dass der Anteilseigner von der beschränkten in die unbeschränkte Steuerpflicht überwechselt. Nicht erfasst werden Doppelwohnsitzfälle, in denen der Anteilseigner seit jeher unbeschränkt steuerpflichtig ist, die Anteile an einer inländischen Kapitalgesellschaft zu einem späteren Zeitpunkt erwirbt und danach erst in Deutschland im abkommensrechtlichen Sinne ansässig wird (vgl. Art. 4 OECD-MA). Obwohl deutsches Besteuerungsrecht erst durch die abkommensrechtliche Ansässigkeit begründet wird, scheidet die Anwendung des § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG deshalb aus, weil die Anteile nicht bereits im Zeitpunkt der unbeschränkten Steuerpflicht dem Anteilseigner zuzurechnen waren. Die Anwendung des § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG scheidet schließlich auch dann aus, wenn der Anteilseigner von einem ausländischen Staat, mit dem Deutschland ein DBA abgeschlossen hat, in einen anderen Staat, mit dem kein DBA besteht, umzieht.5 Dieser umzugsbedingte Fortfall der abkommensrechtlichen Schrankenwirkungen, wonach nur dem Ansässigkeitsstaat die Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen zustehen (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA), führt zu einer inländischen Steuerverstrickung, soweit die Anteile an der inländischen Kapitalgesellschaft gehalten werden. Die Anwendung des § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG versagt schließlich auch in den Fällen, in denen nicht der Anteilseigner, sondern die ausländische Kapitalgesellschaft aus dem Ausland zuzieht und der Anteilseigner etwa in einem Staat ansässig ist, mit dem Deutschland kein DBA abgeschlossen
6.404
1 Eine dem § 16 Abs. 3a EStG entsprechende (Sonder-)Vorschrift gibt es nicht. 2 Eckstein in H/H/R, § 6 EStG Rz. 891; Kulosa in Schmidt35, § 6 EStG Rz. 571. 3 Das gilt natürlich nicht, wenn die tatsächlichen Anschaffungskosten höher waren; Gosch in Kirchhof15, § 17 Rz. 81. 4 Hinweis auf § 6 Abs. 3 AStG; hierzu Rz. 6.430 ff. 5 Vgl. Eilers/Schmidt in H/H/R, § 17 EStG Rz. 231.
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Kap. 6 Einkommensteuer
hat. Obwohl hierdurch erst zuzugsbedingt die beschränkte Steuerpflicht begründet wird, werden von § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG auch die Vermögenszuwächse steuerlich erfasst, die außerhalb der beschränkten Steuerpflicht entstanden sind. Soweit in den vorgenannten und in anderen Fällen das dem Einkommensteuergesetz zugrunde liegende Verstrickungskonzept nicht konsequent umgesetzt worden ist, ist für Zwecke der Vermeidung der steuerlichen Doppelbelastung ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen geboten (§§ 163, 227 AO). Darüber hinaus vermag sich § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG ohnehin nicht gegenüber Art. 3 Abs. 1 GG zu legitimieren, weil in den durchaus vergleichbaren Verstrickungsfällen im Betriebsvermögensbereich (§ 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG) auf eine Wegzugssteuer im Wegzugsstaat nicht abgestellt wird. 6.405
Auf die Vermeidung der doppelten Erfassung stiller Reserven gerichtete Verstrickungsnormen gibt es auch auf bilateraler Ebene, wonach etwa in Fällen des Zuzugs und anschließender Veräußerung wesentlicher Beteiligungen an Kapitalgesellschaften1 bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns als Anschaffungskosten der Betrag zugrunde zu legen ist, den der Wegzugsstaat im Zeitpunkt des Wegzugs als Erlös angenommen hat.2
V. Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG Literatur Kommentare zu § 6 AStG; Arlt, Die Anknüpfung der Vermögenszuwachsbesteuerung an die Beendigung der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG, IStR 2008, 216; Baßler, Die Bedeutung des § 6 AStG bei der Planung der Unternehmensnachfrage, FR 2008, 218; Baßler, Wer ist Steuerpflichtiger in § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG?, IStR 2013, 22; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip in der Unternehmenssteuerreform, StuW 2000, 328; Bron/Seidel, Mögliche Inlandsbesteuerung aufgrund der Abschaffung der Besteuerung nach dem Aufwand (Pauschalbesteuerung) in der Schweiz – Zugleich Überlegungen zum Verhältnis der Nebentatbestände zum Grundtatbestand des § 6 AStG, IStR 2009, 312; Deininger/Lang, Wegzug aus steuerlichen Gründen, 2. Aufl. Bonn 2009; Dörfler/Ribbrock, Grenzüberschreitende Verluste, Wegzugsbesteuerung sowie Koordinierung von steuerlichen Regelungen im Binnenmarkt – eine Bestandsaufnahme, BB 2008, 304; Ettinger, Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG und Gemeinschaftsrecht, IStR 2006, 747; Flick, Vereinbarkeit des Steuerfluchtgesetzes mit Doppelbesteuerungsabkommen, BB 1971, 250; Gebhardt, Neuregelung der Wegzugsbesteuerung, EStB 2007, 148; Hecht/Gallert, Ungeklärte Rechtsfragen der Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG, BB 2009, 2396; Huber, Wegzugsbesteuerung: Verlustrealisierung im Zeitpunkt des Wegzugs?, IWB 2015, 392; H. Vogel, Aktuelle Fragen, des Außensteuerrechts, insbesondere des „Steueroasengesetzes“ unter Berücksichtigung des neuen DBA mit der Schweiz, BB 1971, 1185; Ismer/Reimer/Rust, Ist § 6 AStG noch zu halten? – Die Wegzugsbesteuerung auf dem Prüfstand des Gemeinschaftsrechts nach der Entscheidung de Lasteyrie du Saillant, EWS 2004, 207; Kaminski/Strunk, Neue Zweifelsfragen und Gestaltungsmöglichkeiten bei der Anwendung von § 6 AStG, RIW 2001, 810; Keller, Die Fortentwicklung der Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG, Frankfurt/M. 2006; Köhler, Entstrickungsbesteuerung bei Überführung auf ausländische Betriebsstätten?, in Festschrift Krawitz 2010, S. 211; Kraft/Schmidt, Die Wegzugsbesteuerung im kritischen Spiegel jüngerer Entwicklungen, RIW 2011, 758; Krawitz/Kalbitzer, Der internationale Erb- und Schenkungsfall als Auslöser der Wegzugsbesteuerung, in Festschrift Schaumburg, 2009, 835; Krumm, Einkommensteuerrechtliche Wertzuwachs1 Hier gilt das Wohnsitzstaatsprinzip (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). 2 Z.B. Art. 13 Abs. 5 DBA-Schweiz; DBA-Italien, Protokoll Nr. 12.
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E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht besteuerung bei grenzüberschreitender Vererbung von Kapitalgesellschaftsanteilen des Privatvermögens, Teil I, FR 2012, 509; Loritz/Sessig, Europarechtliche Schranken für die Verzinsung von Steuerforderungen beim Widerruf nach § 6 Abs. 5 Satz 4 AStG, IStR 2013, 288; Lüdicke/Reich/M. Lang, Beteiligungen im Privatvermögen: Die Besteuerung des Wegzugs aus Österreich und Deutschland in die Schweiz – Teil I, IStR 2008, 673; Mitschke, Nochmals: Das EuGH-Urteil in der RS DMC – Ende der Diskussion um die Wegzugsteuer? IStR 2014, 216; Ostertun/Reimer, Wegzugsbesteuerung Wegzugsberatung, München 2007; Prinz, „Teilwegzug“ von Unternehmen in das europäische Ausland, GmbHR 2007, 966; Richter/Escher, Deutsche Wegzugsbesteuerung bei natürlichen Personen nach dem SEStEG im Lichte der EuGH-Rechtsprechung, FR 2007, 674; Salditt, Außensteuergesetz und DBA, AWD 1972, 573 (573); Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, in FS für Tipke, Köln 1995, 125; Schindler, Hughes de Lasteyrie du Saillant als Ende der (deutschen) Wegzugsbesteuerung, IStR 2004, 300; Schnitger, Verstoß der Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) und weiterer Entstrickungsnormen des deutschen Ertragsteuerrechts gegen die Grundfreiheiten des EG-Vertrages, IStR 2005, 493; Schön, Wegzugsbesteuerung und EGRecht, JbFfSt 2004/05, S. 72; Schönfeld, Keine Wegzugbesteuerung bei Wegzug mit einer Beteiligung an einer gewerblich geprägten Personengesellschaft, IStR 2011, 142; Schönfeld/ Häck, § 6 AStG und beschränkte Steuerpflicht, IStR 2012, 582; Söffing/Bron, Die Wegzugsbesteuerung im Verhältnis zur Schweiz unter Berücksichtigung des Freizügigkeitsabkommens, RIW 2009, 358; Telkamp, Der Außensteuergesetz-Entwurf, StuW 1972, 97; Thömmes/Linn, Verzinsung und Sicherheitsleistung bei aufgeschobener Fälligkeit von Steuern im Wegzugsfall, IStR 2012, 282; Töben/Reckwardt, Entstrickung und Verstrickung privater Anteile an Kapitalgesellschaften – Änderungen durch das SEStEG, FR 2007, 159; Toifl, Die Wegzugsbesteuerung, Wien 1996; Vogel, Schwerpunkte des Außensteuerreformgesetzes in Verbindung mit dem neuen deutsch-schweizerischen DBA, DB 1972, 1402; Wassermeyer, Merkwürdigkeiten bei der Wegzugsbesteuerung, IStR 2007, 833; Wassermeyer, Wegzug ins Ausland und seine ertragsteuerlichen Folgen, in Höppner/Piltz/Wassermeyer, Die Besteuerung nach dem Wegzug ins Ausland, Bonn 1997, 7; Wassermeyer, Der Meinungsstreit um die Wegzugsbesteuerung im Sinne des § 6 AStG, IStR 2013, 1; Wassermeyer, Die Wegzugsbesteuerung als Problem der Steuerreform, in Festschrift Solms, 173.
1. Zielsetzung § 6 AStG stellt die Besteuerung derjenigen stillen Reserven sicher, die in Anteilen an einer in- oder ausländischen Kapitalgesellschaft i.S. des § 17 EStG angefallen sind. Die Sicherstellung der Besteuerung der stillen Reserven erfolgt dadurch, dass das in § 17 EStG für die Gewinnrealisierung vorausgesetzte primäre Tatbestandsmerkmal der Veräußerung durch Tatbestandsmerkmale ersetzt wird, die an das Ausscheiden aus der unbeschränkten Steuerpflicht anknüpfen. Die durch § 6 AStG begründete Besteuerung des Vermögenszuwachses wird in seinem Grundtatbestand dadurch erfüllt, dass der betroffene Steuerpflichtige Deutschland verlässt. Diese Wegzugsbesteuerung, die eine subjektbezogene Steuerentstrickung erfasst, ist damit der letzte Akt innerhalb der unbeschränkten Steuerpflicht.1
6.406
2. Konzeptionelle Mängel Die Regelung des § 6 AStG ist sehr unvollkommen und lässt keine einheitliche Konzeption erkennen. Erfasst werden nämlich lediglich die stillen Reserven in privat gehaltenen Beteiligungen i.S. des § 17 EStG, nicht aber solche, die unter § 20 Abs. 2 EStG fallen. Diese bloß partielle Erfassung stiller Reserven im Rahmen 1 Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 17.
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Kap. 6 Einkommensteuer
der subjektbezogenen Steuerentstrickung ist nicht plausibel. So ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen lediglich die stillen Reserven von unter § 17 EStG fallenden Beteiligungen erfasst werden, zumal die Gewinne aus der Veräußerung von unter § 17 EStG und § 20 Abs. 2 EStG fallenden Kapitalanteilen gleichermaßen der unbeschränkten und beschränkten Steuerpflicht1 unterfallen. An der gesetzgeberischen Wertung gemessen, ist diese tatbestandsmäßige Einschränkung des § 6 AStG unverständlich. Vor dem Hintergrund des lückenhaften § 49 Abs. 1 EStG (Rz. 6.160 f.) hätte es schließlich auch nahe gelegen, über § 6 AStG auch die stillen Reserven anderer aus der deutschen Steuerhoheit ausscheidender Wirtschaftsgüter zu besteuern. § 6 AStG knüpft ferner nicht an den Wegfall der sich aus § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG ergebenden Besteuerungsbefugnis an, der dadurch eintreten kann, dass der an einer deutschen Kapitalgesellschaft beteiligte beschränkt Steuerpflichtige seinen Wohnsitz von einem ausländischen Staat, mit dem kein DBA besteht, in einen anderen ausländischen Staat verlegt, der aufgrund eines DBA die ausschließliche Befugnis zur Besteuerung der Veräußerungsgewinne erhält. Die Beendigung der erweiterten beschränkten Steuerpflicht (§ 2 AStG) führt gem. § 6 AStG ebenfalls zu keiner steuerlichen Erfassung der inländischen Vermögenszuwächse. Durch § 6 AStG wird schließlich auch nicht die Besteuerung derjenigen stillen Reserven sichergestellt, die durch Ausscheiden aus der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 bis 14 AStG) für die deutsche Besteuerung verloren gehen. 6.408
Die bloß singuläre Erfassung bestimmter stiller Reserven aufgrund des § 6 AStG führt zu einer steuerlichen Benachteiligung derjenigen Steuerpflichtigen, die Beteiligungen i.S. von § 17 EStG an in- oder ausländischen Kapitalgesellschaften halten. Für diese Ungleichbehandlung ist kein rechtfertigender Grund erkennbar, so dass zugleich ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt. Die gleichheitswidrige Besteuerung wird durch § 6 AStG noch dadurch verschärft, dass dessen Tatbestände mitunter weit über das gesetzgeberische Ziel hinausgehen. So erfolgt eine Wegzugsbesteuerung auch dann, wenn die Besteuerung durch Deutschland wegzugsbedingt überhaupt nicht eingeschränkt wird. Verlegt etwa ein Steuerpflichtiger seinen Wohnsitz in ein Land, mit dem Deutschland kein DBA abgeschlossen hat, verbleibt es bei der steuerlichen Erfassung der Veräußerungsgewinne durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG. Die Wegzugsbesteuerung ist daher unter dem Gesichtspunkt einer ultima ratio-Besteuerung nur gerechtfertigt, wenn die Besteuerungsbefugnis Deutschlands durch ein DBA genommen wird.2
6.409
Die Wegzugsbesteuerung ist im Wesentlichen mit den europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten vereinbar.3 Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die in § 6 Abs. 5 AStG vorgesehene Möglichkeit, die im Zeitpunkt des Wegzugs festgesetzte Steuer bis zur Realisierung eines Veräußerungsgewinns zinslos und ohne Verpflichtung zur Sicherheitsleistung zu stunden. Damit wird den Vorgaben 1 § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG einerseits und § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. d EStG andererseits. 2 Zur Rechtfertigung im Einzelnen Schaumburg in FS Tipke, 125 (141 f.); Schaumburg/ Schaumburg, StuW 2005, 306 (312). 3 BFH v. 23.9.2008 – I B 92/08, BStBl. II 2009, 524; v. 25.8.2009 – I R 88, 89/07, BFH/NV 2009, 2047; Schönfeld in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 25 (differenzierend); Elicker in Blümich, § 6 AStG Rz. 7; Oellerich in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.81; Prinz, GmbHR 2007, 966 (967); Dörfler/Ribbrock, BB 2008, 304 (309); zur Vereinbarkeit mit dem Freizügigkeitsabkommen mit der Schweiz Söffing/Bron, RIW 2009, 358 ff.
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E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht
der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung entsprochen.1 Indessen sind einige Einzelregelungen europarechtlich problematisch. Hierzu nur einige Hinweise:2 Die Wegzugsbesteuerung verstößt mittelbar gegen die Zuteilungsregeln der DBA. Zwar unterscheidet sich die Wegzugsbesteuerung als Wertzuwachsbesteuerung, die nicht realisierte Gewinne erfasst, von ihrer tatbestandlichen Anknüpfung her von der Versteuerung tatsächlicher Veräußerungsgewinne; dies ändert aber nichts an der Verpflichtung, auch die vorweggenommene Besteuerung der Veräußerungsgewinne nach den Grundsätzen des konkret anzuwendenden DBA zu behandeln. In beiden Fällen geht es nämlich um die Besteuerung des Vermögenszuwachses. Die Wegzugsbesteuerung ist daher in jenen Fällen abkommenswidrig, in denen die DBA das Besteuerungsrecht für Veräußerungsgewinne dem (neuen) Wohnsitzstaat auch insoweit zuteilen, als die entsprechenden Wertzuwächse unter dem Regime des (alten) Wohnsitzstaates entstanden sind (treaty overriding).3 Dieses Nebeneinander von inländischer Wegzugsbesteuerung einerseits und Versteuerung tatsächlicher Veräußerungsgewinne im Ausland andererseits führt zu einer doppelten Besteuerung ein und desselben Wertzuwachses.4 Eine Doppelbesteuerung ist in diesen Fällen durch Verständigungsverfahren (Art. 25 OECDMA; vgl. Rz. 19.88 ff.) zu vermeiden.5 Anders ist die Rechtslage in den Fällen, in denen auf Abkommensebene sog. Wegzugsklauseln im Ergebnis eine Aufteilung des Besteuerungsrechts zwischen Wegzugs- und Zuzugsstaat bewirken.6
6.410
3. Grundtatbestand Die Wegzugsbesteuerung des § 6 AStG setzt voraus, dass eine natürliche Person insgesamt mindestens zehn Jahre lang nach § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war und durch Aufgabe ihres Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes die unbeschränkte Steuerpflicht beendet. Ohne Bedeutung ist hierbei im Grundsatz die Staatsangehörigkeit der wegziehenden Person und ob dieser „Wegzug“ in ein Hoch- oder Niedrigsteuerland, in einen EU-/EWRStaat oder in einen Drittstaat oder in ein Land erfolgt, mit dem ein DBA abgeschlossen worden ist oder nicht. Eine Ausnahme hiervon enthält allerdings § 6 Abs. 5 AStG. Hiernach kann die dort vorgesehene Steuerstundung nur von EU-/ EWR-Staatsangehörigen bei Wegzug in einen EU-/EWR-Staat in Anspruch genommen werden (Rz. 6.436 ff.).
6.411
Da die Rechtsfolgen des § 6 Abs. 1 AStG an die Beendigung der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen
6.412
1 EuGH v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 – Hughes de Lasteyrie du Saillant, Slg. 2004, I-2409; v. 7.9. 2006 – Rs. C-470/04 – N, Slg. 2006, I-7445. 2 Weiterführend Schönfeld in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 26 ff.; Kraft in Kraft, § 6 AStG Rz. 190 ff.; Müller-Gosoge in Haase3, § 6 AStG Rz. 16 ff.; vgl. im Übrigen nachfolgend die Hinweise zu den betreffenden Einzelregelungen. 3 Elicker in Blümich, § 6 AStG Rz. 19 ff.; Kraft in Kraft, § 6 AStG Rz. 46 ff.; zweifelnd Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 23; die Wegzugsbesteuerung hält die h.M. dagegen für unbedenklich, z.B. BFH v. 23.9.2008 – I B 92/08, BStBl. II 2009, 524; v. 25.8.2009 – I R 88/07, BFH/NV 2009, 2047; Gropp in Lademann, § 6 AStG Rz. 11. 4 Zu europarechtlichen Bedenken insoweit Schönfeld in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 26. 5 Müller-Gosoge in Haase3, § 6 AStG Rz. 29. 6 Nachweise bei Müller-Gosoge in Haase3, § 6 AStG Rz. 25.
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Kap. 6 Einkommensteuer
Aufenthaltes anknüpfen, entfällt eine Wegzugsbesteuerung in den Fällen, in denen nach Wegzug auf Antrag die unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 3 EStG1 aufrechterhalten bleibt. Wird für den nachfolgenden Veranlagungszeitraum der Antrag nicht erneut gestellt oder liegen die Voraussetzungen hierfür nicht vor, endet die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht nicht durch Wegzug, so dass eine Wegzugsbesteuerung unterbleibt.2 6.413
Der Wegzugsbesteuerung unterliegen nur natürliche Personen. Bei Kapitalgesellschaften erfolgt die Wegzugsbesteuerung über § 12 KStG entweder auf der Grundlage der fiktiven Veräußerung von Einzelwirtschaftsgütern (§ 12 Abs. 1 KStG) oder im Rahmen einer fingierten Gesamtveräußerung (§ 12 Abs. 3 KStG). Wird eine Mitunternehmerschaft in das Ausland verlagert, erfolgt eine Steuerentstrickung durch fiktive Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3a Satz 3 EStG) (Rz. 6.386 ff.).
6.414
Natürliche Personen werden nur dann von der Wegzugsbesteuerung erfasst, wenn sie oder bei ganz oder teilweise unentgeltlichem Erwerb der Rechtsvorgänger (§ 6 Abs. 2 AStG) insgesamt mindestens zehn Jahre gem. § 1 Abs. 1 EStG unbeschränkt steuerpflichtig waren.3 Erst diese Zehnjahresfrist rechtfertigt die Besteuerung der Vermögensmehrungen infolge einer nachhaltigen, persönlichen und wirtschaftlichen Eingliederung des Steuerpflichtigen in die deutsche Volkswirtschaft.4
6.415
Unterbrechungen dieser Zehnjahresfrist etwa durch zwischenzeitlichen Wegzug ins Ausland spielen im Hinblick auf den Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG keine Rolle. Hier reicht es aus, dass die Zehnjahresfrist durch bloße Addition der Zeiten der unbeschränkten Steuerpflicht nach §1 Abs. 1 EStG erreicht wird.5 Hierdurch kann es zu einer Besteuerung von Vermögenszuwächsen kommen, die während einer Zeit entstanden sind, in der der Steuerpflichtige im Inland nicht unbeschränkt steuerpflichtig war. Das gilt insbesondere in den Fällen, in denen die Unterbrechung zehn und mehr Jahre bestanden hat: von einer nachhaltigen persönlichen und wirtschaftlichen Eingliederung des Steuerpflichtigen in die deutsche Volkswirtschaft kann dann keine Rede mehr sein, so dass die Berechnung der Zehnjahresfrist bei Zuzug von neuem beginnt.6 Insoweit geht der Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG über seinen Sinn und Zweck hinaus. Das gilt auch für den Fall, dass der maßgebliche Zehnjahreszeitraum von langjährigen Auslandsaufenthalten unterbrochen ist. § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG greift schließlich auch dann ein, wenn der Steuerpflichtige nicht nur im Inland, sondern auch im Ausland der unbeschränkten Steuerpflicht unterlag, und zwar auch dann, wenn
1 Zur fingierten unbeschränkten Steuerpflicht Rz. 6.40 ff. 2 Ebenso Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 40; Müller-Gosoge in Haase3, § 6 AStG Rz. 65; a.A. Elicker in Blümich, § 6 AStG Rz. 44; Kraft in Kraft, § 6 AStG Rz. 255; Gropp in Lademann, § 6 AStG Rz. 37. 3 Eine erweitert unbeschränkte Steuerpflicht (§ 1 Abs. 2 EStG) sowie eine fiktive unbeschränkte Steuerpflicht (§§ 1 Abs. 3, 1a EStG) reichen also nicht aus. 4 Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 34. 5 Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 35. 6 Teleologische Reduktion; vgl. das instruktive Beispiel bei Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 35; ferner Müller-Gosoge in Haase3, § 6 AStG Rz. 37; Elicker in Blümich, § 6 AStG Rz. 38; Strunk/Kaminski in S/K/K, § 6 AStG Rz. 51 ff.
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E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht
er dort nach den Regelungen des in Betracht kommenden DBA in dem anderen Staat den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hatte.1 4. Ergänzungstatbestände Der Grundtatbestand der Wegzugsbesteuerung, nämlich Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes, wird gem. § 6 Abs. 1 Satz 2 AStG unter den dort näher beschriebenen Voraussetzungen um weitere vier Tatbestände ergänzt, und zwar durch
6.416
– unentgeltliche oder teilentgeltliche Anteilsübertragung oder die Übertragung der Anteile durch Erwerb von Todes wegen auf nicht unbeschränkt steuerpflichtige Personen (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG), – Begründung einer ausländischen Ansässigkeit (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AStG), – Einlage der Anteile in ein ausländisches Betriebsvermögen (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AStG) und – Ausschluss oder Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts am Veräußerungsgewinn in übrigen Fällen (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AStG). Bei allen Ergänzungstatbeständen müssen die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG stets erfüllt sein.2 § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG erfasst die Übertragung von Kapitalanteilen durch ganz oder teilweise unentgeltliches Rechtsgeschäft unter Lebenden oder durch Erwerb von Todeswegen auf nicht unbeschränkt steuerpflichtige Personen.
6.417
Der Tatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG bleibt hinter dem Sinn und Zweck des § 6 AStG insoweit zurück, als lediglich die Übertragung auf nicht unbeschränkt steuerpflichtige Erwerber erfasst wird. Unter dem Gesichtspunkt der Gewinnrealisierung durch Steuerentstrickung hätte aber auch die Übertragung auf unbeschränkt steuerpflichtige Erwerber erfasst werden müssen, soweit diese aufgrund eines DBA (Art. 4 Abs. 2 OECD-MA; vgl. Rz. 19.202 ff.) in einem anderen Land als ansässig gelten3 und hierdurch Deutschland die Besteuerungsbefugnis verloren geht.4
6.418
Entsprechend der Übertragung durch Rechtsgeschäft ist bei der Übertragung durch Erwerb von Todes wegen5 auf den Erblasser als maßgeblichen Steuerpflichtigen abzustellen mit der Folge, dass die gem. § 45 AO übergehende Steuerschuld als Nachlassverbindlichkeit bei der Erbschaftsteuer berücksichtigt werden kann
6.419
1 Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 36 f.; Gropp in Lademann, § 6 AStG Rz. 20; Arlt, IStR 2008, 216 (217 ff.). 2 Insbesondere unbeschränkte Steuerpflicht des Steuerpflichtigen gem. § 1 Abs. 1 EStG. 3 Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 63; Strunk/Kaminski in S/K/K, § 6 Rz. 83; Kraft in Kraft, § 6 AStG Rz. 349. 4 § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AStG scheidet als Auffangvorschrift ebenfalls aus, weil das „Ereignis“ Anteilsübertragung unter § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AStG fällt; hierzu Müller-Gosoge in Haase3, § 6 AStG Rz. 80; Elicker in Blümich, § 6 AStG Rz. 49; Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 63. 5 Zu dieser misslungenen Formulierung Baßler, FR 2008, 851 (851); Wassermeyer, IStR 2007, 833 (834).
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Kap. 6 Einkommensteuer
(§ 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG).1 Zwecks Vermeidung einer Doppelbelastung von Einkommensteuer einerseits und Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) andererseits sieht § 35b EStG vor, dass im Falle des Erwerbs von Todes wegen die Einkommensteuer auf Antrag ermäßigt werden kann (Rz. 18.138 ff.). Dies gilt auch für den Fall, dass ausländische Erbschaftsteuer zu entrichten ist (Rz. 18.139 f.). Soweit beim Erwerb von Todes wegen im Nachlass befindliche Kapitalanteile zunächst auf einen nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Erben und sodann im Rahmen eines Vermächtnisses, einer Erbauseinandersetzung oder aufgrund einer Teilungsanordnung auf unbeschränkt einkommensteuerpflichtige Personen übergehen, ist in Orientierung an der teleologischen Ausrichtung des § 6 AStG für Zwecke der Besteuerung nur auf den Letzterwerber abzustellen.2 6.420
Der Ergänzungstatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AStG erweitert die Wegzugsbesteuerung auf den Fall des Doppelwohnsitzes, soweit der Steuerpflichtige aufgrund dessen nach einem DBA in dem anderen Staat als ansässig gilt (Art. 4 Abs. 2 OECD-MA).3 Dieser Ergänzungstatbestand ist deshalb von Bedeutung, weil nach den von Deutschland abgeschlossenen DBA in Fällen des Doppelwohnsitzes durchweg nur der Staat die Besteuerungsbefugnis hat, in dem der Steuerpflichtige als ansässig gilt (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). Soweit dies ausnahmsweise nicht der Fall ist,4 greift § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AStG dennoch ein, obwohl deutsches Besteuerungsrecht weder wegfällt noch eingeschränkt wird.5 § 6 Abs. 1 Satz Nr. 2 AStG greift schließlich auch dann ein, wenn die Ansässigkeit in dem anderen Staat erst durch den der Wohnsitzbegründung nachfolgenden Abschluss eines DBA mit diesem Staat begründet wird.6 Dies deshalb, weil die Ansässigkeit auch auf der Wohnsitzbegründung im Ausland beruht.7 Davon abgesehen greift hier jedenfalls der in § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AStG verankerte Ersatztatbestand ein (Rz. 6.422).
6.421
Die Wegzugsbesteuerung (Vermögenszuwachsbesteuerung) erstreckt sich gem. § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AStG auch auf die Einlage von Kapitalanteilen aus dem Privatvermögen8 in einen ausländischen Betrieb oder eine ausländische Betriebsstätte,9 wenn das Besteuerungsrecht Deutschlands für Veräußerungsgewinne nach einem DBA ausgeschlossen wird (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA). Soweit die Ka1 Häck in Haase2, § 6 AStG Rz. 82; Elicker in Blümich, § 6 AStG Rz. 46; Krawitz/Kalbitzer in FS Schaumburg, 835 (841); Baßler, FR 2008, 851 (852); auf den Erben als Steuerpflichtigen abstellend Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 69; Wassermeyer, IStR 2008, 833 (834). 2 Entsprechende Billigkeitsregelungen der Finanzverwaltung sind geboten; zu Einzelheiten Müller-Gosoge in Haase3, § 6 AStG Rz. 87 ff.; Baßler, FR 2008, 851 (854); vgl. auch Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 72 ff.; dort auch zur Vor- und Nacherbschaft. 3 Vgl. zu dieser tie-breaker-rule Rz. 19.202 ff. 4 Überdachende Besteuerung gem. Art. 4 Abs. 3 DBA-Schweiz. 5 Zu diesem Wertungsüberhang Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 83. 6 Vgl. zur passiven Entstrickung Rz. 6.386. 7 Vgl. hierzu Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 82; a.A. Müller-Gosoge in Haase3, § 6 AStG Rz. 100. 8 Es muss sich immer um Anteile gem. § 17 EStG handeln; für die Überführung aus dem Betriebsvermögen gilt § 4 Abs. 1 Satz 3 u. 4 und für die Übertragung (verdeckte Einlage) auf eine Kapitalgesellschaft § 17 Abs. 1 Sätze 1 u. 2 EStG. 9 Es gilt die Betriebsstättendefinition des § 12 AO.
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E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht
pitalanteile trotz Einlage abkommensrechtlich nicht der ausländischen Betriebsstätte oder dem ausländischen Betrieb zuzurechnen sind,1 wird dennoch der Ersatztatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AStG erfüllt, obwohl insoweit deutsches Besteuerungsrecht weder wegfällt noch eingeschränkt wird.2 § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AStG enthält einen Auffangtatbestand, wonach der Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile auf Grund anderer als der in § 6 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 bis 3 AStG genannten Ereignisse eine Wegzugsbesteuerung auslöst. Da Wegzug, Anteilsübertragung, Erwerb von Todes wegen, Begründung eines Doppelwohnsitzes und Einlage bereits erfasst sind, verbleibt nur noch ein geringer Anwendungsbereich, zu dem etwa der Wegfall oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts durch Abschluss eines DBA gehört (passive Entstrickung).3
6.422
5. Rechtsfolge Als Rechtsfolge schreibt § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG vor, dass auf Anteile an einer inoder ausländischen Kapitalgesellschaft § 17 EStG im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht auch ohne Veräußerung anzuwenden ist, wenn im Übrigen für die Anteile zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen des § 17 EStG erfüllt sind.
6.423
Im Rahmen der Wegzugsbesteuerung wird die Rechtsfolge auf Anteile i.S. von § 17 EStG beschränkt. Dies setzt eine Mindestbeteiligung von 1 % voraus (§ 17 Abs. 1 Satz 1 EStG).4 Nicht erfasst werden damit Kapitalanteile, die eine Beteiligung von weniger als 1 % vermitteln mit der Folge, dass wegzugsbedingt eine Besteuerung unterbleibt, obwohl der Gewinn aus der Veräußerung dieser Anteile gem. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG der Besteuerung unterliegt. Soweit es sich um Anteile an ausländischen Rechtsträgern handelt, entscheidet der Typenvergleich (Rz. 7.7), ob eine Kapitalgesellschaft i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG gegeben ist. Anteile oder beteiligungsähnliche Rechte an Genossenschaften und an einer SCE werden gem. § 17 Abs. 7 EStG ebenfalls erfasst; nicht dagegen solche an Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit, Vereinen, Stiftungen und Personengesellschaften.
6.424
Die Rechtsfolge des § 17 EStG betrifft nur solche Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht zu einem Betriebsvermögen gehören. Im Falle einer GmbH & Co. KG scheiden damit die zum Sonderbetriebsvermögen der KG gehörenden Anteile der Komplementär-GmbH aus der Wegzugsbesteuerung ebenso aus5 wie einbringungsgeborene Anteile i.S. von § 21 Abs. 1 UmwStG a.F., für die allerdings eine Besteuerung stiller Reserven gem. § 21 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG a.F. in Betracht
6.425
1 Hierzu BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510. 2 Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 90. 3 Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 94; Gropp in Lademann, § 6 AStG Rz. 49; Kraft in Kraft, § 6 Rz. 382; Ritzer in R/H/vL2, UmwStG, Anh. 7 Rz. 245; Gebhardt, EStB 2007, 148 (149); Stadler/Elser, BB-Special 8/2006, 20; Grotherr, NWB 2007, F.3, Gr. 1, 2153 (2157). 4 Ausnahme: steuerverstrickte Anteile gem. § 17 Abs. 6 EStG. 5 Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 46.
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Kap. 6 Einkommensteuer
kommt (§ 27 Abs. 3 Nr. 3 Satz 1 UmwStG).1 Für der Sperrfrist gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 UmwStG unterliegende Kapitalanteile, die dem Anwendungsbereich des § 17 EStG und damit auch dem des § 6 AStG ohne Rücksicht auf eine Mindestbeteiligung unterliegen (§ 17 Abs. 6 EStG), wird außerhalb des Anwendungsbereichs des § 6 AStG zudem eine rückwirkende Besteuerung eines Einbringungsgewinns ausgelöst, wenn etwa wegzugsbedingt der Einbringende oder sein Rechtsnachfolger nicht mehr die persönlichen Voraussetzungen des § 1 Abs. 4 UmwStG erfüllt.2 6.426
Da § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG nicht nur eine Rechtsfolgenverweisung, sondern auch eine Rechtsgrundverweisung enthält, müssen neben den Tatbestandsmerkmalen des § 6 AStG selbst auch diejenigen des § 17 EStG erfüllt sein. In Abweichung von § 17 EStG ist bei der Berechnung des fiktiven Veräußerungsgewinns aber nicht der Veräußerungspreis, sondern der gemeine Wert der Anteile zum Zeitpunkt des Wegzugs zu berücksichtigen (§ 6 Abs. 1 Satz 4 AStG). Der gemeine Wert ist auf der Grundlage des § 11 BewG zu ermitteln. Für nicht notierte Kapitalanteile ist der gemeine Wert vorrangig aus Verkäufen unter fremden Dritten abzuleiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen; anderenfalls ist er unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft zu schätzen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG). Hierbei kommt auch die Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens (§§ 11 Abs. 2 Satz 2, 199 ff. BewG) in Betracht. Dem gemeinen Wert zum Zeitpunkt des Wegzugs sind die Anschaffungskosten der Anteile gegenüberzustellen, es sei denn der betroffene Steuerpflichtige hat die Anteile an der Kapitalgesellschaft schon bei Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht besessen. In diesem Fall ist auf den im Wegzugsstaat steuerlich festgestellten Wegzugswert, höchstens auf den gemeinen Wert im Zeitpunkt der Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht abzustellen, wenn der bis zu diesem Zeitpunkt entstandene Vermögenszuwachs auf Grund gesetzlicher Bestimmungen des Wegzugsstaats dort einer Wegzugsbesteuerung unterlegen hat (§ 17 Abs. 2 Satz 3 EStG). Diese Regelung macht deutlich, dass diejenigen Vermögenszuwächse außer Betracht bleiben sollen, die während einer Zeit entstanden sind, zu der der Steuerpflichtige nicht unbeschränkt steuerpflichtig war. Indessen ist auch diese Regelung unvollkommen, weil alle Vermögensmehrungen bei Auslandsaufenthalten, die zeitlich nach der erstmaligen Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht liegen, miterfasst werden. Gerechtfertigt wäre es, lediglich den Teil des Wertzuwachses zu erfassen, der in der Zeit der unbeschränkten Steuerpflicht entstanden ist (Rz. 6.410).3
6.427
Der fiktive Veräußerungsgewinn unterliegt gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG i.V.m. § 17 Abs. 2 EStG der Besteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren (§§ 3 Nr. 40 Buchst. c, 3c Abs. 2 EStG).4 Ein Veräußerungsverlust ist im Rahmen des § 6 AStG nicht zu berücksichtigen. Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG, dafür aber aus anderen für die Aus1 Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 43; Müller-Gosoge in Haase3, § 6 AStG Rz. 48; Baßler, FR 2008, 218. 2 Zu Einzelheiten Patt in D/P/M, § 22 UmwStG Rz. 50 ff.; Stangl in R/H/vL2, § 22 UmwStG Rz. 127 ff.; 175. 3 Zu Einzelheiten Arlt, IStR 2008, 216 (217 ff.). 4 Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 60; Strunk/Kaminski in S/K/K, § 6 AStG Rz. 55; Kraft in Kraft, § 6 AStG Rz. 310.
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legung bedeutsamen Anhaltspunkten. So zeigt die zum Gesetz selbst gehörende Überschrift zu § 6 AStG, dass der Vermögenszuwachs besteuert werden soll. Ferner ordnet § 6 Abs. 1 Satz 5 AStG an, dass der nach den §§ 17 und 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG anzusetzende Gewinn um den nach § 6 AStG besteuerten Vermögenszuwachs zu kürzen ist. Darüber hinaus regelt § 6 Abs. 6 Satz 3 AStG, dass in Stundungsfällen eine nachträglich durch Veräußerung realisierte Wertminderung höchstens im Umfang des Vermögenszuwachses zum Zeitpunkt des Wegzugs berücksichtigt werden darf. Schließlich zielen die Ersatztatbestände (§ 6 Abs. 1 Satz 2 AStG) darauf ab, Steuerumgehungsmöglichkeiten zu verhindern, was nur bei einem Vermögenszuwachs Bedeutung erlangen kann.1 Im Hinblick darauf, dass § 6 AStG erkennbar auf die Erfassung nur von Wertzuwächsen, also von Veräußerungsgewinnen gerichtet ist, ergeben sich Wertungswidersprüche zu der im Übrigen im Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz verankerten Entstrickungskonzeption. Hierbei geht es nämlich nicht nur um die Sicherstellung stiller Reserven für Zwecke der Besteuerung im Falle des Wegzugs, sondern auch um die Abgrenzung der Besteuerungsrechte zwischen den verschiedenen Staaten. Aus diesem Grunde erlaubt etwa § 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG bei einem grenzüberschreitenden Betriebsvermögenstransfer auch die Realisation von Verlusten. Insoweit ist die dem Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz zugrunde liegende Entstrickungskonzeption konsequent zu Ende gedacht. Dass Veräußerungsverluste im Rahmen der Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG nicht berücksichtigt werden, führt in den Fällen zu steuerlichen Verwerfungen, in denen der Zuzugsstaat im Rahmen der dortigen Veräußerungsgewinnbesteuerung nicht auf die historischen Anschaffungskosten, sondern auf den ggf. niedrigeren Zuzugswert abstellt. Von dieser Konstellation geht der Gesetzgeber indessen im Falle des Zuzugs nach Deutschland nicht aus, weil gem. § 17 Abs. 2 Sätze 3 und 4 EStG der Wegzugswert nur dann anzusetzen ist, wenn dieser die historischen Anschaffungskosten übersteigt. De lege ferenda ist, um Asymmetrien zu vermeiden, daher eine gleichlaufende Änderung des § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG einerseits und des § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG andererseits dahingehend geboten, dass auch Wertminderungen steuerlich berücksichtigt bzw. erfasst werden.
6.428
Eine Doppelbelastung kann dadurch eintreten, dass Anteile an einer inländischen Kapitalgesellschaft nach dem Wegzug während der Zeit der beschränkten Einkommensteuerpflicht veräußert werden (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG). Für diesen Fall regelt § 6 Abs. 1 Satz 5 AStG, dass der fiktive Veräußerungsgewinn auf den späteren tatsächlichen Veräußerungsgewinn anzurechnen ist.2 Ergibt sich hierdurch ein negativer Betrag, so ist dieser im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht einem Verlustausgleich bzw. -abzug zugänglich.3 Diese
6.429
1 BFH v. 28.2.1990 – I R 43/86, BStBl. II 1990, 615; Kraft in Kraft, § 6 AStG Rz. 290; Gropp in Lademann, § 6 AStG Rz. 55; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1), Tz. 6.1.3.3; a.A. Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 51 unter Hinweis auf die durch das SEStEG veränderte Rechtslage; ebenso Müller-Gosoge in Haase3, § 6 AStG Rz. 124; Strunk/Kaminski in S/K/K, § 6 AStG Rz. 139; Hecht in Fuhrmann3, § 6 AStG Rz. 15; Elicker in Blümich, § 6 AStG Rz. 63; Huber, IWB 2015, 392 (396 ff.). 2 Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 108. 3 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004 Sondernummer 1, Tz. 6.1.4.2.
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Regelung greift dann nicht ein, wenn aufgrund eines DBA Deutschland die Besteuerungsbefugnis genommen wird (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). In diesen Fällen kann eine Doppelbesteuerung nur durch ein Verständigungsverfahren (Art. 25 OECD-MA) vermieden werden.1 6. Vorübergehende Abwesenheit 6.430
Entsprechend der Zielsetzung des § 6 AStG, die während der Zeit der unbeschränkten Steuerpflicht entstandenen Vermögenszuwächse für Zwecke der deutschen Besteuerung zu sichern, bedarf es dann keiner Wegzugsbesteuerung, wenn das Ausscheiden aus der unbeschränkten Steuerpflicht lediglich vorübergehend ist. Aus diesem Grunde ist in § 6 Abs. 3 AStG vorgesehen, dass bei einer bloß vorübergehenden Abwesenheit von nicht mehr als fünf Jahren der Steueranspruch unter bestimmten Voraussetzungen entfällt. Die vorgenannte Fünfjahresfrist kann um weitere fünf Jahre verlängert werden, wenn berufliche Gründe für die Abwesenheit maßgeblich sind und die Absicht zur Rückkehr unverändert fortbesteht. Hieraus ist zu folgern, dass auch bei einer Rückkehr innerhalb der ersten fünf Jahre nach Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht eine Rückkehrabsicht bestanden haben muss.2 Die tatsächliche Rückkehr innerhalb von fünf Jahren nach Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht indiziert indessen die gesetzlich vorausgesetzte Rückkehrabsicht.3 Soweit § 6 Abs. 3 Satz 1 AStG den Wegfall des Steueranspruchs anordnet, greift die Änderungsvorschrift des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO ein,4 so dass der Steuerbescheid entsprechend zu ändern ist.5 Die Verzinsung richtet sich hierbei nach § 233a Abs. 2 AO. Der Steueranspruch entfällt allerdings dann nicht, wenn der Wegzügler die Anteile zwischenzeitlich veräußert oder aber einen der Ersatztatbestände des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 oder 3 AStG verwirklicht hat und er zudem im Zeitpunkt der Wiederbegründung der unbeschränkten Steuerpflicht nicht zugleich auch abkommensrechtlich im Inland ansässig wird (§ 6 Abs. 3 Satz 1 AStG).
6.431
Die fünfjährige Rückkehrfrist kann auf Antrag seitens des für die Besteuerung zuständigen Finanzamts (§ 19 AO) um höchstens weitere fünf Jahre verlängert werden, wenn glaubhaft gemacht wird, dass berufliche Gründe für die Abwesenheit maßgebend sind und die Rückkehrabsicht unverändert fort besteht (§ 6 Abs. 3 Satz 2 AStG). Es handelt sich hierbei um eine Ermessensentscheidung, die mit 1 Zahlreiche deutsche DBA zu Art. 13 enthalten allerdings eine die Doppelbesteuerung ausschließende sog. Wegzugsklausel mit und ohne Wertverknüpfung; vgl. hierzu die Übersicht bei Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 282 ff. 2 Vertreter dieser subjektiven Theorie sind Gropp in Lademann, § 6 AStG Rz. 67; BMF v. 2.12.1994 – IV C 7 - S 1340 - 20/94, BStBl. I 1995 (Sondernummer 1), 3, Tz. 6.4.1; a.A. Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 144; Kraft in Kraft, § 6 AStG Rz. 435; Elicker in Blümich, § 6 AStG Rz. 73; Müller-Gosoge in Haase3, § 6 AStG Rz. 141 (eingeschränkte objektive Theorie), wonach für die fünfjährige Rückkehrfrist allein auf die Rückkehr (objektiv) und für die Verlängerungsfrist auf zehn Jahre auf die Glaubhaftmachung der Rückkehr (subjektiv) abgestellt wird. 3 Vgl. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 6.4.1. 4 Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 148; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004 (Sondernummer 1), Tz. 6.4.1. 5 Für einen vorläufigen Steuerbescheid gilt die Änderungsvorschrift des § 165 Abs. 2 AO.
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dem Einspruch (§ 348 AO) anfechtbar ist. Der Steueranspruch entfällt unter den vorgenannten Voraussetzungen nicht nur bei Rückkehr des weggezogenen Steuerpflichten selbst, sondern beim Anteilserwerb von Todes wegen auch bei Rückkehr des Rechtsnachfolgers (§ 6 Abs. 3 Satz 3 AStG). Damit wird an den Ersatztatbestand des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AStG angeknüpft. Die Regelung des § 6 Abs. 3 Satz 3 AStG enthält einige mit dem Sinn und Zweck der Wegzugsbesteuerung nicht zu vereinbarenden Ungereimtheiten. So gilt die eine Wegzugsbesteuerung vermeidende Rückkehr nur für den Erben, nicht aber für den Beschenkten, obwohl der Ersatztatbestand den § 6 Abs. 1 Satz 2 AStG insoweit keine Differenzierung vornimmt.1 Schließlich ist auch keine Verlängerung der fünfjährigen Rückkehrfrist vorgesehen.2 Insoweit entspricht § 6 Abs. 3 Satz 3 AStG nicht dem Gebot der Folgerichtigkeit (Rz. 4.7), so dass ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt.3
6.432
7. Stundung a) Wegzug in Drittstaaten Die Wegzugsbesteuerung knüpft an einen fingierten Veräußerungsgewinn4 an und berücksichtigt damit nicht die steuerliche Leistungsfähigkeit.5 § 6 Abs. 4 Satz 1 AStG sieht daher folgerichtig in dieser Besteuerung eine sachliche Härte mit der Folge, dass auf Antrag des Steuerpflichtigen die auf den fiktiven Veräußerungsgewinn geschuldete Einkommensteuer für einen Zeitraum von höchstens fünf Jahren in Teilbeträgen zu stunden ist. Nach § 6 Abs. 4 Satz 3 AStG ist entsprechend der in § 6 Abs. 3 Satz 2 AStG vorgesehenen Frist eine Stundung auf die Dauer von längstens zehn Jahren zulässig. Für die ersten fünf Jahre ist die Stundung hierbei ohne Tilgung der Steuerschuld möglich, wenn der Steuerpflichtige geltend macht, innerhalb der Frist wieder unbeschränkt steuerpflichtig werden zu wollen. Anschließend kann er eine tilgungsfreie Stundung auf weitere fünf Jahre erhalten, wenn er glaubhaft macht, dass berufliche Gründe für seine Abwesenheit maßgebend sind und seine Absicht zur Rückkehr unverändert fortbesteht (§ 6 Abs. 4 Satz 3 AStG). Sind die Voraussetzungen des § 6 Abs. 4 Satz 1 AStG erfüllt, hat der Steuerpflichtige einen Rechtsanspruch auf Stundung. Im Gegensatz zu § 222 AO ist § 6 Abs. 4 Satz 1 AStG damit keine Ermessensvorschrift.6 Nach § 6 Abs. 4 Satz 1 AStG ist die Stundung bei endgültigem Wohnsitzwechsel ins Ausland nur gegen Sicherheitsleistung zulässig. Ist dagegen der Wohnsitzwechsel nur ein vorübergehender, kann die Stundung auch ohne Sicherheitsleistung angeordnet werden, wenn der Steueranspruch als nicht gefährdet erscheint.7 Die Art der Sicherheitsleistung richtet sich nach § 241 AO. Kehrt 1 Vgl. hierzu Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 163; Baßler, IStR 2013, 22. 2 Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 164. 3 Für eine analoge Anwendung des § 6 Abs. 3 Satz 3 AStG oder (alternativ) für einen Erlass aus Billigkeitsgründen (§§ 163, 227 AO) Hecht in Fuhrmann3, § 6 AStG Rz. 42. 4 Besteuerung von Solleinkommen. 5 Zur Vereinbarkeit der Wegzugsbesteuerung mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip Schaumburg in FS Tipke, 125 (141 f.). 6 Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 190. 7 Es handelt sich um eine Ermessensentscheidung.
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der Wegzügler in das Inland zurück, sind ihm die Sicherheiten zurückzugeben.1 Werden die Anteile während des Stundungszeitraums veräußert, ist die Stundung zu widerrufen (§ 6 Abs. 4 Satz 2 AStG i.V.m. § 131 Abs. 2 Nr. 1 AO), wobei der Umfang des Widerrufs vom Zeitpunkt des Zufließens des Verkaufserlöses abhängig ist.2 Der Anteilsveräußerung sind gem. § 6 Abs. 4 Satz 2 AStG die verdeckte Einlage, die Auflösung der Kapitalgesellschaft, die Herabsetzung und Rückzahlung des Nennkapitals und die Auskehrung von Beträgen aus dem steuerlichen Einlagekonto iSd. § 27 KStG gleichgestellt. Da § 6 Abs. 4 AStG keine besondere Zinsregelung enthält, richtet sich die Verzinsung nach § 234 AO. Der Steuerpflichtige hat gem. § 6 Abs. 4 AStG zwar keinen Anspruch auf zinslose Stundung,3 da die Stundung nach der Wertung des § 6 Abs. 4 AStG die Regel und die sofortige Einziehung der Steuer die Ausnahme darstellt, ist unter den Voraussetzungen des § 234 Abs. 2 AO aber regelmäßig auf die Zinsen zu verzichten.4 b) Wegzug in EU-/EWR-Staaten 6.434
§ 6 Abs. 5 AStG enthält für den Wegzug in EU-/EWR-Staaten Sonderregelungen, die vor allem auf eine erweiterte Stundungsmöglichkeit der durch den Wegzug ausgelösten Steuer gerichtet ist. Im Hinblick darauf ist § 6 Abs. 5 AStG gegenüber § 6 Abs. 4 AStG lex specialis mit der Folge, dass § 6 Abs. 4 EStG im Wesentlichen die Steuerstundung bei Wegzug in Drittstaaten betrifft. Die speziell für den Wegzug in EU-/EWR-Staaten normierte Stundungsmöglichkeit geht auf die EuGH-Rechtsprechung5 zurück, wonach in Orientierung an der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) eine Wegzugssteuer zwar festgesetzt werden darf, diese aber ohne Sicherheitsleistung und ohne Festsetzung von Ratenzahlungen zeitlich unbegrenzt zinslos zu stunden ist.
6.435
Die erweiterte Stundungsmöglichkeit kann nach dem Wortlaut des § 6 Abs. 5 Satz 1 AStG zwar nur von EU-/EWR-Staatsangehörigen in Anspruch genommen werden, wegen des sich aus Art. 24 Abs. 1 OECD-MA ergebenden Staatsangehörigkeitsdiskriminierungsverbotes (Rz. 4.51 ff.) haben aber in Abkommensfällen Drittstaatsangehörige einen Anspruch auf Gleichbehandlung, so dass ihnen ebenfalls die erweiterte Stundungsmöglichkeit einzuräumen ist.6 Entsprechendes gilt auch in übrigen Fällen unter dem Gesichtspunkt von Art. 3 Abs. 1 GG.7 Aus diesem Grund ist die Stundung auch dann nicht zu widerrufen, wenn die EU-/EWR-Staatsangehörigkeit während des Stundungszeitraums entfällt. In Orientierung am bloßen Wortlaut von § 6 Abs. 5 Satz 1 AStG ist dagegen in diesem Fall der Widerruf der Stundung wegen Wegfalls einer Tatbestandsvoraussetzung zwingend, ohne dass die Widerrufsgründe des § 6 Abs. 5 Satz 4 1 Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 184; Boller/Euchner/Schmidt in H/K/G/R, § 6 AStG Rz. 390. 2 Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 182. 3 BFH v. 16.10.1991 – I R 145/90, BStBl. II 1992, 321. 4 Müller-Gosoge in Haase3, § 6 AStG Rz. 174;Strunk/Kaminski in S/K/K, § 6 AStG Rz. 226; Gropp in Lademann, § 6 AStG Rz. 74. 5 EuGH v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 – de Lasteyrie du Saillant, Slg. 2004, I-2409. 6 Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 209; Schaumburg in FG Wassermeyer, 121 (125). 7 Schaumburg in FG Wassermeyer, 121 (125).
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AStG im Einzelnen vorliegen müssen.1 Voraussetzung für die Stundung, für die kein Antrag erforderlich ist,2 ist ferner, dass der Wegziehende nach der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht im betreffenden Zuzugsstaat eine der deutschen unbeschränkten Einkommensteuerpflicht vergleichbaren Steuerpflicht unterliegt (§ 6 Abs. 5 Satz 1 AStG). Entfällt auch diese Voraussetzung während des Stundungszeitraums, ist ebenfalls die Stundung zu widerrufen.3 Voraussetzung ist schließlich, dass die Amtshilfe und die gegenseitige Unterstützung bei der Beitreibung der geschuldeten Steuer zwischen Deutschland und dem Zuzugsstaat gewährleistet sind (§ 6 Abs. 5 Satz 2 AStG).4 Angesprochen sind hier vor allem die Amtshilferichtlinie (Rz. 22.80),5 die Beitreibungsrichtlinie (Rz. 22.81)6 innerhalb der EU sowie Doppelbesteuerungsabkommen (Art. 26 OECD-MA; Rz. 3.107 ff.)7 und Informationsaustauschabkommen (Rz. 22.99 ff.).8 § 6 Abs. 5 AStG ist zwar gegenüber § 6 Abs. 4 AStG lex specialis, beide Vorschriften können gleichwohl für zeitlich hintereinander geschaltete Zeiträume zur Anwendung kommen. Verzieht der Steuerpflichtige etwa zunächst in einen Drittstaat und von dort in einen EU-/EWR-Staat, so ist zunächst die Stundung gem. § 6 Abs. 4 AStG und sodann die erweiterte Stundung gem. § 6 Abs. 5 AStG möglich.9
6.436
Die erweiterte Stundung kommt nicht nur für den Wegzug selbst, sondern auch für die Ersatztatbestände des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1–4 AStG in Betracht (§ 6 Abs. 5 Satz 3 AStG). Im Einzelnen: § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 AStG ermöglicht die erweiterte Stundung auch in dem Fall, dass etwa der nicht unbeschränkt steuerpflichtige Beschenkte oder Erbe in einem EU-/EWR-Staat eine der deutschen unbeschränkten Einkommensteuerpflicht vergleichbaren Steuerpflicht unterliegt. Voraussetzung ist allerdings nicht, dass der Beschenkte oder Erbe zugleich die EU-/EWR-Staatsangehörigkeit besitzen.10 Dass etwa der Erbe Mitglied einer Er-
6.437
1 Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG, Rz. 209; Strunk/Kaminski in S/K/K, § 6 AStG Rz. 247. 2 Auf die Stundung besteht ein Rechtsanspruch. 3 Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG, Rz. 211; Müller-Gosoge in Haase3, § 6 AStG Rz. 195. 4 Zur (fehlenden) Sinnhaftigkeit der geforderten Beitreibungshilfe durch den Zuzugsstaat, wenn das Vermögen in einem Drittstaat belegen ist Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 217. 5 Richtlinie 2011/16/EU des Rates v. 15.2.2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG, ABl. 2011 Nr. L 64,1 und Richtlinie 2015/2376 des Rates v. 8.12.2015, ABl. 2015 Nr. L 332, 1; in Deutschland umgesetzt durch das EUAHiG v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809; hierzu im Überblick Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 20.15. 6 Richtlinie 2010/24/EU des Rates v. 16.3.2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstigen Maßnahmen, ABl. 2010 Nr. L 84.1; umgesetzt durch das EU-BeitrG v. 7.12.2011, BGBl. I 2011, 2592; hierzu im Überblick Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 20.39 ff. 7 Vgl. die Abkommensübersicht in BStBl. I 2016, 76. 8 Vgl. die Abkommensübersicht in BStBl. I 2016, 80. 9 Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG, Rz. 216. 10 Vgl. dagegen den Wortlaut in § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 AStG; zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 219; Müller-Gosoge in Haase3, § 6 AStG Rz. 197; Hecht in Fuhrmann3, § 6 AStG Rz. 54; Boller/Euchner/Schmidt in H/K/G/R, § 6 AStG Rz. 427; dagegen EU-/EWR-Staatsangehörigkeit verlangend Kraft in Kraft, § 6 AStG Rz. 500.
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bengemeinschaft ist, spielt keine Rolle, weil insoweit auf den einzelnen Erben abzustellen ist.1 Die erweiterte Stundung gilt ferner in dem Fall, in dem ein unbeschränkt Steuerpflichtiger wegzugsbedingt eine weitere unbeschränkte Steuerpflicht in einem EU-/EWR-Staat begründet und abkommensrechtlich dort als ansässig gilt mit der Folge, dass etwaige Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen der deutschen Besteuerung entzogen sind (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 AStG).2 Im Unterschied zu § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 AStG ist Voraussetzung für die erweiterte Stundung, dass der Wegzügler die EU-/EWR-Staatsangehörigkeit besitzt. Damit reicht auch eine deutsche Staatsangehörigkeit aus. Die erweiterte Stundung kann auch ferner in Anspruch genommen werden, wenn die Kapitalanteile in einen Betrieb oder eine Betriebsstätte im EU-/EWR-Gebiet eingelegt werden (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 AStG). Schließlich kommt die erweiterte Stundung auch in den Fällen des § 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AStG in Betracht, etwa dann, wenn durch Änderung eines DBA eine (passive) Entstrickung von Anteilen an einer EU-/EWR-Kapitalgesellschaft ausgelöst wird (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 AStG).3 6.438
Ob eine erweiterte Stundung nach Maßgabe des § 6 Abs. 5 Sätze 1 bis 3 AStG in Betracht kommt, beurteilt sich im Wesentlichen nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Wegzuges oder spätestens zu dem Zeitpunkt, zu dem die maßgeblichen Voraussetzungen erfüllt sind. Für bestimmte nachträgliche Ereignisse ist die erweiterte Stundung allerdings zu widerrufen (§ 6 Abs. 5 Satz 4 AStG). Der Widerruf ist nicht in das Ermessen der Finanzbehörde gestellt, sondern zwingend vorgeschrieben.4 Die erweiterte Stundung ist hiernach zu widerrufen, soweit der Steuerpflichtige oder sein Rechtsnachfolger (Beschenkter, Erbe) die Kapitalanteile veräußert oder verdeckt in das Vermögen einer Kapitalgesellschaft einlegt (§ 6 Abs. 5 Satz 4 Nr. 1 AStG). Entsprechendes gilt für den Fall, dass die betreffende Kapitalgesellschaft aufgelöst, deren Kapital herabgesetzt und zurückgezahlt wird sowie bei Auskehrung von Beträgen aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S.d. § 27 KStG.5 Hierzu enthält § 6 Abs. 5 Satz 5 AStG insoweit eine Besonderheit, als auf Antrag Verschmelzung (§ 11 UmwStG), Spaltung (§ 15 UmwStG) und der Anteilstausch (§ 21 UmwStG) nicht als Veräußerung gelten, wenn die vorgenannten Umwandlungsvorgänge steuerneutral gestaltet werden können, wenn insbesondere die erhaltenden Anteile nach §§ 13 Abs. 2, 21 Abs. 2 UmwStG mit den Anschaffungskosten der bisherigen Anteile angesetzt werden könnten.6 Mit dieser Regelung soll die durch das Umwandlungssteuergesetz an sich gewährleistete Steuerneutralität auch für den Wegziehenden oder seinen Rechtsnachfolger erhalten bleiben.7
6.439
Für den Fall der Anteilsveräußerung nach Wegzug enthält schließlich auch § 6 Abs. 6 AStG eine Sonderregelung, die darauf gerichtet ist, eine Überbesteuerung zu vermeiden. Eine derartige Überbesteuerung ist insbesondere dann möglich, 1 Hierzu Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 220. 2 Art. 13 Abs. 5 OECD-MA. 3 Diese Regelung ist durch das ZollkodexAnpG v. 22.12.2014 (BGBl. I 2014, 2417) eingefügt worden und gilt in allen Fällen, in denen die geschuldete Steuer noch nicht entrichtet ist (§ 21 Abs. 13 AStG). 4 Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 230; Kraft in Kraft, § 6 AStG Rz. 510. 5 Verweis auf § 17 Abs. 4 EStG. 6 Zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 249 ff. 7 Hierzu Kraft in Kraft, § 6 AStG Rz. 530.
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E. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht
wenn der im Zeitpunkt des Wegzugs angesetzte gemeine Wert der Anteile im Falle der nachträglichen Veräußerung den erzielten Kaufpreis übersteigt, wenn also zwischenzeitlich Wertminderungen eingetreten sind. Damit erfolgt zum Zeitpunkt des Widerrufs der Stundung, also zum Zeitpunkt der Veräußerung, eine Anpassung an den tatsächlich erzielten Veräußerungspreis. Voraussetzung ist allerdings, dass der Zuzugsstaat seinerseits für Zwecke der dortigen Veräußerungsgewinnbesteuerung nicht auf den Zuzugswert, sondern etwa auf die historischen Anschaffungskosten abstellt, damit im Ergebnis die Wertminderung steuerlich nicht doppelt berücksichtigt wird. (§ 6 Abs. 6 Satz 1 AStG).1 Die vorgenannte Anpassung2 hängt davon ab, dass nachgewiesen wird, dass die durch Veräußerung realisierte Wertminderung betrieblich veranlasst und nicht etwa ausschüttungsbedingt ist (§ 6 Abs. 6 Satz 2 AStG). Die veräußerungsbedingte Wertminderung ist nur höchstens im Umfang des Vermögenszuwachses zu berücksichtigen, der der Steuerfestsetzung gem. § 6 Abs. 1 AStG zugrunde gelegt wurde. Diese anlässlich des Widerrufs der erweiterten Stundung gebotene reduzierte Wegzugsbesteuerung, die zu einer Änderung des ursprünglichen Steuerbescheides führt, hat eine Parallele in dem Fall, in dem die durch Veräußerung realisierte Wertminderung auf Gewinnausschüttungen beruht: § 6 Abs. 6 Satz 4 AStG eröffnet die Möglichkeit der Anrechnung inländischer Kapitalertragsteuer auf die durch Widerruf der Stundung (§ 6 Abs. 5 Satz 4 Nr. 1 AStG) fällig gestellte Einkommensteuer, falls die durch Veräußerung realisierte Wertminderung steuerlich unberücksichtigt geblieben ist. Insoweit wird eine Doppelbesteuerung der Gewinnausschüttungen einerseits und der Veräußerungsgewinne andererseits vermieden.3 Die Anrechnung der inländischen Kapitalertragsteuer unterliegt einerseits einer Höchstbetragsregelung dahingehend, dass nur bis zur Höhe der entsprechenden Wegzugssteuer angerechnet werden darf, sie ist aber andererseits zeitlich unbefristet. Ein weiterer Widerrufsgrund ist gegeben, wenn die Kapitalanteile nach Wegzug auf nicht unbeschränkt steuerpflichtige Personen übergehen, die nicht in einem EU-/EWR-Staat einer der deutschen unbeschränkten Einkommensteuerpflicht vergleichbaren Steuerpflicht unterliegen (§ 6 Abs. 5 Satz 4 Nr. 2 AStG). Angesprochen ist insbesondere der Übergang der Kapitalanteile von Todes wegen oder durch Schenkung auf Personen in Drittstaaten.4
6.440
Ein weiterer Widerrufsgrund ist in § 6 Abs. 5 Satz 4 Nr. 3 AStG enthalten und gilt für den Fall, dass die Kapitalanteile aus dem Betriebsvermögen entnommen oder durch einen anderen Vorgang der Ansatz mit dem Teilwert oder dem gemeinen Wert veranlasst wird. Dieser Widerrufsgrund ist stets verknüpft mit der eine Wegzugsbesteuerung aulösenden Einlage der Anteile in einen ausländischen Betrieb oder eine ausländische Betriebsstätte (§ 6 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AStG) und der in diesem Zusammenhang ausgesprochenen Steuerstundung ohne Sicherheits-
6.441
1 Zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 278 f. 2 Änderung des Steuerbescheids auf der Grundlage von § 175 Abs. 1 Satz 2 AO (§ 6 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 AStG). 3 Zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 295; Kraft in Kraft, § 6 AStG Rz. 590 f. 4 Im Einzelnen Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 239 ff.; Strunk/Kaminski in S/K/K, § 6 AStG Rz. 274; Müller-Gosoge in Haase3, § 6 AStG Rz. 213 f.
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Kap. 6 Einkommensteuer
leistung in EU-/EWR-Fällen (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 AStG). Im Wesentlichen geht es darum, dass im Falle der Entnahme dieser Anteile in das Privatvermögen die Stundung zu widerrufen ist, so dass es bei der festgesetzten Einkommensteuer verbleibt. Hier besteht allerdings ein Wertungsüberhang in den Fällen, in denen bei fort bestehender unbeschränkter Steuerpflicht die deutsche Besteuerung gem. § 17 Abs. 1 EStG sowie nach Abkommensrecht (Art. 13 Abs. 5 OECDMA) uneingeschränkt erhalten bleibt.1 6.442
Der Widerruf der Stundung erfolgt schließlich auch dann, wenn weggezogene Steuerpflichtige oder ihre Rechtsnachfolger nach ihrem Zuzug in einen Mitgliedstaat der EU bzw. EWR in einen Drittstaat wegziehen (§ 6 Abs. 5 Satz 4 Nr. 4 AStG). Im Hinblick darauf, dass der Widerruf an die Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts anknüpft, wird der Widerrufstatbestand z.B. bei einem Austritt des Zuzugsstaats aus der EU (z.B. Brexit) nicht erfüllt.2
6.443
Rechtsfolge des Widerrufs ist, dass bereits ergangene Einkommensteuerbescheide gem. § 175 Abs. 1 Satz 2 AO zu ändern sind (§ 6 Abs. 5 Satz 7 AStG), wobei auf Grund der in § 6 Abs. 5 Satz 7 Halbs. 1 AStG getroffenen Sonderregelung der steuerlich nunmehr erfasste Vermögenszuwachs rückwirkend bei der Anwendung des § 10d EStG zu berücksichtigen ist.
6.444
Um sicherzustellen, dass die Finanzbehörden zeitnah die in Betracht kommenden Widerrufsgründe in Erfahrung bringen, enthält § 6 Abs. 7 AStG umfangreiche Mitteilungspflichten. Hiernach ist der weg ziehende Steuerpflichtige oder sein Gesamtrechtsnachfolger verpflichtet, nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck die Verwirklichung eines der Widerrufsgründe mitzuteilen (§ 6 Abs. 7 Satz 1 AStG). Darüber hinaus hat er auch bis zum Ablauf des 31. Januar jeden Jahres schriftlich seine am Ende des Vorjahres geltende Anschrift mitzuteilen und zu bestätigen, dass die Kapitalanteile ihm oder im Fall der unentgeltlichen Rechtsnachfolge unter Lebenden seinem Rechtsnachfolger weiterhin zuzurechnen sind. Wird die vorgenannte Mitteilungspflicht verletzt, kann die Finanzbehörde die Stundung widerrufen (§ 6 Abs. 7 Satz 5 AStG).3
1 Hier hätte es näher gelegen, die Wegzugsbesteuerung rückgängig zu machen; zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B/S, § 6 AStG Rz. 243. 2 Herbst/Gebhardt, DStR 2016, 1705 (1707); Dorn/Schwarz, NWB 2016, 2182 (2186). 3 Zu den strafrechtlichen Folgen Schaumburg in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 15.29 ff.
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Kapitel 7 Körperschaftsteuer A. I. II. III. IV. V. VI.
Unbeschränkte Steuerpflicht . . Wohnsitzprinzip . . . . . . . . . Geschäftsleitung . . . . . . . . . Sitz . . . . . . . . . . . . . . . . . Inland . . . . . . . . . . . . . . . . Subjektsqualifikation . . . . . . Besteuerung des Welteinkommens (Welteinkommensprinzip) VII. Besonderheiten . . . . . . . . . . 1. Zinsschranke . . . . . . . . . . . 2. Grenzüberschreitende Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . B. I. II. III. IV. 1. 2. 3. V. 1.
Beschränkte Steuerpflicht . . . . Allgemeines . . . . . . . . . . . . Steuersubjekte . . . . . . . . . . Inländische Einkünfte . . . . . . Veranlagung und Steuerabzug . Überblick . . . . . . . . . . . . . Steuerabzug . . . . . . . . . . . . Erstattung und Freistellung . . . Besonderheiten . . . . . . . . . . Grenzüberschreitende Einlagenrückgewähr . . . . . . . . . . . .
_ _ _ _ _ _ ___ _ __ _ _ _ _ _ _ _ _ 7.1 7.1 7.2 7.4 7.6 7.7
7.8 7.9 7.9
7.14
7.19 7.19 7.23 7.26 7.30 7.30 7.32 7.36 7.37 7.37
_ _ _ __ _ _ _ _ _ _ _
a) Einlagenrückgewähr durch EU-Körperschaft oder EUPersonenvereinigung . . . . . b) Einlagenrückgewähr durch Drittstaaten-Körperschaft oder Drittstaaten-Personenvereinigung . . . . . . . . . . . 2. Grenzüberschreitende Organschaft . . . . . . . . . . . . . . . . C. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht . . . . . . . . . . . I. Überblick . . . . . . . . . . . . II. Wegzug von Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtliche Vorgaben und steuerliche Rechtsfolgen . . . 2. Wegzug in einen EU-/EWRStaat . . . . . . . . . . . . . . . 3. Wegzug in einen Drittstaat . . III. Zuzug von Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Rechtliche Vorgaben und steuerliche Rechtsfolgen . . . 2. Steuerverstrickung . . . . . . .
7.37
7.41 7.42
. .
7.43 7.43
.
7.45
.
7.45
. .
7.48 7.57
.
7.62
. .
7.62 7.64
A. Unbeschränkte Steuerpflicht I. Wohnsitzprinzip Literatur Kommentare zu § 1 KStG; Staringer, Besteuerung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften, Wien 1999; Mössner in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. Köln 2012, Kapitel 2 Rz. 2.63 ff.
Ebenso wie das Einkommensteuergesetz folgt auch das Körperschaftsteuergesetz dem international üblichen Wohnsitzprinzip, wonach die unbeschränkte Steuerpflicht an den Ort der Geschäftsleitung oder an den Sitz (Satzungssitz) anknüpft (§ 1 Abs. 1 KStG).1 Während das sich an tatsächlichen Verhältnissen orientie1 Der Gesetzgeber beabsichtigt, durch Änderung und Ergänzung der AO die Transparenz zwischen Gesellschaftern und u.a. ausländischen Kapitalgesellschaften zu erhöhen. Einem Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (StUmgBG) liegt die Veröffentlichung der sog. „Panama Papers“ durch ein Journalistennetzwerk im April 2016 zugrunde.
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7.1
Kap. 7 Körperschaftsteuer
rende Anknüpfungsmerkmal der Geschäftsleitung mit dem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt natürlicher Personen vergleichbar ist, wird mit dem Sitz an ein Merkmal in rein rechtlicher Hinsicht angeknüpft. Es entspricht der Staatsangehörigkeit natürlicher Personen.
II. Geschäftsleitung Literatur Kommentare zu § 10 AO und § 1 KStG; Felix, Der Ort der Geschäftsleitung im Steuerrecht, DStR 1962/63, 421; Kessler/Müller, Ort der Geschäftsleitung einer Kapitalgesellschaft nach nationalem und DBA-Recht – Bestandsaufnahme und aktuelle Entwicklungen, IStR 2003, 361; Knobbe-Keuk, Umzug von Gesellschaften in Europa, ZHR 1990, 325; Lechner, Ort der Geschäftsleitung von inländisch beherrschten ausländischen Gesellschaften, in FS für Stoll, Wien 1990, 395; Mössner in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. Köln 2012, Rz. 2.66 ff.; Neher, Widersprechen sich Finanzgerichtsbarkeit und Zivilgerichte in der Frage des Orts der Geschäftsführung ausländischer GmbH-Geschäftsführer?, GmbHR 1980, 64; Raupach, Globalisierung – unternehmensrechtliche und unternehmenssteuerrechtliche Probleme bei übergreifenden Märkten, JbFSt 1994/95, 419; Schaumburg/ Schloßmacher, Gesellschaftsrechtliche und steuerrechtliche Fragen polyzentrischer und virtueller Unternehmen, in Lutter/Scholz/Sigle (Hrsg.), FS für Peltzer, Köln 2001, 389; Schröder, Gesellschafter und Ort der Geschäftsleitung, StBp. 1980, 97.
7.2
Nach der Legaldefinition des § 10 AO ist Geschäftsleitung der Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung. Das ist der Ort, wo der für die Geschäftsführung maßgebende Wille gebildet wird.1 Bei einer an mehreren Orten tätigen Geschäftsführung ist der gem. § 10 AO maßgebliche Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung da, wo sich die in organisatorischer und wirtschaftlicher Hinsicht bedeutungsvollste Stelle befindet.2 Sind kaufmännische und technische Leitung getrennt, ist auf den Ort der kaufmännischen Leitung abzustellen.3 Gibt es mehrere Orte der kaufmännischen Leitung, ist derjenige Ort maßgeblich, an dem die wichtigsten Entscheidungen getroffen werden. Im Hinblick auf den Wortlaut des § 10 AO „Mittelpunkt der geschäftlichen Oberleitung“ gibt es somit stets nur einen einzigen Ort der Geschäftsleitung,4 der sich allerdings gerade bei polyzentrischen Unternehmen in der Praxis nur sehr schwer bestimmen lässt.5 Es kommt allein darauf an, wo die für die Geschäftsführung nötigen Maßnahmen von einigem Gewicht angeordnet werden.6 Das ist regelmäßig der Ort, an dem die zur Vertretung befugten Personen die ihnen obliegende laufende Geschäftsführungstätigkeit entfalten, d.h., an dem sie die tatsächlichen organisatorischen 1 BFH v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437; v. 19.3.2002 – VIII R 62/00, BFH/NV 2002, 1411; v. 31.1.2002 – V B 108/01, BStBl. II 2004, 622. 2 BFH v. 7.12.1994 – I K 1/93, BStBl. II 1995, 175. 3 BFH v. 3.8.1977 – I R 128/75, BStBl. II 1977, 857; v. 23.1.1991 – I R 22/90, BStBl. II 1991, 554. 4 Diese in der Praxis wenig bedeutsame Frage ist allerdings streitig; vgl. hierzu den Überblick bei Drüen in T/K, § 10 AO Rz. 9 5 Hierzu Raupach, JbFSt 1994/1995, 419 f.; Schaumburg/Schloßmacher in FS Peltzer, 389 ff. 6 BFH v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695; v. 21.9.1989 – V R 55/84, BFH/NV 1990, 353; v. 21.9.1989 – V R 32/88, BFH/NV 1990, 688; v. 23.1.1991 – I R 22/90, BStBl. II 1991, 554; v. 7.12.1994 – I K 1/93, BStBl. II 1995, 175.
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A. Unbeschränkte Steuerpflicht
und rechtsgeschäftlichen Handlungen vornehmen, die der gewöhnliche Betrieb der Gesellschaft mit sich bringt (sog. Tagesgeschäfte).1 Unbeachtlich ist mithin, wo die abgegebenen Willenserklärungen wirksam werden oder die angeordneten Maßnahmen auszuführen sind.2 Der Ort der nach außen hin erkennbaren Verwaltung muss daher örtlich nicht identisch sein mit dem Ort der geschäftlichen Oberleitung, der im Zweifel dort ist, wo sich das Büro des Geschäftsführers oder Vorstandes befindet.3 Nimmt der Geschäftsführer (Vorstand) seine Geschäfte von seiner Wohnung aus wahr, ist dort der Ort der Geschäftsleitung.4 Die Ausübung von gesellschaftsrechtlichem Einfluss auf die Geschäftsführer, etwa im Rahmen derjenigen Befugnisse, die dem Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft (§ 111 AktG) oder den Gesellschaftern einer GmbH (§ 46 GmbHG) zustehen, hat auf den Ort der Geschäftsleitung grundsätzlich keinen Einfluss.5 Die Einwirkung auf die Geschäftsführung muss vielmehr über die fallweise Beeinflussung hinausgehen und sich auf den täglichen Geschäftsablauf erstrecken. Daher befindet sich bei Organgesellschaften der Ort der Geschäftsleitung nur dann am Ort der Geschäftsleitung des Organträgers, wenn die Organgesellschaft nach Art einer Betriebsabteilung des Organträgers geführt wird.6 Die bloße Verwaltung von Beteiligungen an anderen Gesellschaften, etwa durch Holdinggesellschaften,7 ist demgegenüber für § 10 AO ebenso wenig von Bedeutung wie der einheitliche Betätigungswille bei Betriebsaufspaltungen.8 Nicht selten werden bei im Ausland domizilierenden Gesellschaften ohne eigenen Geschäftsbetrieb die Geschäfte von den im Inland ansässigen Gesellschaftern oder durch von ihnen bestimmte Personen vom Inland aus dadurch geführt, dass sie über ihre gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten hinaus die tatsächliche Geschäftsführung an sich ziehen. Daher stehen insbesondere „ausländische“ Briefkastengesellschaften, Basisgesellschaften (Rz. 13.24 ff.) und Holdinggesellschaften aus der Sicht der deutschen Finanzverwaltung in besonderem Maße im Verdacht, im Inland unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig zu sein.9
1 BFH v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437; v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86; v. 31.1.2002 – V B 108/01, BStBl. II 2004, 622. 2 Drüen in T/K, § 10 AO Rz. 2a; Hummel in Gosch3, § 1 KStG Rz. 47. 3 BFH v. 29.4.1987 – X R 16/81, BFH/NV 1988, 64; v. 23.1.1991 – I R 22/90, BStBl. II 1991, 554; v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437. 4 RFH v. 3.7.1934, RStBl. 1934, 1078; BFH v. 13.7.2006 – IV R 25/05, BStBl. II 2006, 804; Drüen in T/K, § 10 AO Rz. 2 m.w.N. 5 BFH v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695; v. 16.1.1976 – III R 92/74, BStBl. II 1976, 401; v. 7.12.1994 – I K 1/93, BStBl. II 1995, 175; im Einzelnen Schröder, StBp. 1980, 97 ff. 6 BFH v. 26.5.1970, BStBl. II 1970, 759; Drüen in T/K, § 10 AO Rz. 6. 7 Hierzu Drüen in T/K, § 10 AO Rz. 10; Lechner in FS Stoll, Wien 1990, 395 (400). 8 BFH v. 7.12.1994 – I K 1/93, BStBl. II 1995, 175; Drüen in T/K, § 10 AO Rz. 8 m.w.N. 9 Zu steuerstrafrechtlichen Implikationen in diesem Zusammenhang Schaumburg in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 15.21 ff.
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7.3
Kap. 7 Körperschaftsteuer
III. Sitz Literatur Kommentare zu § 11 AO und § 1 KStG.
7.4
Gemäß § 11 AO hat eine juristische Person ihren Sitz1 an dem Ort, der durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag, Satzung, Stiftungsgeschäft oder dergleichen bestimmt ist (statutarischer Sitz).2 Angeknüpft wird damit an ein juristisches Merkmal. Insoweit entspricht der Sitz juristischer Personen dem zivilrechtlichen, nicht aber dem steuerrechtlichen Wohnsitz natürlicher Personen.
7.5
Geschäftsleitung und Sitz stehen als Anknüpfungspunkte für die unbeschränkte Steuerpflicht3 nach § 1 Abs. 1 KStG gleichrangig nebeneinander.
IV. Inland 7.6
Ebenso wenig wie das Einkommensteuergesetz enthält auch das Körperschaftsteuergesetz einen eigenständigen Inlandsbegriff (vgl. § 1 Abs. 3 KStG). Es gelten die allgemeinen Grundsätze (Rz. 6.28 ff.).
V. Subjektsqualifikation Literatur Kommentare zu §§ 1 und 3 KStG; Debatin, Die grenzüberschreitende Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften, Hamburg 1990; Großmann, Doppelt ansässige Kapitalgesellschaften im Internationalen Steuerrecht, München 1995; Hausmann/Raupach u.a., Steuergestaltung durch doppelt ansässige Gesellschaften?, München 1988; Höft, Identitätswahrende Verwaltungssitzverlegung, Köln/Berlin/Bonn/München 1992; IFA, Anerkennung der steuerlichen Rechtsfähigkeit ausländischer Unternehmen, CDFI LXXIIIa, Deventer 1988; Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, Köln 2005; Mössner in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. Köln 2012, Rz. 2.53 ff.; Neuhaus, Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts, 2. Aufl. Tübingen 1976; Panthen, Der „Sitz“-Begriff im internationalen Gesellschaftsrecht, Frankfurt/Bern/New York/Paris 1988; Runge, Die steuerliche Ansässigkeit von Gesellschaften, Hamburg 1987; Schaumburg, Zuzug und Wegzug von Kapitalgesellschaften im Steuerrecht, in Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, Köln 2005, 403 Schnitger, Fragestellungen zur steuerlichen Behandlung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften, IStR 2013, 82; Schnittker, Gesellschafts- und steuerrechtliche Behandlung einer englischen United Liability Partnership mit Verwaltungssitz in Deutschland, Diss. Köln 2006; Staringer, Besteuerung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften, Wien 1999; Stein, Doppelt ansässige Kapitalgesellschaften, Lohmar/Köln 2007.
7.7
Die Einordnung von nach inländischem Recht errichteten Körperschaften in § 1 Abs. 1 KStG bereitet keine Schwierigkeiten, weil diese Vorschrift eine Aufzäh1 Der zivilrechtliche Begriff Verwaltungssitz ist der Ort, an dem die Geschäftsführungsentscheidungen umgesetzt werden; BGH v. 21.3.1986 – V ZR 10/85, NJW 1986, 2194 (entspricht eher dem steuerlichen Begriff der Geschäftsleitung); BFH v. 23.6.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972; Hummel in Gosch3, § 1 KStG Rz. 47; Knobbe-Keuk, ZHR 1990, 325 (355). 2 §§ 5 und 278 AktG, § 4a GmbHG, § 6 GenG, § 18 VAG, §§ 24, 57 und 80 BGB. 3 R 1.1 KStR 2015.
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Schaumburg/von Freeden
A. Unbeschränkte Steuerpflicht
lung insbesondere aller Kapitalgesellschaften (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG) enthält und zudem über § 1 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 KStG weitere Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen erfasst und somit keine Regelungslücke lässt.1 Anders ist es indessen mit der Subjektsqualifikation2 von nach ausländischem Recht errichteten Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen. Hier gilt im Ergebnis folgendes: Sind nach ausländischem Recht errichtete Kapitalgesellschaften3 mit Ort der Geschäftsleitung im Inland körperschaftlich strukturiert und mit den in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG genannten Gesellschaften deutschen Rechts vergleichbar,4 sind sie als Kapitalgesellschaft i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG5 unbeschränkt steuerpflichtig. Sind sie dagegen mit Personengesellschaften deutschen Rechts vergleichbar, unterliegen nicht die Gesellschaften selbst, sondern ihre Gesellschafter der Besteuerung (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Nach ausländischem Recht errichtete Gesellschaften sind daher, soweit sie körperschaftlich strukturiert sind, stets Körperschaftsteuersubjekte und damit unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig, wenn sie im Inland den Ort ihrer Geschäftsleitung haben. Damit entspricht § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG der europarechtlich verbürgten Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV), wie sie für den Zuzug von Kapitalgesellschaften durch die Rechtsprechung des EuGH6 konkretisiert worden ist. Die Qualifikation als Körperschaftsteuersubjekt hat unabhängig davon zu erfolgen, ob nach den Regeln des internationalen Gesellschaftsrechts die Sitz- oder Gründungstheorie zur Anwendung kommt.7 Damit ist auch unerheblich, ob die ausländische Gesellschaft aus der Sicht des deutschen internationalen Privatrechts Rechtsfähigkeit hat oder nicht. Entscheidend ist allein, ob die ausländische Gesellschaft nach Maßgabe des ausländischen Rechts die Rechtsfähigkeit besitzt.8 Die vorstehenden Grundsätze gelten, da § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG insoweit nicht differenziert, auch für in Drittstaaten errichtete Rechtsträger mit der Folge, dass diese auch dann Körperschaftsteuersubjekte sind, wenn ihnen nach Maßgabe des deutschen internationalen Privatrechts in Orientierung 1 R 1.1 Abs. 1 KStR 2015. 2 Der Begriff „Qualifikation“ stammt zwar aus dem Internationalen Privatrecht, wo er im Zusammenhang mit Kollisionsnormen Bedeutung erlangt (vgl. Neuhaus, Grundbegriffe des Internationalen Privatrechts2, 351 ff.); er hat aber auch das Internationale Steuerrecht mit allerdings unterschiedlichen Begriffsdeutungen (vgl. Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 96b ff.) erobert. Dieser Begriff steht hier im Sinne von „Einordnung“ oder „Bestimmung“. 3 Der Klammerzusatz in § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG enthält eine nicht abschließende Aufzählung von Kapitalgesellschaften („insbesondere“). 4 Zu den einzelnen Merkmalen des maßgeblichen Typenvergleichs BFH v. 1.7.1992 – I R 6/92, BStBl. II 1993, 222; v. 17.5.2000 – I R 19/98, BStBl. II 2000, 619; v. 19.3.2002 – VIII R 62/00, BFH/NV 2002, 1411; v. 20.8.2008 – I R 39/07, BStBl. II 2009, 234; BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411 (zur LLC). 5 Vgl. BFH v. 15.7.1998 – I B 134/97, BFH/NV 1999, 372; v. 16.12.1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437; v. 29.1.2003 – I R 6/99, BFH/NV 2003, 969; Hummel in Gosch3, § 1 KStG Rz. 107; Hey in Tipke/Lang22, § 11 Rz. 31; Schaumburg in Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, 403 (411 ff.). 6 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 – Centros, Slg. 1999, I-1459; v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 – Überseering, Slg. 2002, I-9919; v. 30.1.2003 – Rs. C-167/01 – Inspire Art, Slg. 2003, I-10155. 7 Hummel in Gosch3, § 1 KStG Rz. 107; Kalbfleisch in Ernst & Young, § 1 KStG Rz. 45; Hey in Tipke/Lang22, § 11 Rz. 31; Schaumburg in Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, 403 (411 ff.). 8 Hummel in Gosch3, § 1 KStG Rz. 109; anderenfalls erfolgt die Subsumtion ggf. unter § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG.
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Kap. 7 Körperschaftsteuer
an die Sitztheorie die Rechtsfähigkeit versagt wird.1 Diese Grundsätze finden Anwendung nicht nur für Kapitalgesellschaften, sondern auch für die in § 1 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 KStG aufgeführten Rechtsträger. So unterliegen dem Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 Nr. 2 KStG nicht nur rechtsfähige und nicht rechtsfähige Genossenschaften deutschen Rechts,2 sondern auch nach ausländischem Recht errichtete Genossenschaften, wenn sie ihrer Struktur nach einer Genossenschaft deutschen Rechts entsprechen. Auch rechtsfähige Vereine und rechtsfähige privatrechtliche Stiftungen ausländischen Rechts können gem. § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sein, sofern sie im Inland ihre Geschäftsleitung haben. Entsprechendes gilt schließlich auch für nicht rechtsfähige Vereine und nicht rechtsfähige Stiftungen ausländischen Rechts. Sie werden von § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG erfasst, wenn sie mit den entsprechenden Rechtsträgern deutschen Rechts vergleichbar sind. Dies gilt in besonderer Weise für ausländisches Zweckvermögen, etwa Trusts,3 sofern die vom Trust erzielten Einkünfte nicht dem Stiftungs- oder Treugeber zuzurechnen sind.4
VI. Besteuerung des Welteinkommens (Welteinkommensprinzip) 7.8
Die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht ist ebenso wie die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht auf die Besteuerung des Welteinkommens gerichtet.5 Gemäß § 8 Abs. 1 KStG gilt insoweit auch die Grundlagennorm des § 2 Abs. 1 EStG.6 Wegen dieser Verweisung kommen auch diejenigen Vorschriften zur Anwendung, die zu einer Durchbrechung des Welteinkommensprinzips führen (Rz. 6.61 ff.). Nicht anwendbar sind lediglich solche Vorschriften, die speziell auf die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens natürlicher Personen ausgerichtet sind oder aber auf die persönlichen Verhältnisse dieser Personen abstellen.7
VII. Besonderheiten 1. Zinsschranke Literatur Kommentare zu § 8a KStG; Eilers, Fremdfinanzierung im Unternehmen nach der Unternehmenssteuerreform 2008, FR 2007, 733; Kaminski, Überlegungen zu den internationalen Aspekten der Zinsschranke, IStR 2011, 783; Köhler/Hahne, BMF-Schreiben zur Anwendung der steuerlichen Zinsschranke und zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung bei Kapital1 So etwa von in der Schweiz errichteten Kapitalgesellschaften; vgl. BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, ZIP 2008, 2411 (Trabrennbahn). 2 Namentlich Erwerbs- und Erzeugergenossenschaften; hierzu Hummel in Gosch3, § 1 KStG Rz. 75. 3 Vgl. BFH v. 5.11.1992 – I R 39/92, BStBl. II 1993, 388. 4 Hummel in Gosch3, § 1 KStG Rz. 92. 5 Die EU-Kommission schlägt vor, die körperschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage in der EU zu vereinheitlichen (Richtlinie über eine Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage, Vorschlag der EU-Kommission v. 25.10.2016, BR-Drs. 640/16 v. 27.10.2016). 6 Vgl. BFH v. 15.7.1987 – I R 280/81, BStBl. II 1988, 75. 7 Hierzu Roser in Gosch3, § 8 KStG Rz. 18.
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A. Unbeschränkte Steuerpflicht gesellschaften – Wichtige Verwaltungsregelungen, strittige Punkte und offene Fragen nach dem BMF-Schreiben vom 4.7.2008, IV C 7 – S 2742-a/07/10001, DStR 2008, 1505; München/Mückl, Die Vereinbarkeit der Zinsschranke mit dem Grundgesetz – Eine verfassungsrechtliche Bestandsaufnahme und Würdigung im Zuge des BFH-Beschlusses vom 18.12. 2013, DStR 2014, 1469; Musil/Schulz, Grenzüberschreitende Einkünfteverlagerungen in verbundenen Unternehmen und europarechtliche Handlungsspielräume der Mitgliedstaaten, DStR 2013, 2205; Niehus/Wilke, Die Besteuerung der Kapitalgesellschaften, 4. Auflage, Stuttgart 2014; Schön, Zurück in die Zukunft? Gesellschafter-Fremdfinanzierung im Lichte der EuGH-Rechtsprechung, IStR 2009, 882; Staats, Zur „Begrenzung der Gewinnverkürzung durch Abzug von Zins- oder sonstigen finanziellen Aufwendungen“ – Der OECD-Bericht zu Maßnahme 4 des BEPS-Aktionsplans, IStR 2016, 135.
Die Grundregel zur Zinsschranke ist § 4h EStG1 (siehe dazu Rz. 6.117 ff.). § 8a Abs. 1 KStG ergänzt § 4h EStG für körperschaftsteuerliche Zwecke, dabei gilt § 4h EStG für Körperschaften, soweit § 8a KStG keine abweichenden Regelungen trifft.2 Die verfassungsrechtlichen Bedenken zur Zinsschrankenregelung des § 4h EStG gelten auch hinsichtlich § 8a KStG (Rz. 6.119).3 § 8a KStG ist auf unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Körperschaften, die rechtsformbedingt oder tatsächlich über einen (Zinsschranken-)Betrieb verfügen, anwendbar.4 Dabei ist die in- oder ausländische Betriebsstätte einer Körperschaft nicht per se ein eigenständiger (Zinsschranken-)Betrieb.5 Vom Anwendungsbereich umfasst sind nur Zinseinkünfte, die der inländischen Besteuerung unterliegen. Somit wird eine Abzugsfähigkeit des Zinsaufwands, der einer ausländischen DBA-Freistellungsbetriebsstätte zuzurechnen ist, nicht von der Zinsschranke begrenzt.6 Die Zinsschranke ist auch auf ausländische Körperschaften mit Überschusseinkünften (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG) anwendbar (§ 8a Abs. 1 Satz 4 KStG). Hierbei handelt es sich insbesondere um beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften, die aufgrund der isolierenden Betrachtungsweise (§ 49 Abs. 2 EStG) als ausländische Objektgesellschaften mit unbeweglichem inländischem Vermögen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG) erzielen und nicht über einen eigenen (Zinsschranken-)Betrieb verfügen.
7.9
Die Zinsschrankengrundregel des § 4h EStG (Rz. 6.118) wird durch § 8a KStG wie folgt modifiziert:
7.10
Bei der Berechnung des EBITDA7 tritt anstelle des maßgeblichen Gewinns (vgl. § 4h Abs. 1 Satz 2 EStG) das maßgebliche Einkommen der Körperschaft (§ 8a Abs. 1 Satz 1 KStG).8 Das körperschaftsteuerliche Einkommen ist das nach den Vorschriften des EStG und KStG ermittelte Einkommen (ohne Anwendung von § 4h, § 10d EStG und § 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG). Die Abziehbarkeit des Nettozinsaufwands ist im Ergebnis auf eine Höchstgrenze von 30 % des EBITDA begrenzt. Der Vortrag des nicht verbrauchten EBITDA (EBITDA-Vortrag) und des
7.11
1 R 8.1 Abs. 1 KStR 2015. 2 Prinz in H/H/R, § 8a KStG, Rz. 8. 3 Zur Frage der Unionsrechtswidrigkeit z.B. Oellerich in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, 2015, Rz. 8.119. 4 Prinz in H/H/R, § 8a KStG, Rz. 11 5 Prinz in H/H/R, § 8a KStG, Rz. 7. 6 Prinz in H/H/R, § 8a KStG, Rz. 11. 7 Earnings before interest, taxes, depreciation and amortisation; steuerliches Betriebsergebnis. 8 § 8a Abs. 1 Satz 1, 2 KStG.
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Kap. 7 Körperschaftsteuer
nicht abzugsfähigen Zinsaufwands (Zinsvortrag) ist möglich. Allerdings geht ein bestehender Zinsvortrag bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 8c KStG unter (§ 4h Abs. 1 Satz 5 EStG). Dabei ist die Stille-Reserven-Klausel des § 8c Abs. 1 Satz 6 ff. KStG zwar auf den Zinsvortrag anwendbar, so dass bei Vorliegen (steuerpflichtiger) stiller Reserven bei der Zinsvortrags-Körperschaft in entsprechender Höhe ein Untergang des Zinsvortrags vermeidbar ist. Allerdings sind nur die stillen Reserven zu berücksichtigen, die den Betrag der nicht genutzten KSt- und GewSt-Verluste der Körperschaft übersteigen (§ 8a Abs. 1 Satz 3 KStG1). Dieser gesetzlichen Begrenzung liegt zugrunde, dass es sich bei dem Zinsvortrag um einen „Aufwandsposten“ handelt, der einen nicht genutzten Verlust (bei Nutzung des Zinsvortrags in zukünftigen Jahren) erhöht. 7.12
Die Ausnahmeregelung für konzernungebundene Unternehmen (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. b EStG), wonach die Zinsschranke nicht auf Unternehmen, die keinem Konzern angehören, anwendbar ist, gilt grundsätzlich auch für Körperschaften. Voraussetzung für eine Anwendung ist allerdings, dass der Betrag einer Fremdkapitalvergütung, die (ggf.) an – einen zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar am Grund- oder Stammkapital beteiligten Anteilseigner, – eine diesem nahestehende Person (§ 1 Abs. 2 AStG) oder – einen Dritten, der auf den vorgenannten Personenkreis zurückgreifen kann, geleistet wird, nicht mehr als 10 % des Nettozinsaufwands2 beträgt (§ 8a Abs. 2 KStG; nachweispflichtig ist die Körperschaft).
7.13
Die Ausnahmeregelung für Betriebe, bei denen die Voraussetzungen des Eigenkapitalvergleichs vorliegen (§ 4h Abs. 2 Satz 1 Buchst. c EStG), gilt grundsätzlich auch für Körperschaften. Allerdings verschärft § 8a KStG auch insoweit eine Anwendung der Ausnahmeregelung (§ 8a Abs. 3 KStG). Ein Eigenkapitalvergleich ist nur möglich, wenn die vorstehenden Voraussetzungen erfüllt sind (Rz. 7.12). Dabei wird jedoch eine weltweite Gesamtkonzernbetrachtung zugrunde gelegt, d.h., alle in- und ausländischen Konzerngesellschaften sind in die Prüfung einzubeziehen.3 Nur wenn die Körperschaft einen Nachweis erbringen kann, dass die 10 %-Voraussetzung bei sämtlichen Konzerngesellschaften erfüllt ist, findet der Eigenkapitalvergleich Anwendung. In der Besteuerungspraxis ist eine Nachweiserbringung zumindest in Groß-Konzernfällen kaum darstellbar (und von der Finanzverwaltung auch kaum überprüfbar). Dies gilt insbesondere dann, wenn einzelne Konzerngesellschaften ihren Sitz in Regionen haben, in denen eine 1 Die Regelungen zum Verlustabzug bei Körperschaften sind durch § 8d KStG (i.d.F. des Gesetzes zur Weiterentwicklung der steuerlichen Verlustverrechnung bei Körperschaften) ergänzt worden. Danach kommt es bei Vorliegen der Voraussetzung von § 8c Abs. 1 KStG nicht zu einem Verlustuntergang, wenn der Geschäftsbetrieb der Körperschaft für eine gesetzlich bestimmte Zeit unverändert fortgeführt wird (§ 8d Abs. 1 KStG) und keine gesetzlich definierten schädlichen Transaktionen vorliegen (§ 8d Abs. 2 KStG). Für einen Zinsvortrag sind stille Reserven i.S.d. § 8c Abs. 1 Satz 7 KStG nur zu berücksichtigen, soweit sie – wie bisher – die nach § 8c Abs. 1 Satz 6 und – neu – § 8d Abs. 2 Satz 1 KStG abziehbaren, nicht genutzten Verluste übersteigen (§ 8a Abs. 1 Satz 3 KStG). 2 Betrag der Zinsaufwendungen der Körperschaft i.S.d. § 4h Abs. 3 EStG abzüglich der Zinserträge. 3 Hierzu weiterführend Prinz in H/H/R, § 8a KStG Rz. 25, 27.
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A. Unbeschränkte Steuerpflicht
Fremdkapitalvergütung aus religiösen Gründen nicht in Form einer Zinszahlung (die als solche auch im Rechnungswesen abgebildet wird) erfolgt. Lediglich in „Klein-Konzernfällen“ (z.B. mehrstufige Immobilien-Erwerbsstrukturen unter Nutzung von Fremdkapital) ist eine Nachweiserbringung realistisch. 2. Grenzüberschreitende Organschaft Literatur Kommentare zu §§ 14 ff. KStG; Breuninger, Grundlagen internationaler Organschaft, in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Köln 2015, Rz. 25.1 ff.; Brocke/Müller, Die Auswirkungen des SCA Group Holding-Urteils auf das deutsche Steuerrecht, DStR 2014, 2106; Cloer/Kahlenberg, Gruppenbesteuerung in der EU im Lichte der EuGH-Rechtsprechung, SteuK 2014, 511; Frotscher, Grenzüberschreitende Organschaft – wo stehen wir?, IStR 2011, 697; Hoene, Der grenzüberschreitende Gewinnabführungsvertrag, IStR 2012, 462; Jochimsen/Zinowsky, DBA-Schachtelprivileg und Gewerbesteuer im Organschaftsfall, DStR 2015, 1999; Jochimsen/Zinowsky, Körperschaftsteuerliche Behandlung von Dividendenerträgen im Fall von Organträgerpersonengesellschaften, DStR 2016, 285; Kessler/Arnold, National begrenzte Organschaft, IStR 2016, 226; Krüger/Epe, Gesellschaftsrechtliche Fragen in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Köln 2015, Rz. 26.1 ff.; Rödder/Schönfeld, Abschied (auslandsbeherrschter) inländischer Kapitalgesellschaften von der deutschen Ertragsteuerpflicht? – Erste Anmerkungen zum überraschenden Urteil des BFH v. 9.2.2011 (I R 54, 55/10), DStR 2011, 762; Rödder/Schumacher, Der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts (Teil II), DStR 2001, 1685; Schnitger, Urteil des EuGH in der Rs. SCA als Katalysator für eine deutsche Organschaftsreform – jetzt geht’s los?, IStR 2014, 587; Schönfeld, Praxisfragen der grenzüberschreitenden Organschaft – dargestellt anhand von Fallbeispielen, IStR 2012, 368; Stangl/Winter, Organschaft 2013/2014, München 2014.
Eine körperschaftsteuerliche Organschaft zwischen einem Organträger und einer Organgesellschaft hat eine Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft zum Organträger zur Folge, d.h., Organträgereinkommen und Organeinkommen werden für Besteuerungszwecke saldiert (§ 14 Abs. 1 Satz 1 KStG). Organträger kann jedes in- oder ausländische gewerbliche Unternehmen sein (z.B. Personenoder Kapitalgesellschaft).1 Voraussetzung ist allerdings, dass die Beteiligung des Organträgers einer inländischen Betriebsstätte des Organträgers nach nationalem Steuerrecht2 und nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (funktional) zuzurechnen sein muss (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 6 ff. KStG). Danach ist die Errichtung einer Organschaft zwischen der inländischen Betriebsstätte einer ausländischen Kapitalgesellschaft und einer inländischen Organgesellschaft möglich. Das zugerechnete Organeinkommen ist in diesem Fall Gegenstand der inländischen Betriebsstätteneinkünfte.3 Organgesellschaft kann jede Körperschaft mit Geschäftsleitung im Inland und (Satzungs-)Sitz in einem EU- oder EWR-Staat sein (§ 14 Abs. 1 Satz 1 KStG).4 Eine aus dem EU- oder EWR1 Eingeführt als Reaktion auf die Entscheidung des BFH (BFH v. 9.2.2011 – I R 54/10, I R 55/10, BStBl. II 2012, 106) bei Diskriminierungsverbot von DBA; R 14.3 KStR 2015. 2 R 14.3 KStR 2015. 3 Kolbe in H/H/R, § 14 KStG, Rz. 197; Prinz in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 1.49. 4 Hintergrund der Abschaffung des doppelten Inlandsbezugs für eine Organgesellschaft war ein Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission, durch das eine Verletzung der Niederlassungsfreiheit beanstandet wurde (Vertragsverletzungsverfahren
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7.14
Kap. 7 Körperschaftsteuer
Ausland „zugezogene“ Kapitalgesellschaft (Geschäftsleitung im Inland, Satzungssitz im EU-/EWR-Staat) kann danach Organgesellschaft sein. Die Inlandsanknüpfung hinsichtlich der Geschäftsleitung hat zur Folge, dass die (ausländische) Kapitalgesellschaft unbeschränkt steuerpflichtig ist. Eine in der EU/dem EWR gegründete Körperschaft mit Geschäftsleitung im Ausland kann nicht Organgesellschaft sein (vgl. § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG). In diesem Fall fehlt es am Vorliegen einer inländischen Geschäftsleitung. Diese „Ausklammerung“ einer EU/ EWR-Körperschaft (mit Geschäftsleitung im Ausland und Satzungssitz in Deutschland) ist ein Verstoß gegen Unionsrecht.1 7.15
Eine grenzüberschreitende Organschaft liegt vor, wenn es sich bei dem Organträger und/oder der Organgesellschaft um eine ausländische Gesellschaft handelt (z.B. russische Kapitalgesellschaft mit Inlandsbetriebsstätte ist Organträger, GmbH ist Organgesellschaft; z.B. russische Kapitalgesellschaft mit Inlandsbetriebsstätte ist Organträger, französische S.A. mit inländischer Geschäftsleitung ist Organgesellschaft; z.B. GmbH ist Organträger, französische S.A. mit inländischer Geschäftsleitung ist Organgesellschaft). Die steuerlichen Wirkungen der Organschaft bleiben gleichwohl auf das Inland beschränkt, eine grenzüberschreitende Einkommenssaldierung erfolgt nicht. Eine internationale Saldierung der Einkommen der Konzerngesellschaften, die sie in verschiedenen Staaten erzielt haben, ist nach bestehendem Organschaftsrecht ebenfalls ausgeschlossen.2
7.16
Bei der inländischen Besteuerung des Organkreises werden zwecks Vermeidung einer mehrfachen Verlustnutzung negative Einkünfte nicht einbezogen, wenn sie bereits bei der Besteuerung des Organträgers, der Organgesellschaft oder einer anderen Person nach ausländischem Recht berücksichtigt werden (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG). Durch diese Regelung soll ein „Verlustimport“ durch Errichtung einer grenzüberschreitenden Organschaft vermieden werden (z.B. scheidet die Berücksichtigung des Verlusts einer Organgesellschaft mit Satzungssitz in Frankreich und Ort der Geschäftsleitung in Deutschland aus, wenn der Verlust bereits nach französischem Steuerrecht berücksichtigt wird).
7.17
In der Besteuerungspraxis sind bei der Errichtung einer grenzüberschreitenden Organschaft das Erfordernis des Abschlusses eines grenzüberschreitenden Gewinnabführungsvertrags (§ 14 Abs. 1 Satz 1 KStG)3 und dessen registerrechtliche Eintragung zwar problembehaftet, ein wirksamer Abschluss ist aber möglich. Nr. 2008/4909). Der Gesetzgeber änderte das Organschaftsrecht durch das Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts vom 20.2.2013, BGBl. I 2013, 285. 1 Z.B. Frotscher in Frotscher/Drüen, § 14 KStG Rz. 191; Oellerich in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, 2015, Rz. 8.111. 2 Cloer/Kahlenberg, SteuK 2014, 511; Kessler/Arnold, IStR 2016, 226; Schnitger, IStR 2014, 587. 3 Nach Auffassung von Oellerich (in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, 2015, Rz. 8.115 m.w.N.) handelt es sich bei dem organschaftsrechtlichen Erfordernis eines Gewinnabführungsvertrags um eine Verletzung der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit. Dieser Verstoß lasse sich dadurch vermeiden, dass der Gesetzgeber statt eines Unternehmensvertrags eine entsprechende schuldrechtliche Regelung als Organschaftsvoraussetzung zulässt. Ein solcher grenzüberschreitender „einfacher“ schuldrechtlicher Vertrag wäre nicht mit den Anerkennungsfragen eines Unternehmensvertrags behaftet; vgl. dazu auch Schönfeld, IStR 2012, 368.
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A. Unbeschränkte Steuerpflicht
Denn die Möglichkeit, einen ausländischen Rechtsträger unternehmensvertraglich zu verpflichten, richtet sich ausschließlich nach ausländischem (Gesellschafts-)Recht.1 Das ausländische Recht ist für die Organgesellschaft als Schuldnerin der vertragstypischen Verpflichtung einschlägig, so dass internationalkollisionsrechtlich nicht an deutsches Gesellschaftsrecht anzuknüpfen ist. Problematisch ist dabei, dass den meisten Rechtsordnungen im EU-/EWR-Raum Gewinnabführungsverträge nicht bekannt sind.2 Derzeit umfassen innerhalb der EU ausschließlich das portugiesische, österreichische und slowenische Recht Regelungen zu einem Gewinnabführungsvertrag.3 Dem Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags4 können gesellschaftsrechtliche Grundwertungen des ausländischen Rechts entgegenstehen, die in jedem Einzelfall vor Abschluss des Vertrags zu prüfen sind (z.B. könnte der Vertrag einen unzulässigen Eingriff in Gewinnbezugsrechte der Gesellschafter oder in Gläubigerschutzvorschriften begründen; ggf. löst der Vertrag Haftungsfolgen für Organe der Gesellschaft aus). Ein Verstoß gegen ausländische Rechtsvorschriften kann eine Unwirksamkeit des Gewinnabführungsvertrags (nach ausländischem Recht) zur Folge haben, die zu einem Wegfall der steuerlichen Organschaftsvoraussetzungen führt. Eine unzutreffende Rechtsanwendung im Ausland hätte insoweit Auswirkungen auf die inländische Organschaft. Unklar ist, ob für einen grenzüberschreitenden Gewinnabführungsvertrag ein Zustimmungsbeschluss des Organträgers (§ 293 Abs. 2 AktG) und eine Eintragung im Handelsregister (§ 294 AktG) erforderlich sind.5 Gegen eine Anwendbarkeit der deutschen Regelungen spricht, dass nach kollisionsrechtlichen Grundsätzen das ausländische Recht für den Vertrag insgesamt, also für beide Vertragsparteien, gleichermaßen gilt. Danach wäre ein „formloser“ Vertragsschluss möglich.6 Nach einer anderen Auffassung ist § 293 Abs. 2 AktG auch dann anwendbar, wenn das ausländische Recht entsprechende Voraussetzungen nicht kennt.7 Deshalb sollte in der Praxis aus Vorsichtsgründen ein Zustimmungsbeschluss des Organträgers eingeholt werden. Für den Fall, dass dem ausländischen Recht ein Gewinnabführungsvertrag nicht bekannt ist, stellt sich die Frage, ob auch ein „einfacher“ schuldrechtlicher Vertrag für die Errichtung einer ertragsteuerlichen Organschaft ausreichend sein könnte. Bei Zugrundelegung einer rechtskräftigen Entscheidung des FG Niedersachsen8 und einer rechtskräftigen Entscheidung des FG Rheinland-Pfalz9 dürfte dies ausreichend sein. Der schuldrechtliche Vertrag muss allerdings die Voraussetzungen erfüllen, die § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KStG an einen Gewinnabführungsvertrag stellt (Abschluss auf mindestens fünf Jahre; Durchführung des Vertrags).10 Offen ist, ob auch der BFH das Vorliegen einer (grenzüberschreitenden) 1 Stangl/Winter, Organschaft 2013/2014, Rz. A115. 2 Stangl/Winter, Organschaft 2013/2014, Rz. A115. 3 Kritisch z.B. Cloer/Kahlenberg, SteuK 2014, 513; Prinz in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 1.48. 4 R 14.5 KStR 2015. 5 Stangl/Winter, Organschaft 2013/2014, Rz. A121. 6 Bärwaldt/Schabacker, AG 1998, 182 (187). 7 Kindler in MünchKommBGB, Internationales Gesellschaftsrecht, Rz. 756. 8 FG Nds. v. 11.2.2010 – 6 K 406/08, DStRE 2010, 474 ff. 9 FG Rh.-Pf. v. 17.3.2010 – 1 K 2406/07, DStRE 2010, 802. 10 Siehe dazu auch A. Krüger/Epe in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, 2015, Rz. 26.21.
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Kap. 7 Körperschaftsteuer
ertragsteuerlichen Organschaft auf der Grundlage einer (nur) schuldrechtlichen Regelung anerkennen wird. 7.18
Das Erfordernis, den Vertrag in ein ausländisches Register einzutragen, kann sich aus ausländischem Recht ergeben. Eine Eintragung in das deutsche Handelsregister (für die Organgesellschaft) scheidet aus, da die Gesellschaft ihren Satzungssitz im Rahmen einer grenzüberschreitenden Organschaft im Ausland hat.
B. Beschränkte Steuerpflicht Literatur Kommentare zu § 2 KStG; Crezelius, Organschaft und Ausland, in FS für Beusch, Berlin/ New York 1993, 153; Eckert, Besteuerung von Dividenden an Steuerausländer, IStR 2003, 406; Grotherr Organschaftsfragen bei Auslandsbeziehungen, in Klein/Stihl/Wassermeyer/ Piltz/Schaumburg (Hrsg.) Unternehmen/Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 757; Hawlitschek, Die isolierende Betrachtungsweise und ihr Anwendungsbereich, IStR 2016, 177; Herzig/Dautzenberg, Die Einwirkungen des EG-Rechts auf das deutsche Unternehmenssteuerrecht, DB 1997, 8; Kessler, Internationale Organschaft in Dänemark, IStR 1993, 303; Ley, Besteuerung ausländischer Kapitalgesellschaften, Betriebsstätten und Personengesellschaften, KÖSDI 1995, 10414; Lüdicke, Grenzüberschreitende Beteiligungs- und Zinserträge, DStJG 30 (2007), 289; Lühn, Kapitalertragsteuerabzug bei beschränkt Körperschaftsteuerpflichtigen, PIStB 2009, 321; Rust, Anforderungen an eine EG-rechtskonforme Dividendenbesteuerung, DStR 2009, 2568; Schaumburg in Herzig, Organschaft, Stuttgart 2003, 419; Schlütter, Personengesellschaft oder Körperschaft?, DStJG 8 (1985), 215; Schönfeld, Ausgewählte internationale Aspekte der neuen Regelungen über die Kapitalertragsteuer, IStR 2007, 850.
I. Allgemeines 7.19
Im Gegensatz zum Einkommensteuerrecht wird im Körperschaftsteuerrecht nach Maßgabe des § 2 KStG zwischen zwei Gruppen beschränkter Steuerpflicht unterschieden1, nämlich zwischen – Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland haben (§ 2 Nr. 1 KStG) und – sonstigen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen, die nicht unbeschränkt steuerpflichtig sind (§ 2 Nr. 2 KStG).
7.20
Lediglich die erste Fallgruppe bildet eine Parallele zu der in § 1 Abs. 4 EStG normierten beschränkten Einkommensteuerpflicht. Ebenso wie in § 1 Abs. 4 EStG sind auch in § 2 Nr. 1 KStG Steuersubjekt und Steuerobjekt miteinander verkoppelt, so dass eine beschränkte Körperschaftsteuerpflicht nur dann gegeben ist, wenn zugleich inländische Einkünfte bezogen werden (Rz. 7.26 ff.).2
7.21
Soweit das Körperschaftsteuergesetz selbst keine Einschränkungen enthält, sind dessen Normen unterschiedslos sowohl im Rahmen der unbeschränkten als auch der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht anzuwenden. Zu den bedeutsamen 1 R 2 KStR 2015. 2 R 2 KStR 2015.
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B. Beschränkte Steuerpflicht
Ausnahmen zählt insbesondere § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG, wonach die in § 5 Abs. 1 KStG genannten Steuerbefreiungen für beschränkt Körperschaftsteuerpflichtige i.S. von § 2 Nr. 1 KStG nicht anzuwenden sind.1 § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG bedeutet keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes, weil Art. 3 Abs. 1 GG keine Anwendung auf nach ausländischem Recht errichtete juristische Personen findet.2 § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG verstößt auch nicht gegen das in den DBA verankerte Diskriminierungsverbot (Art. 24 Abs. 1 OECDMA), wonach die Besteuerung der Staatsangehörigen des anderen Staates nicht anders oder belastender sein darf als die Besteuerung der eigenen Staatsangehörigen unter gleichen Verhältnissen. Das sich aus dem Diskriminierungsverbot ableitende Gleichbehandlungsgebot erstreckt sich zwar auch auf Steuerbefreiungen, Steuervergünstigungen und Steuerermäßigungen,3 es findet seine Einschränkung aber in dem Vergleichsmaßstab gleicher Verhältnisse, so dass letztlich das bilaterale Diskriminierungsverbot deshalb nicht tangiert ist, weil die steuerliche Differenzierung ausschließlich an die Ansässigkeit der Körperschaftsteuersubjekte anknüpft.4 Indessen ist ein Verstoß gegen die europarechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) gegeben (Rz. 4.12 ff.). Denn § 5 Abs. 2 Nr. 2 KStG geht ausschließlich zulasten von nach ausländischem Recht errichteten Körperschaftsteuersubjekten. Da der Gesetzgeber gewöhnlich eine Korrektur europarechtswidriger Normen erst dann und nur insoweit vornimmt, als er durch eine Entscheidung des EuGH hierzu genötigt wird, ist bislang allein § 5 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 2 Nr. 2 KStG an das Europarecht angepasst worden.5
7.22
II. Steuersubjekte Im Gegensatz zu § 1 Abs. 1 KStG erstreckt sich § 2 Nr. 1 KStG auf alle Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen. Damit ist der Kreis der Steuersubjekte weit gezogen, so dass alle ausländischen juristischen Personen des öffentlichen oder privaten Rechts sowie die ausländischen nichtrechtsfähigen Personenvereinigungen und Vermögensmassen6 erfasst werden. Da § 2 Nr. 1 KStG auch nichtrechtsfähige Personenvereinigungen in seinen Regelungsbereich einbezieht, kommt es für Zwecke der beschränkten Steuerpflicht nicht darauf an, ob das ausländische Rechtsgebilde nach Maßgabe des deutschen Inter-
1 Ausnahme § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG für in EU-/EWR-Staaten ansässige Rechtsträger, die gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen. 2 BVerfG v. 1.3.1967 – 1 BvR 46/66, BVerfGE 21, 207 (209); BFH v. 20.10.1976 – I R 224/74, BStBl. II 1977, 175; v. 3.8.1983 – II R 20/80, BStBl. II 1984, 9; zu Einzelheiten Remmert in Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. 3 GG Rz. 88 ff.; zur Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde durch EU-Kapitalgesellschaften von Bogdandy in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Art. 18 AEUV Rz. 48; Remmert in Maunz/Dürig, Art. 19 Abs. 3 GG Rz. 92 ff. 3 BFH v. 14.3.1989 – I R 20/87, BStBl. II 1989, 649. 4 BFH v. 20.10.1976 – I R 224/74, BStBl. II 1977, 175; Frotscher in Frotscher/Drüen, § 5 KStG Rz. 352. 5 Anpassung an EuGH v. 14.9.2006 – Rs. C-386/04 – Stauffer, Slg. I-2006, 8203. 6 Hierzu zählen unter bestimmten Voraussetzungen auch Trusts; BFH v. 5.11.1992 – I R 39/92, BStBl. II 1993, 388; v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727.
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7.23
Kap. 7 Körperschaftsteuer
nationalen Privatrechts Rechtsfähigkeit genießt.1 Daher kann eine körperschaftlich verfasste Gesellschaft ausländischen Rechts stets der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht unterliegen.2 7.24
Ausländische nichtrechtsfähige Personenvereinigungen fallen nur dann unter den Regelungskreis des § 2 Nr. 1 KStG, wenn deren Einkommen nicht mittelbar bei den Gesellschaftern zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer heranzuziehen ist (§ 3 Abs. 1 KStG). Für ausländische Personenhandelsgesellschaften folgt hieraus, dass diese nur dann beschränkt körperschaftsteuerpflichtig sind, wenn sie aufgrund eines Typenvergleichs3 einer Körperschaft entsprechen.4
7.25
Da gem. § 2 Nr. 1 KStG nur solche Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen beschränkt körperschaftsteuerpflichtig sind, die weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland haben, kommen letztlich nur nach ausländischem Recht errichtete Körperschaften für die beschränkte Steuerpflicht in Betracht.
III. Inländische Einkünfte 7.26
Da § 2 Nr. 1 KStG keine Aussage darüber trifft, was als inländische Einkünfte der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht unterliegt, gilt über § 8 Abs. 1 KStG der in § 49 Abs. 1 EStG enthaltene Einkünftekatalog auch für die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht.5 Nicht zur Anwendung kommt allerdings § 8 Abs. 2 KStG mit der Folge, dass nicht unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Rechtsträger grundsätzlich alle Arten von Einkünften erzielen können.6 Steuerlich erhebliche Einkünfte sind allerdings nur dann gegeben, wenn die entsprechende Tätigkeit mit Einkünfteerzielungsabsicht unternommen wird.7 Daher sind für die Qualifizierung der inländischen Einkünfte im Rahmen der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht die gleichen Grundsätze wie bei der beschränkten Einkommensteuerpflicht anzuwenden. Das gilt insbesondere für die sich aus § 49 Abs. 2 EStG ergebende isolierende Betrachtungsweise, wonach
1 Sitz- oder Gründungstheorie spielen hier also von vorneherein keine Rolle. 2 Vgl. hierzu den Überblick über die von der Rechtsprechung entschiedenen Fälle bei Pfirrmann in Gosch3, § 2 KStG Rz. 18. 3 Hierzu im Einzelnen Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 4.5 ff. 4 Aufgrund dieses Typenvergleiches sind insbesondere die Personenhandelsgesellschaften des romanischen Rechtskreises nicht beschränkt körperschaftsteuerpflichtig; vgl. hierzu den Überblick bei Witt in H/H/R, § 2 KStG Rz. 42. 5 BFH v. 3.2.1993 – I R 80/91, I R 81/91, BStBl. II 1993, 462; v. 13.11.2002 – I R 90/01, BStBl. II 2003, 249; zu den inländischen Einkünften im Einzelnen R 2 KStR 2015. 6 Hierzu Schallmoser in H/H/R, § 8 KStG Rz. 34. 7 Insoweit können beschränkt körperschaftpflichtige im Unterschied zu unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Rechtsträgern, soweit letztere unter § 8 Abs. 2 KStG fallen, „Liebhaberei“ haben; BFH v. 7.11.2001 – I R 14/01, BStBl. II 2002, 861; v. 19.11. 2003 – I R 33/02, BFH/NV 2004, 445; Schallmoser in H/H/R, § 8 KStG Rz. 34, 42; Roser in Gosch3, § 8 KStG Rz. 71; die Rechtslage bei unbeschränkter Körperschaftsteuerpflicht ist allerdings streitig; zur Frage, ob § 8 Abs. 2 KStG eine Rechtsgrund- oder Rechtsfolgenverweisung enthält Hey in Tipke/Lang22, § 11 Rz. 37 m.w.N.
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B. Beschränkte Steuerpflicht
im Ausland gegebene Besteuerungsmerkmale (Tatbestandsmerkmale) außer Betracht bleiben, soweit bei ihrer Berücksichtigung inländische Einkünfte (§ 49 Abs. 1 EStG) nicht angenommen werden könnten (Rz. 6.153 ff.).1 Die Reichweite des § 49 Abs. 2 EStG ist indessen beschränkt, weil in jenen Fällen, in denen die Einkunftsart nicht losgelöst vom Steuersubjekt bestimmt werden kann, auf im Ausland verwirklichte Tatbestandsmerkmale zurückgegriffen werden muss. Das gilt insbesondere für Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG), aus nichtselbständiger Arbeit (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG), aus Leistungen gesetzlicher Rentenversicherungen (§ 49 Abs. 1 Nr. 7 EStG) und für Abgeordnetenbezüge (§ 49 Abs. 1 Nr. 8a EStG). Derartige Einkünfte können von Körperschaften ihrer Art nach nicht erzielt werden.2 Im Hinblick darauf, dass § 8 Abs. 2 KStG keine Anwendung findet, kann ein Körperschaftsteuersubjekt im Rahmen der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht ohne weiteres Einkünfte aus Landund Forstwirtschaft (§§ 2 Nr. 1; 8 Abs. 1 KStG i.V. mit § 49 Abs. 1 Nr. 1 EStG) erzielen, soweit keine Liebhaberei gegeben ist. Im Vordergrund steht in der Praxis die Erzielung von Einkünften aus Gewerbebetrieb gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Die in § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG genannten Anknüpfungsmerkmale kommen hierbei uneingeschränkt auch für Körperschaftsteuersubjekte zur Anwendung. Dies gilt auch für § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG, soweit das ausländische Körperschaftsteuersubjekt als Vergütungsgläubiger (Künstlerverleihgesellschaft) für künstlerische, sportliche, artistische, unterhaltende und ähnliche Darbietungen eingeschaltet ist.3 Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an inländischen Kapitalgesellschaften führen auch für ausländische Körperschaftsteuersubjekte zu Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG),4 wobei wegen der Bezugnahme auf § 17 EStG auch die dort genannten Veräußerungsersatztatbestände erfasst werden. Darüber hinaus erstreckt sich die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. bb EStG) auch auf Kapitalanteile, die im Zuge einer Verschmelzung i.S. des § 13 Abs. 1 UmwStG erworben wurden. Voraussetzung ist, dass für die seinerzeit hingegebenen Anteile auf Antrag der Buchwert zum Ansatz kam (§ 13 Abs. 2 UmwStG). Erfasst werden ferner Kapitalanteile, die nach einem Anteilstausch i.S. des § 21 UmwStG der nachgelagerten Besteuerung gem. § 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 UmwStG5 oder nach einem identitätswahrenden Wegzug in einen EU-Staat der nachgelagerten Besteuerung gem. § 17 Abs. 5 Satz 3 EStG (Rz. 6.210 ff.) unterworfen sind. Den vorgenannten Fällen ist gemeinsam, dass es sich um eine nachgelagerte Besteuerung handelt, die auch Anteile an ausländischen Kapitalgesellschaften erfasst.6 1 Hierzu Hawlitschek, IStR 2016, 177 (181). 2 BFH v. 30.11.1966 – I 215/64, BStBl. III 1967, 400; v. 4.3.1970 – I R 140/66, BStBl. II 1970, 428; v. 7.7.1971 – I R 41/70, BStBl. II 1971, 771; v. 23.5.1973 – I R 163/71, BStBl. II 1974, 287; v. 20.2.1974 – I R 217/71, BStBl. II 1974, 511; v. 1.12.1982 – I R 238/81, BStBl. II 1983, 213; v. 20.6.1984 – I R 283/81, BStBl. II 1984, 828. 3 BFH v. 2.2.1994 – I B 143/93, BFH/NV 1994, 864; zu Einzelheiten Siegers in D/P/M, § 2 KStG Rz. 45 ff. 4 BFH v. 13.12.1961 – I 209/60 U, BStBl. III 1962, 85; Clausen in H/H/R, § 49 EStG Rz. 1246. 5 Betroffen sind EU-Kapitalanteile gem. Art. 8 EG-FusionsRL. 6 Hierzu Siegers in D/P/M, § 2 KStG Rz. 48a.
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7.27
Kap. 7 Körperschaftsteuer
7.28
Der beschränkten Steuerpflicht werden als Einkünfte aus Gewerbebetrieb auch Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung oder aus der Veräußerung von inländischem unbeweglichem Vermögen, Sachinbegriffen oder Rechten unterworfen, wenn sie von einer ausländischen Körperschaft erzielt werden, die einer inländischen Körperschaft i.S. der § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 KStG vergleichbar ist (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Doppelbuchst. bb Satz 2 EStG).1
7.29
Beschränkt steuerpflichtige Körperschaftsteuersubjekte können zwar keine Einkünfte aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit sowie keine Abgeordnetenbezüge erzielen, etwas anderes gilt aber für Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG)2 und insbesondere für Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG), die an keine natürlichen Personen vorbehaltene Tätigkeitsmerkmale anknüpfen.
IV. Veranlagung und Steuerabzug 1. Überblick 7.30
Bei beschränkt steuerpflichtigen Körperschaftsteuersubjekten wird die Körperschaftsteuer entweder im Rahmen einer Veranlagung durch Steuerbescheid festgesetzt oder durch Steuerabzug an der Quelle erhoben. Soweit das Körperschaftsteuergesetz selbst keine speziellen Vorschriften enthält, gelten über § 31 Abs. 1 KStG die entsprechenden Vorschriften des Einkommensteuergesetzes. Das gilt insbesondere für die für beschränkt Steuerpflichtige geltenden Vorschriften der §§ 50 und 50a EStG.3 Insoweit kann hier auf die für die beschränkte Einkommensteuerpflicht geltenden Ausführungen verwiesen werden (Rz. 6.267 ff.).
7.31
Das Körperschaftsteuergesetz enthält allerdings für beschränkt steuerpflichtige Körperschaftsteuersubjekte Sondervorschriften über den Steuerabzug vom Kapitalertrag und den Steuersatz. 2. Steuerabzug
7.32
Abweichend von den in §§ 43, 43a Abs. 1 EStG genannten Kapitalertragsteuersätzen, die für die Dividenden 25 % betragen, ergeben sich für beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften Reduktionen auf zwei unterschiedlichen Ebenen: Auf Abkommensebene wird die Quellensteuerbefugnis der Höhe nach durchweg auf 5 %, 10 % oder 15 % begrenzt (Art. 10 Abs. 2 OECD-MA),4 so dass unter den Voraussetzungen des § 50d Abs. 2 und 3 EStG (Freistellungsverfahren) von vornherein nur die reduzierte Kapitalertragsteuer einzubehalten ist. Gemäß § 43b Abs. 1 Satz 1 EStG wird die Kapitalertragsteuer nicht erhoben,5 1 Zum Typenvergleich Rz. 7.24. 2 Vgl. RFH v. 7.2.1929, RStBl. 1929, 193. 3 Das gilt auch für § 50a Abs. 1 Nr. 2 EStG; hierzu Loschelder in Schmidt35, § 50a EStG Rz. 12. 4 Vgl. zur deutschen Abkommenspraxis die Abkommensübersicht bei Tischbirek/Specker in V/L6; Art. 10 OECD-MA Rz. 67. 5 Die Freistellung steht allerdings unter Missbrauchsvorbehalt (§ 50d Abs. 3 EStG); zu Einzelheiten Rz. 19.160 ff.
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B. Beschränkte Steuerpflicht
wenn Gläubigerin eine beschränkt körperschaftsteuerpflichtige EU-Muttergesellschaft1 ist, die im Zeitpunkt der Entstehung der Kapitalertragsteuer (§ 44 Abs. 1 Satz 2 EStG) nachweislich seit mindestens zwölf Monaten ununterbrochen mindestens zu 10 % unmittelbar am Nennkapital der ausschüttenden unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft (Tochtergesellschaft) beteiligt ist (§ 43b Abs. 2 EStG). Wird der vorgenannte Beteiligungszeitraum erst nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Kapitalertragsteuer vollendet, ist die einbehaltene Kapitalertragsteuer zu erstatten (§ 43b Abs. 2 Satz 5 EStG). Im Hinblick darauf, dass die Kapitalertragsteuer 25 %, der tarifliche Steuersatz aber nur 15 % (§ 23 Abs. 1 KStG) beträgt, erfolgt gem. § 44a Abs. 9 EStG eine Erstattung von Kapitalertragsteuer in Höhe von 2/5, um so eine Gleichbehandlung mit unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Rechtsträgern zu gewährleisten.2 Hierbei finden die Vorschriften des § 50d Abs. 1 Sätze 3 bis 9, Abs. 3 und 4 EStG entsprechende Anwendung mit der Folge, dass insbesondere die Aktivitätsvoraussetzungen des § 50d Abs. 3 EStG (Rz. 19.160 ff.) erfüllt sein müssen. Gemäß § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG wird die Körperschaftsteuer für Einkünfte, die dem Steuerabzug unterliegen, im Falle der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht grundsätzlich durch den Steuerabzug abgegolten. Diese Abgeltungswirkung (Rz. 6.281 ff.) gilt dann nicht, wenn die abzugspflichtigen Einkünfte in einem inländischen gewerblichen oder land- und forstwirtschaftlichen Betrieb angefallen sind (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG). Darüber hinaus entfällt gem. § 32 Abs. 2 KStG die Abgeltungswirkung auch in weiteren vier Fällen: – § 32 Abs. 2 Nr. 1 KStG betrifft den Fall, dass während eines Kalenderjahres sowohl unbeschränkte Steuerpflicht als auch beschränkte Steuerpflicht gegeben ist. Dies hat zur Folge, dass die während der beschränkten Steuerpflicht erzielten steuerabzugspflichtigen Einkünfte in einer Veranlagung zur unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht mit der Maßgabe einzubeziehen sind, dass die einbehaltenen Abzugsteuern zur Anrechnung kommen.3 – Gemäß § 32 Abs. 2 Nr. 2 KStG entfällt die Abgeltungswirkung, wenn der Gläubiger der in § 50a Abs. 1 Nr. 1, 2 oder Nr. 4 EStG genannten Vergütungen eine Veranlagung zur Körperschaftsteuer beantragt. Dieses Veranlagungswahlrecht gilt nur für EU-/EWR-Körperschaften, deren Sitz und Ort der Geschäftsleitung sich innerhalb des Gebietes der EU/EWR befinden (§ 32 Abs. 4 KStG). Diese Regelung entspricht dem § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 EStG (Rz. 6.289). – Die Abgeltungswirkung entfällt gem. § 32 Abs. 2 Nr. 3 KStG ferner dann, wenn die beschränkt steuerpflichtige Körperschaft als Gläubigerin von steuerabzugspflichtigen Beträgen selbst in Anspruch genommen werden könnte. Angesprochen werden hiermit insbesondere § 44 Abs. 5 Satz 2 EStG, wonach ausnahmsweise der Gläubiger der Kapitalerträge in Anspruch genommen werden kann, und § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG, wenn der Vergütungsschuldner den Steuerabzug nicht vorschriftsmäßig vorgenommen hat.4 1 Gesellschaften i.S. des Art. 2 der Richtlinie 2011/96/EU des Rates vom 30.11.2011 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, ABl. 2011 Nr. L 345, 8, vgl. Anlage 4 zum EStG. 2 Hierzu Schönfeld, IStR 2007, 850 ff. 3 Diese Regelung entspricht der des § 2 Abs. 7 Satz 3 EStG. 4 Zu Einzelheiten Siegers in D/P/M, § 32 KStG Rz. 37 ff.
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7.33
Kap. 7 Körperschaftsteuer
– Schließlich betrifft § 32 Abs. 2 Nr. 4 KStG die Fälle, in denen die Körperschaft gem. § 38 Abs. 2 KStG nach dem Übergang vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren während eines Übergangszeitraums Ausschüttungen vornimmt.1 Hierdurch wird gewährleistet, dass die in § 38 Abs. 2 KStG geregelte ausschüttungsbedingte Körperschaftsteuererhöhung während des Übergangszeitraums weiterhin möglich bleibt. 7.34
In den Fällen, in denen bei Dividenden ein Kapitalertragsteuerabzug mit Abgeltungswirkung verbleibt, ergibt sich eine Regelungsdivergenz zwischen § 8b Abs. 1 KStG und § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG. Gemäß § 8b Abs. 1 KStG sind nämlich Dividenden bei der Ermittlung der Einkünfte der dividendenempfangenden beschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft2 außer Ansatz zu lassen, wobei gem. § 8b Abs. 5 KStG 5 % der Einnahmen als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben fingiert werden. Ungeachtet dieser (partiellen) Freistellung ist von den Dividenden ein Kapitalertragsteuerabzug vorzunehmen (§ 31 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V. mit § 43 Abs. 1 Satz 3 EStG), für den im Grundsatz die Abgeltungswirkung (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG) eingreift. Eine Erstattung einbehaltener Kapitalertragsteuer ist für diesen Fall nur im Geltungsbereich der Mutter-Tochter-Richtlinie (§ 43b EStG), nicht aber im Verhältnis zu Drittstaaten vorgesehen.3 Bei einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft als Dividendenbezieherin könnte demgegenüber die Kapitalertragsteuer auf die Körperschaftsteuer angerechnet werden (§ 31 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V. mit § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG), so dass insoweit eine geringere steuerliche Belastung gegeben ist. Im Hinblick auf diese Verwerfung,4 die letztlich auf der systemwidrigen Abgeltungswirkung beruht (Rz. 6.282), ist ein Steuererlass aus Billigkeitsgründen (§§ 163, 227 AO) geboten.5 Auf Streubesitzdividenden ist § 43b EStG hingegen nicht anwendbar.6 Seit der Geltung des neu eingefügten § 8b Abs. 4 KStG bleiben Streubesitzdividenden weder für unbeschränkt noch für beschränkt Steuerpflichtige bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz, so dass insofern keine Diskriminierung beschränkt Steuerpflichtiger mehr gegeben ist.7
7.35
Soweit die Körperschaftsteuer durch den Steuerabzug nicht abgegolten ist, gilt gem. § 23 Abs. 1 KStG für beschränkt steuerpflichtige Körperschaftsteuersubjekte einheitlich ein tariflicher Steuersatz von 15 %.8
1 Hierzu Siegers in D/P/M, § 32 KStG Rz. 46 ff. 2 § 8b Abs. 1 KStG gilt auch im Falle der beschränkten Steuerpflicht; vgl. Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 10. 3 § 50d Abs. 1 EStG findet auch nicht analog Anwendung; BFH v. 22.4.2009 – I R 53/07, BFH/NV 2009, 1543. 4 Lüdicke, DStJG 30 (2007), 289 (304 ff.). 5 Lühn, PIStB 2009, 321 (323). 6 Zur Unionsrechtswidrigkeit der Rechtslage vor Einführung des § 8b Abs. 4 KStG EuGH v. 20.10.2011 – Rs. C-284/09 – Kommission/Deutschland, ECLI:EU:C:2011:670 = Slg. 2011, I-9879 = DStR 2011, 2038; BFH v. 11.1.2012 – I R 25/10, BFHE 236, 318 = DStR 2012, 742. 7 § 32 Abs. 5 KStG sieht bis zur Anwendung des § 8b Abs. 4 KStG eine Erstattung der KapESt für EU/EWR-Gesellschaften vor, vgl. hierzu Rengers in Blümich, § 8b KStG Rz. 182 m.w.N. 8 Zuzüglich Solidaritätszuschlag.
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B. Beschränkte Steuerpflicht
3. Erstattung und Freistellung Der Steuerabzug erfolgt im Grundsatz unabhängig davon, ob nach Maßgabe des nationalen Rechts oder des Abkommensrechts ein niedrigerer Steuersatz oder gar eine Steuerfreistellung eingreift (Rz. 6.304). In Abweichung hiervon ergibt sich für den Gläubiger von Kapitalerträgen oder Vergütungen nur die Möglichkeit, im Nachhinein die vollständige oder teilweise Erstattung einbehaltener und abgeführter Abzugsteuer oder im Vorhinein eine entsprechende Freistellung zu beantragen (§ 31 Abs. 1 KStG i.V.m. § 50d Abs. 1 bis 6 EStG; Rz. 6.304). Sowohl Erstattung1 als auch Freistellung sind u.a. nur unter den für ausländische Kapitalgesellschaften maßgeblichen Voraussetzungen des § 50d Abs. 3 EStG zulässig.2 Nach dieser auf Missbrauchsverhinderung3 gerichteten Vorschrift werden Erstattung und Freistellung von Abzugsteuern versagt, soweit an der antragstellenden Auslandsgesellschaft Personen beteiligt sind, denen die Erstattung oder Freistellung nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten, und die von der ausländischen Gesellschaft im betreffenden Wirtschaftsjahr erzielten Bruttoerträge nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit4 stammen, sowie – für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen oder – die ausländische Gesellschaft nicht mit einem für ihren Geschäftszweck angemessenen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt. Die Missbrauchsregelung gilt nicht für börsennotierte Kapitalgesellschaften (§ 50d Abs. 3 Satz 5 EStG); insoweit wäre eine Tatbestandsmäßigkeit auch nicht überprüfbar.
V. Besonderheiten 1. Grenzüberschreitende Einlagenrückgewähr Literatur Kommentare zu § 27 KStG; Große, Das steuerliche Einlagenkonto – § 27 KStG, SteuK 2013, 67; Häberer, Alle Jahre wieder? – Die Antragstellung nach § 27 Abs. 8 KStG, DStZ 2010, 840; Peschke/Herrmann, Steuerrechtliche Behandlung der Einlagenrückgewähr bei Gesellschaften aus Drittstaaten jetzt vor dem BFH, IStR 2014, 371; Rödder/Schumacher, Das kommende SEStEG – Teil I: Die geplanten Änderungen des EStG, KStG und AStG – Der Regierungsentwurf eines Gesetzes über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften, DStR 2006, 1481; Schönfeld, Die spanische Ferienimmobilie – quo vadis?, FR 2015, 156; Sedemund, Zweifelsfragen im Rahmen von § 27 Abs. 8 KStG, IStR 2009, 579; Sedemund, Zuständigkeits- und Verfahrensfragen bei Leistungen ausländischer Kapitalgesellschaften an inländischen Anteilseigner, IStR 2010, 270. 1 Hierfür gelten zusätzlich die Voraussetzungen von § 31 Abs. 1 KStG i.V.m. §§ 50d Abs. 1, 50j EStG (AHRL-ÄndUmsG). 2 Vgl. zu den übrigen Voraussetzungen Rz. 6.301 ff. 3 Rule-/Directive-Shopping; hierzu Rz. 19.160 ff. 4 An einer eigenen Wirtschaftstätigkeit fehlt es, wenn die ausländische Gesellschaft ihre Bruttoerträge aus der Verwaltung von Wirtschaftsgütern erzielt oder ihre wesentlichen Geschäftstätigkeiten auf Dritte überträgt (§ 50d Abs. 3 Satz 3 EStG).
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7.36
Kap. 7 Körperschaftsteuer
a) Einlagenrückgewähr durch EU-Körperschaft oder EU-Personenvereinigung 7.37
Eine Einlagenrückgewähr von einer Körperschaft an ihre Anteilseigner hat Rechtsfolgen auf Anteilseignerebene und auf Gesellschaftsebene. Auf Ebene des Anteilseigners ist der Betrag der Einlagenrückgewähr mit den Anschaffungskosten bzw. dem Buchwert der Anteile an der Körperschaft zu verrechnen (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG; Rz. 7.40). Eine Besteuerung des ausgeschütteten Betrags erfolgt insoweit nicht. Soweit der Betrag die Anschaffungskosten bzw. den Buchwert übersteigt, liegt für Steuerzwecke eine Veräußerung vor, die nach allgemeinen Grundsätzen besteuert wird. Die steuerliche Behandlung auf Ebene der Körperschaft ist in § 27 KStG geregelt. Die Vorschrift zum steuerlichen Einlagekonto erfasst grundsätzlich nur unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften. Diese Voraussetzung ist auch erfüllt, wenn eine ausländische Körperschaft durch Zuzug während eines Kalenderjahrs unbeschränkt steuerpflichtig wird.1
7.38
Eine grenzüberschreitende Einlagenrückgewähr liegt vor, wenn eine ausländische Körperschaft oder Personenvereinigung, die nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist, Einlagen an einen Anteilseigner mit Wohnsitz im Inland „auskehrt“. Um eine Ungleichbehandlung von in der EU ansässigen Körperschaften, die im Inland nicht unbeschränkt steuerpflichtig sind, mit unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften zu vermeiden, sieht § 27 KStG die Möglichkeit vor, den Bestand der steuerlichen Einlagen der ausländischen Körperschaft „anlassbezogen“ festzustellen (§ 27 Abs. 8 Satz 1 KStG). Eine Feststellung erfolgt lediglich für das Wirtschaftsjahr des Antrags, eine fortlaufende Feststellung des Einlagenbestands erfolgt nicht.2 Die Tatsache, dass § 27 Abs. 8 Satz 1 KStG nach seinem Wortlaut nicht für Körperschaften mit Sitz in den Staaten des EWR anwendbar ist, dürfte ein Redaktionsversehen darstellen. Unter Zugrundelegung eines unionsrechtlichen Verständnisses und nach Auffassung des EuGH sind Staaten des EWR im Hinblick auf die Ausübung der Grundfreiheiten keine Drittstaaten und müssten demnach auch in den Anwendungsbereich der Norm einbezogen werden.3
7.39
Der Betrag der Einlagenrückgewähr ist von der Körperschaft oder Personenvereinigung zu ermitteln und im Rahmen der Antragstellung darzulegen. Der Antrag ist im Wirtschaftsjahr zu stellen, das dem Jahr der Leistung der Einlage folgt. Die Ermittlung des Einlagekontobestands ist in der Besteuerungspraxis regelmäßig mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, da zu diesem Zweck die „Steuerhistorie“ der ausschüttenden Körperschaft oder Personenvereinigung herangezogen werden muss. Ein inländischer Anteilseigner sollte – sofern im Einzelfall darstellbar – eine entsprechende jährliche Dokumentation der geleisteten Einlagen bzw. die Fortentwicklung eines (gedanklichen) Einlagekontos bei der EU-Kapitalgesellschaft anregen. Der Betrag der Einlagenrückgewähr ist gesondert festzustellen. 1 Zur Berechnung des Anfangsbestands und der Darstellung von Zu- und Abgängen des steuerlichen Einlagenkontos Große, SteuK 2013, 67. 2 § 27 Abs. 8 Satz 3 KStG; weiterführend: Große, SteuK 2013, 67 (70). 3 EuGH v. 23.9.2003 – Rs. C-452/01 – Ospelt und Schlössle Weissenberg, Slg. 2003, I-9743. Daher sprechen sich Dötsch in D/P/M, § 27 KStG Rz. 266 m.w.N. und Sedemund, IStR 2010, 271, für eine analoge Anwendung auf Gesellschaften aus diesen Staaten aus. Die Finanzverwaltung hält die Anwendung des § 27 Abs. 8 KStG auf Gesellschaften aus EWR-Staaten nunmehr für vertretbar, soweit eine gegenseitige Unterstützung i.S.d. Richtlinie 77/799/EWG durch den jeweiligen EWR-Staat geleistet wird.
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Schaumburg/von Freeden
B. Beschränkte Steuerpflicht
Auf Ebene des Anlegers ist der (gesondert festgestellte) Betrag der Einlagenrückgewähr mit den Anschaffungskosten bzw. dem Buchwert der Anteile an der Körperschaft (ertragsteuerneutral) zu verrechnen (vgl. § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Soweit der Betrag die Anschaffungskosten bzw. den Buchwert übersteigt, liegt für Steuerzwecke eine Veräußerung vor.
7.40
b) Einlagenrückgewähr durch Drittstaaten-Körperschaft oder DrittstaatenPersonenvereinigung Eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in einem Drittstaat ist nach dem Wortlaut der Vorschrift nicht vom Anwendungsbereich des § 27 Abs. 8 KStG erfasst. Die Finanzverwaltung geht davon aus, dass die Regelung in § 27 Abs. 8 KStG abschließend ist und erkennt eine grenzüberschreitende Einlagenrückgewähr einer Drittstaatengesellschaft nicht an.1 Eine Rückzahlung von Einlagen durch eine Drittstaatengesellschaft ist danach stets eine steuerbare und steuerpflichtige Dividende. Diese Auffassung ist abzulehnen, eine Drittstaatengesellschaft muss auch eine (ertragsteuerneutrale) Einlagenrückgewähr vornehmen können.2 Nach Entscheidungen des FG Nürnberg und des FG Münster ist eine Einlagenrückgewähr durch eine Drittstaatengesellschaft möglich, wenn die zahlende Gesellschaft den Nachweis erbringt, dass sie über keinen ausschüttungsfähigen Gewinn verfügt.3 Aus Sicht der Finanzgerichte sind keine Gründe ersichtlich, die eine Benachteiligung einer Gesellschaft aus einem Drittstaat hinsichtlich einer erfolgsneutralen Einlagenrückgewähr begründen könnten,4 die Grundsätze der Kapitalverkehrsfreiheit seien heranziehbar.5 Der BFH hat sich dieser Auffassung (anknüpfend an die Entscheidung des FG Nürnberg als Vorinstanz) angeschlossen.6 Hiernach gilt: Nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG gehören Bezüge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG nicht zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen, soweit sie aus Ausschüttungen einer Körperschaft stammen, für die Beträge aus dem steuerlichen Einlagekonto i.S.d. § 27 KStG als verwendet gelten. Da der Wortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG lediglich sinngemäß auf die Regelungen des § 27 KStG verweist und dieser die Einlagenrückgewähr bei einer in einem Drittstaat ansässigen Kapitalgesellschaft nicht ausdrücklich ausschließt, ist die Anwendung des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG trotz des einschränkenden Wortlauts von § 27 Abs. 1 KStG (im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesell1 Die zur alten Rechtslage ergangene Rechtsprechung (BFH v.14.10.1992 – I R 1/91, BStBl. II 1993, 189; v. 23.2.1999 – VIII R 60/96, BFH/NV 1999, 1200; v. 27.4.2000 – I R 58/99, BStBl. II 2001, 168; v. 20.10.2010 – I R 117/08, BFH/NV 2011, 669) wonach ausländisches Handelsrecht zur Qualifikation einer Einlagenrückgewähr heranzuziehen war, soll keine Anwendung mehr finden, Berninghaus in H/H/R, § 27 KStG Rz. 160; Dötsch in D/P/M, § 27 KStG Rz. 267; Bauschatz in Gosch2, § 27 KStG Rz. 135. 2 FG Nürnberg v. 12.6.2013 – 5 K 1552/11, DStRE 2014, 600; FG Münster v. 19.11.2015 – 9 K 1900/12 K, EFG 2016, 756, Az. beim BFH: I R 15/16. So auch Peschke/Herrmann, IStR 2014, 371; Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1490; Schönfeld, FR 2015, 158; Sedemund, IStR 2010, 271 (274). 3 FG Münster v. 19.11.2015 – 9 K 1900/12 K, EFG 2016, 756. 4 FG Münster v. 19.11.2015 – 9 K 1900/12 K, EFG 2016, 756. 5 Vgl. dazu Häberer, DStZ 2010, 846; Peschke/Herrmann, IStR 2014, 373 f.; Sedemund, IStR 2010, 270. 6 BFH v. 13.7.2016 – VIII R 47/13, DStR 2016, 2395.
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7.41
Kap. 7 Körperschaftsteuer
schaft) und § 27 Abs. 8 KStG (in einem anderen Mitgliedstaat der EU unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft) auch bei Drittstaaten-Kapitalgesellschaften grundsätzlich möglich. In einer weiteren Entscheidung konkretisiert der BFH mit Blick auf eine US-Kapitalgesellschaft, wie der Betrag der Einlagenrückgewähr zu bestimmen ist:1 Eine nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG nicht steuerbare Einlagenrückgewähr einer Drittstaaten-Kapitalgesellschaft liegt vor, soweit die Leistungen der Kapitalgesellschaft im Wirtschaftsjahr das Nennkapital und den im Vorjahr festgestellten ausschüttbaren Gewinn übersteigen oder wenn sich dies aus der Bilanz der ausschüttenden Gesellschaft ergibt. 2. Grenzüberschreitende Organschaft 7.42
Eine beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft kann Organträger in einer körperschaftsteuerlichen Organschaft sein (Rz. 7.14). Eine Organgesellschaft ist aufgrund ihrer Geschäftsleitung im Inland stets unbeschränkt steuerpflichtig (Rz. 7.14).
C. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht Literatur Kommentare zu §§ 11, 12 Abs. 1, 3 KStG; Aßmann, Rückwirkung bei Absenkung der Beteiligungsgrenze des § 17 EStG?, DStR 2006, 1115; Balthasar, Die Reservenbesteuerung bei der Verlegung juristischer Personen, Bern/Frankfurt 1973; Benecke/Schnitger, Neuregelungen des UmwStG und der Entstrickungsnormen durch das SEStEG, IStR 2006, 765; Blumenberg, Steuerfragen im Zusammenhang mit der Sitzverlegung der Europäischen Gesellschaft, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 559; Breuninger, Die „Zentralfunktion des Stammhauses“ bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 587; Dötsch/Pung, SEStEG: Die Änderungen des UmwStG, DB 2006, 2704; Eckl, Wechsel von beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht bei Kapitalgesellschaften, Frankfurt a.M.; Eyles, Das Niederlassungsrecht der Kapitalgesellschaften in der Europäischen Gemeinschaft, Baden-Baden 1990; Frobenius, „Cartesio“: Partielle Wegzugsfreiheit für Gesellschaften in Europa, DStR 2009, 487; Frotscher, Zur Vereinbarkeit der „Betriebsstättenbedingung“ bei Sitzverlegung und grenzüberschreitender Umwandlung mit den Grundfreiheiten, IStR 2006, 65; Gottschalk, Beschränkung für schweizerische Aktiengesellschaften mit Sitz in Deutschland gelten fort, ZIP 2009, 948; Hey, Personalstatut und Steuerrecht, DK 2004, 577; Hilgert/Illmer Wiederauferstehung der Sitztheorie?, NZG 2009, 94; Hofmeister, Sind die Rechtsfolgen des § 12 Abs. 1 KStG mit Art. 43, 48 EG-Vertrag vereinbar?, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 437; Jung, Die Verlegung der Geschäftsleitung und des Sitzes deutscher Kapitalgesellschaften oder von Betriebsstätten ins Ausland, Diss. Mannheim 1968; Kessler/Huck, Steuerliche Aspekte der Gründung und Sitzverlegung der Europäischen Aktiengesellschaft, DK 2006, 352; Kessler/Huck/Obser/ Schmalz, Wegzug von Kapitalgesellschaften, DStZ 2004, 813; Knobbe-Keuk, Der Wechsel von der beschränkten zur unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht und vice versa, StuW 1990, 372; Knobbe-Keuk, Wegzug und Einbringung von Unternehmen zwischen Niederlassungsfreiheit, Fusionsrichtlinie und nationalem Steuerrecht, DB 1991, 298; Köhler, Der Wegzug von Unternehmen und Unternehmensteilen in die EU, in Spindler/Tipke/Rödder 1 BFH v. 13.7.2016 – VIII R 73/13, DB 2016, 2395.
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C. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 813; Paefgen, Cartesio: Niederlassungsfreiheit minderer Güte, WM 2009, 529; Prinz, Deutschland, ein Auswanderungsland?, JbFSt 2007/2008, 416; Rödder, Gründung und Sitzverlegung der Europäischen Aktiengesellschaft (SE), DStR 2005, 893; Rödder, Steuerorientierte Überlegungen beim Wegzug und Zuzug von Unternehmen, Ubg. 2009, 597; Roth in Lutter, Europäische Auslandsgesellschaft in Deutschland, Köln 2005, 379; Schaumburg, Der Wegzug von Unternehmen in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 411; Schaumburg, Grenzüberschreitende Umwandlungen (II), GmbHR 1996, 585; Schaumburg, Zuzug und Wegzug von Kapitalgesellschaften im Steuerrecht, in Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, Köln 2005, 403; Schaumburg, Zuzug von Unternehmen, DK 2005, 347; Schön/Schindler in Lutter/Hommelhoff, SE-Kommentar 2008, Steuerrecht; Teichmann, Cartesio – Die Freiheit zum formwechselnden Wegzug, ZIP 2009, 393; Zimmer/Naendrup, Das Cartesio-Urteil des EuGH: Rück- oder Fortschritt für das internationale Gesellschaftsrecht?, NJW 2009, 545; Zisowski, Grenzüberschreitender Umzug von Kapitalgesellschaften, Heidelberg 1994.
I. Überblick Der Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht betrifft im Kern den grenzüberschreitenden Wegzug und Zuzug von Körperschaftsteuersubjekten,1 womit zugleich Rechtsfragen der Steuerentstrickung (geregelt in § 12 Abs. 1 und 3 KStG) und Steuerverstrickung angesprochen werden (Rz. 6.372 ff.). Steuerentstrickung und Steuerverstrickung können allerdings auch ohne Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht ausgelöst werden. Es geht hierbei vor allem um Fälle der objektbezogenen Steuerentstrickung und Steuerverstrickung, in denen etwa Wirtschaftsgüter grenzüberschreitend von einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft auf ihre ausländische Betriebsstätte überführt werden. Wegen der Einzelheiten wird auf Rz. 6.381 ff. verwiesen. Darüber hinaus geht es auch um Fälle des Wegzugs und des Zuzugs. Verlegt etwa eine Kapitalgesellschaft unter Beibehaltung des inländischen Satzungsitzes ihre Geschäftsleitung in das Ausland, bleibt die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht aufrechterhalten. In Abkommensfällen erfolgt dennoch wegzugsbedingt in aller Regel ein Wechsel in der Abkommensberechtigung (Art. 4 Abs. 3 OECD-MA) mit der Folge, dass das deutsche Besteuerungsrecht eingeschränkt oder gar völlig aufgehoben wird, so dass auch insoweit ein Fall der Steuerentstrickung gegeben ist. Der Wegzug und Zuzug von Kapitalgesellschaften betrifft somit gleichermaßen die isolierte und simultane Verlegung von Geschäftsleitung und Satzungssitz.
7.43
Über die vorgenannten Differenzierungen hinaus kommt es auch darauf an, ob der Wegzug und Zuzug einer Kapitalgesellschaft in oder aus einem EU-/EWRStaat bzw. in oder aus einem Drittstaat erfolgt. In diesem Zusammenhang ist unter dem Gesichtspunkt des Internationalen Privatrechts auch weiterhin von Bedeutung, inwieweit in dem einen oder anderen Staat die Sitz- oder Gründungstheorie2 zur Anwendung kommen. Unter diesem Gesichtspunkt kommt es
7.44
1 Nachfolgend geht es nur noch um Kapitalgesellschaften. 2 Rechtsstellung und Rechtsverhältnis der Gesellschaft richten sich bei der Sitztheorie nach dem Recht am Ort des Verwaltungssitzes und bei der Gründungstheorie nach dem Recht des Gründungsorts.
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Kap. 7 Körperschaftsteuer
beim Wegzug auch darauf an, ob dieser formwahrend, also unter Beibehaltung des anwendbaren Rechts, oder aber formwechselnd, also unter Änderung des anwendbaren Rechts, erfolgt. Hiernach beurteilt sich, ob der Wegzug oder Zuzug von Kapitalgesellschaften rechtlich überhaupt möglich ist.
II. Wegzug von Kapitalgesellschaften 1. Rechtliche Vorgaben und steuerliche Rechtsfolgen 7.45
Eine grenzüberschreitende Sitzverlegung im Sinne der Verlegung des Satzungssitzes und des Ortes der Geschäftsleitung ist nach derzeit geltendem nationalen Recht als identitätswahrender Wegzug nur bei der SE (Art. 8 Abs. 1 SE-VO)1 und der SCE (Art. 7 Abs. 1 SCE-VO)2 mit der Maßgabe möglich, dass Sitz und Hauptverwaltung3 in ein und demselben Mitgliedstaat liegen müssen (Art. 7 SE-VO, Art. 6 SCE-VO). In allen anderen Fällen ist der Wegzug durch Verlegung des Satzungssitzes derzeit zwar nach nationalem Recht rechtstechnisch ausgeschlossen,4 auf Grund europarechtlicher Vorgaben für den Fall des formwechselnden Wegzugs aber geboten.5 Demgegenüber ist die Verlegung des Verwaltungssitzes (Ort der Geschäftsleitung) unter Beibehaltung des inländischen Satzungssitzes in das Ausland6 nach nationalem Recht möglich,7 was allerdings europarechtlich nicht zwingend ist.8 Dieses Problemfeld des Internationalen Privatrechts hat im Ausgangspunkt für das Steuerrecht indessen keine Bedeutung: So sind etwa nach ausländischem Recht errichtete Körperschaften der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht auch dann unterworfen, wenn sie den Ort der Geschäftsleitung im Inland haben (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG), also ohne Rücksicht darauf, dass nach höchstrichterlicher Rechtsprechung9 eine derart zuziehende Gesellschaft nach Maßgabe der unverändert geltenden Sitztheorie als nichtrechtsfähige Personenvereinigung zu qualifizieren ist. Die steuerlichen Folgen einer grenzüberschreitenden Sitzverlegung von Kapitalgesellschaften ergeben sich mithin losgelöst davon, durch welche Doktrin das internationale Privatrecht des einen oder anderen Staates beherrscht wird.
7.46
Die steuerlichen Rechtsfolgen eines Wegzugs einer Kapitalgesellschaft sind in § 12 Abs. 1 und 3 KStG geregelt. Die dort verankerten Entstrickungsregelungen erfassen die Verlegung des Satzungssitzes und des Verwaltungssitzes (Ort der Geschäftsleitung)10 einer SE (SCE) in das EU-Ausland sowie im Übrigen die Ver1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Societas Europaea = Europäische Aktiengesellschaft = Europa-AG. Societas Cooperativa Europaea = Europäische Genossenschaft. Entspricht in etwa Satzungssitz und Ort der Geschäftsleitung (§§ 10, 11 AO). OLG München v. 4.10.2007 – 31 Wx 36/07, NZG 2007, 915; hierzu Leuering, ZRP 2008, 73 ff.; Bollacher, RIW 2008, 200 ff. EuGH v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 – Cartesio, ECLI:EU:C:2008:723 = Slg. 2008, I-9641 = NJW 2009, 569 (obiter dictum). EU/EWR-Bereich und Drittstaaten. Vgl. § 5 AktG, § 4a GmbHG. EuGH v. 27.9.1988 – Rs. C-81/87 – Daily Mail, Slg. 1988, 5483; v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 – Cartesio, ECLI:EU:C:2008:723 = Slg. 2008, I-9641 = NJW 2009, 569. BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, ZIP 2008, 2411 (Trabrennbahn). Zu den Unterschieden zwischen Verwaltungssitz und Ort der Geschäftsleitung Schön in Lutter/Hommelhoff/Teichmann2, SE-Kommentar, Teil D Rz. 70 ff.
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C. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht
legung des Orts der Geschäftsleitung in das Ausland durch nach ausländischem Recht errichtete Kapitalgesellschaften. In beiden Fallvarianten scheiden die betreffenden Kapitalgesellschaften aus der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht aus. Die Verlegung des Satzungssitzes einer Kapitalgesellschaft in das Ausland ist dagegen, soweit es sich nicht um eine SE handelt, nach nationalem Recht im Grundsatz (noch) ausgeschlossen. Sie führt stets zur Auflösung1 mit der Folge, dass bei entsprechender Umsetzung nicht § 12 Abs. 1 KStG, sondern eine Liquidationsbesteuerung gem. § 11 KStG2 eingreift. Etwas anderes gilt für den formwechselnden Wegzug, der ohne Auflösung grundsätzlich3 durch die europarechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) gewährleistet wird.4 Von § 12 Abs. 1 KStG wird allerdings auch der Fall erfasst, dass eine Kapitalgesellschaft unter Beibehaltung des inländischen Satzungssitzes ihre Geschäftsleitung in das Ausland verlegt und hierdurch bei Anwendung von DBA nunmehr abkommensrechtlich als im Ausland ansässig gilt (Art. 4 Abs. 3 OECD-MA). Die Rechtsfolgen des Wegzugs einer Kapitalgesellschaft auf Gesellschaftsebene hängen im Wesentlichen davon ab, ob der Wegzug in einen EU/EWR-Staat oder in einen Drittstaat erfolgt:
7.47
– § 12 Abs. 1 KStG betrifft den Wegzug in einen EU/EWR-Staat und in einen Drittstaat, soweit die Kapitalgesellschaft hierbei nicht aus der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht ausscheidet. – § 12 Abs. 3 KStG betrifft den Wegzug in einen Drittstaat bei Aufgabe der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht oder der inländischen Ansässigkeit i.S. des Abkommensrechts. 2. Wegzug in einen EU-/EWR-Staat Bei Wegzug einer Kapitalgesellschaft in einen EU-/EWR-Staat5 erfolgt nach Maßgabe des § 12 Abs. 1 KStG auf Gesellschaftsebene eine wirtschaftsgutbezogene Gewinnrealisierung (Entstrickung): Wird wegzugsbedingt das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung und der Nutzung eines Wirtschaftsguts ausgeschlossen oder beschränkt, gilt dies als Veräußerung oder Überlassung des Wirtschaftsguts zum gemeinen Wert. Erfasst wird durch die vorstehende Entstrickungsregelung nicht nur der Wegzug, der zum Ausscheiden aus der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht führt, sondern auch der Wegzug unter Beibehaltung der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht. Damit ergeben sich drei Fallgruppen: 1 Hierzu Roth in Lutter, Europäische Auslandsgesellschaft in Deutschland, 379 (395, 399). 2 R 11 KStR 2015. 3 Ausnahme: Vorbehalt der Rechtfertigung aus zwingenden Gründen des Allgemeinwohls; EuGH v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 – Cartesio, ECLI:EU:C:2008:723 = Slg. 2008, I-9641 = NJW 2009, 569; zur Frage des Gläubigerschutzes und der Mitbestimmung Kindler, NZG 2009, 493 ff. 4 EuGH v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 – Cartesio, ECLI:EU:C:2008:723 = Slg. 2008, I-9641 = NJW 2009, 569; hierzu Zimmer/Naendrup, NJW 2009, 545 (547); Frobenius, DStR 2009, 487 (488); Teichmann, ZIP 2009, 393 (402); Paefgen, WM 2009, 529 (532). 5 Im Folgenden werden die Steuerfolgen auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene dargestellt.
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7.48
Kap. 7 Körperschaftsteuer
1. Verlegung des Satzungssitzes und des Orts der Geschäftsleitung einer SE (SCE), 2. die Verlegung des Orts der Geschäftsleitung einer nach ausländischem Recht errichteten Kapitalgesellschaft in einen anderen EU-/EWR-Staat und 3. die Verlegung der Geschäftsleitung einer Kapitalgesellschaft mit Satzungssitz in Deutschland. 7.49
Das deutsche Besteuerungsrecht wird auf Gesellschaftsebene weder ausgeschlossen noch beschränkt, soweit Wirtschaftsgüter unverändert dem inländischen Betriebsstättenvermögen der wegziehenden Kapitalgesellschaft zuzuordnen sind. Hierbei spielt es keine Rolle, ob ein DBA eingreift oder nicht. Dies gilt nicht, wenn Wirtschaftsgüter auf Grund der Zentralfunktion der nunmehr im Ausland ansässigen Kapitalgesellschaft dem ausländischen Betriebsvermögen derselben zuzuordnen sind. Davon sind insbesondere immaterielle Wirtschaftsgüter sowie Beteiligungen an nachgeschalteten Kapitalgesellschaften betroffen.1 Im Ergebnis führt das dazu, dass eine gem. § 12 Abs. 1 KStG gebotene Steuerentstrickung nur dann unterbleibt, wenn die Wirtschaftsgüter unverändert inländisches Betriebsstättenvermögen bilden. In Abkommensfällen ist hierbei auf den abkommensrechtlichen Betriebsstättenbegriff (Art. 5 Abs. 1 OECD-MA) abzustellen, weil sich allein hiernach entscheidet, ob ein deutsches Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt wird.2 Das bedeutet zugleich, dass in den vorgenannten Fällen für die Zuordnung der Wirtschaftsgüter zum Betriebsstättenvermögen allein die abkommensrechtlichen Zuordnungskriterien maßgeblich sind.3
7.50
Soweit Wirtschaftsgüter einem ausländischen Betriebsstättenvermögen zuzuordnen sind, ergeben sich wegzugsbedingt keine Veränderungen, wenn die betreffenden Wirtschaftsgüter bereits vor dem Wegzug abkommensrechtlich durch Anwendung der Freistellungsmethode der deutschen Besteuerung entzogen waren. In den übrigen Fällen, also etwa dann, wenn überhaupt kein DBA eingreift oder aber vor dem Wegzug die Doppelbesteuerung durch Anrechnung vermieden wurde,4 entfällt das deutsche Besteuerungsrecht durch den Wegzug. Das gilt nicht nur in den Fällen, in denen die wegziehende Kapitalgesellschaft aus der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht ausscheidet, sondern auch dann, wenn wegen Verbleibens des Satzungssitzes im Inland die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht zwar aufrechterhalten bleibt, die abkommensrechtliche Ansässigkeit aber in den anderen Staat wechselt.5 Darüber hinaus erfolgt schließlich auch eine Gewinnrealisierung, wenn Wirtschaftsgüter anlässlich des Wegzugs aus einem inländischen in ein ausländisches Betriebsstättenvermögen verbracht werden.6 1 BFH v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.4, 2.6.1 (c); zu Einzelheiten Ritzer in R/H/vL2, UmwStG, Anh. 6 Rz. 121 ff. 2 Ritzer in R/H/vL2, UmwStG, Anh. 6 Rz. 118. 3 Zu diesen Zuordnungskriterien Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 240 f. 4 Insbesondere auf Grund bilateraler Aktivitätsklauseln oder wegen § 20 Abs. 2 AStG oder § 50d Abs. 9 EStG. 5 Art. 4 Abs. 3 OECD-MA; zu Einzelheiten Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 242 ff. 6 Ritzer in R/H/vL2, UmwStG, Anh. 6 Rz. 136; durch Ergänzung des § 12 Abs. 1 KStG im Rahmen des JStG 2010 um Satz 2 wurde die finale Entnahme (vgl. Rz. 6.382) normativ abgesichert.
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C. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht
Die auf Grund der Anwendung des § 12 Abs. 1 KStG entstehende Gewinnrealisierung unterliegt uneingeschränkt der Körperschaftsteuer. Wird allerdings die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht wegen Verbleibens des Satzungssitzes im Inland aufrechterhalten, kann die in § 4g EStG vorgesehene über fünf Jahre gestreckte Besteuerung in Anspruch genommen werden, soweit es sich um Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens handelt (§ 12 Abs. 1 KStG i.V. mit § 4g EStG).
7.51
Auf Gesellschafterebene ergeben sich durch den Wegzug der Kapitalgesellschaft folgende Rechtsfolgen: Gehören die Anteile an der wegziehenden Kapitalgesellschaft zum inländischen Betriebsstättenvermögen eines unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafters, erfolgt eine Gewinnrealisierung gem. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG bzw. § 12 Abs. 1 KStG in aller Regel deshalb nicht, weil in Abkommensfällen das deutsche Besteuerungsrecht weder ausgeschlossen noch beschränkt wird (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). Etwas anderes gilt in den Fällen, in denen abkommensrechtlich auch der Ansässigkeitsstaat die Gewinne aus der Veräußerung der Anteile an der wegziehenden Kapitalgesellschaft versteuern darf und Deutschland die entsprechende ausländische Steuer zur Anrechnung bringen muss.1 Greift kein DBA ein, wird das deutsche Besteuerungsrecht wegen der gebotenen Anrechnung ausländischer Steuern (§ 34c Abs. 1 EStG; § 26 Abs. 1 KStG) ebenfalls beschränkt. Gehören die Anteile an der wegziehenden Kapitalgesellschaft zu einem ausländischen Betriebsstättenvermögen, ergeben sich keine Änderungen, wenn bereits vor dem Wegzug abkommensrechtlich die Doppelbesteuerung durch Anwendung der Freistellungsmethode vermieden wurde (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA). Das deutsche Besteuerungsrecht wird demgegenüber beschränkt, wenn abkommensrechtlich die Doppelbesteuerung durch Anrechnung vermieden wird,2 oder überhaupt kein DBA eingreift.
7.52
Sind die Anteile an der wegziehenden Kapitalgesellschaft dem inländischen Betriebsstättenvermögen eines beschränkt Steuerpflichtigen zuzuordnen, so behält Deutschland in aller Regel sein Besteuerungsrecht (Art. 13 Abs. 2, 21 OECDMA), es sei denn, es erfolgt wegzugsbedingt ein Zuordnungswechsel der Anteile an der wegziehenden Kapitalgesellschaft vom inländischen zu einem ausländischen Betriebsstättenvermögen. Greift kein DBA ein, wird das deutsche Besteuerungsrecht beschränkt, soweit nach Wegzug nunmehr eine Anrechnung ausländischer Steuern gem. § 50 Abs. 3 EStG zu erfolgen hat.
7.53
Handelt es sich bei der wegziehenden Kapitalgesellschaft um eine SE (SCE), unterbleibt auf Gesellschafterebene auf Grund der Sondervorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG (§ 12 Abs. 1 KStG i.V. mit § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG) in Umsetzung des Art. 10d Abs. 1 FRL eine wegzugsbedingte Gewinnrealisierung im Betriebsvermögen des Gesellschafters. Im Falle einer späteren Veräußerung der Anteile schreibt für diesen Fall § 15 Abs. 1a EStG (§ 12 Abs. 1 KStG i.V. mit § 15 Abs. 1a EStG) vor, dass der Gewinn aus der späteren Veräußerung der weggezogenen SE (SCE) ungeachtet etwaiger DBA so zu besteuern ist, wie die Veräußerung zu besteuern gewesen wäre, wenn keine Sitzverlegung stattgefunden hätte. Dieses treaty overriding (Rz. 3.24) führt im Ergebnis dazu, dass auch diejenigen stillen
7.54
1 Z.B. im Fall von Tschechien, der Slowakei und Zypern. 2 Z.B. im Fall von Tschechien, der Slowakei und Zypern.
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Kap. 7 Körperschaftsteuer
Reserven der deutschen Besteuerung unterworfen sind, die während der Ansässigkeit der weggezogenen SE (SCE) im Ausland entstanden sind.1 7.55
Gehören die Anteile zum Privatvermögen eines unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtigen Gesellschafters, greift gem. § 17 Abs. 5 EStG eine Veräußerungsgewinnbesteuerung ein, wenn wegzugsbedingt das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile ausgeschlossen oder beschränkt wird.2 Das ist in Abkommensfällen in aller Regel kein Problem, weil im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht die Besteuerung der Veräußerungsgewinne im Grundsatz3 ohne Beschränkung durch DBA gewährleistet ist. Anders ist dies in den Fällen, in denen keine DBA eingreifen. Denn insoweit ist Deutschland nach § 34c i.V.m. § 34d Nr. 4 Buchst. b EStG zu einer Anrechnung der ausländischen Steuer verpflichtet, so dass der deutsche Steuer(rechts)anspruch im Ergebnis der Höhe nach beschränkt wird. Bei beschränkter Steuerpflicht ergibt sich in Abkommensfällen durch den Wegzug ganz überwiegend4 keine Veränderung, weil auch bereits zuvor das Besteuerungsrecht ausschließlich beim Wohnsitzstaat des Gesellschafters lag (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). Greift kein DBA ein, fällt wegzugsbedingt der Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an der wegziehenden Kapitalgesellschaft aus der beschränkten Steuerpflicht heraus (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG). Ist nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze eine Veräußerungsgewinnbesteuerung gem. § 17 Abs. 5 Satz 1 EStG geboten, wird diese allerdings durch § 17 Abs. 5 Satz 2 EStG suspendiert, wenn die Kapitalgesellschaft5 in einen anderen EU-/EWR-Staat verzieht.
7.56
Im Falle der späteren Veräußerung ist der hieraus erzielte Gewinn allerdings ungeachtet der Anwendung von DBA so zu besteuern, wie die Veräußerung dieser Anteile zu besteuern gewesen wäre, wenn eine Sitzverlegung nicht stattgefunden hätte (§ 17 Abs. 5 Satz 3 EStG).6 Diese Sonderregelung gilt auch für beschränkt Steuerpflichtige, deren Besteuerung aus der Veräußerung der Anteile an der weggezogenen Kapitalgesellschaft durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. bb EStG abgesichert wird. 3. Wegzug in einen Drittstaat
7.57
Der Wegzug einer Kapitalgesellschaft in einen Drittstaat7 führt auf Gesellschaftsebene zu einer Liquidationsbesteuerung (§ 12 Abs. 3 Satz 1 KStG), wenn die Kapitalgesellschaft hierdurch aus der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Staat des EWR ausscheidet. Gleiches gilt, 1 Ritzer in R/H/vL2, UmwStG, Anh. 6 Rz. 168, 170, dort auch zu europarechtlichen Zweifeln. 2 Zu Einzelheiten Schön in Lutter/Hommelhoff/Teichmann2, SE-Kommentar, Teil D Rz. 122 ff. 3 Art. 13 Abs. 2 OECD-MA; Ausnahmen: Tschechien, Slowakei und Zypern mit Anrechnungsverpflichtung des Wohnsitzstaats. 4 Ausnahmen: Tschechien, Slowakei und Zypern. 5 Nicht nur SE/SCE. 6 Zur Zulässigkeit eines treaty overriding BVerfG 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, DStR 2016, 359; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 5a f.; Gosch, IStR 2008, 418; Rz. 3.24 f. 7 Im Folgenden werden die Steuerfolgen auch auf Gesellschafterebene dargestellt.
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C. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht
wenn die Kapitalgesellschaft aufgrund von Abkommensrecht nach dem Wegzug als nicht mehr im Inland oder in einem anderen EU-/EWR-Staat als ansässig anzusehen ist (§ 12 Abs. 3 Satz 2 KStG; Art. 4 Abs. 3 OECD-MA). Damit werden etwaige bis zum Wegzug gebildete stille Reserven z.B. im Vermögen einer inländischen Betriebsstätte einer Schlussbesteuerung zugeführt (§ 11 KStG). Das setzt im Grundfall (§ 12 Abs. 3 Satz 1 KStG) voraus, dass nach Wegzug der Gesellschaft keine unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht in einem EU- oder EWR-Staat (mehr) besteht (z.B. Herausverlegung des Sitzes der Geschäftsleitung einer Kapitalgesellschaft, deren Satzungssitz sich in einem Drittstaat befindet1). Nicht tatbestandsmäßig ist ein Wegzug innerhalb der EU. Im Fall des § 12 Abs. 3 Satz 2 KStG setzt dies voraus, dass die Gesellschaft nicht mehr in einem EU-/EWRStaat abkommensrechtlich ansässig ist (z.B. inländische Kapitalgesellschaft verlegt ihren Ort der Geschäftsleitung in einen Nicht-EU-/EWR-DBA-Staat2). Die abkommensrechtliche Ansässigkeit bestimmt sich nach der entsprechenden Regelung im DBA (Tie-Breaker-Rule), die in den meisten Fällen der Regelung des Art. 4 Abs. 1 und 3 OECD-MA entspricht.3 Bleibt nach Wegzug der Kapitalgesellschaft eine beschränkte Körperschaftsteuerpflicht aufrechterhalten, so erfolgt eine Reduktion des Welteinkommensprinzips auf das Territorialitätsprinzip. Dieser Fall ist insbesondere dann gegeben, wenn die Kapitalgesellschaft inländisches Betriebsstättenvermögen unterhält. Obwohl die in diesem Betriebsstättenvermögen enthaltenen stillen Reserven auch zukünftig im Inland steuerverhaftet bleiben, schreibt § 12 Abs. 3 Satz 1 KStG in entsprechender Anwendung des § 11 KStG eine Liquidationsbesteuerung4 vor, in deren Rahmen es zu einer Realisation aller stillen Reserven kommt.
7.58
Diese Rechtsfolge ist gemessen am Sinn und Zweck des § 12 Abs. 3 KStG nicht gerechtfertigt. Im Hinblick darauf ist eine teleologische Reduktion dahingehend geboten, dass eine Schlussbesteuerung gem. § 12 Abs. 3 KStG nur für den Fall erfolgt, dass eine künftige Besteuerung der stillen Reserven auch im Rahmen der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht nicht gewährleistet ist.5
7.59
Soweit ausländisches Betriebsstättenvermögen vorhanden ist, entsteht durch die Schlussbesteuerung (§ 12 Abs. 3 KStG) regelmäßig nur dann eine Steuerbelastung, wenn das ausländische Betriebsstättenvermögen in einem Staat belegen ist, mit dem Deutschland kein DBA abgeschlossen hat.6 Greifen dagegen DBA ein, führt § 12 Abs. 3 KStG hinsichtlich des ausländischen Betriebsstättenvermögens auf Gesellschaftsebene im Grundsatz7 zu keiner Steuerbelastung, soweit
7.60
1 2 3 4 5
Vgl. von Freeden in R/H/N, § 12 KStG Rz. 5. Vgl. von Freeden in R/H/N, § 12 KStG Rz. 6. Von Freeden in R/H/N, § 12 KStG Rz. 146; vgl. auch Rz. 19.194 ff. R 11 KStR 2015. Im Ergebnis ebenso Pfirrmann in Blümich, § 12 KStG Rz. 100 f.; von Freeden in R/H/N, § 12 KStG Rz. 132; Hey in Tipke/Lang22, § 11 Rz. 104; Blumenberg/Lechner, BB 2006, 25 (32); Eickmann/Stein, DStR 2007, 723 (725); Prinz, JbFSt 2007/2008, 416; zweifelnd Lampert in Gosch3, § 12 KStG Rz. 152. 6 Zu Problemen der Steueranrechnung in diesem Zusammenhang Schaumburg, GmbHR 1996, 585 (592). 7 Ausnahme: Anrechnungsmethode wegen bilateraler oder unilateraler Aktivitätsklauseln oder wegen § 50d Abs. 9 EStG.
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Kap. 7 Körperschaftsteuer
die Freistellungsmethode eingreift: Abkommensrechtlich sind die aus deutscher Sicht entstandenen Gewinne aus der Realisierung der in dem ausländischen Betriebsstättenvermögen ruhenden stillen Reserven der deutschen Besteuerung entzogen.1 7.61
Der Wegzug einer Kapitalgesellschaft in einen Drittstaat löst auf Gesellschafterebene im Grundsatz unter den gleichen Voraussetzungen eine Gewinnrealisierung aus wie bei einem Wegzug in einen EU-/EWR-Staat. Hieraus folgt, dass eine Gewinnrealisierung in den Fällen nicht zu vermeiden ist, in denen wegzugsbedingt das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§§ 4 Abs. 1 Satz 3; 6 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2; 17 Abs. 5 Satz 1 EStG). Die für den Wegzug in einen EU-/EWR-Staat maßgeblichen Besonderheiten (§§ 4 Abs. 1 Satz 4; 15 Abs. 1a; 17 Abs. 5 Satz 2 EStG) kommen nicht zur Anwendung.
III. Zuzug von Kapitalgesellschaften 1. Rechtliche Vorgaben und steuerliche Rechtsfolgen 7.62
Gesetzlich geregelt ist nur der Zuzug einer SE (Art. 7 SE-VO) und einer SCE (Art. 6 SCE-VO) innerhalb der EU. Es handelt sich hierbei um einen simultanen Zuzug. Das bedeutet, dass sowohl Satzung- und Verwaltungssitz (Ort der Geschäftsleitung) sich stets in ein und demselben Mitgliedsstaat befinden müssen. Da es keine weitergehenden europaweit geltenden Regelungen gibt,2 kommt es für die rechtliche Möglichkeit eines Zuzugs aus der Sicht Deutschlands als Zuzugsstaat auf das zur Anwendung kommende Internationale Privatrecht (Gesellschaftsstatut) an. Hiernach gilt: Verlegt eine nach ausländischem Recht errichtete Kapitalgesellschaft den Verwaltungssitz (Ort der Geschäftsleitung) in das Inland, verliert die Gesellschaft die Rechtsfähigkeit, weil diese die Eintragung ins deutsche Handelsregister voraussetzt, was für Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts (noch) ausgeschlossen ist. Eine ursprünglich rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts mutiert daher durch Zuzug zu einer nicht rechtsfähigen Personenvereinigung.3 Für den Zuzug aus EU-/EWR-Staaten gilt indessen in Orientierung an der europarechtlich verbürgten Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) im Ergebnis die Gründungstheorie mit der Folge, dass die Anerkennung der Rechtsfähigkeit der zuziehenden Gesellschaft im Zuzugsstaat gewährt werden muss.4
1 Betriebsstättenprinzip: Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA. 2 Vgl. allerdings den Vorentwurf für eine gesellschaftsrechtliche Sitzverlegungsrichtlinie, ZIP 1997, 1721 ff.; ZIP 1999, 157. 3 So BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, ZIP 2008, 2411 (Trabrennbahn); hierzu Hilgert/ Illmer NZG 2009, 94 ff.; Gottschalk, ZIP 2009, 948 ff. 4 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 – Centros, Slg. 1999, I-1459; v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 – Überseering, Slg. 2002, I-9919; v. 30.1.2003 – Rs. C-167/01 – Inspire Art, Slg. 2003, I-10155; die vorgenannten Fälle betreffen nur den Zuzug einer unter dem Recht der Gründungstheorie errichteten Gesellschaft; im Ergebnis dürfte aber nichts anderes gelten für den Zuzug einer unter dem Recht der Sitztheorie errichteten Gesellschaft; hierzu Schaumburg in Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, 403 (413); Schaumburg, DK 2005, 347 (349); Hey, DK 2004, 577 (582).
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C. Wechsel zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht
Die durch das Gesellschaftsstatut geprägten rechtlichen Vorgaben spielen indessen für die Steuersubjektqualifikation zuziehender, nach ausländischem Recht errichteter Kapitalgesellschaften keine Rolle, weil auch derartige Gesellschaften von § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG ohne Rücksicht darauf erfasst werden, ob sie im Inland Rechtsfähigkeit erlangt haben oder nicht. Entscheidend ist allein, dass die nach ausländischem Recht errichtete Kapitalgesellschaft auf Grund des maßgeblichen Typenvergleichs (Rz. 7.7) einer deutschen Kapitalgesellschaft entspricht.
7.63
2. Steuerverstrickung Durch den Zuzug einer nach ausländischem Recht errichteten Kapitalgesellschaft, etwa einer SE, wird die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht begründet, womit zugleich in Abkommensfällen auch die Ansässigkeit wechselt (Art. 4 Abs. 3 OECD-MA).1 Der Wechsel in die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht erfüllt keinen Steuertatbestand.2 Es bleibt insbesondere bei der steuerlichen Identität der zuziehenden Kapitalgesellschaft, weil § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG Kapitalgesellschaften unabhängig davon, ob sie nach in- oder ausländischem Recht errichtet sind, erfasst. Es kommt daher auch nicht darauf an, ob die zuziehende Kapitalgesellschaft zuzugsbedingt die Rechtsfähigkeit verliert. Ergibt sich auf Grund des maßgeblichen Typenvergleichs, dass die ausländische Gesellschaft vor ihrem Zuzug als Kapitalgesellschaft zu qualifizieren ist, ändert sich an diesem Befund durch den Zuzug nichts. Somit tritt kein steuerlicher Rechtsträgerwechsel ein mit der Folge, dass insoweit auch eine Gewinnrealisierung unterbleibt.3 Entsprechendes gilt auch in den Fällen, in denen zuzugsbedingt zwar keine unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht, abkommensrechtlich aber eine inländische Ansässigkeit (Art. 4 Abs. 3 OECD-MA) begründet wird. Es handelt sich hierbei um nach deutschem Recht errichtete Kapitalgesellschaften, die den Ort der Geschäftsleitung vom Ausland in das Inland verlegen. Auch in diesem Fall löst der Zuzug keine inländische Besteuerung aus.
7.64
Zuzugsbedingte Auswirkungen ergeben sich allerdings hinsichtlich der Zugangsbewertung des von der zuziehenden Kapitalgesellschaft gehaltenen Betriebsvermögens: Gemäß § 8 Abs. 1 KStG i.V. mit § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG steht die Begründung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsguts einer Einlage gleich mit der Folge, dass insoweit die nunmehr verstrickten Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert anzusetzen sind (§ 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG). Diese fiktive Einlage gilt nicht nur für den Transfer von Wirtschaftsgütern vom Ausland in das Inland, sondern auch für den Zuzug einer Kapitalgesellschaft.4 Der gemeine Wert ist hierbei sowohl für materielle als auch für immaterielle Wirtschaftsgüter einschließlich des Geschäftswerts anzusetzen.5 Die Zugangsbewertung zum gemeinen Wert greift auch in dem Fall ein,
7.65
1 2 3 4
Im Folgenden werden die Steuerfolgen auch auf Gesellschafterebene behandelt. Schulz/Petersen, DStR 2002, 1508 (1513). Hierzu Schaumburg, DK 2005, 341 (351). Blumenberg, IStR 2009, 549 (551); Benecke/Schnitger, IStR 2006, 765 (766); Dötsch/Pung, DB 2006, 2648 (2651). 5 § 5 Abs. 2 EStG i.V.m. § 248 Abs. 2 HGB gilt hier wegen des Vorrangs der Regeln über die Einlagen nicht (§ 5 Abs. 6 EStG).
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Kap. 7 Körperschaftsteuer
in dem eine nach deutschem Recht errichtete Kapitalgesellschaft den Ort der Geschäftsleitung vom Ausland in das Inland verlegt und hierdurch abkommensrechtlich im Inland ansässig wird (Art. 4 Abs. 3 OECD-MA). Zuzugsbedingt wird hierdurch nämlich ebenfalls deutsches Besteuerungsrecht hinsichtlich der Veräußerung des von der zuziehenden Kapitalgesellschaft gehaltenen Betriebsvermögens begründet. 7.66
Eine fiktive Einlage (§ 8 Abs. 1 KStG i.V. mit § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG)1 ist indessen in allen Fällen nur insoweit gegeben, als nicht bereits vor dem Zuzug die Gewinne aus der Veräußerung von der zuziehenden Kapitalgesellschaft gehaltenen Wirtschaftsgüter der Besteuerung unterlagen. Angesprochen sind hiermit Wirtschaftsgüter, die einer inländischen Betriebsstätte bereits vor dem Zuzug zuzuordnen waren. Die Steuerverstrickung greift daher insbesondere dann ein, wenn bislang dem ausländischen Betriebsvermögen zuzuordnende Wirtschaftsgüter nunmehr dem inländischen Betriebsvermögen der zuziehenden Kapitalgesellschaft zuzuordnen sind.2 Darüber hinaus setzt eine Steuerverstrickung auch für solche Wirtschaftsgüter der zuziehenden Kapitalgesellschaft ein, die zu einem ausländischen Betriebsstättenvermögen gehören, wenn die Gewinne aus der Veräußerung der betreffenden Wirtschaftsgüter abkommensrechtlich nicht von deutscher Steuer freizustellen sind (Art. 7 Abs. 1, 13 Abs. 2 OECD-MA).
7.67
Gehören die Anteile an der zuziehenden Kapitalgesellschaft zu einem inländischen Betriebsstättenvermögen des Gesellschafters, sind die Anteile zum gemeinen Wert anzusetzen, falls zuzugsbedingt deutsches Besteuerungsrecht begründet wird (§§ 4 Abs. 1 Satz 8; 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG; § 8 Abs. 1 KStG).3 Eine derartige Verstrickung wird in der Praxis nur selten vorkommen, etwa dann, wenn mit dem Zuzug der Kapitalgesellschaft auch ein Zuordnungswechsel der Anteile von einem ausländischen zu einem inländischen Betriebsstättenvermögen des Gesellschafters verbunden ist, soweit vor dem Zuzug abkommensrechtlich die Gewinne aus der Veräußerung der Anteile der deutschen Besteuerung entzogen waren (Art. 7 Abs. 1, 13 Abs. 2 OECD-MA). Sind die Anteile Privatvermögen des Gesellschafters, unterbleibt mangels gesetzlicher Regelung4 ein Ansatz mit dem gemeinen Wert. Betroffen sind hierdurch insbesondere beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter im Falle des Zuzugs einer nach ausländischem Recht errichteten Kapitalgesellschaft: Greift kein DBA ein, sind die Gewinne aus der Veräußerung der Anteile uneingeschränkt der beschränkten Steuerpflicht unterworfen, wobei für die Berechnung des Veräußerungsgewinns auf die historischen Anschaffungskosten abzustellen ist (§§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa; 17 Abs. 1, 2 EStG).
7.68
Im Hinblick auf die dem EStG nunmehr zugrunde liegende Verstrickungskonzeption handelt es sich um eine Regelungslücke, die durch analoge Anwendung des § 17 Abs. 2 Sätze 3 ff. EStG zu schließen ist mit der Folge, dass in den vorgenannten Fällen der gemeine Wert anzusetzen ist.5 1 2 3 4 5
R 8.1 KStR 2015. Ritzer in R/H/vL2, UmwStG, Anh. 6 Rz. 182. Ritzer in R/H/vL2, UmwStG, Anh. 6 Rz. 183. § 17 Abs. 2 Satz 3 ff. EStG betrifft nur den Zuzug des Gesellschafters. Vgl. auch Vogt in Blümich, § 17 EStG Rz. 749; Aßmann, DStR 2006, 1115 (1119).
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Kapitel 8 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer A. Anknüpfungspunkte für die Besteuerung . . . . . . . . . . . . B. I. II. III.
Unbeschränkte Steuerpflicht . Persönliche Steueranknüpfung Objektsqualifikation . . . . . . Erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . 1. Abwanderer . . . . . . . . . . . 2. Auslandsbedienstete . . . . . . IV. Besteuerung des Weltvermögens (Weltvermögensprinzip) . C. I. II. 1. 2.
. . . . . . .
Beschränkte Steuerpflicht . . . . Allgemeine Hinweise . . . . . . Inlandsvermögen . . . . . . . . . Numerus clausus . . . . . . . . . Qualifizierung des Inlandsvermögens . . . . . . . . . . . . . 3. Die einzelnen Vermögensgruppen . . . . . . . . . . . . . . . a) Inländisches land- und forstwirtschaftliches Vermögen . b) Inländisches Grundvermögen c) Inländisches Betriebsvermögen . . . . . . . . . . . . . . . .
_ __ _ _ __ _ __ __ _ _ __ _ 8.1
8.8 8.8 8.14
8.22 8.22 8.25 8.26
8.31 8.31 8.32 8.32
8.33
8.34
8.34 8.35
8.36
_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ __
d) Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften . e) Patente, Gebrauchsmuster und Topographien . . . . . . . f) Wirtschaftsgüter, die einem inländischen gewerblichen Betrieb überlassen sind . . . . g) Grundpfandrechtlich gesicherte Forderungen . . . . h) Forderungen aus stiller Beteiligung und partiarischem Darlehen . . . . . . . . . . . . i) Nutzungsrechte am Inlandsvermögen . . . . . . . . . . . . 4. Ermittlung und Bewertung des Inlandsvermögens . . . . . . . .
8.38
8.41
8.42
8.43
8.46
8.49
8.50
D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . II. Voraussetzungen . . . . . . . . . III. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . IV. Zurechnung bei zwischengeschalteten Auslandsgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . V. Niedrigbesteuerung . . . . . . . .
8.53 8.53 8.59 8.62
8.65 8.66
A. Anknüpfungspunkte für die Besteuerung Literatur Birnbaum, Leistungsfähigkeitsprinzip und ErbStG, Berlin 2007; Crezelius, Erbschaftsteuerrecht und Erbschaftsteuerpolitik, in Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS für Tipke, Köln 1995, 403; Crezelius, Verhältnis der Erbschaftsteuer zur Einkommen- und Körperschaftsteuer, DStJG 22 (1999), 73; Crezelius, Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, Herne/Berlin 1979, 26; Erkis, Die Neuregelung des Verschonungssystems für Betriebsvermögen im ErbStG – Vorgaben des BVerfG-Urteils v. 17.12.2014 umgesetzt?, DStR 2016, 1441; Goodmann, Internationale Doppelbesteuerung bei Erbschaften und Schenkungen, CDFI LXXb (1985), 115; Jesse, Liegen die Einkommensteuer und Erbschaft- und Schenkungsteuer auf „verschiedenen Ebenen“?, Berlin 1992; Mellinghoff, Das Verhältnis der Erbschaftsteuer zur Einkommen- und Körperschaftsteuer – Zur Vermeidung steuerlicher Mehrfachbelastungen, DStJG 22 (1999) 127; Nachreiner, Verfassungswidrigkeit des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes wegen Verstoßes gegen Art. 14 GG, ZEV 2005, 1; Schindhelm, Grundfragen des Internationalen Erbschaftsteuerrechts, ZEV 1997, 8; Seer, Erbschaft- und Schenkungsteuergesetz nun erneut auf dem Prüfstand des BVerfG!, GmbHR 2002, 873; Seer, Die Erbschaft- und Schenkungsteuer im System der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, GmbHR 2009, 225; Zitzelsberger, Über Einheitswerte, Verkehrswerte, Ertragswerte und andere Werte im Steuerrecht, in Kley/Sünner/Willemsen (Hrsg.), FS für Ritter, Köln 1997, 661.
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Kap. 8 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer
8.1
Die allgemeine Regel des Völkerrechts, dass jeder eine Steuerpflicht aufgrund seiner Steuergesetze nur dann begründen darf, wenn es hierfür persönliche oder räumliche Anknüpfungspunkte gibt,1 gilt nicht nur für die Steuern vom Einkommen, sondern auch für die deutsche Erbschaft- und Schenkungsteuer, die von ihrer Belastungswirkung her die Typenmerkmale zweier Steuerarten in sich vereinigt: Sie ist eine Steuer auf das Einkommen,2 weil sie die Bereicherung des Erben besteuert; sie ist eine Steuer auf das Vermögen, weil sie anlässlich des Vermögensübergangs die Vermögenssubstanz besteuert.3 Diese besondere steuersystematische Qualifikation beruht darauf, dass durch § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG der Vermögensanfall, der sich von Todes wegen oder durch Schenkung unter Lebenden vollzieht, besteuert wird und durch § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG in Zeitabständen das Vermögen von Familienstiftungen und Familienvereinen erfasst wird.4 Unter dem Gesichtspunkt des Vermögensanfalls ist es gerechtfertigt, die deutsche Erbschaftsteuer als Erbanfallsteuer zu bezeichnen,5 die ihre Legitimation aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip herleitet.6
8.2
Die meisten Staaten erheben Erbanfallsteuern, das heißt, sie besteuern jeden Erben eines Erblassers selbständig, wobei überwiegend an den Wohnort und/oder die Staatsangehörigkeit angeknüpft wird. Demgegenüber ist die Erbschaftsteuer etwa in den USA und in Großbritannien als Nachlasssteuer ausgeprägt, bei der die Steuer sich an dem Reinvermögen des Erblassers orientiert.
8.3
Die gesetzliche Ausgestaltung als Erbanfallsteuer artikuliert sich im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht in zwei persönlichen Anknüpfungspunkten: Es sind dies der Erblasser/Schenker sowie der Erwerber, soweit es sich um Inländer handelt (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).
8.4
Diese doppelte Anknüpfung widerspricht dem Charakter der Erbschaftsteuer als Erbanfallsteuer. Hiernach wird nicht wie bei der Nachlasssteuer die Nachlassmasse als solche besteuert, sondern der Vermögensanfall beim einzelnen Erwerber. Dieser Vermögensanfall führt beim Erwerber zu einer Erhöhung seiner steuerlichen Leistungsfähigkeit, die die Erfassung des Vermögenstransfers durch Erb1 BFH v. 18.12.1963 – I 230/61 S, BStBl. III 1964, 253; v. 16.12.1964 – II 154/61 U, BStBl. III 1965, 134; zu Einzelheiten Rz. 3.13. 2 Im Sinne eines Reinvermögenszugangs. 3 Hey in Tipke/Lang22, § 7 Rz. 38 ff.; für Steuer vom Einkommen: Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 872 ff.; Seer in Tipke/Lang22, § 15 Rz. 1 ff.; Gebel in T/G/J, Einführung ErbStG Rz. 15; Meincke16, Einführung ErbStG Rz. 2; für Substanzsteuer aus der Sicht des übertragenen Vermögens Seer, GmbHR 2002, 873 (874); für Verkehrsteuer: BFH v. 22.9. 1982 – II R 61/80, BStBl. II 1983, 179; v. 7.11.2007 – II R 28/06, BStBl. II 2008, 258; für Sollertragsteuer: Zitzelsberger in FS Ritter, 661 (665); für entsprechende Ausgestaltung de lege ferenda Nachreiner, ZEV 2005, 1 (5 ff.). 4 Jesse, Liegen die Einkommensteuer und Erbschaft- und Schenkungsteuer auf „verschiedenen Ebenen“?, 44. 5 Seer in Tipke/Lang22, § 15 Rz. 2; Gebel in T/G/J, Einführung ErbStG Rz. 2; Meincke16, § 1 ErbStG Rz. 8; Schindhelm, ZEV 1997, 8 (10), Crezelius, DStJG 22 (1999), 73 (103). 6 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 873; Viskorf in V/K/S4, Einf. ErbStG Rz. 21; Meincke, DStJG 22 (1999), 39 (40 ff.); Crezelius, Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, 26; Crezelius in FS Tipke, 403 (405); ausführlich hierzu Birnbaum, Leistungsfähigkeitsprinzip und ErbStG; Mellinghoff, DStJG 22 (1999) 127 (135); Seer, GmbHR 2009, 225 ff.
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Schaumburg/von Freeden
B. Unbeschränkte Steuerpflicht
schaftsteuer (Schenkungsteuer) rechtfertigt.1 Im Hinblick darauf ist es nicht sachgerecht, für Zwecke der Besteuerung auch an die Verhältnisse des Erblassers anzuknüpfen2 und zudem den Schenker, dessen Leistungsfähigkeit sich durch die Schenkung mindert, zur Schenkungsteuer heranzuziehen. Die Heranziehung auch des Schenkers ist rein fiskalisch motiviert.3 Ist Steuerobjekt nicht der Vermögensanfall (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG), sondern das Vermögen von Familienstiftungen und Familienvereinen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG), wird nur an die Stiftung bzw. an den Verein angeknüpft. Insoweit ist die Erbschaftsteuer keine Erbanfallsteuer, sondern eine in periodischen Abständen zu erhebende Steuer auf das Vermögen.4 Diese Ersatzerbschaftsteuer steht außerhalb der grundlegenden Besteuerungskonzeption des Erbschaftsteuergesetzes und führt damit zwar zu einem Systembruch, nicht aber zu dessen Verfassungswidrigkeit.5
8.5
Sind die Voraussetzungen der unbeschränkten Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ErbStG) gegeben, wird grundsätzlich der weltweite Vermögensanfall bzw. das weltweite Vermögen der Besteuerung unterworfen. Hierdurch verwirklicht sich das Welteinkommens-/Weltvermögensprinzip (Rz. 6.53 ff., 8.8). Einschränkungen ergeben sich lediglich aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen.6
8.6
Sind Erblasser/Schenker und Erwerber keine Inländer, kommt im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht nur eine räumliche Anknüpfung für die Besteuerung in Betracht. Diese setzt voraus, dass der Vermögensanfall in Inlandsvermögen i.S. von § 121 BewG besteht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG). Insoweit wird das Territorialitätsprinzip verwirklicht (Rz. 6.2 f.). Für das Steuerobjekt „Vermögen“ von Familienstiftungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) ist eine bloß räumliche Steueranknüpfung nicht vorgesehen, so dass es eine beschränkte Ersatzerbschaftsteuerpflicht nicht gibt.7
8.7
B. Unbeschränkte Steuerpflicht Literatur Kommentare zu § 2 ErbStG; Albrecht, Die steuerliche Behandlung deutsch-englischer Erbfälle, Köln/Berlin/Bonn/München 1992; Arlt, Internationale Erbschaft- und Schenkungsteuerplanung, Herne/Berlin 2001; Baumgartner/Gassner/Schick, Besteuerung von grenzüberschreitenden Schenkungen, DStR 1989, 619; Boochs, Erbschaft- und Schenkungsteuer bei Auslandsbeziehungen, DVR 1987, 178; Boochs, Fragen der internationalen Erbschaft1 BVerfG v. 15.5.1984 – 1 BvR 464/81, 1 BvR 605/81, 1 BvR 427/82, 1 BvR 440/82, BStBl. II 1984, 608; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 873 f.; Hey in Tipke/Lang22, § 7 Rz. 40. 2 Schindhelm, ZEV 1997, 8 (10). 3 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 878; Seer in Tipke/Lang22, § 15 Rz. 42. 4 Meincke16, Einf. ErbStG Rz. 1; Seer in Tipke/Lang22, § 15 Rz. 34. 5 BVerfG v. 8.3.1983 – 2 BvL 27/81, BStBl. II 1983, 779; BFH v. 10.12.1997 – II R 25/94, BStBl. II 1998, 114; zur Kritik Meincke16, § 1 ErbStG Rz. 14 f.; Seer in Tipke/Lang22, § 15 Rz. 35. 6 Erbschaftsteuerabkommen bzw. sog. große DBA, die auch die Erbschaftsteuer umfassen, hat Deutschland abgeschlossen mit Schweden und Dänemark; kleine Abkommen bestehen mit Griechenland, der Schweiz, Frankreich und den USA. 7 Meincke16, § 2 ErbStG Rz. 9; Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 46.
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Kap. 8 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer und Schenkungsteuer, UVR 1994, 264; Crezelius, Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, Herne/Berlin 1979; Demuth, Schenkungsteuerbarkeit bei Vermögensübertragung auf eine Auslandsstifung in Abhängigkeit zur Übertragung der Verfügungsmacht, BB 2007, 2388; Ettinger, Erbschaft- und Schenkungsteuer beim Wegzug ins Ausland und danach, ZErb 2006, 41; Fischer, Erbschaftsteuerplanung bei Auslandsanlagen, BB 1984, 1033; Flick/Piltz, Der internationale Erbfall, 2. Aufl. München 2008; Piltz, Schenken und Vererben über die Grenze, in Höppner/Piltz/Wassermeyer, Die Besteuerung nach dem Wegzug in das Ausland, Bonn 1997, 83 ff.; Flick/von Oertzen, Internationales Privatrecht und Internationales Steuerrecht in der Praxis der Erbfolgeregelung, IStR 1995, 558; Fonrouge, Die territoriellen Unterschiede auf dem Gebiet der Erbschaft- und Vermögensteuer, CDFI LIII/2 (1968), 54; Fraberger, Nationale und internationale Unternehmensnachfolge: Steuergestaltung beim Schenken und Vererben, Wien 2001; Geck, Erb- und schenkungsteuerpflichtige Erwerbe mit Auslandsberührung, ZEV 1995, 249; Goodmann, Internationale Doppelbesteuerung bei Erbschaften und Schenkungen, CDFI LXXb (1985), 115; Hartmann, Peanuts; ein Beitrag zur Schneider-Pleite aus schenkungsteuerlicher Sicht, UVR 1996, 39; Höninger, Internationale Doppelbesteuerung im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, Frankfurt/M. 2003; Hübner, Das Erbschaftsteuerreformgesetz – ein erster Überblick, Ubg 2009, 1; Jesse, Liegen die Einkommensteuer und Erbschaft- und Schenkungsteuer auf „verschiedenen Ebenen“?, Berlin 1992; Jülicher, Internationales Erbschaftsteuerrecht am Beispiel des ErbStG, ZErb 2003, 204; Jülicher, Ausländische Familienstiftungen und Trusts – Chancen und Risiken durch die neue BFH-Rechtsprechung, ZErb 2007, 361; Jülicher, Praxisprobleme im internationalen Erbschaftsteuerrecht, BB 2014, 1367; Kaminski, Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung bei internationalen Erbschaftsteuerfällen, Stbg 2013, 10; Kaminski, Doppelbesteuerung in der Erbschaftsteuer, ErbR 2016, 183; Klein, Typologie des Erbschaftsteuergesetzes bei Auslandserwerben, FR 2001, 118; Klein, Ausländische Zivilrechtsformen im deutschen Erbschaftsteuerrecht, Köln, 2000; Laubrock, Nachlass und Erbschaft in den USA, München 1986; Lethaus, Internationale Doppelbesteuerung bei Erbschaften und Schenkungen, CDFI LXXb (1985) 227; Möller, Erbschaftsteuergesetz und ausländisches Erbrecht, Diss. Göttingen 1970; Müller-Etienne, Die Europarechtswidrigkeit des Erbschaftsteuerrechts, Baden-Baden 2003; Noll, Die persönliche Erbschaftsteuerpflicht im Überblick, DStZ 1995, 713; Real, International-Privatrechtliches zum Erbschaftsteuergesetz, RIW 1996, 54; Schaumburg, Problemfelder im internationalen Erbschaftsteuerrecht, RIW 2001, 161; Scheffler/Zinser, Internationale Doppelbesteuerung bei der Erbschaftsteuer, StuW 2005, 216; Schienke-Ohletz/Kühn, Die steuerlichen Folgen beim Ausscheiden aus Truststrukturen, ZEV 2015, 150; Schindhelm, Grundfragen des Internationalen Erbschaftsteuerrechts, ZEV 1997, 8; Schindhelm/Stein, Der Trust im deutschen Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht nach dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002, FR 1999, 880; Schmidt/Cortez, Überblick über das internationale deutsche Erbschaftsteuerrecht, PiStB 2015, 167; von Oertzen, Praktische Handhabung eines Erbrechtsfalls mit Auslandsberührung, ZEV 1995, 167; Wachter, Österreich: Änderungen des Erbschaft- und Schenkungsteuerrechts durch das Abgabenänderungsgesetz 2004, ZErb 2005, 104; Wacker, Internationale Besteuerung von Schenkungs- und Erbfällen, IStR 1998, 33; Wacker/Dann, Grenzüberschreitende Schenkungen und Erbschaften, StKongrRep. 1989, 439; Watrin/Kappenberg, Internationale Besteuerung von Vermögensnachfolgen, ZEV 2011, 105; Weber/ Zürcher, Keine Schenkungsteuerbarkeit der Übertragung von Vermögen auf eine liechtensteinische Familienstiftung als (unechte) Treuhänderin, DStR 2008, 803.
I. Persönliche Steueranknüpfung 8.8
Die unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist im Gegensatz zum Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz nicht steuersubjektbezogen, sondern regelt die Reichweite der Erbschaftsteuer in dem Sinne, dass der weltweite Vermögensanfall (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG) der Besteuerung unterworfen wird (Weltvermögensprinzip), wenn die dort genannten Voraussetzungen er354
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B. Unbeschränkte Steuerpflicht
füllt sind.1 Unbeschränkt steuerpflichtig sind gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG damit nicht die in § 20 ErbStG genannten Steuersubjekte, sondern die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG aufgeführten Steuerobjekte (Steuergegenstände).2 Demgegenüber ist die unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG subjektbezogen: Unbeschränkt steuerpflichtig sind Familienstiftung und Familienverein; beide Steuersubjekte unterliegen der Erbschaftsteuer (§ 20 Abs. 1 ErbStG) mit der Folge, dass ihr gesamtes Weltvermögen der Erbschaftsteuer unterworfen wird.3 In der internationalen Staatenpraxis gilt für die Erbschaftsteuer nur ausnahmsweise das Territorialitätsprinzip. Überwiegend steht das Weltvermögensprinzip/ Welteinkommensprinzip im Vordergrund, wobei einige Staaten im Ausland belegenes unbewegliches Vermögen aus der Besteuerung ausnehmen.4 Diejenigen Staaten, die Erbschaftsteuern (Nachlasssteuern) erheben, verfügen auch über eine Schenkungsteuer, um die Aushöhlung der Besteuerung von Erbschaften durch Schenkungen zu Lebzeiten zu verhindern. Im Hinblick darauf ist die Schenkungsteuer zumeist in das jeweilige Erbschaftsteuersystem integriert.5 Auch hier gilt überwiegend das Weltvermögensprinzip/Welteinkommensprinzip.6
8.9
Die unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG setzt voraus, dass an den in § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG bezeichneten Vermögensübergängen ein Inländer beteiligt ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) oder das Vermögen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) einer inländischen Familienstiftung oder einem inländischen Familienverein gehört (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG). Als Inländer gelten natürliche Personen mit Wohnsitz (§ 8 AO) oder gewöhnlichem Aufenthalt (§ 9 AO)7 sowie nichtnatürliche Personen mit Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) oder Sitz (§ 11 AO)8 im Inland (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a und d ErbStG).9 Damit verwirklicht das Erbschaftsteuergesetz im Rahmen der persönlichen Anknüpfung das Wohnsitzprinzip (Rz. 6.9).
8.10
Im Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz ist das Wohnsitzprinzip steuersubjektbezogen, da nur im Inland ansässige natürliche und nichtnatürliche Personen der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen. Im Unterschied hierzu kommt es bei den in § 20 ErbStG aufgeführten Steuersubjekten – Erwerber, Schenker, Beschwerter, Familienstiftung und Familienverein – nicht darauf an, wo sie ansässig sind.
8.11
In den Fällen der erweiterten unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b und c ErbStG) (Rz. 8.22 ff.) orientiert sich das Erbschaftsteuergesetz schließlich an der Staatsangehörigkeit natürlicher Personen, so dass insoweit ausnahmsweise das Nationalitätsprinzip (Rz. 8.24) verwirklicht wird.
8.12
1 Meincke16, § 2 ErbStG Rz. 1. 2 Hierzu Meincke16, § 2 ErbStG Rz. 5a. 3 Das Weltvermögensprinzip für Familienstiftungen und Familienvereine ergibt sich zwar nicht ausdrücklich aus § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG, aber aus dem Zusammenhang mit § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; Meincke16, § 2 ErbStG Rz. 9. 4 Vgl. Goodmann, CDFI LXXb (1985), 115 (122). 5 Vgl. Goodmann, CDFI LXXb (1985), 115 (163). 6 Das Territorialitätsprinzip umfasst zumeist lediglich inländisches unbewegliches Vermögen, vgl. Goodmann, CDFI LXXb (1985), 115 (164). 7 Zu Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt Rz. 6.9 ff. 8 Zum Ort der Geschäftsleitung und Sitz Rz. 7.2 ff. 9 Der Inlandsbegriff in § 2 Abs. 2 ErbStG entspricht dem des § 1 Abs. 1 Satz 2 EStG; hierzu Rz. 6.28 ff.
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Kap. 8 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer
8.13
Soweit § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. d ErbStG auf Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen abstellt, entstehen keine Qualifikationsprobleme. Die in der vorgenannten Vorschrift aufgeführten Rechtsgebilde knüpfen nämlich nicht an Rechtsformen des deutschen Rechts an, so dass auch ausländische Rechtsformen erfasst werden. Aus deutscher Sicht zählen hierzu auch juristische Personen, insbesondere Körperschaften des öffentlichen Rechts und Kapitalgesellschaften.1 Nicht erfasst werden dagegen nichtrechtsfähige Personenvereinigungen, insbesondere Personenhandelsgesellschaften (OHG, KG) und Gesellschaften des bürgerlichen Rechts: Erwerber sind die jeweiligen Gesellschafter als Träger der gesamthänderischen Rechte und Pflichten.2
II. Objektsqualifikation 8.14
Die in § 1 Abs. 1 ErbStG genannten Erwerbe bilden das Steuerobjekt, nämlich – – – –
8.15
der Erwerb von Todes wegen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), Schenkungen unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG), Zweckzuwendungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG), das Vermögen von Familienstiftungen und Familienvereinen (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG).
Die Tatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG werden durch andere Vorschriften konkretisiert, und zwar für die Erwerbe von Todes wegen in den §§ 3 bis 6 ErbStG, für die Schenkungen unter Lebenden in §§ 5, 7 ErbStG und für Zweckzuwendungen in § 8 ErbStG. Von besonderer Bedeutung sind die §§ 3 und 7 ErbStG, die einen abschließenden Katalog der steuerpflichtigen Erwerbsvorgänge enthalten.3 Soweit beide Vorschriften unmittelbar auf das Bürgerliche Gesetzbuch Bezug nehmen oder aber sich der Begriffswelt des Bürgerlichen Gesetzbuches bedienen, übernehmen sie auch dessen Vorverständnis.4 Das gilt generell 1 BFH v. 25.10.1995 – II R 67/93, BStBl. II 1996, 160; v. 19.6.1996 – II R 83/92, BStBl. II 1996, 616; v. 7.11.2007 – II R 28/06, BStBl. II 2008, 258: Empfänger der einer Kapitalgesellschaft gemachten Zuwendung ist die Kapitalgesellschaft selbst, so dass die als Folge der Zuwendung eintretende Erhöhung des Wertes der Kapitalanteile keine Zuwendung an den Gesellschafter ist; handelt es sich um eine Leistung des Gesellschafters mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis (causa societas), ist insoweit allerdings keine freigebige Zuwendung gegeben; BFH v. 17.10.2007 – II R 63/05, BStBl. II 2008, 381 (verdeckte Einlage) und vice versa BFH v. 7.11.2007 – II R 28/06, BStBl. II 2008, 258 (verdeckte Gewinnausschüttung); v. 30.1.2013 – II R 6/12, BStBl. II 2013, 930; Nichtanwendungserlass (gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder) v. 5.6.2013, BStBl. I 2013, 1465. 2 BFH v. 14.9.1994 – II R 95/92, BStBl. II 1995, 81; v. 15.7.1998 – II R 82/96, BStBl. II 1998, 630; anders noch BFH v. 7.12.1988 – II R 150/85, BStBl. II 1989, 237; und wie nunmehr schon früher der BFH v. 22.6.1960 – II 256/57 U, BStBl. III 1960, 358; zu diesem ZickZack-Kurs Hartmann, UVR 1996, 39 (44); zu Einzelheiten Gebel in T/G/J, § 7 ErbStG Rz. 185, 263, dort auch zur neueren Rechtsentwicklung wegen der (partiellen) Rechtsfähigkeit der GbR und der Partnerschaftsgesellschaft. 3 BFH v. 6.3.1991 – II R 69/87, BStBl. II 1991, 412; Jülicher in T/G/J, § 1 ErbStG Rz. 4; Meincke16, § 3 ErbStG Rz. 6. 4 Meincke16, Einführung ErbStG Rz. 11 und § 2 ErbStG Rz. 3; Gebel in T/G/J, Einführung ErbStG Rz. 30; Crezelius, Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, 36 f.
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B. Unbeschränkte Steuerpflicht
für das Erbschaftsteuergesetz: Es ist grundsätzlich bürgerlich-rechtlich geprägt1 und somit an das deutsche Zivilrecht gebunden.2 Die Bindung an deutsches Zivilrecht führt aber nicht dazu, dass etwa Erwerbsvorgänge, die sich nach ausländischem Recht vollziehen, nicht unter das deutsche Erbschaftsteuergesetz fallen. Die insoweit maßgeblichen §§ 3 und 7 ErbStG enthalten zwar eine abschließende Aufzählung von Erwerben nach Maßgabe des deutschen Zivilrechts, die Erfassungsbreite der Steuerobjekte wird aber nicht durch die konkretisierenden Tatbestände der §§ 3 und 7 ErbStG, sondern durch die Grundtatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ErbStG bestimmt. Die dort aufgeführten Tatbestände enthalten keinen spezifischen Bezug zum deutschen Zivilrecht. Sie erfassen daher auch Erwerbsvorgänge, die dem Regime eines ausländischen Rechts unterworfen sind. Im Hinblick darauf enthalten die §§ 3 und 7 ErbStG eine erschöpfende Aufzählung nur für die dem deutschen Zivilrecht unterliegenden Erwerbsvorgänge. Diese Auslegung3 ist nicht nur mit dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und 2 ErbStG und der systematischen Stellung der §§ 3 und 7 ErbStG vereinbar, sondern auch durch Sinn und Zweck des Erbschaftsteuergesetzes geboten: Erbschaftund Schenkungsteuer wollen die steuerliche Leistungsfähigkeit erfassen, die in dem transferierten Vermögensbestand zum Ausdruck kommt.4 Im Hinblick darauf ist es belanglos, nach welchem Recht die Erwerbsvorgänge vollzogen werden.5 Die Erfassung von ausländischem Recht unterliegenden Erwerbsvorgängen entspricht schließlich auch dem gesetzgeberischen Plan. Andernfalls liefen insbesondere die Regeln über die beschränkte Erbschaftsteuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG, Rz. 8.31), die an die Tatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG anknüpfen, weitgehend ins Leere. Das gilt jedenfalls insoweit, als die an den beschränkt steuerpflichtigen Erwerbsvorgängen beteiligten Personen die ausländische Staatsangehörigkeit haben und deshalb ausschließlich ausländisches Recht zur Anwendung kommt.6
8.16
Bei Erwerbsvorgängen mit Auslandsberührung gilt daher Folgendes:7 Die Regeln des internationalen Erbrechts bestimmen, welche Rechtsordnung bei der Entscheidung einer erbrechtlichen Frage anzuwenden ist.8
8.17
1 BFH v. 26.11.1986 – II R 190/81, BStBl. II 1987, 175; v. 25.1.2001 – II R 39/98, BFH/NV 2001, 908; v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl. II 2007, 669; v. 16.1.2008 – II R 10/06, BStBl. II 2008, 631. 2 Meincke16, Einführung ErbStG Rz. 11 und § 2 ErbStG Rz. 3. 3 Im Ergebnis unstreitig: BFH v. 12.5.1970 – II 52/64, BStBl. II 1972, 462; v. 28.2.1979 – II R 165/74, BStBl. II 1979, 438; v. 7.5.1986 – II R 137/79, BStBl. II 1986, 615; Meincke16, § 2 ErbStG Rz. 3, § 3 ErbStG Rz. 30; Crezelius, Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, 64 ff. 4 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 872 ff.; Hey in Tipke/Lang22, § 7 Rz. 40 f.; Crezelius, Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, 26; Crezelius in FS Tipke, 403 (405); vgl. auch BVerfG v. 15.5.1984 – 1 BvR 464/81, 1 BvR 605/81, 1 BvR 427/82, 1 BvR 440/82, BStBl. II 1984, 608. 5 Hierzu Noll in Flick/Piltz, Der Internationale Erbfall2, Rz. 1246; Schaumburg, RIW 2001, 161 (163). 6 Entsprechend Art. 25 Abs. 1 EGBGB. 7 Ausführlich mit weiterführenden Hinweisen Wachter in Flick/Piltz, Der Internationale Erbfall2, Rz. 78 ff. 8 Dutta in MüKo6, Art. 25 EGBGB Rz. 2 ff.; zur praktischen Vorgehensweise Piltz in Flick/ Piltz, Der Internationale Erbfall2, Rz. 16 f.
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Kap. 8 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer
– Für Erbfälle vor dem 17.8.2015 (Inkrafttreten der Erbrechtsverordnung1) bestimmte die Grundregel des Art. 25 Abs. 1 EGBGB a.F. als Erbstatut sowohl für Inländer als auch für Ausländer das sich nach der Staatsangehörigkeit bestimmende Heimatrecht des Erblassers. Für deutsche Staatsangehörige fand daher stets materielles deutsches Erbrecht Anwendung, und zwar auch im Fall der Doppelstaatsangehörigkeit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB a.F.).2 Von dieser Grundregel machte Art. 25 Abs. 2 EGBGB a.F. eine Ausnahme insoweit, als der Erblasser durch Verfügung von Todes wegen für im Inland belegenes unbewegliches Vermögen deutsches Recht als Recht des Belegenheitsstaats wählen konnte.3 Eine weitere Ausnahme enthielt Art. 3 Abs. 3 EGBGB a.F.: Nicht das durch die Staatsangehörigkeit vorgegebene Heimatrecht, sondern das Belegenheitsrecht galt, wenn es für den betreffenden Vermögensgegenstand besondere Vorschriften im Belegenheitsstaat etwa dahingehend gab, dass Grundstücke nur nach Maßgabe ihres Zivilrechts vererbt werden.4 Das deutsche Internationale Privatrecht akzeptierte dies mit der Folge, dass es insoweit stets zu einer Nachlassspaltung kam.5 Die Schenkung von Todes wegen unterlag, soweit sie beim Tod des Schenkers noch nicht vollzogen war, ebenfalls dem Erbstatut.6 – Für Erbfälle nach dem 16.8.2015 gilt die Europäische Erbrechtsverordnung.7 Die Verordnung gilt seit dem 17.8.2015 in den Mitgliedsländern der EU (mit Ausnahme von Dänemark, Großbritannien und Irland). Nach der Erbrechtsverordnung unterliegt die Rechtsnachfolge von Todes wegen dem Recht des Staats, in dem die/der Verstorbene zum Zeitpunkt des Todes den (letzten) gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Art. 21 EU-ErbVO). Dies gilt einheitlich für den gesamten Nachlass, es wird nicht zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen unterschieden. Allerdings besteht die Möglichkeit, eine Rechtswahl zugunsten des deutschen Erbrechts zu treffen (Art. 22 EU-ErbVO). Diese Rechtswahl kann im Rahmen der Verfügung von Todes wegen erfolgen (z.B. Bestimmung im Testament oder Erbvertrag).
1 Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, EU-ErbVO, ABl. EU 2012, L 201/107. 2 Für das formelle Erbrecht gelten Art. 26 EGBGB sowie das Haager Übereinkommen über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht v. 5.10.1961 (BGBl. II 1965, 1145). 3 Zu Einzelheiten Dutta in MüKo6, Art. 25 EGBGB Rz. 21 ff. 4 So in Belgien, Frankreich, Großbritannien. 5 Zu Einzelheiten Dutta in MüKo6, Art. 25 EGBGB Rz. 99 ff., 127 ff.; Wachter in Flick/ Piltz, Der Internationale Erbfall2, Rz. 219 ff. 6 Dutta in MüKo6, Art. 26 EGBGB Rz. 152; Wachter in Flick/Piltz, Der Internationale Erbfall2, Rz. 167. 7 Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4.7.2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses, EU-ErbVO, ABl. EU 2012, L 201/107; dazu z.B. Vollmer, ZErb 2012, 227 ff.
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B. Unbeschränkte Steuerpflicht
Soweit der Erbfall nicht in den Anwendungsbereich der Erbrechtsverordnung fällt, gelten nach Art. 25 EGBGB die Vorschriften des Kapitels III. dieser Verordnung entsprechend (Recht des Aufenthaltsstaats, falls keine abweichende Rechtswahl). Für Schenkungen unter Lebenden sowie für Schenkungen von Todes wegen, die beim Tode des Schenkers bereits vollzogen sind, kommt demgegenüber das Schuldstatut (Schenkungsstatut) zur Anwendung, so dass die Parteien wählen können, welchem Recht sie den Schenkungsvertrag unterstellen wollen (Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO1). Unterbleibt eine derartige Rechtswahl, unterliegt der Schenkungsvertrag gemäß Art. 4 Rom I-VO bei beweglichen Sachen (z.B. Gesellschaftsanteile) dem Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Schenkers und bei Grundstücken dem Belegenheitsrecht. Unterliegen hiernach die Erwerbsvorgänge des § 1 Abs. 1 ErbStG nach den Regeln des Internationalen Privatrechts ausländischem Recht, ist eine zweistufige Objektsqualifikation vorzunehmen.2 Auf einer ersten Stufe ist durch Vergleich zu prüfen, ob die ausländischen Privatrechtsinstitute den in § 1 Abs. 1 ErbStG genannten und in den §§ 3 bis 8 ErbStG nach Maßgabe des deutschen Zivilrechts näher beschriebenen Erwerbsvorgängen entsprechen. Ist das zu bejahen, steht einer Subsumtion unter § 1 Abs. 1 ErbStG nichts im Wege. Ist ein entsprechendes deutsches Privatrechtsinstitut in den §§ 3 bis 8 ErbStG nicht feststellbar, so hat auf einer zweiten Stufe eine Anpassung der Rechtsposition, die der Erwerber durch den Erwerbsvorgang erlangt hat, an das deutsche (Erb-)Recht zu erfolgen. Hierbei ist auf die wirtschaftliche Bedeutung der durch das ausländische Recht dem Erwerber eingeräumten Rechtsposition abzustellen. Ergibt sich eine unter diesem Gesichtspunkt vergleichbare deutsche Rechtsposition, ist diese maßgeblich, wenn der zugrunde liegende Erwerbsvorgang unter § 1 Abs. 1 ErbStG fällt. Die vorstehende Zweistufenprüfung ist allerdings in den Fällen nicht erforderlich, in denen bereits von Gesetzes wegen unmittelbar oder mittelbar eine Qualifikation vorgenommen wird. So wird etwa eine Vermögensübertragung auf einen Trust, den es nach deutschem Recht nicht gibt, als Schenkung unter Lebenden eingestuft (§§ 3 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2; 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 2 ErbStG), wobei der Erwerb bei Auflösung dieser Vermögensmasse noch einmal der Besteuerung unterworfen wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 ErbStG).3 Das gilt aber nur dann, wenn die Vermögensübertragung auf den Trust wirksam erfolgt ist und nicht bloß ein Treuhandverhältnis begründet wird, bei dem sich der Trustgründer als Treugeber alle maßgeblichen Verwaltungsrechte vorbehält.4
1 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I). 2 BFH v. 12.5.1970 – II 52/64, BStBl. II 1972, 462; v. 7.5.1986 – II R 137/79, BStBl. II 1986, 615; vgl. hierzu auch Klein, FR 2001, 118 (123 ff.). 3 Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen Schindhelm/Stein, FR 1999, 880 (885); zu weiteren Einzelheiten Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 128 ff. 4 BFH v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl. II 2007, 669; Jülicher, ZErb 2007, 361 ff.; Demuth, BB 2007, 2388 ff.; Weber/Zürcher, DStR 2008, 803 ff.; zu steuerstrafrechtlichen Implikationen in diesem Zusammenhang Schaumburg in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 16.34 ff.
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8.18
Kap. 8 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer
8.19
Gibt es mehrere vergleichbare deutsche Rechtspositionen, denen die ausländische Rechtsposition gleichermaßen zugeordnet werden kann, ist diejenige deutsche Rechtsposition maßgeblich, die zur mildesten Besteuerung führt.1
8.20
Die vorstehenden Grundsätze haben nicht nur Bedeutung für die Einordnung der nach ausländischem Recht vollzogenen Erwerbsvorgänge, sondern für alle Rechtsinstitute ausländischen Rechts, insbesondere solche des ausländischen Ehe- und Güterrechts.2
8.21
Durch die zweistufige Objektqualifikation3 kommt es im Ergebnis zu einer Besteuerungsdivergenz zwischen in- und ausländischem Recht unterliegenden Vermögenstransfers: Inländischem Recht unterliegende Vermögenstransfers werden nur innerhalb der Reichweite des inländischen (deutschen) Zivilrechts der Erbschaft- und Schenkungsteuer unterworfen. Demgegenüber erfolgt die Besteuerung ausländischem Recht unterliegender Vermögenstransfers nicht allein in dem vom jeweiligen ausländischen Zivilrecht vorgegebenen Rahmen, sondern auch in Orientierung an der durch das ausländische Zivilrecht vermittelten wirtschaftlichen Bedeutung.4
III. Erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht 1. Abwanderer 8.22
Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG tritt die unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht auch dann ein, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes, der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung oder der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) Personen sind, die sich als deutsche Staatsangehörige, ohne im Inland einen Wohnsitz zu haben, nicht länger als fünf Jahre lang dauernd im Ausland aufhalten. Durch diese Regelung soll verhindert werden, dass die deutsche Erbschaftsteuer durch lediglich vorübergehende Wohnsitzverlegung in das Ausland umgangen werden kann.5
8.23
Im Hinblick darauf kann § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG zu den Normen zur Vermeidung von Vermögensverlagerungen gezählt werden.6 § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG kommt jedoch nur dann zur Anwendung, wenn sowohl der Erblasser (Schenker) als auch der Erwerber im Inland keinen Wohnsitz haben. 1 BFH v. 7.5.1986 – II R 137/79, BStBl. II 1986, 615; Meincke16, § 2 ErbStG Rz. 4; Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 92 ff. mit Hinweisen zu Einzelfällen; Lethaus, CDFI LXXb (1985) 227 (240 f.). 2 Lethaus, CDFI LXXb (1985) 227 (240); zum Verwandtschaftsverhältnis und ausländischem Güterstand Noll in Flick/Piltz, Der Internationale Erbfall2, Rz. 1265 f., 1324 ff. 3 Diese zweistufige Objektsqualifikation entspricht kaum noch dem Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung; zur Kritik Crezelius, Erbschaft- und Schenkungsteuer in zivilrechtlicher Sicht, 63; ausführlich Klein, Ausländische Zivilrechtsformen im deutschen Erbschaftsteuerrecht, Rz. 124 ff. 4 Hieraus leitet Klein, Ausländische Zivilrechtsformen im deutschen Erbschaftsteuerrecht, Rz. 227 ff. einen Verstoß gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 18 AEUV ab. 5 So die Begründung der Regierungsvorlage zum 2. Steuerreformgesetz, BR-Drucks. 140/72. 6 Zur Normentypologie Rz. 2.1 ff.
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B. Unbeschränkte Steuerpflicht
Die Regel des § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG ist unscharf formuliert und deshalb Auslegungszweifeln ausgesetzt. Die erweiterte unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht tritt nämlich nach dem Wortlaut dieser Vorschrift auch dann ein, wenn der deutsche Staatsangehörige innerhalb des Fünfjahreszeitraums im Inland seinen gewöhnlichen Aufenthalt aufgegeben hat, ohne hier je einen Wohnsitz gehabt zu haben. Es hat daher nicht an Versuchen gefehlt, § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG einschränkend dahingehend auszulegen, dass die erweiterte unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht nur bei Wohnsitzaufgabe eingreife.1 Eine derartige einschränkende Auslegung ist indessen nicht gerechtfertigt, weil dem § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG der Grundsatz zu entnehmen ist, dass der gewöhnliche Aufenthalt neben dem Wohnsitz als gleichwertiger Anknüpfungspunkt besteht. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG ist schließlich auch deshalb unscharf formuliert, weil entgegen seinem Wortlaut die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht trotz fehlenden inländischen Wohnsitzes dann nicht eingreift, wenn innerhalb des Fünfjahreszeitraums im Inland ein gewöhnlicher Aufenthalt unterhalten wird.2 Da weder die unbeschränkte noch die beschränkte Erbschaftsteuerpflicht an die Staatsangehörigkeit anknüpft, ist die Erstreckung der erweiterten unbeschränkten Steuerpflicht nur auf deutsche Staatsangehörige sachfremd. Soll sich die Erbschaftsbesteuerung tatsächlich an der Leistungsfähigkeit orientieren, ist nicht erkennbar, unter welchen Gesichtspunkten es gerechtfertigt sein könnte, deutsche Staatsangehörige unter sonst gleichen Bedingungen schärfer zu besteuern als Ausländer. Insoweit verstößt die Ungleichbehandlung gegen Art. 3 Abs. 1 GG.3 Schließlich ist auch ein Verstoß gegen die europarechtlich verbürgte Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 ff. AEUV) und Niederlassungsfreiheit (Art. 49 ff. AEUV) gegeben, weil der ausgewanderte deutsche Staatsangehörige nunmehr mit seinem gesamten Weltvermögen der Erbschaft- und Schenkungsteuer sowohl im Zuzugsstaat im Rahmen der unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht als auch in Deutschland als Wegzugsstaat der erweiterten unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht unterliegt. Durch diese Doppelbelastung von Erbschaft- und Schenkungsteuer wird sich mancher grenzüberschreitende Umzug als Steuerfalle erweisen, zumal die auf eine Vermeidung der Doppelbesteuerung gerichteten unilateralen und bilateralen Normen nur sehr unvollkommen sind.4 Zwar hat der EuGH5 entschieden, dass eine derart erweiterte unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht im Grundsatz nicht gegen die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten verstößt, wenn die Doppelbesteuerung durch ein System von Steuergutschriften vermieden werden könne. Im Hinblick auf die geringe Zahl der deutschen Erbschaft1 Vgl. etwa Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 21; Weinmann in Moench/Weinmann, § 2 ErbStG Rz. 12; zweifelnd Meßbacher-Hönsch in Wilms/Jochum, § 2 ErbStG Rz. 81. 2 In diesem Fall ist unbeschränkte Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG gegeben. 3 Seer in Tipke/Lang22, § 15 Rz. 43; Höninger, Internationale Doppelbesteuerung im Wirtschaft- und Schenkungsteuerrecht, 126 ff.; Müller-Etienne, Die Europarechtswidrigkeit des Erbschaftsteuerrechts, Baden-Baden 2003, 156 ff. 4 Hierzu Schaumburg, RIW 2001, 161 (165); Wachter, ZErb 2005, 104 (108 f.). 5 EuGH v. 23.2.2006 – Rs. C-513/03 – van Hilten, Slg. 2006, I-1957.
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8.24
Kap. 8 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer
steuerabkommen und die eine Doppelbesteuerung nur partiell vermeidende Regelung des § 21 ErbStG (Rz. 18.243 ff.), ist indessen die Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht gewährleistet, so dass § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG insoweit europarechtswidrig ist.1 2. Auslandsbedienstete 8.25
Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. c ErbStG gelten als Inländer auch deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland, die in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Körperschaft des öffentlichen Rechts stehen und dafür Arbeitslohn aus einer inländischen öffentlichen Kasse beziehen. Voraussetzung ist ferner, dass der Wohnsitzstaat nur eine nach den Grundsätzen der beschränkten Steuerpflicht entsprechende Erbschaftsteuer erhebt. Sind diese Voraussetzungen gegeben, erstreckt sich die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht auch auf die zum Haushalt gehörenden Angehörigen, soweit diese die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Die Vorschrift greift erst nach Ablauf von fünf Jahren nach Aufgabe des letzten inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes2 ein, weil zuvor die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG vorrangig ist.3
IV. Besteuerung des Weltvermögens (Weltvermögensprinzip) 8.26
Die unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht gilt für den gesamten Vermögensanfall (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Es kommt daher grundsätzlich nicht darauf an, ob es sich um Inlands- oder um Auslandsvermögen handelt (Weltvermögensprinzip).4 Der Umfang des Vermögensanfalls ist indessen unterschiedlich. Ist der Erblasser ein Inländer, so sind sämtliche Erwerbe aus seinem Nachlass und alle sonstigen Vermögensanfälle, die nach § 3 ErbStG als von ihm zugewendet gelten, steuerpflichtig.5 Entsprechendes gilt für die Schenkung unter Lebenden: Hier sind die unentgeltlichen Zuwendungen nach § 7 ErbStG in vollem Umfang steuerpflichtig. Sofern der Erwerb im Ausland mit einer der deutschen Steuer entsprechenden Erbschaftsteuer belastet wird, ist – sofern nicht ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung anzuwenden ist – auf Antrag die festgesetzte, gezahlte und keinem Ermäßigungsanspruch unterliegende ausländische Steuer insoweit auf die deutsche Steuer anzurechnen, als das Auslandsvermögen auch der deutschen Erbschaftsteuer unterliegt (§ 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG; Rz. 18.243 ff.).
1 Seer in Tipke/Lang22, § 15 Rz. 43; vgl. allerdings EuGH v. 12.2.2009 – Rs. C-67/08 – Block, Slg. 2009, I-883 = FR 2009, 294; im Hinblick darauf hält auch Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 25, die Regelung für unionsrechtlich nicht angreifbar; ebenso Oellerich in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.58 f. 2 Nach h.M. kommt es auf den inländischen gewöhnlichen Aufenthalt nicht an; hierzu Rz. 8.24. 3 Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 28. 4 Für Diplomaten und Konsuln ergeben sich Einschränkungen des Welteinkommens-/ Weltvermögensprinzips aufgrund des WÜD und WÜK; vgl. zu Einzelheiten Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 87 ff. 5 Meincke16, § 2 ErbStG Rz. 8.
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B. Unbeschränkte Steuerpflicht
Soweit § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG den gesamten Vermögensanfall in die unbeschränkte Steuerpflicht einbezieht, ist damit das Nettovermögen gemeint. Dieses Nettoprinzip1 artikuliert sich insbesondere in § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG, wonach für Zwecke der Ermittlung des steuerpflichtigen Erwerbs auf die Bereicherung, d.h. auf das Bruttovermögen unter Berücksichtigung der gesetzlich zugelassenen Abzugsposten2 sowie der dort genannten Befreiungen und Freibeträge,3 abzustellen ist.4 Zu den in § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG5 genannten Befreiungen und Freibeträgen gehören insbesondere die für Betriebsvermögen, landund forstwirtschaftliches Vermögen und für Beteiligungen an Kapitalgesellschaften vorgesehenen Vergünstigungen, die einen Bewertungsabschlag (max. 30 %) bei Vorliegen bestimmter gesellschaftsvertraglicher Voraussetzungen6 (§ 13a Abs. 9 ErbStG), einen Verschonungsabschlag7 (§ 13a Abs. 1 bzw. Abs. 10 ErbStG) und jenseits dessen Reichweite einen degressiv ausgestalteten Abzugsbetrag von höchstens 150 000 Euro (§ 13a Abs. 2 ErbStG) umfassen. Der Verschonungsabschlag bezieht sich nur auf begünstigungsfähiges Vermögen (§ 13b ErbStG), wozu nur inländisches und in EU-/EWR-Staaten belegenes Vermögen gehört (§ 13b Abs. 1 Nr. 1–3 ErbStG).8 Drittstaatenvermögen ist somit von vornherein der Begünstigung entzogen, es sei denn es wird mittelbar über begünstigungsfähige Bewertungseinheiten des § 13b Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 3 ErbStG gehalten.9 Das gilt insbesondere für Anteile an Kapitalgesellschaften in Drittstaaten, die durch Einbringung in EU-/EWR-Kapitalgesellschaften oder durch Zuzug in den Begünstigungsrahmen gelangen können. Das begünstigungsfähige Vermögen ist grundsätzlich nur in Höhe des Teils begünstigt, der kein schädliches Verwaltungsvermögen ist (sog. begünstigtes Vermögen, vgl. § 13b Abs. 2 ErbStG). Überschreitet der Erwerb von begünstigtem Vermögen die Grenze von 26 Mio. Euro,
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Hierzu Seer in Tipke/Lang22, § 15 Rz. 124. Nach Meincke16, § 10 ErbStG Rz. 2 „Nettobetrag I“. Nach Meincke16, § 10 ErbStG Rz. 2 „Nettobetrag II“. Damit wird zugleich der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) entsprochen; vgl. EuGH v. 11.12.2003 – Rs. C-364/01 – Barbier, Slg. 2003, I-15013, v. 11.9.2008 – Rs. C-11/07 – Eckelkamp, Slg. 2008, I-6845 = IStR 2008, 697; v. 11.9.2008 – Rs. C-43/07 – Arens-Sikken, Slg. 2008, I-6887 = IStR 2008, 700. Nachfolgend in der Fassung des Gesetzes „zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“ v. 4.11.2016, BGBl. I 2016, 2464/BStBl. I 2016, 1202 (Inkrafttreten ab 1.7.2016). Entnahme- oder Ausschüttungsbeschränkung auf höchstens 37,5 % des Nettogewinns; Verfügungsbeschränkung zugunsten Mitgesellschafter, Angehöriger (§ 15 AO) oder Familienstiftung; Abfindungsanspruch unterhalb des gemeinen Werts für den Fall des Ausscheidens eines Gesellschafters. Der Verschonungsabschlag i.H.v. 85 % (Regelverschonung) oder 100 % (Optionsverschonung) ist bei einem Erwerb über 26 Mio. Euro auf Antrag zwar nutzbar (§ 13c Abs. 1 ErbStG). Allerdings verringert sich der Verschonungsabschlag um jeweils einen Prozentpunkt für jede volle 750.000 Euro, die der Wert des begünstigten Vermögens den Betrag von 26 Mio. Euro übersteigt. Ab einem Erwerb von 90 Mio. Euro wird kein Verschonungsabschlag mehr gewährt (§ 13c Abs. 1 ErbStG). Damit wird im Ergebnis europarechtlichen Vorgaben entsprochen; vgl. EuGH v. 25.10. 2007 – Rs. C-464/05 – Geurts und Vogten, Slg. 2007, I-9344; v. 17.1.2008 – Rs. C-256/06 – Jäger, Slg. 2008, I-140. Jülicher in T/G/J, § 13b ErbStG Rz. 67 ff.; Hübner, Ubg 2009, 1 (8); von Oertzen, JbFStR 2008/09, 97 (189).
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Kap. 8 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer
kommt ein Erlass der Steuer, die auf das begünstigte Vermögen entfällt, in Betracht, wenn der Erwerber persönlich nicht in der Lage ist, die Steuer aus seinem verfügbaren Vermögen1 zu begleichen (§ 28a ErbStG). 8.28
Ist nur der Erwerber, etwa der Erbe oder der Beschenkte, ein Inländer, so erstreckt sich die unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht nicht auf den gesamten Vermögensanfall, sondern nur auf das Vermögen, das von Todes wegen oder durch Schenkung unter Lebenden auf den inländischen Erwerber übergeht. Diese Eingrenzung ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 ErbStG, sie ist aber nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift geboten. Die persönlichen Anknüpfungspunkte des § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bestimmen die Reichweite der unbeschränkten Steuerpflicht nämlich nur in dem Sinne, dass das bei den dort genannten inländischen Erwerbern weltweit anfallende Vermögen der Erbschaftsteuer zu unterwerfen ist (Rz. 8.8). Das bei ausländischen Erwerbern anfallende Vermögen unterliegt dagegen nicht der unbeschränkten Steuerpflicht, wenn Erblasser oder Schenker keine Inländer sind.2
8.29
Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG tritt die in § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG geregelte Ersatzerbschaftsteuerpflicht nur ein, wenn die Stiftung oder der Verein ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben. Über die Reichweite dieser Ersatzerbschaftsteuerpflicht, also darüber, ob neben dem Inlandsvermögen auch Auslandsvermögen erfasst wird, trifft das Gesetz keine ausdrückliche Regelung. Da indessen inländischer Sitz und Ort der Geschäftsleitung die unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht markieren und hierfür grundsätzlich das Weltvermögensprinzip gilt, ist § 2 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG in Abgrenzung zu § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG im Sinne einer unbeschränkten Ersatzerbschaftsteuerpflicht auszulegen, so dass auch ausländisches Vermögen erfasst wird.3
8.30
Im Hinblick darauf, dass die Erbschaft-/Schenkungsteuer den Vermögenstransfer (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG) belastet4 und entsprechend ihrem Charakter als Erbanfallsteuer (Rz. 8.1) die Bereicherung beim Erbwerber zur Maßgröße steuerlicher Leistungsfähigkeit erhebt (§ 10 Abs. 1 ErbStG),5 ist es nicht sachgerecht, dass in den Fällen, in denen die Erwerber Ausländer sind, die unbeschränkte Steuerpflicht eingreift. Eine derart weitreichende Steueranknüpfung ist zwar völkerrechtlich zulässig (Rz. 3.13), mit der Konzeption der Erbschaftsteuer als Erbanfallsteuer aber unvereinbar.6
1 Zum verfügbaren Vermögen gehören 50 % des im Rahmen des Vermögensübergangs erworbenen und des dem Erwerber bereits gehörenden nichtbegünstigten Vermögens (§ 28a Abs. 2 ErbStG). 2 Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 7; Meincke16, § 2 ErbStG Rz. 8. 3 Meincke16, § 2 ErbStG Rz. 9; Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 46; zu steuerstrafrechtlichen Implikationen in diesem Zusammenhang Schaumburg in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 16.38 ff. 4 BVerfG v. 15.5.1984 – 1 BvR 464/81, 1 BvR 605/81, 1 BvR 427/82, 1 BvR 440/82, BStBl. II 1984, 608. 5 Hey in Tipke/Lang22, § 7 Rz. 40. 6 Vgl. auch Meincke16, § 2 ErbStG Rz. 8; Seer in Tipke/Lang22, § 15 Rz. 35.
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C. Beschränkte Steuerpflicht
C. Beschränkte Steuerpflicht Literatur Kommentare zu § 2 ErbStG und § 121 BewG; Baßler, Beschränkte Erbschaftsteuerpflicht beim Erwerb von Anteilen an inländischen Kapitalgesellschaften, ZEV 2014, 469; Boochs, Erbschaft- und Schenkungsteuer bei Auslandsbeziehungen, DVR 1987, 178; Boochs, Fragen der internationalen Erbschaft- und Schenkungsteuer, UVR 1994, 264; Busch, Deutsches Erbschaftsteuerrecht im Lichte der europäischen Grundfreiheiten, IStR 2002, 448; Dautzenberg, Die Bedeutung des EG-Vertrages für die Erbschaftsteuer, EWS 1998, 86; Dürrschmidt, Antrag auf Behandlung als unbeschränkt steuerpflichtig nach § 2 Abs. 3 Satz 1 ErbStG im System des deutschen Internationalen Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts, IStR 2012, 410; Flick/Piltz, Der internationale Erbfall, 2. Aufl. München 2008; Fraberger, Nationale und internationale Unternehmensnachfolge; Steuergestaltung beim Schenken und Vererben, Wien 2001, Groß-Bölting, Probleme der beschränkten Steuerpflicht im Erbschaftsteuerrecht, Köln 1997; Jochum, Barbiers Erben – das Europarecht erreicht die Erbschaftsteuer, ZErb 2004, 253; Noll, Die persönliche Erbschaftsteuerpflicht im Überblick, DStZ 1995, 713; von Oertzen, Erbschaftsteuerplanung bei beschränkt Steuerpflichtigen in Grotherr, Handbuch der Internationalen Steuerplanung 2. Aufl. 2003, 1637; von Oertzen/Schienke, Die Besteuerung deutsch-französischer Erbfälle nach Inkrafttreten des ErbSt-DBA zwischen Deutschland und Frankreich, ZEV 2007, 406; Piltz, Schenken und Vererben über die Grenze, in Höppner/Piltz/Wassermeyer, Die Besteuerung nach dem Wegzug ins Ausland, Bonn 1997, 83; Piltz, Der gemeine Wert von Unternehmen und Anteilen im neuen ErbStG, Ubg 2009, 13; Pochhammer, Beschränkte Erbschaftsteuerpflicht auf mittelbare Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften, BB 1978, 1664; Reich, Internationales Erbschaftsteuerrecht, in Süß, Erbrecht in Europa, 2. Aufl. Berlin 2007, 241; Schamburg, Erbschaftsteuerrechtliche Berechnung des Zugewinns bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht, DB 1986, 1948; Schaumburg, Problemfelder im Internationalen Erbschaftsteuerrecht, RIW 2001, 161; Schnitger, Geltung der Grundfreiheiten des EG-Vertrages im deutschen internationalen Erbschaftsteuerrecht, FR 2004, 185; Tumpel, Die europarechtlichen Vorgaben für eine Reform der Erbschaft- und Schenkungsteuer, SWI 2000, 27; Uterhark/John, Beschränkte Erbschaftsteuerpflicht: Die nahestehende Person i.S.d. § 121 Nr. 4 BewG – ein Phantom?, FR 2013, 412; Vogel, Die Grenzen der Steuerhoheit im Bereich der Erbschaft- und Vermögensteuern, CDFI LIII/2 [1968], 142; Wachter, Beschränkte Erbschaftsteuerpflicht, ErbStB 2004, 25; Wachter, Das Erbschaftsteuerrecht auf dem Prüfstand des Europäischen Gerichtshofs, DStR 2004, 540; Wachter, Internationale Erbfälle und Anteile an Gesellschaften mit beschränkter Haftung, GmbHR 2005, 407; Wachter, Gewerbliche Schutz- und Urheberrechte, Prüfung der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht mit Gestaltungshinweisen, ErbStB 2004, 119; Watrin, Erbschaftsteuerplanung internationaler Familienunternehmen, Düsseldorf 1997; Werz, Gestaltungsmöglichkeiten bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht in FS für Spiegelberger, Bonn 2009, 584.
I. Allgemeine Hinweise Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG tritt die beschränkte Erbschaftsteuerpflicht in allen Fällen ein, in denen weder der Erblasser (Schenker) noch der Erwerber Inländer sind. Es handelt sich damit um eine Auffangvorschrift, die im Hinblick auf die für die unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht maßgebliche Doppelanknüpfung an Erblasser (Schenker) und Erwerber und die zeitliche Ausdehnung durch die erweiterte unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht in der Praxis keine sehr große Bedeutung hat. Die beschränkte Steuerpflicht erstreckt sich zudem nur auf den Vermögensanfall, der Inlandsvermögen i.S. des § 121 BewG betrifft.
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8.31
Kap. 8 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer
II. Inlandsvermögen 1. Numerus clausus 8.32
§ 121 BewG enthält einen numerus clausus derjenigen Vermögensgegenstände, die zum Inlandsvermögen zählen. Vermögensgegenstände, die dort nicht aufgeführt sind, etwa Bank- oder Sparguthaben und Wertpapierdepots bei inländischen Kreditinstituten, nicht dinglich gesicherte Forderungen gegen inländische Schuldner, gehören somit nicht zum Inlandsvermögen. Daher sind auch der auf Geldzahlung gerichtete Pflichtteilsanspruch, selbst wenn er gegen einen inländischen Erben gerichtet ist, sowie ein Geldvermächtnis, auch wenn es aus einem Nachlass zu entrichten ist, der nur aus Inlandsvermögen besteht, nicht beschränkt erbschaftsteuerpflichtig.1 Für Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften wird § 121 Nr. 4 BewG allerdings durch § 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG erweitert. 2. Qualifizierung des Inlandsvermögens
8.33
§ 121 BewG enthält einen Katalog von Vermögensgruppen, der in etwa dem in § 49 Abs. 1 EStG aufgeführten Einkünftekatalog entspricht2 Obwohl das Bewertungsgesetz für die Qualifizierung von Inlandsvermögen keine ausdrückliche Bestimmung enthält, wird seitens der Rechtsprechung gleichwohl eine dem § 49 Abs. 2 EStG entsprechende allgemeingültige isolierende Betrachtungsweise angenommen.3 Welcher der in § 121 BewG aufgezählten Vermögensarten Wirtschaftsgüter zuzuordnen sind, ist daher danach zu entscheiden, wie sich diese Wirtschaftsgüter vom Inland aus gesehen darstellen.4 Bei der Qualifizierung dieser Wirtschaftsgüter ist auf die Begriffe und Maßstäbe des deutschen Rechts abzustellen. Ausländische Rechtsinstitute sind den vergleichbaren deutschen Rechtsinstituten gleichzustellen.5 3. Die einzelnen Vermögensgruppen a) Inländisches land- und forstwirtschaftliches Vermögen
8.34
Das inländische land- und forstwirtschaftliche Vermögen (§ 121 Nr. 1 BewG) umfasst die im Inland belegenen Betriebe der Land- und Forstwirtschaft. Entscheidend ist die Belegenheit des Vermögens. Dagegen ist es ohne Bedeutung, wo sich der Sitz der Leitung befindet, ob der Erblasser (Schenker) das land- und forstwirtschaftliche Vermögen selbst bewirtschaftet oder ob dieses zwecks Bewirtschaftung einem anderen überlassen wird. Erstreckt sich das land- und forstwirtschaftliche Vermögen sowohl auf das Inland als auch auf das Ausland, so gehört nur der inländische Teil zum Inlandsvermögen. Das land- und forstwirtschaft1 Meincke16, § 2 ErbStG Rz. 11; Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 67; Eisele in Kapp/Ebeling, § 2 ErbStG Rz. 52. 2 Die Parallelität von § 49 Abs. 1 EStG und § 121 Abs. 2 BewG ist unter dem Gesichtspunkt, dass die Erbschaftsteuer auch eine Steuer auf das Einkommen ist, durchaus konsequent, vgl. hierzu Vogel, CDFI LIII/2 (1968), 142 (160). 3 BFH v. 2.9.1953 – III 105/53 S, BStBl. III 1953, 324; v. 20.1.1959 – I 112/57 S, BStBl. III 1959, 133; v. 30.1.1981 – III R 116/79, BStBl. II 1981, 560; Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 49. 4 Noll in Flick/Piltz, Der internationale Erbfall2, Rz. 1285. 5 BFH v. 20.7.1960 – II 262/57 U, BStBl. III 1960, 385; vgl. hierzu auch Rz. 8.17 f.
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C. Beschränkte Steuerpflicht
liche Vermögen ist mit dem gemeinen Wert (Wirtschaftswert) anzusetzen (§ 12 Abs. 3 ErbStG i.V. mit §§ 157 Abs. 2; 162 Abs. 1 BewG). b) Inländisches Grundvermögen Zum inländischen Grundvermögen gehören gem. § 121 Nr. 2 BewG die im Inland belegenen Grundstücke (§ 70 BewG). Hierzu zählen neben Grund und Boden, Gebäuden sonstigen Bestandteilen und Zubehör auch das Erbbaurecht und das Wohnungseigentum sowie Gebäude auf fremdem Grund und Boden (§§ 68 Abs. 1 und 70 Abs. 3 BewG). Die zum Inlandsvermögen gehörenden Grundstücke sind mit dem gemeinen Wert anzusetzen (§ 12 Abs. 3 ErbStG i.V. mit §§ 157 Abs. 3; 177 BewG), und zwar auf der Grundlage von Bodenrichtwerten für unbebaute Grundstücke (§§ 178 f. BewG) und dem Vergleichswertverfahren (§§ 182 Abs. 2, 183 BewG), dem Ertragswertverfahren (§§ 182 Abs. 3, 184–188 BewG) oder dem Sachwertverfahren (§§ 182 Abs. 4, 189 bis 191 BewG) für bebaute Grundstücke. Von § 121 Nr. 2 BewG werden auch Anteile an einer Grundstücksgemeinschaft und einer Personengesellschaft erfasst, soweit diese, etwa als geschlossener Immobilienfonds, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung inländischen Grundbesitzes erzielen.1 Die für Grundvermögen maßgeblichen Verschonungsregelungen gem. §§ 13 Abs. 1 Nr. 4a–4c; 13d Abs. 1 ErbStG gelten auch für beschränkt Steuerpflichtige.
8.35
c) Inländisches Betriebsvermögen Als inländisches Betriebsvermögen gilt das Vermögen, das einem im Inland betriebenen Gewerbe dient, wenn hierfür im Inland eine Betriebsstätte (§ 12 AO) unterhalten wird oder ein ständiger Vertreter (§ 13 AO) bestellt ist (§ 121 Nr. 3 BewG). Im Hinblick darauf, dass eine freiberufliche Tätigkeit gem. § 96 BewG wie ein Gewerbebetrieb behandelt wird, kommt auch das einer freiberuflichen Tätigkeit dienende Vermögen als inländisches Betriebsvermögen in Betracht. Voraussetzung ist allerdings in beiden Fällen, dass sich im Inland eine Betriebsstätte befindet oder ein ständiger Vertreter aufhält. Ob eine inländische Betriebsstätte gegeben oder ein ständiger Vertreter im Inland tätig ist, bedarf zwar im Besteuerungsverfahren für die Erbschaft-/Schenkungsteuer einer selbständigen Entscheidung,2 darüber wird aber bereits meistens zuvor im Zusammenhang mit der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer entschieden, so dass die hierfür getroffenen Entscheidungen im Regelfall zu übernehmen sind. Wegen der Einzelheiten kann daher auf die dortigen Ausführungen verwiesen werden (Rz. 6.150).
8.36
Für die Zugehörigkeit zum inländischen Betriebsvermögen ist es grundsätzlich ohne Bedeutung, ob sich die Wirtschaftsgüter im Inland oder Ausland befinden;3 entscheidend ist allein die wirtschaftliche Zuordnung zum inländischen Betriebsvermögen4 insbesondere zu einer inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmers oder zu einer inländischen Personengesellschaft5 mit im
8.37
1 Wachter, ErbStB 2004, 25 (27); von Oertzen/Schienke, ZEV 2007, 406 (409). 2 R E 2.2 Abs. 2 Satz 1 ErbStR 2011. 3 RFH v. 19.4.1934, RStBl. 1934, 738; Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 54; Richter in V/K/S4, § 121 BewG Rz. 11. 4 BFH v. 10.4.1987 – VI R 94/86, BStBl. II 1987, 500. 5 Erfasst wird auch Sonderbetriebsvermögen; hierzu Wachter, GmbHR 2005, 407 (423).
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Kap. 8 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer
Ausland ansässigen Gesellschaftern. Dies gilt auch für im Ausland befindliche Wirtschaftsgüter einer inländischen Personengesellschaft, falls nicht diese Wirtschaftsgüter einer ausländischen Betriebsstätte dieser Personengesellschaft zuzuordnen sind.1 Für das inländische Betriebsvermögen ist der gemeine Wert anzusetzen (§ 12 Abs. 5 ErbStG i.V. mit §§ 109; 11 Abs. 2 BewG), und zwar in aller Regel auf der Grundlage des Ertragswertes, wobei auch das vereinfachte Ertragswertverfahren zur Anwendung kommen kann (§§ 199 ff. BewG).2 d) Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften 8.38
Zum Inlandsvermögen gehört die Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft, wenn sie mindestens 1/10 des Nennkapitals ausmacht (§ 121 Nr. 4 BewG). § 121 Nr. 4 BewG ist subsidiär gegenüber § 121 Nr. 3 BewG mit der Folge, dass etwa Aktien und GmbH-Anteile, die zu einer inländischen Betriebsstätte gehören, dem Inlandsvermögen als Betriebsvermögen zuzuordnen sind.3 Für Zwecke der Mindestbeteiligungsgrenze werden allerdings auch die in einer inländischen Betriebsstätte gehaltenen Anteile mit eingerechnet.4
8.39
Der für die Beteiligungsquote maßgebende Zeitpunkt ist der Bewertungsstichtag. Für Zwecke der Beteiligungsquote sind neben mittelbaren Beteiligungen auch die Beteiligungen nahestehender Personen i.S. von § 1 Abs. 2 AStG (Rz. 21.187 ff.) mit einzubeziehen.5 Damit kann durch eine innerkonzernliche Aufspaltung der Beteiligungen die maßgebliche Beteiligungsgrenze (1/10) nicht unterschritten werden. Nicht zu berücksichtigen sein sollte dagegen ein (schenkung- oder erbschaftsteuerlicher) Poolvertrag i.S.v. § 13b Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG, so dass für die Bestimmung der Beteiligungsgrenze nicht auf die Höhe der insgesamt gepoolten Beteiligung (in der Regel mehr als 25 %) abzustellen ist. Ein Poolvertrag erfüllt nicht die Voraussetzungen von § 1 Abs. 2 AStG, die Mitglieder eines Pools werden aufgrund des Poolvertrags nicht zu nahestehenden Personen.
8.40
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 ErbStG ist es für die Qualifikation als Inlandsvermögen gem. § 121 Nr. 4 BewG ausreichend, wenn nur der Erblasser (Schenker) zur Zeit des Erwerbs mit zumindest 10 % an der inländischen Kapitalgesellschaft beteiligt war. Unerheblich ist daher, in welchem Umfang der Erwerber vor und nach der Zuwendung beteiligt ist.6 Darüber hinaus ist nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 ErbStG der Teilerwerb einer Beteiligung, die zum Zeitpunkt des Erwerbs weniger 1 BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663; demgegenüber soll nach dem Erlass FinMin. NW v. 2.3.1979, DB 1979, 769 der auf das gesamte Auslandsvermögen entfallende Anteil des beschränkt Steuerpflichtigen an der Personengesellschaft auch dann nicht zu seinem Inlandsvermögen gehören, wenn das Auslandsvermögen einer ausländischen Betriebsstätte nicht zuzuordnen ist; ebenso Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 54; Noll in Flick/Piltz, Der Internationale Erbfall2, Rz. 1290. 2 Zu Einzelheiten Piltz, Ubg 2009, 13 ff.; Eisele in Rössler/Troll, § 121 BewG Rz. 17 f. 3 Eisele in Rössler/Troll, § 121 BewG Rz. 23. 4 Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 57; R E 2.2 Abs. 3 Satz 4 ErbStR 2011. 5 Die mittelbaren Beteiligungen unterliegen selbst demgegenüber nicht der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht; Noll in Flick/Piltz, Der Internationale Erbfall2, Rz. 1292; Pochhammer, BB 1978, 1664 ff.; FinMin Baden-Württemberg v. 24.7.1997, DB 1997, 1595; R E 2.2 Abs. 3 Satz 5 ErbStR 2011. 6 Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 59.
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C. Beschränkte Steuerpflicht
als 10 % beträgt, als Erwerb von Inlandsvermögen zu werten, wenn der Erblasser/ Schenker zu einem früheren Zeitpunkt eine Beteiligung von mehr als 10 % hatte und einen Teil dieser Beteiligung bereits früher dem Erwerber zugewendet hatte. Damit wird auch der sukzessive Transfer von Vermögen der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht unterworfen. Andernfalls könnte durch Aufspaltung der Beteiligung und sukzessiven Transfer die Steuerpflicht unterlaufen werden.1 Die Bewertung erfolgt, soweit kein Börsenkurs feststellbar ist (§ 11 Abs. 1 BewG), zum gemeinen Wert (§§ 109 Abs. 2; 11 Abs. 2 BewG), und zwar entweder abgeleitet aus Verkaufspreisen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG) oder auf der Grundlage des Ertragswertes, wobei auch das vereinfachte Ertragswertverfahren zur Anwendung kommen kann (§§ 199 ff. BewG).2 e) Patente, Gebrauchsmuster und Topographien Erfindungen, Gebrauchsmuster und Topographien, die nicht zu einem inländischen Betriebsvermögen gehören, sind Inlandsvermögen gem. § 121 Nr. 5 BewG, wenn sie in ein inländisches Buch oder Register eingetragen sind.3 Es ist hierbei ohne Bedeutung, ob die Erfindungen usw. im Inland, im Ausland oder überhaupt verwertet werden.4 Die Bewertung erfolgt zum gemeinen Wert (§ 12 Abs. 1 ErbStG i.V. mit § 9 BewG), wobei für in Lizenz vergebene Rechte auf die kapitalisierte Gegenleistung abzustellen ist.5
8.41
f) Wirtschaftsgüter, die einem inländischen gewerblichen Betrieb überlassen sind Gemäß § 121 Nr. 6 BewG zählen zum Inlandsvermögen auch alle Wirtschaftsgüter, die einem inländischen Gewerbebetrieb überlassen sind, soweit diese nicht schon selbst als inländisches land- und forstwirtschaftliches Vermögen, inländisches Grundvermögen oder als Erfindungen und Gebrauchsmuster zum Inlandsvermögen gehören.6 Erfasst werden vor allem vermietete und verpachtete Wirtschaftsgüter sowie in Lizenz vergebene Erfindungen, Gebrauchsmuster, Know-how und Marken, ohne dass es auf die Dauer der Überlassung ankommt.7 Nicht unter § 121 Nr. 6 BewG fällt die Verpachtung eines inländischen Gewerbebetriebs im Ganzen durch einen beschränkt Steuerpflichtigen, da ein verpachteter Gewerbebetrieb inländisches Betriebsvermögen des Verpächters gem. § 121 Nr. 3 BewG darstellt.8 Im Hinblick darauf greift § 121 Nr. 6 BewG auch dann nicht ein, wenn zu einem inländischen Betriebsvermögen gehörende Wirtschaftsgüter vermietet werden.9 Der für die Bewertung maßgebliche gemeine 1 § 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 ErbStG ist missglückt; hierzu Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 60. 2 Zu Einzelheiten Piltz, Ubg 2009, 13 ff. 3 Fallen diese Rechte unter § 121 Nr. 3 oder 6 BewG, ist eine Eintragung in ein inländisches Register nicht erforderlich; BFH v. 29.1.1965 – III 121/62 U, BStBl. III 1965, 219; Richter in V/K/S4, § 121 BewG Rz. 20. 4 Willmann in Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, § 121 BewG Rz. 38. 5 Vgl. R B 9.2 ErbStR 2011. 6 Die Zuordnung zu § 121 Nr. 1, 2 und 5 BewG geht somit vor. 7 BFH v. 19.9.1959 – III 201/58 U, BStBl. III 1959, 476. 8 Eisele in Rössler/Troll, § 121 BewG Rz. 34. 9 BFH v. 4.3.1970 – I R 140/66, BStBl. II 1970, 428.
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8.42
Kap. 8 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer
Wert (§ 2 Abs. 1 ErbStG i.V. mit § 9 BewG) orientiert sich im Falle der Lizenzvergabe gegen wiederkehrende Zahlungen an der kapitalisierten Gegenleistung.1 g) Grundpfandrechtlich gesicherte Forderungen 8.43
Als Inlandsvermögen gelten Hypotheken, Grundschulden, Rentenschulden und andere Forderungen oder Rechte, wenn sie durch inländischen Grundbesitz oder inländische grundstücksgleiche Rechte oder durch Schiffe, die in ein inländisches Schiffsregister eingetragen sind, unmittelbar oder mittelbar gesichert sind (§ 121 Nr. 7 BewG). Von § 121 Nr. 7 BewG werden nicht nur Kapitalforderungen, sondern alle Forderungen und Rechte erfasst, die als Betriebsvermögen in Betracht kommen können.2 Ohne Bedeutung ist, wer Schuldner der gesicherten Forderung ist, so dass auch eine gegen einen Ausländer gerichtete Forderung Inlandsvermögen darstellt, wenn sie durch inländischen Grundbesitz abgesichert ist.3
8.44
Mangels dinglicher Sicherung sind etwa Sparbuch- und Festgeldforderungen kein Inlandsvermögen. Insoweit entspricht die in § 121 Nr. 7 BewG getroffene Regelung dem § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa EStG.4
8.45
Eine unmittelbare Absicherung der Forderungen und Rechte ist dann gegeben, wenn der Grundbesitz, die grundstücksgleichen Rechte oder die Schiffe für die Forderungen oder das Recht haften. Eine mittelbare Absicherung liegt vor, wenn der Gläubiger anderweitig die Möglichkeit hat, Befriedigung aus dem Grundbesitz, den grundstücksgleichen Rechten oder Schiffen zu erlangen. Zu dieser mittelbaren Absicherung gehört die Sicherung durch Verpfändung von Hypotheken oder Grundschulden,5 die treuhänderische Verwaltung von Grundschuld- oder Hypothekenbriefen zugunsten des ausländischen Gläubigers,6 die Vormerkung zur Sicherung eines Anspruchs auf Eintragung einer Hypothek7 oder die Eintragungsbewilligung für eine Hypothek, ohne dass hiervon Gebrauch gemacht wird.8 Gemäß § 121 Nr. 7 Satz 2 BewG sind ausdrücklich ausgenommen Anleihen und Forderungen, über die Teilschuldverschreibungen ausgegeben sind. Die Bewertung erfolgt mit dem Nennwert, wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen (§ 12 Abs. 1 ErbStG i.V. mit §§ 12 ff. BewG). h) Forderungen aus stiller Beteiligung und partiarischem Darlehen
8.46
Zum Inlandsvermögen gehören gem. § 121 Nr. 8 BewG die typische stille Beteiligung und die Forderung aus partiarischem Darlehen, wenn der Schuldner unbeschränkt steuerpflichtig ist. Obwohl § 121 Nr. 8 BewG lediglich die stille Betei1 2 3 4 5 6 7 8
Vgl. R B 9.2 ErbStR 2011. RFH v. 23.4.1936, RStBl. 1936, 618. RFH v. 4.9.1934, RStBl. 1934, 1244. Zur lückenhaften Erfassung dieser Einkünfte Rz. 6.129. BFH v. 13.4.1994 – I R 97/93, BStBl. II 1994, 743. RFH v. 8.11.1934, RStBl. 1935, 582; BFH v. 13.4.1994 – I R 97/93, BStBl. II 1994, 743. BFH v. 12.8.1964 – II 125/62 U, BStBl. II 1964, 647. BFH v. 17.2.1961 – VI 76/59 U, BStBl. III 1961, 161.
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C. Beschränkte Steuerpflicht
ligung an einem Handelsgewerbe erwähnt, zählt die stille Beteiligung nur dann zum Inlandsvermögen, wenn das Handelsgewerbe selbst auch im Inland betrieben wird. Die Forderung des typisch stillen Gesellschafters auf Auszahlung des Gewinnanteils gehört nicht zum Inlandsvermögen, es sei denn, der Gewinnanteil wird seinem Privat- oder Darlehenskonto derart gutgeschrieben, dass der stille Gesellschafter auch mit den stehen gelassenen Gewinnen am Ergebnis des Handelsgewerbes beteiligt wird.1 Im Gegensatz zur typisch stillen Beteiligung zählt die atypisch stille Beteiligung nicht zum Inlandsvermögen i.S. von § 121 Nr. 8 BewG.2 Sie stellt Betriebsvermögen gem. § 121 Nr. 3 BewG dar.3 Die typisch stille Beteiligung ist als Kapitalforderung mit dem Nennwert anzusetzen, wenn nicht besondere Umstände einen abweichenden Bewertungsansatz gebieten (§ 12 BewG).4 Entsprechendes gilt für die Bewertung partiarischer Darlehen.
8.47
In § 121 Nr. 8 BewG wird das partiarische Darlehen der typischen stillen Beteiligung gleichgestellt.5
8.48
i) Nutzungsrechte am Inlandsvermögen Nutzungsrechte, die einem beschränkt Steuerpflichtigen an den nach § 121 Nr. 1 bis 8 BewG als Inlandsvermögen in Betracht kommenden Vermögensgegenständen zustehen, zählen ebenfalls zum Inlandsvermögen (§ 121 Nr. 9 BewG). Zu diesen Nutzungsrechten gehören sowohl dingliche als auch obligatorische Rechte, insbesondere der Nießbrauch an Grundstücken und an Beteiligungen. Letzteres gilt freilich nur dann, wenn die Beteiligung etwa an einer Kapitalgesellschaft mindestens 10 % beträgt, weil diese nur dann unter § 121 Nr. 4 BewG fallen kann. Auf den Umfang des Nießbrauchs selbst kommt es dagegen nicht an.6 Die Bewertung richtet sich nach § 12 Abs. 1 ErbStG i.V. mit §§ 13 ff. BewG mit dem Kapitalwert.
8.49
4. Ermittlung und Bewertung des Inlandsvermögens Bei beschränkter Steuerpflicht sind Schulden und Lasten bei Feststellung der Bereicherung gem. § 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG nur insoweit abziehbar, als sie mit den 1 BFH v. 17.10.1975 – III R 66–67/74, III R 66/74, III R 67/74, BStBl. II 1976, 275. 2 BFH v. 29.10.1969 – I R 80/67, BStBl. II 1970, 180; R E 2.2 Abs. 5 Satz 1 ErbStR 2011. 3 Sowohl der typisch stille Gesellschafter als auch der atypisch stille Gesellschafter sind zwar im Rahmen einer Innengesellschaft an einem fremden Unternehmen beteiligt, anders als der typisch stille Gesellschafter ist aber der atypisch stille Gesellschafter nicht nur am laufenden Gewinn, sondern auch an den stillen Reserven des Vermögens beteiligt, so dass er bei Liquidation der Gesellschaft nicht nur einen Anspruch auf Rückzahlung der nominalen Einlage, sondern Anspruch auf ein auch die stillen Reserven umfassendes Auseinandersetzungsguthaben hat, vgl. im Einzelnen Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 341. 4 BFH v. 7.5.1971 – III R 7/69, BStBl. II 1971, 642; R B 12.4 ErbStR 2011. 5 Partiarische Darlehen sind Darlehen, deren Verzinsung sich ebenfalls nach dem Gewinn richtet; sie werden auch im Einkommensteuerrecht gem. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG gleichbehandelt. 6 Eisele in Rössler/Troll, § 121 BewG Rz. 45.
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8.50
Kap. 8 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer
steuerpflichtigen Vermögensgegenständen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Ein solcher Zusammenhang ist gegeben, wenn die Entstehung der Schuld oder Last ursächlich und unmittelbar auf Vorgängen beruht, die den belasteten Vermögensgegenstand betreffen.1 Damit wird auch im Bereich der beschränken Steuerpflicht im Grundsatz das Nettoprinzip sichergestellt. Dies ist in Orientierung an die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten, insbesondere an die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV), auch geboten.2 8.51
Während die sachlichen Steuerbefreiungen des § 13 ErbStG sowie die Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen (§§ 13a Abs. 1, 10 i.V.m. § 13b Abs. 2 ErbStG; einschließlich der Bedürftigkeitsprüfung mit Steuererlass nach § 28a ErbStG, Rz. 8.27) und für Grundvermögen (§ 13d Abs. 1 ErbStG) grundsätzlich auch bei beschränkter Steuerpflicht gewährt werden,3 sind die persönlichen Freibeträge der §§ 16 Abs. 1, 17 ErbStG der unbeschränkten Steuerpflicht vorbehalten. Bei beschränkter Steuerpflicht gesteht § 16 Abs. 2 ErbStG lediglich einen vergleichsweise niedrigen Freibetrag zu.
8.52
Die unterschiedliche Höhe der in § 16 Abs. 1 ErbStG normierten Freibeträge mag zwar verfassungskonform sein;4 nicht gerechtfertigt ist aber die Benachteiligung im Falle der beschränkten Steuerpflicht, wenn die Lage bei beschränkter Steuerpflicht im Wesentlichen derjenigen bei unbeschränkter Steuerpflicht entspricht.5 Der Gesetzgeber hat daher im Jahr 2011, insbesondere zur Gewährleistung der unionsrechtlich verbürgten Grundfreiheiten, 6 mit der Regelung des § 2 Abs. 3 ErbStG die Möglichkeit geschaffen, bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht für die unbeschränkte Steuerpflicht zu optieren, um die höheren Freibeträge der §§ 16 Abs. 1, 17 ErbStG geltend machen zu können.7 Das Antragsrecht steht ausschließlich dem Erwerber, nicht aber dem Zuwendenden zu.8 Die Regelung des § 2 Abs. 3 ErbStG ist jedoch nicht mit dem Grundsatz der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar, da die Anwendung der in §§ 16, 17 ErbStG genannten Freibeträge von der Stellung eines Antrags abhängt und zudem nach der Regelung des § 2 Abs. 3 Satz 2 ErbStG eine Zusammenrechnung sämtlicher Erwerbe innerhalb von zehn Jahren vor und zehn Jahren nach dem Vermögensanfall erfolgt.9 Unionsrechtlich 1 RFH v. 14.11.1935, RStBl. 1935, 1465; v. 13.11.1964 – III 336/61, HFR 1965, 449; v. 17.12. 1965 – III 342/60 U, BStBl. III 1966, 483; v. 28.1.1972 – III R 4/71, BStBl. II 1972, 416; v. 30.7.1997 – II R 9/95, BStBl. II 1997, 635; Gebel in T/G/J, § 10 ErbStG Rz. 247, 254 f. 2 EuGH v. 11.12.2003 – Rs. C-364/01 – Barbier, Slg. 2003, I-15013; v. 11.9.2008 – Rs. C-11/07 – Eckelkamp, Slg. 2008, I-6845 = IStR 2008, 697; v. 11.9.2008 – Rs. C-43/07 – Arens-Sikken, Slg. 2008, I-6887 = IStR 2008, 700; Oellerich in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.69. 3 Jülicher in T/G/J, § 13 ErbStG Rz. 1; Meincke16, § 13 ErbStG Rz. 1. 4 So für die unterschiedliche Höhe der Freibeträge für Ehegatten und Kinder BVerfG v. 4.8.1988 – 1 BvR 328/88, 1 BvR 333/88, 1 BvR 335/88, 1 BvR 328, 333, 335/88, HFR 1989, 566. 5 Allerdings soll kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliegen; BFH v. 21.9.2005 – II R 567/03, BStBl. II 2005, 875. 6 EuGH v. 22.4.2010 – Rs. C-510/08 – Mattner, Slg. 2010, I-3553 = DStR 2010, 861. 7 Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 15.3.2012 – S 3801, BStBl. I 2012, 328 Tz. 5. 8 Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 75. 9 EuGH v. 8.6.2016 – Rs. C-479/14 – Hünnebeck, ECLI:EU:C:2016:412 = ISR 2016, 367 mit Anm. Oppel = DStR 2016, 1360.
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D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht
geboten ist daher eine Gleichstellung von in- und ausländischen Erwerbern im ErbStG.1
D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht Literatur Kommentare zu § 4 AStG; Ettinger, Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer beim Wegzug ins Ausland und danach, ZERb 2006, 41; Flick/Piltz, Der internationale Erbfall, 2. Aufl. München 2008; Kau, Erbschaftsteuerliche Aspekte des Außensteuerrechts, UVR 2001, 13; Noll, Die persönliche Erbschaftsteuerpflicht im Überblick, DStZ 1995, 713; Schaumburg, Problemfelder im Internationalen Erbschaftsteuerrecht, RIW 2001, 161.
I. Allgemeines Neben der unbeschränkten, erweiterten unbeschränkten und beschränkten Steuerpflicht regelt § 4 AStG die erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht, die noch durch die Umgehungsvorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 2 AStG ergänzt wird.
8.53
Durch § 4 Abs. 1 AStG wird die beschränkte Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) über die in § 121 BewG genannten Wirtschaftsgüter hinaus auf alle Vermögenswerte ausgedehnt, deren Erträge bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht nicht zu den ausländischen Einkünften i.S. des § 34c Abs. 1 EStG gehören. Die erweiterte beschränkte Steuerpflicht, die auf den Erblasser oder Schenker abstellt, setzt voraus, dass weder Erblasser (Schenker) noch Erwerber Inländer sind. Die erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht betrifft ausgewanderte natürliche Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit unter den gleichen Voraussetzungen wie bei der erweiterten beschränkten Einkommensteuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Satz 1 AStG; Rz. 6.312 ff.).
8.54
§ 4 AStG ist eine gegen Vermögensverlagerungen gerichtete Norm (Rz. 2.12). Mit ihr wird das Ziel verfolgt, der Auswanderung in Niedrigsteuerländer die steuerlichen Anreize zu nehmen. Auch gemessen an dieser Zielsetzung ist die Beschränkung des § 4 AStG auf wegziehende deutsche Staatsangehörige sachfremd. Sie führt zu einer im Vergleich zu Ausländern benachteiligenden Höherbesteuerung, die mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren ist.2 Darüber hinaus ist ein Verstoß gegen die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten gegeben.3
8.55
1 Eine entsprechende Änderung des ErbStG sieht Art. 5 des Regierungsentwurfs des BMF für ein Gesetz zur Bekämpfung der Steuerumgehung und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (StUmgBG) vor. Danach soll § 2 Abs. 3 ErbStG gestrichen und § 16 ErbStG geändert werden. Weiterhin soll eine Anpassung von § 17 ErbStG erfolgen. Die Änderungen von §§ 2, 16 ErbStG sollen auf Erwerbe anzuwenden sein, für die die Steuer nach dem Tag der Verkündung des vorliegenden Änderungsgesetzes entstanden ist (§ 37 Abs. 4 ErbStG-E). Dies soll grundsätzlich auch für die Anwendbarkeit des geänderten § 17 ErbStG gelten, wobei die geänderte Vorschrift auch für alle noch nicht bestandskräftigen Veranlagungen gelten soll (§ 37 Abs. 3 ErbStG-E). 2 Ettinger in Haase3, § 4 AStG Rz. 23. 3 Vgl. EuGH v. 11.12.2003 – Rs. C-364/01 – Barbier, Slg. 2003, I-15013; nach EuGH v. 23.2. 2006 – Rs. C-513/03 – van Hilten, Slg. 2006, I-1957 ist ein Verstoß eher zweifelhaft, so Zimmermann/Klinkertz in S/K/K, § 4 AStG Rz. 22.
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Kap. 8 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer
8.56
Die erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht ist sowohl der unbeschränkten als auch der erweiterten unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht gegenüber subsidiär.1 Soweit es daher zu Überschneidungen zwischen der erweiterten unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht einerseits und der erweiterten beschränkten Erbschaftsteuerpflicht andererseits kommt, tritt die erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht zurück. Ist also der Erblasser (Schenker) deutscher Staatsangehöriger, wird im Regelfall die erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht nur für die Zeit zwischen Ablauf der Fünfjahresfrist nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b ErbStG und Ablauf des Zehnjahreszeitraums nach § 2 Abs. 1 AStG eingreifen, sofern auch die Erwerber nicht Inländer sind und für den Erwerb im Ausland nicht eine entsprechende Steuer in Höhe von mindestens 30 % der deutschen Erbschaftsteuer zu entrichten ist (§ 4 Abs. 2 AStG).2
8.57
Die erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht unterliegt den Schrankenwirkungen der Doppelbesteuerungsabkommen, wonach die aufgrund der erweiterten beschränkten Erbschaftsteuerpflicht zusätzlich zu versteuernden Vermögenswerte der Besteuerung durch den Wohnsitzstaat des Erblassers zugewiesen sind.3 Darüber hinaus ist die erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 AStG davon abhängig, dass § 2 Abs. 1 Satz 1 AStG Anwendung findet. Es entfällt daher die erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht auch dann, wenn die erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht infolge eingreifender Doppelbesteuerungsabkommen entfällt.4
8.58
Im Hinblick auf diese doppelte Schrankenwirkung spielt die erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht in der Praxis keine bedeutende Rolle.
II. Voraussetzungen 8.59
§ 4 Abs. 1 Satz 1 AStG enthält eine Anknüpfung an die Tatbestandsmerkmale des für die erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht maßgebenden § 2 Abs. 1 Satz 1 AStG. Eine erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht setzt demnach insbesondere Folgendes voraus: – Der Erblasser oder Schenker muss eine natürliche Person (gewesen) sein, die in den letzten zehn Jahren vor der Auswanderung als Deutscher insgesamt mindestens fünf Jahre lang unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war; – der Erblasser oder Schenker muss(te) in einem ausländischen Gebiet ansässig sein, in dem er mit seinem Einkommen nur einer niedrigen Besteuerung von Einkommen (§ 2 Abs. 2 AStG) unterliegt (unterlag); – der Erblasser oder Schenker muss(te) unmittelbar oder mittelbar wesentliche wirtschaftliche Interessen (§ 2 Abs. 3 und 4 AStG) im Inland haben.
8.60
Die tatbestandliche Anknüpfung der erweiterten unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht ausschließlich an die Verhältnisse des Erblassers (Schenkers) ist nicht 1 Richter in V/K/S4, § 2 ErbStG Rz. 38; Baßler in F/W/B/S, § 4 AStG Rz. 7. 2 Baßler in F/W/B/S, § 4 AStG Rz. 7, 8; Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 80 f. 3 Vgl. Art. 7 OECD-MA (betreffend Nachlässe und Erbschaften); zu den einzelnen DBA im Überblick Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 205 ff.; ferner Rz. 19.499. 4 Baßler in F/W/B/S, § 4 AStG Rz. 17.
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D. Erweiterte beschränkte Steuerpflicht
plausibel. Soll nämlich über § 4 AStG der Auswanderung in Niedrigsteuerländer der Anreiz genommen werden, hätten die in § 2 Abs. 1 Satz 1 AStG aufgeführten Tatbestandsmerkmale alternativ auch auf den Erwerber bezogen werden müssen. Durch die einseitige Anknüpfung an den Erblasser (Schenker) wird zudem die im Erbschaftsteuergesetz selbst statuierte Sachgesetzlichkeit dahingehend durchbrochen, dass ohne erkennbaren Rechtsgrund von der Doppelanknüpfung Erblasser (Schenker)/Erwerber abgewichen wird. Die für die erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht maßgeblichen Tatbestandsvoraussetzungen müssen im Zeitpunkt des Erbfalles (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) bzw. der Ausführung der Zuwendung (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) erfüllt sein. Die Verweisung in § 4 Abs. 1 AStG auf die zeitraumbezogenen Tatbestandsmerkmale des § 2 Abs. 1 Satz 1 AStG bedeutet, dass der Zeitpunkt des Erbfalles bzw. der Ausführung der Schenkung in einen Zeitraum fallen muss, für den eine erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht eingreift.1
8.61
III. Rechtsfolgen Von der erweiterten beschränkten Erbschaftsteuerpflicht wird auch das erweiterte Inlandsvermögen erfasst. Hierunter fällt das gesamte Vermögen, dessen Erträge bei unbeschränkter Einkommensteuerpflicht nicht ausländische Einkünfte i.S. des § 34c Abs. 1 EStG wären (Rz. 6.351 ff.). Da gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 AStG die erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht die normal beschränkte Erbschaftsteuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) voraussetzt, unterliegt erweitertes Inlandsvermögen dem § 4 AStG nur dann, wenn der Erblasser (Schenker) auch Inlandsvermögen i.S. von § 121 BewG hat(te).2
8.62
Über das Inlandsvermögen gem. § 121 BewG hinaus wird daher noch Folgendes erweiterte Inlandsvermögen erfasst:3
8.63
1. Kapitalforderungen gegen Schuldner im Inland; 2. Spareinlagen und Bankguthaben bei Geldinstituten im Inland; 3. Aktien und Anteile an Kapitalgesellschaften, Investmentfonds und offenen Immobilienfonds sowie Geschäftsguthaben bei Genossenschaften im Inland; 4. Ansprüche auf Renten und andere wiederkehrende Leistungen gegen Schuldner im Inland sowie Nießbrauchs- und Nutzungsrechte an Vermögensgegenständen im Inland; 5. Erfindungen und Urheberrechte, die im Inland verwertet werden; 6. Versicherungsansprüche gegen Versicherungsunternehmen im Inland; 7. bewegliche Wirtschaftsgüter, die sich im Inland befinden; 8. Vermögen, dessen Erträge nach § 5 AStG der erweiterten beschränkten Steuerpflicht unterliegen; 9. Vermögen, das nach § 15 AStG dem erweitert beschränkt Steuerpflichtigen zuzurechnen ist. 1 Baßler in F/W/B/S, § 4 AStG Rz. 37; Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 80. 2 Kraft in Kraft, § 4 AStG Rz. 60 f; a.A. Baßler in F/W/B/S, § 4 AStG Rz. 46. 3 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1/2004, 3, Tz. 4.1.1.
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Kap. 8 Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer
8.64
§ 4 AStG enthält zwar keine Regelungen über die Bemessungsgrundlage, Wertermittlung, Steuerbefreiungen usw.; aus dem Charakter der erweiterten beschränkten Steuerpflicht als Ergänzung zur normal beschränkten Erbschaftsteuerpflicht folgt aber, dass alle für die beschränkte Erbschaftsteuerpflicht geltenden Vorschriften auch im Rahmen der erweiterten beschränkten Erbschaftsteuerpflicht zur Anwendung kommen.1 Das bedeutet, dass in Anwendung des § 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG Schulden und Lasten nur insoweit abzugsfähig sind, als sie mit den der erweiterten beschränkten Erbschaftsteuerpflicht unterliegenden Vermögensgegenständen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Kommt es infolge des Abzugs von Schulden und Lasten zu einem negativen erweiterten Inlandsvermögen, so ist ein Ausgleich mit positivem Inlandsvermögen i.S. von § 121 BewG möglich. Diese Verrechnungsmöglichkeit gilt auch für den Fall, dass das erweiterte Inlandsvermögen positiv und das übrige Inlandsvermögen (§ 121 BewG) negativ ist.2 Auch für die erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht nach § 4 AStG besteht das Antragsrecht nach § 2 Abs. 3 ErbStG.3
IV. Zurechnung bei zwischengeschalteten Auslandsgesellschaften 8.65
§ 5 AStG erfasst als Ergänzung zu § 4 AStG auch jene Fälle, in denen bei erweiterter beschränkter Erbschaftsteuerpflicht der Erblasser (Schenker) seine wesentlichen wirtschaftlichen Inlandsinteressen nicht unmittelbar, sondern mittelbar über zwischengeschaltete Auslandsgesellschaften hielt (hält). In diesem Fall ist das erweiterte Inlandsvermögen der zwischengeschalteten Auslandsgesellschaft im Ergebnis wie eigenes Vermögen (Betriebsvermögen) des Erblassers (Schenkers) zu behandeln.4
V. Niedrigbesteuerung 8.66
Die erweiterte beschränkte Erbschaftsteuerpflicht greift dann nicht ein, wenn der Erwerb, soweit er nach § 4 AStG über § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG hinaus erbschaftsteuerpflichtig wäre, im Ausland mit einer der deutschen Erbschaftsteuer entsprechenden Steuer belegt worden ist, die mindestens 30 % der nach § 4 Abs. 1 ErbStG anfallenden Erbschaftsteuer beträgt (§ 4 Abs. 2 AStG). Dass eine Niedrigbesteuerung nicht vorliegt, obliegt der Beweislast des Steuerpflichtigen. Der entsprechende Gegenbeweis bezieht sich nur auf die auf dem erweiterten Inlandsvermögen lastende ausländische Erbschaftsteuer.5
1 Baßler in F/W/B/S, § 4 AStG Rz. 7. 2 Kraft in Kraft, § 4 AStG Rz. 83; Zimmermann/Klinkertz in S/K/K, § 4 AStG Rz. 37; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1/2004, 3, Tz. 4.1.2 Satz 2. 3 Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 15.3.2012 – S 3801, BStBl. I 2012, 328, Tz. 1. 4 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1/2004, 3, Tz. 5.1.2; Einzelheiten hierzu bei Schönfeld in F/W/B/S, § 5 AStG Rz. 201. 5 Vgl. zu Einzelheiten der Belastungsberechnung Baßler in F/W/B/S, § 4 AStG Rz. 96 ff.; Kraft in Kraft, § 4 AStG Rz. 110 ff.
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Kapitel 9 Gewerbesteuer A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . B. Steuerobjekt . . . . . . . . . . . . C. Steuersubjekt . . . . . . . . . . . D. Gewerbeertrag . . . . . . . . . . .
_ _ __ 9.1 9.3
I. Hinzurechnungen . . . . . . . . II. Kürzungen . . . . . . . . . . . . .
9.11
E. Pauschbetragsfestsetzung . . . .
_ _ _
9.13 9.14
9.15
9.12
Literatur Kommentare zu §§ 2; 8; 9 GewStG; Adrian, Gewerbesteuerliche Behandlung von Dividenden bei Organschaft, BB 2015, 1113; Behrens, Keine sog. Organschaft über die Grenze aufgrund des DBA-Diskriminierungsverbots, BB 2012, 485; Burmester, Begriff und Funktion des Steuergutes im Steuerrecht, StuW 1993, 221; Ernst, Das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg – Irrungen und Wirrungen in nationalen und grenzüberschreitenden Konstellationen, Ubg 2010, 494; Fritsch, Volle „Schachtelprivilegierung“ im gewerbesteuerrechtlichen Organkreis infolge sog. Bruttomethode, SteuK 2015, 238; Geils/Haase, Bankentgelte im Lichte der Gewerbesteuer und der Zinsschranke, DStR 2016, 273; Glaser, Die Zukunft der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Zinszahlungen im unionsrechtlichen Spannungsfeld von Grundfreiheiten und GKKB, FR 2011, 981; Haverkamp, Betriebsaufspaltung über die Grenze – Ein Steuersparmodell?, IStR 2008, 165; Höring, Hinzurechnung eines negativen Aktiengewinns gem. § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG ohne Saldierung mit positiven Aktiengewinnen, DStZ 2016, 512; Jochimsen/Zinowsky, DBA-Schachtelprivileg und Gewerbesteuer im Organschaftsfall, DStR 2015, 1999; Kohlhaas, Hinzurechnung von Miet- und Pachtzinsen gem. § 8 Nr. 1e GewStG bei kurzfristiger Anmietung? Anmerkung zum Urteil des Nds. FG v. 26.5.2011 – 10 K 290/10, FR 2011, 800; Lieber/Wagner, Inbound-Investitionen in deutsches Immobilienvermögen aus steuerlicher Sicht, Ubg 2012, 229; Lieber, Volle Schachtelprivilegierung im gewerbesteuerrechtlichen Organkreis infolge sog. Bruttomethode, jurisPR-SteuerR 23/2015 Anm. 5; Märtens, Negative Hinzurechnung der Verlustübernahme eines stillen Gesellschafters, jurisPR-SteuerR 25/2016 Anm. 5; Osten, Die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Aufwand bei echtem Factoring und Forfaiting ist verfassungswidrig, DStR 2016, 1145; Petrak/Karrenbrock: BVerfG v. 15.2.2016: Unzulässigkeit der Vorlage des FG Hamburg bezüglich der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung von Zinsen, Mieten und Pachten – Roma locuta – causa finita?, DStR 2016, 1790; Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, 2013; Rödder/Schumacher, Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz: Wesentliche Änderungen des verkündeten Gesetzes gegenüber dem Regierungsentwurf, DStR 2002, 105; Ruf, Die Betriebsaufspaltung über die Grenze, IStR 2006, 232; Schnädter, Die grundlegenden Wertungen des Gewerbesteuerrechts, Frankfurt/M. 1996; Schiffers, Negative Hinzurechnung der Verlustübernahme eines stillen Gesellschafters, DStZ 2016, 509; Schmidt/Boller, Gewerbesteuerfalle – Streubesitzbeteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften, PIStB 2008, 270; Schnädter, Die Belastungen durch die Gewerbesteuer und Möglichkeiten, sie zu vermeiden – Zugleich ein systematischer Überblick über das Gewerbesteuerrecht, BB 1988, 313; Schwetlik, Schachtelstrafe im Organkreis, EStB 2015, 195; Tietze, Sanierungsgewinn und Gewerbesteuer, DStR 2016, 1306; Wendt, Zur Vereinbarkeit der Gewerbesteuer mit dem Gleichheitssatz und dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, BB 1987, 1257; Zitzelsberger, Grundlagen der Gewerbesteuer, Köln 1990.
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Kap. 9 Gewerbesteuer
A. Einleitung 9.1
Nach der ursprünglichen Konzeption des Gesetzgebers1 beruht die Erhebung der Gewerbesteuer auf dem sog. Äquivalenzprinzip. Danach soll die Gewerbesteuer zur Minderung der finanziellen Lasten der Gemeinde beitragen, die ihr durch Gewerbebetriebe unmittelbar oder mittelbar entstehen.2 Aus diesem dem Gewerbesteuergesetz zugrunde liegenden Äquivalenzprinzip3 folgt die örtliche Anknüpfung an das Gebiet einer bestimmten (inländischen) Gemeinde, in der ein Gewerbebetrieb unterhalten wird (§§ 4 und 35a Abs. 3 GewStG).4 Da nur inländische Gemeinden begünstigt sind, beschränkt sich die Gewerbesteuer auf das Inland.5 Im Gegensatz zur Einkommen-, Körperschaft- und Erbschaftsteuer verwirklicht damit die Gewerbesteuer als Objektsteuer6 weitgehend das Territorialitätsprinzip. Im Hinblick darauf nimmt das Gewerbesteuergesetz grundsätzlich auch keine Differenzierung zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht vor.7
9.2
Da aufgrund ihres Objektsteuercharakters im Rahmen der Gewerbesteuer die persönliche Leistungsfähigkeit weitgehend außer Betracht bleibt,8 steht im Gewerbesteuergesetz das Steuerobjekt im Vordergrund. Das Steuersubjekt bezeichnet lediglich denjenigen, der die Gewerbesteuer zu entrichten hat.9
B. Steuerobjekt 9.3
Obwohl die Gewerbesteuer vor allem die Erträge von gewerblichen Unternehmen als Besteuerungsgut10 erfasst, ist Steuerobjekt das gewerbliche Unternehmen, der Gewerbebetrieb11 selbst. Betroffen sind daher lediglich der stehende Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG) und der Reisegewerbebetrieb (§ 35a GewStG), soweit sie im Inland betrieben werden. 1 Vgl. Begründung zum Gewerbesteuergesetz 1936, RStBl. 1937, 696; ferner BT-Drucks. VI/3418, 51; zu Einzelheiten Zitzelsberger, Grundlagen der Gewerbesteuer, 146 ff. 2 Erschließung von Baugelände, Schaffung von Verkehrsflächen und Parkplätzen, Finanzierung des Nahverkehrs, von Feuerschutz, Schulen, Krankenhäusern, Sport- und Erholungsstätten, kulturellen Einrichtungen. 3 BVerfG v. 13.5.1969 – 1 BvR 25/65, BVerfGE 26, 1; BFH v. 28.7.1982 – I R 196/79, BStBl. II 1983, 77; vgl. zur Kritik Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 1132 ff.; Güroff in Glanegger/Güroff8, § 1 GewStG Rz. 11; Montag in Tipke/Lang22, § 12 Rz. 1 m.w.N.; Wendt, BB 1987, 1257 ff.; Jochum, StuB 2005, 254 ff. 4 Ausnahme: § 7 Sätze 7 und 8 GewStG i.d.F. des AHRL-ÄndUmsG, wonach ausländische niedrig besteuerte Betriebsstättengewinne aus passivem Erwerb als inländische Betriebsstättengewinne fingiert werden. 5 Zur Inlandsbesteuerung im Einzelnen Sarrazin in L/S, § 2 GewStG Rz. 21, 2820 ff. 6 Güroff in Glanegger/Güroff8, § 1 GewStG Rz. 14; Sarrazin in L/S, § 1 GewStG Rz. 9; Einzelheiten bei Zitzelsberger, Grundlagen der Gewerbesteuer, 106 ff. 7 Ausnahme: § 2 Abs. 6 GewStG. 8 Hierzu im Einzelnen Zitzelsberger, Grundlagen der Gewerbesteuer, 159 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 1155 f. 9 Sarrazin in L/S, § 2 GewStG Rz. 26; vgl. zu den Begriffen Steuersubjekt und Steuerobjekt Seer in Tipke/Lang22, § 6 Rz. 30 ff. 10 Zum Begriff Seer in Tipke/Lang22, § 6 Rz. 36; Burmester, StuW 1993, 221 ff. 11 § 2 Abs. 1 und § 35a GewStG.
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B. Steuerobjekt
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG ist unter einem Gewerbebetrieb ein gewerbliches Unternehmen i.S. des Einkommensteuergesetzes zu verstehen. Hierdurch sind rechtsformunabhängige Gewerbebetriebe angesprochen, für die die allgemeine Legaldefinition des § 15 Abs. 2 EStG einschlägig ist.1 Darüber hinaus werden aber auch die nur teilweise gewerblich tätigen Personengesellschaften (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG) und die gewerblich geprägten Personengesellschaften (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) erfasst. Deren Einkünfte unterliegen stets in vollem Umfang der Gewerbesteuer.
9.4
Von § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG werden neben den Personengesellschaften deutschen Rechts auch Personengesellschaften ausländischen Rechts erfasst, soweit sie im Inland eine Betriebsstätte unterhalten und in ihrer rechtlichen Grundstruktur einer Personengesellschaft inländischen Rechts entsprechen.2
9.5
Für die rechtsformabhängigen Gewerbebetriebe findet § 2 Abs. 2 GewStG Anwendung, wonach als Gewerbebetriebe stets und in vollem Umfang die Tätigkeiten der dort näher bezeichneten Kapitalgesellschaften gelten. Zu den rechtsformabhängigen Gewerbebetrieben gehören gem. § 2 Abs. 3 GewStG auch sonstige juristische Personen des privaten Rechts und nichtrechtsfähige Vereinigungen, soweit sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhalten.
9.6
Als rechtsformabhängige Gewerbebetriebe typisiert § 2 Abs. 2 GewStG die Tätigkeit von Kapitalgesellschaften, wobei ebenso wie durch § 1 Abs. 1 KStG auch Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts erfasst werden.3
9.7
Ein Gewerbebetrieb wird im Inland betrieben, soweit für ihn im Inland oder auf einem in einem inländischen Schiffsregister eingetragenen Kauffahrteischiff eine (gewerbliche) Betriebsstätte4 unterhalten wird (§ 2 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Ob im Rahmen der inländischen Betriebsstätte eine gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wird, beurteilt sich unter Einbeziehung der im Ausland verwirklichten Tätigkeitsmerkmale. Die isolierende Betrachtungsweise (§ 49 Abs. 2 EStG) gilt im Gewerbesteuerrecht nicht.5 Die Gewerblichkeit kann auch aufgrund einer grenzüberschreitenden Betriebsaufspaltung begründet werden.6 Der Gewerbesteuer unterliegen derartige gewerbliche Einkünfte nur dann, wenn für den Gewerbebetrieb, etwa für das ausländische Besitz- oder Betriebsunternehmen, im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird.7
9.8
Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG gilt im Falle einer Organschaft die Organgesellschaft als Betriebsstätte des Organträgers. Voraussetzung ist, dass die für die kör-
9.9
1 Güroff in Glanegger/Güroff8, § 2 GewStG Rz. 7; Drüen in Blümich, § 2 GewStG Rz. 76. 2 RFH v. 4.4.1939, RStBl. 1939, 854; BFH v. 28.3.1979 – I R 81/76, BStBl. II 1979, 447; v. 28.7.1982 – I R 196/79, BStBl. II 1983, 77; Güroff in Glanegger/Güroff8, § 2 GewStG Rz. 26; vgl. zu dem erforderlichen Typenvergleich Rz. 7.7. 3 Vgl. den Klammerzusatz in § 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG „insbesondere …“; BFH v. 28.3. 1979 – I R 81/76, BStBl. II 1979, 447; v. 28.7.1982 – I R 196/79, BStBl. II 1983, 77; Güroff in Glanegger/Güroff8, § 2 GewStG Rz. 466; Sarrazin in L/S, § 2 GewStG Rz. 3005; Drüen in Blümich, § 2 GewStG Rz. 120; vgl. im Übrigen Rz. 7.7. 4 § 12 AO; ein ständiger Vertreter (§ 13 AO) reicht also nicht aus. 5 BFH v. 28.7.1982 – I R 196/79, BStBl. II 1983 77; Drüen in Blümich, § 2 GewStG Rz. 120; Güroff in Glanegger/Güroff8, § 2 GewStG Rz. 466. 6 Sarrazin in L/S, § 2 GewStG Rz. 1271; Güroff in Glanegger/Güroff8, § 2 GewStG Rz. 375; zu weiteren Einzelheiten Ruf, IStR 2006, 232 ff.; Haverkamp, IStR 2008, 165 ff. 7 Sarrazin in L/S, § 2 GewStG Rz. 1271; Güroff in Glanegger/Güroff8, § 2 GewStG Rz. 375.
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Kap. 9 Gewerbesteuer
perschaftsteuerliche Organschaft maßgeblichen Merkmale (§§ 14, 17 KStG) gegeben sind. Ein Gewinnabführungsvertrag ist daher für die Anerkennung einer gewerbesteuerlichen Organschaft erforderlich. Eine gewerbesteuerliche Organschaft ist unter den vorgenannten Voraussetzungen somit auch mit einem ausländischen Organträger möglich, wenn der Organträger über eine Betriebsstätte im Inland verfügt (die körperschaftsteuerlichen Voraussetzungen für eine [grenzüberschreitende] Organschaft gelten entsprechend, Rz. 7.14 ff.). Organgesellschaft kann eine Kapitalgesellschaft mit Sitz in einem EU- oder EWR-Staat sein, deren Geschäftsleitung im Inland ist (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG, Rz. 7.14).1 9.10
Ebenso wie das Einkommensteuergesetz enthält auch das Gewerbesteuergesetz keinen eigenständigen Inlandsbegriff. § 2 Abs. 7 GewStG entspricht dem § 1 Abs. 1 Satz 2 EStG und erschöpft sich darin, unter den dort näher beschriebenen Voraussetzungen die Deutschland zustehenden Anteile am Festlandsockel und an der ausschließlichen Wirtschaftszone dem Inland zuzuordnen, um diese sodann gem. § 4 Abs. 2 Satz 2 GewStG zu gemeindefreien Gebieten zu erklären.
C. Steuersubjekt 9.11
Steuersubjekt (Steuerschuldner) ist der Unternehmer, für dessen Rechnung ein Gewerbe tatsächlich betrieben wird (§ 5 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GewStG). Ist die Tätigkeit einer Personengesellschaft ein Gewerbebetrieb, so ist Steuerschuldnerin die Gesellschaft (§ 5 Abs. 1 Satz 3 GewStG). Ob der Unternehmer im Inland oder Ausland ansässig ist, spielt keine Rolle. Soweit der maßgebliche Unternehmer eine juristische Person ist, kommt es auch nicht darauf an, ob diese nach inländischem oder nach ausländischem Recht errichtet worden ist.2 Wird das Gewerbe in der Rechtsform einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV) mit Sitz im Gemeinschaftsgebiet betrieben, sind deren Mitglieder3 Gesamtschuldner (§ 5 Abs. 1 Satz 4 GewStG).
D. Gewerbeertrag 9.12
Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer ist der Gewerbesteuermessbetrag (§ 14 GewStG). Grundlage für die Berechnung des Gewerbeertrags ist der nach den Vorschriften des Einkommensteuer-/Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb (§ 7 GewStG). Eine besondere Entstrickungsbesteuerung existiert nicht, so dass eine isolierte gewerbesteuerliche Entstrickung keine Auswirkungen auf den Gewerbeertrag hat.4 Eine Verrechnungspreiskorrektur nach § 1 AStG schlägt über § 7 GewStG auf den Gewerbeertrag ebenso durch5 1 Güroff in Glanegger/Güroff8, § 2 GewStG Rz. 498. 2 Vgl. zu entsprechenden Qualifikationsfragen im Körperschaftsteuerrecht Rz. 7.7. 3 Verordnung (EWG) Nr. 2137/85 v. 25.7.1985 über die Schaffung einer Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigung (EWIV), ABl. EG Nr. L 199 v. 31.7.1985, 1 (EWIV-VO). 4 Von Freeden in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 18.5. 5 Voßkuhl in Deloitte, § 7 GewStG Rz. 10; Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 65; Selder in Glanegger/Güroff8, § 7 GewStG Rz. 12.
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D. Gewerbeertrag
wie das Abzugsverbot für Sonderbetriebsausgaben gem. § 4i EStG.1 § 7 GewStG enthält einige für die Ermittlung des Gewerbeertrags maßgebliche internationalsteuerliche Modifikationen: – § 50d Abs. 10 EStG ist bei der Ermittlung des Gewerbeertrags entsprechend anzuwenden (§ 7 Satz 6 GewStG; Rz. 21.120 f.). Dies hat zur Folge, dass Sondervergütungen, soweit abkommensrechtlich keine ausdrückliche Regelung gegeben ist, als Unternehmensgewinne zu qualifizieren sind mit der Folge, dass diese insoweit auch in den Gewerbeertrag einzubeziehen sind. – Ein Hinzurechnungsbetrag nach § 10 AStG (Rz. 13.165 ff.) ist bei der Ermittlung des Gewerbeertrags als Einkünfte einer inländischen Betriebsstätte zu berücksichtigen (§ 7 Satz 7 GewStG2). Bei der Regelung handelt es sich um ein „Nichtanwendungsgesetz“ hinsichtlich der Entscheidung des BFH vom 11.3. 2015.3 Der BFH hatte entschieden, dass der Hinzurechnungsbetrag zum Gewinn des Gewerbebetriebs gehört, allerdings der ausländischen Betriebsstätte zuzurechnen ist. Danach war der Betrag nach § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG zu kürzen (Rz. 9.14). Die Gesetzesergänzung schließt diese Sichtweise aus. – Einkünfte aus einer niedrig besteuerten Betriebsstätte nach § 20 Abs. 2 Satz 1 AStG (Rz. 19.518, 19.544) werden unter Durchbrechung des Territorialprinzips in die Ermittlung des Gewerbeertrags einbezogen (§ 7 Satz 8 GewStG4). Diese Einkünfte sollen als in einer inländischen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen erzielt gelten. Damit werden Fälle erfasst, in denen der Steuerpflichtige Zwischeneinkünfte nicht über eine ausländische Zwischengesellschaft, sondern unmittelbar über eine ausländische Betriebsstätte erzielt, und die Zwischeneinkünfte im Inland einer Besteuerung unterlägen, wenn sie über eine Zwischengesellschaft erzielt würden. Diese Fiktion gilt unabhängig davon, ob die Betriebsstätte in einem Staat liegt, mit dem ein DBA abgeschlossen ist oder nicht, oder das DBA unmittelbar die Anrechnungsmethode statt der Freistellungmethode anordnet. Die Einkünfte werden ausnahmsweise nicht einbezogen, wenn eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit nachgewiesen werden kann (§ 7 Satz 9 GewStG).
I. Hinzurechnungen Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb werden die folgenden in § 8 GewStG genannten Beträge hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt sind: – Finanzierungsaufwendungen (§ 8 Nr. 1 GewStG). Aufwendungen für Kreditund Darlehenszinsen (Buchst. a)5, Renten und dauernde Lasten (Buchst. b)6, Gewinnanteile eines stillen Gesellschafters (Buchst. c)7, (anteilig) Miet- und 1 2 3 4 5
Die internationale Korrespondenzklausel des § 4i EStG (AHRL-ÄndUmsG) gilt ab 2017. In der Fassung des AHRL-ÄndUmsG mit Wirkung ab 2017. BFH v. 11.3.2015 – I R 10/14, BStBl. II 2015, 1049. In der Fassung des AHRL-ÄndUmsG mit Wirkung ab 2017. Vgl. R 8.1 Abs. 1 GewStR 2009. Die Hinzurechnung ist kein Verstoß gegen die EU-Zinsund Lizenzrichtlinie oder die unionsrechtliche Niederlassungsfreiheit, BFH v. 7.12.2011 – I R 30/08, DStR 2012, 509; vgl. dazu Glaser, FR 2011, 981. 6 Vgl. R 8.1 Abs. 2 GewStR 2009. 7 Vgl. R 8.1 Abs. 3 GewStR 2009.
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9.13
Kap. 9 Gewerbesteuer
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Pachtzinsen1 (auch bei kurzfristiger Anmietung2 und Zurückvermietung3) sowie Leasingraten für bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (Buchst. d und e) und (anteilig) bestimmte Lizenzzahlungen4 (Buchst. f) erhöhen den Gewerbeertrag nach Maßgabe von § 8 Nr. 1 GewStG. Dies gilt auch, wenn sich der Sitz des Empfängers im Ausland befindet, also eine grenzüberschreitende Zahlung vorliegt. Die Ausnahmeregelung, wonach eine Hinzurechnung von Finanzierungsaufwendungen beim inländischen Gewerbebetrieb unterbleibt, wenn zwischen dem Gläubiger und dem Schuldner eine gewerbesteuerliche Organschaft besteht,5 ist in einem grenzüberschreitenden Sachverhalt nicht nutzbar, da eine „echte“ grenzüberschreitende Organschaft (mit zwischenstaatlicher Ergebnisverrechnung) nach bestehendem Recht nicht darstellbar ist (Rz. 7.14 ff.). Gewinne eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (§ 8 Nr. 4 GewStG). Der Gewinnanteil, der von einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) an einen persönlich haftenden Gesellschafter gezahlt wird, mindert ihren körperschaftsteuerlichen (und gewerbesteuerlichen) Gewinn (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG i.V.m. § 7 Satz 1 GewStG). Dividenden (§ 8 Nr. 5 GewStG). Der nach § 3 Nr. 40 EStG oder § 8b Abs. 1 KStG steuerfreie Teil einer Dividende ist dem Gewinn hinzuzurechnen.6 Das Teileinkünfteverfahren und § 8b KStG schlagen somit nicht auf die Besteuerung einer Gewinn- bzw. Dividendenausschüttung mit Gewerbesteuer durch, es sei denn, die Voraussetzungen des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs (§ 9 Nr. 2a, 7 GewStG) sind erfüllt (im Einzelnen Rz. 18.221 ff.). Verluste aus einer Mitunternehmerschaft (§ 8 Nr. 8 GewStG). Der Verlust aus der Beteiligung des Gewerbebetriebs an einer Mitunternehmerschaft, der den Gewinn des Gewerbebetriebs gemindert hat, ist dem Gewinn wieder hinzuzurechnen.7 Die Regelung erfasst auch Beteiligungen an ausländischen Mitunternehmerschaften. Spenden und Mitgliedsbeiträge (§ 8 Nr. 9 GewStG). Bestimmte Spenden und Mitgliedsbeiträge8 sind dem Gewerbebetrieb hinzuzurechnen. Die Regelung dient der Gleichstellung von Körperschaften mit Gewerbebetrieben, natürlichen Personen oder Personengesellschaften.9
1 Vgl. R 8.1 Abs. 4 GewStR 2009. Nach Auffassung des FG Hamburg ist die Hinzurechnung bestimmter Finanzierungentgelte sowie von Miet- und Pachtzinsen aufgrund eines Verstoßes gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip verfassungswidrig; durch Beschluss des BVerfG v. 15.2.2016 – 1 BvL 8/12 wurde die Unzulässigkeit der entsprechenden Vorlage (Vorlagebeschluss v. 29.2.2012 – 1 K 138/10, BB 2012, 737) festgestellt. 2 FG Nds. v. 26.5.2011 – 10 K 290/10, EFG 2011, 2101 (Az. des BFH: IV R 24/11); Kohlhaas, FR 2011, 800. 3 BFH v. 4.6.2014 – I R 70/12, BStBl. II 2015, 289. 4 Vgl. R 8.1 Abs. 5 GewStR 2009. 5 R 7.1 Abs. 5 Satz 3 GewStR 2009. 6 Gewinnausschüttungen, die bereits der Hinzurechnungsbesteuerung unterlagen (§ 3 Nr. 41 Buchst. a EStG), werden nicht (noch einmal) hinzugerechnet (§ 8 Nr. 5 Satz 2 GewStG). 7 Vgl. R 8.4 GewStR 2009. 8 Vgl. R 8.5 GewStR 2009. 9 Güroff in Glanegger/Güroff8, § 8 Nr. 9 GewStG Rz. 1; Kratzsch in L/S, § 8 Nr. 9 GewStG Rz. 5.
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D. Gewerbeertrag
– Ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibungen (§ 8 Nr. 10 GewStG). Der Aufwand aus einer Teilwertabschreibung auf eine Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft ist hinzuzurechnen,1 wenn die Transaktion auf eine Gewinnausschüttung oder -abführung der Kapitalgesellschaft zurückzuführen ist, die in den Anwendungsbereich des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs (§ 9 Nr. 2a, Nr. 7 oder Nr. 8 GewStG) fällt.2 Die Regelung erfasst auch eine Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften. Entsprechendes gilt für den Aufwand aus einer Veräußerung oder Entnahme der Beteiligung, aus einer Auflösung der Kapitalgesellschaft oder einer Herabsetzung ihres Kapitals. – Ausländische Steuern (§ 8 Nr. 12 GewStG). Nach § 34c Abs. 2 EStG sind ausländische Steuern, die auf ausländische Einkünfte entfallen, auf Antrag bei der Einkünfteermittlung abzuziehen. Wenn die Steuer nicht der deutschen Einkommensteuer entspricht oder nicht in dem Staat erhoben wird, aus dem die Einkünfte stammen, kommt ein Steuerabzug nach § 34c Abs. 3 EStG in Betracht. Sofern die abgezogene ausländische Steuer auf Gewinne entfällt, die bei der Ermittlung des Gewerbeertrags außer Ansatz gelassen oder nach § 9 GewStG gekürzt worden sind, ist sie für Gewerbesteuerzwecke hinzuzurechnen. § 8 Nr. 12 GewStG verhindert somit, dass die auf einen steuerfreien Gewinn entfallende ausländische Steuer zu einer Minderung des Gewerbeertrags führt.3
II. Kürzungen Von der Summe aus Gewinn und Hinzurechnungen sind folgende Beträge nach § 9 GewStG zu kürzen: – Einheitswert des Grundbesitzes (§ 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG). Nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG ist der Gewinn um 1,2 % des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmens gehörenden und nicht von der Grundsteuer befreiten Grundbesitzes zu kürzen (Bemessungsgrundlage sind 140 % des auf den Wertverhältnissen vom 1.1.1964 beruhenden Einheitswerts, § 121a BewG). – Erweiterte Kürzung für Grundbesitz (§ 9 Nr. 1 Sätze 2–6 GewStG). Bei einem gewerblichen Unternehmen, das ausschließlich eigenen Grundbesitz4 verwaltet und nutzt, ist bei der Ermittlung des Gewerbeertrags der auf die Verwaltung und Nutzung entfallende Gewinn zu kürzen.5 Dadurch kann bei einem Immobilienunternehmen die Belastung mit Gewerbesteuer vermieden werden. In der Besteuerungspraxis empfiehlt es sich zu prüfen, ob für eine Investition in Grundbesitz statt eines deutschen Immobilienunternehmens mit inländischem Gewerbebetrieb (und „komplizierter“ Anwendung des § 9 Nr. 1 Sätze 2 bis 6 GewStG) auch die Nutzung einer ausländischen Gesellschaft ohne inländischen Gewerbebetrieb (und somit ohne Gewerbesteuerbelastung) in Betracht kommt. 1 Sofern die Transaktion bereits nach § 8b Abs. 3 KStG keine Gewinnminderung beim Steuerpflichtigen zur Folge hat, findet § 8 Nr. 10 GewStG keine Anwendung. 2 Vgl. R 8.6 GewStR 2009. 3 Vgl. BT-Drucks. 12/1108, 69. 4 Zum Begriff des eigenen Grundbesitzes, vgl. H 9.2 Abs. 2 GewStR 2009 unter „Eigener Grundbesitz“. 5 Vgl. R 9.2 GewStR 2009.
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9.14
Kap. 9 Gewerbesteuer
– Gewinne aus einer Mitunternehmerschaft (§ 9 Nr. 2 GewStG).1 Der Gewinn aus einer Beteiligung an einer in- oder ausländischen Mitunternehmerschaft erhöht den Gewerbeertrag des Mitunternehmers. Um eine zweifache Besteuerung dieses Gewinnanteils bei der Mitunternehmerschaft und beim Gesellschafter zu vermeiden, ist der Gewinnanteil bei der Ermittlung des Gewerbeertrags des Gesellschafters zu kürzen, es sei denn, es handelt sich um niedrig besteuerte Einkünfte aus passivem Erwerb i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 AStG.2 Die Vorschrift findet allerdings keine Anwendung, wenn der Gewinnanteil aus einer ausländischen Mitunternehmerschaft (mit ausländischer Betriebsstätte) bereits nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung aus der deutschen Bemessungsgrundlage auszuscheiden ist (vgl. Art. 7 OECD-MA). – Gewinne aus inländischen Kapitalgesellschaften (§ 9 Nr. 2a GewStG). Die Ausschüttung aus einer Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft erhöht den gewerbesteuerpflichtigen Gewinn nicht, wenn die Voraussetzungen einer Schachtelbeteiligung nach § 9 Nr. 2a GewStG vorliegen (im Einzelnen Rz. 18.232 ff.).3 Die Kürzung gilt allerdings nicht hinsichtlich der nicht abziehbaren Betriebsausgaben, die im Zusammenhang mit der Dividende stehen (z.B. nicht abziehbare Betriebsausgabe nach § 8b Abs. 5 KStG), so dass es insoweit bei einer Gewerbesteuerbelastung bleibt. Durch § 7a GewStG4 soll bestimmt werden, dass es insoweit auch bei einer „Nicht-Kürzung“ bleibt, wenn die Kapitalgesellschaft, an die eine Dividende ausgeschüttet wird, Organgesellschaft ist. Die Regelung stellt somit ein „Nichtanwendungsgesetz“ hinsichtlich der Entscheidung des BFH vom 17.12.20145 dar. Das Gericht hatte entschieden, dass es bei Bezug einer Schachteldividende über eine Organgesellschaft im Organkreis nicht zur Anwendung von § 8b Abs. 5 KStG kommt. – Gewinne eines persönlich haftenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft auf Aktien (§ 9 Nr. 2b GewStG). Der auf einen persönlich haftenden Gesellschafter entfallende Gewinn einer Kommanditgesellschaft auf Aktien erhöht den Gewerbeertrag des persönlich haftenden Gesellschafters, wenn dieser selbst einen Gewerbebetrieb unterhält (sofern keine Gewerbesteuerpflicht besteht, findet die Vorschrift keine Anwendung6). Durch eine Kürzung nach § 9 Nr. 2b GewStG wird eine Doppelbesteuerung vermieden. – Gewinne aus ausländischer Betriebsstätte (§ 9 Nr. 3 GewStG). Der Gewinn eines inländischen Gewerbebetriebs, der auf eine ausländische Betriebsstätte7 1 Die Vorschrift gilt nicht für Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen sowie Pensionsfonds (§ 9 Nr. 2 Satz 2 GewStG). 2 In der Fassung des AHRL-ÄndUmsG mit Wirkung ab 2017. 3 Vgl. R 9.3 GewStR 2009. Für Fallbeispiele zur Anwendung der Vorschrift bei Umwandlungen, Ernst, Ubg 2010, 494. 4 In der Fassung des AHRL-ÄndUmsG mit Wirkung ab 2017. 5 BFH v. 17.12.2014 – I R 39/14, BStBl. II 2015, 1052. 6 Rehfeld in Deloitte, § 9 Nr. 2b GewStG Rz. 3; Roser in L/S, § 9 Nr. 2b GewStG Rz. 5 ff.; Güroff in Glanegger/Güroff8, § 9 Nr. 2b GewStG Rz. 1. 7 Die Kürzung gilt nicht für niedrig besteuerte Betriebsstättengewinne aus passivem Erwerb i.S. von § 20 Abs. 2 Satz 1 AStG (AHRL-ÄndUmsG); der Begriff „Betriebsstätte“ bestimmt sich nicht abkommensrechtlich, sondern nach innerstaatlichem Recht; BFH. v. 20.7.2016 – I R 50/15, IStR 2016, 2457.
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D. Gewerbeertrag
entfällt, ist nicht Gegenstand der Gewerbesteuer.1 Da ausländische Betriebsstättengewinne2 nach der Formulierung des § 7 GewStG Gegenstand der Bemessungsgrundlage wären, soll die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 3 GewStG erforderlich sein. Die Vorschrift „läuft leer“, wenn der Gewinn bereits nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung aus der Bemessungsgrundlage auszuscheiden ist. Bei Vorliegen eines Betriebsstättenverlusts ist der Verlust bei der Ermittlung des Gewerbeertrags hinzuzurechnen.3 – Spenden und Mitgliedsbeiträge (§ 9 Nr. 5 GewStG). Die Vorschrift stellt das Gegenstück zu § 8 Nr. 9 GewStG dar und ermöglicht einen gleichlaufenden Spenden- und Mitgliedsbeitragsabzug für Einkommen- und Körperschaftsteuersubjekte.4 – Gewinne aus ausländischen Kapitalgesellschaften (§ 9 Nr. 7 GewStG). Die Ausschüttung aus einer Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft ist zu kürzen, wenn die (unmittelbare und/oder mittelbare)5 Beteiligung an der Kapitalgesellschaft seit Beginn des Erhebungszeitraums (ununterbrochen) mindestens 15 % beträgt und die Kapitalgesellschaft ausschließlich oder fast ausschließlich aktive Einkünfte i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG oder Erträge als Landes-6 oder Funktionsholding7 erzielt (im Einzelnen Rz. 18.232 ff.).8 – Gewinne aus Anteilen an einer Gesellschaft mit Sitz in einem Abkommensstaat (§ 9 Nr. 8 GewStG).9 Bei Vorliegen der Voraussetzungen eines abkom1 Der auf die ausländische Betriebsstätte entfallende Gewinn ist nach der direkten Methode zu ermitteln, H 9.4 GewStH 2009. 2 § 9 Nr. 3 Sätze 2–5 GewStG bestimmen „typisierend“ die Höhe des Gewinnanteils eines Seeschifffahrtunternehmens, der auf eine ausländische Betriebsstätte entfällt. 3 H 9.4 GewStH 2009. Aus steuergestalterischer Sicht sollte im Verlustfall – soweit darstellbar – die Errichtung einer Betriebsstätte im Ausland vermieden werden, vgl. Schnädter, BB 1988, 313 (319). 4 Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 236. 5 BFH v. 17.5.2000 – I R 31/99, BStBl. II 2001, 685. 6 Zum Begriff der „Landesholding“: Tochtergesellschaft, die Gewinne aktiver Enkelgesellschaften vereinnahmt, deren Sitz und Geschäftsleitung sich im Sitz-/Geschäftsleitungsstaat der Landesholding befindet (§ 9 Nr. 7 Satz 1 Nr. 1 GewStG; z.B. US-Landesholding hält Beteiligungen an aktiven US-Enkelgesellschaften; vgl. Rehfeld in Deloitte, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 16). Die Tochtergesellschaft muss i.H.v. mindestens 25 % an den aktiven Enkelgesellschaften beteiligt sein, die Beteiligungen müssen ununterbrochen seit mindestens zwölf Monaten vor dem für die Ermittlung des Gewinns maßgebenden Abschlussstichtag bestehen. 7 Zum Begriff der „Funktionsholding“: Aktive Tochtergesellschaft, die Gewinne aktiver Enkelgesellschaften vereinnahmt; zwischen Tätigkeit der Tochtergesellschaft und den Tätigkeiten der Enkelgesellschaften besteht ein wirtschaftlicher Zusammenhang (§ 9 Nr. 7 Satz 1 Nr. 2 GewStG; z.B. US-Funktionsholding mit Produktionsbetrieb hält Beteiligung an aktiver Vertriebsgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung in Japan; vgl. Rehfeld in Deloitte, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 17); die Tochtergesellschaft muss i.H.v. mindestens 25 % an der aktiven Enkelgesellschaft beteiligt sein, die Beteiligung muss ununterbrochen seit mindestens zwölf Monaten vor dem für die Ermittlung des Gewinns maßgebenden Abschlussstichtag bestehen. 8 Vgl. R 9.5 GewStR 2009. Für Fallbeispiele zur Anwendung der Vorschrift bei Umwandlungen, Ernst, Ubg 2010, 494 (499). 9 Die Vorschrift findet keine Anwendung bei Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen sowie Pensionsfonds auf Gewinne aus Anteilen, die den Kapitalanlagen zuzurechnen sind (§ 9 Nr. 8 Satz 4 GewStG).
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Kap. 9 Gewerbesteuer
mensrechtlichen Schachtelprivilegs kann die Dividende einer (ausschüttenden) Tochterkapitalgesellschaft ohne Gewerbesteuerbelastung vereinnahmt werden (Rz. 19.545 ff.). Die Regelung stellt sicher, dass ein abkommensrechtliches Schachtelprivileg unabhängig von der Höhe der nach dem Abkommen erforderlichen Mindestbeteiligung (z.B. mindestens 25 %) auf die Gewerbesteuer durchschlägt.1 Voraussetzung ist eine Beteiligung i.H.v. mindestens 15 %, eine ggf. niedrigere Mindestbeteiligung nach Abkommen hat Vorrang.
E. Pauschbetragsfestsetzung 9.15
Soweit die Einkommensteuer oder die Körperschaftsteuer in einem Pauschbetrag2 festgesetzt wird, kann unter den gleichen Voraussetzungen auch der Steuermessbetrag für Zwecke der Gewerbesteuer in einem Pauschbetrag festgesetzt werden. § 15 GewStG ist daher keine eigenständige Grundlage zur Pauschalierung des Steuermessbetrages. Er setzt vielmehr eine entsprechende pauschale Festsetzung der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer voraus. In Betracht kommt insbesondere die Anwendung des § 50 Abs. 4 EStG, der auch für Zwecke der Körperschaftsteuer (§ 8 KStG) für beschränkt steuerpflichtige Personen eine Steuerfestsetzung in einem Pauschbetrag zulässt, wenn dies im besonderen öffentlichen Interesse liegt. Soweit die Pauschbetragsfestsetzung für Zwecke der Gewerbesteuer an § 34c Abs. 5 EStG und die §§ 8 Abs. 1 und 26 Abs. 2 KStG anknüpft, geht es um eine Maßnahme zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Rz. 18.132 ff.).
1 Vgl. Ernst, Ubg 2010, 494 (503); Schmidt/Boller, PIStB 2008, 270 (275). 2 §§ 34c Abs. 5; 50 Abs. 4 EStG; § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 50 Abs. 4 EStG.
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Kapitel 10 Umsatzsteuer A. Einführung . . . . . . . . . . . . . B. I. II. 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. III. 1. 2. 3. 4.
Steuerobjekt . . . . . . . . . . . . Übersicht . . . . . . . . . . . . . . Steuerbare Umsätze . . . . . . . Inland . . . . . . . . . . . . . . . . Lieferungen im Inland . . . . . . Gegenstandsentnahmen . . . . . Personalzuwendungen . . . . . . Unentgeltliche Lieferungen . . . Sonstige Leistungen im Inland . Nutzungsentnahmen . . . . . . . Unentgeltliche sonstige Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . Einfuhr . . . . . . . . . . . . . . . Innergemeinschaftlicher Erwerb Steuerfreie Exportumsätze . . . Bestimmungslandprinzip . . . . Ausfuhrlieferungen . . . . . . . . Lohnveredelung an Gegenständen der Ausfuhr . . . . . . . Innergemeinschaftliche Lieferungen . . . . . . . . . . . . . . .
_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ __ _ __ _ _
10.1
_ _ _ _ __ _ _ _ __ _
10.91
5. Umsätze für die Seeschifffahrt und für die Luftfahrt . . . . . . . 10.105 6. Grenzüberschreitende Beförderungen . . . . . . . . . . . . . . . 10.106 7. Vermittlung von Exportumsätzen . . . . . . . . . . . . . . 10.113 8. Leistungen im Eisenbahnverkehr . . . . . . . . . . . . . . . 10.116 9. Lieferung eingeführter Gegenstände . . . . . . . . . . . . . . . . 10.117 10. Fährverkehr mit Helgoland . . . 10.118 11. Abgabe von Speisen und Getränken auf Seeschiffen . . . 10.119 12. Leistungen an NATO-Streitkräfte . . . . . . . . . . . . . . . . 10.120 13. Leistungen an Diplomaten und zwischenstaatliche Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . 10.121 IV. Steuerfreier innergemeinschaftlicher Erwerb . . . . . . . . . . . 10.122 V. Steuerfreie Einfuhr . . . . . . . . 10.124
10.96
C. Steuersubjekt . . . . . . . . . . . 10.132
10.7 10.7 10.8 10.8 10.11 10.29 10.32 10.33 10.34 10.61 10.62 10.63 10.67 10.80 10.80 10.83
A. Einführung Literatur Achatz/Tumpel, Umsatzsteuer und Internationales Steuerrecht, Wien 2012; Englisch, Die territoriale Zuordnung von Umsätzen, DStJG 32 (2009), 165; Englisch, Grundzüge des Internationalen Umsatzsteuerecht in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. Köln 2015, § 17 Rz. 392 ff.; Filtzinger, Umsatzsteuerreform, § 186 Rz. 1 ff. in Kurze/Mellinghoff/Morgenthaler/Palm/Puhl/Seiler, Leitgedanken des Rechts, FS für P. Kirchhof, Heidelberg 2013; P. Kirchhof, Entwicklungsmöglichkeiten der Umsatzsteuer im Rahmen von Verfassungsund Europarecht, UR 2002, 541; Langer, Das endgültige Mehrwertsteuersystem nach dem Ursprungslandprinzip – ein ewiger Traum vom „echten“ umsatzsteuerlichen Binnenmarkt, in Kirchhof/Nieskens (Hrsg.), FS für Reiß, Köln 2008, 245; Lohse, Der Neutralitätsgrundsatz im Mehrwertsteuerrecht in Achatz/Tumpel, EuGH-Rechtsprechung und Umsatzsteuerpraxis, Wien 2011, 47; Menner, Die Umsatzsteuer-Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft, Köln 1992; Möller, Ursprungs- und Bestimmungslandprinzip, FinArch. 27, 387; Reiß, Der Belastungsgrund der Umsatzsteuer und seine Bedeutung für die Auslegung des Umsatzsteuergesetzes, DStJG 13 (1990), 3; Reiß, Zukunft der Umsatzsteuer Deutschlands in Europa, USt-Kongress-Bericht 2007, 13; Reiß, Der Verbraucher als Steuerträger der Umsatzsteuer im Europäischen Binnenmarkt, in FS Klaus Tipke, 1995, 433; Reiß, Steuergerechtigkeit und Umsatzbesteuerung im Europäischen Binnenmarkt, in FS J. Lang, 2011, 861; Reiß, Die harmonisierte Umsatzsteuer im nationalen Wirtschaftsverkehr – Widersprüche, Lücken und Harmonisierungsbedarf, DStJG 32 (2009), 9; Ruppe, Internationale Probleme auf dem Gebiet der Umsatzbesteuerung, CDFI LXVIIIb (1983), 15; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Verkehr- und Verbrauchsteuerrecht, in
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Kap. 10 Umsatzsteuer Kirchhof/Nieskens (Hrsg.), FS für Reiß, Köln 2008, 25; Söhn, Die Umsatzsteuer als Verkehrsteuer und/oder Verbrauchsteuer, StuW 1975, 1; Söhn, Die Umsatzsteuer als indirekte, allgemeine Verbrauchsteuer, StuW 1996, 165; Tipke, Die Umsatzsteuer im Steuersystem, UR 1972, 2; Tipke, Das Folgerichtigkeitsgebot im Verbrauch- und Verkehrsteuerrecht, in FS Reiß, 2008,9; Tipke, Über Umsatzsteuer-Gerechtigkeit, StuW 1992, 103; Tumpel, Prinzipien, Systemschwächen und Reformbedarf bei der Umsatzbesteuerung des internationalen Güter- und Dienstleistungsverkehrs, DStJG 21 (2009), 53; Tumpel, Mehrwertsteuer im innergemeinschaftlichen Warenverkehr, Wien 1997; Widmann, Das Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz, UR 1992, 249; Widmann, Die Einzige Anlaufstelle (One-Stop-Shop) – ein Beitrag zur Vollendung des umsatzsteuerlichen Binnenmarktes?, in FS für Reiß, Köln 2008, 321; Widmann, Umsatzsteuer, § 183 Rz. 1 ff. in Kurze/Mellinghoff/Morgenthaler/Palm/ Puhl/Seiler, Leitgedanken des Rechts, FS für P. Kirchhof, Heidelberg 2013; Widmann, Vollzugsdefizite und Vollzugslasten im Umsatzsteuerecht, DStJG 21 (2009), 103; Zirkl, Die Neutralität der Umsatzsteuer als europäisches Besteuerungsprinzip, Frankfurt a.M. 2015.
10.1
Anknüpfend an die gesetzestechnische Ausgestaltung, ist die Umsatzsteuer zwar eine Verkehrsteuer; von ihrer Funktion, von der Belastungswirkung her steht aber ihr Verbrauchsteuercharakter im Vordergrund, so dass sich hieran auch die Auslegung zu orientieren hat.1 Erfasst werden soll die steuerliche Leistungsfähigkeit, die darin besteht, dass der Verbraucher sich Leistungen erbringen lässt, dafür etwas aufwendet, also Einkommen verwendet.2 Belastet wird der private Verbraucher. Das ergibt sich aus dem System tragenden Prinzip, dass der Unternehmer, bedingt durch den Vorsteuerabzug gem. § 15 UStG und die gesetzlich intendierte Überwälzung der Steuer auf den Verbraucher grundsätzlich keine Umsatzsteuer zu tragen hat und die Besteuerung des Letztverbrauchs (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3 Abs. 1b UStG) sichergestellt ist.3
10.2
Der verbrauchsteuerlichen Intention des Umsatzsteuergesetzes entspricht es, die Besteuerung den Schrankenwirkungen des Territorialitätsprinzips zu unterwerfen. Die steuerliche Leistungsfähigkeit kommt nämlich nur dort zum Ausdruck, wo der Verbraucher privat etwas aufwendet, um sich Lieferungen oder sonstige Leistungen erbringen zu lassen. Diesem Grundsatz folgt durchweg die internationale Steuerpraxis auch dadurch, dass allgemein das Bestimmungslandprinzip Geltung hat.4 Danach soll die Steuerbelastung desjenigen Landes maßgeblich sein, in dem der private Verbrauch erfolgt, also Einkommen verwendet wird. Das Besteuerungsgut der Umsatzsteuer ist daher der private Verbrauch (Einkommensverwendung) im Bestimmungsland. 1 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 975 ff.; Stadie in R/D, Einf. Rz. 101 ff.; Englisch in Tipke/Lang22, § 17 Rz. 10; Reiß in R/K/L, Einf. UStG Rz. 43 ff.; DStJG 12 (1990), 3 ff.; so auch die Rspr. des EuGH, z.B. EuGH v. 3.10.2006 – Rs. C-475/03 – Banca popolare die Cremona, Slg. 2006, I-9373; v. 7.10.2010 – Rs. C-53/09 – Loyalty Management, Slg. 2010, I-9187 unter Hinweis auf Art. 1 Abs. 2 MwStSystRL; vgl. im Übrigen die Rechtsprechungsübersicht bei Stadie in R/D, Einf. Rz. 122; des BVerfG, z.B. BVerfG v. 29.10. 1999 – 2 BvR 1264/90, BVerfGE 101, 132 (139); v. 10.11.1999 – 2 BvR 2861/93, BVerfGE 101, 151 (155); v. 10.12.1999 – 2 BvR 1820/92, UR 2000, 72 und des BFH, z.B. BFH v. 12.1. 2006 – V R 3/04, BStBl. II 2006, 479. 2 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 981 ff.; Stadie in R/D, Einf. Rz. 143; Englisch in Tipke/Lang22, § 17 Rz. 11; Reiß, DStJG 13 (1990), 3 (19 ff.); Schaumburg in FS Reiß, 25 (33 ff.). 3 Hierzu Stadie in R/D, Einf. Rz. 125 ff. 4 Stadie in R/D, Einf. Rz. 736; Englisch in Tipke/Lang22, § 17 Rz. 394; Möller, FinArch. 27, 387 ff.
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Schaumburg
A. Einführung
Das Bestimmungslandprinzip hat sich zwar für den internationalen Warenhandel (Lieferungen) aufgrund einheitlicher territorialer Anknüpfungspunkte weltweit durchgesetzt. Das gilt aber nicht gleichermaßen für Dienstleistungen (sonstige Leistungen), weil hierfür die für die Steuerbarkeit maßgeblichen Ortsbestimmungen mitunter stark divergieren. Die Folge hiervon ist, eine nicht vermeidbare internationale Doppelbesteuerung oder doppelte Nichtbesteuerung (Minderbesteuerung),1 und zwar auch innerhalb der EU: Trotz Anwendung harmonisierten Rechts (Rz. 3.87 ff.) ist eine unterschiedliche Umsetzung und Auslegung in den einzelnen Vertragsstaaten nicht ausgeschlossen.2
10.3
Das Bestimmungslandprinzip verfolgt zugleich das Ziel, sowohl Auslands- als auch Inlandswaren umsatzsteuerlich gleich zu belasten, womit zugleich dem Gebot der Wettbewerbsneutralität der Besteuerung3 entsprochen wird.4 Dies bedingt einen exakten Steuerausgleich im grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr. Bei gleichzeitiger Befreiung der Ausfuhr und ausfuhrähnlicher Vorgänge (innergemeinschaftliche Lieferungen) wird die Exportware über den Vorsteuerabzug im Ursprungsland entlastet. Dem steht eine entsprechende Belastung bei der Einfuhr (dem Erwerb) durch eine Einfuhrumsatzsteuer (Erwerbsteuer), die der Höhe nach der allgemeinen Umsatzsteuer entspricht, im Bestimmungsland gegenüber (Steuerausgleich). Diese für grenzüberschreitende Warenlieferungen maßgebliche zweistufige Steuertechnik – Steuerbarkeit und Steuerfreiheit – entspricht für grenzüberschreitende sonstige Leistungen einer Einstufenlösung, wodurch das Bestimmungslandprinzip durch „Verlegung“ des Ortes der sonstigen Leistung (§ 3a Abs. 2 UStG) in das Land des Verbrauchs (Rz. 10.41) bereits auf der ersten Stufe entschieden wird.5
10.4
Das Bestimmungslandprinzip entscheidet im Grundsatz schließlich auch die Frage, welchem Staat das Steueraufkommen aus der Umsatzsteuer zusteht: Es ist der Staat, in dem der Letztverbrauch stattfindet.6 Diesem Prinzip wird im harmonisierten Umsatzsteuerrecht der EU durchweg Rechnung getragen, insbesondere durch Steuerbefreiung der Ausfuhr in Drittlandsgebiete, Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen, eine Einfuhrumsatzsteuer auf Einfuhren aus dem Drittlandsgebiet, Erhebung einer Steuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb (Erwerbsteuer) sowie durch die weitgehende Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung in das Bestimmungsland.7
10.5
Nach dem Ursprungslandprinzip erfolgt die Besteuerung demgegenüber in dem Staat, in dem der leistende Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Beim Warenexport wird hierbei grundsätzlich keine Steuerentlastung gewährt, so dass auf
10.6
1 Die Doppelbesteuerungsabkommen erstrecken sich nicht auf Umsatzsteuern (vgl. Rz. 19.192). 2 Zur Doppelbesteuerung auf dem Gebiet des Umsatzsteuerrechts Stadie in R/D, Einf. Rz. 730 ff.; Englisch in Tipke/Lang22, § 17 Rz. 400 f.; Tumpel, DStJG 32 (2009), 53 (73 ff.). 3 Europarechtlich fundiert z.B. in Art. 110 AEUV für den Warenhandel; hierzu Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 6.7, 6.21. 4 Englisch in Tipke/Lang22, § 17 Rz. 395; Reiß in FS Tipke, 433 (441 f.); Englisch, DStJG 32 (2009), 165 (169 ff.). 5 Englisch in Tipke/Lang22, § 17 Rz. 399. 6 Englisch in Tipke/Lang22, § 17 Rz. 395; Reiß in FS Tipke 433 (439 f.). 7 Stadie in R/D, Einf. Rz. 735.
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Kap. 10 Umsatzsteuer
dem Verbrauchermarkt Inlands- und Auslandswaren unterschiedlich mit Umsatzsteuer belastet sind. Wegen der hierdurch eintretenden Wettbewerbsverzerrungen hat das Ursprungslandprinzip keine nennenswerte Bedeutung erlangt. Im UStG spielt es aus Praktikabilitätsgründen leidglich beim Erwerb von Waren durch Privatpersonen eine Rolle (Rz. 10.130).1 Das Ursprungslandprinzip eignet sich allenfalls im Verhältnis zwischen Staaten mit annähernd gleichen Umsatzsteuersystemen und Steuersätzen.2 Im Hinblick darauf hat das Ursprungslandprinzip überhaupt nur dann die Chance, das tragende Prinzip des gemeinsamen europäischen Umsatzsteuersystems zu werden, wenn die Steuersätze angeglichen werden.3 Zunächst gilt aufgrund einer Übergangsregelung4 aber weiterhin im Grundsatz das Bestimmungslandprinzip.5
B. Steuerobjekt I. Übersicht 10.7
Steuerobjekt der Umsatzsteuer sind die in § 1 Abs. 1 UStG näher bezeichneten steuerbaren Umsätze, die, soweit keine Steuerbefreiung eingreift, steuerpflichtig sind. Zu den steuerbaren Umsätzen gehören – Lieferungen und sonstige Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG), – die Einfuhr von Gegenständen im Inland oder in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG) und – der innergemeinschaftliche Erwerb im Inland gegen Entgelt (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG).
II. Steuerbare Umsätze 1. Inland Literatur Kommentare zu § 1 Abs. 2, 2a UStG; Ammann, Zum Status der deutschen Freihäfen nach dem Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz und der 6. EG-Richtlinie zur Umsatzsteuer, UR 1993, 48; Anton, Die Freizone des Kontrolltyps II, ZfZ 2002, 223; Lange, Das umsatzsteuerrechtliche Inland, DStZ 1994, 301; Lange; Europarechtliche Bedenken gegen den räumlichen Anwendungsbereich des deutschen Umsatzsteuergesetzes, DStZ 1996, 133; Lange, 1 Vgl. auch Stadie in R/D, Einf. Rz. 738. 2 Hierzu Menner, Die Umsatzsteuer-Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft, 78 ff.; Widmann, UR 1992, 249 (250). 3 Da die EU-Staaten sich bislang auf die Modalitäten eines am Ursprungslandprinzip orientierten neuen Umsatzsteuersystems nicht haben verständigen können, verbleibt es bis auf weiteres bei der Übergangsregelung; vgl. die Selbstverlängerungsklausel des Art. 402 MwStSystRL; hierzu die kritische Bestandsaufnahme von Englisch in Tipke/Lang22, § 17 Rz. 399; Reiß, USt-Kongress-Bericht 2007, 13 ff.; Langer in FS Reiß, 245 ff.; Widmann in FS Reiß, 321 ff. 4 Art. 402 MwStSystRL. 5 Hierzu Widmann in FS Reiß, 321 (322 f.).
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B. Steuerobjekt Das umsatzsteuerrechtliche Inland – Rechtsänderungen zum 1.1.1994, DStZ 1994, 301; Müller, Umsatzsteuer 1980, StbJb 1979/80, 97; Raudszus, Lieferungen und Leistungen bei Freihafenbezug, UStB 2002, 384; Schlienkamp, Umsatzsteuerliche Auswirkungen der Ausweitung des deutschen Küstenmeeres zum 1.1.1995, UR 1995, 1; Schwarze, Umstellungsfragen bei In- und Auslandsbeziehung infolge des Umsatzsteuergesetzes 1980, JbFSt 1979/80, 93; Slotty-Harms/Busch/Pittelkow, Umsatzbesteuerung im Freihafen – Folgewirkungen des § 1 Abs. 3 UStG, UVR 2014, 93.
Die in § 1 Abs. 1 UStG bezeichneten Umsätze unterliegen der Umsatzsteuer nur dann, wenn sie im Inland bewirkt werden. Abgestellt wird hierbei auf den Ort der Lieferung,1 der sonstigen Leistung,2 der Einfuhr3 und des innergemeinschaftlichen Erwerbs.4
10.8
Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 1 UStG entspricht das Inland dem Gebiet Deutschlands5 mit Ausnahme der Gemeinde Büsingen (Hochrhein),6 der Insel Helgoland,7 der Freihäfen (Bremerhaven, Cuxhaven),8 der Gewässer und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie9 sowie der deutschen Schiffe und der deutschen Luftfahrzeuge in Gebieten, die zu keinem Zollgebiet gehören.10 Botschaften, Gesandtschaften und Konsulate anderer Staaten gehören selbst bei bestehender Exterritorialität ebenso zum Inland wie Einrichtungen, die von ausländischen Truppen unterhalten werden.11 Zum Inland gehört auch der Transitbereich deutscher Flughäfen.12
10.9
Nicht zum Inland gehören die österreichischen Gebiete Mittelberg und Jungholz in Tirol. Da diese Gebiete aber dem deutschen Zollgebiet angeschlossen sind, be-
10.10
1 §§ 3 Abs. 5a bis 8; §§ 3c, 3e, 3f, 3g und § 1 Abs. 3 UStG. 2 §§ 3a, 3b, 3f und § 1 Abs. 3 UStG, §§ 2–7 UStDV, § 25 Abs. 1 Satz 4 UStG. 3 Maßgeblich ist § 21 Abs. 2 UStG i.V. mit Art. 201 Abs. 1 Buchst. a, 79 ZK (Art. 77 UZK), Hinweis: Art. 77 UZK ist am 1.5.2016 in Kraft getreten (Art. 288 Abs. 2 UZK); Übergangsregelungen enthält die UZK-TDA (Delegierte VO (EU)) 2016/651 v. 5.4.2016, ABl. 2016 L 111, 1,wonach auf die Überführung in den freien Verkehr abzustellen ist; hierzu Stadie3, § 1 UStG Rz. 123; ferner Deimel in Dorsch, Art. 77 UZK Rz. 16 f. 4 § 3d UStG. 5 Das Gebiet Deutschlands (Territorium) umfasst das Landgebiet, das Seegebiet innerhalb der 12-Meilen-Zone (Küstenmeer) sowie den Untergrund unter beiden und den Luftraum darüber; die 12-Meilen-Zone gilt aufgrund der Proklamation der Bundesregierung vom 11.11.1994 (BGBl. I 1994, 3428) ab 1.1.1995; hierzu Einzelheiten bei Schlienkamp, UR 1995, 1 ff. 6 Vgl. den Vertrag mit der schweizerischen Eidgenossenschaft über die Einbeziehung der Gemeinde Büsingen in das schweizerische Zollgebiet v. 23.11.1964, BGBl. II 1967, 2030, in Kraft getreten am 4.10.1967, BGBl. II 1967, 2336; Büsingen zählt nicht zum Zollgebiet der EU (Art. 3 Abs. 1 ZK/Art. 4 Abs. 1 UZK). 7 Helgoland gehört nicht zum Zollgebiet der EU (Art. 3 Abs. 1 ZK/Art. 4 Abs. 1 UZK). 8 Die Freihäfen sind Freizonen des Kontrolltyps I nach § 1 Abs. 1 Satz 1 ZollVG; zu Einzelheiten Lange, DStZ 1994, 301 (303); Birkenfeld, DStZ 1996, 193 ff. 9 Die äußere Grenze wird durch die 12-Meilen-Zone gezogen; zu weiteren Einzelheiten Birkenfeld in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 35 Rz. 71 ff.; Schlienkamp, UR 1995, 1 ff. 10 Schiffe und Luftfahrzeuge, die sich auf Hoher See oder über dessen Luftraum befinden, gehören ohnehin nicht zum Staatsgebiet; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, Rz. 281; vgl. im Überblick Birkenfeld in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 35 Rz. 151 ff. 11 Vgl. Abschn. 1.9 Abs. 1 Satz 3 u. 4 UStAE. 12 BFH v. 3.11.2005 – V R 63/02, BStBl. II 2006, 337.
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Kap. 10 Umsatzsteuer
stimmt § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG, dass die Einfuhr aus dem Drittlandsgebiet in diese Gebiete der deutschen Einfuhrumsatzsteuer unterliegen.1 Im Hinblick auf die im UStG getroffene Differenzierung zwischen Gemeinschaftsgebiet und Drittlandsgebiet enthält § 1 Abs. 2a UStG eine Aufzählung der zum Gemeinschaftsgebiet gehörenden Mitgliedstaaten einschließlich einiger für sie geltenden Besonderheiten.2 2. Lieferungen im Inland Literatur Kommentare zu § 3 Abs. 1, 1a, 5a bis 8 und §§ 3c, 3e, 3g; § 1 Abs. 3 UStG; Amann, Lieferortbestimmung bei innergemeinschaftlichen Transportlieferungen, UR 2001, 287; Bustorff, Lieferortbestimmung im liberalisierten Stromhandel, UR 2002, 349; Fritsch, Umsatzsteuerliche Behandlung von Reihengeschäften und innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften ab 1.1.1997, UR 1997, 41; Frye, Ort und Zeitpunkt der Beförderungs- oder Versendungslieferung – Für eine andere Auslegung des § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG, UR 2013, 889; Giesberts, Eigentumsübertragung, Verschaffung der Verfügungsmacht und Lieferung, UR 1976, 61; Gries/Stößel, Neuregelung des Reihengeschäfts? – Vorschläge an den Gesetzgeber durch das BMF und den BDI, Ubg 2016, 351; Hassa, Unionsrechtliche Vorgaben für die Zuordnung der Warenbewegung bei Reihengeschäften, UR 2016, 493; Hassa, Die umsatzsteuerliche Behandlung von Reihengeschäften, Baden-Baden 2016; Heuermann, Von Reihen und Dreiecken im innergemeinschaftlichen Warenverkehr, UR 1998, 9; Hummel, Verschaffung der Verfügungsmacht im Umsatzsteuerrecht, UR 2007, 757; Hummel, Umsatzsteuerrechtliche Risiken im grenzüberschreitenden Stromhandel, UR 2012, 584; Huschens, Umsatzsteuerliche Reihengeschäfte – wie soll künftig die warenbewegte Lieferung bestimmt werden? SteuK 2016, 333; Kraeusel, Die Besteuerung von Versendungsumsätzen nach § 3c UStG, UR 1993, 365; Lampert, Ort der Lieferung bei Versendung oder Beförderung des Gegenstandes an den Abnehmer (§ 3 Abs. 7 UStG), UR 1969, 178; Lippross, Lieferung beim Versendungskauf – Zur Auslegung des § 3 Abs. 7 UStG, DStR 1992, 566; Lippross, Verfügungsmacht und Sachgefahr, UR 2008, 495; Reiß, Innergemeinschaftliches Reihengeschäft, UR 2015, 733; Rokos, Die Übergangsregelung bei der Umsatzsteuer für grenzüberschreitende Umsätze im Europäischen Binnenmarkt ab 1993, UR 1992, 89; Streit, Anmerkungen zu den Urteilen des BFH zu Reihengeschäften, UStB 2015, 257; Tehler, § 3 Abs. 7 UStG – Bloße Fiktion für den Lieferort, UVR 1991, 359; Vellen, Umsatzbesteuerung der Lieferungen von Gas und Elektrizität, UR 2005, 133; Wäger, Grenzüberschreitender Gas- und Elektrizitätshandel, UStB 2004, 424; Weber, Der Ort der Lieferung von Gas und Elektrizität nach der Änderung des UStG durch das EU-Richtlinien-Umsetzungsgesetz, DStZ 2005, 109; Widmann, Ort der Lieferung und der sonstigen Leistung unter Berücksichtigung der Regelungen innerhalb und außerhalb der europäischen Gemeinschaften, DStJG 13 (1990), 119.
10.11
§ 3 Abs. 1 UStG bezeichnet als Lieferungen Leistungen eines Unternehmers, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen. Der unter der Kurzformel „Verschaffung der Verfügungsmacht“ allgemein verwendete Lieferbegriff ist dann erfüllt, wenn der Abnehmer wie ein Eigentümer über den Liefergegenstand verfügen kann.3 1 Vgl. Abschn. 1.9 Abs. 2 UStAE. 2 Vgl. die Aufzählung in Abschn. 1.10 Abs. 1 UStAE. 3 Einzelheiten bei Nieskens in R/D, § 3 UStG Rz. 631 ff.; Stadie3, § 3 UStG Rz. 16 ff.; Fritsch in R/K/L, § 3 UStG Rz. 116 ff.; aus der Rspr. des EuGH: EuGH v. 6.2.2003 – Rs. C-185/01 – Auto Lease Holland, BStBl. II 2004, 573; v. 15.12.2005 – Rs. C-63/04 – Centralan, Slg. 2005, I-11087.
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B. Steuerobjekt
Hieraus folgt, dass ein bloßes innerbetriebliches Verbringen von Gegenständen, also deren Transport innerhalb des Unternehmensbereichs, etwa vom Produktionsbetrieb zum Lager, grundsätzlich keine Lieferung gem. § 3 Abs. 1 UStG ist.1 Ausnahmen hiervon enthält § 3 Abs. 1a UStG, wonach das Verbringen eines Gegenstandes aus dem Inland (§ 1 Abs. 2 UStG) in das übrige Gemeinschaftsgebiet (§ 1 Abs. 2a UStG) durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung, als Lieferung gegen Entgelt fingiert wird.2 In diesem Fall gilt der Unternehmer im Ausgangsmitgliedsstaat als Lieferer und im Bestimmungsmitgliedsstaat als Erwerber.3 Diese Fiktion dient der Sicherung des Steueraufkommens. Sie bewirkt, dass das Verbringen als innergemeinschaftliche Lieferung bei Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG) zwar steuerfrei ist (§§ 4 Nr. 1 Buchst. b, 6a Abs. 2 UStG), dafür aber im anderen Mitgliedstaat als innergemeinschaftlicher Erwerb der Umsatzsteuer unterliegt (vgl. § 1a Abs. 2 UStG). Damit erfolgt in dem anderen Mitgliedstaat ein Heraufschleusen auf das dortige Steuerniveau, wodurch im Ergebnis das Bestimmungslandprinzip verwirklicht wird.4
10.12
Lieferungen sind nur dann steuerbar, wenn sie im Inland ausgeführt werden (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG). Der Ort der Lieferung richtet sich gem. § 3 Abs. 5a UStG, vorbehaltlich der §§ 3c, 3e, 3f und 3g UStG, nach § 3 Abs. 6 bis 8 UStG. Im Verhältnis zu den anderen Vorschriften enthält § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG die für die Ortsbestimmung maßgebliche Grundregel. Der Lieferort ist nach dieser Grundregel5 dort, wo sich der Gegenstand der Lieferung zur Zeit der Verschaffung der Verfügungsmacht befindet.6
10.13
Von der systematischen Grundregel des § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG gibt es folgende Abweichungen:
10.14
Bei Beförderungs- und Versendungslieferungen wird gem. § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG der Lieferzeitpunkt auf den Beginn der Beförderung bzw. die Übergabe des Liefergegenstandes an den mit der Beförderung oder deren Besorgung Beauftragten (Versendung) verlegt. Da nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG für den Ort der Lieferung der Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht maßgeblich ist, wird im Ergebnis nach § 3 Abs. 6 UStG der Lieferort dorthin verlagert, wo sich der Liefergegenstand zu Beginn der Beförderung bzw. bei Übergabe an den Beauftragten befindet. Das gilt aber nur dann, wenn der Abnehmer zu diesem Zeitpunkt bereits fest-
10.15
1 2 3 4 5
Nieskens in R/D, § 3 UStG Rz. 3380. Zu Einzelheiten Nieskens in R/D, § 3 UStG Rz. 990 ff.; Abschn. 1a.2 UStAE. Vgl. Abschn. 1a.2 Abs. 1 Satz 3 UStAE. Hierzu Stadie3, § 3 UStG Rz. 51 ff. Flückiger in S/W/R, § 3 Abs. 5a UStG Rz. 8.10; Englisch in Tipke/Lang22, § 17 Rz. 403; dagegen § 3 Abs. 6 UStG als Grundregel ansehend Nieskens in R/D, § 3 UStG Rz. 3260; Martin in S/R, § 3 UStG Rz. 452. 6 In den wichtigsten Fällen des Beförderns und Versendens (Transportlieferungen) ist der Ort der Lieferung dort, wo die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes an den Abnehmer beginnt (§ 3 Abs. 6 UStG); § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG gilt daher nur für Lieferbeziehungen, denen keine Warenbewegung zugrunde liegt (ruhende Lieferungen), so dass § 3 Abs. 6 UStG in der Praxis den Regelfall und § 3 Abs. 7 UStG den Ausnahmefall normiert; hierzu Stadie3, § 3 UStG Rz. 144; Fritsch in R/K/L, § 3 UStG Rz. 437 f.
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Kap. 10 Umsatzsteuer
steht1 und zudem der Gegenstand nach dem Transport an seinem Bestimmungsort nicht noch einer die Marktgängigkeit verändernde Behandlung unterzogen wird.2 10.16
Durch § 3 Abs. 6 UStG werden insbesondere folgende Vorgänge erfasst: Befördert der liefernde Unternehmer selbst den Gegenstand der Lieferung an den Abnehmer, so gilt die Lieferung mit dem Beginn der Beförderung als ausgeführt (§ 3 Abs. 6 Satz 1 UStG). Befördern ist jede Fortbewegung eines Gegenstandes (§ 3 Abs. 6 Satz 2 UStG), auch mit eigener Kraft.3 Eine Beförderung durch den liefernden Unternehmer liegt auch dann vor, wenn sein unselbständiger Erfüllungsgehilfe den Gegenstand der Lieferung befördert.4 Versendet der Unternehmer den Gegenstand der Lieferung an den Abnehmer, so gilt die Lieferung mit der Übergabe des Gegenstandes an den Beauftragten als ausgeführt (§ 3 Abs. 6 Satz 4 UStG). Versenden liegt vor, wenn jemand die Beförderung eines Gegenstandes durch einen selbständigen Beauftragten ausführen oder besorgen lässt (§ 3 Abs. 6 Satz 3 UStG).
10.17
Die Fiktion des § 3 Abs. 6 UStG hat besondere praktische Bedeutung für den Export und Import, weil diese überwiegend im Wege der Beförderung oder Versendung5 erfolgen. Die Fiktion des § 3 Abs. 6 UStG bewirkt nämlich nicht nur eine Verlegung des Orts der Lieferung auf den Ort des Beginns der Beförderung und der Versendung, sondern bestimmt damit zugleich auch den Zeitpunkt der Lieferung.6 Hierdurch ergibt sich für den Exporteur der praktische Vorteil, dass er nicht von einem ausländischen Finanzamt zur Umsatzsteuer herangezogen wird. Für den Importeur ergibt sich hierdurch kein Nachteil, weil sich dieser, soweit er die Einfuhrumsatzsteuer oder die Erwerbsteuer als Vorsteuer abziehen kann, ebenfalls nur an das für ihn zuständige inländische Finanzamt zu wenden hat.7
10.18
Für Reihengeschäfte8 bestimmt § 3 Abs. 6 Satz 5, dass die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes stets nur einer der mehreren Lieferungen zuzuordnen ist. Entsprechend der durch § 3 Abs. 6 Satz 1 UStG einerseits und § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG andererseits gesetzlich vorgegebenen Differenzierung zwischen Transport und Lieferung (warenbewegte Lieferung) und ruhenden Lieferungen, gibt es mithin bei einem Reihengeschäft stets nur eine Beförderungs- oder Versendungslieferung, 1 BFH v. 12.9.1991 – V R 118/87, BStBl. II 1991, 937; v. 6.12.2007 – V R 24/05, BStBl. II 2009, 490; der Abnehmer muss aber im Frachtbrief nicht namentlich genannt werden, es reicht vielmehr aus, wenn sich aus den Umständen, insbesondere aus Unterlagen mit hinreichender Sicherheit leicht und einwandfrei ableiten lässt, dass der Abnehmer zum maßgeblichen Zeitpunkt festgestanden hat; so BFH v. 30.7.2008 – XI R 67/07, BStBl. II 2009, 552; zu Einzelheiten Nieskens in FS Schaumburg, 1147 f. 2 Vgl. Abschn. 3.12 Abs. 4 UStAE: z.B. Montagelieferungen. 3 BFH v. 20.12.2006 – V R 11/06, BStBl. II 2007, 424; Abschn. 3.12 Abs. 2 Satz 2 UStAE. 4 Abschn. 3.12 Abs. 2 Satz 1 UStAE. 5 Einzelheiten zu den Begriffen bei Nieskens in R/D, § 3 UStG Rz. 3400 ff., 3410 ff. 6 BFH v. 6.12.2007 – V R 24/05, BStBl. II 2009, 490; Nieskens in R/D, § 3 UStG Rz. 3333; Birkenfeld in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Handbuch, § 762 Rz. 873. 7 Hierzu Widmann, DStJG 13 (1990), 119 (128 f.). 8 Als Reihengeschäft bezeichnet man Geschäfte, bei denen mehrere Personen über denselben Gegenstand Lieferverträge abschließen und diese Geschäfte dadurch erfüllt werden, dass der Gegenstand unmittelbar vom ersten zur Lieferung verpflichteten Unternehmer zu dem letzten Abnehmer in der Reihe gelangt (§ 3 Abs. 6 Satz 5 UStG).
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B. Steuerobjekt
deren Ort sich nach § 3 Abs. 6 UStG bestimmt.1 Bei den übrigen Lieferungen des Reihengeschäfts bestimmt sich der Ort der Lieferung für die vorangehenden und nachfolgenden Lieferungen nach § 3 Abs. 7 UStG. Gemäß § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 UStG gelten hierbei die der Transportlieferung vorangehenden (ruhenden) Lieferungen als dort ausgeführt, wo die Beförderung oder Versendung beginnt. Für nachfolgende (ruhende) Lieferungen wird gem. § 3 Abs. 7 Satz 2 Nr. 2 UStG der Ort der Lieferung auf den Ort festgelegt, an dem die Beförderung oder Versendung des Gegenstandes endet. Verbleibt dieser im Inland, ergeben sich hieraus keine Besonderheiten. Anders ist dies allerdings im grenzüberschreitenden Kontext.2 Denn nur bewegte Lieferungen können steuerfreie Ausfuhrlieferungen (Rz. 10.83 ff.), innergemeinschaftliche Lieferungen (Rz. 10.96 ff.) bzw. Einfuhren (Rz. 10.124 ff.) oder innergemeinschaftliche Erwerbe (Rz. 10.67 ff.) sein. Soweit es um die Steuerbefreiung geht, kann daher bei Reihengeschäften höchstens eine der Lieferungen steuerfrei sein.3 In der im grenzüberschreitenden Kontext typischen Drei-ParteienKonstellation ist allein der Fall problematisch, in dem der Zwischenhändler die Beförderung oder Versendung aus dem Liefer- in den Bestimmungsmitgliedstaat unmittelbar vom Erstlieferer zum Letzterwerber durchführt. Hierfür stellt § 3 Abs. 6 Satz 6 UStG die widerlegbare Vermutung auf, dass die Lieferung an den Zwischenerwerber die bewegte Lieferung (Transportlieferung) ist mit der Folge, dass der Erstlieferant hierfür z.B. die Steuerbefreiung (§§ 4 Nr. 1 Buchst. b, 6 UStG) in Anspruch nehmen kann. Diese Vermutung kann durch den Nachweis widerlegt werden, dass der Zwischenerwerber nicht als Abnehmer, sondern als Lieferant transportiert.4 Hierbei ist darauf abzustellen, ob der Enderwerber bereits im Abgangsmitgliedsstaat eine eigentümergleiche Verfügungsmacht erlangt hat.5 Im Hinblick darauf reicht es aus, wenn der Zwischenerwerber mitteilt, dass er den Gegenstand, bevor dieser den Abgangsmitgliedsstaat verlassen hat, an einen anderen Steuerpflichtigen weiter verkauft hat.6 1 Diese Regelung, die in der MwStSystRL keine Parallele hat, ist europarechtskonform; vgl. EuGH v. 6.4.2006 – Rs. C-245/04 – EMAG, Slg. 2006, I-3227; v. 16.12.2010 – Rs. C-430/09 – Euro-Tyre, Slg. 2010, I-13335. 2 BFH v. 11.8.2011 – V R 3/10, UR 2011, 909. 3 EuGH v. 6.4.2006 – Rs. C-245/04 – EMAG, Slg. 2006, I-3227; v. 16.12.2010 – Rs. C-430/09 – Euro-Tyre, Slg. 2010, I-13335; Abschn. 3.14, Abs. 2 Satz 3 UStAE. 4 Hiernach besteht faktisch ein Wahlrecht; vgl. Leonhard in Bunjes15, § 3 UStG Rz. 209. 5 EuGH v. 27.9.2012 – Rs. C-587/10 – VSTR, ECLI:EU:C:2012:592 = UR 2012, 832; BFH v. 28.5.2013 – XI R 11/09, BFH/NV 2013, 1524; v. 25.2.2015 – XI R 15/14, BFH/NV 2015, 772; v. 25.2.2015 – XI R 30/13, BFH/NV 2015, 769; die Finanzverwaltung stellt demgegenüber (noch) darauf ab, ob der Zwischenerwerber unter einer USt-IdNr. des Abgangsmitgliedstaats auftritt und die Gefahr und Kosten des Transports aufgrund der vereinbarten Lieferkonditionen trägt (Abschn. 3.14 Abs. 7 Satz 3, Abs. 10 Sätze 1 und 2 UStAE). 6 BFH v. 11.8.2011 – V R 3/10, UR 2011, 909 unter Hinweis auf EuGH v. 6.12.2010 – Rs. C-430/09 – Euro-Tyre, Slg. 2010, I-13335, Tz. 36; anders BFH v. 28.5.2013 – XI R 11/09, BFH/NV 2013, 1524; v. 25.2.2015 – XI R 15/14, BFH/NV 2015, 772; v. 25.2.2015 – XI R 30/13, BFH/NV 2015, 769; zu den insoweit bestehenden Unklarheiten von Streit, UStB 2013, 47 ff.; UStB 2015, 257 ff.; Wäger UR 2013, 81 ff. (92 ff.), wonach „die Behandlung der Reihengeschäfte weiterhin rätselhaft“ bleibt (93); Hassa, UR 2016, 493 ff.; im Überblick Leonhard in Bunjes15, § 3 UStG Rz. 214 ff.; zu Überlegungen de lege ferenda (Änderung von § 3 Abs. 6 Satz 5 und 6 UStG) Huschens, SteuK 2016, 333 ff.; zu strafrechtlichen Implikationen bei innergemeinschaftlichen Reihengeschäften Schaumburg in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 17.36 ff.
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Kap. 10 Umsatzsteuer
10.19
Eine Vereinfachungsregelung für grenzüberschreitende Reihengeschäfte (Rz. 10.87) enthält § 25b UStG. Hiernach wird bei innergemeinschaftlichen Dreiecksgeschäften im Ergebnis die Steuerschuld für die Lieferung des Zwischenlieferanten auf seinen Abnehmer verlagert (§ 25b Abs. 2 UStG), der Erwerb des Zwischenlieferanten nicht besteuert, aber als versteuert fingiert (§ 25b Abs. 3 UStG) und beim letzten Abnehmer der Vorsteuerabzug in Höhe der von ihm geschuldeten Umsatzsteuer zugelassen (§ 25b Abs. 5 UStG).1 Diese Vereinfachungsregelung dient dem Ziel, insbesondere den Zwischenlieferanten von Registrierungs- und Erklärungspflichten im Mitgliedstaat des Erwerbs zu entlasten.2 § 25b UStG hat allerdings nur eine begrenzte Reichweite, weil grundsätzlich nur Dreiecksgeschäfte, also Reihengeschäfte mit nicht mehr als drei Beteiligten3 erfasst werden und vorausgesetzt wird, dass der Liefergegenstand vom ersten Lieferanten oder dem Zwischenlieferanten befördert oder versendet wird und die beteiligten Unternehmer in verschiedenen Mitgliedstaaten steuerlich registriert4 sind, wobei der Zwischenlieferant nicht im Bestimmungsland ansässig sein darf (§ 25b Abs. 2 Nr. 2 UStG). Schließlich findet § 25b UStG nur dann Anwendung, wenn die Warenbewegung im Inland endet oder der Gegenstand von einem anderen Mitgliedstaat in einen weiteren Mitgliedstaat gelangt und der Erwerber eine deutsche USt-IdNr. verwendet.5
10.20
Soweit bei der Einfuhr aus dem Drittlandsgebiet in das Inland der Lieferer oder sein Beauftragter (z.B. Spediteur) Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist,6 wird gem. § 3 Abs. 8 UStG bei Beförderungs- und Versendungsgeschäften der Ort der Lieferung in das Inland verlegt. § 3 Abs. 8 UStG geht dem § 3 Abs. 6 UStG als speziellere Regelung vor.7
10.21
Da sich der Ort der Lieferung im Rahmen des § 3 Abs. 8 UStG danach richtet, ob der Lieferer die Einfuhrumsatzsteuer schuldet, ergeben sich für die Beteiligten entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten. Vereinbaren nämlich die Vertragspartner, dass die Lieferung verzollt und versteuert erfolgen soll, so liegt der Lieferort bei Beförderungs- und Versendungsgeschäften gem. § 3 Abs. 8 UStG im Einfuhrland (Inland). Der Lieferer kann daher selbst die Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer abziehen. Der Ort der Lieferung bestimmt sich auch dann nach § 3 Abs. 8 UStG, wenn der Lieferer als Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer diese tatsächlich nicht abgeführt hat8 oder die Einfuhrumsatzsteuer wegen Steuerfreiheit nicht erhoben worden ist.9 Das gilt insbesondere in den Fällen der Einfuhr1 Hierzu im Überblick Englisch in Tipke/Lang22, § 17 Rz. 429. 2 Robisch in Bunjes15, § 25b UStG Rz. 6; Englisch in Tipke/Lang22, § 17 Rz. 429. 3 So der Wortlaut, der allerdings die Anwendung bei mehr als drei hintereinandergeschalteten Beteiligten am Ende der Lieferkette nicht ausschließt, so dass die Rechtsfolge letztlich auf drei Beteiligte beschränkt bleibt; Fritsch in R/K/L, § 25b UStG Rz. 58.1; Abschn. 25b.1 Abs. 2 Satz 2 UStAE; weitergehend Stadie in R/D, § 25b UStG Rz. 126 ff. 4 Durch Erteilung einer USt-IdNr.; Abschn. 25b.1 Abs. 3 UStAE. 5 Robisch in Bunjes15, § 25b UStG Rz. 9. 6 Schuldner der Einfuhrumsatzsteuer ist die Person, die im eigenen Namen eine Zollanmeldung abgibt oder in deren Namen eine Zollanmeldung abgegeben wird; BFH v. 29.1.2015 – V R 5/14, BStBl. II 2015, 567; zu den Erfordernissen einer wirksamen direkten Vertretung gegenüber den Zollbehörden BFH v. 16.6.2015 – XI R 17/13, UR 2015, 830. 7 Stadie3, § 3 UStG Rz. 148. 8 EuGH v. 29.3.2012 – Rs. C-414/10 – Veleclair, ECLI:EU:C:2012:183, Tz. 27, DStR 2012, 697. 9 BFH v. 29.1.2015 – V R 5/14, BStBl. II 2015, 567; Abschn. 3.13 Abs. 1 Sätze 1–4 UStAE.
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umsatzsteuerfreiheit für Sendungen von Waren, deren Gesamtwert 22 Euro je Sendung nicht übersteigt (§ 1a Abs. 1 EuStBV).1 Wird demgegenüber unverzollt und unversteuert geliefert, so liegt bei Beförderungs- und Versendungsgeschäften der Lieferort gem. § 3 Abs. 7 und 6 UStG im Lieferland (Drittland). In diesem Falle ist der Abnehmer zum Abzug der Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer berechtigt.2 Die vom Gesetz eingeräumten Gestaltungsmöglichkeiten sind für den jeweiligen privaten Endverbraucher im Bestimmungsland so lange belastungsneutral, wie die Einfuhrumsatzsteuer durch den Importeur als Vorsteuer abgezogen werden kann. Ist dies indessen nicht der Fall, weil etwa die Lieferung unverzollt und unversteuert erfolgt und der Abnehmer als privater Endverbraucher nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, können sich systemwidrige Belastungsdivergenzen ergeben. Sie beruhen darauf, dass das Entgelt (§ 10 Abs. 1 UStG) als Bemessungsgrundlage für die Lieferung nicht stets identisch ist mit der für die Einfuhrumsatzsteuer maßgeblichen Bemessungsgrundlage, dem Zollwert (§ 11 Abs. 1 UStG). Diese systemwidrigen Belastungsdivergenzen werden allerdings im Rahmen der für den nicht kommerziellen Reiseverkehr und für Kleinsendungen geltenden Vorschriften3 abgemildert.4 Für innergemeinschaftliche Versandhandelsgeschäfte mit privaten Endverbrauchern und bestimmten anderen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Abnehmern wird durch § 3c Abs. 1 UStG der Ort der Lieferung in das Bestimmungsland verlegt (Empfängerort). Entgegen § 3 Abs. 7 und 6 UStG wird für die Ortsbestimmung damit nicht auf den Beginn, sondern auf das Ende der Beförderung oder Versendung abgestellt. Diese Ortsbestimmung betrifft die Fälle, in denen der Lieferer Gegenstände in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versendet und der Abnehmer einen innergemeinschaftlichen Erwerb (§§ 1 Abs. 1 Nr. 5; 1a UStG) nicht zu versteuern hat. Diese von der Grundregel (§ 3 Abs. 7 Satz 1 UStG) abweichende Ortsbestimmung ist darauf gerichtet, vor allem Versandhändlern, die ihre Waren aus Mitgliedsländern versenden, in denen der Steuersatz niedriger als im Bestimmungsland ist, die hierdurch bedingten Wettbewerbsvorteile zu nehmen.5
10.22
Voraussetzung für den Ort der Lieferung im Bestimmungsland ist, dass die Beförderung oder Versendung vom liefernden Unternehmer veranlasst wird. Wird der Gegenstand der Lieferung dagegen vom Abnehmer abgeholt oder lässt er ihn von einem Dritten abholen, richtet sich der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 6 UStG. Empfänger der Lieferungen dürfen nur solche Personen sein, die in § 3c Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG aufgeführt sind. Zu diesem Personenkreis gehören insbesondere Privatpersonen (§ 3c Abs. 2 Nr. 1 UStG) sowie die Personen, die im Inland mit dem Erwerberkreis identisch sind, der nach § 1a Abs. 3 UStG die Vorausset-
10.23
1 Zu steuerstrafrechtlichen Implikationen in diesem Zusammenhang Schaumburg in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 17.51 ff. 2 Vgl. hierzu die Beispiele in Abschn. 3.13 Abs. 2 UStAE. 3 Vgl. § 5 Abs. 2 u. 3 UStG i.V.m. § 1 Abs. 1 Einreise-Freimengen-Verordnung (EF-VO); Wertgrenzen 300 Euro; für Flug- und Seereisende 430 Euro; für Reisende unter 15 Jahren 175 Euro (§ 2 Abs. 1 Nr. EF-VO) und § 1 Abs. 1 Kleinsendungs-Einfuhrfreimengen-Verordnung (KF-VO; Wertgrenze: 45 Euro). 4 Vgl. hierzu BFH v. 21.3.2007 – V R 32/05, BStBl. II 2008, 153. 5 Stadie3, § 3c UStG Rz. 2.
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zungen des innergemeinschaftlichen Erwerbs nicht erfüllt und nicht für die Erwerbsbesteuerung optiert hat (§ 3c Abs. 2 Nr. 2 UStG). Hierzu gehören insbesondere nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer sowie juristische Personen, die nicht Unternehmer sind oder die den Gegenstand nicht für ihr Unternehmen erwerben.1 Die vorstehenden Voraussetzungen gelten nicht uneingeschränkt für alle innergemeinschaftlichen Versandhandelsgeschäfte: Für Lieferungen von verbrauchsteuerpflichtigen Waren – Mineralöle, Alkohol, alkoholische Getränke und Tabakwaren – an private Endverbraucher (§ 3c Abs. 2 Nr. 1 UStG) gilt § 3c Abs. 1 UStG stets, für Lieferungen an nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Erwerber (§ 3c Abs. 2 Nr. 2 UStG) nie (§ 3c Abs. 5 Satz 2 UStG). Hier bleibt § 3 Abs. 7 und 6 UStG anwendbar. Es greift hierfür sodann die für innergemeinschaftliche Lieferungen maßgebliche Steuerbefreiung (§§ 4 Nr. 1 Buchst. b; 6a UStG) und danach die Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland ein (vgl. § 1a Abs. 5 Satz 2 UStG). Schließlich unterliegt die Lieferung von neuen Fahrzeugen unter keinen Umständen der Ortsbestimmung des § 3c Abs. 1 UStG (§ 3c Abs. 5 Satz 1 UStG). Auch hier verbleibt es bei der Ortsbestimmung des § 3 Abs. 7 und 6 UStG, wobei die Lieferung neuer Fahrzeuge als innergemeinschaftliche Lieferung gem. §§ 4 Nr. 1 Buchst. b und 6a UStG steuerbefreit ist und anschließend im Bestimmungsland der Erwerbsbesteuerung unterliegt (vgl. § 1a Abs. 5 Satz 1 UStG). 10.24
Für Lieferungen von anderen Gegenständen als verbrauchsteuerpflichtige Waren und neuen Fahrzeugen setzt der Ort der Lieferung im Bestimmungsland gem. § 3c Abs. 3 UStG schließlich noch voraus, dass die Lieferungen des Lieferanten in einen anderen Mitgliedstaat einen bestimmten Umfang – Lieferschwelle – überschreiten. Die Verlagerung des Lieferorts nach § 3a Abs. 1 UStG tritt hierbei ein, sobald die Lieferschwelle im laufenden Kalenderjahr überschritten wird.2 Liegt das Ende der Beförderung oder Versendung im Inland (§ 1 Abs. 2 UStG) oder in den in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebieten (Freihäfen usw.), so beträgt die Lieferschwelle 100 000 Euro (§ 3c Abs. 3 Nr. 1 UStG). Endet die Beförderung oder Versendung in einem anderen Mitgliedstaat, kommen die dort maßgeblichen zum Teil reduzierten Lieferschwellen zur Anwendung (§ 3c Abs. 3 Nr. 2 UStG).3 Wird die maßgebliche Lieferschwelle nicht überschritten, kann der Lieferer gem. § 3c Abs. 4 UStG dennoch für die Besteuerung seiner Lieferungen im Bestimmungsland optieren.4 Die Option, die ggü. den zuständigen Finanzbehörden zu erklären ist, bindet den Lieferer zwei Jahre. Die Option kann für die Lieferungen in einzelne Bestimmungsländer der Gemeinschaft jeweils gesondert ausgesprochen werden.5 Optiert der Lieferer nicht, bestimmt sich der Ort der Lieferung nach § 3 Abs. 7 und 6 UStG.
10.25
Lieferungen von Gegenständen oder die Ausführung von Restaurationsleistungen6 während einer Beförderung innerhalb des Gemeinschaftsgebiets an Bord ei1 2 3 4 5 6
Zu den einzelnen Fallgruppen Stadie in R/D, § 1a UStG Rz. 363 ff. Vgl. Abschn. 3c.1 Abs. 3 Satz 5 UStAE. Vgl. die Aufstellung in Abschn. 3c.1 Abs. 3 Satz 2 UStAE. Die Option ist dann geboten, wenn der Steuersatz dort niedriger ist. Zu weiteren Einzelheiten Kraeusel in R/K/L, § 3c UStG Rz. 56 ff. Hierzu zählt auch die Zusatzverpflegung an Bord von Flugzeugen; BFH v. 27.2.2014 – V R 14/13, BFH/NV 2014, 1168.
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nes Schiffes, in einem Luftfahrzeug oder in einer Eisenbahn gelten als am Abgangsort des jeweiligen Beförderungsmittels erbracht (§ 3e Abs. 1 UStG). Damit wird in Abweichung von § 3 Abs. 7 und 6 UStG der Ort der Lieferung sowie der Ort der sonstigen Leistung zurückverlegt mit der Folge, dass für die vorbezeichneten Leistungen während einer Beförderung nicht mehrere Steuererklärungen in mehreren Mitgliedstaaten abzugeben sind, womit zugleich ein Besteuerungskonflikt zwischen den Mitgliedstaaten vermieden wird.1 Eine Personenbeförderung innerhalb des Gemeinschaftsgebietes ist dann gegeben, wenn sowohl Abgangs- als auch Ankunftsort in der Gemeinschaft liegen und kein Zwischenaufenthalt außerhalb des Gemeinschaftsgebietes erfolgt oder wenn die Beförderung im Drittlandsgebiet beginnt oder endet und hierbei sowohl Abgangs- als auch Ankunftsort, bei denen Reisende ein- und aussteigen können, im Gemeinschaftsgebiet liegen (§ 3e Abs. 2 UStG). Für die Lieferung von Gas oder Elektrizität, Wärme- oder Kältenetze an Wiederverkäufer wird gem. § 3g Abs. 1 Satz 1 UStG als Ort der Lieferung der Ort fingiert, wo der Abnehmer sein Unternehmen betreibt (Empfängerort). Es ist allerdings der Ort der Betriebsstätte des Abnehmers maßgeblich, wenn an diese die Lieferung ausgeführt wird (§ 3g Abs. 1 Satz 2 UStG). Für Lieferungen an Nichtunternehmer und Unternehmer für den eigenen Verbrauch ist demgegenüber auf den Verbrauchsort abzustellen, also darauf, wo sich der Zähler des Abnehmers befindet (§ 3g Abs. 2 UStG)2 Aus dieser speziellen Ortsregelung folgt, dass insoweit weder Ausfuhrlieferungen (§ 6 UStG) noch innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 6a UStG) vorliegen (§ 3g Abs. 3 UStG).3 Damit wird im Ergebnis die Wettbewerbsneutralität bei Energielieferungen gewährleistet.4
10.26
Lieferungen in den Freihäfen und Küstengewässern,5 die zum Ausland zählen (§ 1 Abs. 2 Satz 2 UStG), sind insbesondere gem. § 1 Abs. 3 Nr. 1 und 4 UStG wie steuerbare Lieferungen im Inland zu behandeln, so dass insoweit die Ortsbestimmung des § 3 Abs. 7 UStG verdrängt wird.6
10.27
Diese Fiktion dient dem Ziel, Endverbraucherumsätze in den vorgenannten Gebieten steuerlich zu belasten.7 Erfasst werden vor allem die zum Gebrauch oder Verbrauch bestimmten Liefergegenstände (§ 1 Abs. 3 Nr. 1, Alt. 1 UStG), etwa die Lieferung von Speisen und Getränken auf Fährschiffen oder der Verkauf von Tabakwaren aus Automaten in Freihäfen,8 und von Schiffsausrüstungsgegenständen (§ 1 Abs. 3 Nr. 1, Alt. 2 UStG)9 sowie Liefergegenstände, die sich im Zeitpunkt der Lieferung in einem zollamtlich bewilligten Freihafen-Veredelungsverkehr oder an einer zollamtlich zugelassenen Freihafenlagerung befinden
10.28
1 Vgl. EuGH v. 15.9.2005 – Rs. C-58/04 – Köhler, BStBl. II 2007, 150 Rz. 22; Stadie3, § 3e UStG Rz. 1. 2 Abschn. 3g.1 Abs. 5 Satz 2 UStAE. 3 Vgl. Abschn. 3g.1 Abs. 6 Satz 2 UStAE. 4 Hierzu Nieskens, UR 2005, 57 (58). 5 Es handelt sich hierbei um die Gewässer und Watten zwischen der Hoheitsgrenze und der jeweiligen Strandlinie (§ 1 Abs. 3 Satz 1 UStG). 6 Martin in S/R, § 3 UStG Rz. 502 f. 7 Hierzu im Einzelnen Nieskens in R/D, § 1 UStG Rz. 75; Husmann in R/D, § 1 UStG Rz. 1171, 1176 ff.; Stadie3, § 1 UStG Rz. 167 ff. 8 Vgl. Abschn. 1.11 UStAE. 9 Einzelheiten bei Husmann in R/D, § 1 UStG Rz. 1184 ff.
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Kap. 10 Umsatzsteuer
(§ 1 Abs. 3 Nr. 4 Buchst. a UStG), und Gegenstände, die sich einfuhrumsatzsteuerrechtlich im freien Verkehr befinden (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 Buchst. b UStG).1 3. Gegenstandsentnahmen 10.29
Nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG wird einer Lieferung gegen Entgelt die Entnahme eines Gegenstandes aus dem Unternehmen für Zwecke außerhalb des Unternehmens gleichgestellt. Diese Fiktion, die sich sowohl auf die Lieferung als auch auf die Entgeltlichkeit bezieht, dient der Sicherstellung der Besteuerung des Letztverbrauchs, womit zugleich dem Verbrauchsteuercharakter der Umsatzsteuer entsprochen wird.2 Wie sich aus § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG ergibt, ist die Regelung darauf angelegt, einen vorgenommenen Vorsteuerabzug zu neutralisieren.3 Um die Gleichstellung mit einer Lieferung gegen Entgelt zu gewährleisten, wird die tatbestandliche Reichweite der Gegenstandsentnahme durch § 3 Abs. 1 UStG begrenzt, so dass eine Gegenstandsentnahme nur vorliegt, wenn bei einer entsprechenden Leistung gegenüber einem anderen eine Lieferung gegeben wäre.4 Die Reichweite der Gegenstandsentnahme wird zugleich aber auch begrenzt durch § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG, so dass nur vorsteuerentlastete Gegenstände erfasst werden.
10.30
§ 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG setzt eine Entnahme für Zwecke außerhalb des Unternehmens voraus. Betroffen hierdurch sind nicht nur natürliche Personen, sondern auch Personengesellschaften, Kapitalgesellschaften und juristische Personen des öffentlichen Rechts, denn auch diese können Zwecke verfolgen, die außerhalb des Unternehmens liegen, so etwa die Zuwendung von bislang im Unternehmen genutzten Gegenständen an Anteilseigner für deren privaten Bedarf.5
10.31
Für den Ort der Gegenstandsentnahme gilt die Sonderregelung des § 3f UStG. Hiernach werden Gegenstandsentnahmen an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt (§ 3f Satz 1 UStG). Erfolgt die Gegenstandsentnahme aus einer Betriebsstätte, so gilt diese als Ort der Lieferung (§ 3f Satz 2 UStG). Dass der Unternehmensort maßgeblich ist, ist im Hinblick auf die technische Funktion der Gegenstandsentnahme – Neutralisierung des Vorsteuerabzuges – folgerichtig.6 4. Personalzuwendungen
10.32
Nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 UStG wird bei einer unentgeltlichen Zuwendung eines Gegenstandes durch einen Unternehmer an sein Personal für dessen pri1 Vgl. Abschn. 1.12 UStAE. 2 Englisch in Tipke/Lang22, § 17 Rz. 153. 3 EuGH v. 8.3.2001 – Rs. C-415/98 – Bakcsi, Slg. 2001, I-1831, Tz. 42 ff.; Stadie3, § 3 UStG Rz. 56; Englisch in Tipke/Lang22, § 17 Rz. 154. 4 Hierzu Fritsch in R/K/L, § 3 UStG Rz. 322.20; Abschn. 3.3 Abs. 5 Satz1 UStAE. 5 BFH v. 10.3.1994 – V R 91/91, BFH/NV 1995, 451; Fritsch in R/K/L, § 3 UStG Rz. 322.24; Abschn. 3.2 Abs. 1 Satz 2 UStAE. 6 Hierzu Stadie3, § 3f UStG Rz. 2 ff.; zu europarechtlichen Fragestellungen – die MWStSystRL enthält keine entsprechende Regelung – Fritsch in R/K/L, § 3f UStG Rz. 8.
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B. Steuerobjekt
vaten Bedarf die Entgeltlichkeit der Lieferung fingiert, soweit keine Aufmerksamkeit vorliegt. Damit wird, wie sich aus § 3 Abs. 1b Satz 2 UStG ergibt, der zuvor vorgenommene Vorsteuerabzug neutralisiert1 und zugleich ein unversteuerter Endverbrauch vermieden.2 Im Hinblick darauf kommt § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 UStG von vorneherein nicht in Betracht, wenn bereits beim Leistungsbezug wegen der beabsichtigten unentgeltlichen Wertabgabe an das Personal der Vorsteuerabzug zu versagen war.3 Der Anwendungsbereich ist in der Praxis begrenzt, weil einerseits ohnehin Entgeltlichkeit anzunehmen ist, wenn die Gegenleistung in der anteiligen Arbeitsleistung des Arbeitnehmers liegt, und andererseits bloße Aufmerksamkeiten, womit geringwertige Geschenke gemeint sind,4 von der Vorschrift nicht erfasst werden. Schließlich entfällt auch eine Besteuerung in den Fällen, in denen die über bloße Aufmerksamkeiten hinausgehenden Zuwendungen an Arbeitnehmer der Ausführung entgeltlicher Umsätze dienen, womit im Wesentlichen die Überlassung von Dienstkleidung und Arbeitsmitteln gemeint ist.5 Ort dieser unentgeltlichen Lieferung ist der Unternehmensort (§ 3f UStG). 5. Unentgeltliche Lieferungen § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG erfasst schließlich auch andere unentgeltliche Zuwendungen von Gegenständen, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens. Auch hier geht es darum, den zuvor geltend gemachten Vorsteuerabzug zu neutralisieren (§ 3 Abs. 1b Satz 2 UStG).6 Maßgeblich ist hier ebenfalls der Unternehmensort (§ 3f UStG). 6. Sonstige Leistungen im Inland Literatur Kommentare zu § 3a UStG; Ammann, Feststellung des umsatzsteuerlichen Leistungsortes bei der Vermietung von international eingesetzten Güterbeförderungsmitteln, UR 2008, 175; Becker, BMF-Schreiben vom 18.12.2012 zum Leistungsort bei grundstücksbezogenen Dienstleistungen, UStB 2013, 84; Dahm/Hamacher, Vermögensverwaltung und Umsatzsteuer, UR 2012, 817; Golke, Grenzüberschreitende Grundstücksumsätze UStB 2011, 106; Grambeck, Eigenhandel mit Eintrittskarten, UR 2009, 220; Grambeck, Leistungsort für Güterbeförderungsleistungen im Drittland, UStB 2012, 133; Hamm, Vermögensverwaltung mit Wertpapieren und Umsatzsteuer, DStR 2012, 1691; Jansen, Neue Ortsregelungen für sonstige Leistungen ab 2010, UR 2008, 837; Jansen, Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück, UR 2013, 693; Keese, Ort der sonstigen Leistung für Fahrzeugüberlassungen an Nichtunternehmer im Ausland ab 2013, UR 2013, 706; Kemper, Bestimmung des Leistungsorts am Beispiel der auf elektronischem Weg erbrachten sonstigen Leistungen, UR 2015, 649; Kirchhof, Entwicklungsmöglichkeiten der Umsatzsteuer im Rahmen von 1 Hierzu Stadie3, § 3 UStG Rz. 76. 2 Nieskens in R/D, § 3 UStG Rz. 1208; Stadie3, § 3 UStG Rz. 76; zur Kritik Englisch in Tipke/Lang22, § 17 Rz. 157. 3 BFH v. 9.10.2010 – V R 17/10, BStBl. II 2012, 53 betr. Betriebsausflug, soweit keine Aufmerksamkeit (Grenze 110 Euro) vorliegt. 4 Abschn. 1.8 Abs. 3 Satz 2 UStAE (Wert: 60 Euro). 5 Vgl. die Aufstellung in Abschn. 1.8 Abs. 4 Satz 3 UStAE. 6 Zur Kritik an dieser Regelung Englisch in Tipke/Lang22, § 17 Rz. 158.
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Kap. 10 Umsatzsteuer Verfassungs- und Europarecht, UR 2002, 541; Klein, Ort des Umsatzes bei Telekommunikationsleistungen, UVR 2002, 339; Korf, Welcher Umsatz bestimmt den Ort der Vermittlungsleistung?, UVR 2009, 153; Kußmaul/Naumann, Grenzüberschreitende elektronische Dienstleistungen in der Umsatzsteuer – Kritische Betrachtung der geltenden B2C-Regelungen, MwStR 2016, 565; Lippross, Neuregelungen zum Ort der sonstigen Leistungen ab 1.1. 2010 – Systemwidriger Besteuerungszugriff und Besteuerungsdefizite bei sonstigen Leistungen mit Drittlandsbezug, UR 2009, 786; Menner, Die Umsatzsteuer-Harmonisierung in der Europäischen Gemeinschaft, Köln 1992; Monfort, JStG 2009: Der neue Ort der sonstigen Leistung ab 2010, DStR 2008, 297; Neeser, Sitz des Leistungsempfängers, UR 2008, 774; Neeser, Ausgewählte Praxisprobleme nach der Neuregelung zum Ort der sonstigen Leistung, UVR 2010, 375; Nieskens, Gemeinschafterrechtliche Neuregelungen zum Ort der sonstigen Leistung, UR 2008, 677; Nieskens, Status, Eigenschaft und Ort des Dienstleistungsempfängers, DB 2011, 1470; Rädler/Lausterer, Margenbesteuerung von Leistungen der Reiseveranstalter in der EG, UR 1995, 285; Spilker, Umsatzsteuerliche Behandlung von Beratungsleistungen im Zusammenhang mit Veräußerung und Erwerb von Grundstücken, UR 2010, 473; Sterzinger, Abgrenzung von Lieferungen und sonstigen Leistungen bei der Abgabe von Speisen und Getränken, UStB 2013, 156; Stöbner/Gach, Umsatzsteuerliche Rechtsentwicklungen bei Messen, DStR 2012, 11; Weimann, Neuregelung des Leistungsortes für kulturelle künstlerische u.ä. Leistungen sowie Messen und Ausstellungen, UStB 2011, 166; Widmann, Ort der Lieferung und der sonstigen Leistung unter Berücksichtigung der Regelungen innerhalb und außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, DStJG 13 (1990), 119.
10.34
Sonstige Leistungen sind gem. § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG Leistungen, die nicht Lieferungen sind. Der wirtschaftliche Schwerpunkt der sonstigen Leistung besteht im Gegensatz zur Lieferung nicht in der Zuwendung eines Gegenstandes, sondern in der Erbringung einer Dienstleistung, in einer Nutzungsüberlassung oder in der Übertragung eines Rechtes.1 Die sonstige Leistung kann auch in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustandes bestehen (§ 3 Abs. 9 Satz 2 UStG). Schließlich bestimmt § 3 Abs. 9 Satz 3 UStG, dass die Vergütungen nach den §§ 27 und 54 UrhG, insbesondere die sog. Bibliotheksabgabe und die sog. Leerkassettenvergütung, Entgelt für sonstige Leistungen sind.
10.35
Sonstige Leistungen sind nur dann steuerbar, wenn sie im Inland erbracht werden. Das auch für sonstige Leistungen im Grundsatz maßgebliche Bestimmungslandprinzip wird im Unterschied zu Lieferungen nicht durch eine zweistufige Steuertechnik – Steuerbarkeit und Steuerfreiheit – umgesetzt, sondern allein durch die in § 3a Abs. 2 UStG verankerten Ortsbestimmungen. Insbesondere § 3a Abs. 2 UStG geht hierbei typisierend davon aus, dass bei an einen Unternehmer erbrachte sonstige Leistungen die Inanspruchnahme derselben durch Endverbraucher dort erfolgt, wo der Unternehmer sein Unternehmen betreibt (Empfängerortprinzip).2 Soweit das Bestimmungslandprinzip in § 3a UStG nach Maßgabe der MWStSystRL umgesetzt worden ist, ergeben sich innerhalb der EU wegen der weitgehenden Harmonisierung keine besonderen Abgrenzungsschwierigkeiten. Im Verhältnis zu Drittstaaten kommt es dagegen zu einer Doppelbesteuerung oder doppelten Nichtbesteuerung (Minderbesteuerung) mit der Folge von Wettbewerbsverzerrungen.3 1 Nieskens in R/D, § 3 UStG Rz. 3471. 2 Vgl. Englisch in Tipke/Lang22, § 17 Rz. 431. 3 Zu den Bemühungen der OECD, weltweit die Ortsbestimmung für grenzüberschreitende Dienstleistungen zu vereinheitlichen s. OECD, International VAT/GST Guide Lines 2006&2014; vgl. hierzu Körner, MWStR 2013, 227; Merkx, EC Tax Review 2013, 282.
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Da mit einer konsequenten Umsetzung des Bestimmungslandprinzips bei der Feststellung und Durchsetzung der Steueransprüche Vollzugsdefizite bestehen,1 enthält § 3a UStG bedeutsame Abweichungen von dem an sich gebotenen Bestimmungslandprinzip. So verwirklicht § 3a Abs. 1 UStG für sonstige Leistungen unmittelbar für Zwecke des Endverbrauchs das Herkunftslandprinzip, während für sonstige Leistungen an Unternehmer für Zwecke des Unternehmens das Bestimmungslandprinzip (Empfängerortprinzip) zur Geltung kommt. Abweichend von diesen Grundregeln enthält § 3a Abs. 3 UStG unterschiedliche Ortsbestimmungen. Insgesamt enthält der für die Bestimmung des Orts der sonstigen Leistung maßgebliche § 3a UStG eine kasuistische Regelung, wonach abzustellen ist, auf den – – – – – – –
Unternehmensort (§ 3a Abs. 1 UStG), Empfängerort (§ 3a Abs. 2, 4, 5 UStG), Grundstücksort (§ 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG), Übergabeort (§ 3a Abs. 3 Nr. 2 UStG), Tätigkeitsort (§ 3a Abs. 3 Nr. 3 UStG), Umsatzort (§ 3a Abs. 3 Nr. 4 UStG) und den Nutzungsort (§ 3a Abs. 6, 7, 8 UStG).
Darüber hinaus enthalten Sonderregelungen weitere Bestimmungsorte, insbesondere den – – – –
10.36
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Beförderungsort (§ 3b Abs. 1 UStG), Erbringungsort (§ 3b Abs. 2 UStG), Abgangsort (§§ 3b Abs. 3; 3e UStG) und den Unternehmensort (§ 25 Abs. 1 UStG).
§ 3a Abs. 1 UStG stellt für den Ort der sonstigen Leistung als gesetzliche Grundregel auf den Unternehmensort ab. Danach ist grundsätzlich derjenige Ort maßgebend, von dem aus das Unternehmen betrieben wird (§ 3a Abs. 1 Satz 1 UStG). Das Unternehmen wird dort betrieben, wo der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit ist (Art. 44 Satz 1 MwStSystRL), also dort, wo die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung des Unternehmens getroffen werden (Art. 10 Abs. 2 MwStDVO).2
10.38
Der Unternehmensort ist daher regelmäßig mit dem Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO; Rz. 7.2 f.) identisch.3 Bei natürlichen Personen ist das im Zweifel der Wohnsitz (§ 8 AO) oder der gewöhnliche Aufenthalt (§ 9 AO).4 Wird die sonstige Leistung von einer Betriebsstätte ausgeführt, so gilt die Betriebsstätte5 als Ort der sonstigen Leistung (§ 3a Abs. 1 Satz 2 UStG). Wird eine (teilbare) sonstige Leis-
10.39
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Englisch in Tipke/Lang22, § 17 Rz. 431. Vgl. Abschn. 3a.1 Abs. 1 Sätze 4 ff. UStAE. Wäger in S/R, § 3a UStG Rz. 58; Stadie3, § 3a UStG Rz. 26. Vgl. Abschn. 3.1a Abs. 1 Sätze 8,9 UStAE. Nicht i.S. von § 12 AO, sondern in Orientierung an Art. 45 Satz 2 MwstSystRL (Art. 11 MwStDVO) im Sinne einer festen („aktiven“) Niederlassung (Art. 11 Abs. 2 MwStDVO); Stadie3, § 3a UStG Rz. 30; Korn in Bunjes15, § 3a UStG Rz. 14; Monfort, UR 2012, 341 (347 f.); vgl. auch Abschn. 3a.1 Abs. 3 UStAE.
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tung sowohl an dem Ort, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt (Sitzort), als auch von einer Betriebsstätte ausgeführt, so ist der Leistungsort nach dem Ort zu bestimmen, an dem die sonstige Leistung überwiegend erbracht wird,1 wobei im Zweifel die Zuordnung zum Sitzort Vorrang hat.2 Das Unternehmensortprinzip ist lediglich subsidiärer Natur3 und fungiert nur als Auffangnorm bei denjenigen sonstigen Leistungen gegenüber Nichtunternehmern, für die es keine gesonderte Regelung gibt.4 Es gilt insbesondere für Leistungen von Reiseleitern, Sporttrainern und Vermögensverwaltern.5 10.40
Das Unternehmensortprinzip des § 3a Abs. 1 UStG ist systemwidrig, weil es dem Ursprungslandprinzip nicht aber dem Bestimmungslandprinzip entspricht. Dieses Bestimmungslandprinzip gilt nicht nur für Lieferungen, sondern auch für sonstige Leistungen. Danach soll der private Endverbraucher in Höhe der im Bestimmungsland geltenden Umsatzsteuer belastet werden.6 Da das Umsatzsteuergesetz für grenzüberschreitende sonstige Leistungen grundsätzlich keinen Steuerausgleich vorsieht, der Export sonstiger Leistungen demnach nicht steuerfrei ist, hätte dem Bestimmungslandprinzip allein das Empfängerortprinzip, wie es in § 3a Abs. 2, 4 und 5 UStG seinen Niederschlag gefunden hat, entsprochen. Wegen der in den einzelnen Ländern unterschiedlich bestehenden Umsatzsteuersätze kommt es daher zu Belastungsdivergenzen sowie im Verhältnis zu Drittlandsgebieten u.U. auch zu Doppelbesteuerungen und damit zu Wettbewerbsverzerrungen.7
10.41
Der Empfängerort gilt für sonstige Leistungen, die an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt werden (§ 3a Abs. 2 UStG). Für die Ortsbestimmung wird auf den Ort abgestellt, an dem der Empfänger der sonstigen Leistung sein Unternehmen betreibt (§ 3a Abs. 2 Satz 1 UStG). Wird die sonstige Leistung an die Betriebsstätte8 eines Unternehmens erbracht, so ist stattdessen der Ort der Betriebsstätte maßgebend (§ 3a Abs. 2 Satz 2 UStG). Auch hier hat im Zweifel die Zuordnung zum Unternehmensort Vorrang (Rz. 10.38 ff.).9 Entsprechendes gilt bei sonstigen Leistungen an eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person, der eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt worden ist (§ 3a Abs. 2 Satz 3 UStG). Die vorstehende auf den Empfängerort abstellende Regelung hat nur Bedeutung für grenzüberschreitende sonstige Leistungen, wenn also Leistende und Leistungsempfänger in verschiedenen Staaten ihr Unternehmen be1 Vgl. Abschn. 3a.1 Abs. 2 Satz 5 UStAE. 2 Korn in Bunjes15, § 3a UStG Rz. 11. 3 §§ 3a Abs. 2 bis 8; 3b, 3e, 3f und 25 Abs. 1 Satz 4 UStG gehen vor; Stadie3, § 3a UStG Rz. 3. 4 Stadie3, § 3a UStG Rz. 3; Korn in Bunjes15, § 3a UStG Rz. 8. 5 Zu Einzelfällen Stadie3, § 3a UStG Rz. 126; Korn in Bunjes15, § 3a UStG Rz. 16. 6 Unter Verbrauchsteuergesichtspunkten ist daher eine Differenzierung zwischen Lieferung und sonstiger Leistung insoweit nicht gerechtfertigt; hierzu Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 990; Kirchhof, UR 2002, 541 (545). 7 Hierzu Stadie3, § 3a UStG Rz. 128. 8 Nicht i.S. von § 12 AO, sondern in Orientierung an Art. 44 Satz 2 MwStSystRL im Sinne einer festen („passiven“) Niederlassung (Art. 11 Abs. 1 MwStDVO); vgl. Korn in Bunjes15, § 3a UStG Rz. 14; Monfort, UR 2012, 341 (348). 9 EuGH v. 16.10.2014 – Rs. C-605/12 – Welmory, ECLI:EU:C:2014:2298 = DStR 2014, 2169; vgl. zur Kritik Englisch in Tipke/Lang22, § 17 Rz. 436.
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treiben. In diesem Fall ist die sonstige Leistung im Staat des Leistenden nicht steuerbar. § 3a Abs. 2 UStG gilt vorbehaltlich der Abs. 3 bis 8 und der §§ 3b, 3e und 3f UStG. Mit der Empfängerort-Regelung in § 3a Abs. 2 UStG korrespondieren die gemeinschaftsweit geltenden Regelungen über die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers,1 so dass der Leistende die Steuer im Bestimmungsland nicht berechnen und abführen muss. Damit wird im Gemeinschaftsgebiet das Bestimmungslandprinzip konsequent umgesetzt.2 § 3a Abs. 2 UStG hat insoweit eine begrenzte Reichweite, als der Empfängerort nur dann zur Geltung kommt, wenn die sonstige Leistung an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird. Dies setzt voraus, dass der leistende (inländische) Unternehmer Kenntnis von der Unternehmereigenschaft des Empfängers erhält. Im Zweifel wird hierfür die Vorlage einer durch das Bundeszentralamt für Steuern gem. § 18e Nr. 1 UStG bestätigten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ausreichen.3 Wird eine derart bestätigte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verwendet, kann auch davon ausgegangen werden, dass die sonstigen Leistungen für den unternehmerischen Bereich des betreffenden Leistungsempfängers bezogen werden (Art. 18 Abs. 1, 19 MwStDVO).4 Betreibt der Leistungsempfänger sein Unternehmen im Drittlandsgebiet, kann der Unternehmernachweis durch eine Unternehmerbescheinigung der zuständigen Behörde des anderen Staates oder bei fehlender Bescheinigung anderweitig erbracht werden.5 Für gegenüber Unternehmern erbrachte Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen sowie elektronisch erbrachte Dienstleistungen enthält Art. 24a MwStDVO6 eine Vermutungsregelung,7 wonach als Empfängerort der Ort gilt, an dem der Leistungsempfänger die Leistung in Anspruch nimmt. Es geht dabei darum, dass der Leistungsempfänger an bestimmten Orten – Telefonzellen, Kiosk-Telefonen, WLAN-Hot-Spots, Internetcafés, Restaurants oder Hotellobbys – physisch anwesend sein muss, damit ihm der Leistende die vorgenannten Dienstleistungen überhaupt erbringen kann (Art. 24a Abs. 1 MwStDVO).8 Im Ergebnis entspricht damit der (fingierte) Empfängerort dem Erbringungsort.9 Werden die vorgenannten Leistungen allerdings an Bord eines Schiffs, eines Flugzeugs oder in einer Eisenbahn während des innerhalb des Gemeinschaftsgebiets stattfindenden Teils einer Personenbeförderung (§ 3e Abs. 2 UStG) erbracht, gilt abweichend von § 3a Abs. 2 UStG der Abgangsort des jeweiligen Beförderungsmittels im Gemeinschaftsgebiet als Ort der sonstigen Leistung (Art. 24a Abs. 2 MwStDVO).10 1 Art. 196 MwStSystRL; vgl. § 13b Abs. 1, 2 Nr. 1, 5, 7 UStG. 2 Stadie3, § 3a UStG Rz. 5; zu den Verwerfungen im Verhältnis zu Drittstaaten Lippross, UR 2009, 768 ff. 3 Insoweit besteht Vertrauensschutz; hierzu Stadie3, § 3a UStG Rz. 17; Abschn. 3a, 2 Abs. 9 Sätze 4 u. 5 UStAE. 4 Stadie3, § 3a UStG Rz. 20; Korn in Bunjes15, § 3a UStG Rz. 34; vgl. Abschn. 3a.2 Abs. 9 Sätze 4 u. 5 UStAE. 5 Vgl. Abschn. 3a.2 Abs. 11 UStAE. 6 Gilt ab 1.1.2015. 7 Die Vermutung kann widerlegt werden (Art. 24d–f MwStDVO). 8 Vgl. Abschn. 3a.2 Abs. 5a Satz 1 UStAE. 9 Korn in Bunjes15, § 3a UStG Rz. 21. 10 Vgl. Abschn. 3a.2 Abs. 5a Satz 2 UStAE.
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Kap. 10 Umsatzsteuer
10.43
Der Empfängerort ist auch maßgeblich für die in § 3a Abs. 4 UStG genannten Katalogleistungen,1 die an in einem Drittlandsgebiet ansässige Leistungsempfänger erbracht werden, die keine Unternehmer sind, die die Leistung für ihr Unternehmen beziehen, und keine nicht unternehmerischen juristischen Personen mit USt-IdNr. sind. Insoweit wird also im Unterschied zu gegenüber im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Nichtunternehmern erbrachten sonstigen Leistungen, für die über die Anknüpfung an den Unternehmensort (§ 3a Abs. 1 UStG) das Ursprungslandprinzip gilt (Rz. 10.40), das Bestimmungslandprinzip verwirklicht. Ob der Empfänger Nichtunternehmer und zudem im Drittlandsgebiet ansässig ist, hat der leistende Unternehmer aus den ihm zugänglichen Informationen abzuleiten. Dabei reicht es aus, wenn ihm die vorstehenden Eigenschaften durch entsprechende Zusicherungen des Empfängers bestätigt werden. Darüber hinausgehende Nachforschungspflichten bestehen nicht.2
10.44
Die in § 3a Abs. 4 Satz 2 UStG aufgeführten Katalogleistungen3 haben in der Praxis eine nur eingeschränkte Bedeutung, weil es sich überwiegend um sonstige Leistungen handelt, die typischerweise gegenüber Unternehmen erbracht werden und zudem § 3a Abs. 3 UStG vorrangig ist.4 Im Hinblick darauf ist § 3a Abs. 4 UStG im Wesentlichen relevant für freiberufliche Leistungen (§ 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 UStG), Bank- und Finanzdienstleistungen (§ 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 6 UStG) und für die Vermietung von Beförderungsmitteln (§ 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 10 UStG).
10.45
Der Empfängerort gilt schließlich auch für die Erbringung von Telekommunikations-, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen sowie für elektronisch erbrachte Dienstleistungen5 an Nichtunternehmer, also Personen, die keine Unternehmer sind, die die Leistung für ihr Unternehmen beziehen, keine nichtunternehmerische juristische Personen mit USt-IdNr. und keine nur teilweise unternehmerisch tätige Person sind, die die Leistung für den privaten Bedarf des Personals oder der Gesellschafter beziehen (§ 3a Abs. 5 Satz 1 UStG). Diese Sonderregelung6 zielt darauf ab, die Wettbewerbsverzerrungen aufgrund der unterschiedlichen Steuersätze7 für elektronisch erbrachte Dienstleistungen8 innerhalb der EU zu vermeiden.9 Während der leistende Unternehmer von einem nichtunternehmerischen Leistungsbezug ausgehen kann, wenn ihm der Leistungsempfänger keine USt-IdNr. mitteilt (Art. 18 Abs. 2 U Abs. 2 MwStDVO),10 stehen dem leistenden Unternehmer für die Ansässigkeit des Leistungsempfängers verschiedene Vermutungsregelungen zur Verfügung, die die Umsetzung des Empfängerortsprinzips erleichtern (Art. 24a, 24b MwStDVO).11 1 2 3 4 5 6 7 8
Zu Einzelheiten Abschn. 3a.9 UStAE Hierzu Stadie3, § 3a UStG Rz. 87. Vgl. im Einzelnen Abschn. 3a.9 UStAE. Korn in Bunjes15, § 3a UStG Rz. 82. Vgl. zu Einzelheiten dieser sonstigen Leistungen Abschn. 3a.10, 3a.11 und 3a.12 UStAE. Der unternehmerische Leistungsbezug wird von § 3a Abs. 2 UStG erfasst. In Luxemburg 3 %. Z.B. Download von Software, Multimediadateien, E-Books; vgl. auch BFH v. 1.6.2016 – X I R 29/14, BStBl. II 2016, 905. 9 Geltung ab 1.1.2015 auf Grundlage von Art. 58 MwStSystRL; vgl. hierzu Kußmaul/Naumann, MwStR 2016, 565 ff. 10 Vgl. Abschn. 3a.9a Abs. 1 Satz 2 UStAE. 11 Vgl. zu den einzelnen Fallgruppen Abschn. 3a.9a Abs. 3–5 UStAE.
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B. Steuerobjekt
Da die Leistungsempfänger der in § 3a Abs. 5 UStG genannten sonstigen Leistungen keine Unternehmer sind, scheidet die Anwendung von § 13b UStG (ReverseCharge-Verfahren) mit der Folge aus, dass für die leistenden Unternehmer an sich das übliche Besteuerungsverfahren Geltung hätte. Um hierfür das Steueraufkommen gleichermaßen zu sichern und zudem das Verfahren zu vereinfachen, sind für Drittlandsunternehmer und für in der EU ansässige Unternehmer besondere Besteuerungsverfahren vorgesehen. Hiernach können Drittlandsunternehmer, die ausschließlich sonstige Leistungen gem. § 3a Abs. 5 UStG an in der EU ansässige Nichtunternehmer erbringen, das sog. One-Stop-Shop-Verfahren (§ 18 Abs. 4c UStG) in Anspruch nehmen, so dass sie im Ergebnis die betreffenden Umsätze nur in einem EU-Staat zu erklären haben,1 wobei die Vorsteuerbeträge nur im Vergütungsverfahren (§ 18 Abs. 9 UStG i.V.m. §§ 59 ff. UStDV) geltend gemacht werden dürfen (§ 16 Abs. 1a Satz 3 UStG).2 Eine vergleichbare Regelung3 gilt auch für leistende EU-Unternehmer: Die USt für sonstige Leistungen mit Leistungsort in anderen EU-Staaten sind in dem EU-Staat zu erklären, in dem der leistende Unternehmer ansässig ist (§ 18 Abs. 4e UStG).4 Für inländische Unternehmer, die in anderen EU-Staaten sonstige Leistungen gem. § 3a Abs. 5 UStG erbringen, kommt eine entsprechende Regelung zur Anwendung (§ 18h UStG).5 Auch hier können ausländische EU-Unternehmer Vorsteuerbeträge nur im Vergütungsverfahren im Inland (§ 18 Abs. 9 UStG i.V.m. §§ 59 Satz 1 Nr. 5, 61 UStDV)6 oder im EU-Ausland7 geltend machen.
10.46
Der Grundstücksort gem. § 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG ist maßgeblich für sonstige Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück8 (Belegenheitsprinzip), wobei ein „hinreichend enger“ direkter Zusammenhang erforderlich ist,9 so dass das Grundstück selbst Gegenstand der sonstigen Leistung sein muss.10 Die anderen Ortsbestimmungen des § 3a Abs. 1 und 2 UStG treten demgegenüber zurück. Unter das Belegenheitsprinzip fallen z.B. die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken, die sonstigen Leistungen von Grundstücksmaklern und -sachverständigen, Architekten, Gärtnern und Gebäudereinigern.11 Hierzu zählen ferner Leistungen bei der Errichtung eines Windparks in Zusammenhang mit einem ausdrücklich bestimmten Grundstück12 und die Überlassung von Standflächen auf Messen und Ausstellungen.13
10.47
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13
Einzelheiten zu diesem Verfahren Abschn. 18.7a UStAE. Vgl. Abschn. 18.7a Abs. 8 UStAE. Sog. Mini-One-Stop-Shop-Verfahren. Zu Einzelheiten Abschn. 18.7b UStAE. Vgl. Abschn. 18h.1 UStAE. Vgl. Abschn. 18.7b Abs. 7 UStAE. Vgl. § 18g UStG für inländische Unternehmer. Der Grundstücksbegriff ist funktional und nicht bürgerlich-rechtlich zu verstehen, EuGH v. 16.1.2003 – Rs. C-315/00 – Maierhofer, UR 2003, 86; Wäger in S/R, § 3a UStG Rz. 105; Abschn. 3a.3 Abs. 2 Satz 3 UStAE. EuGH v. 3.9.2009 – Rs. C-37/08 – RCI, Slg. 2009, I-74533, Tz. 36, BFH v. 8.9.2011 – V R 42/10, BStBl. II 2012, 248 Rz. 30; zu Einzelheiten Wäger in S/R, § 3a UStG Rz. 108 ff. Vgl. Abschn. 3a.3 Abs. 3a UStAE. Zu Einzelfällen Abschn. 3a.3 Abs. 4 ff. UStAE. Vgl. Abschn. 3a.3 Abs. 9 Nr. 8 UStAE. Vgl. Abschn. 3a.4 Abs. 9 Nr. 8 UStAE; anders gem. Art. 31a Abs. 3 Buchst. e MWStVO 2017; vgl. hierzu die entsprechende Negativliste bei Wäger in S/R, § 3a UStG Rz. 109.
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Kap. 10 Umsatzsteuer
10.48
Im Gegensatz zum Unternehmensortprinzip entspricht das Belegenheitsprinzip des § 3a Abs. 2 Nr. 1 UStG dem Bestimmungslandprinzip. Damit wird zugleich die Wettbewerbsneutralität gewahrt, so dass es einerlei ist, ob im Zusammenhang mit einem Grundstück sonstige Leistungen aus dem Inland oder aus dem Ausland in Anspruch genommen werden. Es besteht freilich die Gefahr der Nichtbesteuerung, wenn der leistende Unternehmer im Ausland ansässig und der Leistungsempfänger Nichtunternehmer ist, so dass insoweit dessen Steuerschuldnerschaft gem. § 13b UStG ausscheidet.1 Entsprechendes gilt in den Fällen, in denen etwa das Ausland den „Zusammenhang mit einem Grundstück“ weniger eng sieht als Deutschland.2
10.49
Für die kurzfristige Vermietung eines Beförderungsmittels ist der Übergabeort der maßgebliche Ort der sonstigen Leistungen (§ 3a Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 UStG). Das ist der Ort, an dem das Beförderungsmittel dem Mieter tatsächlich zur Verfügung gestellt wird, ohne dass es darauf ankommt, wo das Beförderungsmittel letztendlich genutzt wird. Zu den in Betracht kommenden Beförderungsmitteln gehören nur solche, deren Hauptzweck auf die Beförderung von Personen und Gütern zu Lande, zu Wasser oder in der Luft gerichtet ist und die sich auch tatsächlich fortbewegen (Art. 38 Abs. 1 MwStVO). Angesprochen sind damit etwa Fahrzeuganhänger, Eisenbahnwaggons, Segelboote, Ruderboote, nicht aber etwa Bagger, Planierraupen usw.3 Von der Reichweite des § 3a Abs. 3 Nr. 2 UStG wird auch die Vermietung von Beförderungsmitteln erfasst, soweit in diesem Zusammenhang zusätzlich auch Personal gestellt wird, wenn dieses den Weisungen des Mieters (Leistungsempfängers) zu folgen verpflichtet ist. Hierzu zählt etwa die Vercharterung einer Segel- oder Motorjacht mit Besatzung. Demgegenüber liegt allerdings eine Beförderungsleistung, deren Ort sich nach § 3b UStG bestimmt, vor, wenn der Vermieter (Vercharterer) vertraglich eine bestimmte Beförderung schuldet und hierfür auch die Verantwortung übernimmt.4 Unter § 3a Abs. 3 Nr. 2 UStG fällt schließlich nur die Vermietung über einen kurzen Zeitraum, und zwar von nicht mehr als 90 Tagen bei Wasserfahrzeugen und von nicht mehr als 30 Tagen bei anderen Beförderungsmitteln (§ 3a Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 UStG). Die langfristige Vermietung an Unternehmer und nichtunternehmerische juristische Personen mit USt-IdNr. wird daher am Empfängerort (§ 3a Abs. 2 UStG) erbracht. Dies gilt aufgrund der Sonderregelung in § 3a Abs. 3 Nr. 2 Satz 3 UStG auch für entsprechende Vermietungsleistungen an Nichtunternehmer, es sei denn, Gegenstand der Vermietung ist ein Sportboot: Hier richtet sich der Leistungsort wiederum nach dem Übergabeort, wenn sich dort auch der Sitz, die Geschäftsleitung oder eine Betriebsstätte des Unternehmers befindet (§ 3a Abs. 3 Nr. 2 Satz 4 UStG).
10.50
Der Tätigkeitsort ist als Bestimmungsort maßgeblich für – kulturelle, künstlerische, wissenschaftliche, unterrichtende, sportliche, unterhaltende oder ähnliche Leistungen einschließlich der Leistungen der jeweiligen Veranstalter (§ 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UStG) und die Einräumung der Eintrittsberechtigung für diesbezügliche Veranstaltungen, wie Messen und 1 2 3 4
Hierzu Stadie3, § 3a UStG Rz. 37. Vgl. Korn in Bunjes15, § 3a UStG Rz. 43; Keydel/Gohlke, UStB 2011, 106. Vgl. hierzu die Aufzählung in Abschn. 3a.5 Abs. 2 Sätze 2 ff. UStAE. Vgl. Abschn. 3a.5 Abs. 3 UStAE.
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Ausstellungen, sowie die damit zusammenhängenden sonstigen Leistungen (§ 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG), – Restaurationsleistungen (§ 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b UStG) und – Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen und die Begutachtung dieser Gegenstände (§ 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c UStG). Während für Restaurationsleistungen (§ 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b UStG) der Tätigkeitsort gleichermaßen für den unternehmerischen und nichtunternehmerischen Leistungsbezug maßgeblich ist, gilt im Übrigen der Tätigkeitsort nur für den nichtunternehmerischen Leistungsbezug. Für den unternehmerischen Leistungsbezug richtet sich die Ortsbestimmung nach § 3a Abs. 2 UStG (Empfängerort). Eine Ausnahme hiervon enthält § 3a Abs. 3 Nr. 5 UStG, wonach für die Einräumung der Eintrittsberechtigung1 zu kulturellen, künstlerischen, wissenschaftlichen etc. Veranstaltungen, wie Messen und Ausstellungen, sowie für die damit zusammenhängenden sonstigen Leistungen auch beim unternehmerischen Leistungsbezug der Tätigkeitsort maßgeblich ist.2 Bei den unter § 3a Abs. 3 Nr. 3 UStG fallenden sonstigen Leistungen richtet sich der Tätigkeitsort danach, wo der Unternehmer die geschuldeten Leistungen tatsächlich erbringt. Ohne Bedeutung ist daher, wo der Vertrag geschlossen wird, wo die erforderlichen Vorbereitungshandlungen stattfinden und wo sich die Leistung wirtschaftlich letztlich auswirkt.3
10.51
Der Tätigkeitsort hat in der Praxis insbesondere Bedeutung für kulturelle, künstlerische, wissenschaftliche, unterrichtende, sportliche, unterhaltende oder ähnliche Leistungen (§ 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UStG). Hierunter fallen vor allem die sonstigen Leistungen von Berufssportlern, Schauspielern, Musikern, Sängern, Artisten sowie die entsprechenden Leistungen der Veranstalter.4 Hier entspricht dem Tätigkeitsort in aller Regel der Veranstaltungsort. Darüber hinaus werden auch Leistungen erfasst, die im Zusammenhang mit den vorgenannten Leistungen unerlässlich sind.5
10.52
Da es sich bei den vorgenannten sonstigen Leistungen um überwiegend persönlich zu erbringende Leistungen handelt,6 ist es konsequent, dass für die Ortsbestimmung nicht auf den Unternehmensort abgestellt wird. Es wäre unter dem Gesichtspunkt des Bestimmungslandprinzips allerdings plausibel gewesen, nicht auf den Tätigkeitsort, sondern auf den Empfängerort abzustellen. Da indessen der Erbringungsort dieser in aller Regel persönlich zu erbringenden sonstigen
10.53
1 2 3 4
Z.B. Verkauf von Eintrittskarten. Vgl. zu Einzelheiten Abschn. 3a.6 Abs. 3 UStAE. BFH v. 4.4.1974 – V R 161/72, BStBl. II 1974, 532; Abschn. 3a.6 Abs. 1 Satz 2 UStAE. Einzelfälle bei Stadie in R/D, § 3a Rz. 348 ff.; Korn in Bunjes15, § 3a UStG Rz. 56 ff.; Wäger in S/R, § 3a UStG Rz. 158 ff. 5 Vgl. EuGH v. 29.9.1996 – Rs. C-327/94 – Duda, BStBl. II 1998, 313 (Tontechnik, Bühnenbeleuchtung, Dekoration, Ordnerdienste bei unterhaltenden Leistungen). 6 Zur Abgrenzung: Die Übertragung von Nutzungsrechten an Urheberrechten und ähnlichen Rechten fällt nicht unter § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. a UStG, sondern unter § 3a Abs. 2 UStG, wenn Leistungsempfänger ein Unternehmer ist und unter § 3a Abs. 1 oder unter § 3a Abs. 4 Satz 1 und 2 Nr. 1 UStG, wenn er Nichtunternehmer ist; Abschn. 3a.6 Abs. 4 UStAE.
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Kap. 10 Umsatzsteuer
Leistungen mit dem Ort übereinstimmen wird, an dem diese sonstigen Leistungen entgegengenommen werden und wo die Empfänger als Nichtunternehmer dieser sonstigen Leistungen hierfür etwas aufwenden, ist diese Anknüpfung unter dem Gesichtspunkt des Bestimmungslandprinzips akzeptabel.1 10.54
Der Tätigkeitsort ist bei durch die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle bewirkten sonstigen Leistungen (Restaurationsleistungen) nur dann maßgeblich, wenn die vorbezeichneten sonstigen Leistungen2 nicht an Bord eines Beförderungsmittels innerhalb des Gemeinschaftsgebietes erfolgen (§ 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. b UStG). Andernfalls gilt der Abgangsort des Beförderungsmittels im Gemeinschaftsgebiet als Ort der sonstigen Leistung (§ 3e UStG).
10.55
Für Arbeiten an beweglichen körperlichen Gegenständen und deren Begutachtung ist gem. § 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c UStG ebenfalls der Tätigkeitsort maßgeblich, wenn der Auftraggeber weder ein Unternehmer ist, für dessen Unternehmen die Leistung ausgeführt wird, noch eine nichtunternehmerische juristische Person, der eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer erteilt worden ist.3 Erfasst werden insbesondere Reparatur- und Wartungsarbeiten an Fahrzeugen und Maschinen,4 die allerdings wegen der Beschränkung auf den nichtunternehmerischen Leistungsbezug in der Praxis keine große Bedeutung haben.5
10.56
Für Vermittlungsleistungen bestimmt § 3a Abs. 3 Nr. 4 UStG den Umsatzort als den Ort der sonstigen Leistung, wenn der Auftraggeber weder ein Unternehmer ist, für dessen Unternehmen die Leistung bezogen wird, noch eine nicht unternehmerisch tätige juristische Person mit Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ist. Vermittlungsleistungen werden demnach an dem Ort erbracht, an dem der vermittelte Umsatz als ausgeführt gilt. Damit ist der Ort der Vermittlungsleistung identisch mit dem Ort der vermittelten Lieferung oder mit dem Ort der vermittelten sonstigen Leistung. Ob die vermittelte Leistung selbst steuerbar ist oder nicht, spielt keine Rolle.6 Zu den Vermittlungsleistungen zählen insbesondere die Leistungen der Handelsvertreter, Agenten und Handelsmakler. Bei Vermittlungsleistungen an einen Unternehmer oder an eine gleichgestellte juristische Person gilt der Empfängerort (§ 3a Abs. 2 UStG) und bei der Vermittlung von Vermietungen von Grundstücken, Wohnungen, Ferienhäusern und Hotelzimmern der Grundstücksort (§ 3a Abs. 3 Nr. 1 UStG).7
10.57
Der Nutzungsort ist maßgeblich für bestimmte von einem im Drittlandsgebiet ansässigen Unternehmer oder durch eine dort befindliche Betriebsstätte erbrachte sonstige Leistungen, und zwar 1 Da eine Steuerschuldnerverlagerung (§ 13b UStG) gegenüber privaten Endverbrauchern nicht möglich ist, liegen Vollzugsdefizite auf der Hand; hierzu Englisch in Tipke/Lang22, § 17 Rz. 442. 2 Zur Abgrenzung zwischen Lieferung und sonstiger Leistung EuGH v. 10.3.2011 – Rs. C-497/09 u.a. – Bog u.a., ECLI:EU:C:2011:135 = BStBl. II 2013, 256; BFH v. 30.6.2011 – V R 35/08, BStBl. II 2013, 244; v. 30.6.2011 – V R 3/07, BStBl. II 2013, 241; v. 8.6.2011 – XI R 37/08, BStBl. II 2013, 238; v. 12.10.2011 – V R 66/09, BStBl. II 2013, 250. 3 Einzelheiten bei Stadie3, § 3a UStG Rz. 62 ff. 4 Vgl. Abschn. 3a.6 Abs. 11 UStAE. 5 Korn in Bunjes15, § 3a UStG Rz. 69. 6 EuGH v. 27.5.2004 – Rs. C-68/03 – Lipjes, Slg. 2004, I-5879. 7 Vgl. Abschn. 3a.7 Abs. 1 UStAE.
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– die kurzfristige oder langfristige Vermietung eines Beförderungsmittels (§ 3a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 UStG),1 – Katalogleistungen gem. § 3a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1–10 UStG (§ 3a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 UStG), – Telekommunikationsdienstleistungen und Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen gem. § 3a Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 und 2 UStG (§ 3a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 UStG).2 In den vorgenannten Fällen wird an den Nutzungsort aber nur dann angeknüpft, wenn die vorbezeichneten sonstigen Leistungen im Inland genutzt oder ausgewertet werden. Hierdurch wird das Bestimmungslandprinzip umgesetzt. Der Nutzungsort ist schließlich auch bei der kurzfristigen Vermietung eines Schienenfahrzeuges, Kraftomnibusses oder eines ausschließlich zur Beförderung von Gegenständen bestimmten Straßenfahrzeugs durch einen im Inland ansässigen Vermieter an einen im Drittlandsgebiet ansässigen Unternehmer für dessen Unternehmen maßgeblich, wenn die vorbezeichneten Fahrzeuge im Drittlandsgebiet genutzt werden (§ 3a Abs. 7 UStG). Für den unternehmerischen Bezug von Güterbeförderungsleistungen und damit im Zusammenhang stehende Leistungen sowie für weitere Leistungen enthält § 3a Abs. 8 UStG eine Sonderregelung, wonach abweichend von § 3a Abs. 2 UStG nicht der Empfängerort, sondern der Nutzungsort maßgeblich ist, wenn dieser im Drittlandgebiet belegen ist. Damit wird im Ergebnis der Gefahr von Doppelbesteuerungen in den Fällen begegnet, in denen ein im Inland ansässiger Unternehmer Leistungsempfänger ist.3 Diese Sonderregelung greift freilich dann nicht ein, wenn die Leistung in einem Freihafen (§ 1 Abs. 3 UStG) erfolgt (§ 3a Abs. 8 Satz 2 UStG). Gemäß § 3b Abs. 1 Satz 1 UStG werden mit Ausnahme der in § 3b Abs. 3 UStG genannten innergemeinschaftlichen Güterbeförderung Beförderungsleistungen dort ausgeführt, wo sie bewirkt werden (Beförderungsort). Bei grenzüberschreitenden Beförderungen führt der auf das Ausland entfallende Teil der Beförderung somit nicht zur Steuerbarkeit (§ 3b Abs. 1 Satz 2 UStG). Bei einem vereinbarten Gesamtentgelt ist dieses entsprechend aufzuteilen.4 Für den auf das Inland entfallenden steuerbaren Teil der grenzüberschreitenden Güterbeförderung kommen die Steuerbefreiungen gem. § 4 Nr. 3 und 5 UStG in Betracht, ohne dass der Vorsteuerabzug entfällt (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG). Die auf der Ermächtigungsgrundlage des § 3b Abs. 1 Nr. 1 und 2 UStG ergangenen §§ 2 bis 7 UStDV enthalten Vereinfachungsregelungen für grenzüberschreitende Beförderungen und Beförderungen in die in § 1 Abs. 3 UStG genannten Gebiete.5 Hiernach werden kurze inländische Beförderungsstrecken als solche im Ausland und kurze ausländische Beförderungsstrecken als solche im Inland und kurze Beförderungsstrecken in den in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebieten (z.B. Freihäfen) nicht als Umsätze im Inland behandelt. Der für die Beförderungsleistung selbst 1 Diese Ortsbestimmung richtet sich in Abweichung von § 3a Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 UStG bei langfristiger Vermietung nur an Nichtunternehmer; Abschn. 3a.14 Abs. 2 UStAE. 2 Diese Ortsbestimmung gilt wegen des Verweises auf § 3a Abs. 5 Satz 2 UStG nur für sonstige Leistungen an Nichtunternehmer; vgl. Abschn. 3a.14 Abs. 3 Satz 5 UStAE. 3 Stadie3, § 3 UStG Rz. 144. 4 Vgl. Abschn. 3b.1 Abs. 6 UStAE. 5 Zu Einzelheiten Abschn. 3b.1 Abs. 7 ff. UStAE.
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10.58
Kap. 10 Umsatzsteuer
maßgebliche Beförderungsort gilt auch für die mit der Beförderung eines Gegenstandes im Zusammenhang stehenden sonstigen Leistungen, insbesondere für das Beladen, Entladen und Umschlagen von Waren, soweit sie bloße Nebenleistungen sind.1 Handelt es sich dagegen um selbständige sonstige Leistungen, gilt § 3b Abs. 2 UStG (Tätigkeitsort), soweit die sonstigen Leistungen an Nichtunternehmer erbracht werden; anderenfalls greift § 3a Abs. 2 UStG (Empfängerort) ein.2 Der sich aus § 3b Abs. 1 Satz 1 UStG für Beförderungsleistungen ergebende Bestimmungsort (Beförderungsort), der für Personenbeförderungen gegenüber Unternehmern und Nichtunternehmern sowie für nicht innergemeinschaftliche Güterbeförderungen für Nichtunternehmer (§ 3b Abs. 1 Satz 3 UStG)3 maßgeblich ist, gilt nicht für entsprechende Vermittlungsleistungen. Bei diesen sonstigen Leistungen bestimmt sich der Leistungsort für den unternehmerischen Leistungsbezug nach § 3a Abs. 2 UStG und für den nicht unternehmerischen Leistungsbezug nach § 3a Abs. 3 Nr. 4 UStG. 10.59
Abweichend von § 3b Abs. 1 UStG wird gem. § 3b Abs. 3 Satz 1 UStG bei grenzüberschreitenden innergemeinschaftlichen Beförderungen von Gegenständen der Ort der Beförderungsleistung in den Mitgliedstaat verlegt, in dem die Beförderung beginnt (Abgangsortprinzip).4 Beginnt die innergemeinschaftliche Güterbeförderung im Inland, ist damit die gesamte Beförderungsleistung steuerbar. Der Abgangsort ist allerdings nur dann maßgebend, wenn der Leistungsempfänger Nichtunternehmer ist; anderenfalls gilt § 3a Abs. 2 UStG (Empfängerort). Die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 3 Buchst. a UStG greift nicht ein, so dass insoweit das Ursprungslandprinzip verwirklicht wird. Für Restaurationsleistungen während einer Beförderung an Bord eines Schiffes, in einem Luftfahrzeug5 oder in einer Eisenbahn ist ebenfalls der Abgangsort maßgeblich (§ 3e UStG). Es geht hierbei um Restaurationsleistungen während der Beförderung im Gemeinschaftsgebiet. Restaurationsleistungen etwa auf einem Schiff während eines Zwischenaufenthaltes in einem Drittlandsgebiet unterfallen dagegen nicht der Ortsbestimmung des § 3e UStG; insoweit ist allein die Besteuerungskompetenz des Staates gegeben, in dem der Zwischenaufenthalt erfolgt.6
10.60
Für im eigenen Namen erbrachte Reiseleistungen, die nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers ausgeführt werden und bei denen Reisevorleistungen in Anspruch genommen werden, ist der Unternehmensort als Ort der sonstigen Leistung maßgeblich (§ 25 Abs. 1 Satz 4 i.V. mit § 3a Abs. 1 UStG). Die spezielle Steuerbefreiung (§ 25 Abs. 2 UStG), die eingreift, soweit zurechenbare Reisevorleistungen im Drittlandsgebiet bewirkt werden, gewährleistet, dass insoweit das Bestimmungslandprinzip auch für Reiseleistungen zur Anwendung kommt.7 1 Vgl. Abschn. 3b.2 Abs. 3 UStAE. 2 Vgl. Abschn. 3b.2 Abs. 1 UStAE. 3 Für innergemeinschaftliche Güterbeförderungen an Nichtunternehmer greift § 3b Abs. 3 UStG ein; hierzu Rz. 10.59. 4 Zu Einzelheiten Abschn. 3b.3 UStAE. 5 Z.B. Snacks, kleine Süßigkeiten und Getränke an Bord; vgl. BFH v. 27.2.2014 – V R 14/13, BStBl. II 2014, 869: keine bloße Nebenleistung zur Flugbeförderung. 6 EuGH v. 15.9.2005 – Rs. C-58/04 – Köhler, BStBl. II 2007, 150; BFH v. 20.12.2005 – V R 30/02, BStBl. II 2007, 139. 7 Zu Umsetzungsdivergenzen Schüler-Täsch in S/R, § 25 UStG Rz. 7 ff.
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B. Steuerobjekt
7. Nutzungsentnahmen Gemäß § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG werden Nutzungsentnahmen einer sonstigen Leistung gegen Entgelt gleichgestellt. Mit dieser Fiktion wird die zeitweilige Verwendung von Gegenständen für unternehmensfremde Zwecke erfasst.1 Sie hat eine doppelte Wirkung, weil einerseits eine sonstige Leistung und andererseits die Entgeltlichkeit fingiert werden. Diese doppelte Fiktion ist darauf gerichtet, die Besteuerung des Letztverbrauchs durch Neutralisierung eines zuvor vorgenommenen Vorsteuerabzugs sicherzustellen. Im Hinblick darauf unterbleibt der Ansatz einer Nutzungsentnahme, wenn der dem Unternehmen zugeordnete Gegenstand2 nicht zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat. Damit wird dem Verbrauchsteuercharakter der Umsatzsteuer Rechnung getragen. § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG hat indessen nur eine begrenzte Reichweite. So unterbleibt eine Entnahmebesteuerung, wenn von vorneherein beabsichtigt war, den Gegenstand ausschließlich für unternehmensfremde Zwecke zu verwenden, da insoweit bereits der Vorsteuerabzug zu versagen ist.3 Darüber hinaus ergibt sich auch eine zeitliche Begrenzung durch den Berichtigungszeitraum gem. § 15a UStG, weil die Bemessungsgrundlage für den Verwendungseigenverbrauch an eben diesen Berichtigungszeitraum anknüpft (§ 10 Abs. 4 Nr. 2 Satz 3 UStG).4 Schließlich werden z.B. Dienstleistungen des Unternehmers an sich selbst5 nicht erfasst. Es geht also nicht um die völlige Gleichstellung des Unternehmers mit einer Privatperson, was auch dadurch zum Ausdruck kommt, dass Bemessungsgrundlage für die Nutzungsentnahme nur die entstandenen Ausgaben sind (§ 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG).6 Zu den Nutzungsentnahmen zählt insbesondere die private Nutzung eines dem Unternehmen zugeordneten Fahrzeugs durch den Unternehmer sowie die private Nutzung von Telefonanlagen, Faxgeräten, Grundstücken usw.7 Ort der Nutzungsentnahme ist gem. § 3f UStG der Unternehmensort, also der Ort, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt (§ 3f Satz 1 UStG).8 Erfolgt die Nutzungsentnahme aus einer Betriebsstätte, gilt die Betriebsstätte als Ort der sonstigen Leistung (§ 3f Satz 2 UStG). Die vorgenannten Grundsätze gelten auch, soweit die dem Unternehmen zugeordneten Gegenstände für den privaten Bedarf des Personals des Unternehmers verwendet werden (§ 3 Abs. 9a Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 UStG).
1 Die dauerhafte Verwendung führt zu einer Entnahme gem. § 3 Abs. 1b UStG. 2 Zum Zuordnungswahlrecht bei gemischter Verwendung vgl. Abschn. 3.3. Abs. 1 UStAE. 3 BFH v. 13.1.2011 – V R 12/08, BStBl. II 2012, 61; v. 9.12.2010 – V R 17/10, BStBl. II 2012, 53. 4 Stadie3, § 3 UStG Rz. 173; Leonard in Bunjes15, § 3 UStG Rz. 263c; Wäger in S/R, § 3 UStG Rz. 382. 5 Der Steuerberater fertigt seine eigene Steuererklärung. 6 Hierzu Stadie3, § 3 UStG Rz. 161. 7 Vgl. Abschn. 3.4 Abs. 3–5 ff. UStAE. 8 Die Abweichung vom entsprechenden Ort der sonstigen Leistung (§ 3a UStG) wird für europarechtswidrig gehalten z.B. von Korn in Bunjes15, § 3f UStG Rz. 1; Englisch in Tipke/Lang22, § 17 Rz. 161; offen gelassen von BFH v. 19.2.2014 – XI R 9/13, BStBl. II 2014, 593 Rz. 35; gar für überflüssig gehalten von Stadie3, § 3f UStG Rz. 2, 6; unter Praxisgesichtspunkten für gerechtfertigt gehalten dagegen von Fritsch in R/K/L, § 3f UStG Rz. 7, 10.
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Kap. 10 Umsatzsteuer
8. Unentgeltliche sonstige Leistungen 10.62
Gemäß § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG wird einer sonstigen Leistung gegen Entgelt schließlich auch die unentgeltliche Erbringung einer anderen sonstigen Leistung für Zwecke außerhalb des Unternehmens oder für den privaten Bedarf des Personals, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen, gleich gestellt. Vom Anwendungsbereich des § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG wird vor allem der Einsatz betrieblicher Arbeitskräfte für nicht unternehmerische (private) Zwecke zu Lasten des Unternehmens erfasst.1 § 3 Abs. 9a Nr. 2 UStG betrifft schließlich auch unentgeltliche Dienstleistungen gegenüber dritten Personen. Der Ort dieser unentgeltlichen sonstigen Leistungen bestimmt sich gem. § 3f UStG ebenfalls nach dem Unternehmensort. 9. Einfuhr Literatur Kommentare zu §§ 1 Abs. 1 Nr. 4; 5 und 11 UStG; Eckert, Die Steuerbefreiung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG, UVR 2000, 244 ff.; Schröder, Zollvorschriften und Umsatzsteuer, UVR 1995, 74, 97; Schröder, Umsatzsteuer und Zollvorschriften ab 1. Januar 2004, UVR 2004, 259 ff.; Schütz, Die 6. EG-Richtlinie zur Harmonisierung der Umsatzsteuer – Die Vorschriften über die Einfuhr, UR 1977, 185; Weinmann, Das neue Umsatzsteuerlager und Lieferungen vor Einfuhr, UVR 2004, 81.
10.63
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 UStG unterliegt die Einfuhr von Gegenständen im Inland oder in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg2 der Umsatzsteuer, und zwar in der Form der Einfuhrumsatzsteuer. Was unter Einfuhr zu verstehen ist, ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Umsatzsteuergesetz, sondern über § 21 Abs. 2 Satz 1 UStG aus dem Zollkodex. Danach ist Einfuhr das Verbringen von Gegenständen aus einem Drittlandsgebiet zum freien Verkehr in das Inland oder in die österreichischen Gebiete Jungholz und Mittelberg. Soweit keine Steuerbefreiung eingreift (§ 5 UStG; vgl. Rz. 10.124), entsteht die Einfuhrumsatzsteuer erst zu diesem späteren Zeitpunkt, zu dem auch die Voraussetzungen für eine Zollschuld (Art. 201–204 ZK/Art. 83–87 UZK) erfüllt sind.3 Der Einfuhrtatbestand ist daher nicht erfüllt, wenn der betreffende Gegenstand im Inland einem Versandverfahren oder einer Zolllagerregelung unterliegt. Insoweit gelten weitgehend die im Zollkodex (ZK/UZK) verankerten Vorschriften mit der Folge eines Gleichlaufs von Einfuhrumsatzsteuer und Zoll.
10.64
Die Einfuhrumsatzsteuer hat den Zweck, aus dem Drittlandsgebiet eingeführte Gegenstände, die nach dem international geltenden Bestimmungslandprinzip bei der Ausfuhr im anderen Staat von der Umsatzsteuer entlastet worden sind, auf das inländische Steuerniveau heraufzuschleusen, soweit die Einfuhr selbst nicht 1 BFH v. 18.5.1993 – V R 134/89, BStBl. II 1993, 885; Heuermann in S/R, § 3 UStG Rz. 655; Nieskens in R/D, § 3 UStG Rz. 1715, Abschn. 3.4 Abs. 5 UStAE; für eine Einschränkung (teleologische Reduktion) demgegenüber in dem Sinne, dass solche Wertabgaben auszuklammern sind, die der Unternehmer als Dienstleistungen auch ohne weiteres von Privaten beziehen könnte; Stadie3, § 3 UStG Rz. 181 ff. 2 Es handelt sich um Zollanschlussgebiete zum freien Verkehr. 3 BFH v. 6.5.2008 – VII R 30/07, BFH/NV 2008, 1971; Hinweis: Art. 83–87 UZK gelten ab 1.6.2016 (Art. 288 Abs. 2 UZK).
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steuerfrei ist (§ 5 UStG). Daher entsprechen die Steuersätze der Einfuhrumsatzsteuer stets denjenigen der Umsatzsteuer selbst. Ist der Einführende ein Nichtunternehmer, so wird dieser endgültig mit der Einfuhrumsatzsteuer belastet. Damit wird der Umsatzsteuer als Verbrauchsteuer Rechnung getragen. Ist der Einführende dagegen ein Unternehmer, so kann dieser die Einfuhrumsatzsteuer als Vorsteuer abziehen (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 UStG).1 Zwischen der Einfuhrumsatzsteuer einerseits und der steuerbefreiten Ausfuhr ohne Vorsteuerverlust2 andererseits, besteht daher ein systembedingter Zusammenhang. Dieser Grenzausgleich funktioniert nur zwischen Staaten, die durch Steuergrenzen getrennt sind. Aus steuererhebungstechnischen Gründen wird daher bei innergemeinschaftlichen Lieferungen das Bestimmungslandprinzip im Grundsatz durch eine vergleichbare Regelung dadurch sichergestellt, dass mit der steuerbefreiten innergemeinschaftlichen Lieferung ohne Vorsteuerverlust3 in dem einen Mitgliedstaat die Erwerbsteuer4 in dem anderen Mitgliedstaat korrespondiert.
10.65
Das durch die Einfuhrumsatzsteuer verwirklichte Bestimmungslandprinzip führt zwar dazu, dass die Auslandswaren gleichermaßen belastet werden wie Inlandswaren, so dass hierdurch auch die Wettbewerbsneutralität gewahrt ist, die hierfür erforderliche Entlastung von der Umsatzsteuer des Exportlandes tritt aber dann nicht ein, wenn die eingeführte Ware z.B. von einem Nichtunternehmer geliefert wurde. Da sich die frühere Umsatzsteuerbelastung in dem anderen Staat mangels Vorsteuerabzug beim Nichtunternehmer preiserhöhend ausgewirkt hat, führt die Erhebung der Einfuhrumsatzsteuer im Importland zu einer systemwidrigen Doppelbesteuerung, was auch in den Fällen gilt, in denen die Entlastung im Exportland aus anderen Gründen unterbleibt.5 Diese systemwidrigen Belastungsdivergenzen werden allerdings im Rahmen der für den nicht kommerziellen Reiseverkehr und für Kleinsendungen geltenden Vorschriften 6 abgemildert.7
10.66
10. Innergemeinschaftlicher Erwerb Literatur Kommentare zu §§ 1 Abs. 1 Nr. 5; 1a; 1b und 3d UStG; Birkenfeld, Innergemeinschaftlicher Erwerb und innergemeinschaftliche Lieferung, DStZ 1993, 262; Forst, Die Steuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb, ZfZ 1993, 295; Klein, Das innergemeinschaftliche Verbringen von Gegenständen, UStB 2001, 53; Noll/Rödder, Das neue Umsatzsteuerrecht 1 Der Vorsteuerabzug entsteht nicht erst dann, wenn die Einfuhrumsatzsteuer entrichtet wird, sondern bereits dann, wenn sie für die Einfuhr geschuldet wird; EuGH v. 29.3.2012 – Rs. C-414/10 – Veleclair, ECLI:EU:C:2012:183, Tz. 27 = DStR 2012, 697. 2 Entsprechend §§ 4 Nr. 1a, 15 Abs. 3 Nr. 1a UStG. 3 Entsprechend §§ 4 Nr. 1b, 15 Abs. 3 Nr. 1a UStG. 4 Entsprechend § 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG. 5 Englisch in Tipke/Lang22, § 17 Rz. 406. 6 Vgl. § 5 Abs. 2 u. 3 UStG i.V.m. § 1 Abs. 1 Einreise-Freimengen-Verordnung (EF-VO); Wertgrenzen: 300 Euro; für Flug- und Seereisende: 430 Euro; für Reisende unter 15 Jahren: 175 Euro (§ 2 Abs. 1 Nr. 5 EF-VO) und § 1 Abs. 1 Kleinsendungs-EinfuhrfreimengenVerordnung (KF-VO); Wertgrenze: 45 Euro. 7 Zu steuerstrafrechtlichen Implikationen in diesem Zusammenhang Schaumburg in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 17.48 ff.
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Kap. 10 Umsatzsteuer des Exports und Imports, Düsseldorf 1992; Pietsch, Der innergemeinschaftliche Erwerb, UVR 1993, 139; Reiß, Innergemeinschaftliches Reihengeschäft – Befreite Lieferung und Erwerbsbesteuerung, UR 2015, 733; Rokos, Die Übergangsregelung bei der Umsatzsteuer für grenzüberschreitende Umsätze im Europäischen Binnenmarkt ab 1993 – Änderung der 6. EG-Richtlinie, UR 1992, 89, 129; Slapio/Wiedeking, Innergemeinschaftliche Leistungen nach Deutschland über inländische Lagerstrukturen, BB 2009, 1724; Tumpel, Mehrwertsteuer im innergemeinschaftlichen Warenverkehr, Wien 1997; Wäger, Zuordnung des innergemeinschaftlichen Erwerbs und der innergemeinschaftlichen Lieferung bei Reihengeschäften, UR 2001, 1; Wanninger, Vorsteuerabzug aus innergemeinschaftlichen Erwerben, BB 2011, 680; Widmann, Das Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz, UR 1992, 249.
10.67
Der innergemeinschaftliche Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 UStG) dient der Umsetzung des Bestimmungslandprinzips. Die Besteuerung des Erwerbs korrespondiert nämlich mit der Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung (§ 4 Nr. 1 Buchst. b UStG) in dem anderen Mitgliedstaat.1 Dementsprechend knüpft der Erwerbstatbestand mit seiner durch § 1a UStG gefundenen begrifflichen Ausprägung an den Liefertatbestand (§ 3 Abs. 1 UStG) an. Diese Anknüpfung (§ 1a Abs. 1 Nr. 3 UStG) findet ihre Rechtfertigung insbesondere darin, dass Erwerb und Lieferung grundsätzlich auf dem Vollzug desselben Rechtsgeschäfts beruhen. Einen Gegenstand erwirbt daher stets der, dem die Verfügungsmacht an dem Gegenstand verschafft wird.
10.68
Nach Maßgabe des § 1a Abs. 1 UStG ist ein innergemeinschaftlicher Erwerb gegen Entgelt2 gegeben, wenn es sich handelt um – eine grenzüberschreitende Lieferung innerhalb des Gemeinschaftsgebietes, insbesondere in das Inland (§ 1 Abs. 2a UStG) oder um eine Lieferung aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in die in § 1 Abs. 3 UStG bezeichneten Gebiete (§ 1a Abs. 1 Nr. 1 UStG), – einen Unternehmer, der für sein Unternehmen erwirbt (§ 1a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a UStG), oder eine juristische Person, die für ihren nichtunternehmerischen Bereich erwirbt (§ 1a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b UStG), und – einen Unternehmer, der die Lieferung im Rahmen seines Unternehmens ausführt und hierfür nicht eine Steuerbefreiung für Kleinunternehmer (entspr. § 19 Abs. 1 UStG) in Anspruch nimmt (§ 1a Abs. 1 Nr. 3 UStG).
10.69
Kein Fall des innergemeinschaftlichen Erwerbs liegt demnach vor, wenn die Ware aus einem Drittland im Wege der Durchfuhr durch das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats in das Inland gelangt und erst hier einfuhrumsatzsteuerlich zum freien Verkehr abgefertigt wird.3 Nicht erforderlich ist indessen, dass der Gegenstand unmittelbar von einem Mitgliedstaat in einen anderen gelangt.4 Durch die Einbeziehung der in § 1 Abs. 3 UStG genannten Gebiete (z.B. Freihäfen) wird erreicht, dass der Letztverbrauch auch dort mit Umsatzsteuer belastet wird. Der von § 1a Abs. 1 Nr. 3 UStG geforderte Status des liefernden Unternehmers kann in der Praxis als gegeben angesehen werden, wenn in der Rechnung des Lieferers die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer eines anderen Mitgliedstaates angegeben, keine ausländische Umsatzsteuer ausgewiesen und auf die in dem Mitglied1 2 3 4
Hierzu Englisch in Tipke/Lang22, § 17 Rz. 409. Ein unentgeltlicher innergemeinschaftlicher Erwerb ist nicht steuerbar. Vgl. Abschn. 1a.1 Abs. 1 Satz 5 UStAE. Stadie3, § 1a UStG Rz. 17; Robisch in Bunjes15, § 1a UStG Rz. 9.
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staat geltende Steuerbefreiung für die innergemeinschaftliche Lieferung hingewiesen wird.1 Durch § 1a Abs. 2 UStG wird ein weiterer Tatbestand mittels Fiktion dem innergemeinschaftlichen Erwerb gegen Entgelt gleichgestellt: Das Verbringen eines Gegenstandes des Unternehmens aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in das Inland durch einen Unternehmer zu seiner Verfügung, ausgenommen zu einer nur vorübergehenden Verwendung,2 auch wenn der Unternehmer den Gegenstand in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt hat (§ 1a Abs. 2 UStG).
10.70
Diese Regelung korrespondiert mit einer im Ursprungsland dem § 3 Abs. 1a UStG entsprechenden Regelung, wonach das Verbringen eines Gegenstandes des Unternehmens in das übrige Gemeinschaftsgebiet als Lieferung gegen Entgelt fingiert wird mit der Folge, dass sie als innergemeinschaftliche Lieferung auch der Steuerbefreiung entspr. § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG unterliegt (entspr. § 6a Abs. 2 UStG).3
10.71
Die Umsatzsteuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb (Erwerbsteuer) erfüllt damit den gleichen Zweck wie die Umsatzsteuer auf die Einfuhr (Einfuhrumsatzsteuer): Im Anschluss an die steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung in dem anderen Mitgliedstaat bewirkt die Erwerbsteuer die Heraufschleusung der von EU-Umsatzsteuer entlasteten Ware auf inländisches Steuerniveau. Die Erwerbsteuer verwirklicht damit ebenso das Bestimmungslandprinzip wie die Einfuhrumsatzsteuer.
10.72
Ausnahmen hiervon enthält § 1a Abs. 3 UStG: Ein innergemeinschaftlicher Erwerb wird danach nicht angenommen, wenn
10.73
– die Erwerber nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Personen sind (§ 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG) und – ihr Erwerb unter einer Erwerbsschwelle von 12 500 Euro bleibt (§ 1a Abs. 3 Nr. 2 UStG).4 An die Stelle der Erwerbsteuer tritt in diesem Ausnahmefall die Besteuerung des Lieferers im Ursprungs- oder im Bestimmungsland nach Maßgabe der sog. Versandhandelsregelung in § 3c UStG. § 1a Abs. 3 UStG korrespondiert daher vor allem mit § 3c Abs. 2 und 1 UStG, wonach bei Beförderungs- und Versendungslieferungen der Ort der Lieferung im Bestimmungsland liegt.
10.74
Die vorstehende Erwerbsschwellenregelung scheidet aus, wenn der Erwerber auf deren Anwendung verzichtet (§ 1a Abs. 4 UStG)5 sowie beim Erwerb neuer Fahrzeuge und verbrauchsteuerpflichtiger Waren (§ 1a Abs. 5 UStG). Der Verzicht
10.75
1 Regierungsbegründung zu § 1a UStG, BT-Drucks. 12/2463, 24; hierzu Tehler in R/K/L, § 1a UStG Rz. 26; Robisch in Bunjes15, § 1a UStG Rz. 16; Stadie in R/D, § 1a UStG Rz. 240. 2 Auf die Dauer der tatsächlichen Verwendung kommt es nicht an; vgl. Abschn. 1a.2 Abs. 11 UStAE. 3 Hierzu Stadie3, § 1a UStG Rz. 34; vgl. Rz. 10.96 ff. 4 Abgestellt wird auf den Gesamtbetrag der Erwerbe aus allen Mitgliedstaaten; vgl. Robisch in Bunjes15, § 1a UStG Rz. 31. 5 Die Verwendung der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer gegenüber dem Lieferanten gilt als Verzichtserklärung (§ 1a Abs. 4 Satz 2 UStG).
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bindet den Erwerber mindestens für zwei Kalenderjahre, wobei der Verzicht bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung für das betreffende Kalenderjahr erklärt und widerrufen werden kann.1 § 1a Abs. 5 UStG steht im Zusammenhang mit § 3c Abs. 5 UStG, aufgrund dessen es bei der für Beförderungs- und Versendungslieferungen maßgeblichen Ortsbestimmung des § 3 Abs. 6 UStG verbleibt: Der Ort der Lieferung liegt grundsätzlich im Ursprungsstaat. Bei innergemeinschaftlichen Lieferungen von neuen Fahrzeugen erfolgt die Entlastung durch Steuerbefreiung (§ 4 Nr. 1 Buchst. b UStG). 10.76
§ 1b Abs. 1 UStG bestimmt als weitere Sonderregelung, dass der Erwerb neuer Fahrzeuge2 nicht nur bei den in § 1a Abs. 1 Nr. 2 UStG bezeichneten Unternehmern und juristischen Personen, sondern auch bei allen anderen Personen, insbesondere bei Privatpersonen, der Erwerbsteuer unterliegt. Diese Vorschrift ist im Zusammenhang mit den §§ 2a und 4 Nr. 1 Buchst. b UStG i.V. mit §§ 6a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c und 15 Abs. 4a UStG zu sehen. Dieser Vorschriftenzusammenhang macht deutlich, dass zwecks Umsetzung des Bestimmungslandprinzips der innergemeinschaftliche Erwerb neuer Fahrzeuge auch dann der Besteuerung unterliegt, wenn dieser nicht für ein Unternehmen erfolgt.
10.77
Ausgangspunkt für die Erwerbsbesteuerung von Fahrzeugen gem. § 1b UStG ist die Fahrzeugeinzelbesteuerung gem. § 2a UStG, auf Grund dessen ein Nichtunternehmer als Unternehmer fingiert wird, wenn er ein neues Fahrzeug liefert, das bei der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt. Diese Lieferung ist steuerbar, gem. § 4 Nr. 1 Buchst. b i.V. mit § 6a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c UStG aber steuerfrei. Das so von Umsatzsteuer entlastete Fahrzeug unterliegt sodann im anderen Mitgliedstaat der Erwerbsteuer, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Erwerber Unternehmer oder privater Letztverbraucher ist (vgl. §§ 1a Abs. 1 Nr. 1 und 1b UStG). Um eine Doppelbelastung bei innergemeinschaftlichen Lieferungen neuer Fahrzeuge zu vermeiden, wird dem als Unternehmer fingierten privaten Letztverbraucher aufgrund einer weiteren Sonderregelung ein begrenzter Vorsteuerabzug eingeräumt (§ 15 Abs. 4a UStG). Als Folge dieser Fiktion wird der private Letztverbraucher aufgrund von Sondervorschriften3 in den für Unternehmer typischen Pflichtenkreis einbezogen.
10.78
Weitere Ausnahmen von der Erwerbsteuer enthält § 1c UStG: Ein innergemeinschaftlicher Erwerb liegt hiernach nicht vor, wenn aus einem anderen Mitgliedstaat an im Inland ansässige oder stationierte diplomatische Missionen oder berufskonsularische Vertretungen, zwischenstaatliche Einrichtungen sowie an fremde NATO-Streitkräfte für deren nichtunternehmerische Bereiche geliefert wird (§ 1c Abs. 1 UStG).4 Das grenzüberschreitende Verbringen eines Gegenstandes durch deutsche Streitkräfte aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in das In1 Stadie in R/D, § 1a UStG Rz. 386 f.; einschränkend zum Verzicht Robisch in Bunjes15, § 1a UStG Rz. 35: Nur solange noch kein Erwerb erfolgt ist. 2 Zum Begriff „Fahrzeuge“ § 1b Abs. 2 UStG (vgl. BFH v. 27.2.2014 – V R 21/11, BStBl. II 2014, 501) und zum Begriff „neue Fahrzeuge“ § 1b Abs. 3 UStG vgl. EuGH v. 18.11.2010 – Rs. C-84/09 – X/Skatteverket, ECLI:EU:C:2010:693 = IStR 2010, 910 Rz. 52 ff. 3 Z.B. § 14a Abs. 3 Satz 3 UStG (Rechnungsausstellung); § 16 Abs. 5a UStG (Einzelberechnung); § 18 Abs. 4a UStG (Voranmeldung); § 18 Abs. 5a UStG (Steueranmeldung für den Erwerber). 4 Die Ausnahme gilt nicht für den Erwerb neuer Fahrzeuge (§ 1c Abs. 1 Satz 3 UStG).
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B. Steuerobjekt
land für den Ge- oder Verbrauch dieser Streitkräfte gilt schließlich als innergemeinschaftlicher Erwerb gegen Entgelt (§ 1c Abs. 2 UStG). Damit wird ein unversteuerter Letztverbrauch vermieden. Gemäß § 3d Satz 1 UStG liegt der Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs dort, wo die Beförderung oder Versendung des Liefergegenstandes endet. Dies ist grundsätzlich im Bestimmungsland. Erwirbt der Erwerber den Gegenstand allerdings unter Verwendung einer ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, so wird als Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs (auch) das Gebiet dieses Mitgliedstaates fingiert (§ 3d Satz 2 UStG).1 Durch diese Fiktion soll sichergestellt werden, dass zunächst dieser Mitgliedstaat versteuern darf, dem aufgrund der erteilten und vom Erwerber verwendeten UmsatzsteuerIdentifikationsnummer die Information über den Erwerb zugeht. Weist der Erwerber nach, dass der Erwerb im Bestimmungsland besteuert worden ist oder nach § 25b Abs. 3 UStG2 als besteuert gilt, sofern der erste Abnehmer seiner Erklärungspflicht gem. § 18a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 UStG nachgekommen ist, wird die Doppelbesteuerung dadurch vermieden, dass der andere Mitgliedstaat seine Besteuerung rückgängig macht. Dies stellt § 17 Abs. 2 Nr. 4 UStG sicher.
III. Steuerfreie Exportumsätze Literatur Kommentare zu § 4 Nr. 1 bis 3, Nr. 5, Nr. 6c, Nr. 7 und §§ 6 bis 8 UStG; Birkenfeld/Forst, Das Umsatzsteuerrecht im Europäischen Binnenmarkt, Bielefeld 1992; Drüen, Zum Gutglaubensschutz im Umsatzsteuerrecht, DB 2010, 1847; Englisch, Nachweispflichten und Vertrauensschutz bei innergemeinschaftlichen Lieferungen, UR 2008, 481; Englisch/ Becker/Kurzenberger, BMF-Schreiben zu innergemeinschaftlichen Lieferungen, UR 2010, 285; Freund, Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen in Be- oder Verarbeitungsfällen, UR 2007, 597; Harksen/Möller, Nachweispflichten im grenzüberschreitenden Warenverkehr, UStB 2008, 78; Hillek/Uder, Reihengeschäfte ins Drittland, UR 2011, 690; Hummel, Umsatzsteuerrechtliche Risiken im grenzüberschreitenden Stromhandel – Beweislast und Nachweispflichten des Leistenden bei der Bestimmung des Lieferorts nach § 3g UStG, UR 2012, 584; Huschens, Beleg- und Buchnachweispflichten bei Ausfuhrlieferungen ab 1.1.2012, UVR 2012, 77; Kraeusel, Das Umsatzsteuer-Änderungsgesetz 1997, UVR 1996, 353; Küffner/Langer, Nachweispflichten bei innergemeinschaftlichen Lieferungen DB 2008, 1116; Lange, Europarechtliche Bedenken gegen den räumlichen Anwendungsbereich des deutschen Umsatzsteuergesetzes, DStZ 1996, 133; Langer, Umsatzsteuer im Binnenmarkt, Herne/Berlin 1992; Nieskens, Ausfuhrnachweis mit elektronischen „Zollbelegen“ in ATLAS, UStB 2007, 259; Noll/Rödder, Das neue Umsatzsteuerrecht des Exports und Imports, Düsseldorf 1992; Pich, Das neue Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz, Köln 1992; Pyszka, Umsatzsteuerlicher Buchnachweis bei Ausfuhrlieferungen und innergemeinschaftlichen Lieferungen ausländischer Unternehmer, IStR 1995, 476; Raudzus/ Wagner, Umsätze für die Seeschifffahrt und die Luftfahrt und Neues zum Freihaften, UStB 2008, 172; Reiß, Sanktionierung der Verletzung der europäischen Grundfreiheiten durch den EuGH bei neutralitätswidriger Umsatzsteuerbelastung im innergemeinschaftli1 Ein Vorsteuerabzug ist in diesem Staat ausgeschlossen; vgl. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG (Umsetzung von EuGH v. 22.4.2010 – Rs. C-536/08 u. C-539/09 – X u. Facet, ECLI:EU:C:2010:217 = BFH/NV 2010, 1225; ferner BFH v. 1.9.2010 – V R 39/08, BStBl. II 2011, 658; v. 16.12.2010 – V R 40/08, BFH/NV 2011, 1401; v. 8.9.2010 – XI R 40/08, BStBl. II 2011, 661; zu Anwendungsproblemen Hiller, DStR 2015, 621 ff. 2 Innergemeinschaftliches Dreiecksgeschäft.
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10.79
Kap. 10 Umsatzsteuer chen Waren- und Dienstleistungsverkehr, UR 2007, 565; Rondorf, Das Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz, München 1992; Rüth/Winter, Kein Vertrauensschutz bei lückenhaften Belegen über innergemeinschaftliche Lieferungen, DStR 2005, 681; Ruppe, Internationale Probleme auf dem Gebiet der Umsatzbesteuerung, CDFI LXVIIIb (1983) 15; Stapperfend, Schutz des guten Glaubens im Umsatzsteuerrecht, UR 2013, 321; Sterzinger, Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen bei der Beteiligung an einem Betrugsmodell, DStR 2015, 2641; von Streit, Bestimmung des Lieferorts bei aufeinander folgenden Lieferungen innerhalb der Europäischen Union, UR 2011, 161; Tehler, Buch- und Belegnachweise – materiellrechtliche Voraussetzungen für die Steuerfreiheit von Ausfuhrlieferungen?, UVR 2008, 350; Tezlaff/Schallok, Vertrauensschutz für die Steuerbefreiung bei Ausfuhrlieferungen, UVR 2008, 180; Thoma, Umsatzsteuerliche Ausfuhr, UStB 2006, 221; Thoma/Gelse, Die Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen, UStB 2004, 385; Thomsen/Brete, Umsatzsteuerbefreiung für Luftfahrt- und Luftverkehrsunternehmer, UStB 2007, 317; Wäger, Nachweis der Steuerfreiheit bei Ausfuhrlieferungen und innergemeinschaftlichen Lieferungen, DStR 2009, 1621; Wäger, Rückkehr des Beleg- und Buchnachweises als materiellrechtliche Voraussetzung der Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen, UR 2015, 702; Welte/Späth, Umsatzsteuerrecht für die Import- und Exportwirtschaft, Neuwied/Kriftel 1993; Widmann, Das Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz, UR 1992, 249.
1. Bestimmungslandprinzip 10.80
Die Steuerfreiheit bestimmter Exportumsätze nach Maßgabe des § 4 Nr. 1 bis 3, 5, 6, 7 UStG bei gleichzeitigem Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG) ermöglicht eine Entlastung von deutscher Umsatzsteuer, wodurch dem der Wettbewerbsneutralität dienenden Bestimmungslandprinzip entsprochen wird. Das Bestimmungsland erhebt bei der Einfuhr eine Einfuhrumsatzsteuer sowie beim innergemeinschaftlichen Erwerb eine Erwerbsteuer mit dem Ziel, Importware auf innerstaatliches Steuerniveau hochzuschleusen (Rz. 10.4). Dadurch gelangt die Ware, nur mit der Umsatzsteuer des Bestimmungslandes belastet, in die Hand des privaten Endverbrauchers. Das Bestimmungslandprinzip trägt letztlich dem Umstand Rechnung, dass die Umsatzsteuersysteme und Umsatzsteuersätze der einzelnen Länder unterschiedlich ausgestaltet sind. Im Verhältnis mehrerer Staaten zueinander sollen Waren aber nur mit der Umsatzsteuer des Landes belastet werden, in dem sie verbraucht oder verwendet werden.
10.81
Die Steuerbefreiung von Exportumsätzen betrifft im Wesentlichen Lieferungen, nicht aber sonstige Leistungen. Hier wird das Bestimmungslandprinzip nur partiell etwa über den Empfängerort, Grundstücksort und Erbringungsort nach Maßgabe insbesondere des § 3a Abs. 2 und 3 UStG verwirklicht (Rz. 10.35).
10.82
Im Hinblick auf die Zielsetzung des Bestimmungslandprinzips spielt es grundsätzlich keine Rolle, ob der private Endverbraucher Fremd- oder Selbstversorger ist. Daher kommt die Steuerbefreiung für Exportumsätze auch für Gegenstandsentnahmen, Personalzuwendungen und unentgeltliche Lieferungen an Dritte (§ 3 Abs. 1b UStG) in Betracht, soweit es sich um eine grenzüberschreitende Wertabgabe aus dem Unternehmen handelt und die Steuerbefreiung nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist.1
1 Vgl. §§ 6 Abs. 5, 7 Abs. 5 UStG; dagegen darauf abstellend, ob der Zweck der einzelnen Befreiungsvorschrift auch für unentgeltliche Vorgänge zutrifft Stadie3, Vor §§ 4–9 UStG Rz. 26.
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B. Steuerobjekt
2. Ausfuhrlieferungen Unter die Befreiung des § 4 Nr. 1 Buchst. a UStG fallen u.a. Ausfuhrlieferungen (§ 6 UStG). Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist, dass die Ausfuhrlieferung im Inland erbracht wird, der Ort der Lieferung im Inland liegt. Die Ausfuhrlieferung kann durch folgende Tatbestände verwirklicht werden:
10.83
– Der liefernde Unternehmer befördert oder versendet den Liefergegenstand in das Drittlandsgebiet, ausgenommen die in § 1 Abs. 3 UStG genannten Gebiete (z.B. Freihäfen), wobei der Abnehmer kein ausländischer Abnehmer sein muss (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 UStG). – Der ausländische Abnehmer1 befördert oder versendet den Liefergegenstand in das Drittlandsgebiet, ausgenommen Gebiete nach § 1 Abs. 3 UStG2 (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 UStG). – Der Unternehmer oder der Abnehmer befördert oder versendet den Liefergegenstand in die in § 1 Abs. 3 UStG genannten Gebiete, wenn der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand für sein Unternehmen erworben hat und der Gegenstand nicht für nach § 4 Nr. 8 bis 27 UStG steuerfreie Umsätze, die den Vorsteuerabzug ausschließen, verwendet werden soll (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a UStG), oder ein ausländischer Abnehmer, aber kein Unternehmer ist und der Gegenstand in das übrige Drittlandsgebiet gelangt (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b UStG). Die Steuerbefreiung erstreckt sich nicht nur auf den Gegenstand der Lieferung selbst, sondern auch auf erbrachte Nebenleistungen, etwa Transportleistungen. Ohne Bedeutung ist hierbei, ob der Liefergegenstand ein (durchgehandeltes) Handelsgut, ein bearbeiteter Gegenstand3 oder ein im Rahmen einer Werklieferung (§ 3 Abs. 4 UStG) hergestellter Gegenstand ist.4 Da es sich stets um steuerbare Lieferungen handeln muss, wird das bloße Verbringen eines Gegenstandes in das Drittlandsgebiet von der Steuerbefreiung nicht erfasst.5 Entsprechendes gilt gem. § 6 Abs. 5 UStG für die Entnahme, und zwar auch dann, wenn direkt danach der Gegenstand in ein Drittlandsgebiet verbracht wird.6
10.84
Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist stets, dass der Gegenstand der Lieferung tatsächlich in das Drittlandsgebiet7 gelangt ist,8 wobei eine starre Frist hierfür nichtvorgesehen ist.9 Der Transport kann entweder durch den Lieferer oder
10.85
1 Vgl. hierzu die Definition in § 6 Abs. 2 UStG. 2 Sog. Abholfälle. 3 Dieser kann vor der Ausfuhr auch durch Beauftragte be- oder verarbeitet worden sein (§ 6 Abs. 1 Satz 2 UStG). 4 Vgl. z.B. Abschn. 6.6 Abs. 5 UStAE. 5 Robisch in Bunjes15, § 6 UStG Rz. 3. 6 BFH v. 19.2.2014 – XI R 9/13, BStBl. II 2014, 7; Stadie3, § 6 UStG Rz. 45; Husmann in R/D, § 4 Nr. 1 UStG Rz. 22; zu steuerstrafrechtlichen Fragestellungen Schaumburg in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 17.16 ff. 7 In den Fällen des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 u. 2 UStG ausgenommen die Gebiete gem. § 1 Abs. 3 UStG (z.B. Freihäfen) und im Falle von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG nur die Gebiete gem. § 1 Abs. 3 UStG. 8 Vgl. zum Ausfuhrnachweis Rz. 10.90. 9 EuGH v. 19.12.2013 – Rs. C-563/12 – BDV Hungary Trading, ECLI:EU:C:2013:854 = BFH/NV 2014, 287.
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durch den Abnehmer (Abholfall) erfolgen, und zwar durch Beförderung oder Versendung.1 Wo der Abnehmer seinen Wohnsitz oder Sitz innehat, ist ohne Belang, so dass auch Ausfuhrlieferungen an Inländer steuerfrei sind. 10.86
In sog. Abholfällen (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 UStG) oder bei Lieferungen in die in § 1 Abs. 3 UStG genannten Gebiete (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 UStG) wird die Steuerfreiheit der Ausfuhrlieferungen eingeschränkt, soweit der Gegenstand der Lieferung zur Ausrüstung oder Versorgung eines Beförderungsmittels bestimmt ist; eine begünstigte Ausfuhrlieferung liegt hier nur vor, wenn der Abnehmer ein ausländischer Unternehmer2 ist und das Beförderungsmittel unternehmerischen Zwecken des Abnehmers dient (§ 6 Abs. 3 Satz 1 UStG).
10.87
Liegt ein grenzüberschreitendes Reihengeschäft (Rz. 10.18 f.) vor, bei dem die Warenbewegung im Inland beginnt und im Drittlandsgebiet endet, kann stets nur eine (einzige) Ausfuhrlieferung bewirkt werden: Das ist die Beförderungs- oder Versendungslieferung, als die warenbewegte Lieferung.3 Die Steuerbefreiung kommt daher für ruhende Lieferungen nicht in Betracht.4 Für die Zuordnung der warenbewegten Lieferung, die für alle Beteiligten im Reihengeschäft einheitlich zu erfolgen hat,5 ist entscheidend, wann der letzte Abnehmer6 Verfügungsmacht an der Ware erhalten hat.7 Erfolgte diese bereits im Inland, ist die (zweite) Lieferung an ihn als Zweiterwerber8 die warenbewegte und somit steuerfreie Lieferung.9 Auf die Mitteilung über einen etwaigen Verkauf vor dem Transport10 oder auf dem Transportweg11 kommt es daher nicht an.
10.88
Eine weitere Besonderheit ergibt sich aus § 6 Abs. 3a UStG für Ausfuhren im nichtkommerziellen Reiseverkehr: Die Steuerbefreiung greift nur ein, wenn der Abnehmer im Drittlandsgebiet, ausgenommen Gebiete nach § 1 Abs. 3 UStG, ansässig ist und den Liefergegenstand im persönlichen Reisegepäck vor Ablauf des dritten Kalendermonats, der auf den Monat der Lieferung folgt, ausführt.12
10.89
§ 6 UStG erfährt eine Tatbestandserweiterung durch Art. 67 Abs. 3 des Zusatzabkommens zum NATO-Truppenstatut.13 Hiernach sind Lieferungen und sons1 Einzelheiten zu diesen Begriffen bei Nieskens in R/D, § 3 UStG Rz. 3400 ff.; 3410 ff. 2 Zum Begriff „ausländischer Abnehmer“ Abschn. 6.3 UStAE. 3 EuGH v. 6.4.2006 – Rs. C-245/04 – EMAG, Slg. 2006, I-3227, Tz. 40; BFH v. 11.8.2011 – V R 3/10, BFH/NV 2011, 2209, Ziff. II 2a); Abschn. 3.14 Abs. 2 Satz 2 UStAE. 4 Vgl. Abschn. 6.2 Abs. 4 i.V.m. 3.14 Abs. 14 UStAE. 5 Vgl. Abschn. 3.14 Abs. 7 Satz 2 UStAE. 6 Bei einem Reihengeschäft mit drei Personen. 7 BFH v. 25.2.2015 – XI R 15/14, BFH/NV 2015, 772, unter II.2c. 8 Bei einem Reihengeschäft mit drei Personen. 9 BFH v. 25.2.2015 – XI R 15/14, BFH/NV 2015, 772; v. 25.2.2015 – XI R 30/13, BFH/NV 2015, 769; zuvor schon BFH v. 28.5.2013 – XI R 11/09, BFH/NV 2013, 1524. 10 BFH v. 11.8.2011 – V R 3/10, BFH/NV 2011, 2208 Ziff. II 2d mit der Folge eines faktischen Wahlrechts: Teilt der mittlere Unternehmer eines aus drei Personen bestehenden Reihengeschäfts dem ersten Lieferer vor dem Beginn des Transports nicht mit, dass er die Ware weiterverkauft hat, ist die erste Lieferung die bewegte, teilt er es ihm dagegen erst nach Beginn des Transport mit, ist die zweite Lieferung die bewegte; vgl. hierzu Streit, BB 2015, 1819 ff. (1820); Höink/Hudasch, UStB 2015, 198 ff. (199 f.). 11 Abschn. 3.14 Abs. 8 Satz 2 UStAE. 12 Vgl. zu Einzelheiten Abschn. 6.11 UStAE und BMF v. 12.8.2014 – IV D 3 S 7133/14/10001 – DOK 2014/0712080, BStBl. I 2014, 1202. 13 BGBl. II 1961, 1183, 1218.
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B. Steuerobjekt
tige Leistungen an die Truppen und deren ziviles Gefolge von der Umsatzsteuer befreit, wenn sie von einer amtlichen Beschaffungsstelle1 der Truppe oder des zivilen Gefolges oder von einer deutschen Behörde für die Truppe oder das zivile Gefolge in Auftrag gegeben worden sind2 und die Gegenstände, auf die sich die Lieferung oder sonstige Leistung bezieht, ausschließlich für den Gebrauch oder Verbrauch durch die Truppen, ihr ziviles Gefolge, ihre Mitglieder oder deren Angehörige bestimmt sind.3 Ebenfalls von der Umsatzsteuer befreit sind nach Art. III Nr. 1 des Offshore-Steuerabkommens4 Lieferungen von Waren einschließlich Werklieferungen und sonstige Leistungen an Stellen der USA und an Stellen anderer von den USA bezeichneter Regierungen.5 Schließlich enthält auch das Abkommen über die NATO-Hauptquartiere6 eine Umsatzsteuerbefreiung. Befreit sind Lieferungen und sonstige Leistungen an ein Hauptquartier, die von diesem in Auftrag gegeben werden und für den Gebrauch oder den Verbrauch durch das Hauptquartier oder dessen Personal und deren Angehörige oder durch das zivile Gefolge bestimmt sind.7 In den vorgenannten Fällen kommt es nicht darauf an, ob die Gegenstände in das Ausland gelangen oder nicht. Der Vorsteuerabzug bleibt in den vorgenannten Fällen gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a i.V. mit § 26 Abs. 5 UStG erhalten. Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung der Ausfuhrlieferung müssen durch Ausfuhrnachweis (§ 6 Abs. 4 UStG; §§ 8 bis 11, 17 UStDV)8 und Buchnachweis (§ 6 Abs. 4 UStG; § 13 UStDV)9 belegt werden. Soweit die Ausländereigenschaft des Abnehmers maßgeblich ist, muss auch hierfür der Nachweis erbracht werden. Sowohl Ausfuhrnachweis als auch Buchnachweis sind nicht materiellrechtliche Voraussetzungen für die Steuerfreiheit.10 Steht fest, dass die Voraussetzungen des § 6 UStG vorliegen, bedarf es keines formalisierten Nachweises mehr.11
1 Übersicht in BMF v. 7.6.2006 – IV A 6 - S 7492 - 30/06, UR 2006, 549. 2 Die amtliche Beschaffungsstelle muss selbst als Vertragspartner auftreten; BFH v. 29.9. 1988 – V R 53/83, BStBl. II 1988, 1022; v. 26.3.1992 – V R 6/87, BFH/NV 1993, 59; v. 14.4. 2010 – XI R 12/09, BStBl. II 2011, 138 Rz. 28. 3 Zu Einzelheiten BMF v. 22.12.2004 – IV A 6 - S 7492 - 13/04, BStBl. I 2004, 1200. 4 Vom 15.10.1954, BStBl. II 1955, 823. 5 Zu Einzelheiten BMF v. 2.7.1968 – IV A 2 - S 7490 - 2/68, BStBl. I 1968, 997. 6 BGBl. II 1969, 2009. 7 Einzelheiten bei Hummel in R/D, § 26 UStG Rz. 481 ff. 8 Zu Einzelheiten Abschn. 6.5 ff. UStAE. 9 Zu Einzelheiten Abschn. 6.10 UStAE. 10 EuGH v. 27.9.2007 – Rs. C-209/04 – Teleos, Slg. 2007, I-7797; v. 27.9.2007 – Rs. C-146/05 – Collée, Slg. 2007, I-7861; v. 21.2.2008 – Rs. C-271/06 – Netto Supermarkt, UR 2008, 508; v. 27.9.2012 – Rs. C-587/10 – VSTR, ECLI:EU:C:2012:592 = UR 2012, 832; BFH v. 6.12.2007 – V R 59/03, BStBl. II 2009, 57; v. 8.11.2007 – V R 72/05, BStBl. II 2009, 55; v. 30.7.2008 – V R 7/03, BStBl. II 2010,1075; v. 28.5.2009 – V R 23/08, BFH/NV 2009, 1565; v. 28.5.2013 – XI R 11/09, UR 2013, 756; v. 21.1.2015 – XI R 5/13, UR 2015, 265; vgl. zu steuerstrafrechtlichen Folgen Schaumburg in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 17.8 ff. 11 Restriktiv nunmehr aber BFH v. 10.8.2016 – VR 45/15, UR 2016, 888 und v. 19.3.2015 – V R 14/14, UR 2015, 719, wonach ein anderweitiger Nachweis (Zeugenbeweis) nur in Betracht kommt, wenn der Formalbeweis ausnahmsweise nicht oder nicht zumutbar geführt werden kann; zur Kritik hieran Wäger, UR 2015, 702;
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10.90
Kap. 10 Umsatzsteuer
3. Lohnveredelung an Gegenständen der Ausfuhr 10.91
Neben den Ausfuhrlieferungen fallen unter die Befreiung des § 4 Nr. 1 Buchst. a UStG auch die Lohnveredelung1 an einem Gegenstand der Ausfuhr (§ 7 UStG). Die Steuerbefreiung des Lohnveredelungsverkehrs beruht insbesondere auf der engen Verknüpfung mit der steuerbefreiten Warenausfuhr, so dass das Bestimmungslandprinzip hierfür ebenso maßgeblich ist wie für die Ausfuhr selbst.2 Die Entlastung von Umsatzsteuer erfolgt mit Hilfe der Steuerfreiheit für die Ausfuhr und die Lohnveredelung sowie durch den Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG). Die Belastung im Drittlandsgebiet wird durch die Besteuerung der Einfuhr sichergestellt.
10.92
Die steuerbefreite Lohnveredelung an Gegenständen der Ausfuhr setzt eine Werkleistung3 an einem vom Auftraggeber zu diesem Zweck in das Gemeinschaftsgebiet eingeführten oder in diesem Gebiet erworbenen Gegenstand voraus.
10.93
Eine Lohnveredelung liegt gem. § 7 Abs. 3 UStG auch dann vor, wenn der Unternehmer seinem Auftraggeber anstelle des Gegenstandes, den er aus den übergebenen Stoffen herstellen soll, einen gleichartigen Gegenstand zurückgibt, den er in seinem Unternehmen aus solchen Stoffen herzustellen pflegt, und das Leistungsentgelt nach Art eines Werklohns unabhängig vom Unterschied zwischen dem Markt- oder Börsenpreis des empfangenen Stoffes und dem des überlassenen Gegenstandes berechnet wird (§ 3 Abs. 10 UStG).4
10.94
Die Steuerbefreiung setzt logisch voraus, dass die Lohnveredelung als Werkleistung steuerbar ist, also insbesondere im Inland bewirkt wird. Die Steuerfreiheit ist jedoch von vorneherein nicht gegeben, wenn ausländische Unternehmer den Auftrag für die Lohnveredelung erteilen. In dieser für der Praxis wichtigen Fallkonstellation ist der Ort der sonstigen Leistung im Drittlandsgebiet (§ 3a Abs. 2 UStG). Im Hinblick darauf ist die Steuerbefreiung nur noch von Bedeutung bei im Inland ansässigen Unternehmen5 als Auftraggeber (§ 3 Abs. 1 UStG) sowie bei nichtunternehmerischen Auftraggebern (§ 3a Abs. 3 Nr. 3 Buchst. c UStG).6 Im Grundsatz gelten im Übrigen hier die gleichen Voraussetzungen7 wie bei der Ausfuhrlieferung (Rz. 10.83). Für die Steuerbefreiung ist es unerheblich, wie oft der Ausfuhrgegenstand vor seiner Ausfuhr be- oder verarbeitet worden ist (§ 7 Abs. 1 Satz 2 UStG).
10.95
Im Übrigen ist ebenso wie bei der Ausfuhrlieferung ein Ausfuhr- und Buchnachweis (§ 7 Abs. 4 UStG; §§ 8 bis 13, 17 UStDV) zu führen.8 Beide Nachweise sind nicht materiell-rechtliche Voraussetzungen für die Steuerbefreiung (Rz. 10.90). 1 Im Sinne einer entgeltlichen Be- oder Verarbeitung. 2 Stadie3, § 7 UStG Rz. 3. 3 Eine Werkleistung liegt vor, wenn der Unternehmer die Be- oder Verarbeitung eines Gegenstandes übernommen hat und dabei (Haupt-)Stoffe verwendet, die er selbst nicht beschafft hat. Die Werkleistung unterliegt den Regelungen einer sonstigen Leistung. 4 Sog. Umtauschmüllerei (Sonderfall der Leistung); Einzelheiten bei Nieskens in R/D, § 3 UStG Rz. 3911 ff. 5 Ebenso juristische Personen mit USt-IdNr. 6 Stadie3, § 7 UStG Rz. 4. 7 § 7 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UStG. 8 Zu Einzelheiten Abschn. 7.2 u. 7.3 UStAE.
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B. Steuerobjekt
4. Innergemeinschaftliche Lieferungen Ebenso wie bei Ausfuhrlieferungen (§§ 4 Nr. 1 Buchst. a, 6 UStG) ist auch die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen darauf gerichtet, das Bestimmungslandprinzip umzusetzen.1 Das Bestimmungslandprinzip wird technisch dadurch gewährleistet, dass einerseits die innergemeinschaftliche Lieferung gem. §§ 4 Nr. 1 Buchst. b, 6a Abs. 1 UStG bei uneingeschränktem Vorsteuerabzug (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG) steuerbefreit ist und andererseits im anderen Mitgliedsstaat (Bestimmungsland) hierzu korrespondierend als innergemeinschaftlicher Erwerb2 der Umsatzsteuer unterworfen wird. Dieses Korrespondenzprinzip3 bedeutet allerdings nicht, dass der innergemeinschaftliche Erwerb im EU-Ausland tatsächlich besteuert wird.4 Erforderlich ist lediglich die Steuerbarkeit des innergemeinschaftlichen Erwerbs.5
10.96
Gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG sind innergemeinschaftliche Lieferungen von der Umsatzsteuer freigestellt. Die Voraussetzungen hierfür ergeben sich aus § 6a UStG, und zwar
10.97
– Beförderung oder Versendung des Liefergegenstandes in das übrige Gemeinschaftsgebiet (§ 6a Abs. 1 Nr. 1 UStG), – an einen Abnehmer, der den Gegenstand entweder als Unternehmer für sein Unternehmen oder als juristische Person für den nichtunternehmerischen Bereich oder ein neues Fahrzeug erworben hat (§ 6a Abs. 1 Nr. 2 UStG), – wenn der Gegenstand der Lieferung bei ihm in einem anderen Mitgliedstaat der Erwerbsteuer unterliegt (§ 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG). Die Steuerbefreiung kann unter den vorgenannten Voraussetzungen nur von Unternehmern in Anspruch genommen werden, die ihre Umsätze nach den allgemeinen Vorschriften des UStG besteuern (Regelversteuerer). Auf Umsätze von Kleinunternehmern, die nicht nach § 19 Abs. 2 UStG zur Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes optiert haben, auf Umsätze im Rahmen eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebs, auf die die Durchschnittssätze nach § 24 UStG angewendet werden und auf Umsätze, die der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG unterliegen, findet die Steuerbefreiung keine Anwendung (§§ 19 Abs. 1 Satz 4, 24 Abs. 1 Satz 2, 25a Abs. 5 Satz 2, 25a Abs. 7 Nr. 3 UStG).6 Von der Reichweite der Steuerbefreiung werden nur im Inland steuerbare Lieferungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) erfasst. Der Ort der Lieferung muss daher in Anwendung insbesondere des § 3 Abs. 6–8 UStG (Rz. 10.13 ff.) im Inland sein. Das ist z.B. bei der Lieferung schlüsselfertiger Anla1 Stadie3, § 6a UStG Rz. 2. 2 Art. 2 Abs. 1 Buchst. b MWStSystRL. 3 Nach EuGH v. 18.11.2010 – Rs. C-84/09 – X, ECLI:EU:C:2010:693 = UR 2011, 103 Rz. 28 sind innergemeinschaftliche Lieferung und innergemeinschaftlicher Erwerb ein und derselbe wirtschaftliche Vorgang; vgl. ferner BFH v. 11.8.2011 – V R 50/09, BStBl. II 2012, 151. 4 EuGH v. 27.9.2007 – Rs. C-409/04 – Teleos u.a., Slg. 2007, I-7797, Tz. 69 ff.; BFH v. 8.11. 2007 – V R 72/05, BStBl. II 2009, 55; v. 21.1.2015 – XI R 5/13, BFH/NV 2015, 641 Rz. 24. 5 BFH v. 29.7.2009 – XI B 2/09, BFH/NV 2009, 1567; v. 21.1.2015 – XI R 5/13, BFH/NV 2015, 641 Rz. 24. 6 Vgl. Abschn. 6a.1 Abs. 3 UStAE.
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10.98
Kap. 10 Umsatzsteuer
gen, die vom Lieferer erst am Zielort im EU-Ausland installiert oder montiert werden, nicht der Fall.1 Ein bloßes innerbetriebliches Verbringen von Gegenständen, also deren Transport innerhalb des Unternehmensbereichs, etwa vom Produktionsbetrieb zum Lager (Rz. 10.12), wird im Hinblick auf § 3 Abs. 1a UStG als fingierte innergemeinschaftliche Lieferung dagegen von der Steuerbefreiung erfasst (§ 6a Abs. 2 UStG). 10.99
Wer den Liefergegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet, spielt keine Rolle. Der Abnehmer muss auch nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sein.2 Daher kann eine Lieferung an inländische Abnehmer als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei sein, wenn der Liefergegenstand etwa zu einer in einem anderen Mitgliedstaat gelegenen Betriebsstätte eines im Inland ansässigen Abnehmers gelangt.3 Eine zu diesem Zweck erfolgte Zwischenlagerung ist unschädlich.4 Der Gegenstand der Lieferung muss im Wege der Beförderung oder Versendung (Rz. 10.16) das Inland verlassen und im anderen Mitgliedstaat angekommen sein, wobei ein Transport durch ein Drittlandsgebiet ohne Bedeutung ist.5 In den Fällen von Reihengeschäften wird nur die warenbewegte Lieferung (Rz. 10.87) von der Steuerbefreiung erfasst.6
10.100
Die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen wird nur bei einem bestimmten Abnehmerkreis gewährt (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG). Hierzu gehören insbesondere Unternehmer, soweit sie den Gegenstand der Lieferung für ihr Unternehmen erworben haben. Hierbei kommt es auf die Zuordnungsentscheidung des Abnehmers zum Zeitpunkt des Erwerbs an.7 Verwendet dieser im Zeitpunkt der Lieferung eine gültige USt-IdNr. kann von einer unternehmerischen Verwendung ausgegangen werden, sofern sich diesbezüglich keine berechtigten Zweifel ergeben.8 Eine Sonderregelung enthält § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c UStG, wonach bei der Lieferung neuer Fahrzeuge der Abnehmer nicht Unternehmer sein muss. Diese Regelung beruht darauf, dass dieser Personenkreis beim Erwerb zur Besteuerung herangezogen wird (vgl. § 1b Abs. 1 UStG; Rz. 10.76).
10.101
Voraussetzung ist schließlich, dass der Erwerb beim Abnehmer der Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs (vgl. § 1a UStG) unterliegt.9 Verwendet der Abnehmer eine ihm vom anderen Mitgliedstaat erteilte USt-IdNr., kann der Lie-
1 Robisch in Bunjes14, § 6a UStG Rz. 13; vgl. auch Abschn. 3.12 Abs. 4 UStAE. 2 Stadie3, § 6a UStG Rz. 13; vgl. EuGH v. 27.9.2012 – Rs. C-587/10 – VStR, ECLI:EU:C:2012:592 = UR 2012, 832 Tz. 54; Frye in R/D, § 6a UStG Rz. 342. 3 Frye in R/D, § 6a UStG Rz. 342. 4 Vgl. EuGH v. 18.11.2010 – Rs. C-84/09 – X, ECLI:EU:C:2010:693 = IStR 2010, 910; Robisch in Bunjes15, § 6a UStG Rz. 23. 5 Stadie3, § 6a UStG Rz. 11; Robisch in Bunjes15, § 6a UStG Rz. 25. 6 Robisch in Bunjes15, § 6a UStG Rz. 31, dort auch zu Besonderheiten in Fällen der Verkaufskommission und bei Konsignationslagern (Rz. 26 ff.). 7 EuGH v. 4.10.1995 – Rs. C-291/92 – Ambrecht, BStBl. II 1996, 392; Robisch in Bunjes15, § 6 UStG Rz. 32. 8 Vgl. Abschn. 6a.1 Abs. 13 UStAE. 9 Die bloße Steuerbarkeit im anderen Staat reicht aus; BFH v. 21.1.2015 – XI R 5/13, BFH/NV 2015, 641.
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ferer davon ausgehen, dass der Abnehmer die Voraussetzungen für die Erwerbsbesteuerung erfüllt.1 Als innergemeinschaftliche Lieferung gilt gem. § 6a Abs. 2 UStG auch das einer Lieferung gleichgestellte Verbringen eines Gegenstandes in das übrige Gemeinschaftsgebiet (§ 3 Abs. 1a UStG). Es handelt sich hierbei um das grenzüberschreitende unternehmensinterne Verbringen von Gegenständen (Rz. 10.12). Mit der vorgenannten Vorschrift, die zu einer Entlastung von Umsatzsteuer führt, korrespondiert § 1a Abs. 2 UStG (Erwerbsteuer), so dass die Besteuerung im Bestimmungsland sichergestellt ist.2
10.102
Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen müssen beleg- und buchmäßig nachgewiesen werden (§ 6a Abs. 3 UStG; §§ 17a bis 17c UStDV). Die Nachweise sind keine materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit. Ist etwa erwiesen, dass der Gegenstand in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt ist und der Abnehmer den innergemeinschaftlichen Erwerb zu versteuern hat, ist dem Lieferer die Steuerbefreiung zu gewähren (Rz. 10.90), es sei denn, der Lieferer verletzt seine Pflichten zum Belegund Buchnachweis, um die Identität des Erwerbers zum Zweck der Steuerhinterziehung im Bestimmungsmitgliedstaat zu verschleiern.3 Die §§ 17a bis 17c UStDV regeln im Einzelnen, wie der Beleg- und Buchnachweis zu führen ist. Im Vordergrund steht hierbei der Nachweis, dass der Gegenstand der Lieferung tatsächlich in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt ist. Dieser Nachweis kann entweder durch eine Gelangensbestätigung seitens des Abnehmers (§ 17a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStDV) oder in bestimmten Fällen durch anderweitige Belege, insbesondere Versandbelege (§ 17a Abs. 3 UStDV), geführt werden.4 In Bearbeitungs- oder Verarbeitungsfällen im Zusammenhang mit innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 6a Abs. 1 Satz 2 UStG) ist der Belegnachweis nach Maßgabe des § 17b UStDV zu führen.5 Der Buchnachweis erfordert, dass aus der Buchführung die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung einschließlich der USt-IdNr. des Abnehmers eindeutig und leicht nachprüfbar zu ersehen ist (§ 17c Abs. 1 UStDV).6
10.103
Ob die für die Steuerbefreiung maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, kann der Lieferer in aller Regel nur aufgrund der ihm vom Abnehmer gemachten Angaben beurteilen. Sind diese Angaben unzutreffend, gewährt § 6a Abs. 4 UStG Vertrauensschutz, wenn der liefernde Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht er-
10.104
1 BFH v. 5.2.2004 – V B 180/03, BFH/NV 2004, 988; Abschn. 6a.1 Abs. 18 UStAE; die Steuerbefreiung ist allerdings nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die USt-IdNr des Erwerbers nicht vorgelegt werden kann; BFH v. 28.5.2013 – XI R 11/09, BFH/NV 2013, 1524 Rz. 81; es kommt allein auf die objektiven Umstände an, so BFH v. 25.2.2015 – XI R 30/13, BFH/NV 2015, 769; hierzu Neeser, UVR 2015, 187 ff. 2 Frye in R/D, § 6a UStG Rz. 471; Stadie3, § 6a UStG Rz. 48. 3 EuGH v. 7.12.2010 – Rs. C-285/09 – R, ECLI:EU:C:2010:742 = UR 2011, 15 Rz. 51; v. 20.10.2016 – Rs. C-24/15 – Plöckl, ECLI:EU:C:2016:791; BFH v. 11.8.2011 – V R 19/10, BStBl. II 2011, 846 Rz. 21. 4 Vgl. zu Einzelheiten Abschn. 6a.3 bis 6a.5 UStAE. 5 Vgl. Abschn. 6a.6 UStAE. 6 Vgl. zu Einzelheiten Abschn. 6a.7 UStAE.
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kennen konnte. Im Hinblick darauf muss der Lieferant alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass die von ihm vorgenommene innergemeinschaftliche Lieferung nicht zu einer Beteiligung an einer Steuerhinterziehung des Erwerbers oder weiterer Abnehmer etwa im Rahmen von Karussellgesellschaften führt.1 5. Umsätze für die Seeschifffahrt und für die Luftfahrt 10.105
Gemäß § 4 Nr. 2 UStG sind Umsätze für die Seeschifffahrt und für die Luftfahrt unter den Voraussetzungen des § 8 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Diese Steuerbefreiung, die weder davon abhängt, dass die gelieferten Gegenstände in das Ausland gelangen, noch davon, dass die Abnehmer im Ausland ansässig sind, findet ihre Rechtfertigung darin, dass die Abnehmer durchweg zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer sind, die überwiegend die in Anspruch genommenen Leistungen für grenzüberschreitende oder Auslandsumsätze2 verwenden. Es handelt sich um eine der Vereinfachung dienende Vorstufenbefreiung, die die fortwährende Erstattung von Vorsteuern bei den Unternehmern der See- und Luftfahrt vermeiden soll.3 Daher betreffen die steuerfreien Umsätze für die Seeschifffahrt lediglich Lieferungen, Umbauten, Instandsetzungen, Wartungen, Vercharterungen und Vermietungen von Wasserfahrzeugen für die Seeschifffahrt, die dem Erwerb durch die Seeschifffahrt oder der Rettung Schiffbrüchiger zu dienen bestimmt sind (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 UStG), also Umsätze von Wasserfahrzeugen, die über die Küstengrenzen hinaus auf offener See im Ausland fahren können.4 Die Steuerbefreiung gilt auch für vergleichbare Leistungen im Zusammenhang von Luftfahrzeugen, die zur Verwendung durch Unternehmer bestimmt sein müssen, die im entgeltlichen Luftverkehr überwiegend grenzüberschreitende Beförderungen oder Beförderungen auf ausschließlich ausländischen Strecken durchführen. Die Unternehmen, die im entgeltlichen Luftverkehr überwiegend internationalen Luftverkehr betreiben, werden vom Bundesfinanzministerium regelmäßig durch eine Liste veröffentlicht.5 Die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung müssen gem. § 8 Abs. 3 UStG buchmäßig nachgewiesen werden, ohne dass dieser Buchnachweis materiell-rechtliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung wäre.6 Auf der Grundlage des § 8 Abs. 3 Satz 2 UStG ist hierzu § 18 UStDV ergangen, der seinerseits auf § 13 Abs. 1 und 2 Nr. 1 bis 4 UStDV verweist.7
1 Vgl. EuGH v. 27.9.2007 – Rs. C-209/04 – Teleos, BStBl. II 2009, 70; v. 7.12.2010 – Rs. C-285/09 – R, UR 2011, 15; BFH v. 11.8.2011 – V R 19/10, BStBl. II 2011, 846; zu weiteren Einzelheiten Abschn. 6a.8 UStAE; zu den steuerstrafrechtlichen Folgens eines betrügerischen Karussellgeschäfts Schaumburg in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 17.41 ff. 2 Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a bzw. Nr. 2 Buchst. a UStG. 3 Heidner in Bunjes15, § 8 UStG Rz. 1; Stadie3, § 8 UStG Rz. 2. 4 Zu Einzelheiten Abschn. 8.1 Abs. 2 UStAE. 5 Z.B. BStBl. I 2016, 40. 6 EuGH v. 21.2.2008 – Rs-C 271/06 – Netto Supermarkt, UR 2008, 508; BFH v. 30.7.2008 – V R 7/03, UR 2009, 161; v. 28.5.2009 – V R 23/08, BFH/NV 2009, 1565. 7 Zu Einzelheiten Abschn. 8.3 UStAE.
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6. Grenzüberschreitende Beförderungen Gemäß § 4 Nr. 3 UStG sind grenzüberschreitende Beförderungen sowie andere sonstige Leistungen im Zusammenhang mit der Einfuhr und der Ausfuhr von der Umsatzsteuer befreit. Die Steuerbefreiung erfasst grundsätzlich grenzüberschreitende Beförderungen von Gegenständen und Beförderungen im internationalen Eisenbahnfrachtverkehr und andere sonstige Leistungen, soweit sie sich auf Gegenstände der Aus-und Einfuhr beziehen (§ 4 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a UStG), nicht aber innergemeinschaftliche Beförderungen von Gegenständen, für die eine Steuerbefreiung nicht vorgesehen ist.1 Die Befreiungsvorschrift steht im engen Zusammenhang mit den gem. § 4 Nr. 1 UStG steuerbefreiten Ausfuhrlieferungen (§ 6 UStG) und den Lohnveredelungen an Gegenständen der Ausfuhr (§ 7 UStG). Es entspricht dem Bestimmungslandprinzip und ist daher folgerichtig, wenn auch die diesbezüglichen Beförderungsleistungen von der Umsatzsteuer entlastet werden.2 Soweit Güterbeförderungen im Zusammenhang mit der Einfuhr freigestellt sind, korreliert § 4 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG mit § 11 Abs. 3 Nr. 3 und 4 UStG, nach dem die Bemessungsgrundlage der eingeführten Gegenstände für Zwecke der Einfuhrumsatzsteuer um den Wert der Beförderungsleistung bis zum ersten oder zu einem weiteren Bestimmungsort im Gemeinschaftsgebiet erhöht wird.3 Auf der gleichen Wertungsebene ist die Steuerbefreiung für andere sonstige Leistungen im Zusammenhang mit der Einfuhr und der Ausfuhr angesiedelt: Sonstige Leistungen im Zusammenhang mit Gegenständen der Einfuhr sind steuerfrei, wenn die Kosten für diese Leistungen in der für die Einfuhrumsatzsteuer maßgeblichen Bemessungsgrundlage (§ 11 UStG) enthalten sind.4 Damit werden einerseits ein unversteuerter privater Endverbrauch und andererseits eine Doppelbelastung mit Umsatzsteuer vermieden.5
10.106
Die Steuerbefreiung für grenzüberschreitende Güterbeförderungen, die sich im Wesentlichen an Frachtführer und Spediteure in den Fällen des Selbsteintritts (§ 458 HGB) richtet,6 setzt voraus, dass es sich um eine umsatzsteuerrechtlich selbstständig zu beurteilende Leistung handelt; anderenfalls greift insbesondere die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 1 i.V.m. § 6 UStG ein.7
10.107
Die Befreiung für grenzüberschreitende Güterbeförderungen8 wird unabhängig davon gewährt, ob die Beförderung9 mit Kraftfahrzeugen, Luftfahrzeugen, Eisen-
10.108
1 Der Ort der Lieferung beurteilt sich nach § 3 Abs. 3 UStG bzw. § 3a Abs. 2 UStG, so dass für die Steuerbelastung das Herkunfts-(Ursprungs-)Land maßgeblich ist; Stadie3, § 3b UStG Rz. 5; vgl. allerdings die Sonderregelung für Madeira und die Azoren in § 4 Nr. 3 Satz 1 Buchst. b UStG. 2 Schuhmann in R/D, § 4 Nr. 3 UStG Rz. 18; Wäger in R/K/L, § 4 Nr. 3 UStG Rz. 4; Stadie3, § 4 Nr. 3 UStG Rz. 3. 3 Das gilt auch im Falle der Steuerbefreiung gem. § 5 UStG; Abschn. 4.3.3 Abs. 2 Satz 4 UStAE; zu Einzelheiten Wäger in R/K/L, § 4 Nr. 3 UStG Rz. 31. 4 Abschn. 4.3.3 Abs. 2 UStAE. 5 Schuhmann in R/D, § 4 Nr. 3 UStG Rz. 19. 6 Vgl. Abschn. 4.3.2 Abs. 4 u. 5 UStAE; für (echte) Spediteure greift die Steuerbefreiung über § 3 Abs. 11 UStG ein (Rz. 10.112). 7 Stadie3, § 4 Nr. 3 UStG Rz. 2; Abschn. 4.3.1 Abs. 2 UStAE. 8 Befördern ist jede Fortbewegung eines Gegenstandes (§ 3 Abs. 6 Satz 2 UStG). 9 Sie liegt vor, wenn sie sich sowohl auf das Inland als auch auf das Ausland erstreckt (§ 3b Abs. 1 Satz 4 UStG).
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bahnen, Seeschiffen, Binnenschiffen oder etwa durch Rohrleitungen erfolgt.1 Nicht befreit sind die Beförderungen aus einem Freihafen in das Inland, wenn sich die beförderten Gegenstände in einer zollamtlich bewilligten Freihafen-Veredelung (§ 12b EUStBV) oder in einer zollamtlich besonders zugelassenen Freihafenlagerung (§ 12a EUStBV) befunden haben (§ 4 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. bb Satz 2 UStG).2 Der Ausschluss von der Steuerbefreiung steht im Zusammenhang mit § 1 Abs. 3 Nr. 4 und 5 UStG, wonach die Lieferungen der vorgenannten Gegenstände sowie die Freihafenanteile der entsprechenden Beförderungsleistungen als inländische Umsätze behandelt werden. Damit wird im Ergebnis dem Bestimmungslandprinzip entsprochen. 10.109
Ebenfalls ausgeschlossen ist die Steuerbefreiung für die in § 4 Nr. 8, 10, 11 und 11b UStG bezeichneten Umsätze, also bei Umsätzen des Geld- und Kapitalverkehrs, bei Versicherungsumsätzen und bei Post-Universaldienstleistungen (§ 4 Nr. 3 Satz 2 UStG). Schließlich gilt die Steuerbefreiung auch nicht für Be- oder Verarbeitungen von Gegenständen einschließlich Werkleistungen im Sinne des § 3 Abs. 10 UStG3 (§ 4 Nr. 3 Satz 2 UStG).
10.110
Die sich auf Gegenstände der Einfuhr beziehenden sonstigen Leistungen (§ 4 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. bb UStG) betreffen vor allem Güterbeförderungen, die im Anschluss an grenzüberschreitende Beförderungen an einen weiteren Bestimmungsort im Inland durchgeführt werden, den Umschlag und die Lagerung eingeführter Gegenstände sowie weitere handelsübliche Nebenleistungen wie etwa die Abfertigung zum freien Verkehr.4
10.111
Von § 4 Nr. 3 Satz 1 Buchst. c UStG werden sonstige Leistungen erfasst, die sich unmittelbar auf eingeführte Gegenstände, ausgenommen Beförderungsmittel, Paletten und Container, beziehen, für die zollamtlich eine vorübergehende Verwendung im Zollgebiet bewilligt worden ist. Bei diesen Gegenständen handelt es sich um Waren, die zur Wiederausfuhr bestimmt sind. Um einen unversteuerten Letztverbrauch im Inland zu vermeiden, ist die Steuerbefreiung auf Leistungen an ausländische Auftraggeber (§ 7 Abs. 2 UStG) beschränkt.
10.112
Da gem. § 3 Abs. 11 UStG die für die besorgte Leistung geltenden Vorschriften auf die Besorgungsleistung entsprechend anzuwenden sind, gilt die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 3 UStG nicht nur etwa für Frachtführer, sondern auch für (echte) Spediteure und sonstige Fälle der Dienstleistungskommission.5 Die jeweiligen Voraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 3 UStG müssen vom Unternehmer beleg- und buchmäßig nachgewiesen werden (§§ 20 und 21 UStDV).Der Beleg- und Buchnachweis ist nicht materiell-rechtliche Voraussetzung der Steuerfreiheit (Rz. 10.90). 7. Vermittlung von Exportumsätzen
10.113
Die Vermittlung bestimmter Umsätze wird nach § 4 Nr. 5 UStG von der Umsatzsteuer befreit. Bei den Umsätzen, auf die sich die Vermittlung bezieht, handelt es 1 2 3 4 5
Abschn. 4.3.3 Abs. 2 UStAE. Abschn. 4.3.3 Abs. 2 UStAE. Sog. Umtauschmüllerei. Im Einzelnen Abschn. 4.3.3 Abs. 1 UStAE. Schuhmann in R/D, § 4 Nr. 3 UStG Rz. 137 ff.; Stadie3, § 4 Nr. 3 UStG Rz. 9.
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sich vor allem um steuerfreie Umsätze. Zu den Umsätzen, die ausschließlich im Drittlandsgebiet bewirkt werden (§ 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. c UStG), gehören zwar an sich auch nicht steuerbare Umsätze, in den Fällen des § 3a Abs. 3 Nr. 4 UStG (Rz. 10.56) hat diese Regelung aber keine Bedeutung.1 Die Vermittlung von Umsätzen, die in anderen Mitgliedstaaten ausgeführt werden, ist dagegen steuerpflichtig. Als steuerfreie Umsätze werden im § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a UStG u.a. die Ausfuhrlieferungen gem. § 4 Nr. 1 Satz 1 Buchst. a UStG, nicht aber innergemeinschaftliche Lieferungen genannt (§ 4 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b UStG): Die Vermittlung dieser Umsätze ist von der Steuerbefreiung ausgenommen. Damit wird gewährleistet, dass ausländische Vermittler von Lieferungen im Gemeinschaftsgebiet keine Wettbewerbsvorteile erlangen.2 Von der Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a UStG erfasst werden zudem vor allem die Vermittlung der Umsätze für die Seeschifffahrt und Luftfahrt (§ 4 Nr. 2 UStG) sowie die Vermittlung der grenzüberschreitenden Güterbeförderung und anderer Dienstleistungen, die sich auf Gegenstände der Ausfuhr, Durchfuhr und Einfuhr beziehen (§ 4 Nr. 3 UStG). Gemäß § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. b UStG ist ferner die Vermittlung der grenzüberschreitenden Beförderung von Personen mit Luftfahrzeugen und Seeschiffen steuerbefreit, sofern die Vermittlung nicht durch Reisebüros für Reisende erfolgt (§ 4 Nr. 5 Satz 2 UStG). Diese Ausnahmeregelung, die die Besteuerung des Endverbrauchs gewährleisten soll, hat in der Praxis allerdings keine große Bedeutung, weil in aller Regel Unternehmer, etwa Reiseveranstalter und Hoteliers, die Vermittlungsleistungen in Anspruch nehmen.3 Soweit sich die Befreiung auf die Vermittlung von Exportumsätzen und Personenbeförderungsumsätze bezieht (§ 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. a und b UStG), folgt diese Steuerbefreiung ebenso wie die Steuerbefreiung für die vermittelten Umsätze selbst dem Bestimmungslandprinzip.4 Die Befreiungen nach § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. c UStG für die Vermittlung von Umsätzen, die ausschließlich im Drittlandsgebiet bewirkt werden, trägt ebenfalls dem Bestimmungslandprinzip Rechnung. Die Befreiung des § 4 Nr. 5 Satz 1 Buchst. d UStG für die Vermittlung von Lieferungen, bei denen sich nach § 3 Abs. 8 UStG der Ort der Lieferung im Inland befindet, (Rz. 10.20 f.) beruht demgegenüber auf der Erwägung, dass der vermittelnde Unternehmer nicht erkennen kann, wie die vermittelte Lieferung umsatzsteuerlich letztlich zu behandeln ist.5 Insgesamt dient § 4 Nr. 5 UStG auch Vereinfachungszwecken, weil anderenfalls (bei Steuerpflicht) wegen § 15 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a UStG ohnehin der Vorsteuerabzug gegeben wäre. Die Vorschrift macht daher Vorsteuererstattungen insoweit entbehrlich.6
10.114
Die Voraussetzungen der steuerfreien Vermittlungsleistungen sind buchmäßig nachzuweisen.7 Auf der Grundlage des § 4 Nr. 5 Satz 4 UStG ist hierzu § 22 UStDV ergangen.
10.115
1 2 3 4 5 6 7
Hierzu Stadie3, § 4 Nr. 5 UStG Rz. 9. Vgl. BT-Drucks. 8/1779; Rokos, UR 1992, 89 ff., 129 (133). Hierzu Heidner in Bunjes15, § 4 Nr. 5 UStG Rz. 8. Stadie3, § 4 Nr. 5 UStG Rz. 1. Zur Abweichung von der MwStSystRL Wenzel in R/D, § 4 Nr. 5 UStG Rz. 241. Heidner in Bunjes15, § 4 Nr. 5 UStG Rz. 1. Der Nachweis hat keine materiell-rechtliche Bedeutung; vgl. Rz. 10.90.
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8. Leistungen im Eisenbahnverkehr 10.116
Unter die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 6 Buchst. a UStG fallen Lieferungen und sonstige Leistungen, etwa die Gestellung von Personal und Betriebsanlagen, der Eisenbahn des Bundes auf bestimmten Bahnhöfen an der Grenze oder auf Grenzbetriebsstrecken und Durchgangsstrecken1 an ausländische Eisenbahnverwaltungen. Erfasst werden hierdurch auch grenzüberschreitende Leistungen. Die Befreiung dient in erster Linie der Vereinfachung, da die in Betracht kommenden Leistungsempfänger stets zum Vorsteuerabzug berechtigt sind.2 9. Lieferung eingeführter Gegenstände
10.117
Gemäß § 4 Nr. 6 Buchst. c UStG ist die Lieferung von eingeführten Gegenständen an im Drittlandsgebiet, ausgenommen Gebiete nach § 1 Abs. 3 UStG, ansässige Abnehmer steuerfrei, soweit für die Gegenstände zollamtlich eine vorübergehende Verwendung im Inland bzw. in den österreichischen Gebieten Jungholz und Mittelberg bewilligt worden ist. Diese Befreiungsvorschrift steht im Zusammenhang mit § 5 Abs. 2 UStG; § 1 Abs. 2 EUStDV,3 wonach die Einfuhr der vorgenannten Gegenstände unter bestimmten Voraussetzungen von der Einfuhrumsatzsteuer befreit ist. Die Befreiung führt dazu, dass die Gegenstände während der Dauer der vorübergehenden Verwendung im Inland unversteuert bleiben, womit im Ergebnis dem Bestimmungslandprinzip entsprochen wird.4 Die Beschränkung der Befreiung auf Lieferungen an im Drittlandsgebiet, ausgenommen in Gebieten nach § 1 Abs. 3 UStG, ansässige Abnehmer dient der Vermeidung eines unversteuerten Letztverbrauchs im Gemeinschaftsgebiet.5 Die Lieferung von Beförderungsmitteln, Paletten und Containern ist allerdings von der Steuerbefreiung ausgenommen (§ 4 Nr. 6 Buchst. c Satz 2 UStG). 10. Fährverkehr mit Helgoland
10.118
Im Hinblick darauf, dass die Personenbeförderungsleistungen zwischen dem Inland und der Insel Helgoland durch Ausdehnung der Hoheitsgewässer (Rz. 10.9) steuerbar sind (§ 1 Abs. 3 UStG), ist zwecks Vermeidung von Fahrpreiserhöhungen für Personenbeförderungsleistungen die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 6 Buchst. d UStG maßgeblich.6 11. Abgabe von Speisen und Getränken auf Seeschiffen
10.119
Die Steuerbefreiung gem. § 4 Nr. 6 Buchst. e UStG betrifft die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle auf Seeschiffen zwischen einem inländischen und ausländischen Seehafen sowie zwischen zwei ausländischen Seehäfen. Es geht hierbei im Wesentlichen um Restaurationsumsätze, 1 Es handelt sich hierbei um eine Beförderung im Inland an einer Durchgangsstrecke zwischen zwei ausländischen Strecken; BFH v. 4.7.2013 – V R 33/11, BStBl. II 2013, 937. 2 Fritsch in R/K/L, § 4 Nr. 6 UStG Rz. 11; Stadie3, § 4 Nr. 6 UStG Rz. 2. 3 Ausführlich hierzu Hillek/Roscher in R/D, § 5 UStG Rz. 1071 ff. 4 Stadie3, § 4 Nr. 6 UStG Rz. 3. 5 Regierungsbegründung zu § 4 Nr. 6c UStG, BT-Drucks. 12/2463. 6 Zu europarechtlichen Zweifeln Lange, DStZ 1996, 133 (134); Kraeusel, UR 1996, 353 ff.
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die als sonstige Leistungen anzusehen sind. Nicht befreit ist daher die Lieferung von Speisen und Getränken.1 12. Leistungen an NATO-Streitkräfte Gemäß § 4 Nr. 7 Satz 1 Buchst. a, b UStG sind steuerfrei Lieferungen, ausgenommen die Lieferung neuer Fahrzeuge (§ 1b Abs. 2, 3 UStG),2 und sonstige Leistungen, die an ausländische und an in einem anderen Mitgliedstaat stationierte NATO-Streitkräfte anderer Vertragsparteien als des Bestimmungsmitgliedstaates ausgeführt werden und für den Gebrauch oder Verbrauch dieser Streitkräfte bestimmt sind. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 7 Satz 1 Buchst. a UStG betrifft insbesondere wehrtechnische Gemeinschaftsprojekte der NATO-Partner, bei denen der Generalunternehmer im Inland ansässig ist, sowie die Lieferung von Rüstungsgegenständen an andere NATO-Partner.3 Demgegenüber erfasst die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 7 Satz 1 Buchst. b UStG Lieferungen und sonstige Leistungen an die im Gebiet eines anderen EU-Mitgliedsstaates stationierten NATO-Streitkräfte, wobei es sich nicht um die Streitkräfte dieses EU-Mitgliedstaates handeln darf.4 Voraussetzung ist, dass der Liefergegenstand in das Gebiet des anderen EU-Mitgliedstaates befördert oder versendet wird (§ 4 Nr. 7 Satz 2 UStG). Die Steuerbefreiung wird schließlich nur unter den in dem anderen EUMitgliedstaat maßgeblichen Voraussetzungen gewährt (§ 4 Nr. 7 Satz 3 UStG). Die Steuerbefreiung gilt nicht für Umsätze, die in § 26 Abs. 5 UStG bereits aufgrund der dort genannten Abkommen steuerbefreit sind. Mangels konkreter Vorschriften,5 kann die dem leistenden Unternehmer obliegende Nachweislast (§ 4 Nr. 7 Satz 4 UStG) auf jede geeignete Weise entsprochen werden.6
10.120
13. Leistungen an Diplomaten und zwischenstaatliche Einrichtungen Lieferungen, ausgenommen Lieferungen neuer Fahrzeuge (§ 1b Abs. 2, 3 UStG), und sonstige Leistungen an die im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates ansässigen ständigen diplomatischen Missionen, berufskonsularischen Vertretungen, zwischenstaatlichen Einrichtungen sowie deren Mitglieder sind gem. § 4 Nr. 7 Satz 1 Buchst. c, d UStG steuerfrei. Die Steuerbefreiung setzt voraus, dass der Gegenstand der Lieferung in das Gebiet des anderen Mitgliedstaates befördert oder versendet wird (§ 4 Nr. 7 Satz 2 UStG). Sie wird schließlich nur unter den im anderen Mitgliedstaat maßgeblichen Voraussetzungen gewährt (§ 4 Nr. 7 Satz 3 UStG). Der entsprechende Nachweis ist durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Behörde zu führen.7 1 Heidner in Bunjes15, § 4 Nr. 6 UStG Rz. 10 unter Hinweis auf EuGH v. 2.5.1996 – Rs. C-231/94, BStBl. II 1998, 282; Abschn. 4.6.2 Satz 2 UStAE; a.A. Stadie3, § 4 Nr. 6 UStG Rz. 5. 2 Diese unterliegen im anderen Mitgliedstaat der Erwerbsbesteuerung, so dass die Steuerbefreiung nach § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c UStG eingreift. 3 Vgl. Abschn. 4.7.1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 UStAE. 4 Vgl. Abschn. 4.7.1 Abs. 3 Satz 2 UStAE. 5 Von der Verordnungsermächtigung in § 4 Nr. 7 Satz 6 UStG hat das BMF (noch) nicht Gebrauch gemacht. 6 Vgl. BFH v. 5.7.2012 – V R 10/10, BStBl. II 2014, 539; einschränkend Abschn. 4.7.1 Abs. 7 Satz 5 UStAE. 7 Vgl. Abschn. 4.7.1 Abs. 6 Satz 3–6 UStAE.
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Kap. 10 Umsatzsteuer
IV. Steuerfreier innergemeinschaftlicher Erwerb Literatur Kommentare zu § 4b UStG; Birkenfeld/Forst, Das Umsatzsteuerrecht im Europäischen Binnenmarkt, Bielefeld 1992; Langer, Umsatzsteuer im Binnenmarkt, Herne/Berlin 1992; Noll/Rödder, Das neue Umsatzsteuerrecht des Exports und Imports, Düsseldorf 1992; Pich, Das neue Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz, Köln 1992; Pietzsch, der innergemeinschaftliche Erwerb, UVR 1993, 139; Rokos, Die Übergangsregelung bei der Umsatzsteuer für grenzüberschreitende Umsätze im Europäischen Binnenmarkt ab 1993, UR 1992, 89, 129; Rondorf, Das Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz, München 1992; Widmann, Das Umsatzsteuer-Binnenmarktgesetz, UR 1992, 249.
10.122
§ 4b UStG enthält Befreiungstatbestände, die darauf gerichtet sind, bestimmte innergemeinschaftliche Lieferungen im Ergebnis steuerlich nicht anders zu belasten als entsprechende inländische Lieferungen und Einfuhren.1 Die Vorschrift dient damit der Wettbewerbsneutralität und verwirklicht zugleich das Bestimmungslandprinzip. Durch § 4b Nr. 1 und 2 UStG werden innergemeinschaftliche Erwerbe2 von bestimmten Gegenständen befreit, deren Lieferung im Inland steuerfrei wäre. Erfasst wird insbesondere der Erwerb von Gold durch Zentralbanken, von gesetzlichen Zahlungsmitteln, die wegen ihres Metallgehaltes oder ihres Sammelwerts umgesetzt werden, Wasserfahrzeuge, die nach ihrer Bauart dem Erwerb durch die Seeschifffahrt oder der Rettung Schiffbrüchiger zu dienen bestimmt sind, von Gegenständen zur Einlagerung in ein Steuerlager (§ 4 Nr. 4a UStG) sowie von Gegenständen, die sich in einem zollrechtlichen Nichterhebungsverfahren (§ 4 Nr. 4b UStG) begründen.
10.123
§ 4b Nr. 3 UStG bezieht in die Steuerbefreiung folgerichtig auch den innergemeinschaftlichen Erwerb solcher Gegenstände ein, deren Einfuhr steuerfrei wäre.3 Hierdurch wird sichergestellt, dass innergemeinschaftliche Erwerbe im Inland nicht höher belastet werden als Einfuhren. Der Umfang der Steuerbefreiung ergibt sich zu einem wesentlichen Teil aus der EuStBV.4 In der Praxis ist insbesondere der Erwerb von Gegenständen mit geringem Wert, z.B. von Büchern und Zeitschriften (bis zu E 22 Gesamtwert je Sendung) von Bedeutung. § 4b Nr. 4 UStG befreit schließlich den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen, die zur Ausführung von Umsätzen verwendet werden, für die der Ausschluss vom Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 3 UStG nicht eintritt. Es handelt sich hierbei um eine sog. Vorstufenbefreiung, die im Hinblick auf eine nachfolgende steuerfreie Ausfuhr oder eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung aus Gründen der Vereinfachung gewährt wird.5
1 Stadie in R/D, § 4b UStG Rz. 5; Vellen in R/K/L, § 4b UStG Rz. 5. 2 Nur solche gem. § 3d Satz 1 UStG; Stadie3, § 4b UStG Rz. 1; Bay LfSt v. 2.4.2012, DStR 2012, 861; auch Fälle des § 3d Satz 2 UStG einbeziehend Robisch in Bunjes15, § 4b UStG Rz. 3. 3 Zur Befreiung von Einfuhren (§ 5 UStG) nachfolgend Rz. 10.124 ff. 4 Vgl. Abschn. 4b.1 Abs. 2 UStAE. 5 Vellen in R/K/L, § 4b UStG Rz. 26; die Regelung wird dagegen für überflüssig gehalten von Stadie in R/D, § 4b UStG Rz. 18.
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B. Steuerobjekt
V. Steuerfreie Einfuhr Literatur Kommentare zu § 5 UStG; Eckert, Die Steuerbefreiung gem. § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG; eine willkommene Vorschrift für den unehrlichen Unternehmer?, UVR 2000, 244; Schröder, Umsatzsteuer und Zollvorschriften ab 1. Januar 2004, UVR 2004, 259 ff.; Vellen, Befreiung von Umsatzsteuern bei der Einfuhr im grenzüberschreitenden Reiseverkehr, UR 1999, 402.
Steuerbefreiungen bei der Einfuhr von Gegenständen enthalten § 5 Abs. 1 UStG und die aufgrund verschiedener Ermächtigungsgrundlagen ergangene Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung.1 Darüber hinaus ergeben sich noch weitere Befreiungen aus anderen Vorschriften, etwa für Reisemitbringsel2 sowie für Waren in Kleinsendungen nichtkommerzieller Art3 und schließlich auch für Waren für in Deutschland stationierte ausländische Streitkräfte4 sowie in sonstigen Fällen.5 Die sich unmittelbar aus § 5 Abs. 1 UStG ergebenden Steuerbefreiungen dienen dem Ziel, eingeführte Waren keinen höheren inländischen Steuern zu unterwerfen, als sie gleichartige inländische Waren zu tragen haben.6 Soweit die Einfuhrumsatzsteuer ohnehin als Vorsteuer abzugsfähig wäre (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG), dient § 5 UStG zugleich der Vereinfachung.7 Die Durchführung von § 5 UStG ist Aufgabe der Zollbehörden (§ 21 Abs. 1 i.V.m. § 13 FVG).
10.124
Die Steuerfreiheit gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 UStG erstreckt sich insbesondere auf die Einfuhr von Gegenständen für die Seeschifffahrt und für die Luftfahrt (§ 8 UStG). Da für die Umsätze für die Seeschifffahrt und die Luftfahrt gem. § 15 Abs. 3 Nr. 1a UStG der Vorsteuerabzug erhalten bleibt, wird durch § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2 UStG aus Gründen auch der Vereinfachung sichergestellt, dass etwa eingeführte Ausrüstungsgegenstände für die Seeschifffahrt und die Luftfahrt ebenfalls nicht mit Umsatzsteuer belastet sind.
10.125
§ 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG sieht unter bestimmten Voraussetzungen eine Steuerbefreiung für die Fälle vor, in denen Drittlandswaren eingeführt und unmittelbar im Anschluss an die Einfuhr8 zur Ausführung einer innergemeinschaftlichen Lieferung verwendet werden. Hierdurch kann eine eingeführte Ware, die für einen Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat bestimmt ist, in den zoll- und einfuhrumsatzsteuerrechtlich freien Verkehr überführt werden, ohne dass zwischenzeitlich eine Einfuhrumsatzsteuer erhoben werden müsste.
10.126
1 EUStBV v. 11.8.1992, BGBl. I 1992, 1526. 2 Vgl. die Verordnung über die Eingangsabgabenfreiheit von Waren im persönlichen Gepäck der Reisenden (EFVO) v. 24.11.2008, BGBl. I 2008, 2235; BGBl. I 2009, 403; zu Einzelheiten Müller-Eiselt in R/K/L, § 5 UStG Rz. 498 ff. 3 Vgl. Kleinsendungs-Einfuhrfreimengen-Verordnung (KFVO) v. 11.1.1979, BGBl. I 1979, 73; zu Einzelheiten Müller-Eiselt in R/K/L, § 5 UStG Rz. 515 ff. 4 NATO-Truppenstatut v. 18.8.1961, BGBl. II 161, 1183; Offshore-Steuerabkommen v. 15.10.1954, BGBl. II 1955, 823; Gesetz zum Protokoll über die NATO-Hauptquartiere v. 17.10.1969 (BGBl. II 1969, 1997); vgl. auch Rz. 10.89. 5 EWG-VO Nr. 1410/74 betreffend Einfuhren aus Anlass von Katastrophenfällen; VO über EUROCONTROL v. 26.7.1972, BGBl. I 1972, 814. 6 Hillek/Roscher in R/D, § 5 UStG Rz. 26; Heidner in Bunjes15, § 5 UStG Rz. 1. 7 Stadie3, § 5 UStG Rz. 1. 8 Zeitlich verzögerte Lieferungen sind unschädlich; Hilleke/Roscher in R/D, § 5 UStG Rz. 311; Robisch in Bunjes15, § 5 UStG Rz. 7; Sterzinger in Birkenfeld/Wäger, Umsatzsteuer-Hdb., § 103 Rz. 85; a.A. Müller-Eiselt in R/K/L, § 5 UStG Rz. 185.
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Kap. 10 Umsatzsteuer
10.127
Während § 5 Abs. 1 Nr. 4 UStG die steuerfreie Einfuhr von bestimmten Gegenständen betrifft, die in ein Umsatzsteuerlager eingelagert werden sollen, normiert § 5 Abs. 1 Nr. 5 UStG die Steuerbefreiung der Einfuhr, die im Zusammenhang mit einer zu einer Auslagerung führenden Lieferung steht.1 Bei § 5 Abs. 1 Nr. 4 UStG handelt es sich um eine bloß temporäre Steuerbefreiung, weil bei Entnahme aus dem Umsatzsteuerlager (Auslagerung) die Einfuhr gem. § 4 Nr. 4a Satz 1 Buchst. a Satz 2 UStG steuerpflichtig wird.2 § 5 Abs. 1 Nr. 5 UStG betrifft dagegen die (steuerfreie) Einfuhr, die im sog. Nichterhebungsverfahren (Art. 84 Abs. 1 Buchst. a ZK/Art. 210 UZK) zeitlich erst nach der Auslagerung erfolgt. Da die Auslagerung, also z.B. die Lieferung aus dem Umsatzsteuerlager, zur Steuerpflicht führt, wird zwecks Vermeidung der Doppelbesteuerung die Einfuhr steuerfrei gestellt.3
10.128
§ 5 Abs. 1 Nr. 6 UStG regelt die steuerfreie Einfuhr von Erdgas über das Erdgasnetz oder mittels Erdgastanker und von Elektrizität sowie von Wärme oder Kälte über Wärme- oder Kältenetze. Diese Steuerbefreiung verwirklicht das Bestimmungslandprinzip und dient zugleich der Vereinfachung, weil Lieferungen gem. § 3g UStG umsatzsteuerbar und -pflichtig sind (Rz. 10.26).4
10.129
Die auf § 5 Abs. 2 Nr. 1 UStG und anderen Ermächtigungsgrundlagen beruhende Einfuhrumsatzsteuer-Befreiungsverordnung enthält zahlreiche Steuerbefreiungen. Hierunter fallen beispielsweise die Einfuhr von Umzugs-, Heirats- und Erbschaftsgut, von erzieherischen, wissenschaftlichen und kulturellen Gegenständen sowie insbesondere von Gegenständen von geringem Wert.5 Die Einfuhrumsatzsteuerbefreiung für Sendungen von Waren, deren Gesamtwert von 22 Euro je Sendung nicht übersteigt (§ 1a EUStBV), wird in der Praxis insbesondere von Versandhändlern in Anspruch genommen, die von Drittstaaten aus an inländische Nichtunternehmer liefern.6
10.130
Auf der Grundlage von § 5 Abs. 2 Nr. 2 UStG sind Steuerbefreiungen für Einfuhren im nichtkommerziellen Reiseverkehr im Rahmen bestimmter Mengen- und Wertgrenzen Befreiungen von der Einfuhrumsatzsteuer vorgesehen für Waren, die Reisende gelegentlich und ausschließlich zum persönlichen Ge- oder Verbrauch, für ihren Haushalt oder als Geschenk in ihrem persönlichen Gepäck einführen.7
10.131
Eine Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer ergibt sich ferner aufgrund internationaler Abkommen, wonach insbesondere die Einfuhr für in Deutschland stationierte ausländische Streitkräfte, für im Inland ansässige internationale Organisationen und wegen gutnachbarlicher Beziehungen steuerbefreit ist.8 1 2 3 4 5 6
Zu Einzelheiten Hillek/Roscher in R/D, § 5 UStG Rz. 391 ff., 471 ff. Hillek/Roscher in R/D, § 5 UStG Rz. 418; Langer, DB 2004, 17 (23). Hillek/Roscher in R/D, § 5 UStG Rz. 491. Zu Einzelheiten Weber, DStZ 2005, 109 (110). Einzelheiten hierzu bei Hilleke/Roscher in R/D § 5 UStG Rz. 661 ff. Vgl. Robisch in Bunjes15, § 5 UStG Rz. 11; zu steuerstrafrechtlichen Problemen in diesem Zusammenhang Schaumburg in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 17.48 ff. 7 Verordnung über die Eingangsabgabenfreiheit von Waren im persönlichen Gepäck der Reisenden (EFVO) v. 24.11.2008, BGBl. I 2008, 2235; BGBl. I 2009, 403; im Einzelnen hierzu Hillek/Roscher in R/D, § 5 UStG Rz. 1571 ff. 8 Vgl. hierzu den Überblick bei Müller-Eiselt in R/K/L, § 5 UStG Rz. 524 ff.
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C. Steuersubjekt
C. Steuersubjekt Literatur Kommentare zu § 2 UStG; Birkenfeld, Gedanken zur grenzüberschreitenden Organschaft, UR 2010, 198; Dziadkowski, Zum Unternehmerbegriff des Umsatzsteuergesetzes, StVj. 1989, 326; Brinkmann/Walter-Yadegardjam, Die Einbeziehung von Personengesellschaften in die umsatzsteuerliche Organschaft, DStR 2016, 650; Dziadkowski, Zur Unternehmereigenschaft von Steuersubjekten, die nicht als „geborene Unternehmer“ zu qualifizieren sind, UR 1989, 137; Giesberts, Der Unternehmer: Ein „Händler am Markt“?, UR 1989, 257; Giesberts, Zur Qualifizierung des Unternehmerbegriffs, UR 1993, 279; Grambeck, Grundsatzentscheidungen des BFH zur umsatzsteuerlichen Organschaft, StuB 2016, 268; Hartmann, Umatzsteuerrechtliche Organschaft gem. § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG verstößt gegen das Unionsrecht, Stbg 2016, 18; Heuermann, Neujustierung der Konzernbesteuerung in der USt, DK 2016, 163; Hillek/Friedrich-Vache, Das Reverse-Charge-Verfahren im internationalen Waren- und Dienstleistungsverkehr, in Kirchhof/Nieskens (Hrsg.), FS für Reiß, Köln 2008, 251; Hudasch/Höink, Die Ausgestaltung der umsatzsteuerlichen Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG auf dem unionsrechtlichen Prüfstand – BFH nimmt den Ball des EuGH nicht auf … oder doch?!, UVR 2016, 106; Hundt-Eßwein, Der Leistungsempfänger als Steuerschuldner nach § 13b UStG, UStB 2003, 138; Kempf, Die Einführung des Reverse-Charge-Verfahrens als Möglichkeit der Bekämpfung von Umsatzsteuerausfällen und seine praktischen Probleme, in Kirchhof/Nieskens (Hrsg.), FS für Reiß, Köln 2008, 275; Klenk, Die Funktion des Unternehmens im Mehrwertsteuersystem, UR 1993, 284; Lange, Juristische Personen des öffentlichen Rechts als Unternehmer, UR 2000, 1; Monfort, Abschaffung des Abzugsverfahrens bzw. der Null-Regelung und Umkehrung der Steuerschuldnerschaft durch das Steueränderungsgesetz 2001, UR 2002, 245; Nieskens, Mythos Unionsrecht, BB 2015, 2074; Offerhaus, Der Unternehmer im Umsatzsteuerrecht, UR 1991, 279; Raudszus, Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers, UStB 2002, 258; Rau, Die Umsatzsteuer bei Unternehmensverbindungen, Verbänden und Kooperationen, UR 1987, 121; Schaub, Der umsatzsteuerliche Unternehmerbegriff, München 1989; Stößel/Gries, Die umsatzsteuerliche Organschaft im Wandel? – Aktuelle unionsrechtliche Perspektiven, Ubg 2015, 606; Streit/Rust, Die Entscheidung des EuGH in Sachen Larentia + Minerva – Rechtsfolgen für die deutsche umsatzsteuerliche Organschaft, DStR 2015, 2097; Tehler, Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers, UR 2002, 412; Tiede, Die Holding als umsatzsteuerlicher Unternehmer, Lohmar 2001; Tüchelmann, Zur grenzüberschreitenden Organschaft im Umsatzsteuerrecht, UR 1989, 109; Wäger, Organschaft im Umsatzsteuerrecht, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 189; Wagner, Umsatzsteuer und öffentliche Hand, DStJG (13) 1990, 59; Widmann, Anwendung des neuen § 2b UStG gem. § 27 Abs. 22 UStG, UR 2016, 13.
Steuersubjekt und damit Steuerschuldner der Umsatzsteuer1 sind grundsätzlich im In- oder Ausland ansässige Unternehmer (§§ 2; 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG). Darüber hinaus können auch Nichtunternehmer als Steuersubjekte und Steuerschuldner in Betracht kommen: – Beim innergemeinschaftlichen Erwerb z.B. natürliche Personen als Privatpersonen (§ 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG), – bei einer fälschlich als innergemeinschaftlich befreite Lieferung behandelten Leistung ein privater Abnehmer (§ 13a Abs. 1 Nr. 3 UStG), – bei einer zu Unrecht ausgewiesenen Umsatzsteuer auch derjenige, der Nichtunternehmer ist (§ 13a Abs. 1 Nr. 4 UStG), – beim innergemeinschaftlichen Reihengeschäft der letzte Abnehmer, wozu auch juristische Personen des öffentlichen Rechts als Nichtunternehmer zählen (§ 13a Abs. 1 Nr. 5 UStG), und schließlich 1 In der Terminologie der MwStSystRL „Steuerpflichtiger“; hierzu Stadie3, § 2 UStG Rz. 7.
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10.132
Kap. 10 Umsatzsteuer
– im Falle der Einfuhr hinsichtlich der Einfuhrumsatzsteuer, die auch von Nichtunternehmern (Zollschuldner) erhoben wird (§ 13a Abs. 2 UStG). Eine Erweiterung auf Nichtunternehmer erfolgt schließlich auch dadurch, dass etwa gem. § 2a UStG ein Fahrzeuglieferer, der Nichtunternehmer ist, insoweit als Unternehmer fingiert wird, als er im Inland ein neues Fahrzeug liefert und dieses im Rahmen der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet gelangt. In den vorgenannten Fällen ist das Steuersubjekt im Grundsatz zugleich auch Steuerschuldner. Zu einem Auseinanderfallen kommt es allerdings beim innergemeinschaftlichen Reihengeschäft (§§ 13a Abs. 1 Nr. 5, 25b Abs. 2 UStG) und darüber hinaus gem. § 13b Abs. 5 UStG, wonach die Steuerschuld von dem die Leistung erbringenden Steuersubjekt (Unternehmer) auf den Leistungsempfänger verlagert wird (Reverse-Charge-Verfahren).1 Angesprochen sind hierdurch insbesondere Werklieferungen und sonstige Leistungen von im Ausland ansässigen Unternehmern. 10.133
Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt.2 Da der Unternehmerbegriff auf eine zivilrechtliche Rechtsfähigkeit nicht abstellt, kann jedes Gebilde in- oder ausländischen Rechts, das ein Mindestmaß an Organisation besitzt, um als solches nach außen hin auftreten und Leistungen erbringen zu können, Unternehmer sein.3 Unternehmerfähig sind daher vor allem natürliche und juristische Personen als solche, nicht aber etwa deren Betriebsstätten (§ 12 AO), denen es schon an der vom Gesetz geforderten Selbständigkeit fehlt.4
10.134
Die Unternehmereigenschaft bezieht sich grundsätzlich nur auf denjenigen, der im Außenverhältnis eine unternehmerische Tätigkeit ausübt.5 Im Hinblick darauf sind verdeckte Vertreter (Strohmänner) ebenso Unternehmer wie etwa (ausländische) Domizilgesellschaften (Rz. 13.23 ff.), soweit diese die Leistungen aufgrund eigener Verpflichtungen erbringen.6 Dem gegenüber sind in- oder ausländische Holdinggesellschaften keine Unternehmer, soweit sie sich darauf beschränken, nur Anteile anderer Gesellschaften zu erwerben, zu halten und zu veräußern (Finanzholdings).7 Wenn darüber hinaus allerdings die Beteiligung dazu dient, un1 Hierzu Hundt-Eßwein, UStB 2003, 138 ff.; Monfort, UR 2002, 245 ff.; Raudszus, UStB 2002, 258 ff.; Tehler, UR 2002, 412 ff.; Kempf in FS Reiß, 275 ff.; Hillek/Friedrich-Vache in FS Reiß, 251 ff. 2 Auslegung i.S.v. Art. 9–13 MWStSystRL; vgl. BFH v. 15.4.2010 – V R 10/09, BFH/NV 2010, 1574. 3 BFH v. 21.4.1994 – V R 105/91, BStBl. II 1994, 671; Stadie in R/D, § 2 UStG Rz. 82. 4 Stadie in R/D, § 2 UStG Rz. 88. 5 Stadie in R/D, § 2 UStG Rz. 555; Korn in Bunjes15, § 2 UStG Rz. 36, 40. 6 BFH v. 28.1.1999 – V R 4/98, BStBl. II 1989, 628; v. 31.1.2002 – V B 108/01, BStBl. II 2004, 622; v. 12.8.2009 – XI R 48/07, BFH/NV 2000, 259; v. 10.11.2010 – XI R 15/09, BFH/NV 2011, 867 alle zu „Strohmännern“ und BFH v. 9.7.2001 – V B 198/00, BFH/NV 2002, 79 zu (ausländischen) Domizilgesellschaften. 7 EuGH v. 14.11.2000 – Rs. C-142/99 – Foridienne v. Berginvest, Slg. 2000, I-9567; v. 27.9. 2001 – Rs. C-16/00 – Cibo Participation, Slg. 2001, I-663, Tz. 20; v. 6.9.2012 – Rs. C-496/11 – Portugal Telecom, ECLI:EU:C:2012:557 = UR 2012, 762, Tz. 33; v. 16.7. 2015 – Rs. C-108, 109/14 – Larentia + Minerva, Marenave, UR 2015, 671, Tz. 19; BFH v. 19.1.2016 – XI R 38/12, DB 2016, 626, Tz. 38 f.; Abschn. 2.3 Abs. 2 Satz 1 UStAE; vgl. auch Jesse in Luther/Bayer, Holding-Handbuch5, Rz. 15.524.
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C. Steuersubjekt
mittelbar in die Verwaltung der nachgeschalteten Gesellschaften einzugreifen, ihnen gegenüber also administrative, finanzielle, kaufmännische oder technische Dienstleistungen erbracht werden (Führungs- oder Funktionsholdings), ist die Unternehmereigenschaft zu bejahen.1 Eine Ausnahme von dem für den Unternehmerbegriff maßgeblichen Grundsatz der Rechtsformunabhängigkeit macht § 2b UStG.2 Danach gelten juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht als Unternehmer, soweit sie Tätigkeiten in Ausübung öffentlicher Gewalt ausüben und hierdurch keine größeren Wettbewerbsverzerrungen entstehen. Hierzu gehören Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts unabhängig davon, ob es sich um solche des deutschen oder ausländischen Rechts handelt.3 Die Ausübung öffentlicher Gewalt zählt damit grundsätzlich auch dann zum nichtunternehmerischen Bereich, wenn sie grenzüberschreitende Wirkungen hat.4
10.135
Es kommt auch nicht darauf an, ob der Unternehmer im Ausland oder im Inland ansässig ist, ob er die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder nicht oder ob er als juristische Person nach deutschem oder ausländischem Recht errichtet ist.5 Im Hinblick darauf umfasst das Unternehmen die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmens, und zwar auch soweit sich diese auf das Ausland erstreckt (Unternehmenseinheit). Die inländische Betriebsstätte eines im Ausland ansässigen Unternehmers bildet deshalb ebenso wenig ein eigenständiges Unternehmen wie im umgekehrten Fall.6 Besonderheiten ergeben sich allerdings für im Inland nicht ansässige Unternehmer, die hier ausschließlich steuerfreie Umsätze ausführen und keine Vorsteuer abziehen können: Zur Erfüllung ihrer Steuererklärungspflichten7 haben sie die Möglichkeit, einen Fiskalvertreter zu bestellen (§§ 22a bis 22e UStG), der die Pflichten des betreffenden ausländischen Unternehmers als eigene zu erfüllen hat (§ 22b Abs. 1 UStG). Damit ist ihm auch die eigentlich dem Unternehmer obliegende Pflicht, gesonderte Aufzeichnungen zu führen, auferlegt (§ 22b Abs. 2, 3 UStG). Dementsprechend erhält der Fiskalvertreter8 für jeden von ihm vertretenen ausländischen Unternehmer eine gesonderte Steuernummer und USt-IdNr. (§ 22d Abs. 1 UStG). Der
10.136
1 EuGH v. 27.9.2001 – Rs. C-16/00 – Cibo Participations, Slg. 2000, I-6663; v. 12.7.2001 – Rs. C-102/00 – Welthgrove, Slg. 2001, I-5679; v. 6.9.2012 – Rs. C-496/11 – Portugal Telecom, ECLI:EU:C:2012:557 = UR 2012, 762, Tz. 34; v. 16.7.2015 – Rs. C-108, 109/14 – Larentia + Minerva, Marinave, UR 2015, 671, Tz. 21; BFH v. 19.1.2016 – XI R 38/12, DB 2016, 626, Tz. 4.2; BFH v. 1.6.2016 – XI R 17/11, DStR 2016, 1668, Tz. 86 ff.; Abschn. 2.3 Abs. 3 Satz 5 Nr. 3 UStAE; vgl. auch Jesse in Luther/Bayer, Holding-Handbuch5, Rz. 15.525 ff. 2 Geltung für Umsätze ab 1.1.2017 mit Optionsmöglichkeit für § 21 Abs. 3 UStG a.F. bis 31.12.2020; § 27 Abs. 22 UStG; zu Anwendungsproblemen Widmann, UR 2016, 13. 3 Vgl. Stadie in R/D, § 2 UStG Rz. 1190 f.; Abschn. 2.11 Abs. 1 Satz 4 UStAE (lediglich entsprechende Anwendung). 4 Vgl. EuGH v. 16.9.2008 – Rs. C-288/07 – Isle of Wight, UR 2008, 816; v. 13.12.2007 – Rs. C-408/06 – Götz, Slg. 2008, I-11295. 5 BFH v. 21.4.1994 – V R 105/91, BStBl. II 1994, 671. 6 Stadie3, § 2 UStG Rz. 21. 7 Voranmeldung: § 18 Abs. 1, 2 UStG; Steuererklärung: § 18 Abs. 3, 4, 4c UStG; zusammenfassende Meldung für innergemeinschaftliche Warenlieferungen: § 18a UStG. 8 Gemäß § 22a Abs. 2 UStG i.V. mit §§ 3 Nr. 1 bis 3; 4 Nr. 9 Buchst. c StBerG sind hierzu befugt die steuerberatenden Berufe sowie Spediteure, Zolldeklaranten und Lagerhalter, soweit die zuletzt genannten drei Berufsgruppen nicht Kleinunternehmer (§ 19 UStG) sind.
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Kap. 10 Umsatzsteuer
Fiskalvertreter wird insbesondere in den Fällen der steuerfreien Einfuhren (§ 5 Abs. 1 Art. 3 UStG), steuerfreien innergemeinschaftlichen Erwerbe (§ 4b Nr. 4 UStG), an die sich unmittelbar steuerfreie Ausfuhrlieferungen (§ 4 Nr. 1 Buchst. a i.V.m. § 6 UStG), steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen (§ 6a UStG) oder steuerfreie, den Vorsteuerabzug nicht ausschließende Inlandslieferungen (z.B. § 4 Nr. 2 i.V.m. § 8 UStG) anschließen, tätig werden.1 10.137
So weit im Ausland ansässige Unternehmer2 im Inland entweder keine Umsätze oder nur die folgenden Umsätze ausführen – grenzüberschreitende Beförderungsleistungen (§ 4 Nr. 3 UStG), – Lieferungen und sonstige Leistungen, für die das Reverse-Charge-Verfahren gilt (§ 13b UStG), – Beförderungsleistungen, die der Einzelbesteuerung unterliegen (§§ 16 Abs. 5, 18 Abs. 5 UStG), – innergemeinschaftliche Erwerbe und daran anschließende Lieferungen (§ 25 Abs. 2 UStG) oder – auf elektronischem Wege erbrachte sonstige Leistungen an Nichtunternehmer bei Ausübung des Wahlrechts im Sinne einer steuerlichen Erfassung in nur einem EU-Mitgliedstaat (§ 3a Abs. 5 UStG i.V. mit § 18 Abs. 4c UStG), wird ihnen die abziehbare Vorsteuer auf Antrag durch das Bundeszentralamt für Steuern vergütet (§ 18 Abs. 9 UStG, § 59 UStDV),3 wobei im Rahmen des Vorsteuer-Vergütungsverfahrens zwischen im Gemeinschaftsgebiet und im Drittlandsgebiet ansässigen Unternehmen differenziert wird: Für nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer wird die Vorsteuer nur vergütet, wenn in dem Ansässigkeitsstaat keine Umsatzsteuer erhoben oder im Fall der Erhebung im Inland ansässigen Unternehmern diese vergütet wird (§ 18 Abs. 9 Satz 4 UStG).4 Ausnahmen hiervon enthält einerseits § 18 Abs. 9 Satz 6 UStG5 und andererseits § 18 Abs. 9 Satz 5 UStG, wonach Vorsteuerbeträge, die auf den Bezug von Kraftstoffen entfallen, nicht vergütet werden. Sind die Voraussetzungen für die Anwendung des Vorsteuer-Vergütungsverfahrens nach § 59 UStDV nicht erfüllt, können Vorsteuerbeträge nur im allgemeinen Besteuerungsverfahren (§§ 16, 18 Abs. 1 bis 4 UStG) berücksichtigt werden.
10.138
Während die Antragstellung für im Drittlandsgebiet ansässige Unternehmer beim Bundeszentralamt für Steuern zu erfolgen hat (§ 5 Abs. 1 Nr. 8 FVG),6 ist 1 Hierzu Korn in Bunjes15, § 22a UStG Rz. 5. 2 Vgl. § 59 Satz 2 UStDV, wonach ein ausländischer Unternehmer nicht derjenige ist, der im Inland eine Betriebsstätte unterhält; dagegen richtlinienkonforme Auslegung durch BFH v. 5.6.2014 – V R 50/13, BFH/NV 2014, 1689; nur wenn von der inländischen Betriebsstätte aus Umsätze getätigt werden. 3 Das Verfahren soll der Vereinfachung und Beschleunigung dienen; vgl. Leonard in Bunjes15, § 18 UStG Rz. 36. 4 Diese Gegenseitigkeitsklausel ist akzeptiert worden vom BFH v. 10.4.2003 – V R 35/01, BStBl. II 2003, 782 und vom EuGH v. 15.7.2010 – Rs. C-582/08 – Kommission/UK, BFH/NV 2010, 1762; vgl. zum Verzeichnis der Staaten, zu denen Gegenseitigkeit gegeben ist BMF v. 17.10.2014 – IV D 3 - S 7359/07/10009, BStBl. I 2014, 1369. 5 Vgl. hierzu Abschn. 18.11 Abs. 4 Satz 4 UStAE. 6 Zu Einzelheiten Abschn. 18.14 UStAE.
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C. Steuersubjekt
der Antrag von im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmen nur der zuständigen Stelle in dem anderen Mitgliedstaat dem Bundeszentralamt für Steuern zuzuleiten.1 Im Inland ansässige Unternehmer, denen in einem anderen EU-Mitgliedstaat von Unternehmen Umsatzsteuer in Rechnung gestellt werden, können ebenfalls beim Bundeszentralamt für Steuern Anträge auf Vorsteuervergütung stellen, wobei die entsprechenden Anträge nach Vorprüfung an die zuständigen ausländischen Behörden weitergeleitet werden (§ 18g UStG).2
10.139
Eine weitere Sonderregelung enthält § 18h UStG, der in den Fällen des § 3a Abs. 5 UStG eingreift, wonach Telekommunikationsdienstleistungen, Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen sowie auf elektronischem Weg erbrachte Dienstleistungen an innerhalb der EU ansässige Privatpersonen dort erbracht werden, wo diese ansässig sind (Rz. 10.57). Um zu verhindern, dass die leistenden Unternehmer sich in den betreffenden Mitgliedstaaten registrieren lassen müssen, sieht § 18h UStG eine einzige elektronische Anlaufstelle für umsatzsteuerliche Zwecke vor. Danach können die betreffenden Unternehmer im Rahmen eines vereinfachten Besteuerungsverfahrens die ausländische Umsatzsteuer an das Bundeszentralamt für Steuern abführen.3
10.140
Soweit die Unternehmereigenschaft wegen mangelnder Selbständigkeit verneint wird, etwa bei einer Organgesellschaft4, die finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert ist (Organschaft),5 sind die Wirkungen der Organschaft lediglich auf die Innenleistungen zwischen den im Inland gelegenen Unternehmensteilen beschränkt (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 UStG).6 Diese Unternehmensteile sind als ein Unternehmen zu behandeln (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 UStG). Hat der Organträger seine Geschäftsleitung außerhalb des Inlands, so gilt der wirtschaftlich bedeutendste Unternehmensteil im Inland als der Unternehmer (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 4 UStG). Zu den im Inland gelegenen Unternehmensteilen gehören insbesondere die im Inland ansässigen Organträger und deren inländischen Organgesellschaften sowie inländische Betriebsstätten inländischer Organträger oder deren in- oder ausländischen Organgesellschaften.7 Darüber hinaus zählen auch inländische Organgesellschaften ausländischer Organträger sowie inländische Betriebsstätten auslän-
10.141
1 Zu Einzelheiten Abschn. 18.13 UStAE. 2 Zu neueren Entwicklungen aufgrund der Rspr. des BFH und des EuGH Grube, MwStR 2015, 202 ff. 3 Sog. Mini-One-Stop-Shop (MOSS); zu Einzelheiten Sterzinger in R/D, § 18h UStG Rz. 60 ff.; Treiber in S/R, § 18h UStG Rz. 1 ff.; Leonhard in Bunjes15, § 18h UStG Rz. 1 ff. 4 Zu den in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG genannten juristischen Personen zählen aufgrund richtlinienkonformer Auslegung auch Personengesellschaften; EuGH v. 16.7.2015 – Rs. C-108, 109/14 – Larentia + Minerva, Marinave, UR 2015, 671, Tz. 37; BFH v. 19.1.2016 – XI R 38/12, DB 2016, 626, Tz. 6.4 ff.; v. 1.6.2016 – XI R 17/11, DStR 2016, 1668, Tz. 68 ff. 5 Vgl. hierzu Hartmann, Stbg. 2016, 18; Küffner/Rust, DK 2016, 163; Stößel/Gries, Ubg 2015, 606; Heuermann, DB 2016, 608; Brinkmann/Walter-Yadegardjam, DStR 2016, 650; Hudasch/Höink, UVR 2016, 106; Grambeck, StuB 2016, 268; Nieskens, BB 2015, 2074; Streit/Rust, DStR 2015, 2097; vgl. auch OFD Frankfurt/M., Rdvfg. v. 24.5.2016, MWStR 2016, 636. 6 Vgl. hierzu Wäger in FS Schaumburg, 1189 ff. 7 Vgl. Abschn. 2.9 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 UStAE.
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Kap. 10 Umsatzsteuer
discher Organträger oder von diesen nachgeschalteten in- oder ausländischen Organgesellschaften zu den im Inland gelegenen Unternehmensteilen.1 Soweit es sich um inländische Organträger handelt, gehören deren ausländische Organgesellschaften mithin nicht zum Unternehmen des Organträgers, so dass insoweit ein umsatzsteuerlich beachtlicher Leistungsaustausch möglich ist.2 Entsprechendes gilt für ausländische Betriebsstätten inländischer Organgesellschaften, so dass auch sie nicht an der inländischen Organschaft teilnehmen.3
1 Vgl. Abschn. 2.9 Abs. 3 Nr. 4 u. 5 UStAE; demgegenüber hat der EuGH v. 17.9.2014 – Rs. C-7/13 – Skandia Sverige, UR 2014, 8 entschieden, dass ein ausländischer Organträger nicht Mitglied einer Mehrwertsteuergruppe sein kann, so dass etwa Leistungen des ausländischen Organträgers an die inländischen Betriebsstätte steuerbar seien; vgl. hierzu Treiber in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 22.72 ff. 2 Vgl. Abschn. 2.9 Abs. 6 Sätze 4 u. 5 UStAE. 3 Vgl. Abschn. 9 Abs. 6 Sätze 7 u. 8 UStAE.
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Kapitel 11 Besondere Verkehr- und Verbrauchsteuern A. Einführung . . . . . . . . . . . . . B. I. 1. 2. 3. 4. 5. II. III. IV.
Besondere Verkehrsteuern . . . Grunderwerbsteuer . . . . . . . . Territorialitätsprinzip . . . . . . Rechtsträgerwechsel . . . . . . . Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften . . . . . Anteilsvereinigung . . . . . . . . Steuerbefreiungen . . . . . . . . Versicherungsteuer und Feuerschutzsteuer . . . . . . . . . . . . Kraftfahrzeugsteuer und Luftverkehrsteuer . . . . . . . . . . . Rennwett- und Lotteriesteuer .
___ __ _ _ _ _ _ _ _
11.1
11.6 11.6 11.6 11.8
11.14 11.16 11.18
11.20
11.28 11.35
C. Besondere Verbrauchsteuern . . 11.40
I. 1. 2. 3. 4. II. III. IV. 1. 2. 3. 4. 5. V.
Energiesteuer . . . . . . . . . . Belastungswirkungen . . . . . Steueraussetzungsverfahren . Steuerrechtlich freier Verkehr Sondervorschriften für Kohle und Erdgas . . . . . . . . . . . . Stromsteuer . . . . . . . . . . . Tabaksteuer . . . . . . . . . . . Alkoholsteuern . . . . . . . . . Selektive Besteuerung . . . . . Branntweinsteuer (Alkoholsteuer) . . . . . . . . . . . . . . Schaumweinsteuer . . . . . . . Biersteuer . . . . . . . . . . . . Alkopopsteuer . . . . . . . . . . Kaffeesteuer . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . .
_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ __
11.40 11.40 11.43 11.49
11.55 11.63 11.67 11.74 11.74
11.76 11.79 11.82 11.87 11.91
Literatur Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, 2. Aufl. München 2011; Bruschke, Grunderwerbsteuer, Kraftfahrzeugsteuer und andere Verkehrsteuern, 6. Aufl. Achim 2011; Demuth/Billan, Verbrauchsteuer und Europäische Rechtsprinzipien, BB 2013, 1180; Desens, Verkehrsteuern in Festschrift P. Kirchhof, Heidelberg 2013, § 189; Drüen, Der Steuertypus der Verbrauchsteuer – dargestellt am Negativbeispiel der Kernbrennstoffsteuer, ZfZ 2012, 309; Englisch in Tipke/Lang, Steuerecht, 22. Aufl. Köln 2015, § 18; Englisch, Spezielle Verkehr- und Verbrauchsteuern: terra incognita der Steuerrechtswissenschaft, StuW 2015, 52; Englisch, Verbrauch- und Aufwandsteuern in Festschrift P. Kirchhof, Heidelberg 2013, § 190; J. Förster, Die Verbrauchsteuern, Heidelberg 1989; Jatzke, Das System des deutschen Verbrauchsteuerrechts unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Verbrauchsteuerharmonisierung in der Europäischen Union, Berlin 1997; Jatzke, Belastungswirkungen der Umsatzsteuer und der besonderen Verbrauchsteuern, ZfZ 2011, 109; Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, München 2016; F. Kirchhof, Verbrauchsteuern im Lichte des Verfassungsrechts, BB 2015, 278; Krumm, Besondere Verbrauchsteuern im Lichte des verfassungs- und unionsrechtlichen Gleichheitssatzes, ZfZ 2014, 289; Müller, Struktur, Entwicklung und Begriff der Verbrauchsteuern, Berlin 1996; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Verkehr- und Verbrauchsteuerrecht, in Festschrift Reiß, Köln 2008, 25; Seer, Die besonderen Verbrauchsteuern und die Umsatzsteuer – ein unabgestimmtes Konglomerat, ZfZ 2013, 146; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II, Köln 2003, §§ 17,18; Tipke, Das Folgerichtigkeitsgebot im Verbrauch- und Verkehrsteuerrecht, in Festschrift Reiß, Köln 2008, 9.
A. Einführung Anknüpfend an ihre gesetzestechnische Ausgestaltung zählen neben der Umsatzsteuer (Rz. 10.1 ff.) zu den besonderen Verkehrsteuern die Grunderwerbsteuer, Versicherungsteuer, Feuerschutzsteuer, Kraftfahrzeugsteuer, Rennwett- und Lotteriesteuer und die Luftverkehrsteuer. Die vorgenannten Steuern sind darauf gerichtet, den wirtschaftlichen Aufwand zu belasten, der insbesondere durch Schaumburg
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11.1
Kap. 11 Besondere Verkehr- und Verbrauchsteuern
Verkehrsakte ausgelöst wird. Entsprechend dieser Belastungswirkung handelt es sich bei den besonderen Verkehrsteuern ebenso wie bei der Umsatzsteuer (Rz. 10.1) um Steuern auf die Verwendung von Einkommen und Vermögen,1 wodurch eine die Erhebung dieser Steuern rechtfertigende Leistungsfähigkeit indiziert wird.2 Belastet werden aber nicht nur Privatpersonen, sondern auch Unternehmer mit der Folge, dass nicht auf Überwälzung angelegte Verkehrsteuern insoweit auch Unternehmensteuern sind.3 11.2
Während das Umsatzsteuergesetz im Hinblick auf das prägende Bestimmungslandprinzip (Rz. 10.2 ff.) international steuerrechtliche Bezüge aufweist, sind die besonderen Verkehrsteuern im Wesentlichen binnenorientiert. Die Tatbestände sind zumeist objektbezogen und auf das Inland beschränkt, so etwa bei der Grunderwerbsteuer und der Versicherungsteuer (Belegenheitsprinzip). Durch diesen territorialen Bezug erfolgt die Abgrenzung gegenüber den Steuerhoheiten anderer Staaten (Territorialitätsprinzip, Rz. 10.2). Das schließt allerdings nicht aus, dass tatbestandlich auch ausländische Rechtsvorgänge erfasst werden. Zu ihnen gehören etwa im Anwendungsbereich der Grunderwerbsteuer Änderungen im Gesellschafterbestand ausländischer Personengesellschaften (§ 1 Abs. 2a GrEStG) und ausländische Anteilsvereinigungen (§ 1 Abs. 3 GrEStG). Neben der gegenständlichen (objektbezogenen) Anknüpfung enthalten die Verkehrsteuern – so etwa die Versicherungsteuer und die Rennwett- und Lotteriesteuer – zudem auch eine personale (subjektbezogene) Anknüpfung, wodurch es (systemwidrig) zu Doppelbesteuerungen kommen kann.4
11.3
Die besonderen Verbrauchsteuern belasten den Verbrauch vertretbarer, regelmäßig zum baldigen Verzehr oder kurzfristigen Verbrauch bestimmter Güter des ständigen Bedarfs.5 Sie sind auf Überwälzung angelegt, so dass letztlich der Verbraucher als intendierter Steuerträger die Belastung zu tragen hat.6 Dessen Leistungsfähigkeit offenbart sich im Grundsatz darin, dass er Einkommen oder Vermögen verwendet.7 Hierin allein besteht der wertungsmäßige Legitimationsgrund für die Erhebung der Verbrauchsteuern als indirekte Steuern.8 Damit wird im Ergebnis an die Konsumleistungsfähigkeit angeknüpft.9 Soweit Verbrauchsteuern zusätzlich zur Umsatzsteuer erhoben werden, kommt als legitimer Be1 Englisch in Tipke/Lang22, § 7 Rz. 102 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, II2, 1015 ff.; Desens in FS Kirchhof, § 189 Rz. 12. 2 Seer in Tipke/LangLang22, § 2 Rz. 49; speziell zur Grunderwerbsteuer Tipke, Die Steuerrechtsordnung, II2, 1023; Schaumburg in FS Reiß, 25 (35). 3 Zur Kritik Tipke, Die Steuerrechtsordnung, II2, 1025 (GrESt), 1031 (VersSt). 4 Hierzu Englisch, StuW 2015, 52 (61). 5 So BVerfG v. 7.5.1998 – 2 BvR 1994/95, 2 BvR 2004/95, BVerfGE 98, 106 (123 f.). 6 Vgl. BVerfG v. 7.5.1998 – 2 BvR 1991, 2004/95, BVerfGE 98, 106 (124); v. 20.4.2004 – 1 BvR 905/00, BVerfGE 110, 274 (294); BFH v. 17.12.2013 – VII R 8/12; BFH/NV 2014, 748; J. Förster, Die Verbrauchsteuern, 55 f.; Jatzke, Das System des deutschen Verbrauchsteuerrechts, 65 ff. 7 Vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung, II2, 1048 ff; J. Förster, Die Verbrauchsteuern, 99 ff.; Jatzke, Das System des deutschen Verbrauchsteuerrechts, 55, 71. 8 Schaumburg in FS Reiß, 25 ff. (32), ausnahmsweise wird die Verbrauchsteuer auch direkt beim Verbraucher (Letztverbraucher) erhoben, vgl. z.B. § 38 Abs. 2 Nr. 2 EnergieStG; § 7 Satz 2 StromStG. 9 Wie bei der Umsatzsteuer, vgl. Schaumburg in FS Reiß, 25 (31 f.).
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Schaumburg
A. Einführung
lastungsgrund nur eine gehobene Konsumleistungsfähigkeit in Betracht.1 Das gilt auch für den Fall, dass die Verbrauchsteuern, so die Regel, in die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer eingeht, so dass im Ergebnis eine (systemwidrige) Steuer auf die Steuer erhoben wird.2 Die bundesgesetzlich geregelten Verbrauchsteuern sind in Orientierung an der Verbrauchsteuer-Systemrichtlinie3 überwiegend harmonisiert. Zu den harmonisierten Verbrauchsteuern gehören die Energiesteuer, Stromsteuer, Tabaksteuer, Branntweinsteuer (ab 1.1.2018 Alkoholsteuer), Schaumweinsteuer und Biersteuer. Nicht harmonisiert sind die Alkopopsteuer, Kaffeesteuer und die Kernbrennstoffsteuer.4
11.4
Im internationalen Kontext haben Verbrauchsteuern Bedeutung vor allem im Rahmen des Steueraussetzungsverfahrens bei Beförderungen aus anderen und in andere Mitgliedstaaten der EU sowie bei Ein- und Ausfuhr aus oder in Drittländer/Drittgebiete. In den vorgenannten Fällen besteht die Besonderheit, dass unter bestimmten Voraussetzungen Verbrauchsteuern nicht erhoben werden, solange sich die verbrauchsteuerpflichtigen Erzeugnisse in einem Steueraussetzungsverfahren oder einem zollrechtlichen Nichterhebungsverfahren befinden. Die Verbrauchsteuern entstehen erst dann, wenn die betreffenden Erzeugnisse in den steuerrechtlich (zollrechtlich) freien Verkehr überführt werden etwa durch Entnahme aus dem Verfahren der Steueraussetzung oder dem zollrechtlichen Nichterhebungsverfahren. Im Ergebnis wird hierdurch die Steuerentstehung zeitlich nah an die Abgabe der betreffenden Erzeugnisse oder Waren an den Verbraucher herangeführt,5 wodurch zugleich dem Hersteller oder Händler ermöglicht wird, die Steuer auf den Kunden abzuwälzen, bevor diese an den Fiskus abzuführen ist.6
11.5
1 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, II2, 1044; Schaumburg in FS Reiß, 25 (38); Englisch, StuW 2015, 52 (54). 2 Kritisch zu dieser Steuerkumulation F. Kirchhof, Die steuerliche Doppelbelastung der Zigaretten, 48 ff.; Schachtschneider in FS Reiß, 101; Seer, ZfZ 2013, 146 (150 ff.); Krumm, ZfZ 2014, 281 (283); die MWStSystRL steht dieser Kumulation allerdings nicht entgegen; vgl. nur EuGH v. 8.7.1986 – Rs. 73/85 – Kerrutt, Slg 1986, 2219, Tz. 22; v. 11.10.2007 – Rs. C-283/06 u.a. – KÖGAZ u.a., Slg. 2007, I-8463, Rz. 33; v. 27.11.2008 – Rs. C-156/08 – Vollkommer, Slg. 2008, I-165, Rz. 24 ff. 3 Richtlinie 2008/118/EG des Rates über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG vom 16.12.2008, ABl. EU 2009 Nr. L 9, 12. 4 Der Charakter der Kernbrennstoffsteuer als Verbrauchsteuer ist allerdings zweifelhaft; vgl. hierzu FG Hamburg v. 29.1.2013 – 4 K 270/11, ZfZ 2013, 192; (Az. beim BVerfG: 2 BvL 6/13); EuGH v. 4.6.2015 – Rs. C-5/14 – Kernkraftwerke Lippe-Ems, KLE, ECLI:EU:C:2015:354 = ZfZ 2015, 189 hat den Verbrauchsteuercharakter verneint; im Hinblick darauf, dass sie keine international steuerrechtliche Aspekte aufweist, wird sie nachfolgend nicht näher erläutert; die Luftverkehrsteuer ist ebenfalls keine Verbrauchsteuer iSd. VStSystRL; BFH v. 1.12.2015 – VII R 55/13, DStRE 2016, 497; vgl. Rz. 11.32 ff. 5 Hierzu Jatzke, Das System des deutschen Verbrauchsteuerrechts, 144; Stobbe, ZfZ 1993, 194 ff. (197). 6 Milewski in Möhlenkamp/Milewski, § 5 EnergieStG Rz. 7.
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Kap. 11 Besondere Verkehr- und Verbrauchsteuern
B. Besondere Verkehrsteuern I. Grunderwerbsteuer Literatur Kommentare zu §§ 1, 6a GrEStG; Arnold, Umstrukturierung inländischer Konzerne unter Beachtung des § 6a GrEStG, Wiesbaden 2015; Behrens, Grunderwerbsteuer in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2. Aufl. Köln 2015, Kap. 22; Behrens, Reform- und Änderungsbedarf bei der Grunderwerbsteuer, UVR 2014, 147; Behrens, Zur Relevanz der Fiktion von Grundstückserwerben bei Anteilsgeschäften im Grunderwerbsteuerrecht, in Festschrift Schaumburg, Köln 2009, 1107; Englisch in Tipke/Lang, Steuerecht, 22. Aufl. Köln 2015, § 18 Rz. 1 ff.; Gottwald/Behrens, Grunderwerbsteuer, 5. Aufl. Köln 2015; Graessner/Franzen, Praktische Fragestellungen zur grunderwerbsteuerlichen Konzernklausel des § 6a GrEStG bei Einbringungsfällen mit Auslandsbezug, Ubg 2016, 1; Grotherr, Grunderwerbsteuerliche Probleme bei der Umstrukturierung von Unternehmen und Konzernen, BB 1994, 1970; van Lishaut in Rödder/ Herlinghaus/van Lishaut, UmwStG, 2. Aufl. Köln 2013, Anh. 9, Grunderwerbsteuer bei Umwandlungen und Einbringungen; Loose, Mittelbare Änderungen im Gesellschafterbestand einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft i.S. von § 1 Abs. 2a GrEStG, DB 2013, 1687; Lüdicke/Schnitger, Ausweitung des § 6a GrEStG auf Umwandlungen in DBA-Drittstaaten, DStR 2011, 1005; Reutemöller, Die umsatz- und grunderwerbsteuerrechtliche Behandlung von Grundstücksumsätzen, Berlin 2011; Rothenöder, Der Anteil i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG, Berlin 2008; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, II, 2. Aufl. Köln 2003, 1017 ff.; Wischott, Grunderwerbsteuerplanung bei Konzernumstrukturierungen in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung, 3. Aufl. Herne 2011, 1051.
1. Territorialitätsprinzip 11.6
Der Grunderwerbsteuer unterliegen auf den Eigentumserwerb gerichtete Rechtsvorgänge, soweit sie sich auf inländische Grundstücke beziehen. Insoweit wird das Territorialitätsprinzip (Rz. 10.2) umgesetzt, so dass insoweit eine internationale Doppelbesteuerung von vorneherein ausgeschlossen ist. Wo die maßgeblichen Rechtsvorgänge verwirklicht werden, spielt keine Rolle, so dass etwa auch ein im Ausland abgeschlossener Kaufvertrag über ein inländisches Grundstück Grunderwerbsteuer auslösen kann.1 In diesem Fall müssen allerdings wegen des im internationalen Privatrecht gültigen Belegenheitsprinzips die Formerfordernisse des deutschen Rechts erfüllt werden (Art. 11 Abs. 5 VO Rom I).2 Ob die Vertragsparteien die inländische oder eine ausländische Staatsangehörigkeit haben, ob sie im In- oder Ausland einen Wohnsitz unterhalten oder dort sonst wie ansässig sind, ist hierbei ebenfalls ohne Bedeutung.
11.7
Die vorstehenden Grundsätze gelten auch für § 1 Abs. 2 GrEStG, also für Fälle des Übergangs der wirtschaftlichen Verwertungsbefugnis ohne Eigentumsübertragung. Hierbei handelt es sich um den eigentlichen Steuergegenstand, womit zugleich deutlich wird, dass die Grunderwerbsteuer als einphasige Sonderumsatzsteuer3 ihre Legitimation in der Belastung der Einkommens- und Ver1 Viskorf in Boruttau18, § 2 GrEStG Rz. 23. 2 Zu Einzelheiten Thorn in Palandt76, Art. 11 VO Rom I Rz. 16; G. Hohloch in Erman14, Art. 11 VO Rom I Rz. 10 f.; Winkler von Mohrenfels in Staudinger (2011), Art. 11 Rom I-VO Rz. 148 ff. 3 Stadie in R/D UStG, Einf. Rz. 782; Tipke, Die Steuerrechtsordnung II2, Köln 2013, 1017; Englisch in Tipke/Lang22, § 18 Rz. 3; Schaumburg in FS Reiß, 25 (35); kritisch hierzu Pahlke5, Einleitung Rz. 23.
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B. Besondere Verkehrsteuern
mögensverwendung erfährt.1 Im Unterschied zur Umsatzsteuer belastet die Grunderwerbsteuer indessen nicht nur Privatpersonen, sondern auch Unternehmer mit der Folge, dass sie zu einer Unternehmensteuer mutiert, die im Ergebnis eine die unternehmerische Investition treffende Sonderbelastung darstellt, falls sie nicht anderweitig überwälzt werden kann.2 2. Rechtsträgerwechsel Die in § 1 GrEStG verankerten Steuertatbestände setzen stets einen Rechtsträgerwechsel, d.h. den Übergang eines inländischen Grundstücks (§ 2 GrEStG) von einem Rechtsträger auf einen anderen voraus.3 Ein derartiger Rechtsträgerwechsel ist bei übertragenden Umwandlungen, bei denen umwandlungsbedingt das Vermögen mittels Gesamtrechtsnachfolge unter Ausschluss der Abwicklung auf einen neuen Rechtsträger übergeht, gegeben. Hieraus folgt, dass etwa ein Rechtsträgerwechsel bei Verschmelzung (§§ 2–122e UmwG), Spaltung (§§ 123– 173 UmwG) und bei der Vermögensübertragung (§§ 174–189 UmwG) vorliegt, so dass der Tatbestand des § 1 Abs. 1 GrEStG erfüllt ist.4 Das gilt gleichermaßen für inländische, grenzüberschreitende und ausländische (übertragende) Umwandlungen, und zwar unabhängig davon, ob in- oder ausländische Rechtsträger hieran beteiligt sind. Dem gegenüber ist mit einem identitätswahrenden Formwechsel (§§ 190 ff. UmwG) ein Rechtsträgerwechsel nicht verbunden.5 Hierbei spielt es keine Rolle, ob es sich um einen sog. homogenen Formwechsel (zwischen vergleichbaren Rechtsformen) oder um einen heterogenen (rechtsformüberschreitenden) Formwechsel handelt.6 Diese Grundsätze gelten auch im internationalen Kontext, also etwa in den Fällen, in denen ausländische Rechtsträger nach dem maßgeblichen ausländischen Recht einem mit dem deutschen Recht vergleichbaren Formwechsel unterzogen werden.
11.8
An einem Rechtsträgerwechsel fehlt es auch bei der grenzüberschreitenden Sitzverlegung (Wegzug) etwa von grundbesitzenden Kapital- und Personengesellschaften.7 Hierzu einige Hinweise im Überblick (zu Einzelheiten Rz. 7.45 ff.).
11.9
Ein Wegzug von Kapitalgesellschaften im Sinne der Verlegung des Satzungssitzes und des Ortes der Geschäftsleitung ist nach derzeit geltendem nationalen Recht
11.10
1 Tipke, Die Steuerrechtsordnung II2, 1027; Englisch in Tipke/Lang22, § 18 Rz. 4; Schaumburg in FS Reiß, 25 (35); Seer, ZfZ 2013, 146 (148); kritisch hierzu Fischer in Boruttau17, GrEStG Vorb. Rz. 148 ff. 2 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, II2, 1025; Schaumburg in FS Reiß 25 (36); Seer, ZfZ 2013, 146 (150); Englisch, StuW 2015, 52 (55). 3 BFH v. 1.3.2000 – II R 53/98, BStBl. II 2000, 357; v. 17.10.2001 – II R 43/99, BStBl. II 2002, 210; v. 16.3.2006 – II R 32/06, BFH/NV 2008, 1526; Pahlke5, § 1 GrEStG Rz. 11; Gottwald/ Behrens, GrESt5, Rz. 75. 4 Fischer in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 527 ff. 5 BFH v. 4.12.1996 – II B 116/96, BStBl. II 1997, 661; v. 30.9.2003 – III R 6/02, BStBl. II 2004, 85; v. 7.9.2007 – II B 5/07, BFH/NV 2007, 2351; v. 9.4.2008 – II R 32/06, BFH/NV 2008, 1526: kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. 6 Fischer in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 542 ff.; Pahlke5, § 1 GrEStG Rz. 23 jeweils m.w.N. aus Rspr. u. Literatur; dort auch zum nicht verhältniswahrenden Formwechsel. 7 Hierzu Hofmann10, § 1 GrEStG Rz. 12 ff.; Gottwald/Behrens, GrESt5, Rz. 86 ff.
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Kap. 11 Besondere Verkehr- und Verbrauchsteuern
nur bei der SE (Art. 8 Abs. 1 SE-VO)1 und der SCE (Art. 7 Abs. 1 SCE-VO)2 mit der Maßgabe möglich, dass Sitz und Hauptverwaltung3 in ein und demselben Mitgliedstaat liegen müssen (Art. 7 SE-VO, Art. 6 SCE-VO). Ein derartiger rechtsformwahrender Wegzug ist mangels Rechtsträgerwechsels nicht grunderwerbsteuerbar.4 In allen anderen Fällen ist der Wegzug durch Verlegung des Satzungssitzes derzeit zwar nach nationalem Recht rechtstechnisch ausgeschlossen,5 aufgrund europarechtlicher Vorgaben für den Fall des formwechselnden Wegzugs aber geboten.6 Demgegenüber ist die Verlegung des Verwaltungssitzes (Ort der Geschäftsleitung) unter Beibehaltung des inländischen Satzungssitzes in das Ausland7 nach nationalem Recht möglich,8 was allerdings europarechtlich nicht zwingend ist.9 11.11
Soweit es sich um einen EU-Mitgliedstaat handelt, der nach seinem internen Recht für diesen Fall des Zuzugs einen Formwechsel vorsieht,10 fällt wiederum mangels Rechtsträgerwechsels keine Grunderwerbsteuer an.11 Anderenfalls erfolgt bei der wegziehenden Kapitalgesellschaft im Inland eine Liquidation ohne Vermögensübertragung12 und im Zuzugsstaat in Anwendung der Sitztheorie (Rz. 7.7) ohne weiteres die Qualifikation als nichtrechtsfähige Personenvereinigung,13 so dass insoweit ein nicht der Grunderwerbsteuer unterliegender Formwechsel gegeben ist.14 Wendet der Zuzugsstaat die Gründungstheorie (Rz. 7.62) an, fällt wegen der fortbestehenden Identität ohnehin keine Grunderwerbsteuer an.15
11.12
Beim Zuzug von Kapitalgesellschaften ist nur der Zuzug einer SE (Art. 7 SE-VO) und einer SCE (Art. 6 SCE-VO) innerhalb der EU gesetzlich geregelt. Es handelt sich hierbei um einen simultanen Zuzug, was bedeutet, dass sowohl Satzungund Verwaltungssitz sich stets in ein und demselben Mitgliedsstaat befinden müssen. Zuzugsbedingt entsteht hierdurch keine Grunderwerbsteuer. Da es keine weitergehenden europaweit geltenden Regelungen gibt, kommt es für die rechtliche Möglichkeit eines Zuzugs aus der Sicht Deutschlands als Zuzugsstaat auf das zur Anwendung kommende Internationale Privatrecht (Gesellschaftsstatut) an. Hiernach gilt: Verlegt eine nach ausländischem Recht errichtete Kapital1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Societas Europaea = Europäische Aktiengesellschaft = Europa-AG. Societas Cooperativa Europaea = Europäische Genossenschaft. Entspricht in etwa Satzungssitz und Ort der Geschäftsleitung (§§ 10, 11 AO). Gottwald/Behrens, GrESt5, Rz. 87. OLG München v. 4.10.2007 – 31 Wx 36/07, NZG 2007, 915. EuGH v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 – Cartesio, NJW 2009, 569 (obiter dictum). EU/EWR-Bereich und Drittstaaten. Vgl. § 5 AktG, § 4a GmbHG. EuGH v. 27.9.1988 – Rs. C-81/87 – Daily Mail, Slg. 1988, 5483; v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 – Cartesio, NJW 2009, 569. Vgl. EuGH v. 12.7.2012 – Rs. C-378/10 – VALE, ECLI:EU:C:2012:440 = ZIP 2012, 1394. Vgl. Behrens in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 22.145. Die Liquidation selbst führt daher zu keinem Rechtsträgerwechsel. Vgl. zum Fall des Zuzugs aus einem Drittstaat aus deutscher Sicht BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, ZIP 2008, 2411 (Trabrennbahn). Fischer in Boruttau18, § 1 GrEStG, Rz. 57. Fischer in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 55 ff.; Gottwald/Behrens, GrESt5, Rz. 86.
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B. Besondere Verkehrsteuern
gesellschaft den Verwaltungssitz (Ort der Geschäftsleitung)1 in das Inland, verliert die Gesellschaft in Anwendung der nach deutschem Recht maßgeblichen Sitztheorie (Rz. 7.7, 7.62) die Rechtsfähigkeit, weil diese die Eintragung ins deutsche Handelsregister voraussetzt, was für Kapitalgesellschaften ausländischen Rechts (noch) ausgeschlossen ist. Eine ursprünglich rechtsfähige Kapitalgesellschaft ausländischen Rechts mutiert daher durch Zuzug ohne weiteres zu einer nicht rechtsfähigen Personenvereinigung.2 In den vorgenannten Fällen unterbleibt eine zuzugsbedingte Vermögensübertragung, so dass auch insoweit keine Grunderwerbsteuer anfällt.3 Für den Zuzug aus EU-/EWR-Staaten gilt in Orientierung an der unionsrechtlich verbürgten Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) im Ergebnis die Gründungstheorie (Rz. 7.62) mit der Folge, dass die Rechtsfähigkeit der zuziehenden Gesellschaft in Deutschland als Zuzugsstaat anerkannt werden muss.4 Unter diesem Gesichtspunkt entfällt mangels Rechtsträgerwechsels ebenfalls die Grunderwerbsteuer. Der Wegzug einer Personengesellschaft durch isolierte Verlegung des Satzungssitzes in das Ausland ist rechtlich (noch) nicht möglich,5 so dass stets im Inland eine Auflösung und Liquidation und im Ausland nach dortigem Recht, soweit dort ein zuzugsbedingter (identitätswahrender) Formwechsel nicht vorgesehen ist, eine Neugründung erfolgt.6 Entsprechendes gilt auch für die Verlegung des Verwaltungssitzes (Ort der Geschäftsleitung),7 da Satzungs- und Verwaltungssitz bei Personengesellschaften nicht trennbar sind.8 Unter diesem Gesichtspunkt ist auch der Zuzug von Personengesellschaften ohne Neugründung im Inland nicht
1 Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) ist der Ort, an dem der Geschäftsleitungswille geleitet wird (Rz. 7.2); der Verwaltungssitz ist dagegen an dem Ort, an dem der Geschäftsleitungswille umgesetzt wird (BGH v. 21.3.1986 – V ZR 10/85, BGHZ 97, 269, 272; v. 10.3.2009 – VIII ZB 105/07, NJW 2009, 1610). 2 So zuletzt BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, ZIP 2008, 2411 (Trabrennbahn); hierzu Hilgert/Illmer NZG 2009, 94 ff.; Gottschalk, ZIP 2009, 948 ff. 3 Fischer in Boruttau17, § 1 GrEStG Rz. 55; Behrens in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 22.147, 22.149. 4 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 – Centros, Slg. 1999, I-1459; v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 – Überseering, Slg. 2002, I-9919; v. 30.1.2003 – Rs. C-167/01 – Inspire Art, Slg. 2003, I-10155; die vorgenannten Fälle betreffen nur den Zuzug einer unter dem Recht der Gründungstheorie errichteten Gesellschaft; im Ergebnis dürfte aber nichts anderes gelten für den Zuzug einer unter dem Recht der Sitztheorie errichteten Gesellschaft; in diesem Sinne auch OLG Nürnberg v. 19.6.2013 – 12 W 520/13, GmbHR 2014, 96 unter Hinweis auf EuGH v. 12.7.2012 – Rs. C-378/10 – VALE, ECLI:EU:C:2012:440; vgl. ferner Schaumburg in Lutter, Europäische Auslandsgesellschaften in Deutschland, S. 403 (413); Schaumburg, DK 2005, 347 (349); Hey, DK 2004, 577 (582). 5 BGH v. 27.5.1957 – II ZE 317/55, WM 1957, 999 (1000); OLG Schleswig v. 14.11.2011 – 2 W 48/11, GmbHR 2012, 800; KG Berlin v. 14.6.2012 – 25 W 39/12, ZIP 2012, 1668. 6 Vgl. v. Gerkan in Röhricht/von Westfalen, § 106 HGB Rz. 9; Langhein in MÜKO HGB, § 106 Rz. 30; zur Kritik hieran Koch, ZHR 173 (2009), 101; vgl. auch die weitergehende Literaturübersicht bei Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.180 ff. 7 Zum Unterschied zwischen Verwaltungssitz und Ort der Geschäftsleitung vgl. Rz. 11.12. 8 Eine den § 4a GmbHG u. § 5 AktG vergleichbare Regelung fehlt; vgl. OLG Schleswig v. 14.11.2011 – 2 W 48/11, GmbHR 2012, 800; KG Berlin v. 16.4.2012 – 25 W 39/12, ZIP 2012, 1668.
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11.13
Kap. 11 Besondere Verkehr- und Verbrauchsteuern
möglich.1 Europarechtlich ist zwar ein derartiger Zuzug als bloß grenzüberschreitender Formwechsel geboten,2 Voraussetzung hierfür ist aber, dass die zuziehende Gesellschaft die für nationale Umwandlungsvorgänge maßgeblichen Bedingungen3 erfüllt.4 Indessen: Auch bei Auflösung und Neugründung handelt es sich wie beim Formwechsel nur um die Auswechselung eines Rechtskleides, die nicht auf die Übertragung von Vermögen (Grundstücken) gerichtet ist,5 so dass durch Wegzug und Zuzug von grundbesitzenden Personalgesellschaften eine Grunderwerbsteuer nicht ausgelöst wird. 3. Gesellschafterwechsel bei Personengesellschaften 11.14
Im internationalen Kontext ist der in § 1 Abs. 2a GrEStG verankerte Tatbestand von besonderer Bedeutung. § 1 Abs. 2a GrEStG erfasst den Fall einer unmittelbaren oder mittelbaren Änderung des Beteiligungsverhältnisses bei grundstücksbesitzenden Personengesellschaften. Damit werden in Abweichung von § 1 Abs. 1, 2 GrEStG Vorgänge erfasst, die nicht unmittelbar auf die Eigentumsübertragung oder die wirtschaftliche Verwertungsbefugnis an einem inländischen Grundstück gerichtet sind. Diese Vorschrift zielt auf die Vermeidung einer Steuerumgehung ab,6 so dass ein vollständiger oder nahezu vollständiger Gesellschafterwechsel (95 %) innerhalb eines verhältnismäßig kurzen Zeitraums (5 Jahre) an einer grundstücksbesitzenden Personengesellschaft ebenfalls eine Grunderwerbsteuer auslöst. Subsidiär kommt § 1 Abs. 3a GrEStG zur Anwendung, wonach einem Rechtsträger ein Grundstück einer nachgeordneten Gesellschaft auch dann zuzurechnen ist, wenn dessen wirtschaftliche Beteiligung an der Gesellschaft mindestens 95 % beträgt.7
11.15
Zu den grundstücksbesitzenden Personengesellschaften zählen nicht nur Personengesellschaften deutschen Rechts8 unabhängig davon, ob sie lediglich vermögensverwaltend oder originär gewerblich tätig sind,9 sondern auch ausländische Personengesellschaften.10 Ausländische Personengesellschaften werden aber nur dann erfasst, wenn deren rechtliche Struktur den inländischen Per1 BayObLG v. 7.5.1992 – 3 ZBR 14/92, AG 1992, 456; OLG Hamm v. 30.4.1997 – 15 W 91/97, GmbHR 1997, 848; OLG Düsseldorf v. 26.3.2001 – 3 Wx 88/01, NZG 2001, 506, OLG Hamm v. 1.2.2001 – 15 W 390/00, NZG 2001, 562. 2 EuGH v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 – Cartesio, ECLI:EU:C:2008:723 = NJW 2009, 569; v. 12.7.2012 – Rs. C-378/10 – VALE, ECLI:EU:C:2012:440. 3 Anpassung des Gesellschaftsvertrages, Eintragung in das Handelsregister. 4 Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.185. 5 Fischer in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 60 zur EWIV; vgl. auch den Überblick zu den unterschiedlichen Meinungen Behrens in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 22.151 f. 6 Hierzu im Einzelnen Meßbacher-Hönsch in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 810 ff. 7 Gerichtet gegen sog. RETT-Blocker-Strukturen; zu Einzelheiten Gottwald/Behrens, GrESt5, Rz. 366.1 ff. 8 Gesellschaft bürgerlichen Rechts, Offene Handelsgesellschaft, Kommanditgesellschaft, Partnerschaftsgesellschaft. 9 BFH v. 11.9.2002 – II B 113/02, BStBl. II 2002, 777, Meßbacher-Hönsch in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 831; BMF v. 18.2.2014 – S 4501, BStBl. I 2014, 561, Tz. 1.1. 10 Meßbacher-Hönsch in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 831a; Pahlke5, § 1 GrEStG Rz. 277; Gottwald/Behrens, GrESt5, Rz. 226; BMF v. 18.2.2014 – S 4501, BStBl. I 2014, 561, Tz. 1.1.
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B. Besondere Verkehrsteuern
sonengesellschaften entspricht.1 Im Hinblick darauf ist ein Typenvergleich erforderlich, wobei es allerdings nicht darauf ankommt, ob die als Personengesellschaft zu qualifizierende ausländische Gesellschaft ganz oder teilweise rechtsfähiges oder selbständiges Steuerobjekt ist oder (ertragsteuerlich) nach dem Mitunternehmerkonzept (Transparenzprinzip) besteuert wird.2 § 1 Abs. 2a GrEStG fingiert mit dem Gesellschafterwechsel ein auf die Grundstücksübereignung gerichtetes Rechtsgeschäft zwischen der bisherigen „alten“ und einer „neuen“ Personengesellschaft.3 Ob die für die Anwendung des § 1 Abs. 2a GrEStG maßgebliche Änderung im Gesellschafterbestand, die entweder derivativ durch Erwerb von Altgesellschaftern oder auch originär durch Eintritt von Neugesellschaftern erfolgen kann,4 auf Einzel-, Sonderrechts- oder Gesamtrechtsnachfolge5 beruht, spielt keine Rolle. Soweit die entsprechenden Rechtsvorgänge sich nach ausländischem Recht vollziehen, müssen sie strukturell den maßgeblichen inländischen Rechtsvorgängen entsprechen.6 4. Anteilsvereinigung Gemäß § 1 Abs. 3 GrEStG wird die unmittelbare oder mittelbare Vereinigung von mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft als Grundstückserwerb fingiert. Der Tatbestand kann hierbei entweder durch erstmaligen Erwerb von mindestens 95 % (§ 1 Abs. 3 Nr. 3, 4 GrEStG) oder durch Anteilsaufstockung auf 95 % (§ 1 Abs. 3 Nr. 1, 2 GrEStG) erfüllt werden. § 1 Abs. 3 GrEStG ist ein Ergänzungstatbestand, der auf die Verhinderung von Steuerumgehungen gerichtet ist. Andernfalls könnte die Grunderwerbsteuer dadurch vermieden werden, dass nicht die Grundstücke selbst, sondern Anteile an den grundbesitzenden Gesellschaften veräußert werden.7 Subsidiär kommt § 1 Abs. 3a GrEStG zur Anwendung, wonach einem Rechtsträger ein Grundstück einer nachgeordneten Gesellschaft auch dann zuzurechnen ist, wenn dessen wirtschaftliche Beteiligung an der Gesellschaft mindestens 95 % beträgt.8
11.16
Im Hinblick darauf, dass Anteilsvereinigungen bei Personengesellschaften unter § 1 Abs. 2a GrEStG fallen,9 gilt § 1 Abs. 3 GrEStG im Wesentlichen für Kapital-
11.17
1 Pahlke5, § 1 GrEStG Rz. 277; gleichlautende Ländererlasse v. 18.2.2014 – S 4501, BStBl. I 2014, 561, Tz. 1.1. 2 Vgl. FinMin BaWü v. 30.10.2008, StEK GrEStG 1983 § 5 Nr. 17; Behrens in W/R/S, Personengesellschaft im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 22.5; vgl. ferner zu Einzelheiten Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 3.1 ff. 3 BFH v. 24.4.2013 – II R 17/10, BStBl. II 2013, 833 Rz. 11, 28; v. 25.8.2010 – II R 65/08, BStBl. II 2011, 225; v. 2.4.2008 – II R 53/06, BStBl. II 2009, 544; v. 11.9.2002 – II B 113/02, BStBl. II 2002, 777. 4 Hierzu Gottwald/Behrens, GrESt5, Rz. 236 ff. 5 Der Erwerb von Todes wegen bleibt allerdings außer Betracht (§ 1 Abs. 2a Satz 2 GrEStG). 6 Zu steuerstrafrechtlichen Implikationen bei Verletzung von Anzeigepflichten Schaumburg in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 18.3 ff. 7 Meßbacher-Hönsch in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 932 ff.; Hofmann10, § 1 GrEStG Rz. 135; Rothenöder, Der Anteil i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG, 2008, S. 41. 8 Gerichtet gegen sog. RETT-Blocker-Strukturen; zu Einzelheiten Gottwald/Behrens, GrESt5, Rz. 366.1 ff. 9 § 1 Abs. 2a GrEStG geht vor; vgl. gleich lautende Ländererlasse v. 18.2.2014, BStBl. I 2014, 561 Tz. 6.
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Kap. 11 Besondere Verkehr- und Verbrauchsteuern
gesellschaften.1 Ob es sich hierbei um in- oder ausländische Kapitalgesellschaften mit in- oder ausländischen Anteilseignern handelt, spielt keine Rolle, so dass auch eine Anteilsvereinigung im Ausland eine (deutsche) Grunderwerbsteuer auslösen kann.2 Soweit es um Kapitalgesellschaften geht, ist für die Qualifikation des ausländischen Rechtsträgers auf den allgemein im internationalen Steuerrecht maßgeblichen Typenvergleich (Rz. 7.7) abzustellen. Das gilt insbesondere für die Qualifikation als abhängige juristische Person im Rahmen einer grunderwerbsteuerlichen Organschaft (§ 1 Abs. 3 i.V.m. Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b GrEStG).3 Hiernach kommt eine ausländische Kapitalgesellschaft als juristische Person in Betracht, wenn sie wie eine inländische juristische Person eigene Rechtspersönlichkeit hat. Insoweit unterscheidet sich der hier maßgebliche Typenvergleich von demjenigen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG, wonach es auf die Rechtsfähigkeit nicht ankommt (Rz. 7.7). Damit erweist sich insbesondere die für international operierende Konzerne bedeutsame grunderwerbsteuerliche Organschaft, die insoweit steuerbegründend wirkt, als auf eine 95 %ige Beteiligung des herrschenden an dem abhängigen Unternehmen verzichtet wird,4 als Steuerfalle.5 Das gilt insbesondere für Umstrukturierungen im Rahmen einer grunderwerbsteuerlichen Organschaft, zu denen auch grenzüberschreitende und ausländische Umwandlungen gehören.6 5. Steuerbefreiungen 11.18
Die Qualifikation ausländischer Rechtsträger als Personengesellschaften7 spielt auch im Anwendungsbereich der §§ 5, 6, 7 Abs. 2 GrEStG eine Rolle. Obwohl Personengesellschaften selbst Steuersubjekte der Grunderwerbsteuer gem. § 13 Nr. 6 GrEStG sind und somit das Transparenzprinzip keine Geltung hat, werden Grundstücksübergänge zwischen den an einer Gesamthand Beteiligten (Gesamthändern) und der Gesamthand (Gesamthandsgemeinschaft) sowie zwischen einer Gesamthand und den an ihr Beteiligten (Gesamthändern) oder auch zwischen einer Gesamthand und einer anderen Gesamthand von der Grunderwerbsteuer nur insoweit erfasst, als hierdurch eine Erhöhung der Berechtigung der einzelnen Beteiligungen am Grundstückswert eintritt.8 Es handelt sich insoweit um einen Systembruch,9 der allein aus Billigkeitsgründen zu rechtfertigen ist, weil wirtschaftlich bei den unter §§ 5 und 6 GrEStG fallenden Vorgängen der einzelne Gesellschafter über seine Gesamthandsberechtigung am Grundstückswert beteiligt 1 Hofmann10, § 1 GrEStG Rz. 141 ff. 2 BFH v. 5.11.2002 – II R 23/00, BFH/NV 2003, 505; Meßbacher-Hönsch in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 968 ff.; Pahlke5, § 1 GrEStG Rz. 321; zu Einzelheiten Grotherr, BB 1994, 1972 (1973); Grotherr in FS Flick, 757 (773). 3 Zur grunderwerbsteuerlichen Organschaft ausführlich Schober in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 23.1 ff. 4 Hierzu Meßbacher-Hönsch in Boruttau18, § 1 GrEStG Rz. 1085. 5 Vgl. hierzu Schober in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 23.19. 6 Zu den steuerstrafrechtlichen Folgen bei Verletzung von Anzeigepflichten Schaumburg in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 18.14 ff. 7 Zu dem hierfür maßgeblichen Typenvergleich Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 3.5 ff.; ferner Rz. 7.7. 8 Vgl. hierzu Viskorf in Boruttau18, § 5 GrEStG Rz. 2. 9 Viskorf in Boruttau18, § 5 GrEStG Rz. 3.
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B. Besondere Verkehrsteuern
bleibt.1 § 7 Abs. 2 GrEStG regelt, dass die flächenmäßige Aufteilung eines einer Gesamthand gehörenden Grundstücks auf die an der Gesamthand beteiligten Personen von der Grunderwerbsteuer ausgenommen wird, soweit die Beteiligten nicht mehr erhalten, als es ihrer bisherigen Berechtigung entspricht.2 Insoweit wird wiederum an die Gesamthand und nicht an die Personengesellschaft angeknüpft. Die Gesamthand ist allerdings ein Spezifikum des deutschen Gesellschaftsrechts,3 die in ausländischen Rechtsordnungen weitgehend unbekannt ist. Im Hinblick darauf wären ausländische Personengesellschaften aus dem Vergünstigungsrahmen der §§ 5, 6 und 7 Abs. 2 GrEStG ausgeschlossen. Indessen: In Orientierung an die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten (Rz. 4.16 ff.) und an Art. 3 Abs. 1 GG (Rz. 4.4 ff.) ist im Rahmen des maßgeblichen Typenvergleichs auf das den deutschen Personengesellschaften zugrunde liegende Konzept der Gesamthandsgemeinschaft bei ausländischen Personengesellschaften nicht abzustellen.4 Neben §§ 5, 6 GrEStG spielt im internationalen Kontext auch die Vergünstigung des § 6a GrEStG eine Rolle. Begünstigungsfähig sind hiernach neben Umwandlungen auch Einbringungen sowie andere Erwerbsvorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage, die nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1, Abs. 2, Abs. 2a, Abs. 3, Abs. 3a GrEStG zu einem steuerbaren Rechtsvorgang führen. Die in § 6a GrEStG verankerte Steuerfreiheit bedeutet im Ergebnis ein Konzernprivileg,5 das darauf gerichtet ist, Umstrukturierungen im Konzern, für die eine Steuerneutralität nach dem Umwandlungsteuergesetz in Anspruch genommen werden kann, nicht durch Grunderwerbsteuerbelastungen zu behindern.6 Begünstigte Umwandlungen sind im Hinblick auf den Verweis auf § 1 Abs. 1 Nr. 1–3 UmwG Verschmelzungen, Spaltungen und Vermögensübertragungen. Nicht erfasst ist hiernach der bloße Formwechsel (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UmwG), der ohnehin keine Grunderwerbsteuer auslöst, weil mit ihm kein Rechtsträgerwechsel verknüpft ist.7 Das gilt auch beim Formwechsel ausländischer Rechtsträger, soweit nach den durch das ausländische Recht vorgegebenen Rechtsstrukturen der Formwechsel identitätswahrend in dem Sinne ist, dass kein Vermögen übergeht.8 Obwohl grenzüberschreitende Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften nicht in dem in Bezug 1 BFH v. 2.10.1974 – II R 62/68; BStBl. II 1975, 150; v. 6.1.1991 – II R 78/88, BStBl. II 1991, 376; v. 18.12. 2002 – II R 13/01, BStBl. II 2003, 358; v. 24.4.2013 – II R 17/10, BFH/NV 2013, 1327, 128; Viskorf in Boruttau18, § 5 GrEStG Rz. 4; Pahlke5, § 5 GrEStG Rz. 2. 2 Viskorf in Boruttau18, § 7 GrEStG Rz. 11. 3 Zu Einzelheiten: Rehm in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 1.11 ff. 4 Behrens in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 22.5; so auch FinMin BaWü v. 30.10.2008, STEK, GrEStG 1983 § 5 Nr. 17 i.V.m. BMF v. 24.12. 1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076 (Tabelle 1), wo für den Typenvergleich auf die Gesamthandskonzeption nicht abgestellt wird; dieser Erlass gilt auch im Anwendungsbereich von § 6 und § 7 Abs. 2 GrEStG; Behrens in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 22.6. 5 Wischott/Schönweiß, DStR 2009, 2638; Neitz/Lange, Ubg 2010, 17; Hageböke, DB 2010, 2193. 6 Kritisch hierzu Englisch in Tipke/Lang22, § 18 Rz. 51. 7 BFH v. 4.12.1996 – II B 116/96, BStBl. II 1997, 661; Viskorf in Boruttau18, § 6a GrEStG Rz. 29 ff. 8 Vgl. § 202 Abs. 1 Nr. 1 UmwG.
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11.19
Kap. 11 Besondere Verkehr- und Verbrauchsteuern
genommenen § 1 Abs. 1 Nr. 1–3 UmwG erwähnt sind, fallen auch diese in den Begünstigungsrahmen des § 6a Abs. 1 GrEStG.1 Darüber hinaus gilt die Begünstigung auch für entsprechende EU-/EWR-Umwandlungen (§ 6a Satz 2 GrEStG).2
II. Versicherungsteuer und Feuerschutzsteuer Literatur Kommentare zum VersStG und FeuerschStG; Crezelius, Versicherungsteuer – terra incognita des Steuerrecht? In FS Haarmann, München 2015, 428; Englisch in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. Köln 2015, § 18 Rz. 67 ff.; Grünwald, Wer bezahlt die Versicherungsteuer?, DStR 2013, 738; Hicks, Steuerbare Versicherungsverhältnisse i.S. der §§ 1, 2 VersStG, UVR 2005, 387; Hicks, Abgrenzung der versicherungssteuerlichen Tatbestände von den umsatzsteuerlichen Tatbeständen, UVR 1999, 184; Hicks, Problematiken bei der Feuerschutzsteuerpflicht, UVR 1992, 48; Kühnast, Inländische Versicherungsteuer auf Versicherungsverhältnisse mit ausländischen Versicherungen, UVR 1989, 78; Medert, Änderungen bei der Versicherungsteuer ab 2013 im Überblick, DStR 2013, 496; Schlange, Deutsche Steuerhoheit bei innergemeinschaftlicher grenzüberschreitender Versicherung nur bei Belegenheit des versicherten Risikos in Deutschland, DStR 2010, 2562; Schrinner, Versicherungsteuer als Standortproblem, IFSt-Schrift 352 (1997); Strunz, Zur Doppelbesteuerung mit Versicherungsteuer in der Bundesrepublik Deutschland, DStR 2001, 777; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 2. Aufl. Köln 2003, 1029 ff.
11.20
Als Verkehrsteuer erfasst die Versicherungsteuer Vorgänge des Rechtsverkehrs im Rahmen von Versicherungsverhältnissen,3 wobei konkret an die Zahlung des Versicherungsentgelts angeknüpft wird.4 Steuerentrichtungsschuldner ist zwar der Versicherer (§ 7 Abs. 2 VersStG), Steuerschuldner ist aber der Versicherungsnehmer (§ 7 Abs. 1 VersStG), der die Versicherungsteuer letztlich auch wirtschaftlich zu tragen hat. Im Hinblick darauf handelt es sich von der Belastungswirkung her bei der Versicherungsteuer um eine die Einkommens- und Vermögensverwendung belastende direkte Steuer.5 Indessen belastet insbesondere die Versicherungsteuer auf die Unfall- und Haftpflichtversicherung auch Unternehmen, ohne dass hier ähnlich wie bei der Umsatzsteuer eine Entlastung durch einen Vorsteuerabzug möglich wäre.6
11.21
Wie auch die übrigen Verkehrsteuern ist die Versicherungsteuer im Wesentlichen binnenorientiert. Ihr sind vor allem versicherte Risiken unterworfen, die 1 Zur Begründung im Einzelnen: Viskorf in Boruttau18, § 6a GrEStG Rz. 27. 2 Viskorf in Boruttau18, § 6a Rz. 41 ff.; nach Behrens in W/R/S, Personengesellschaften internationalen Steuerrechts2, Rz. 22.189 soll § 6a GrEStG auch für nach dem Recht eines Drittstaates erfolgende Einbringungen und andere Erwerbsvorgänge auf gesellschaftsvertraglicher Grundlage Geltung haben, weil die Beschränkung auf EU-/EWR-Vorgänge nur für Umwandlungen gelten; vgl. auch Viskorf in Boruttau18, § 6a GrEStG Rz. 44; Wischott/ Keller/Graessner, NWB 2013, 3460 (3462). 3 Gambke/Flick, § 1 VersStG Rz. 2; Medert/Axer/Voß, § 1 VersStG Rz. 30; Grünwald/ Dallmayr, § 1 VersStG Rz. 1. 4 Schmidt, § 1 VersStG Rz. 1; Medert/Axer/Voß, § 1 VersStG Rz. 30. 5 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, II2, 1029; Englisch in Tipke/Lang22, § 18 Rz. 67; Grünwald, DStR 2013, 738; Crezelius in FS Haarmann, 429; die kumulierende Wirkung wird im Verhältnis zur USt durch § 4 Nr. 10 Buchst. a UStG gemildert. 6 Im Ergebnis handelt es sich hierbei um eine nicht zu rechtfertigende Sonder-Unternehmensteuer; Tipke, Die Steuerrechtsordnung II2, 1032; Seer, ZfZ 2013, 146 (153).
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im Inland belegen sind. Über dieses versicherungsteuerrechtliche Belegenheitsprinzip hinaus werden aber auch ausländische Risiken steuerlich belastet. Dies beruht auf der in § 1 Abs. 2 und 3 VersStG vorgegebenen dualen Anknüpfung,1 wonach sowohl auf personale – Ansässigkeit des Versicherungsnehmers – als auch gegenständliche – Belegenheit des versicherten Risikos – Tatbestandsmerkmale abgestellt wird. Hierbei ist zwischen Versicherern in EU-/EWR-Staaten und solchen in Drittstaaten zu unterscheiden. Soweit der Versicherer in einem EU-/EWR-Staat niedergelassen2 ist,3 gilt die gegenständliche (inländische) Anknüpfung für Risiken mit Bezug auf unbewegliche Sachen,4 für in ein amtliches Register einzutragende oder eingetragene und mit einem Unterscheidungskennzeichen versehene Fahrzeuge5 und für Reise- oder Ferienrisiken6 (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1–3 VersStG). In den vorgenannten Fällen entsteht die Versicherungsteuer also nur dann, wenn sich die versicherten Gegenstände im Inland befinden, die Fahrzeuge in einem inländischen Register eingetragen oder einzutragen sind oder die für die Reise- oder Ferienrisiken erforderlichen Rechtshandlungen im Inland vorgenommen werden. Es handelt sich hierbei um Sondertatbestände, die darauf abzielen, im Bereich der EU-/EWR-Staaten einen freien Dienstleistungsmarkt für Versicherungen ohne steuerinduzierte Wettbewerbsbehinderungen zu schaffen.7 Hierdurch ist zugleich gewährleistet, dass in Orientierung an das versicherungsteuerrechtliche Belegenheitsprinzip, aufgrund dessen auf gegenständliche Merkmale abzustellen ist,8 die Gefahr einer Doppelbesteuerung vermieden wird.9
11.22
Für die übrigen von einem EU-/EWR-Versicherer versicherten Risiken, die nicht unter die vorgenannten drei Sondertatbestände fallen, knüpft die Versicherungsteuer an den Sitz des Versicherungsnehmers an (§ 1 Abs. 2 Satz 2 VersStG). Abgestellt wird bei natürlichen Personen auf den Wohnsitz (§ 8 AO) oder gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO)10 im Inland (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 VersStG). Bei nicht natürlichen Personen kommt es darauf an, ob sich der Sitz des Unternehmens (§ 11 AO), die Betriebsstätte (§ 12 AO; vgl. Rz. 6.163 ff.) oder die entsprechende Einrichtung, auf die sich das Versicherungsverhältnis bezieht, im Inland befindet (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VersStG).11
11.23
1 Vgl. hierzu den Überblick bei Medert/Axer/Voß, § 1 VersStG Rz. 206. 2 Niederlassung i.S.v. Gesellschaftssitz (Satzungssitz) und Zulassung für das Versicherungsgeschäft; bloße (Zweig-)Niederlassung (Betriebsstätte) reicht nicht; EuGH v. 14.6.2001 – Rs. C-191/99 – Kvaerner, Slg. 2002, I-4447, Tz. 31, 34. 3 Vgl. hierzu das Merkblatt für EU/EWR-Versicherer (BMF v. 15.5.2014 – IV D 5 S 6356/07/10001:001 – DOK 2014/0315290, BStBl. I 2014, 871). 4 Z.B. Gebäude, Industrieanlagen; weitere Hinweise bei Medert/Axer/Voß, § 1 VersStG Rz. 217 ff.; Grünwald/Dallmayr, § 1 VersStG Rz. 194 ff. 5 Hierunter fallen Kasko-, Fahrzeughaftpflicht- und Insassenunfallversicherungen. 6 Insbesondere Reiserücktrittsversicherungen. 7 Hierzu Schmidt, § 1 VersStG Rz. 42 ff.; Medert, DStR 2013, 496. 8 EuGH v. 14.6.2001 – Rs. C-191/99 – Kvaerner, Slg. 2002, I-4447; BFH v. 11.12.2013 – II R 53/11, BStBl. II 2014, 352, Tz. 21. 9 BFH v. 11.12.2013 – II R 53/11, BStBl. II 2014, 352 Rz. 21. 10 Zum Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt vgl. Rz. 6.12 ff. 11 Zu Einzelheiten Medert/Axer/Voß, § 1 VersStG Rz. 304 ff.; Grünwald/Dallmayr, § 1 VersStG Rz. 273 ff.
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Kap. 11 Besondere Verkehr- und Verbrauchsteuern
11.24
Die in § 1 Abs. 2 VersStG verankerte gegenständliche und personale Anknüpfung bezieht sich auf den Geltungsbereich des Versicherungsteuergesetzes (Inland), wozu das Küstenmeer vor der deutschen Küste1 und aufgrund der Sonderregelung in § 1 Abs. 4 VersStG die deutsche ausschließliche Wirtschaftszone (Art. 55 SRÜ) gehören, so dass im Ergebnis auch Versicherungsverhältnisse erfasst werden, die sich auf Bohrinseln, Offshore-Windkraftanlagen auch außerhalb der 12-MeilenZone beziehen.2
11.25
Besteht das Versicherungsverhältnis mit einem Drittstaaten-Versicherer entsteht die Steuerpflicht, wenn der Versicherungsnehmer bei Zahlung des Versicherungsentgeltes seinen Wohnsitz (§ 8 AO) oder gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) oder seinen Sitz (§ 11 AO) im Inland hat oder ein Gegenstand versichert ist, der sich zur Zeit der Begründung des Versicherungsverhältnisses im Inland befand oder sich das Versicherungsverhältnis auf ein Unternehmen, eine Betriebstätte oder eine sonstige Einrichtung im Inland bezieht (§ 1 Abs. 3 Nr. 1–3 VersStG). Im Unterschied zu den EU-/EWR-Fällen, bei denen die in Umsetzung verschiedener EU-Richtlinien3 eine auf die Vermeidung der Doppelbesteuerung gerichtete harmonisierte Regelung (§ 1 Abs. 2 VersStG) Geltung hat, ist in Drittlandsfällen (§ 1 Abs. 3 VersStG) eine Doppelbesteuerung nicht zu vermeiden, wenn insbesondere im Ausland belegene Risiken auch dort der Versicherungsteuer unterworfen sind.4 Angesprochen sind insbesondere Fälle, in denen deutsche Unternehmen im Ausland belegene Risiken bei Drittstaatenversicherern versichern. Dieser Vorgang unterliegt zum einen gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 VersStG der deutschen Versicherungsteuer und zum anderen, weil sich der versicherte Gegenstand zur Zeit der Begründung des Versicherungsverhältnisses im Ausland befindet,5 der betreffenden ausländischen Versicherungsteuer. Der vergleichbare Vorgang innerhalb des EU-/EWR-Bereichs würde dem gegenüber keine Doppelbesteuerung auslösen. Diese steuerliche Benachteiligung von Drittlandssachverhalten verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 GG.6 Eine Besonderheit ergibt sich allerdings aus § 4 Nr. 10 VersStG. Hiernach ist die Zahlung des Versicherungsentgelts für eine Transportgüterversicherung von der Steuer befreit, wenn sich die Versicherung auf Güter bezieht, die ausschließlich im Ausland oder im grenzüberschreitenden Verkehr einschließlich der Durchfuhr befördert werden. Eine Doppelbesteuerung ist insoweit ausgeschlossen.
11.26
Ebenso wie die Versicherungsteuer zählt auch die Feuerschutzsteuer zu den besonderen Verkehrsteuern, obwohl sie als Zwecksteuer zur Förderung des Feuer-
1 12 Seemeilen-Zone gem. Art. 2, 3 SRÜ; vgl. hierzu Rz. 6.30. 2 Der maßgebliche genuine link (Rz. 3.13) ergibt sich aus Art. 60 Abs. 2 SRÜ; vgl. Englisch in Tipke/Lang22, § 18 Rz. 70; zu Einzelheiten Medert/Axer/Voß, § 1 VersStG Rz. 397 ff.; Grünwald/Dallmayr, § 1 VersStG Rz. 315 ff. 3 Vgl. die zweite EG-Versicherungsrichtlinie des Rates v. 22.6.1988 – 88/357/EWG, ABl. EG Nr. L 172/1; Dritte EG-Versicherungsrichtlinie von 1992, RL 92/49, EWG des Rates v. 18.6.1992, ABl. EG Nr. L 228/1. 4 Hierzu Kühnast, UVR 1989, 78; Strunz, IStR 2001, 777; Crezelius in FS Haarmann, 429 (436). 5 Entsprechend § 1 Abs. 3 Nr. 2 VersStG. 6 De Weerth, DB 2014, 2679; zur gem. Art. 3 Abs. 1 GG gebotenen Gleichbehandlung von EU-/EWR-Fällen und Drittlandsfällen vgl. Rz. 4.14.
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löschwesens und des vorbeugenden Brandschutzes erhoben wird.1 Im Unterschied zur Versicherungsteuer knüpft sie technisch nicht an die Zahlung von Versicherungsentgelten, sondern an die Entgegennahme derselben an,2 so dass nicht der Versicherungsnehmer, sondern der Versicherer Steuerschuldner ist (§ 5 FeuerschStG). Das ändert aber nichts daran, dass die Feuerschutzsteuer durch Überwälzung die Einkommens-/Vermögensverwendung seitens des Versicherungsnehmers belastet.3 Der Feuerschutzsteuer, die neben der Versicherungsteuer erhoben wird,4 unterliegen alle empfangenen Entgelte für Feuerversicherungen einschließlich FeuerBetriebs-Unterbrechungsversicherungen, Wohngebäudeversicherungen oder Hausratversicherungen für versicherte Gegenstände, die sich bei Zahlung des Entgelts im Inland befinden (§ 1 Abs. 1 Satz 1 FeuerschStG). Damit wird dem Belegenheitsprinzip entsprochen, so dass es zu einer Doppelbesteuerung nur dann kommen kann, wenn im Ausland bei der Feuerschutzsteuer auf den Wohnsitz des Versicherungsnehmers abgestellt wird. § 1 Abs. 3 FeuerschStG bestimmt allerdings, dass für die Feuerschutzsteuerpflicht die Vorschriften des § 1 Abs. 2, 3 VersStG entsprechend anzuwenden sind. Hiernach gelten für die Abgrenzung der Feuerschutzsteuerpflicht dieselben Kriterien, wie sie für die Abgrenzung der Steuerpflicht bei der Versicherungsteuer bestehen (Rz. 11.21). Im Kern bedeutet das, dass in den Fällen von EU-/EWR-Versicherern das Belegenheitsprinzip dahingehend modifiziert wird, dass statt der reinen Sachbelegenheit an die Risikobelegenheit angeknüpft wird (Rz. 11.22).
11.27
III. Kraftfahrzeugsteuer und Luftverkehrsteuer Literatur Kommentare zum KraftStG; Bruschke, Die neue Förderung von Dieselfahrzeugen bei der Kraftfahrzeugsteuer, UVR 2007, 219; Bruschke, Neue Beste Nutzfahrzeuge, UVR 2008, 60; Eilers/Hey, Haushaltskonsolidierung ohne Kompetenzgrundlage – Finanzverfassungsrechtliche Würdigung des neuen Luftverkehrsteuergesetzes, DStR 2011, 97; Englisch in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. Köln 2015, § 18 Rz. 85 ff.; Gawel, Klimaschutz durch Kfz-Besteuerung, StuW 2011, 250; Goldmann/Gutschalk, Eine Einführung in die neue Luftverkehrsteuer, ZfZ 2010, 283; Halaczynski, Ist die Luftverkehrsteuer verfassungsgemäß?, UVR 2014, 213; Kloepfer, Luftverkehrsteuer-Rechtsprobleme eines Luftverkehrsteuergesetzes, 2010; Tipke, Die Steuerrechtsordnung II, 2. Aufl. Köln 2001, 1099 f.; § 18 Rz. 129.
Die Kraftfahrzeugsteuer wird überwiegend als Verkehrsteuer qualifiziert, und zwar entweder als Realverkehrsteuer, weil sie an einen Akt des technischen Verkehrs anknüpft,5 oder als Rechtsverkehrsteuer, weil ihr ein Vorgang des Rechts1 Medert/Axer/Voß, § 1 VersStG Rz. 51; Englisch in Tipke/Lang22, § 18 Rz. 75; den Verkehrsteuercharakter verneinend Grünwald/Dallmayr, Einführung Rz. 1. 2 Insoweit ist die Versicherungsteuer also eine indirekte Verkehrsteuer. 3 Englisch in Tipke/Lang22, § 18 Rz. 77. 4 Die Versicherungsteuer zählt allerdings nicht zum Versicherungsentgelt (§ 4 Abs. 3 FeuerschStG); die Doppelbesteuerung wird durch quotale Reduktion der Bemessungsgrundlage vermieden (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 VersStG und § 3 FeuerschStG); vgl. zu verbleibenden Steuerkumulierungseffekten Medert/Axer/Voß, § 1 VersStG Rz. 53. 5 Englisch in Tipke/Lang22, § 18 Rz. 102, 105.
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11.28
Kap. 11 Besondere Verkehr- und Verbrauchsteuern
verkehrs auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (Zulassung) zugrunde liegt.1 Indessen belastet die Kraftfahrzeugsteuer nicht nur die (private) Einkommen- und Vermögensverwendung, sondern auch den gewerblichen Einsatz von Kraftfahrzeugen, so dass insoweit die Kraftfahrzeugsteuer auch eine Unternehmensteuer ist. Wegen der Differenzierung der Steuersätze für schadstoffarme, bedingt schadstoffarme und übrige PKW (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a KraftStG) lässt sich die Kraftfahrzeugsteuer auch als umweltpolitische Lenkungsteuer legitimieren.2 11.29
Der Kraftfahrzeugsteuer unterliegt grundsätzlich das Halten von inländischen Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG). Zu den inländischen Fahrzeugen gehören solche, die unter die im Inland geltenden Zulassungsvorschriften fallen (§ 2 Abs. 3 KraftStG). Steuerschuldner ist stets derjenige, für den das Fahrzeug zum Verkehr zugelassen ist (§ 7 Nr. 1 KraftStG). Ob es sich hierbei um Personen handelt, die im Inland ihren Wohnsitz (§ 8 AO) oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) haben, spielt keine Rolle.
11.30
Der Kraftfahrzeugsteuer unterliegt darüber hinaus auch das Halten von ausländischen Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen, solange die Fahrzeuge sich im Inland befinden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 KraftStG). Steuerschuldner ist bei einem ausländischen Fahrzeug, also einem solchen, das im Zulassungsverfahren eines anderen Staates zugelassen ist (§ 2 Abs. 4 KraftStG), derjenige, der das Fahrzeug im Inland benutzt (§ 7 Nr. 2 KraftStG). Die Steuerpflicht dauert hierbei solange an, wie sich das Fahrzeug im Inland befindet (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 KraftStG). Um Doppelbesteuerungen zu vermeiden enthält § 1 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 KraftStG eine Ausnahme von der Besteuerung für in anderen EU-Staaten zugelassene Nutzfahrzeuge.3 Die gleiche Zielsetzung verfolgen die in § 3 Nr. 13–15 KraftStG verankerten Steuerbefreiungen, wobei diejenige von besonderer Bedeutung ist, die zum vorübergehenden Aufenthalt in das Inland gelangte ausländische Pkw für die Dauer bis zu einem Jahr frei stellt (§ 3 Nr. 13 KraftStG). Darüber hinaus werden nach dem sog. Genfer Abkommen4 in einem Gebiet eines anderen Vertragsstaats zugelassene Fahrzeuge freigestellt, wenn sie vorübergehend zum privaten Gebrauch in das Inland gelangen.
11.31
§ 1 Abs. 1 Nr. 3 KraftStG enthält schließlich eine Sonderregelung für die widerrechtliche Benutzung von Fahrzeugen im Inland. Das gilt auch für ausländische Fahrzeuge, wenn die Voraussetzungen der Steuerbefreiung in § 3 Nr. 13 KraftStG nicht mehr vorliegen. Angesprochen ist damit insbesondere der Fall, dass im Ausland zugelassene Fahrzeuge von Personen benutzt werden, die ihren Wohnsitz (§ 8 AO) oder gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) im Inland haben (§ 3 Nr. 13 Satz 2 KraftStG) oder dass die für den vorübergehenden Aufenthalt im Inland maßgebliche Ein-Jahres-Frist (§ 3 Nr. 13 Satz 1 KraftStG) abgelaufen ist.
1 BFH v. 27.6.1973 – II R 179/71, BStBl. II 1973, 807; a.A. Desens in FS Kirchhof, § 189 Rz. 31: Aufwandsteuer. 2 Englisch in Tipke/Lang22, § 18 Rz. 86; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, II2 S. 1099; Seer, ZfZ 2013, 146 (148); die Kraftfahrzeugsteuer sollte ursprünglich zudem die Beanspruchung der öffentlichen Straßeninfrastruktur abgelten, dieser Äquivalenzgedanke ist inzwischen aber überholt; vgl. hierzu Englisch in Tipke/Lang22, § 18 Rz. 85. 3 Rechtsgrundlage: RL 1999/62/EG v. 17.6.1999, ABl. Nr. L 187/42. 4 Vom 18.5.1956, BGBl. II 1960, 2398.
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Ebenso wie die Kraftfahrzeugsteuer ist auch die Luftverkehrsteuer von ihrer tatbestandlichen Anknüpfung her eine Verkehrsteuer.1 Sie ist als Rechtsverkehrsteuer zu qualifizieren, weil sie an einen Rechtsvorgang anknüpft, der zum Abflug eines Fluggastes von einem inländischen Startort mit einem Flugzeug durch ein Luftfahrtverkehrsunternehmen zu einem Zielort berechtigt (§ 1 Abs. 1 LuftVStG).2 Der maßgebliche Rechtsvorgang ist hierbei in der Regel der Abschluss eines (entgeltlichen) Beförderungsvertrages.3 Von der Belastungswirkung her ist die Luftverkehrsteuer eine Steuer auf die Einkommens- oder Vermögensverwendung, da der Gesetzgeber von der Überwälzung der Steuer auf die Fluggäste ausgeht.4 Gemessen hieran kann sie aber auch als indirekte Aufwandsteuer5 qualifiziert werden.6
11.32
Die Luftverkehrsteuer erfasst im Wesentlichen Inlandsflüge und grenzüberschreitende Flüge von einem inländischen Startort (§ 1 Abs. 1 LuftVStG). Nicht der Besteuerung unterliegen somit Flüge vom Ausland in das Inland, so dass entsprechend der gesetzgeberischen Konzeption eine Doppelbesteuerung vermieden wird. Ausgenommen von der Steuerpflicht sind letztlich auch im Ausland begonnene Flüge mit Zwischenlandung im Inland und Fortsetzung des Fluges in das Inland bzw. Ausland (§ 2 Nr. 3, 4, 5 LuftVStG). Auch hierdurch wird eine Doppelbesteuerung vermieden.7
11.33
Im Hinblick auf das für die Luftverkehrsteuer spezifische Belegenheitsprinzip (inländischer Startort) spielt es keine Rolle, ob in- oder ausländische Fluggäste durch in- oder ausländische Fluggesellschaften befördert werden.
11.34
IV. Rennwett- und Lotteriesteuer Literatur Kommentare zum Rennwett- und Lotteriegesetz; Brüggemann, Die Besteuerung von Sportwetten im Rennwett- und Lotteriegesetz, Baden-Baden 2015; Englisch in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. Köln 2015, § 18 Rz. 80 ff.; Englisch in Streinz/Liesching/Hambach, Glücks- und Gewinnspielrecht in den Medien, München 2014, Syst. Darst.; Kahle, Glücksspiele im Steuerrecht, DStZ 2011, 520; Maslaton/Sensburg, Lotteriesteuern in den neuen Medien, DStZ 2002, 24; Sensburg, Oddset-Sportwetten: Veranstaltung im Inland oder Vermittlung im Ausland, DStZ 2006, 189; Strahl/Eich, Der lotteriesteuerliche Begriff der Veranstaltung, UVR 2006, 246; Welz, Besteuerung von ausländischen und inländischen Lotte1 Der Verbrauchsteuercharakter nach Maßgabe der VStSystRL wurde verneint vom BFH v. 1.12.2015 – VII R 55/13, DStRE 2016, 497. 2 Vgl. BVerfG v. 5.11.2014 – 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, 350 Rz. 29; Kloepfer, LuftVSt, 7 ff.; Englisch in Tipke/Lang22, § 18 Rz. 99; dagegen als Aufwandsteuer qualifizierend Eilers/ Hey, DStR 2011, 97 (101); Desens in FS Kirchhof, § 189 Rz. 32. 3 Vgl. BVerfG v. 5.11.2014 – 1 BvF 3/11, BVerfGE 137, 350 Rz. 30; dort auch zu der Feststellung, dass der in § 1 Abs. 2 LuftVStG fingierte Rechtsvorgang an der Qualifikation als Rechtsverkehrsteuer nichts ändert. 4 Vgl. BT-Drucks. 17/3030, 4. 5 Aufwandsteuern sind Steuern auf das Halten bzw. den Gebrauch von Gütern und Dienstleistungen; zu dieser Begriffsbildung Seer in Tipke/Lang22, § 2 Rz. 48. 6 Englisch in Tipke/Lang22, § 18 Rz. 99, 102. 7 Zu EU-beihilferechtlichen Bedenken, weil im Ergebnis vor allem die Lufthansa mit ihren Drehkreuzen in Frankfurt und München begünstigt ist, Englisch in Tipke/Lang22, § 18 Rz. 100.
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Kap. 11 Besondere Verkehr- und Verbrauchsteuern rien nach dem Rennwett- und Lotteriegesetz, UVR 2010, 308; Wernsmann/Loscher, Rennwetterlaubnis und Rennwettsteuer nach Neuregelung der Pferderennwetten, DVBl 2014, 211.
11.35
Der Rennwettsteuer (§ 1 RennwLottG) und der Sportwettensteuer (§ 17 Abs. 2 RennwLottG) unterliegen Wetten anlässlich bestimmter Sportereignisse und der Lotteriesteuer (§ 17 Abs. 1 RennwLottG) wettverwandte Spiele aus anderen Anlässen. Die im Rennwett- und Lotteriegesetz geregelten Steuern zählen zu den Verkehrsteuern,1 die vom Tatbestand her an den Abschluss eines Wettvertrages2 oder an einen Lotterie-/Ausspielvertrag anknüpfen.3 Von der Belastungswirkung her handelt es sich um Steuern auf die Einkommen- und Vermögensverwendung.4 Eine Besonderheit besteht bei der Rennwettsteuer, deren Aufkommen überwiegend an die Rennwettvereine, die einen Totalisator betreiben, zurückfließen (§16 Abs. 1 Satz 1 RennwLottG). Insoweit ist die Rennwettsteuer eine Steuer, deren Aufkommensverwendung einem gesonderten Zweck unterliegt.5 Dem gegenüber liegt der Sportwettensteuer und der Lotteriesteuer ein Lenkungszweck dahingehend zugrunde, die Wett- und Spielleidenschaft einzudämmen.6
11.36
Der Rennwettsteuer unterliegt der Abschluss von Wetten aus Anlass öffentlicher Pferderennen und anderen öffentlichen Leistungsprüfungen für Pferde bei einem Totalisator (§§ 1 Abs. 1, 10 Abs. 1 RennwLottG) oder einem Buchmacher (§§ 2 Abs. 1, 11 Abs. 1 RennwLottG). Dem entsprechend wird die Rennwettsteuer entweder als Totalisatorsteuer oder als Buchmachersteuer erhoben. Steuerschuldner sind daher die Totalisatorunternehmer, also die Vereine, die den Totalisator betreiben, an denen die Spieler ihre Wetteinsätze platzieren oder die Buchmacher, die Partei des Wettvertrages mit den Spielern sind (§ 13 Abs. 1 RennwLottG).
11.37
Für die Rennwettsteuer enthält das Gesetz keine Regelungen über den territorialen Anwendungsbereich. Eine Besteuerung ohne jede Inlandsanknüpfung (genuine link) ist allerdings völkerrechtlich unzulässig (Rz. 3.13). Im Hinblick darauf ist, obwohl es an einer normativen Verankerung fehlt, die territoriale Reichweite der Rennwettsteuer auf das Inland begrenzt mit der Folge, dass nur der Abschluss von Rennwetten im Inland eine Steuer auslöst.7 Hieraus folgt, dass der Abschluss von Wettverträgen im Ausland, insbesondere bei dort ansässigen Wettveranstaltern, nicht der Rennwettsteuer unterworfen ist. Durch diese Inlandsbezogenheit wird zugleich die Doppelbesteuerung vermieden.8 1 Desens in FS Kirchhof, § 189 Rz. 129: indirekte Verkehrsteuer. 2 Brüggemann, Die Besteuerung von Sportwetten im Rennwett- und Lotteriegesetz, BadenBaden 2015, 129 f. 3 BFH v. 19.6.1996 – II R 29/95, BFH/NV 1997, 69; Kahle, DStZ 2011, 520 (524). 4 Englisch in Tipke/Lang22, § 18 Rz. 80; Kahle, DStZ 2011, 520 (527); Seer, ZfZ 2013, 146, 148: indirekte Verbrauchsteuer. 5 Zu Einzelheiten Brüggemann, Die Besteuerung von Sportwetten im Rennwett- und Lotteriegesetz, Baden-Baden 2015, 131 ff. 6 Vgl. BFH v. 22.3.2005 – II B 14/04, BFH/NV 2005, 1379 (1382); Brüggemann, Die Besteuerung von Sportwetten im Rennwett- und Lotteriegesetz, Baden-Baden 2015, 139 m.w.N. 7 Zu Einzelheiten Brüggemann, Die Besteuerung von Sportwetten im Rennwett- und Lotteriegesetz, Baden-Baden 2015, 273 ff.; im Ergebnis ebenso Englisch in Streinz/Liesching/ Hambach, Glücks- und Gewinnspielrecht in den Medien, München 2014, Syst. Darst. Rz. 18; Englisch in Tipke/Lang22, § 18 Rz. 81. 8 Vgl. allerdings Wernsmann/Loscher, DVBl. 2014, 211 (216).
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B. Besondere Verkehrsteuern
Soweit Wetten aus Anlass von Sportereignissen nicht bereits der Rennwettsteuer (§ 1 RennwLottG) unterliegen, greift eine besondere Sportwettensteuer ein (§ 17 Abs. 2 RennwLottG). Im Unterschied zur Rennwettsteuer (§ 1 RennwLottG) ist für die Sportwettensteuer der territoriale Anwendungsbereich konkret geregelt: § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 RennwLottG knüpft an die Veranstaltung der Sportwette im Inland an, wobei auf die Gestaltung des Wettgeschehens – Festlegen der Wettquoten, Auswahl der Sportereignisse, Wettvertrag – abzustellen ist.1 Darüber hinaus werden aber auch Wettveranstaltungen im Ausland erfasst, wenn der Spieler eine natürliche Person ist und bei Abschluss des Wettvertrages seinen Wohnsitz (§ 8 AO) oder gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) im Inland hat oder, wenn er keine natürliche Person ist, bei Abschluss des Wettvertrages seine Geschäftsleitung (§ 10 AO) oder seinen Sitz (§ 11 AO) im Inland hat (§ 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 RennwLottG). Im Ergebnis werden damit auch ausländische Veranstalter zur Sportwettensteuer herangezogen. Da sie in aller Regel auch im Ansässigkeitsstaat einer Wettsteuer unterliegen, bewirkt § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 RennwLottG eine Doppelbesteuerung, die zwar zu Wettbewerbsverzerrungen führen kann aber gleichwohl mit der unionsrechtlich verbürgten Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV) vereinbar ist.2
11.38
Die (klassische) Lotteriesteuer erfasst im Inland veranstaltete öffentliche Lotterien und Ausspielungen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 RennwLottG).3 Für den Inlandsbezug ist hierbei darauf abzustellen, wo die Gewinnverteilung, d.h. der Ort der Ziehung der Lose, stattfindet.4 Über § 17 Abs. 1 Satz 1 RennwLottG hinaus werden aber auch im Ausland veranstaltete Lotterien und Ausspielungen mit (deutscher) Lotteriesteuer belastet, wenn die entsprechenden Lose oder Ausweise ins Inland gelangen (§ 21 RennwLottG).5 Auch hierdurch wird eine Doppelbesteuerung ausgelöst, soweit der ausländische Veranstalter im Ausland zu einer vergleichbaren Lotteriesteuer herangezogen wird.6 Diese Doppelbesteuerung verstößt nicht gegen die unionsrechtlich verbürgte Dienstleistungsfreiheit (Art. 56 AEUV).7
11.39
1 Birk/Brüggemann in Dietlein/Hecker/Ruttig2, § 17 RennwLottG Rz. 26; Englisch in Streinz/Liesching/Hambach, Glücks- und Gewinnspielrecht in den Medien, München 2014, Syst. Darst. Rz. 70; Brüggemann, Die Besteuerung von Sportwetten im Rennwettund Lotteriegesetz, Baden-Baden 2015, 172. 2 Brüggemann, Die Besteuerung von Sportwetten im Rennwett- und Lotteriegesetz, BadenBaden 2015, 178 ff.; a.A. Birk/Brüggemann in Dietlein/Hecker/Ruttig2, § 17 RennwLottG Rz. 28; kritisch auch Kahle, DStZ 2011, 520 (532). 3 Zum Begriff der Lotterie BFH v. 19.6.1996 – II R 29/95, BFH/NV 1997, 68 (69); v. 2.4.2008 – II R 4/06, BStBl. II 2009, 735 (737): Eine Lotterie liegt vor, „wenn sich jemand für eigene Rechnung einem anderen gegenüber schuldrechtlich verpflichtet, nach einem fest gesetzten Plan beim Eintritt eines ungewissen, wesentlich vom Zufall abhängigen Ereignisses dem anderen einen bestimmten Geldgewinn zu gewähren, während der andere unbedingt einen bestimmten Geldbetrag, den Einsatz, zu zahlen hat“; im Unterschied dazu kann der in Aussicht gestellte Gewinn bei der Ausspielung auch ein Sachwert sein; zu weiteren Nachweisen Brüggemann, Die Besteuerung von Sportwetten im Rennwettund Lotteriegesetz, Baden-Baden 2015, 292. 4 Birk/Brüggemann in Dietlein/Hecker/Ruttig2, § 17 RennwLottG Rz. 17; Kahle, DStZ 2011, 520 (526); Welz, UVR 2010, 308 (309). 5 Zu Einzelheiten Welz, UVR 2010, 308 (310 f.). 6 Kahle, DStZ 2011, 520 (523 f.); Wilms, UVR 1999, 64. 7 Brüggemann, Die Besteuerung von Sportwetten im Rennwett- und Lotteriegesetz, BadenBaden 2015, 178 ff.
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Kap. 11 Besondere Verkehr- und Verbrauchsteuern
C. Besondere Verbrauchsteuern I. Energiesteuer Literatur Kommentare zum EnergieStG; Bongartz/Schröer-Schallenberg in Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, 2. Aufl. München 2011, Kap. H; Bongartz/Schröer-Schallenberg, Das neue Energiesteuergesetz, Köln 2006; Eichhorn/Utescher-Dabitz, Die Besteuerung von Strom, Erdgas und Kohle, Frankfurt 2009; Englisch in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. Köln 2015, § 18 Rz. 116 ff.; Friedrich/Köthe, Änderungen des Energie- und Stromsteuerrechts, DStR 2013, 65; Gatzke, Das System des deutschen Verbrauchsteuerrechts, Berlin 1997; Hey/ Hoffsümmer, Steuerentlastung bei Zahlungsausfall im Rahmen der Strom- und Erdgasbesteuerung, UVR 2007, 55; Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, München 2016, F1 ff.; Middendorp, Einfuhr verbrauchsteuerpflichtiger Waren, ZfZ 2011, 1; Soyk, Energieund Stromsteuerrecht, 3. Aufl. Köln 2013; Stein/Thoms, Energiesteuern in der Praxis, 3. Aufl. Köln 2016; Stein/Thoms, BB-Rechtsprechungsreport Energie- und Stromsteuerrecht 2014, BB 2015, 1876; Tipke, Die Steuerrechtsordnung II, 2. Aufl. Köln 2003, 1092 ff.
1. Belastungswirkungen 11.40
Bei der im Energiesteuergesetz geregelten Energiesteuer handelt es sich um eine auf der Grundlage der Verbrauchsteuersystemrichtlinie (Rz. 3.97 ff.)1 und der Energiesteuerrichtlinie2 harmonisierte Verbrauchsteuer. Sie belastet im Wesentlichen die Verwendung von Energieerzeugnissen als Kraftstoffe und als Heizstoffe,3 und zwar insbesondere Mineralöl (Benzin), Kohle und Erdgas.
11.41
Als (indirekte)4 Verbrauchsteuer (§ 1 Abs. 1 Satz 2 EnergieStG) ist die Energiesteuer darauf gerichtet, die konsumtive und produktive Verwendung von Einkommen bzw. Vermögen zu erfassen.5 Zugleich verfolgt die Energiesteuer ökologische Lenkungszwecke, den Energieverbrauch und damit schädliche Emissionen abzusenken.6 Darüber hinaus wird auch eine Orientierung am Äquivalenzprinzip dahingehend erkennbar, dass insbesondere die auf Mineralöl (Benzin) lastende Energiesteuer jedenfalls partiell als Ausgleich für die Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrseinrichtungen angesehen werden kann.7 Dass die 1 RL 2008/118/EG vom 16.12.2008, ABl. EU 2009 Nr. 9, 12 mit Wirkung ab 16.1.2009; hierzu Schröer-Schallenberg/Bongartz, ZfZ 2009, 161 ff. 2 RL 2003/96/EG zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom vom 16.10.2003, ABl. 2003 Nr. L 283, 51. 3 Die übrigen Verwendungsarten sind von der Steuer befreit (§ 25 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG). 4 In den Fällen von § 16 Abs. 2 Satz 2 und § 38 Abs. 2 Nr. 2 EnergieStG wirkt die Energiesteuer ausnahmsweise als direkte Verbrauchsteuer. 5 Bongartz in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, Vorb. EnergieStG Rz. 4; Jatzke, Das System des deutschen Verbrauchsteuerrechts, Berlin 1997, 88; zur Zulässigkeit der Belastung auch des produktiven Bereiches BFH v. 26.6.1984 – VII R 60/83, BFHE 141, 9. 6 Hierzu Tipke, Die Steuerrechtsordnung II2, 1092 f.; Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, F9; Englisch in Tipke/Lang22, § 18 Rz. 116: zur Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt als Umweltsteuer (Ökosteuer); Hey in Tipke/Lang22, § 7 Rz. 122. 7 Vgl. Jatzke, Das System des deutschen Verbrauchsteuerrechts, Berlin 1997, 63; kritisch zu diesem äquivalenztheoretischen Ansatz Tipke, Die Steuerrechtsordnung II2, 1092 f.
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C. Besondere Verbrauchsteuern
Energiesteuer jedenfalls auch die konsumtive Einkommensverwendung belastet, ergibt sich daraus, dass sie als indirekte Steuer auf Überwälzung angelegt ist.1 Hierfür genügt im Grundsatz2 die Gewährleistung der abstrakten Überwälzbarkeit.3 Die Überwälzbarkeit wird (auch) durch das Steueraussetzungsverfahren (§ 5 EnergieStG; vgl. Rz. 11.43 ff.) sichergestellt. Im Kern geht es hierbei darum, innerhalb der Unternehmerkette, also im Rahmen des sog. Lager- und Beförderungsverfahrens (§§ 7 ff. EnergieStG; vgl. Rz. 11.45), das Entstehen der Energiesteuer zu vermeiden. Darüber hinaus ist unter bestimmten Voraussetzungen die Energiesteuer zu erstatten, wenn die Überwälzung wegen Zahlungsunfähigkeit des Warenempfängers scheitert (§ 60 EnergieStG).4 Entsprechend dem Charakter als (indirekte) Verbrauchsteuer wird im Energiesteuergesetz ebenso wie im Umsatzsteuergesetz (Rz. 10.2 ff.) das Bestimmungslandprinzip verwirklicht,5 und zwar im Rahmen des Steueraussetzungsverfahrens (Rz. 11.43 ff.) oder durch ein speziell geregeltes Entlastungsverfahren in den Fällen, in denen Energieerzeugnisse im steuerrechtlich freien Verkehr aus dem Steuergebiet verbracht oder ausgeführt werden (Rz. 11.49 ff.).
11.42
2. Steueraussetzungsverfahren Nur bestimmte Energieerzeugnisse unterliegen im Steuergebiet der Energiesteuer (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG). In Orientierung an Art. 2 VStSystRL wird an die Herstellung innerhalb des Steuergebiets und an die Einfuhr in dieses Gebiet angeknüpft. Um welche Energieerzeugnisse es sich hierbei handelt, ergibt sich aus § 1 Abs. 2 EnergieStG6, wobei diejenigen Erzeugnisse, die in § 1 Abs. 2 Nr. 2, 3 und 5 EnergieStG genannt sind, ohne weiteres als Energieerzeugnisse qualifiziert sind. Dem gegenüber werden die in § 1 Abs. 2 Nr. 1, 4 und 6 EnergieStG bezeichneten Erzeugnisse nur dann zu Energieerzeugnissen, wenn sie dazu bestimmt sind, als Kraft- oder Heizstoffe verwendet zu werden.7
1 Hierzu Bongartz in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, Vorb. EnergieStG Rz. 9; Jatzke, Das System des deutschen Verbrauchsteuerrechts, Berlin 1997, 37, 55. 2 Falls die Überwälzung scheitert, ist allerdings ein Erlass aus Billigkeitsgründen geboten; Tipke, Die Steuerrechtsordnung II2, 1055; Schaumburg in FS Reiß, 25 (41). 3 BVerfG v. 10.5.1962 – 1 BvL 31/58, BVerfGE 14, 76 (97); v. 28.1.1970 – 1 BvL 4/67, BVerfGE 27, 375 (384); v. 1.4.1971 – 1 BvL 22/67, BVerfGE 31, 8 ff. (20); v. 20.4.2004 – 1 BvR 905/00, BVerfGE 110, 274 (289, 295); Jatzke, Das System des deutschen Verbrauchsteuerrechts, Berlin 1997, 72 f., 266; Englisch in FS Kirchhof, § 190 Rz. 7. 4 Die Entlastungsmöglichkeit gilt freilich nur für Mineralöl, nicht aber für Erdgas oder andere Energieerzeugnisse; zur Kritik an dieser bloß selektiven Entlastungsmöglichkeit; Tipke, Die Steuerrechtsordnung II2, 1055; Hey/Hoffsümmer, UVR 2007, 60; Schaumburg in FS Reiß, 25 (41 ff.); sachliche Billigkeitsgründe wurden verneint vom BFH v. 17.12.1974 – VII R 111/72, BFHE 115, 2; v. 17.12.2013 – VII R 8/12, ZfZ 2014, 170. 5 Soyk, Energie- und Stromsteuerrecht3, Kap. 9 Rz. 1; Stein/Thoms, Energiesteuern in der Praxis3, 90. 6 Vgl. Art. 2 Abs. 1 EnergieStRL. 7 Zu Einzelheiten Alexander in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, § 1 EnergieStG Rz. 16 ff.; Milewski in Möhlenkamp/Milewski, § 1 EnergieStG Rz. 4 ff.; ferner Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, F 24 ff., dort auch zu in „dual use“-Prozessen verwendeten Energieerzeugnissen.
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11.43
Kap. 11 Besondere Verkehr- und Verbrauchsteuern
11.44
Während die Energiesteuerpflicht somit bereits an die Herstellung der betreffenden Erzeugnisse im Steuergebiet1 oder an ihre Einfuhr in dieses Gebiet anknüpft, entsteht der Energiesteueranspruch für dem Steueraussetzungsverfahren unterliegende Energieerzeugnisse (§ 4 EnergieStG) in der Regel2 erst zum Zeitpunkt der Überführung derselben in den steuerrechtlich freien Verkehr (§ 8 Abs. 1 EnergieStG). Ausgenommen hiervon sind solche Energieerzeugnisse, die zu anderen Zwecken als zur Verwendung als Kraft- und Heizstoffe (nichtenergetische Verwendung) verwendet werden. Hierfür kommt die Steuerbefreiung gem. § 25 Abs. 1 EnergieStG in Betracht. Dem Steueraussetzungsverfahren unterliegen schließlich nicht Kohle und Erdgas, für die Sonderregelungen gelten (Rz. 11.55 ff.).
11.45
Das in § 5 Abs. 1 EnergieStG geregelte Steueraussetzungsverfahren – Lagerverfahren und Beförderungsverfahren – ist dadurch gekennzeichnet, dass der Energiesteueranspruch für die betreffenden Energieerzeugnisse (§ 4 EnergieStG)3 noch nicht entstanden ist, obwohl der Steuertatbestand (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG) bereits erfüllt ist.4 Hierdurch wird bewirkt, dass die Energiesteuer suspendiert ist, solange Energieerzeugnisse aus dem Steuerlager nicht zum freien Verkehr entnommen werden (§ 8 Abs. 1 EnergieStG). Im Kern geht es darum, innerhalb der Unternehmerkette, also im Rahmen des sogenannten Lager- und Beförderungsverfahrens, das Entstehen einer Energiesteuer zu vermeiden.5 Damit wird der Zeitpunkt der Steuerentstehung möglichst nah an die Abgabe der Energieerzeugnisse an den Verbraucher herangeführt.6 Im internationalen Kontext wird hierdurch zugleich das Bestimmungslandprinzip verwirklicht, weil das Steueraussetzungsverfahren, an dem nur Unternehmer7 teilnehmen können, auch grenzüberschreitend wirkt. Das gilt allerdings nur für das Beförderungsverfahren, das voraussetzt, dass die Beförderungen unter Anwendung eines bestimmten EDV-gestützten Beförderungs- und Kontrollsystem (EMCS)8 erfolgen (§ 9c EnergieStG).9 1 Das ist die Bundesrepublik Deutschland ohne das Gebiet von Büsingen und ohne die Insel Helgoland (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG); beide Gebiete gehören weder zum Zollgebiet der Union (Art. 3 Abs. 1 ZK), noch zu ihrem Verbrauchsteuergebiet (Art. 5 Abs. 3 Buchst. a und b VStSystRL). 2 Weitere Steuerentstehungstatbestände sind Herstellung ohne Erlaubnis (§ 9 EnergieStG), Differenzbesteuerung (§ 20 EnergieStG), gekennzeichnete Energieerzeugnisse (§ 21 EnergieStG), Sonstiges (§§ 22, 23 EnergieStG), Vermischung versteuerter Energieerzeugnisse (§ 10 EnergieStV), Kohle (§§ 32, 36 EnergieStG), Erdgas (§§ 38, 42, 43 EnergieStG). 3 Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, C 57 f. mit Hinweis auf anderweitige Begrifflichkeiten wie steuerliche Verstrickung, steuerlicher Nexus oder steuerliche Gebundenheit. 4 Vgl. in diesem Sinne: EuGH v. 12.12.2001 – Rs. C-395/00 – Cipriani, ZfZ 2003, 128, Tz. 41; v. 28.1.2016 – Rs. C-64/15 – BP Europe, ZfZ 2016, 66, Rz. 22. 5 Als Aufschub der Steuerpflicht bezeichnet von EuGH v. 28.1.2016 – Rs. C-64/15 – BP Europa, ECLI:EU:C:2016:62 = ZfZ 2016, 66, Rz. 22; v. 29.4.2010 – Rs. C-230/08 – Dansk Transport og Logisitik, ZfZ 2010, 211, Rz. 78. 6 Hierzu Jatzke, Das System des deutschen Verbrauchsteuerrechts, Berlin 1997, 144; Stobbe, Die Harmonisierung der besonderen Verbrauchsteuern in der EG (Teil 2), ZfZ 1993, 194 (197). 7 Herstellungs- und Lagerbetriebe (§§ 6, 7 EnergieStG). 8 Excise Movement and Control System; hierzu Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, C 92. 9 Zu Einzelheiten Jatzke in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, § 10 EnergieStG Rz. 12 ff.; Soyk, Energie- und Stromsteuerrecht3, Kap. 9 Rz. 44 ff.
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C. Besondere Verbrauchsteuern
Die in der Praxis wichtigste Fallgruppe ist die Beförderung von dem Steueraussetzungsverfahren unterliegenden Energieerzeugnissen (§ 4 EnergieStG) im Steuergebiet (§ 10 Abs. 1 EnergieStG).1 Angesprochen ist hiermit die Beförderung aus Steuerlagern in andere Steuerlager im Steuergebiet oder zu Begünstigten i.S. des § 9c EnergieStG im Steuergebiet, die grundsätzlich zu keiner Entnahme in den steuerrechtlich freien Verkehr führt (§ 8 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG).2 Im Bereich grenzüberschreitender Beförderungen spielen solche aus anderen und in andere EU-Mitgliedstaaten (§ 11 EnergieStG) eine besondere Rolle.3 Hiernach sind Beförderungen unter Steueraussetzung in andere EU-Mitgliedstaaten möglich, wobei es unschädlich ist, wenn über Drittländer4 oder Drittgebiete5 befördert wird (§ 11 Abs. 1 Nr. 1 EnergieStG).6 Eine weitere Fallgruppe betrifft die Beförderung von dem Steueraussetzungsverfahren unterliegenden Energieerzeugnissen (§ 4 EnergieStG) aus anderen EU-Mitgliedstaaten (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG).7 Schließlich dürfen Energieerzeugnisse unter Steueraussetzung auch durch das Steuergebiet befördert werden, wenn die Beförderung in einem anderen EU-Mitgliedstaat beginnt und endet (§ 11 Abs. 1 Nr. 3 EnergieStG). Im Ergebnis wird durch das grenzüberschreitende Beförderungsverfahren sichergestellt, dass jeweils die Energiesteuerbelastung in dem EU-Mitgliedstaat wirksam wird, in dem die dem Steueraussetzungsverfahren unterliegenden Energieerzeugnisse (§ 4 EnergieStG) in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt werden.8
11.46
Das Beförderungsverfahren gilt nicht nur innerhalb des Steuergebiets und im Verhältnis zu anderen EU-Mitgliedstaaten, sondern auch im Verhältnis zu Drittländern und Drittgebieten. Damit ist auch die Ausfuhr von Energieerzeugnissen unter Steueraussetzung zulässig (§ 13 EnergieStG). Im Hinblick darauf, dass die für die Ausfuhr bestimmten Energieerzeugnisse (§ 4 EnergieStG) nicht nur den Regeln des Steueraussetzungsverfahrens, sondern auch des Zollverfahrens unterliegen, wird als Ort der Ausfuhr der Ort bezeichnet, an dem die Energieerzeugnisse das Verbrauchsteuergebiet der EU verlassen (§ 13 Abs. 1 EnergieStG).9 Das sind in aller Regel die Ausgangszollstellen, an denen die Energieerzeugnisse zu gestellen sind.10 Die ausgeführten Energieerzeugnisse unterliegen damit der im Drittland oder im Drittgebiet maßgeblichen Energiesteuer, womit das Bestimmungslandprinzip auch insoweit verwirklicht wird.
11.47
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Zu Einzelheiten Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, C 67 ff. Hierzu im Überblick Soyk, Energie- und Stromsteuerrecht3, Kap. 9 Rz. 78 ff. Hierzu im Überblick Soyk, Energie- und Stromsteuerrecht3, Kap. 9 Rz. 96 ff. § 1a Nr. 7 EnergieStG: Gebiete, die außerhalb des Verbrauchsteuergebiets der Europäischen Gemeinschaft liegen und nicht zum Zollgebiet der Gemeinschaft gehören. § 1a Nr. 6 EnergieStG: Gebiete, die außerhalb des Verbrauchsteuergebiets der Europäischen Gemeinschaft liegen, aber zum Zollgebiet der Gemeinschaft gehören. Zu steuerstrafrechtlichen Implikationen im Zusammenhang mit grenzüberschreitenden Beförderungsverfahren Schaumburg in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 19.4 ff. Die Beförderung über Drittländer oder Drittgebiete ist auch hier unschädlich. Soyk, Energie- und Stromsteuerrecht3, Kap. 9 Rz. 1; Stein/Thoms, Energiesteuern in der Praxis3, 90; zu Fehlmengen, die regelmäßig erst im Empfangsstaat festgestellt werden EuGH v. 28.1.2016 – Rs. C-64/15 – BP Europa, ECLI:EU:C:2016:62 = ZfZ 2016, 66. Erfasst wird infolgedessen auch die mittelbare Ausfuhr über andere EU-Mitgliedstaaten. Hierzu Jatzke in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, § 13 EnergieStG Rz. 12 ff.; vgl. zur Ausfuhrbestätigung und Ausfuhrmeldung § 34 Abs. 5 EnergieStV.
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Kap. 11 Besondere Verkehr- und Verbrauchsteuern
11.48
Das Steueraussetzungsverfahren (Beförderungsverfahren) kommt auch in den Fällen der Einfuhr1 aus Drittländern und Drittgebieten (§ 19 EnergieStG) zur Anwendung.2 Die Energiesteuer entsteht zwar im Grundsatz zum Zeitpunkt der Überführung der Energieerzeugnisse (§ 4 EnergieStG) in den steuerrechtlich freien Verkehr durch die Einfuhr, das gilt aber dann nicht, wenn die Energieerzeugnisse unmittelbar am Ort der Einfuhr in ein Verfahren der Steueraussetzung (§ 5 EnergieStG) überführt werden (§ 19b Abs. 1 EnergieStG). Angesprochen ist damit insbesondere der Fall, dass Energieerzeugnisse im Sinne des § 4 EnergieStG aus Drittländern, die sich in keinem zollrechtlichen Nichterhebungsverfahren befinden, unter Beachtung der allgemeinen Bestimmungen (§ 9d EnergieStG) unter Steueraussetzung etwas in das Steuergebiet (§ 10 Abs. 1 EnergieStG) oder zu einem Ort befördert werden, an dem die Energieerzeugnisse das Verbrauchsteuergebiet der EU verlassen (§ 13 EnergieStG). Insoweit ergibt sich aus § 19b Abs. 1 EnergieStG eine mit dem § 8 Abs. 1 EnergieStG vergleichbare Regelungssystematik (Rz. 11.45). Damit geht es auch in den Fällen der Einfuhr um die Verwirklichung des Bestimmungslandprinzips. 3. Steuerrechtlich freier Verkehr
11.49
Energieerzeugnisse, die sich nicht im Steueraussetzungsverfahren befinden, sind im steuerrechtlich freien Verkehr (§ 1a Nr. 10 EnergieStG).3 Zu den Energieerzeugnissen, die dem Steueraussetzungsverfahren nicht unterworfen sind, gehören jene, die zwar in §§ 1 Abs. 2, 3 EnergieStG, nicht aber in § 4 EnergieStG aufgeführt sind.4 Diese Energieerzeugnisse befinden sich daher stets im steuerrechtlich freien Verkehr5 und lösen erst dann eine Energiesteuer aus, wenn sie in den Kraft- oder Heizstoffbereich gelangen (§ 23 Abs. 1 EnergieStG). Das gilt freilich nicht für Kohle und Erdgas (§ 23 Abs. 1 EnergieStG), für die eigenständige Regelungen (§§ 31–44 EnergieStG) bestehen (Rz. 11.55 ff.). Dem steuerrechtlich freien Verkehr unterliegen aber auch Energieerzeugnisse im Sinne von § 4 EnergieStG, wenn diese aus einem Verfahren der Steueraussetzung entnommen (§ 8 Abs. 1 EnergieStG) oder außerhalb eines Verfahrens der Steueraussetzung hergestellt worden sind (§ 9 Abs. 1 EnergieStG). Damit entsteht zugleich die Energiesteuer, so dass insoweit grundsätzlich dem Bestimmungslandprinzip entsprochen wird. Das gilt allerdings nicht ohne weiteres in grenzüberschreitenden Fällen, für die folgende Besonderheiten von Bedeutung sind. 1 Zu Einzelheiten Middendorp, ZfZ 2011, 1 ff. 2 Befinden sich die Energieerzeugnisse in einem zollrechtlichen Nichterhebungsverfahren, ist die Einfuhr erst durch die Entnahme aus diesen jeweiligen Nichterhebungsverfahren bewirkt (§ 19 Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG); hierzu Soyk, Energie- und Stromsteuerrecht3, Kap. 11 Rz. 8 ff. 3 Soweit zusätzlich verlangt wird, dass auch ein zollrechtliches Nichterhebungsverfahren nicht gegeben ist, hat diese Regelung lediglich deklaratorische Bedeutung, weil Energieerzeugnisse ihren verbrauchsteuerrechtlichen Status ohnehin erst durch Entnahme aus dem zollrechtlichen Nichterhebungsverfahren erlangen; hierzu Bongartz in Bongartz/ Jatzke/Schröer-Schallenberg, Vor § 15 EnergieStG Rz. 12 f.; Bongartz in Bongartz/Schröer-Schallenberg, VerbrauchStR2, Rz. E2. 4 Vgl. hierzu die Übersicht bei Milewski in Möhlenkamp/Milewski, § 4 EnergieStG Rz. 4; Bongartz/Schröer-Schallenberg, Das neue Energiesteuergesetz, 18. 5 Allgemein hierzu Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, C 95 ff.
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C. Besondere Verbrauchsteuern
Der Bezug von Energieerzeugnissen im Sinne von § 4 EnergieStG aus dem steuerrechtlich freien Verkehr eines anderen EU-Mitgliedstaats zu gewerblichen (unternehmerischen) Zwecken1 löst eine Energiesteuer aus (§ 15 Abs. 1 EnergieStG). Soweit in dem anderen EU-Mitgliedstaat eine Energiesteuer etwa durch Entfernen aus dem Steuerlager (Art. 7 Abs. 1 VStSystRL) entstanden und erhoben worden ist, entsteht eine mit dem Verbrauchsteuercharakter der Energiesteuer unvereinbare Doppelbesteuerung, die nur dadurch vermieden werden kann, dass im Ursprungsland eine entsprechende Steuerentlastung vorgenommen wird (Art. 33 Abs. 6 VStSystRL). Hierfür ist ein Nachweis über die Anmeldung und Entrichtung der Energiesteuer im Steuergebiet erforderlich.2 Eine Energiesteuer wird allerdings im Steuergebiet dann nicht ausgelöst, wenn die in das Steuergebiet verbrachten Energieerzeugnisse für einen anderen EU-Mitgliedstaat bestimmt sind (§ 15 Abs. 2 Satz 2 EnergieStG). Diese (steuerneutrale) Durchfuhr muss allerdings durch entsprechende Begleitdokumente3 belegt werden.
11.50
Abgesehen von den in Betracht kommenden Steuerbefreiungen (§ 25 EnergieStG) entsteht eine Energiesteuer nicht für Energieerzeugnisse, die in Kraftstoffbehältern von Nutzfahrzeugen enthalten und als Kraftstoff für diese Fahrzeuge bestimmt sind (§ 15 Abs. 4 EnergieStG). Aus Vereinfachungsgründen – der freie Verkehr von Personen und Waren innerhalb der EU soll nicht beeinträchtigt werden – wird insoweit das Bestimmungslandprinzip suspendiert.4
11.51
Das Verbringen von Energieerzeugnissen (i.S.v. § 4 EnergieStG) des steuerrechtlich freien Verkehrs aus dem Steuergebiet in einen anderen EU-Mitgliedstaat führt im Grundsatz ebenfalls zu einer Doppelbesteuerung, die allerdings durch eine Steuerentlastung gem. § 46 EnergieStG vermieden werden kann. Hiernach wird auf Antrag ein Erlass, eine Erstattung oder Vergütung gewährt, wenn die Energieerzeugnisse in dem anderen EU-Mitgliedstaat nachweislich versteuert5 worden sind (§ 46 Abs. 1 Nr. 1 EnergieStG). Voraussetzung ist unter anderem, dass die betreffenden Energieerzeugnisse zu gewerblichen (unternehmerischen) Zwecken6 in den anderen EU-Mitgliedstaat verbracht worden sind. Abzustellen ist hierbei darauf, ob in dem Bestimmungsmitgliedstaat mit dem Energieerzeugnis ein gewerblicher (unternehmerischer) Zweck verfolgt wird, wodurch in dem anderen Staat eine Besteuerung ausgelöst wird (Art. 33 Abs. 1 VStSystRL). Ob derjenige, der die Energieerzeugnisse aus dem Steuergebiet in den anderen EU-
11.52
1 In Abgrenzung zu privaten Zwecken sind gewerbliche Zwecke im Sinne von unternehmerischen Zwecken zu verstehen; Milewski in Möhlenkamp/Milewski, § 15 EnergieStG Rz. 56; a.A. Bongartz in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, § 15 EnergieStG Rz. 17, der auf eine auf Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeit abstellt. 2 Bestätigung durch das Hauptzollamt gem. § 39 Abs. 2 Satz 2 EnergieStV. 3 Vgl. Art. 34 VStSystRL. 4 Zu den einzelnen Voraussetzungen – insbesondere zum Tatbestandsmerkmal „Kraftstoffe in Hauptbehältern von Fahrzeugen“ ist eine umfangreiche Rechtsprechung – auch des EuGH – ergangen; vgl. hierzu die Rechtsprechungsübersicht bei Bongartz in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, § 15 EnergieStG Rz. 63 ff. 5 Eine bloße Steuerentstehung reicht nicht aus; Bongartz in Bongartz/Jatzke/SchröerSchallenberg, § 45 EnergieStG Rz. 8; Möhlenkamp in Möhlenkamp/Milewski, § 45 EnergieStG Rz. 4. 6 Eine Einnahmeerzielungsabsicht gem. § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG reicht aus; Möhlenkamp in Möhlenkamp/Milewski, § 46 EnergieStG Rz. 9.
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Kap. 11 Besondere Verkehr- und Verbrauchsteuern
Mitgliedstaat verbringt, ein Unternehmer oder eine Privatperson ist, spielt keine Rolle.1 Durch dieses grenzüberschreitende Entlastungssystem wird im Ergebnis das auch für die Energiesteuer maßgebliche Bestimmungslandprinzip verwirklicht. Zu einer hiermit nicht zu vereinbarenden Doppelbesteuerung kommt es freilich dann, wenn die maßgeblichen Antragsfristen versäumt und/oder der Antrag nicht auf amtlich vorgeschriebenen Vordruck gestellt wurde.2 11.53
Werden von einer Privatperson für ihren Eigenbedarf in einem anderen EU-Mitgliedstaat Energieerzeugnisse im Sinne des § 4 EnergieStG im steuerrechtlich freien Verkehr erworben und selbst in das Steuergebiet befördert, unterbleibt eine Besteuerung im Steuergebiet (§ 16 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG).3 Mit dieser Regelung wird aus Gründen der Vereinfachung das Bestimmungslandprinzip suspendiert. Es verbleibt insoweit beim Ursprungslandprinzip.4 Zugleich wird hierdurch eine Doppelbesteuerung vermieden.5 Werden die Energieerzeugnisse von der Privatperson nicht selbst in das Steuergebiet befördert, entsteht dagegen die Energiesteuer, die von der Privatperson selbst geschuldet wird (§ 16 Abs. 2 Satz 2 EnergieStG).6 Entsprechendes gilt auch für den umgekehrten Fall, in dem eine Privatperson entsprechende Energieerzeugnisse im Steuergebiet erwirbt und in einen anderen EU-Mitgliedstaat befördert (Art. 32 VStSystRL).
11.54
§ 18 EnergieStG enthält schließlich eine Sonderregelung für den Versandhandel7 mit Energieerzeugnissen i.S. des § 4 EnergieStG. Für Lieferungen aus anderen EU-Mitgliedstaaten an Privatpersonen im Steuergebiet entsteht die Steuer mit der Auslieferung an die Privatperson (§ 18 Abs. 2 EnergieStG). Auch hierdurch wird systemgerecht das Bestimmungslandprinzip umgesetzt. Im Unterschied zu § 15 EnergieStG ist es nicht der Bezieher der Energieerzeugnisse, sondern der Beauftragte des Versenders oder der Versender selbst, der die Energiesteuer schuldet. Entsprechendes gilt umgekehrt für den Versandhandel in andere EUMitgliedstaaten. § 18 Abs. 6 EnergieStG enthält allerdings insoweit eine Sonderregelung, als derartige Lieferungen im Versandhandel vorher dem zuständigen Hauptzollamt anzuzeigen sind. Darüber hinaus besteht auch die Pflicht, Aufzeichnungen über die gelieferten Energieerzeugnisse zu führen. Der Versandhandel in andere EU-Mitgliedstaaten führt im Grundsatz zu einer Doppelbesteuerung, die im Zuge des in § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG verankerten Entlastungsverfahrens vermieden bzw. aufgehoben werden kann.
1 Bongartz in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, § 46 EnergieStG Rz. 6; Soyk, Energie und Stromsteuerrecht3, Kap. 12 Rz. 13; a.A. Möhlenkamp in Möhlenkamp/Milewski, § 46 EnergieStG Rz. 9. 2 Zu Einzelheiten Bongartz in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, § 45 EnergieStG Rz. 11 ff. 3 Der verwendete Begriff „Steuerfreiheit“ ist missverständlich, weil es insoweit bereits an einem Steuerentstehungstatbestand fehlt; vgl. Bongartz in Bongartz/Jatzke/SchröerSchallenberg, § 16 EnergieStG Rz. 3. 4 Bongartz in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, § 16 EnergieStG Rz. 1; Soyk in Friedrich/Meißner, § 16 EnergieStG Rz. 1. 5 Die Überführung in den steuerrechtlich freien Verkehr hat bereits in dem anderen EUMitgliedstaat der Besteuerung unterlegen (Art. 7 VStSystRL). 6 Insoweit wirkt die Energiesteuer ausnahmsweise als direkte Verbrauchsteuer. 7 Zu Einzelheiten Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, C 106 ff.
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C. Besondere Verbrauchsteuern
4. Sondervorschriften für Kohle und Erdgas Kohle und Erdgas zählen nicht zu den in § 4 EnergieStG aufgeführten Energieerzeugnissen, so dass sie auch nicht dem Steueraussetzungsverfahren (§ 5 EnergieStG) unterliegen. Für sie enthalten die §§ 31 ff. EnergieStG Sonderregelungen, die im Grundsatz ebenfalls gewährleisten, dass das Bestimmungslandprinzip zur Anwendung kommt.
11.55
Für die Lieferung von Kohle enthält § 32 Abs. 1 EnergieStG den Grundtatbestand, wonach auf die Verschaffung der Verfügungsmacht1 im Steuergebiet (§ 1 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG) abgestellt wird. Steuerschuldner ist hierbei der Kohlelieferer, sofern er im Steuergebiet ansässig ist, anderenfalls ist es der Empfänger der Kohlelieferung (§ 32 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG). Die Kohlelieferung innerhalb einer Unternehmerkette löst allerdings dann keine Energiesteuer aus, wenn den Beteiligten – Kohlelieferer oder Inhaber eines Kohlebetriebs – auf Antrag erlaubt ist, die Kohle steuerfrei zu beziehen (§ 31 Abs. 4 EnergieStG). Damit entsteht die Steuer erst auf der letzten Handelsstufe bei der Lieferung an den Endverbraucher, womit das Bestimmungslandprinzip verwirklicht und dem Verbrauchsteuercharakter der Energiesteuer entsprochen wird.2
11.56
Für das Verbringen von Kohle aus einem EU-Mitgliedstaat in das Steuergebiet (§ 1 Abs. 1 Satz 2 EnergieStG) verweist § 34 EnergieStG auf die Regelungen der §§ 15, 16 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 und 18 EnergieStG. Das bedeutet: Wird die Kohle zu gewerblichen (unternehmerischen) Zwecken verbracht, ist der Bezieher der Kohle Steuerschuldner, soweit er weder eine Erlaubnis als Kohlehändler oder Kohlelieferer vorweisen kann (§ 34 Satz 1 Hs. 2 EnergieStG). Damit wird auch hierdurch sichergestellt, dass die Energiesteuer erst auf der letzten Handelsstufe belastend wirkt. Handelt es sich um ein rechtsgeschäftsloses Verbringen, etwa aus der in einem anderen EU-Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte in das Stammhaus im Steuergebiet, gilt entsprechendes.3 Wird die Kohle für private Zwecke in das Steuergebiet verbracht, unterbleibt eine Besteuerung (§ 34 i.V.m. § 16 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG). Insoweit gilt aus Vereinfachungsgründen das Ursprungslandprinzip.4 Voraussetzung ist allerdings, dass die zum Eigenbedarf bestimmte Kohle durch die Privatperson selbst in das Steuergebiet befördert wird.5 Gelangt schließlich die Kohle im Versandhandel aus einem anderen EU-Mitgliedstaat an eine im Steuergebiet ansässige Privatperson, entsteht die Energiesteuer mit Auslieferung an dieselbe (§ 34 i.V.m. § 18 EnergieStG), so dass wiederum das Bestimmungslandprinzip zur Geltung kommt.
11.57
Wird Kohle aus Drittländern oder Drittgebieten in das Steuergebiet eingeführt (Einfuhr) und gelangt sie dadurch in den steuerrechtlich freien Verkehr, entsteht die Energiesteuer gem. § 35 i.V.m. § 19b EnergieStG. Das gilt allerdings nicht,
11.58
1 Begriffsbildung entsprechend § 3 Abs. 1 UStG, vgl. Möhlenkamp in Möhlenkamp/Milewski, § 32 EnergieStG Rz. 6. 2 Möhlenkamp in Möhlenkamp/Milewski, § 31 EnergieStG Rz. 2. 3 Schröer-Schallenberg in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, § 34 EnergieStG Rz. 6; Möhlenkamp in Möhlenkamp/Milewski, § 34 EnergieStG Rz. 11. 4 Möhlenkamp in Möhlenkamp/Milewski, § 34 EnergieStG Rz. 19. 5 EuGH v. 23.11.2006 – Rs. C-5/05 – Joustra, Slg. 2006, I-11075; Schröer-Schallenberg in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, § 34 EnergieStG Rz. 9.
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Kap. 11 Besondere Verkehr- und Verbrauchsteuern
wenn die Einfuhr an einen Erlaubnisinhaber (§ 31 Abs. 4 EnergieStG) erfolgt (§ 35 EnergieStG).1 11.59
Wird die Kohle zu gewerblichen Zwecken aus dem Steuergebiet verbracht oder ausgeführt (Ausfuhr), wird dem Bestimmungslandprinzip dadurch entsprochen, dass auf Antrag eine Steuerentlastung gewährt wird (§ 46 Abs. 1 Nr. 2 EnergieStG). Eine derartige Entlastung kommt aber nur in den Fällen in Betracht, in denen die Lieferungen an ausländische Kohlelieferer nicht schon deshalb steuerfrei sind, weil sie eine Erlaubnis zum steuerfreien Bezug im Inland (§ 31 Abs. 4 EnergieStG) haben.2
11.60
Die für Kohlelieferungen maßgeblichen Grundsätze gelten auch für Erdgas. Im Regelfall, also für leitungsgebundenes Erdgas, entsteht die Steuer durch Entnahme im Steuergebiet aus dem Leitungsnetz zum Verbrauch (§ 38 Abs. 1 EnergieStG). Wo das Erdgas in das Leitungsnetz eingespeist worden ist, woher es also stammt, ist für die Steuerentstehung ohne Bedeutung.3 Im Regelfall ist der im Steuergebiet ansässige Lieferer Steuerschuldner (§ 38 Abs. 2 Nr. 1 EnergieStG). Ist der Lieferer nicht im Steuergebiet ansässig, ist derjenige Steuerschuldner, der das Erdgas dem Leistungsnetz entnimmt (§ 38 Abs. 2 Nr. 2 EnergieStG). Der Entnehmende ist schließlich Steuerschuldner auch in den Fällen der Entnahme zum Selbstverbrauch, so dass insoweit die Energiesteuer (ausnahmsweise) den Charakter einer direkten Verbrauchsteuer annimmt.4
11.61
Anders ist die Rechtslage bei nicht leitungsgebundenem Erdgas. Wird dieses aus einem EU-Mitgliedstaat in das Steuergebiet verbracht, gelten die §§ 15, 16 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 und § 18 EnergieStG sinngemäß (§ 40 Abs. 1 Satz 1 EnergieStG). Das bedeutet, dass in den Fällen des Verbringens zu gewerblichen (unternehmerischen) Zwecken die Steuer mit Inbesitznahme entsteht (§ 40 Abs. 1 i.V.m. § 15 Abs. 1 EnergieStG). Wird das nicht leitungsgebundene Erdgas zu privaten Zwecken in das Steuergebiet befördert, unterbleibt eine Besteuerung (§ 40 Abs. 1 i.V.m. § 16 Abs. 1 EnergieStG), womit es aus Vereinfachungsgründen beim Ursprungslandprinzip verbleibt.5 Soweit (ausnahmsweise) nicht leitungsgebundenes Erdgas im Versandhandel geliefert wird, entsteht die Energiesteuer mit Anlieferung des Erdgases an die Privatperson im Steuergebiet (§ 40 Abs. 1 i.V.m. § 18 EnergieStG). Insoweit gilt also wiederum das Bestimmungslandprinzip. Wird nicht leitungsgebundenes Erdgas aus Drittländern oder Drittgebieten in das Steuergebiet eingeführt (Einfuhr), entsteht die Steuer zum Zeitpunkt der Überführung des Erdgases in den steuerrechtlich freien Verkehr (§ 41 Abs. 1 i.V.m. § 19b Abs. 1 EnergieStG).
11.62
Wird nachweislich versteuertes Erdgas zu gewerblichen (unternehmerischen) Zwecken aus dem Steuergebiet verbracht oder ausgeführt (Ausfuhr), besteht auf Antrag ein Anspruch auf Entlastung von der Energiesteuer (§ 46 Abs. 1 Satz 1 1 Zu Einzelheiten Schröer-Schallenberg in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, § 35 EnergieStG Rz. 7 f. 2 Hierzu Möhlenkamp in Möhlenkamp/Milewski, § 32 EnergieStG Rz. 9. 3 Soyk in Friedrich/Meißner, § 38 EnergieStG Rz. 9; Soyk, Energie- und Stromsteuerrecht3, Kap. 7 Rz. 197. 4 Schröer-Schallenberg in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, § 38 EnergieStG Rz. 40. 5 Möhlenkamp in Möhlenkamp/Milewski, § 40 EnergieStG Rz. 16.
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C. Besondere Verbrauchsteuern
Nr. 3 EnergieStG). Diese Entlastungsvorschrift, die der Verwirklichung des Bestimmungslandprinzips dient, hat indessen praktische Bedeutung nur für nicht leitungsgebundenes Erdgas1, da leitungsgebundenes Erdgas erst mit der Entnahme im Steuergebiet zum Verbrauch eine Energiesteuer auslöst. Eine entsprechende Entnahme außerhalb des Steuergebietes bleibt unversteuert.2
II. Stromsteuer Literatur Kommentare zum StromStG; Bongartz/Schröer-Schallenberg, Die Stromsteuer – Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht und nationales Verfassungsrecht?, DStR 1999, 962; Bongartz/ Schröer-Schallenberg in Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, 2. Aufl. München 2011, Kap. H; Eichhorn/Utescher-Dabitz, Die Besteuerung von Strom, Erdgas und Kohle, Frankfurt 2009; Englisch in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. Köln 2015, § 18 Rz. 116 f.; Hidien, Neue Steuern braucht das Land? – Anmerkungen zur geplanten Stromsteuer, BB 1999, 341; Jatzke, Die Stromsteuer – eine Anomalie im landesgesetzlich geregelten Verbrauchsteuerecht, DStZ 1999, 520; Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, München 2016, F 1 ff.; Jesse, Entstehung, Geltendmachung und Verjährung von Stromsteuervergütungsansprüchen, BB 2015, 2711; Soyk, Energie- und Stromsteuerrecht, 3. Aufl. Köln 2013, Teil 3; Stein/Thoms, Energiesteuern in der Praxis, 3. Aufl. Köln 2015; Tipke, Die Steuerrechtsordnung II, 2. Aufl. Köln 2003, 1097 ff.
Ebenso wie die Energiesteuern zählt auch die Stromsteuer zu den harmonisierten Verbrauchsteuern. Entsprechend ihrem Charakter als Verbrauchsteuer (§ 1 Abs. 1 Satz 2 StromStG) ist die Stromsteuer auf Überwälzung angelegt, so dass letztlich der Verbraucher belastet ist. Indessen unterliegt der Stromsteuer aber nicht nur der konsumtive, sondern auch der produktive Stromverbrauch, so dass insoweit die Stromsteuer nach Art einer Produktionsmittelsteuer (systemwidrig) Unternehmen belastet.3 Eine Steuerentlastung wird allerdings für Unternehmen des produzierenden Gewerbes und der Land- und Forstwirtschaft gewährt (§ 9b StromStG).4 Die Stromsteuer ist zugleich auch eine so genannte ÖkoSteuer, die auf den sparsamen Umgang mit Strom sowie auf die Förderung von Strom unter Nutzung erneuerbarer Energieträger – Steuerbefreiung (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 StromStG) – abzielt.5
11.63
Die für die Steuerentstehung maßgebliche Grundlagennorm ist § 5 Abs. 1 StromStG, wonach die Steuer entsteht, wenn ein Letztverbraucher im Steuergebiet Strom aus dem Versorgungsnetz zum Verbrauch entnimmt. Letztverbraucher können hierbei natürliche oder juristische Personen sein, die Energie für den eigenen Verbrauch erwerben.6 Die Steuerentstehung setzt allerdings voraus, dass
11.64
1 Bongartz in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, § 46 EnergieStG Rz. 18 f.; Möhlenkamp in Möhlenkamp/Milewski, § 46 EnergieStG Rz. 19. 2 Bongartz in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, § 46 EnergieStG Rz. 19. 3 Gebilligt vom BVerfG v. 20.4.2004 – 1 BvR 1748/99, 905/90, BVerfGE 110, 274 (296); zur Kritik Englisch in Tipke/Lang22, § 18 Rz. 130. 4 Zu Einzelheiten Jesse, BB 2015, 2711. 5 Vgl. hierzu Wundrack in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, § 9 StromStG Rz. 4 f.; Friedrich in Friedrich/Meißner, § 9 StromStG Rz. 12 ff.; zur Rechtfertigung Tipke, Die Steuerrechtsordnung II2, 1097 f. 6 Schröer-Schallenberg in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, § 5 StromStG Rz. 19.
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Kap. 11 Besondere Verkehr- und Verbrauchsteuern
der Versorger im Steuergebiet ansässig ist. Entsprechend den allgemeinen Grundsätzen ist hierbei auf den Wohnsitz (§ 8 AO), gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO), auf den Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) oder den Sitz (§ 11 AO) abzustellen. Unterhält daher ein ausländischer Versorger im Steuergebiet lediglich eine Betriebsstätte (§ 12 AO), ist für die Stromentnahme nicht § 5 StromStG, sondern allenfalls § 7 StromStG (Rz. 11.65) einschlägig.1 Wo der Strom in das Versorgungsnetz eingespeist worden ist, spielt für die Anwendung des § 5 StromStG keine Rolle, so dass der Stromimport durch inländische Versorger stets von der Reichweite des § 5 Abs. 1 StromStG erfasst wird. Unter verbrauchsteuerrechtlichen Gesichtspunkten ist diese Anknüpfung sachgerecht, falls der entsprechende Stromexport im Ausland keiner Stromsteuerbelastung ausgesetzt ist.2 Da der Strom im Leitungsnetz unversteuert ist, unterliegt neben der (rechtsgeschäftlichen) Entnahme des Stroms aus dem Leitungsnetz folgerichtig auch die Entnahme zum Selbstverbrauch durch den Versorger der Stromsteuer (§ 5 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 EnergieStG). 11.65
Neben der Stromversorgung durch im Steuergebiet ansässige Versorger wird auch die Stromlieferung durch ausländische Versorger mit Stromsteuer belastet (§ 7 Satz 1 StromStG). Insoweit handelt es sich um eine tatbestandliche Ergänzung zu § 5 Abs. 1 StromStG, wonach nur die Stromlieferung von im Steuergebiet ansässigen Versorgern besteuert wird.3 Woher der Strom stammt, ist hierbei ohne Bedeutung.4 Entscheidend ist also allein, dass der Strom in das Steuergebiet geliefert wird.
11.66
Während im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 1 StromStG der im Steuergebiet ansässige Versorger der Steuerschuldner ist (§ 5 Abs. 2 StromStG), wird beim gem. § 7 Satz 1 StromStG steuerbaren Strombezug der Letztverbraucher als Steuerschuldner herangezogen (§ 7 Satz 2 StromStG). Insoweit ist die Stromsteuer (ausnahmsweise) als direkte Verbrauchsteuer ausgestaltet.5
III. Tabaksteuer Literatur Bongartz in Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, 2. Aufl. München 2011, Kap. K; Englisch in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. Köln 2015, § 18 Rz. 111; Jarsombeck, Irrungen und Wirrungen im Tabaksteuerrecht, ZfZ 1998, 69; Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, München 2016, E 1 ff.; Kempf, Die Rechtfertigung der Tabaksteuer, Frankfurt 2005; F. Kirchhof, Die steuerrechtliche Doppelbelastung der Zigaretten, Berlin 1990; Köthe/Knoll, Die Besteuerung von Tabakwaren in Deutschland, BB 2015, 1174; Mid1 Schröer-Schallenberg in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, § 7 StromStG Rz. 8; a.A. Köthe in Friedrich/Meißner, § 5 StromStG Rz. 11, wonach eine Betriebstätte als Anknüpfungspunkt für die (inländische) Ansässigkeit angesehen wird. 2 Hinweis: Der Stromexport aus dem Steuergebiet unterliegt nicht der (deutschen) Stromsteuer; vgl. Schröer-Schallenberg in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, § 7 StromStG Rz. 1. 3 Schröer-Schallenberg in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, § 7 StromStG Rz. 2; Köthe in Friedrich/Meißner, § 7 StromStG Rz. 1. 4 Schröer-Schallenberg in Bongartz/Jatzke/Schröer-Schallenberg, § 7 StromStG Rz. 9; Köthe in Friedrich/Meißner, § 7 StromStG Rz. 9. 5 Das ist mit dem Verbrauchsteuercharakter durchaus vereinbar; vgl. Bongartz/SchröerSchallenberg, DStR 1999, 962 (968).
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C. Besondere Verbrauchsteuern dendorp, Verbringen von Tabakwaren des steuerrechtlich freien Verkehrs anderer Mitgliedstaaten, ZfZ 2011, 197; Tipke, Die Steuerrechtsordnung II, 2. Aufl. Köln 2003, 1076 ff.
Die im Tabaksteuergesetz geregelte Tabaksteuer ist eine auf der Grundlage der Verbrauchsteuersystemrichtlinie (Rz. 3.97 ff.)1 und der Tabaksteuerrichtlinie2 harmonisierte Verbrauchsteuer. Sie belastet den Tabakkonsum, womit zugleich die gesundheitspolitische Ausrichtung3 der Tabaksteuer, erkennbar wird. Sie ist insoweit als Lenkungsteuer zu qualifizieren.4
11.67
Als (indirekte) Verbrauchsteuer (§ 1 Abs. 1 Satz 2 TabStG) ist die Tabaksteuer darauf gerichtet, die konsumtive Verwendung von Einkommen bzw. Vermögen zu erfassen. Im Hinblick darauf ist die Tabaksteuer wie auch die übrigen Verbrauchsteuern auf Überwälzung angelegt.5 Die Überwälzbarkeit ist zwar in Orientierung an den steuerlichen Belastungsgrund ein Typus bestimmendes Wesensmerkmal,6 es ist aber nicht erforderlich, dass die Überwälzbarkeit normativ gewährleistet ist.7 Gelingt die Überwälzung nicht,8 mutiert die Tabaksteuer planwidrig zu einer Unternehmensteuer.9
11.68
Der Tabaksteuer unterliegen vor allem Zigaretten, Zigarren, Zigarillos und Rauchtabak (§ 1 Abs. 2 TabStG) im Steuergebiet.10 Die Steuer entsteht, wenn die Tabakwaren11 in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt werden, es sei denn, es schließt sich eine Steuerbefreiung an (§ 15 Abs. 1 TabStG). Damit wird die Steuerentstehung nah an den Verbrauch herangeführt, so dass z.B. die Herstellung und der Handel von Tabakwaren innerhalb der Unternehmerkette keine Tabaksteuer auslöst. Diesem Zweck dient das Steueraussetzungsverfahren, in dessen Rahmen Tabakwaren (unversteuert) hergestellt, bearbeitet oder verarbeitet, gelagert, empfangen oder versandt und befördert werden dürfen.
11.69
Das Steueraussetzungsverfahren gilt auch grenzüberschreitend. Im Vordergrund steht hierbei das Beförderungsverfahren, wonach Tabakwaren unter Steueraussetzung, auch über Drittländer oder Drittgebiete, befördert werden dürfen aus anderen, in andere oder über andere EU-Mitgliedstaaten (§ 12 Abs. 1 TabStG). Im Hinblick darauf dürfen Steuerlagerinhaber (§ 6 TabStG) registrierte Empfänger
11.70
1 RL 2008/118/EG v. 16.12.2008, ABl. EU 2009 Nr. 9, 12 mit Wirkung ab 16.1.2009. 2 RL 2011/64/EU über die Struktur und die Sätze der Verbrauchsteuern auf Tabakwaren v. 21.6.2011, ABl. EU v. 5.7.2011, Nr. L 176, 24. 3 Vgl. BT-Drucks. 9/844, 8. 4 Zu Einzelheiten Kempf, Die Rechtfertigung der Tabaksteuer, 140 ff.; zur mangelnden Folgerichtigkeit Englisch in Tipke/Lang22, § 18 Rz. 129. 5 Vgl. hierzu Kempf, Die Rechtfertigung der Tabaksteuer, 137 ff.; Jatzke, ZfZ 2011, 109 (110 f.). 6 Kirchhof, HStR V3, § 118 Rz. 247; Schaumburg in FS Reiß, 25 (37 f.), Englisch in FS Kirchhof, § 190 Rz. 7. 7 BVerfG v. 10.5.1962 – 1 BvL 31/58, BVerfGE 14, 76 (97); v. 28.1.1970 – 1 BvL 4/67, BVerfGE 27, 375 (384); v. 1.4.1971 – 1 BvL 22/67, BVerfGE 31, 8 ff. (20); v. 20.4.2004 – 1 BvR 905/00, BVerfGE 110, 274 (289, 295); Jatzke, Das System des deutschen Verbrauchsteuerrechts, Berlin 1997, 72 f., 266. 8 Eine in § 60 EnergieStG vergleichbare Regelung fehlt. 9 Hierzu Tipke, Die Steuerrechtsordnung II2, 1054 f.; Schaumburg in FS Reiß, 25 (41). 10 Deutschland ohne das Gebiet von Büsingen und ohne die Insel Helgoland (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Tabaksteuergesetz). 11 Zu den Begrifflichkeiten Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, E 3 ff.
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Kap. 11 Besondere Verkehr- und Verbrauchsteuern
(§ 7 TabStG) sowie Begünstigte (§ 9 TabStG) Tabakwaren ohne steuerliche Belastung aus anderen EU-Mitgliedstaaten beziehen (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 TabStG). Da registrierte Empfänger nicht berechtigt sind, unter Steueraussetzung zu lagern oder unter Steueraussetzung die Tabakwaren an Dritte abzugeben, entsteht die Tabaksteuer mit der Aufnahme in den Betrieb des registrierten Empfängers (§ 15 Abs. 2 Nr. 3 TabStG). In diesem Zeitpunkt müssen die Steuerzeichen bereits verwendet sein (§ 17 Abs. 1 Satz 3 TabStG).1 11.71
Neben der Beförderung unter Steueraussetzung in andere EU-Mitgliedsländer (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 TabStG) ist eine Beförderung unter Steueraussetzung auch im Falle der Ausfuhr zulässig (§ 13 Abs. 1 TabStG). Voraussetzung hierfür ist die Beförderung aus einem Steuerlager im Steuergebiet oder von registrierten Versendern vom Ort der Einfuhr im Steuergebiet (§ 13 Abs. 1 TabStG). Soweit die Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen bereits entrichtet worden ist, kommt ein Erlass und die Erstattung in Betracht (§ 32 Abs. 1 TabStG).2 Hierdurch wird im Ergebnis das Bestimmungslandprinzip umgesetzt.
11.72
Im Falle der Einfuhr (§ 19 Tabaksteuergesetz) entsteht die Tabaksteuer ohne weiteres, es sei denn, die Tabakwaren werden unmittelbar am Ort der Einfuhr in ein Verfahren der Steueraussetzung überführt oder es schließt sich eine Steuerbefreiung an (§ 21 Abs. 1 Satz 1 TabStG). Befinden sich die Tabakwaren allerdings in einem zollrechtlichen Nicht-Erhebungsverfahren, ist eine Einfuhr nicht gegeben (§ 19 Abs. 1 Nr. 1 TabStG), so dass die Entstehung der Tabaksteuer bis zur Entnahme aus diesem Verfahren hinausgeschoben wird (Suspensiveffekt).3
11.73
Werden Tabakwaren aus dem steuerrechtlich freien Verkehr eines anderen EUMitgliedstaats in das Steuergebiet verbracht, ist wie folgt zu differenzieren: Wurden die Tabakwaren von Privatpersonen für ihren Eigenbedarf erworben, wird keine Tabaksteuer ausgelöst (Steuerfreiheit), wenn die Privatperson die Tabakwaren persönlich in das Steuergebiet verbringt (§ 22 Abs. 1 TabStG). Mit dieser Regelung verbleibt es aus Vereinfachungsgründen beim Ursprungslandprinzip. Das gilt aber nur dann, wenn bestimmte Mengen nicht überschritten werden.4 Werden Tabakwaren zu gewerblichen Zwecken in das Steuergebiet verbracht oder dorthin versandt (Versandhandel), entsteht die Tabaksteuer, wenn die Tabakwaren erstmals5 zu gewerblichen Zwecken in Besitz gehalten werden (§ 23 Abs. 1 Tabaksteuergesetz).6 Hierdurch kann es im Ergebnis zu einer DoppelVgl. hierzu Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht2, Rz. K 90 ff. Zu Einzelheiten Bongartz in Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht2, K 1211 f. Vgl. Bongartz in Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht2, E 93 ff. § 22 Abs. 3 TabStG: Mengenbegrenzung für Zigaretten aus bestimmten EU-Mitgliedstaaten von 300 Stück bis zum 31.12.2017; im Übrigen Mengenbegrenzung auf 800 Zigaretten, 200 Zigarren, 400 Zigarillos oder ein Kilogramm Rauchtabak gem. § 22 Abs. 4 i.V.m. § 39 TabStV; die mengenmäßigen Kriterien sind allerdings unionsrechtlich problematisch; vgl. EuGH v. 14.3.2013 – Rs. C-216/11 – Kommission/Frankreich, ECLI:EU:C:2013:162, ZfZ 2013, 136. 5 Vgl. BGH v. 2.2.2010 – 1 StR 635/09, NStZ 2010, 644; dagegen BFH v. 12.12.2012 – VII R 44/11, BFH/NV 2013, 860, wonach jeder Steuerschuldner ist, der (später) mit der unversteuerten Ware angetroffen wird. 6 Zu steuerstrafrechtlichen Implikationen in diesem Zusammenhang Schaumburg in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 19.18 ff.
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C. Besondere Verbrauchsteuern
besteuerung kommen, falls die Tabakwaren in dem anderen EU-Mitgliedstaat beim Verbringen aus dem dortigen Steuergebiet nicht entsteuert worden sind.1
IV. Alkoholsteuern Literatur Englisch in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. Köln 2015, § 18 Rz. 113 f.; Esser, Das Alkoholsteuergesetz mit der verbrauchsteuerrechtlichen Anschlussregelung zum Ende des deutschen Branntweinmonopols, ZfZ 2013, 225; Falthauser, Die Harmonisierung der speziellen Verbrauchsteuern in der EG am Beispiel der Biersteuer, DStZ 1993, 17; Jatzke, Der Alkohol im Steuerrecht, ZfZ 2015, 90; Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, München 2016, D 1 ff.; Jazonbeck, Ist die Struktur der Biersteuer in der EU harmonisiert?, ZfZ 2002, 186; Pfab, Rechtsfragen rund um das Alkopopsteuergesetz (AlkopopStG) ZfZ 2005, 110; Pfab, Die Besteuerung von Alkopops, ZfZ 2004, 329; Pfab, Die Besteuerung von „Alkopops“, DStZ 2006, 249; Schaumburg in Festschrift Reiß, 25 (39 f.); Schröer-Schallenberg in Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, 2. Aufl. München 2011, Kap G und M; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 2. Aufl. Köln 2003, 1058.
1. Selektive Besteuerung Die Alkoholsteuern betreffen die Branntweinsteuer (Alkoholsteuer),2 Schaumweinsteuer und Biersteuer als harmonisierte Verbrauchsteuern sowie die nicht harmonisierte Alkopopsteuer. Entsprechend ihrem Verbrauchsteuercharakter belasten die vorgenannten Alkoholsteuern insbesondere den privaten Konsum von Alkoholerzeugnissen.3 Neben den mit den Alkoholsteuern verfolgten Fiskalzweck, wird deren Erhebung auch gesundheitspolitisch gerechtfertigt.4 Das gilt insbesondere für die Alkopopsteuer, die neben der Branntweinsteuer als Sondersteuer erhoben wird.5 Mit der Einführung dieser Steuer verfolgte der Gesetzgeber das Ziel einer Verteuerung von bestimmten alkoholischen Modegetränken, um damit insbesondere Jugendliche aus Preisgründen zum Konsumverzicht zu bewegen.6 Darüber hinaus wird die Schaumweinsteuer auch unter Berufung auf ihren Genussmittelcharakter gerechtfertigt.7
11.74
Dass Wein keiner Alkoholsteuer unterliegt und darüber hinaus alkoholische Erzeugnisse unterschiedlich stark steuerlich belastet werden, ist mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) nicht vereinbar.8 Die Rechtsprechung hat indessen sowohl die Nichtbesteuerung von Wein als auch die unterschiedliche steuerliche Belastung der verschiedenen Alkoholerzeugnisse als mit dem Gleichheitssatz
11.75
1 Entsprechend § 32 Abs. 1 Satz 1 TabStG. 2 Neue Begrifflichkeit mit Wirkung ab 1.1.2008 aufgrund des Branntweinmonopol-Abschaffungsgesetz vom 21.6.2013, BGBl. I 2013, 1650. 3 Zur Geschichte der Alkoholsteuern vgl. Jatzke, ZfZ 2015, 90. 4 Vgl. Tipke, Die Steuerrechtsordnung II2, 1058 f.; Jatzke, ZfZ 2015, 90 (96). 5 Schröer-Schallenberg in Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht2, G 94. 6 BT-Drucks. 15/2587; vgl. auch Schröer-Schallenberg in Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht2, G 94; Jatzke, ZfZ 2015, 90 (96). 7 Vgl. BMF-Schriftenreihe, Heft 17 (1971), 851; kritisch hierzu Tipke, Die Steuerrechtsordnung II2, 1059. 8 Zu Einzelheiten Tipke, Die Steuerrechtsordnung II2, 1058 ff.
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Kap. 11 Besondere Verkehr- und Verbrauchsteuern
vereinbar angesehen.1 Ein Verstoß gegen den Harmonisierungsauftrag des Art. 113 AEUV und dem in Art. 110 Abs. 2 AEUV normierten Verbot einer protektionistischen Besteuerung ist nicht gegeben.2 2. Branntweinsteuer (Alkoholsteuer) 11.76
Branntwein, wozu auch Liköre u.a. Spirituosen gehören, unterliegen im Steuergebiet (§ 130 Abs. 1 Satz 2 BranntwMonG)3 der Branntweinsteuer/Alkoholsteuer (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG/§ 1 Abs. 1 Satz 1 AlkStG). Die Steuer entsteht zum Zeitpunkt der Überführung der Alkoholerzeugnisse in den steuerrechtlich freien Verkehr, es sei denn, es schließt sich eine Steuerbefreiung an (§ 143 BranntwMonG/§ 18 Abs. 1 AlkStG). Im Hinblick auf die im § 152 Abs. 1, 2 BranntwMonG/§ 27 Abs. 1, 2 AlkStG verankerten Steuerbefreiungen werden von der Branntweinsteuer/Alkoholsteuer im Ergebnis nur Alkoholerzeugnisse belastet, wenn sie zu Trink- und Genusszwecken eingesetzt werden.
11.77
Im Übrigen unterbleibt eine Besteuerung, solange sich die Alkoholerzeugnisse im Steueraussetzungsverfahren befinden. Entsprechend der Richtliniensystematik wird zwischen der Beförderung unter Steueraussetzung im Steuergebiet, der Beförderung unter Steueraussetzung mit anderen Mitgliedstaaten und der Ausfuhr unter Steueraussetzung unterschieden (§§ 139 ff. BranntwMonG/§ 14 AlkStG).4 Im internationalen Kontext ist das Beförderungsverfahren in den Fällen von Bedeutung, in denen Alkoholerzeugnisse aus anderen, in andere oder über andere EU-Mitgliedstaaten befördert werden (§ 140 BranntwMonG/§ 15 AlkStG). Hierdurch wird keine Branntweinsteuer/Alkoholsteuer ausgelöst, so dass im Ergebnis das Bestimmungslandprinzip verwirklicht wird. Das Bestimmungslandprinzip gilt auch für die Ausfuhr in Drittländer oder Drittgebiete (§ 141 BranntwMonG/§ 16 AlkStG). Das Bestimmungslandprinzip wird schließlich auch bei der Einfuhr von Alkoholerzeugnissen aus Drittländern oder Drittgebieten umgesetzt. Die Steuer entsteht nämlich zum Zeitpunkt der Überführung der Alkoholerzeugnisse in den steuerrechtlich freien Verkehr durch die Einfuhr es sei denn, sie werden unmittelbar am Ort der Einfuhr in ein Verfahren der Steueraussetzung überführt oder eine Steuerbefreiung greift ein (§ 147 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG/§ 22 Abs. 1 Satz 1 AlkStG).
11.78
Für den Erwerb von Alkoholerzeugnissen im steuerrechtlich freien Verkehr (vgl. zum Begriff Rz. 11.49 ff.) anderer EU-Mitgliedstaaten ist wie folgt zu differenzieren: Werden Alkoholerzeugnisse von einer Privatperson für ihren Eigenbedarf in anderen Mitgliedstaaten im steuerrechtlich freien Verkehr erworben und selbst in das Steuergebiet befördert (private Zwecke), unterbleibt eine Besteuerung (§ 148 Abs. 1, 2 BranntwMonG/§ 23 Abs. 1, 2 AlkStG). Diese Steuerbefreiung 1 Zur Nichtbesteuerung von Wein: BFH v. 25.4.1972 – VII R 19/69, ZfZ 1973, 86, v. 17.12. 1981 – VII R 15/79, ZfZ 1982, 175; BVerfG v. 9.6.1973 – 1 BvR 415/72, HFR 1973, 398; zur unterschiedlichen Höhe der Verbrauchsteuern generell BVerfG v. 2.10.1984 – 1 BvR 419/82, ZfZ 1985, 49; der Rechtsprechung weitgehend folgend Jatzke, ZfZ 2015, 90 (95 f.). 2 EuGH v. 17.6.1999 – Rs. C-166/98 – Socridis, Slg.1999, I-3791; BFH v. 5.8.2002 – VII R 105/99, ZfZ 2003, 17; ebenso Jatzke, ZfZ 2015, 90 (94 f.). 3 Deutschland ohne das Gebiet von Büsingen und ohne Helgoland. 4 Zum Steueraussetzungsverfahren vgl. Rz. 11.43 ff.
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C. Besondere Verbrauchsteuern
entspricht dem Ursprungslandprinzip, das aus Vereinfachungsgründen im privaten Grenzverkehr zwischen den EU-Mitgliedstaaten allgemeine Geltung hat. Werden dagegen Alkoholerzeugnisse zu gewerblichen (unternehmerischen) Zwecken aus dem steuerrechtlich freien Verkehr eines anderen EU-Mitgliedstaats bezogen, entsteht die Steuer, wenn die Alkoholerzeugnisse im Steuergebiet in Empfang genommen oder die außerhalb des Steuergebiets in Empfang genommenen Alkoholerzeugnisse in das Steuergebiet befördert werden (§ 149 Abs. 1 Satz 1 BranntwMonG/§ 24 Abs. 1 Satz 1 AlkStG). Damit wird im Ergebnis systemgerecht wiederum das Bestimmungslandprinzip umgesetzt. Das gilt auch für den grenzüberschreitenden Versandhandel, wonach die Steuer mit der Auslieferung an die Privatpersonen im Steuergebiet entsteht (§ 150 Abs. 2 BranntwMonG/§ 25 Abs. 2 AlkStG). In den beiden zuletzt genannten Fällen kann es zu einer Doppelbesteuerung kommen, wenn auch im anderen EU-Mitgliedstaat besteuert wird. In einem derartigen Fall hat in dem anderen EU-Mitgliedstaat eine Steuerentlastung zu erfolgen.1 3. Schaumweinsteuer Die im SchaumwStG geregelten Steuergegenstände betreffen zum einen die Schaumweinsteuer (§§ 1–28 SchaumwZwStG) und zum anderen die Zwischenerzeugnissteuer (§§ 39–31 SchaumwZwStG). Der Schaumweinsteuer unterliegen vor allem Champagner und Sekt und der Zwischenerzeugnissteuer z.B. Cherry, Madeira und Portwein.
11.79
Aufgrund der für die Verbrauchsteuern typischen territorialen Begrenzung entsteht die Schaumwein- und Zwischenerzeugnissteuer nur im Steuergebiet.2 Die Steuer entsteht hierbei grundsätzlich bei Überführung des Schaumweins bzw. der Zwischenerzeugnisse in den steuerrechtlich freien Verkehr (§§ 14 Abs. 1, 29 Abs. 3 SchaumwZwStG). Die in der Praxis wichtigste Fallgruppe ist die steuerauslösende Entnahme aus dem Steuerlager. Die Steuer wird aber suspendiert, wenn sich ein weiteres Verfahren der Steueraussetzung anschließt (§ 14 Abs. 2 Nr. 1, 29 Abs. 3 SchaumwZwStG). Im internationalen Kontext ist hierbei die Beförderung unter Steueraussetzung (Beförderungsverfahren), das auch grenzüberschreitend zur Anwendung kommt (§§ 11, 12, 29 Abs. 3 SchaumwZwStG). Entsprechend der rechtlichen Systematik (Rz. 11.46) sind Beförderungen aus anderen, in andere oder über andere EU-Mitgliedstaaten zugelassen. Das bedeutet, dass hierdurch systemgerecht das Bestimmungslandprinzip umgesetzt wird. Das gilt auch für die Ausfuhr in Drittländer oder Drittgebiete (§§ 12 Abs. 1, 29 Abs. 3 SchaumwZwStG). Das Bestimmungslandprinzip wird zudem auch in den Fällen der Einfuhr (aus Drittländern oder Drittgebieten) verwirklicht, falls der Schaumwein bzw. die Zwischenerzeugnisse durch die Einfuhr in den steuerrechtlich freien Verkehr überführt werden (§§ 18 Abs. 1 Satz 1, 29 Abs. 3 SchaumwZwStG).
11.80
1 Entspricht § 154 BranntwMonG/§ 30 AlkStG für den umgekehrten Fall. 2 Deutschland ohne das Gebiet von Büsingen und Helgoland (§§ 1 Abs. 1 Satz 2, 29 Abs. 1 Satz 1 SchaumwZwStG).
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Kap. 11 Besondere Verkehr- und Verbrauchsteuern
11.81
Aus Vereinfachungsgründen verbleibt es indessen beim Ursprungslandprinzip in den Fällen, in denen Privatpersonen für ihren Eigenbedarf Schaumwein oder Zwischenerzeugnisse im steuerrechtlichen freien Verkehr erwerben und selbst in das Steuergebiet befördern (§§ 19 Abs. 1, 29 Abs. 3 SchaumwZwStG). In den übrigen Fällen des steuerrechtlich freien Verkehrs mit anderen Mitgliedstaaten wird dem gegenüber wiederum das Bestimmungslandprinzip umgesetzt. Das gilt sowohl für den Bezug von Schaumwein und Zwischenerzeugnissen zu gewerblichen (unternehmerischen) Zwecken (§ 20 Abs. 1, 29 Abs. 3 SchaumwZwStG) als auch beim grenzüberschreitenden Versandhandel (§ 21 Abs. 1, 29 Abs. 3 SchaumwZwStG). Schließlich wird dem Bestimmungslandprinzip bei der Beförderung von Schaumwein und Zwischenerzeugnissen in andere EU-Mitgliedstaaten dadurch entsprochen, dass auf Antrag im Steuergebiet eine Steuerentlastung erfolgt (§§ 25 Abs. 1 Satz 1, 29 Abs. 3 SchaumwZwStG). Damit wird zugleich auch eine Doppelbesteuerung vermieden. 4. Biersteuer
11.82
Die Biersteuer gehört wie die übrigen Alkoholsteuern zu den Verbrauchsteuern (§ 1 Abs. 1 Satz 3 BierStG), deren Aufkommen allerdings nicht dem Bund, sondern den Ländern zusteht.1 Als Verbrauchsteuer ist die Biersteuer auf Überwälzung angelegt, um so die konsumtive Verwendung von Einkommen bzw. Vermögen zu erfassen. Zugleich werden mit der Biersteuer aber auch gesundheitspolitische Ziele verfolgt, die allerdings nicht konsequent umgesetzt worden sind. So ist es unter diesem Gesichtspunkt unverständlich, dass sich die Biersteuer nicht nach dem Alkoholgehalt, sondern nach Stammwürzgraden bemisst.2 Folgerichtig ist es dem gegenüber, dass alkoholfreie Biere steuerlich nicht belastet werden.3
11.83
Wie bei den anderen harmonisierten Verbrauchsteuern entsteht die Biersteuer bei Überführung des Bieres in den steuerrechtlich freien Verkehr. Das ist grundsätzlich dann der Fall, wenn das Bier aus dem Steuerlager (§ 4 BierStG)4 entnommen wird, ohne dass sich ein weiteres Steueraussetzungsverfahren anschließt (§ 14 Abs. 2 Nr. 1 BierStG).
11.84
Im internationalen Kontext ist die Beförderung unter Steueraussetzung aus anderen, in andere oder über andere EU-Mitgliedstaaten (§ 11 BierStG) von besonderer Bedeutung. Hierdurch wird im Ergebnis das für die Verbrauchsteuern maßgebliche Bestimmungslandprinzip umgesetzt. Das gilt auch für die Ausfuhr, wonach unter Steueraussetzung Bier z.B. aus Steuerlagern im Steuergebiet in Drittländer oder Drittgebiete ohne steuerliche Belastung befördert werden darf (§ 12 Abs. 1 BierStG). Das Bestimmungslandprinzip wird schließlich auch in den Fällen der Einfuhr realisiert, es sei denn, das Bier wird unmittelbar am Ort der Einfuhr in ein Verfahren der Steueraussetzung überführt (§ 18 Abs. 1 Satz 1 BierStG). Das 1 Zum historischen Hintergrund Jatzke, ZfZ 2015, 90 (91). 2 Zur Kritik Jatzke, ZfZ 2015, 90 (94). 3 § 1 Abs. 2 Nr. 1 BierStG: Erzeugnisse der Position 2203 der kombinierten Nomenklatur (KN) umfassen nur Erzeugnisse mit einem Alkoholgehalt von mehr als 0,5 %; vgl. Schröer-Schallenberg in Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht2, G 283. 4 Hierzu gehört insbesondere die Brauerei (§ 1 Nr. 9 BierStV).
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C. Besondere Verbrauchsteuern
Bestimmungslandprinzip wird ferner auch beim Bezug zu gewerblichen Zwecken (§ 20 Abs. 1 BierStG) sowie im Versandhandel (§ 21 Abs. 1 BierStG) im steuerrechtlich freien Verkehr mit anderen EU-Mitgliedstaaten gewährleistet. Aus Vereinfachungsgründen wird allerdings ausnahmsweise das Ursprungslandprinzip umgesetzt, wenn Privatpersonen für ihren Eigenbedarf in anderen EU-Mitgliedstaaten Bier im steuerrechtlich freien Verkehr erwerben und selbst in das Steuergebiet befördern. Dieser Erwerb ist steuerfrei (§ 19 Abs. 1 BierStG). Wird nachweislich im Steuergebiet bereits versteuertes Bier zu gewerblichen Zwecken (einschließlich Versandhandel) in einen anderen EU-Mitgliedstaat befördert, wird auf Antrag eine Steuerentlastung gewährt, so dass auch hierdurch das Bestimmungslandprinzip umgesetzt wird (§ 25 Abs. 1 BierStG). Eine mit dem Verbrauchsteuercharakter nicht zu vereinbarende Sonderregelung enthält § 2 Abs. 2 BierStG, wonach zum Schutze kleiner unabhängiger Brauereien ermäßigte Steuersätze vorgesehen sind.1 Um insbesondere konzernzugehörige Brauereien von der Reichweite der Steuerermäßigung auszuschließen, ist Voraussetzung, dass die betreffenden Brauereien rechtlich und wirtschaftlich nicht von einer anderen Brauerei abhängig sind, räumlich getrennte Betriebsräume benutzen und Bier nicht in Lizenz brauen (§ 2 Abs. 3 Satz 1 BierStG).2
11.85
Die vorstehende Steuerermäßigung kann auch von ausländischen unabhängigen Brauereien für das in das Steuergebiet gelieferte Bier in Anspruch genommen werden (§ 2 Abs. 5 Satz 2 BierStG). Das gilt gleichermaßen für in anderen EUMitgliedstaaten und in Drittländern und Drittgebieten ansässige kleine Brauereien.3 Diese Gleichbehandlung ist sowohl unter dem Gesichtspunkt der unionsrechtlich verbürgten Niederlassungsfreiheit (Abs. 56 AEUV) als auch gemäß Art. 3 Abs. 1 GG geboten (Rz. 4.4 ff., 4.25 ff.).
11.86
5. Alkopopsteuer Die Alkopopsteuer gehört zu den nicht harmonisierten deutschen Verbrauchsteuern. Sie ist unionsrechtlich zulässig, weil mit ihrer Erhebung besondere Zwecke verfolgt werden (Art. 1 Abs. 2 VStSystRL) und sie nicht lediglich fiskalisch motiviert ist.4 Dass mit der Alkopopsteuer besondere Lenkungsziele verfolgt werden, ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Satz 1 AlkopopStG, wonach alkoholhaltige Süssgetränke (Alkopops) im Steuergebiet einer „Sondersteuer zum Schutz junger Menschen“ unterliegen. Zudem dient die Alkopopsteuer, die zusätzlich zur BranntweinSt erhoben wird (§ 1 Abs. 2 AlkopopStG)5, der Finanzierung von Maß1 Zu den historischen Hintergründen Jatzke, Das System des deutschen Verbrauchsteuerrechts, Berlin 1997, 111. 2 Zu Einzelheiten Schröer-Schallenberg in Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht2, G 289; Jatzke, Europäisches Verbrauchsteuerrecht, D 8 ff. 3 Schröer-Schallenberg in Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht2, G 308. 4 Englisch in Tipke/Lang22, § 18 Rz. 107, 113; Schröer-Schallenberg in Bongartz/SchröerSchallenberg, Verbrauchsteuerrecht2, M 3; Schaumburg in Englisch/Schaumburg, Europäisches Steuerrecht, Rz. 11.37. 5 Voraussetzung ist u.a., dass die Getränke nach § 130 Abs. 1 BranntwMonG der BranntwSt unterliegen; hierzu Schröer-Schallenberg in Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht2, M 10.
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11.87
Kap. 11 Besondere Verkehr- und Verbrauchsteuern
nahmen zur Suchtprävention der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (§ 4 Abs. 1 AlkopopStG). 11.88
Das AlkopopStG enthält keine eigenständigen Vorschriften zur Steuerentstehung. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auf das BranntwMonG (AlkStG) und auf das KaffeeStG (§ 3 AlkopopStG). Der Verweis auf die für die Branntweinsteuer/Alkoholsteuer maßgeblichen Vorschriften (§ 3 Abs. 1 AlkopopStG) bewirkt, dass auch für Alkopops die Grundsätze des Steueraussetzungsverfahren gelten.1 Im Hinblick darauf entsteht die Alkopopsteuer insbesondere bei Entnahme aus dem Steuerlager (§ 3 Abs. 1 AlkopopStG i.V.m § 143 Abs. 1, 2 Nr. 1 BranntwMonG/§ 18 Abs. 1, 2 Nr. 1 AlkStG). Soweit es indessen um die Beförderung unter Steueraussetzung in oder aus anderen EU-Mitgliedstaaten geht, finden die entsprechenden Vorschriften des KaffeeStG Anwendung (§ 3 Abs. 2 AlkopopStG).2 Entsprechendes gilt für die Ausfuhr von Alkopops, sofern diese über andere EU-Mitgliedstaaten erfolgt, so dass eine Ausfuhr unter Steueraussetzung sich nur dann nach den Vorschriften des BranntwMonG/AlkStG richtet, wenn die Alkopops unmittelbar aus dem Steuerlager in das Steuergebiet ausgeführt werden (§ 3 Abs. 1 AlkopopStG i.V.m § 141 Abs. 1 BranntwMonG/§ 16 Abs. 1 AlkStG).3 Werden Alkopops aus einem Drittland/Drittgebiet eingeführt (Einfuhr), finden ebenfalls die Vorschriften des BranntwMonG/AlkStG Anwendung. Das bedeutet, dass die Ware unter Steueraussetzung in eine Steuerlager für Alkopops überführt werden kann (§ 3 Abs. 1 AlkopopStG i.V.m. § 147 Abs. 1 BranntwMonG/§ 22 Abs. 1 AlkStG).4
11.89
Soweit Alkopops aus einem Alkopopsteuerlager im Steuergebiet über einen anderen EU-Mitgliedstaat ausgeführt bzw. an einen Empfänger in einem anderen EUMitgliedstaat geliefert werden, ist ebenfalls eine Steueraussetzung möglich, wobei allerdings, wegen der fehlenden Harmonisierung, die Vorschriften des KaffeeStG eingreifen (§ 3 Abs. 2 AlkopopStG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c, d KaffeeStG).5 Schließlich können Alkopops unter Steueraussetzung auch aus anderen EU-Mitgliedstaaten in ein Steuerlager im Steuergebiet verbracht werden (§ 3 Abs. 2 AlkopopStG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 2 KaffeeStG).6 Damit ist insoweit auch für die AlkopopSt die Umsetzung des Bestimmungslandprinzips gewährleistet.
11.90
Werden schließlich bereits im Steuergebiet versteuerte Alkopops im steuerrechtlich freien Verkehr (Rz. 11.49 ff.) in einen anderen Mitgliedstaat verbracht, ist eine Steuerentlastung vorgesehen (§ 3 Abs. 2 AlkopopStG i.V.m. § 21 Abs. 2 KaffeeStG). Auch hierdurch wird im Ergebnis das Bestimmungslandprinzip umgesetzt.
1 Schröer-Schallenberg in Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht2, M 17. 2 Hierzu Schröer-Schallenberg in Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht2, M 21. 3 Schröer-Schallenberg in Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht2, M 21. 4 Schröer-Schallenberg in Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht2, M 25. 5 Schröer-Schallenberg in Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht2, M 36. 6 Schröer-Schallenberg in Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht2, M 37.
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C. Besondere Verbrauchsteuern
V. Kaffeesteuer Literatur Bongartz in Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht, 2. Aufl. München 2011, Kap. L; Bongartz, Das Kaffeesteuerrecht im Lichte der Verbrauchsteuerharmonisierung, ZfZ 1998, 290; Englisch in Tipke/Lang, Steuerrecht, 22. Aufl. Köln 2015, § 18 Rz. 123; Schaumburg in FS Reiß, 25 (38 f.); Tipke in Festschrift Reiß, 9 (19).
Die Kaffeesteuer ist eine nicht harmonisierte Verbrauchsteuer (§ 1 Abs. 1 Satz 3 KaffeeStG) und darauf gerichtet, die Verwendung von Einkommen (Vermögen) für den privaten Lebensbedarf zu belasten. Es handelt sich insoweit um eine wettbewerbsneutrale Privatkonsumsteuer, die dem Typus der Verbrauchsteuer in vollem Umfange entspricht.1 Die Belastung des Privatkonsums erfolgt hierbei durch entsprechende Überwälzung der Steuer vom Unternehmer als Steuerschuldner auf den Verbraucher.2 Die selektive Belastung des privaten Konsums durch die Kaffeesteuer – eine Teesteuer gibt es nicht – ist nicht gerechtfertigt und unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren.3 Im Übrigen ergibt sich ein unauflösbarer Zielkonflikt dadurch, dass einerseits Kaffee als Nahrungsmittel durch Anwendung des begünstigten Steuersatzes4 von der Umsatzsteuer entlastet, andererseits aber zugleich durch die Kaffeesteuer einer steuerlichen Zusatzbelastung unterworfen wird5
11.91
Der Kaffeesteuer unterliegt Röstkaffee (§ 1 Abs. 3 KaffeeStG) sowie löslicher Kaffee (§ 1 Abs. 4 KaffeeStG). Zum Steuergegenstand zählt auch kaffeehaltige Ware, wenn sie in das Steuergebiet befördert wird (§ 1 Abs. 1 Satz 1 KaffeeStG). Diese Anknüpfung an die Überführung kaffeehaltiger Ware aus anderen EU-Mitgliedstaaten oder die Einfuhr aus einem Drittland/Drittgebiet dient dem Ziel einer Wettbewerbsgleichheit mit im Steuergebiet hergestellten kaffeehaltigen Waren, die der Kaffeesteuer unterliegen.6
11.92
Wie bei den meisten anderen Verbrauchsteuern kommt auch für die Kaffeesteuer das Steueraussetzungsverfahren zur Anwendung. Dem entsprechend entsteht die Steuer bei Überführung von Kaffee in den steuerrechtlich freien Verkehr, und zwar insbesondere durch Entnahme aus dem Steuerlager (§ 5 Abs. 1 KaffeeStG), es sei denn, es schließt sich ein weiteres Verfahren der Steueraussetzung an (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 KaffeeStG). Das Steueraussetzungsverfahren gilt auch grenzüberschreitend. So darf Kaffee unter Steueraussetzung aus Steuerlagern im Steuergebiet in andere EU-Mitgliedstaaten sowie von dort in ein Steuerlager ins Steuergebiet befördert werden (§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 2 KaffeeStG). Obwohl das KaffeeStG nicht harmonisiert ist, wird mit der Beförderung im Steueraussetzungsverfahren an Empfänger in andere EU-Mitgliedstaaten (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c KaffeeStG)
11.93
1 Zum Steuertypus Verbrauchsteuer Drüen, ZfZ 2012, 309 (315). 2 Zur Überwälzbarkeit als typusprägendes Merkmal Drüen, ZfZ 2012, 309 (317 f.). 3 Tipke, Die Steuerrechtsordnung II2, 1055 f.; Tipke in FS Reiß, 9 (19 f.); Schaumburg in FS Reiß, 25 (38 f.). 4 § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG i.V.m. Nr. 12 der Anlage 2. 5 Tipke, Die Steuerrechtsordnung II2, 1056; Tipke in FS Reiß, 9 (20); Schaumburg in FS Reiß, 25 (39). 6 Bongartz in Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht2, L 6, 7.
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Kap. 11 Besondere Verkehr- und Verbrauchsteuern
das Bestimmungslandprinzip ebenso verwirklicht wie bei der Ausfuhr in ein Drittland/Drittgebiet (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d KaffeeStG). 11.94
Soweit Kaffee aus Drittländern oder Drittgebieten eingeführt wird, entsteht die Steuer, es sei denn, der Kaffee wird unmittelbar am Ort der Einfuhr in ein Verfahren der Steueraussetzung überführt oder es schließt sich eine Steuerbefreiung an (§ 15 Abs. 1 Satz 1 KaffeeStG). Hierdurch wird das für die Verbrauchsteuer typische Bestimmungslandprinzip umgesetzt. Das gilt auch für den Bezug von Kaffee zu gewerblichen Zwecken im zollrechtlich freien Verkehr aus anderen EU-Mitgliedstaaten sowie beim entsprechenden Versandhandel (§§ 17 Abs. 1, 18 Abs. 1 KaffeeStG). Dem gegenüber verbleibt es aus Vereinfachungsgründen beim Ursprungslandprinzip, wenn Privatpersonen für ihren Eigenbedarf Kaffee in anderen EU-Mitgliedstaaten im zollrechtlich freien Verkehr erwerben und selbst in das Steuergebiet befördern (§ 16 Abs. 1 KaffeeStG).
11.95
Soweit bereits versteuerter Kaffee in einen anderen EU-Mitgliedstaat geliefert worden ist, erfolgt eine Steuerentlastung, wodurch wiederum das Bestimmungslandprinzip verwirklicht wird (§ 21 Abs. 2 KaffeeStG). Entsprechendes gilt für kaffeehaltige Waren (§ 21 Abs. 3 KaffeeStG). Eine entsprechende Entlastung ist allerdings für die unmittelbare Ausfuhr nicht vorgesehen. Daher besteht nur die Möglichkeit über den Umweg der vorherigen Aufnahme in ein Steuerlager die Steuerentlastung gem. § 21 Abs. 1 KaffeeStG in Anspruch zu nehmen, um sodann den Kaffee unter Steueraussetzung, also ohne weitere Besteuerung, im Steuergebiet auszuführen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. d KaffeeStG).1
1 Hierzu Bongartz in Bongartz/Schröer-Schallenberg, Verbrauchsteuerrecht2, L 33.
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Schaumburg
Kapitel 12 Internationales Investmentsteuerrecht A. Einführung . . . . . . . . . . . . . B. Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . I. Kapitalanlagegesetzbuch . . . . II. Investmentsteuergesetz . . . . . C. Investmentsteuergesetz 2004 . . I. Überblick . . . . . . . . . . . . . 1. Publikumsfonds . . . . . . . . . . 2. Spezialfonds . . . . . . . . . . . . II. Beteiligung eines Steuerinländers an einem inländischen Fonds . . 1. Publikumsfonds . . . . . . . . . . a) Besteuerung im Inland . . . . aa) Fondsebene . . . . . . . . (1) Grundsätze der Ertragsermittlung . . . . . . . . . (2) Ausländische Fondserträge . . . . . . . . . . . (a) Abzug von Kapitalertragsteuer als Werbungskosten . . . . . . . . . . . (b) Abzug „mittelbarer“ Werbungskosten von steuerbefreiten DBAEinkünften . . . . . . . . . bb) Anlegerebene . . . . . . . (1) Vermeidung einer Doppelbesteuerung bei Auslandserträgen des Fonds . (2) Freigestellte DBAEinkünfte . . . . . . . . . (a) Freistellungsmethode . . (b) Progressionsvorbehalt . . (3) Anrechnung ausländischer Quellensteuer . . . (a) Ausländische Quellensteuer . . . . . . . . . . . . (b) Anrechnungsvoraussetzungen und -methodik . . (4) Abzug ausländischer Quellensteuer . . . . . . . (a) Steuerabzug statt Steueranrechnung . . . . . . . . (b) Steuerabzug neben Steueranrechnung . . . . b) Besteuerung im Ausland . . . 2. Spezialfonds . . . . . . . . . . . . III. Beteiligung eines Steuerinländers an einem ausländischen Fonds .
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12.1
12.3 12.3 12.4
12.7 12.7 12.7 12.16 12.17 12.17 12.17 12.17 12.17
12.22
12.22
12.23 12.24 12.24 12.26 12.26 12.28
12.31 12.31 12.32 12.38 12.38 12.40 12.41 12.44 12.45
1. Publikumsfonds . . . . . . . . . . a) Quellensteuer auf Erträge eines ausländischen Publikumsfonds . . . . . . . . . . . b) Quellensteuer auf Ausschüttungen und ausschüttungsgleiche Erträge des Fonds . . c) Kapitalertragsteuerabzug bei Erträgen aus dem Inland . . . 2. Spezialfonds . . . . . . . . . . . . IV. Beteiligung eines Steuerausländers an einem inländischen Fonds . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Publikumsfonds . . . . . . . . . . a) Ausschüttung des inländischen Fonds an ausländische Anleger . . . . . . . . . . . . . b) Ausländische Erträge des inländischen Fonds . . . . . . 2. Spezialfonds . . . . . . . . . . . .
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12.45
12.45
12.48
12.51 12.53
12.55 12.55
12.55
12.58 12.59
D. Investmentsteuergesetz 2018 . . 12.61 I. Überblick . . . . . . . . . . . . . 12.61 1. Publikumsfonds . . . . . . . . . . 12.61 2. Spezialfonds . . . . . . . . . . . . 12.72 II. Publikumsfonds . . . . . . . . . . 1. Fondsebene . . . . . . . . . . . . a) Erträge aus ausländischen Quellen . . . . . . . . . . . . . b) Anspruch auf Quellensteuererstattung . . . . . . . . . . . . 2. Anlegerebene . . . . . . . . . . . a) Inländischer Anleger . . . . . aa) Besteuerung nach nationalem Recht . . . . . bb) Besteuerung nach Abkommensrecht . . . . . b) Ausländischer Anleger . . . . III. Spezialfonds . . . . . . . . . . . . 1. Besteuerung nach Trennungsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . 2. Besteuerung nach Transparenzoption . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fondsebene . . . . . . . . . . . b) Anlegerebene . . . . . . . . . . aa) Beteiligung an inländischem Spezialfonds . . . . bb) Beteiligung an ausländischem Spezialfonds . . . .
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12.73 12.73
12.73
12.75 12.77 12.77
12.77
12.78 12.80
12.81 12.81
12.82 12.82 12.86 12.86 12.89
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Kap. 12 Internationales Investmentsteuerrecht Literatur Anzinger, Wesen, Reformbedürfnis und Reformoptionen des Investmentsteuerrechts, FR 2016, 101; Bacmeister, Erfahrungen rund um die Bescheinigung von Investmentfonds, IStR 2007, 169; Beckmann/Scholtz/Vollmer (Hrsg.), Ergänzbares Handbuch für das gesamte Investmentwesen (Kommentar), Berlin 2014 (Stand: Mai 2016); Behrens/Faller, Anzuwendender Spezial-Investmentfonds-Aktiengewinn für dem Teileinkünfteverfahren unterliegende Anleger, BB 2014, 219; Berger/Steck/Lübbehüsen, Kommentar zum Investmentgesetz/Investmentsteuergesetz, München 1. Aufl. 2010; Birker, Auswirkungen der Reform der Investmentbesteuerung auf spezielle Abkommensregelungen für Investmentvermögen, RdF 2015, 221; Blümich, EStG, KStG, GewStG und Nebengesetze, München 131. Aufl. 2016 (Loseblatt); Bron, Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung, Stbg 2015, 391; Buge/Bujotzek/Steinmüller, Die InvSt-Reform ist verabschiedet, DB 2016, 1594; Dembowski, Profi-Handbuch Investmentfonds, 5. Aufl. 2012; Dyckmans, Grundlegende Neukonzeption der Investmentbesteuerung – Überblick über die wesentlichen Änderungen durch den Referentenentwurf zum Investmentsteuerreformgesetz, Ubg 2016, 62; Ebner, Änderungen bei Investmentfonds – JStG 2009 beseitigt Lücken bei der Abgeltungsteuer und im Fondsbereich, NWB Fach 3, 203; Ebner, Abgeltungssteuer und Investmentfonds NWB F. 3, 14709; Ebner/Helios, Kritische Kommentierung ausgewählter Aspekte des aktualisierten BMF-Schreibens zum InvStG vom 18.8.2009 (BStBl. I 2009, 931) unter Berücksichtigung des Regierungsentwurfes für ein JStG 2010 – Teil 1, BB 2010, 1565; Elser/Gütle-Kunz, Anwendung des InvStG bei Beteiligung an ausländischen Fonds unter Berücksichtigung des neuen Investmentsteuererlasses BB 2010, 414; Elser/Stadler, Der Referentenentwurf zum AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz, DStR 2012, 2561; Elser/Stadler, Einschneidende Änderungen der Investmentbesteuerung nach dem nunmehr in Kraft getretenen AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz, DStR 2014, 233; Faller/Wolf, BMF veröffentlicht Diskussionsentwurf zur „Großen InvSt-Reform“, DB 2015, 1865; Faller/Wolf/Brielmaier, Der Regierungsentwurf zur Reform der Investmentbesteuerung vom 24.2.2016, DB 2016, 488; Feyerabend, Besteuerung privater Kapitalanlagen 2009; Feyerabend/Vollmer, Investmentfondsbesteuerung und Abgeltungsteuer, BB 2008, 1088; Fock, Investmentsteuerrecht und Einkommensteuergesetz am Beispiel von Garantiefonds, DStZ 2006, 503; Fock, Investmentsteuerrecht und Außensteuergesetz, IStR 2006, 734; Grabbe/Behrens, Investmentsteuerrecht: Einführung der Abgeltungsteuer und andere aktuelle Änderungen, DStR 2008, 950; Grabbe/Behrens, Ist die mittelbare Beteiligung natürlicher Personen schädlich für den Status als Spezial-Fonds?, IStR 2005, 159; Grabbe/Simonis Investmentsteuerrecht: Jahressteuergesetz 2009 und andere aktuelle Änderungen DStR 2009, 837; Gottschling/Schatz, Investmentbesteuerung: Praktische Auswirkungen des AIFM-StAnpG insb. hinsichtlich ausländischer geschlossener Private Equity-, Immobilien- und Infrastrukturfonds, ISR 2014, 30; Haase, Internationales und Europäisches Steuerrecht, Stuttgart 4. Aufl. 2014; Haase, Zweifelsfragen im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 1 Nr. 2 InvStG, DStR 2009, 957; Haase, Investmentsteuergesetz Kommentar, 2. Aufl. Stuttgart 2015; Haase/Dorn, Vermögensverwaltende Personengesellschaften, 2013; Haisch, Investmentsteuerreform – Wird jetzt alles gut?, RdF 2015, 294; Haisch/Helios, Investmentsteuerrechtsreform aufgrund von AIFMD und KAGB, BB 2013, 23; Haisch/Helios, Investmentsteuerreform aufgrund KAGB und AIFM-StAnpG – Änderungen noch möglich, BB 2013, 1687; Haisch/Helios, Rechtshandbuch Finanzinstrumente, München 2011; Haisch/Hüniken, Erhebliche Verschärfung der Steueranrechnung bei deutschen Aktien geplant, BB 2016, 345; Haselmann/Albrecht, Die angekündigte Ausweitung des § 8b Abs. 4 KStG auf Veräußerungsgewinne – verfassungswidrige Rückwirkung trotz „Schonfrist“, DStR 2015, 2212; Haug, Investmentfonds und Außensteuerrecht: Abgrenzungsfragen nach dem InvStRefG, IStR 2016, 597; Hechtner/Wenzel, Gescheitertes AIFM-StAnpG – Praktische Auswirkungen auf die Besteuerung von Investmentvermögen und deren Anlegern?, DStR 2013, 2370; Helios/Link, Zweifelsfragen der Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge aus Finanzinnovationen und offenen Fonds, DStR 2008, 386; Höring, Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung („Investmentsteuerreformgesetz – InvStRefG“), DStZ 2016, 383; Jesch/Koch, BB-Gesetzgebungs- und Rechtsprechungsreport zur Fondsregulierung 2015, BB 2016, 471; Jacob/Geese/Ebner, Handbuch für die Besteuerung von Fondsvermögen, Neuwied 4. Aufl. 2014; Jansen/Greger, Reform der Investmentbesteuerung – erste
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Kap. 12 Internationales Investmentsteuerrecht Analyse des Referentenentwurfs, FR 2016, 116; Jansen/Lübbehüsen, Neues Investmentsteuergesetz doch noch im Jahr 2013 – auch der Steuergesetzgeber bescherte uns zu Weihnachten, RdF 2014, 28; Jesch/Haug, Das neue Investmentsteuerrecht, DStZ 2013, 771; Jetter/Benz, Die Neuregelung zur Steuerpflicht bei Streubesitzdividenden, DStR 2013, 489; Jetter/Mager, Der Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung, SteuK 2016, 23; Kammeter, Änderungen durch die geplante Reform der Investmentbesteuerung – vom Referentenentwurf (18.12.2015) bis zum Regierungsentwurf (24.2.2016) des InvStRefG, ISR 2016, 99; Kempf/Fischer, Erster Überblick über den Diskussionsentwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung, SteuK 2015, 339; Kempf/Hirtz, Schwerpunkte des Referentenentwurfs eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung, DStR 2016, 1; Klein, Besteuerung ausländischer Investmentfonds, PiStB 2006, 291; Kleutgens/Geißler, Internationale Aspekte des Investmentsteuergesetzes auf der Grundlage des AIFM-Steueranpassungsgesetzes, IStR 2014, 280; Kral/Watzlaw, Die geplante Reform der Investmentbesteuerung – Praxishinweise und Handlungsbedarf aus Sicht einer depotführenden Stelle, BB 2015, 2198; Kroschewski/Reiche, Inbound Real Estate Investments – Besteuerung „atypischer“ Investitionsstrukturen, IStR 2006, 730; Lang, Die Vermeidung der Doppelbesteuerung und der doppelten Nichtbesteuerung als DBA-Auslegungsmaxime?, IStR 2002, 609; Maier, Investmentsteuerreform 2018 – Steuererhöhungen vermeiden/ keine administrativen Hürden aufbauen, FR 2016, 121; Maute, Wertpapiere im Betriebsvermögen, EStB 2007, 338; Moritz/Jesch, Kommentar zum InvStG, Band 2, 2015; Möhrle/Gerber, JStG 2010: Änderungen des Investmentsteuergesetzes, DB 2010, Beilage 7, 32; Neumann, Investmentsteuerreformgesetz: Ausgewählte Problemfelder, DB 2016, 1779; Neumann/Lübbehusen, Totgesagte leben länger – trotz Scheiterns des AIFM-StAnpG kein Ende der Investmentbesteuerung, DB 2013, 2053; Patzner, Lässt das angedachte Investmentsteuerreformgesetz das Außensteuergesetz leerlaufen?, RdF 2015, 261; Patzner/ Kempf, Investmentsteuerrecht, Hamburg 3. Aufl. 2015; Patzner/Nagler, Zum Seminar I: Kernpunkte des ab 2018 in Deutschland geltenden deutschen Investmentsteuerregimes, IStR 2016, 725; Patzner/Nagler, Gute Nachrichten für Finanzdienstleister und inländische Anleger in ausländischen Aktien und Investmentfonds, IStR 2010, 198; Patzner/Wiese, Neuordnung der Investmentbesteuerung bei der Umsetzung der AIFM-Richtlinie durch das AIFM-Anpassungsgesetz, IStR 2013, 73; Petersen, Ausschüttungsgleiche Erträge nach InvStG, FR 2006, 1065; Rehm/Nagler, Fallstricke bei der geplanten Reform der InvestmentBesteuerung, BB 2015, 1248; Rehm/Nagler, Der jüngste Diskussionsentwurf eines Investmentsteuerreformgesetzes im Fokus des Unionsrechts, BB 2015, 2006; Richter/Welling, Tagungs- und Diskussionsbericht zum 57. Berliner Steuergespräch „Die Reform der Investmentbesteuerung“, FR 2016, 111; Roth, Neuer Diskussionsentwurf des BMF zur Reform der Investmentbesteuerung, StBW 2015, 829; Schnitger, Änderungen im Jahressteuergesetz 2008, IStR 2008, 124; Schnitger/Schachinger, Das Transparenzprinzip im Investmentsteuergesetz und seine Bedeutung für das Zusammenwirken mit den Vorschriften über die Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7 ff. AStG, BB 2007, 801; Schönfeld, Investmentbesteuerung und EU-Recht, IStR 2015, 671; von Schweinitz/Thiems, Die Umsetzungspflichten für Depotbanken bei Publikumsfonds nach dem Regierungsentwurf des Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung, DStR 2016, 1198; Simonis/Grabbe/Faller, Neuregelung der Fondsbesteuerung durch das AIFM-StAnpG, DB 2014, 16; Sorgenfrei, Steuerlicher Transparenzgrundsatz und DBA-Berechtigung deutscher offener Fonds, IStR 1994, 465; Stadler/ Bindl, Das neue InvStG – Überblick und Korrekturbedarf, DStR 2016, 1953; Stadler/Jetter, Der Diskussionsentwurf zum Investmentsteuerreformgesetz (InvStRefG), DStR 2015, 1833; Stadler/Mager, Der Regierungsentwurf des Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung, DStR 2016, 697; Steinmüller, Ausländische Hedgefonds und Private EquityPools im Investmentsteuerrecht, Aachen Diss. 2005; Steinmüller, Die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Streubesitzdividenden aus einem Investmentvermögen, DStR 2009, 1564; Strobl-Haarmann/Krause, Die Besteuerung der direkten und indirekten Beteiligung an Auslandsfonds in FS W. Müller (2001), 365; Süß/Mayer, Zweifelsfragen im Anwendungsbereich des InvStG – Erwiderung zu Haase, DStR 2009, 957, DStR 2009, 1741; Vogel/Lehner, Kommentar zum Doppelbesteuerungsabkommen, München 6. Aufl. 2015; Wassermeyer, Kommentar OECD-Musterabkommen, München 133. Lfg. 2016; Wassermeyer, Verhältnis des InvStG zu Vorschriften des AStG und des EStG, RdF 2012, 263; Zinkeisen/ Walter, Seminar F: Abkommensberechtigung von Investmentfonds, IStR 2007, 583.
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Kap. 12 Internationales Investmentsteuerrecht
A. Einführung 12.1
Wenn ein Steuerpflichtiger im Rahmen eines grenzüberschreitenden Sachverhalts Erträge aus einer Kapitalanlage in Form einer Direktanlage erzielt (z.B. Steuerpflichtiger erzielt Dividende aus Aktien), sind die Steuerfolgen nach den Regeln des „normalen“ Internationalen Steuerrechts zu bestimmen. Statt in Form einer Direktanlage kann ein Steuerpflichtiger Erträge auch mittelbar über die Beteiligung an einem Publikums- oder Spezialfonds erzielen. Unter Berücksichtigung der Zusammensetzung des Vermögens lassen sich z.B. Aktienfonds1, Rentenfonds2 und offene Immobilienfonds3 unterscheiden. Ein internationaler investmentsteuerlicher Sachverhalt liegt in folgenden Konstellationen vor: – Beteiligung eines inländischen Anlegers4 an einem Inland-Fonds mit Auslandsvermögen5, – Beteiligung eines inländischen Anlegers an einem Ausland-Fonds mit Vermögen im Fonds-Staat und/oder Drittstaat, – Beteiligung eines ausländischen Anlegers6 an einem Inland-Fonds mit Vermögen im Wohnsitzstaat des Anlegers oder in einem Drittstaat. Bei Vorliegen eines internationalen Sachverhalts kann es – wie bei einer Direktanlage – zu einer Besteuerung im Ausland und im Inland kommen (z.B. Quellensteuer auf ausländische Dividendenzahlung). Fraglich ist aus deutsch-internationaler Investmentsteuersicht, wie eine Doppelbesteuerung vermieden wird.
12.2
Die Besteuerung des Anlegers und die Methoden zur Vermeidung einer Doppelbesteuerung sind im Investmentsteuergesetz (InvStG) geregelt, das auf Vorschriften des EStG und KStG verweist. Die Darstellung der Funktionsweise dieses „Internationalen Investmentsteuerrechts“ ist Gegenstand dieses Kapitels. Dabei erfolgt eine Fokussierung auf (transparente) Publikumsfonds und Spezialfonds, wobei zwischen dem bestehenden InvStG (Rz. 12.7 ff.) und dem neuen InvStG (Rz. 12.61 ff.), das ab dem 1.1.2018 anzuwenden ist, unterschieden wird.
B. Rechtsgrundlagen I. Kapitalanlagegesetzbuch 12.3
Die Rechtsgrundlagen des Internationalen Investmentsteuerrechts finden sich (primär) im Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) und im InvStG. Das KAGB regelt die Rechtsbeziehungen zwischen Fonds, Anleger, Verwalter und Verwahrstelle. Das Gesetz ist ein in sich geschlossenes Regelwerk für Investmentfonds und 1 Fondsvermögen besteht aus Aktien in- und/oder ausländischer Gesellschaften. 2 Fondsvermögen besteht aus verzinslichen Wertpapieren, wie z.B. Staats- oder Unternehmensanleihen. 3 Fondsvermögen besteht aus vermieteten Immobilien. 4 Unbeschränkt steuerpflichtiger Anleger. 5 Z.B. Beteiligung an Kapitalgesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung im Ausland, verzinsliche Wertpapiere eines ausländischen Schuldners, im Ausland gelegene Immobilie. 6 Beschränkt steuerpflichtiger Anleger.
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B. Rechtsgrundlagen
ihre Verwalter.1 Die steuerliche Behandlung von Investmentvermögen und ihrer Anteilseigner sind nicht im KAGB geregelt, allerdings knüpfen steuergesetzliche Vorschriften an Bestimmungen des KAGB an. Die wesentlichen Regelungsbereiche des KAGB sind die Definition eines Investmentvermögens (§ 1 ff. KAGB), die Bestimmung von Aufgaben und Pflichten der Kapitalverwaltungsgesellschaft2 und der Verwahrstelle3 (§ 17 ff., § 68 ff. KAGB), die Organisation offener und geschlossener Investmentvermögen (§ 91 ff., § 139 ff. KAGB), Publikumsinvestmentvermögen (§ 162 ff. KAGB) und inländische Spezialfonds (§ 273 ff.) sowie Vertrieb und Erwerb von Investmentvermögen (§ 293 ff. KAGB).
II. Investmentsteuergesetz Die Besteuerung eines Investmentvermögens und seiner Anleger richtet sich nach dem InvStG 20044, sofern nicht auf Bestimmungen anderer Gesetze (z.B. EStG, KStG, GewStG und AStG) verwiesen wird. Das Gesetz ersetzt die steuerlichen Vorschriften des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften (KAGG) und des Auslandsinvestmentgesetzes (AuslInvestmG), es gilt grundsätzlich ab 1.1. 2004. Das InvStG ist anwendbar, wenn u.a. folgende Anlagebestimmungen erfüllt sind: Investmentfonds unterliegt der Aufsicht, Anleger können mindestens einmal pro Jahr ihr Recht zur Anteilsrückgabe oder -kündigung ausüben, Mittelanlage ausschließlich für Rechnung der Anleger, Berücksichtigung einer Risikomischung und Höchstgrenzen bei der Vermögensanlage, Begrenzung bei Kreditaufnahme.
12.4
Dem InvStG liegt das steuerliche Ziel zugrunde, einen Fondsanleger (als Anteilseigner eines transparenten Publikumsfonds) steuerlich einem Direktanleger gleichzustellen. Steuertechnisch erfolgt dies dadurch, dass die Besteuerung der Erträge des Fonds auf Ebene des Anlegers unter Berücksichtigung seiner persönlichen Steuersituation erfolgt. Dies gilt auch für die Regelung internationaler Sachverhalte. Der Gesetzgeber befürchtet allerdings, dass Teile des deutsch-internationalen Investmentsteuerrechts mit EU-rechtlichen Risiken behaftet sein könnten.5
12.5
Unter anderem mit Blick auf diese EU-rechtlichen Risiken hat der Gesetzgeber das InvStG mit Wirkung zum 1.1.2018 in wesentlichen Teilen geändert. Nach dem InvStG 20186 gilt für Publikumsfonds ein neues Besteuerungssystem, das wesentlich einfacher, leichter administrierbar und gestaltungssicher sein soll.7 Dieses neue System hat auch ein (zumindest in Teilbereichen) neues Internationales Investmentsteuerrecht zur Folge.
12.6
1 2 3 4
BT-Drucks. 791/12, 345. Im InvG war die Bezeichnung „Kapitalanlagegesellschaft“. Im InvG war die Bezeichnung „Depotbank“. Gesetz zur Modernisierung des Investmentwesens und zur Modernisierung von Investmentvermögen v. 19.12.2003, BGBl. I 2003, 2676. 5 Vgl. die Begründung im Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Reform der Investmentbesteuerung, BT-Drucks. 18/8045, 49. 6 Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung v. 19.7.2016, BGBl. I 2016, 1730. 7 BT-Drucks. 18/8045, 1.
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Kap. 12 Internationales Investmentsteuerrecht
C. Investmentsteuergesetz 2004 I. Überblick 1. Publikumsfonds 12.7
Inländische Investmentfonds können u.a. im „Rechtskleid“ eines Sondervermögens, das von einer Kapitalverwaltungsgesellschaft oder einer EU-Verwaltungsgesellschaft verwaltet wird, gebildet werden.1 Die Inhaber von Anteilen an Investmentfonds sind die Anleger.2
12.8
Die Besteuerung der Fondserträge erfolgt nach dem Transparenzprinzip, wenn bestimmte gesetzliche Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu zählen u.a. die Bekanntmachung bestimmter Besteuerungsgrundlagen (z.B. Betrag der Ausschüttung, Betrag der ausgeschütteten Erträge mit ertragsteuerlicher „Aufschlüsselung“, Betrag der ausländischen Steuer). Sind die Bekanntmachungsvoraussetzungen nicht erfüllt, erfolgt eine Besteuerung nach dem Intransparenz-Prinzip.3
12.9
Die Erträge, die ein (transparenter) Investmentfonds aus seinem Vermögen erzielt (z.B. Zinsen, Dividenden, Veräußerungsgewinne), können im Rahmen einer Ausschüttung an die Anleger „transferiert“ werden. Einbehaltene (in- oder ausländische) Kapitalertragsteuer erhöht die ausgeschütteten Erträge, d.h., die ausgeschütteten Erträge sind ein Bruttowert. Für Ausschüttungen gilt die Verwendungsreihenfolge Kapitalerträge vor Substanz.4
12.10
Die Erträge eines Anlegers aus Investmentanteilen sind Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG (Gewinnausschüttungen), wenn sie nicht zu den Erträgen aus Verträgen zur Basisvorsorge5 oder den Leistungen aus zertifizierten Altersvorsorgeverträgen gehören6 (§ 2 Abs. 1 InvStG). Das Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 EStG) findet nur soweit Anwendung, wie die Erträge „teileinkünftebegünstigte“ Einkünfte umfassen (z.B. Dividenden; § 2 Abs. 2 InvStG). Die Anwendung von § 8b Abs. 1, Abs. 5 KStG ist bei der Beteiligung an einem Publikumsfonds ausgeschlossen, der Gesetzgeber unterstellt insoweit eine (durchgerechnete) Streubesitzbeteiligung des Anlegers i.S.d. § 8b Abs. 4 KStG.7 Dagegen ist § 8b Abs. 2, Abs. 3 KStG anwendbar, soweit die ausgeschütteten Erträge aus Gewinnen aus der Veräußerung von z.B. Aktien resultieren.
12.11
Resultieren die ausgeschütteten Erträge aus dem Gewinn aus einer Immobilienveräußerung des Fonds und war im Zeitpunkt der Veräußerung der Zehnjahreszeitraum (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG) überschritten, sind die Erträge steuerfrei (§ 2 Abs. 3 EStG). Hat bereits auf Fondsebene eine Hinzurechnungsbesteuerung nach § 7 ff. AStG stattgefunden, findet auf die ausgeschütteten Erträge § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG Anwendung (§ 2 Abs. 4 EStG). 1 2 3 4 5
§ 1 f. InvStG. § 1 Abs. 2 Satz 2 InvStG. § 6 InvStG. § 3a InvStG. Sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG. 6 Sonstige Einkünfte nach § 22 Nr. 5 EStG. 7 Bei Beteiligung an einem Spezialfonds bleibt § 8b KStG anwendbar (§ 15 InvStG).
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C. Investmentsteuergesetz 2004
Wenn die Beteiligung des Anlegers am Investmentvermögen zu einem inländischen Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 2 GewStG) gehört, unterliegen die Erträge der Gewerbesteuer. Damit sollte im Grundsatz auch eine Kürzung für in- oder ausländische Schachteldividenden möglich sein (§ 9 Nr. 2a, Nr. 7 GewStG).1 Die Finanzverwaltung geht allerdings typisierend davon aus, dass die Voraussetzungen für eine Schachteldividende in keinem Fall vorliegen.2
12.12
Die Erträge des Fonds, die nicht an die Anleger ausgeschüttet werden, können als ausschüttungsgleiche Erträge dennoch eine Besteuerung auf Anlegerebene zur Folge haben. Die ausschüttungsgleichen Erträge sind in § 1 Abs. 3 Satz 3 InvStG abschließend aufgeführt, sie umfassen bestimmte Kapitalerträge (z.B. Zinserträge) und Erträge aus Vermietung und Verpachtung. Diese Erträge gelten den Anlegern als zum Ende des Geschäftsjahres der Vereinnahmung zugeflossen.3
12.13
Die thesaurierten Erträge, die nicht ausschüttungsgleiche Erträge sind, haben keine Besteuerung auf Anlegerebene zur Folge. Sie erhöhen den Wert des Anteils des Anlegers am Investmentvermögen und werden erst bei Veräußerung des Anteils steuerlich erfasst. Zu diesen Erträgen gehören der Ertrag aus einer Stillhalterprämie (§ 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG), der Gewinn aus der Veräußerung eines Anteil an einer Kapitalgesellschaft (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG), der Gewinn aus einem Termingeschäft (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG), der Gewinn aus der Veräußerung bestimmter sonstiger Kapitalforderungen (§ 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG) und Immobilienerträge außerhalb des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG.
12.14
Bei einer Ausschüttung des Fonds ist Kapitalertragsteuer (25 % zzgl. SolZ und ggf. KiSt) einzubehalten (§ 7 InvStG). Dies gilt im Grundsatz auch bei einer Thesaurierung ausschüttungsgleicher Erträge durch einen inländischen Fonds (§ 7 Abs. 4 InvStG), bei einem ausländischen Fonds erfolgt der Steuerabzug insoweit bei einer Anteilsrückgabe oder -veräußerung.
12.15
2. Spezialfonds Ein Spezialfonds ist ein Investmentvermögen, dessen Anteile ausschließlich von Anlegern, die nicht natürliche Personen sind, gehalten werden (§ 2 Abs. 3 InvStG). In Abhängigkeit von der Zusammensetzung des Fondsvermögens liegt ein Immobilien-Spezialfonds vor. Bei der Ertragsermittlung auf Fondsebene bestehen keine Besonderheiten, dies gilt auch für die Anlegerebene. U.a. in folgenden Punkten unterscheidet sich die investmentsteuergesetzliche Behandlung eines inländischen Spezialfonds von der eines Publikumsfonds (§ 15 InvStG): – Feststellung der Besteuerungsgrundlagen in einem Feststellungsverfahren (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO) statt Bekanntmachung nach § 5 Abs. 1 InvStG, – Untergang eines Verlustvortrags, soweit ein Anleger seine Anteile veräußert bzw. zurückgibt, 1 Vgl. BFH v. 3.3.2010 – I R 109/08, BFHE 229, 351 = DStR 2010, 1130 ff.; v. 14.12.2011 – I R 92/10, BStBl. II 2013, 486 ff. 2 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980-1/08/10019, BStBl. I 2009, 931, Tz. 42. 3 § 2 Abs. 1 Satz 2 InvStG.
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12.16
Kap. 12 Internationales Investmentsteuerrecht
– Anwendung von § 8b Abs. 1 KStG, wenn die Beteiligungsvoraussetzungen (durchgerechnet) beim Anleger vorliegen,1 – Abzug ausländischer Quellensteuer auf Fondsebene nach § 4 Abs. 4 InvStG ist ausgeschlossen (Rz. 12.38), – Gleichstellung eines beschränkt steuerpflichtigen Anlegers eines ImmobilienSpezialfonds mit einem Immobilien-Direktanleger hinsichtlich der ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge (Rz. 12.59).
II. Beteiligung eines Steuerinländers an einem inländischen Fonds 1. Publikumsfonds a) Besteuerung im Inland aa) Fondsebene (1) Grundsätze der Ertragsermittlung 12.17
Der Publikumsfonds ist von der Körperschaft- und Gewerbesteuer befreit.2 Die Einkünfte des Fonds sind allerdings auf Fondsebene gesondert zu ermitteln. Typischerweise handelt es sich um Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 2 Abs. 1 Nr. 5, § 20 EStG), Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 2 Abs. 1 Nr. 6, § 21 EStG) und/oder Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 1 Nr. 2, § 15 EStG).
12.18
Es gilt ein modifiziertes Zufluss- und Abflussprinzip. Dividenden gelten am Tag des Dividendenabschlags als zugeflossen (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 InvStG), Zinsen und Mieten sind periodengerecht abzugrenzen (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 InvStG), periodengerecht abgegrenzte Werbungskosten gelten als abgeflossen, wenn die tatsächliche Zahlung im folgenden Geschäftsjahr erfolgt (§ 3 Abs. 2 Nr. 3 InvStG).
12.19
Die Einkünfte sind als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu ermitteln.3 Dabei sind die Werbungskosten, die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit Einnahmen stehen, bei diesen Einnahmen abzuziehen.4 Die (mittelbaren) Werbungskosten, die nicht bestimmten Einnahmen unmittelbar zugerechnet werden können, sind nach einem dreistufigen Berechnungsschema von den Einnahmen abzuziehen5: Im ersten Schritt sind Werbungskosten den steuerfreien DBA-Einnahmen zuzuordnen, wobei auf das Verhältnis des Auslandsvermögens, das Quelle der steuerfreien DBA-Einnahmen ist, zum durchschnittlichen Gesamtvermögen des vorangegangenen Geschäftsjahres abzustellen ist (§ 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 InvStG; dazu Rz. 12.23). Im zweiten Schritt sind verbleibende mittelbare Werbungskosten den Dividendenerträgen des Fonds zuzurechnen, wobei das Verhältnis Aktien zu Gesamtvermögen (abzüglich des Auslandsvermögens aus dem ersten Schritt) zugrunde zu legen ist (§ 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 Buchst. a und b InvStG). Dabei sind nur 60 % der Werbungskosten abzugsfähig, wenn die Fondsanteile Betriebsvermögen natürlicher Personen sind (§ 3 1 2 3 4 5
§ 15 Abs. 1a InvStG. § 11 Abs. 1 Satz 2 InvStG. § 3 Abs. 1 InvStG. § 3 Abs. 3 Satz 1 InvStG. § 3 Abs. 3 Satz 3 ff. InvStG.
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Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 Buchst. a InvStG i.V.m. § 3c Abs. 2 EStG); die Werbungkosten sind nicht abzugsfähig, soweit Körperschaften am Fonds beteiligt sind (§ 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 Buchst. b InvStG i.V.m. § 3c Abs. 1 EStG). Im dritten Schritt sind die restlichen allgemeinen Werbungskosten von den verbleibenden Einnahmen und Veräußerungsergebnissen des laufenden Geschäftsjahres abzuziehen. Verluste (negative Erträge), die der Fonds erleidet, sind mit positiven Erträgen gleicher Art1 zu verrechnen (§ 3 Abs. 4 Satz 1 InvStG). Verbleibende Verluste sind vorzutragen (§ 3 Abs. 4 Satz 2 InvStG), eine Verlustverrechnung mit anderen Einkünften des Anlegers scheidet aus.
12.20
Ausgeschüttete oder ausschüttungsgleiche Erträge des Investmentfonds, die aus Zinserträgen i.S.d. § 4h Abs. 3 Satz 3 EStG stammen, sind beim Anleger im Rahmen der Zinsschrankenregelung des § 4h Abs. 1 EStG als Zinserträge zu berücksichtigen.2
12.21
(2) Ausländische Fondserträge (a) Abzug von Kapitalertragsteuer als Werbungskosten Ein internationaler Sachverhalt liegt vor, wenn ein unbeschränkt steuerpflichtiger Anleger an einem inländischen Publikumsfonds beteiligt ist, der (auch) über Auslandsvermögen verfügt. In diesem Fall erzielt der Fonds Erträge aus Auslandsvermögen. In Betracht kommen sämtliche Erträge, die auch aus Inlandsvermögen erzielt werden können (z.B. Zinsen, Dividenden, Veräußerungsgewinne, Mieten). Die Erträge können einer Besteuerung im Ausland und/oder im Inland unterliegen. Die Vermeidung einer Doppelbesteuerung erfolgt im Wesentlichen auf Anlegerebene (dazu Rz. 12.24). Das Investmentvermögen kann allerdings ausländische Kapitalertragsteuer bei der Ermittlung der Erträge als Werbungskosten abziehen (§ 4 Abs. 2 Satz 7, Abs. 4 InvStG; zum Werbungskostenabzug, Rz. 12.19 und 12.23). Bei Ausübung dieses Wahlrechts auf Fondsebene scheidet eine Steueranrechnung oder ein Steuerabzug auf Anlegerebene (dazu Rz. 12.31 und 12.38) aus.
12.22
(b) Abzug „mittelbarer“ Werbungskosten von steuerbefreiten DBA-Einkünften Bei der Ermittlung der Erträge eines Investmentvermögens sind Werbungskosten nach einem bestimmten Berechnungsschema von den Einnahmen abzuziehen (siehe Rz. 12.19). Die mittelbaren Werbungskosten, die nicht bestimmten Einnahmen unmittelbar zugerechnet werden können, sind primär von den abkommensrechtlich steuerbefreiten Einnahmen abzuziehen (§ 3 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 InvStG). In der Praxis sind dies regelmäßig Einkünfte aus im DBA-Ausland gelegenen Immobilien, deren Besteuerung nach dem Belegenheitsprinzip in dem Staat erfolgt, in dem sich das Grundstück befindet (Art. 6 OECD-MA). Der Anteil der Werbungskosten, der diesen DBA-Einnahmen zuzurechnen ist, entspricht dem Verhältnis 1 Eine Gleichartigkeit ist nach BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980-1/08/10019, BStBl. I 2009, 931 ff., Tz. 69, gegeben, wenn im Fall des Vortrags ausschüttungsgleiche Erträge vorliegen bzw. nicht vorliegen und die gleichen materiellen Auswirkungen beim Anleger einschließlich des Steuerabzugs nach § 7 und § 15 Abs. 1 Satz 7 InvStG eintreten. 2 § 2 Abs. 2a InvStG.
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des durchschnittlichen ausländischen DBA-Quellvermögens des vorangegangenen Geschäftsjahrs zum durchschnittlichen Gesamtvermögen des vorangegangenen Geschäftsjahrs. Bei der Berechnung des durchschnittlichen Vermögens sind die jeweiligen monatlichen Endwerte des vorangegangenen Geschäftsjahres zugrunde zu legen. Dabei ist auf das jeweilige Nettovermögen (Gesamtvermögen abzüglich Schulden) abzustellen, wenn die Fondsverwaltungsvergütung nach den vertraglichen Grundlagen auf Basis des Nettovermögens zu berechnen ist.1 Andernfalls ist auf das jeweilige Bruttovermögen abzustellen. Die verbleibenden allgemeinen Werbungskosten wirken sich mindernd bei der Ermittlung des besonderen Steuersatzes im Rahmen des Progressionsvorbehalts aus2 (Rz. 12.28). bb) Anlegerebene (1) Vermeidung einer Doppelbesteuerung bei Auslandserträgen des Fonds 12.24
Sofern ein inländischer Fonds Erträge aus Auslandsvermögen erzielt, können steuerliche ausländische Einkünfte vorliegen. Ob es sich bei Einkünften um ausländische Einkünfte handelt, ist unter Zugrundelegung des jeweiligen DBA zu prüfen.3 Ein Rückgriff auf § 34d EStG scheidet aus.4
12.25
Die Vermeidung (bzw. Minimierung) einer Doppelbesteuerung der ausländischen Einkünfte auf Anlegerebene ist in § 4 Abs. 1 bis 3 InvStG geregelt. Die erforderlichen Informationen zur „deklarationstechnischen“ Umsetzung der Vorschriften sind von der Investmentgesellschaft zu veröffentlichen (§ 5 InvStG). Umfasst sind u.a. folgende Besteuerungsgrundlagen: – Betrag der nach einem DBA steuerbefreiten ausländischen Einkünfte (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c Doppelbuchst. gg InvStG), – Betrag der ausländischen Einkünfte, die nicht dem Progressionsvorbehalt unterliegen (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c Doppelbuchst. hh InvStG), – Betrag der ausländischen Einkünfte, die eine Anrechnung ausländischer Quellensteuer ermöglichen (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c Doppelbuchst. ii InvStG), – Betrag der ausländischen Einkünfte, die im Inland nach § 3 Nr. 40 EStG oder § 8b Abs. 2 KStG steuerbefreit und „anrechnungsgesperrt“ sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c Doppelbuchst. jj InvStG), – Betrag der fiktiven anrechnungsfähigen Quellensteuer (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. c Doppelbuchst. kk InvStG), – Betrag der ausländischen Steuer, der Gegenstand einer Steueranrechnung oder eines Steuerabzugs sein kann (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. f Doppelbuchst. aa bis ff InvStG). Werden die Besteuerungsgrundlage nicht entsprechend § 5 InvStG veröffentlicht, scheidet eine Anwendung von § 4 InvStG aus. 1 Feierabend in Moritz/Jesch, Bd. 2, § 3 InvStG Rz. 113 mit Hinweis auf BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980-1/08/10019, BStBl. I 2009, 931, Tz. 59. 2 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980-1/08/10019, BStBl. I 2009, 931, Tz. 59. 3 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980-1/08/10019, BStBl. I 2009, 931, Tz. 75; Haase in Haase, InvStG, § 4 Rz. 33; Kreft/Gottschling in Moritz/Jesch, § 4 InvStG Rz. 20; Stock/Oberhofer in Berger/Steck/Lübbehüsen, § 4 InvStG Rz. 17. 4 Haase in Haase, § 4 InvStG Rz. 31; Kreft/Gottschling in Moritz/Jesch, § 4 InvStG Rz. 19.
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(2) Freigestellte DBA-Einkünfte (a) Freistellungsmethode Die ausländischen Einkünfte des Fonds können nach einem DBA steuerbefreit sein (z.B. Einkünfte aus im Ausland gelegenen Immobilien; § 4 Abs. 1 Satz 1 InvStG). Die Anwendbarkeit eines bestimmten DBA ist dabei nicht aus Fondssicht, sondern aus Anlegersicht zu bestimmen.1 Auf die Ansässigkeit des Investmentvermögens oder der Kapitalverwaltungsgesellschaft kommt es somit nicht an, entscheidend ist ausschließlich die Ansässigkeit des Anlegers.
12.26
Die vom Fonds an den Anleger ausgeschütteten Erträge und die (dem Anleger zuzurechnenden) ausschüttungsgleichen Erträge sind bei der Besteuerung des Anlegers außer Betracht zu lassen, wenn sie DBA-befreit sind (§ 4 Abs. 1 Satz 1 InvStG; Freistellungsmethode).2 Der Anleger wird im Ergebnis so gestellt, wie bei einer Direktanlage im DBA-Ausland.3 Praktische Bedeutung hat die Regelung für Erträge aus im Ausland gelegenen Immobilien (einschließlich Veräußerungsgewinne) und Auslandsbetriebsstätten. In Betracht kommt eine Anwendung auch bei Dividenden aus einer ausländischen Immobilienkapitalgesellschaft oder bei Dividenden aus einer Schachtelbeteiligung, wobei für die maßgebliche Beteiligungshöhe auf den Zeitpunkt des Zuflusses der Ausschüttung oder bei ausschüttungsgleichen Erträgen auf das Ende des Geschäftsjahrs4 abzustellen ist. Dabei ist die Beteiligungshöhe aus Anlegersicht im Wege einer „Durchrechnung“ zu bestimmen.5
12.27
(b) Progressionsvorbehalt Bei Anwendbarkeit eines DBA können die Voraussetzungen des Progressionsvorbehalts erfüllt sein (Art. 23A Abs. 3 OECD-MA). Umfasst das jeweilige DBA keine entsprechende Regelung, ergibt sich eine Anwendung des Progressionsvorbehalts auf abkommensrechtlich steuerbefreite ausländische Erträge des Investmentvermögens aus dem InvStG6 (§ 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 InvStG). Bei Anlegern, deren Anteile steuerliches Privatvermögen sind, scheidet eine Anwendung des Progressionsvorbehalts allerdings aus, da die lineare Abgeltungssteuer nach § 32d EStG einschlägig ist. Für Körperschaften spielt der Progressionsvorbehalt aufgrund des einheitlichen Körperschaftsteuersatzes gleichfalls keine Rolle. Praktisch betroffen sein können seit 20097 somit nur noch Anleger, deren Fondsanteile Betriebsvermögen sind. Dabei entfaltet der Progressionsvorbehalt im We1 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980-1/08/10019, BStBl. I 2009, 931, Tz. 75. 2 Voraussetzung für eine Anwendung von § 4 Abs. 1 InvStG ist, dass es sich bei dem Investmentfonds um ein „echtes“ transparentes Investmentvermögen handelt, das die Berichts- und Veröffentlichungspflichten nach § 5 InvStG erfüllt. 3 Vgl. Elser in Beckmann/Scholz/Vollmer, § 4 InvStG Rz. 11. 4 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980-1/08/10019, BStBl. I 2009, 931, Tz. 75a. 5 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980-1/08/10019, BStBl. I 2009, 931, Tz. 75a; Haase in Haase, § 4 InvStG Rz. 57; Kreft/Gottschling in Moritz/Jesch, § 4 InvStG Rz. 28. Auf das Investmentvermögen stellen ab: Stock/Oberhofer in Berger/Steck/Lübbehüsen, § 4 InvStG Rz. 25. 6 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980-1/08/10019, BStBl. I 2009, 931, Tz. 76. 7 Kreft/Gottschling in Moritz/Jesch, § 4 InvStG Rz. 31.
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sentlichen Wirkung bei Anlegern, die über ein Investmentvermögen Mieterträge aus im Ausland gelegenen Immobilien erzielen.1 12.29
Nach dem Progressionsvorbehalt ist der Steuersatz anzuwenden, der sich ergibt, wenn bei der Berechnung der Einkommensteuer das nach § 32a EStG zu versteuernde Einkommen um die abkommensrechtlich steuerbefreiten ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträge vermehrt oder vermindert wird (§ 4 Abs. 1 Satz 2 InvStG). Dabei sind die darin enthaltenen außerordentlichen Einkünfte nur mit einem Fünftel zu berücksichtigen (Einkünfte nach § 34 Abs. 2 EStG; steuerbare DBA-befreite Gewinne aus der Veräußerung anderer Wirtschaftsgüter).2 Die Anwendung des Progressionsvorbehalts kann eine Erhöhung des Steuersatzes (positive Auslandseinkünfte) und eine Senkung des Steuersatzes (negative Auslandseinkünfte) zur Folge haben.
12.30
Eine Anwendung des Progressionsvorbehalts scheidet ausnahmsweise bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG (z.B. steuerbefreite Einkünfte aus land- und forstwirtschaftlicher Betriebsstätte) aus (§ 4 Abs. 1 Satz 3 InvStG). Wenn der Anleger „über“ eine Organgesellschaft am Investmentvermögen beteiligt ist, findet die spezielle Organschaftsregelung des § 32b Abs. 1a EStG Anwendung (§ 4 Abs. 1 Satz 4 InvStG). (3) Anrechnung ausländischer Quellensteuer (a) Ausländische Quellensteuer
12.31
Ausländische Quellensteuer kann anfallen, wenn das Investmentvermögen Erträge aus ausländischen Quellen erzielt und der Quellenstaat diese Erträge besteuert (z.B. inländisches Investmentvermögen ist an einer US-Kapitalgesellschaft beteiligt und die US-Gesellschaft zahlt eine Dividende an das Investmentvermögen; § 4 Abs. 2 Satz 1 bis 4 InvStG; zur Anrechnung ausländischer Quellensteuer auf Ausschüttungen eines ausländischen Investmentfonds nach § 4 Abs. 2 Satz 5 und 6 InvStG, Rz. 12.48). Die festgesetzte, gezahlte und keinem Ermäßigungsanspruch mehr unterliegende ausländische Quellensteuer ist in den Grenzen des § 4 Abs. 2 InvStG auf die deutsche Steuer des Anlegers anrechenbar. Eine „Anrechnungssperre“ besteht, wenn die Steuer bereits auf Fondsebene als Werbungskosten berücksichtigt worden ist (§ 4 Abs. 4 Satz 2 InvStG; Rz. 12.22). (b) Anrechnungsvoraussetzungen und -methodik
12.32
Nach dem Gesetzeswortlaut ist eine unbeschränkte Steuerpflicht des Anlegers (§ 1 Abs. 1 bis 3 EStG; § 1 KStG) Voraussetzung für eine Steueranrechnung. In der Literatur wird zutreffend vertreten, dass auch bei (nur) beschränkter Steuerpflicht eine Anrechnungsmöglichkeit eröffnet sein muss.3 1 Kreft/Gottschling in Moritz/Jesch, § 4 InvStG Rz. 37. 2 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980-1/08/10019, BStBl. I 2009, 931, Tz. 76. 3 Nach Auffassung von Haase ergibt sich dies aus § 50 Abs. 3 EStG, wenn die Fondsanteile Gegenstand eines inländischen Betriebsvermögens sind; Haase in Haase, § 4 InvStG Rz. 147. Ramackers begründet eine Anwendung von § 4 Abs. 2 InvStG mit Hinweis auf das abkommensrechtliche Diskriminierungsverbot; Ramackers in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 4 InvStG Rz. 56. Nach einer weiteren Auffassung soll ein Verstoß gegen unions-
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Eine Anrechnung setzt weiterhin voraus, dass der ausländischen Quellensteuer Erträge aus einem ausländischen Staat zugrunde liegen. Erträge aus einem ausländischen Staat i.S.v. § 4 Abs. 2 Satz 1 InvStG sind solche, die nicht aus dem Inland stammen. Da das InvStG nicht auf § 34d EStG verweist, ist die Vorschrift nicht für Bestimmung der ausländischen Einkünfte heranziehbar.1 Der Betrag der ausländischen Erträge ist unter Zugrundelegung des deutschen Steuerrechts zu ermitteln. Bei einer ggf. erforderlichen Umrechnung des Quellensteuerbetrags in Euro sind die (täglich festgestellten) Euro-Referenzkurse der Europäischen Zentralbank oder die (monatlich veröffentlichten) Umsatzsteuerumrechnungskurse2 zugrunde zu legen.
12.33
Bei der ausländischen Quellensteuer muss es sich um eine Steuer handeln, die der deutschen Einkommen- oder Körperschaftsteuer entspricht, es muss eine sog. Gleichartigkeit vorliegen (§ 4 Abs. 2 Satz 1 InvStG). Dies ist der Fall, wenn die ausländische Quellensteuer bei „gedanklicher“ Direktanlage des Anlegers nach § 34c EStG, § 26 KStG oder einem DBA anrechenbar wäre.3
12.34
Die ausländische Quellensteuer ist (nur) auf die Einkommen- oder Körperschaftsteuer anrechenbar, die auf die (quellensteuerbelasteten) ausländischen Einkünfte entfällt. Der deutsche Steuerbetrag entspricht somit dem Betrag ausländischer Quellensteuer, der maximal anrechenbar ist (Höchstbetrag). Der anrechenbare Steuerhöchstbetrag ist wie folgt zu ermitteln (§ 4 Abs. 2 Satz 2 und 3 InvStG):
12.35
Steuer4 × ausländische Einkünfte Zu versteuerndes Einkommen
Dabei sind ausländische Erträge aus verschiedenen Staaten zusammenzufassen, eine Per-Country-Limitation findet somit keine Anwendung. Abzustellen ist jedoch jeweils auf das einzelne Investmentvermögen, es gilt somit eine Per-FundLimitation (§ 4 Abs. 2 Satz 4 InvStG). Eine Zusammenfassung mehrerer Investmentbeteiligungen eines Anlegers scheidet aus. Nicht bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens, der ausländischen Einkünfte und der Summe der Einkünfte zu berücksichtigen sind Einkünfte aus Kapitalvermögen, die der Abgeltungsteuer nach § 32d Abs. 1, Abs. 3 bis 6 EStG unterliegen (§ 4 Abs. 2 Satz 5 InvStG, § 34c Abs. 1 Satz 3 EStG). Dies gilt auch für die ausländischen Einkünfte, die im Ausland keiner Besteuerung unterlegen haben.5 Für den Fall, dass ausländische Einkünfte i.S.v. § 34d Nr. 3, 4, 6, 7 und 8 Buchst. c EStG zum Gewinn eines inländischen Betriebs gehören, sind bei der Er-
1 2 3 4
5
rechtliche Grundfreiheiten vorliegen; Kreft/Gottschling in Moritz/Jesch, § 4 InvStG Rz. 45; Stock/Oberhofer in Berger/Steck/Lübbehüsen, InvG/InvStG, § 4 InvStG Rz. 46. Kreft/Gottschling in Moritz/Jesch, § 4 InvStG Rz. 46. R 34c Abs. 1 EStR 2012. Siehe die Aufstellung in Anlage 6 der EStR 2012. Einkommensteuerpflichtige Anleger: Anwendung des durchschnittlichen Steuersatzes, der sich bei der Veranlagung des zu versteuernden Einkommens (einschließlich der ausländischen Einkünfte) nach §§ 32a, 32b, 34, 34a und 34b EStG ergibt, auf die ausländischen Einkünfte. Körperschaftsteuerpflichtiger Anleger: Körperschaftsteuer, die sich bei der Veranlagung des zu versteuernden Einkommens (einschließlich der ausländischen Einkünfte) ohne Anwendung der §§ 37, 38 KStG ergibt. Kreft/Gottschling in Moritz/Jesch, § 4 InvStG Rz. 56.
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mittlung der Höhe der Einkünfte Betriebsausgaben und Betriebsvermögensminderungen abzuziehen (§ 4 Abs. 2 Satz 5 InvStG, § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG). Die ausländische Quellensteuer, die nach der Höchstbetragsrechnung nicht anrechenbar ist, bleibt unberücksichtigt. 12.37
Wenn zwischen dem Quellenstaat und Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen besteht, findet § 34c Abs. 6 EStG Anwendung (§ 4 Abs. 2 Satz 5 InvStG; zu § 34c Abs. 6 EStG, Rz. 18.12). Weiterhin verweist das InvStG auf § 34c Abs. 7 EStG (§ 4 Abs. 2 Satz 5 InvStG), wonach bestehende Rechtsverordnungen zu „Steuerermäßigungs-Spezialthemen“1 Anwendung finden. (4) Abzug ausländischer Quellensteuer (a) Steuerabzug statt Steueranrechnung
12.38
Statt einer Anrechnung der ausländischen Quellensteuer auf die deutsche Steuer kann der Anleger einen Abzug der Quellensteuer bei der Einkünfteermittlung wählen (§ 4 Abs. 2 Satz 4 InvStG, § 34c Abs. 2 EStG). Der Abzug ist ausgeschlossen, soweit die Steuer auf im Inland steuerbefreite (ausländische) Einkünfte entfällt. Der Höhe nach ist der Abzug nicht begrenzt, d.h., ein Höchstbetrag ist nicht zu berücksichtigen.
12.39
Eine Ausübung des Wahlrechts des Anlegers zum Abzug der ausländischen Steuer setzt voraus, dass die Voraussetzungen für eine Steueranrechnung (Rz. 12.31) vorliegen. Ein Abzug ist (wie auch eine Steueranrechnung) ausgeschlossen, wenn die Steuer bereits auf Fondsebene als Werbungskosten berücksichtigt worden ist (Rz. 12.22). (b) Steuerabzug neben Steueranrechnung
12.40
Neben einer Anrechnung ausländischer Quellensteuer (Rz. 12.31) sind in folgenden Fallgruppen ausländische Steuern, die von einer Steueranrechnung ausgeschlossen sind, von Amts wegen bei der Einkünfteermittlung abzuziehen (§ 4 Abs. 2 Satz 4 InvStG, § 34c Abs. 3 EStG): – Ausländische Steuer entspricht nicht der deutschen Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer, – ausländische Steuer wird nicht vom Quellenstaat erhoben oder – ausländische Einkünfte liegen nicht vor. Auch insoweit kann nur die festgesetzte, gezahlte und um einen entstandenen Ermäßigungsanspruch gekürzte ausländische Steuer abgezogen werden, die auf Einkünfte entfällt, die der deutschen Einkommen- oder Körperschaftsteuer unterliegen.
1 Nach § 34c Abs. 7 EStG können durch Rechtsverordnung Vorschriften erlassen werden, über (1) die Anrechnung ausländischer Steuern, wenn die ausländischen Einkünfte aus mehreren fremden Staaten stammen, (2) den Nachweis über die Höhe der festgesetzten und gezahlten ausländischen Steuern und (3) die Berücksichtigung ausländischer Steuern, die nachträglich erhoben oder zurückgezahlt werden.
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b) Besteuerung im Ausland Die Erträge des Fonds aus ausländischen Quellen (z.B. Dividenden, Zinsen, Mieterträge) unterliegen in der Regel einer Besteuerung im Ausland. Die Besteuerung im Ausland richtet sich nach dem jeweiligen ausländischen nationalen und internationalen Steuerrecht (z.B. hat der Belegenheitsstaat nach einem DBA in der Regel das abkommensrechtliche Besteuerungsrecht an Mieterträgen des Fonds bzw. Anlegers aus einer in seinem Staatsgebiet gelegenen Immobilie, Art. 6 OECD-MA).
12.41
Wenn ausländische Erträge des Fonds vom ausländischen Staat mit einer Quellensteuer belastet werden können (z.B. Quellensteuer auf Dividenden und Zinsen), stellt sich die Frage, ob eine abkommensrechtliche Reduzierung des Quellensteuersatzes in Betracht kommt. Entscheidend hierfür ist, ob aus Sicht des ausländischen Staates der Fonds als abkommensberechtigte Person qualifiziert wird (Art. 4 Abs. 1 OECD-MA). Wenn dies nicht der Fall sein sollte, ist auf den Anleger abzustellen.
12.42
Die Frage, ob der Fonds (oder ggf. der Anleger) einen Erstattungsanspruch auf (ggf. anteilige) Erstattung der Quellensteuer gegen den ausländischen Fiskus hat, ist gleichfalls auf der Grundlage des ausländischen Steuerrechts zu beantworten. Wenn ein solcher Anspruch bestehen sollte, ist insoweit eine Steueranrechnung nach InvStG ausgeschlossen (Rz. 12.31).
12.43
2. Spezialfonds Im Unterschied zu einem Publikumsfonds (Rz. 12.17) ist der Abzug ausländischer Quellensteuer auf Fondsebene als Werbungskosten nach § 4 Abs. 4 InvStG ausgeschlossen. Die Besteuerung des Fonds im Ausland richtet sich nach dem jeweils im Ausland geltenden Steuerrecht.
12.44
III. Beteiligung eines Steuerinländers an einem ausländischen Fonds 1. Publikumsfonds a) Quellensteuer auf Erträge eines ausländischen Publikumsfonds Bei Beteiligung eines unbeschränkt steuerpflichtigen Anlegers an einem ausländischen Publikumsfonds, der (auch) über Vermögen im Sitzstaat des Fonds und/ oder in einem Drittstatt verfügt, liegt aus Sicht des inländischen Anlegers ein internationaler Sachverhalt vor. Ein ausländischer Investmentfonds ist ein Fonds, der dem Aufsichtsrecht eines anderen Mitgliedstaats der EU oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den EWR (§ 1 Abs. 1 Satz 4 InvStG) oder dem Recht eines Drittstaats (§ 1 Abs. 1 Satz 5 InvStG) unterliegt. Die Besteuerung des Fonds bzw. des Anlegers im Ausland richtet sich nach ausländischem Steuerrecht.
12.45
Für die investmentsteuerliche Behandlung der Erträge des Fonds bzw. die Vermeidung einer Doppelbesteuerung nach deutschem Steuerrecht gelten die unter Rz. 12.24 ff. dargestellten Grundsätze. Dabei sind Erträge aus einem ausländischen Staat i.S.v. § 4 Abs. 2 Satz 1 InvStG solche, die aus dem Sitzstaat des aus-
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ländischen Investmentvermögens oder einen Drittstaat stammen. Darüber hinaus gelten auch Erträge aus dem Inland als ausländische Erträge (§ 4 Abs. 2 Satz 7 InvStG). 12.47
Die Finanzverwaltung schränkt eine Anwendung der Freistellungsmethode ein. § 4 Abs. 1 InvStG soll danach nur anwendbar sein, wenn die Einkünfte im Quellenstaat einer Steuerbelastung von mindestens 15 % unterliegen.1 Diese Gesetzesauslegung ist abzulehnen, eine solche Rechtsauffassung ist aus dem Tatbestand von § 4 Abs. 1 InvStG nicht ableitbar.2 b) Quellensteuer auf Ausschüttungen und ausschüttungsgleiche Erträge des Fonds
12.48
Die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge eines ausländischen Investmentvermögens, die ein inländischer unbeschränkt steuerpflichtiger Anleger erzielt, sind bei diesem nach nationalem Recht Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG oder Betriebseinnahme. Die deutsche Finanzverwaltung behandelt die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge auch abkommensrechtlich als Dividenden (Art. 10 OECD-MA).3
12.49
Bei einer Ausschüttung des ausländischen Publikumsfonds an den inländischen Anleger behält der Fonds in der Regel Quellensteuer ein. Aus Sicht des inländischen Anlegers handelt es sich um ausländische Quellensteuer auf die ausgeschütteten Erträge des Fonds. Für die Anrechnung dieser ausländischen Quellensteuer gelten die Grundsätze, die auch für die Anrechnung der ausländischen Quellensteuer auf ausländische Einkünfte des Fonds gelten (§ 4 Abs. 2 Satz 5 i.V.m. Satz 1 bis 4 InvStG; Rz. 12.31). Dabei ist eine Anrechnung nur bis zu einem Höchstbetrag, der entsprechend § 4 Abs. 2 Satz 3 InvStG zu ermitteln ist (Rz. 12.35), zu berücksichtigen. Das Bestehen eines DBA zwischen Deutschland und dem Quellenstaat steht einer Steueranrechnung nicht entgegen, da § 4 Abs. 2 Satz 6 InvStG eine Anwendung von § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG (Rz. 18.12) ausschließt.
12.50
Denkbar ist, dass ein ausländischer Fonds (auch) eine ausländische Quellensteuer auf thesaurierte Erträge erhebt.4 In diesem Fall ist die Quellensteuer nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung gleichfalls anrechenbar, obwohl § 4 Abs. 2 Satz 5 InvStG nur auf „ausgeschüttete Erträge“ verweist.5 c) Kapitalertragsteuerabzug bei Erträgen aus dem Inland
12.51
Die Erträge, die der ausländische Fonds aus dem Inland erzielt, unterliegen nach „normalen Grundsätzen“ einem Kapitalertragsteuerabzug im Inland (z.B. Kapi1 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980-1/08/10019, BStBl. I 2009, 931, Tz. 75. 2 Stock/Oberhofer in Berger/Steck/Lübbehüsen, § 4 InvStG Rz. 14. 3 Brill/Reislhuber in Haase, § 2 InvStG Rz. 7; Lübbehüsen in Berger/Steck/Lübbehüsen, Vor § 1 ff. InvStG Rz. 93. 4 Kreft/Gottschling in Moritz/Jesch, § 4 InvStG Rz. 66; Ramackers in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 4 InvStG Rz. 48; Stock/Oberhofer in Berger/Steck/Lübbehüsen, InvG/InvStG, § 4 InvStG Rz. 79. 5 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980-1/08/10019, BStBl. I 2009, 931, Tz. 77c.
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C. Investmentsteuergesetz 2004
talgesellschaft im Inland schüttet Dividende an ausländischen Fonds aus; Rz. 6.21). Der Schuldner der Vergütung oder die auszahlende Stelle haben Kapitalertragsteuer einzubehalten und an das zuständige Finanzamt abzuführen (§ 43 ff. EStG). Bei der Höhe des Steuerabzugs kann ein DBA zu beachten sein, wenn der Fonds abkommensberechtigt ist.1 Der ausländische Fonds hat keinen investmentsteuerlichen Anspruch auf Erstattung der deutschen Kapitalertragsteuer nach § 11 InvStG. Dieses Fondsprivileg findet keine Anwendung auf ein ausländisches Investmentvermögen.
12.52
2. Spezialfonds Wie bei einem inländischen Spezialfonds (Rz. 12.44) gilt auch für einen ausländischen Spezialfonds, dass der Abzug ausländischer Quellensteuer auf Fondsebene als Werbungskosten nach § 4 Abs. 4 InvStG ausgeschlossen ist (§ 16 Satz 1 InvStG).
12.53
Anders als bei einem inländischen Immobilien-Spezialfonds (Rz. 12.59) erfolgt für einen (beschränkt steuerpflichtige) Anleger an einem ausländischen Spezialfonds keine Gleichstellung mit einem Immobilien-Direktanleger. Die Mieterträge und Veräußerungsgewinne aus inländischen Immobilien sind vom Fonds nicht besonders auszuweisen. Eine „Umqualifizierung“ der Erträge in Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG) erfolgt nicht (Rz. 12.59), ein besonderer Kapitalertragsteuerabzug (Rz. 12.60) findet nicht statt.
12.54
IV. Beteiligung eines Steuerausländers an einem inländischen Fonds 1. Publikumsfonds a) Ausschüttung des inländischen Fonds an ausländische Anleger Ein internationaler Sachverhalt liegt aus deutscher Investmentsteuersicht vor, wenn ein beschränkt steuerpflichtiger Anleger an einem inländischen Fonds beteiligt ist. Ein ausländischer (Privat-)Anleger ist mit seinen Ausschüttungen aus dem inländischen Investmentvermögen beschränkt steuerpflichtig, soweit die Ausschüttungen aus Inlandsdividenden oder bestimmten Erträgen aus inländischen Grundstücksgeschäften bestehen (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b Doppelbuchst. aa EStG). Keine beschränkte Steuerpflicht besteht, soweit die Ausschüttungen aus anderen Erträgen resultieren (z.B. Auslandsdividenden).
12.55
Für Abkommenszwecke handelt es sich bei ausgeschütteten Erträgen des Fonds um Dividenden (Art. 10 OECD-MA).2 Dabei gilt dies nach dem entsprechenden Abkommen jedoch häufig nur für die Besteuerung in der Bundesrepublik Deutschland.3 Die (deutsche) Kapitalertragsteuer (§ 7 Abs. 3 InvStG) ist in diesem Fall nach dem Abkommen zu ermäßigen, der Steuerabzug hat abgeltende
12.56
1 Neumann in Moritz/Jesch, § 7 InvStG Rz. 49 und Rz. 247; Patzner/Wiese in Haase, § 7 InvStG Rz. 112. 2 Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 32 3 Tischbirek in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 230 (Abkommensübersicht, Rz. 204).
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Wirkung (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG). Nach Auffassung der Finanzverwaltung erfasst die abkommensrechtliche Einordnung auch ausschüttungsgleiche Erträge, wenn es sich bei dem Fonds um einen Aktienfonds handelt.1 12.57
Eine beschränkte Steuerpflicht ergibt sich auch, wenn ein ausländischer Anleger die Erträge aus einem Fonds im Rahmen eines Tafelgeschäfts erzielt (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b Doppelbuchst. bb EStG). Erfasst sind insoweit Erträge i.S.d. § 7 Abs. 1 (bestimmte ausgeschüttete Erträge i.S.d. § 2 Abs. 1 InvStG) und Abs. 4 (ausschüttungsgleiche Erträge) InvStG.2 Sind die Fondsanteile einer inländischen Betriebsstätte des Anlegers zuzurechnen, liegen inländische Betriebsstätteneinkünfte vor (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). b) Ausländische Erträge des inländischen Fonds
12.58
Die Einkünfte des inländischen Fonds aus einem anderen Staat können nach dem Recht des Quellenstaates mit ausländischer Quellensteuer belastet sein. Die ausländische Quellensteuer kann grundsätzlich auf die deutsche Steuer eines inländischen Anlegers angerechnet werden (Rz. 12.31) oder bei der Einkünfteermittlung abgezogen werden (Rz. 12.38). Die Möglichkeit scheidet für einen ausländischen Anleger aus, da dieser nicht unbeschränkt steuerpflichtig ist. Dieser „Anrechnungsausschluss“ ist nach zutreffender Auffassung im Schrifttum ein Verstoß gegen den abkommensrechtlichen Diskriminierungsgrundsatz und/oder Gemeinschaftsrecht.3 2. Spezialfonds
12.59
Ein beschränkt steuerpflichtiger Anleger4 eines Immobilien-Spezialfonds ist hinsichtlich der ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge einem Immobilien-Direktanleger gleichgestellt. Erträge aus Vermietung und Verpachtung von inländischen Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten und Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften mit inländischen Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten sind in der Feststellungserklärung des Fonds gesondert auszuweisen. Die Erträge gelten beim beschränkt steuerpflichtigen Anleger nicht als Kapitaleinkünfte, sondern – soweit Mieterträge – als inländische Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG) oder – soweit Veräußerungsgewinne – als Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG) bzw. als sonstige Einkünfte (§ 49 Abs. 1 Nr. 8 EStG; keine Steuerbarkeit nach Ablauf der Zehnjahresfrist). Diese (Um-)Qualifikation gilt auch für die Anwendung eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, d.h., es finden nicht der Dividendenartikel (Art. 10 OECD-MA), sondern die Artikel über unbewegliches Vermögen (Art. 6, Art. 13 Abs. 1 OECD-MA) Anwendung. Insoweit hat Deutschland ein (uneingeschränktes) internationales Besteuerungsrecht. 1 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980-1/08/10019, BStBl. I 2009, 931, Tz. 161. 2 Teilausschüttungen von Erträgen nach § 7 Abs. 1 oder Abs. 4 InvStG sind gleichfalls erfasst (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b Doppelbuchst. bb EStG i.V.m. § 7 Abs. 2 InvStG). 3 Ramackers in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 4 InvStG, Rz. 56. 4 Ausgenommen sind beschränkt Steuerpflichtige i.S.d. § 2 Nr. 2 KStG; BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980-1/08/10019, BStBl. I 2009, 931, Tz. 255.
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D. Investmentsteuergesetz 2018
Der Fonds hat von den ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträgen Kapitalertragsteuer (25 %) einzubehalten. Dies gilt auch, wenn die Anteile Gegenstand eines inländischen Betriebsvermögens sind. Eine Ausnahme vom Steuerabzug nach § 43 Abs. 2 Satz 3 ff. EStG ist ausgeschlossen (u.a. keine Ausnahme, wenn Erträge Betriebseinnahmen eines inländischen Betriebs sind und der Gläubiger der Kapitalerträge dies gegenüber der auszahlenden Stelle erklärt). Die Steuer hat keine abgeltende Wirkung, die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge sind bei der Veranlagung des beschränkt Steuerpflichtigen nach „normalen Grundsätzen“ zu berücksichtigen.1
12.60
D. Investmentsteuergesetz 2018 I. Überblick 1. Publikumsfonds Durch das Gesetz zur Reform der Investmentbesteuerung vom 19. Juli 2016 („InvStG 2018“) hat der Gesetzgeber das System der Besteuerung von Publikumsfonds und deren Anleger mit Wirkung zum 1. Januar 2018 gänzlich neu geregelt. Ein2 wesentlicher „Treiber“ der Neuregelung waren international-investmentsteuerliche EU-Risiken, die dem bestehenden Gesetz anhaften. Der EuGH sieht einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit, wenn – wie nach bestehendem deutschen Gesetz – ein inländischer Fonds eine Dividende kapitalertragsteuerfrei beziehen kann (Rz. 12.52), die Dividendenzahlung an einen ausländischen Fonds dagegen mit Kapitalertragsteuer belastet ist.3
12.61
Nach dem InvStG 2018 ändert sich nichts an den möglichen Erträgen eines Investmentfonds. Dieser erzielt in der Praxis typischerweise Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 2 Abs. 1 Nr. 5, § 20 EStG), Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 2 Abs. 1 Nr. 6, § 21 EStG) und/oder Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 1 Nr. 2, § 15 EStG). Die möglichen Erträge sind nunmehr in einem abschließenden Katalog in § 6 Abs. 2 bis 5 InvStG 2018 geregelt.4 Eine Besteuerung erfolgt nach dem InvStG 2018 auf Fondsebene und auf Anlegerebene nach dem Trennungsprinzip, die Besteuerung ist vergleichbar mit der Besteuerung einer Kapitalgesellschaft (Publikumsfonds-Ebene) und deren Gesellschafter (Anleger-Ebene). Das bestehende System wird somit durch ein intransparentes Besteuerungssystem ersetzt. Dabei ist Ziel des neuen Besteuerungssystems, die Beteiligung eines
12.62
1 BMF v. 18.8.2009 – IV C 1 - S 1980-1/08/10019, BStBl. I 2009, 931, Tz. 261. 2 Ein weiteres wesentliches Motiv für die Reform der Investmentbesteuerung war das Ziel, eine Nutzung des Gesetzes für eine „aggressive Steuerplanung“ auszuschließen. In der Begründung zum Gesetzentwurf wird auf Cum-Ex-Gestaltungen und Wertpapierleihtransaktionen hingewiesen, deren struktureller Bestandteil jeweils ein Investmentfonds sein kann; BT-Drucks. 18/8045, 49 ff. 3 EuGH v. 10.5.2012 – Rs. C-338/11, C-339/11 bis C-347/11 – Santander Asset Management SGIIC u.a., ECLI:EU:C:2012:286 = HFR 2012, 808. 4 In § 6 InvStG 2018 sind die Einkünfte behandelt. Nach § 6 Abs. 2 InvStG 2018 unterliegen Investmentfonds mit ihren inländischen Beteiligungseinnahmen, inländischen Immobilienerträgen und sonstigen inländischen Einkünften der Körperschaftsteuer.
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Kap. 12 Internationales Investmentsteuerrecht
Anlegers an einem inländischen und ausländischen Fonds „steuerbelastungstechnisch“ gleich zu stellen. 12.63
Die Einkünfte des Fonds werden weiterhin als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten ermittelt (§ 6 Abs. 7 InvStG 2018). Dabei sind jedoch nur die Werbungskosten zu berücksichtigen, die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit Einnahmen stehen.
12.64
Die inländischen Erträge des in- oder ausländischen Fonds unterliegen auf Fondsebene einer Besteuerung mit Körperschaftsteuer (§ 6 Abs. 2 InvStG 2018). Ausgenommen sind inländische Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG. Durch diese Ausnahme soll eine Besserstellung ausländischer Fonds vermieden werden, deren Gewinne aus der Veräußerung einer Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft regelmäßig von Deutschland nach Abkommensrecht nicht besteuert werden dürfen (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). Eine Anwendung von § 8b KStG auf Fondsebene ist ausgeschlossen (§ 6 Abs. 6 InvStG 2018).1
12.65
Der Steuersatz beträgt 15 % (einschließlich Solidaritätszuschlag). Die Höhe des Steuersatzes ist an den „typischen“ Quellensteuersatz für Beteiligungserträge angelehnt, dadurch soll eine Wettbewerbsneutralität zwischen inländischen und ausländischen Fonds erreicht werden. Da einige deutsche Abkommen einen Quellensteuersatz von unter 15 % für inländische Beteiligungserträge vorsehen, kann sich dennoch ein Belastungsvorteil für ausländische Fonds ergeben.2 Die Erträge, die ein Fonds erzielt und die einem Steuerabzug unterliegen (z.B. Dividende), werden „fondseingangsseitig“ mit einer (abgeltenden) Kapitalertragsteuer in Höhe von 15 % belastet (§ 7 Abs. 1, Abs. 2 InvStG 2018). Sofern auch Solidaritätszuschlag zu erheben ist, beträgt der Gesamtabzug 15 %, sodass sich die Kapitalertragsteuer auf 14,218 % reduziert und der Solidaritätszuschlag 0,782 % des Kapitalertrags beträgt.3 Voraussetzung hierfür ist, dass der Fonds dem Steuerentrichtungsverpflichteten eine Statusbescheinigung vorlegt, die den Fonds als solchen identifiziert (§ 7 Abs. 3, Abs. 4 InvStG 2018). Unterliegen die Einkünfte dem Kapitalertragsteuerabzug, so sind der Ansatz von Werbungskosten sowie eine Verlustverrechnung ausgeschlossen.4 Die Folge ist, dass (insbesondere) bei inländischen Beteiligungseinnahmen die Bruttoeinnahmen besteuert werden, sodass im Vergleich zum geltenden Recht eine höhere steuerliche Bemessungsgrundlage besteht.5
12.66
In Ausnahme zu dieser intransparenten Besteuerung besteht zukünftig die Möglichkeit auf Antrag eine quotale oder vollständige Befreiung von der Körperschaftsteuer zu erhalten. Ein solcher Antrag setzt voraus, dass die Anteile des Investmentfonds von Anlegern gehalten werden, die steuerbegünstigt6
1 2 3 4 5 6
§ 6 Abs. 6 InvStG 2018. Übersicht bei Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 67. Faller/Wolf/Brielmaier, DB 2016, 488, 490. § 6 Abs. 7 Satz 2 InvStG 2018; Stadler/Mager, DStR 2016, 700. Faller/Wolf/Brielmaier, DB 2016, 489. Steuerbegünstigt sind gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Anleger sowie Anleger, die Anteile im Rahmen von zertifizierten Altersvorsorge- oder Basisrentenverträge halten; hierzu auch Jetter/Mager, SteuK 2016, 25.
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D. Investmentsteuergesetz 2018
sind.1 Besteht dementsprechend aufgrund der Anlegerstruktur auf Ebene des Publikums-Investmentfonds eine vollständige Steuerbefreiung, so gilt diese Steuerfreiheit im Hinblick auf dessen in- sowie ausländischen Anleger.2 Im Grundsatz unterliegt ein Publikumsfonds als fingiertes Gewerbesteuersubjekt grundsätzlich auch der Gewerbesteuer.3 Der „typische“ Publikumsfonds dürfte jedoch regelmäßig die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung erfüllen (objektiver Geschäftszweck muss auf die Verwaltung sowie Anlage der Mittel für gemeinschaftliche Rechnung der Anleger beschränkt sein4 und die Vermögensgegenstände dürfen nicht in wesentlichem Umfang aktiv unternehmerisch bewirtschaftet werden5).
12.67
Die Einkünfte sind als Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten, die in einem wirtschaftlichen Zusammenhang zu den Einnahmen stehen, zu ermitteln.6 Bei Einkünften, die einem Steuerabzug unterliegen, sind der Ansatz der Werbungskosten sowie eine Verrechnung mit negativen Einkünften ausgeschlossen. Stehen Werbungskosten zu mehreren Einkunftsarten in einem wirtschaftlichen Zusammenhang, so ist auf Grundlage der Gesetzesbegründung der engere Zusammenhang wirtschaftlich vorrangig.7
12.68
Eine Verlustverrechnung ist bei Einkünften, die keinem Steuerabzug unterliegen, zulässig.8 Dies ermöglicht beispielsweise die Verrechnung von Verlusten aus einer Immobilienanlage mit positiven Einkünften aus einer anderen Immobilienanlage. Nicht ausgeglichene negative Einkünfte sind in den folgenden Veranlagungszeiträumen abzuziehen.9 § 10d Abs. 4 EStG ist sinngemäß anzuwenden.10
12.69
1 § 8 Abs. 1 InvStG 2018; auch ein Immobilienfonds kann auf Antrag gem. § 8 Abs. 2 InvStG 2018 steuerbefreit werden, soweit Anteile von steuerbegünstigten Anlegern (d.h. inländische juristische Personen des öffentlichen Rechts (Alt. 1) sowie von der Körperschaftsteuer befreite inländische Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen, soweit sie nicht unter die Alt. 1 fallen, oder vergleichbare ausländische Körperschaften, Personenvereinigungen oder Vermögensmassen mit Sitz und Geschäftsleitung in einem Amts- und Beitreibungshilfe leistenden ausländischen Staat); vgl. hierzu auch: Stadler/Mager, DStR 2016, 700). Bei inländischen Immobilienerträgen wird durch § 8 Abs. 2 Nr. 2 InvStG 2018 der Kreis der potentiellen Begünstigten erweitert; vgl. hierzu: Kammeter, ISR 2016, 103. 2 Kammeter, ISR 2016, 103; von Schweinitz/Thiems, DStR 2016, 1200 f. Für die Vergleichbarkeit des ausländischen Anlegers mit dem inländischen Anleger sind die materiell-rechtlichen Anforderungen des § 9 Abs. 1 Nr. 2 InvStG 2018 zu erfüllen. Im Übrigen sind nach § 10 Abs. 1 und 2 InvStG 2018 Investmentfonds oder Anteilklassen steuerbefreit, wenn sich nach den Anlagebedingungen nur steuerbegünstigte Anleger nach § 8 Abs. 1 InvStG 2018 beteiligen dürfen. In diesem Fall bedarf es demnach keines Antrags. 3 § 15 Abs. 1 InvStG 2018, hierzu im Regierungsentwurf BT-Drucks. 18/8045, 83 ff. 4 § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 InvStG 2018. 5 § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 InvStG 2018; vgl. hierzu: Dyckmans, Ubg 2016, 2; Höring, DStZ 2016, 385; Stadler/Mager, DStR 2016, 699. 6 § 6 Abs. 7 InvStG 2018. 7 Regierungsentwurf, BT-Drucks. 18/8045, 75. 8 Regierungsentwurf, BT-Drucks. 18/8045, 75. 9 § 6 Abs. 8 Satz 1 InvStG 2018. 10 § 6 Abs. 8 Satz 2 InvStG 2018.
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Kap. 12 Internationales Investmentsteuerrecht
12.70
Auf Anlegerebene erfolgt eine Besteuerung der ausgeschütteten Erträge und der Veräußerungs- bzw. Rückgabegewinne mit dem Abgeltungssteuersatz (Fondsanteile sind Privatvermögen) oder als Betriebseinnahme (Fondsanteile sind Betriebsvermögen). Dabei erfolgt eine Besteuerung auch bei Thesaurierung der Fondserträge auf der Grundlage einer „Vorabpauschale“, deren Höhe unter Zugrundelegung des Basiszinssatzes (§ 18 Abs. 4 InvStG 2018) ermittelt wird. Die Vorabpauschale ersetzt das Instrument der ausschüttungsgleichen Erträge (Rz. 12.13).
12.71
Die ausländische Quellensteuer, die bei Vereinnahmung von Auslandserträgen des Fonds möglicherweise anfällt, ist nicht auf die Steuer des Anlegers anrechenbar. Um eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung (Besteuerung auf Fondsebene, Besteuerung auf Anlegerebene [ohne Anrechnung ausländischer Steuer]) zu vermeiden, sind die Erträge des Anlegers aus seiner Fondsbeteiligung anteilig steuerfrei (Teilfreistellung). Die Höhe der Teilfreistellung auf Anlegerebene hängt von der Zusammensetzung des Fondsvermögens ab (Aktienfonds: Teilfreistellung 30 %1; Immobilienfonds: 60 % oder 80 %2). 2. Spezialfonds
12.72
Die Besteuerung von Spezialfonds und deren Anlegern bleibt grundsätzlich unverändert (Rz. 12.16). Im Grundsatz unterliegen die inländischen Erträge zwar auch bei einem Spezialfonds auf Fondsebene der Besteuerung mit Körperschaftsteuer. Eine semi-transparente Besteuerung der Fondserträge bleibt jedoch möglich (Transparenzoption). Bei Ausübung der Transparenzoption entfällt die Steuerpflicht auf Ebene des Spezialfonds. In diesem Fall greift kein Kapitalertragssteuerabzug ein. Die inländischen Beteiligungseinnahmen i.S.d. § 6 Abs. 3 InvStG 2018 sowie die sonstigen inländischen Einkünfte nach § 6 Abs. 5 InvStG 2018 sind auf Ebene des Spezial-Investmentfonds steuerbefreit.3 Die Erträge werden den Anlegern direkt zugerechnet. Die Anleger gelten in diesem Fall als Gläubiger der inländischen Beteiligungseinnahmen und als Schuldner der Kapitalertragsteuer.4
1 Privater Anleger. 2 Investitionsschwerpunkt des Fonds sind im Ausland gelegene Immobilien. 3 Die Körperschaftsteuerpflicht für die inländischen Beteiligungseinnahmen eines SpezialInvestmentfonds entfällt, wenn der Spezial-Investmentfonds gegenüber dem Entrichtungspflichtigen unwiderruflich erklärt, dass den Anlegern des Spezial-Investmentfonds Steuerbescheinigungen gem. § 45a Abs. 2 EStG ausgestellt werden sollen, vgl. weiterführend im Hinblick auf Beteiligungsertragsbefreiungen Kempf/Hirtz, DStR 2016, 5; Stadler/ Mager, DStR 2016, 702. 4 Zurückzuführen ist die Einführung der Transparenzoption auf die unionsrechtlichen Bedenken gegenüber der Regelungen der Kapitalertragsteuerpflicht von ausländischen Investmentfonds. Im Hinblick auf das französische Steuerrecht vgl. EuGH v. 10.5.2012 – Rs. C-338/11 und C-339/11 bis 347/11 – Santander Asset Management SGIIC u.a., ECLI:EU:C:2012:286 = HFR 2012, 808, sowie zum polnischen Steuerrecht EuGH v. 10.4.2014 – Rs. C-190/12 – Emerging Markets Series of DFA Investment Trust Company, ECLI:EU:C:2014:249 = ZIP 2014, 1579.
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D. Investmentsteuergesetz 2018
II. Publikumsfonds 1. Fondsebene a) Erträge aus ausländischen Quellen Ein internationaler Sachverhalt liegt vor, wenn ein unbeschränkt steuerpflichtiger Anleger an einem inländischen Publikumsfonds beteiligt ist, der (auch) Erträge aus ausländischen Quellen erzielt (z.B. Dividende aus einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft mit Sitz im Ausland; Mieteinnahmen aus einer im Ausland gelegenen Immobilie). Da es sich nicht um inländische Beteiligungserträge (§ 6 Abs. 3 InvStG 2018), inländische Immobilienerträge (§ 6 Abs. 4 InvStG 2018) oder sonstige inländische Einkünfte i.S.d. § 49 Abs. 1 EStG (§ 6 Abs. 2, Abs. 5 InvStG 2018) handelt, besteht auf Fondsebene insoweit keine inländische Steuerpflicht. Dies bedeutet gleichwohl nicht, dass die ausländischen Erträge vom Fonds ohne Steuerbelastung vereinnahmt werden können.
12.73
Die Erträge aus ausländischen Quellen können einer Besteuerung im Ausland unterliegen (z.B. ausländische Quellensteuer auf Auslandsdividenden; Besteuerung der Mieterträge aus im Ausland gelegenen Immobilien nach ausländischem Steuerrecht).
12.74
b) Anspruch auf Quellensteuererstattung Die Voraussetzungen für einen (Quellensteuer-)Erstattungsanspruch des Fonds gegen den ausländischen Staat richten sich nach ausländischem Recht. Dabei ist auf den Fonds als abkommensberechtigte Person abzustellen.
12.75
Eine Anrechnung ausländischer Quellensteuer scheidet auf Fondsebene mangels deutscher Besteuerung aus. Eine Steueranrechnung auf Anlegerebene scheidet aufgrund des Trennungsprinzips gleichfalls aus.
12.76
2. Anlegerebene a) Inländischer Anleger aa) Besteuerung nach nationalem Recht Die ausgeschütteten Auslandserträge des Fonds werden auf Anlegerebene (wie auch die ausgeschütteten Inlandserträge) besteuert (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG 2018). Im Fall einer Thesaurierung auf Fondsebene ist Gegenstand der Besteuerung die Vorabpauschale. Dabei ist der Betrag der ausgeschütteten Erträge bzw. der Vorabpauschale anteilig von einer Besteuerung freigestellt (Teilfreistellung). Im Vergleich zu Direktanlagen soll für den Anleger eine wirtschaftlich transparente Situation geschaffen werden. Die Höhe der Teilfreistellung ist abhängig von der Art des Rechtssubjektes auf Anlegerseite, d.h. ob eine natürliche Person oder ein Körperschaftssubjekt beteiligt ist, der Tatsache, ob die Anteile im Privat- oder Betriebsvermögen1 gehalten werden sowie von der Art des Investmentfonds.2 1 § 21 InvStG 2018. 2 § 20 InvStG 2018; zu den Ausführungen im Referentenentwurf Jetter/Mager, SteuK 2016, 27. Ändert sich der anwendbare Teilfreistellungssatz oder fallen die Voraussetzungen der
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Kap. 12 Internationales Investmentsteuerrecht Anlage
Fonds
Teilfreistellungssatz
mind. 51 % in Aktien
Aktienfonds
30 % (Privatanleger) 60 % (betrieblicher Anleger, § 3 Nr. 40 EStG) 80 % (betrieblicher Anleger, § 8b KStG)
mind. 25 % in Aktien höchstens 51 % in Aktien
Mischfonds
15 % (Privatanleger) 30 % (betrieblicher Anleger, § 3 Nr. 40 EStG) 40 % (betrieblicher Anleger, § 8b KStG)
mind. 51 % in Immobilien
Immobilienfonds
60 % (für alle Anlegergruppen)
mind. 51 % in ausl. Immobilien
Auslandsimmobilienfonds
80 % (für alle Anlegergruppen)
Sind die ausgeschütteten Erträge Gegenstand eines inländischen Gewerbebetriebs, erhöhen sie den Gewerbeertrag. Die Teilfreistellungen sind dabei jeweils nur in Höhe der Hälfte zu berücksichtigen.1 bb) Besteuerung nach Abkommensrecht 12.78
Im Fall der Ausschüttung eines ausländischen Fonds an einen Steuerinländer kann ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung anwendbar sein (Art. 10 Art. 10 OECD-MA). Fraglich ist, ob dies auch für die Vorabpauschale gilt.2 Zumindest aus systematischen Gründen wäre dies u.E. geboten, da die Vorabpauschale die Ertragsausschüttung als Bemessungsrundlage für eine Besteuerung auf Anlegerebene ersetzt (zur abkommensrechtlichen Behandlung der ausschüttungsgleichen Erträge i.S.d. InvStG Rz. 12.48).
12.79
Wenn eine deutsche Kapitalgesellschaft an einem ausländischen Fonds (in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft) beteiligt ist, kann abkommensrechtlich eine Schachtelbeteiligung vorliegen. Folge ist, dass die ausgeschütteten Erträge des ausländischen Fonds von der deutschen Bemessungsgrundlage auszunehmen wären. Nach einem Treaty Override des InvStG 2018 ist das abkommensrechtliche Schachtelprivileg nur anwendbar, wenn der ausländische Investmentfonds in dem Staat, dem abkommensrechtlich das Besteuerungsrecht zusteht, einer allgemeinen Ertragsbesteuerung von mindestens 10 % unterliegt und die Ausschüttung zu mehr als 50 % auf nicht steuerbefreiten Einkünfte den Fonds beruht (§ 16 Abs. 4 InvStG 2018). Durch diese Regelung soll die Entstehung weißer Einkünfte vermieden werden, einer Nutzung des InvStG 2018 zur Umsetzung von „SteuerTeilfreistellung weg, so gilt der Investmentanteil als veräußert und an dem Folgetag als angeschafft (§ 22 Abs. 1 InvStG 2018). Der etwaige Veräußerungsgewinn aus dieser fiktiven Veräußerung gilt in dem Zeitpunkt als zugeflossen, in dem der Investmentanteil tatsächlich veräußert wird (§ 22 Abs. 3 InvStG 2018). Es gibt vielfältige Gründe, die zu einem solchen Realisationsvorgang führen können. Zu nennen sind bspw., dass sich der tatsächliche Anlageschwerpunkt ändert oder der Anleger nachweist, dass der Investmentfonds die Anlagegrenzen während des Geschäftsjahrs tatsächlich durchgehend überschritten hat (§ 20 Abs. 4 InvStG 2018). 1 § 20 Abs. 5 InvStG 2018. Dies beruht auf der grundsätzlich fehlenden Gewerbesteuerbelastung auf Ebene des Investmentfonds. 2 Kammeter, ISR 2016, 104.
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von Freeden
D. Investmentsteuergesetz 2018
sparmodellen“ soll durch Nichtgewährung des Schachtelprivilegs entgegengewirkt werden. b) Ausländischer Anleger Die Fondserträge, die ein ausländischer Anleger aufgrund seiner Beteiligung am inländischen Fonds erzielt, unterliegen nicht der beschränkten Steuerpflicht. Die bisherige Regelung, wonach ein Teil der Investmenterträge (z.B. inländische Dividenden und Immobilienerträge) der beschränkten Steuerpflicht unterliegt (§ 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b EStG), wird mit Wirkung ab dem Jahr 2018 gestrichen. Nach dem InvStG 2018 werden die inländischen Erträge bereits auf Fondsebene besteuert (Rz. 12.64), so dass kein Grund mehr besteht, die Ausschüttungen eines Publikumsfonds auf der Ebene der Anleger der beschränkten Steuerpflicht zu unterwerfen.
12.80
III. Spezialfonds 1. Besteuerung nach Trennungsprinzip Im Grundsatz entspricht die Besteuerung eines Spezialfonds der Besteuerung eines Publikumsfonds (§ 29 Abs. 1 i.V.m. §§ 6, 7 InvStG 2018; Rz. 12.72). Allerdings sind Spezialfonds stets von der Gewerbesteuer befreit (§ 29 Abs. 4 InvStG 2018). Eine Besteuerung von Spezialfonds nach dem Trennungsprinzip dürfte in der Besteuerungspraxis allerdings der Ausnahmefall sein, in der Regel dürfte die Transparenzoption ausgeübt werden (Rz. 12.72).
12.81
2. Besteuerung nach Transparenzoption a) Fondsebene Bei Ausübung der Transparenzoption bleibt es auch nach dem InvStG 2018 bei einer semi-transparenten Besteuerung (§ 30 Abs. 1 InvStG 2018; Rz. 12.72). In diesem Fall entfällt die Körperschaftsteuerpflicht (Steuersatz 15 %) auf Ebene des Fonds, „fondseingangsseitig“ ist von Beteiligungseinnahmen mit Steuerabzug keine Kapitalertragsteuer einzubehalten. Voraussetzung für eine Ausübung dieser Option ist, dass der Fonds gegenüber dem Kapitalertragsteuer-Entrichtungsverpflichteten (z.B. Kapitalgesellschaft, die eine Dividende ausschüttet) unwiderruflich erklärt, dass eine Steuerbescheinigung zu Gunsten der in- und/ oder ausländischen Anleger des Fonds ausgestellt werden soll. In diesem Fall gelten die Anleger als Gläubiger der inländischen Einnahmen und als Schuldner der Kapitalertragsteuer (§ 30 Abs. 1 InvStG 2018).
12.82
Die Einnahmen des Fonds, die keinem Steuerabzug unterliegen (z.B. Immobilienerträge), sind auf Fondsebene nicht steuerpflichtig, wenn der Fonds auf die an inoder ausländische Anleger ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge, denen diese Einnahmen zugrunde liegen, Kapitalertragsteuer in Höhe von 15 % zzgl. SolZ erhebt und abführt sowie entsprechende Steuerbescheinigungen ausstellt (§ 33 Abs. 1, Abs. 3 InvStG 2018).
12.83
Die inländischen Immobilienerträge des Spezialfonds gelten bei beschränkt steuerpflichtigen Anlegern als unmittelbar bezogene Einkünfte nach § 49 Abs. 1
12.84
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Kap. 12 Internationales Investmentsteuerrecht
Nr. 2 Buchst. f, Nr. 6 oder Nr. 8 EStG (§ 33 Abs. 2 InvStG 2018). Diese Regelung gilt auch für eine Abkommensanwendung, sodass insoweit der ausländische Anleger einem Direktanleger gleichgestellt wird (vgl. zum geltenden Recht Rz. 12.59). Die Kapitalertragsteuer hat insoweit keine abgeltende Wirkung. 12.85
Der Fonds ist verpflichtet „fondsausgangsseitig“ Kapitalertragsteuer in Höhe von 15 % zzgl. Solidaritätszuschlag auf ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge einzubehalten (§ 50 InvStG 2018). Dabei sind anrechenbare ausländische Steuern zu berücksichtigen (§ 47 InvStG 2018). Keine Kapitalertragsteuer ist einzubehalten auf Erträge, die der Anleger nach aufgrund eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung oder nach § 3 Nr. 41a EStG steuerfrei vereinnahmen kann. b) Anlegerebene aa) Beteiligung an inländischem Spezialfonds
12.86
Ein Anleger kann aus seiner Beteiligung am Spezialfonds ausgeschüttete und ausschüttungsgleiche Erträge sowie Veräußerungsgewinne erzielen. Ein internationaler Sachverhalt liegt vor, wenn ein Steuerinländer am Fonds beteiligt ist und der Fonds Erträge aus ausländischen Quellen bezieht, die im Ausland einer Besteuerung (ausländische Quellensteuer) unterliegen. Auf Anlegerebene sind die ausgeschütteten und ausschüttungsgleichen Erträge des Fonds bei Veranlagung des Anlegers von der Bemessungsrundlage auszunehmen, soweit ihnen ausländische Einkünfte zugrunde liegen, für die Deutschland abkommensrechtlich kein Besteuerungsrecht hat (§ 43 Abs. 1 Satz 1 InvStG 2018; vgl. zum bestehenden Recht Rz. 12.44).
12.87
Dies gilt jedoch nicht für Dividenden und andere Gewinnausschüttungen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG und für Investmenterträge i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG 2018 (§ 43 Abs. 1 Satz 2 InvStG 2018). Durch diese Ausnahme soll verhindert werden, dass ein Anleger (z.B. GmbH) durch Zwischenschaltung eines Spezialfonds und einer ausländischen Kapitalgesellschaft (mit Schachtelbeteiligung in einem „Niedrigsteuerstaat“) steuerpflichtige Erträge (z.B. Zinsen) in steuerfreie Dividenden umwandelt.
12.88
Es bleibt jedoch bei der „abkommensrechtlichen Transparenz“ des Spezialfonds, wenn die Dividende oder andere Gewinnausschüttung i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG von einer Gesellschaft i.S.d. § 26 Nr. 6 Satz 2 InvStG 2018 (ausländische Immobiliengesellschaft, ausländische ÖPP-Projektgesellschaft, ausländische Gesellschaft mit Zweck der Erzeugung erneuerbarer Energie) ausgeschüttet worden ist. Hintergrund dieser Rückausnahme ist die (ausnahmsweise) Zulässigkeit einer Beteiligung eines Spezialfonds i.H.v. mehr als 10 % an solchen Gesellschaften (§ 26 Nr. 6 Satz 2 InvStG 2018). bb) Beteiligung an ausländischem Spezialfonds
12.89
Bei der Beteiligung eines Steuerinländers (z.B. GmbH) an einem ausländischen Spezialfonds ist die Anwendung eines abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs davon abhängig, dass der ausländische Investmentfonds in dem Staat, dem abkommensrechtlich das Besteuerungsrecht zusteht, einer allgemeinen Ertrags508
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D. Investmentsteuergesetz 2018
besteuerung von mindestens 10 % unterliegt und die Ausschüttung zu mehr als 50 % auf nicht steuerbefreiten Einkünfte den Fonds beruht (§ 34 Abs. 3 i.V.m. § 16 Abs. 4 InvStG 2018). Durch diese Regelung soll die Entstehung weißer Einkünfte vermieden werden. Sind in den ausgeschütteten oder ausschüttungsgleichen Erträgen des ausländischen Fonds inländische Beteiligungseinnahmen (z.B. Dividende einer deutschen AG) enthalten, die bereits auf Fondsebene versteuert worden sind, erfolgt auf Anlegerebene eine Steuerfreistellung, wenn der Anleger dem Körperschaftsteuergesetz unterliegt (z.B. GmbH) und dem Fonds kein Ermäßigungsanspruch aus einem Abkommen aufgrund eines Quellensteuerhöchstsatzes von unter 15 % zusteht (§ 42 Abs. 4 InvStG 2018). Durch diese Regelung soll vermieden werden, dass ein körperschaftsteuerpflichtiger Anleger die Steuerbelastung auf inländische Beteiligungseinnahmen durch „Zwischenschaltung“ eines ausländischen Spezialfonds auf unter 15 % senkt.
12.90
Eine Steuerfreistellung ausgeschütteter oder ausschüttungsgleicher Erträge auf Anlegerebene in Höhe von 20 % gilt für inländische Immobilienerträge und sonstige inländische Erträge, wenn diese bereits auf Fondsebene (z.B. ausländischer Spezialfonds) besteuert worden sind (§ 42 Abs. 5 InvStG 2018). Dem niedrigeren Freistellungssatz liegt die Tatsache zugrunde, dass bei diesen Erträgen nur eine einmalige Vorbelastung auf Fondsebene besteht. Auch insoweit ist die anteilige Steuerfreistellung davon abhängig, das der Anleger dem Körperschaftsteuergesetz unterliegt (z.B. GmbH) und dem Fonds kein Ermäßigungsanspruch aus einem Doppelbesteuerungsabkommen aufgrund eines Quellensteuerhöchstsatzes von unter 15 % zusteht.
12.91
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Kapitel 13 Hinzurechnungsbesteuerung A. Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . . . . B. Überblick . . . . . . . . . . . . . C. I. II. 1. 2.
Systematische Einordnung . Begriffsbildung . . . . . . . . Konkurrenzen . . . . . . . . . DBA . . . . . . . . . . . . . . . Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten . 3. Exkurs: Basisgesellschaften . 4. Investmentfonds . . . . . . .
. . . .
. . . .
_ _ _ __ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ __ _ _ _ _ _ ___ _ _ _ _ _ _
13.1
13.8
13.16 13.16 13.20 13.20
. . 13.22 . . 13.24 . . 13.39
D. Persönliche Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . I. Unbeschränkt steuerpflichtige Personen . . . . . . . . . . . . . . II. Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft . . . . . . . . 1. Ausländische Gesellschaft . . . 2. Beteiligungsvoraussetzungen . . a) Grundsatz . . . . . . . . . . . b) Beherrschungsbeteiligung . . c) Beteiligung über Personengesellschaften . . . . . . . . . d) Weisungsgebundenheit . . . . e) Beteiligungsvoraussetzungen bei Kapitalanlageeinkünften . f) Beteiligungsvoraussetzungen bei Einkünften aus einer REIT-AG . . . . . . . . . . . .
13.42
13.42
13.44 13.44 13.45 13.45 13.49 13.59 13.61 13.64 13.69
E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . 13.71 I. Steuerobjekt . . . . . . . . . . . . 13.71 II. Einkünfte aus passivem Erwerb 13.76 1. Einkünftezurechnung . . . . . . 13.76 2. Einkünftequalifikation . . . . . 13.78 3. Einkünftekatalog . . . . . . . . . 13.83 a) Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft . . . . . . . . . 13.83 b) Einkünfte aus industrieller Tätigkeit . . . . . . . . . . . . 13.84 c) Einkünfte aus Bank- und Versicherungsgeschäften . . . 13.86 d) Einkünfte aus Handelstätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . 13.92 e) Einkünfte aus Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . 13.100 f) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung . . . . . . . 13.108
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g) Einkünfte aus Finanzierungstätigkeit . . . . . . . . . 13.117 h) Gewinnausschüttungen . . . 13.124 i) Beteiligungsveräußerungsgewinne . . . . . . . . . . . . . 13.126 j) Umwandlungsgewinne . . . . 13.136 4. Europarechtliche Sonderregelungen . . . . . . . . . . . . . 13.140 a) Cadbury-Schweppes-Entscheidung . . . . . . . . . . . . 13.140 b) EU-/EWR-Gesellschaften . . 13.143 c) Tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit . . . . . . . . . . . . 13.144 d) Auskunftserteilung . . . . . . 13.149 e) Nachgeschaltete Zwischengesellschaften und Betriebsstätten . . . . . . . . . . . . . . 13.150 f) Steuerliche Zurechnung . . . 13.152 III. Niedrigbesteuerung . . . . . . . . 13.153 F. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . 13.160 I. Fiktive Einkünfte . . . . . . . . . 13.160 II. Freigrenze bei gemischten Einkünften . . . . . . . . . . . . . 13.161 III. Hinzurechnungsbetrag . . . . . . 13.165 1. Mehrstufige Ermittlung . . . . . 13.165 2. Ermittlung der Zwischeneinkünfte . . . . . . . . . . . . . . 13.167 3. Zurechnung von Zwischeneinkünften nachgeschalteter Gesellschaften . . . . . . . . . . 13.180 4. Steuerabzug . . . . . . . . . . . . 13.181 5. Beteiligungsveräußerungsgewinne . . . . . . . . . . . . . . 13.184 6. Verlustabzug . . . . . . . . . . . . 13.188 7. Aufteilung auf mehrere Steuerinländer . . . . . . . . . . . . . . 13.194 IV. Anzusetzender Hinzurechnungsbetrag . . . . . . . . . . . . 13.195 1. Systematischer Standort . . . . . 13.195 2. Einkünftequalifikation . . . . . 13.197 a) Einkünfte aus Kapitalvermögen . . . . . . . . . . . . 13.197 b) Einkünfte aus Gewerbebetrieb . . . . . . . . . . . . . . 13.202 3. Anwendung von DBA . . . . . . 13.207 4. Aufstockung bei Steueranrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . 13.208 V. Steueranrechnung . . . . . . . . 13.210 1. Duale Steueranrechnung . . . . 13.210
A. Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung 2. Steueranrechnung gem. § 12 Abs. 1 AStG . . . . . . . . . . . 3. Steueranrechnung gem. § 12 Abs. 3 AStG . . . . . . . . . . . VI. Anzusetzender Hinzurechnungsbetrag bei nachgeschalteten Zwischengesellschaften 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . 2. Anzusetzender Zurechnungsbetrag der Untergesellschaft .
_ _ _ _ _
. 13.214 . 13.221 . 13.222 . 13.222 . 13.226
_ _ _ _ _
a) Grundsätze . . . . . . . . . . . 13.226 b) Zurechnungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . 13.227 c) Ermittlung des anzusetzenden Zurechnungsbetrages . . 13.233 3. Zurechnung bei steuerbefreiter REIT-AG . . . . . . . . . . . . . . 13.241 4. Zurechnung bei weiteren nachgeschalteten Untergesellschaften . . . . . . . . . . . . . . 13.243
A. Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung Literatur Kommentare zu §§ 7 bis 14 AStG; Aigner, Hinzurechnungsbesteuerung und DBA-Recht, Wien 2004; Baumgärtel/Perlet, Die Hinzurechnungsbesteuerung, in Maßbaum/MeyerScharenberg/Perlet, Die deutsche Unternehmensbesteuerung im europäischen Binnenmarkt, Neuwied/Kriftel/Berlin 1994, 171; Baumgärtel/Perlet, Hinzurechnungsbesteuerung bei Auslandsbeteiligungen, Neuwied/Kriftel/Berlin 1996; Brähler, Controlled Foreign Companies-Rules, Frankfurt u.a. 2007, 16; Brosig, Zur steuerlichen Behandlung von Basisgesellschaften, Frankfurt 1993; Burwitz, Ausländische Konzernfinanzierungsgesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Köln 2005; Cortez, Neuausrichtung der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung, Lohmar 2013; Dreßler, Gewinn- und Vermögensverlagerungen in Niedrigsteuerländer und ihre steuerliche Überprüfung, 4. Aufl. Neuwied/Kriftel/Berlin 2007; Fischer/Kleineidam/Warneke, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre, 5. Aufl. Berlin 2005, 115; Friedrich, Die Basisgesellschaft als Instrument betrieblicher Steuerpolitik, Köln 1980; Frotscher, Internationales Steuerrecht, 4. Aufl. München 2015, Rz. 680; Große, Subpart F als Referenz für die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, Frankfurt u.a. 2003; Großfeld, Basisgesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Tübingen 1974; Haarmann, Wirksamkeit, Rechtmäßigkeit und Notwendigkeit der Hinzurechnungsbesteuerung im AStG, IStR 2011, 565; Haase, Die Hinzurechnungsbesteuerung, 2. Aufl. Herne 2015; Henkel, Hinzurechnungsbesteuerung, in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. Köln 2012, 958; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 8. Aufl. München 2016, 405, 438; Kluge, Das Internationale Steuerrecht, 4. Aufl. München 2000, 405; Köhler, Die Steuerpolitik der deutschen internationalen Unternehmung im Einflussbereich der Hinzurechnungsbesteuerung, Frankfurt 1994; Kraft, Der Hinzurechnungsbetrag als „inländische Einkünfte“ – Anmerkungen zum terminologischen und konzeptionellen Verständnis der obersten Finanzbehörden im Nichtanwendungserlass vom 14.12.2015, FR 2016, 257; Kraft/Schreiber, Gewerbesteuerpflicht des Hinzurechnungsbetrages – Belastungseffekte normative Analyse, systematische Rechtfertigung, IStR 2015, 149; Linn/Pignot, Hinzurechnungsbesteuerung nach Cadbury Schweppes, IWB 2016, 466; Maciejewski, Zielgenaue Missbrauchsabwehr: Verfassungskonformität der Hinzurechnungsbesteuerung gem. §§ 7–14 AStG, IStR 2013, 449; MaierFrischmuth, Internationale Unternehmenstätigkeit und deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, Lohmar/Köln 2003; Mersch, Die Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 ff. AStG unter Berücksichtigung des Rechts der DBA, Köln 1986; Moser, Die Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7–14 AStG und die Besteuerung ausländischer Familienstiftungen nach § 15 AStG, Diss.; Köln/Lohmar 2015; Mössner, Selbständigkeit juristischer Personen und Kapitalgesellschaften im Internationalen Steuerrecht, RIW 1986, 208; Pitzal, Nichtund Niedrigbesteuerung in Vorschriften des nationalen Außensteuerrechts und des Abkommensrechts, Baden-Baden 2008; Rasch, Die Ziele der neuen deutschen Hinzurechnungsbesteuerung, Weilerswist 2004; Rehfeld, Die Vereinbarkeit des Außensteuergesetzes mit den Grundfreiheiten des EG-Vertrages, Frankfurt u.a. 2008; Reith, Internationales Steuerrecht, München 2004, 473; Rödder, Hinzurechnungsbesteuerung – Praxisorientierte Ana-
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung lyse der aktuellen Rechtslage aus der Sicht eines deutschen international tätigen Konzerns, in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung, 3. Aufl. Herne 2011, 2041; Rust, Die Hinzurechnungsbesteuerung, München 2007; Schaumburg, Die internationale Holding aus steuerrechtlicher Sicht, in Lutter/Bayer (Hrsg.), Holding-Handbuch, 5. Aufl. Köln 2015, 885; Schleuder, Die Hinzurechnungsbesteuerung im internationalen Konzern, Neuried 1985; Schmidtmann, Hinzurechnungsbesteuerung bei internationalen Umstrukturierungen, Berlin 2007; Schön, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, DB 2001, 940; Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, Köln 2005; Striegel, Steuerflucht durch Basisunternehmen, München 1973; Vogel, Steuerliche Behinderungen des internationalen Kapitalflusses zwischen einer Muttergesellschaft und ihrer Tochtergesellschaft, CDFI LXIXa (1984), 15; von Waldthausen, Steuerlastgestaltung im Einflussbereich der erweiterten Hinzurechnungsbesteuerung im Außensteuergesetz, Lohmar/Köln 1999; Wassermeyer, Die Besteuerung des Hinzurechnungsbetrages auf der Grundlage des Referentenentwurfs zum Gesetzt zur Umsetzung der EU-Amtshilferichtlinie v. 31.5.2016, IStR 2016, 517; Weiss, Gewerbesteuerliche Erfassung des Hinzurechnungsbetrages, IWB 2016, 126; Wettlaufer, Außensteuerrechtliche Hinzurechnungsbilanz bei Basisgesellschaften in Niedrigsteuerländern, Berlin 1984; Winkelmann, Steuerumgehung durch die Einschaltung ausländischer Kapitalgesellschaften, Frankfurt 1997; Wurster, Die ausländische Basisgesellschaft, Thun/Frankfurt 1984.
13.1
Es gehört zu den international tragenden Besteuerungsprinzipien, Kapitalgesellschaften als eigenständige Steuersubjekte zu behandeln. Dies gilt auch dann, wenn sie wirtschaftlich etwa als Mutter- und Tochtergesellschaft miteinander verbunden sind. Durchbrechungen dieses Grundsatzes gibt es regelmäßig nur dann, wenn die Beteiligungen eine besondere Intensität erreichen mit der Folge, dass dann eine zusammengefasste Besteuerung, so etwa im Rahmen der in einzelnen Staaten verwirklichten Gruppenbesteuerung1 oder als Organschaft mit Gewinnabführungsvertrag in Deutschland2 gerechtfertigt ist.3 Die Folge des Grundsatzes der steuerlichen Eigenständigkeit von Körperschaften ist, dass ihr Einkommen unabhängig von dem der Anteilseigner der Besteuerung unterworfen wird (Trennungsprinzip).4 Die Besteuerung der Anteilseigner wird bis zur Ausschüttung seitens der Gesellschaft hinausgeschoben.5 Damit entfaltet die Kapitalgesellschaft in steuerlicher Hinsicht eine Abschirmwirkung. Im außensteuerlichen Kontext bedeutet diese Abschirmwirkung, dass Gewinne ausländischer Kapitalgesellschaften, an denen inländische Anteilseigner beteiligt sind, solange der inländischen Besteuerung entzogen sind, als Ausschüttungen unterbleiben. Diese Aufschub- bzw. Abschirmwirkung ist besonders signifikant in den Fällen, in denen aus steuerlichen Motiven Kapitalgesellschaften in Niedrigsteuerländern errichtet worden sind. Die Steuervorteile bleiben nämlich nur solange erhalten, wie die Gewinne dieser Gesellschaften thesauriert werden.
1 Vgl. hierzu den Überblick bei Kahle/Schulz in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 9.12 ff. 2 Vgl. §§ 14 ff. KStG. 3 Die (partielle) Durchbrechung des dem Körperschaftsteuergesetz konzeptionell zugrunde liegenden Trennungsprinzips (vgl. BVerfG v. 12.10.2010 – 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 [245]) durch die Organschaftsregelungen (§§ 14 ff. KStG) ist sachlich gerechtfertigt; vgl. Drüen in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 4.5. 4 Hierzu Hey in Tipke/Lang22, § 11 Rz. 1; Drüen in Prinz/Witt, Steuerliche Organschaft, Rz. 4.4. 5 Sog. „deferral-principle“, vgl. Pohl in Fuhrmann3, Vorbem. zu §§ 7–14 AStG Rz. 2.
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A. Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung
Die Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 bis 14 AStG) ist von ihrer teleologischen Ausrichtung her darauf gerichtet, ein Ausnutzen des internationalen Steuergefälles durch unbeschränkt steuerpflichtige Personen in den Fällen entgegenzuwirken, in denen im Ausland nicht aktive unternehmerische Engagements in die Rechtsform von Kapitalgesellschaften gekleidet werden.1 Unter diesem Gesichtspunkt sind die §§ 7 bis 14 AStG als Normen zur Vermeidung von Einkünfteverlagerungen in Niedrigsteuerländer zu qualifizieren:2 Es geht darum, im Hinblick auf das sog. Teileinkünfteverfahren (Rz. 6.90 ff.) eine dem deutschen Körperschaftsteuersatz entsprechende Vorbelastung und damit im Ergebnis eine ausreichende steuerliche Gesamtbelastung sicherzustellen. Technisch wird dieses Ziel dadurch erreicht, dass die Aufschub- bzw. Abschirmwirkung für niedrig besteuerte sog. Einkünfte aus passivem Erwerb (vgl. § 8 Abs. 1 AStG) durch eine Ausschüttungsfiktion beseitigt wird, wobei die fingierten Ausschüttungen aus dem Regelungsbereich der §§ 3 Nr. 40 Buchst. d, 32d EStG und § 8b Abs. 1 KStG ausgenommen sind (§ 10 Abs. 2 Satz 3 AStG). Mit anderen Worten: Bestimmte sich in der ausländischen Gesellschaft ansammelnde Einkünfte werden zeitlich vor den tatsächlichen Ausschüttungen der inländischen Besteuerung zugeführt, ohne dass hierfür die sonst für Dividendenerträge vorgesehenen (partiellen) Steuerbefreiungen zur Anwendung kommen. Diese Rechtsfolgen betreffen gleichermaßen Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer.3 Die mit der (deutschen) Hinzurechnungsbesteuerung verfolgten Ziele entsprechen weitgehend den BEPS-Vorschlägen (Aktionspunkt 3).4 Auch hier geht es vor allem um die Beseitigung der Abschirmwirkung niedrig besteuerter Kapitalgesellschaften in das Ausland. Im Hinblick darauf besteht nur ein geringer Anpassungsbedarf.5
13.2
Es hat nicht an Versuchen gefehlt, die §§ 7 bis 14 AStG in einen einheitlichen Systemzusammenhang zu bringen.6 So wird im Rahmen der sog. Ausschüttungstheorie angenommen, das Gesetz wolle die nicht ausgeschütteten Gewinne einer Basisgesellschaft beim Anteilseigner erfassen.7 Nach der sog. Repräsentationstheorie soll die Hinzurechnungsbesteuerung die Merkmale sowohl einer Zurech-
13.3
1 Vgl. nur BFH v. 21.1.1998 – I R 3/96, BStBl. II 1998, 468; v. 3.5.2006 – I R 124/04, BFH/NV 2006, 1729. 2 Hierzu Rz. 2.10 ff.; dem Gesetzgeber schwebte eine Missbrauchsabwehrregelung gegen „Steuerflucht“ vor; vgl. BFH v. 21.10.2009 – I R 114/08, BStBl. II 2010, 774; Wassermeyer in F/W/B/S, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 6 f.; Pohl in Fuhrmann3, Vorbem. zu §§ 7–14 AStG Rz. 8 ff. 3 Vgl. nur die Anwendungsvorschriften gem. § 21 Abs. 4 u. 7 AStG; speziell zur Gewerbesteuer BFH v. 11.3.2015 – I R 10/14, BFH/NV 2015, 921: Kürzung gem. § 9 Nr. 3 Satz 2 GewStG; vgl. allerdings Nichtanwendungserlass (gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 14.12.2015, z.B. FinMinNW v. 14.12.2015, FR 2016, 273) und Nichtanwendungsgesetz (§ 7 Abs. 1 Satz 7 GewStG idF des AHRL-ÄndUmsG). 4 Vgl hierzu (Rz. 5.24); zum (geringen) Anpassungsbedarf (bis 31.12.2018) an die Anti Tax Avoidance Directive (RL 2016/1164 v. 12.7.2016, ABl. L 193, 1 v. 19.7.2016 vgl. Schnitger/Nitzschke/Gebhardt, IStR 2016, 960. 5 Vgl. Radmanesh, IStR 2015, 895 (900). 6 Vgl. den Überblick bei Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 138 ff. 7 Z.B. Mersch, Die Hinzurechnungsbesteuerung nach den § 7 ff. AStG, 140 ff.; Kluge, RIW/ AWD 1975, 525 ff.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
nung von Einkünften als auch einer Besteuerung des nicht ausgeschütteten Gewinns tragen, wobei sich das Gesetz freilich an keinem der beiden Modelle mechanisch orientiert habe. Es habe, seiner steuerpolitischen Zielsetzung entsprechend, einen gemischten Lösungsweg genommen.1 Beiden Theorien2 ist entgegengehalten worden, sie fänden durchgängig im Gesetz keine Stütze.3 Der Gesetzgeber sei bei der Bestimmung des Besteuerungsgegenstandes vielmehr dem Zurechnungsmodell und bei der Festlegung der Rechtsfolge weitgehend dem Ausschüttungsmodell gefolgt. 13.4
Die vorgenannten, zum Teil voneinander abweichenden Ansichten sind letztlich darauf zurückzuführen, dass der Hinzurechnungsbesteuerung keine einheitliche Konzeption zugrunde liegt und die §§ 7 bis 14 AStG nicht frei von Widersprüchen sind. Im Kern geht es darum, dass durch die Hinzurechnungsbesteuerung die Abschirm- bzw. Aufschubwirkung ausländischer Kapitalgesellschaften ggü. der deutschen Besteuerung beseitigt wird. Dieses Ziel will das Gesetz durch die in den §§ 7 bis 14 AStG normierten Rechtsfolgen erkennbar wie folgt erreichen: Auf der ersten Stufe werden die in den §§ 7 und 8 AStG näher bestimmten niedrig besteuerten Einkünfte einer ausländischen Gesellschaft (Zwischengesellschaft) aus passivem Erwerb (Rz. 13.76) als eigene Einkünfte der unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner behandelt (§ 7 Abs. 1 AStG).4 Auf der zweiten Stufe werden diese Einkünfte sodann in ausgeschüttete Dividendenerträge umqualifiziert (§ 10 Abs. 2 AStG). Es handelt sich hierbei allerdings um eine bloße Fiktion, die nichts daran ändert, dass die zugrundeliegenden Einkünfte z.B. der ausländischen Betriebsstätte der Zwischengesellschaft zuzuordnen sind mit der Folge, dass der inländische Anteilseigner für gewerbesteuerliche Zwecke die Kürzung gem. § 9 Nr. 3 GewStG beanspruchen kann.5 Beide Stufen der Rechtsfolge passen indessen nicht zum Steuerobjekt (Hinzurechnungsobjekt), nämlich den von der ausländischen Gesellschaft erzielten niedrig besteuerten Einkünften aus passivem Erwerb (Zwischeneinkünfte).6 Zwischen Hinzurechnungsobjekt einerseits und Rechtsfolge andererseits besteht ein Systembruch mit der Folge, dass auch die diesbezüglichen Normen der §§ 7 bis 14 AStG in sich widersprüchlich sind. So ist es mit der Ausschüttung als Rechtsfolge unvereinbar, dass der Hinzurechnungsbetrag auf der Grundlage der Einkünfteermittlungsvorschriften des deutschen Steuerrechts (§ 10 Abs. 3 Satz 1 AStG) und nicht nach dem maßgeblichen ausländischen Handelsrecht zu ermitteln ist (Rz. 13.170 ff.) und zudem auf den Hinzurechnungsbetrag weder §§ 3 Nr. 40 Buchst. d; 32d EStG noch § 8b Abs. 1 KStG zur Anwendung kommen (§ 10 Abs. 2 Satz 3 AStG).7 1 Vogt in Blümich, EStG, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 34; Menck, DStZ A 1978, 106 ff. 2 Vgl. darüber hinaus auch die sog. Zurechnungstheorie von Köhler, RIW 1988, 979 ff. 3 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 153; Wassermeyer in FS Flume, 323 (326 ff.). 4 Das Steuersubjekt wird also ausgewechselt, wodurch zugleich die Abschirmwirkung der DBA unterlaufen wird; hierzu Wassermeyer in F/W/B/S, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 19. 5 BFH v. 11.3.2015 – I R 10/14, BFH/NV 2015, 921; vgl. allerdings Nichtanwendungserlass (gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 14.12.2015, z.B. FinMinNW v. 14.12.2015, FR 2016, 273) und Nichtanwendungsgesetz (§ 7 Abs. 1 Satz 7 GewStG idF. des AHRL-ÄndUmsG). 6 Vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 19. 7 Hierzu Wassermeyer in F/W/B/S, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 47.
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A. Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung
Mit der Rechtsfolge nicht zu vereinbaren sind schließlich auch der nach § 10 Abs. 3 Satz 5 AStG mögliche Verlustrücktrag (Rz. 13.188 ff.) sowie die gem. § 12 Abs. 1 AStG vorgesehene Anrechnung der von der ausländischen Gesellschaft gezahlten Steuern auf die Steuerschuld des unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners (Rz. 13.210 ff.).
13.5
Die Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung, die Aufschub- bzw. Abschirmwirkung ausländischer Kapitalgesellschaften für niedrig besteuerte sog. Einkünfte aus passivem Erwerb zu beseitigen, um diese der (höheren) deutschen Besteuerung zuzuführen, kollidiert zwangsläufig mit den europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten. Das gilt gleichermaßen für die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 ff. AEUV) und die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV).1 Von den Schutzwirkungen insbesondere der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) wird nicht nur die selbständige unternehmerische Erwerbstätigkeit, sondern auch die vermögensverwaltende Tätigkeit erfasst.2 Nach allgemeinen Grundsätzen (Rz. 4.19) sind zwar Missbrauchsbekämpfungsregeln im Einzelfall zulässig, sind sie aber wie die §§ 7 bis 14 AStG typisierend ausgelegt, sind sie nur dann europarechtlich haltbar, wenn dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit offen steht, die in der Typisierung zum Ausdruck gelangende Missbrauchsvermutung zu widerlegen.3 Da schließlich derartige Missbrauchsbekämpfungsregeln nur unter dem Gesichtspunkt der Steuerumgehung bei Einsatz künstlicher Konstruktionen europarechtlich legitimiert sind,4 war der aus § 8 Abs. 1 AStG abzuleitende Katalog steuerschädlicher Einkünfte aus passivem Erwerb europarechtlich nicht mehr zu halten. Dem entsprechend enthält § 8 Abs. 2 AStG für den EU-/EWR-Bereich eine Sonderregelung, die dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eröffnet nachzuweisen, dass die ausländische Gesellschaft einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht.5
13.6
Die durch die Hinzurechnungsbesteuerung bewirkte (teilweise)6 Durchbrechung des Trennungsprinzips hat sich unter dem Gesichtspunkt der Folgerichtigkeit (Rz. 4.7) zu legitimieren: Der Gesetzgeber muss das Trennungsprinzip – und damit die Kapitalgesellschaft und ihre Anteilseigner als verschiedene Zurechnungssubjekte steuerlicher Leistungsfähigkeit – als einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig im Sinne der Belastungsgleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) umsetzen und darf hiervon nur aufgrund sachlicher Gründe abweichen.7 Zu den sachlichen Rechtfertigungsgründen zählt die Bekämpfung missbräuchlicher
13.7
1 Hierzu Wassermeyer in F/W/B/S, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 38 ff. m.w.N.; speziell zur Kapitalverkehrsfreit FG BW v. 12.8.2015 – 3 V 4193/13, EFG 2016, 17; Wassermeyer in F/W/B/S, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 33 ff.; Schönfeld, IStR 2016, 416, wonach im Hinblick auf den Systemwechsel bei der Körperschaftsteuer (2001) die Stand-Still-Klausel des Art. 64 AEUV nicht eingreift. 2 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, Slg. 2006, I-7995. 3 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, Slg. 2006, I-7995, Tz. 51 ff. 4 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, Slg. 2006, I-7995, Tz. 68 ff. 5 Zu weiteren Einzelheiten Rz. 13.140 ff.; dort auch zu weiterhin bestehenden europarechtlichen Zweifeln. 6 Teilweise deshalb, weil der Gesetzgeber nicht das Konzept einer transparenten Besteuerung umgesetzt hat, so dass Verluste der Zwischengesellschaft nicht in die Hinzurechnungsbesteuerung einbezogen sind (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 4 AStG). 7 BVerfG v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BFH/NV 2009, 338.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
Gestaltungen,1 die für die Hinzurechnungsbesteuerung allerdings nur im Grundsatz, nicht aber in allen Details tragend ist. Als Missbrauchsbekämpfungsmaßnahme sind die §§ 7–14 AStG in ihrer normativen Ausgestaltung zum Teil überschießend,2 was insbesondere für die auf § 8 Abs. 1 AStG beruhende Qualifikation als Einkünfte aus passivem Erwerb (Rz. 13.79) gilt. Im Ergebnis ist daher unter dem Gesichtspunkt der Folgerichtigkeit nur bei rein künstlichen Gestaltungen ohne wirtschaftliche Substanz die Durchbrechung des Trennungsprinzips gerechtfertigt. Insoweit bestehen Parallelen zur Rechtslage unter Beachtung der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit (Rz. 13.6, 13.140 ff.), so dass die Sonderregelung in § 8 Abs. 2 AStG im Ergebnis auch auf Drittstaaten zur Anwendung zu bringen ist. Schließlich ist es nicht gerechtfertigt, die Rechtsfolgen der Hinzurechnungsbesteuerung auch auf die Gewerbesteuer zu beziehen. Die gewerbesteuerliche Belastung führt im Ergebnis nämlich zu einer Strafbesteuerung, die mit der Zielsetzung der Hinzurechnungsbeteuerung nicht zu vereinbaren ist. Das gilt namentlich in den Fällen, in denen die ausländische Körperschaftsteuerbelastung über der vergleichbaren inländischen liegt und die zusätzliche Gewerbesteuerbelastung bei der beteiligten inländischen Kapitalgesellschaft in der Spitze zu einer Steuerbelastung von etwa 45 % führen kann.3 Das gilt nur dann nicht, wenn von der Kürzung gem. § 9 Nr. Satz 1 GewStG Gebrauch gemacht werden kann,4 was allerdings durch Nichtanwendungserlass5 und Nichtanwendungsgesetz6 verhindert wird.7
B. Überblick 13.8
§ 7 Abs. 1 AStG enthält sowohl den Grundtatbestand als auch die Rechtsfolge der Hinzurechnungsbesteuerung. Der Grundtatbestand umfasst drei Tatbestandsvoraussetzungen, nämlich die Beteiligung unbeschränkt Steuerpflichtiger an einer ausländischen Gesellschaft zu mehr als der Hälfte,8 die Einkünfte aus passivem Erwerb und die Niedrigbesteuerung. Während die erste Tatbestandsvoraussetzung (Beteiligung unbeschränkt Steuerpflichtiger zu mehr als der Hälfte) persönlicher Natur ist, handelt es sich im Übrigen um sachliche Tatbestandsvoraussetzungen. Diese Tatbestandsvoraussetzungen werden in § 7 Abs. 1–5 AStG sowie in § 8 AStG konkretisiert. Die §§ 7 sowie 9 bis 12 AStG betreffen die Rechtsfolge der Hinzurechnungsbesteuerung, nämlich den Ansatz des stets positiven Hinzurechnungsbetrages als Dividendeneinkünfte. § 14 AStG ist schließlich eine Ergänzungsvorschrift sowohl zu den Tatbestandsvoraussetzun1 2 3 4 5
BVerfG v. 22.7.1970 – BvR 285/66, BStBl. II 1970, 652. Pohl in Fuhrmann3, Vorbem. zu §§ 7–14 AStG Rz. 9 ff. Vgl. zu Einzelheiten Kraft/Schreiber, IStR 2015, 149 (152). So nach BFH v. 11.3.2015 – I R 10/14, BFH/NV 2015, 921. Gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 14.12.2015, z.B. FinMin NW v. 14.12.2015, FR 2016, 273. 6 § 7 Abs. 1 Satz 7 GewStG idF. des AHRL-ÄndUmsG. 7 Zur Kritik Kraft, FR 2016, 257; Wassermeyer, IStR 2016, 517; Weiss, IWB 2016, 126. 8 Dieses (zusammengefasste) Tatbestandsmerkmal lässt sich aufteilen in drei Tatbestandsmerkmale: unbeschränkte Steuerpflicht des Gesellschafters, Beteiligung zu mehr als der Hälfte, ausländische Gesellschaft.
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B. Überblick
gen als auch zu den Rechtsfolgen des § 7 Abs. 1 AStG. Die für die Anwendung der §§ 7–14 AStG maßgeblichen Besteuerungsgrundlagen werden gesondert festgestellt, wobei im Fall mehrerer Anteilseigner an der ausländischen Gesellschaft die Feststellung einheitlich erfolgt (§ 18 AStG). Auf der Grundnorm des § 7 AStG aufbauend, wonach unbeschränkt Steuerpflichtige dann der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen, wenn sie zu mehr als der Hälfte oder bei Kapitalanlageeinkünften auch zu einer geringeren Quote1 an einer ausländischen Zwischengesellschaft beteiligt sind, regelt § 8 Abs. 1 AStG, für welche Einkünfte eine ausländische Gesellschaft Zwischengesellschaft ist. Diese Vorschrift löst die Frage dadurch, dass sie bestimmte Einkünfte aufzählt, für die die ausländische Gesellschaft nicht Zwischengesellschaft ist.2 Im Wege des Umkehrschlusses lässt sich sodann auf diejenigen Einkünfte schließen, für die die ausländische Kapitalgesellschaft Zwischengesellschaft ist.3 Eine Sonderregelung für den EU-/EWR-Bereich enthält § 8 Abs. 2 AStG, wonach keine Einkünfte aus passivem Erwerb anzunehmen sind, wenn nachgewiesen wird, dass die ausländische Gesellschaft einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht und der andere Staat entsprechende Auskünfte erteilt.
13.9
Diese Einkünfte aus passivem Erwerb unterliegen aber nur dann der Hinzurechnungsbesteuerung, wenn sie niedrig besteuert werden. Nach § 8 Abs. 3 AStG liegt eine niedrige Besteuerung vor, wenn die Einkünfte mit Ertragsteuern von weniger als 25 % belastet sind.
13.10
§ 9 AStG sieht eine Freigrenze für gemischte Einkünfte vor. Erfasst werden solche Gesellschaften, die in erster Linie Einkünfte aus aktiven und deshalb unschädlichen Tätigkeiten und Nebeneinkünfte aus passivem Erwerb erzielen. Soweit diese Einkünfte aus passivem Erwerb sind, 10 % der Bruttoerträge der ausländischen Gesellschaft und insgesamt 80 000 Euro nicht übersteigen, unterliegen sie nicht der Hinzurechnungsbesteuerung.
13.11
§ 10 AStG enthält Regelungen darüber, wie der Hinzurechnungsbetrag zu ermitteln ist und zu welcher Einkunftsart er gehört.
13.12
§ 11 AStG bestimmt, dass der Hinzurechnungsbetrag um jene Gewinnanteile zu kürzen ist, die die Zwischengesellschaft aus der Veräußerung von Anteilen an einer nachgeschalteten Gesellschaft oder aus der Liquidation oder Kapitalherabsetzung erzielt, soweit Kapitalanlageeinkünfte der oder einer weiteren nachgeschalteten Gesellschaft für das gleiche Kalenderjahr (Wirtschaftsjahr) oder für die vorangegangenen sieben Kalenderjahre (Wirtschaftsjahre) der Hinzurechnungsbesteuerung unterlegen haben, ohne dass die betreffenden Einkünfte ausgeschüttet wurden. Damit zielt § 11 AStG auf die Vermeidung der Doppelbesteuerung auf Ebene der Zwischengesellschaft ab.
13.13
Nach § 12 Abs. 1 AStG können alle nicht als Betriebsausgaben zu behandelnden Steuern angerechnet werden, zu denen die ausländische Gesellschaft mit den der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegenden Einkünften sowie mit dem diesen
13.14
1 Vgl. zu den Sonderregelungen für Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter (§ 7 Abs. 6, 6a AStG) Rz. 13.64. 2 Einkünfte aus aktiver Tätigkeit, auch gute oder unschädliche Einkünfte genannt. 3 Einkünfte aus passivem Erwerb, auch schlechte oder schädliche Einkünfte genannt.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
Einkünften zugrunde liegenden Vermögen herangezogen worden ist. § 12 Abs. 3 AStG ermöglicht schließlich die Anrechnung der Quellensteuern auf Ausschüttungen, die beim inländischen Anteilseigner gem. § 3 Nr. 41 EStG steuerfrei sind. 13.15
§ 14 AStG will Umgehungen der Hinzurechnungsbesteuerung entgegenwirken, die in der Möglichkeit bestehen, Zwischengesellschaften anderen Gesellschaften nachzuschalten, um so die Abschirmwirkung aufrechtzuerhalten. Die auf diese Weise zwischengeschaltete Gesellschaft ließe für die Gewinne der nachgeschalteten Zwischengesellschaft die Hinzurechnungsbesteuerung allenfalls nur insoweit eintreten, als Dividenden ausgeschüttet würden. Diese denkbare Schranke wird durch § 14 AStG aufgehoben und zwar dadurch, dass die Einkünfte der nachgeschalteten Zwischengesellschaft (Untergesellschaft) der vorgeschalteten ausländischen Gesellschaft (Obergesellschaft) in dem Umfang zugerechnet werden, der dem Verhältnis der Beteiligung dieser Gesellschaft an der Untergesellschaft entspricht.
C. Systematische Einordnung Literatur Von Beckerath, Der Durchgriff im deutschen Außensteuerrecht, Berlin 1978; Debatin, Die Erfassungsspannweite der deutschen Zugriffsbesteuerung auf Auslandsbeteiligungen, DB 1978, 1195; Haarmann, Wirksamkeit, Rechtsmäßigkeit und Notwendigkeit der Hinzurechnungsbesteuerung im AStG, IStR 2011, 565; Kluge, Die Hinzurechnungsbesteuerung nach §§ 7–14 AStG und die Normen des allgemeinen Steuerrechts, StuW 1976, 101; Kraft, Konzeptionelle und strukturelle Defizite der Hinzurechnungsbesteuerung – Reformbedarf und Reformnotwendigkeit, IStR 2010, 377; Kraft/Quilitzsch, Belastungswirkungen der Hinzurechnungsbesteuerung unter dem Postulat steuerlicher Wettbewerbsneutralität – zugleich eine Warnung an die Gestaltungspraxis vor Hinzurechnungsfallstricken, ISR 2012, 109; Kraft/Staccioli, Systemvergleich der italienischen und der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung, IWB 2014, 97; Mössner, Selbständigkeit juristischer Personen und Kapitalgesellschaften im Internationalen Steuerrecht, RIW 1986, 208; Menck, Rechtsmechanismus und Rechtscharakter der Zugriffsbesteuerung – zur Systematik der §§ 7 bis 14 AStG –, DStZ A 1978, 106; Raupach, Die Frage der Zurechnung im Steuerrecht als Problem der Tatbestandsverwirklichung, in FS für Beisse, Düsseldorf 1997, 403; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS für Tipke, Köln 1995, 125; Schön, Deutsche Hinzurechnungsbesteuerung und Europäische Grundfreiheiten, IStR 2013, Beih. 1; Telkamp, Der Außensteuergesetz-Entwurf, kritische Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (AStG) StuW 1972, 97; Waldhoff/ Grefrath, Normenklarheit und Bestimmtheit der Vorschriften über die Hinzurechnungsbeteuerung als Problem des Steuervollzugs, IStR 2013, 477; Wassermeyer, Die Hinzurechnungsbesteuerung als Qualifikationsproblem des nationalen und des internationalen Steuerrechts, RIW 1983, 352; Wassermeyer, Die Vereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung nach dem Außensteuergesetz mit dem Grundgesetz und den Vorschriften der Doppelbesteuerungsabkommen (OECD-Musterabkommen), in FS für Flume, Köln 1978, 323.
I. Begriffsbildung 13.16
Obwohl § 10 AStG ausdrücklich den Begriff der Hinzurechnung verwendet, aus dem schließlich die in den §§ 7 bis 14 AStG beschriebenen Vorgänge als Hin518
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C. Systematische Einordnung
zurechnungsbesteuerung bezeichnet werden, finden sich auch die Begriffe Zugriffsbesteuerung,1 Zurechnungsbesteuerung2 und Durchgriffsbesteuerung.3 Der Durchgriff durch eine juristische Person führt dazu, dass durch Gesetz oder durch Rechtsgeschäft die Rechtsfolgen nicht bei der juristischen Person selbst, sondern unmittelbar bei den Gesellschaftern eintreten.4 Ein derartiger Haftungsdurchgriff wird von der Rechtsprechung im Zivilrecht (ausnahmsweise) insbesondere in Fällen der Unterkapitalisierung und der Vermögensvermischung angenommen.5
13.17
Im Gegensatz dazu wird bei der Hinzurechnung jedenfalls rechtstechnisch die Einschaltung der Kapitalgesellschaft anerkannt.6 Die Zurechnung stellt die Verknüpfung zwischen Steuersubjekt und Steuerobjekt her.7 Nach der grundlegenden Zurechnungsvorschrift des § 38 AO ist das Steuerobjekt demjenigen zuzurechnen, der den Steuertatbestand selbst verwirklicht.8 Während die Zurechnung ein bestimmtes Steuerobjekt einem Steuersubjekt zuordnet, führt die Hinzurechnung auf einer nächsten Stufe demgegenüber im Ergebnis zu einem Auswechseln des Steuersubjekts durch Ausschüttungsfiktion. Der Zugriff meint dagegen die Beseitigung der Abschirmwirkung einer juristischen Person als Ergebnis des rechtstechnischen Mittels des Durchgriffs, der Zurechnung und der Hinzurechnung.9 Der Streit um den „richtigen“ Begriff ist unfruchtbar. Den Begriffen Hinzurechnungs-, Durchgriffs- oder Zugriffsbesteuerung, die ohnehin sehr unscharf und nur schwer gegeneinander abzugrenzen sind, lassen sich nämlich keine teleologischen Orientierungsmaßstäbe für die Auslegung gewinnen.10
13.18
Welche Begriffe daher auch immer Verwendung finden, im Wesentlichen geht es bei der Hinzurechnungsbesteuerung darum, unter bestimmten Voraussetzungen die Aufschub- bzw. Abschirmwirkung ausländischer Kapitalgesellschaften zugunsten einer ausreichenden Besteuerung beim inländischen Gesellschafter zu beseitigen. Dass der Gesetzgeber im Rahmen der §§ 7 bis 14 AStG sich rechtstechnisch nicht des Durchgriffs, sondern der Hinzurechnung als Fiktion bedient hat, findet seinen Grund darin, dass nur so der zugunsten der ausländischen Gesellschaften bestehende Schutz der DBA unterlaufen werden konnte. Hätte sich der Gesetzgeber für eine Durchgriffsregelung entschieden, so wäre sie auf der Ebene der DBA nur unter Rechtsmissbrauchsgesichtspunkten effektiv geworden.11 Mit einer klaren Durchgriffsregelung hätte der Gesetzgeber sein doppeltes
13.19
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
So früher z.B. Debatin, DB 1978, 1195 (1195); Menck, DStZ A 1978, 106 ff. Telkamp, StuW 1972, 97 (108). Von Beckerath, Der Durchgriff im deutschen Außensteuerrecht. Hierzu Raupach, Der Durchgriff im Steuerrecht, 29 ff.; von Beckerath, Der Durchgriff im deutschen Außensteuerrecht, 15 ff. Hierzu der Überblick bei Lutter in K. Schmidt/Lutter3, § 1 AktG Rz. 13 ff.; Koch in Hüffer/Koch12, § 1 AktG Rz. 15 ff. Zu Einzelheiten Wassermeyer, in FS Flume, 323 ff. BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868. Drüen in T/K, § 38 AO Rz. 3. Menck, DStZ A 1978, 106 ff. BFH v. 28.9.1988 – I R 91/87, BStBl. II 1989, 13. Mössner, RIW 1986, 208 (212).
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
Ziel nicht erreichen können: Die Beseitigung der Aufschub- bzw. Abschirmwirkung wäre im Vergleich zu der derzeitigen Hinzurechnungsbesteuerung als Mischung verschiedener Konstruktionsmöglichkeiten1 nicht weit genug gegangen und ein Unterlaufen bestehender DBA unmöglich gewesen.
II. Konkurrenzen 1. DBA 13.20
Das im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung erfasste Steuerobjekt sind die von der ausländischen Gesellschaft erzielten Einkünfte aus passivem Erwerb. Die Besteuerung setzt allerdings nicht bei der ausländischen Gesellschaft, sondern unter den in § 7 AStG genannten Voraussetzungen beim inländischen Gesellschafter an. Damit wird das Trennungsprinzip, also die dem Einkommensteuergesetz eigene Sachgesetzlichkeit insoweit durchbrochen, als der Steuerpflichtige von Dritten erzielte Einkünfte ohne Rücksicht auf seine eigene Leistungsfähigkeit der Besteuerung unterwerfen muss. Nach der in § 2 Abs. 1 EStG zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Grundkonzeption sind nämlich die das Steuerobjekt betreffenden Tatbestandsmerkmale grundsätzlich vom Steuerpflichtigen selbst zu verwirklichen.2
13.21
Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass mit dem Auswechseln des Steuersubjekts zugleich die Schutzwirkungen der DBA unterlaufen werden. Dieses Ziel wird dadurch erreicht, dass einige DBA3 einen Vorbehalt zugunsten der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung enthalten und zudem § 20 Abs. 1 AStG im Sinne eines treaty overriding (Rz. 3.24 f.) den Vorrang der §§ 7 bis 18 AStG vor abkommensrechtlichen Regelungen sicherstellt.4 2. Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten
13.22
Im außensteuerlichen Kontext liegt sowohl den §§ 7 bis 14 AStG als auch dem § 42 AO eine vergleichbare gesetzgeberische Wertung zugrunde. § 42 AO ist darauf gerichtet, ein Ausbrechen aus der gleichmäßigen Besteuerung nach Maßgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu verhindern5 und hierbei die Steuer so zu erheben, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Die §§ 7 bis 14 AStG sind als Normen zur Vermeidung von Einkünfteverlagerungen (Rz. 13.2) auf eine ähnliche Rechtsfolge gerichtet: Sie wollen den wirtschaftlichen Effekt herbeiführen, der ohne Thesaurierung der Zwischengesellschaft entstanden wäre und hierbei eine dem inländi1 Menck, DStZ A 1978, 106 ff. 2 BFH v. 12.11.1986 – I R 192/85, BStBl. II 1987, 383; vgl. hierzu auch Raupach in FS Beisse, 403 ff.; speziell zum Trennungsprinzip BVerfG v. 12.10.2010 – 1 BvL 12707, BVerfGE 127, 224 (245). 3 Hierzu die Abkommensübersicht bei Wassermeyer in F/W/B/S, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 104. 4 Wassermeyer in F/W/B/S, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 105; Wassermeyer in FS Flume, 323 ff.; Haun/Reiser/Cortez in H/K/G/R, Vorbem. §§ 7–14 AStG Rz. 112; vgl. auch Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 150. 5 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band I2, 1330.
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C. Systematische Einordnung
schen Steuerniveau entsprechende Steuerbelastung sicherstellen. Damit wird im Ergebnis beim inländischen Gesellschafter Soll-Einkommen besteuert.1 § 42 AO und die §§ 7 bis 14 AStG unterscheiden sich aber sowohl von den Tatbestandsvoraussetzungen als auch von der Rechtsfolgeseite her. § 42 AO wurde von der höchstrichterlichen Rechtsprechung in der Vergangenheit insbesondere im Zusammenhang mit sog. Basisgesellschaften angewendet.
13.23
3. Exkurs: Basisgesellschaften Literatur Brosig, Zur steuerlichen Behandlung von Basisgesellschaften, Frankfurt 1993; Dreßler, Gewinn- und Vermögensverlagerungen in Niedrigsteuerländer und ihre steuerliche Überprüfung, 4. Aufl. Köln 2007; Flick/Wassermeyer, Grundsatzurteil zum Oasenerlaß?, Anmerkung zum Urteil des BFH vom 21.5.1971 III 125–127/70, DB 1972, 110; Friedrich, Die Basisgesellschaft als Instrument betrieblicher Steuerpolitik, Köln 1980; Gibbons, Tax effects of basing international business abroad, in Harvard Law Review 69 (1956), 1206; Gosch, Die Zwischengesellschaft nach „Hilversum I und II“, „Cadbury Schweppes“ und den Jahressteuergesetzen 2007 und 2008, in Kirchhof/Nieskens (Hrsg.), FS für Reiß, Köln 2008, 597; Gosch, Missbrauchsabwehr im Internationalen Steuerrecht, DStJG 36 (2013), 201; Großfeld, Basisgesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Tübingen 1974; Kluge, Basisgesellschaften und Doppelbesteuerungsabkommen, RIW 1975, 525; Kraft, Schlussfolgerungen aus der BFH-Rechtsprechung zur Abgrenzung des § 42 AO von den §§ 7 ff. AStG aus der Sicht der internationalen Steuerberatung, IStR 1993, 148; Quilitzsch, Die Hinzurechnungsbesteuerung als Instrumentarium zur Missbrauchsbekämpfung – Defizite der §§ 7–14 AStG de lege lata und Reformüberlegungen, Ubg 2011, 942; Salditt, Steuerlast und Wanderlust, StuW 1972, 12; Schön, Rechtsmissbrauch und Europäisches Steuerrecht, in Kirchhof/ Nieskens (Hrsg.), FS für Reiß, Köln 2008, 571; Seidel, Gewinnverschiebungen über die Grenze, Düsseldorf 1972; Selling, Ausländische Holding-, Vermögens- und Dienstleistungsgesellschaften im Licht des § 42 AO, RIW 1991, 235; Selling, Die Abschirmwirkung ausländischer Basisgesellschaften gegenüber dem deutschen Fiskus, DB 1988, 930; Söffing, Sinn und Widersinn der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, StVj. 1992, 51; Striegel, Steuerflucht durch Basisunternehmen, München 1973; Sutterer, Die internationalen Basisgesellschaften und ihre steuerrechtliche Behandlung, Diss. Mannheim 1969; Vanistendael, Halifax und Cadbury Schweppes: one single European theory of abuse in tax law?, EC Tax Revue 2006, 192; Winkelmann, Steuerumgehung durch die Einschaltung ausländischer Kapitalgesellschaften, Frankfurt 1997; Wurster, Die ausländische Basisgesellschaft, Thun/Frankfurt 1984; Wurster, Scheingeschäft bei Basisgesellschaften, DB 1983, 2057.
Der Begriff der Basisgesellschaft2 ist gesetzlich nicht normiert.
13.24
Im Hinblick darauf finden sich in der Literatur unterschiedliche Definitionen, die überwiegend die Basisgesellschaft als Instrument der Steuerflucht oder der Einkünfteverlagerung in das Ausland bezeichnen.3 Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat auf eine Definition gänzlich verzichtet. Sie versteht den Begriff der Basisgesellschaft vielmehr als Typusbegriff,4 womit sie sich zugleich den Spiel-
13.25
1 Zur Rechtfertigung unter dem Gesichtspunkt des Leistungsfähigkeitsprinzips Schaumburg in FS Tipke, 125 (140 f.). 2 Die Begriffsprägung „base company“ geht auf Gibbons, in Harvard Law Review 69 (1956), 1206 (1207) zurück. 3 Hierzu die Übersicht bei Friedrich, Die Basisgesellschaft als Instrument betrieblicher Steuerpolitik, 23 ff. 4 Hierzu Larenz, Methodenlehre6, 218 ff., 461 ff.; Englisch in Tipke/Lang22, § 5 Rz. 53 f.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
raum verschafft, den sie zu benötigten glaubt, um insbesondere im Anwendungsbereich des § 42 AO zu von ihr für angemessen gehaltenen Ergebnissen zu gelangen. 13.26
Wenn auch Begriff und Wesen der Basisgesellschaft im Einzelnen umstritten sind, kann unter steuerlichen Gesichtspunkten eine Basisgesellschaft als eine Auslandsgesellschaft bezeichnet werden, durch deren Einschaltung Einkünfte und Vermögen der inländischen Besteuerung entzogen werden sollen. Gefordert wird hierbei regelmäßig die Einkünfteverlagerung in Niedrigsteuerländer (Steueroasen).
13.27
Der Begriff der Basisgesellschaft lässt sich durch folgende Elemente umschreiben:1 – Eine steuerliche Abschirmwirkung ggü. der deutschen Besteuerung vermögen nur solche Gesellschaften zu entfalten, die aus der Sicht des deutschen Körperschaftsteuerrechts steuerrechtsfähig sind und im Inland weder ihren Sitz noch ihren Ort der Geschäftsleitung haben. Basisgesellschaften sind daher durchweg ausländische Kapitalgesellschaften.2 – Die ausländische Gesellschaft muss grundsätzlich deutsch beherrscht sein, das heißt, unbeschränkt steuerpflichtige Personen müssen infolge ihrer unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligung oder über Treuhänder in der Lage sein, die Gesellschaft zu beherrschen und diese in Einkünfteverlagerungen einzuschalten.3 – Da die Einschaltung von Basisgesellschaften auf die Erzielung von Steuervorteilen gerichtet ist, muss der Staat, in dem die Gesellschaft ansässig ist, erhebliche Steuervorteile4 gewähren. Diese Steuervorteile können entweder spezieller Natur sein oder allgemein bestehen. Standorte für Basisgesellschaften sind daher zumeist die sog. Steueroasenländer oder Niedrigsteuerländer.5 – Da Basisgesellschaften dem Zweck dienen, in Einkünfteverlagerungen eingeschaltet zu werden, sind deren geschäftliche Interessen typischerweise außerhalb des Sitzlandes angesiedelt, und zwar entweder im Wohnsitzstaat der Gesellschafter oder in Drittländern. Im Hinblick darauf werden ausländischen Gesellschaften im Sitzstaat Steuervorteile häufig nur dann gewährt, wenn sie dort keine geschäftliche Tätigkeit ausüben.6 – Basisgesellschaften unterhalten zumeist keinen nennenswerten eigenen Geschäftsbetrieb. Ihre Geschäftstätigkeiten gehen über die bloße Vermögensver-
1 Hierzu Gosch in FS Reiß, 597 (598). 2 Diesem Merkmal entspricht § 7 Abs. 1 AStG. 3 BFH v. 21.10.1988 – III R 194/84, BStBl. II 1989, 216; v. 9.5.1979 – I R 126/77, BStBl. II 1979, 586; v. 29.10.1981 – I R 89/80, BStBl. II 1982, 150; v. 10.11.1983 – IV R 62/82, BStBl. II 1984, 605; v. 26.7.1995 – I R 78/93, I R 86/94, I R 78/93, I R 86/94, BFH/NV 1996, 383, dieses Erfordernis verlangt auch § 7 Abs. 1 und 2 AStG; anders bei Kapitalanlageeinkünften gem. § 7 Abs. 6, 6a AStG. 4 § 8 Abs. 3 AStG zieht eine absolute Grenze von 25 % Ertragsteuerbelastung. 5 Vgl. hierzu die Länderaufstellung in zu BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.3.2.2 Anlage 1; aufgrund der sog. Panama Papers sind im Frühjahr 2016 insbesondere Basisgesellschaften in Panama bekannt geworden. 6 Das gilt z.B. für die Privilegien für Sitzgesellschaften in der Schweiz.
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waltung nicht hinaus. In aller Regel handelt es sich hierbei um Verkaufs-, Einkaufs-, Finanzierungs-, Patentverwertungs- und Holdinggesellschaften.1 Der „Steuerflucht“ durch Einschaltung von Basisgesellschaften mit dem Ziel, Einkünfte der inländischen Besteuerung gegenüber abzuschirmen, hat man in der Vergangenheit mitunter durch Nichtanerkennung dieser Basisgesellschaften oder einzelner geschäftlicher Transaktionen mit diesen Herr zu werden versucht. Diese Nichtanerkennung wurde vor allem auf § 5 Abs. 1 StAnpG (§ 41 Abs. 2 AO: Scheingeschäfte), auf § 1 Abs. 2 StAnpG (wirtschaftliche Betrachtungsweise), auf § 11 Nr. 3 StAnpG (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO: Treuhandschaft) sowie auf § 6 StAnpG (§ 42 AO: Steuerumgehung) gestützt.
13.28
Ein Scheingeschäft, das gem. § 41 Abs. 2 AO für die Besteuerung unerheblich ist, liegt vor, wenn sich die Vertragsbeteiligten über den Scheincharakter des Rechtsgeschäftes einig sind.2 Hiervon kann bei der Errichtung und Einschaltung von Basisgesellschaften regelmäßig nicht ausgegangen werden, weil die Betroffenen, die sich einer Basisgesellschaft bedienen, nach ihrer Vorstellung gerade die hiermit verbundenen Rechtsfolgen wollen, um das angestrebte Ziel zu erreichen.3 Werden allerdings die notwendigen Folgerungen aus der Errichtung und Einschaltung von Basisgesellschaften bewusst nicht gezogen, etwa Vermögensgegenstände tatsächlich nicht übertragen oder abgeschlossene Rechtsgeschäfte ernstlich nicht durchgeführt, ist § 41 Abs. 2 AO zu bejahen.4
13.29
Die wirtschaftliche Betrachtungsweise, die in § 1 Abs. 3 StAnpG kodifiziert war und deren gesetzliche Verankerung in der Abgabenordnung 1977 nicht für erforderlich gehalten wurde,5 findet zwar als Methode der Rechtsfindung unverändert Anwendung,6 sie kann aber kein taugliches Instrumentarium zur Bekämpfung von Basisgesellschaften bieten, denn die wirtschaftliche Betrachtungsweise vermag nicht, eine tatsächlich existente juristische Person wirtschaftlich in eine NichtPerson zu transformieren.7 Ebenso wenig vermag die wirtschaftliche Betrachtungsweise Transaktionen mit Basisgesellschaften in „Nichts“ umzuqualifizieren.
13.30
Im Falle einer Treuhandschaft sind Wirtschaftsgüter gem. § 39 Abs. 2 AO steuerlich nicht dem Treuhänder, sondern dem Treugeber zuzurechnen. Anfangs wurde seitens der höchstrichterlichen Rechtsprechung § 11 Nr. 3 StAnpG (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO) auch auf Basisgesellschaften angewendet.8 Danach wurde eine
13.31
1 Zu den typischen Basisfunktionen der Überblick bei Friedrich, Die Basisgesellschaft als Instrument betrieblicher Steuerpolitik, 77 ff.; Striegel, Steuerflucht durch Basisunternehmen, 45 ff.; Selling, RIW 1991, 235 ff. 2 Armbrüster in MüKo7, § 117 BGB Rz. 8; Drüen in T/K, § 41 AO Rz. 65. 3 BFH v. 21.10.1988 – III R 194/84, BStBl. II 1989, 216; v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695; vgl. den Überblick über die einschlägige Literatur bei Friedrich, Die Basisgesellschaft als Instrument betrieblicher Steuerpolitik, 69 ff. 4 BFH v. 21.10.1988 – III R 194/84, BStBl. II 1989, 216; zu weiteren Einzelheiten Wurster, DB 1983, 2057 ff. 5 Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 200, 321. 6 Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 320 ff. 7 Im Einzelnen Friedrich, Die Basisgesellschaft als Instrument betrieblicher Steuerpolitik, 77 ff. 8 BFH v. 21.5.1971 – III R 125–127/70, BStBl. II 1971, 721 (sog. 1. Treuhandurteil); vgl. zur Kritik Flick/Wassermeyer, DB 1972, 110 ff.; Salditt, StuW 1972, 12 (27).
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
in einem Oasenland gegründete Basisgesellschaft dann als treuhänderisches Eigentum dem im Inland ansässigen Anteilseigner unmittelbar zugerechnet, wenn kein Interessenübergang von dem Anteilseigner auf die Basisgesellschaft stattgefunden und der Anteilseigner sich alle Grundsatzentscheidungen vorbehalten hatte. Diese Rechtsprechung wurde allerdings unter Hinweis auf das im Steuerrecht verankerte allgemein gültige Trennungsprinzip, wonach eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit im Körperschaftsteuerrecht stets als ein vom Gesellschafter gesondertes und eigenständiges Steuersubjekt anzusehen ist, für den Fall einer das gesamte Vermögen dieser Kapitalgesellschaft erfassenden Treuhandschaft aufgegeben.1 Daher kann eine Zurechnung über § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO allenfalls aufgrund eines vereinbarten Treuhandverhältnisses für einzelne Wirtschaftsgüter einer Basisgesellschaft in Betracht kommen.2 13.32
Heute werden in der Besteuerungspraxis Basisgesellschaften insbesondere unter dem Gesichtspunkt des Orts der Geschäftsleitung (§ 10 AO)3 beurteilt. Denn nicht selten werden bei Basisgesellschaften ohne eigenen Geschäftsbetrieb die Geschäfte ausschließlich oder überwiegend vom Inland aus geführt. In derartigen Fällen ist die Basisgesellschaft mit ihren gesamten Einkünften unmittelbar selbst unbeschränkt steuerpflichtig. Befindet sich der Ort der Geschäftsleitung der Basisgesellschaft im Ausland, kommt entweder die Anwendung des § 42 AO oder der §§ 7 bis 14 AStG in Betracht.
13.33
Vom Tatbestand her greift § 42 AO dann ein, wenn der Steuerpflichtige4 eine unangemessene rechtliche Gestaltung wählt, die bei ihm oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt (§ 42 Abs. 2 Satz 1 AO),5 also Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts wählt, die ggü. den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen unangemessen, das heißt, durch keine wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen Gründe gerechtfertigt sind. Die Rechtsprechung hat hierzu in zahlreichen Entscheidungen den Tatbestand des § 42 AO6 vor allem dann als erfüllt angesehen, wenn für die Errichtung von Auslandsgesellschaften wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet wird.7 Die Frage, ob für die Errichtung der Auslandsgesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe vorliegen, beur1 BFH v. 29.1.1975 – I R 135/70, BStBl. II 1975, 553 (sog. 2. Treuhandurteil). 2 Friedrich, Die Basisgesellschaft als Instrument betrieblicher Steuerpolitik, 96 ff. 3 Vgl. zum Ort der Geschäftsleitung Rz. 7.2 f.; speziell zu Basisgesellschaften Friedrich, Die Basisgesellschaft als Instrument betrieblicher Steuerpolitik, 80 ff. 4 § 42 AO findet auch auf beschränkt steuerpflichtige Personen Anwendung; BFH v. 29.10. 1997 – I R 35/96, BStBl. II 1998, 235; v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819. 5 Zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen Drüen in T/K, Vor § 42 AO Rz. 17 ff. 6 Aus der ab 2008 geltenden Neuregelung ergeben sich insoweit keine Änderungen. 7 Aus der umfangreichen Rechtsprechung nur BFH v. 29.1.1975 – I R 135/70, BStBl. II 1975, 553; v. 29.7.1976 – VIII R 116/72, BStBl. II 1977, 268; v. 9.12.1980 – VIII R 11/77, BStBl. II 1981, 339; v. 5.3.1986 – I R 201/82, BStBl. II 1986, 496; v. 23.10.1991 – I R 40/89, BStBl. II 1992, 1026; v. 28.1.1992 – VIII R 7/88, BStBl. II 1993, 84; v. 10.6.1992 – I R 105/89, BStBl. II 1992, 1029; v. 19.1.2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222; v. 19.1.2000 – I R 117/97, BFH/NV 2000, 824; v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819; v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50; v. 25.2.2004 – I R 42/02, BStBl. II 2005, 14.
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C. Systematische Einordnung
teilt sich nach der Rechtsprechung nicht allein nach dem in dem Statut niedergelegten Gesellschaftszweck oder den Angaben der Gründer, sondern nach dem tatsächlichen Vollzug des Gesellschaftszwecks, so wie er nach außen in Erscheinung tritt.1 Es reichen damit nicht nur beachtliche wirtschaftliche Motive für die Errichtung einer Auslandsgesellschaft aus, vielmehr muss diese eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfalten. Beim Fehlen wirtschaftlicher Gründe für die Errichtung einer Auslandsgesellschaft werden von der Rechtsprechung als sonst beachtliche Gründe nur solche anerkannt, die sich auf die Wahl des Sitzes und der Rechtsform der Gesellschaft beziehen, soweit sich diese Wahl mit außersteuerlichen Gründen rechtfertigen lässt.2 Kann beides nur mit der Absicht der Steuerersparnis erklärt werden, fehlt es an sonst beachtlichen Gründen für die Errichtung der Auslandsgesellschaft.3 Die von der Rechtsprechung geforderte wirtschaftliche Betätigung ist bei einer eigenwirtschaftlich funktionslosen Basisgesellschaft nicht gegeben.4 Verlangt wird daher mehr als das Halten von Beteiligungen oder das Halten und Verwalten von sonstigem Vermögen, so dass etwa entgeltliche Kapitalüberlassungen sowie Wertpapiergeschäfte ausreichen,5 wobei ein Outsourcing unschädlich ist.6
13.34
Was als missbräuchlich i.S. von § 42 AO anzusehen ist, ist letztlich eine Frage der Wertung. Hierbei sind die vom Gesetzgeber selbst gesetzten Wertungsmaßstäbe zu berücksichtigen. Derartige Wertungsmaßstäbe können wegen der vergleichbaren Zielsetzung den §§ 7 bis 14 AStG entnommen werden.7 Hier hat der Gesetzgeber die Entscheidung getroffen, niedrig besteuerte Auslandsgesellschaften anzuerkennen und die Einkünfte aus passivem Erwerb dieser Gesellschaften der Besteuerung zu unterwerfen. Diese gesetzgeberische Wertentscheidung ist auch für § 42 AO bindend. So wird etwa durch das bloße Erzielen von Einkünften aus passivem Erwerb nicht der Tatbestand des § 42 AO erfüllt.8
13.35
1 Z.B. BFH v. 16.1.1976 – III R 92/74, BStBl. II 1976, 401. 2 BFH v. 24.2.1976 – VIII R 155/71, BStBl. II 1977, 265. 3 BFH v. 29.7.1976 – VIII R 142/73, BStBl. II 1977, 263; vgl. im Übrigen zum Abkommensmissbrauch durch Zwischenschaltung von ausländischen Kapitalgesellschaften (treaty shopping) Rz. 19.127 ff. 4 BFH v. 27.8.1997 – I R 8/97, BStBl. II 1998, 163; v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819; v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50; v. 17.11.2004 – I R 55/03, BFH/NV 2005, 1016; v. 31.5.2005 – I R 74/04, I R 88/04, BStBl. II 2006, 118. 5 BFH v. 19.1.2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222; v. 25.2.2004, BStBl. II 2005, 14; strenger noch die vorangegangene Rspr. z.B. BFH v. 21.1.1976 – I R 234/73, BStBl. II 1976, 513; v. 24.2.1976 – VIII R 55/72, BStBl. II 1977, 266; v. 29.7.1976 – VIII R 116/72, BStBl. II 1977, 265; zu dieser Entwicklung in der Rspr. Gosch in FS Reiß, 597 (598 ff.). 6 BFH v. 19.1.2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222; v. 25.2.2004 – I R 42/02, BStBl. II 2005, 14; einschränkend noch BFH v. 27.8.1997 – I R 8/97, BStBl. II 1998, 163, wonach darauf abgestellt wird, ob das Outsourcing seinerseits einer endgültigen Steuerersparnis dient und wirtschaftlich oder sonst beachtliche Gründe hierfür gegeben sind. 7 Wassermeyer in F/W/B/S, vor §§ 7–14 AStG Rz. 23 f.; im Übrigen ist auch § 50d Abs. 3 EStG relevant; hierzu Gosch in FS Reiß, 597 (613 ff.). 8 BFH v. 23.10.1991 – I R 40/89, BStBl. II 1992, 1026; v. 10.6.1992 – I R 117/97, BStBl. II 1992, 1029; v. 23.11.2000 – IV R 85/99, BStBl. II 2001, 122; v. 20.3.2001 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50; hierzu Gosch in FS Reiß, 597 (602 f.).
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
13.36
Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat zum Konkurrenzverhältnis des § 42 AO einerseits und der §§ 7 bis 14 AStG andererseits folgende Grundsätze aufgestellt:1 – Im Ausgangspunkt ist § 42 AO ggü. den §§ 7 bis 14 AStG logisch vorrangig, weil die Rechtsfolge des § 42 AO bereits bei der Einkünftezurechnung ansetzt und die Einkünfte von vornherein dem zurechnet, der sie bei unterstellter angemessener Gestaltung erzielt hätte. Demgegenüber behandeln die §§ 7 bis 14 AStG die (ausländische) Zwischengesellschaft als Einkünfteerzielungssubjekt, so dass ihr die von ihr erzielten Einkünfte aus passivem Erwerb auch steuerlich zugerechnet werden und erst auf einer weiteren Stufe diese Einkünfte so besteuert werden, als hätte die Zwischengesellschaft die von ihr erzielten und ihr zugerechneten Einkünfte zum frühestmöglichen Zeitpunkt ausgeschüttet. – Der logische Vorrang des § 42 AO setzt voraus, dass dessen Tatbestandsmerkmale sämtlich erfüllt sind. Das ist nicht der Fall, wenn – die Hinzurechnungsbesteuerung, auf die Gesamtdauer der Gestaltung gesehen, eine höhere inländische Steuer auslöst2 oder – die Unangemessenheit der Gestaltung ausschließlich auf Tatumständen beruht, die nach § 8 AStG die Einkünfte einer Auslandsgesellschaft als Zwischeneinkünfte qualifizieren.3
13.37
Aus diesen Grundsätzen ergibt sich, dass im Ergebnis § 42 AO durch die §§ 7 bis 14 AStG verdrängt wird, soweit über das Erzielen von Einkünften aus passivem Erwerb hinaus keine weiteren Umstände vorliegen, die die Einschaltung einer Auslandsgesellschaft als unangemessen – als Manipulation – erscheinen lassen. Das bloße Erzielen von Einkünften aus passivem Erwerb rechtfertigt daher, für sich genommen, keinen Missbrauchsvorwurf i.S. des § 42 AO. Die Anwendung des § 42 AO wird im Ergebnis auf sog. Briefkastengesellschaften ohne eigene Geschäftsräume und ohne eigenes Personal beschränkt und damit insoweit die Ausnahme sein.4
13.38
Dass die Anwendung des § 42 AO in dem hier interessierenden Zusammenhang die Ausnahme sein wird, ergibt sich auch auf Grund der Schrankenwirkung der europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten.5 Gemessen hieran wird das Missbrauchsverdikt sich ggü. den Grundfreiheiten nur dann legitimieren können, 1 BFH v. 23.10.1991 – I R 40/89, BStBl. II 1992, 1026; v. 10.6.1992 – I R 105/89, BStBl. II 1992, 1029; v. 23.11.2000 – IV R 85/99, BStBl. II 2001, 122; v. 20.3.2001 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50; zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B/S, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 91 f.; Kraft, IStR 1993, 148 ff.; Gosch in FS Reiß, 597 (602 f.). 2 Vgl. BFH v. 12.7.1989 – I R 46/85, BStBl. II 1990, 113; v. 23.10.1991 – I R 40/89, BStBl. II 1992, 1026; v. 10.6.1992 – I R 105/89, BStBl. II 1992, 1029. 3 BFH v. 23.10.1991 – I R 40/89, BStBl. II 1992, 1026; v. 10.6.1992 – I R 105/89, BStBl. II 1992, 1029. 4 Hierzu Winkelmann, Steuerumgehung durch die Einschaltung ausländischer Kapitalgesellschaften, 73 (202 ff.); Kraft, IStR 1993, 148 (153); Gosch in FS Reiß, 597 (602, 604 f.); zu steuerstrafrechtlichen Problemen im Zusammenhang mit Basisgesellschaften Schaumburg in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 15.214 ff. 5 EuGH v. 21.11.2002 – Rs. C-436/00 – X und Y, Slg. 2002, I-10829 f., Tz. 42; v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, Slg. 2006, I-7995, Tz. 52; Vanistendael, EC Tax Revue 2006, 192 (194); Schön in FS Reiß, 571 (579).
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C. Systematische Einordnung
wenn es sich um rein künstliche Konstruktionen handelt, bei denen die ökonomische Substanz fehlt.1 Im Hinblick darauf wird in EU-Staaten gegründeten Kapitalgesellschaften die steuerliche Anerkennung in aller Regel nicht versagt werden können.2 Damit gilt: Hat die Kapitalgesellschaft in dem anderen Land einen funktionserfüllten Ort der Geschäftsleitung,3 bleibt das Missbrauchsverdikt gem. § 42 AO von vornherein versagt.4 Die Grundfreiheiten entfalten indessen auch Schrankenwirkungen ggü. der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 bis 14 AStG) mit der Folge, dass insbesondere eine Hinzurechnungsbesteuerung nicht schon dann gerechtfertigt ist, wenn die ausländische Gesellschaft Einkünfte aus passivem Erwerb erzielt.5 Das gilt auch unter dem Gesichtspunkt von Art. 3 Abs. 1 GG. 4. Investmentfonds Literatur Kommentare zum InvStG und zu § 7 Abs. 7 AStG; Angsten, Praxisfälle des Investmentsteuerrechts und der Hinzurechnungsbesteuerung, IWB 2015, 199; Bachmann/Richter, KapitalInvestitionsgesellschaften im Spannungsfeld zwischen InvStG und Hinzurechnungsbesteuerung, DB 2014, 274; Dettmeier/Dörr, Geplante Änderungen der Unternehmensbesteuerung in den Regierungsentwürfen zum Richtlinien-Umsetzungsgesetz und EG-Amtshilfe-Anpassungsgesetz, BB 2004, 2383; Elser/Stadler, Einschneidende Änderungen der Investmentbesteuerung nach dem nunmehr in Kraft getretenen AIFM-Steuer-Anpassungsgesetz, DStR 2014, 233; Haug, Investmentfonds und Außensteuerrecht: Abgrenzungsfragen nach dem InvStRefG, IStR 2016, 597; Richter, Die Auswirkungen der geplanten Reform der Investmentbesteuerung auf das Verhältnis zur Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 bis 14 AStG, Ubg 2016, 9; Richter/Moser/Bachmann/Kraft, Das Verhältnis des novellierten Investmentsteuerrechts zu den Vorschriften der §§ 7–14 AStG – eine Orientierungshilfe, Ubg. 2014, 694; Schnitger/Schachinger, Das Transparenzprinzip im Investmentsteuergesetz und seine Bedeutung für das Zusammenwirken mit den Vorschriften über die Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 ff. AStG, BB 2007, 801; Stadler/Bindl, Das neue InvStG – Überblick und Korrekturbedarf, DStR 2016, 1593; Watrin/Eberhardt, Problembereiche der Anlegerbesteuerung bei Kapital-Investitionsgesellschaften, DB 2014, 795; weitere Literaturhinweise zum InvStG bei Rz. 12.1.
Erträge aus Anteilen an ausländischem Investmentvermögen (ausländische Investmentfonds) gehören zu den steuerpflichtigen Einkünften, wenn es sich um auf diese Anteile ausgeschüttete oder um ausschüttungsgleiche Erträge sowie um Zwischengewinne handelt (§ 2 Abs. 1 InvStG 2004). Soweit das Investmentvermögen zugleich als Zwischengesellschaft gem. § 7 Abs. 1, 6 AStG zu qualifizieren ist, droht eine Doppelbesteuerung nach den für die transparente Besteuerung (Rz. 12.7 ff.) maßgeblichen Regeln des InvStG 2004 einerseits und denen der §§ 7 bis 14 AStG andererseits. Es geht hierbei insbesondere um ausschüttungs1 Schön in FS Reiß, 571 (585). 2 Entsprechend EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 – Centros, Slg. 1999, I-1459, Tz. 23 f.; v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 – Überseering, Slg., 2002, I-9919, Tz. 78 f.; v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 – Inspire Art, Slg. 2003, I-10155, Tz. 95 f. 3 Zu den hierfür maßgeblichen Erfordernissen Rz. 7.2 f. 4 Hierzu Schön in FS Reiß, 571 (588 f.). 5 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, Slg. 2006, I-7995, Tz. 54; zu dem hierauf aufbauenden § 8 Abs. 2 AStG vgl. Rz. 13.140 ff.
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13.39
Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
gleiche Erträge, deren Besteuerung trotz Thesaurierung nach dem InvStG 2004 gewährleistet ist (Rz. 13.13). Dieses auf Doppelbesteuerung gerichtete Konkurrenzverhältnis löst § 7 Abs. 7 AStG dahingehend auf, dass der Besteuerung nach dem InvStG Vorrang eingeräumt wird.1 Die steuerliche Erfassung etwaiger Hinzurechnungsbeträge des an dem Investmentvermögen beteiligten Steuerinländers unterbleibt somit.2 Die Hinzurechnungsbesteuerung tritt bereits dann zurück, wenn eine Besteuerung nach dem InvStG 2004 abstrakt eingreift, ohne dass es darauf ankommt, ob eine Steuer tatsächlich festgesetzt oder gar bezahlt wurde.3 § 7 Abs. 7 AStG kommt des Weiteren auch dann zur Anwendung, wenn die ausländische Gesellschaft nicht selbst als Investmentfonds ausgestaltet ist, sondern an einem in- oder ausländischen Investmentfonds beteiligt ist4, und zwar auch dann, wenn die ausländische Gesellschaft derart beteiligt ist, dass sie selbst zu einem mittelbaren Fonds (Dachfonds) wird.5 Erfasst werden schließlich über § 14 Abs. 1 Nr. 3 AStG (Rz. 13.222 ff.) auch mehrstufige Investmentverhältnisse: Auf Ebene der ausländischen Obergesellschaft sind die Anteile an den Investmentfonds nach § 10 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 AStG unter Anwendung der Vorschriften des InvStG 2004 zu ermitteln, so dass § 7 Abs. 7 AStG eingreift und somit auf diesem Wege die Hinzurechnungsbesteuerung ausscheidet.6 Im Hinblick darauf, dass § 7 Abs. 7 AStG namentlich ausschüttungsgleiche Erträge betrifft, diese bei sog. Kapital-Investitionsgesellschaften aber nicht vorgesehen sind, enthält § 19 Abs. 4 InvStG 2004 eine Rückausnahme, so dass insoweit die Hinzurechnungsbesteuerung eingreift. Die Hinzurechnungsbesteuerung tritt indessen dann nicht zurück, wenn die Ausschüttungen und ausschüttungsgleichen Erträge bei Anwendung von DBA von der inländischen Bemessungsgrundlage auszunehmen wären. Hierbei geht es im Wesentlichen um die Anwendung der internationalen Schachtelprivilegien (Rz. 19.545 ff.) sowie um solche Fälle, in denen der unbeschränkt Steuerpflichtige in Folge von Doppelansässigkeit in einem anderen Vertragsstaat als ansässig gilt7 (§ 7 Abs. 7 Satz 2 Halbs. 2 AStG). Durch diese Regelung soll eine Minderbesteuerung vermieden werden. 13.40
Im Anwendungsbereich des InvStG 2018 (Rz. 12.61 ff.) bleibt der Vorrang der Investmentbesteuerung gegenüber der Hinzurechnungsbesteuerung erhalten (§ 7 Abs. 7 AStG).8 Betroffen hierdurch sind vor allem sog. Vorabpauschalen (Rz. 12.77). 1 Das gilt nicht für sog. Kapitalinvestitionsgesellschaften (§§ 1 Abs. 1c, 19 Abs. 4 InvStG 2004), für die die transparente Besteuerung nicht in Betracht kommt; Hinweis: Nach neuem Recht ist eine entsprechende Regelung nicht enthalten; hierzu Haug, IStR 2016, 597 (600, 603). 2 Hierzu Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 225; Reiser/Cortez in H/K/G/R, § 7 AStG Rz. 344. 3 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 225; Reiche in Haase3, § 7 AStG Rz. 160; Dettmeier/Dörr, BB 2004, 2383 (2386). 4 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 225; Moritz/Strohm in Moritz/Jesch, § 2 InvStG Rz. 94. 5 Reiser/Cortez in H/K/G/R, § 7 AStG Rz. 388. 6 Moritz/Strohm in Moritz/Jesch, § 2 InvStG Rz. 94; Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 233 f.; Reiser/Cortez in H/K/G/R, § 7 AStG Rz. 390 ff. 7 Art. 4 Abs. 2 OECD-MA; zu Einzelheiten Rz. 19.202 ff. 8 In der ab 2018 geltenden Fassung (§ 21 Abs. 24 AStG).
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D. Persönliche Tatbestandsvoraussetzungen
Eine Rückausnahme entsprechend § 19 Abs. 4 InvStG 2004 (Rz. 13.39) ist im InvStG 2018 nicht (mehr) vorgesehen.1 Der Anwendungsbereich des § 7 Abs. 7 AStG spielt in der Praxis für die wichtigen Fälle der Dividenden und der Beteiligungsveräußerungsgewinne deshalb keine große Rolle, weil diese zu den Einkünften aus aktiver Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Nr. 8, 9 AStG) gehören, so dass insoweit von vornherein die Voraussetzungen der Hinzurechnungsbesteuerung nicht erfüllt sind.2
13.41
D. Persönliche Tatbestandsvoraussetzungen I. Unbeschränkt steuerpflichtige Personen Die Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 bis 14 AStG kommt nur für unbeschränkt Steuerpflichtige in Betracht. Damit sind als Hinzurechnungssubjekte sowohl natürliche als auch juristische Personen betroffen. Die unbeschränkte Steuerpflicht muss sowohl zum Ende des maßgeblichen Wirtschaftsjahres3 als auch zum Zeitpunkt des Zuflusses des Hinzurechnungsbetrages gem. § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG, also unmittelbar nach Ablauf des maßgeblichen Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft, gegeben sein.4 Von der Rechtsfolge her unterliegt damit der Hinzurechnungsbetrag in seiner durch § 10 Abs. 2 AStG gefundenen Qualifikation als Einkünfte aus Kapitalvermögen oder aus Gewerbebetrieb entweder der Einkommensteuer oder der Körperschaftsteuer. Gehören die Anteile an der ausländischen Gesellschaft zu einem Betriebsvermögen, fällt für den Hinzurechnungsbetrag gegebenenfalls auch Gewerbesteuer an.5 Zu dem Kreis der unbeschränkt steuerpflichtigen Personen zählen auch jene, die der erweiterten oder der fingierten unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen (§§ 1 Abs. 2, 3; 1a EStG; vgl. Rz. 6.37 ff.). Auf eine abkommensrechtliche Ansässigkeit (Rz. 19.194 ff.) kommt es nicht an.6 Soweit die Anteile an der ausländischen Gesellschaft von einer (inländischen) Personengesellschaft gehalten werden, ist wegen deren mangelnder Steuersubjekteigenschaft auf die an ihr beteiligten unbeschränkt steuerpflichtigen natürlichen oder juristischen Personen abzustellen.7 Während für erweitert beschränkt steuerpflichtige Personen § 5 AStG zur Anwendung kommt (Rz. 6.363 ff.), scheiden beschränkt steuerpflichtige Personen aus der Hinzurechnungsbesteuerung aus.8
1 Zur Kritik Haug, IStR 2016, 597 (606). 2 Reiche in Haase3, § 7 AStG Rz. 160 ff.; Vogt in Blümich, § 7 AStG Rz. 99; Schnitger/Schachinger, BB 2007, 801 ff. 3 Zu bestimmen nach ausländischem Recht; hierzu Reiche in Haase3, § 7 AStG Rz. 38. 4 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 9.3, 69. 5 Hierzu Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 9; Reiche in Haase3, § 7 AStG Rz. 9; zur überschießenden Wertungen in diesem Zusammenhang Rz. 10.200, 10.213; ferner Kraft/ Schreiber, IStR 2015, 149. 6 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 9.3. 7 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 9.1; Fuhrmann in Fuhrmann3, § 7 AStG Rz. 46. 8 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 9.3; Reiche in Haase3, § 7 AStG Rz. 35.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
13.43
Unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Hinzurechnungsbesteuerung, die Aufschub- bzw. Abschirmwirkung ausländischer Kapitalgesellschaften ggü. der deutschen Besteuerung zu beseitigen, ist die generelle Suspendierung der Hinzurechnungsbesteuerung für beschränkt steuerpflichtige Personen nicht gerechtfertigt. Denn auch beschränkt steuerpflichtige Personen können sich durch Beteiligung an ausländischen Kapitalgesellschaften ggü. der deutschen Besteuerung abschirmen, sofern die Ausschüttungen aus diesen ausländischen Kapitalgesellschaften der beschränkten Steuerpflicht unterlägen. Damit sind vor allem jene Fälle angesprochen, in denen die Anteile an ausländischen Kapitalgesellschaften zu einem inländischen Betriebsvermögen (Betriebsstätte) des beschränkt Steuerpflichtigen gehören oder aber von einer inländischen Personengesellschaft gehalten werden, an der ein beschränkt Steuerpflichtiger beteiligt ist. Die unterschiedslose Einbeziehung unbeschränkt steuerpflichtiger Personen in den Diskriminierungsrahmen der Hinzurechnungsbesteuerung ist ebenfalls nicht gerechtfertigt. Das gilt insbesondere für Kapitalgesellschaften, die zwar ihren Sitz in Deutschland, den Ort der Geschäftsleitung aber im Ausland haben. Verfügen sie von vorneherein nur über (aktive) Betriebsstätten im Ausland, kann von einer Abschirmwirkung gegenüber der deutschen Besteuerung ebenso wenig die Rede sein wie von einer „Steuerflucht“.
II. Beteiligung an einer ausländischen Gesellschaft 1. Ausländische Gesellschaft 13.44
Voraussetzung für die Hinzurechnungsbesteuerung ist die Beteiligung des unbeschränkt Steuerpflichtigen an einer ausländischen Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse. § 7 Abs. 1 AStG verweist insoweit auf § 1 Abs. 1 KStG, womit im Ergebnis jeder Rechtsträger erfasst werden soll, der weder Geschäftsleitung noch Sitz im Inland hat und der körperschaftsteuerpflichtig wäre, wenn er Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hätte. Maßgeblich ist demnach das deutsche Steuerrecht,1 so dass darauf abzustellen ist, ob etwa die betreffende ausländische Gesellschaft sich nach Aufbau und wirtschaftlicher Bedeutung z.B. mit einer Kapitalgesellschaft deutschen Rechts vergleichen lässt (Typenvergleich).2 Auf die Rechtsfähigkeit des ausländischen Rechtsträgers kommt es nicht an.3 Im Ergebnis werden nur Kapitalgesellschaften, Genossenschaften und wirtschaftliche Vereine – nicht aber z.B. Stiftungen und Trusts –4 von der Reichweite des § 7 Abs. 1 AStG erfasst,5 wenn sie weder Geschäftsleitung noch Sitz im Inland haben und sie körperschaftsteuerpflichtig wären, wenn sie Sitz oder Ge1 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 10; Fuhrmann in Fuhrmann3, § 7 AStG Rz. 50. 2 BFH v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695; v. 3.2.1988 – I R 134/84, BStBl. II 1988, 588; v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263; zur Subjektqualifikation im Einzelnen Rz. 7.7. 3 BFH v. 23.6.1992 – IX R 182/87, BStBl. II 1992, 972; v. 24.3.1998 – I R 49/96, BStBl. II 1998, 649. 4 Vgl. allerdings die Sonderregelung in § 15 Abs. 9 Satz 1 AStG, wonach ausländische Familienstiftungen und Trusts in die Hinzurechnungsbesteuerung einbezogen werden; vgl. Rz. 14.31. 5 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 10.1.
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D. Persönliche Tatbestandsvoraussetzungen
schäftsleitung im Inland hätten.1 Nicht zu den ausländischen Gesellschaften gehören somit doppelt ansässige Gesellschaften, und zwar auch dann nicht, wenn sie gem. Art. 4 OECD-MA (Rz. 19.209 f.) in dem anderen Vertragsstaat als ansässig gelten mit der Folge, dass im Grundsatz dieser allein besteuern darf, soweit nicht etwa in Deutschland eine Betriebsstätte unterhalten wird.2 2. Beteiligungsvoraussetzungen a) Grundsatz Nach dem Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 AStG erfolgt eine Hinzurechnungsbesteuerung nur dann, wenn eine oder mehrere unbeschränkt steuerpflichtige Personen, gegebenenfalls mit erweitert beschränkt steuerpflichtigen Personen zusammen (§ 7 Abs. 2 AStG), zu mehr als der Hälfte an einer Zwischengesellschaft beteiligt sind (Beteiligungsquote). In diesem Fall sind die Einkünfte aus passivem Erwerb bei jedem der unbeschränkt Steuerpflichtigen mit dem Teil steuerpflichtig, der auf die ihm zuzurechnende Beteiligung am Nennkapital der Gesellschaft entfällt (Hinzurechnungsquote). Für die Frage der Mehrheitsbeteiligung kommt es dabei nicht darauf an, ob diese in einer Hand liegt. Es reicht vielmehr aus, dass die Mehrheitsbeteiligung kumulativ durch mehrere Beteiligungen erreicht wird. Nach § 7 Abs. 2 AStG ist eine Mehrheitsbeteiligung nicht nur gegeben, wenn den Steuerinländern mehr als die Hälfte der Anteile zustehen, sondern auch dann, wenn ihnen die Mehrheit der Stimmrechte zuzurechnen ist.
13.45
Zum Sondertatbestand des § 7 Abs. 6 AStG, der in den Fällen von Zwischengesellschaften mit Kapitalanlageeinkünften keine inländische Beherrschung verlangt, s. unter Rz. 13.64.
13.46
Während für die Frage, ob zugerechnet wird, die Mehrheit der Anteile oder der Stimmrechte maßgeblich ist (Beteiligungsquote), kommt es für die Frage, wie viel zugerechnet wird, lediglich auf die jeweilige Beteiligung am Nennkapital an (Hinzurechnungsquote). In beiden Fällen ist auf die Verhältnisse am Ende des maßgeblichen Wirtschaftsjahres abzustellen. Im Hinblick darauf ist es nicht erforderlich, dass die Beteiligung auch noch zum Zeitpunkt der Hinzurechnung, d.h. in der logischen Sekunde nach Ablaufe des Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft, besteht.3 Erfolgt die Gewinnverteilung laut Gesellschaftsvertrag abweichend von dem Beteiligungsverhältnis am Nennkapital, so ist der abweichende Gewinnverteilungsschlüssel maßgeblich (§ 7 Abs. 5 AStG). Diese Bestimmung ermöglicht es u.a., verdeckte Gewinnausschüttungen, die außerhalb der Bilanz den Gewinn der ausländischen Gesellschaft erhöhen, dem jeweiligen Anteilseigner i.S. des § 7 Abs. 1 AStG hinzuzurechnen. § 7 Abs. 5 AStG kommt schließlich auch dann zur Anwendung, wenn der ausländische Rechtsträger über kein Nennkapital, an dem Personen beteiligt sind, verfügt. In diesem Fall löst die bloße Beteiligung am Gewinn die Hinzurechnungsfolge aus.4
13.47
1 Vgl. auch die Aufstellung vergleichbarer ausländischer Gesellschaften im BMF v. 24.12. 1999, BStBl. I 1999, 1076 (Tabellen 1 u. 2). 2 Zu entsprechenden (engen) Gestaltungsmöglichkeiten Reiche in Haase3, § 7 AStG Rz. 43. 3 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 69; Goebel/Schmidt in H/K/G/R, § 7 AStG Rz. 34. 4 Zu weiteren Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 93 ff.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
13.48
Die Hinzurechnungsbesteuerung greift nur bei unmittelbarer Beteiligung ein. Ist die ausländische Gesellschaft, an der der unbeschränkt Steuerpflichtige unmittelbar beteiligt ist, an nachgeschalteten Zwischengesellschaften beteiligt, so werden deren Hinzurechnungseinkünfte gem. § 14 AStG zunächst der Obergesellschaft zugerechnet und unterliegen erst von dort aus der Hinzurechnungsbesteuerung. Dies gilt auch dann, wenn die ausländische Obergesellschaft ihrerseits nicht Zwischengesellschaft ist (Rz. 13.222). b) Beherrschungsbeteiligung
13.49
Während es für die Hinzurechnungsquote nach § 7 Abs. 1 AStG nur auf die unmittelbare Beteiligung am Nennkapital ankommt, so dass von der Hinzurechnungsbesteuerung nur die an der Zwischengesellschaft unmittelbar selbst beteiligten unbeschränkt steuerpflichtigen Personen erfasst werden,1 ist für die nach § 7 Abs. 2 AStG geforderte Beherrschungsquote entscheidend, ob unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern allein oder zusammen mit erweitert beschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern Anteile oder Stimmrechte an der Zwischengesellschaft zu mehr als der Hälfte zuzurechnen sind. Die Beherrschungsquote kann also entweder durch eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung (Beteiligungsquote) oder durch Innehaben von Stimmrechten (Stimmrechtsquote) vermittelt werden. Bei der Errechnung der Beteiligungsquote sind sowohl unmittelbare als auch mittelbare Beteiligungen zu berücksichtigen. Darüber hinaus enthält § 7 Abs. 3 und 4 AStG noch besondere Regelungen.
13.50
Unter welchen Voraussetzungen eine Beteiligung unbeschränkt steuerpflichtiger Personen zu mehr als der Hälfte an Zwischengesellschaften angenommen werden kann, ergibt sich aus § 7 Abs. 2 AStG. Die Legaldefinition des § 7 Abs. 2 AStG stellt darauf ab, ob unbeschränkt steuerpflichtige Personen allein oder zusammen mit Personen i.S. des § 2 AStG zu mehr als der Hälfte beteiligt sind. Wer Person i.S. von § 2 AStG ist, ergibt sich aus § 5 Abs. 1 AStG, wonach es sich hierbei um natürliche Personen handelt, die in den letzten zehn Jahren vor dem Ende ihrer unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Satz 1 EStG als Deutsche insgesamt mindestens fünf Jahre unbeschränkt einkommensteuerpflichtig waren und die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AStG erfüllen. Es handelt sich also um Personen, die fünf Jahre lang als Deutsche während eines Zeitraums von zehn Jahren vor dem Wegzug unbeschränkt steuerpflichtig waren und nunmehr in einem niedrig besteuerten Gebiet ansässig sind. Ob diese Personen die übrigen (sachlichen) Voraussetzungen des § 2 AStG erfüllen, ist ohne Belang.2
13.51
Die schrankenlose Einbeziehung von Personen, die die Grundtatbestandsvoraussetzungen der erweitert beschränkten Einkommensteuerpflicht erfüllen, führt zu unsinnigen, weit über die Grundwertungen der Hinzurechnungsbesteuerung hinausgehenden Ergebnissen. Da die Qualifikation als Person i.S. des § 2 AStG keine zeitliche Limitierung erfährt, ist jede Person, die irgendwann einmal die in § 5 Abs. 1 AStG genannten Voraussetzungen erfüllt hat, lebenslänglich Person i.S. von § 2 AStG, wenn sie nicht in ein hoch besteuertes Gebiet umzieht. Sach1 Zu Besonderheiten bei nachgeschalteten Zwischengesellschaften vgl. Rz. 13.222 ff. 2 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 43; Fuhrmann in Fuhrmann3, § 7 AStG Rz. 87.
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D. Persönliche Tatbestandsvoraussetzungen
gemäß ist indessen allein, die Einbeziehung derartiger Personen in die Beteiligungsquote auf die Dauer der erweiterten beschränkten Steuerpflicht (höchstens elf Jahre) zu beschränken.1 Im Hinblick darauf ist eine teleologische Reduktion des § 7 Abs. 2 Satz 1 AStG im vorgenannten Sinne geboten. Bei der Frage, ob an der Zwischengesellschaft unbeschränkt steuerpflichtige Personen allein oder zusammen mit Personen i.S. von § 2 AStG zu mehr als der Hälfte beteiligt sind, ist auf die von den Gesellschaftern gehaltenen Anteile abzustellen. Eigene Anteile der ausländischen Gesellschaft sind daher bei der erforderlichen Beteiligungsquote nicht mitzurechnen, so dass eigene Anteile der Gesellschaft zugleich die für § 7 Abs. 2 AStG maßgeblichen Beteiligungsquoten der Gesellschafter erhöhen.2
13.52
Für die Berechnung der Beteiligungsquote sind die Beteiligungsverhältnisse am Ende des jeweiligen Wirtschaftsjahres der Zwischengesellschaft maßgebend. Durch die Veräußerung von Anteilen, etwa an ausländische Gesellschafter, kurz vor Ende des Wirtschaftsjahres der Zwischengesellschaft, kann daher die Hinzurechnungsbesteuerung mit Wirkung zum Beginn des Wirtschaftsjahres in vollem Umfange entfallen. Eine Aufteilung der Einkünfte zwischen Veräußerer und Erwerber erfolgt also nicht.3 § 7 Abs. 2 Satz 1 AStG knüpft nicht nur an eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung an der Zwischengesellschaft an, sondern erhebt alternativ auch das Stimmrecht zum Maßstab für die Beherrschungsquote.4 Unter Stimmrecht ist dabei nur das mit der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung verbundene und aus der Mitgliedschaft fließende Mitwirkungsrecht zu verstehen.5 Die nach § 7 Abs. 2 AStG erforderliche Stimmrechtsquote wird vor allem dann Bedeutung erlangen, wenn Anteile mit Mehrstimmrechten ausgestattet sind.
13.53
Für die Berechnung der Beteiligungsquote und Stimmrechtsquote stellt § 7 Abs. 2 Satz 2 AStG auch auf mittelbare Beteiligungen ab. Die vermittelnde Beteiligung kann logisch nur eine solche an einer ausländischen Gesellschaft sein, weil unmittelbare Beteiligungen an einer Zwischengesellschaft schon unter § 7 Abs. 2 Satz 1 AStG fallen.6 Damit sind alle mittelbar über andere ausländische Gesellschaften gehaltenen Beteiligungen und Stimmrechte anteilsmäßig mitzurechnen. Die vermittelnde ausländische Gesellschaft ihrerseits muss nicht inländisch beherrscht sein.7
13.54
1 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 44; Goebel/Schmidt in H/K/G/R, § 7 AStG Rz. 71; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 7.2.1 Nr. 2a. 2 BFH v. 26.10.1983 – I R 200/78, BStBl. II 1984, 258; Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 68; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 7.2.2. 3 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 69, 70; Reiche in Haase3, § 7 AStG Rz. 74 ff. 4 Bei mehreren Beteiligten darf also nicht bei den einen auf die Beteiligung und bei den anderen auf die Stimmrechte abgestellt werden; vgl. hierzu Köhler in S/K/K, § 7 AStG Rz. 92 ff.; Reiche in Haase3, § 7 AStG Rz. 79. 5 Zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 55 ff. 6 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 73; Köhler in S/K/K, § 7 AStG Rz. 105; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 7.1.2; a.A. Reiche in Haase3, § 7 AStG Rz. 84, der die Einbeziehung über inländische Gesellschaften gehaltener Beteiligungen erst bei der Hinzurechnung herausrechnen will. 7 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 74; Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 203; Reiche in Haase3, § 7 AStG Rz. 83.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
13.55
§ 7 Abs. 2 Satz 2 AStG verlangt allerdings, dass über alle Stufen des Beteiligungsaufbaus die Inlandsbeherrschung durchgängig entweder nur durch Anteils- oder nur durch Stimmrechtszurechnung festgestellt wird. Die Inlandsbeherrschung kann sich daher auf der einen Stufe nicht durch Anteilszurechnung und auf der anderen Seite durch Stimmrechtszurechnung ergeben.1
13.56
Im Übrigen gelten die allgemeinen Vorschriften über die Zurechnung von Beteiligungen, so dass etwa Beteiligungen des Treuhänders dem Treugeber und im Sicherungseigentum stehende Beteiligungen dem Sicherungsgeber zuzurechnen sind (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO).2 Nießbrauchsbelastete Anteile sind dagegen nicht dem Nießbrauchsberechtigten, sondern dem Anteilseigner zuzurechnen.3 Für die Zurechnung von Stimmrechten gelten entsprechende Grundsätze.4
13.57
Typische und atypische stille Beteiligungen sowie typische und atypische stille Unterbeteiligungen (§§ 230 ff. HGB) vermitteln keine Beteiligung am Gesellschaftsvermögen, so dass sie bei Errechnung der Beteiligungsquote ohne Belang sind.5 Entsprechendes gilt auch für die Errechnung der Stimmrechtsquote gem. § 7 Abs. 2 Satz 1 AStG.6 Partizipationsscheine, Gewinnscheine und Wandelanleihen vermitteln schließlich ebenfalls keine gesellschaftsrechtliche Beteiligung am Gesellschaftsvermögen.7
13.58
Kennt das ausländische Recht für die in Betracht kommende Zwischengesellschaft weder eine Beteiligung an der Gesellschaft noch ein Stimmrecht im Rahmen der Gesellschaft, so kommt es gem. § 7 Abs. 2 Satz 3 AStG für die Ermittlung der Beteiligungsquote auf die Beteiligung des oder der Steuerinländer am Gesellschaftsvermögen an. Gibt es auch eine derartige Beteiligung am Gesellschaftsvermögen nicht, scheidet eine Hinzurechnungsbesteuerung von vornherein aus.8 Da die wichtigsten Körperschaften ohne Nennkapital, etwa Stiftungen, Trusts und Vereine, zumeist der Sonderregelung des § 15 AStG unterfallen, hat § 7 Abs. 2 Satz 3 AStG als Auffangnorm eine nur sehr geringe Bedeutung. c) Beteiligung über Personengesellschaften
13.59
§ 7 Abs. 3 AStG enthält eine den § 7 Abs. 2 AStG ergänzende Regelung dahingehend, dass Beteiligungen über zwischengeschaltete Personengesellschaften stets als unmittelbare Beteiligungen an Zwischengesellschaften anzusehen sind. Diese Regelung hat ebenso wie § 7 Abs. 2, 4 AStG nur für die Beherrschungsquote Bedeutung9 1 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 66.1; Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 204; Goebel/ Schmidt in H/K/G/R, § 7 AStG Rz. 58; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 7.2.1. 2 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 28 ff. 3 Einzelheiten bei Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 22; Reiche in Haase3, § 7 AStG Rz. 57. 4 Einzelheiten bei Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 59, 62. 5 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 29, 30; Reiche in Haase3, § 7 AStG Rz. 60. 6 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 60; zur Rechtslage bei atypisch stillen Unterbeteiligungen Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 31 f., 61. 7 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG, Rz. 39, 12; Köhler in S/K/K, § 7 AStG Rz. 61. 8 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 80, 93. 9 BFH v. 30.8.1995 – I R 77/94, BStBl. II 1996, 122.
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D. Persönliche Tatbestandsvoraussetzungen
und gilt nicht für das Stimmrecht.1 Die Vorschrift hat nur in den Fällen konstitutive Wirkung, in denen ausländische Personengesellschaften nach dortigem Recht rechtsfähig sind. Insoweit sind insbesondere mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattete Personengesellschaften des romanischen Rechtskreises angesprochen.2 In den übrigen Fällen hat § 7 Abs. 3 AStG lediglich deklaratorische Wirkung, da § 7 Abs. 1 AStG konzeptionell Mitunternehmerschaften als den bloßen personenmäßigen Zusammenschluss von Steuerpflichtigen auffasst, so dass nicht die Mitunternehmerschaften selbst, sondern die Mitunternehmer als beteiligungsfähig angesehen werden.3 § 7 Abs. 3 AStG ist vom Wortlaut her insoweit missglückt, als die dortige Regelung lediglich für unbeschränkt steuerpflichtige Personen, nicht aber ausdrücklich auch für Personen i.S. von § 2 AStG für anwendbar erklärt wird. Da § 7 Abs. 3 AStG indessen lediglich eine Komplementärfunktion zu § 7 Abs. 2 AStG hat, gelten die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift auch für § 7 Abs. 3 AStG, so dass auch erweitert beschränkt steuerpflichtige Personen in die Berechnung der maßgeblichen Beherrschungsquote einzubeziehen sind.4
13.60
d) Weisungsgebundenheit Gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 AStG sind dem unbeschränkt Steuerpflichtigen auch Anteile oder Stimmrechte von Personen zuzurechnen, die seinen Weisungen so zu folgen haben oder so folgen, dass ihnen kein eigener wesentlicher Entscheidungsspielraum verbleibt. Dieser Ergänzungstatbestand hat ausschließlich Bedeutung für die Beherrschungsquote, nicht aber für die Hinzurechnungsquote.5
13.61
Als weisungsgebundene Personen i.S. von § 7 Abs. 4 Satz 1 AStG können nur solche Personen verstanden werden, die wie ein Treuhänder Beteiligungen und Stimmrechte an ausländischen Gesellschaften halten, ohne deshalb Treuhänder im formellen bzw. vertraglichen Sinne zu werden. Im Falle der Treuhandschaft erfolgt nämlich bereits eine Zurechnung unmittelbar über § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO.6 § 7 Abs. 4 Satz 1 AStG erfasst daher lediglich ausländische weisungsgebundene Personen, weil inländische Personen bereits über ihre unmittelbare Beteiligung gem. § 7 Abs. 2 Satz 1 AStG in die Hinzurechnungsbesteuerung einbezogen sind.7 Eine Zurechnung über § 7 Abs. 4 Satz 1 AStG kommt nur dann in Betracht, wenn die Weisungsgebundenheit sich auf die Beteiligung bzw. auf die Ausübung der Stimmrechte bezieht, wobei eine bloße Beteiligung nicht ausreichend ist (§ 7 Abs. 4 Satz 2 AStG). Eine Weisungsgebundenheit in anderen Bereichen, etwa bei der Geschäftsführung, ist ohne Bedeutung.8 Die Weisungsgebundenheit muss so
13.62
1 2 3 4 5 6 7 8
Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 84; Köhler in S/K/K, § 7 AStG Rz. 120. Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 84. Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 85; Köhler in S/K/K, § 7 AStG Rz. 121. Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 87.2; a.A. Reiche in Haase3, § 7 AStG Rz. 93; Goebel/Schmidt in H/K/G/R, § 7 AStG Rz. 102. BFH v. 26.10.1983 – I R 200/78, BStBl. II 1984, 258. Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 90; Reiche in Haase3, § 7 AStG Rz. 99. Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 91.2; Köhler in S/K/K, § 7 AStG Rz. 132; Reiche in Haase3, § 7 AStG Rz. 98; a.A. Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 222. Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 91.3; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 7.4.3.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
gestaltet sein, dass der den Weisungen unterworfenen Person, etwa aufgrund eines Stimmbindungsvertrages,kein eigener Entscheidungsspielraum mehr verbleibt. Es spielt keine Rolle, ob die Weisungsgebundenheit eine vertragliche Grundlage hat oder aber nur faktischer Natur ist. 13.63
Die Reichweite des § 7 Abs. 4 AStG ist ferner insoweit eingeschränkt, als die Zurechnung von Anteilen oder Stimmrechten weisungsgebundener Personen nur für unbeschränkt steuerpflichtige Personen angeordnet wird. Personen i.S. des § 2 AStG sind nicht genannt. Das bedeutet, dass der Weisungsgeber stets unbeschränkt steuerpflichtig sein muss.1 e) Beteiligungsvoraussetzungen bei Kapitalanlageeinkünften
13.64
§ 7 Abs. 6, 6a AStG enthält abweichend von § 7 Abs. 1 AStG hinsichtlich der Beteiligungsvoraussetzungen eine Sonderregelung für Zwischengesellschaften, die Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter erzielen. Betragen die den Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter zugrunde liegenden Bruttoerträge mehr als 10 % aber nicht mehr als 90 % der gesamten Bruttoerträge2 der ausländischen Zwischengesellschaft oder übersteigen die hiernach außer Ansatz zu lassenden Beträge insgesamt 80 000 Euro, so erfolgt insoweit eine Hinzurechnung zum unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner, wenn dieser mindestens zu 1 % an der Zwischengesellschaft beteiligt ist (§ 7 Abs. 6 Satz 1 u. 2 AStG). Betragen die den Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter zugrunde liegenden Bruttoerträge mehr als 90 %3 der gesamten Bruttoerträge der vorgenannten Art, so löst auch eine Beteiligung von weniger als 1 % die Hinzurechnungsfolge aus, es sei denn, die ausländische Gesellschaft ist börsennotiert (§ 7 Abs. 6 Satz 3 AStG).
13.65
Im Hinblick auf die gem. § 7 Abs. 6 AStG im Vergleich zu § 7 Abs. 1 AStG niedriger angesetzte Mindestbeteiligungsquote ergibt sich, dass § 7 Abs. 6 AStG insoweit dem § 7 Abs. 1 AStG vorgeht. Das gilt aber nur solange, wie der unbeschränkt Steuerpflichtige nicht allein oder zusammen mit anderen unbeschränkt oder erweitert beschränkt Steuerpflichtigen (§ 7 Abs. 2 AStG) zu mehr als der Hälfte an der ausländischen Gesellschaft beteiligt ist. Wird diese Beherrschungsquote erreicht, überlagert § 7 Abs. 1 AStG den § 7 Abs. 6 AStG, so dass dessen Rechtsfolge ihre eigenständige Bedeutung verliert.4
13.66
Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter sind gem. § 7 Abs. 6a Satz 2 AStG Einkünfte der ausländischen Zwischengesellschaft, die aus dem Halten, der Verwaltung, Werterhaltung oder Werterhöhung von Zahlungsmitteln, Forderungen, Wertpapieren, Beteiligungen (mit Ausnahme der in § 8 Abs. 1 Nr. 8 und 9 AStG genannten Einkünfte) oder ähnlichen Vermögenswerten stammen, es sei 1 Reiche in Haase3, § 7 AStG Rz. 96. 2 Solleinnahmen ohne durchlaufende Posten und ohne gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer, vgl. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 9.0.1; zu Einzelheiten Reiche in Haase3, § 7 AStG Rz. 121 f. 3 Ausschließlich oder fast ausschließlich; vgl. BFH v. 30.8.1995 – I R 77/94, BStBl. II 1996, 122; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 76.1. 4 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 108; Vogt in Blümich, § 7 AStG Rz. 53.
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D. Persönliche Tatbestandsvoraussetzungen
denn, es wird nachgewiesen, dass sie aus einer Tätigkeit stammen, die einer unter § 8 Abs. 1 bis 6 AStG fallenden eigenen Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft dient.1 Als Einkünfteerzielungssubjekt ist in § 7 Abs. 6a AStG ebenso wie in § 7 Abs. 6 AStG die (ausländische) Zwischengesellschaft bezeichnet. Da beide Vorschriften keine eigenständige Definition der Zwischengesellschaft enthalten, gilt § 7 Abs. 1 AStG, wonach Zwischengesellschaft eine ausländische Gesellschaft mit niedrig besteuerten Einkünften aus passivem Erwerb ist. Hieraus folgt, dass die in § 7 Abs. 6a AStG angesprochenen Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter ebenfalls stets niedrig besteuerte Einkünfte aus passivem Erwerb sind. Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter können daher nur solche Einkünfte sein, die nicht unter den Katalog des § 8 Abs. 1 AStG fallen.2
13.67
Von den Einkünften mit Kapitalanlagecharakter werden typischerweise die Einkünfte von Finanzdienstleistungsgesellschaften erfasst.3 Ausgenommen sind allerdings die in § 8 Abs. 1 Nr. 8 und 9 AStG genannten Gewinnausschüttungen und Beteiligungsveräußerungsgewinne, die ohnehin nicht zu den Einkünften aus passivem Erwerb gehören.4 Im Übrigen werden solche Einkünfte ausgenommen, die funktional mit einer unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG fallenden eigenen (aktiven) Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft stehen. Da insoweit wegen der geltenden funktionalen Betrachtungsweise (Rz. 13.79) Einkünfte aus aktiver Tätigkeit gegeben sind, wirkt diese Ausnahmeregelung ebenfalls nur deklaratorisch.5 Ebenso klarstellend ist der Hinweis auf Investmentgeschäfte (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 KWG), die nur dann Einkünfte aus passivem Erwerb sind, wenn sie (ausnahmsweise) nicht unter § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG fallen.6
13.68
f) Beteiligungsvoraussetzungen bei Einkünften aus einer REIT-AG Ist die ausländische Gesellschaft (Zwischengesellschaft) an einer REIT-AG (Real Estate Investment Trust-AG) beteiligt, werden die Rechtsfolgen einer Hinzurechnungsbesteuerung auch dann ausgelöst, wenn bei der Zwischengesellschaft die Beteiligungsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 AStG nicht erfüllt sind (§ 7 Abs. 8 AStG). Damit soll die Hinzurechnungsbesteuerung auch in den Fällen sichergestellt werden, in denen unbeschränkt Steuerpflichtige Anteile an einer REIT-AG über eine ausländische Zwischengesellschaft halten, ohne dass es auf eine irgendwie geartete Beherrschungsquote ankommt.7 Anderenfalls käme es im Hinblick auf die Steuerbefreiung der REIT-AG (§ 16 REITG) zu ungerechtfertigten Steuervorteilen.8 Unerheblich ist daher, ob unbeschränkt Steuerpflichti1 Ausnahme: Tätigkeiten i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 6 KWG. 2 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 188. 3 Zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 190 ff.; Reiche in Haase3, § 7 AStG Rz. 145 ff. 4 Die Ausnahme wirkt insoweit nur deklaratorisch. 5 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 207. 6 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 209 f. 7 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 251, 254; Jacob in Helios/Wewel/Wiesbrock, REITG, Anh. 2, AStG Rz. 5. 8 Vgl. Reiche in Haase3, § 7 AStG Rz. 172; Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 461 f.; Wassermeyer, IStR 2008, 197.
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13.69
Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
gen allein oder zusammen mit erweitert beschränkt Steuerpflichtigen, mehr als 50 % der Anteile oder der Stimmrechte an der ausländischen Gesellschaft zuzurechnen sind. Maßgeblicher Zeitpunkt dafür, ob überhaupt eine Beteiligung gegeben ist, ist stets das Ende des maßgeblichen Wirtschaftsjahres (§ 7 Abs. 2 AStG),1 wobei allerdings nur eine unmittelbare Beteiligung an der Zwischengesellschaft relevant ist.2 Von der Reichweite des § 7 Abs. 8 AStG werden nur Beteiligungen an einer unbeschränkt Steuerpflichtigen REIT-AG erfasst, die gem. § 16 REITG steuerfrei ist. Aus § 7 Abs. 8 AStG ergibt sich zwar nicht das Erfordernis einer Mindestbeteiligungsquote, diese leitet sich aber aus § 14 Abs. 2 AStG ab, so dass im Ergebnis eine unmittelbare und/oder mittelbare Beteiligung der Zwischengesellschaft an der REIT-AG von mehr als 50 % gegeben sein muss.3 13.70
Ist die ausländische Gesellschaft (Zwischengesellschaft) indessen börsennotiert, gelten die allgemeinen Beteiligungsvoraussetzungen gem. § 7 Abs. 2, 6 AStG.
E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen I. Steuerobjekt 13.71
Während § 7 AStG den Grundtatbestand der Hinzurechnungsbesteuerung enthält und zugleich die persönlichen Tatbestandsvoraussetzungen umschreibt, bestimmt § 8 AStG im Einzelnen, für welche Einkünfte eine ausländische Gesellschaft Zwischengesellschaft ist, welche Einkünfte also überhaupt der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen (Hinzurechnungsobjekt). Insoweit sind die an die ausländische Gesellschaft anknüpfenden sachlichen Tatbestandsvoraussetzungen betroffen. Es geht um die Einkünfte aus passivem Erwerb (§ 8 Abs. 1 AStG) als erste und die Niedrigbesteuerung (§ 8 Abs. 3 AStG) als zweite sachliche Tatbestandsvoraussetzung. Beide sachlichen Tatbestandsvoraussetzungen dienen der Definition der Zwischengesellschaft, die als ausländische Gesellschaft Einkünfte aus passivem Erwerb erzielt, die einer niedrigen Besteuerung im Sitzstaat unterliegen.
13.72
Nach der Grundentscheidung des § 8 AStG muss daher die Aufschub- bzw. Abschirmwirkung ausländischer Gesellschaften ggü. der deutschen Besteuerung dann hingenommen werden, wenn die ausländische Gesellschaft Einkünfte aus aktiver Tätigkeit erzielt oder keiner niedrigen Besteuerung unterliegt.
13.73
Mit der Umschreibung der Einkünfte aus passivem Erwerb in § 8 Abs. 1 AStG hat der Gesetzgeber zugleich eine über die Hinzurechnungsbesteuerung hinausgehende Wertung vorgenommen. Diese Wertung ist insbesondere für die Anwendung von § 42 AO (Gestaltungsmissbrauch) im Zusammenhang mit Basisgesellschaften von Bedeutung. Abgesehen von dem Konkurrenzverhältnis zwischen der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 bis 14 AStG) einerseits und der „Missbrauchsbesteuerung“ (§ 42 AO) andererseits,4 kann eine Basisgesellschaft unter 1 Jacob in Helios/Wewel/Wiesbrock, REITG, Anh. 2, AStG Rz. 5. 2 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 255; Protzen in Kraft, § 7 AStG Rz. 467. 3 Wassermeyer in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 255; Reiche in Haase3, § 7 AStG Rz. 173; Jacob in Helios/Wewel/Wiesbrock, REITG, Anh. 2, AStG, Rz. 34. 4 Vgl. zu dem Konkurrenzverhältnis Rz. 13.22 ff.
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E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen
dem Gesichtspunkt des § 42 AO ohnehin nicht angenommen werden, wenn sie Einkünfte aus aktiver Tätigkeit i.S. von § 8 Abs. 1 AStG erzielt.1 Während § 7 Abs. 1 AStG davon ausgeht, dass „die Einkünfte, für die diese Gesellschaft Zwischengesellschaft ist“, bei den Steuerinländern steuerpflichtig sind, umschreibt § 8 Abs. 1 AStG zugleich das Steuerobjekt der Hinzurechnungsbesteuerung. Steuerobjekt sind danach die von der ausländischen Gesellschaft erzielten Einkünfte aus passivem Erwerb. Auf der Rechtsfolgenseite werden diese Einkünfte auf einer ersten Stufe gem. § 7 Abs. 1 AStG als eigene Einkünfte der unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner behandelt und auf einer zweiten Stufe sodann in ausgeschüttete Dividendenerträge als Einkünfte aus Kapitalvermögen oder Gewerbebetrieb umqualifiziert (§ 10 Abs. 2 AStG).
13.74
Sind nach Maßgabe des § 8 Abs. 1 AStG Einkünfte aus passivem Erwerb gegeben, eröffnet § 8 Abs. 2 AStG die Möglichkeit eines Gegenbeweises dahingehend, dass eine EU-/EWR-Gesellschaft einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit nachgeht mit der Folge, dass eine Hinzurechnungsbesteuerung ausscheidet. Diese aus europarechtlichen Gründen2 gebotene Sonderregelung gewährleistet, dass eine Hinzurechnungsbesteuerung auch dann unterbleibt, wenn die Voraussetzungen von § 8 Abs. l AStG gegeben sind.
13.75
II. Einkünfte aus passivem Erwerb Literatur Kommentare zu § 8 Abs. 1 AStG; Bellstedt, Beteiligungen an ausländischen Zwischengesellschaften nach dem Außensteuergesetz-Entwurf, FR 1972, 242; Bialek/Grillet, CaptiveVersicherung im deutschen und US-amerikanischen Körperschaftsteuerrecht, RIW 1992, 301; Bruckmeier/Zwirner/Künkele, Die Behandlung eigener Anteile – Das BilMoG kürzt das Steuersubstrat und fördert Investitionen in eigene Aktien, DStR 2010, 1640; Diehl, Ausgewählte Fragen zur Anwendung des deutschen Außensteuergesetzes, in Vogel/Ellis u.a., Steueroasen und Außensteuergesetz, München 1981, 59; Förster/Schmidtmann, Steuerliche Gewinnermittlung nach dem BilMoG, BB 2009, 1342; Haase, Der Wechsel zwischen aktiven und passiven Tätigkeiten in § 8 Abs. 1 AStG, IStR 2009, 24; Haase, Ungereimtheiten der sog. Mitwirkungstatbestände des Außensteuergesetzes, IStR 2007, 437; Herrmann/ Steinert, Die funktionale Betrachtungsweise am Beispiel der Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter, IStR 2013, 338; Herzig/Briesemeister, Unterschiede zwischen Handelsund Steuerbilanz nach BilMoG – Unvermeidbare Abweichungen und Gestaltungsspielräume, WPg 2010, 63; Hollatz/Moebus, Ausländische Finanzierungsgeschäfte im Spiegel der Zugriffsbesteuerung, DB 1979, 959; Hollatz/Moebus, Steuerliche Beurteilung von Finanzierungsgeschäften im Ausland, DB 1978, 605; Kamphaus/Weihmann, Hinzurechnungsbesteuerung bei Auslandsumwandlungen – ein Leitfaden für die steuerliche Praxis, Ubg 2009, 502; Köhler, Verdeckte Gewinnausschüttungen und Vorabausschüttungen bei ausländischen Zwischengesellschaften, RIW 1989, 466; Kraft, Ungeklärte Problembereiche der Wirkung von Entstrickungsregeln im System der Hinzurechnungsbesteuerung – eine Aufforderung zur Klarstellung, IStR 2012, 733; Kraft/Nitzschke, Der Kreditinstituts-Begriff des Außensteuergesetzes unter besonderer Berücksichtigung der aufsichtsrechtlichen Einflüsse der 6. KWG-Novelle, IStR 2003, 427; Kraft/Quilitzsch, Belastungswirkungen der Hinzurechnungsbesteuerung unter dem Postulat steuerlicher Wettbewerbsneutralität, ISR 2012, 109; Kraft/Trennheuser, Perspektiven der Behandlung von Umwandlungsgewin1 BFH v. 23.10.1991 – I R 40/89, BStBl. II 1992, 1026; v. 10.6.1992 – I R 105/89, BStBl. II 1992, 1029; zu Einzelheiten Gosch in FS Reiß, 597 ff. 2 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury-Schweppes, Slg. 2006, I-7995.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung nen unter Subpart F und der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung, IStR 2013, 42; Mutter, Internationale Gestaltungen mit Werkverträgen als Handelstätigkeit im Sinne des Außensteuergesetzes, IStR 2006, 262; Parczyk, Was bedeutet „eingerichteter Geschäftsbetrieb“ und „Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr“ in § 8 Abs. 1 des Außensteuergesetzes?, BB 1973, 1158; Piechowski/Lieber, Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 ff. AStG beim Einsatz eigenkapitalähnlicher hybrider Finanzierungen, ISR 2013, 329; Rödder, Ist der Hinzurechnungsbetrag gewerbesteuerpflichtig?, IStR 2009, 873; Ruf/Wohlfahrt, Gewerbesteuerliche Folgen der Hinzurechnungsbesteuerung, Ubg 2009, 496; Runge, Anm. zum BMF-Schreiben v. 10.1.1977, DB 1977, 145; Schaden/Dieterlen, Vorsicht Falle: § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG bei hochbesteuerten Gesellschaften, IStR 2011, 290; Scheidle, Die funktionale Betrachtungsweise des AStG in der Bewährungsprobe, IStR 2007, 287; Schießl, Hinzurechnungsbesteuerung bei Umwandlungen am Beispiel der Verschmelzung einer Körperschaft auf eine andere Körperschaft, DStZ 2009, 207; Schleuder, Die Hinzurechnungsbesteuerung im internationalen Konzern, Neuried 1985; Schmidtmann, Hinzurechnungsbesteuerung bei internationalen Umwandlungen-Neuregelungen durch das SEStEG, IStR 2007, 229; Schnitger, Ausländische Umwandlungen – Fragen im Zusammenhang mit § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG; Schnitger/Rometzki, Ausländische Umwandlungen und ihre Folgen beim inländischen Anteilseigner – Problemfelder vor und nach dem Entwurf des SEStEG, FR 2006, 845; Schönfeld, Probleme der Anwendung von § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG (Anteilsveräußerungsgewinne und -verluste) in mehrstufigen Beteiligungsstrukturen, IStR 2008, 392; Wassermeyer, 25 Jahre Außensteuergesetz, in Klein/Stihl/Wassermeyer/Piltz/ Schaumburg (Hrsg.) Unternehmen/Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 1057.
1. Einkünftezurechnung 13.76
Für die Zurechnung von Tätigkeiten und damit zugleich auch von Einkünften zu ausländischen Gesellschaften gelten auch für den Anwendungsbereich des § 8 Abs. 1 AStG die allgemeinen ertragsteuerrechtlichen Grundsätze.1 Für die den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) zugrunde liegenden insbesondere in § 8 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 AStG genannten Tätigkeiten folgt hieraus: Den Einkünftetatbestand verwirklicht derjenige, der persönlich selbständig, d.h. auf eigene Rechnung und Gefahr gewerblich tätig ist.2 Insoweit kommt es darauf an, wer das Unternehmerrisiko trägt, für wessen Rechnung die Tätigkeit ausgeübt wird.3 Übt daher ein fremder Dritter für Rechnung der ausländischen Gesellschaft eine aktive Tätigkeit aus, erzielt diese insoweit Einkünfte aus aktiver Tätigkeit.4
13.77
Eine derartige Zurechnung von Tätigkeiten und in deren Gefolge auch von Einkünften wird auch mittels einer mitunternehmerischen Beteiligung der ausländischen Kapitalgesellschaft an einer Personengesellschaft ausgelöst.5 Erzielt also eine nachgeschaltete Personengesellschaft Einkünfte aus in § 8 Abs. 1 AStG bezeichneter aktiver Tätigkeit, so sind diese über § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG der beteiligten ausländischen Kapitalgesellschaft nach Maßgabe ihrer Beteiligung zuzurechnen.6 1 BFH v. 1.7.1992 – I R 6/92, BStBl. II 1993, 222; v. 6.12.1995 – I R 40/95, BStBl. II 1997, 118; vgl. hierzu auch Hey in Tipke/Lang22, § 83 Rz. 150 ff. 2 BFH v. 6.12.1995 – I R 40/95, BStBl. II 1997, 118; v. 13.2.1980 – I R 17/78, BStBl. II 1980, 303. 3 BFH v. 1.7.1992 – I R 6/92, BStBl. II 1993, 222, v. 6.12.1995 – I R 40/95, BStBl. II 1997, 118. 4 BFH v. 6.12.1995 – I R 40/95, BStBl. II 1997, 118; v. 1.7.1992 – I R 6/92, BStBl. II 1993, 222; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.0.1. 5 BFH v. 16.5.1990 – I R 16/88, BStBl. II 1990, 1049. 6 BFH v. 16.5.1990 – I R 16/88, BStBl. II 1990, 1049; Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 42; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 8; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.0.4.
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E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen
Eine Zurechnung erfolgt schließlich auch aufgrund eines Organschaftsverhältnisses, soweit die ausländische Gesellschaft Organträgerin1 oder an einer Personengesellschaft beteiligt ist, die ihrerseits als Organträgerin fungiert.2 2. Einkünftequalifikation § 8 Abs. 1 AStG enthält nicht etwa einen Katalog der Einkünfte aus passivem Erwerb, sondern einen numerus clausus der Einkünfte aus aktiver Tätigkeit. Alle nicht ausdrücklich als Einkünfte aus aktiver Tätigkeit genannten Einkünfte sind also demnach solche aus passivem Erwerb. Dieser Umkehrschluss gilt allerdings nur insoweit, als es sich um Einkünfte handelt, die unter die sieben Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes fallen. Der Einkünftekatalog des § 8 AStG geht nämlich nicht über den Einkünftekatalog des § 2 Abs. 1 EStG hinaus.3 Beide Einkünftekataloge sind deckungsgleich. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass die in § 8 AStG aufgeführten Einkünfte einer anderen Differenzierung unterworfen sind.
13.78
Diese Differenzierung ist unterhalb des Begriffs der Einkünfte angesiedelt mit der Folge, dass eine ausländische Gesellschaft nicht stets einheitliche Einkünfte aus nur einer Einkunftsart bezieht.4 Soweit ausländische Gesellschaften im Rahmen ihrer unternehmerischen Aktivitäten mehrere der in § 8 Abs. 1 AStG aufgeführten Tätigkeiten ausüben, sind diese, soweit sie in einem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, derjenigen Tätigkeit zuzuordnen, die das Gepräge gibt.5 Hieraus folgt, dass für die Einkünftequalifikation des § 8 Abs. 1 AStG eine funktionale Betrachtungsweise geboten ist.6 Aufgrund dieser funktionalen Betrachtungsweise sind insbesondere Einkünfte aus Nebentätigkeiten denen der Haupttätigkeit zuzuordnen. So gehören etwa Zinserträge für die Anlage von Kapital eines Produktionsunternehmens, z.B. für spätere Investitionen, sowie Zinserträge für die Stundung von Forderungen aus der Lieferung von Produktionsgütern zu den Einkünften aus aktiver Tätigkeit i.S. des § 8 Abs. 1 Nr. 2 AStG, obwohl Zinserträge, isoliert betrachtet, zu den Einkünften aus passivem Erwerb zählen. Schließlich zählen auch Gewinne aus der Veräußerung von Anlagevermögen zu den aus der betreffenden Haupttätigkeit erzielten Einkünften.7 Die funktionale Betrachtungsweise verlangt damit stets eine Zuordnung von Neben-, Folgeund Hilfstätigkeiten zu einer bestimmten Haupttätigkeit der betreffenden ausländischen Gesellschaft. Eine rechtsträgerübergreifende funktionale Betrach-
13.79
1 Die Beteiligung an der Organgesellschaft muss in diesem Fall einer inländischen Betriebsstätte der Organträgerin zuzuordnen sein (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 4 u. 7 KStG). 2 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 43. 3 BFH v. 21.1.1998 – I R 3/96, BStBl. II 1998, 468; Reiche in Haase3, § 8 AStG Rz. 7, 10. 4 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 32 f. 5 BFH v. 16.5.1990 – I R 16/88, BStBl. II 1990, 1049; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.0.2. 6 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 31 ff.; Reiche in Haase3, § 8 AStG Rz. 13; Geurts in Fuhrmann3, § 8 AStG Rz. 36 ff.; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 12 ff.; Gropp in Lademann, § 8 AStG Rz. 10; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.0.2. 7 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 36; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 12 f.; Geurts in Fuhrmann3, § 8 AStG Rz. 42.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
tungsweise ist allerdings nicht möglich.1 Aufgrund dieser Zuordnung wird zugleich das sich in § 8 Abs. 1 AStG ergebende dort aber nicht geregelte Konkurrenzverhältnis der einzelnen Tätigkeitsmerkmale bestimmt. 13.80
Soweit nach den vorgenannten Gesichtspunkten Gewinne aus der Veräußerung von Anlagevermögen als Nebenerträge zu qualifizieren sind, ergibt sich ein Problem des Zeitbezuges. Unklar ist nämlich, auf welchen Zeitraum bei der Frage abzustellen ist, ob die Nebenerträge Einkünften aus aktiver Tätigkeit oder Einkünften aus passivem Erwerb zuzurechnen sind. Im Zweifel kommt es hierbei in Orientierung an das allgemeine Veranlagungszeitraumprinzip auf das laufende Wirtschaftsjahr an. Wird zu Beginn des Wirtschaftsjahres veräußert, ist allerdings auf das abgelaufene Wirtschaftsjahr abzustellen.2
13.81
§ 8 AStG erfasst sowohl ausländische als auch inländische Einkünfte der ausländischen Kapitalgesellschaft. Im Hinblick auf die Grundwertung der Hinzurechnungsbesteuerung – Beseitigung der Aufschub- und Abschirmwirkung ggü. der deutschen Besteuerung – ist die Erfassung auch von niedrig besteuerten3 inländischen Einkünften aus passivem Erwerb, nicht gerechtfertigt, weil diese Einkünfte bereits der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht, dem Solidaritätszuschlag und der Gewerbesteuer im Inland unterliegen und damit der deutschen Besteuerung nicht vorenthalten werden.4 Zwar ist gem. § 12 Abs. 1 AStG eine Steueranrechnung möglich, diese erfasst allerdings nicht die Gewerbesteuer, so dass es insoweit zu einer Doppelbelastung kommt.5 Daher ist ein Erlass aus Billigkeitsgründen (§§ 163, 227 AO) geboten, sofern die Steuerbelastung durch die Hinzurechnungsbesteuerung beim unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner und bei beschränkter Steuerpflicht der ausländischen Kapitalgesellschaft insgesamt höher ist als die Steuerbelastung der inländischen Einkünfte im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht beim inländischen Anteilseigner bei Vollausschüttung.
13.82
Eine weitergehende Differenzierung enthält § 7 Abs. 6a AStG für sog. Kapitalanlageeinkünfte, die im Ergebnis einer verschärften Hinzurechnungsbesteuerung unterworfen sind (Rz. 13.64 ff.).
1 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 39; vgl. allerdings § 14 Abs. 1 AStG; hierzu Rz. 13.238. 2 Auf einen Drei- bis Fünf-Jahres-Zeitraum abstellend Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 17; ebenso Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 20. 3 Bei einem Gewerbesteuerhebesatz von 200 beträgt die Gesamtbelastung 22,825 % (15 % + [15 % × 5,5 %] + [3,5 % × 200 %]). 4 Hierzu Köhler, RIW 1989, 466 ff. 5 Hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 43; Ruf/Wohlfahrt, Ubg 2009, 469 ff.; Rödder, IStR 2009, 873 ff.; allerdings ggf. gewerbesteuerliche Kürzung beim inländischen Anteilseigner gem. § 9 Nr. 3 GewStG; BFH v. 11.3.2015 – I R 10/14, BFH/NV 2015, 921. Nichtanwendungserlass: gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 14.12.2015, z.B. FinMin NW v. 14.12.2015, FR 2016, 273) und Nichtanwendungsgesetz (§ 7 Abs. 1 Satz 7 GewStG idF. des AHRL-ÄndUmsG); vgl. ferner Rz. 13.7.
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E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen
3. Einkünftekatalog a) Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, zu denen auch die Einkünfte aus der Veräußerung des dafür eingesetzten Vermögens zählen,1 sind stets Einkünfte aus aktiver Tätigkeit, so dass diese von vornherein aus der Hinzurechnungsbesteuerung ausscheiden. Da § 8 Abs. 1 Nr. 1 AStG keinen eigenständigen Begriff der Land- und Forstwirtschaft enthält, gelten im Einzelnen die Regelungen der §§ 13 und 14 EStG. Im Hinblick darauf sind auch die zu den §§ 13 und 15 EStG entwickelten Abgrenzungskriterien zwischen den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft einerseits und Einkünften aus Gewerbebetrieb andererseits von Bedeutung.2
13.83
b) Einkünfte aus industrieller Tätigkeit Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 AStG sind die Einkünfte aus der Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung oder Montage von Sachen, der Erzeugung von Energie sowie dem Aufsuchen und der Gewinnung von Bodenschätzen uneingeschränkt Einkünfte aus aktiver Tätigkeit, für die eine Hinzurechnungsbesteuerung nicht in Betracht kommt. Voraussetzung ist, dass die vorbezeichneten Tätigkeiten entweder von der ausländischen Gesellschaft tatsächlich selbst ausgeübt werden oder aber ihr als eigene Tätigkeiten zugerechnet werden können, so dass etwa eine anderweitig vergebene Auftragsproduktion unschädlich ist, solange die ausländische Gesellschaft als Auftraggeberin das Herstellerrisiko trägt und den Herstellungsprozess beherrscht.3
13.84
Was die Herstellung, Verarbeitung und Bearbeitung sowie die Montage von Sachen anbelangt, so ist damit fast das gesamte Spektrum industrieller und handwerklicher Tätigkeit erfasst. Indessen reicht nicht jede beliebige Be- oder Verarbeitung aus: Es muss ein Gegenstand anderer Marktgängigkeit entstehen, so dass bloßes Kennzeichnen, Umpacken, Umfüllen, Sortieren sowie das Zusammenstellen erworbener Gegenstände zu Sachgesamtheiten nicht ausreicht.4 Aufgrund der funktionalen Betrachtungsweise zählen zu diesen Einkünften auch die Einkünfte aus der Veräußerung der hergestellten Produkte als Einkünfte aus einer Folgetätigkeit und von Anlagevermögen als Einkünfte aus einer Hilfstätigkeit.5
13.85
c) Einkünfte aus Bank- und Versicherungsgeschäften Einkünfte aus dem Betrieb von Kreditinstituten oder Versicherungsunternehmen sind im Grundsatz Einkünfte aus aktiver Tätigkeit, soweit für diese Geschäfte ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Betrieb unterhalten wird. 1 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.1.1. 2 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 54; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 19; Gropp in Lademann, § 8 AStG Rz. 16; Rödel in Kraft, § 8 AStG Rz. 74. 3 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 46; Reiche in Haase3, § 8 AStG Rz. 25. 4 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 71; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.1.2.2. 5 Zu weiteren Neben-, Folge- und Hilfstätigkeiten Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 78; Haun/Cortez in H/K/G/R, § 8 AStG Rz. 152 ff.
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13.86
Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
13.87
Da § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG den Begriff des Kreditinstituts als gegeben vorausgesetzt, kann die Begriffsbestimmung im Kreditwesengesetz (KWG)1 herangezogen werden. Nach § 1 Abs. 1 KWG sind danach Kreditinstitute Unternehmen, die Bankgeschäfte gewerbsmäßig oder in einem Umfang betreiben, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert. Damit ist der Begriff des eingerichteten Geschäftsbetriebs in der zweiten Alternative bereits begriffsimmanent. § 1 KWG enthält zwar einen Katalog von Bankgeschäften, der aber für Zwecke des § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG nicht als abschließend anzusehen ist, weil die öffentlich-rechtliche Ordnungsfunktion des Kreditwesengesetzes nur für inländische Kreditinstitute maßgeblich ist.2 Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG geht es aber allein um die Tätigkeiten ausländischer Kreditinstitute, so dass hierunter alle Geschäfte fallen, die Kreditinstitute in den betreffenden Ländern üblicherweise erledigen.3 Im Hinblick darauf gehören hierzu alle Geschäfte, die über die Bankgeschäfte hinaus betrieben werden dürfen.4 Demnach können hierunter neben dem klassischen Kreditgeschäft auch Factoring-,5 Fortfaitierung6 und Leasinggeschäfte,7 sowie Wertpapiergeschäfte für eigene Rechnung und Inkassogeschäfte und darüber hinaus im Rahmen der funktionalen Betrachtungsweise auch weitere Geschäfte fallen, die etwa der Anlage eigenen Kapitals dienen8
13.88
Neben den Einkünften aus dem Betrieb von Kreditinstituten sind auch die Einkünfte aus dem Betrieb von Versicherungsunternehmen Einkünfte aus aktiver Tätigkeit. Was ein Versicherungsunternehmen i.S. von § 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG ist, lässt sich unmittelbar weder dem Gesetz selbst noch anderweitigen gesetzlichen Regelungen entnehmen.9 Aus dem Versicherungsgeschäft ableitend, so wie es sich tatsächlich darstellt, kann als Versicherungsunternehmen ein Unternehmen bezeichnet werden, das dem Versicherungsnehmer eine Vermögensleistung für den Eintritt eines bestimmten Versicherungsfalles gegen Zahlung einer Prämie als vertragliches Entgelt verspricht. Typisch für die sich in der Praxis tatsächlich darstellenden Versicherungsgeschäfte ist ein Risikoausgleich nach dem Gesetz der großen Zahl. Daher kann von dem „Betrieb eines Versicherungsunter1 KWG v. 9.9.1998, BGBl. I 1998, 2776. 2 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 87; Reiser/Cortez in H/K/G/R, § 8 AStG Rz. 175; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 28; FG Baden-Württemberg v. 27.7.1995 – 6 K 216/88, EFG 1996, 350. 3 Dagegen auf deutsches Rechtsverständnis abstellend Reiche in Haase3, § 8 AStG Rz. 32. 4 In Orientierung an § 1 KWG gehören hierzu auch die Geschäfte, die von Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen betrieben werden. 5 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 Rz. 93; Rödel in Kraft, § 8 AStG Rz. 140 ff.; einschränkend BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.1.3.3, wonach der Forderungserwerb ausschließlich oder überwiegend von verbundenen Unternehmen nicht ausreichen soll. 6 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 93.1; Rödel in Kraft, § 8 AStG Rz. 144. 7 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 94; differenzierend BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.1.6.4. 8 Zu Einzelheiten Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 87, 103; Reiser/Cortez in H/K/G/R, § 8 AStG Rz. 178; Kraft/Nitzschke, IStR 2003, 427 ff.; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3,Tz. 8.1.3.4. 9 Das HGB und das Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen und Bausparkassen vom 17.12.1992 – VAG – (BGBl. I 1993, 2) enthalten keine Legaldefinition.
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E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen
nehmens“ keine Rede sein bei konzerneigenen Versicherungsgesellschaften – captives1 –, soweit sich deren Funktion darin erschöpft, lediglich einen Risikoausgleich innerhalb des Konzerns herbeizuführen.2 Zu den Versicherungsgeschäften zählen ebenfalls nicht die bloße Selbstversicherung und die Tätigkeit als Versicherungsmakler.3 Über die typischen Versicherungsgeschäfte4 hinaus gehört auf Grund der insoweit geltenden funktionalen Betrachtungsweise auch die unter dem Gesichtspunkt der Risikotrennung gebotene versicherungsübliche Kapitalanlage zum Betrieb eines Versicherungsunternehmens.5 Voraussetzung dafür, dass die Einkünfte aus dem Betrieb von Kreditinstituten und Versicherungsunternehmen Einkünfte aus aktiver Tätigkeit darstellen, ist, dass für die vorgenannten Geschäfte ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Betrieb unterhalten wird.6
13.89
Werden die Geschäfte7 überwiegend mit unbeschränkt Steuerpflichtigen, die nach § 7 AStG an der ausländischen Gesellschaft beteiligt sind, oder mit diesen Steuerpflichtigen i.S. des § 1 Abs. 2 AStG nahe stehenden Personen betrieben (konzerninterne Geschäfte), so sind die Einkünfte dagegen wiederum solche aus passivem Erwerb. Schädlich sind allerdings nur Geschäfte mit unbeschränkt steuerpflichtigen Personen, die allein oder zusammen mit anderen unbeschränkt oder erweitert beschränkt steuerpflichtigen Personen an der Gesellschaft beteiligt sind. Geschäfte mit nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern sind daher unschädlich, soweit diese nicht dem vorgenannten Personenkreis i.S. von § 1 Abs. 2 AStG nahe stehen.8
13.90
Voraussetzung für die Ausnahmeregelung ist, dass die Bank- und Versicherungsgeschäfte überwiegend mit dem zuvor genannten Personenkreis betrieben werden. Obwohl das Gesetz an anderer Stelle sich der Formulierung „mehr als die Hälfte“ (vgl. § 7 Abs. 2 AStG) bedient, ist der Begriff „überwiegend“ im gleichen Sinne zu verstehen.9 Unklar ist, worauf sich das „überwiegend“ bezieht, ob etwa auf die Zahl der abgeschlossenen Geschäfte, auf den Gewinn oder auf den Umsatz.10 Irgendwelche Anhaltspunkte liefert das Gesetz nicht. Da der Umsatz
13.91
1 Zur steuerrechtlichen Behandlung von captives Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 1105 ff.; Bialek/Grillet, RIW 1992, 301 ff. 2 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 98; Reiser/Cortez in H/K/G/R, § 8 AStG Rz. 239; Runge, DB 1977, 145; im Ergebnis ebenso BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.1.3.6; die vorbezeichnete Einschränkung ergibt sich auch aus § 8 Abs. 1 Nr. 3 Halbs. 2 AStG. 3 Hier kommt ggf. § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG in Betracht. 4 Vgl. hierzu die Aufzählung bei Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 97. 5 BMF v. 24.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.1.3.4. 6 Zu Einzelheiten Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 99 ff.; Parczyk, BB 1973, 1158; zu steuerstrafrechtlichen Problemen bei Einschaltung ausländischer Finanzierungsgesellschaften Schaumburg in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 15.225 ff. 7 Sowohl Aktiv- als auch Passivgeschäfte. 8 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 7 AStG Rz. 107; BMF v. 24.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.1.3.5. 9 Gropp in Lademann, § 8 AStG Rz. 38; Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 109; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 27; BMF v. 24.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 8.1.3.5. 10 Im Sinne von Summe der abgeschlossenen Aktiv- und Passivgeschäfte.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
eine objektiv zuverlässige Maßgröße ist, erscheint es sachgerecht, hierauf abzustellen.1 d) Einkünfte aus Handelstätigkeit 13.92
Einkünfte aus Handelstätigkeit sind zwar grundsätzlich solche aus aktiver Tätigkeit, § 8 Abs. 1 Nr. 4 AStG ist aber mit mehreren auf unterschiedlichen Ebenen angesiedelten Ausnahmeregelungen durchsetzt mit der Folge, dass im Ergebnis lediglich eigenständig operierende Handelsgesellschaften mit weit verzweigtem Kundennetz i.S. von § 8 Abs. 1 Nr. 4 AStG aktiv tätig sind.
13.93
Handelstätigkeit umfasst die Anschaffung und Weiterveräußerung von Sachen (Waren), soweit diese ohne die Marktgängigkeit verändernde Be- oder Verarbeitung weiter veräußert werden. Aus § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a und Buchst. b AStG lässt sich schließen, dass lediglich bewegliche Sachen, nicht aber unbewegliche Sachen, insbesondere nicht Rechte, Gegenstand der hier angesprochenen Handelstätigkeit sein können.2 Andernfalls wäre nicht verständlich, aus welchen Gründen nur beim Handel mit Gütern oder Waren, also nur bei beweglichen Sachen, Einkünfte aus passivem Erwerb vorgesehen sind (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a und Buchst. b AStG).3
13.94
In § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a und Buchst. b AStG werden die Tätigkeiten insbesondere von konzerninternen Vertriebsgesellschaften (Nr. 4 Buchst. a) und von Einkaufsgesellschaften (Nr. 4 Buchst. b) auf einer ersten Stufe aus den aktiven Handelstätigkeiten ausgenommen, soweit Handelspartner unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter4 oder diesen gem. § 1 Abs. 2 AStG nahe stehende Personen sind, die mit ihren Einkünften hieraus im Inland steuerpflichtig5 sind.6 Schädlich ist die Einschaltung einer ausländischen Vertriebsgesellschaft nur dann, wenn die Verfügungsmacht an den gehandelten Gütern oder Waren von dem vorstehend genannten Personenkreis der ausländischen Gesellschaft verschafft wird. Unschädlich ist es daher, wenn etwa eine beschränkt steuerpflichtige Person, die einer an der ausländischen Vertriebsgesellschaft beteiligten unbeschränkt steuerpflichtigen Person nicht nahe steht, Waren aus dem Inland an die 1 Auf Umsatz, Gewinn und Anzahl gleichermaßen abstellend Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 110; Reiche in Haase3, § 8 AStG Rz. 38; Rödel in Kraft, § 8 AStG Rz. 206; Kraft/Nitzschke, IStR 2003, 427 (431). 2 BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.1.4.1.1; a.A. BFH v. 29.11.2000 – I R 87/99, IStR 2001, 185 mit Anm. F.W.; Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 116; Reiche in Haase3, § 8 AStG Rz. 39 f.; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 75; Gropp in Lademann, § 8 AStG Rz. 45; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 38; Geurts in Fuhrmann3, § 8 AStG Rz. 113. 3 Aus diesem Grunde wollen Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 117 und Gropp in Lademann, § 8 AStG Rz. 45, § 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a und Buchst. b AStG aus Gründen der Gleichbehandlung auch auf den Handel mit Grundstücken und Rechten ausdehnen. 4 Beschränkt und erweitert beschränkt Steuerpflichtige werden also nicht erfasst, Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 124; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 80. 5 Es kommt auf die sachliche Steuerpflicht an, so dass Steuerbefreiungen dem entgegen stehen; vgl. Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 128. 6 Diese Einschränkung bezieht sich nur auf die nahestehenden Personen; Wassermeyer/ Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 127.
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E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen
ausländische Vertriebsgesellschaft liefert.1 Da es alleine auf die Verschaffung der Verfügungsmacht2 ankommt, werden Lieferungen im Ausland ohne Inlandsberührung und Lieferungen im Inland ohne Auslandsberührung gleichermaßen erfasst.3 Die für Einkaufsgesellschaften (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b AStG) geltende Ausnahmevorschrift, die zu Einkünften aus passivem Erwerb führt, greift ein, wenn diese einem an der Zwischengesellschaft beteiligten Steuerinländer oder einer ihm nahe stehende Person die Verfügungsmacht an den gehandelten Gütern oder Waren verschafft.
13.95
Es erfolgt zum Zwecke der Hinzurechnung keine quotale Begrenzung dieser Einkünfte auf die Beteiligung des liefernden oder die Lieferung empfangenden Steuerinländers. Da die Lieferung von den und an die den inländischen Beteiligten nahe stehenden Personen ebenfalls schädlich ist, wird bei einem weit verzweigten Beteiligungsnetz die Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes und damit die Besteuerung selbst nicht mehr vorhersehbar. Schließlich geht der Tatbestand auch über die Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung, nämlich die Beseitigung der Aufschub- und Abschirmwirkung ggü. der deutschen Besteuerung, hinaus. Gerechtfertigt ist die Hinzurechnungsbesteuerung nämlich nur für jene Inlandsbeteiligten, die selbst oder durch nahe stehende Personen an die Zwischengesellschaft liefern. Es ist daher ggf. ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen (§§ 163, 227 AO) geboten.
13.96
Trotz Einschaltung einer Vertriebs- oder Einkaufsgesellschaft sind Einkünfte aus aktiver Handelstätigkeit anzunehmen, wenn nachgewiesen wird, dass die ausländische Vertriebs- oder Einkaufsgesellschaft für die Lieferung von Waren und Gütern der Allgemeinheit als Geschäftspartner zur Verfügung steht, also einen eingerichteten Geschäftsbetrieb unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr unterhält. Hierbei genügt es, wenn sich die Einkaufsgesellschaft nur beim Einkauf und die Vertriebsgesellschaft nur beim Verkauf an eine unbestimmte Anzahl von Personen wendet.4 Dass die ausländische Vertriebs- oder Einkaufsgesellschaft tatsächlich aber nur mit einem Geschäftspartner, etwa mit einer Konzerngesellschaft, kontrahiert, spielt keine Rolle, solange die Begrenzung dieser Handelstätigkeit auf dem Gegenstand der in Betracht stehenden Geschäftstätigkeit beruht.5 Ist die Begrenzung der Handelstätigkeit indessen eine Folge etwa der Konzerneinbindung, ist eine Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr zu verneinen.6
13.97
Neben dem eingerichteten Geschäftsbetrieb und der Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr ist weiterhin erforderlich, dass nachgewiesen wird, dass die zur Vorbereitung, dem Abschluss und der Ausführung der Geschäfte ge-
13.98
1 BFH v. 1.7.1992 – I R 6/92, BStBl. II 1993, 222; v. 6.12.1995 – I R 40/95, IStR 1996, 340 mit Anm. F.W. 2 Im Sinne von § 3 Abs. 1 UStG. 3 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 131; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 73; Rödel in Kraft, § 8 AStG Rz. 238. 4 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.1.4.2. 5 Etwa bei Spezialprodukten. 6 Vgl. BFH v. 29.8.1984 – I R 68/81, BStBl. II 1985, 120; weitere Einzelheiten bei Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 140 ff.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
hörenden Tätigkeiten ohne Mitwirkung1 der beteiligten Steuerinländer oder der ihnen nahe stehenden Personen ausgeübt werden. Schädlich ist jedwede Mitwirkung, durch die Aufgaben übernommen werden, die funktional der ausländischen Vertriebs- oder Einkaufsgesellschaft im Rahmen ihrer Handelstätigkeit2 obliegen3 und üblicherweise nicht vom Vertragspartner oder dritten Unternehmen übernommen werden.4 Damit sind Mitwirkungen außerhalb der Handelstätigkeit, etwa im Bereich der Dienstleistungen, insoweit unschädlich.5 13.99
Die speziell mit § 8 Abs. 1 Nr. 4 AStG verfolgte Zielsetzung – Verhinderung der Gewinnverlagerung in das Ausland durch Einschaltung ausländischer Vertriebsund Einkaufsgesellschaften6 – rechtfertigt unter Missbrauchsgesichtspunkten nicht die mit der Hinzurechnungsbesteuerung einher gehende Durchbrechung des Trennungsprinzips (Rz. 13.7). Dass etwa im ausländischen Absatzland eine Vertriebstochtergesellschaft die Produkte der inländischen Produktionsmuttergesellschaft vertreibt, ist keine missbräuchliche Gestaltung, sondern schon wegen der aus ökonomischen Gründen gebotenen Marktnähe sachgerecht. Das gilt auch für den Fall der durch § 8 Abs. 1 Nr. 4 AStG inkriminierten sog. schädlichen Mitwirkung, die unter dem Gesichtspunkt internationaler Arbeitsteilung ebenfalls sinnvoll ist. Schließlich ist auch nicht erklärbar, warum gerade ausländische Vertriebstochtergesellschaften, nicht aber ausländische Produktionstochtergesellschaften in den Diskriminierungsrahmen der Hinzurechnungsbesteuerung fallen.7 Im Ergebnis wird daher eine Durchbrechung des systemtragenden Trennungsprinzips in Orientierung an § 8 Abs. 2 AStG (Rz. 13.140 ff.) nur im Falle einer funktionslosen ausländischen Vertriebsgesellschaft8 gerechtfertigt sein. Insoweit besteht sodann ein Gleichlauf zwischen dem Gleichheitssatz (§ 3 Abs. 1 GG) und der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 ff. AEUV).9 e) Einkünfte aus Dienstleistungen
13.100
Einkünfte aus Dienstleistungen sind zwar grundsätzlich solche aus aktiver Tätigkeit, durch § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG erfährt dieser Grundsatz aber wesentliche Durchbrechungen, so dass Dienstleistungsgesellschaften nur insoweit aktiv tätig sind, als sie die entsprechenden Dienstleistungen tatsächlich selbst ausführen. 1 Einzelheiten zum Mitwirkungstatbestand Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 143 ff. 2 Z.B. die Übernahme des Vertriebs, Leitung des Vertretereinsatzes. 3 Geringfügige Mitwirkungen sind wegen der weitreichenden Konsequenzen aus Billigkeitsgründen als unschädlich anzusehen, BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.1.4.3.1. 4 Zu einzelnen Fällen BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.1.4.3.2. 5 Sehr instruktiv sind die zwischen den Spitzenverbänden der Wirtschaft und der Finanzverwaltung im Rahmen eines Planspiels erörterten Musterfälle, vgl. hierzu auch die entsprechenden Lösungshinweise bei Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 150 bis 160. 6 Vgl. Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 123. 7 Vgl. zu diesem Gesichtspunkt Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 123. 8 Vgl. Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 123 mit Hinweis auf § 1 AStG, der ohnehin auf die Verhinderung von Gewinnverlagerungen abzielt. 9 Zu diesem Gleichlauf vgl. Schaumburg/Schaumburg, StuW 2005, 306 ff. (307 f.).
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E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen
Die unter § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG fallenden Dienstleistungsbereiche1 unterfallen nur dann dem § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG, wenn sie nicht bereits aufgrund funktionaler Betrachtungsweise anderen Einkunftsarten zuzuordnen sind.2
13.101
Gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a und Buchst. b AStG ist die Dienstleistungstätigkeit dann nicht mehr aktiver Art, wenn sich die ausländische Gesellschaft für die Dienstleistung eines unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners oder einer ihm nahe stehenden Person bedient, soweit diese mit ihren Einkünften aus der von ihr beigetragenen Leistung im Inland steuerpflichtig ist (Nr. 5 Buchst. a) oder die ausländische Gesellschaft die Dienstleistung einem unbeschränkten steuerpflichtigen Anteilseigner oder einer ihm nahe stehenden Person gegenüber erbringt (Nr. 5 Buchst. b).
13.102
Die ausländische Gesellschaft bedient sich i.S. von § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a AStG (Bedienungstatbestand) dann einer anderen Person, wenn dieser Aufgaben übertragen werden, zu deren Erfüllung sich die ausländische Gesellschaft ggü. dem Auftraggeber verpflichtet hat. Daraus folgt, dass die Tätigkeit der vorgenannten Personen nur dann schädlich ist, wenn sich diese auf jeweils einzelne Erfüllungsgeschäfte beziehen lässt.3 Daher sind alle Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Verwaltung, allgemeinen Geschäftsführung, Controlling und Akquisition unschädlich.4
13.103
Ob der unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner für seine Tätigkeit im Dienste der ausländischen Gesellschaft eine Vergütung erhält, ist ohne Belang. Demgegenüber führt die entsprechende Tätigkeit einer nahe stehenden Person nur dann zur Hinzurechnungsbesteuerung, wenn diese hierfür ein Entgelt erhält5 und dieses im Inland steuerpflichtig, das heißt aufgrund unbeschränkter, beschränkter oder erweiterter beschränkter Steuerpflicht tatsächlich zur Besteuerung heranzuziehen ist.6 Etwaige Befreiungen aufgrund von DBA führen dazu, dass die Dienstleistungstätigkeiten nahe stehender Personen unschädlich sind.7 Der Grund für diese differenzierende Behandlung ist nicht erkennbar und entzieht sich jeder Plausibilität.8
13.104
Nach § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b AStG (Erbringungstatbestand) sind Einkünfte aus passiver Dienstleistungstätigkeit dann gegeben, wenn die ausländische Gesellschaft die Dienstleistung gegenüber einem unbeschränkt steuerpflichtigen An-
13.105
1 Hierzu die Übersicht bei Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 51. 2 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 174; Geurts in Fuhrmann3, § 8 AStG Rz. 137. 3 Darüber hinaus ist nach BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.1.5.2.1 erforderlich, dass die Person zwecks Erfüllung jedenfalls eines nicht unwesentlichen Teils der Dienstleistung herangezogen wird. 4 Reiche in Haase3, § 8 AStG Rz. 51. 5 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 186; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 58; Geurts in Fuhrmann3, § 8 AStG Rz. 140. 6 BFH v. 29.8.1984 – I R 68/81, BStBl. II 1985, 120; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.1.5.2.2. 7 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 187; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 103; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 58, 39; dagegen nur auf abstrakte Steuerpflicht abstellend Gropp in Lademann, § 8 AStG Rz. 64. 8 Zu weiteren Einzelheiten Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 186 f.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
teilseigner oder einer diesem nahe stehenden Person erbringt, die im Inland steuerpflichtig ist.1 13.106
Die vorstehenden Dienstleistungen sind allerdings dann unschädlich, wenn nachgewiesen wird, dass die ausländische Gesellschaft einen für das Bewirken derartiger Dienstleistungen eingerichteten Geschäftsbetrieb unter Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr unterhält und die zu der Dienstleistung gehörenden Tätigkeiten ohne Mitwirkung (Rz. 13.98) eines unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners oder einer ihm nahe stehenden Person ausübt. Eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr ist dann zu verneinen, wenn die Dienstleistung nur innerhalb eines Konzerns erbracht wird und die diesbezügliche Beschränkung auf der inneren Konzernstruktur und nicht auf den Besonderheiten der zu erbringenden Dienstleistung beruht.2
13.107
§ 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG ist gemessen am Sinn und Zweck ebenso wie § 8 Abs. 1 Nr. 4 AStG (Rz. 13.96, 13.99) überschießend. So ist nicht erkennbar, warum etwa die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Forschungs- und Entwicklungsbereich bei verbundenen Unternehmen eine schädliche Mitwirkung sein soll. Mit einer missbräuchlichen Gestaltung hat das nichts zu tun. Aus diesem Grunde ist die Durchbrechung des Trennungsprinzips (Rz. 13.7) insoweit nicht gerechtfertigt. Etwas anderes gilt lediglich in den Fällen, in denen es sich um eine funktionslose ausländische Dienstleistungsgesellschaft handelt.3 f) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
13.108
Die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sind grundsätzlich ebenfalls Einkünfte aus aktiver Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Nr. 6 AStG). Da insbesondere die Tätigkeiten von Patentverwertungsgesellschaften (Nr. 6 Buchst. a), Grundstücksgesellschaften (Nr. 6 Buchst. b) und Leasing-Gesellschaften (Nr. 6 Buchst. c) weitgehend ausgenommen sind, ist die Vermietung und Verpachtung als aktive Tätigkeit im Ergebnis jedoch praktisch die Ausnahme.
13.109
In Anlehnung an § 21 Abs. 1 EStG wird durch § 8 Abs. 1 Nr. 6 AStG die Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen, Sachinbegriffen, die zeitlich begrenzte Überlassung von Rechten sowie die Veräußerung von Miet- und Pachtzinsforderungen erfasst.4 Zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zählen aufgrund der funktionalen Betrachtungsweise auch die Gewinne aus der Veräußerung von Gegenständen der Vermietung und Verpachtung selbst
1 Die in § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. b AStG verwendete Formulierung „… einer solchen nahe stehenden Person erbringt …“ ist dahin gehend auszulegen, dass nicht jede nahe stehende Person als Dienstleistungsempfänger in Betracht gezogen werden kann, sondern nur solche, die im Inland steuerpflichtig sind, vgl. BFH v. 29.8.1984 – I R 68/81, BStBl. II 1985, 120; Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 192. 2 Vgl. BFH v. 29.8.1984 – I R 68/81, BStBl. II 1985, 120; Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 208; vgl. dort auch die instruktiven Beispiele mit Lösungshinweisen in den Rz. 196–208. 3 Entsprechend § 8 Abs. 2 AStG (Rz. 13.140 ff.). 4 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 217; Fuhrmann in Fuhrmann3, § 8 AStG Rz. 152.
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E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen
sowie solcher Gegenstände, die dieser Tätigkeit gedient haben,1 soweit die Veräußerungsgewinne nach dem Einkommensteuergesetz überhaupt steuerbar sind.2 Nach § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG sind insbesondere die Einkünfte von ausländischen Patentverwertungsgesellschaften und vergleichbaren Gesellschaften aus der Überlassung der Nutzung von Rechten, Plänen, Mustern, Verfahren, Erfahrungen und Kenntnissen als Einkünfte aus passivem Erwerb zu qualifizieren, es sei denn, es wird nachgewiesen, dass die ausländische Gesellschaft die Ergebnisse eigener Forschungs- und Entwicklungsarbeit3 auswertet, die ohne Mitwirkung4 eines unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners oder einer ihm nahe stehenden Person gewonnen worden sind.
13.110
Im Ergebnis werden auch Lizenzgebühren der Hinzurechnungsbesteuerung zugeführt, die eine ausländische Patentverwertungsgesellschaft von im Ausland ansässigen dritten Lizenznehmern für die Überlassung von Rechten erhält, die sie ihrerseits von im Ausland ansässigen dritten Erfindern erworben hat. Damit geht diese Regelung über den Sinn und Zweck des Gesetzes, nämlich die Aufschubund Abschirmwirkung ausländischer Gesellschaften zu beseitigen, weit hinaus.5 Daher ist hier ein Erlass aus sachlichen Billigkeitsgründen geboten (§§ 163, 227 AO).
13.111
Die Vermietung und Verpachtung durch Grundstücksgesellschaften (§ 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b AStG) führt zu Einkünften aus passivem Erwerb. Im Unterschied zu § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG, der neben Grundstücken auch Gebäude, Gebäudeteile und grundstücksgleiche Rechte aufzählt, sind in § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b AStG lediglich Grundstücke erwähnt. Indessen kann hieraus nicht der Schluss gezogen werden, dass der Grundstücksbegriff des § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b AStG lediglich Grund und Boden erfasst.6 Grundstücksgleiche Rechte, insbesondere das Erbbaurecht, zählen dagegen nicht zum Grundstücksbegriff.7
13.112
Die Einkünfte ausländischer Grundstücksgesellschaften sind allerdings dann als Einkünfte aus aktiver Tätigkeit zu qualifizieren, wenn nachgewiesen wird, dass die Einkünfte nach einem DBA steuerbefreit wären, wenn sie von dem unbe-
13.113
1 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 218; Rödel in Kraft, § 8 AStG Rz. 347; Gropp in Lademann, § 8 AStG Rz. 75. 2 Hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 218. 3 An Dritte vergebene Auftragsforschung ist unschädlich, solange die ausländische Gesellschaft das wirtschaftliche Risiko der Forschung/Entwicklung trägt und als Know-howTräger die Forschung und Entwicklung maßgeblich steuert; ebenso Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 120; Reiche in Haase3, § 8 AStG Rz. 59. 4 Zum Mitwirkungstatbestand im Einzelnen Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 143 ff. 5 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 224; Rödel in Kraft, § 8 AStG Rz. 363. 6 Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 70; Fuhrmann in Fuhrmann3, § 8 AStG Rz. 163; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 124; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.1.6.1; zweifelnd Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 226. 7 Ebenso Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 226; Fuhrmann in Mössner/ Fuhrmann2, § 8 AStG Rz. 163; Schleuder, Die Hinzurechnungsbesteuerung im internationalen Konzern, 268; vgl. hierzu auch § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG, in dem grundstücksgleiche Rechte neben Grundstücken aufgeführt sind; zum Erbbaurecht als immaterielles Wirtschaftsgut BFH v. 20.1.1983 – IV R 158/80, BStBl. II 1983, 413.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
schränkt steuerpflichtigen Anteilseigner unmittelbar bezogen würden. Diese auf den Grundsatz – Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung als Einkünfte aus aktiver Tätigkeit – zurückführende Ausnahme der zweiten Stufe berücksichtigt den Umstand, dass aufgrund des durchweg in den DBA verankerten Belegenheitsprinzips der Besteuerungszugriff für die Vermietung und Verpachtung von ausländischen Grundstücken dem Belegenheitsstaat zugewiesen ist. Damit sind die Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung von inländischen Grundstücken1 und von ausländischen Grundstücken in Staaten, mit denen Deutschland entweder überhaupt keine oder nur solche DBA abgeschlossen hat, in denen das zur Steuerbefreiung führende Belegenheitsprinzip ausnahmsweise nicht verankert ist,2 stets Einkünfte aus passivem Erwerb.3 13.114
Durch die Regelung des § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b AStG wird unter Einbeziehung der Wirkungsweisen der DBA die Abschirmwirkung der Grundstücksgesellschaften ggü. der deutschen Besteuerung beseitigt. Die Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken werden hierdurch der deutschen Besteuerung so zugeführt, wie sie ohne Zwischenschaltung der Grundstücksgesellschaften in Deutschland der Besteuerung unterlägen. Diese dem Tatbestand der Hinzurechnungsbesteuerung zuzuordnende Regelung entspricht der Rechtsfolge des § 42 AO, allerdings mit dem Unterschied, dass die Hinzurechnungsbesteuerung selbst im Ergebnis zu einer Umqualifizierung dieser Einkünfte in solche aus Kapitalvermögen oder aus Gewerbebetrieb führt (§ 10 Abs. 2 AStG). Unverständlich ist, aus welchen Gründen der Einkünftekatalog des § 8 Abs. 1 AStG im Übrigen nicht auf die Wirkungsweisen von DBA abstellt. Hätte der dem § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b AStG zugrunde liegende Gedanke für § 8 Abs. 1 AStG allgemeine Geltung, lägen Einkünfte aus passivem Erwerb nur dann vor, wenn im Falle des direkten Bezugs durch inländische Anteilseigner diese aufgrund von DBA überhaupt der deutschen Besteuerung unterlägen.
13.115
Die Vermietung und Verpachtung von beweglichen Sachen führt zu Einkünften aus passivem Erwerb. Durch § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. c AStG sind dadurch vor allem ausländische Leasing-Gesellschaften angesprochen.4 Einkünfte aus passivem Erwerb sind allerdings dann nicht gegeben, wenn nachgewiesen wird, dass die Vermietung und Verpachtung von der ausländischen Gesellschaft gewerbsmäßig unter Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr betrieben wird 1 Damit soll im Ergebnis der Steuerpflichtige, der ein Grundstück über eine ausländische Gesellschaft hält, steuerlich so gestellt werden, als ob ihm die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unmittelbar zuflössen; zum gesetzgeberischen Hintergrund Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 227. 2 Beispiele für vereinbarte Anrechnungsmethode: Art. 22 Abs. 2 Buchst. b Unterabschnitt VII DBA-Spanien; Art. 23 Abs. 5 Buchst. b DBA-Finnland; Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBASchweiz; vgl. auch den Überblick bei Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 228. 3 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 232; Reiche in Haase2, § 8 AStG Rz. 62; Fuhrmann in Fuhrmann3, § 8 AStG Rz. 168. 4 Das Finanzierungs-Leasing unterliegt nicht dem Regelungsbereich des § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b AStG, sondern als Kreditgeschäft dem § 8 Abs. 1 Nr. 5 AStG, wenn der Leasinggegenstand dem Leasingnehmer zuzurechnen ist; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.1.6.4; vgl. die sog. Leasing-Erlasse v. 21.3.1972, BStBl. I 1972, 188; v. 23.12.1991, BStBl. I 1992, 13.
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E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen
und sie dafür einen entsprechenden Geschäftsbetrieb unterhält.1 Dabei dürfen auch in diesem Fall weder der unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner noch eine ihm nahe stehende Person an den zur Vermietung oder Verpachtung gehörenden Geschäften mitwirken.2 Die in § 8 Abs. 1 Nr. 6 AStG getroffenen Regelungen rechtfertigen unter keinem Gesichtspunkt eine Durchbrechung des Trennungsprinzips (Rz. 13.7). Die im Einzelnen angesprochenen ausländischen Patentverwertungsgesellschaften (§ 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a AStG) und Leasinggesellschaften (§ 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. c AStG) lösen daher nur dann eine Hinzurechnungsbesteuerung aus, wenn sie funktionslos sind . Für die ausländische Grundstücksgesellschaften betreffende Regelung (§ 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b AStG) gilt entsprechendes, wobei zusätzlich noch ins Gewicht fällt, dass es sich hierbei um ein treaty overriding (Rz. 3.24 f.) handelt.
13.116
g) Einkünfte aus Finanzierungstätigkeit Aus § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG ist zu folgern, dass Einkünfte aus Kapitalvermögen grundsätzlich Einkünfte aus passivem Erwerb sind. Stammen indessen die Einkünfte aus der Aufnahme und darlehensweisen Vergabe von Kapital, sind sie als Einkünfte aus aktiver Tätigkeit zu qualifizieren, sofern nachgewiesen wird, dass das Kapital ausschließlich bei fremden Dritten auf ausländischen Kapitalmärkten aufgenommen und entweder inländischen Betrieben oder Betriebsstätten oder im Ausland belegenen Betrieben oder Betriebsstätten zugeführt wird, die ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich3 aus aktiver Tätigkeit (§ 8 Abs. 1–6 AStG) beziehen. Das bedeutet, dass die Hingabe von aus Eigenmitteln stammenden Darlehen im Grundsatz schädlich ist.4
13.117
Im Hinblick auf die engen Grenzen, in denen Einkünfte aus Kapitalvermögen solche aus aktiver Tätigkeit sind, ist das Ziel des Gesetzgebers erkennbar, ausländische Gesellschaften zur Ausschüttung zu zwingen. Indessen geht der Gesetzgeber mit § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG über die selbst gezogenen Wertungsgrenzen dadurch hinaus, dass die Aufschub- und Abschirmwirkung ggü. der deutschen Besteuerung auch bei Gesellschaften beseitigt wird, die im Wesentlichen Einkünfte aus aktiver Tätigkeit haben. Denn unter § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG fällt auch eine ausländische Gesellschaft, die ihre aus aktiven Tätigkeiten erzielten Gewinne darlehensweise an nicht aktiv tätige fremde Dritte im Ausland vergibt.5
13.118
Soweit § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG von einer Identität zwischen aufgenommenem und weitergegebenem Darlehen ausgeht und in diesem Zusammenhang dem Steuerpflichtigen die Nachweislast aufbürdet, geht die Vorschrift praktisch zu Lasten
13.119
1 Zu weiteren Einzelheiten Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 236 f. 2 Zum Mitwirkungstatbestand im Einzelnen Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 143 ff. 3 Bagatellgrenze von 90 %; BFH v. 30.8.1995 – I R 77/94, BStBl. II 1996, 122. 4 Zu diesen Eigenmitteln gehören auch die Einkünfte aus der Vergabe von nach § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG begünstigten Darlehen; Haun/Kahle u.a. in H/K/G/R, § 8 AStG Rz. 453; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 74; Geurts in Fuhrmann3, § 8 AStG Rz. 185. 5 Zur Kritik im Einzelnen Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 243; Hollatz/ Moebus, DB 1978, 605 ff.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
des Steuerpflichtigen. Offenbar ist der Gesetzgeber von der wirklichkeitsfremden Vorstellung ausgegangen, bei Unternehmen, zumal bei Großunternehmen, lasse sich ein Geldfluss nachverfolgen und es könnten bestimmte Geldmittel von der Herkunft her gegenständlich Eigen- oder bestimmten Fremdmitteln zugeordnet werden.1 Daher muss der Nachweis ausreichen, dass vergebene Darlehen durch aufgenommene Fremdmittel in gleicher Höhe gedeckt sind.2 13.120
Das Erfordernis der Aufnahme des Kapitals durch die ausländische Gesellschaft auf einem ausländischen Kapitalmarkt bedeutet lediglich, dass die Kapitalaufnahme unter Inanspruchnahme des ausländischen Marktes erfolgt. Es kommt daher allein auf die Lokalisierung der Darlehensaufnahme an und nicht etwa darauf, ob der Darlehensgeber ein Ausländer ist oder etwa die Kapitalmittel ursprünglich aus dem Ausland stammen.3 § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG verlangt schließlich auch, dass das von der ausländischen Gesellschaft gewährte Darlehen vom Darlehensnehmer nur im Rahmen seines in- oder ausländischen Betriebes (Betriebsstätte) verwendet wird. Erforderlich ist insoweit ein differenzierter Nachweis, weil die Zuführung der Darlehensmittel zu einem inländischen Betrieb (Betriebsstätte) im Unterschied zur Zuführung zu einem ausländischen Betrieb (Betriebsstätte) stets unschädlich ist. Hier scheitert die vom Gesetz auferlegte Nachweispflicht in aller Regel an tatsächlicher und rechtlicher Unmöglichkeit. Denn die Verwendung der hingegebenen Darlehen liegt allein in der Sphäre des Darlehensnehmers und entzieht sich einer Überprüfung durch die außenstehende ausländische Gesellschaft und erst recht durch die an dieser beteiligten unbeschränkt steuerpflichtigen Person. Soll die Vorschrift sich nicht von vornherein einseitig zu Lasten des Steuerpflichtigen auswirken, muss als Nachweis ausreichen, dass die entsprechende betriebliche Verwendung des Darlehens zwischen darlehensgebender ausländischer Gesellschaft und Darlehensnehmer vertraglich vereinbart ist.4
13.121
§ 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG macht die Qualifizierung der Einkünfte aus aktiver Tätigkeit insbesondere davon abhängig, dass vom Darlehensnehmer die Darlehensmittel im In- oder Ausland belegenen Betrieben oder Betriebsstätten darlehensweise zugeführt werden. Das bedeutet, dass die Zuführung dieser Mittel zu eigenen Betrieben und Betriebsstätten außerhalb der Reichweite des § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG bleibt.
13.122
Soweit schließlich das Gesetz noch den Nachweis verlangt, dass der im Ausland gelegene Betrieb (Betriebsstätte des Darlehensnehmers) seine Bruttoerträge (Rz. 13.64) ausschließlich oder fast ausschließlich5 aus aktiven Tätigkeiten er1 Das wird allenfalls bei reinen Anleihekonsortien und Emmissionsgeschäften möglich sein. 2 Nach BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.1.7.3 soll die Zuordnung zunächst nach der direkten und sodann nach der indirekten Methode nach Maßgabe des Kapitalspiegels erfolgen. 3 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 252 ff., Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 75; Hollatz/Moebus, DB 1978, 605 ff.; enger BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.1.7.2. 4 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 262 f.; Gropp in Lademann, § 8 AStG Rz. 114. 5 Mindestens 90 %; BFH v. 30.8.1995 – I R 77/94, BStBl. II 1996, 122.
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E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen
zielt, die unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG fallen, wird dieser Nachweis ebenfalls an tatsächlicher und rechtlicher Unmöglichkeit scheitern, weil in aller Regel ein Außenstehender keinen Zugang zu den betrieblichen Interna des Darlehensnehmers haben wird. Als Nachweis muss auch hier die vertragliche Zusicherung des Darlehensnehmers ausreichen, dass der Betrieb (Betriebsstätte) Einkünfte aus aktiver Tätigkeit erwirtschaftet.1 Dass von ausländischen Kapitalgesellschaften erzielte Einkünfte aus Kapitalvermögen, soweit sie nicht von ausländischen Kreditinstituten erzielt werden (§ 8 Abs. 1 Nr. 3 AStG), als Einkünfte aus passivem Erwerb grundsätzlich eine Hinzurechnungsbesteuerung auslösen, ist überschießend und als Durchbrechung des Trennungsprinzips (Rz. 13.7) nicht gerechtfertigt. Hieran ändert auch die viel zu eng gefasste Bereichsausnahme des § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG nichts, die in der Praxis ohnehin kaum umsetzbar ist. Aus europarechtlicher und zugleich auch aus verfassungsrechtlicher Sicht ist daher die Hinzurechnungsbesteuerung für Einkünfte aus Kapitalvermögen als Rechtsfolge entsprechend § 8 Abs. 2 AStG (Rz. 13.140) auf künstliche Gestaltungen zu begrenzen.
13.123
h) Gewinnausschüttungen Gewinnausschüttungen zählen stets zu den Einkünften aus aktiver Tätigkeit, und zwar unabhängig davon, ob die den Gewinnausschüttungen zugrunde liegenden Einkünfte bzw. Bruttoerträge aus aktiver Tätigkeit oder aus passivem Erwerb stammen.2 Daher fallen Ausschüttungen von vermögensverwaltenden ausländischen Kapitalgesellschaften auch soweit sie Kapitalanlageeinkünfte (§ 7 Abs. 6a AStG) erzielen, in den Begünstigungsrahmen des § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG. Ohne Bedeutung ist, wo die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist. Es muss sich allerdings bei der ausschüttenden Gesellschaft um eine Kapitalgesellschaft handeln. Hierzu zählen die in § 1 Abs. 1 KStG aufgeführten Rechtsträger inländischen Rechts und schließlich auch nach ausländischem Recht errichtete Rechtsträger, soweit sie nach dem hierfür maßgeblichen Typenvergleich (Rz. 7.7) als Kapitalgesellschaften zu qualifizieren sind.
13.124
Zu den Gewinnausschüttungen zählen alle Bezüge i.S. der § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG, so dass insbesondere auch verdeckte Gewinnausschüttungen zu Einkünften aus aktiver Tätigkeit führen.3 Hierzu gehören auch etwa Einnahmen aus der Veräußerung von Dividendenscheinen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG.4 Nicht dazu gehören demgegenüber die entnommenen Gewinnanteile persönlich haftender Gesellschafter einer KGaA (§ 15 Abs. 1 Nr. 3 EStG) sowie die
13.125
1 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 263, 271; mangels Durchführbarkeit wird § 8 Abs. 1 Nr. 7 AStG insoweit für verfassungswidrig gehalten von Hollatz/Moebus, DB 1979, 959 (962 f.). 2 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG, Rz. 281; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 159. 3 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 283, BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.1.8; weitergehend i.S.v. Bezügen, die von § 8b Abs. 1 KStG erfasst werden, Geurts in Fuhrmann3, § 8 AStG Rz. 228; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 162; Reiche in Haase3, § 8 AStG Rz. 82. 4 Reiche in Haase3, § 8 AStG Rz. 82; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.1.8.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
Ergebnisabführung auf Grund eines im Rahmen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft abgeschlossenen Gewinnabführungsvertrages (§ 14 KStG).1 Ebenso gehören nicht zu den Gewinnausschüttungen Auskehrungen auf Grund einer Kapitalherabsetzung, soweit hierfür die Rücklagen und/oder Teile des Nennkapitals ausgekehrt werden, für die der Sonderausweis gem. § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG gilt, sowie Auskehrungen aus dem steuerlichen Einlagekonto (§ 27 KStG),2 es sei denn bei ausländischen EU-Kapitalgesellschaften ist ein Feststellungsverfahren nach § 27 Abs. 8 Satz 3 KStG nicht (erfolgreich) durchgeführt worden (§ 27 Abs. 8 Satz 9 KStG).3 i) Beteiligungsveräußerungsgewinne 13.126
§ 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG qualifiziert Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer nachgeschalteten Kapitalgesellschaft im Grundsatz als Einkünfte aus aktiver Tätigkeit. Betroffen hierdurch sind nur die Beteiligungsveräußerungsgewinne, die seitens der vorgeschalteten ausländischen Kapitalgesellschaft erzielt werden. Gewinne aus der Veräußerung dieser Gesellschaft, die beim unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner anfallen, sind dagegen entweder gem. § 3 Nr. 41 Buchst. b EStG oder gem. § 8b Abs. 2, 3 KStG unter den jeweils dort genannten Voraussetzungen steuerfrei (Rz. 18.47 f., 18.173 ff.).
13.127
Die Einstufung der von der ausländischen Kapitalgesellschaft erzielten Beteiligungsveräußerungsgewinne als Einkünfte aus aktivem Erwerb ist eine Folge von § 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG, wonach Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaften stets als aktiv qualifiziert werden (Rz. 13.124). § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG enthält allerdings zwei systembedingte Ausnahmen: Beteiligungsveräußerungsgewinne sind nicht aktiv, soweit sie anteilig auf vermietete oder verpachtete Grundstücke einer steuerbefreiten REIT-AG entfallen. Hierdurch wird sichergestellt, dass wegen der fehlenden steuerlichen Vorbelastung auf Gesellschaftsebene jedenfalls Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an der steuerbefreiten REIT-AG als Einkünfte aus passivem Erwerb in die Hinzurechnungsbesteuerung einbezogen werden.4 Beteiligungsveräußerungsgewinne werden schließlich auch dann als Einkünfte aus passivem Erwerb eingestuft, wenn sie anteilig auf Wirtschaftsgüter entfallen, die bei der nachgeschalteten Gesellschaft Kapitalanlagetätigkeiten (§ 7 Abs. 6a AStG) dienen.5 Damit werden im Ergebnis die in den betreffenden Wirtschaftsgütern über den Veräußerungspreis vergüteten Reserven der Hinzurechnungsbesteuerung zugeführt.6 Sofern in der Vergangenheit 1 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 282. 2 Zu Einzelheiten Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 284 ff.; dort auch Hinweise zu noch nicht geklärten Rechtsfragen zur Abgrenzung Gewinnausschüttung/Veräußerungsgewinn; vgl. hierzu ferner Dötsch in D/P/M, § 27 KStG Rz. 19; Frotscher in Frotscher/Drüen, § 27 KStG Rz. 10; zur Einlagenrückgewähr auch BFH v. 28.10.2009 – I R 116/08, DB 2010, 256; vgl. ferner Rz. 7.37. 3 Vgl. hierzu Berninghaus in H/H/R, § 27 KStG Rz. 175; Bauschatz in Gosch3, § 27 KStG Rz. 149. 4 Hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 325 ff.; Jacob in Helios/Wewel/ Wiesbrock, REITG, Anh. 2, AStG, Rz. 16 f. 5 Zu Einzelheiten Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 332. 6 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 165.
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E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen
insoweit bereits eine Hinzurechnungsbesteuerung der Kapitalanlageeinkünfte ausgelöst wurde, sieht § 11 AStG in gewissen zeitlichen Grenzen zwecks Vermeidung einer Doppelbesteuerung eine Steuerbefreiung der Beteiligungsveräußerungsgewinne vor (Rz. 13.184 ff.). Von § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG werden alle Veräußerungsvorgänge erfasst, die auf eine entgeltliche Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums gerichtet sind.1 Hierzu gehören aus deutscher Sicht u.a. der Tausch, umwandlungsbedingte Vermögensübertragungen2 sowie als veräußerungsgleiche Vorgänge die Liquidation und Kapitalherabsetzung3 und schließlich in Orientierung an der teleologischen Ausrichtung des § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG – der insoweit der Erfassungsbreite des § 8b Abs. 2 KStG entspricht – auch alle Ersatzrealisationstatbestände wie verdeckte Einlage, verdeckte Gewinnausschüttung und Sachdividende.4
13.128
Angesprochen wird nur die Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften,5 wobei es keine Rolle spielt, ob diese im Inland oder im Ausland ansässig sind.6 Hieraus folgt, dass nach Maßgabe des deutschen Mitunternehmerkonzepts Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Personengesellschaften als Gewinne aus der anteiligen Veräußerung des Betriebs der Personengesellschaft zu behandeln sind.7 Die vorgenannten Beteiligungsveräußerungsgewinne sind als Einkünfte aus aktiver Tätigkeit zu qualifizieren, soweit der Steuerpflichtige nachweist, dass der Veräußerungsgewinn auf Wirtschaftsgüter der nachgeschalteten Gesellschaft entfällt, die anderen als den in § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b AStG bezeichneten Tätigkeiten dienen, soweit es sich hierbei um Einkünfte einer Gesellschaft i.S. des § 16 REITG handelt, oder um solche, die den in § 7 Abs. 6a AStG bezeichneten Tätigkeiten dienen. Ist die nachgeschaltete Gesellschaft ihrerseits an einer weiteren Gesellschaft beteiligt, beziehen sich die vorgenannten Nachweispflichten auch auf diese Gesellschaft. Von der Sache her sind die den inländischen Steuerpflichtigen betreffenden Nachweispflichten solche i.S. des § 90 Abs. 2 AO.8
13.129
Die dem Steuerpflichtigen in § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG auferlegten Nachweispflichten scheitern in der Praxis nicht selten an objektiver Unmöglichkeit. Das gilt insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige lediglich eine Minderheitsbeteiligung hält mit der Folge, dass ihm der Zugang zu den Informationen bereits aus gesellschaftsrechtlichen Gründen verwehrt ist, zumal es um Informationen geht, die aus Sicht des inländischen Steuerpflichtigen lediglich nachgeschaltete Gesellschaften betreffen. Der Steuerpflichtige wird den ihm von Gesetzes wegen auf-
13.130
1 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 298; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 169. 2 Vgl. aber die Sondervorschrift des § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG, hierzu Rz. 13.136 ff. 3 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 308 ff. 4 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 300; Reiche in Haase3, § 8 AStG Rz. 86; a.A. Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 170; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 102; Rödel in Kraft, § 8 AStG Rz. 547. 5 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 171; Reiche in Haase3, § 8 AStG Rz. 88. 6 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 305. 7 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 305. 8 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 315; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 176.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
erlegten Nachweispflichten auch dann nicht nachkommen können, wenn der Veräußerungspreis nach Ertragswertgesichtspunkten gebildet worden ist: Eine Zuordnung des auf dieser Grundlage erzielten Veräußerungsgewinns zu einzelnen Wirtschaftsgütern, zu denen etwa Kapitalrücklagen ohnehin nicht gehören,1 ist in aller Regel nicht möglich.2 Um eine mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip nicht zu vereinbarende Besteuerung von Solleinkommen zu vermeiden, kommt die sich zu Lasten des Steuerpflichtigen auswirkende Beweislastverteilung erst dann zum Zuge, wenn überhaupt Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die nachgeschalteten Gesellschaften die in § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG angesprochenen schädlichen Tätigkeiten ausüben.3 13.131
Ob Wirtschaftsgüter den in § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b AStG oder den in § 7 Abs. 6a AStG bezeichneten Tätigkeiten dienen, ist nach Veranlassungsgesichtspunkten zu beurteilen mit der Folge, dass ggf. auch eine Aufteilung des Veräußerungsgewinns auf die einzelnen Wirtschaftsgüter der Gesellschaft in Betracht kommt.4 Unter Zeitbezugsgesichtspunkten ist hierbei auf das betreffende Wirtschaftsjahr abzustellen, in dem die Veräußerung erfolgt. Wird zu Beginn des Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft veräußert, ist das vorangegangene Wirtschaftsjahr maßgeblich.5
13.132
Werden von der ausländischen Gesellschaft Anteile an einer gem. § 16 REITG steuerbefreiten REIT-AG veräußert, ist der Veräußerungsgewinn als passiv zu qualifizieren, soweit er anteilig auf im Inland belegene Grundstücke entfällt oder soweit es sich um ausländische Grundstücke handelt, bei denen die Einkünfte aus der Vermietung oder Verpachtung abkommensrechtlich nicht steuerbefreit wären, wenn sie von dem inländischen Steuerpflichtigen unmittelbar bezogen worden wären. Hieraus folgt, dass der Veräußerungsgewinn insoweit aktiv ist, als er anteilig auf ausländische Grundstücke entfällt, deren Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abkommensrechtlich beim inländischen Steuerpflichtigen freizustellen wären.6
13.133
Soweit dem Steuerpflichtigen der Nachweis gelingt, dass der Veräußerungsgewinn Wirtschaftsgütern der nachgeschalteten Gesellschaft zuzuordnen ist, die nicht der Erzielung von Kapitalanlageeinkünften (§ 7 Abs. 6a AStG) dienen, ist der Veräußerungsgewinn insgesamt als aktiv einzustufen. Wird der Nachweis nicht in zurechenbarer Weise (Rz. 13.130) erbracht, so ist der Veräußerungsgewinn, soweit nicht eine Aufteilung im Schätzungswege in Betracht kommt, in vollem Umfange den Einkünften aus passivem Erwerb zuzuordnen.7 Voraus1 Zu diesem Problem Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 180. 2 Zur Kritik im Einzelnen Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 316; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 177. 3 Vgl. Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 317; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 108; Lieber, FR 2001, 139 (145). 4 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 318. 5 Nach Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 332 soll auf die während der Nutzungsdauer eingetretene Werterhöhung abgestellt werden. 6 Dies ergibt sich aus dem Bezug auf § 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b AStG; hierzu Reiche in Haase3, § 8 AStG Rz. 96; Jacob in Helios/Wewel/Wiesbrock, REITG, Anh. 2, AStG, Rz. 23 f. 7 Nach BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.19 soll eine Aufteilung nicht in Betracht kommen.
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E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen
setzung ist allerdings, dass die Kapitalanlageeinkünfte der nachgeschalteten Gesellschaft, deren Anteile veräußert werden, einer Niedrigbesteuerung unterliegen.1 Die für die Qualifizierung der Veräußerungsgewinne als Einkünfte aus aktiver Tätigkeit gebotene Transparenz der nachgeschalteten Gesellschaft wird gem. § 8 Abs. 1 Nr. 9 Halbs. 2 AStG auf eine weitere nachgeschaltete Gesellschaft ausgedehnt, so dass sich die Nachweisverpflichtung des inländischen Steuerpflichtigen insgesamt auf ein (ausländisches) dreistufiges Beteiligungsverhältnis erstreckt. Das bedeutet, dass Gewinne aus der Veräußerung einer auf der zweiten Stufe nachgeschalteten Kapitalgesellschaft selbst dann als aktiv zu qualifizieren sind, wenn diese ausschließlich auf Wirtschaftsgüter entfallen, die bei einer auf der vierten Stufe nachgeschalteten Kapitalgesellschaft Kapitalanlagetätigkeiten (§ 7 Abs. 6a AStG) dienen.2
13.134
Soweit Beteiligungsveräußerungsgewinne Einkünfte aus passivem Erwerb sind mit der Folge, dass sie insoweit eine Hinzurechnungsbesteuerung auslösen,3 folgt hieraus zwingend, dass entsprechende Veräußerungsverluste steuerlich zu berücksichtigen sind. Das setzt allerdings voraus, dass der Steuerpflichtige nachweist, dass die Verluste auf solchen Wirtschaftsgütern beruhen, die der schädlichen Vermietung und Verpachtung von Grundstücken (§ 8 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. b AStG) oder aber Kapitalanlagetätigkeiten (§ 7 Abs. 6a AStG) dienen (§ 8 Abs. 1 Nr. 9 Halbs. 3 AStG). Das gilt gleichermaßen für Verluste durch Veräußerung, Liquidation oder durch Kapitalherabsetzung usw.4 Soweit hiernach ein Verlust berücksichtigungsfähig ist, wird die Möglichkeit eröffnet, diese Verluste mit anderen Zwischeneinkünften aus passivem Erwerb gem. § 10 Abs. 3 Satz 5 AStG auszugleichen, wobei auch ein Verlustvor- oder -rücktrag in Betracht kommt.
13.135
j) Umwandlungsgewinne Umwandlungsgewinne sind gem. § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG grundsätzlich aktiv. Damit sollen im Ergebnis in- und ausländische Umwandlungsvorgänge gleichbehandelt werden.5 Im Hinblick darauf stellt § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG darauf ab, ob der Umwandlungsvorgang unter Anwendung des Umwandlungssteuergesetzes zu Buchwerten erfolgen könnte. Das bedeutet, dass in den Fällen, in denen die entsprechenden Umwandlungsvorgänge im Inland steuerneutral vollzogen werden könnten, im Grundsatz keine Hinzurechnungsbesteuerung ausgelöst werden soll.
13.136
Die Reichweite des § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG ist indessen begrenzt, weil überhaupt nur solche Umwandlungsgewinne erfasst werden, die auf der Ebene der ausländischen Gesellschaft und nicht etwa beim inländischen Anteilseigner anfallen
13.137
1 Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Gesetz, lässt sich aber aus § 11 AStG schließen. 2 Sog. positive Drei-Stufen-These; vgl. Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 340; in diesem Sinne vertreten z.B. von Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 181; Reiche in Haase2, § 8 AStG Rz. 89; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 105. 3 Soweit nicht die Steuerbefreiung des § 11 AStG eingreift; hierzu Rz. 13.184 ff. 4 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 349; Reiche in Haase3, § 8 AStG Rz. 98. 5 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.1.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
und zudem nicht schon auf Grund funktionaler Betrachtungsweise anderweitig Einkünften aus aktiver Tätigkeit zuzuordnen sind. Im Hinblick darauf bezieht sich § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG nur auf stille Reserven von Wirtschaftsgütern, die Einkünften aus passivem Erwerb dienen.1 Hieraus folgt etwa, dass umzuwandelnde ausländische Kapitalgesellschaften, die ausschließlich Einkünfte aus aktiver Tätigkeit erzielen, im Falle ihrer Umwandlung keine Hinzurechnungsbesteuerung auslösen können. § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG gewinnt daher seine eigentliche Bedeutung in den Fällen, in denen die ausländische Kapitalgesellschaft Einkünfte aus passivem Erwerb erzielt, so dass insoweit aus einer „passiven“ eine „aktive“ Gesellschaft wird.2 Das gilt darüber hinaus in aller Regel auch dann, wenn an den ausländischen Umwandlungen Kapitalgesellschaften beteiligt sind,3 die ihrerseits Einkünfte aus passivem Erwerb erzielen, es sei denn, es handelt sich um solche Einkünfte aus passivem Erwerb, die im Veräußerungsfall die Qualifikation als aktive Einkünfte gem. § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG ausschließen würden.4 Damit ergibt sich weitgehend eine Parallelität mit § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG, der ebenfalls Umwandlungsgewinne auf ausländischer Gesellschafterebene erfasst (Rz. 13.128). 13.138
Erfasst werden Gewinne aus Umwandlungen, zu denen alle ausländischen Vorgänge gehören, die mit den in § 1 Abs. 1 und 3 UmwStG aufgezählten inländischen Umwandlungen vergleichbar sind.5 Hierbei kommt es darauf an, ob die ausländische Umwandlung aufgrund ihrer maßgeblichen Strukturmerkmale6 einer im deutschen Umwandlungsgesetz geregelten Umwandlung entspricht. Voraussetzung ist allerdings, dass die ausländische Umwandlung überhaupt einen Gewinnrealisierungstatbestand erfüllt, was bei einem identitätswahrenden Formwechsel von vorneherein nicht der Fall ist. Löst die ausländische Umwandlung abstrakt eine Gewinnrealisierung aus, kommt es für die Anwendung des § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG darauf an, dass die Umwandlung zu Buchwerten erfolgen könnte, so dass eine tatsächliche Gewinnrealisierung etwa bei unterlassenem Antrag auf Buchwertfortführung unschädlich ist.7
13.139
Soweit Umwandlungsgewinne nicht schon auf Grund funktionaler Betrachtungsweise als aktiv einzustufen sind, kommt es gem. § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG darauf an, ob es sich um eine Umwandlung handelt, die zwar nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des (deutschen) § 1 Abs. 2 oder 4 UmwStG, aber doch alle übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des Umwandlungssteuergesetzes erfüllt. Mit anderen Worten: Entscheidend ist, dass die Umwandlung im Inland zu Buchwer1 Lehfeldt in S/K/K, § 10 AStG Rz. 105; Reiche in Haase3, § 8 AStG Rz. 106; Schnitger/ Rometzki, FR 2006, 845 (856). 2 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 362; Reiche in Haase3, § 8 AStG Rz. 100. 3 Bei einer ausländischen Seitwärtsverschmelzung sind dies die übertragende und die aufnehmende Kapitalgesellschaft sowie die ausländische Zwischengesellschaft als gemeinsame Muttergesellschaft; vgl. Kamphaus/Weihmann, Ubg 2009, 502 (503). 4 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 387; Kamphaus/Weihmann, Ubg 2009, 502 (504). 5 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 366 f. 6 Hierzu Graw in R/H/vL2, § 1 UmwStG Rz. 86; Möhlenbrock in D/P/M, § 1 UmwStG Rz. 96 ff.; Schnitger, IStR 2010, 265 (267). 7 Reiche in Haase3, § 8 AStG Rz. 103; Ritzer in R/H/vL2, Anh. 8, Rz. 27.
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E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen
ten hätte erfolgen können, wenn die umgewandelte Gesellschaft von § 1 Abs. 2 oder 4 UmwStG zu erfassen wäre. Hierbei sind stets inländische Umwandlungen zu unterstellen, und zwar selbst dann, wenn tatsächlich die Umwandlung im Ausland grenzüberschreitend erfolgt ist.1 Denn die Parallelität mit der in § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG getroffenen Regelung soll im Ergebnis sicherstellen, dass Veräußerungs- und Umwandlungsvorgänge für Zwecke der Hinzurechnungsbesteuerung gleich behandelt werden. Dementsprechend regelt § 8 Abs. 1 Nr. 10 Halbs. 2 AStG eine Ausnahme von dem Grundsatz der Aktivität für Umwandlungsgewinne, die Anteile an Kapitalgesellschaften erfassen, die im Veräußerungsfall nicht nach § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG begünstigt wären. Damit ist vor allem der Fall angesprochen, dass Umwandlungsgewinne auf Wirtschaftsgüter mit Kapitalanlagecharakter (§ 7 Abs. 6a AStG) zurückzuführen sind. Durch diese Ausnahmeregelung wird letztlich vermieden, dass als passiv zu qualifizierende Beteiligungsveräußerungsgewinne durch entsprechende Umwandlungsvorgänge ersetzt werden.2 4. Europarechtliche Sonderregelungen Literatur Kommentare zu § 8 Abs. 2 AStG; Axer, Der Europäische Gerichtshof auf dem Weg zur „doppelten Kohärenz“ – Eine Zukunft der Hinzurechnungsbesteuerung nach dem Cadbury Schweppes-Urteil, IStR 2007, 162; Beimler, Das Urteil des EuGH im Fall „Cadbury Schweppes“ – Der Missbrauchsbegriff des EuGH und die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, StBp 2007, 357; Hahn, Erläuterungen und legislatorische Überlegungen zur EuGH-Entscheidung in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“, DStZ 2007, 201; Haun/Käshammer/ Reiser, Das BMF-Schreiben vom 8.1.2007 zur Hinzurechnungsbesteuerung – eine erste Analyse, GmbHR 2007, 184; Köhler/Eicker, Kritische Anmerkungen zum BMF-Schreiben „Cadbury Schweppes“ vom 8.1.2007, DStR 2007, 331; Köhler/Eicker, Wichtige EuGH-Entscheidungen zur Hinzurechnungs- und Wegzugsbesteuerung, DStR 2006, 1871; Köhler/ Haun, Kritische Analyse der Änderungen der Hinzurechnungsbesteuerung durch das JStG 2008, Ubg 2008, 73; Kraft, Konzeptionelle und strukturelle Defizite der Hinzurechnungsbesteuerung – Reformbedarf und Reformnotwendigkeit, IStR 2010, 377; Kraft/Bron, Implikationen des Urteils in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“ für die Fortexistenz der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung, IStR 2008, 614; Linn/Pignot, Hinzurechnungsbesteuerung nach Cadbury Schweppes, IWB 2016, 466; Rödder, Ist der Hinzurechnungsbetrag gewerbesteuerpflichtig?, IStR 2009, 873; Ruf/Wohlfahrt, Gewerbesteuerliche Folgen der Hinzurechnungsbesteuerung, Ubg. 2009, 496; Schön, Deutsche Hinzurechnungsbesteuerung und europäische Grundfreiheiten, Beiheft zu IStR 2013, Heft 6; Schön, Hinzurechnungsbesteuerung und europäisches Gemeinschaftsrecht, DB 2001, 940; Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, Köln 2004; Sedemund, Europarechtliche Bedenken gegen den neuen § 8 Abs. 2 AStG, BB 2008, 696; Sieker, Zur Beachtung des Fremdvergleichsgrundsatzes gemäß § 8 Abs. 2 Satz 5 AStG, IStR 2009, 341; Wassermeyer/Schönfeld, Die EuGH-Entscheidung in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“ und deren Auswirkungen auf die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung, GmbHR 2006, 1065. 1 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 370; Ritzer in R/H/vL2, Anh. 8 Rz. 26; Schießl, DStZ 2009, 207 (213); dagegen nur für die fiktive Verlegung der Zwischengesellschaft in das Inland Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.l7; Reiche in Haase3, § 8 AStG Rz. 104; Kamphaus/Weihmann, Ubg 2009, 502 (505). 2 Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 182.10; zu Einzelheiten Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 386 ff.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
a) Cadbury-Schweppes-Entscheidung 13.140
Die Hinzurechnungsbesteuerung ist konzeptionell insbesondere mit der europarechtlich verbürgten Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV) unvereinbar.1 Sie behindert nämlich die Erwerbstätigkeit durch Tochtergesellschaften im Ausland dadurch, dass die dort erzielten Gewinne immer besteuert werden ohne Rücksicht darauf, ob diese in das Inland transferiert werden und auf der inländischen Gesellschafterebene der Einkommen-/Körperschaftsteuer sowie ggf. der Gewerbesteuer unterworfen werden. Wären beispielsweise Einkaufs- und Vertriebsgesellschaften, deren Tätigkeiten als passiv eingestuft werden, wenn ein inländischer Gesellschafter schädlich mitwirkt (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 AStG), dagegen im Inland ansässig, erfolgte eine Besteuerung nur bei tatsächlicher Ausschüttung. Hierdurch sind die inländische Muttergesellschaft bzw. die Gesellschafter insbesondere in ihrer Niederlassungsfreiheit beeinträchtigt. Von der Schutzwirkung der Niederlassungsfreiheit werden dabei auch die Erwerbstätigkeit von nachgeschalteten Gesellschaften in einer mehrstufigen Beteiligungskette erfasst (Art. 49 Abs. 1 Satz 2 AEUV). Von der Niederlassungsfreiheit wird also nicht nur die unmittelbare eigene Erwerbstätigkeit, sondern auch diejenige geschützt, die z.B. über zwischengeschaltete Holdinggesellschaften ausgeübt wird.2
13.141
Obwohl die Unvereinbarkeit der Hinzurechnungsbesteuerung mit der Niederlassungsfreiheit seit Jahren offenkundig war, hat der Gesetzgeber erst auf Grund der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Cadbury Schweppes3 im Rahmen des Jahressteuergesetzes 20084 reagiert:5 § 8 Abs. 2 AStG schließt die Hinzurechnungsbesteuerung für inländisch beherrschte Gesellschaften mit Sitz oder Geschäftsleitung in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Vertragsstaat des EWRAbkommens aus, wenn die Gesellschaft in diesem Staat eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit ausübt und der Steuerpflichtige dies nachweist. Hieraus folgt, dass § 8 Abs. 2 AStG erst dann zur Anwendung kommt, wenn Einkünfte aus passivem Erwerb gegeben sind. Nur für diesen Fall wird der Gegenbeweis nach § 8 Abs. 2 AStG eröffnet. Dementsprechend sieht § 18 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 AStG vor, dass im Rahmen der Erklärung zur gesonderten Feststellung auf einer ersten Stufe die Zwischeneinkünfte zu erklären sind und erst auf einer zweiten Stufe der Gegenbeweis erbracht werden kann.6
13.142
Die Cadbury-Schweppes-Entscheidung des EuGH7 ist durch § 8 Abs. 2 AStG nur unzureichend umgesetzt worden, so dass die Hinzurechnungsbesteuerung unverändert in Teilen europarechtlichen Zweifeln ausgesetzt ist. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass der Aktiv-/Passivkatalog des § 8 Abs. 1 AStG mit seiner übermäßigen Typisierung im Ausgangspunkt auch für den EU-/EWR-Be1 2 3 4 5
Zu verfassungsrechtlichen Problemen vgl. Rz. 13.7. Zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B/S, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 81 ff. EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, Slg. 2006, I-7995. Vom 20.12.2007, BGBl. I 2007, 3150. Vgl. die für die Zwischenzeit bedeutsame Verwaltungsregelung in BMF v. 8.1.2007, BStBl. I 2007, 99. 6 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 421, 459; kritisch hierzu Köhler/ Haun, Ubg 2008, 73 (84 f.). 7 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, Slg. 2006, I-7995; ergangen zu den britischen Controlled Foreign Companies Regeln (CFC-Regeln).
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E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen
reich gilt, obwohl der EuGH wirkliche wirtschaftliche Tätigkeiten, zu denen auch rein vermögensverwaltende Tätigkeiten zählen,1 generell für unschädlich hält. Darüber hinaus führt auch die in § 8 Abs. 3 AStG verankerte Niedrigsteuergrenze zu europarechtlichen Verwerfungen, weil zwar einerseits im Grundsatz der Hinzurechnungsbetrag der Gewerbesteuer unterliegt,2 aber andererseits bei Anwendung des § 12 Abs. 1 AStG die im Ausland gezahlte Steuer nicht auch auf die deutsche Gewerbesteuer, die bei der 25 %-Grenze mit „einkalkuliert“ worden ist,3 zur Anrechnung kommt.4 Schließlich ist es unter europarechtlichen Gesichtspunkten auch nicht zu rechtfertigen, unbeschränkt steuerpflichtige Personen, die nur gering an einer Zwischengesellschaft beteiligt sind, auf den Gegenbeweis gem. § 8 Abs. 2 AStG zu verweisen, da dieser insoweit in aller Regel an rechtlicher und/oder tatsächlicher Unmöglichkeit scheitert.5 In den vorgenannten Fällen sind daher stets Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 227 AO) geboten. b) EU-/EWR-Gesellschaften § 8 Abs. 2 Satz 1 AStG eröffnet den Gegenbeweis für tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeiten von Gesellschaften, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung in einem Mitgliedstaat der EU oder einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens haben. Angesprochen sind damit ausländische Gesellschaften, die von der Reichweite des § 7 Abs. 1 AStG erfasst werden.6 Voraussetzung ist, dass sie ihren Satzungssitz oder ihre Geschäftsleitung im EU-/EWR-Ausland haben. In den Privilegierungsrahmen des § 8 Abs. 2 AStG fallen damit im Ausland doppelt ansässige Gesellschaften auch dann, wenn sie etwa den Satzungssitz im EU-/EWR-Ausland haben, der Ort der Geschäftsleitung sich aber in einem Drittstaat befindet.7 Erfasst werden schließlich auch nachgeschaltete ausländische Gesellschaften (§ 14 Abs. 1 AStG), (Rz. 13.222 ff.) wenn sie den Satzungssitz oder ihre Geschäftsleitung im EU-/EWR-Ausland haben.8 Ob die in den vorgenannten Gebieten ansässigen Gesellschaften ihrerseits an Drittstaaten-Gesellschaften beteiligt sind oder dort Betriebsstätten unterhalten, ist insoweit ebenfalls ohne Bedeutung. Allerdings: Gemäß § 8 Abs. 2 Sätze 3 und 4 AStG wird der Gegenbeweis für die in DrittstaatenGesellschaften/-Betriebsstätten angefallenen Zwischeneinkünfte abgeschnitten (Rz. 13.144). Für in EWR-Staaten9 ansässige Gesellschaften kommt die Gleichstellung mit ausländischen EU-Gesellschaften nur dann in Betracht, wenn zwischen 1 EuGH v. 16.7.1998 – Rs. C-264/96 – ICI, Slg. 1998, I-4711; v. 18.9.2003 – Rs. C-168/01 – Bosal Holding, Slg. 2003, I-9430; v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, Slg. 2006, I-7995. 2 Allerdings Kürzung gem. § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG; BFH v. 11.3.2015 – I R 10/14, BFH/NV 2015, 921; Nichtanwendungserlass: gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 14.12.2015, z.B. FinMin NW v. 14.12.2015, FR 2016, 273; geplantes Nichtanwendungsgesetz; § 7 Abs. 1 Satz 7 GewStG idF des AHRL-ÄndUmsG (Rz. 13.7). 3 Bei einem Hebesatz von 200 beträgt die Gesamtsteuerbelastung ohnehin nur 22,825 %. 4 Kritisch hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 407; Ruf/Wohlfahrt, Ubg. 2009, 496 (499 f.); Kraft/Schreiber, IStR 2015, 189; vgl. im Übrigen Rz. 13.7. 5 Zu weiteren Einzelheiten hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 409; Haun/Käshammer/Reiser, GmbHR 2007, 184 (187); Köhler/Eicker, DStR 2007, 331 (332). 6 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 426. 7 Reiche in Haase3, § 8 AStG Rz. 147. 8 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 445. 9 Liechtenstein, Norwegen und Island.
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13.143
Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
Deutschland und den EWR-Staaten ein dem § 2 Abs. 2 EUAHiG vergleichbarer Auskunftsverkehr gewährleistet ist (§ 8 Abs. 2 Satz 2 AStG). Dieses Erfordernis ist aufgrund der mit diesen Staaten abgeschlossenen DBA und Informationsaustauschabkommen gegeben.1 Drittstaaten-Gesellschaften sind generell aus dem Begünstigungsrahmen des § 8 Abs. 2 AStG ausgeschlossen.2 c) Tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit 13.144
§ 8 Abs. 2 Satz 1 AStG lässt die Steuerpflicht für Zwischeneinkünfte entfallen, für die der Nachweis einer „tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit“ erbracht wird. Dieser Gegenbeweis bezieht sich somit nicht auf die gesamten Einkünfte der ausländischen Gesellschaft, sondern stets nur auf die Zwischeneinkünfte. Diese müssen sich auf eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft in dem Staat zurückführen lassen, um die (positiven) Rechtsfolgen des § 8 Abs. 2 AStG auszulösen. Der Gegenbeweis steht im Grundsatz zwar lediglich unbeschränkt steuerpflichtigen Personen zu, über die Fiktion des § 5 Abs. 1 Satz 1 AStG, wonach für Zwecke der Anwendung von §§ 7, 8 und 14 AStG die unbeschränkte Steuerpflicht unterstellt wird, kann der Gegenbeweis (§ 8 Abs. 2 AStG) auch von erweitert beschränkt Steuerpflichtigen geführt werden.3 Sind mehrere unbeschränkt Steuerpflichtige an der EU-/EWR-Gesellschaft beteiligt, reicht es aus, wenn einer der Beteiligten den entsprechenden Gegenbeweis antritt. Er gilt dann für und gegen alle Gesellschafter als erbracht.4 Für den Gegenbeweis werden außerhalb des Anwendungsbereichs des § 5 Abs. 1 Satz 1 AStG nur unbeschränkt Steuerpflichtige zugelassen, die gem. § 7 Abs. 2 oder Abs. 6 AStG an der Gesellschaft beteiligt sind. Erfasst werden somit unbeschränkt Steuerpflichtige, wenn ihnen allein oder zusammen mit erweitert beschränkt Steuerpflichtigen am Ende des Wirtschaftsjahres der Gesellschaft, in dem die Einkünfte nach § 7 Abs. 1 AStG bezogen worden sind, mehr als 50 % der Anteile oder Stimmrechte zuzurechnen sind (Rz. 13.45), und solche Personen, die unterhalb dieser Beteiligungsschwelle nach Maßgabe des § 7 Abs. 6 AStG an der ausländischen Gesellschaft beteiligt sind. Angesprochen sind hiermit insbesondere nicht inländisch beherrschte ausländische Gesellschaften mit Kapitalanlageeinkünften (Rz. 13.64).5
13.145
Der Gegenbeweis bezieht sich darauf, dass die ausländische Gesellschaft einer „tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit“ in dem Aufnahmemitgliedstaat nachgeht. Was eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit ist, lässt sich dem Gesetz nicht unmittelbar entnehmen.6 Anhaltspunkte für die Auslegung ergeben sich allerdings aus der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Cadbury 1 Das gilt auch im Verhältnis zu Liechtenstein. 2 Zu einer ggf. möglichen entsprechenden Anwendung auf Drittstaaten unter dem Gesichtspunkt der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) und auf der Grundlage von Assoziierungsabkommen und Freizügigkeitsabkommen Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 429 ff.; Reiche in Haase3, § 8 AStG Rz. 141 ff. 3 Zu weiteren Einzelheiten Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 444. 4 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 447. 5 Inländisch beherrschte Kapitalanlagegesellschaften fallen unter § 7 Abs. 1 AStG; hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S § 8 AStG Rz. 450. 6 Ein Rückgriff auf § 8 Abs. 1 AStG verbietet sich, weil anderenfalls der Anwendungsbereich des § 8 Abs. 2 AStG erst gar nicht eröffnet wäre.
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E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen
Schweppes,1 wonach tatsächliche (wirkliche) wirtschaftliche Tätigkeiten zu verneinen sind, wenn sie „sich speziell auf rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen beziehen, die darauf ausgerichtet sind, der Anwendung der Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats und insbesondere der Steuer zu entgehen, die normalerweise für durch Tätigkeiten im Inland erzielte Gewinne geschuldet wird.“2 Damit ist in objektiver Hinsicht darauf abzustellen, ob eine rein künstliche Gestaltung gegeben ist und in subjektiver Hinsicht, ob eine derartige Gestaltung der Steuerumgehung dient. Beide Merkmale müssen erfüllt sein, um den Gegenbeweis zu versagen. Führt somit die Prüfung zu dem Ergebnis, dass die ausländische Gesellschaft über die erforderliche wirtschaftliche Realität im Aufnahmemitgliedstaat verfügt, kommt es nicht mehr darauf an, ob der Einsatz dieser Gesellschaft steuerlich motiviert ist oder nicht.3 In Orientierung an die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Cadbury Schweppes4 ist in objektiver Hinsicht darauf abzustellen, ob die ausländische Gesellschaft stabil und kontinuierlich am Wirtschaftsleben des Aufnahmemitgliedstaates teilnimmt, für die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit eine feste Einrichtung in diesem Staat auf unbestimmte Zeit unterhält und dort Geschäftsräume und Ausrüstungsgegenstände hat sowie Personal beschäftigt.5 Von besonderer Bedeutung ist die Teilnahme am Wirtschaftsleben im Aufnahmemitgliedstaat. Hierfür reicht es aus, wenn die ausländische Gesellschaft dort entweder am Absatz- oder Beschaffungsmarkt teilnimmt, was bereits dann der Fall ist, wenn hierfür die Ressourcen im Aufnahmemitgliedstaat nachhaltig genutzt werden.6 Ob die in diesem Zusammenhang maßgeblichen Geschäftsbeziehungen gegenüber fremden Dritten oder gegenüber nahe stehenden Personen erfolgt, ist ohne Bedeutung mit der Folge, dass auch konzerninterne Leistungsbeziehungen eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit darstellen.7
13.146
Einer Teilnahme am Wirtschaftsleben im Aufnahmemitgliedstaat steht nicht entgegen, wenn bestimmte Funktionen der ausländischen Gesellschaft ausgelagert werden. Ein derartiges Outsourcing ist unschädlich, so lange die betreffenden Kernfunktionen von der Gesellschaft selbst ausgeübt werden.8
13.147
Die geforderte wirtschaftliche Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat setzt eine gewisse Verankerung dort selbst voraus. Das bedeutet in aller Regel, dass jedenfalls eine feste Geschäftseinrichtung bestehen muss. Eine bloße Geschäftsadresse oder ein Telefonanschluss mit automatischem Anrufbeantworter reichen nicht aus, so dass etwa bloße Domizil- oder Briefkastengesellschaften ebenso un-
13.148
1 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, Slg. 2006, I-7995. 2 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, Slg. 2006, I-7995, Tz. 55. 3 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, Slg. 2006, I-7995; Wassermeyer/ Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 466. 4 EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, Slg. 2006, I-7995, Tz. 53 f., 66 f. 5 Zu Einzelheiten Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 467 ff. 6 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 471 ff., 511; Köhler/Eicker, DStR 2006, 1871 (1873). 7 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 474; Haun/Kahle u.a. in H/K/G/R, § 8 AStG Rz. 586; Köhler/Eicker, DStR 2007, 331 (333); vgl. auch BMF v. 3.4.2007, BStBl. I 2007, 446, Tz. 6.1. 8 BT-Drucks. 16/6290, 133; Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 476; großzügiger Haun/Käshammer/Reiser, GmbHR 2007, 184 (185).
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
tauglich sind wie wirtschaftliche Tätigkeiten in einem anderen EU-/EWR- oder Drittstaat.1 Dementsprechend bedarf es in der Regel eigener Geschäftsräume mit eigenem Personal und entsprechenden Ausrüstungsgegenständen. Das Personal muss so qualifiziert sein, dass es die der Gesellschaft übertragenen Aufgaben eigenverantwortlich und selbständig erfüllen kann, wobei eine Mitwirkung seitens der Gesellschafter unschädlich ist, soweit die maßgeblichen Kernfunktionen von eigenem Personal ausgeübt werden.2 Unter diesem Gesichtspunkt sind auch konzerninterne Finanzierungsgesellschaften unschädlich.3 d) Auskunftserteilung 13.149
Um den Gegenbeweis führen zu können, verlangt § 8 Abs. 2 Satz 2 AStG als weitere Voraussetzung, dass auf Grund der EU-Amtshilferichtlinie gem. § 2 Abs. 2 EUAHiG oder einer vergleichbaren zwei- oder mehrseitigen Vereinbarung diejenigen Auskünfte durch die Behörden des Aufnahmemitgliedstaats erteilt werden, die erforderlich sind, um die Besteuerung durchzuführen. Soweit es sich um EUStaaten handelt, wird durch die EU-Amtshilferichtlinie4 die Auskunftserteilung ohne weiteres sichergestellt. Ob die Auskunftserteilung tatsächlich in ausreichendem Maße erfolgt, spielt hierbei keine Rolle. Entscheidend ist allein, dass die Auskunftserteilung in Anspruch genommen werden kann, so dass der Gegenbeweis nicht davon abhängt, ob der jeweilige Aufnahmemitgliedstaat auskunftsfreudig ist oder nicht.5 Da die EU-Amtshilferichtlinie nicht im Verhältnis zu den EWR-Staaten6 Geltung hat, kommt es hier darauf an, ob vergleichbare zwei- oder mehrseitige Vereinbarungen, die eine Verpflichtung zur Auskunftserteilung begründen, bestehen. Dies ist der Fall, weil insoweit die mit diesen Staaten abgeschlossenen DBA und Informationsaustauschabkommen (Liechtenstein) auf Grund der sog. Auskunftsklauseln (Rz. 22.85 ff., 22.99 ff.) einen ausreichenden Auskunftsaustausch gewährleisten.7 e) Nachgeschaltete Zwischengesellschaften und Betriebsstätten
13.150
Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 AStG kann der Gegenbeweis auch erbracht werden, wenn die betreffenden Einkünfte von einer der ausländischen Gesellschaft nachgeschalteten EU-/EWR-Gesellschaften erzielt werden.8 Ob die betreffende Ober1 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 482; Reiche in Haase3, § 8 AStG Rz. 149. 2 Die Einzelheiten sind streitig; wie hier Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 490 ff.; großzügiger Haun/Käshammer/Reiser, GmbHR 2007, 184 (186); Köhler/Eicker, DStR 2007, 331 (333). 3 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 495. 4 Richtlinie 2011/16/EU des Rates v. 15.2.2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG, ABl. 2011 Nr. L 64, 1; geändert durch RL 2014/107/EU v. 9.12.2014, ABl. Nr. L 359, 1 und zuletzt geändert durch RL (EU) 2016/881 des Rates v. 25.5.2016, ABl. Nr. L 146, 8; hierzu Rz. 3.104, 22.55 ff. 5 Hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 527. 6 Liechtenstein, Norwegen und Island. 7 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 521; Reiche in Haase3, § 8 AStG Rz. 155. 8 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 445; Köhler/Haun, Ubg 2008, 73 (83).
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E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen
gesellschaft ihrerseits in einem EU-/EWR-Staat ansässig ist, spielt hierbei keine Rolle. Ausgeschlossen ist allerdings der Gegenbeweis, wenn die nachgeschaltete Gesellschaft in einem Drittstaat ansässig ist (§ 8 Abs. 2 Satz 3 AStG). Gemeint ist damit der Fall, dass die nachgeschaltete Zwischengesellschaft weder Sitz noch Geschäftsleitung in einem EU-/EWR-Staat hat. Die vorstehenden für nachgeschaltete Zwischengesellschaften maßgeblichen Grundsätze gelten entsprechend auch für Betriebsstätten, so dass der Gegenbeweis auch versagt bleibt, soweit passive Einkünfte einer Betriebsstätte in einem Drittstaat zuzurechnen sind (§ 8 Abs. 2 Satz 4 AStG). Sind demgegenüber Einkünfte einer EU-/EWR-Betriebsstätte einer Drittstaatengesellschaft zuzurechnen, kann der Gegenbeweis wiederum geführt werden1
13.151
f) Steuerliche Zurechnung Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 5 AStG soll der Gegenbeweis nur für diejenigen Einkünfte offen stehen, die einer eigenen tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit der ausländischen Zwischengesellschaft oder einer nachgeschalteten Zwischengesellschaft zuzurechnen sind. Es sind nur diejenigen Einkünfte der Gesellschaft zuzuordnen, die durch die wirtschaftliche Tätigkeit der Gesellschaft erzielt werden und dies nur insoweit, als der Fremdvergleichsgrundsatz (§ 1 AStG) beachtet worden ist. Abzustellen ist auf den im Steuerrecht allgemein gültigen Veranlassungszusammenhang.2 Dieser Veranlassungszusammenhang entfaltet seine besondere Bedeutung in den Fällen des Outsourcing, soweit Kernfunktionen ausgelagert werden. In diesen Fällen sind der ausländischen Gesellschaft zwar auch die im Rahmen des Outsourcing erzielten Einkünfte zuzurechnen, sie sind der tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft aber nur insoweit zuzuordnen, als diese im Rahmen der bei ihr verbliebenen Kernfunktionen erzielt werden. Bei einem wertschöpfenden Outsourcing wird daher der Gegenbeweis nicht selten nur für einen Teil der von der ausländischen Gesellschaft erzielten Zwischeneinkünfte gelingen.3 Die Zuordnung der Zwischeneinkünfte zu der tatsächlich wirtschaftlichen Tätigkeit, für die der Gegenbeweis eröffnet wird, ist stets nach Fremdvergleichsgrundsätzen (§ 1 AStG) vorzunehmen. Damit sind nur fremdübliche Zwischeneinkünfte einer tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit zuzuordnen, so dass im Ergebnis für den unangemessenen Teil der Gegenbeweis nach § 8 Abs. 2 Satz 1 AStG versagt bleibt.4
III. Niedrigbesteuerung Literatur Kommentare zu § 8 Abs. 3 AStG; Goebel/Haun, § 4h EStG und § 8a KStG (Zinsschranke) in der Hinzurechnungsbesteuerung, IStR 2007, 768; Jahn, Der Begriff der „Niedrigen Besteuerung“ im Sinne des § 8 Abs. 3 AStG – Anm. zum Urteil des BFH v. 9.7.2003 – I R 82/01,
1 2 3 4
Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 552. Zum Veranlassungsprinzip allgemein Hey in Tipke/Lang22, § 8 Rz. 213 ff. Hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 562. Zu Einzelheiten Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 572.
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13.152
Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung PlStB 2004, 3; Jochimsen/Bildstein, Einzelfragen der Niedrigbesteuerung, Ubg 2012, 26; Köhler/Luckey/Kollruss, Das Malta-Modell nach dem Regierungsentwurf des Jahressteuergesetzes 2010, Ubg 2010, 465; Kraft, Abweichende Bemessungsgrundlagen im Aus- und Inland als Ursache von Niedrigbesteuerung im System der Hinzurechnungsbesteuerung – illustriert anhand von Fallstudien, IStR 2016, 276; Lenz/Heinsen, Zur Niedrigbesteuerung i.S. des § 8 Abs. 3 AStG, IStR 2003, 793; Pitzal, Nicht- und Niedrigbesteuerung in Vorschriften des nationalen Außensteuerrechts und des Abkommensrechts, Baden-Baden 2008; Schönfeld, Ausländische Verluste und Niedrigbesteuerung im Sinne von § 8 Abs. 3 AStG – oder: Unter welchen Voraussetzungen verhindert ein „Ausgleich mit Einkünften aus anderen Quellen“ eine Hinzurechnungsbesteuerung, IStR 2009, 301; Vogt, Die Niedrigbesteuerung in den Hinzurechnungsvorschriften des AStG, DStR 2005, 1347; Wassermeyer/Schönfeld, Die Niedrigbesteuerung i.S. des § 8 Abs. 3 AStG vor dem Hintergrund eines inländischen KSt-Satzes von 15 %, IStR 2008, 496; Wurster, Der Einkunftsbegriff bei der Hinzurechnungsbesteuerung, FR 1984, 331.
13.153
Die Hinzurechnungsbesteuerung kommt nur in Betracht, wenn die Einkünfte aus passivem Erwerb der ausländischen Gesellschaft einer niedrigen Besteuerung unterliegen. Dies ist allgemein der Fall, wenn die Belastung dieser Einkünfte durch Ertragsteuern1 weniger als 25 % beträgt, ohne dass dies auf einem Ausgleich mit Einkünften aus anderen Quellen beruht (§ 8 Abs. 3 Satz 1 AStG).
13.154
Von der Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung her sollten die Einkünfte aus passivem Erwerb nur aus Steueroasen erfasst werden. § 8 Abs. 3 AStG geht aber erheblich über diese Zielsetzung hinaus und erfasst in weiten Bereichen auch Einkünfte aus passivem Erwerb aus klassischen Hochsteuerländern. So wird lediglich auf Ertragsteuern abgestellt, obwohl es Staaten gibt, die ihr Steueraufkommen nicht so sehr durch Ertragsteuern, sondern durch hohe indirekte Steuern erzielen und deshalb noch nicht als Steueroasen qualifiziert werden können. Schließlich ist die Belastungsgrenze von weniger als 25 % im Hinblick auf den deutschen Körperschaftsteuersatz von 15 % ohnehin zu hoch angesetzt. Das gilt auch unter Berücksichtigung der Gewerbesteuerbelastung, weil nicht stets alle Einkünfte der Gewerbesteuer unterliegen und darüber hinaus die Gesamtbelastung in Gemeinden mit einem Gewerbesteuerhebesatz von 200 % lediglich bei 22,825 % liegt.2 So gesehen gehört Deutschland nach dieser durch § 8 Abs. 3 AStG vorgegebenen Wertung selbst zu den Niedrigsteuerländern.
13.155
Die nach § 8 Abs. 3 AStG maßgebliche Belastungsgrenze von 25 % knüpft an die Einkünfte an, womit mangels entgegenstehender Vorschriften die Einkünfte i.S. der § 2 Abs. 2 EStG und § 8 Abs. 1 KStG gemeint sind,3 allerdings unter dem Vorbehalt, dass diese aus passivem Erwerb stammen.4 Im Rahmen der Belastungsberechnung (Prozent-Grenze) ist nicht auf die im Ausland rechtlich geschuldete
1 Das sind Steuern auf das Gesamteinkommen oder Teile des Einkommens; vgl. hierzu BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.3.1.2. 2 Zur Kritik mit entsprechenden Beispielen Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 701 ff. 3 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 709; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 191. 4 Abzustellen ist auf die einzelne passive Einkunftsquelle, Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S § 8 AStG Rz. 708; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 143; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 190; a.A. wohl BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.3.2.1 u. 8.3.3.
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E. Sachliche Tatbestandsvoraussetzungen
Steuer abzustellen;1 allein entscheidend ist vielmehr, in welcher Höhe die Steuer tatsächlich erhoben2 wird (§ 8 Abs. 3 Satz 3 AStG). Wann3 und von wem die Steuer erhoben wird, ist ohne Bedeutung mit der Folge, dass etwa im Rahmen einer Organschaft oder Gruppenbesteuerung von einem anderen Steuersubjekt erhobene Steuern zu berücksichtigen sind.4 Da entscheidend auf die Erhebung (Festsetzung) der Steuern abzustellen ist, kommt es nicht darauf an, auf Grund welcher Rechtsgrundlage diese erfolgt.5 Ohne entsprechende Steuerfestsetzung freiwillig gezahlte Steuern sind demgegenüber nicht zu berücksichtigen.6
13.156
Außer Betracht bleibt allerdings eine Absenkung der tatsächlichen Steuerbelastung infolge eines im Ausland in Anspruch genommenen horizontalen oder vertikalen Ausgleichs mit Verlusten aus anderen aktiven Tätigkeiten oder Tätigkeiten aus passivem Erwerb (§ 8 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 AStG).7 Über diesen gesetzlich geregelten Fall hinaus ist von einer korrigierten Bemessungsgrundlage auch dann auszugehen, wenn die nach deutschem Steuerrecht ermittelten Einkünfte nur deshalb höher sind, weil vom Ausland gewährte abweichende Abschreibungsund Bewertungsregeln berücksichtigt worden sind, die lediglich zu interperiodischen Gewinnverschiebungen führen.8 Deshalb sind etwa im Ausland gewährte Sonderabschreibungen sowie unterschiedliche Gewinnrealisierungs- und Aktivierungszeitpunkte ebenso unerheblich wie vom deutschen Steuerrecht abweichende Rückstellungsgrundsätze.9
13.157
Dies gilt auch für die Zinsschranke (§ 4h EStG, § 8a KStG) mit der Folge, dass diese ebenso wie bei § 10 Abs. 3 Satz 4 AStG10 nicht zu berücksichtigen ist.11
13.158
Bei der nach § 8 Abs. 3 Satz 1 AStG erforderlichen Belastungsberechnung ist auf die erhobenen Ertragsteuern im Staat der Geschäftsleitung, im Staat des Sitzes
13.159
1 So aber noch BFH v. 9.7.2003 – I R 82/01, BStBl. II 2004, 4 zur Fassung des § 8 Abs. 3 AStG vor dem JStG 2008. 2 Vgl. §§ 218 ff. AO; vgl. hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 762 f. 3 Damit sind auch künftige Steuerzahlungen zu berücksichtigen; hierzu Wassermeyer/ Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 732. 4 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 725; Fuhrmann in Fuhrmann3, § 8 AStG Rz. 321; § 8 AStG Rz. 321; Vogt in Blümich, § 8 AStG Rz. 187; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Rz. 8.3.1.2. 5 BFH v. 3.5.2006 – I R 124/04, BFH/NV 2006, 1729; BMF v. 13.4.2007, BStBl. I 2007, 440. 6 Zu weiteren Einzelheiten Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 731. 7 Abzustellen ist hierbei auf ausländisches Steuerrecht; Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 746. 8 Zu Einzelheiten Kraft, IStR 2016, 276. 9 Vgl. Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 713; Lenz/Heinsen, IStR 2003, 793; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004 – IV B 4-S 1340-11/04, Sondernummer 1, 3, Tz. 8.3.1.1; 8.3.2.3 ff.; einschränkend Jochimsen/Bildstein, Ubg 2012, 26; Kraft, IStR 2016, 276 (278), wonach nur temporären Differenzen von drei bis fünf Jahren für eine Niedrigbesteuerung als ungeeignet angesehen werden. 10 Im Ergebnis ist ohnehin die Anwendung des § 10 Abs. 3 Satz 4 AStG innerhalb des § 8 Abs. 3 AStG geboten; vgl. Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 709; dort auch zu weiteren Modifikationen. 11 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 714; Lehfeldt in S/K/K, § 8 AStG Rz. 193; Fuhrmann in Fuhrmann3, § 8 AStG Rz. 318; Goebel/Haun, IStR 2007, 768 ff.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
sowie in Drittstaaten abzustellen, wozu auch eine deutsche Körperschaft- und Gewerbesteuer zählen kann.1 Eine Modifikation enthält allerdings die in § 8 Abs. 3 Satz 2 AStG verankerte Sonderregelung, wonach in die Belastungsberechnung auch Ansprüche einzubeziehen sind, die im Fall der Gewinnausschüttung der ausländischen Gesellschaft dem unbeschränkt Steuerpflichtigen oder einer anderen Gesellschaft, an der der Steuerpflichtige direkt oder indirekt beteiligt ist, gewährt werden. Angesprochen sind hiermit die in der Vergangenheit bekannt gewordenen sog. Malta-Modelle, durch die die von der ausländischen Gesellschaft erhobene Körperschaftsteuer von 35 % zum größten Teil an deren Gesellschafter wieder erstattet werden.2
F. Rechtsfolgen I. Fiktive Einkünfte 13.160
Während § 7 Abs. 1 AStG als Grundtatbestand der Hinzurechnungsbesteuerung sowohl die Tatbestandsvoraussetzungen als auch die Rechtsfolge enthält, werden in § 7 Abs. 2 bis 4 AStG die persönlichen Tatbestandsvoraussetzungen und in § 8 AStG die sachlichen Tatbestandsvoraussetzungen umschrieben. Die §§ 9 bis 12 AStG betreffen dagegen ausschließlich die Rechtsfolge der Hinzurechnung. Die Rechtsfolge ist auf die Ermittlung fiktiver Einkünfte gerichtet, die als Hinzurechnungsbetrag bei dem betreffenden Steuerinländer bei den Einkünften aus Kapitalvermögen oder aus Gewerbetrieb anzusetzen sind.3
II. Freigrenze bei gemischten Einkünften 13.161
Bezieht eine ausländische Gesellschaft außer den Einkünften aus aktiver Tätigkeit in geringem Umfang auch solche aus passivem Erwerb, so bleiben letztere außer Ansatz, sofern – die den gesamten Einkünften aus passivem Erwerb der ausländischen Gesellschaft zugrunde liegenden Bruttoerträge nicht mehr als 10 % ihrer gesamten Bruttoerträge (vgl. zum Begriff Rz. 13.64) ausmachen (relative Freigrenze), – die Summe der Hinzurechnungsbeträge sämtlicher Inlandsbeteiligter derselben ausländischen Gesellschaft 80 000 Euro nicht übersteigen (gesellschaftsbezogene absolute Freigrenze) und – beim einzelnen Steuerinländer die Summe der Hinzurechnungsbeträge aufgrund aller Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften 80 000 Euro nicht übersteigt (gesellschafterbezogene absolute Freigrenze).
1 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 728. 2 Hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 749; Fuhrmann in Fuhrmann3, § 8 AStG Rz. 327. 3 Sind die Steuerinländer über eine inländische Personengesellschaft an der ausländischen Zwischengesellschaft beteiligt, sind die hinzuzurechnenden Besteuerungsgrundlagen bei der Personengesellschaft zu erfassen; BFH v. 30.8.1995 – I R 77/94, BStBl. II 1996, 122.
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F. Rechtsfolgen
Die vorgenannten Voraussetzungen, die gleichzeitig vorliegen müssen, betreffen nur solche Gesellschaften, die über sog. gemischte Einkünfte verfügen, wobei die Einkünfte aus aktiver Tätigkeit im Vordergrund stehen müssen. In der Praxis hat § 9 AStG dennoch nur geringe Bedeutung.1 Die gesellschaftsbezogene absolute Freigrenze i.H. von 80 000 Euro ist nämlich so gering angesetzt, dass die von deutschen Unternehmen im Ausland betriebenen Tochtergesellschaften mit ihren Einkünften aus Zinsen, Lizenzen sowie Vermietung und Verpachtung, soweit diese Einkünfte trotz der funktionalen Betrachtungsweise (Rz. 13.79) nicht zu den Einkünften aus aktiver Tätigkeit zu zählen sind, regelmäßig diese Freigrenze überschreiten. Entsprechend § 10 Abs. 3 Satz 1 AStG sind für die Ermittlung der relativen Freigrenze die Vorschriften des deutschen Steuerrechts maßgeblich,2 wobei die Verhältnisse des Wirtschaftsjahres der Zwischengesellschaft zugrunde zu legen sind, für das die Zwischeneinkünfte ermittelt werden. Berechnungsgrundlagen für die Ermittlung der relativen Freigrenze von 10 % sind die Gesamtbruttoerträge3 der ausländischen Gesellschaft einerseits und die den Zwischeneinkünften zugrunde liegenden Bruttoerträge anderseits.
13.162
In den Fällen nachgeschalteter Zwischengesellschaften (§ 14 Abs. 3 AStG) ist für die Anwendung von § 9 AStG auf die ausländische Obergesellschaft abzustellen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 AStG)4 mit der Folge, dass bei entsprechenden Bruttoerträgen aus aktiver Tätigkeit der ausländischen Obergesellschaft die von der nachgeschalteten Zwischengesellschaft erzielten Einkünfte aus passivem Erwerb gegenüber der Hinzurechnungsbesteuerung abgeschirmt werden können.5 Wird die relative Freigrenze dagegen überschritten, so unterliegen die den Bruttoerträgen zugrunde liegenden Zwischeneinkünfte bei allen Inlandsbeteiligten der Hinzurechnungsbesteuerung. Es kommt sodann weder auf die gesellschaftsbezogene noch auf die gesellschafterbezogene absolute Freigrenze an.
13.163
Bei der Ermittlung der absoluten Freigrenze von 80 000 Euro ist nicht auf die Bruttoerträge, sondern auf die Beträge abzustellen, die aufgrund der relativen Freigrenze für die Anwendung des § 7 Abs. 1 AStG außer Ansatz bleiben. Diese Beträge sind nach Maßgabe des § 10 AStG in Anwendung des deutschen Steuerrechts.6 zu ermitteln, so dass sowohl ausgleichsfähige Verluste aus passivem Erwerb als auch solche Verluste aus anderen Jahren, soweit sie gem. § 10 Abs. 3 Satz 5 AStG i.V. mit § 10d EStG abzugsfähig sind, berücksichtigt werden müssen.7
13.164
1 Wassermeyer in F/W/B/S, § 9 AStG Rz. 4. 2 Wassermeyer in F/W/B/S, § 9 AStG Rz. 22. 3 Solleinnahmen ohne durchlaufende Posten und ohne gesondert ausgewiesene USt; vgl. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 9.0.1. 4 Wassermeyer in F/W/B/S, § 9 AStG Rz. 30; Geurts in Fuhrmann3, § 9 AStG Rz. 18. 5 Hierzu Wassermeyer in F/W/B/S, § 9 AStG Rz. 33; Groß/Kühn in H/K/G/R, § 9 AStG Rz. 22; Edelmann in Kraft, § 9 AStG Rz. 77. 6 Wassermeyer in F/W/B/S, § 9 AStG Rz. 38. 7 Wassermeyer in F/W/B/S, § 9 AStG Rz. 42 f.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
III. Hinzurechnungsbetrag Literatur Kommentare zu § 10 AStG; Eicker/Rouenhoff, Europarechtskonforme Auslegung des § 3c EStG in Bezug auf den Hinzurechnungsbetrag nach §§ 7, 10 AStG, IStR 2005, 128; Goebel/ Haun, § 4h EStG und § 8a KStG (Zinsschranke) in der Hinzurechnungsbesteuerung, IStR 2007, 768; Kessler/Teufel, Läuft die Hinzurechnungsbesteuerung bei Beteiligungserträgen und Veräußerungsgewinnen leer? Überlegungen zur Anwendbarkeit von § 8b Abs. 1 und 2 KStG n.F. im Rahmen des § 10 Abs. 3 Satz 1 AStG, IStR 2000, 545; Köhler, Die steuergesetzliche Tatbestandsbildung der Zugriffsbesteuerung nach dem Außensteuergesetz, RIW 1988, 979; Köhler/Haun, Kritische Analyse der Änderungen der Hinzurechnungsbesteuerung durch das JStG 2008, Ubg 2008, 73; Moser, Zur (Nicht-)Anwendung von § 8c KStG bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages gemäß § 10 Abs. 3 AStG, IStR 2016, 462; Schleuder, Die Hinzurechnungsbesteuerung im internationalen Konzern, Neuried 1985; Schnitger, Verhältnis der Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 ff. AStG zur Gewinnkorrektur nach § 1 AStG, BB 2003, 241; Schönfeld, Probleme beim Zusammenwirken von Hinzurechnungsbesteuerung und Abgeltungsteuer nach dem UntStRefG 2008, IStR 2007, 666; Wettlaufer, Außensteuerrechtliche Hinzurechnungsbilanz bei Basisgesellschaften in Niedrigsteuerländern, Berlin 1984.
1. Mehrstufige Ermittlung 13.165
§ 10 AStG ist im Wesentlichen eine technische Durchführungsvorschrift, die der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages als Ausgangsbasis für die Hinzurechnungsbesteuerung dient. Im Hinblick auf § 10 Abs. 1 AStG einerseits und § 10 Abs. 2 AStG andererseits ist zwischen dem Hinzurechnungsbetrag und dem anzusetzenden Hinzurechnungsbetrag zu differenzieren. Der Hinzurechnungsbetrag i.S. von § 10 Abs. 1 AStG ist gesellschafterbezogen und wird auf der Grundlage der von der Zwischengesellschaft erzielten niedrig besteuerten Einkünfte aus passivem Erwerb (Zwischeneinkünfte) ermittelt.1 Diese Zwischeneinkünfte sind um bestimmte Beträge zu erhöhen bzw. zu kürzen und sodann auf die Inlandsbeteiligten entsprechend zu verteilen. Damit wird deutlich, dass die von der Zwischengesellschaft erzielten Zwischeneinkünfte Besteuerungsobjekt sind. Für Zwecke der Hinzurechnungsbesteuerung werden sie in Abweichung vom sonst maßgeblichen Trennungsprinzip (Rz. 13.7) aber nicht der ausländischen Gesellschaft selbst, sondern dem Inlandsbeteiligten als Steuersubjekt zugerechnet. Im Einzelnen: Die Zwischeneinkünfte sind bei der Zurechnung nachgeschalteter Zwischengesellschaften (§ 14 AStG) zu erhöhen oder zu mindern und ggf. um gem. § 11 AStG steuerfreie Beteiligungsveräußerungsgewinne, um abziehbare Steuern (§ 10 Abs. 1 Satz 1 KStG) und schließlich um einen Verlustabzug (§ 10 Abs. 3 Satz 5 AStG) zu kürzen. Der so ermittelte Hinzurechnungsbetrag nach § 10 Abs. 1 AStG ist im Falle der optionalen Anrechnung der entrichteten Steuern (§ 12 Abs. 1 Satz 1 AStG) gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 AStG zu erhöhen und sodann als anzusetzender Hinzurechnungsbetrag i.S. von § 10 Abs. 2 AStG bei jedem Inlandsbeteiligten als Einkünfte aus Kapitalvermögen oder aus Gewerbebetrieb der Besteuerung zu unterwerfen.2 1 Im Rahmen der Feststellung gem. § 18 Abs. 1 AStG hat dessen Ansatz nur nachrichtlichen Charakter; BFH v. 15.3.1995 – I R 14/94, BStBl. II 1995, 502. 2 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 61, 71; Gropp in Lademann, § 10 AStG Rz. 51.
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F. Rechtsfolgen
Hiernach ergibt sich folgendes vereinfachtes Ermittlungsschema.1
13.166
Zwischeneinkünfte (§ 10 Abs. 3 AStG) + Zwischeneinkünfte nachgeschalteter Zwischengesellschaften; ggf. Abzug (§ 14 AStG) ./. von der Zwischengesellschaft entrichtete Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (§ 10 Abs. 1 AStG) ./. steuerfreie Beteiligungsveräußerungsgewinne (§ 11 AStG) ./. Verlustabzug (§ 10 Abs. 3 Satz 5 AStG i.V. mit § 10d EStG) = +
Hinzurechnungsbetrag, ggf. verteilt auf mehrere Inlandsbeteiligte Aufstockungsbetrag in Höhe der anteiligen anrechenbaren Steuern bei Antrag auf Steueranrechnung (§ 12 Abs. 1 AStG)
=
anzusetzender Hinzurechnungsbetrag
2. Ermittlung der Zwischeneinkünfte § 10 Abs. 3 Satz 1 AStG ordnet an, dass die dem Hinzurechnungsbetrag zugrunde liegenden Einkünfte (Zwischeneinkünfte) in entsprechender Anwendung der Vorschriften des deutschen Steuerrechts zu ermitteln sind.2 Da die ausländische Zwischengesellschaft nicht unmittelbar selbst in den Pflichtenkreis des deutschen Steuerrechts einbezogen ist, wendet sich diese Vorschrift ausschließlich an den unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner und begründet für ihn, gesondert für jede Zwischengesellschaft, an der er beteiligt ist, eine originäre eigene Einkünfteermittlungspflicht.3 Er allein ist Ermittlungs- und Zurechnungssubjekt der Zwischeneinkünfte; die Zwischengesellschaft selbst ist lediglich Einkünfteerzielungssubjekt.4 Hierdurch werden die steuerlichen Pflichten des unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners auf den Bereich der Zwischengesellschaft ausgedehnt. Im Ergebnis bürdet § 10 Abs. 3 Satz 1 AStG dem unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner diejenigen steuerlichen Einkünfteermittlungspflichten auf, die die ausländische Zwischengesellschaft hätte, wäre sie im Inland mit den Zwischeneinkünften selbst steuerpflichtig. Diese weitreichende Einkünfteermittlungspflicht stößt insofern an die Grenzen der tatsächlichen und rechtlichen Unmöglichkeit, als die Ermittlung der Zwischeneinkünfte den Rückgriff auf das Buchführungswerk der ausländischen Zwischengesellschaft voraussetzt. Ob hierauf ein Rechtsanspruch besteht, beurteilt sich ausschließlich nach dem jeweiligen ausländischen Gesellschaftsrecht.
13.167
Die Einkünfteermittlungspflicht betrifft im Grundsatz zwar nur den unmittelbar an der Zwischengesellschaft beteiligten unbeschränkt Steuerpflichtigen, im Anwendungsbereich des § 14 AStG (Rz. 13.222) erstreckt sie sich aber auch auf nachgeschaltete Zwischengesellschaften.5 Aus der Einkünfteermittlungspflicht des unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners folgt allerdings nicht, dass dieser eine eigene Buchführung einzurichten und Aufzeichnungen zu machen
13.168
1 Vgl. Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 72. 2 Die Zwischeneinkünfte gehören zu den Besteuerungsgrundlagen, die gem. § 18 AStG gesondert festgestellt werden. 3 Hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 212 ff.; Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 63; Bauernschmitt in Haase3, § 10 AStG Rz. 71. 4 BFH v. 2.7.1997 – I R 32/95, BStBl. II 1998, 176. 5 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 212; Bauernschmitt in Haase3, § 10 AStG Rz. 72.
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hätte.1 Es reicht vielmehr aus, wenn die nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts zu ermittelnden Zwischeneinkünfte aus den Buchführungsunterlagen der ausländischen Zwischengesellschaft abgeleitet werden.2 13.169
Die Einkünfteermittlungspflicht bezieht sich nicht auf sämtliche Einkünfte der Zwischengesellschaft, sondern nur auf die Zwischeneinkünfte. Da ein quotaler Ansatz von Vermögen, Ertrag und Aufwand nicht möglich ist, beschränkt sich § 10 Abs. 3 Satz 1 AStG nicht auf die Zwischeneinkünfte, soweit sie auf den unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner entfallen, sondern erstreckt sich auf alle Zwischeneinkünfte.3 Da § 10 Abs. 3 Satz 1 AStG nur Zwischeneinkünfte erfasst, bedarf es einer besonderen Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben in den Fällen, in denen die ausländische Gesellschaft auch Einkünfte aus aktiver Tätigkeit erzielt. Diese Zuordnung ist bedeutsam insbesondere im Hinblick auf § 10 Abs. 4 AStG, wonach bei der Ermittlung der Zwischeneinkünfte nur solche Betriebsausgaben oder ggf. Werbungskosten4 abgezogen werden dürfen, die mit diesen Einkünften in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.5 In der Praxis erfolgt hier die Einkünfteabgrenzung nach den ähnlichen Grundsätzen wie bei der Betriebsstättengewinnermittlung (Rz. 21.3 ff.), so dass außerhalb des Anwendungsbereichs von § 1 Abs. 5 AStG bei gemischten Einkünften die direkte oder die indirekte Gewinnermittlungsmethode zur Anwendung kommt (Rz. 21.37 ff.).6
13.170
Nach Maßgabe des § 10 Abs. 3 Satz 1 AStG sind die Zwischeneinkünfte in entsprechender Anwendung der Vorschriften des deutschen Steuerrechts zu ermitteln.
13.171
Im Hinblick auf die Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung, die Aufschubund Abschirmwirkung ggü. der deutschen Besteuerung zu beseitigen, führt die Maßgeblichkeit der Einkünfteermittlungsvorschriften des deutschen Steuerrechts zu einem Systembruch. Soll nämlich entsprechend der in den §§ 7 bis 14 AStG statuierten Ausschüttungsfiktion beim unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner die Besteuerung als Rechtsfolge so vorgenommen werden, als ob die ausländische Gesellschaft ausgeschüttet hätte, ist allein auf den ausschüttungsfähigen Gewinn, der nach den Vorschriften des jeweiligen ausländischen Handelsrechts ermittelt wird, abzustellen. Da § 10 Abs. 3 Satz 1 AStG indessen den Gewinn nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts zur Besteuerungsgrundlage erhebt, wird das Ziel der Hinzurechnungsbesteuerung weitgehend verfehlt. 1 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 221. 2 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 10.3.2.1. 3 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 74, 213; Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 67; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 10.1.1.1. 4 Von der Hinzurechnungsbesteuerung werden nicht nur Gesellschaften, sondern auch andere Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen erfasst, die die Einkünfte durch Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten ermitteln; hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 422. 5 Ein „unmittelbarer“ wirtschaftlicher Zusammenhang wird nicht verlangt, maßgeblich ist die betriebliche Veranlassung; zu Einzelheiten Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 424. 6 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 224, 424; Bauernschmitt in Haase3, § 10 AStG Rz. 75 ff.; vgl. auch BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 10.4.
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F. Rechtsfolgen
Der inländische Anteilseigner hat daher im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung nicht selten mehr zu versteuern, als er bei tatsächlicher Vollausschüttung zu versteuern hätte. Die durch § 10 Abs. 3 Satz 1 AStG bewirkte Divergenz zwischen fiktiver Ausschüttung einerseits und tatsächlich möglicher Ausschüttung andererseits führt zu Doppelbelastungen, sofern die tatsächlich mögliche Ausschüttung hinter der fingierten Ausschüttung zurückbleibt. Im Grundsatz greifen alle Einkünfteermittlungs- und Einkünftekorrekturvorschriften des deutschen Steuerrechts ein.1 Zu diesen Vorschriften gehört an sich auch der im außensteuerlichen Kontext bedeutsame § 1 AStG. Die entsprechende Anwendung auch des § 1 AStG bedeutet, dass auf die Geschäftsbeziehungen der ausländischen Zwischengesellschaft „zum Ausland“ abzustellen ist. Da diese Gesellschaften aber nur Geschäftsbeziehungen „im Ausland“ oder „zum Inland“ haben,2 wird der Tatbestand des § 1 AStG im Grundsatz3 nicht erfüllt,4 so dass er bei Ermittlung der Zwischeneinkünfte im Ergebnis unberücksichtigt bleibt.5 Eine derartige tatbestandliche Einschränkung enthalten allerdings nicht die ebenfalls zur Anwendung kommenden Vorschriften über die verdeckte Gewinnausschüttung (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) und die verdeckte Einlage (§ 8 Abs. 3 Satz 3 KStG).6
13.172
§ 10 Abs. 3 Satz 1 AStG verweist lediglich auf die Einkünfteermittlungs- und Einkünftekorrekturvorschriften des deutschen Steuerrechts. Die Verweisung erfasst damit die Einkommensermittlungsvorschriften nicht zur Gänze.7 Eine Erweiterung enthält allerdings § 10 Abs. 3 Satz 5 AStG, aufgrund dessen § 10d EStG (Verlustabzug) für anwendbar erklärt wird.8 Die Verweisung in § 10 Abs. 3 Satz 1 AStG erfährt aber eine Einschränkung durch § 10 Abs. 3 Satz 4 AStG, wonach steuerliche Vergünstigungen, die an die unbeschränkte Steuerpflicht oder an das Bestehen eines inländischen Betriebs oder einer inländischen Betriebsstätte anknüpfen, ebenso außer Betracht bleiben9 wie die Vorschriften des § 4h EStG
13.173
1 Vgl. die Aufstellung bei Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 234 ff.; Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 71 ff.; Fuhrmann in Fuhrmann3, § 10 AStG Rz. 144; Edelmann in Kraft, § 10 Rz. 500 ff. 2 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 318; Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 76; Fuhrmann in Fuhrmann3, § 10 AStG Rz. 184; Köhler, RIW 1988, 979 (985). 3 Anders im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 5 AStG bei fingierter Selbständigkeit der inländischen Betriebsstätte (Rz. 21.66 ff.). 4 BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868; v. 19.3.2002 – I R 4/01, BStBl. II 2002, 644; Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 318 ff.; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 10.1.1.1. 5 Bei der Ermittlung der vom unbeschränkt Steuerpflichtigen selbst erzielten Einkünfte kann wegen seiner Geschäftsbeziehungen zu einer Zwischengesellschaft § 1 AStG dagegen Anwendung finden, wobei dann zwecks Vermeidung einer Überbesteuerung bei der Ermittlung der Einkünfte der Zwischengesellschaft aus Billigkeitsgründen (§§ 163, 227 AO) eine Gegenberichtigung durchzuführen ist, BFH v. 19.3.2002 – I R 4/01, BStBl. II 2002, 644; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer. 1, 3, Tz. 10.1.1.1; vgl. Rz. 21.186. 6 Vgl. hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 302 f.; Fuhrmann in Fuhrmann3, § 10 AStG Rz. 169. 7 So z.B. nicht § 8c KStG; vgl. Rz. 13.192. 8 Zur fehlenden Verweisung auf § 8c KStG siehe Rz. 13.192. 9 Einzelheiten hierzu bei Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 340 ff.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
und der §§ 8a, 8b Abs. 1 und 2 KStG und des UmwStG, soweit umwandlungsbedingte Einkünfte gem. § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG hinzuzurechnen sind.1 13.174
Durch die Suspendierung steuerlicher Vergünstigungen,2 die an die unbeschränkte Steuerpflicht3 oder an eine inländische Betriebsstätte anknüpfen, wird sichergestellt, dass entsprechende steuerliche Förderungsmaßnahmen nicht auf das Ausland ausgedehnt werden, so dass hierdurch die Zwischeneinkünfte auch keine Schmälerung erfahren. Unterhält die Zwischengesellschaft im Inland allerdings eine Betriebsstätte, sind steuerliche Vergünstigungen insoweit anwendbar.4 Die Nichtanwendbarkeit des § 4h EStG und des § 8a KStG (Zinsschranke) soll eine Erhöhung der Zwischeneinkünfte ohne eine entsprechende ausländische Besteuerung vermeiden. Anderenfalls geriete die ausländische Gesellschaft nur wegen der Zinsschranke in eine Niedrigbesteuerung, wodurch ggf. eine Doppelbesteuerung ausgelöst werden könnte, falls der inländische Anteilseigner Darlehensgeber ist.5 Dass bei der Ermittlung die Zwischeneinkünfte ferner auch § 8b Abs. 1 u. 2 KStG nicht anzuwenden ist, beruht letztlich darauf, dass Dividenden und Veräußerungsgewinne bereits gem. § 8 Abs. 1 Nr. 8 u. 9 AStG zu den aktiven Einkünften und somit von vorneherein nicht zu den Zwischeneinkünften zählen.6
13.175
Die Nichtanwendung des UmwStG schließlich beschränkt sich auf den Fall, dass die Einkünfte nicht aus einer Umwandlung nach § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG stammen.7 Das bedeutet, dass das UmwStG im Ergebnis nur dann unanwendbar bleibt, wenn Umwandlungsgewinne passiv sind.
13.176
Soweit die Zwischengesellschaft in- oder ausländische Investmentfondsanteile (§ 1 Nr. 1 InvG) hält, gelten für die Ermittlung der diesbezüglichen Einkünfte die Vorschriften des InvStG8 sinngemäß (§ 10 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 AStG). Wegen § 8 Abs. 1 Nr. 8 AStG hat die vorstehende Regelung indessen keine praktische Bedeutung.9
13.177
§ 10 Abs. 3 Satz 2 AStG räumt dem inländischen Anteilseigner hinsichtlich der Einkünfteermittlungsmethode ein Wahlrecht ein: Er kann zwischen §§ 4 Abs. 1 oder 5 EStG (Betriebsvermögensvergleich) einerseits und § 4 Abs. 3 EStG (Einnahme-Überschussrechnung) andererseits wählen. Die Entscheidung des inländischen Anteilseigners für einen Betriebsvermögensvergleich gilt unabhängig davon, ob die ausländische Gesellschaft ihrerseits nach dem für sie maßgeblichen 1 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 345.1 ff.; Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 73 ff. 2 Hierzu gehören vor allem Lenkungsnormen; im Übrigen ist der Begriff unklar; hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 341 ff. 3 Z.B. §§ 6 Abs. 2, 6a, 6b, 7b, 7g, 13a, 14a EStG; zur Anwendung von § 6b EStG Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 345; Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 107. 4 Schönfeld/Wassermeyer in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 344. 5 Hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 8 AStG Rz. 708, 713; § 10 AStG Rz. 345.1; Fuhrmann in Fuhrmann3, § 10 AStG Rz. 151; Goebel/Haun, IStR 2007, 768 (774); Köhler/ Haun, Ubg 2008, 73 (75 f.). 6 Vgl. Bauernschmitt in Haase3, § 10 AStG Rz. 90. 7 Die in § 10 Abs. 3 Satz 4 AStG gewählte Formulierung „soweit Einkünfte aus einer Umwandlung nach § 8 Abs. 1 Nr. 10 hinzuzurechnen sind“ ist missverständlich. 8 InvStG 2004/InvStG 2018; vgl. hierzu Rz. 12.1 ff. 9 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 326.
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F. Rechtsfolgen
ausländischen Recht zu einer Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich verpflichtet ist.1 Das Wahlrecht kann gem. § 10 Abs. 3 Satz 3 AStG bei mehreren Beteiligten nur einheitlich ausgeübt werden. Das vorstehende Wahlrecht setzt allerdings voraus, dass die Zwischengesellschaft Gewinneinkünfte erzielt. Erzielt daher etwa eine Zwischengesellschaft Einkünfte aus Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung bzw. sonstige Einkünfte, so sind die Zwischeneinkünfte zwingend nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG durch Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu ermitteln, soweit die Anteile im Privatvermögen gehalten werden. Eine Option zugunsten einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich ist für diesen Fall rechtlich nicht vorgesehen.2
13.178
Jeder unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner, der erstmalig der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegt, hat eine eröffnende Hinzurechnungsbilanz zu erstellen, soweit nicht zulässigerweise für die Gewinnermittlung gem. § 4 Abs. 3 EStG optiert wird.3 Die eröffnende Hinzurechnungsbilanz ist auf den Zeitpunkt aufzustellen, an dem erstmalig die Voraussetzungen für eine Hinzurechnungsbesteuerung vorliegen.4 Für die Wertansätze gilt § 21 Abs. 3 AStG, wonach die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen sind, die sich ergeben würden, wenn seit Übernahme der Wirtschaftsgüter durch die ausländische Gesellschaft die Vorschriften des deutschen Steuerrechts angewendet worden wären.5 Damit werden bereits früher entstandene stille Reserven bei ihrer Realisierung der Hinzurechnungsbesteuerung unterworfen.6 Die eröffnende Hinzurechnungsbilanz sowie die weiteren Hinzurechnungsbilanzen können in Euro oder in fremder Währung aufgestellt werden.7 Die Einkünfteermittlung selbst kann auch in ausländischer Währung erfolgen. Die Währungsumrechnung ist hierbei in erster Linie nach dem sog. Zeitbezugsverfahren8 vorzunehmen;9 aus Vereinfachungsgründen kann aber auch der Jahresdurchschnittskurs zugrunde gelegt werden.10
13.179
1 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 327; Bauernschmitt in Haase3, § 10 AStG Rz. 81. 2 BFH v. 13.11.1996 – I R 3/96, HFR 1997, 596; v. 21.1.1998 – I R 3/96, BStBl. II 1998, 468; Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 249, 327. 3 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 277; nach BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 10.3.3.1 soll dagegen stets eine eröffnende Hinzurechnungsbilanz dem Finanzamt vorgelegt werden müssen. 4 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 280; Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 92; Gelhausen/Deubert/Meyer, Währungsumrechnung im handelsrechtlichen Jahres- und Konzernabschluss, in HdJ, V/8, Rz. 125, 132 ff.; demgegenüber eine eröffnende Hinzurechnungsbilanz auf den Beginn des Wirtschaftsjahres der Zwischengesellschaft verlangend BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 10.3.3.1. 5 Zu weiteren Einzelheiten Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 276. 6 Diese tatbestandliche Rückanknüpfung hat der BFH v. 12.7.1989 – I R 46/85, BStBl. II 1990, 113 als nicht gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 GG) verstoßend gebilligt. 7 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 10.3.2.3. 8 Hierzu Kleineidam, Rechnungslegung bei Auslandsbeziehungen nach Handels- und Steuerrecht, 323 ff. 9 Die Rechtsprechung bevorzugt diese Umrechnungsmethode, vgl. BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57 und v. 9.8.1989 – I B 118/88, BStBl. II 1990, 175. 10 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 10.1.1.4.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
3. Zurechnung von Zwischeneinkünften nachgeschalteter Gesellschaften 13.180
In den Fällen eines mehrstufigen Beteiligungsaufbaus, in denen einer ausländischen Obergesellschaft eine oder mehrere Zwischengesellschaften nachgeschaltet sind, werden die Zwischeneinkünfte dieser Untergesellschaften der vorgeschalteten Obergesellschaft zugerechnet (Rz. 13.226). Die Zurechnung setzt auf der Ebene der ausländischen Obergesellschaft bei der Berechnung des Hinzurechnungsbetrages an.1 Die zuzurechnenden Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft gehören zu den dem Hinzurechnungsbetrag der ausländischen Obergesellschaft gem. § 10 Abs. 3 AStG zugrunde liegenden Einkünften. Diese Zurechnung gem. § 14 Abs. 1 AStG hat an erster Stelle unmittelbar nach Ermittlung der Zwischeneinkünfte zu erfolgen.2 4. Steuerabzug
13.181
Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG errechnet sich der maßgebliche Hinzurechnungsbetrag auf der Grundlage der Zwischeneinkünfte der ausländischen Gesellschaft nach Abzug der Steuern vom Einkommen und Vermögen dieser Gesellschaft. Erfasst werden damit Steuern, die nicht ohnehin schon als Betriebsausgaben abzugsfähig sind. Solche außerbetrieblichen Steuern werden in Abweichung zu § 10 Nr. 2 KStG deshalb zum Abzug zugelassen, weil nur so, entsprechend dem Sinn und Zweck der Hinzurechnungsbesteuerung, der Betrag erfasst wird, den die ausländische Gesellschaft günstigstenfalls hätte ausschütten können.
13.182
Im Hinblick auf die konzeptionelle Gleichstellung von ausschüttungsfähigem Gewinn einerseits und Hinzurechnungsbetrag andererseits ist es inkonsequent, den Abzug der Steuern nur unter der Voraussetzung zuzulassen, dass diese tatsächlich erhoben und entrichtet worden sind (§ 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 AStG). Die Höhe des ausschüttungsfähigen Gewinns wird nämlich schon durch Bildung von Steuerrückstellungen beeinflusst. Aus diesem Grund ergeben sich Divergenzen zwischen tatsächlicher Ausschüttung und dem Hinzurechnungsbetrag, die zu Doppelbelastungen führen können.
13.183
Abziehbar sind nur diejenigen Steuern, die zu Lasten der ausländischen Gesellschaft erhoben3 werden.4 Hierzu gehören nicht nur die sog. Sitzstaatensteuern, sondern auch jene Steuern (z.B. Quellensteuern), die von Drittstaaten, also ggf. auch von Deutschland, erhoben werden.5 Die Abzugsfähigkeit ist hierbei begrenzt auf Steuern, die auf die Zwischeneinkünfte und das ihnen zugrunde liegende Vermögen entfallen. Bei gemischten Einkünften hat eine Aufteilung zu erfolgen, wobei auch hier nach der direkten oder indirekten Methode verfahren werden kann.6 1 BFH v. 28.9.1988 – I R 91/87, BStBl. II 1989, 13. 2 Vgl. Rz. 13.166; zu Einzelheiten im Zusammenhang mit der Zurechnung von Zwischeneinkünften nachgeschalteter Untergesellschaften vgl. Rz. 13.226. 3 D.h. gezahlt werden; BFH v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727, also Saldo von Entrichtung und Erstattung; vgl. Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 96. 4 Sie gehen in die gesonderte Feststellung gem. § 18 Abs. 1 AStG ein; vgl. BFH v. 15.3.1995 – I R 14/94, BStBl. II 1995, 502. 5 Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 21; Fuhrmann in Fuhrmann3, § 10 AStG Rz. 30. 6 Zur direkten und indirekten Methode Rz. 13.169; vgl. im Übrigen Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 98, 102, dort auch zu Problemen der zeitlichen Zuordnung.
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F. Rechtsfolgen
Im Falle nachgeschalteter Zwischengesellschaften (Rz. 13.222) erfolgt der Steuerabzug auf Ebene der ausländischen Obergesellschaft, der die Einkünfte über § 14 Abs. 1 AStG zuzurechnen sind.1 Eine Sonderregelung enthält schließlich § 10 Abs. 1 Satz 3 AStG; hiernach sind die abziehbaren, zu Lasten der Zwischengesellschaft erhobenen Steuern um Erstattungsansprüche zu kürzen, die der unbeschränkt Steuerpflichtige von einer Gesellschaft, an der er direkt oder indirekt beteiligt ist, geltend machen kann (§ 10 Abs. 1 Satz 3 AStG). Diese Vorschrift korrespondiert mit § 8 Abs. 3 Satz 2 AStG, wonach in die für die Niedrigbesteuerung maßgebliche Belastungsberechnung Steuererstattungsansprüche einzubeziehen sind, die im Falle einer Gewinnausschüttung der Zwischengesellschaft gewährt werden (Rz. 13.159). 5. Beteiligungsveräußerungsgewinne Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer nachgeschalteten Kapitalgesellschaft sind gem. § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG grundsätzlich Einkünfte aus aktivem Erwerb, soweit nachgewiesen wird, dass der Gewinn Wirtschaftsgütern der nachgeschalteten Gesellschaft zuzuordnen ist, die nicht der Erzielung von Zwischeneinkünften mit Kapitalanlagecharakter dienen. Entsprechendes gilt auch für die Gewinne aus der Auflösung oder der Herabsetzung des Kapitals. Gelingt dieser auf ein Wirtschaftsgut bezogene Nachweis nicht, werden die vorgenannten Beteiligungsveräußerungsgewinne auf der Ebene der ausländischen Zwischengesellschaft (Obergesellschaft) als Einkünfte aus passivem Erwerb qualifiziert und somit im Ergebnis der Hinzurechnungsbesteuerung zugeführt. Insoweit kann es zu einer Doppelbesteuerung kommen, wenn im Veräußerungspreis des Anteils thesaurierte Gewinne (offene Rücklagen) abgegolten werden, die in der Vergangenheit als Einkünfte aus passivem Erwerb, und zwar als Kapitalanlageeinkünfte (§ 7 Abs. 6a AStG), bereits der Hinzurechnungsbesteuerung unterlegen haben. Es handelt sich hierbei um die Kapitalanlageeinkünfte der nachgeschalteten Kapitalgesellschaft (Untergesellschaft), die über § 14 AStG der vorgeschalteten Zwischengesellschaft (Obergesellschaft) zugerechnet und von dort der Hinzurechnungsbesteuerung beim inländischen Anteilseigner zugeführt worden sind. Um diese Doppelbesteuerung auf der Ebene der Zwischengesellschaft zu vermeiden,2 enthält § 11 AStG eine sachliche Steuerbefreiung, wonach die Beteiligungsveräußerungsgewinne vom Hinzurechnungsbetrag teilweise auszunehmen sind. Das bedeutet, dass bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages die Zwischeneinkünfte um die steuerfreien Beteiligungsveräußerungsgewinne zu kürzen sind.3
13.184
Die Beteiligungsveräußerungsgewinne werden nur freigestellt, soweit die Kapitalanlageeinkünfte (§ 7 Abs. 6a AStG) der nachgeschalteten Gesellschaft (Untergesellschaft) für das gleiche Kalenderjahr oder Wirtschaftsjahr oder für die vorangegangenen sieben Kalenderjahre oder Wirtschaftsjahre als Hinzurechnungs-
13.185
1 Trotz fehlender Subjektidentität im Wege der Analogie; vgl. Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 109; Vogt in Blümich, § 10 AStG Rz. 26. 2 Wassermeyer in F/W/B/S, § 11 AStG Rz. 16; L. Schmidt in S/K/K, § 11 AStG Rz. 3; Bauernschmitt in Haase3, § 11 AStG Rz. 1. 3 Vgl. hierzu das vereinfachte Ermittlungsschema Rz. 13.166.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
betrag (§ 10 Abs. 2 AStG) beim inländischen Anteilseigner der ausländischen Zwischengesellschaft (Obergesellschaft) der Einkommen- oder Körperschaftsteuer unterlegen haben. Hieraus folgt, dass weiter zurückliegende, im Inland versteuerte, Hinzurechnungsbeträge unberücksichtigt bleiben, so dass diesbezüglich eine Doppelbesteuerung nicht vermieden wird.1 Da nur thesaurierte Gewinne der nachgeschalteten Kapitalgesellschaft (Untergesellschaft) im Veräußerungspreis und damit auch im Veräußerungsgewinn abgebildet sein können, greift die Steuerbefreiung nur insoweit ein, als die betreffenden Kapitalanlageeinkünfte noch nicht ausgeschüttet worden sind. Hierbei ist davon auszugehen, dass vorrangig stets diejenigen Gewinne als ausgeschüttet gelten, die nicht zu den Kapitalanlageeinkünften zählen.2 13.186
Von der Reichweite der Steuerbefreiung des § 11 AStG werden wegen des sachlichen Zusammenhangs mit § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG alle veräußerungsbedingten Gewinnrealisationen sowie solche erfasst, die auf veräußerungsgleichen Vorgängen beruhen. Betroffen sind nicht nur entsprechende Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an der unmittelbar nachgeschalteten Kapitalgesellschaft, sondern auch von solchen an weitere auf nachfolgenden Beteiligungsstufen angesiedelten Gesellschaften. Entsprechend § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG werden von § 11 AStG auch Kapitalgesellschaften i.S. des § 16 REITG erfasst (Rz. 13.129). Erfasst werden schließlich nur Gewinne, nicht aber Verluste. Denn diese finden bereits im Rahmen des § 8 Abs. 1 Nr. 9 AStG Berücksichtigung mit der Folge, dass im Hinblick auf die hierdurch geminderten Einkünfte aus passivem Erwerb eine Doppelbesteuerung insoweit nicht eintreten kann.3
13.187
§ 11 AStG ist zwar auf die Vermeidung der Doppelbesteuerung gerichtet, dies setzt aber keine Personen- oder Anteilsidentität voraus. Das bedeutet, dass die Steuerbefreiung des § 11 AStG dem unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner auch dann zugute kommt, wenn er selbst in der Vergangenheit nicht oder nicht in entsprechendem Umfang an der ausländischen Gesellschaft beteiligt war.4 Schließlich kommt es auch nicht darauf an, dass in der Vergangenheit die betreffenden Hinzurechnungsbeträge eine effektive Einkommen- oder Körperschaftsteuer ausgelöst haben. Es reicht vielmehr aus, dass sie steuerlich erfasst worden sind.5 6. Verlustabzug
13.188
Gemäß § 10 Abs. 1 Satz 4 AStG entfällt zwar eine Hinzurechnung, sofern nach Berücksichtigung der abziehbaren Steuern (§ 10 Abs. 1 Satz 1 AStG) ein negativer 1 Zur Kritik an dieser Restriktion L. Schmidt in S/K/K, § 11 AStG Rz. 43; Bauernschmitt in Haase3, § 11 AStG Rz. 30 f. 2 Wassermeyer in F/W/B/S, § 11 AStG Rz. 55; L. Schmidt in S/K/K, § 11 AStG Rz. 48; a.A. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 18.1.5.1, wonach auf eine zeitliche Zuordnung abgestellt wird. 3 Wassermeyer in F/W/B/S, § 11 AStG Rz. 27; L. Schmidt in S/K/K, § 11 AStG Rz. 27.1. 4 Hierzu L. Schmidt in S/K/K, § 11 AStG Rz. 42.1; Bauernschmitt in Haase3, § 11 AStG Rz. 28. 5 Hierzu L. Schmidt in S/K/K, § 11 AStG Rz. 45; BMF v. 14 5. 2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 18.1.5.2.
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F. Rechtsfolgen
Betrag verbleibt; § 10 Abs. 3 Satz 5 AStG eröffnet aber dennoch die Möglichkeit, negative Zwischeneinkünfte im Rahmen eines Verlustabzuges (§ 10d EStG) durch Verrechnung mit positiven Zwischeneinkünften steuerlich zur Geltung zu bringen. Da der Verlustabzug bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages auf der letzten Stufe einsetzt, wird im Ergebnis der Wertung des § 10d EStG entsprochen, der als Sonderausgabenvorschrift seine Wirkung erst nach der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte entfaltet (§ 2 Abs. 4 EStG).1 Durch die konstitutiv wirkende Verweisung kommt § 10d EStG entgegen seiner systematischen Stellung im Einkommensteuergesetz als Einkommensermittlungsvorschrift bereits bei der Ermittlung der Einkünfte, nämlich des Hinzurechnungsbetrages, zur Anwendung.2 Infolge des Charakters als Einkünfteermittlungsvorschrift im Rahmen der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrags wirkt sich die Anwendung des § 10d EStG automatisch auch auf die Gewerbeertragsteuer aus, so dass es insoweit in § 10 Abs. 3 Satz 5 AStG keiner Verweisung auf § 10a GewStG bedurfte.3
13.189
§ 10 Abs. 3 Satz 5 AStG ist eine konsequente Folge des § 10 Abs. 3 Satz 1 AStG und gewährleistet im Rahmen des Verlustvortrages, dass entsprechend dem Sinn und Zweck der Hinzurechnungsbesteuerung – Beseitigung der Aufschubund Abschirmwirkung ausländischer Kapitalgesellschaften ggü. der deutschen Besteuerung – der beim unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner anzusetzende Hinzurechnungsbetrag sich wenigstens, über mehrere Wirtschaftsjahre gerechnet, insgesamt am ausschüttungsfähigen Gewinn (Bilanzgewinn) der Zwischengesellschaft orientiert.
13.190
Die Ermittlung der Zwischeneinkünfte in entsprechender Anwendung der Vorschriften des deutschen Steuerrechts ist indessen nicht geeignet, den Sinn und Zweck der Hinzurechnungsbesteuerung zu verwirklichen. Im Grundsatz soll nämlich die Anwendung der §§ 7 bis 14 AStG beim unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner zu einer Besteuerung führen, die der Besteuerung der Dividenden im Falle der Vollausschüttung entspricht. Der ausschüttungsfähige Gewinn der ausländischen Gesellschaft wird aber allein auf der Grundlage der Gewinnermittlungsvorschriften des ausländischen Handelsrechts ermittelt. Ergibt sich ein Verlust (Jahresfehlbetrag), so beeinflusst dieser zwar die ausschüttungsfähigen Gewinne der nächsten Jahre, er führt aber nicht zu einer Minderung der ausschüttungsfähigen Gewinne bereits abgelaufener Wirtschaftsjahre. Im Hinblick darauf ist die Anwendung des § 10d EStG, insbesondere im Rahmen des Verlustrücktrags, inkonsequent.
13.191
1 Dies wird durch § 10 Abs. 3 Satz 6 AStG bestätigt, wonach der Verlustabzug in Höhe des um den Steuerabzug erhöhten Betrages der negativen Zwischeneinkünfte in Betracht kommt; hierzu Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 72, 357; für den Ansatz an letzter Stelle auch BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 10.3.5.1. 2 BFH v. 5.11.1992 – I R 38/92, HFR 1993, 166. 3 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 382; die praktische Bedeutung ist wegen der Kürzung gem. § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG (BFH v. 11.3.2015 – I R 10/14, BFH/NV 2015, 921) gering; vgl. allerdings Nichtanwendungserlass: gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 14.12.2015, z.B. FinMin NW v. 14.12.2015, FR 2016, 273; Nichtanwendungsgesetz: § 7 Abs. 1 Satz 7 GewStG idF des AHRL-ÄndUmsG.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
13.192
Da die entsprechende Anwendung des § 10d EStG auf der Ebene der Einkünfteermittlung erfolgt und damit gesellschaftsbezogen ist, darf der Verlustabzug nur bei der Zwischengesellschaft erfolgen, die zuvor den entsprechenden Verlust auch tatsächlich erlitten hat.1 Ein Ausgleich mit positiven Zwischeneinkünften einer anderen Zwischengesellschaft, an der der Anteilseigner beteiligt ist, bleibt daher versagt.2 Wegen der Gesellschaftsbezogenheit des Verlustabzuges spielen die Beteiligungsverhältnisse keine Rolle. Daran ändert auch nichts § 8c KStG. Dies deshalb nicht, weil es sich hierbei nicht um eine gem. § 10 Abs. 3 Satz 1 AStG zu berücksichtigende Einkünfteermittlungs- oder Einkünftekorrekturvorschrift, sondern um eine nur auf einer nachgelagerten Stufe wirksame Einkommensermittlungsvorschrift handelt.3 Darüber hinaus gebietet § 10 Abs. 3 Satz 5 AStG in Verlustfällen nur die Anwendung von § 10d EStG, ohne hierbei zugleich auf § 8c KStG zu verweisen.4 Jedes andere Ergebnis widerspräche auch dem mit der Hinzurechnungsbesteuerung verknüpften Zielsetzung, die Abschirmwirkung gegenüber der deutschen Besteuerung zu beseitigen; weil insoweit der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag als Quasi-Dividende stets höher wäre als die tatsächliche Dividende (Rz. 13.171). Entscheidend ist allein, dass am Ende des Verlustjahres allgemein die Voraussetzungen der §§ 7 bis 14 AStG vorgelegen haben. Dazu gehört, dass in diesem Zeitpunkt unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner zu mehr als der Hälfte oder, soweit § 7 Abs. 6 AStG eingreift, zu einer geringeren Quote an der ausländischen Gesellschaft beteiligt waren. Welchem unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner ggü. der Verlustabzug wirkt, beurteilt sich dagegen nach den Verhältnissen im Verlustabzugszeitpunkt,5 so dass auch derjenige vom Verlustabzug profitiert, der im Verlustentstehungsjahr an der Zwischengesellschaft nicht beteiligt war.6
13.193
§ 10 Abs. 3 Satz 5 AStG ordnet schließlich an, dass der Verlustabzug, der nicht gesondert festgestellt werden muss,7 stets um die nach § 9 AStG außer Ansatz zu lassenden Zwischeneinkünfte zu kürzen ist. Daher ist ein Verlustvortrag auch dann gegen positive Zwischeneinkünfte zu rechnen, wenn diese an sich schon nach § 9 AStG von der Hinzurechnungsbesteuerung auszunehmen wären.8 7. Aufteilung auf mehrere Steuerinländer
13.194
§ 7 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AStG bestimmt, dass die Steuerpflicht nur bei demjenigen einsetzt, der am Ende des maßgebenden Wirtschaftsjahres an der Zwi1 BFH v. 15.3.1995 – I R 14/94, BStBl. II 1995, 502. 2 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 10.1.1.3. 3 Fuhrmann in Fuhrmann3, § 10 Rz. 173; Edelmann in Kraft, § 10 Rz. 561; Intemann in Haase2, § 10 Rz. 87; Moser, IStR 2016, 462; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz.10.3.5.3; a.A. SenFin v. 6.1.2016, DStR 2016, 173; vgl. auch Rz. 13.173. 4 Zu diesem Aspekt Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 308.1; Fuhrmann in Fuhrmann3, § 10 Rz. 224. 5 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 10.3.5.3; Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 359. 6 Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 114; Bauernschmitt in Haase3, § 10 AStG Rz. 94. 7 BFH v. 5.11.1992 – I R 38/92, BStBl. II 1993, 177. 8 Weitere Einzelheiten bei Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 398 ff.
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F. Rechtsfolgen
schengesellschaft beteiligt ist. Mit dieser grundlegenden Bestimmung steht § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG im Einklang, wonach der Hinzurechnungsbetrag bei dem jeweiligen unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner anzusetzen ist. Hieraus folgt, dass im Anschluss an die Ermittlung der Zwischeneinkünfte – unter Berücksichtigung zuzurechnender Zwischeneinkünfte (§ 14 Abs. 1 AStG), der von der Zwischengesellschaft selbst entrichteten Steuern (§ 10 Abs. 1 AStG), bestimmter Beteiligungsveräußerungsgewinne (§ 11 AStG) und eines Verlustabzuges (§ 10 Abs. 3 Satz 5 AStG) – diese entsprechend aufzuteilen sind, soweit mehrere unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner zum maßgeblichen Stichtag beteiligt sind.1 Nach dieser Aufteilung ergibt sich für jeden unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner ein Hinzurechnungsbetrag, der nach Berücksichtigung des Aufstockungsbetrages gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 AStG als anzusetzender Hinzurechnungsbetrag unmittelbar steuerlich wirksam wird. Während die dem Hinzurechnungsbetrag zugrunde liegenden Beträge gem. § 10 Abs. 3 AStG gesellschaftsbezogen sind und damit einheitlich für und gegen alle unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner festgestellt werden,2 ist die Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages im Anschluss an die Aufteilung gesellschafterbezogen, so dass es für jeden einzelnen unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner einen gesonderten Hinzurechnungsbetrag gibt.3 Bei Beteiligung eines unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners an mehreren Zwischengesellschaften sind zugleich auch mehrere Hinzurechnungsbeträge zu ermitteln.4
IV. Anzusetzender Hinzurechnungsbetrag Literatur Kommentare zu § 10 AStG; Köhler/Haun, Kritische Analyse der Änderungen der Hinzurechnungsbesteuerung durch das JStG 2008, Ubg 2008, 73; Kraft, Der Hinzurechnungsbetrag als „inländische Einkünfte“ – Anmerkungen zum terminologischen und konzeptionellen Verständnis der obersten Finanzbehörden im Nichtanwendungserlass vom 14.12. 2015, FR 2015, 257; Kraft/Schreiber, Die Gewerbesteuerpflicht des Hinzurechnungsbetrages – Belastungseffekte, normative Analyse, systematische Rechtfertigung, IStR 2015, 149; Lipps, Außensteuerrecht, 2. Aufl. Baden-Baden 1987; Mersch, Die Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 ff. AStG, Köln 1986; Rasch, Die Ziele der neuen deutschen Hinzurechnungsbesteuerung, Weilerswist 2004; Rödder, Ist der Hinzurechnungsbetrag gewerbesteuerpflichtig?, IStR 2009, 873; Ruf/Wohlfahrt, Gewerbesteuerliche Folgen der Hinzurechnungsbesteuerung, Ubg 2009, 496; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS für Tipke, Köln 1995, 125; Schleuder, Die Hinzurechnungsbesteuerung im internationalen Konzern, Neuried 1985, 209; Wassermeyer, Besteuerung des Hinzurechnungsbetrages auf der Grundlage des Referentenentwurfs zum Gesetz zur Umsetzung der EU-Amtshilferichtlinie v. 31.5.2016, IStR 2016, 517; Weiss, Gewerbesteuerliche Erfassung des Hinzurechnungsbetrages, IWB 2016, 126; Wohlfahrt, Gewerbesteuerliche Folgen der Hinzurechnungsbesteuerung, Ubg 2009, 496.
1 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 10.0.1. 2 Einheitliche und gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen gem. § 18 Abs. 1 Satz 2 AStG. 3 BFH v. 15.3.1995 – I R 14/94, BStBl. II 1995, 502; BMF v. 14 5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, Tz. 18.1.2.4. 4 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 63.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
1. Systematischer Standort 13.195
Der gem. § 10 Abs. 1 AStG auf der Grundlage der Zwischeneinkünfte der ausländischen Gesellschaft für jeden einzelnen unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner ermittelte Hinzurechnungsbetrag ist für die Besteuerung im Inland noch nicht maßgebend, sofern die zu Lasten der ausländischen Gesellschaft erhobenen Steuern gem. § 12 Abs. 1 AStG beim Anteilseigner angerechnet werden sollen. Anzusetzen ist in diesem Fall der um den Aufstockungsbetrag (§ 12 Abs. 1 Satz 2 AStG) erhöhte Hinzurechnungsbetrag. Die steuerliche Behandlung dieses anzusetzenden Hinzurechnungsbetrages ergibt sich aus § 10 Abs. 2 AStG.1
13.196
Ist der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag negativ, so entfällt eine Hinzurechnung. Die diesbezügliche Bestimmung in § 10 Abs. 1 Satz 4 AStG ist zwar auf den Hinzurechnungsbetrag bezogen, betrifft aber in Wahrheit den für die Besteuerung beim unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner anzusetzenden Hinzurechnungsbetrag.2 Dass ein negativer anzusetzender Hinzurechnungsbetrag beim unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner unmittelbar keine steuerliche Berücksichtigung finden kann, ist, gemessen am Sinn und Zweck der Hinzurechnungsbesteuerung, selbstverständlich. Die Hinzurechnungsbesteuerung will von ihrer Rechtsfolge her den unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner nämlich so behandeln, als habe die ausländische Gesellschaft ausgeschüttet. Die auf die Beseitigung der ggü. der deutschen Besteuerung bestehenden Aufschub- und Abschirmwirkung gerichtete Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung erlaubt es daher nicht, beim unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner einen negativen Hinzurechnungsbetrag anzusetzen.3 Da bei der Beteiligung eines unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners an mehreren Zwischengesellschaften jeweils gesondert anzusetzende Hinzurechnungsbeträge zu ermitteln sind, negative anzusetzende Hinzurechnungsbeträge gem. § 10 Abs. 1 Satz 3 AStG aber außer Ansatz bleiben müssen, ergibt sich als weitere Folge insoweit auch ein Ausgleichsverbot zwischen negativen und positiven Hinzurechnungsbeträgen.4 2. Einkünftequalifikation a) Einkünfte aus Kapitalvermögen
13.197
Der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag wird gem. § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) gezählt.5 Der An1 Im Rahmen der Feststellung gem. § 18 Abs. 1 AStG hat dessen Ansatz nur nachrichtlichen Charakter; BFH v. 15.3.1995 – I R 14/94, BStBl. II 1995, 502; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 18.1.2.4. 2 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 131 ff. 3 Hierzu Vogt in Blümich, § 10 AStG Rz. 34; Edelmann in Kraft, § 10 AStG Rz. 222; Haun/ Reiser/Cortez in H/K/G/R, § 10 AStG Rz. 73; verfassungsrechtliche Zweifel äußern Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 133; ähnlich Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 38; vgl. auch Rz. 13.4. 4 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 134; Vogt in Blümich, § 10 AStG Rz. 35; Haun/Reiser/Cortez in H/K/G/R, § 10 AStG Rz. 74; zu Gestaltungsüberlegungen durch Zusammenfassung von Beteiligungen in einer ausländischen Holding Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 38. 5 Die Entscheidung über die Einkunftsart wird erst im Veranlagungsverfahren des Steuerpflichtigen getroffen, BFH v. 15.3.1995 – I R 14/94, BStBl. II 1995, 502.
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F. Rechtsfolgen
satz als Dividende beim unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner ist folgerichtig und entspricht der Grundwertung der Hinzurechnungsbesteuerung, den Steuerinländer in der Rechtsfolge so zu behandeln, als habe die ausländische Gesellschaft an ihn ausgeschüttet. Damit wird im Ergebnis beim inländischen Gesellschafter Soll-Einkommen erfasst.1 Der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag stellt eine (fiktive) Einnahme2 dar mit der Folge, dass ihm auch Werbungskosten gegenüberzustellen sind, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Beteiligung an der Zwischengesellschaft anfallen, selbst aber keine Aufwendungen dieser Zwischengesellschaft sind. So können etwa Kosten anlässlich der Gesellschafterversammlungen sowie aus Anlass der Aufstellung der Hinzurechnungsbilanz und der dafür maßgebenden Buchführung als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden,3 wobei allerdings gem. § 10 Abs. 2 Satz 4 AStG das partielle Abzugsverbot (40 %) des § 3c Abs. 2 EStG zur Anwendung kommt.
13.198
Der unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner hat die Einkünfte aus Kapitalvermögen, soweit ihnen ein anzusetzender Hinzurechnungsbetrag zugrunde liegt, auf zwei Stufen zu ermitteln: Auf der ersten Stufe sind die dem Hinzurechnungsbetrag zugrunde liegenden Zwischeneinkünfte aufgrund der Sondernorm des § 10 Abs. 3 AStG im Regelfall (Rz. 13.177) durch Betriebsvermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG) oder durch Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben (§ 4 Abs. 3 EStG) zu ermitteln. Der sich unter Berücksichtigung des Aufstockungsbetrages gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 AStG ergebende anzusetzende Hinzurechnungsbetrag ist sodann auf einer zweiten Stufe bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen durch Vergleich der Einnahmen mit den Werbungskosten anzusetzen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG).
13.199
§ 10 Abs. 2 AStG legt nicht nur die Einkunftsart fest, innerhalb deren der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag zu berücksichtigen ist, sondern bestimmt auch, dass der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag unmittelbar nach Ablauf des maßgebenden Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft als zugeflossen gilt. Damit wird auch die notwendige zeitliche Beziehung zwischen den persönlichen und sachlichen Tatbestandsvoraussetzungen einerseits und der Rechtsfolge andererseits hergestellt. Die Zuflussfiktion konkretisiert die Grundwertung des Gesetzes dahingehend, dass der unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner in der Rechtsfolge so behandelt wird, als habe die ausländische Gesellschaft zum frühestmöglichen Zeitpunkt an ihn ausgeschüttet. Diese Rechtsfolge unterscheidet sich von der Besteuerung tatsächlicher Ausschüttungen allerdings dadurch, dass gem. § 7 Abs. 1 AStG die Steuerpflicht nur bei demjenigen einsetzt, der am Ende des maßgebenden Wirtschaftsjahres beteiligt ist; bei der Besteuerung tatsächlicher Ausschüttungen kommt es hingegen darauf an, wer zum Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses an der Gesellschaft beteiligt ist (§ 20 Abs. 5 EStG).
13.200
1 Zur Legitimation unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten Schaumburg in FS Tipke, 125 (140). 2 Vgl. § 10 Abs. 2 Satz 4 AStG; dagegen im Sinne eines „Einkünfteerhöhungsbetrages eigener Art“ BFH v. 7.9.2005 – I R 118/04, BStBl. II 2006, 537; v. 11.2.2009 – I R 40/08, BStBl. II 2009, 594; Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 144; Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 40; Bauernschmitt in Haase3, § 10 AStG Rz. 52. 3 Das gilt im Ergebnis auch bei Ansatz eines Einkünfteerhöhungsbetrages.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
13.201
Entspricht das für die Ermittlung der Zwischeneinkünfte maßgebende Wirtschaftsjahr der Zwischengesellschaft dem Kalenderjahr, so erfolgt die Hinzurechnung jeweils am 1.1. des auf das Wirtschaftsjahr folgenden Kalenderjahres, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der zum maßgeblichen Stichtag 31.12. beteiligte unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner auch am 1.1. noch beteiligt ist.1 Da bei abweichendem Wirtschaftsjahr der ausländischen Gesellschaft das Ende des Wirtschaftsjahres und der Zeitpunkt der Hinzurechnung stets in dasselbe Kalenderjahr fallen, erfolgt die Besteuerung damit im Ergebnis in ein und demselben für den unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner maßgeblichen Veranlagungszeitraum. b) Einkünfte aus Gewerbebetrieb
13.202
§ 10 Abs. 2 Satz 2 AStG bestimmt, dass der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag den Einkünften aus Gewerbebetrieb, aus Land- und Forstwirtschaft oder aus selbständiger Arbeit zuzuordnen ist, wenn die Beteiligung an der ausländischen Gesellschaft zu einem Betriebsvermögen gehört.2 Da die vorgenannte Vorschrift keine weitere Differenzierung vornimmt, spielt es für die Einkünftequalifizierung keine Rolle, ob die Anteile inländisches oder ausländisches Betriebsvermögen, notwendiges oder gewillkürtes Betriebsvermögen oder aber Gesamthands- oder Sonderbetriebsvermögen sind.3
13.203
Gehören die Anteile zu einem gewerblichen Betriebsvermögen mit der Folge, dass der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb zählt, so ist dieser nicht ohne weiteres zugleich auch Bestandteil der nach § 5 EStG aufgrund eines Betriebsvermögensvergleichs oder nach § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahmeüberschussrechnung vorzunehmenden Gewinnermittlung. Dies deshalb nicht, weil der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag nicht tatsächliche, sondern lediglich fiktive Einnahmen repräsentiert. Im Hinblick darauf ist der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag außerhalb der Steuerbilanz und der Einnahmeüberschussrechnung bei der Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Korrekturposten (Erhöhungsbetrag) zu berücksichtigen.4
13.204
Auf den anzusetzenden Hinzurechnungsbetrag finden §§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d, 32d EStG sowie § 8b Abs. 1 KStG keine Anwendung, wodurch im Ergebnis sichergestellt werden soll, dass die betreffenden Zwischeneinkünfte auf das maßgebliche inländische Ertragsteuerniveau angehoben werden.5 Im Hinblick darauf, dass der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag als (fiktive) Einnahme zu qualifizieren ist, regelt § 10 Abs. 2 Satz 4 AStG, dass hierauf § 3c Abs. 2 EStG entsprechend
1 Zu den damit verbundenen Problemen Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 156 ff. 2 Hierüber wird erst im Veranlagungsverfahren des Steuerpflichtigen entschieden; BFH v. 15.3.1995 – I R 14/94, BStBl. II 1995, 502. 3 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 181; Fuhrmann in Fuhrmann3, § 10 AStG Rz. 96. 4 Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 183.; Vogt in Blümich, § 10 AStG Rz. 36; Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 43; Bauernschmitt in Haase3, § 10 AStG Rz. 62. 5 Zu Einzelheiten Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 187, 202.
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F. Rechtsfolgen
zur Anwendung kommt1 mit der Folge, dass auf Gesellschafterebene anfallende Werbungskosten und Betriebsausgaben nur zu 60 % abzugsfähig sind. Die Anwendung des partiellen Abzugsverbotes (§ 3c Abs. 2 EStG) im Zusammenhang mit dem anzusetzenden Hinzurechnungsbetrag (§ 10 Abs. 2 Satz 4 AStG) entspricht insoweit nicht der Folgerichtigkeit, als auf den anzusetzenden Hinzurechnungsbetrag gem. § 10 Abs. 2 Satz 3 EStG das Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG) keine Anwendung findet. Der Widerspruch zu der im Übrigen getroffenen Belastungsentscheidung – volle Besteuerung des anzusetzenden Hinzurechnungsbetrages – lässt eine nur teilweise Berücksichtigung (60 %) von Betriebsausgaben oder Werbungskosten eigentlich nicht zu. Das gilt zumal, weil auch bei späterer tatsächlicher Ausschüttung, soweit diese – im Regelfall – steuerfrei2 ist (§ 3 Nr. 41 Buchst. a EStG), das partielle Abzugsverbot des § 3c Abs. 2 EStG wiederum eingreift. § 10 Abs. 2 Satz 4 AStG ist daher im Ergebnis mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.
13.205
Soweit der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehört, wird eine Gewerbesteuer hierdurch allerdings nicht ausgelöst, weil der entsprechende Gewerbeertrag (§ 7 Satz 1 GewStG) um den anzusetzenden Hinzurechnungsbetrag gem. § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG zu kürzen ist.3 Ihm liegt nämlich tatsächlich der Gewinn der ausländischen Betriebsstätte der Zwischengesellschaft zugrunde. Dass es sich nicht um eine Betriebsstätte des inländischen Anteilseigners handelt, ist ebenso wenig von Bedeutung wie die in § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG verankerte Fiktion, dass der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag zu den Kapitaleinkünften gehört.4
13.206
3. Anwendung von DBA Gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG ist der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag zwar als „Quasi-Ausschüttung“ (Dividende) zu qualifizieren, (Rz. 13.197) diese einseitige Qualifizierung ist aber im Anwendungsbereich der Zuteilungsnormen der DBA grundsätzlich rechtlich ohne Bedeutung. Denn maßgeblich allein sind die Einkünftequalifikationen und Definitionen der DBA selbst (Rz. 19.58 ff.). Da nach der Systematik der §§ 7 bis 14 AStG nicht etwa der nichtausgeschüttete Gewinn, sondern die Einkünfte aus passivem Erwerb der ausländischen Gesellschaft den maßgeblichen Besteuerungsgegenstand darstellen, beurteilt sich die Besteuerungsbefugnis im Grundsatz nach Art. 7 OECD-MA, wonach das Besteuerungsrecht für Unternehmensgewinne nur dem Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft 1 Allerdings keine Anwendung auf Kapitalgesellschaften; zu Einzelheiten Wassermeyer/ Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 208 ff.; Luckey in S/K/K, § 10 AStG Rz. 61; Köhler/ Haun, Ubg 2008, 73 (87). 2 Vgl. auch Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 10 AStG Rz. 207; Vogt in Blümich, § 10 AStG Rz. 40; Gropp in Lademann, § 10 AStG Rz. 54; Lieber, FR 2002, 139 ff.; Köhler/ Haun, Ubg 2008, 73 (87). 3 BFH v. 11.3.2015 – I R 10/14, BFH/NV 2015, 921; vgl. allerdings Nichtanwendungserlass: gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 14.12.2015, z.B. FinMin NW v. 14.12.2015, FR 2016, 273; Nichtanwendungsgesetz: § 7 Abs. 1 Satz 7 GewStG idF des AHRL-ÄndUmsG; zur Kritik hieran Kraft, FR 2016, 257; Weiss, IWB 2016, 126; Wassermeyer, IStR 2016, 517. 4 BFH v. 11.3.2015 – I R 10/14, BFH/NV 2015, 921 Rz. 9.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
zusteht. Dass die Unternehmensgewinne der ausländischen Gesellschaft über die §§ 7 bis 14 AStG letztlich auch den unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern zugerechnet werden, ist zunächst nur einseitiger Natur. Sie widerspricht der sich aus Art. 7 OECD-MA ergebenden Zurechnung der Unternehmensgewinne zur betreffenden ausländischen Gesellschaft (Rz. 19.264 ff.). Diese Zurechnungskonkurrenz ist durch die Treaty-Overriding-Klausel des § 20 Abs. 1 AStG1 dahingehend gelöst, dass das Abkommensrecht insoweit verdrängt wird.2 Darüber hinaus bewirkt § 20 Abs. 1 AStG, dass die für den anzusetzenden Hinzurechnungsbetrag vorgenommene Qualifizierung als Dividende (§ 10 Abs. 2 Satz 1 AStG) auch abkommensrechtlich wirkt. Damit ist der Hinzurechnungsbetrag nicht nur nach innerstaatlichem Recht, sondern auch auf Abkommensebene aus deutscher Sicht als Dividende des unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners der ausländischen Gesellschaft zu qualifizieren. Hieraus folgt, dass Deutschland grundsätzlich auch abkommensrechtlich den anzusetzenden Hinzurechnungsbetrag nach Maßgabe der für Dividenden geltenden Verteilungsnormen (Art. 10 OECD-MA) besteuern darf. 4. Aufstockung bei Steueranrechnung 13.208
Gemäß § 10 Abs. 1 AStG sind bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages die zu Lasten der ausländischen Gesellschaft gezahlten Steuern von den Zwischeneinkünften in Abzug zu bringen. Dieser Steuerabzug entspricht der erkennbaren Primärwertung des Gesetzes, die Abschirmwirkung ausländischer Gesellschaften ggü. der deutschen Besteuerung zu beseitigen und den ausschüttungsfähigen Gewinn,3 also den Gewinn nach Steuern, zum frühestmöglichen Ausschüttungszeitpunkt beim unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner nach Maßgabe seiner Beteiligung als Dividenden der inländischen Besteuerung zu unterwerfen. § 12 Abs. 1 AStG räumt dem unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner auf Antrag allerdings das Recht ein, die zu Lasten der ausländischen Gesellschaft gezahlten Steuern auf seine eigene Steuer anzurechnen. Diese Steueranrechnung, die unter dem Gesichtspunkt der Beseitigung der Abschirmwirkung nicht plausibel ist,4 macht eine weitere Wertung des Gesetzgebers dahingehend deutlich, dass die Hinzurechnungsbesteuerung zu keiner höheren Steuer führen soll, als bei Nichteinschaltung der ausländischen Gesellschaft entstanden wäre. In diesem Falle wären etwaige ausländische Steuern zu Lasten des unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners angefallen, wobei dieser die ausländischen Steuern unter den Voraussetzungen des § 34c Abs. 1 EStG (§ 26 Abs. 1 KStG) sodann aber hätte anrechnen können.5 Wählt der unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner die Steueranrechnung nach § 12 AStG, so ist die Aufstockung des Hinzurechnungsbetrages um die anrechnungsfähige Steuer eine logische Folge (§ 12 Abs. 1 Satz 2 AStG).6 1 2 3 4
Zu Einzelheiten Wassermeyer/Schönfeld in F/W/B/S, § 20 AStG Rz. 22. Zum treaty overriding im Einzelnen Rz. 3.24 f. Soweit ihm Zwischeneinkünfte zugrunde liegen. Die Anrechnung wäre allein unter Durchgriffsgesichtspunkten folgerichtig gewesen (Rz. 13.17). 5 Wassermeyer in F/W/B/S, § 12 AStG Rz. 15. 6 Der entsprechende Erhöhungsbetrag setzt auf der letzten Stufe der Ermittlung des anzusetzenden Hinzurechnungsbetrages an; vgl. Rz. 13.166.
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F. Rechtsfolgen
Andernfalls würde sich der Abzug der anrechnungsfähigen Steuern steuerlich dadurch doppelt auswirken, dass die ausländische Steuer einerseits nicht in der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer enthalten ist, andererseits aber auf die deutsche Steuer angerechnet wird. Obwohl eine Anrechnung bei der Gewerbesteuer normativ nicht vorgesehen ist, führt der Aufstockungsbetrag dort ebenfalls zu einer Erhöhung des Hinzurechnungsbetrages, der allerdings gem. § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG aus dem maßgeblichen Gewerbeertrag herausgekürzt wird (Rz. 13.7).1
13.209
V. Steueranrechnung 1. Duale Steueranrechnung Der anzusetzende Hinzurechnungsbetrag gehört zumeist zu den Einkünften aus Kapitalvermögen oder Gewerbebetrieb des unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners. Im Rahmen der steuerlichen Veranlagung können auf Antrag die in § 12 Abs. 1 AStG näher bezeichneten Steuern zur Anrechnung gebracht werden. Es handelt sich um eine Tarifvorschrift, die sich auf den anzusetzenden Hinzurechnungsbetrag lediglich mittelbar durch den entsprechenden Aufstockungsbetrag auswirkt (Rz. 13.208). Darüber hinaus können gem. § 12 Abs. 3 AStG auf Antrag auch auf die nach § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG steuerfreien Ausschüttungen (Rz. 13.221) erhobenen Quellensteuern angerechnet oder abgezogen werden.
13.210
Beide Anrechnungsvorschriften haben nichts miteinander zu tun. Denn nach § 12 Abs. 1 AStG werden die Steuern einer Zwischengesellschaft, an der der unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner beteiligt ist (Tochtergesellschaft), angerechnet, und zwar nur insoweit, als die Steuern auf die Zwischeneinkünfte entfallen. Demgegenüber werden im Rahmen des § 12 Abs. 3 AStG die eigenen Steuern des unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners angerechnet. Die Anrechnung nach den vorgenannten Vorschriften erfolgt mithin auf zwei verschiedenen Stufen, wobei die Anrechnung gem. § 12 Abs. 1 AStG derjenigen des § 12 Abs. 3 AStG in aller Regel zeitlich vorangeht.
13.211
Die Steueranrechnung gem. § 12 Abs. 1 AStG passt nicht in das System der Hinzurechnungsbesteuerung. Sie widerspricht insbesondere der in § 10 AStG verankerten Ausschüttungsfiktion, wonach folgerichtig von der Zwischengesellschaft gezahlte Steuern von den Zwischeneinkünften in Abzug gebracht werden (§ 10 Abs. 1 Satz 1 AStG), weil diese das ausschüttbare Volumen mindern. Die Anrechnung dieser Steuern auf die Steuern des inländischen Anteilseigners entspricht konzeptionell dem Durchgriff durch die Zwischengesellschaft. Dieser Durchgriffskonzeption ist der Gesetzgeber im Ausgangspunkt aber gerade nicht gefolgt (Rz. 13.17).
13.212
§ 12 Abs. 3 AStG dient der Vermeidung der Doppelbesteuerung von anzusetzendem Hinzurechnungsbetrag einerseits und nachfolgender Ausschüttung seitens 1 BFH v. 11.3.2015 – I R 10/14, BFH/NV 2015, 921; vgl. allerdings Nichtanwendungserlass: gleichlautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 14.12.2015, z.B. FinMin NW v. 14.12.2015, FR 2016, 273; Nichtanwendungsgesetz: § 7 Abs. 1 Satz 7 GewStG idF des AHRL-ÄndUmsG.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
der ausländischen Gesellschaft andererseits, wobei diese Vorschrift im Außensteuergesetz deplatziert und zudem unvollkommen ist. Beide Vorschriften machen indessen eine Sekundärwertung des Gesetzes erkennbar, wonach dem durch die Hinzurechnungsbesteuerung betroffenen Steuerpflichtigen insgesamt keine höheren Steuerlasten auferlegt werden sollen, als bei Nichteinschaltung der Zwischengesellschaft entstünden. 13.213
Von der Rechtsfolge her kann der unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner im Rahmen des § 12 Abs. 1 AStG die zu Lasten der Zwischengesellschaft auf die Zwischeneinkünfte erhobenen Steuern so anrechnen, als hätte er diese Einkünfte selbst bezogen und die darauf entfallende Steuer selbst entrichtet. Die Rechtsfolge des § 12 Abs. 3 AStG geht im Wesentlichen dahin, die Quellensteuern auf Ausschüttungen, deren zugrunde liegenden Zwischeneinkünfte im Jahr des Bezugs oder in den vorangegangenen sieben Jahren der Hinzurechnungsbesteuerung unterworfen wurden, zur Anrechnung zu bringen oder zum Abzug zuzulassen, obwohl die Ausschüttungen gem. § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG steuerfrei sind. 2. Steueranrechnung gem. § 12 Abs. 1 AStG Literatur Kommentare zu § 12 AStG; Desens, Die Besteuerung des Anteilseigners bei grenzüberschreitenden Gewinnausschüttungen – Überblick und Grundprobleme, IStR 2003, 613; Günkel/Lieber, Anmerkung zu BFH I R 4/05, IStR 2006, 459; Kollruss, Fiktive Anrechnung ausländischer Steuern im System der neuen Hinzurechnungsbesteuerung; lässt sich die Hinzurechnung durch Gewinnausschüttungen der ausländischen Zwischengesellschaft vermeiden?, IStR 2006, 513; Wurster, Die Anrechnungsoption nach § 12 AStG, StuW 1981, 351.
13.214
Auf Antrag des unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigners werden auf die auf den anzusetzenden Hinzurechnungsbetrag entfallende Einkommen- oder Körperschaftsteuer diejenigen Steuern angerechnet, die nach § 10 Abs. 1 AStG abziehbar sind. Der Antrag, der an keine bestimmte Form und an keine bestimmte Frist1 gebunden ist, führt zu einem Wahlrecht zwischen Steuerabzug einerseits und Steueranrechnung andererseits. In aller Regel wird die Anrechnung gem. § 12 AStG günstiger sein als der Steuerabzug im Rahmen des Hinzurechnungsbetrages. Der unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner kann seinen Antrag nach § 12 Abs. 1 Satz 1 AStG auf jeden einzelnen Hinzurechnungsbetrag beziehen. Das Wahlrecht ist daher nicht für alle Hinzurechnungsbeträge einheitlich auszuüben.2 Der Antrag kann auch auf einen Teil der bei einem Hinzurechnungsbetrag abziehbaren Steuern mit der Folge beschränkt werden, dass der Hinzurechnungsbetrag auch nur um den entsprechenden Teil des Aufstockungsbetrages zu erhöhen ist.3
1 Der Antrag kann daher noch im Einspruchs- und Klageverfahren, nicht aber im Revisionsverfahren, gestellt werden; Wassermeyer in F/W/B/S, § 12 AStG Rz. 25. 2 Sonntag in S/K/K, § 12 AStG Rz. 8; Bauernschmitt in Haase3, § 12 AStG Rz. 17. 3 Wassermeyer in F/W/B/S, § 12 AStG Rz. 30; Sonntag in S/K/K, § 12 AStG Rz. 8; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 12.1.3.
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F. Rechtsfolgen
Anrechenbar sind ausschließlich diejenigen Steuern, die zu Lasten der Zwischengesellschaft erhoben wurden1 und gem. § 10 Abs. 1 AStG abziehbar sind. Es kann sich hierbei sowohl um ausländische als auch um inländische Steuern, um direkte Steuern oder um Quellensteuern, nicht aber um betriebliche Steuern, die gem. § 10 Abs. 3 AStG ohnehin als Betriebsausgaben abzugsfähig sind, handeln. Obwohl § 12 Abs. 1 AStG keine dahingehende Regelung enthält, sind die von der Zwischengesellschaft entrichteten und auf die Zwischeneinkünfte bzw. das ihnen zugrunde liegende Vermögen entfallenden Steuern nur quotal, also nur insoweit anrechenbar, als der unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner am Ende des maßgeblichen Wirtschaftsjahres der Zwischengesellschaft an deren Nennkapital beteiligt ist.2 Auf einen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Besteuerung des anzusetzenden Hinzurechnungsbetrages einerseits und die auf die Zwischeneinkünfte der Zwischengesellschaft entrichteten Steuern andererseits kommt es nicht an mit der Folge, dass durchaus Steuern angerechnet werden können, die auf Zwischeneinkünfte eines anderen Jahres entfallen.3 Werden allerdings ausländische Steuern in einem Jahr gezahlt, in dem ein Hinzurechnungsbetrag nicht anzusetzen ist, entfällt eine Anrechnung.4
13.215
Soweit die ausländische Gesellschaft gemischte Einkünfte erzielt, sind nur die auf die Zwischeneinkünfte entfallenden Steuern anrechenbar.5 Im Hinblick darauf hat eine Aufteilung zu erfolgen.6 Die Aufteilung ist hierbei nach der sog. direkten Methode (direkte Gewinnermittlung) vorzunehmen, soweit eine direkte Zuordnung von Steuern zu den steuerpflichtigen Zwischeneinkünften überhaupt möglich ist.7 Anderenfalls kommt die indirekte Methode zur Anwendung, wobei insbesondere auf das Verhältnis der nach ausländischem Recht ermittelten Einkünfte zu den erhobenen Steuern abzustellen ist.8
13.216
Da gem. § 14 Abs. 1, 3 AStG die Zwischeneinkünfte nachgeschalteter Zwischengesellschaften der vorgeschalteten ausländischen Kapitalgesellschaft (Obergesellschaft) zuzurechnen sind und hierfür § 12 AStG zur Anwendung kommt (§ 14 Abs. 1 Satz 1 AStG), sind auch die Steuern der nachgeschalteten Zwischengesellschaften anrechenbar. Die Anrechnung ist so vorzunehmen, als ob es sich um eigene Steuern der Obergesellschaft handelte. Als Folge hiervon ist der Hinzurechnungsbetrag des betreffenden inländischen Anteilseigners um diese Steuern zu erhöhen (Aufstockungsbetrag).9
13.217
1 Hierzu gehört auch die auf Gewinnausschüttungen deutscher Kapitalgesellschaften an Zwischengesellschaften erhobene deutsche Kapitalertragsteuer; vgl. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 12.1.2. 2 Wassermeyer in F/W/B/S, § 12 AStG Rz. 43; Sonntag in S/K/K, § 12 AStG Rz. 16. 3 Wassermeyer in F/W/B/S, § 12 AStG Rz. 45; Bauernschmitt in Haase3, § 12 AStG Rz. 15. 4 Sonntag in S/K/K, § 12 AStG Rz. 11; Bauernschmitt in Haase3, § 12 AStG Rz. 15; Siegmund in H/K/G/R, § 12 AStG Rz. 56; jeweils mit Hinweis auf Billigkeitsmaßnamen (§§ 163, 227 AO). 5 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 12.2.1. 6 Wassermeyer in F/W/B/S, § 12 AStG Rz. 42. 7 Wassermeyer in F/W/B/S, § 12 AStG Rz. 42; Bauernschmitt in Haase3, § 12 AStG Rz. 13; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004 Sondernummer 1, 3, Tz. 12.2.1. 8 Wassermeyer in F/W/B/S, § 12 AStG Rz. 42. 9 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 14.1.9.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
13.218
Macht eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft von der Steueranrechnung gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 AStG Gebrauch, so ist die anzurechnende Steuer nicht selten höher als die deutsche Körperschaftsteuer, so dass es insoweit zu Anrechnungsüberhängen kommt, denen eine steuerliche Verwertbarkeit versagt bleibt.
13.219
Die für die Niedrigbesteuerung maßgebliche Belastungsgrenze von weniger als 25 % orientiert sich an der deutschen Ertragsteuerbelastung, und zwar an der Körperschaftsteuer unter Einbeziehung der Gewerbesteuer. Die entrichteten in- oder ausländischen Steuern können indessen aber nur auf die deutsche Körperschaftsteuer, die 15 % beträgt (§ 23 Abs. 1 KStG) zur Anrechnung gebracht werden. Die Anrechnung bloß auf die deutsche Körperschaftsteuer führt in den Fällen, in denen die ausländische Steuer höher ist, zu steuerlichen Mehrbelastungen, die mit der Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung unvereinbar sind.1 Kommt es in derartigen Fällen zu einer Überbesteuerung, sind Billigkeitsmaßnahmen der Finanzverwaltung geboten (§§ 163, 227 AO).2
13.220
§ 12 Abs. 2 AStG schreibt vor, dass bei der Anrechnung die Vorschriften des § 34c Abs. 1 EStG und des § 26 Abs. 1 und 6 KStG entsprechend anzuwenden sind. Es handelt sich damit um eine Rechtsfolgenverweisung, so dass im Ergebnis lediglich die in § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG vorgeschriebene Höchstbetragsberechnung im Rahmen der Steueranrechnung nach § 12 Abs. 1 Satz 1 AStG entsprechende Anwendung findet.3 Hiernach berechnet sich der Höchstbetrag wie folgt (Rz. 18.104 ff.):4 Deutsche Einkommensteuer/ Körperschaftsteuer
×
anzusetzender Hinzurechnungsbetrag zu versteuerndes Einkommen/ körperschaftsteuerpflichtiges Einkommen
3. Steueranrechnung gem. § 12 Abs. 3 AStG 13.221
§ 12 Abs. 3 AStG ermöglicht die Anrechnung eigener Steuern des inländischen Anteilseigners auf Gewinnausschüttungen, die gem. § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG steuerfrei sind.5 Es handelt sich bei der im § 12 Abs. 3 AStG verankerten Anrechnung um eine Ausnahme von § 34c Abs. 1 EStG, weil die Anrechnung gewährt wird, obwohl die Einkünfte selbst steuerfrei sind. Der Antrag ist im Rahmen der Feststellung nach § 18 AStG zu stellen. Dabei ist auch anzugeben, ob die Anrechnung der Steuern gem. § 34c Abs. 1 EStG oder aber der Steuerabzug gem. § 34c Abs. 2 EStG begehrt wird.6 1 Wegen der Kürzung gem. § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG treten gewerbesteuerliche Nachteile nicht ein, BFH v. 11.3.2015 – I R 10/14, BFH/NV 2015, 921; vgl. allerdings zur geplanten Gesetzesänderung Rz. 13.7. 2 Dazu, dass die Steueranrechnung gem. § 12 Abs. 1 AStG ohnehin systemfremd ist vgl. Rz. 13.212. 3 Wassermeyer in F/W/B/S, § 12 AStG Rz. 65 ff.; Fuhrmann in Fuhrmann3, § 12 AStG Rz. 36. 4 Vgl. Vogt in Blümich, § 12 AStG Rz. 13. 5 Zu dieser Steuerbefreiung im Einzelnen Rz. 18.39 ff. 6 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 12.3.1.
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F. Rechtsfolgen
VI. Anzusetzender Hinzurechnungsbetrag bei nachgeschalteten Zwischengesellschaften Literatur Kommentare zu § 14 AStG; Debatin, Die Erfassungsspannweite der deutschen Zugriffsbesteuerung auf Auslandsbeteiligungen, DB 1978, 1195, 1240; Debatin, Kein Verlustausgleich im Rahmen der Zugriffsbesteuerung zwischen ausländischen Unter- und Obergesellschaften, RIW 1988, 388; Kessler/Teufel, Hinzurechnungsbesteuerung bei mehrstufigen Beteiligungsstrukturen – derzeitige Rechtslage, künftige Rechtslage, Gestaltungsansätze, IStR 2000, 673; Menck, Mehrstufige Beteiligungen im Außensteuergesetz – Zur Anwendung des § 14 AStG, DStZ A 1976, 291; Mersch, Die Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 ff. AStG, Köln 1986; Rättig/Protzen, Die „neue Hinzurechnungsbesteuerung“ der §§ 7–14 AStG in der Fassung des UntStFG – Problembereiche und Gestaltungshinweise, IStR 2002, 123; Rättig/Protzen, Zur Hinzurechnungsbesteuerung von sog. „gemischten Einkünften“ im mehrstufigen Konzern nach §§ 7–14 AStG in der derzeit geltenden Fassung und nach Steuersenkungsgesetz, IStR 2000, 743; Scheidle, Die funktionale Betrachtungsweise des AStG in der Bewährungsprobe, IStR 2007, 287; Scheipers/Linn, Substanzerfordernisse bei nachgeschalteten Zwischengesellschaften, IStR 2011, 601; Schleuder, Die Hinzurechnungsbesteuerung im internationalen Konzern, Neuried 1985; Wassermeyer, Die Anwendung des AStG innerhalb des REITG, IStR 2008, 197; Wassermeyer, Die Zuwendung von Einkünften einer ausländischen Untergesellschaft gegenüber ihrer ausländischen Obergesellschaft nach § 14 AStG, IStR 2003, 665.
1. Allgemeines Die Regelungen der §§ 7 bis 12 AStG erfassen in ihrer Wirkungsbreite grundsätzlich nur die Zwischengesellschaft als ausländische Obergesellschaft, an der unbeschränkt steuerpflichtige Personen unmittelbar beteiligt sind. Sind einer ausländischen Obergesellschaft, gleichgültig ob diese als Zwischengesellschaft zu qualifizieren ist oder nicht, Zwischengesellschaften nachgeschaltet, so werden diese über § 14 AStG in die Hinzurechnungsbesteuerung einbezogen. § 14 AStG ist insoweit ein Ergänzungstatbestand.1
13.222
Die Einbeziehung nachgeschalteter Zwischengesellschaften (ausländische Untergesellschaften) in die Hinzurechnungsbesteuerung erfolgt durch eine Zurechnung der Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft zur ausländischen Obergesellschaft gem. § 14 AStG (übertragende Zurechnung) und sodann nach § 7 AStG durch eine Hinzurechnung von der ausländischen Obergesellschaft zum unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner. § 14 AStG greift mithin immer nur bei einem mehrstufigen Aufbau ein, wobei die Zurechnung (§ 14 AStG) der Hinzurechnung (§ 7 AStG) logisch stets vorausgeht.2
13.223
Die übertragende Zurechnung setzt auf der Ebene der ausländischen Obergesellschaft bei der Berechnung des Hinzurechnungsbetrages an. Die zuzurechnenden Einkünfte der ausländischen Untergesellschaft gehören mithin zu den dem Hinzurechnungsbetrag der ausländischen Obergesellschaft gem. § 10 Abs. 3 AStG zugrunde liegenden Einkünften.3
13.224
1 Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 21; Hauswirth in S/K/K, § 14 AStG Rz. 1. 2 Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 23, 82. 3 Vgl. hierzu das Ermittlungsschema Rz. 13.166.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
13.225
Im Ergebnis besteht die Funktion des § 14 Abs. 1 AStG darin, die ausländische Obergesellschaft so zu behandeln, als habe sie und nicht die nachgeschaltete ausländische Gesellschaft die Zwischeneinkünfte erzielt.1 Daher erfolgt im Zuge der Zurechnung von der ausländischen Untergesellschaft zur ausländischen Obergesellschaft auch keine Umqualifizierung etwa in Kapitalerträge nach Maßgabe des § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG.2 Gegenstand der übertragenden Zurechnung sind allein die Zwischeneinkünfte, so dass auch eine Zurechnung von Verlusten aus passivem Erwerb der Untergesellschaft gem. § 14 Abs. 1 AStG in Betracht kommt.3 § 14 Abs. 1 AStG stellt ferner nicht auf fiktive Ausschüttungen der Untergesellschaft an die Obergesellschaft ab mit der Folge, dass die Zurechnung auch nicht etwa wie die Hinzurechnung unmittelbar nach Ablauf des maßgebenden Wirtschaftsjahres der ausländischen Gesellschaft (§ 10 Abs. 2 Satz 1 AStG), sondern in der letzten logischen Sekunde des maßgeblichen Ermittlungszeitraums der ausländischen Untergesellschaft bei der ausländischen Obergesellschaft vorgenommen wird.4 2. Anzusetzender Zurechnungsbetrag der Untergesellschaft a) Grundsätze
13.226
Die Zurechnung gem. § 14 Abs. 1 AStG erfasst im Ausgangspunkt die Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft und weiterer nachgeschalteter Untergesellschaften, soweit diese nicht aus Tätigkeiten stammen, die bestimmten aktiven Tätigkeiten der ausländischen Obergesellschaft dienen (Funktionseinkünfte). Da diese Zwischeneinkünfte zu den Einkünften zählen, die dem Hinzurechnungsbetrag der ausländischen Obergesellschaft zugrunde liegen, findet § 10 Abs. 3 AStG unmittelbar auch hierfür Anwendung. Für die Ermittlung der Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft ergeben sich damit keine Besonderheiten.5 Die Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft sind allerdings infolge der Zurechnung (weiterer) nachgeschalteter Zwischengesellschaften zu erhöhen oder zu mindern. Sodann sind gem. § 10 Abs. 1 AStG diejenigen Steuern abziehbar, die auf die Einkünfte von der ausländischen Untergesellschaft entrichtet worden sind. Damit ist zwar bei der ausländischen Untergesellschaft der Steuerabzug möglich, es fehlt aber eine Vorschrift, die die Anrechnung nach § 12 AStG für Steuern der ausländischen Untergesellschaft zulässt. Die diesbezügliche Gesetzeslücke ist durch Analogie zu schließen,6 so dass 1 BFH v. 28.9.1988 – I R 91/87, BStBl. II 1989, 13. 2 BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868; v. 28.9.1988 – I R 91/87, BStBl. II 1989, 13; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 14.1.6. 3 BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868; v. 28.9.1988 – I R 91/87, BStBl. II 1989, 13; Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 117; Haase in Haase3, § 14 AStG Rz. 54. 4 BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868; v. 28.9.1988 – I R 91/87, BStBl. II 1989, 13; Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 87; Vogt in Blümich, § 14 AStG Rz. 22; Haase in Haase3, § 14 AStG Rz. 67. 5 Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 116. 6 Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 124; Gropp in Lademann, § 14 AStG Rz. 24; Hauswirth in S/K/K, § 14 AStG Rz. 59; BMF v. 14.5.2004, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 14.1.9.
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F. Rechtsfolgen
im Ergebnis die Steuern, die die ausländische Untergesellschaft auf zuzurechnende Zwischeneinkünfte entrichtet hat, so anzurechnen sind, wie wenn die Obergesellschaft sie selbst entrichtet hätte. Folge dieser Anrechnungsmöglichkeit ist weiter, dass gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 AStG der Zurechnungsbetrag1 um den sog. Aufstockungsbetrag zu erhöhen ist.2 Hat indessen die ausländische Untergesellschaft Beteiligungsveräußerungsgewinne erzielt (Rz. 13.184 ff.), erfolgt zuvor eine Kürzung des Zurechnungsbetrages gem. §§ 14 Abs. 1; 11 Abs. 1 AStG. Hierdurch ergibt sich sodann der Zurechnungsbetrag, der bei der ausländischen Obergesellschaft zu den Zwischeneinkünften zählt. Insgesamt ergibt sich somit folgendes vereinfachtes Schema für die Ermittlung des anzusetzenden Zurechnungsbetrages:3 Zwischeneinkünfte (§§ 14 Abs. 1, 10 Abs. 3 AStG) ./. Funktionseinkünfte (§ 14 Abs. 1 Sätze 1, 2 AStG) + übertragende Zurechnung weiterer nachgeschalteter Zwischengesellschaften i.S. von § 14 Abs. 3 AStG (ggf. Abzug) ./. entrichtete Steuern vom Einkommen und Vermögen (§§ 14 Abs. 1, 10 Abs. 1 AStG) ./. steuerfreie Beteiligungsveräußerungsgewinne (§§ 14 Abs. 1, 11 Abs. 1 AStG) = +
Zurechnungsbetrag Aufstockungsbetrag bei beantragter Steueranrechnung (§§ 12 Abs. 1, 13 Abs. 1 Nr. 1b AStG)
=
Anzusetzender Zurechnungsbetrag
b) Zurechnungsvoraussetzungen § 14 AStG geht in seiner Grundkonzeption davon aus, dass eine ausländische Obergesellschaft an einer ausländischen Untergesellschaft beteiligt ist. Die Vorschrift betrifft damit einen dreistufigen Aufbau, wobei mit der ausländischen Untergesellschaft die zweite Stufe des sich im Ausland befindlichen Beteiligungsaufbaus angesprochen ist. Über § 14 Abs. 3 AStG wird darüber hinaus aber auch ein mehrstufiger Aufbau erfasst, wenn der ausländischen Untergesellschaft weitere ausländische Gesellschaften nachgeschaltet sind. Ist der ausländischen Obergesellschaft eine inländische Gesellschaft nachgeschaltet, greift § 14 AStG allerdings nicht ein.4
13.227
Durch § 14 AStG werden nur solche ausländischen Untergesellschaften erfasst, an denen eine ausländische Obergesellschaft allein oder zusammen mit unbeschränkt Steuerpflichtigen gem. § 7 AStG beteiligt ist. In Betracht kommt nur eine Beteiligung am Nenn- oder Stammkapital, da nur dieses Grundlage für die Zurechnung als Rechtsfolge sein kann.5 Die ausländische Obergesellschaft
13.228
1 Der Begriff Zurechnungsbetrag ist kein rechtstechnischer Begriff, sondern lediglich eine Rechengröße; er dient hier der vereinfachten Verständigung und hat nichts mit dem Begriff des Hinzurechnungsbetrages zu tun (vgl. BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868); vgl. auch BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Schema II in Anlage 3; nach Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 172 lässt sich diese Rechengröße auch als steuerpflichtige Zwischeneinkünfte bezeichnen. 2 Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 124; zum Aufstockungsbetrag Rz. 13.208 ff. 3 Abgeleitet aus Schema II in Anlage 3 des BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3. 4 Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 38. 5 BFH v. 26.10.1983 – I R 200/78, BStBl. II 1984, 258.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
muss an der ausländischen Untergesellschaft stets unmittelbar beteiligt sein, andernfalls ist eine Zurechnung nicht möglich. Sind neben der ausländischen Obergesellschaft auch unbeschränkt steuerpflichtige Personen unmittelbar an der ausländischen Untergesellschaft beteiligt, so erfolgt ggü. den unbeschränkt steuerpflichtigen Personen eine Hinzurechnung gem. § 7 Abs. 1 AStG und ggü. der ausländischen Obergesellschaft eine Zurechnung gem. § 14 Abs. 1 AStG und von dort gegebenenfalls sodann eine Hinzurechnung ggü. den unbeschränkt steuerpflichtigen Personen gem. § 7 Abs. 1 AStG.1 13.229
§ 14 Abs. 1 AStG stellt darauf ab, ob die ausländische Obergesellschaft allein oder zusammen mit unbeschränkt Steuerpflichtigen gem. § 7 AStG an der ausländischen Untergesellschaft beteiligt ist (Beteiligungsquote). Wem gegenüber die Obergesellschaft die Beteiligung an einer Untergesellschaft vermittelt, ob und gegebenenfalls in welchem Umfange an der ausländischen Obergesellschaft unbeschränkt steuerpflichtige Personen beteiligt sind, ist nach dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 AStG unerheblich. Da § 14 AStG letztlich aber nur Bedeutung hat für Zwecke der Anwendung der §§ 7 bis 12 AStG und lediglich einen Ergänzungstatbestand darstellt, ist eine teleologische Reduktion dahingehend geboten, dass eine Zurechnung von der ausländischen Untergesellschaft zur ausländischen Obergesellschaft nur dann erfolgt, wenn entsprechend § 7 Abs. 2 AStG sowohl an der ausländischen Untergesellschaft als auch an der ausländischen Obergesellschaft unbeschränkt Steuerpflichtige sowie erweitert beschränkt Steuerpflichtige2 allein oder zusammen zu mehr als der Hälfte – unmittelbar und/oder mittelbar – beteiligt sind.3 Damit muss im Ergebnis auch die ausländische Untergesellschaft inlandsbeherrscht sein. In welchem Umfang die ausländische Obergesellschaft ihrerseits an der ausländischen Untergesellschaft beteiligt ist, spielt keine Rolle.4
13.230
Liegen die Zurechnungsvoraussetzungen vor, sind sodann gesondert hiervon für Zwecke der Hinzurechnungsbesteuerung auf einer zweiten Stufe die Hinzurechnungsvoraussetzungen zu prüfen.
13.231
Liegt die Beteiligung der Steuerinländer bei der Obergesellschaft nicht über 50 %, wirkt die Obergesellschaft wie eine Sperre, so dass zwar wegen der Inlandsbeherrschung der ausländischen Untergesellschaft grundsätzlich eine Zurechnung zur ausländischen Obergesellschaft erfolgen könnte, diese aber unterbleibt, weil eine Hinzurechnung wegen fehlender Inlandsbeherrschung ausgeschlossen ist.5
1 Zur Zwischenschaltung von Personengesellschaften und Stiftungen vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 42 f. 2 Erweitert beschränkt steuerpflichtige Personen (§ 2 AStG) werden wegen der Verweisung auf § 7 Abs. 2 Satz 1 AStG mit einbezogen, so Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 61; Franz/Abele in H/K/G/R, § 14 AStG Rz. 25; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 14.0.1; a.A. Protzen in Kraft, § 14 AStG Rz. 55. 3 Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 48; Protzen in Kraft, § 14 AStG Rz. 34; Hauswirth in S/K/K, § 14 AStG Rz. 20; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 14.0.1. 4 Haase in Haase3, § 14 AStG Rz. 30. 5 Vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 46.
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F. Rechtsfolgen
Für die nach § 14 Abs. 1 AStG maßgebliche Beteiligungsquote sind ggf. von der Beteiligung am Nennkapital abweichende Stimmrechte (§ 7 Abs. 2 Satz 2 AStG) sowie weisungsgebundene Anteile (§ 7 Abs. 4 AStG) mit einzubeziehen.1 Für die Berechnung der Beteiligungsquote ist dabei, wie sich aus der Verweisung auf § 7 Abs. 2 Satz 1 AStG ergibt, auf das Ende des Wirtschaftsjahres abzustellen, in dem die ausländische Untergesellschaft die Zwischeneinkünfte bezogen hat.2
13.232
c) Ermittlung des anzusetzenden Zurechnungsbetrages Gegenstand der Zurechnung sind die Zwischeneinkünfte der nachgeschalteten ausländischen Zwischengesellschaft, die nicht aus Tätigkeiten und Gegenständen stammen, die bestimmten aktiven Tätigkeiten (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG) der Obergesellschaft dienen (Funktionseinkünfte), ggf. erhöht oder vermindert um die übertragende Zurechnung weiterer nachgeschalteter Zwischengesellschaften (§ 14 Abs. 3 AStG), gemindert um einen Steuerabzug (§§ 14 Abs. 1; 10 Abs. 1 AStG) sowie gemindert um etwaige steuerfreie Beteiligungsveräußerungsgewinne (§§ 14 Abs. 1; 11 Abs. 1 AStG) und schließlich erhöht um einen Aufstockungsbetrag bei beantragter Steueranrechnung (§§ 14 Abs. 1, 12 Abs. 1 AStG).3 Die Zurechnung erfolgt gegebenenfalls über mehrere Stufen (§ 14 Abs. 3 AStG) bis zur ausländischen Obergesellschaft, wo die vorstehenden Einkünfte als Rechnungsposten in die Berechnung des Hinzurechnungsbetrages eingehen. Die Funktion des § 14 Abs. 1 AStG besteht also darin, die ausländische Obergesellschaft so zu behandeln, als habe sie und nicht die nachgeschaltete ausländische Gesellschaft die Zwischeneinkünfte4 erzielt.5 Die Zurechnung verändert daher weder Inhalt noch Art der zuzurechnenden Zwischeneinkünfte. Die Zwischeneinkünfte der nachgeschalteten Untergesellschaft werden nach Berücksichtigung der vorgenannten Erhöhungs- und Minderungsbeträge vielmehr so, wie sie von dieser Gesellschaft erzielt worden sind, bei der ausländischen Obergesellschaft entsprechend der unmittelbaren Beteiligungsquote der ausländischen Obergesellschaft an der nachgeschalteten Untergesellschaft angesetzt, um dort bei der Ermittlung des Hinzurechnungsbetrages einbezogen zu werden.6 Sind neben der ausländischen Obergesellschaft unmittelbar auch unbeschränkt Steuerpflichtige an der nachgeschalteten ausländischen Untergesellschaft beteiligt, so erfolgt im Verhältnis zur ausländischen Obergesellschaft eine Zurechnung und daneben im Verhältnis zu den unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern unmittelbar eine Hinzurechnung gem. § 7 Abs. 1 AStG.7
13.233
Auf der Ebene der ausländischen Obergesellschaft werden die zugerechneten Zwischeneinkünfte nicht schon bei der Ermittlung von deren eigenen Zwischeneinkünften, sondern erst auf der nächsten Stufe im Zuge der Ermittlung des Hin-
13.234
1 Zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 55 f., 60; Haase in Haase3, § 14 AStG Rz. 37. 2 Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 64 ff.; Geurts in Fuhrmann3, § 14 AStG Rz. 56. 3 Im Ergebnis handelt es sich hierbei um den hier so bezeichneten anzusetzenden Zurechnungsbetrag (§ 14 Abs. 2 AStG); vgl. das Ermittlungsschema Rz. 13.226. 4 Einschließlich der Erhöhungs- und Minderungsbeträge. 5 BFH v. 28.9.1988 – I R 91/87, BStBl. II 1989, 13. 6 Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 105. 7 Zu weiteren Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 129.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
zurechnungsbetrages erfasst.1 Sie finden daher auch keinen Eingang in die Hinzurechnungsbilanz der ausländischen Obergesellschaft und haben auch keine Auswirkung auf die Berechnung der Bruttoerträge (§ 7 Abs. 6, 9 AStG) und der Niedrigbesteuerung (§ 8 Abs. 3 AStG) bei der ausländischen Obergesellschaft.2 Daher tritt durch die Zurechnung grundsätzlich auch keine Infektionswirkung von unten ein mit der Folge, dass Einkünfte der ausländischen Obergesellschaft aus aktiver Tätigkeit oder hoch besteuerte Einkünfte unverändert bleiben.3 Eine Infektionswirkung kann sich allerdings dadurch ergeben, dass durch Zurechnung der Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft auf der Ebene der ausländischen Obergesellschaft die Freigrenzen des § 9 AStG überschritten werden.4 Hierdurch kann eine ausländische Obergesellschaft mit gemischten Einkünften, die bislang etwa wegen Unterschreitens der 10 %-Grenze zu keiner Hinzurechnung führten, durch Zurechnung zugleich auch in die Hinzurechnung gelangen.5 Umgekehrt können aber die zugerechneten Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft durch eine aktive ausländische Obergesellschaft gegenüber der Hinzurechnungsbesteuerung abschirmen.6 13.235
Mit der Zurechnung geht auch keine Umqualifizierung der Einkünfte einher.7 Die Zurechnung bewirkt auch keine fiktive Ausschüttung von der ausländischen Untergesellschaft an die ausländische Obergesellschaft,8 obwohl die Ermittlung der Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft konzeptionell nach den gleichen Grundsätzen erfolgt wie bei der ausländischen Obergesellschaft, so dass die Ermittlung des Zurechnungsbetrages ebenfalls auf den größtmöglichen Ausschüttungsbetrag hinausläuft. § 14 Abs. 1 AStG behandelt demnach die ausländische Untergesellschaft im Ergebnis wie eine verselbständigte Betriebsstätte der ausländischen Obergesellschaft.9 Nur so ist auch erklärlich, dass die Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft in der letzten logischen Sekunde des ablaufenden Wirtschaftsjahres der ausländischen Untergesellschaft10 – Zeitpunkt der Zurechnung – und nicht etwa wie bei der Hinzurechnung zu Beginn des folgenden Wirtschaftsjahres der ausländischen Obergesellschaft zugerechnet werden. Die wichtigste Folge dieser Betriebsstättenfiktion ist indessen, 1 Als zweiter Rechnungsposten (übertragende Zurechnung); vgl. hierzu das Ermittlungsschema Rz. 13.226. 2 Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 105; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 14.1.5. 3 Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 100; Hauswirth in S/K/K, § 14 AStG Rz. 58. 4 BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 14.1.3. 5 Zu den Gründen für eine Zusammenrechnung der Zwischeneinkünfte der ausländischen Unter- und Obergesellschaft für Zwecke des § 9 AStG im Einzelnen Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 114,§ 9 AStG Rz. 32; Geurts in Fuhrmann3, § 14 AStG Rz. 85. 6 Vgl. Wassermeyer in F/W/B/S, § 9 AStG Rz. 33. 7 BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868; v. 28.9.1988 – I R 91/87, BStBl. II 1989, 13; Haase in Haase3, § 14 AStG Rz. 72. 8 BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868; v. 28.9.1988 – I R 91/87, BStBl. II 1989, 13; Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 83. 9 BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868. 10 BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868; v. 28.9.1988 – I R 91/87, BStBl. II 1989, 13; Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 87; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 14.1.5.
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dass auch Verluste der ausländischen Untergesellschaft zugerechnet werden können.1 Ausgangspunkt für die Ermittlung des Zurechnungsbetrages sind die Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft. Es handelt sich hierbei um Einkünfte aus passivem Erwerb (§ 8 Abs. 1 AStG), die einer niedrigen Besteuerung (§ 8 Abs. 3 AStG) unterliegen.
13.236
Obwohl § 14 Abs. 1 AStG keine Regelung dahingehend enthält, nach welchen Regeln die Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft zu ermitteln sind, greifen die Grundsätze des § 10 Abs. 3 AStG ein, weil letztlich auch die zuzurechnenden Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft zu den „dem Hinzurechnungsbetrag zugrunde liegenden Einkünften“ gehören. Nach Maßgabe des § 10 Abs. 3 Sätze 2 bis 5 AStG sind die Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft mit Hilfe einer gesonderten Gewinnermittlung festzustellen. Die Zwischeneinkünfte sind hierbei entweder gem. § 4 Abs. 1 EStG oder nach § 4 Abs. 3 EStG zu ermitteln. Hinsichtlich der Gewinnermittlung ergibt sich keine Bindungswirkung zwischen der ausländischen Untergesellschaft oder weiteren ausländischen Gesellschaften und der ausländischen Obergesellschaft.2 Aus der Anwendung des § 10 Abs. 3 AStG folgt weiter die Möglichkeit des Verlustabzuges (§ 10d EStG; Rz. 13.188 ff.). Bei einem mehrstufigen Aufbau ist der Verlustabzug grundsätzlich auf jeder einzelnen Stufe möglich. Da der (horizontale) Verlustausgleich dem Verlustabzug vorgeht, ist zunächst auf jeder Stufe ein Verlustausgleich durchzuführen mit der Folge, dass etwa bei einem mehrstufigen Aufbau negative Zwischeneinkünfte auf der untersten Stufe auf den nächstfolgenden höheren Stufen mit dortigen positiven Zwischeneinkünften ausgeglichen werden können.3 Insoweit schließt die Zurechnung eines Verlustes den Verlustvor- oder -rücktrag auf der Ausgangsstufe stets aus. Kommt es trotz eines gegebenenfalls über mehrere Stufen durchgeführten Verlustausgleichs noch zu einem Verlustvor- oder rücktrag, so ist dieser auf der Stufe der ausländischen Obergesellschaft durchzuführen.4
13.237
Gemäß § 14 Abs. 1 AStG scheidet die Zurechnung aus, soweit die Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft aus Tätigkeiten stammen, die einer unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG fallenden aktiven Tätigkeit der ausländischen Obergesellschaft dienen (= Funktionseinkünfte). Dieses Funktionsprivileg beruht auf der Überlegung des Gesetzgebers, dass aus Gründen des ausländischen Steuerrechts gewisse Tätigkeiten im Ausland von anderen aktiven Tätigkeiten abgespalten und von einer eigens dafür gegründeten Gesellschaft ausgeübt werden können.5 Erforderlich ist ein unmittelbarer Zusammenhang mit den vorgenannten aktiven
13.238
1 BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868; v. 28.9.1988 – I R 91/87, BStBl. II 1989 13; Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 90 f.; Haase in Haase3, § 14 AStG Rz. 54; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 14.1.6. 2 Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 116; Gropp in Lademann, § 14 AStG Rz. 19. 3 BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868; v. 28.9.1988 – I R 91/87, BStBl. II 1989, 13; Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 117 f.; Geurts in Fuhrmann3, § 14 AStG Rz. 80; Vogt in Blümich, § 14 AStG Rz. 24; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 14.1.7. 4 Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 119 f.; Geurts in Fuhrmann3, § 14 AStG Rz. 80. 5 Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 134; Geurts in Fuhrmann3, § 14 AStG Rz. 88.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
Tätigkeiten der ausländischen Obergesellschaft (§ 14 Abs. 1 Satz 2 AStG). Im Ergebnis kommt es darauf an, dass sich die wirtschaftlichen Funktionen der ausländischen Untergesellschaft und der ausländischen Obergesellschaft ergänzen oder bedingen.1 Das setzt voraus, dass die ausländische Obergesellschaft aktive Tätigkeiten ausübt. Ob diese zu Gewinnen oder Verlusten führen, ist unerheblich.2 Das Funktionsprivileg entfällt allerdings in den Fällen, in denen die Zwischeneinkünfte, die die ausländische Untergesellschaft aus Tätigkeiten erzielt, die den eigenen unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG fallenden aktiven Tätigkeiten der ausländischen Obergesellschaft dienen, ihrerseits als Kapitalanlageeinkünfte gem. § 7 Abs. 6a AStG zu qualifizieren sind (§ 14 Abs. 1 Satz 2 AStG). Damit sind vor allem die in der Praxis wichtigen Finanzierungsfunktionen aus dem Privilegierungsrahmen ausgenommen.3 13.239
Die Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft sind für den Fall, dass weitere ausländische Zwischengesellschaften nachgeschaltet sind, um die nach den gleichen Regeln zu ermittelnden und zu modifizierenden Zwischeneinkünfte dieser Gesellschaften zu erhöhen oder zu mindern.4
13.240
Die Zwischeneinkünfte der ausländischen Untergesellschaft werden sodann um die zu ihren Lasten entrichteten Ertrag- und Vermögensteuern gekürzt (Steuerabzug) (Rz. 13.181 ff.). Diese Rechtsfolge ergibt sich aus der Verweisung des § 14 Abs. 1 AStG auf § 10 Abs. 1 AStG. Entsprechendes gilt für steuerfreie Beteiligungsveräußerungsgewinne (§§ 14 Abs. 1, 11 Abs. 1 AStG; Rz. 13.184 ff.). 3. Zurechnung bei steuerbefreiter REIT-AG
13.241
Der Anwendungsbereich der in § 14 Abs. 1 AStG verankerten Zurechnung von nachgeschalteten Zwischengesellschaften wird durch § 14 Abs. 2 AStG auf REIT-AGs i.S. von § 16 REITG erweitert. Diese Sonderregelung ist darauf gerichtet, Einkünfte einer steuerbefreiten, einer ausländischen Obergesellschaft nachgeschalteten REIT-AG wie Einkünfte einer ausländischen nachgeschalteten Zwischengesellschaft der Zurechnung zu unterwerfen und so der Hinzurechnungsbesteuerung zuzuführen.5 Erfasst werden lediglich steuerbefreite REITAGs, also unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Steuersubjekte. Nicht erfasst werden nachgeschaltete ausländische REIT-Gesellschaften, die aber ggf. unter § 14 Abs. 1 AStG fallen.6 Hinsichtlich der Beteiligungsvoraussetzungen verweist § 14 Abs. 2 AStG auf § 7 AStG mit der Folge, dass im Grundsatz wegen § 7 Abs. 8 Halbs. 2 AStG (Rz. 13.69) irgendwelche Mindestbeteiligungsvoraussetzungen bei der ausländischen Obergesellschaft nicht gefordert werden.7 Da Voraussetzung für die sich aus § 16 REITG ergebende Steuerbefreiung die Börsen1 2 3 4 5 6 7
Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 135; Vogt in Blümich, § 14 AStG Rz. 39. Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 141. Zu den Gründen – Ausschluss von Umgehungsfällen: Vogt in Blümich, § 14 AStG Rz. 40. Wegen der Besonderheiten vgl. Rz. 13.238. Hierzu Geurts in Fuhrmann3, § 14 AStG Rz. 112. Jacob in Helios/Wewel/Wiesbrock, REITG, Anhang 2 AStG Rz. 32. Vogt in Blümich, § 14 AStG Rz. 74; Haase in Haase3, § 14 AStG Rz. 63; Geurts in Fuhrmann3, § 14 AStG Rz. 117; zweifelnd Jacob in Helios/Wewel/Wiesbrock, REITG, Anhang 2 AStG Rz. 33.
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F. Rechtsfolgen
zulassung der REIT-AG ist, wird in aller Regel die in § 7 Abs. 8 Halbs. 2 AStG verankerte Börsenklausel eingreifen, so dass es für Zwecke der Anwendung der §§ 7 bis 14 AStG für die Beteiligung der ausländischen Obergesellschaft an der REIT-AG wiederum auf die üblichen Beteiligungsvoraussetzungen gem. § 7 Abs. 1, 6 AStG ankommt.1 Die Verweisung in § 14 Abs. 2 AStG auf Abs. 1 bedeutet eine Rechtsgrundverweisung2 mit der Folge, dass die im Übrigen maßgeblichen Voraussetzungen für die Zurechnung erfüllt sein müssen. Eine Besonderheit ergibt sich freilich insoweit, als bei der Frage, ob eine für die Qualifikation als Zwischeneinkünfte erforderliche niedrige Besteuerung gegeben ist, auf die Steuer auf Einkünfte der inländischen REIT-AG abzustellen ist. Das bedeutet, dass die REIT-AG im Inland einer niedrigen Besteuerung unterliegen muss, was im Hinblick auf die Steuerbefreiung des § 16 REITG ohne weiteres gegeben ist.3
13.242
4. Zurechnung bei weiteren nachgeschalteten Untergesellschaften Gemäß § 14 Abs. 3 AStG gelten die für das Verhältnis zwischen der ausländischen Obergesellschaft und der ausländischen Untergesellschaft maßgeblichen Grundsätze (§ 14 Abs. 1 AStG) auch für weitere nachgeschaltete Untergesellschaften. Damit wird die Zurechnung über einen dreistufigen Aufbau hinaus sichergestellt. Ebenso wie beim dreistufigen Aufbau (§ 14 Abs. 1 AStG) enthält das Gesetz auch beim mehrstufigen Aufbau (§ 14 Abs. 3 AStG) keine Regelungen über die Technik der Zurechnung. So ist dem § 14 Abs. 3 AStG unmittelbar nicht zu entnehmen, ob die Zurechnung der Zwischeneinkünfte stufenweise zur jeweils vorgeschalteten Gesellschaft oder aber unmittelbar unabhängig von der Größe der Beteiligungskette direkt zur jeweiligen ausländischen Obergesellschaft erfolgt.
13.243
Aus der gem. § 14 Abs. 3 AStG gebotenen entsprechenden Anwendung des § 14 Abs. 1 AStG ist zu folgern, dass die in § 14 Abs. 1 AStG angesprochenen Verhältnisse zwischen nachgeschalteter Untergesellschaft und ausländischer Obergesellschaft auch auf das Verhältnis weiterer nachgeschalteter Untergesellschaften untereinander zu projizieren sind. Im Hinblick darauf erfolgt die Zurechnung zwischen den weiteren nachgeschalteten Untergesellschaften stufenweise am Ende des Wirtschaftsjahres der jeweils nachgeschalteten Untergesellschaft.4 Demgemäß erfolgt die übertragende Zurechnung weiterer nachgeschalteter Zwi-
13.244
1 2 3 4
Geurts in Fuhrmann3, § 14 AStG Rz. 117; Vogt in Blümich, § 14 AStG Rz. 74. Jacob in Helios/Wewel/Wiesbrock, REITG, Anhang 2 AStG Rz. 39. Vgl. zu Einzelheiten Geurts in Fuhrmann3, § 14 AStG Rz. 128. So die herrschende Stufentheorie, von der im Ergebnis auch die Rechtsprechung des BFH ausgeht, vgl. BFH v. 26.10.1983 – I R 200/78, BStBl. II 1984, 258; v. 6.2.1985 – I R 11/83, BStBl. II 1985, 410; v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868; ferner z.B. Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 204; Haase in Haase3, § 14 AStG Rz. 67 ff.; Geurts in Fuhrmann3, § 14 AStG Rz. 149 f.; a.A. die Anhänger der sog. Schachttheorie oder Einheitstheorie z.B. Menck, DStZ A 1976, 291 ff.; Debatin, DB 1978, 1195 ff., 1240 (1242); so auch BMF v. 14.5. 2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 14.3, wo aus Vereinfachungsgründen aber auch die stufenweise Zurechnung akzeptiert wird, wenn hierdurch keine schwerwiegenden zeitlichen Verschiebungen eintreten.
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Kap. 13 Hinzurechnungsbesteuerung
schengesellschaften bei den Zwischeneinkünften der vorgeschalteten Gesellschaft.1 13.245
Da die Zurechnung von Stufe zu Stufe jeweils am Ende des Wirtschaftsjahres der auf der unteren Stufe stehenden nachgeschalteten Untergesellschaft erfolgt, ergeben sich bei abweichenden Wirtschaftsjahren der vorgeschalteten ausländischen Gesellschaften zeitliche Verschiebungen in der Hinzurechnungsbesteuerung, die dazu führen können, dass unter Umständen erst nach Jahren die einzelnen zugerechneten Zwischeneinkünfte bei der ausländischen Obergesellschaft in den Hinzurechnungsbetrag eingehen.2
13.246
Überträgt man die in § 14 Abs. 1 AStG aufgestellten Voraussetzungen jeweils auf das Verhältnis der nachgeschalteten ausländischen Untergesellschaften untereinander, so folgt daraus, dass an der nachgeschalteten ausländischen Gesellschaft die jeweils vorgeschaltete ausländische Gesellschaft allein oder zusammen mit anderen Steuerinländern unmittelbar oder mittelbar grundsätzlich zu mehr als der Hälfte beteiligt sein muss (§ 7 Abs. 1 AStG).3 Was den Umfang der Zurechnung anbelangt, so ist ausschließlich auf die unmittelbare Beteiligung der jeweils vorgeschalteten an der nachgeschalteten Gesellschaft abzustellen.
1 Nach dem Ermittlungsschema II in Anlage 3 des BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3 unmittelbar nach Ermittlung der Zwischeneinkünfte; vgl. auch das Ermittlungsschema Rz. 10.220. 2 Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 206; Hauswirth in S/K/K, § 14 AStG Rz. 80; Haase in Haase3, § 14 AStG Rz. 69; diese zeitliche Verschiebung wird von der FinVerw nicht akzeptiert; vgl. BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 14.3. 3 Wassermeyer in F/W/B/S, § 14 AStG Rz. 208; aus der Sicht der Schachttheorie oder Einheitstheorie dagegen konsequent die „Beteiligung gem. § 7“ lediglich auf die ausländische Obergesellschaft beziehend Debatin, DB 1978, 1195; 1240 (1242).
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Kapitel 14 Zurechnungsbesteuerung bei Familienstiftungen A. Zielsetzung der Zurechnungsbesteuerung . . . . . . . . . . . .
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B. Anwendungsbereich . . . . . . . 14.10
I. Unbeschränkte Steuerpflicht . . 14.17 II. Stifter . . . . . . . . . . . . . . . . 14.19 III. Destinatäre . . . . . . . . . . . . 14.24
C. Gegenstand der Zurechnung . . 14.15
E. Einkünfteermittlung . . . . . . . 14.31
14.1
D. Zurechnungsempfänger . . . . . 14.17 Literatur
Kommentare zu § 15 AStG; Berger/Kleinert, Ausländische Familienstiftung als Instrument der Steuergestaltung, in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der Internationalen Steuerplanung, 3. Aufl. Herne 2011, 1503; Bredow, Ausländische Trusts deutscher Steuerpflichtiger, WIB 1995, 775; von Campenhausen/Richter, Stiftungsrechts-Handbuch, 4. Aufl. München 2014; Sieker, Der US-Trust, Baden-Baden 1991; Daragan, Die Zurechnung des Vermögens und der Erträge einer kontrollierten Liechtensteiner Stiftung, DB 2011, 223; Felix, Zur Auslegung des § 15 AStG (Familienstiftung), DB 1972, 2275; Haas, Die Besteuerung der Destinatäre der Familienstiftung, DStR 2010, 1011; Habammer, Der ausländische Trust im deutschen Ertrag- und Erbschaft-/Schenkungsteuerrecht, DStR 2002, 425; Hallerbach, Besteuerung ausländischer Familienstiftungen, Saarbrücken 2009; Helmert, Die Zurechnung nach § 15 AStG bei Verlusten, IStR 2005, 272; Hey, Hinzurechnungsbesteuerung bei ausländischen Familienstiftungen gem. § 15 AStG i.d.F. des JStG 2009 – europa- und verfassungswidrig!, IStR 2009, 1189; Jülicher, Zurechnung von Erträgen und Vermögen einer Auslandsstiftung nach § 15 AStG, PIStB 2002, 8; Kapp, Familienstiftungen im Ausland, BB 1964, 1984; Kellersmann/Schnitger, Besteuerung ausländischer Familienstiftungen in Richter/ Wachter, Handbuch des internationalen Stiftungsrechts, Baden-Baden 2007, § 27; Kellersmann/Schnitger, Europarechtliche Bedenken hinsichtlich der Besteuerung ausländischer Familienstiftungen, IStR 2005, 253; Kessler/Müller, Zahlungen einer Familienstiftung an Familienangehörige als Einkünfte aus Kapitalvermögen – Schuldner der Kapitalertragsteuer, DStR 2012, 614; Kinzl, Nachfolgeplanung mit Familienstiftungen: § 15 AStG zwischen Hindernis und Europarechtswidrigkeit, IStR 2005, 624; Kirchhain, Die Familienstiftung im Außensteuerrecht, Herne 2010; Kirchhain, Zurechnung des Einkommens einer liechtensteinischen Stiftung nicht unionsrechtswidrig, IStR 2011, 391; Kraft/Hause, Die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des § 15 AStG zur Besteuerung ausländischer Familienstiftungen und ihrer Begünstigten in Deutschland, DB 2006, 414; Kraft/Moser/Gebhardt, Neukonzeption der Besteuerung ausländischer Familienstiftungen durch das JStG 2013, DStR 2012, 1773; Kraft/Schulz, Zwischengesellschaften im Kontext ausländischer Familienstiftungen – Entwicklungen durch das Jahressteuergesetz 2013, IStR 2012, 897; von Löwe, Österreichische Privatstiftung mit Stiftungsbeteiligten in Deutschland, IStR 2005, 578; Martin, Zur Besteuerung der inländischen Anfalls- und Bezugsberechtigten ausländischer Familienstiftungen nach dem Außensteuergesetz, GmbHR 1972, 118; Milatz/Herbst, Die Besteuerung der Destinatäre einer ausländischen Familienstiftung, BB 2011, 1500; Moser, Zur Abschirmwirkung von EU/EWR-Stiftungen bei mehrstöckigen Strukturen im Kontext des § 15 AStG, Ubg 2013, 692; Moser/Gebhardt, Ungereimtheiten und Übergangsprobleme durch die systematischen Änderungen in § 15 AStG im Rahmen des AmtshilferichtlinieUmsetzungsgesetzes, DStZ 2013, 754; von Oertzen, Trust – the never-ending story, DStR 2002, 433; Opel, Steuerliche Behandlung von Familienstiftungen, Stiftern und Begünstigten in nationalen und internationalen Verhältnissen, Zürich 2009; Orth, Stiftungen und Unternehmenssteuerreform, DStR 2001, 325; Piltz, Die österreichische Privatstiftung in der Nachfolgeplanung – für Steuerinländer tabu?, ZEV 2000, 378; Rehm/Nagler, Zurechnungsbesteuerung bei ausländischen Familienstiftungen (§ 15 AStG) und die Empfängerbenennung (§ 160 AO) auf dem Prüfstand des Gemeinschaftsrecht, IStR 2008, 284; Rohde/
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Kap. 14 Zurechnungsbesteuerung bei Familienstiftungen Enders, Ausländische Familienstiftungen: § 15 AStG und Änderungen steuerstrafrechtlicher Aspekte (Treuhandstiftungen) – Zuwendungen an ausländische Einrichtungen, BB 2014, 1495; Runge, Die Familienstiftung im Außensteuergesetz, DB 1977, 514; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS für Tipke, Köln 1995, 125; Schindler, Familienstiftungen, Berlin/Bielefeld/München 1975; Schönfeld, Probleme der neuen einheitlichen und gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für Zwecke der Anwendung des § 15 AStG (ausländische Familienstiftungen), IStR 2009, 16; Schütz, Die Besteuerung ausländischer, insbesondere liechtensteinischer Familienstiftungen und ihrer Begünstigten in Deutschland, DB 2008, 603; Schulz, Die Besteuerung ausländischer Familienstiftungen nach dem Außensteuergesetz, Wiesbaden 2010; Seer/Versin, Die Familienstiftung im Steuerrecht, SteuerStud 2006; 281; Seibold, Die ertragsteuerliche Behandlung von Common Law Trusts, IStR 1993, 545; Wachter, Zur Zurechnungsbesteuerung bei liechtensteinischen Familienstiftungen, ZEV 2001, 500; Wassermeyer, Die Zurechnung von Einkünften aus Kapital, DStJG 30 (2007), 257; Wassermeyer, Zurechnung negativen Einkommens nach § 15 AStG im Verfahren nach § 180 AO, IStR 2009, 72; Wassermeyer, Einkommenszurechnung nach § 15 AStG, IStR 2009, 191; Wienbracke, Die ertragsteuerliche Behandlung von Trusts nach nationalem und nach DBA-Recht, RIW 2007, 201.
A. Zielsetzung der Zurechnungsbesteuerung 14.1
Zu den international tragenden Besteuerungsprinzipien gehört, dass nicht nur Kapitalgesellschaften, sondern auch Stiftungen als eigenständige Steuersubjekte behandelt werden. Das gilt auch dann, wenn derartige Stiftungen Vermögen lediglich im Interesse des Stifters oder der Destinatäre halten. Soweit Vermögen in ausländischen Familienstiftungen angelegt ist und diese auch die uneingeschränkte Verfügungsmacht hierüber haben,1 entfalten diese ggü. der deutschen Besteuerung eine Abschottungswirkung mit der Folge, dass eine Besteuerung im Inland allenfalls dann ermöglicht wird, wenn unbeschränkt steuerpflichtigen Personen Zuwendungen erhalten. § 15 AStG zielt auf die Besteuerung der den Familienstiftungen nahe stehenden und unbeschränkt steuerpflichtigen Personen ab. Die durch ausländische Familienstiftungen ggü. der deutschen Besteuerung verursachte Abschirmwirkung wird dadurch durchbrochen, dass Einkünfte und Vermögen,2 dieser ausländischen Familienstiftungen unmittelbar dem unbeschränkt steuerpflichtigen Stifter, Anfalls- oder Bezugsberechtigten zugerechnet werden.3 Hierdurch verlieren ausländische Familienstiftungen,4 etwa Stiftungen in der Schweiz, in Liechtenstein und in Österreich ebenso steuerliche Attraktivität wie die gem. § 15 Abs. 4 AStG den Familienstiftungen gleichgestellten Trusts des angloamerikanischen Rechtskreises. 1 Anderenfalls ist das Vermögen und sind die hieraus fließenden Erträge z.B. dem Stifter als wirtschaftlichem Eigentümer zuzurechnen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO); BFH v. 6.5.1989 – VIII R 196/84, BStBl. II 1989, 877; v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl. II 2007, 669; Schönfeld in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 196; BMF v. 14.5.2008 – IV B 4 - S 1361/07/0001, BStBl. I 2008, 638; zu steuerstrafrechtlichen Implikationen in diesem Zusammenhang Schaumburg in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 15.212 ff. 2 Die Vermögensteuer wird nicht mehr erhoben, und für die Erbschaftsteuer gilt § 15 AStG nicht (§ 15 Abs. 1 Satz 2 AStG). 3 Hierzu Wenz/Linn in Haase3, § 15 AStG Rz. 2. 4 Vgl. hierzu den Überblick bei Richter/Wachter, Handbuch des internationalen Stiftungsrechts, 673 ff.; Hopt/Reuter, Stiftungsrecht in Europa, 595 ff.; Jakob in Campenhausen/ Richter, Stiftungsrechts-Handbuch4, § 44.
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A. Zielsetzung der Zurechnungsbesteuerung
Konzeptionell wird durch § 15 AStG die Rechtssubjektsqualität der ausländischen Familienstiftung nicht in Frage gestellt. Die von der Familienstiftung verwirklichten Besteuerungstatbestände werden allerdings im Wege der Zurechnung als Einkünfte und Vermögen bei dem Stifter bzw. dem Anfalls- oder Bezugsberechtigten erfasst. Insoweit ist eine Durchbrechung des dem Steuerrecht als Konzeption zugrunde liegenden Trennungsprinzips gegeben (Rz. 13.7).
14.2
Mit der Beseitigung der Abschirmwirkung ausländischer Familienstiftungen durch § 15 AStG soll das Ziel erreicht werden, eine Steuer- oder Kapitalflucht zu verhindern.1 Über dieses Ziel schießt § 15 AStG indessen weit hinaus.
14.3
So wird von § 15 AStG Vermögen und Einkommen ausländischer Familienstiftungen unbeschränkt steuerpflichtigen Bezugsberechtigten auch dann zugerechnet, wenn die Stiftung von einem ausländischen Stifter errichtet und mit ausländischem Vermögen ausgestattet worden ist. Von einer Kapital- oder Steuerflucht kann hier keine Rede sein, so dass die durch§ 15 AStG bewirkte (teilweise) Durchbrechung des Trennungsprinzips nicht wegen Vermeidung missbräuchlicher Gestaltungen gerechtfertigt ist.2 Damit ist insoweit unter dem Gesichtspunkt der Folgerichtigkeit (Rz. 4.7) ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheitssatz) gegeben.3 Entsprechendes gilt auch in den Fällen, in denen vor Jahren eine ausländische Stiftung errichtet wurde und später Bezugs- oder Anfallsberechtigte unbeschränkt steuerpflichtig werden.4 Über § 15 AStG werden schließlich Einkünfte und Vermögen inländischen Bezugsberechtigten ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Leistungsfähigkeit zugerechnet und dort der Besteuerung zugeführt, so dass auch deshalb ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG geben ist (Rz. 4.10 ff.). Diese diskriminierende Sonderbehandlung führt auch zu einer Verletzung von Art. 6 GG (Schutz der Ehe und Familie) und von Art. 14 GG (Eigentumsgarantie).5
14.4
Die Zurechnung von Einkünften und Vermögen erfolgt im Sinne einer steuerlichen Zuordnung in persönlicher Hinsicht, die mit der Hinzurechnung im Rahmen von §§ 7–14 AStG vergleichbar ist. Die anderweitige Zurechnung der Einkünfte schließt somit die Besteuerung der ausländischen Familienstiftung im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht nicht aus.6 Eine etwa erhobene deutsche
14.5
1 Wassermeyer in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 16; Vogt in Blümich, § 15 AStG Rz. 13; Wenz/ Linn in Haase3, § 15 AStG Rz. 1; Kirchhain, Die Familienstiftung im Außensteuerrecht, Rz. 5 ff. 2 Zu diesem Rechtfertigungsgrund BVerfG v. 22.7.1970 – BvR 285/66, BStBl. II 1970, 652. 3 Vgl. zur Parallelproblematik bei der Hinzurechnungsbesteuerung Rz. 13.7. 4 Wassermeyer in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 22; Rundshagen in S/K/K, § 15 AStG Rz. 2; Hennemann-Raschke in H/K/G/R, § 15 AStG Rz. 11 f. 5 Wassermeyer in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 22, 24 ff.; Rundshagen in S/K/K, § 15 AStG Rz. 29; der BFH v. 5.11.1992 – I R 39/92, BStBl. II 1993, 388 hat § 15 AStG allerdings für den Fall für verfassungsgemäß erachtet, dass die Zurechnung gegenüber dem Stifter erfolgt, und BFH v. 25.4.2001 – II R 14/98, BFH/NV 2001, 1457 für den Fall der Bezugsund Anfallsberechtigung. 6 Vgl. BFH v. 8.4.2009 – I B 223/08, BFH/NV 2009, 1437; Wassermeyer in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 33.42; Rundshagen in S/K/K, § 15 AStG Rz. 23; Vogt in Blümich, § 15 AStG Rz. 1; Kirchhain, Die Familienstiftung im Außensteuerrecht, Rz. 19.
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Kap. 14 Zurechnungsbesteuerung bei Familienstiftungen
Körperschaftsteuer ist gem. §§ 15 Abs. 5 Satz 1, 12 Abs. 1 AStG zur Anrechnung zu bringen.1 14.6
Die Zurechnungsbesteuerung nach Maßgabe des § 15 AStG unterliegt grundsätzlich den Schrankenwirkungen der anzuwendenden DBA. Die Zurechnung nach § 15 AStG gilt auf der Ebene der DBA solange nicht, als dort eigenständige Zurechnungsregeln zur Anwendung kommen. So bestimmen die DBA im Regelfall in Übereinstimmung mit § 38 AO, dass eine unternehmerische Tätigkeit, eine selbständige Arbeit, Dividenden, Zinsen oder Lizenzen stets demjenigen zuzurechnen sind, der den Besteuerungstatbestand selbst verwirklicht hat. Soweit § 15 AStG im Ergebnis hiervon dadurch abweicht, dass die vorbezeichneten Einkünfte anderweitig zugerechnet werden, werden die DBA wegen der in § 20 Abs. 1 AStG verankerten Treaty-Overriding-Klausel verdrängt.2 Die entsprechende Rechtsfolge ergibt sich auf der Grundlage des Art. 4 Abs. 11 DBASchweiz, wonach jene Personen ausdrücklich aus dem Schutz des DBAs ausgenommen werden, denen aufgrund nationaler Zurechnungsvorschriften bestimmte Einkünfte und Vermögenswerte zuzurechnen sind.3
14.7
Die Zurechnungsbesteuerung hat sich schließlich auch ggü. den europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten zu legitimieren. Hierbei geht es insbesondere darum, dass für inländische Familienstiftungen eine dem § 15 AStG entsprechende Regelung fehlt, so dass etwa Begünstigte einer inländischen Familienstiftung erst dann zur Besteuerung herangezogen werden, wenn sie tatsächlich Zuwendungen erhalten. Im Unterschied zu ausländischen Familienstiftungen bleibt somit das Trennungsprinzip aufrechterhalten. Diese Ungleichbehandlung wäre insbesondere mit der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) unvereinbar.4 Aus diesem Grunde sieht § 15 Abs. 6 AStG vor, dass die Zurechnung von Einkommen unterbleibt, wenn die Stiftung ihren Sitz oder ihre Geschäftsleitung in einem EU-Mitgliedstaat bzw. einem Vertragsstaat des EWR-Abkommens hat. Voraussetzung ist allerdings, dass den in Betracht kommenden Zurechnungsempfängern die Verfügungsmacht über das Stiftungsvermögen rechtlich und tatsächlich entzogen ist.5 Voraussetzung ist ferner, dass die betreffenden EU-/EWR-Staaten auf Grund der Amtshilferichtlinie i.V.m. § 2 Abs. 2 EUAHiG oder zwei- oder mehrseitiger Vereinbarungen diejenigen Auskünfte erteilen, die erforderlich sind, um die Besteuerung durchzuführen.6 Damit ergibt sich, dass § 15 AStG im Wesentlichen in Drittstaaten angesiedelte Familienstiftungen und gleich gestellte Ver-
1 Wassermeyer in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 33; Kirchhain, Die Familienstiftung im Außensteuerrecht, Rz. 19. 2 Im Ergebnis ebenso BFH v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727; Vogt in Blümich, § 15 AStG Rz. 26; Kraft in Kraft § 15 AStG Rz. 46; zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 226 ff.; zur Verfassungsmäßigkeit des Treaty Overriding Rz. 3.24 f. 3 Wassermeyer in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 235. 4 Vgl. hierzu EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury Schweppes, Slg. 2006, I-7995 zu der mit der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung vergleichbaren CFC-Besteuerung in Großbritannien; ausführlich hierzu Schönfeld in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 156 ff. 5 Vgl. BFH v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl. II 2007, 669; damit wird zugleich deutlich, dass § 39 AO Vorrang vor § 15 AStG hat; hierzu Schönfeld in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 170. 6 Große Auskunftsklauseln in DBA und Informationsaustauschabkommen reichen aus.
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B. Anwendungsbereich
mögensmassen (§ 15 Abs. 4 AStG) erfasst, ohne dass die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) Schutzwirkungen entfaltet.1 Soweit § 15 Abs. 6 Nr. 1 AStG den Nachweis verlangt, dass die Verfügungsmacht über das Stiftungsvermögen rechtlich und tatsächlich entzogen ist, kommt es auf die Zivilrechtslage und das wirtschaftliche Eigentum gleichermaßen an, so dass nachzuweisen ist, dass seitens der Familienstiftung keine Rückgewährverpflichtung2 und zugleich wirtschaftliches Eigentum an dem übergegangenen Stiftungsvermögen besteht.3 Im Hinblick darauf spielen etwa eine satzungsmäßige Vermögensbindung sowie ein Vermögensrückfall bei Beendigung der Familienstiftung keine Rolle.4
14.8
Der für Familienstiftungen mit Sitz oder Ort der Geschäftsleitung in einem EU-/ EWR-Staat5 in § 15 Abs. 6 Nr. 1 AStG verankerte Gegenbeweis ist an die Adresse der Stifter und Destinatäre gerichtet, wobei es ausreicht, dass einer von ihnen diesen Gegenbeweis erbringt.6 Diese Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast,7 die auf der Vermutung beruht, dass die Einschaltung der ausländischen Familienstiftung rechtsmissbräuchlich ist, steht allerdings unter dem Vorbehalt der Verhältnismäßigkeit.8 Sie entfällt daher, wenn der Gegenbeweis objektiv unmöglich ist, was bei Destinatären nicht selten vorkommen wird. In diesem Fall hat die Finanzverwaltung insbesondere unter Nutzung der ihr zur Verfügung stehenden Informationsmöglichkeiten, die gem. § 15 Abs. 6 Nr. 2 AStG ohnehin gegeben sein müssen, den Sachverhalt nach allgemeinen Grundsätzen zu ermitteln.9
14.9
B. Anwendungsbereich Unter die Zurechnungsvorschrift des § 15 AStG fallen in erster Linie ausländische Familienstiftungen,10 soweit sie nicht unbeschränkt steuerpflichtig sind.11 Gemäß § 15 Abs. 2 AStG sind Familienstiftungen Stiftungen, bei denen 1 Im Ergebnis wegen der Stand-Still-Klausel des Art. 64 AEUV, weil § 15 AStG seit dem 31.12.1993 im Wesentlichen unverändert geblieben ist; zu Einzelheiten Schönfeld in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 176 ff., 180. 2 Vgl. BFH v. 25.1.2001 – II R 39/98, BFH/NV 2001, 908; v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl. II 2007, 669; Anwendungsfall: freier Widerruf; vgl. BFH v. 16.5.1989 – VIII R 196/84, BStBl. II 1989, 877. 3 Schönfeld in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 194. 4 Schönfeld in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 195, 197; Kirchhain, Die Familienstiftung im Außensteuerrecht, Rz. 81. 5 Wo sich das Stiftungsvermögen befindet und aus welchen Staaten die Einkünfte resultieren spielt keine Rolle; vgl. hierzu Schönfeld in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 173. 6 Schönfeld in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 188. 7 Kritisch hierzu Hey, IStR 2008, 181 ff. 8 Zur europa- und verfassungsrechtlichen Relevanz des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes Grabitz/Hilf, vor Art. 39–55 EGV Rz. 157 ff.; Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 7.205 f., 12.16 f.; Sachs in Sachs7, Art. 20 GG Rz. 145 ff. 9 Hierzu Schönfeld in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 188. 10 Zum Typenvergleich BFH v. 25.4.2001 – II R 14/98, BFH/NV 2001, 1457; Kraft in Kraft, § 15 AStG Rz. 302; Kirchhain, Die Familienstiftung im Außensteuerrecht, Rz. 47. 11 Vogt in Blümich, § 15 AStG Rz. 63; Rundshagen in S/K/K, § 15 AStG Rz. 44.
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14.10
Kap. 14 Zurechnungsbesteuerung bei Familienstiftungen
der Stifter, seine Angehörigen und deren Abkömmlinge zu mehr als der Hälfte bezugsberechtigt oder anfallsberechtigt sind. Während Stifter derjenige ist, der die Stiftung errichtet und/oder dieser Vermögen zugewendet hat,1 das dem Stiftungskapital zuwachsen soll, sind Angehörige die in § 15 AO und Abkömmlinge die in § 1589 BGB genannten Personen. Bei wörtlicher Auslegung des § 15 Abs. 2 AStG müssten die vorgenannten Personen sämtlich bezugs- oder anfallsberechtigt sein. Dies würde bedeuten, dass jene Stiftungen, bei denen nur der Stifter selbst bezugs- oder anfallsberechtigt ist, keine Familienstiftung i.S. des § 15 Abs. 2 AStG wäre. Eine so verstandene Legaldefinition der Familienstiftung wäre unsinnig. Gemäß § 15 Abs. 2 AStG sind als Familienstiftungen daher Stiftungen zu verstehen, bei denen der Stifter, seine Angehörigen oder deren Abkömmlinge zu mehr als der Hälfte bezugs- oder anfallsberechtigt sind.2 14.11
Die in § 15 Abs. 2 AStG angesprochene Bezugs- bzw. Anfallsberechtigung zu mehr als der Hälfte setzt die Ermittlung sämtlicher Bezugs- und Anfallsberechtigten voraus. In aller Regel ist aber gerade bei einer Familienstiftung der Kreis der Bezugsund Anfallsberechtigten satzungsgemäß nicht abgegrenzt. Wenn die Satzung etwa regelt, bestimmte Mittel seien zum Unterhalt bedürftiger Abkömmlinge des Stifters und anderer Menschen zu verwenden, ist die Quantifizierung der Bezugs- bzw. Anfallsberechtigung unmöglich.3 Ist aber die Bezugs- bzw. Anfallsberechtigung zu mehr als der Hälfte nicht feststellbar, handelt es sich nicht um eine Familienstiftung i.S. von § 15 Abs. 2 AStG. Daher werden von vornherein nicht wenige Stiftungen als Familienstiftungen i.S. von § 15 Abs. 2 AStG ausscheiden.4
14.12
Bei der Frage, ob eine Bezugs- oder Anfallsberechtigung zu mehr als der Hälfte vorliegt, ist getrennt auf die Bezugs- oder die Anfallsberechtigung abzustellen,5 wobei jeweils die Barwerte der jeweiligen Bezüge bzw. des Anfalls6 die Ausgangsgröße für die Quotenbesteuerung bilden.7
14.13
Neben Familienstiftungen werden über § 15 Abs. 3 AStG auch Unternehmensstiftungen erfasst, soweit sie aufgrund unternehmerischer Veranlassung8 überwiegend den Stifter und/oder seine Gesellschafter, von ihm abhängige Gesell1 Oder für dessen Rechnung Vermögen übertragen wird; vgl. BFH v. 5.11.1992 – I R 39/92, BStBl. II 1993, 388; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 15.2.1. 2 Es handelt sich offenbar um ein Redaktionsversehen, das ohne weiteres im Rahmen der Auslegung zu korrigieren ist; BFH v. 5.11.1992 – I R 39/92, BStBl. II 1993, 388; Wassermeyer in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 84; allgemein zur Korrektur von Redaktionsversehen: Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 267; BFH v. 16.1.1980 – II R 83/74, BStBl. II 1980, 359. 3 Wassermeyer in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 87. 4 Wassermeyer in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 87. 5 Wassermeyer in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 85; Wenz/Linn in Haase3, § 15 AStG Rz. 42; Rundshagen in S/K/K, § 15 AStG Rz. 61. 6 Die Einkünfte der Stiftung sind unmaßgeblich. 7 Wassermeyer in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 85; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 15.2.3; modifizierend Wenz/Linn in Haase3, § 15 AStG Rz. 43, die bei Anfallsberechtigten die bloße Addition der jeweiligen Ansprüche auf das Stiftungsvermögen bei Auflösung der Stiftung also ohne Abzinsung für ausreichend halten; vgl. die Übersicht der z.T. stark divergierenden Literaturmeinungen Kirchhain, Die Familienstiftung im Außensteuerrecht, Rz. 59. 8 Das wird nur ausnahmsweise der Fall sein.
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C. Gegenstand der Zurechnung
schaften, Mitglieder, Vorstandsmitglieder, leitende Angestellte oder Angehörige dieser Personen begünstigen.1 Stifter selbst kann hiernach ein Unternehmer, Mitunternehmer sowie eine Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse sein. Schließlich werden auch sonstige Zweckvermögen und Vermögensmassen wie Familienstiftungen behandelt (§ 15 Abs. 4 AStG). Voraussetzung ist indessen, dass sie auch Stiftungscharakter haben, das heißt, dass nach der Satzung Bezugs- und/ oder Anfallsberechtigte vorgesehen sind.2 Damit werden von der Reichweite des § 15 AStG auch ausländische Trusts erfasst, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob es sich um rechtsfähige oder um nichtrechtsfähige Gebilde handelt; die wirtschaftliche Selbständigkeit reicht aus.3 Voraussetzung ist allerdings, dass der Trust selbst Einkünfteerzielungssubjekt ist. Sog. revocable Trusts, bei denen der Errichter oder Treugeber (settlor, grantor) dem Vermögensverwalter (trustee) Vermögenswerte nur widerruflich zum Eigentum überträgt, führen nicht zur Übertragung einer Einkunftsquelle: Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO sind die Einkünfte unverändert dem Treugeber zuzurechnen.4 Denkbar ist aber auch, dass der trustee das Vermögen treuhänderisch für die Anfalls- bzw. Bezugsberechtigten (beneficiaries) hält mit der Folge, dass die Einkünfte unmittelbar diesem Personenkreis zuzurechnen sind.5 In diesem Fall greift § 15 AStG ebenfalls nicht ein. Erfasst wird lediglich der sog. irrevocable Trust, bei dem der settlor dem trustee die Wirtschaftsgüter endgültig zu Eigentum überträgt, ohne dass der settlor oder die beneficiaries als wirtschaftliche Eigentümer des Trustvermögens anzusehen sind. In diesem Fall besteht lediglich eine treuhänderische Bindung des trustees ggü. dem Trust, die ihre Grundlage in einem Vertrag zugunsten Dritter zwischen dem settlor und dem trustee hat. Hieraus folgt, dass das Einkommen des Trusts als Vermögensmasse gem. § 15 Abs. 4 AStG der Zurechnung (§ 15 Abs. 1 AStG) unterliegt.6
14.14
C. Gegenstand der Zurechnung Gemäß § 15 AStG werden Einkünfte und Vermögen zugerechnet.7 Die in § 15 Abs. 1 AStG genannten Zurechnungsempfänger erzielen damit keine originären eigenen Einkünfte. Aus der Zurechnung von Einkünften und Vermögen folgt, 1 Zu Einzelheiten Wassermeyer in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 101 ff.; Vogt in Blümich, § 15 AStG Rz. 71. 2 Wassermeyer in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 126; Rundshagen in S/K/K, § 15 AStG Rz. 77; Wenz/Linn in Haase3, § 15 AStG Rz. 130. 3 BFH v. 5.11.1992 – I R 39/92, BStBl. II 1993, 388; v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727. 4 BFH v. 5.11.1992 – I R 39/92, BStBl. II 1993, 388; v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727; vgl. auch BFH v. 28.6.2007 – II R 21/05, BStBl. II 2007, 669. 5 Das setzt voraus, dass sich der settlor des Vermögens endgültig begeben hat und die beneficiaries als wirtschaftliche Eigentümer des Trustvermögens anzusehen sind; BFH v. 5.11.1992 – I R 39/92, BStBl. II 1993, 388. 6 BFH v. 5.11.1992 – I R 39/92, BStBl. II 1993, 388; v. 2.2.1994, v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727; Wenz/Linn in Haase3, § 15 AStG Rz. 132; Bredow, WIB 1995, 775 (780); Seibold, IStR 1993, 545 ff. 7 Die Zurechnung von Vermögen geht seit dem 1.1.1997 ins Leere, weil seitdem keine VSt mehr erhoben wird; BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BStBl. II 1995, 655.
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14.15
Kap. 14 Zurechnungsbesteuerung bei Familienstiftungen
dass die Ermittlung der Einkünfte1 und des Vermögens auf der Stufe der ausländischen Familienstiftung zu erfolgen hat, so dass allein deren Verhältnisse maßgeblich sind.2 Das bedeutet zugleich, dass auf der Ebene der Familienstiftung, die im Grundsatz Einkünfte aller Einkunftsarten erzielen kann,3 keine Umqualifizierung der Einkünfte erfolgt. Diese findet erst beim Zurechnungsempfänger statt (§ 15 Abs. 8 AStG).4 14.16
Da § 15 AStG keine dem § 10 Abs. 1 Satz 4 AStG vergleichbare Vorschrift enthält, erfasst die Zurechnung an sich auch negative Einkünfte und Vermögen,5 so dass beim Zurechnungsempfänger ein Ausgleich mit anderem positiven Einkünften und Vermögen möglich wäre. Diese Rechtsfolge wird indessen durch § 15 Abs. 7 Satz 3 AStG ausgeschlossen, weil bei einem negativen Betrag die Zurechnung als solche entfällt. Zulässig ist gem. § 15 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. § 10 Abs. 3 Satz 5 AStG nur ein Verlustrück- oder Verlustvortrag gem. § 10d EStG.
D. Zurechnungsempfänger I. Unbeschränkte Steuerpflicht 14.17
Da Einkünfte und Vermögen zum Ende des Wirtschafts- oder Kalenderjahres der ausländischen Familienstiftung zu ermitteln sind, erfolgt die Zurechnung (zeitgleich) zu diesem Zeitpunkt bei demjenigen, der in diesem Zeitpunkt6 unbeschränkt steuerpflichtiger Stifter, Bezugs- und/oder Anfallsberechtigter ist.7
14.18
Die Zurechnung gem. § 15 AStG ist mit der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit unvereinbar.8 Das gilt insbesondere für den Fall, dass dem Zurechnungsempfänger Einkünfte zugerechnet werden, obwohl dieser seitens der Familienstiftung entweder überhaupt keine oder nur geringe Zuwendungen erhalten hat und nicht feststeht, ob er überhaupt jemals Zuwendungen erhalten wird. Soweit der Zurechnungsempfänger Zuwendungen erhalten hat, die bei ihm im Grundsatz der Steuerpflicht unterliegen (z.B. § 22 Nr. 1 EStG), kommt es dennoch zu keinen steuerlichen Doppelbelastungen, weil die Besteuerung der tatsächlichen Auskehrungen auf der Grundlage des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG durch § 15 Abs. 11 AStG ausgeschlossen wird, soweit die zugrunde liegenden Einkünfte nachweislich bereits der Zurechnungsbesteuerung (§ 15 Abs. 11 AStG) unterlegen haben. Im Übrigen verbleibt es allerdings bei einer Besteuerung von Soll-Einkommen, wofür ein Legitimationsgrund nicht gegeben ist.9 Um hier eine an der Leistungs1 Zu ermitteln nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts (§ 15 Abs. 7 Satz 1 AStG). 2 BFH v. 5.11.1992 – I R 39/92, BStBl. II 1993, 388; v. 8.4.2009 – I B 223/08, BFH/NV 2009, 1437; Wassermeyer in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 34; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 15.1.1. 3 § 8 Abs. 2 KStG, der gewerbliche Einkünfte fingiert, gilt nicht für Stiftungen. 4 Rundshagen in S/K/K, § 15 AStG Rz. 54. 5 Wassermeyer in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 34. 6 Vogt in Blümich, § 15 AStG Rz. 41. 7 Wassermeyer in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 214; Wenz/Linn in Haase3, § 15 AStG Rz. 109; Rundshagen in S/K/K, § 15 AStG Rz. 48. 8 Schaumburg in FS Tipke, 125 (141). 9 Schaumburg in FS Tipke, 125 (141).
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D. Zurechnungsempfänger
fähigkeit orientierte Besteuerung zu gewährleisten, ist ein Steuererlass (§§ 163, 227 AO) geboten.1 Damit fallen insbesondere Zufallsdestinatäre, denen kein Mitwirkungs- oder Beeinflussungsrecht bei der Stiftung zusteht und die nur einen Anspruch auf Zuwendung in Fällen der Not haben, aus der Zurechnungsbesteuerung heraus.2
II. Stifter Gemäß § 15 Abs. 1 AStG erfolgt die Zurechnung in erster Linie bei dem unbeschränkt steuerpflichtigen Stifter. Stifter ist derjenige, der die Stiftung errichtet hat3 oder wer Vermögen auf die Stiftung mit der Bestimmung übertragen hat, dass dieses Vermögen dem Stiftungskapital zuwächst.4 Demgegenüber wird in § 15 Abs. 3 AStG als Stifter einer Unternehmensstiftung nur der Errichter derselben bezeichnet. Damit wären von vornherein jene Personen ausgeschlossen, die Unternehmensstiftungen Zustiftungen widmen. Dem Gesetzgeber ist hier offenkundig ein Redaktionsversehen unterlaufen, das im Rahmen der Auslegung ohne weiteres korrigiert werden kann.5
14.19
Die Zurechnung bei dem Stifter erfolgt unter der Voraussetzung, dass dieser im Zurechnungszeitpunkt unbeschränkt steuerpflichtig (§ 15 Abs. 1 AStG) ist.6 Bei mehreren unbeschränkt steuerpflichtigen Stiftern sind die zuzurechnenden Einkünfte im Verhältnis des jeweils auf die Stiftung übertragenen Vermögens aufzuteilen.7 Haben auch nicht unbeschränkt steuerpflichtige Stifter die Stiftung errichtet oder/und zugestiftet, unterbleibt ihnen gegenüber eine Zurechnung mit der Folge, dass sämtliche Einkünfte der Stiftung nur dem unbeschränkt steuerpflichtigen Stifter zuzurechnen sind.
14.20
Diese Rechtsfolge widerspricht indessen jeglicher Logik. Denn dem einzelnen Stifter kann nicht mehr zugerechnet werden, als er selbst gestiftet hat. Gemessen an der Zielsetzung des § 15 AStG, eine Kapital- und Steuerflucht zu vermeiden, ist allenfalls der Zustand herzustellen, der ohne Einschaltung der ausländischen Familienstiftung bestände. § 15 Abs. 1 AStG ist daher einschränkend dahingehend auszulegen, dass dem unbeschränkt steuerpflichtigen Stifter nur diejenigen Einkünfte zugerechnet werden, die dem Anteil des von ihm gestifteten Ver-
14.21
1 Im Ergebnis ebenso Wassermeyer in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 24; Vogt in Blümich, § 15 AStG Rz. 26; Rundshagen in S/K/K, § 15 AStG Rz. 29 jeweils mit Hinweis auf (zinslose) Stundung (§ 222 AO). 2 Die Finanzverwaltung verzichtet in diesen Fällen auf die Zurechnung; vgl. BMF v. 14.5. 2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 15.2.1. 3 Oder für dessen Rechnung das Stiftungsgeschäft abgeschlossen worden ist; BFH v. 5.11. 1992 – I R 39/92, BStBl. II 1993, 388; v. 25.4.2001 – II R 14/98, BFH/NV 2001, 1457; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 15.2.1. 4 Wassermeyer in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 43; Wenz/Linn in Haase3, § 15 AStG Rz. 18. 5 Zur Korrektur von Redaktionsfehlern allgemein: Drüen in T/K, § 4 AO Tz. 267; BFH v. 16.1.1980 – II R 83/74, BStBl. II 1980, 359. 6 Bei zugezogenen Stiftern, die die Stiftung vor dem Eintritt in die unbeschränkte Steuerpflicht errichtet haben, ist die Zurechnung nicht gerechtfertigt. 7 Wenz/Linn in Haase3, § 15 AStG Rz. 91; Rundshagen in S/K/K, § 15 AStG Rz. 50.
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Kap. 14 Zurechnungsbesteuerung bei Familienstiftungen
mögens am gesamten Stiftungsvermögen entspricht.1 Im Übrigen ist sodann eine Zurechnung zu unbeschränkt steuerpflichtigen Bezugs- und Anfallsberechtigten nicht ausgeschlossen.2 14.22
Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 AStG kommt es für die Zurechnung nicht darauf an, ob der Stifter selbst bezugs- oder anfallsberechtigt ist. Demgegenüber stellt § 15 Abs. 2 AStG für die Frage, ob eine Familienstiftung gegeben ist, auf die Bezugs- und Anfallsberechtigung auch des Stifters ab.3
14.23
Diese Unabgestimmtheit führt zu sinnwidrigen Ergebnissen. So ist kein Grund erkennbar, Einkünfte dem Stifter zuzurechnen, wenn er nicht selbst, sondern lediglich seine Angehörigen bezugs- und anfallsberechtigt sind. Hat der Stifter sich seines Vermögens durch Übertragung auf die Familienstiftung endgültig entäußert, ist er also weder anfalls- noch bezugsberechtigt, müsste eigentlich eine Zurechnung ihm gegenüber ausscheiden.4 § 15 Abs. 1 AStG lässt es indessen für die Zurechnung ausreichen, dass der Stifter die Familienstiftung ins Leben gerufen oder Zustiftungen erbracht hat. Die primäre Anknüpfung an den Stifter ist in der vorgenannten Fallkonstellation mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip nicht zu vereinbaren.5
III. Destinatäre 14.24
Die Zurechnung gegenüber unbeschränkt steuerpflichtigen Bezugs- und Anfallsberechtigten (Destinatäre) erfolgt im Verhältnis zu den Stiftern lediglich subsidiär. Das bedeutet, dass eine Zurechnung bei den Destinatären nur dann eingreift, wenn eine Zurechnung bei einem unbeschränkt steuerpflichtigen Stifter ausscheidet.6
14.25
Wer Bezugs- und Anfallsberechtigter ist, erläutert das Gesetz nicht. Daher ist entscheidend auf den Wortsinn der verwendeten Begriffe abzustellen. Hieraus folgt, dass Bezugsberechtigter nur derjenige sein kann, der ggü. der Familienstiftung einen Rechtsanspruch oder jedenfalls eine rechtliche Anwartschaft auf den Bezug von Gütern in Geld oder Geldeswert hat. Eine bloß tatsächliche Chance oder Erwartung, Zuwendungen seitens der Familienstiftung zu erhalten, reicht für die Zurechnung nicht aus.7 Demgegenüber soll Bezugsberechtigter bereits derjenige sein, der solche Zuwendungen tatsächlich erhält oder bei dem nach den Umständen zu erwarten ist, dass er sie erhalten wird.8 Darüber, wer Anfalls1 Wassermeyer in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 45, 68; Wenz/Linn in Haase3, § 15 AStG Rz. 93; Kirchhain, Die Familienstiftung im Außensteuerrecht, Rz. 128. 2 Wenz/Linn in Haase3, § 15 AStG Rz. 93; Gropp in Lademann, § 15 Rz. 32; Kirchhain, Die Familienstiftung im Außensteuerrecht, Rz. 128. 3 Hierzu Wassermeyer in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 83. 4 Vgl. auch Wenz/Linn in Haase3, § 15 AStG Rz. 74; Seibold, IStR 1993, 545 (548). 5 Im Ergebnis dennoch gebilligt von BFH v. 25.4.2001 – II R 14/98, BFH/NV 2001, 1457. 6 Die subsidiäre Anknüpfung gilt damit nicht, wenn der Stifter im Inland entweder nur beschränkt oder überhaupt nicht steuerpflichtig ist. 7 Wassermeyer in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 49 ff.; Wenz/Linn in Haase3, § 15 AStG Rz. 22; Vogt in Blümich, § 15 AStG Rz. 44; Hennemann-Raschke in H/K/G/R, § 15 AStG Rz. 17; Kirchhain, Die Familienstiftung im Außensteuerrecht, Rz. 56. 8 BFH v. 25.4.2001 – II R 14/98, BFH/NV 2001, 1457; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4-S 1340-11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 15.2.1.
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D. Zurechnungsempfänger
berechtigter ist, ist ebenfalls nicht aufgrund irgendwelcher Zuwendungsprognosen zu entscheiden. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob die Satzung einem bestimmten Personenkreis einen Rechtsanspruch bzw. eine Rechtsanwartschaft einräumt. Ist dies nicht der Fall, gibt es auch keine Anfallsberechtigten.1 Obwohl § 15 Abs. 1 AStG lediglich eine Rangfolge der Zurechnung zwischen Stifter einerseits und Bezugs- bzw. Anfallsberechtigten andererseits vorsieht, ergibt sich eine derartige Rangfolge logisch auch im Verhältnis zwischen Bezugsund Anfallsberechtigten. Vermögen und Einkünfte kommen nämlich den Anfallsberechtigten erst im Falle der Liquidation der Stiftung zugute. Die Zurechnung der Einkünfte bei den Anfallsberechtigten ist insbesondere dann sinnwidrig, wenn diese Einkünfte den Bezugsberechtigten zugewendet werden. § 15 Abs. 1 AStG ist daher dahingehend auszulegen, dass eine Zurechnung der Einkünfte bei unbeschränkt steuerpflichtigen Anfallsberechtigten solange unterbleibt, wie unbeschränkt steuerpflichtige Bezugsberechtigte vorhanden sind.2
14.26
Sind neben unbeschränkt steuerpflichtigen Bezugs- bzw. Anfallsberechtigten auch Steuerausländer als Bezugs- und Anfallsberechtigte vorhanden, erfolgt nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 AStG eine Zurechnung ausschließlich bei den unbeschränkt steuerpflichtigen Bezugs- und Anfallsberechtigten.
14.27
Diese Zurechnung ist sinnwidrig und schießt weit über das Ziel hinaus. Denn eine Zurechnung nach § 15 Abs. 1 AStG kann logisch nicht weitergehen als der Rechtsanspruch auf die Zuwendung reicht. Eine darüber hinausgehende Zurechnung würde zu einer übermäßigen der Leistungsfähigkeit des Zurechnungsempfängers nicht entsprechenden Besteuerung führen. § 15 Abs. 1 AStG ist deshalb dahingehend auszulegen, dass die Zurechnung bei den unbeschränkt steuerpflichtigen Bezugs- und Anfallsberechtigten nur nach Maßgabe ihrer Quote an der Gesamtberechtigung erfolgt.3 Ist indessen eine Quote nicht feststellbar, etwa weil in der Satzung hierzu nichts geregelt ist oder der Stiftungsvorstand bzw. der trustee die Quoten bzw. die tatsächlichen Zuwendungen nach eigenem Ermessen festsetzen kann, ist § 15 AStG nicht vollziehbar: Kein deutsches Finanzamt wird in der Lage sein, den auf den unbeschränkt steuerpflichtigen Begünstigten entfallenden Anteil am Einkommen und Vermögen der Familienstiftung zu ermitteln. Dieses Vollzugsdefizit ergibt sich nicht nur bei mehreren inund ausländischen Begünstigten, sondern auch in den Fällen, in denen nur inländische Begünstigte ohne feste Quote bezugsberechtigt sind.
14.28
Nach dem Wortlaut des § 15 Abs. 1 AStG kommt eine Zurechnung auch bei bezugs- und anfallsberechtigten Dritten in Betracht, obwohl § 15 Abs. 2 AStG für die Frage, ob eine Familienstiftung gegeben ist, nur auf bezugs- und anfallsberechtigte Angehörige des Stifters abstellt.
14.29
1 Wassermeyer in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 55; Wenz/Linn in Haase3, § 15 AStG Rz. 24. 2 Wassermeyer in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 64; im Ergebnis ebenso Wenz/Linn in Haase3, § 15 AStG Rz. 85; Schulz in Lademann, § 15 AStG Rz. 38; Kirchhain, Die Familienstiftung im Außensteuerrecht, Rz. 135; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 15.1.3. 3 Wassermeyer in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 63; Vogt in Blümich, § 15 AStG Rz. 64; Wenz/ Linn in Haase3, § 15 AStG Rz. 94; Kirchhain, Die Familienstiftung im Außensteuerrecht, Rz. 133.
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Kap. 14 Zurechnungsbesteuerung bei Familienstiftungen
14.30
Diese Unabgestimmtheit führt ebenfalls zu sinnwidrigen, mit den Wertungen der Zurechnungsbesteuerung des § 15 AStG unvereinbaren Ergebnissen. Es ist kein Grund erkennbar, warum außen stehenden Dritten, die bezugs- und anfallsberechtigt sind, Einkommen und Vermögen zugerechnet wird, nur weil es sich um eine Familienstiftung handelt. Daher ist auch eine einschränkende Auslegung dahingehend geboten, dass neben dem Stifter nur bezugs- und anfallsberechtigte Angehörige und deren Abkömmlinge Zurechnungsempfänger sind.1
E. Einkünfteermittlung 14.31
Gegenstand der Zurechnung sind die Einkünfte i.S. des § 8 KStG.2 Das bedeutet, dass die Einkünfte so zu ermitteln sind, als wäre die Stiftung im Inland unbeschränkt steuerpflichtig.3 Maßgeblich sind somit die Vorschriften des deutschen Steuerrechts (§ 15 Abs. 7 Satz 1 AStG).4 Hieraus folgt, dass Zuwendungen an die bezugs- und anfallsberechtigten Personen steuerlich nicht abziehbar sind (§ 10 Nr. 1 KStG).5 Wegen der in § 15 Abs. 7 Satz 2 AStG verankerten Verweisung auf § 10 Abs. 3 AStG ergeben sich weitere Einschränkungen (Rz. 13.173 ff.), so dass etwa § 8b Abs. 1 u. 2 KStG nicht zur Anwendung kommt (§ 15 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. § 10 Abs. 3 Satz 4 AStG). Dem gegenüber können Verluste über § 10d EStG zum Abzug gebracht werden (§ 15 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. § 10 Abs. 3 Satz 5 AStG). Eine für die Einkünfteermittlung auf Ebene der ausländischen Familienstiftung bedeutsame Sonderregelung enthält § 15 Abs. 9 AStG. Hiernach sind von einer Zwischengesellschaft erzielte Zwischeneinkünfte (Rz. 13.167 ff.) entsprechend der Beteiligung der Familienstiftung dieser zuzurechnen (§ 15 Abs. 9 Satz 1 AStG), wodurch ausländische Familienstiftungen in die Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7–14 AStG) einbezogen werden. Angesprochen ist die Fallkonstellation, dass eine Familienstiftung oder eine nachgeschaltete Familienstiftung i.S.v. § 15 Abs. 10 AStG an einer Zwischengesellschaft beteiligt ist. § 15 Abs. 9 Satz 1 AStG enthält zwar hinsichtlich der Beteiligungsvoraussetzung keine unmittelbare Regelung, aus der Verweisung auf die §§ 7–14 AStG lässt sich aber schließen, dass im Grundsatz eine mehrheitliche Beteiligung an der Zwischengesellschaft (§ 7 Abs. 2 AStG) erforderlich ist, soweit diese keine Kapitalanlageeinkünfte i.S.v. § 7 Abs. 6, 6a AStG (Rz. 13.64 ff.) erzielt.6 Die Verweisung auf §§ 7–14 AStG schließt auch §§ 7 Abs. 5, 8 Abs. 2 AStG ein mit der Folge, dass bei Beteiligungen von ausländischen Familienstiftungen auch auf nicht am Nennkapital orientierte Gewinnverteilungsabreden (Rz. 13.47) abzustellen ist 1 Wassermeyer in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 61; Vogt in Blümich, § 15 AStG Rz. 64; Kirchhain, Die Familienstiftung im Außensteuerrecht, Rz. 132. 2 Vogt in Blümich, § 15 AStG Rz. 99. 3 BFH v. 5.11.1992 – I R 39/92, BStBl. II 1993, 388; Wassermeyer in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 203; Hennemann-Raschke in H/K/G/R, § 15 AStG Rz. 32; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 15.1.1. 4 Zu praktischen Fragen der Einkünfteermittlung von Oertzen/Kühn, IStR 2016, 930. 5 BFH v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727. 6 Insoweit ist also von einer Rechtsgrundverweisung auszugehen; jede andere Auslegung wäre mit Art. 3 Abs. 1 GG (Gleichheitssatz) unvereinbar; vgl. zu diesem Problemkreis Baßler in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 301; Vogt in Blümich, § 15 AStG Rz. 121 f.; Kraft/ Schulz, IStR 2012, 897 (899).
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E. Einkünfteermittlung
und zudem der aus unionsrechtlichen Gründen gebotene Entlastungsbeweis geführt werden kann (Rz. 13.140 ff.).1 Eine weitere Sonderregelung enthält § 15 Abs. 10 Satz 1 AStG. Dieser erfasst den Fall, dass eine ausländische Familienstiftung allein oder zusammen mit Stiftern, Bezugs- und Anfallsberechtigen, zu mehr als der Hälfte bei einer anderen ausländischen Familienstiftung unmittelbar oder mittelbar bezugs- oder anfallsberechtigt ist. Damit werden auch Einkünfte einer nachgeschalteten ausländischen Familienstiftung in die Zurechnungsbesteuerung einbezogen.2 Wer diese nachgeschaltete Stiftung errichtete hat, ist unbeachtlich, weil allein auf die Bezugs- und Anfallsberechtigung abgestellt wird.3 Um eine Doppelbelastung zu vermeiden, werden Zuwendungen, die bereits bei der ausländischen Familienstiftung über ihre Bezugs- oder Anfallsberechtigung bei einer nachgeschalteten ausländischen Familienstiftung zugerechnet worden sind (§ 15 Abs. 10 Satz 1 AStG) beim inländischen Zurechnungsempfänger nicht nochmals im Wege der Zurechnung (§ 15 Abs. 1 AStG) erfasst (§ 15 Abs. 10 Satz 2 AStG). Von dieser auf die Vermeidung der Doppelbelastung gerichteten Regelung wird allerdings der Fall nicht erfasst, dass die nachgeschaltete ausländische Familienstiftung von einem unbeschränkt steuerpflichtigen Stifter errichtet worden ist. Hier erfolgt zum einen eine Zurechnung zur vorgeschalteten ausländischen Stiftung und von dort zum unbeschränkt steuerpflichtigen Stifter, Bezugs- oder Anfallsberechtigten und zum anderen eine Zurechnung von der nachgeschalteten ausländischen Stiftung zu ihrem unbeschränkt steuerpflichtigen Stifter.4 Im Wege teleologischer Reduktion ist die vom Gesetz nicht gewollte Doppelbelastung5 dadurch zu vermeiden, dass die Zurechnung über die vorgeschaltete ausländische Stiftung (§ 15 Abs. 10 Satz 1 AStG) unterbleibt, solange die (direkte) Zurechnung (§ 15 Abs. 1 Satz 1 AStG) von der nachgeschalteten Stiftung zur unbeschränkt steuerpflichtigen möglich ist. Im Ergebnis ist damit das zwischen § 15 Abs.10 Satz 1 AStG und § 15 Abs. 1 Satz 1 AStG bestehende Konkurrenzverhältnis zugunsten von § 15 Abs. 1 Satz 1 AStG zu lösen.6 Die auf der Ebene der Familienstiftung ermittelten Einkünfte werden als Rechengröße beim Zurechnungsempfänger erfasst mit der Folge, dass seine eigenen Einkünfte entsprechend erhöht werden. Hierbei gehören die derart zugerechneten Einkünfte bei natürlichen Personen gem. § 15 Abs. 8 Satz 1 u. 2 AStG zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG), soweit nicht Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbständiger Arbeit oder aus Vermietung und Verpachtung gegeben sind (§ 20 Abs. 8 EStG) oder soweit sie nicht als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren sind, weil Zurechnungsempfänger keine Körperschaft i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1–3 KStG ist (§ 8 Abs. 2 KStG).7 Im Hinblick darauf, dass beim Zurechnungsempfänger die Besteuerung wie beim unmittelbaren Bezug der zugerechneten Einkünfte er1 Hierzu Kraft/Schulz, IStR 2012, 897 (901). 2 Baßler in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 352; Vogt in Blümich, § 15 AStG Rz. 131; HennemannRaschke in H/K/G/R, § 15 AStG Rz. 36. 3 Vogt in Blümich, § 15 AStG Rz. 135. 4 Vgl. zu dieser Fallkonstellation Vogt in Blümich, § 15 AStG Rz. 136. 5 Vgl. BT-Drucks. 17/13033, 174. 6 Baßler in F/W/B/S, § 15 AStG Rz. 357; Vogt in Blümich, § 15 AStG Rz. 136; zu Einzelheiten Kirchhain, IStR 2012, 602 (605). 7 Vogt in Blümich, § 15 AStG Rz. 104; Hennemann-Raschke in H/K/G/R, § 15 AStG Rz. 34.
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Kap. 14 Zurechnungsbesteuerung bei Familienstiftungen
folgen soll, sind § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG (Teileinkünfteverfahren), § 32d EStG (Abgeltungsteuer) sowie § 8b Abs. 1 u. 2 KStG (Dividendenfreistellung) anzuwenden. 14.32
Da § 12 Abs. 1 u. 2 AStG über § 15 Abs. 5 AStG entsprechende Anwendung findet, ist der Zurechnungsempfänger berechtigt, die von der ausländischen Stiftung erhobene Ertrag- und Vermögensteuer auf die inländische Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerschuld nach den Regeln des § 34c Abs. 1 EStG (§ 26 Abs. 1 KStG) anzurechnen (§ 15 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 12 Abs. 2 AStG). Die Anrechnung erfasst sowohl in- als auch ausländische Steuern; sie können nur für die Jahre angerechnet werden, in denen sie entrichtet wurden.1 Ist die Bemessungsgrundlage der ausländischen Einkünfte nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts niedriger als im Ausland, so ist die anzurechnende ausländische Steuer dennoch ungekürzt in die Höchstbetragsberechnung gem. § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG einzubeziehen, so dass die von der ausländischen Familienstiftung insoweit entrichteten Steuern ohne weiteres bis zur Höhe der von den Zurechnungsempfängern auf die zugerechneten Einkünfte gezahlten Steuern angerechnet werden können.2 Etwas anderes gilt allerdings, wenn in die ausländische Bemessungsgrundlage der ausländischen Steuer nicht ausländische Einkünfte einfließen: Hier ist die ausländische Steuer entsprechend aufzuteilen, weil nur die auf ausländische Einkünfte entfallende ausländische Steuer der Höchstbetragsregelung des § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG unterliegt.3 Im Übrigen ergeben sich keine Anrechnungsbeschränkungen. Das gilt auch, soweit die ausländische Steuer nicht von der Familienstiftung (Trust) selbst, sondern vom Stifter oder vom Begünstigten zu zahlen war:4 Hier ist die Anrechnung aus Billigkeitsgründen so vorzunehmen, wie wenn diese Steuern von der Familienstiftung (Trust) selbst entrichtet worden wären.5 Soweit die Abgeltungsteuer (§ 15 Abs. 5 Satz 2 AStG i.V.m. § 32d EStG) eingreift, kommt für Zwecke der Steueranrechnung § 32d Abs. 5 EStG zur Anwendung.6 § 15 Abs. 5 Satz 2 AStG enthält schließlich einen Verweis auf § 12 Abs. 3 AStG, so dass etwa ausländische Quellensteuern auf nach § 15 Abs. 11 AStG befreite Stiftungszuwendungen (Rz. 14.18) angerechnet werden können.
1 BFH v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 15.5.2. 2 BFH v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 15.5.2. 3 BFH v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 15.5.2; Wenz/Linn in Haase3, § 15 AStG Rz. 138. 4 So etwa beim sog. grantor trust in den USA; hierzu Sieker, Der US-Trust, 212. 5 Vgl. BFH v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727. 6 Vogt in Blümich, § 15 AStG Rz. 79; Kirchhain, IStR 2012, 602.
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3. Teil Doppelbesteuerungsrecht Kapitel 15 Begriff der Doppelbesteuerung Literatur Bachem, Die optimale Ausgestaltung der Anrechnungsmethode zur unilateralen Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Ertragsteuern der deutschen internationalen Unternehmung, Diss. Köln 1971; Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, Amsterdam 1964, 32; Burmester, Begriff und Funktion des Steuergutes im Steuerrecht, StuW 1993, 221; Burmester, Zur Systematik internationaler Minderbesteuerung und ihrer Vermeidung, in FS für Debatin, München 1997, 55; Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, Bern/Stuttgart 1974; Flick, Das Erfordernis der Subjektsidentität bei Doppelbesteuerungsnormen, StuW 1960, 329; Flick, Gleichheit von Steuergegenstand und Bemessungsgrundlage im Internationalen Steuerrecht, StuW 1961, 679; Flick, Methoden zur Ausschaltung der Internationalen Doppelbesteuerung bei den direkten Steuern, FinArch. 1961 (Band 21), 86; Frotscher, Internationales Steuerrecht, 4. Aufl. München 2015, Rz. 7 ff.; Hey/ Bauersfeld, Die Besteuerung der Personen(handels)gesellschaften in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, der Schweiz und den USA, IStR 2005, 649; Isay, Internationales Finanzrecht, Stuttgart/Berlin 1934; Jankowiak, Doppelte Nichtbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, Baden-Baden 2009; Juch, Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbelastung, CDFI LXV Ib (1981), 81; Keuthen, Die Vermeidung der juristischen Doppelbesteuerung im EG-Binnenmarkt, Berlin 2009, 24 ff.; Kormann, Die Steuerpolitik der Internationalen Unternehmung, Düsseldorf 1970; Lang, M., Doppelte Nichtbesteuerung, CDFI 89a (2004), 21; Lehner in: Vogel/Lehner, Grundlagen, DBA, 6. Aufl. München 2015; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, Frankfurt/Bern/New York/Paris 1987; Mersmann, Handbuch der Finanzwissenschaft (Bd. 4), Tübingen 1965, 89; Meyer, Die Vermeidung internationaler Doppel- und Minderbesteuerung auf der Grundlage des Ursprungsprinzips, Diss. Göttingen 1970; Mössner, Der Begriff des Internationalen Steuerrechts in der neueren Literatur, ÖZöffR 1974, 255; Mössner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, DStJG 8 (1985), 135; Philipp, Befreiungssysteme mit Progressionsvorbehalt und Anrechnungsverfahren, Wien 1971; Rädler/Raupach, Deutsche Steuern bei Auslandsbeziehungen, München/Berlin 1966, 372; Schmitz, Kommentar zum Internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, Düsseldorf 1957, 16; Schönfeld/Häck in: Schönfeld/Ditz, DBA, Köln 2013, Systematik, Rz. 1 ff.; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, Amsterdam 1936 (Neudruck Köln 1967), 74; Teichner, Internationales Steuerrecht, Stuttgart 1967; Wassermeyer, Die Beurteilung der Abkommensberechtigung ausländischer Personengesellschaften durch Deutschland als dem Nichtansässigkeitsstaat der Personengesellschaft, IStR 1998, 489.
Das Internationale Steuerrecht untergliedert sich in Außensteuerrecht und Doppelbesteuerungsrecht (Rz. 1.4 f.). Da der Begriff des Internationalen Steuerrechts selbst recht unscharf ist, nimmt es nicht wunder, dass der Begriff der Doppelbesteuerung ebenfalls unterschiedlichen Deutungen zugänglich ist. So sind zahlreiche Versuche unternommen worden, die vielfältigen Erscheinungsformen der Doppelbesteuerung gegeneinander abzugrenzen. Die Doppelbesteuerung im engeren, weiteren und weitesten Sinn, die formale und materielle, subjektive und obSchaumburg
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15.1
Kap. 15 Begriff der Doppelbesteuerung
jektive, echte und unechte sowie die eigentliche und uneigentliche Doppelbesteuerung1 ist ebenso wie die technische,2 rechtliche,3 juristische,4 wirtschaftliche,5 ökonomische,6 schräge, horizontale und vertikale,7 direkte und indirekte8 Doppelbesteuerung ein Beleg für die Beliebigkeit und zugleich für die fehlende Bedeutung dieser Begriffsbildung. Dem Begriff der Doppelbesteuerung als solchem, der rechtlich ohnehin nicht existent ist,9 lassen sich nämlich keine Orientierungsmaßstäbe für die Anwendung der in Betracht kommenden Normen gewinnen.10 15.2
Der Doppelbesteuerung liegen vor allem grenzüberschreitende Sachverhalte zugrunde, die dazu führen, dass sich der Steuerpflichtige dem Steuerzugriff mehrerer Staaten ausgesetzt sieht, dort also steuerpflichtig wird. Hierdurch wird in aller Regel eine steuerliche Mehrbelastung verursacht. Den Normen, die sich mit der Vermeidung der Doppelbesteuerung beschäftigen, können folgende Merkmale entnommen werden, die das Phänomen der Doppelbesteuerung konkretisieren: – – – – –
15.3
Besteuerung durch verschiedene Hoheitsträger, Identität von Steuersubjekt, Identität von Steuerobjekt, Identität des Besteuerungszeitraums, Gleichartigkeit der Steuer.
Die Besteuerung durch verschiedene Hoheitsträger grenzt die Doppelbesteuerung von der Doppelbelastung ab, die konkurrierende steuerliche Mehrbelastungen durch ein und dieselbe Abgabengewalt bezeichnet.11 Die von verschiedenen Abgabengewalten12 ausgehende Besteuerung muss sich auf ein und dasselbe
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
12
Vgl. Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 58. Flick, FinArch. 1961 (Band 21), 86 (90). Rädler/Raupach, Deutsche Steuern bei Auslandsbeziehungen, 372. OECD-Kommentar zum Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung des Einkommens und des Vermögens, Bericht des Fiskal-Ausschusses der OECD 1977, Bonn 1979, 11. Rädler/Raupach, Deutsche Steuern bei Auslandsbeziehungen, 372. Mersmann, Handbuch der Finanzwissenschaft (Bd. 4), 89 (92). Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 136. Juch, CDFI LXV Ib (1981), 81. Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 1; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik, Rz. 3; Mössner, DStJG 8 (1985) 135 (137). Vgl. Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 3; Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 1; Mössner DStJG 8 (1985) 135 (137). Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 85; Fischer/Kleineidam/Warneke, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre5, 28; Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, 44; die Terminologie ist allerdings uneinheitlich: so wird als Doppelbelastung die wirtschaftliche Doppelbesteuerung verschiedener Steuersubjekte verstanden; so z.B. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 3 f. und die Mehrfachbelastung des nämlichen Steuersubjektes durch denselben Steuergläubiger als Doppelbesteuerung, durch mehrere Steuergläubiger als mehrfachberechtigte Doppelbesteuerung und die durch verschiedene Völkerrechtssubjekte als internationale Doppelbesteuerung bezeichnet; vgl. Seer in Tipke/Lang22, § 6 Rz. 54 ff. Unklar ist, ob hierbei auf die Gesetzgebungshoheit, Ertragshoheit oder Verwaltungshoheit abzustellen ist; vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 2.
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Kap. 15 Begriff der Doppelbesteuerung
Steuerobjekt1 beziehen. Da für die Besteuerung als geeignet erscheinende wirtschaftliche Vorgänge oder Zustände, etwa die Erzielung von Einkommen, zum Anknüpfungspunkt für die Besteuerung erhoben werden, wird eine völlige Identität des Steuerobjekts international nur ausnahmsweise, etwa bei parallel gewachsenen Steuersystemen,2 möglich sein. Da aber die Anknüpfungspunkte für die Besteuerung beliebig gestaltet werden können, stellen die Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung durchweg nicht auf eine streng juristische, sondern auf eine wirtschaftliche Identität des Steuerobjekts ab. Es reicht daher aus, wenn im Wesentlichen das gleiche Besteuerungsgut erfasst wird.3 Der Verzicht auf die streng juristische Identität des Steuerobjekts hat insbesondere Bedeutung für die Steuerbemessungsgrundlage, die als quantifiziertes Steuerobjekt4 wegen der spezifisch technisch-rechtlichen Ausgestaltung, insbesondere im Bereich der Ertragsteuern, international sehr stark divergiert.5 Ebenso wie die Steuerobjektsidentität kann auch die Identität des Steuersubjekts6 nicht streng juristisch, nicht in seiner technisch-tatbestandlichen Ausgestaltung verstanden werden, wenn das Phänomen der Doppelbesteuerung nicht zu einem Randproblem reduziert werden soll. Denn die Zurechnung des Steuerobjekts zu einem Steuersubjekt als Rechtssubjekt des jeweiligen Steuergesetzes ist in den einzelnen Rechtsordnungen unterschiedlich geregelt. So sind etwa im romanischen Rechtskreis die Personenhandelsgesellschaften im Gegensatz zum deutschen Steuerrecht durchweg Steuersubjekte.7 Darüber hinaus ergeben sich international erhebliche Zurechnungsdivergenzen, etwa bei Nießbrauch- und Treuhandverhältnissen. Im Hinblick darauf wird die Subjektsidentität auch dann angenommen, wenn in dem einen Staat die Personengesellschaft selbst und in dem anderen Staat deren Gesellschafter zur Steuer herangezogen werden.8 Die vorgenannte allgemein akzeptierte Abweichung vom Prinzip der Subjektsidentität im juristischen Sinne lässt sich dahingehend formulieren, dass eine wirtschaftliche Subjektsidentität immer dann gegeben ist, wenn mehrere Staaten zwar dasselbe Steuerobjekt besteuern, die Erfassung aber bei verschiedenen, privatrechtlich selbständigen Einheiten, z.B. bei verbundenen Unternehmen, erfolgt.9 Im Hinblick darauf wird denn auch im Unterschied zur ju1 Im Sinne von Steuergegenstand oder Besteuerungsgut; zum Begriff Seer in Tipke/Lang22, § 6 Rz. 36 ff.; Burmester, StuW 1993, 221 ff. 2 Etwa die Einkommensteuersysteme Deutschlands und Österreichs. 3 Lehner in V/L6 Grundlagen Rz. 9; Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 3; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 180; Mersmann in Handbuch der Finanzwissenschaft (Bd. 4), 89 (91); Flick, StuW 1960, 329 (341); Flick, StuW 1961, 679 (681 f.). 4 Zum Begriff Seer in Tipke/Lang22, § 6 Rz. 40, 44 f. 5 Hierzu Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 195 f. 6 Zum Begriff Steuersubjekt Seer in Tipke/Lang22, § 6 Rz. 30 ff. 7 Vgl. hierzu die Übersicht bei Hey/Bauersfeld, IStR 2005, 649 ff. 8 RFH v. 12.2.1930, RStBl. 1930, 440; BFH v. 3.2.1988 – I R 134/84, BStBl. II 1988, 588; v. 15.3.1995 – II R 24/91, BStBl. II 1995, 653; v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521; Wassermeyer, IStR 1998, 489 (492). 9 Lehner in V/L6,Grundlagen Rz. 9; Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 3; Bachem, Die optimale Ausgestaltung der Anrechnungsmethode zur unilateralen Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Ertragsteuern der deutschen internationalen Unternehmung, 18; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland
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15.4
Kap. 15 Begriff der Doppelbesteuerung
ristischen Doppelbesteuerung von einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung gesprochen,1 die ihre Ausprägung im nationalen Recht in § 9 Nr. 7 Satz 4 GewStG2 und auf der Ebene von DBA in Art. 9 OECD-MA (Gewinnkorrektur zwischen verbundenen Unternehmen) hat. 15.5
Im Ergebnis liegt daher die eigentliche Funktion des Erfordernisses der Subjektsidentität darin, die Besteuerung von Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern grundsätzlich der Doppelbesteuerungsproblematik zu entziehen.3
15.6
Der Identität des Besteuerungszeitraums wird als Merkmal der Doppelbesteuerung allgemein keine besondere Bedeutung beigemessen, weil insbesondere die Gewinnrealisierungstatbestände in den einzelnen Steuerrechtsordnungen unterschiedlichen Zeiträumen zugeordnet werden.
15.7
Die Gleichartigkeit der Steuer verlangt schließlich ebenfalls keine Identität der Steuer, die wegen der verschiedenen Steuersysteme ohnehin nicht gegeben ist. Abgestellt wird vielmehr auf die Vergleichbarkeit, die vor allem am Steuerobjekt und an der Belastungswirkung zu messen ist.4
15.8
Die Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung betreffen nicht nur die effektive Doppelbesteuerung, also den Fall, dass ein und dasselbe Steuersubjekt tatsächlich auch von mehreren internationalen Abgabenhoheiten in Anspruch genommen wird. Sie betreffen auch die virtuelle Doppelbesteuerung, wonach ein mehrstaatlicher Steuerzugriff aufgrund von in DBA eingeräumten Besteuerungskompetenzen zwar möglich ist, tatsächlich aber nicht erfolgt. In diesem Fall kommt es zu überhaupt keiner Besteuerung (sog. Nullbesteuerung), sofern die Doppelbesteuerung durch Freistellung auf Abkommensebene vermieden wird.5 Um eine derartige Nullbesteuerung zu vermeiden, sehen einige DBA6 sowie das nationale Steuerrecht z.B. für die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 50d Abs. 8 EStG) und in bestimmten Fällen von Qualifikationskonflikten (§ 50d Abs. 9 EStG) sog. Subject-to-Tax-Klauseln7 vor, nach denen die Freistellung davon abhängig gemacht wird, dass die betreffenden Einkünfte im anderen Staat steuerpflichtig und/oder tatsächlich der Besteuerung unterworfen sind.8
15.9
Es hat nicht an Versuchen gefehlt, den Begriff der Doppelbesteuerung, der im Wesentlichen durch qualitative Merkmale getragen ist, durch Anreicherung quanti-
1 2 3 4 5 6 7 8
zur Ausschaltung der Internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 16 f. Lehner in V/L6 Grundlagen Rz. 9; Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 3; Grotherr in G/K/G, DBA, Grundlagen, Rz. 23 f.; Flick, StuW 1960, 329 ff.; Knechtle, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, 34. Gewerbesteuerliches Schachtelprivileg bei mittelbarer Beteiligung; vgl. im Einzelnen Rz. 18.238 ff. Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (139). Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, 28. Die Steuerfreistellung erfolgt in der internationalen Praxis auf der Ebene von DBA überwiegend unbedingt, d.h. ohne Rücksicht darauf, ob der berechtigte Staat besteuert. Hierzu der Überblick bei Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A Rz. 161 ff.; BMF v. 20.6. 2013 – IV B 2 - S 1300/09/10006, BStBl. I 2013, 980. Auch Rückfallklauseln genannt. Hierzu Dürrschmidt in V/L6, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 20a ff.; Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B Rz. 70; ferner Rz. 19.141.
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Kap. 15 Begriff der Doppelbesteuerung
tativer Aspekte zu verengen. Hiernach soll eine Doppelbesteuerung nur dann vorliegen, wenn die von einem Steuersubjekt zu tragende Steuer insgesamt als unangemessen hoch empfunden wird, insbesondere jene Steuerlast übersteigt, die es zu tragen hätte, wenn es nur einer Steuerhoheit unterläge und zudem hierdurch potentiell der internationale Wirtschaftsverkehr behindert wird.1 Diese Begriffseinengung mag zwar wünschenswert sein, weil sie sich lediglich auf die effektive, nicht aber auf die virtuelle Doppelbesteuerung bezieht und dadurch das Problem der Null- bzw. doppelten Nichtbesteuerung (Rz. 15.10) aufhebt, den Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung lässt sich dieser quantitative Aspekt indessen nicht entnehmen, soweit diese die Vermeidung der (virtuellen) Doppelbesteuerung durch Steuerfreistellung bewirken. Als Folge der Vermeidung der Doppelbesteuerung kommt es in der Besteuerungspraxis nicht selten zu einer doppelten Nichtbesteuerung. Das gilt insbesondere in den Fällen, in denen insbesondere durch Steuerfreistellung die virtuelle Doppelbesteuerung vermieden wird. Darüber hinaus kommt es zu einer derartigen Nullbesteuerung oder Minderbesteuerung auch bei Qualifikations- und Zuordnungskonflikten.2 Im Hinblick darauf ist von einer doppelten Nichtbesteuerung dann auszugehen, wenn grenzüberschreitend erzielte Einkünfte nicht oder nur teilweise steuerlich erfasst werden, weil es aufgrund des Aufeinandertreffens mehrerer eigenständiger Rechtsordnungen zu einer Freistellung oder Nichterfassung der Einkünfte in beiden Staaten kommt.3
1 So Frotscher, Internationales Steuerrecht4, 5 f.; ähnlich Fischer/Kleineidam/Warneke, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre5, 30; Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (139 f.); Philipp, Befreiungssysteme mit Progressionsvorbehalt und Anrechnungsverfahren, 9 f.; Meyer, Die Vermeidung internationaler Doppel- und Minderbesteuerung auf der Grundlage des Ursprungsprinzips, 50; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 17 ff. 2 Zu Einzelheiten Jankowiak, Doppelte Nichtbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, 74 ff.; Schaumburg in FS Frotscher, 503 ff. 3 So die Definition von Jankowiak, Doppelte Nichtbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, 273; ähnlich Burmester in FS Debatin, 55 (56 f.); M. Lang, CDFI 89a (2004), 21 ff.
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15.10
Kapitel 16 Ursachen der Doppelbesteuerung Literatur Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, Amsterdam 1964, 32 ff.; Burmester, Zur Systematik internationaler Minderbesteuerung und ihrer Vermeidung, in FS für Debatin, München 1997, 55; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, Baden-Baden 1993; Ebling, Unilaterale Maßnahmen gegen die internationale Doppelbesteuerung, Diss. Mainz 1970; Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, Bern/Stuttgart 1974; Frotscher, Internationales Steuerrecht, 4. Aufl. München 2014, Rz. 14 f.; Höhn/David, Doppelbesteuerungsrecht, Bern/Stuttgart 1973; Keuthen, Die Vermeidung der juristischen Doppelbesteuerung im EG-Binnenmarkt, Berlin 2009, 24 ff.; Lang, M., Doppelte Nichtbesteuerung, CDFI 89a (2004), 21; Lehner in: Vogel/Lehner, Grundlagen, DBA, 6. Aufl. München 2015; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, Frankfurt/Bern/New York/Paris 1987; Meyer, Die Vermeidung internationaler Doppel- und Minderbesteuerung auf der Grundlage des Ursprungsprinzips, Diss. Göttingen 1970; Rädler/ Raupach, Deutsche Steuern bei Auslandsbeziehungen, München/Berlin 1966; Ritter in Vogel/Ellis u.a., Steueroasen und Außensteuergesetz, München 1981, 96; Ruppe, Internationale Probleme auf dem Gebiet der Umsatzbesteuerung, CDFI LXVIIIb (1983), 15 ff.; Schönfeld/Häck in: Schönfeld/Ditz, Systematik, DBA, Köln 2013; Weber-Fas, Staatsverträge im Internationalen Steuerrecht, Tübingen 1982, 29.
16.1
Die Steuerhoheit ist Ausdruck der Gebietshoheit eines Staates, innerhalb dessen Grenzen die Staatsgewalt ausgeübt wird. Daraus folgt, dass als Anknüpfungspunkte für die Besteuerung alle wirtschaftlichen Erscheinungen innerhalb des Staatsgebietes in Betracht kommen können (Territorialitätsprinzip). Damit ist das Ausmaß der Besteuerung aber noch nicht erschöpft; denn mangels eines entgegenstehenden völkerrechtlichen Verbots kann die Abgabengewalt auch auf auslandsbezogene Steuergüter ausgeweitet werden (Universalitätsprinzip). Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass es in persönlicher Hinsicht irgendeine Beziehung zum Staatsgebiet gibt, und zwar durch Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt (Wohnsitzprinzip) oder aber durch die Staatsangehörigkeit selbst. Existiert eine derartige persönliche Beziehung nicht, bleibt es bei der durch das Staatsgebiet gezogenen Besteuerungsschranke. Diese Schrankenwirkung entspricht dem völkerrechtlich verbindlichen Grundsatz, dass nur solche Sachverhalte der Besteuerung eines Staates unterworfen werden dürfen, die einen tatsächlichen Anknüpfungspunkt (genuine link) zu diesem aufweisen (Rz. 3.13).
16.2
Die Steuersysteme der einzelnen Länder haben den vorstehenden Prinzipien weitgehend Rechnung getragen, das Einkommen-, Körperschaft- und Erbschaftsteuergesetz Deutschlands beispielsweise durch die unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht. Die unbeschränkte Steuerpflicht knüpft an den Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt, Sitz oder an den Ort der Geschäftsleitung des Steuersubjektes an. Bei anderen Ländern, z.B. in den USA, tritt die Staatsangehörigkeit als weiteres Anknüpfungsmerkmal hinzu. Im Gegensatz zur unbeschränkten Steuerpflicht, in deren Rahmen das gesamte Welteinkommen/Welt-
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vermögen erfasst wird, ist die beschränkte Steuerpflicht auf Inlandseinkünfte/Inlandsvermögen begrenzt. Diejenigen Normen, die im Bereich der Einkommen-, Körperschaft- und Erbschaftsteuer eine unbeschränkte Steuerpflicht mit der Folge der Besteuerung des Welteinkommens/Weltvermögens statuieren, sind kollisions- oder konfliktbegründend. Sie sind die eigentliche Ursache der Doppelbesteuerung. Eine Kollisionsbegründung erfolgt im Bereich der vorgenannten Steuern insbesondere durch das internationale Nebeneinander von unbeschränkter Steuerpflicht im Wohnsitzstaat durch Erfassung des Welteinkommens/Weltvermögens und beschränkter Steuerpflicht im Quellenstaat durch Erfassung inländischen Einkommens und Vermögens. In diesem primären Kollisionsfall kollidieren also die Steueransprüche des Wohnsitzstaates und des Quellenstaates. Die Vermeidung der hierdurch verursachten Doppelbesteuerung ist das Hauptziel der kollisionsauflösenden Normen, das heißt derjenigen Normen, die die Vermeidung der Doppelbesteuerung zum Ziel haben (Rz. 2.3 ff.).
16.3
Eine Besteuerung nach Maßgabe des Territorialitätsprinzips ist von ihrem Ansatz her grundsätzlich auf Vermeidung von Doppelbesteuerung angelegt. Hierzu bedürfte es allerdings eines internationalen Konsenses aller Staaten insbesondere über die inländischen Steueranknüpfungspunkte. Denn nur bei identischen Quellendefinitionen lässt sich konzeptionell eine Doppelbesteuerung vermeiden. Ein derart weltweites Territorialitätsprinzip ist indessen chancenlos, weil Hochsteuerländer durch Überwechseln vom Welteinkommensprinzip zum Territorialitätsprinzip Steuerausfälle zu befürchten hätten (Rz. 6.60).1
16.4
Eine weitere Ursache der Doppelbesteuerung liegt in dem Nebeneinander von unbeschränkter Steuerpflicht in mehreren Staaten, etwa bei Doppelwohnsitz oder Mehrfachwohnsitz oder aber im Falle der Anknüpfung an den Wohnsitz einerseits und an die Staatsangehörigkeit andererseits. Auch diese Fälle der Doppelbesteuerung werden von den Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung erfasst. Schließlich ist eine Doppelbesteuerung auch durch eine verschiedenartig ausgeprägte beschränkte Steuerpflicht in mehreren Staaten möglich, etwa dann, wenn für die inländischen Steuerquellen jeweils unterschiedliche Anknüpfungspunkte gewählt werden.
16.5
Bei den Verkehr- bzw. Verbrauchsteuern, insbesondere bei der Umsatzsteuer, liegt die Ursache der Doppelbesteuerung in dem Nebeneinander von Bestimmungsland- und Ursprungslandbesteuerung (Rz. 10.3).2 Wo im Verhältnis mehrerer Staaten zueinander etwa das Bestimmungslandprinzip Geltung hat – derzeit in der EU –, tritt eine Doppelbesteuerung allerdings nur ein, wenn die Anknüpfungspunkte hierfür unterschiedlich ausgestaltet sind.3
16.6
1 Ebling, Unilaterale Maßnahmen gegen die internationale Doppelbesteuerung, 85 f.; Ritter in Vogel/Ellis u.a., Steueroasen und Außensteuergesetz, 96; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 52. 2 Stadie in R/D, Einf. UStG Rz. 730 ff.; Englisch in Tipke/Lang22, § 17 Rz. 400 f.; Tumpel, DStJG 32 (2009), 53 (73 ff.). 3 Stadie in R/D, Einf. UStG Rz. 730 ff.
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Kap. 16 Ursachen der Doppelbesteuerung
16.7
Die Ursache für eine Doppelbesteuerung im Bereich der Gewerbesteuer liegt insbesondere in der unterschiedlichen Anknüpfung an Steuerobjekte im Rahmen des prinzipiell geltenden Territorialitätsprinzips. So können etwa der Gewerbesteuer unterliegende Steuerquellen eines Staates einer Betriebsstätte des anderen Staates zugeordnet und dort ebenfalls der Gewerbesteuer unterworfen werden.1
16.8
Neben der Doppelbesteuerung selbst wird auch die doppelte Nichtbesteuerung (Minderbesteuerung) als ein Ergebnis nicht oder nicht voll korrespondierender2 Normen (bzw. von deren Auslegungen) in einigen Staaten aufgefasst.3 Aufgrund kollisionsbegründender Normen ist bei den Personensteuern eine Minderbesteuerung insbesondere in den Fällen denkbar, in denen Steuerpflichtige in Staaten ansässig sind, die nicht das Welteinkommen, sondern lediglich das Einkommen nach Maßgabe des Territorialitätsprinzips versteuern.4 Soweit in diesem Rahmen unterschiedliche Anknüpfungspunkte für die Besteuerung gewählt werden, kann es aus internationaler Sicht zu Besteuerungslücken kommen. Im Übrigen entsteht eine Minderbesteuerung auch unter dem Gesichtspunkt der Steuerflucht. Im Hinblick darauf wird die Minderbesteuerung auch als Ergebnis eines aktiven Steuerwiderstandes gedeutet,5 womit zugleich die Ursache dieser Minderbesteuerung umschrieben ist. Überwiegend wird eine Minderbesteuerung indessen nicht mit Steuerflucht in Verbindung gebracht, sondern stets dann angenommen, wenn Einkünfte in verschiedenen Staaten aufgrund unterschiedlich wirkender Rechtsordnungen tatsächlich keiner oder nur einer teilweisen Besteuerung unterliegen. Angesprochen sind damit u.a. die Fälle zwischenstaatlicher Qualifikationskonflikte, aufgrund deren es, etwa bei divergierender Anwendung von DBA, zu Doppelfreistellungen kommt (Rz. 19.84 ff.).
16.9
Im Hinblick darauf sind die uni- und bilateralen Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht selten mit Normen zur Vermeidung einer Minderbesteuerung verknüpft. Diese sind zumeist darauf gerichtet, Steuerentlastungen von bestimmten Voraussetzungen abhängig zu machen. Zu diesen Normen gehören etwa die Treaty-Shopping-Klausel des § 50d Abs. 3 EStG (Rz. 19.160 ff.), Subject-to-Tax-Klauseln der DBA (Rz. 19.85 f.) sowie des § 50d Abs. 8 und 9 EStG, die Switch-over-Klausel des § 20 Abs. 2 AStG (Rz. 19.552) sowie die abkommensrechtlichen Aktivitätsklauseln (Rz. 19.138).
1 Vgl. nur § 7 Satz 7 GewStG idF der AHRL-ÄndUmsG, wonach der Hinzurechnungsbesteuerung unterliegende ausländische Betriebsstättengewinne als inländische fingiert werden. 2 Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, 166 ff. 3 Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, 169 f.; Weber-Fas, Staatsverträge im Internationalen Steuerrecht, 29; Burmester in FS Debatin, 55 ff.; M. Lang, CDFI 89a (2004), 21 ff. 4 Z.B. Uruguay; vgl. Rz. 6.55. 5 Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, 169; Meyer, Die Vermeidung internationaler Doppel- und Minderbesteuerung auf der Grundlage des Ursprungsprinzips, 120 f.
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Kapitel 17 Vermeidung der Doppelbesteuerung A. Gründe für die Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . . . . B. Methoden zur Vermeidung Doppelbesteuerung . . . . . I. Methodenvielfalt . . . . . . II. Freistellungsmethode . . .
_ ___
17.1
der . . . 17.16 . . . 17.16 . . . 17.22
III. IV. V. VI.
Anrechnungsmethode . . Abzugsmethode . . . . . . Pauschalierungsmethode Erlassmethode . . . . . . .
. . . .
. . . .
. . . .
. . . .
_ _ __ _
17.29 17.34 17.36 17.38
C. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . 17.40
Literatur Bachmayr, Rechtsanspruch auf Schutz gegen internationale Doppelbesteuerung, StuW 1964, 885; Becker, Tücken bei der Anrechnung ausländischer Steuern, BB 1977, 536; Beul, Beschränkung europäischer Niederlassungsfreiheit und Art. 220 EGV, IStR 1997, 1 (4); Brodmann, Wettbewerbswirkungen unterschiedlicher Steuersysteme im internationalen Handel unter besonderer Berücksichtigung der Besteuerungsverhältnisse in der Schweiz, der Bundesrepublik Deutschland und in Frankreich, St. Gallen 1974; Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, Amsterdam 1964; Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, Baden-Baden 1993; Cordewener/Schnitger, Europarechtliche Vorgaben für die Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung im Wege der Anrechnungsmethode, StuW 2006, 50; Dautzenberg, Doppelbesteuerung und EG-Vertrag: Die Anrechnungsmethode als gemeinschaftsrechtlicher Mindeststandard?, DB 1994, 1542; Ditz/Plansky, Aktuelle Entwicklungen bei der Berücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste, DB 2009, 1669; Dörr, Praxisfragen zur Umsetzung der Zins- und Lizenzrichtlinie in § 50g EStG, IStR 2005, 109; Drüen, Die Bruttobesteuerung von Einkommen als verfassungsrechtliches Vabanquespiel, StuW 2008, 3; Dürrschmidt, „Europäisches Steuerrecht“ nach Lissabon, NJW 2010, 2086; Ebling, Die unilateralen Maßnahmen zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung, DStR 1976, 231; Ebling, Rechtsgrundsätze des Bundesfinanzhofs zum Internationalen Steuerrecht, DB 1983, Beilage Nr. 18, 1; Englisch, Verfassungsrechtliche Grundlagen und Grenzen des objektiven Nettoprinzips, DStR 2009, Beiheft zu Heft 34, 92; Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, Bern/Stuttgart 1974; Feuerbaum, Maßnahmen zur Sicherung der internationalen steuerlichen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Außenwirtschaft – insbesondere des Großanlagenbaus, DB 1980, 1805; FischerZernin, Internationale Ertragsteuern und Welthandelsordnung (GATT/WTO), Köln 1996; Flick, Methoden zur Ausschaltung der Internationalen Doppelbesteuerung bei den direkten Steuern, FinArch. 1961 (Band 21), 86; Flick, Recht und Gerechtigkeit im Internationalen Steuerrecht, FR 1961, 171; Flick, Steuerliche Gefahren für den Anlagenbau im Ausland, DStR 1977, 253; Freudling, Grundfragen zu DBA, AWD 1969, 108; Gandenberger, Der Einfluss der Einkommen- und Körperschaftsteuer auf die internationalen Wirtschaftsströme, DStJG 8 (1985), 33; Gebhardt/Quilitzsch, Europarechtliche Überlegungen zu § 32b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG, IStR 2010, 390; Häger, Meistbegünstigung im Recht der DBA, Baden-Baden 2008; Hahn, Grenzüberschreitende Berücksichtigung von Betriebsstättenverlusten?, IStR 2002, 681; Höhn/David, Doppelbesteuerungsrecht, Bern/Stuttgart 1973; IdW, Zur direkten Steueranrechnung nach § 34c EStG und § 26 Abs. 1 KStG 1977, DB 1977, 322 (323); Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 8. Aufl. München 2016; Juch, Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, CDFI LXVIb (1981), 81; Kahler, Die Freistellungsmethode in deutschen DBA und ihre Vereinbarkeit mit dem EG-Vertrag, Frankfurt u.a. 2007; Keuthen, Die Vermeidung der juristischen Doppelbesteuerung im EGBinnenmarkt, Berlin 2009; Kiehne, Verluste aus ausländischen Betriebsstätten nach deutschem Doppelbesteuerungsrecht, AWD 1967, 187; Knauer, Verlustausgleich und DBA, StuW 1964, 155; Kofler, DBA und Europäisches Gemeinschaftsrecht, Wien 2007; Krebühl,
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Kap. 17 Vermeidung der Doppelbesteuerung Das Steueranrechnungsverfahren in den USA – Ein Vorbild für Deutschland?, in Kley/Sünner/Willemsen (Hrsg.), FS für Ritter, Köln 1997, 147; Lamprecht, Betriebsstättenverluste, Verlustvortragsrecht und Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse nach dem Urteil des EuGH in der Rs. KR Wannsee, IStR 2008, 766; Lang, M., Doppelbesteuerungsabkommen und Gemeinschaftsrecht, in Breuninger/Müller/Strobl-Haarmann (Hrsg.), Steuerrecht und europäische Integration, FS für Rädler, München 1999, 429; Lang, Familienexistenzminimum im Steuer- und Kindergeldrecht, StuW 1990, 331; Lehner, Beseitigt die neue Verfassung für Europa die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Vermeidung der Doppelbesteuerung?, IStR 2005, 397; Lehner, Das Territorialitätsprinzip im Licht des Europarechts, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 241; Lehner, Der Einfluss des Europarechts auf die Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2001, 329; Lehner in Birk/Ehlers (Hrsg.), Rechtsfragen des europäischen Steuer-, Außenwirtschafts- und Zollrechts, Köln 1995, 18; Lehner in: Vogel/Lehner, Grundlagen, DBA, 6. Aufl. München 2015; Locher, Einführung in das internationale Steuerrecht der Schweiz, Bern 1996; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der Internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, Frankfurt/Bern/New York/ Paris 1987; Maiterth, Wettbewerbsneutralität der Besteuerung, Bielefeld 2001, 213; Manke, Günstigere Regelungen zur Berücksichtigung ausländischer Steuern, DStZ 1980, 323; Mennel, Internationaler Vergleich der Anrechnung ausländischer Steuern, RIW 1977, 470; Mersmann, Handbuch der Finanzwissenschaft (Bd. 4), Tübingen 1965; Mössner, Beschränkungen des Verlustausgleichs und Verlustabzuges, DStJG 17 (1994), 231; Mössner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, DStJG 8 (1985), 135; Mössner/Kellersmann, Grenzenlose Steuern – Fiktion oder Wirklichkeit?, DVBl. 1995, 968; Nieland, DBA als Problem innerstaatlicher Rechtsetzung, Frankfurt/Bern/New York/Paris 1989; Rädler, Meistbegünstigung im europäischen Steuerrecht?, in Burmester/Endres (Hrsg.), Außensteuerrecht, Doppelbesteuerungsabkommen und EU-Recht im Spannungsverhältnis, FS für Debatin, München 1997, 335; Ritter, Das Prinzip Rücksicht – zu den internationalen Grenzen der Steuerhoheit, BB 1984, 1109; Ritter, Nationale Steuerverschärfung als Beitrag zum internationalen Steuerwettbewerb, in Kleineidam (Hrsg.), Unternehmenspolitik und Internationale Besteuerung, in FS für L. Fischer, Berlin 1999, 179; Ritter, Steuerfreiheit ausländischer Schachteldividenden, BB 1994, 509; Ritter, Steuerprobleme inländischer Muttergesellschaften mit ausländischem Beteiligungsbesitz, JbFSt 1975/76, 339; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS für Tipke, Köln 1995, 125; Schaumburg, Das Nettoprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Tipke/Seer/Hey/Englisch (Hrsg.), Gestaltung der Rechtsordnung, FS für Lang, Köln 2010, 1099; Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Köln 2015; Scheffler, Steuerfreistellung für Auslandsinvestitionen, in Jacobs/ Spengel (Hrsg.), Aspekte der Unternehmensbesteuerung in Europa, Baden-Baden 1996, 155; Scherer, Doppelbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, München 1995; Schmitz, Kommentar zum Internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, Düsseldorf 1957; Schön, Unternehmensbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, StbJb 2003/2004, 27; Schön, Doppelbesteuerung und EU-Recht, in FG für Wassermeyer, München 2015, 7; Schönfeld, Hinzurechnungsbesteuerung zwischen Steuerwettbewerb und Europäischen Grundfreiheiten, StuW 2005, 158; Schönfeld/Häck in: Schönfeld/ Ditz, DBA, Köln 2013, Systematik Rz. 1 ff.; Seiler/Axer, Die EuGH-Entscheidung im Fall „Lidl-Belgium“ als (Zwischen-) Schritt auf dem Weg zur Abstimmung von nationaler Steuerhoheit und europäischem Recht, IStR 2008, 838; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, Amsterdam 1936 (Neudruck Köln 1967); Tipke, Hütet das Nettoprinzip!, in Kirchhof/Schmidt/Schön/Vogel (Hrsg.), Steuer- und Gesellschaftsrecht zwischen Unternehmerfreiheit und Gemeinwohl, FS für Raupach, Köln 2006, 177; Tipke, Verständigungsverfahren: Rechtsanspruch auf Beseitigung der Folgen einer Doppelbesteuerung oder bloßer Rechtsreflex?, AWD 1972, 589; Tumpel, Europarechtliche Besteuerungsmaßstäbe für die grenzüberschreitende Organisation und Finanzierung von Unternehmen, DStJG 23 (2000), 322; Vogel, Der Grundsatz der Rücksichtnahme im deutschen innerstaatlichen Recht und im Völkerrecht, in Kley/Sünner/Willemsen (Hrsg.), FS für Ritter, Köln
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A. Gründe für die Vermeidung der Doppelbesteuerung 1997, 771; Vogel, Die Besteuerung von Auslandseinkünften, DStJG 8 (1985), 3; Vogel, Harmonisierung des Internationalen Steuerrechts in Europa, StuW 1993, 380; Vogel, Theorie und Praxis im Internationalen Steuerrecht, DStR 1968, 427; Vogel/Wassermeyer u.a., Freistellung im Internationalen Steuerrecht, München 1996; Wassermeyer, Die Vermeidung der Doppelbesteuerung im Europäischen Binnenmarkt, DStJG 19 (1996), 151; Wassermeyer in: Wassermeyer, DBA, Vor Art. 1 OECD-MA, München (Loseblatt); Weber-Fas, Staatsverträge im Internationalen Steuerrecht, Tübingen 1982, 29; Wessel, Doppelbesteuerung und EWG-Vertrag, Münster 1988, 135; Widmer, Tendenzen in der Wahl der Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, RIW 1976, 566; Wolf, Die Individualberechtigung aus Abkommen im Internationalen Steuerrecht, Diss. München 1964.
A. Gründe für die Vermeidung der Doppelbesteuerung Die Doppelbesteuerung beruht im Bereich der Subjektsteuern1 vor allem auf dem internationalen Nebeneinander von unbeschränkter Steuerpflicht durch Erfassung des Welteinkommens/Weltvermögens, die anknüpft an Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt, Sitz oder Ort der Geschäftsleitung, und beschränkter Steuerpflicht durch Erfassung inländischen Einkommens/inländischen Vermögens. Neben dieser primären Kollision von unbeschränkter Steuerpflicht einerseits und beschränkter Steuerpflicht andererseits kann es zu einer Doppelbesteuerung auch durch das Nebeneinander von unbeschränkter Steuerpflicht in mehreren Staaten kommen. Schließlich ist eine Kollision auch durch eine verschiedenartig ausgeprägte beschränkte Steuerpflicht in mehreren Staaten möglich. Die internationale Doppelbesteuerung infolge kollisions- oder konfliktbegründender Normen2 erfährt ihre Einschränkung oder gar Aufhebung durch kollisionsauflösende Normen, das heißt durch Normen, die auf die Vermeidung der Doppelbesteuerung gerichtet sind (Rz. 2.3 ff.).
17.1
Der Begriff Vermeidung der Doppelbesteuerung ist zwar allgemein gebräuchlich, erfasst aber lediglich diejenigen (kollisionsvermeidenden) Normen, die das Zustandekommen einer Doppelbesteuerung verhindern. Im Vordergrund stehen indessen (kollisionsauflösende) Normen, die nachträglich eine Doppelbesteuerung beseitigen oder mildern. Im Hinblick darauf wird auch der Begriff Ausschaltung der Doppelbesteuerung verwendet.3
17.2
Zu den allgemeinen Regeln des Völkerrechts zählt zwar für jeden Staat das Verbot, die Steuerpflicht aufgrund seiner Steuergesetze ohne räumliche oder persönliche Schranken auszudehnen, so dass nur solche Sachverhalte der einseitigen Regelung eines Staates unterworfen sind, die eine tatsächliche Anknüpfung zum regelnden Staat aufweisen. Es gibt aber keinen völkerrechtlichen Satz, der
17.3
1 Zu ihnen gehören insbesondere Einkommensteuern; zur Steuertypologie im Einzelnen Hey in Tipke/Lang22, § 7 Rz. 20 ff. 2 Z.B. §§ 1 Abs. 1 bis 3 i.V. mit 2 Abs. 1 EStG für die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht und §§ 1 Abs. 4 i.V. mit § 49 Abs. 1 EStG für die beschränkte Einkommensteuerpflicht. 3 Flick, FinArch. 1961 (Bd. 21), 86 (90); Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, 19; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der Internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 27 f.
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Kap. 17 Vermeidung der Doppelbesteuerung
eine Doppelbesteuerung verböte und der die Vermeidung der Doppelbesteuerung zur Auflage machte.1 Insbesondere hat sich bislang auch kein Völkergewohnheitsrecht entwickelt, aufgrund dessen eine übereinstimmende Rechtsüberzeugung festgestellt werden könnte, dass eine Doppelbesteuerung vermieden werden müsste (Rz. 2.5).2 17.4
Auch der AEUV enthält kein ausdrückliches Doppelbesteuerungsverbot.3 Der inzwischen ersatzlos aufgehobene4 Art. 293 EG-Vertrag verpflichtete aber die Mitgliedstaaten untereinander, Verhandlungen einzuleiten,5 um zugunsten ihrer Staatsangehörigen die Beseitigung der Doppelbesteuerung sicherzustellen.6 Auf dieser Grundlage ist mit dem EU-Übereinkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung bei Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen7 ein multilateraler völkerrechtlicher Vertrag geschaffen worden, der darauf gerichtet ist, durch korrespondierende Gewinnberichtigungen eine Doppelbelastung zu vermeiden (Rz. 3.79 ff.). Im Übrigen ist die Vermeidung der Doppelbesteuerung innerhalb der EU nicht sichergestellt.8 Das in Art. 26 AEUV verankerte Binnenmarktziel verpflichtet zwar die Mitgliedstaaten der EU auf die Be1 BFH v. 14.2.1975 – VI R 210/72, BStBl. II 1975, 497; v. 31.5.2006 – II R 66/04, BStBl. II 2007, 49; Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 13; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 8; Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, 167; Weber-Fas, Staatsverträge im Internationalen Steuerrecht, 39 f.; Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, 29; Mersmann in Handbuch der Finanzwissenschaft (Bd. 4), 89 (93); Burmester, Grundlagen internationaler Regelungskumulation und -kollision, unter besonderer Berücksichtigung des Steuerrechts, 277; Cordewener/Schnitger, StuW 2006, 50 (56); Ebling, DStR 1976, 231 (231). 2 Vogel, DStR 1968, 427 (430); Widmer, RIW 1976, 566 (567). 3 Hierzu Wessel, Doppelbesteuerung und EWG-Vertrag, 135 ff.; Kofler, DBA und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 381 ff.; Scherer, Doppelbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 76 f. 4 Zu den Folgen dieser Aufhebung Dürrschmidt, NJW 2010, 2086 (2089). 5 Diese Verpflichtung war allerdings nicht einklagbar; vgl. EuGH v. 11.7.1985 – Rs. 137/84 – Mutsch, Slg. 1985, 2681, Tz. 11; v. 10.2.1994 – Rs. C-398/92 – Mund & Fester, Slg. 1994, I-467, Tz. 11; v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, Slg. 1998, I-2793, Tz. 15. 6 Dieses Gebot wirkte konstitutiv; hierzu Kofler, DBA und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 384; Scherer, Doppelbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 61 ff.; Lehner in Birk/Ehlers (Hrsg.), Rechtsfragen des europäischen Steuer-, Außenwirtschaftsund Zollrechts, 18; Lehner in Gassner/Lang/Lechner, DBA und EU-Recht, 13 (15). 7 90/436/EWG v. 23.7.1990, ABl.EG Nr. L 225, 10 v. 20.8.1990 (Schiedsverfahrenskonvention); Gesetz zu dem Übereinkommen v. 23.7.1990 über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle der Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen v. 26.8.1993, BGBl. I 1993, 1308 (BStBl. I 1993, 818); BGBl. II 1995, 84 (BStBl. I 1995, 166). 8 Für eine Meistbegünstigung durch Inanspruchnahme der günstigsten vergleichbaren Besteuerung nach nationalem Steuerrecht oder nach Maßgabe eines DBA Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 836 ff.; Wassermeyer in Lehner (Hrsg.), Steuerrecht im Europäischen Binnenmarkt, Köln 1996, 151 (162 f.); Beul, IStR 1997, 1 (4); M. Lang in FS Rädler, München 1999, 429 (432 ff.); Tumpel, DStJG 23 (2000), 322 (344); Rädler in FS Debatin, München 1997, 333 (340 ff.); abgelehnt durch BFH v. 31.10.1990 – II R 176/87, BStBl. II 1991, 161; v. 26.5.2004 – I R 54/03, BStBl. II 2004, 767; v. 26.5.2004 – I R 54/03, BStBl. II 2004, 767; v. 9.11.2005 – I R 27/03, BStBl. II 2006, 564 unter Hinweis auf EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, Slg. 1998, I-2973; v. 5.7. 2005 – Rs. C-376/03 – D, Slg. 2005, I-5821, Tz. 52; umfassend Häger, Meistbegünstigung im Recht der DBA, vgl. ferner Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 271 ff.; Oellerich in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.161 ff.; im Übrigen Rz. 19.44.
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A. Gründe für die Vermeidung der Doppelbesteuerung
seitigung aller Hemmnisse im innergemeinschaftlichen Handel und auf die Verschmelzung der nationalen Märkte hinzuarbeiten, hieraus kann aber allenfalls die Verpflichtung der EU-Staaten abgeleitet werden, untereinander Verhandlungen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung aufzunehmen; ein Verbot der Doppelbesteuerung wird hierdurch nicht begründet.1 Ein Doppelbesteuerungsverbot lässt sich auch nicht unmittelbar aus den europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten ableiten.2 Die internationale Doppelbesteuerung verursacht zwar binnenmarktwidrige Wettbewerbshindernisse,3 diese beruhen aber durchweg auf Systemdefiziten sowohl der Ansässigkeits- als auch der Quellenstaaten. Es ist das nicht aufeinander abgestimmte Zusammenspiel von kollisionsbegründenden und kollisionsauflösenden Steuernormen (Rz. 16.3) der einzelnen Staaten, die einerseits eine Doppelbesteuerung verursachen und andererseits eine solche nur unzureichend zu mildern vermögen.4 Im Hinblick auf diese parallelen Verantwortlichkeiten von Ansässigkeits- und Quellenstaaten lässt sich ein grundfreiheitliches Verbot der Doppelbesteuerung nicht eindeutig nur an den einen oder anderen Staat adressieren. Hiernach ist es allein Sache der Mitgliedsstaaten, uni- oder bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zu ergreifen, wobei jedenfalls der Tatbestand der juristischen Doppelbesteuerung (Rz. 15.4) nicht als Verletzung der Grundfreiheiten beanstandet wird.5 Bei der Ausgestaltung der Vorschriften zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sind allerdings die EU-Diskriminierungsverbote (Rz. 4.12 ff.) zu beachten. Hieraus folgt konkret, dass sich die unilateralen und bilateralen Normen 1 Im Einzelnen hierzu Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 264 ff.; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 30 f.; Wessel, Doppelbesteuerung und EWG-Vertrag, 135 ff.; Kofler, DBA und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 381 ff.; Schaumburg in Gassner/Lang/Lechner (Hrsg.), Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, 269 (272 f.); a.A. Dautzenberg, DB 1994, 1542 ff., der ein europarechtliches Doppelbesteuerungsverbot auf Art. 4 Abs. 3 EUV und 110 AEUV stützt. 2 EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-226/96 – Gilly, Slg. 1998, I-2793, Tz. 30; vgl. ferner EuGH v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – Saint Gobain, Slg. 1999, I-6161, Tz. 57; v. 12.12.2002 – Rs. C385/00 – de Groot, Slg. 2002, I-1189; v. 14.11.2006 – Rs. C-513/04 – Kerkhaert u. Morres, Slg. 2006, I-10967, Tz. 15 ff.; v. 16.10.2008 – Rs. C-527/06 – Renenberg, Slg. 2008, I-7735, Tz. 48; v. 28.2.2013 – Rs. C-181/11 – Beker u. Beker, ISR 2013, 124; Wessel, Doppelbesteuerung und EWG-Vertrag, 135 ff.; Schön, IStR 2004, 289 (299); Hahn, IStR 2002, 681 (686); Mössner/Kellersmann, DVBl. 1995, 968 (970); für ein grundfreiheitliches Verbot dagegen Englisch, Dividendenbesteuerung, 251 ff.; Dautzenberg, DB 1994, 1542 ff.; ferner mehr oder weniger stark differenzierend Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 857 ff.; Lehner in FS Wassermeyer, 241 ff.; Schönfeld, StuW 2005, 158 ff.; vgl. auch den Literaturüberblick bei Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. A 72 ff. und Kofler, DBA und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 161 ff.; die Vereinbarkeit des abkommensrechtlichen Progressionsvorbehaltes mit den Grundfreiheiten wurden bejaht von BFH v. 15.5.2002 – I R 40/01, BStBl. II 2002, 660. 3 Lehner, IStR 2005, 397 (398). 4 Zu den Ursachen der Doppelbesteuerung Rz. 16.1 ff. 5 EuGH v. 20.5.2008 – Rs. C-194/06 – OESF, IStR 2008, 435 Rz. 32; v. 12.2.2009 – Rs. C-67/08 – Block, IStR 2009, 175 Rz. 23–31; v. 16.7.2009 – Rs. C-128/08 – Damseaux, Slg. 2009, I-6823, Tz. 27-30; v. 8.12.2011 – Rs. C-157/10 – Banco Bilbao, IStR 2012, 152 Rz. 37–42; anders dagegen EuGH v. 13.3.2014 – Rs. C-375/12 – Bouanich II, ECLI:EU:C:2014:138 = DStRE 2014, 1115, Tz. 35–40 zur Nichtberücksichtigung ausländischer Steuern; vgl. hierzu Schön in FG Wassermeyer, 7 ff. (8 f.).
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17.5
Kap. 17 Vermeidung der Doppelbesteuerung
zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ggü. den Grundfreiheiten zu legitimieren haben. Das gilt insbesondere für die Vorschriften über die Anrechnung ausländischer Steuern, die in ihrer jeweiligen normenspezifischen Ausprägung nicht selten gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) oder die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) verstoßen (Rz. 18.105, 18.110). 17.6
Das sekundäre Unionsrecht enthält allerdings für bestimmte Sachbereiche mitunter ein partielles Gebot der Vermeidung der Doppelbesteuerung. Angesprochen sind insbesondere die steuerliche Fusionsrichtlinie,1 die Mutter-/TochterRichtlinie2 und die Zins- und Lizenzgebührenrichtlinie:3 Die Fusionsrichtlinie gewährleistet unter bestimmten Voraussetzungen die grenzüberschreitende Verschmelzung, Spaltung und Sitzverlegung mit dem Ziel der Vermeidung einer wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Das gilt insbesondere für jene Fälle, in denen Mitgliedstaaten die an der Umstrukturierung beteiligten Gesellschaften einerseits als eigenständige Steuersubjekte und andererseits als transparente Gesellschaften, für die aus deutscher Sicht die Mitunternehmerkonzeption zur Anwendung kommt, qualifizieren.4 Die Fusionsrichtlinie ist in das deutsche Steuerrecht durch das UmwStG umgesetzt worden, womit im Wesentlichen die steuerneutrale Umstrukturierung von Gesellschaften über die Grenze erleichtert wird (Rz. 20.75 ff.). Die Mutter-/Tochter-Richtlinie verpflichtet demgegenüber die Mitgliedstaaten, in ihrer Eigenschaft als Quellenstaaten, Ausschüttungen einer Tochtergesellschaft an eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft von der Quellensteuer freizustellen.5 Diese Regelung ist durch § 43b EStG umgesetzt worden (Rz. 3.72). Darüber hinaus sind die Mitgliedstaaten auf Grund der Mutter-/Tochter-Richtlinie als Wohnsitzstaat der Muttergesellschaft gehalten, die entsprechenden Ausschüttungen (teilweise) freizustellen, oder aber die auf die Ausschüttungen entfallende Körperschaftsteuer der Tochtergesellschaft anzurechnen. Diesem Freistellungsgebot entspricht § 8b Abs. 1 KStG (Rz. 3.71, 18.144 ff.).6 Primärer Zweck der Zins- und Lizenzrichtlinie ist die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch eine Zuweisung des alleinigen Besteuerungsrechts an den Mitgliedstaat, in dem der Nutzungsberechtigte der Zinsoder Lizenzzahlungen ansässig ist. Im Hinblick darauf ist der andere Mitgliedstaat verpflichtet, eine Steuerbefreiung zu gewähren (Art. 1 Abs. 1 ZiLiRL) (Rz. 3.74, 18.190 ff.). Mit § 50g EStG sind die entsprechenden materiellen Bestim-
1 Richtlinie 2009/133/EG des Rates v. 19.10.2009, ABl. EU 2009 L 310/34 v. 25.11.2009 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, Abspaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, sowie für die Verlegung des Sitzes einer Europäischen Gesellschaft oder einer Europäischen Genossenschaft von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat; hierzu Rz. 3.66 ff. 2 RL 2011/96/EU des Rates v. 30.11.2011 über das gemeinsame Steuersystem der Mutterund Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, Abl. 2011 Nr. L 345, 8; zuletzt geändert durch RL 2014/86/EU des Rates v. 8.7.2014, ABl. 2014 Nr. L 219, 40; hierzu Rz. 3.70 ff. 3 RL 2003/49/EG des Rates v. 3.6.2003, ABl. Nr. L 157, 1 v. 26.6.2003, 49; zuletzt geändert durch RL 2013/13/EU, ABl. 2013 Nr. L 141, 30; hierzu Rz. 3.74 ff. 4 Z.B. Art. 4 Abs. 2 der Fusionsrichtlinie. 5 Art. 5 Mutter-/Tochter-Richtlinie. 6 Früher § 26 Abs. 2a KStG (indirekte Anrechnung).
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A. Gründe für die Vermeidung der Doppelbesteuerung
mungen ins deutsche Recht überführt worden, so dass Deutschland als Quellenstaat auf Antrag eine Entlastung vom deutschen Steuerabzug gewährt. Die Vermeidung der Doppelbesteuerung lässt sich als allgemein verbindliches Gebot schließlich auch nicht aus dem allgemeinen Grundsatz internationaler Rücksichtnahme ableiten.1 Dieser Rechtsgrundsatz, wenn er überhaupt eine eigenständige Völkerrechtsquelle2 darstellt, vermag nämlich nur dann Verbindlichkeit zu entfalten, wenn die Vermeidung der Doppelbesteuerung aus Rücksichtnahme auf die Besteuerungsinteressen anderer Staaten zwingend geboten wäre. Außerhalb des Geltungsbereichs von DBA ist dies zu verneinen.3
17.7
Allgemein wird angenommen, dass auch dem nationalen Recht kein Rechtssatz dahingehend zu entnehmen sei, dass eine Doppelbesteuerung verboten und deren Vermeidung geboten sei.4 Im Hinblick auf die internationale Kooperation, die Liberalisierung des Personen-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs seien es lediglich Gründe der Opportunität, Klugheitsregeln, die den Staat veranlassten, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden.5 Indessen ist es das verfassungsrechtlich verankerte Rechtsprinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, das eine Vermeidung der Doppelbesteuerung gebietet.6
17.8
Das Leistungsfähigkeitsprinzip, das als Fundamentalprinzip der Besteuerung weitgehend anerkannt wird (Rz. 4.9 f.), erlangt insbesondere in Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1 GG) verfassungsrechtliche Bedeutung. Das Leistungsfähigkeitsprinzip gibt nämlich den Vergleichsmaßstab für den allgemeinen Gleichheitssatz ab, so dass jedwede steuerrechtliche Differenzierung nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip zu erfolgen hat.
17.9
Dem Leistungsfähigkeitsprinzip entspricht (auch) die Besteuerung des Welteinkommens, wobei das Territorialitätsprinzip eine weitere Konkretisierungsmöglichkeit des Leistungsfähigkeitsprinzips bedeutet (Rz. 6.58).7 Die Besteuerung des Welteinkommens führt konzeptionell zu einer qualitativ und quantitativ vollständigen Erfassung der Einkünfte von unbeschränkt steuerpflichtigen Per-
17.10
1 So aber Ritter, JbFSt 1975/76, 339 (348); Ritter, BB 1984, 1109 (1112 f.); ferner Vogel in FS Ritter, 771 ff. 2 Hierzu zählen internationale Übereinkünfte, internationales Gewohnheitsrecht von Kulturvölkern, anerkannte Rechtsgrundsätze sowie als Hilfsquellen richterliche Entscheidungen und Lehrmeinungen; hierzu unter Rz. 3.11 ff. 3 Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 32 ff.; vgl. auch Mössner, DStJG 8 (1985) 121 f. 4 BFH v. 14.2.1975 – VI R 210/72, BStBl. II 1975, 497; Ebling, DB 1983, Beilage Nr. 18, 1 (8); ein subjektives Recht auf Vermeidung der Doppelbesteuerung wird allerdings abgeleitet aus der Transformation des EWG-Vertrages von Wolf, Die Individualberechtigung aus Abkommen im Internationalen Steuerrecht, 99 ff. 5 So Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der Internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 45. 6 Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 10; Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 34; Schaumburg in Gassner/Lang/Lechner (Hrsg.), Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, 269 (272 f.); Schaumburg in FS Tipke, 125 (143 ff.); Tipke, AWD 1972, 589 ff.; ähnlich Bachmayr, StuW 1964, 885 ff.; Knechtle, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, Basel/Stuttgart 1976, 52 f. 7 Zu Einzelheiten Schaumburg in FS Tipke, 125 (128).
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Kap. 17 Vermeidung der Doppelbesteuerung
sonen. Dieser universellen Erfassung der Einkünfte als Maßgröße objektiver Leistungsfähigkeit folgt stets die Korrektur durch die Maßgröße subjektiver Leistungsfähigkeit, die zu dem Ergebnis des für die Steuerzahlung verfügbaren (disponiblen) Einkommens führt.1 17.11
Ausländische Steuern, die zusätzlich auf das Einkommen oder auf die Einkommensverwendung zu zahlen sind, belasten die subjektive Leistungsfähigkeit.2 Sie mindern als unvermeidbare Belastungen das disponible Einkommen. Die auf ausländische Einkommensteile gezahlte ausländische Einkommensteuer ist daher stets unter dem Gesichtspunkt der subjektiven Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen.3 Nur so wird die horizontale Steuergerechtigkeit verwirklicht, die die gleiche Steuerbelastung gleich hoher (disponibler) Einkommen gebietet.4
17.12
Die Vermeidung der Doppelbesteuerung ist somit die Kehrseite der Besteuerung des Welteinkommens.5 Im Hinblick darauf sind die Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in erster Linie im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht zu ergreifen.6 Diese Aufgabe fällt damit vor allem dem jeweiligen Wohnsitzstaat zu.7 Diese Rechtspflicht ist im deutschen Steuerrecht weitgehend durch die unilateralen8 und bilateralen9 Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung umgesetzt worden. Hierbei handelt es sich indessen nur um partielle Regelungen. Es gibt keine steuerrechtliche Norm, die das dem Leistungsfähigkeitsprinzip entlehnte, dem Art. 3 Abs. 1 GG entsprechende Gebot der Vermeidung der Doppelbesteuerung generell umsetzt. Die Finanzverwaltung ist daher im Rahmen von Billigkeitsmaßnahmen durch Steuererlass (§§ 163, 227 AO) gehalten, die Doppelbesteuerung zu vermeiden und hierdurch dem Leistungsfähigkeitsprinzip 1 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 619 ff., 763 ff.; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 168 f. 2 Der Grundsatz, dass die Einkommensteuer als Rechtsfolge der persönlichen Leistungsfähigkeit nicht selbst die Maßgröße steuerlicher Leistungsfähigkeit beeinflussen soll, betrifft stets nur die inländische Steuer; hierzu Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 80. 3 Tipke, Steuergerechtigkeit, 120; Flick, FR 1961, 171 (172), die die Vermeidung der Doppelbesteuerung als Gebot der Steuergerechtigkeit auffassen. 4 Vgl. BVerfG v. 29.5.1990 – 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BStBl. II 1990, 653 (659); Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, 165, 170; Lang, StuW 1990, 331 (347 f.). 5 So auch Regierungsbegründung zum StÄndG v. 20.8.1980 betr. § 34c EStG (BT-Drucks. 8/3648, 19 ff.). 6 Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im Rahmen beschränkter Steuerpflicht gem. § 50 Abs. 3 EStG im Einzelnen Rz. 18.51. 7 Manke, DStZ 1980, 323 (326); Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 83; Höhn/David, Doppelbesteuerungsrecht, 81; so auch im Hinblick auf die Grundfreiheiten EuGH v. 7.9.2004 – Rs. C-319/02 – Manninen, IStR 2004, 680 Rz. 30–54; v. 6.3.2007 – Rs. C-292/04 – Meilicke, IStR 2007, 247 Rz. 21–31; v. 10.2.2011 – Rs. C-436, 437/08 – Haribo Lakritzen u. Österreichische Salinen, ECLI:EU:C:2011:61, Tz. 112–138 = IStR 2011, 299; v. 30.6.2011 – Rs. C-262/09 – Meilicke II, ECLI:EU:C:2011:438 = IStR 2011, 551 Rz. 24–34; v. 11.9.2014 – Rs. C-47/12 – Kronos, ECLI:EU:C:2014:2200, Tz. 69 = ISR 2014, 337 m. Anm. Spies = IStR 2014, 724; vgl. hierzu auch Schön in FG Wassermeyer, 7 ff. (9). 8 Z.B. § 34c EStG, § 26 KStG, § 102 Abs. 2 BewG, § 9 Nr. 7 GewStG, § 8b Abs. 1 KStG. 9 DBA.
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A. Gründe für die Vermeidung der Doppelbesteuerung
Geltung zu verschaffen,1 soweit dies weder die unilateralen noch die bilateralen Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zu leisten vermögen. Die Doppelbesteuerung führt zu einer Beeinträchtigung des internationalen Wirtschaftsverkehrs und behindert die Freizügigkeit von Waren, Dienstleistungen, Kapital und Arbeit. Sie führt zudem zu einer Beeinträchtigung der Wettbewerbsposition, da mit jeder Doppelbesteuerung, soweit sie nicht nachträglich behoben werden kann, eine finanzielle Mehrbelastung verbunden ist. Eine derartige Schwächung der Wettbewerbsposition der betroffenen Unternehmen ist mit den Grundsätzen einer liberalisierten Weltwirtschaft und damit zugleich mit den vom GATT-Vertrag2 verfolgten Zielsetzungen3 unvereinbar. Soweit die aufgrund internationaler Doppelbesteuerung entstehenden Mehrlasten nicht überwälzt werden können,4 verschlechtert sich die Wettbewerbsposition langfristig insbesondere dadurch, dass infolge geringerer Nettogewinne die Selbstfinanzierungsmöglichkeiten zur Vornahme von Rationalisierungs- oder Kapazitätserweiterungsmaßnahmen abnehmen und die Beteiligungs- und Fremdfinanzierung erschwert wird.5 Im Hinblick darauf hat insbesondere die internationale betriebswirtschaftliche Steuerlehre den Einfluss der Besteuerung auf die ausländische Geschäftstätigkeit deutscher Unternehmen untersucht.6 Im Vordergrund stehen hierbei steuerorientierte Handlungsalternativen und Entscheidungsmodelle, die sich im Sinne einer Steuerminimierung auch daran orientieren, in welchem Maße eine internationale Doppelbesteuerung vermieden werden kann.7 1 Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 10; vgl. grundsätzlich zu dieser exekutiven Entlastungspflicht BVerfG v. 12.10.1976 – 1 BvR 2328/73, BVerfGE 43, 1 (12); BFH v. 4.2.1987 – I R 252/83, BStBl. II 1987, 682, v. 20.4.1988 – I R 219/82, BStBl. II 1990, 701; vgl. auch BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461, Tz. 8 für den Fall des Scheiterns von Verständigungsverfahren; einen Anspruch des Steuerpflichtigen ggü. der Finanzverwaltung dagegen verneinend Nieland, DBA als Problem innerstaatlicher Rechtsetzung, 45 f. 2 BGBl. II 1951, 4 sowie BGBl. II 1994, 1438 und BGBl. II 1995, 456 in der von der sog. Uruguay-Verhandlungsrunde ergänzten Fassung. 3 Hierzu die Hinweise bei Fischer-Zernin, Internationale Ertragsteuern und Welthandelsordnung (GATT/WTO), 5 ff. 4 Zur Überwälzbarkeit von Gewinnsteuern Brodmann, Wettbewerbswirkungen unterschiedlicher Steuersysteme im internationalen Handel unter besonderer Berücksichtigung der Besteuerungsverhältnisse in der Schweiz, der Bundesrepublik Deutschland und in Frankreich, 88 ff. 5 Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der Internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 34 ff. 6 Auch als internationale betriebswirtschaftliche Steuerwirkungslehre bezeichnet, vgl. Fischer/Kleineidam/Warneke, Internationale Betriebswirtschaftliche Steuerlehre5, 251 ff. 7 Umfassend Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 885 ff.; zur Steuerplanung im Internationalen Steuerrecht ferner: Rieger, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts als Problem der Steuerplanung in der multinationalen Unternehmung, Berlin 1978; Dücker, Die Ertragsteuerbelastung von Auslandsinvestitionen unter besonderer Berücksichtigung der steuerlichen Verlustverrechnung, Frankfurt 1985; Wacker, Steuerplanung im nationalen und transnationalen Unternehmen, Berlin 1979; Haas/Bacher/ Scheuer, Steuerliche Gestaltung internationaler Geschäftsbeziehungen, Berlin 1974; Kratz, Steuerplanung internationaler Unternehmungen, Bern/Stuttgart 1986; Arndt, Die Besteuerung internationaler Geschäftstätigkeit deutscher Banken, Baden-Baden 1986; Hoffmann, Besteuerung bei internationaler Finanzierung und Kapitalverlagerung
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17.13
Kap. 17 Vermeidung der Doppelbesteuerung
17.14
Deutschland mit seiner exportorientierten Volkswirtschaft, mit hoher Auslandsinvestitionsquote und starken Auslandsaktivitäten der deutschen Wirtschaft ist in besonderem Maße sensibel ggü. den wettbewerbsverzerrenden Einflüssen internationaler Doppelbesteuerung. Die Konkurrenzfähigkeit bestimmter Wirtschaftszweige, die überwiegend auf Auslandsmärkten tätig sind, etwa des Anlagenbaus,1 hängt weitgehend davon ab, in welchem Maße die Vermeidung der Doppelbesteuerung tatsächlich gelingt.
17.15
Im Hinblick darauf wird die Vermeidung der Doppelbesteuerung als ein Gebot (auch) wirtschaftlicher Vernunft allgemein anerkannt.2
B. Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung I. Methodenvielfalt 17.16
Die Methoden beschreiben die technische Art und Weise, wie die Vermeidung internationaler Doppelbesteuerung im Rahmen der einzelnen Maßnahmen erreicht werden soll. Die technischen Ausgestaltungsmöglichkeiten sind vom deutschen Gesetzgeber durchweg umgesetzt worden, so dass die Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von einer Methodenpluralität beherrscht werden. Während auf unilateraler Ebene neben der Steueranrechnung,3 dem Steuerabzug,4 der Steuerermäßigung5 und der Steuerpauschalierung6 die (teilweise) Steuerfreistellung7 nur ausnahmsweise in Betracht kommt, stellt auf bilateraler Ebene, also im Rahmen von DBA, die Steuerfreistellung neben der Steueranrechnung die Regelmethode dar. Die systematischen Ansätze dieser Methoden sind unterschiedlich.
17.17
Die Anrechnungsmethode ist mit dem Welteinkommensprinzip systemkonform und unterstreicht das mit diesem Welteinkommensprinzip verbundene Leistungsfähigkeitsprinzip dahingehend, dass inländische und ausländische Einkommensteile gleichermaßen mit inländischer Steuer belastet sind. Durch die Anrechnungsmethode wird zugleich die Wettbewerbsneutralität gegenüber inländi-
1 2
3 4 5 6 7
deutscher Unternehmen, Göttingen 1980; Nieß, Der Einfluss der internationalen Besteuerung auf die Finanzierung ausländischer Grundeinheiten deutscher multinationaler Unternehmen, Bergisch Gladbach/Köln 1989; Schlick, Besteuerung und internationale Finanzierung, Frankfurt/Bern/New York/Paris 1989; Böhmer, Die deutsche Besteuerung grenzüberschreitender Unternehmensverträge, Baden-Baden 1991; vgl. auch die Beiträge in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3. Hierzu Feuerbaum, DB 1980, 1805 ff.; Flick, DStR 1977, 253 ff. Vgl. Tipke, Steuergerechtigkeit, 120; Nieland, DBA als Problem innerstaatlicher Rechtsetzung, 47; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 34 ff.; Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, 63. § 34c Abs. 1 EStG, § 26 Abs. 1 KStG, § 21 ErbStG. § 34c Abs. 2, 3 EStG, § 26 Abs. 6 KStG. § 34c Abs. 5 EStG, § 26 Abs. 6 KStG. § 34c Abs. 5 EStG, § 26 Abs. 6 KStG. § 3 Nr. 40 u. 41 EStG, § 9 Nr. 7 GewStG; § 8b Abs. 1, 2 KStG.
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B. Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
schen Unternehmen (Kapitalexportneutralität) verwirklicht.1 Auf gleiche Weise finden auch die Methoden des Steuerabzugs, der Steuerermäßigung sowie der Steuerpauschalierung ihre systematische Einordnung: Sie entsprechen ebenfalls dem Welteinkommensprinzip.2 Demgegenüber realisiert die Freistellungsmethode partiell das Territorialitätsprinzip insoweit, als ausländische Einkünfte im Ansässigkeitsstaat der Besteuerung nicht unterworfen werden. Dieser Systembruch führt dazu, dass im Widerspruch zum Welteinkommensprinzip für in- und ausländische Einkünfte eine unterschiedliche Leistungsfähigkeit zur Geltung kommt.3
17.18
Die Differenzierung zwischen inländischer und ausländischer Leistungsfähigkeit4 entspricht dem Territorialitätsprinzip, das in seiner konzeptionellen Ausrichtung sachgerechter ist als das Welteinkommensprinzip.5 Das Abstellen auf die ausländische Leistungsfähigkeit im Rahmen des Territorialitätsprinzips ist insbesondere dann geboten, wenn der betreffende Steuerpflichtige mit der ausländischen Volkswirtschaft wirtschaftlich und damit wettbewerbsmäßig eng verbunden ist.6 Eine derartige Einbettung in die ausländische Volkswirtschaft ist vor allem bei dort belegenen aktiv tätigen Betriebsstätten gegeben. Hier ist es sachgerecht, die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit an den Verhältnissen des Betriebsstättenstaates zu orientieren. Der deutsche Gesetzgeber hat indessen das Welteinkommensprinzip verwirklicht, mit dem eine Steuerfreistellung im Grundsatz unvereinbar ist. Deshalb lässt sich die Steuerfreistellung auch nicht als Verwirklichung der allein im Rahmen des Territorialitätsprinzips bedeutsamen ausländischen Leistungsfähigkeit rechtfertigen.7 Aus der Sicht Deutschlands als kapitalexportierendem Staat ist die Freistellungsmethode, auch wenn sie nicht mit dem Welteinkommens-/Weltvermögensprinzip vereinbar ist, dennoch sachlich gerechtfertigt, weil sie die internationale wirtschaftliche Zusammenarbeit nicht beeinträchtigt und den deutschen Auslandsinvestitionen Wettbewerbschancen einräumt.8 Damit ergibt sich: Die konsequente Umsetzung des Welteinkommens-/Weltvermögensprinzips verlangt zwar im Grundsatz allein die Steueranrechnung als Methode
17.19
1 Gandenberger, DStJG 8 (1985), 33 (35 f.); Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 25 f.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 19 ff.; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 38 ff.; Juch, CDFI LXVIb (1981), 81 (86); Burmester in Gassner/Lang/Lechner (Hrsg.), Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, 241 (244). 2 Schaumburg in FS Tipke, 125 (146). 3 Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (142); Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 44; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 19 ff. 4 Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (142 f.); Vogel, DStJG 8 (1985), 3 (28 ff.). 5 Zum Welteinkommensprinzip und Territorialitätsprinzip im Einzelnen Rz. 6.53 ff. 6 Hierzu Jacobs, Internationale Unternehmensbesteueurng8, 27 ff. 7 Vogel, DStJG 8 (1985), 3 (28 ff.); a.A. Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (142); Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 42 ff. 8 Im Hinblick darauf wird die Freistellungsmethode als Regelmethode für ausländische Direktinvestitionen gefordert von Vogel, StuW 1993, 380 (386 ff.); Ritter, BB 1994, 509; Ritter in FS L. Fischer, 179 (186 f.); Krebühl in FS Ritter, 147 (166).
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Kap. 17 Vermeidung der Doppelbesteuerung
zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, die Freistellungmethode, die konzeptionell das Quellenprinzip (Territorialitätsprinzip) verwirklicht, ist aber gleichwohl gerechtfertigt, weil gerade sie in besonderem Maße eine auf die ausländische Leistungsfähigkeit ausgerichtete Besteuerung berücksichtigt.1 17.20
Mit der Steuerfreistellung wird zugleich die Wettbewerbsneutralität im Ausland gegenüber ausländischen Unternehmen (Kapitalimportneutralität) gewahrt.2
17.21
Im Hinblick auf die mit der Freistellungsmethode verknüpfte Kapitalimportneutralität wird im Ausgangspunkt dem europäischen Binnenmarktkonzept in besonderer Weise dadurch entsprochen, dass inländische Investoren Zugang zu ausländischen Märkten mit geringerem Steuerniveau eröffnet wird, ohne dass das zwischenstaatliche Steuergefälle durch gesetzgeberische Maßnahmen – wie bei der Anrechnungsmethode – vereitelt wird.3 Indessen orientiert sich das Konzept des europäischen Binnenmarktes hinsichtlich der Gewährleistung freier Standortentscheidungen nicht an Steuerbelastungsunterschieden in den einzelnen Mitgliedstaaten, so dass unter diesem Gesichtspunkt wegen der kapitalexportneutralen Besteuerung auch die Anrechnungsmethode gerechtfertigt ist.4 Im Ergebnis sind somit die Freistellungs- und Anrechnungsmethode gleichermaßen mit den europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten vereinbar.5
II. Freistellungsmethode 17.22
Die Freistellungsmethode, die insbesondere von den kontinentaleuropäischen Staaten angewendet wird,6 entfaltet ihre eigentliche Bedeutung im Rahmen von DBA (Rz. 19.521 ff.). Eine Freistellung ausländischer Einkünfte auf unilateraler Basis, also durch einseitige Maßnahmen des nationalen Steuerrechts, erfolgt nur selten.7 Diese Zurückhaltung in der Anwendung der Freistellungsmethode ist systembedingt, weil die Freistellungsmethode der Verwirklichung des Territorialitätsprinzips dient und im Grundsatz mit dem Welteinkommensprinzip unvereinbar ist.8 Schließlich sind es auch fiskalische Klugheitsregeln, die dazu führen, dass ein einseitiger Steuerverzicht nur selten ausgesprochen wird.9 1 Schaumburg in FS Tipke, 125 (147). 2 Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 25 f.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 21; Gandenberger, DStJG 8 (1985), 33 (35 f.); Spengel, DStJG 36 (2013), 39 (48 ff.). 3 Für eine Präferenz der Freistellungsmethode unter diesem Gesichtspunkt Lehner in FS Wassermeyer, 241 ff.; Schönfeld in F/W/B/S, vor § 34c EStG Rz. 21. 4 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 27 ff.; Maiterth, Wettbewerbsneutralität der Besteuerung, 213; Rädler, DStJG 14 (1994), 279 ff. 5 Schön, StbJb 2003/2004, 27 (44); Lehner, IStR 2001, 329 (336). 6 Überblick bei Juch, CDFI LXVIb (1981), 81 ff. 7 Vgl. aber z.B. § 9 Nr. 7 GewStG; § 8b Abs. 1, 2 KStG. 8 Zu weiteren methodischen Defiziten der Freistellungsmethode Scheffler in Jacobs/Spengel (Hrsg.), Aspekte der Unternehmensbesteuerung in Europa, 155 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 27 ff. 9 Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (165); Ebling, Unilaterale Maßnahmen gegen die internationale Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Ertrag, 101; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 64 f.; Schaumburg in Gassner/ Lang/Lechner (Hrsg.), Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, 269 (279).
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Schaumburg
B. Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
Soweit die Freistellung auf bilateraler Ebene eingreift, ergibt sich die Rechtsgrundlage hierfür unmittelbar aus den DBA selbst. Die entsprechenden Abkommensvorschriften führen zu einer unmittelbar wirkenden Steuerbefreiung im nationalen Recht, sind also Self-executing-Normen.1 Sie werden überwiegend als sachliche Steuerbefreiung aufgefasst.2 Die Steuerbefreiung greift deshalb grundsätzlich unabhängig davon ein, ob in dem anderen Land tatsächlich eine Besteuerung erfolgt.3
17.23
Soweit sich die Freistellung auf die Einnahmen bezieht, ergibt sich als Folge ein Ausgabenabzugsverbot gem. § 3c EStG und § 8b Abs. 3 u. 5 KStG. Diese auf die Vermeidung doppelter steuerlicher Vorteile gerichteten Regelungen betreffen vor allem ganz oder teilweise steuerfrei gestellten Dividenden ausländischer Kapitalgesellschaften (§ 3c Abs. 2 EStG, § 8b Abs. 5 KStG; Rz. 18.20, 18.156). Die Rechtsprechung4 folgert darüber hinaus aus der abkommensrechtlich gebotenen Freistellung der ausländischen Einkünfte im Grundsatz die Nichtberücksichtigung der entsprechenden Verluste. Das Verbot des Verlustausgleichs über die Grenze wird hierbei durchweg unmittelbar aus den DBA selbst abgeleitet, wonach bestimmte Einkünfte, also auch positive und negative Beträge, von der deutschen Besteuerung ausgenommen sind (Symmetriethese).
17.24
Die Nichtberücksichtigung von Verlusten bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer führt zu einer Störung des Welteinkommensprinzips und zu einer Verletzung des objektiven Nettoprinzips5 und damit zugleich des Leistungsfähigkeitsprinzips, wenn die Gesamtsteuerbelastung hierdurch höher ist als bei An-
17.25
1 Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 9; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 24; Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (147). 2 BFH v. 14.3.1989 – I R 20/87, BStBl. II 1989, 649; v. 1.10.1992 – I B 42/92, I B 43/92, IStR 1992, 103; v. 21.5.1997 – I R 79/96, BStBl. II 1998, 113; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 2; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik, Rz. 24; Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, 322; Kahler, Die Freistellungsmethode in deutschen DBA und ihre Vereinbarkeit mit dem EG-Vertrag, 79; Ebling, Unilaterale Maßnahmen gegen die internationale Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Ertrag, 100; Flick, FinArch. 1961 (Bd. 21), 86 (106); Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommenund Körperschaftsteuer, 64; modifizierend BVerfG v. 10.3.1971 – 2 BvL 3/68, BVerfGE 30, 272 (280), wonach die freizustellenden Einkünfte von vornherein der deutschen Besteuerung entzogen sind. 3 Sog. virtuelle Doppelbesteuerung, vgl. RFH vom 29.2.1940, RStBl. 1940, 532; BFH v. 13.9. 1972 – I R 130/70, BStBl. II 1973, 57; v. 31.7.1974 – I R 27/73, BStBl. II 1975, 61; v. 4.8.1976 – I R 152, 153/74, I R 152/74, I R 153/74, BStBl. II 1976, 662. 4 Ständige Rechtsprechung: RFH v. 26.6.1935, RStBl. 1935, 1358; BFH v. 11.3.1970 – I 91/65, BStBl. II 1970, 588; v. 23.3.1972 – I R 128/70, BStBl. II 1972, 948; v. 28.8.1973 – I R 59/71, BStBl. II 1973, 531; v. 20.7.1973 – VI R 198/69, BStBl. II 1973, 732; v. 25.2.1976 – I R 150/73, BStBl. II 1976, 454; v. 12.1.1983 – I R 90/79, BStBl. II 1983, 382; v. 9.8.1989 – I B 118/88, BStBl. II 1990, 175; v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136; v. 26.3.1991 – IX R 162/85, BStBl. II 1991, 704; v. 6.10.1993 – I R 32/93, BStBl. II 1994, 113; v. 18.1.2001 – I R 70/00, BStBl. II 2003, 48;v. 29.11.2006 – I R 45/05, BStBl. II 2007, 398; v. 17.7.2008 – I R 84/04, BStBl. II 2009, 630; v. 3.2.2010 – I R 23/09, BStBl. II 2010, 599; v. 9.6.2010 – I R 100/09, DB 2010, 1731; v. 9.6.2010 – I R 107/09, DB 2010, 1733; v. 5.2.2014 – I R 48/11, ISR 2014, 204 m. Anm. Müller = BFH/NV 2014, 963; Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 52 ff.; zu weiteren Einzelheiten Rz. 19.532 ff. 5 Hierzu Schaumburg in FS Lang, 1099 ff.
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Kap. 17 Vermeidung der Doppelbesteuerung
wendung der systemkonformen Anrechnungsmethode. Das Höchstmaß der an der Leistungsfähigkeit orientierten Besteuerung wird nämlich durch das Welteinkommensprinzip unter Einbeziehung der Steueranrechnung gesetzt. Von dieser gesetzgeberischen Grundentscheidung darf zu Ungunsten des Steuerpflichtigen nicht abgewichen werden mit der Folge, dass die Steuerfreistellung zu keiner Steuerverschärfung führen darf.1 Das gilt auch unter dem Gesichtspunkt der europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten: Soweit ein Verlustausgleich im Inland möglich ist, darf er grenzüberschreitend nicht versagt werden, soweit der Verlust im Ausland steuerlich nicht (mehr) zur Geltung gebracht werden kann (finale Verluste).2 17.26
Durch die Freistellungsmethode wird die Wettbewerbsneutralität der Besteuerung im Sinne der Kapitalimportneutralität realisiert.3 Hierdurch wird im Grundsatz gewährleistet, dass inländische Unternehmen auf ausländischen Märkten den gleichen Steuerlasten unterworfen sind wie die dortigen Konkurrenten. Die Steuerfreistellung und die damit verbundenen Kapitalimportneutralität erfolgt zumeist mit Einschränkungen oder nur unter Vorbehalt. So wird insbesondere auf der Ebene von DBA die Freistellung im Quellenstaat mitunter nur auf die in den Wohnsitzstaat überwiesenen Einkünfte beschränkt4 oder nur unter der Bedingung gewährt, dass die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat auch tatsächlich steuerpflichtig sind.5 Schließlich sehen DBA mitunter auch den Übergang von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode bei Qualifikations- oder Zurechnungskonflikten (Rz. 19.82) sowie zur Verhinderung von Abkommensmissbrauch (Rz. 19.140) vor.6
17.27
Nicht selten wird die Freistellung nur unter Aktivitätsvorbehalt gewährt, so dass die betreffenden Einkünfte aus sog. aktiven oder produktiven Tätigkeiten stam1 Schaumburg in FS Tipke, 125 (151). 2 EuGH v. 15.5.2008 – Rs. C-414/06 – Lidl Belgium, Slg. 2008, I-3617; hierzu Seiler/Axer, IStR 2008, 838 ff.; BFH v. 17.7.2008 – I R 84/04, BStBl. II 2009, 630; Nichtanwendungserlass BMF v. 13.7.2009 – IV B 5 - S 2118-a/07/10004 – DOK 2009/0407190, BStBl. I 2009, 835; BFH v. 3.2.2010 – I R 23/09, BFH/NV 2010, 1163; v. 5.2.2014 – I R 48/11, ISR 2014, 204 m. Anm. Müller = BFH/NV 2014, 963; vgl. auch EuGH v. 23.10.2008 – Rs. C-157/07 – KR Wannsee, IStR 2008, 769; BFH v. 9.6.2010 – I R 107/09, DB 2010, 1733: Berücksichtigung finaler Verluste nur bei Umwandlung der Betriebsstätte in eine Kapitalgesellschaft oder bei „endgültiger“ Aufgabe, nicht aber bei einem nur zeitlich begrenzten Verlustvortrag; dagegen EuGH v. 17.12.2015 – Rs. C-388/14 – Timac Agro, ECLI:EU:C:2015:829 = ISR 2016, 54 m. Anm. Müller = IStR 2016, 74: keine Berücksichtigung bei konzerninterner Veräußerung; hierzu Oellerich in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.99 ff.; vgl. auch Rz. 6.88 f., 19.532. 3 Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 25 f.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 21; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 64; Gandenberger, DStJG 8 (1985), 33 (42 f.); Spengel, DStJG 36 (2013), 39 (48 ff.). 4 Sog. remittance-base-Klauseln; vgl. hierzu Dürrschmidt in V/L6, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 18; ferner Rz. 19.349. 5 Sog. Subject-to-Tax-Klauseln; vgl. hierzu Dürrschmidt in V/L6, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 19 ff.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 161; im nationalen Recht auch § 50d Abs. 8, 9 EStG; vgl. ferner 19.85 ff. 6 Sog. Switch-over-Klauseln; im nationalen Recht auch § 20 Abs. 2 AStG; hierzu Rz. 19.544.
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Schaumburg
B. Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
men müssen.1 Darüber hinaus wird die Steuerfreistellung in aller Regel mit einem sog. Progressionsvorbehalt gekoppelt, nach dem das inländische Einkommen dem für das gesamte Welteinkommen, also auch unter Einbeziehung der freigestellten ausländischen Einkünfte, geltenden progressiven Steuersatz unterworfen wird (Rz. 19.534 ff.). Durch diesen Progressionsvorbehalt soll die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, wie sie u.a. durch die progressive Ausgestaltung des Steuertarifs ihren Ausdruck findet, sichergestellt werden.2 Die Zielsetzung des Progressionsvorbehaltes, die durch Aufteilung von Einkünften auf verschiedene Staaten entstehenden Progressionsvorteile zu vermeiden,3 kann indessen nur teilweise erfüllt werden. Denn es verbleibt stets ein Progressionsvorteil dadurch, dass die im Wohnsitzstaat freigestellten Einkünfte im Quellenstaat regelmäßig nicht nach dem Steuersatz des Gesamteinkommens besteuert werden.4 Im deutschen Steuerrecht ist die Rechtsgrundlage für den Progressionsvorbehalt § 32b EStG. Er stellt eine Ausnahme zu § 32a EStG dar, wonach der Steuersatz nach dem zu versteuernden Einkommen zu bemessen ist.5 § 32b EStG bewirkt einerseits, dass durch Einbeziehung positiver ausländischer Einkünfte die inländischen Einkünfte auf ein höheres Steuerniveau hochgeschleust werden (positiver Progressionsvorbehalt), und andererseits, dass durch Berücksichtigung ausländischer Verluste für die inländischen Einkünfte eine Steuerminderung eintritt, die, soweit die inländischen Einkünfte die ausländischen Verluste nicht auszugleichen vermögen, zu einem Fortfall jeglicher inländischer Besteuerung führen können (negativer Progressionsvorbehalt).
17.28
III. Anrechnungsmethode Im Gegensatz zur Freistellungsmethode entspricht die Anrechnungsmethode (Rz. 18.49 ff.) dem im deutschen Steuerrecht verankerten Welteinkommensprinzip und verwirklicht zugleich im Grundsatz die Kapitalexportneutralität.6 Dies gilt freilich nur bei unbeschränkter Anrechnung (full credit), wenn also die ausländische Steuer ohne jegliche Einschränkung auf die für das Welteinkommen 1 Sog. Aktivitätsklauseln; vgl. hierzu Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 67 ff.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 156 f.; im nationalen Recht auch § 20 Abs. 2 AStG; ferner Rz. 19.544, 19.550. 2 BFH v. 6.10.1982 – I R 121/79, BStBl. II 1983, 34; v. 30.5.1990 – I R 179/86, BStBl. II 1990, 906; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 121; Kuhn/Kühner in H/H/R, § 32b EStG Rz. 4; vgl. auch die Sonderregelung in § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG, wonach der Progressionsvorbehalt für bestimmte abkommensrechtlich freigestellte Einkünfte aus EU-/EWR-Staaten ausgeschlossen wird, hierzu Gebhardt/Quilitzsch, IStR 2010, 390 ff. 3 Sog. Splitting-Effekt; vgl. hierzu Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 15, 25. 4 Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (154 f.); vgl. auch Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, 99 f., 105, der einen Progressionsvorbehalt auch im Quellenstaat für sachgerecht hält. 5 Heinicke in Schmidt35, § 32b EStG Rz. 1. 6 Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 25 f.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 19 ff.; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 61; Gandenberger, DStJG 8 (1985), 33 ff.; Spengel, DStJG 36 (2013) 39 (46 ff.).
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17.29
Kap. 17 Vermeidung der Doppelbesteuerung
festgesetzte inländische Steuer angerechnet werden kann.1 In der internationalen Praxis wird ebenso wie in Deutschland dagegen die anrechenbare ausländische Steuer auf die Höhe der anteiligen Inlandssteuer beschränkt (ordinary credit).2 Diese Begrenzung der Anrechnung auf die Höhe der entsprechenden inländischen Steuern ist mit dem Welteinkommensprinzip unvereinbar. Dient nämlich als Rechtfertigung für das Welteinkommensprinzip die ungeteilte steuerliche Leistungsfähigkeit, wonach es für die Besteuerung unerheblich ist, ob die Einkünfte im Inland oder im Ausland erzielt werden, so müssen folgerichtig die ausländischen Steuern auch dann zur Anrechnung gelangen und ggf. zu einer Steuererstattung führen, wenn diese höher sind als die entsprechenden Inlandssteuern.3 17.30
Die Begrenzung der Anrechnung ausländischer Steuern auf die entsprechende Inlandssteuer führt zu einer lediglich einseitigen Realisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips:4 Sind die ausländischen Steuern niedriger als die inländischen, wird auf das höhere inländische Steuerniveau hochgeschleust. Sind die inländischen Steuern dagegen höher als die ausländischen, unterbleibt eine Herabschleusung. Dieser Systembruch hat seinen Grund in fiskalischen Erwägungen, weil die Gefahr gesehen wird, dass bei unbeschränkter Steueranrechnung eine Erhöhung der Steuerbelastung im Quellenstaat stets auf Kosten des Wohnsitzstaates geht.5 Dieser Fiskalzweck ist zwar unionsrechtlich unter dem Gesichtspunkt der Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) und Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) gerechtfertigt,6 im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG aber kein Rechtfertigungsgrund, das Leistungsfähigkeitsprinzip zum Nachteil des Steuerpflichtigen zu durchbrechen.7 Zum Minimalprogramm einer an der weltweiten Leistungsfähigkeit (Gesamtleistungsfähigkeit) ausgerichteten Besteuerung gehört es, für die den Anrechnungshöchstbetrag übersteigenden ausländischen Steuern wenigstens einen Anrechnungsvor- oder -rücktrag (carry forward, carry back) vorzusehen,8 zumal Anrechnungsüberhänge nicht selten ein Ergebnis bloßer Zufälligkeiten sind.9
17.31
Soweit die Höchstbetragsberechnung auf jedes einzelne Land bezogen wird,10 ist diese sog. per country limitation ebenfalls mit dem Welteinkommensprinzip un1 Im Einzelnen Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 23 f. 2 Überblick bei Juch, CDFI LXVIb (1981), 81 (97); Mennel, RIW 1977, 470 (472); ferner deutsche Abkommensübersicht bei Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 171. 3 Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (160); IdW, DB 1977, 322 (323); Becker, BB 1977, 536 (536). 4 Zu Einzelheiten Schaumburg in FS Tipke, 125 (147 f.). 5 Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 333 ff.; Flick, FinArch. 1961 (Bd. 21), 86 (112); Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, 101; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 23 f.; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 97. 6 EuGH v. 28.2.2013 – Rs. C-168/11 – Beker u. Beker, ECLI:EU:C:2013:117 = ISR 2013, 134 m. Anm. Pohl. 7 Vgl. BVerfG v. 21.6.2006 – 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164 (182); v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE 122, 210 (233); Tipke in FS Raupach, 177 (178 f.); Drüen, StuW 2008, 3 (11 f.); Englisch, DStR 2009, Beiheft zu Heft 34, 92 (97). 8 Unionsrechtlich allerdings nicht geboten; vgl. Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.25. 9 Schaumburg in FS Tipke, 125 (148). 10 Vgl. etwa § 34c Abs. 1 letzter Halbsatz EStG.
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B. Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
vereinbar. Denn gerade das Welteinkommensprinzip wird damit gerechtfertigt, dass es für die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ohne Bedeutung ist, ob die Einkünfte im Inland oder im Ausland erzielt werden. Die per country limitation, die mit Unionsrecht (Kapitalverkehrsfreiheit) vereinbar ist,1 hat daher ebenfalls allein fiskalische Gründe.2 Damit wird der ohnehin durch den Anrechnungshöchstbetrag verursachte Systembruch noch verschärft: Unter dem Gesichtspunkt der Besteuerung nach Maßgabe der Gesamtleistungsfähigkeit kann es für die Anrechnung keine Rolle spielen, aus welchem Staat die ausländischen Einkünfte stammen.3 Neben weiteren, insbesondere dem Anrechnungsverfahren des deutschen Rechts (§ 34c Abs. 1 EStG) anhaftenden Systemfehlern (Rz. 18.66, 18.105 ff.) hat die Anrechnungsmethode den wesentlichen Nachteil, dass etwaige für Zwecke der Investitionsförderung gewährte Steuervorteile des Quellenstaates im Rahmen der Anrechnung im Wohnsitzstaat kompensiert werden. Damit kommen derartige Steuervergünstigungen des Quellenstaates nicht dem Steuerpflichtigen, sondern dem Fiskus des Wohnsitzstaates zugute.4 Demgegenüber hat die Anrechnungsmethode im Vergleich zur Freistellungsmethode den Vorteil, dass für ausländische Verluste ein Verlustausgleich gewährt wird, während im Rahmen der Freistellungsmethode eine Verlustberücksichtigung nur ausnahmsweise möglich ist (Rz. 17.25).
17.32
In der internationalen Besteuerungspraxis wird die Anrechnungsmethode zumeist mit dem Ziel der Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung eingesetzt. In den meisten Ländern wird nämlich neben der direkten Steueranrechnung, aufgrund deren nur solche Steuern angerechnet werden können, die der inländische Steuerpflichtige im Ausland auf seine eigenen Einkünfte gezahlt hat, auch die indirekte Steueranrechnung angewendet.5 Die indirekte Steueranrechnung ermöglicht die Anrechnung der von ausländischen Beteiligungsgesellschaften in einem mehrstufigen Konzernaufbau im Ausland gezahlten Steuern auf die inländische Steuer der inländischen Muttergesellschaft, wobei die Steueranrechnung zumeist auf einen dreistufigen Konzernaufbau, also auf die von ausländischen Tochter- und Enkelgesellschaften gezahlten ausländischen Steuern, begrenzt ist.6 Im Ergebnis dient damit die indirekte Steueranrechnung, soweit sie zusätzlich zur direkten Steueranrechnung gewährt wird, der Vermeidung einer steuerlichen Mehrfachbelastung.
17.33
1 BFH v. 18.12.2013 – I R 71/10, ISR 2014, 174 m. Anm. Pohl = BFH/NV 2014, 759 Rz. 1; vgl. hierzu auch den Überblick über die Literatur in Rz. 19 des Urteils; ferner Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.26. 2 Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (161); vgl. im Übrigen Rz. 18.106 ff. 3 Schaumburg in FS Tipke, 125 (148 f.). 4 Es sei denn, es erfolgt eine Anrechnung fiktiver Steuern, sog. tax sparing credit und tax matching credit, vgl. hierzu Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 191 ff.; ferner Rz. 19.566. 5 Juch, CDFI LXVIb (1981), 81 (99 f.). 6 Juch, CDFI LXVIb (1981), 81 (99 f.); vgl. für Deutschland den früher geltenden § 26 Abs. 2, 2a, 5 KStG.
Schaumburg
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Kap. 17 Vermeidung der Doppelbesteuerung
IV. Abzugsmethode 17.34
Im Rahmen der Abzugsmethode können ausländische Steuern von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden (Rz. 18.113 ff.). Dieser Abzug ist bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte möglich (§ 34c Abs. 2, 3 EStG). Damit führt die Abzugsmethode grundsätzlich lediglich zu einer Milderung, nicht aber zu einer Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung.1 Hieraus folgt zugleich, dass die Abzugsmethode auch nicht die Wettbewerbsneutralität gegenüber inländischen Unternehmen (Kapitalexportneutralität) herstellen kann.2 Im Hinblick darauf dient sie durchweg nur als Ergänzung zur Freistellungsoder Anrechnungsmethode, soweit durch diese beiden Methoden die Doppelbesteuerung nicht gänzlich vermieden werden kann.3
17.35
Es wird die Meinung vertreten, dass der Steuerabzug aufgrund des Kostencharakters der ausländischen Steuern im Verhältnis zur inländischen Einkommensteuer ohnehin möglich sei, so dass die entsprechenden Vorschriften, die den Steuerabzug vorsehen,4 lediglich deklaratorischen Charakter hätten.5 Dem § 12 Nr. 3 EStG ist indessen keine Beschränkung des Abzugsverbots nur auf inländische Personensteuern zu entnehmen.6 Aus § 34c Abs. 2 EStG ergibt sich zwar, dass ausländische Steuern wie Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte abziehbar sind, damit erhalten sie aber nicht den Charakter von Betriebsausgaben oder Werbungskosten. Ausländische Steuern vom Einkommen sind daher nicht Betriebsausgaben/Werbungskosten.7
V. Pauschalierungsmethode 17.36
Aufgrund der Pauschalierungsmethode werden im Rahmen des Welteinkommensprinzips einzubeziehende ausländische Einkünfte mit in einem Pauschbetrag festgesetzten Steuern belegt (Rz. 18.124 ff.). Die Pauschalierungsmethode konkretisiert sich zumeist in der Anwendung eines festen Steuersatzes auf individuell ermittelte ausländische Einkünfte. Von einer Milderung oder gar Vermeidung der Doppelbesteuerung kann daher nur dann die Rede sein, wenn der Pauschalsteuersatz niedriger als der sonst übliche Steuersatz ist. Die zuvor beschriebene Pauschalierungsmethode führt zu einem gespaltenen Steuersatz für
1 Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 328; Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, 112; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 57 f. 2 Flick, Fin.Arch. 1961 (Bd. 21), 86 (109); Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, 112; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 57 ff. 3 Juch, CDFI LXVIb (1981), 81 (83 ff.); Mennel, RIW 1977, 470 (472); vgl. auch § 34c Abs. 2, 3 EStG. 4 Etwa § 34c Abs. 2 EStG. 5 Flick, FinArch. 1961 (Bd. 21), 86 (109); Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, 112; Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (144). 6 BFH v. 2.10.1963 – I 308/61 U, BStBl. III 1964, 5; v. 16.5.1990 – I R 80/87, BStBl. II 1990, 920; Fissenwert in H/H/R, § 12 EStG Rz. 128; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 57. 7 BFH v. 16.5.1990 – I R 80/87, BStBl. II 1990, 920.
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Schaumburg
C. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
inländische und ausländische Einkünfte mit der Folge einer Progressionsmilderung der auf die inländischen Einkünfte entfallenden Steuer. Die Pauschalierungsmethode ist ebenso wenig wie die Abzugsmethode darauf angelegt, die Doppelbesteuerung in vollem Umfang zu beseitigen. Die Pauschalierungsmethode – in Deutschland in § 34c Abs. 5 EStG verankert – ist international wenig gebräuchlich.
17.37
VI. Erlassmethode Zur Herstellung der individuellen Leistungsfähigkeit kann für Zwecke der Beseitigung der Doppelbesteuerung die Steuer auf ausländische Einkünfte erlassen werden. Entsprechend den jeweiligen nationalen Vorschriften wird ein Steuererlass zumeist nur ausgesprochen, wenn ihm Billigkeitserwägungen zugrunde liegen (Rz. 18.128 ff.).
17.38
Die Erlassmethode kommt daher insbesondere ergänzend zur Anrechnungsmethode zur Anwendung, sofern durch diese eine Doppelbesteuerung nur unzureichend vermieden werden kann.
17.39
C. Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung Die Vermeidung der Doppelbesteuerung erfolgt entweder im Rahmen unilateraler Maßnahmen, also einseitig durch nationale Vorschriften, oder aber im Rahmen bilateraler Maßnahmen durch Abschluss von DBA.1 Im Vergleich zu den unilateralen Maßnahmen haben sich in der Besteuerungspraxis DBA als besonders vorteilhaft erwiesen. So können durch DBA die einzelnen Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sowie deren Umfang an den steuerlichen und wirtschaftlichen Belangen der Vertragsstaaten ausgerichtet werden. Demgegenüber ist ein differenzierter Einsatz der Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung durch unilaterale Maßnahmen nur sehr eingeschränkt möglich.2 Darüber hinaus fehlt den unilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ein wirksames Instrument, um auf die Besteuerung im Ausland Einfluss auszuüben und ausländische Staaten ebenfalls zu wirksamen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung anzuhalten.3 Aus der Sicht des Steuerpflichtigen ist das Vertrauen in den Bestand von DBA als völkerrechtliche Verträge eher gerechtfertigt als in den von unilateralen Maßnahmen auf der Grund-
1 Zwischen Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden gibt es ein multilaterales Abkommen (Nordische Konvention); vgl. hierzu Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 40a. 2 Ebling, Unilaterale Maßnahmen gegen die internationale Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Ertrag, 151; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 55. 3 Einseitige Steuerentlastungen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung können allerdings unter den Vorbehalt der Gegenseitigkeit gestellt werden (sog. Reziprozitätsklauseln); vgl. Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 262 ff.; Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, 63.
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643
17.40
Kap. 17 Vermeidung der Doppelbesteuerung
lage des nationalen Rechts.1 Schließlich haben unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung keine Bedeutung für die Zuordnung von Steuergütern zwischen einzelnen Staaten. Insoweit können unilaterale Maßnahmen in grenzüberschreitenden Steuerfällen für Steuergerechtigkeit allenfalls ggü. dem einzelnen Steuerpflichtigen sorgen. Die gerechte Zuordnung des Steuergutes zu einem Staat oder die gerechte Verteilung des Steuergutes unter mehreren Staaten nach sachgerechten, konsequent durchgeführten Regeln kann dagegen nur durch DBA erreicht werden.2 17.41
Da das Netz der DBA weltweit noch nicht annähernd vollständig ist, nicht einmal zwischen allen Industrieländern DBA bestehen, sind die unilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung unverzichtbar. Aber auch in jenen Fällen, in denen DBA eingreifen, behalten unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ihre Bedeutung, wenn die Regelungen der DBA eine Doppelbesteuerung nicht vollkommen beseitigen oder diese insbesondere durch sog. Switch-over-Klauseln des innerstaatlichen Rechts (Rz. 19.140, 19.552) ersetzt werden.3
1 Flick, FinArch. 1961 (Band 21), 86 (90); Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, 65; vgl. allerdings zum treaty overriding Rz. 3.24 f. 2 Zur gerechten Zuordnung von Steuergütern Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 11; Tipke, Steuergerechtigkeit, 120. 3 Juch, CDFI LXVIb (1981), 81 (87), 109.
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Kapitel 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung A. I. II. III. 1.
2.
IV. 1. 2. 3.
4. 5. V. 1. 2. 3.
_ _ _ __ _ _ _ _ __ __ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ ___ _ _ _
Einkommensteuer . . . . . . . . 18.1 Überblick . . . . . . . . . . . . . 18.1 Konkurrenz zu DBA . . . . . . . 18.12 Steuerfreistellung . . . . . . . . . 18.20 Teileinkünfteverfahren . . . . . 18.20 a) Körperschaftsteuerliche Vorbelastung . . . . . . . . . . . . 18.20 b) Persönliche Voraussetzungen 18.23 c) Bezüge und gleichgestellte Einnahmen . . . . . . . . . . . 18.26 d) Veräußerungserlöse und gleichgestellte Einnahmen . . 18.32 Gewinne bei Hinzurechnungsbesteuerung . . . . . . . . . . . . 18.36 a) Allgemeines . . . . . . . . . . 18.36 b) Gewinnausschüttungen . . . 18.39 c) Veräußerungsgewinne . . . . 18.47 Steueranrechnung . . . . . . . . 18.49 Allgemeines . . . . . . . . . . . . 18.49 Persönliche Voraussetzungen . . 18.50 Ausländische Einkünfte . . . . . 18.57 a) Allgemeines . . . . . . . . . . 18.57 b) Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft . . . . . . . . . 18.67 c) Einkünfte aus Gewerbebetrieb . . . . . . . . . . . . . . 18.69 d) Einkünfte aus selbständiger Arbeit . . . . . . . . . . . . . . 18.79 e) Einkünfte aus Veräußerungen 18.84 f) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit . . . . . . . . . . . 18.88 g) Einkünfte aus Kapitalvermögen . . . . . . . . . . . . . . 18.90 h) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung . . . . . . . 18.91 i) Sonstige Einkünfte . . . . . . 18.92 Anrechenbare Auslandssteuern 18.93 Anrechnungshöchstbetrag . . . . 18.104 Steuerabzug . . . . . . . . . . . . 18.113 Allgemeines . . . . . . . . . . . . 18.113 Steuerabzug gem. § 34c Abs. 2 EStG . . . . . . . . . 18.118 Steuerabzug gem. § 34c Abs. 3 EStG . . . . . . . . . 18.122
VI. Steuererlass und Steuerpauschalierung . . . . . . . . . 1. Auffangfunktion . . . . . . . . 2. Billigkeitsmaßnahmen . . . . . a) Ermessen . . . . . . . . . . . b) Steuererlass (Auslandstätigkeitserlass) . . . . . . . . . . c) Steuerpauschalierung (Pauschalierungserlass) . . . . . VII. Steuerermäßigung bei Erbschaftsteuerbelastung . . . B. I. II. 1.
2.
3. III. 1. 2. 3. 4. 5. C. I. II. III.
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. 18.124 . 18.124 . 18.128 . 18.128 . 18.132 . 18.136 . 18.138
Körperschaftsteuer . . . . . . . . 18.143 Überblick . . . . . . . . . . . . . 18.143 Steuerfreistellung . . . . . . . . . 18.144 Steuerfreie Dividenden . . . . . 18.144 a) Körperschaftsteuerliche Vorbelastung . . . . . . . . . . . . 18.144 b) Anwendungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . 18.146 c) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . 18.155 Steuerfreie Veräußerungsgewinne . . . . . . . . . . . . . . 18.173 a) Rechtfertigung . . . . . . . . . 18.173 b) Anwendungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . 18.175 c) Rechtsfolge . . . . . . . . . . . 18.180 Steuerfreie Zinsen und Lizenzgebühren . . . . . . . . . . 18.190 Steueranrechnung . . . . . . . . 18.198 Regelungsinhalt des § 26 KStG . 18.198 Reichweite des § 26 KStG . . . . 18.200 Direkte Steueranrechnung . . . 18.202 Steuerabzug . . . . . . . . . . . . 18.209 Steuererlass und Steuerpauschalierung . . . . . . . . . . 18.214
Gewerbesteuer . . . . . . . . . . 18.215 Allgemeines . . . . . . . . . . . . 18.215 Steuerfreie Dividenden . . . . . 18.221 Gewerbesteuerliches Schachtelprivileg 1. Unmittelbare Beteiligung . . . . 18.232 2. Mittelbare Beteiligung . . . . . . 18.238
D. Erbschaftsteuer . . . . . . . . . . 18.243
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
A. Einkommensteuer Literatur Kommentare zu § 3 Nr. 40 u. 41, 34c, 34d EStG und InvStG; Bachem, Die optimale Ausgestaltung der Anrechnungsmethode zur unilateralen Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Ertragsteuern der deutschen internationalen Unternehmung, Diss. Köln 1971; Burmester, Die Anrechnungsmethode im deutschen Steuerrecht, in Gassner/Lang/Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, Wien 1995, 241; Commandeur, Berücksichtigung ausländischer Steuern im deutschen Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, Diss. München 1983; Cordewener/Schnitger, Europarechtliche Vorgaben für die Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung im Wege der Anrechnungsmethode, StuW 2006, 50; Desens, Das Halbeinkünfteverfahren, Köln 2004; Desens, Der neue Anrechnungshöchstbetrag in § 34c Abs. 1 S. 2 EStG – ein unionsrechts- und verfassungswidriges, fiskalisches Eigentor, IStR 2015, 77; Dieterlen/Schaden, Einige Bemerkungen zu den Regelungen des Steuersenkungsgesetzes zur Besteuerung von Anteilsveräußerungen, BB 2000, 2492; Dinkelsbach, Besteuerung des Anteilsbesitzes an Kapitalgesellschaften im Halbeinkünfteverfahren, Düsseldorf 2006; Ditz/Quilitzsch, Internationale Aspekte des Zollkodex-Anpassungsgesetzes, DStR 2015, 545; Ditz/Schönfeld, Abzug von umrechnungsbedingten Währungsverlusten, DB 2008, 1458; Ebling, Unilaterale Maßnahmen gegen die internationale Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Ertrag, Diss. Mainz 1970; Endres, Direktinvestitionen in Entwicklungsländern, München 1986; Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, Bern/Stuttgart, 1974; Flick, Methoden zur Ausschaltung der Internationalen Doppelbesteuerung bei den direkten Steuern, FinArch. 1961 (Band 21), 86; Flick, Steuerermäßigung bei ausländischen Einkünften nach § 34c EStG und § 19a KStG, Bergisch Gladbach 1959; Fock, Unternehmenssteuerreform und beschränkte Steuerpflicht, RIW 2001, 108; Förster, Ausgewählte Fragen bei der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, Stbg 2001, 657; Gandenberger, Diskussionsbeitrag in DStJG 8 (1985), 133; Gosch, Das EuGH-Urteil ‚Petersen und Petersen‘ und seine Konsequenzen für den Auslandstätigkeitserlass und die öffentliche Entwicklungshilfe, IStR 2013, 325; Haritz, Unternehmenssteuerreform 2001: Begünstigte Veräußerungsgewinne bei einbringungsgeborenen Anteilen, DStR 2000, 1537; Grotherr, Ausgabenberücksichtigung bei ausländischen Einkünften, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, Festschrift für Franz Wassermeyer, München 2005; Haase, Steueranrechnung bei divergierender Einkünftezurechnung und Qualifikationskonflikten, IStR 2010, 45; Haritz/Werneburg, Anmerkung zum Urteil des BFH v. 18.12.2013 (I R 71/10, GmbHR 2014, 548) – Zur Rechtmäßigkeit des Anrechnungshöchstbetrages gemäß § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG, GmbHR 2014, 553; Heining, Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, CDFI XIII (1959), 574; Hellwig, Die bezahlte Untätigkeit im internationalen Steuerrecht, DStZ A 1978, 83; Herzig/Joisten/Vossel, Die Vermeidung der Doppelbelastung mit ESt und ErbSt nach Einführung des § 35b EStG, DB 2009, 584; Hey, Anrechnung ausländischer Quellensteuern aus Billigkeitsgründen?, FR 1995, 819; Hey, BVerfG zur Erbschaftsteuer: Bewertungsgleichmaß und Gemeinwohlzwecke, JZ 2007, 564; Horlemann, Änderungen der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen und Abzug ausländischer Quellensteuern gem. § 34c Abs. 2 EStG, DStR 1995, 1535; Inst.FuSt., Ausländische Einkünfte und direkte Steueranrechnung – notwendige Verbesserungen der unilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Brief 164), Bonn 1977; Intemann, Ausschüttungen aus dem steuerlichen Einlagekonto nicht nach § 8b Abs. 1 KStG steuerbefreit, NWB 2010, 2295; Ismer, Die Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse bei Anrechnungshöchstbetrag und Progressionsvorbehalt, IStR 2013, 297; Jonas, Steuerschranken für Export (DIHT), Bonn 1982; Ismer, Verwirrung beim Anrechnungshöchstbetrag: Unionsrechtliche Probleme der geplanten Neufassung des § 34c EStG, IStR 2014, 925; Jorewitz/Jürgen Lüdicke, Höchstbetragsberechnung gemäß § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG 2002 gemeinschaftsrechtswidrig?, IStR 2011, 387; Juch, Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbelastung, CDFI LXV Ib (1981), 81; Kaminski, Anrechnung ausländischer Steuern gemäß § 34c Abs. 1 EStG, Stbg 2008, 399; Kempf, Korrespondenzprinzip bei internationalen
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A. Einkommensteuer verdeckten Gewinnausschüttungen und verdeckten Einlagen, StbJb 2008/2009, 147; Köhler, Aktuelles Beratungs-Know-how Internationales Steuerrecht, DStR 2003, 1156; Lickteig, Änderung der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen und Abzug ausländischer Quellensteuern gem. § 34c Abs. 2 EStG, IStR 1995, 792; Lieber, Neuregelung der Hinzurechnungsbesteuerung durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz, FR 2002, 139; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, Frankfurt/Bern/New York/Paris 1987; Lübbehusen/Schmitt, Investmentsteuergesetz – Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf, DB 2004, 268; Lüdicke, Internationale Aspekte des Steuervergünstigungsabbaugesetzes, IStR 2003, 433; Lüdicke, Steuerermäßigung bei ausländischen Einkünften, Köln 1985; Manke, Außensteuerrechtliche Wirkungen der Steuerreformgesetze, JbFSt. 1977/78, 444; Mellinghoff, Das Verhältnis der Erbschaftsteuer zur Einkommen- und Körperschaftsteuer – Zur Vermeidung steuerlicher Mehrfachbelastungen, DStJG 22 (1999) 127; Mössner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung – Vorzüge, Nachteile, aktuelle Probleme, DStJG 8 (1985), 135; Müller-Dott, Zur Rechtsänderung des § 34c EStG zur Anrechnung ausländischer Steuern durch das StVergAbG, DB 2003, 1468; Otto, Die Besteuerung von gewinnausschüttenden Körperschaften und Anteilseignern nach dem Halbeinkünfteverfahren, Berlin 2007; Phillip, Befreiungssystem mit Progressionsvorbehalt und Anrechnungsverfahren, Wien 1971; Pohl, § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG verstößt gegen Unionsrecht, ISR 2013, 134; Pohl, Der Anrechnungshöchstbetrag i.S.d. § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG, IWB 2013, 365; Rädler/Raupach, Deutsche Steuern bei Auslandsbeziehungen, München/Berlin 1966, 350; Reinhart, Der Auslandstätigkeitserlass, BB 1983, 2246; Schänzle, Generalthema II: Steuerliche Behandlung von Wechselkursschwankungen, IStR 2009, 514; Schaumburg, Besteuerung von Einkommen, DStJG 24 (2001), 225; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS für Tipke, Köln 1995, 125; Schaumburg, Systemdefizite im internationalen Steuerrecht, StuW 2000, 369; Schaumburg/Schaumburg, Steuerliche Leistungsfähigkeit und europäische Grundfreiheiten im Internationalen Steuerrecht, StuW 2005, 306; Schnitger, Internationale Aspekte des Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen (Steuervergünstigungsabbaugesetz – StVergAbG), IStR 2003, 73; Schön, Europäische Kapitalverkehrsfreiheit und nationales Steuerrecht, in Schön (Hrsg.), GS KnobbeKeuk, Köln 1997, 743; Schön, Unternehmensbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, StbJb 2003/2004, 27; Sedemund, Zuständigkeits- und Verfahrensfragen bei Leistungen ausländischer Kapitalgesellschaften an inländische Anteilseigner, IStR 2010, 270; Sedemund/Fischenich, Steuerneutralität von Leistungen ausländischer Kapitalgesellschaften im Halbeinkünfteverfahren vor und nach Einführung des § 27 Abs. 8 KStG, BB 2008, 1656; Siefert, Die Besteuerung bei der Entsendung von Arbeitskräften in das Ausland, Frankfurt/M. 1985; Thömmes, Unionsrechtswidrigkeit der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags nach § 34c Abs. 1 EStG, IWB 2013, 292; Thömmes, Zur Vereinbarkeit der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags nach § 34c Abs. 1 EStG mit Unionsrecht, IWB 2012, 613; Thurmayr, Vorgehensweise der Finanzverwaltung bei der Anrechnung ausländischer Quellensteuern bei Einkünften aus Kapitalvermögen, DB 1996, 1696; Weinschütz, Konsequenz aus „Beker“, Höhere Anrechnung ausländischer Quellensteuer, IStR 2013, 471.
I. Überblick Für den Bereich der Einkommensteuer sind die unilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung einerseits durch die Freistellungsmethode und andererseits durch die Anrechnungsmethode geprägt. Obwohl die Vermeidung der Doppelbesteuerung primär Aufgabe des Wohnsitzstaates ist, wird die Doppelbesteuerung seitens Deutschlands im Rahmen der unilateralen Maßnahmen auch bei beschränkt Steuerpflichtigen vermieden. Auch hier kommt die Schaumburg
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18.1
Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
Freistellungs- und Anrechnungsmethode gleichermaßen zur Anwendung. Darüber hinaus enthält das Einkommensteuergesetz Regelungen, auf Grund deren die Abzugs-, Pauschalierungs- und Erlassmethode verwirklicht wird. 18.2
Die Freistellungsmethode kommt in folgenden Fällen zur Anwendung: – Im Rahmen des Teileinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40 EStG) werden insbesondere die Veräußerungen von Anteilen an in- und ausländischen Kapitalgesellschaften sowie Ausschüttungen derselben bei unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtigen zu 40 % steuerfrei gestellt. Im Kern geht es hier zwar um die Vermeidung der steuerlichen Doppelbelastung, wegen der Abhängigkeit von der steuerlichen Vorbelastung auch auf ausländischer Gesellschaftsebene dient § 3 Nr. 40 EStG so gesehen aber auch der Vermeidung der (internationalen) wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. – Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft sowie Gewinnausschüttungen derselben werden steuerfrei gestellt (§ 3 Nr. 41 EStG), soweit für das Kalenderjahr (Wirtschaftsjahr) oder für die vorangegangenen sieben Kalenderjahre (Wirtschaftsjahre) entsprechende Hinzurechnungsbeträge auf Gesellschafterebene der Einkommensteuer unterlegen haben. – In Investmenterträgen in- und ausländischer Investmentfonds enthaltene ausländische Einkünfte werden bei den Investmentfondsanlegern gem. § 4 Abs. 1 InvStG 2004/§§ 20, 43 Abs. 1 InvStG 2018 ganz oder teilweise freigestellt, wenn sie bei unmittelbarem Bezug abkommensrechtlich von der deutschen Besteuerung auszunehmen wären.1
18.3
Die Anrechnungsmethode wird durch § 34c EStG verwirklicht, soweit unbeschränkt steuerpflichtige Personen ausländische Einkünfte (§ 34d EStG) erzielen, wobei die im Ausland gezahlte Steuer bis zur Höhe der deutschen Einkommensteuer zur Anrechnung kommt.2 Eine entsprechende Anrechnung wird unter bestimmten Voraussetzungen auch beschränkt steuerpflichtigen Personen für Drittstaateneinkünfte gewährt (§ 50 Abs. 3 EStG).
18.4
Im Gegensatz zu der in § 3 Nr. 40, 41 EStG verankerten Freistellungsmethode, die dort die Vermeidung der (internationalen) wirtschaftlichen Doppelbesteuerung nur als Nebenzweck verfolgt, steht im Übrigen die Anrechnungsmethode im Vordergrund, die insbesondere durch die Abzugs- und die Pauschalierungsmethode sowie die Erlassmethode3 ergänzt wird. Durch die in § 34c EStG geregelte Anrechnungsmethode wird dem im Einkommensteuergesetz für unbeschränkt steuerpflichtige Personen verankerten Welteinkommensprinzip Rechnung getragen und zugleich im Grundsatz die Kapitalexportneutralität (Rz. 17.17) verwirklicht.4 § 34c EStG ist als kollisionsauflösende Norm die logi1 Die Steuerbefreiungen nach dem InvStG 2004/2018 werden nachfolgend nicht gesondert behandelt; vgl. stattdessen im Zusammenhang mit dem Internationalen Investmentsteuerrecht Rz. 12.1 ff. 2 Zu Steueranrechnungen gem. § 4 Abs. 2 InvStG 2004 und § 47 InvStG 2018 vgl. Rz. 12.31 ff. und 12.85. 3 Der Steuererlass hat im Ergebnis allerdings eine ähnliche Wirkung wie die Steuerfreistellung. 4 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 19 ff.
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A. Einkommensteuer
sche Folge der durch die Besteuerung des Welteinkommens auf Doppelbesteuerung ausgerichteten und damit kollisionsbegründenden §§ 1 Abs. 1 bis 3; 2 Abs. 1 EStG. Die primäre Zielsetzung des § 34c EStG ist die Vermeidung der Doppelbesteuerung, die unter dem Gesichtspunkt der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit geboten ist (Rz. 17.9 ff.). Hieran hat sich die Auslegung des § 34c EStG zu orientieren. Der Grundwertung des § 34c EStG, die Doppelbesteuerung zu vermeiden, sind andere Auslegungsgesichtspunkte unterzuordnen. Hierzu gehört insbesondere der mitunter dem § 34c EStG zugeschriebene Zweck, die internationale Steuerflucht zu verhindern.1 § 34c EStG ist nämlich lediglich eine kollisionsauflösende Norm mit einer Komplementärfunktion zu §§ 1 Abs. 1 bis 3;2 2 Abs. 1 EStG. Diese Norm zielt nicht darauf ab, Einkünfteverlagerungen in das Ausland zu verhindern.3 Die Auslegung hat auch nicht unter dem Gesichtspunkt möglichst geringer Steuerausfälle zu erfolgen. Zwar führt jede Maßnahme zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung zu einem Steuerausfall, für die Auslegung des § 34c EStG ist dieser fiskalische Gesichtspunkt aber unbeachtlich. Die Auslegung hat sich nämlich nicht am Fiskalzweck,4 Einnahmen zu erzielen, auszurichten.5 Orientierungsmaßstab ist vielmehr die Vermeidung der Doppelbesteuerung als eine Konkretisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips (Rz. 17.12). Im Hinblick darauf ist grundsätzlich diejenige Auslegung des § 34c EStG richtig, die eine Doppelbesteuerung möglichst gering hält.
18.5
§ 34c Abs. 1 EStG regelt die direkte Steueranrechnung (Rz. 18.49 ff.), die für das Einkommensteuerrecht die wesentliche unilaterale Maßnahme zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ist. Sie ist als begrenzte Anrechnungsmethode (ordinary credit) ausgestaltet, so dass eine Anrechnung ausländischer Steuern nur bis zur Höhe der entsprechenden inländischen Einkommensteuer in Betracht kommt. Die Vorschriften über die direkte Steueranrechnung gem. § 34c Abs. 1 Satz 2 und 3 EStG gelten durch die Bezugnahme in § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG auch für die Körperschaftsteuer. Im Lohnsteuerabzugsverfahren (§§ 38 ff. Abs. 1 EStG) kann die Steueranrechnung keine Berücksichtigung finden, so dass für Zwecke der Steueranrechnung – gegebenenfalls auf Antrag (§ 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG) – stets eine Einkommensteuerveranlagung durchzuführen ist.6 Für die Abgeltungsteuer gilt die Sonderregelung des § 32d Abs. 5 u. 6 EStG (Rz. 18.111).
18.6
1 Auf diesen Zweckgesichtspunkt wird abgestellt von Ebling, Unilaterale Maßnahmen gegen die internationale Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Ertrag, 102; Bachem, Die optimale Ausgestaltung der Anrechnungsmethode zur unilateralen Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Ertragsteuern der deutschen internationalen Unternehmung, 31. 2 Die Anwendung des § 34c EStG auf Steuerpflichtige, die für die fingierte unbeschränkte Steuerpflicht gem. § 1 Abs. 3 EStG optiert haben, hat, da nur inländische Einkünfte gem. § 49 Abs. 1 EStG erfasst werden, keine praktische Bedeutung. 3 Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, 121 f.; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 78. 4 Dieser ist lediglich Motiv und allgemeine finanzpolitische Aufgabe. 5 Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 278. 6 Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 31.
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
18.7
Als weitere Methode sieht § 34c Abs. 2 EStG den Steuerabzug vor (Rz. 18.118 ff.). § 34c Abs. 2 EStG eröffnet dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit, zwischen Anrechnungsmethode und Abzugsmethode zu wählen. Die Abzugsmethode wird insbesondere dann zur Anwendung kommen, wenn durch die Anrechnung ausländischer Steuern die Doppelbesteuerung nur zu einem Teil vermieden werden kann, etwa weil die anzurechnende ausländische Steuer die inländische Einkommensteuer übersteigt (Anrechnungsüberhang).
18.8
In Erweiterung zu § 34c Abs. 1, 2 EStG normiert § 34c Abs. 3 EStG den Steuerabzug in den Fällen, in denen aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen die Steueranrechnung (§ 34c Abs. 1 EStG) und der Steuerabzug gem. § 34c Abs. 2 EStG ausscheiden (Rz. 18.122). Das gilt vor allem dann, wenn die ausländische Steuer nicht der deutschen Einkommensteuer entspricht oder aber auf Einkünfte erhoben worden ist, die keine ausländischen Einkünfte i.S. des § 34d EStG darstellen.
18.9
Der Abzug der ausländischen Steuer erfolgt bei der Ermittlung der Einkünfte mit der Folge, dass hierdurch ein etwaiger vor- bzw. rücktragsfähiger Verlust erhöht wird.
18.10
Schließlich sieht § 34c Abs. 5 EStG die Pauschalierungs- und die Erlassmethode vor, die anwendbar sind, soweit dies aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig oder die Anwendung der Anrechnungsvorschriften besonders schwierig ist (Rz. 18.124 ff.). § 34c Abs. 5 EStG ist als eine an die Finanzverwaltung gerichtete Ermächtigungsvorschrift ausgestaltet. Von der Ermächtigung hat die Finanzverwaltung durch den sog. Pauschalierungserlass1 und den sog. Auslandstätigkeitserlass2 Gebrauch gemacht. Während der Auslandstätigkeitserlass bestimmte Arbeitnehmereinkünfte unter Progressionsvorbehalt von der Lohnsteuer freistellt, werden nach dem Pauschalierungserlass bestimmte ausländische Einkünfte mit einem pauschalen Steuersatz von 25 % besteuert.
18.11
Die in § 3 Nr. 40, 41 EStG und § 34c EStG normierten Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung überschneiden sich nicht und stehen somit gleichberechtigt nebeneinander. So kann etwa von einer der Besteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren unterliegenden Dividende einer ausländischen Kapitalgesellschaft (§ 3 Nr. 40 Buchst. d) EStG) erhobene ausländische Kapitalertragsteuer gem. § 34c Abs. 1 EStG zur Anrechnung gebracht werden. Die in § 34c EStG geregelten Methoden stehen ebenfalls gleichberechtigt nebeneinander. Im Gegensatz zur Anrechnungsmethode einerseits und der Abzugsmethode gem. § 34c Abs. 2 EStG andererseits, die in einem Ausschlussverhältnis zueinander stehen, können Erlass- und Pauschalierungsmethode auch neben den beiden vorgenannten Methoden zur Anwendung kommen.3
II. Konkurrenz zu DBA 18.12
§ 2 Abs. 1 AO bestimmt zwar den Vorrang von DBA vor Steuergesetzen,4 das schließt allerdings die weitergehende Anwendung derselben nicht aus, soweit 1 2 3 4
BMF v. 10.4.1984 – IV C 6 - S 2293 - 11/84, BStBl. I 1984, 252. BMF v. 31.10.1983 – IV B 6 - S 2293 - 50/83, BStBl. I 1983, 470. Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 48; Wied in Blümich, § 34c EStG Rz. 103 ff. Zur Reichweite dieser Vorrangklausel Rz. 3.24 f.
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A. Einkommensteuer
sie aus der Sicht des Steuerpflichtigen eine für sie günstigere Rechtsfolge anordnen. Im Hinblick darauf wird die durch § 3 Nr. 40, 41 EStG angeordnete (teilweise) Steuerfreistellung durch DBA nicht eingeschränkt. Ergibt sich jedoch abkommensrechtlich eine völlige Freistellung etwa von Dividenden, weil diese einer ausländischen Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat tatsächlich zuzurechnen sind, geht die durch Abkommensrecht vorgeschriebene (völlige) Freistellung der (teilweisen) Freistellung des § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG vor. Entsprechendes gilt auch für § 3 Nr. 41 EStG sowie für die im InvStG verankerten und auf die Vermeidung von Doppelbesteuerungen gerichteten Regelungen. § 34c EStG ist demgegenüber im Verhältnis zu DBA grundsätzlich subsidiär.1 Das in § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG normierte Rangverhältnis hat lediglich deklaratorische Bedeutung und entspricht dem Grundsatz, dass die Normen der DBA als spezielleres Recht vorgehen. Im Hinblick auf § 34c Abs. 6 Sätze 2 bis 6 EStG gilt der Vorrang von DBA ausnahmslos nur für diejenigen Fälle, in denen die ausländischen Einkünfte nach der Freistellungsmethode der Besteuerung durch Deutschland entzogen sind.2 Nach § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG stehen DBA im Übrigen der Erlass- oder Pauschalierungsmethode (§ 34c Abs. 5 EStG) nicht entgegen.3 Der Vorrang der DBA setzt voraus, dass es sich um Steuern handelt, die auf Einkünfte entfallen, die aus einem ausländischen Staat stammen. Das bedeutet, dass die Einkünfte aus dem ausländischen Staat stammen müssen, mit dem das DBA besteht.4 Anderenfalls kommt § 34c Abs. 6 Satz 6 i.V.m. Abs. 3 EStG (Abzugsmethode) in Betracht (Rz. 18.122 ff.). Welche Einkünfte aus dem betreffenden ausländischen Staat stammen, beurteilt sich nicht nach den Regelungen des § 34d EStG (Rz. 18.57 ff.), sondern nach denen des jeweils zur Anwendung kommenden DBA, weil nur so das Konkurrenzverhältnis zwischen § 34c Abs. 1–3 EStG und den DBA aufgelöst werden kann.5 Hieraus folgt sodann, dass jene Einkünfte als aus dem betreffenden ausländischen DBA-Staat stammend anzusehen sind, die entweder als solche definiert sind oder für die ein (Quellen-)Besteuerungsrecht besteht.6 Der Vorrang der DBA wirkt zwar im Grundsatz absolut, also auch dann, wenn deren Anwendung für den Steuerpflichtigen im Vergleich zu § 34c Abs. 1–3 EStG ungünstig
1 BFH v. 15.3.1995 – I R 98/94, BStBl. II 1995, 580; v. 20.12.1995 – I R 57/94, BStBl. II 1996, 261. 2 BFH v. 11.9.1987 – VI R 19/84, BStBl. II 1987, 856; v. 11.9.1987 – VI R 64/86, BFH/NV 1988, 631; v. 24.3.1998 – I R 38/97, BStBl. II 1998, 471; BFH v. 19.4.1999 – I B 141/98, BFH/NV 1999, 1317; Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 8. 3 Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 421; Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 35; Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 173. 4 BFH v. 1.4.2003 – I R 39/02, BStBl. II 2003, 869; v. 1.7.2009 – I R 113/08, BFH/NV 2009, 1992; v. 2.3.2010 – I R 75/08, BFH/NV 2010, 1820. 5 Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 201; Weggenmann in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 718; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. C 5; Geurts in Frotscher/Geurts, § 34c EStG Rz. 172; auf § 34d EStG abstellend Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 134; Handzick in L/B/P, § 34c EStG Rz. 140; Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 7. 6 Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 201; Weggenmann in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 719 f. jeweils mit Hinweis auf bilaterale Subject-to-Tax-Klauseln, die im Ergebnis zu inländischen Einkünften führen.
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18.13
Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
ist,1 § 34c Abs. 6 Sätze 2 bis 6 EStG sieht aber einige bedeutsame Modifikationen vor. Zu einigen Einzelheiten: 18.14
Gemäß § 34c Abs. 6 Satz 2 EStG sind die Vorschriften über die Anrechnung (§ 34c Abs. 1 Satz 2 bis 5 EStG) und den alternativen Steuerabzug (§ 34c Abs. 2 EStG) entsprechend anzuwenden, soweit ein DBA die Anrechnung ausländischer Steuern vorsieht. Aus der lediglich entsprechenden Anwendung der vorgenannten Vorschriften folgt, dass sie stets mit den Regelungen des betreffenden DBA selbst vereinbar sein müssen.2 Das bedeutet, dass die Anwendung der nationalen Anrechnungsregelungen von vornherein ausscheidet, wenn das betreffende DBA die Durchführung der Steueranrechnung selbst regelt.3 Die Anwendung des Steuerabzugs gem. § 34c Abs. 2 EStG wird hierdurch nicht gehindert,4 es sei denn, es handelt sich um Fälle, in denen DBA eine Anrechnung fiktiver Steuern (Rz. 19.566 f.) gewähren (§ 34c Abs. 6 Satz 2 Halbs. 3 EStG). Im Hinblick auf die in § 32d Abs. 5 EStG verankerte Spezialregelung (Rz. 18.104, 18.111) greift § 34c EStG im Anwendungsbereich der Abgeltungsteuer nicht ein (§ 34c Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 EStG).5 Soweit die DBA sich darauf beschränken, die Steueranrechnung dem Grunde nach zu regeln, hinsichtlich der Modalitäten aber auf nationales Recht verweisen, kommen dagegen die nationalen Anrechnungsregeln nach Maßgabe des § 34c Abs. 6 Satz 2 EStG zur Anwendung.6 Das gilt auch in den Fällen, in denen DBA eine Steueranrechnung anordnen, ohne ausdrücklich auf nationales Recht zu verweisen.7
18.15
Soweit DBA die Anrechnung vorsehen, betrifft diese stets nur die anrechenbaren Steuern auf diejenigen Einkünfte aus dem betreffenden Vertragsstaat, die in das Anrechnungsverfahren einbezogen sind (Anrechnungseinkünfte). Daraus folgt, dass über § 34c Abs. 6 Satz 2 Halbs. 1 EStG nur eine alle Anrechnungseinkünfte des Vertragsstaates erfassende Gesamtoption für den Steuerabzug möglich ist.8 Darüber hinaus kann nicht mehr angerechnet werden als die dem Quellenstaat abkommensrechtlich zustehende etwa auf einen bestimmten Quellensteuersatz begrenzte Steuer.9
1 Vgl. BFH v. 15.3.1995 – I R 98/94, BStBl. II 1995, 580; Weggenmann in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 729; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 134; ggf. aber Billigkeitsmaßnahmen (Rz. 18.131). 2 Stellungnahme des Bundesrates zum StÄndG v. 20.8.1980 betreffend § 34c EStG (BTDrucks. VIII/3648, 21); Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 208. 3 BFH v. 9.6.2010 – I R 94/09, BStBl. II 2011, 860; Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 8; Weggenmann in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 733 f. 4 Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 8; Weggenmann in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 748 f. 5 § 32d Abs. 5, 6 EStG enthält hinsichtlich der Berücksichtigung ausländischer Steuern eine abschließende Regelung; BMF v. 18.1.2016 – IV C 1 - S 2252/08/10004:017 – DOK 2015/0468306, BStBl. I 2016, 85. 6 BFH v. 20.12.1995 – I R 57/94, BStBl. II 1996, 261; Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 134. 7 Sog. subsidiäre Begriffsausfüllung gem. Art. 3 Abs. 2 OECD-MA; hierzu Rz. 19.54 ff. 8 Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 212; Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 30; R 34c Abs. 5 EStR 2012. 9 BFH v. 15.3.1995 – I R 98/94, BStBl. II 1995, 580; zu etwaigen Billigkeitsmaßnahmen Hey, FR 1995, 819; ferner Rz. 18.128 ff.
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A. Einkommensteuer
Der optionale Steuerabzug ist bei Anwendung von DBA (§ 34c Abs. 6 Satz 2 EStG) nur in den Grenzen des § 34c Abs. 2 EStG möglich, so dass er ausgeschlossen ist, soweit die partielle Steuerbefreiung des Teileinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40 Buchst. d EStG) eingreift (Rz. 18.26). § 34c Abs. 6 Satz 3 EStG stellt auch in Abkommensfällen sicher, dass die Einkünfte, die abkommensrechtlich in dem anderen Staat nicht besteuert werden können, nicht in die Höchstbetragsberechnung einzubeziehen sind. Diese dem § 34c Abs. 1 Satz 3 EStG entsprechende Sonderregelung (Rz. 18.106) wirkt sich insbesondere in den Fällen aus, in denen aus demselben ausländischen Staat neben den dort abkommensrechtlich freigestellten auch tatsächlich der Besteuerung unterworfene Einkünfte bezogen werden.1
18.16
§ 34c Abs. 6 Satz 4 EStG ermöglicht eine Steueranrechnung oder wahlweise den Steuerabzug, wenn durch das DBA bestimmte ausländische Steuern des anderen Vertragsstaates nicht erfasst werden. Angesprochen ist damit insbesondere der Fall, dass nicht alle in dem anderen Vertragsstaat erhobenen Steuern, etwa Ertragsteuern einzelner Gliedstaaten, unter das DBA fallen.2
18.17
§ 34c Abs. 6 Satz 5 EStG gewährleistet die Steueranrechnung oder den Steuerabzug auch in den Fällen, in denen abkommensrechtlich die ausländischen Einkünfte eigentlich steuerfrei zu stellen sind, wegen der in § 50d Abs. 9 EStG verankerten Switch-over-Klausel (Rz. 19.525) es aber zu einer Besteuerung kommt. Erfasst werden hierdurch insbesondere sog. negative Qualifikationskonflikte, die zu einer doppelten Nichtbesteuerung (Rz. 19.84) führen können.
18.18
§ 34c Abs. 6 Satz 6 EStG verweist schließlich auf § 34c Abs. 3 EStG. Das bedeutet, dass ein Steuerabzug zugelassen wird, wenn ein DBA-Staat Drittstaateneinkünfte besteuert, kein Missbrauch vorliegt und das DBA die Besteuerung nicht zulässt. Insoweit handelt es sich um eine Einschränkung des § 34c Abs. 3 EStG.3
18.19
III. Steuerfreistellung 1. Teileinkünfteverfahren a) Körperschaftsteuerliche Vorbelastung Das in § 3 Nr. 40 EStG geregelte Teileinkünfteverfahren stellt mit Körperschaftsteuer belastete Vermögensmehrungen und Bezüge zu 40 % steuerfrei, wobei die in wirtschaftlichem Zusammenhang4 hiermit stehenden Vermögensminderungen und Erwerbsaufwendungen gem. § 3c Abs. 2 EStG ebenfalls zu 40 % vom Steuerabzug ausgeschlossen sind. Diese Regelung, die nur für Vermögensmehrungen von im Betriebsvermögen gehaltenen Beteiligungen sowie solchen gem. § 17 EStG und nur für die den Gewinneinkunftsarten und den Einkünften aus 1 Zu Einzelheiten Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 10, 6; Weggenmann in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 763, dort auch zum Konkurrenzverhältnis mit § 34c Abs. 6 Satz 2 EStG. 2 Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 12; Weggenmann in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 767 ff. 3 Zu Einzelheiten Weggenmann in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 771 ff. 4 Im Sinne eines Veranlassungszusammenhangs, BFH v. 6.4.2013 – I R 61/14, IStR 2016, 666, Tz. 17.
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18.20
Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
Vermietung und Verpachtung zuzuordnenden Bezüge gilt (§ 3 Nr. 40 Satz 2 EStG),1 ist untrennbar mit dem ab 2001 geltenden Körperschaftsteuersystem verknüpft, wonach Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen einheitlich mit einer Körperschaftsteuer von derzeit 15 % ohne Rücksicht darauf belastet sind, ob der Gewinn ausgeschüttet wird oder nicht. Das Teileinkünfteverfahren ist darauf gerichtet, die steuerliche Doppelbelastung für Gewinne durch Körperschaftsteuer einerseits und Einkommensteuer andererseits abzumildern. Im Hinblick darauf spielt es keine Rolle, ob die Beteiligung etwa an einer in- oder ausländischen Kapitalgesellschaft besteht oder die Beteiligung von einer unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtigen Person gehalten wird. Für beschränkt steuerpflichtige Personen eröffnet sich der Anwendungsbereich des § 3 Nr. 40 EStG allerdings nur in den Fällen, in denen die Beteiligungserträge nicht der Abgeltungsteuer (§ 32d EStG) unterliegen und die Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG) nicht eingreift (Rz. 18.24 f.).2 Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen unterliegen ebenfalls dem Teileinkünfteverfahren, da diese jedenfalls teilweise auf bereits mit Körperschaftsteuer belasteten Rücklagen beruhen.3 Durch die partielle Steuerfreistellung gem. § 3 Nr. 40 EStG wird die körperschaftsteuerliche Vorbelastung in typisierter Form berücksichtigt. Da dies bei einer REIT-AG wegen ihrer Steuerfreiheit nicht der Fall ist (§ 16 REITG), gilt das Teileinkünfteverfahren insoweit nicht (§ 19 Abs. 3 REITG).4 18.21
Die im Vergleich zu anderen Einkünften im Rahmen des Teileinkünfteverfahrens eintretenden Belastungsdivergenzen halten sich in den Grenzen, die das BVerfG im Zusammenhang mit einer verfassungsrechtlich zulässigen normativen Typisierung gezogen hat.5 Im Hinblick auf die mit dem Teileinkünfteverfahren verbundene Vereinfachung ist die Regelung des § 3 Nr. 40 EStG insgesamt nicht unverhältnismäßig. Dies gilt im Ergebnis auch nach der Rechtsprechung des BFH6 für das in § 3c Abs. 2 Satz 1 EStG verankerte und mit dem Teileinkünfteverfahren korrespondierende Abzugsverbot,7 das nicht darauf abstellt, ob überhaupt steuerfreie Einnahmen zufließen (§ 3c Abs. 2 Satz 7 EStG).8
18.22
Da das Teileinkünfteverfahren auch auf Bezüge (z.B. Ausschüttungen) und Vermögensmehrungen (z.B. Veräußerungserlöse) aus dem Ausland Anwendung findet, dient § 3 Nr. 40 EStG auch der Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung. Im Hinblick auf die fehlende Subjektidentität ist das in § 3 Nr. 40 EStG implementierte Teileinkünfteverfahren als unilaterale Maßnahme zur Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung zu qualifizieren. 1 Im Übrigen greift die Abgeltungsteuer (§ 32d EStG) ein. 2 Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 28; Pung in D/P/M, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 11; vgl. zur Abgeltungswirkung bei beschränkter Steuerpflicht Rz. 6.134 ff. 3 Vgl. hierzu im Überblick Hey in Tipke/Lang22, § 11 Rz. 11 ff. 4 Zu trotzdem verbleibenden Doppelbelastungen Engers in Helios/Wewel/Wiesbrock, § 19 REITG Rz. 24 ff. 5 BFH v. 19.6.2007 – VIII R 69/05, BStBl. II 2008, 551. 6 Gerechtfertigter Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip: BFH v. 19.6.2007 – VIII R 69/05, BStBl. II 2008, 551. 7 Desens in H/H/R, § 3c EStG Rz. 12; kritisch dagegen Hey in Tipke/Lang22, § 11 Rz. 15 jeweils m.w.N. 8 Nichtanwendungsgesetz gegen BFH v. 25.6.2009 – IX R 42/08, BStBl. II 2010, 220.
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b) Persönliche Voraussetzungen Das Teileinkünfteverfahren gilt im Grundsatz für unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige natürliche Personen gleichermaßen. § 3 Nr. 40 EStG ist somit im Ausgangspunkt diskriminierungsfrei ausgestaltet. Ausgenommen sind unter den Voraussetzungen des § 3 Nr. 40 Sätze 3 und 4 EStG unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Personen, soweit diese Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute oder Finanzunternehmen betreiben.1
18.23
Die insbesondere aus europarechtlichen Gründen in § 3 Nr. 40 EStG normierte Gleichstellung von unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtigen Personen erfährt unter mehreren Gesichtspunkten Einschränkungen: Für Bezüge (z.B. Ausschüttungen) insbesondere seitens inländischer Kapitalgesellschaften wird das Teileinkünfteverfahren im Grundsatz durch die in § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG verankerte Abgeltungswirkung suspendiert (Rz. 6.281 ff.).2 Diese Suspensionswirkung gilt allerdings nicht, soweit z.B. die Bezüge (Ausschüttungen) einem inländischen Betrieb zuzuordnen sind (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG) (Rz. 6.284 ff.), so dass im Ergebnis insoweit wiederum für Gewinneinkünfte das Teileinkünfteverfahren eingreift.3
18.24
Im Gegensatz zu Bezügen (z.B. Ausschüttungen) unterliegen Vermögensmehrungen, insbesondere Erlöse aus der Veräußerung von Anteilen an inländischen Kapitalgesellschaften4, im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, Buchst. e, Nr. 8 EStG) keinem (abgeltenden) Kapitalertragsteuerabzug. Hieraus folgt, dass für Zwecke der beschränkten Steuerpflicht eine Steuerveranlagung durchzuführen ist, in deren Rahmen das Teileinkünfteverfahren uneingeschränkt zur Anwendung kommt. Das gilt allerdings nur in den Fällen, in denen entweder keine DBA eingreifen oder aber diese den deutschen Steuerzugriff uneingeschränkt aufrechterhalten.5
18.25
c) Bezüge und gleichgestellte Einnahmen Kern des Teileinkünfteverfahrens ist § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG, wonach den Gewinneinkunftsarten und den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zuzuordnende Beteiligungsbezüge (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) und vergleich1 Zu Einzelheiten Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 176 ff.; Hinweis: Zukünftig fallen Finanzunternehmen nur noch dann unter § 3 Nr. 40 Satz 3 EStG, wenn an ihnen Kreditinstitute oder Finanzdienstleistungsinstitute unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 50 % beteiligt sind mit der Folge, dass nur Finanzunternehmen aus dem Bankensektor und nicht mehr z.B. Holdinggesellschaften im Übrigen erfasst werden. Darüber hinaus ist § 3 Nr. 40 Satz 4 EStG gestrichen worden, weil die dort derzeit verankerte EU-/EWRKlausel nur deklaratorisch wirkt (AHRL-ÄndUmsG). 2 Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 27; von Beckerath in K/S/M, § 3 Nr. 40 EStG Rz. B 40, 58; Fock, RIW 2001, 108 (111). 3 Dass diese Einkünftequalifikation nicht wie in § 3 Nr. 40 Satz 2 EStG verlangt „nur“ auf § 20 Abs. 8 EStG, der bei Anwendung der isolierenden Betrachtungsweise (§ 49 Abs. 2 EStG) keine Anwendung findet, sondern auf § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG beruht, spielt im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG keine Rolle. 4 Soweit hierfür nicht die Kapitalertragsteuerpflicht gem. § 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 EStG eingreift. 5 Art. 13 Abs. 2, 4 OECD-MA; hierzu im Einzelnen Rz. 19.385 ff., 19.396 ff.
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18.26
Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
bare Bezüge aus Sondervermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG) zu 40 % steuerbefreit sind. Angesprochen sind hiermit vor allem offene und verdeckte Gewinnausschüttungen sowie Vorabausschüttungen. Diesen Bezügen ist im Grundsatz gemeinsam, dass sie das steuerpflichtige Einkommen der ausschüttenden Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse nicht gemindert haben und somit definitiv mit Körperschaftsteuer vorbelastet sind. Zu den vorgenannten Rechtsträgern gehören auch solche, die im Inland nicht unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sind.1 Die nach ausländischem Recht errichteten nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Rechtsträger müssen den entsprechenden inländischen in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgeführten Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen entsprechen.2 Die (teilweise) Steuerbefreiung greift aber nur dann ein, wenn die Bezüge das Einkommen der leistenden (ausländischen) Körperschaft nicht gemindert haben (§ 3 Nr. 40 Buchst. d Satz 2 EStG). Mit dieser Korrespondenzklausel soll eine internationale Minderbesteuerung vermieden werden, die insbesondere bei sog. hybriden Finanzinstrumenten eintreten kann.3 18.27
Unter § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG fällt, soweit keine Abgeltungsteuer eingreift, u.a. auch die Einlagenrückgewähr durch ausländische Kapitalgesellschaften, wenn hierfür eine gesonderte Feststellung nach § 27 Abs. 8 KStG nicht erfolgt ist (§ 27 Abs. 8 Satz 9 KStG).4
18.28
Zu den dem Teileinkünfteverfahren unterliegenden Bezügen gehören auch die in Investmenterträgen enthaltenen Dividenden und gleichgestellte Erträge,5 und zwar auch solche, die auf der Ebene des in- oder ausländischen Investmentvermögens von einem ausländischen Rechtsträger zufließen.6 Im Ergebnis werden hierdurch Investmentfondsanleger und Direktanleger nach dem Grundsatz der Transparenz auch hinsichtlich der Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung steuerlich gleichgestellt.7
18.29
Dem Teileinkünfteverfahren unterliegen auch Bezüge, die nach der Auflösung (Liquidation) einer Körperschaft oder Personenvereinigung anfallen (§§ 3 Nr. 40 Buchst. e, 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Von der Reichweite dieser Vorschrift werden unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Körperschaften und Personenvereinigungen gleichermaßen erfasst. Da das Teileinkünfteverfahren diesbezüglich im Wesentlichen auf betriebliche Einkünfte anwendbar ist (§ 3 Nr. 40 Satz 2 EStG), 1 Die Aufzählung im § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist insoweit nicht abschließend; BFH v. 8.2. 1995 – I R 73/94, BStBl. II 1995, 552; v. 16.12.1992 – I R 32/92, BStBl. II 1993, 399. 2 Insoweit gelten die allgemeinen für den Typenvergleich maßgeblichen Grundsätze; vgl. hierzu Rz. 7.7 ff. 3 Vgl. zu den internationalen Korrespondenzklauseln Lüdicke in FS Frotscher, 403 (408 ff.); Schaumburg in FS Frotscher, 503 (514 ff.). 4 Zur Frage der Anwendbarkeit des § 27 Abs. 8 KStG über ausländische EU-Kapitalgesellschaften hinaus auf EWR-Kapitalgesellschaften und entsprechend auf Drittstaatengesellschaften Stimpel in R/H/N, § 27 KStG Rz. 220 m.w.N.; zur grenzüberschreitenden Einlagenrückgewähr Rz. 7.37 ff. 5 § 2 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 InvStG i.V.m. §§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2, 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 EStG. 6 Carlé in Korn, § 2 InvStG Rz. 11, 16, 18; Ramackers in L/B/P, § 10 InvStG Rz. 41. 7 So die Rechtslage zum InvStG 2004; zu Einzelheiten und zum InvStG 2018 Rz. 12.1 ff.
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hat § 3 Nr. 40 Buchst. e EStG kaum praktische Bedeutung, weil auflösungsbedingte Bezüge bereits unter § 3 Nr. 40 Buchst. a oder Buchst. c EStG fallen.1 Dem Teileinkünfteverfahren unterliegen ferner besondere Entgelte und Vorteile (§ 3 Nr. 40 Buchst. f EStG) sowie Gewinne aus der Veräußerung von Dividendenscheinen und sonstigen Ansprüchen, soweit es um zukünftige Gewinnansprüche geht (§ 3 Nr. 40 Buchst. g EStG). Entsprechendes gilt auch für Gewinne aus der Abtretung von Dividendenansprüchen und sonstigen Ansprüchen (§ 3 Nr. 40 Buchst. h EStG). Das insoweit eingreifende Teileinkünfteverfahren wird auch von nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Rechtsträgern vermittelt.
18.30
Vom Teileinkünfteverfahren erfasst werden schließlich auch Bezüge i.S. des § 22 Nr. 1 Satz 2 EStG, soweit diese von einer nicht von der Körperschaftsteuer befreiten Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse stammen (§ 3 Nr. 40 Buchst. i EStG). Angesprochen sind damit insbesondere Bezüge, die von einem unbeschränkt steuerpflichtigen Rechtsträger außerhalb der Erfüllung steuerbegünstigter Zwecke i.S. der §§ 52–54 AO gewährt werden. Entsprechende Bezüge, die von nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Rechtsträgern stammen, werden ebenfalls erfasst.
18.31
d) Veräußerungserlöse und gleichgestellte Einnahmen Im Vordergrund des für Einnahmen aus der Veräußerung von Kapitalanteilen und aus veräußerungsgleichen Vorgängen maßgeblichen Teileinkünfteverfahrens steht § 3 Nr. 40 Buchst. a EStG, von dessen Reichweite nur Kapitalanteile im Betriebsvermögen erfasst werden. Hierbei spielt es keine Rolle, ob die betreffenden Kapitalanteile einem in- oder ausländischen Betriebsvermögen zuzuordnen sind. Neben der Veräußerung selbst, werden auch andere Realisationssachverhalte erfasst, insbesondere Entnahmen, Auflösungen (Liquidationen), Kapitalherabsetzungen sowie Teilwertzuschreibungen auf Grund einer Wertaufholung (§ 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG), soweit die vorangegangene Teilwertabschreibung nicht vollumfänglich den Gewinn gemindert hat (§ 3 Nr. 40 Buchst. a Satz 2 EStG). Aus dem Einlagekonto (§ 27 KStG) stammende den Buchwert der Anteile übersteigende Bezüge gehören ebenfalls zu den einer Veräußerung gleichgestellten Vorgängen, soweit hierfür eine gesonderte Feststellung gem. § 27 Abs. 8 KStG erfolgt ist.2
18.32
Die vorgenannten Realisationsvorgänge gelten im Grundsatz auch für ausländische Rechtsträger, soweit diese auf Grund des maßgeblichen Typenvergleichs einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse gleichgestellt sind (Rz. 7.7 ff.). So führt etwa die Rückzahlung von Kapital durch eine ausländische Kapitalgesellschaft unter den Voraussetzungen des § 27 Abs. 8 KStG zur Anwendung des Teileinkünfteverfahrens, soweit die Kapitalrückzahlung den Buchwert der Beteiligung übersteigt. Entsprechendes gilt auch für die Herabset-
18.33
1 Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 141. 2 BFH v. 7.11.1990 – I R 68/88, BStBl. II 1991, 177; v. 16.3.1994 – I R 70/92, BStBl. II 1994, 527; v. 20.4.1999 – VIII R 38/96, BStBl. II 1999, 647; Dötsch in D/P/M, § 27 KStG Rz. 19; Frotscher in Frotscher/Drüen, § 27 KStG Rz. 10; Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 113; Intemann, NWB 2010, 2295 (2299), vgl. auch Rz. 7.37 ff.
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
zung des Nennkapitals. Soweit im Zusammenhang mit der Überführung von Kapitalanteilen aus einem inländischen Betriebsvermögen in eine ausländische Betriebsstätte eine Gewinnrealisierung angenommen wird (§ 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG), kommt auch hier das Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Buchst. a EStG zur Anwendung,1 und zwar auch soweit es die Auflösung eines Ausgleichspostens gem. § 4g EStG betrifft.2 18.34
§ 3 Nr. 40 Buchst. b EStG erfasst Einnahmen aus mittelbaren Anteilsveräußerungen sowie Veräußerungen von 100 %-Beteiligungen. Es geht hierbei insbesondere um Kapitalanteile, die im Zusammenhang mit Betriebsveräußerungen, Teilbetriebsveräußerungen oder der Veräußerung von Mitunternehmeranteilen mit übertragen werden.3 Auch hier werden Anteile an in- und ausländischen Rechtsträgern gleichermaßen erfasst. Das Teileinkünfteverfahren erstreckt sich gem. § 3 Nr. 40 Buchst. b EStG im Ausgangspunkt schließlich auch auf die Einnahmen aus der Veräußerung von zum Privat- oder Betriebsvermögen gehörenden einbringungsgeborenen Anteilen (§ 21 Abs. 1 UmwStG a.F.)4 sowie auf die in § 21 Abs. 2 UmwStG a.F. aufgeführten Ersatztatbestände.5
18.35
§ 3 Nr. 40 Buchst. c EStG erstreckt das Teileinkünfteverfahren auf Einnahmen aus Anteilsveräußerungen im Privatvermögen (§ 17 Abs. 1, 2 EStG). Dies gilt auch für die Veräußerung von Auslandsanteilen. Dem Teileinkünfteverfahren unterliegen gem. § 3 Nr. 40 Buchst. c Satz 2 EStG auch die Fälle der Einlagenrückgewähr im Zuge einer ordentlichen Kapitalherabsetzung und einer Rückzahlung von Beträgen aus dem steuerlichen Einlagekonto, soweit diese die Anschaffungskosten übersteigen (§ 17 Abs. 4 EStG).6 Für Anteile, die dem Anwendungsbereich des § 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG unterliegen, ist für die übersteigende Einlagenrückgewähr demgegenüber kein Veräußerungsersatztatbestand vorgesehen, so dass das Teileinkünfteverfahren insoweit obsolet ist.7 Im Falle des Wegzugs der Kapitalgesellschaft ins Ausland greift wegen § 17 Abs. 5 EStG das Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG ebenso ein wie im Falle des Wegzugs des Anteilseigners selbst (§ 6 AStG).8
1 Pung in D/P/M, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 32; Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 57; Tormöhlen/Korn in Korn, § 3 Nr. 40 Rz. 117.17. 2 Pung in D/P/M, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 32; Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 57. 3 Für Betriebsverlagerungen ins Ausland greift in Anknüpfung an § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG (Entnahme) das Teileinkünfteverfahren gem. § 3 Nr. 40 Buchst. a EStG ein. 4 Pung in D/P/M, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 50; Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 82 f.; Haritz, DStR 2000, 1537 (1544), a.A. Dieterlen/Schaden, BB 2000, 2492 (2494) wonach zum Privatvermögen gehörende einbringungsgeborene Anteile unter § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG fallen sollen. 5 Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 83; Hötzel in Schaumburg/Rödder, Unternehmenssteuerreform 2001, 222; Förster, Stbg 2001, 657 (658). 6 BFH v. 19.7.1994 – VIII R 58/92, BStBl. II 1995, 362. 7 Im Umfang der übersteigenden Einlagenrückgewähr werden allerdings negative Anschaffungskosten angenommen, so dass die Besteuerung bei späterer Anteilsveräußerung nachgeholt wird; vgl. BMF v. 18.1.2016 – IV C 1 - S 2252/08/10004:017 – DOK 2015/0468306, BStBl. I 2016, 85, Tz. 92. 8 Obwohl § 17 Abs. 5 EStG in § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG nicht ausdrücklich zitiert ist; Pung in D/P/M, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 66; Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 101.
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A. Einkommensteuer
2. Gewinne bei Hinzurechnungsbesteuerung a) Allgemeines § 3 Nr. 41 EStG ist primär darauf gerichtet, die Doppelbelastung von Hinzurechnungsbeträgen einerseits und Gewinnausschüttungen seitens bestimmter ausländischer Kapitalgesellschaften (Zwischengesellschaften) sowie Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an denselben andererseits zu vermeiden. Die Vermeidung der Doppelbelastung erfolgt durch eine vollständige Steuerfreistellung der tatsächlich bezogenen Gewinnausschüttungen bzw. tatsächlich erzielten Veräußerungsgewinne. Diese Steuerfreistellung, die der partiellen Steuerfreistellung gem. § 3 Nr. 40 EStG vorgeht, gilt unabhängig von der Zuordnung zu einer bestimmten Einkunftsart und unabhängig davon, ob die Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft einem Betriebs- oder Privatvermögen zuzuordnen sind. Die Steuerfreistellung kann von unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtigen, der Einkommensteuer und Körperschaftsteuer1 unterliegenden Personen gleichermaßen in Anspruch genommen werden.
18.36
Die Steuerfreistellung des § 3 Nr. 41 EStG ist eine notwendige Folge der in den §§ 7–14 AStG verankerten Hinzurechnungsbesteuerung (Rz. 13.1 ff.): Sind unbeschränkt oder erweitert beschränkt steuerpflichtige Personen in einem bestimmten Umfang an einer ausländischen Kapitalgesellschaft beteiligt, die mit ihren Einkünften aus passivem Erwerb niedrig besteuert ist, so werden die nach deutschem Steuerrecht zu ermittelnden Einkünfte aus passivem Erwerb der ausländischen Kapitalgesellschaft nach Ablauf des Wirtschaftsjahres den unbeschränkt steuerpflichtigen Personen nach Maßgabe ihrer Beteiligung als Hinzurechnungsbetrag hinzugerechnet. Dieser Hinzurechnungsbetrag wird als Einkünfte im Sinne der im § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG genannten Art qualifiziert und unterliegt entweder den Einkünften aus Kapitalvermögen oder aber insbesondere den Einkünften aus Gewerbebetrieb, ohne dass hierfür das Teileinkünfteverfahren zur Anwendung kommt (§ 10 Abs. 2 Satz 3 AStG). Mit dieser Hinzurechnungsbesteuerung wird die Abschirmwirkung ausländischer Kapitalgesellschaften ggü. der deutschen Besteuerung letztlich dadurch beseitigt, dass die Besteuerung beim unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner so erfolgt, als sei zum frühestmöglichen Zeitpunkt und im größtmöglichen Umfang ausgeschüttet worden. Damit knüpft die Besteuerung insoweit an Soll-Einkommen an. Wird nun seitens der ausländischen Kapitalgesellschaft nachfolgend tatsächlich ausgeschüttet, unterliegen die Ausschüttungen an sich dem Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Buchst. d EStG), so dass insoweit eine Doppelbelastung einträte. Diese wird durch Freistellung gem. § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG vermieden (Rz. 18.39 ff.). Entsprechendes gilt für Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften, soweit deren Einkünfte aus passivem Erwerb eine Hinzurechnungsbesteuerung ausgelöst haben (Buchst. b).
18.37
Da die Steuerfreistellung gem. § 3 Nr. 41 EStG entsprechend der vom Gesetzgeber zugrunde gelegten Konzeption auch auf die Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung gerichtet ist, wird durch § 12 Abs. 3 AStG folgerichtig die Anrech-
18.38
1 Schönfeld in F/W/B/S, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 13, 59 f.; Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 14; R 32 Abs. 1 Nr. 1 KStR, a.A. Dötsch in D/P/M, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 3; von Beckerath in K/S/M, § 3 NR. 41 EStG Rz. B 41, 61.
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
nung der von der Ausschüttung einbehaltenen ausländischen Quellensteuer ermöglicht (Rz. 13.221). Auf einer vergleichbaren Wertungsebene ist § 8 Nr. 5 Satz 2 GewStG angesiedelt, wonach für Zwecke der Gewerbesteuer die internationale Doppelbesteuerung dadurch vermieden wird, dass eine Hinzurechnung unter den Voraussetzungen des § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG stets unterbleibt (Rz. 18.223). b) Gewinnausschüttungen 18.39
Gemäß § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG werden Gewinnausschüttungen seitens ausländischer Kapitalgesellschaften von der Besteuerung freigestellt, soweit für das Kalender- oder Wirtschaftsjahr des Bezugs oder für die vorangegangenen sieben Kalender- oder Wirtschaftsjahre nachweislich Hinzurechnungsbeträge (§ 10 Abs. 2 AStG) der Einkommensteuer unterlegen haben und in der Vergangenheit § 11 Abs. 1 und 2 AStG a.F. nicht anzuwenden war.1 Angesprochen sind damit in Abgrenzung zu den in § 3 Nr. 41 Buchst. b EStG erfassten Veräußerungen und veräußerungsgleichen Vorgängen, die in § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG aufgeführten Bezüge,2 zu denen nicht nur offene und verdeckte Gewinnausschüttungen, sondern auch alle sonstigen aus der Beteiligung fließenden Vorteile gehören, soweit sie auf gesellschaftsrechtlicher und nicht auf schuldrechtlicher Grundlage beruhen.3 Ob diesen Gewinnausschüttungen Einkünfte aus passivem Erwerb oder aus aktiver Tätigkeit zugrunde liegen, spielt keine Rolle.4
18.40
Zwecks Vermeidung der Doppelbelastung reicht es aus, wenn der inländische Anteilseigner einen Betrag erhält, der der Höhe nach den niedrig besteuerten Einkünften aus passivem Erwerb der ausländischen Kapitalgesellschaft (Zwischengesellschaft)5 entspricht. Würde die Gewinnausschüttung nur in dem Verhältnis steuerfrei gestellt, in dem die niedrig besteuerten Einkünfte aus passivem Erwerb zu den gesamten Einkünften der ausländischen Kapitalgesellschaft (Zwischengesellschaft) stehen, käme es zu einem Zwang zur Ausschüttung der aktiven Einkünfte. Ein derartiger Ausschüttungszwang widerspräche indessen der eigentlichen Zielsetzung der Hinzurechnungsbesteuerung, die Abschirmwirkung ausländischer Gesellschaften nur hinsichtlich ihrer Einkünfte aus passivem Erwerb zu beseitigen (Rz. 13.6). Aus dem gleichen Grund ist es auch geboten, bei der Steuerfreistellung nicht darauf abzustellen, ob für das Kalender- oder Wirtschaftsjahr, in dem die Gewinnausschüttungen bezogen werden, Hinzurechnungsbeträge der Einkommensteuer unterlegen haben, sondern vielmehr darauf, ob dies in dem Kalender- oder Wirtschaftsjahr der Fall ist, in dem die Gewinnausschüttungen bezogen werden.6 1 § 11 Abs. 1 und 2 AStG a.F. galt letztmals für Gewinnausschütten vor dem 1.1.2001, so dass dieser Vorbehalt heute keine Rolle mehr spielt. 2 Gemeint sind hier Bruttoerträge vor Abzug von Quellensteuern. 3 Hierzu zählen auch Investmenterträge, für die gem. § 2 Abs. 4 InvStG 2004 § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG ebenfalls zur Anwendung kommt; hierzu Carlé in Korn, § 2 InvStG, Rz. 37. 4 Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 14; Schönfeld in F/W/B/S, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 34; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 18.1.5.1. 5 So die Terminologie gem. § 7 Abs. 1 AStG. 6 Ausführlich Schönfeld in F/W/B/S, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 41; ferner Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 11.
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A. Einkommensteuer
Durch die zeitliche Limitierung auf höchstens acht Jahre1 wird das Ziel des § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG – Vermeidung einer Doppelbelastung – nicht selten verfehlt. Übersteigen nämlich die tatsächlichen Ausschüttungen die Hinzurechnungsbeträge des Ausschüttungsjahres (Kalender- oder Wirtschaftsjahr) und die der vorangegangenen sieben Kalender- oder Wirtschaftsjahre,2 so können Ausschüttungsüberschüsse verbleiben, die sodann nicht mehr freigestellt, sondern dem Teileinkünfteverfahren3 oder der Abgeltungsteuer4 unterliegen. Für die zeitliche Limitierung werden Praktikabilitätsgesichtspunkte angeführt.5 Diese vermögen indessen unter dem Gesichtspunkt der steuerlichen Leistungsfähigkeit eine Doppelbesteuerung nicht zu rechtfertigen,6 wenn etwa auf Grund einer Außenprüfung für weit zurückliegende Zeiträume eine Hinzurechnungsbesteuerung angenommen wird. Hier hat die Finanzverwaltung aus Billigkeitsgründen durch Steuererlass die Doppelbesteuerung zu vermeiden (§§ 163, 227 AO).7
18.41
Schließlich führen auch die systemwidrigen Divergenzen zwischen der Hinzurechnungsbesteuerung einerseits und der Besteuerung der tatsächlichen Gewinnausschüttungen andererseits zu unvermeidbaren Zielkonflikten. Bleibt nämlich die Hinzurechnungsbesteuerung hinsichtlich ihrer Belastungswirkungen, etwa durch Berücksichtigung eines Verlustabzugs (§ 10 Abs. 3 Satz 5 AStG), hinter der Besteuerung der tatsächlichen Gewinnausschüttungen zurück, so wird die durch die §§ 7–14 AStG angestrebte steuerliche Einmalbelastung der ausschüttungsfähigen Gewinne zum frühestmöglichen Zeitpunkt verfehlt. Geht indessen die Belastungswirkung der Besteuerung der tatsächlichen Gewinnausschüttungen über die der Hinzurechnungsbesteuerung, etwa auf Grund unterschiedlicher Gewinnermittlungsgrundsätze oder wegen eines zwischenzeitlichen Währungsverfalls, hinaus, so tritt eine nicht gewollte Doppelbelastung ein. Derartige Doppelbelastungen werden in der Praxis mitunter durch eine entsprechende Ausschüttungspolitik seitens der ausländischen Kapitalgesellschaft (Zwischengesellschaft) vermieden werden können. Minderheitsgesellschafter haben jedoch in aller Regel keinen Einfluss auf die Ausschüttungspolitik, so dass deren Steuerbelastung auf Grund des Nebeneinanders von Hinzurechnungsbeträgen und tatsächlichen Gewinnausschüttungen kaum vorhersehbar ist. Im Hinblick darauf sind auch hier Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 227 AO) seitens der Finanzverwaltung geboten.
18.42
§ 3 Nr. 41 Buchst. a EStG verlangt, dass die Hinzurechnungsbeträge der Einkommensteuer unterlegen haben, ob hierauf tatsächlich eine Einkommensteuer zu
18.43
1 Jahr der Ausschüttung und die vorangegangenen sieben Jahre. 2 Die Gewinnausschüttungen werden vorrangig mit den ältesten Hinzurechnungsbeträgen verrechnet; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 18.1.5.1. 3 Schönfeld in F/W/B/S, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 45; Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 14. 4 Falls die Ausschüttung weder den Gewinneinkünften noch den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zuzuordnen sind (vgl. § 3 Nr. 40 Satz 2 EStG). 5 BT-Drucks. 14/6882, 31. 6 Schönfeld in F/W/B/S, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 22; dort auch zu europarechtlichen Bedenken (Rz. 18); Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 2; Wassermeyer, DStJG 25 (2002), 103 (107 ff.); Lieber, FR 2002, 139 (141 f.). 7 Vgl. BFH v. 5.4.1995 – I R 81/94, BStBl. II 1995, 629.
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
bezahlen war, ist unerheblich.1 Abgestellt wird allerdings nur auf die Hinzurechnungsbeträge im Ausschüttungsjahr (Kalender- oder Wirtschaftsjahr) und die der vorangegangenen sieben Kalender- oder Wirtschaftsjahre. Der Gesetzgeber geht dabei erkennbar von dem Regelfall aus, dass der Besteuerung der Hinzurechnungsbeträge die Besteuerung der tatsächlichen Gewinnausschüttungen folgt. Das ist indessen bei Vorabausschüttungen und verdeckten Gewinnausschüttungen nicht der Fall, weil diese dem Ansatz des entsprechenden Hinzurechnungsbetrages zeitlich vorangehen. 18.44
Eine hieraus folgende steuerliche Doppelerfassung widerspricht der erkennbaren Wertung des § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG, wonach eine Doppelbelastung von Hinzurechnungsbeträgen und tatsächlichen Gewinnausschüttungen vermieden werden soll. Von drei denkbaren Zuflusszeitpunkten – Hinzurechnungsbetrag vor Gewinnausschüttung, Hinzurechnungsbetrag zeitgleich mit Gewinnausschüttung und Gewinnausschüttung vor Hinzurechnungsbetrag – sind in § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG nur die ersten beiden Alternativen geregelt. Diese Wertungslücke ist durch Analogie zu schließen, so dass eine Steuerfreistellung auch dann in Betracht kommt, wenn der Hinzurechnungsbetrag erst später der Einkommensteuer unterworfen wird. Damit wird zugleich auch dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit entsprochen. Dieser Grundsatz kann aber auch im Billigkeitswege (§§ 163, 227 AO) dadurch verwirklicht werden, dass bei nachfolgender Besteuerung des Hinzurechnungsbetrages die Bezüge rückwirkend steuerfrei gestellt werden.2
18.45
Die Steuerfreistellung gem. § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG verlangt keine Personenidentität in dem Sinne, dass nur der unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner, der die Gewinnausschüttungen bezieht, zugleich auch mit dem Hinzurechnungsbetrag der Einkommensteuer unterworfen war.3 Hat daher etwa ein unbeschränkt steuerpflichtiger Anteilseigner nach dem Hinzurechnungszeitpunkt (§ 10 Abs. 2 AStG), jedoch vor dem Bezug der Gewinnausschüttungen, seinen Anteil übertragen, steht die Steuerfreistellung dem Erwerber zu. Verlangt wird schließlich auch keine Anteilsidentität mit der Folge, dass eine Veränderung der Anteilsquoten an der ausländischen Kapitalgesellschaft (Zwischengesellschaft) auf die Steuerbefreiung keinen Einfluss hat. Erforderlich ist aber eine Gesellschaftsidentität, d.h. die ausländische Gesellschaft, von der die Gewinnausschüttung stammt, muss mit der Gesellschaft, die die dem Hinzurechnungsbetrag zugrunde liegenden Zwischeneinkünfte erzielt hat, identisch sein, wobei identitätswahrende Umwandlungen unschädlich sind.4
18.46
§ 3 Nr. 41 Buchst. a EStG schreibt für die bezogenen Gewinnausschüttungen die Anwendung der in § 3c Abs. 2 EStG verankerten Ausgabenabzugsbeschränkung vor. Damit kommt das partielle Abzugsverbot trotz vollständiger Steuerfreistel1 Schönfeld in F/W/B/S, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 55; Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 10. 2 So BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 18.1.5.4. 3 Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 9; Schönfeld in F/W/B/S, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 49. 4 Zu weiteren Einzelheiten Intemann in H/H/R § 3 Nr. 41 EStG Rz. 9; Schönfeld in F/W/B/S, § 3 Nr. 41 EStG Abs. 52 f.
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A. Einkommensteuer
lung zur Anwendung.1 Vom partiellen Abzugsverbot erfasst werden lediglich Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Gewinnausschüttungen selbst stehen.2 c) Veräußerungsgewinne § 3 Nr. 41 Buchst. b EStG ist ein Ergänzungstatbestand dahingehend, dass auch Veräußerungsgewinne und Gewinne aus der Auflösung und Kapitalherabsetzung von Zwischengesellschaften steuerfrei gestellt werden, soweit für das Kalenderoder Wirtschaftsjahr des Bezuges oder für die vorangegangenen sieben Kalenderoder Wirtschaftsjahre im Zusammenhang mit der Beteiligung an dieser Gesellschaft eine Hinzurechnungsbesteuerung angefallen ist.3
18.47
Damit zielt dieser Ergänzungstatbestand ebenfalls auf eine Vermeidung der steuerlichen Doppelbelastung ab. Voraussetzung für die Steuerfreistellung ist allerdings, dass die Zwischeneinkünfte, die der Hinzurechnungsbesteuerung unterlegen haben, nicht ausgeschüttet worden sind. Da hierfür § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG eingreift, wird somit eine Doppelfreistellung vermieden.4
18.48
IV. Steueranrechnung 1. Allgemeines Für den Bereich der Einkommensteuer ist die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung in §§ 34c, 50 Abs. 3 EStG und § 32d Abs. 5 EStG verankert. § 34c EStG gelangt darüber hinaus auch zur Anwendung auf Grund von Verweisungen z.B. in § 26 KStG, § 12 Abs. 3 AStG und § 4 Abs. 2 InvStG 2004 sowie in den DBA.
18.49
2. Persönliche Voraussetzungen Werden unbeschränkt Steuerpflichtige mit ihren aus einem ausländischen Staat stammenden Einkünften dort zu einer der deutschen Einkommensteuer entsprechenden Steuer herangezogen, so ist gem. § 34c Abs. 1 EStG die festgesetzte, gezahlte und keinem Ermäßigungsanspruch mehr unterliegende ausländische Steuer auf die deutsche Einkommensteuer anzurechnen, die auf die Einkünfte 1 Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 15; Schönfeld in F/W/B/S, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 73; Dötsch in D/P/M, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 14; von Beckerath in K/S/M, § 3 Nr. 41 EStG Rz. B 41/114; Tormöhlen in Korn, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 6; a.A. Handzik in L/B/P, § 3 Rz. 1563; Steiner in Lademann, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 316, die von einem vollständigen Abzugsverbot ausgehen. 2 Schönfeld in F/W/B/S, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 70, 72; Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 3; Wassermeyer, DStJG 25 (2002), 103 (107 ff.); Lieber, FR 2002, 139 (142 f.); mit Hinweisen dazu, dass § 3c Abs. 2 EStG im Anwendungsbereich des § 3 Nr. 41 EStG systematisch verfehlt und wegen Verstoßes gegen das objektive Nettoprinzip verfassungswidrig ist. 3 Eine Gesellschaftsidentität ist also erforderlich. 4 Hierzu Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 22; Schönfeld in F/W/B/S, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 93.
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
aus diesem Staat entfällt. Im Anwendungsbereich der Abgeltungsteuer enthält § 32d Abs. 5 EStG eine entsprechende Anrechnungsvorschrift für Einkünfte aus Kapitalvermögen (Rz. 18.104, 18.111). Die Begrenzung der Anrechnungsberechtigung auf unbeschränkt steuerpflichtige Personen ist die Folge des nur bei unbeschränkter Steuerpflicht zur Geltung kommenden Welteinkommensprinzips. Da die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 2 EStG sowie die fingierte unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG keine selbständigen Formen der Steuerpflicht sind, gelten alle Vorschriften, die an die unbeschränkte Steuerpflicht anknüpfen, automatisch auch für die Fälle des § 1 Abs. 2 und 3 EStG. Erweitert unbeschränkt steuerpflichtige Personen sowie Grenzpendler (§ 1 Abs. 3 EStG) können daher ebenfalls die Steueranrechnung gem. § 34c Abs. 1 EStG in Anspruch nehmen.1 Zu dem Kreis der Anrechnungsberechtigten gehören auch jene Steuerpflichtige, die etwa aufgrund eines Doppelwohnsitzes in mehreren Staaten unbeschränkt steuerpflichtig sind.2 18.51
Obwohl Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung grundsätzlich nur als Aufgabe des Wohnsitzstaates aufgefasst werden, sieht § 50 Abs. 3 EStG eine Steueranrechnung auch für beschränkt Steuerpflichtige vor.3 Dieser an sich systemfremden Steueranrechnung bedurfte es, weil die inlandsbezogenen Qualifikationsmerkmale des § 49 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG auch ausländische Einkunftsquellen erfassen und damit kollisionsbegründend sind. § 50 Abs. 3 EStG lässt die Steueranrechnung nur zu bei den Einkünften aus Landund Forstwirtschaft, Gewerbetrieb und selbständiger Arbeit, für die ein inländischer Betrieb unterhalten wird, soweit darin nicht Einkünfte aus einem ausländischen Staat enthalten sind, mit denen der beschränkt Steuerpflichtige dort mit seinem Welteinkommen zur Steuerpflicht herangezogen wird. Angesprochen sind hierdurch vor allem Einkünfte aus Drittstaaten, etwa Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren, die mit einer Quellensteuer belegt sind. In der Praxis hat § 50 Abs. 3 EStG insbesondere Bedeutung für inländische Niederlassungen ausländischer Banken sowie für Beteiligungen beschränkt Steuerpflichtiger an inländischen Personengesellschaften.4
18.52
Die Steueranrechnung setzt voraus, dass der unbeschränkt Steuerpflichtige selbst mit seinen aus einem ausländischen Staat stammenden Einkünften dort zu einer der deutschen Einkommensteuer entsprechenden Steuer herangezogen wird. Damit ist die Steuersubjektidentität Voraussetzung für die Steueranrechnung. Da die Rechtssysteme der ausländischen Staaten sich durchweg von denen Deutschlands unterscheiden und den persönlichen Anknüpfungspunkten für die Besteuerung vielfach unterschiedliche Konzeptionen zugrunde liegen, wird eine Identität des Steuersubjekts im streng juristischen Sinne insbesondere bei Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften häufig nicht erreicht werden können. So sind etwa im romanischen Rechtskreis die Personengesellschaften 1 BFH v. 13.10.1965 – I 410/61 U, BStBl. III 1965, 738; Wassermeyer in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 121; für Grenzpendler ist § 34c EStG allerdings ohne praktische Bedeutung, weil gem. § 1 Abs. 3 EStG ohnehin nur inländische Einkünfte (§ 49 EStG) erfasst werden. 2 Wassermeyer in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 121. 3 § 50 Abs. 3 EStG verweist auf § 34c Abs. 1 bis 3 EStG. 4 Wied in Blümich, § 50 EStG Rz. 117.
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A. Einkommensteuer
im Gegensatz zum deutschen Einkommen-/Körperschaftsteuerrecht selbständige Steuersubjekte. Gleichwohl werden sie nach Maßgabe des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG überwiegend als Mitunternehmerschaften qualifiziert, so dass unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter mit den auf sie entfallenden Gewinnanteilen zur deutschen Einkommensteuer herangezogen werden, unabhängig davon, ob der Gewinn ausgeschüttet worden ist oder nicht.1 Dieser dem deutschen Einkommensteuergesetz folgenden Qualifikation hat eine am Sinn und Zweck des § 34c EStG – Vermeidung der Doppelbesteuerung – orientierte Auslegung Rechnung zu tragen mit der Folge, dass die Steuersubjektidentität unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu bejahen und daher eine Steueranrechnung möglich ist.2 Dies gilt nicht nur für die auf Gesellschaftsebene gezahlten Steuern, sondern auch für etwaige Quellensteuern auf Ausschüttungen an die Gesellschafter.3 Die Steuersubjektidentität ist auch in den Fällen der Zurechnungsdivergenz zu bejahen, sofern der unbeschränkt Steuerpflichtige mit der ausländischen Steuer belastet ist. Werden etwa Einkünfte im Ausland dem Treuhänder und im Inland dem Treugeber zugerechnet (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO), so kann der Treugeber die im Ausland vom Treuhänder geschuldete Steuer anrechnen, wenn diese im Rahmen des Aufwendungsersatzes zu seinen Lasten geht.4 Entsprechendes gilt im Falle des Nießbrauchs, falls im Ausland die Einkünfte dem Eigentümer und im Inland dem unbeschränkt steuerpflichtigen Nießbraucher zugerechnet werden.5
18.53
Eine Ausnahme vom Erfordernis der Subjektidentität ergibt sich aus § 19 Abs. 1 und 2 KStG für die Organschaft. Der Organträger kann danach die auf die ausländischen Einkünfte der Organgesellschaft entfallende ausländische Steuer vom Einkommen unter den Voraussetzungen des § 34c Abs. 1 EStG selbst anrechnen. Ist Organträger eine Personengesellschaft, so sind die Gesellschafter zur Anrechnung befugt (§ 19 Abs. 3 KStG).6
18.54
Nach der Rechtsprechung des BFH7 soll die Steuersubjektidentität und damit die Voraussetzung für eine Steueranrechnung oder eine sonstige Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in den Fällen nicht gegeben sein, in denen die Einschaltung ausländischer Basisgesellschaften wegen Missbrauchs von Gestal-
18.55
1 RFH v. 12.2.1930, RStBl. 1930, 444; BFH v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695; v. 18.10.2007 – V B 164/06, BStBl. II 2008, 263; v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263; v. 25.5.2011 – I R 95/10, FR 2011, 1175; Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 2; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 35; Piltz, Die Personengesellschaft im internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, 107 f.; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 4.1.4. 2 RFH v. 12.2.1930, RStBl. 1930, 444; BFH v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695; BMF v. 1.10.1997 – IV B 3 - S 2056 - 50/97, BStBl. I 1997, 863; v. 28.5.1998 – IV C 5 - S 1301 Spa 2/98, BStBl. I 1998, 557. 3 Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 2; Kaminski/Strunk in Korn, § 34c EStG Rz. 35. 4 BFH v. 5.2.1992 – I R 9/90, BStBl. II 1992, 607. 5 Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 61; Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 2, Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 37. 6 Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 61; Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 2; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 38. 7 BFH v. 24.2.1976 – VIII R 155/71, BStBl. II 1977, 265.
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
tungsmöglichkeiten des Rechts als Steuerumgehung gem. § 42 AO qualifiziert wird (Rz. 13.23 ff.). 18.56
Durch § 42 Abs. 1 Satz 3 AO wird der Umgehungserfolg dadurch verhindert, dass der Steueranspruch so verwirklicht wird, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. An die Stelle der tatsächlich gewählten rechtlichen Gestaltung wird daher für Zwecke der steuerlichen Rechtsfolge die angemessene Rechtsgestaltung der Besteuerung zugrunde gelegt. Müssten für den gleichen Sachverhalt bei angemessener Gestaltung ebenso wie bei der tatsächlich verwirklichten unangemessenen Gestaltung ausländische Steuern entrichtet werden, ist eine Steueranrechnung zulässig. Bezieht also eine ausländische Basisgesellschaft ausländische Dividendeneinkünfte, für die sie Kapitalertragsteuer entrichtet hat, und werden diese Dividendeneinkünfte als Rechtsfolge des § 42 Abs. 1 Satz 3 AO dem unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseigner der Basisgesellschaft zugerechnet, so kann dieser die von der ausländischen Basisgesellschaft im Ausland gezahlte Kapitalertragsteuer auf seine eigene Einkommensteuerschuld anrechnen.1 Handelt es sich dagegen um eine sog. Mäanderstruktur, bei der die ausländische Basisgesellschaft Dividenden aus dem Inland bezieht, ist eine Steueranrechnung mangels ausländischer Einkünfte ausgeschlossen.2 § 42 Abs. 1 Satz 3 AO schließt daher die Anwendung des § 34c Abs. 1 EStG nicht aus. 3. Ausländische Einkünfte a) Allgemeines
18.57
Ausländische Steuern können gem. § 34c Abs. 1 EStG nur dann angerechnet werden, wenn sie auf ausländische Einkünfte erhoben worden sind. Was unter ausländischen Einkünften zu verstehen ist, ergibt sich aus § 34d EStG. Der Katalog der dort genannten ausländischen Einkünfte entspricht im Wesentlichen dem Einkünftekatalog des § 49 Abs. 1 EStG.3 § 34d EStG enthält damit eine ähnlich lückenhafte Anknüpfung an Steuerquellen wie § 49 Abs. 1 EStG (Rz. 6.161 f.). Im Hinblick darauf kann § 34d EStG von vornherein der Zielsetzung des § 34c EStG, die Doppelbesteuerung zu vermeiden, in nur eingeschränktem Maße dienlich sein.4
18.58
Unter diesen Umständen schließt § 34c Abs. 3 EStG, wonach u.a. ein Steuerabzug auch insoweit möglich ist, als ausländische Einkünfte nicht vorliegen, insbesondere die durch § 34d EStG verursachten Lücken. 1 Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 132; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 37; Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 2; zu § 34c Abs. 3 EStG offengelassen von BFH v. 1.4.2003 – I R 39/02, BStBl. II 2003, 869 und verneint von BFH v. 2.3.2016 – I R 73/14, BStBl. II 2016, 887; zur Kritik Wassermeyer, IStR 2016, 825. 2 BFH v. 2.3.2016 – I R 73/14, BStBl. II 2016, 887; hiernach wird auch ein Steuerabzug gem. § 34c Abs. 3 EStG mangels Subjektidentität versagt. 3 Zu Abweichungen vgl. Klein/Link in H/H/R, § 34d EStG Rz. 5. 4 Hierzu Inst.FuSt., Ausländische Einkünfte und direkte Steueranrechnung – Notwendige Verbesserungen der unilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Brief 164), 13; Burmester in Gassner/Lang/Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, 241 (248).
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A. Einkommensteuer
Der Katalog der ausländischen Einkünfte gem. § 34d EStG ist abschließend.1 Für die Qualifizierung der Einkünfte ist, obwohl § 34d EStG diesbezüglich keine ausdrückliche Regelung enthält, die isolierende Betrachtungsweise, wie sie sich aus § 49 Abs. 2 EStG ergibt, maßgeblich.2 Dementsprechend bleiben inländische Besteuerungsmerkmale außer Betracht, soweit bei ihrer Berücksichtigung ausländische Einkünfte nicht angenommen werden könnten.3 Im Hinblick darauf, dass für die Qualifikation als ausländische Einkünfte allein § 34d EStG maßgeblich ist, kommt es auf die Einordnung der Einkünfte im betreffenden ausländischen Staat nicht an. Hieraus folgt, dass eine Steueranrechnung auch dann möglich ist, wenn etwa die ausländischen Einkünfte im Quellenstaat als Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen (entspr. § 34d Nr. 4 Buchst. b EStG) qualifiziert werden.
18.59
Neben dem Umstand, dass dem Einkünftekatalog des § 34d EStG weitgehend der des § 49 Abs. 1 EStG zugrunde liegt, ergibt sich die Geltung der isolierenden Betrachtungsweise aus den Qualifikationsregeln des § 34d Nr. 1, Nr. 2a und Nr. 3 EStG, wonach für bestimmte Einkünfte die Subsidiarität zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit ausdrücklich begründet wird. Ohne Geltung der isolierenden Betrachtungsweise hätten diese besonderen Subsidiaritätsregeln im Hinblick auf §§ 20 Abs. 3, 21 Abs. 3, 22 Nr. 1 EStG keine Bedeutung.
18.60
§ 34d EStG regelt nicht, aus welchem ausländischen Staat die einzelnen Einkünfte stammen. Diese Differenzierung ist aber sowohl für die Steueranrechnung gem. § 34c Abs. 1 EStG als auch für den Steuerabzug gem. § 34c Abs. 3 EStG von Bedeutung, weil sowohl Steueranrechnung als auch Steuerabzug jeweils länderbezogen sind und der Höchstbetrag der Anrechnung für jeden Staat gesondert zu ermitteln ist (sog. per country limitation, Rz. 18.106 f.). § 34d EStG enthält auch keinen Auslandsbegriff, sondern setzt diesen vielmehr voraus. Da das Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz ebenfalls keinen Auslandsbegriff enthalten, kann auf diesen nur aus dem Inlandsbegriff des § 1 Abs. 1 Satz 2 EStG geschlossen werden.4 Da § 34d EStG nicht voraussetzt, dass die auslandsbezogenen Qualifikationsmerkmale5 zum Zeitpunkt des Erzielens der Einkünfte (noch) vorhanden sein müssen, sind auch nachträgliche Einkünfte als ausländische Einkünfte zu qualifizieren.6 § 34d EStG beschränkt sich schließlich darauf, bestimmte Einkünfte als ausländische zu qualifizieren, ohne zu bestimmen, wie diese Einkünfte zu ermitteln sind. Es gelten daher die Einkünfteermittlungs-
18.61
1 Gosch in Kirchhof15, § 34d EStG Rz. 1; Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 2. 2 BFH v. 9.4.1997 – I R 178/94, BStBl. II 1997, 657; v. 29.3.2000 – I R 15/99, BStBl. II 2000, 577; Gosch in Kirchhof15, § 34d EStG Rz. 2; Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 9. 3 Klein/Link in H/H/R, § 34d EStG Rz. 7, dementsprechend als umgekehrte isolierende Betrachtungsweise bezeichnet. 4 Hoheitsfreie Gebiete zählen allerdings nicht zum Ausland; BFH v. 14.6.1991 – VI R 185/87, BStBl. II 1991, 926; Gosch in Kirchhof15, § 34d EStG Rz. 4; Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 6. 5 Z.B. Betriebsstätte bei § 34d Nr. 2 Buchst. a EStG. 6 RFH v. 9.3.1932, RStBl. 1932, 513; BFH v. 15.7.1964 – I 415/61 U, BStBl. III 1964, 551; v. 12.10.1978 – I R 69/75, BStBl. II 1979, 64; v. 20.5.2015 – I R 75/14, BFH/NV 2015, 1687; Klein/Link in H/H/R, § 34d EStG Rz. 28; Gosch in Kirchhof15, § 34d EStG Rz. 5; Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 12.
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vorschriften des deutschen Steuerrechts.1 Da die ausländischen Einkünfte ausnahmslos im Sinne von Nettoeinkünften zu verstehen sind,2 sind bei deren Ermittlung Betriebsausgaben und Werbungskosten zu berücksichtigen. Hierfür gilt das allgemeine Veranlassungsprinzip (§ 4 Abs. 4 EStG).3 In Abgrenzung zu den übrigen Einkünften dürfen bei der Ermittlung der ausländischen Einkünfte im Grundsatz allerdings nur Ausgaben angesetzt werden, die in einem direkten (unmittelbaren) wirtschaftlichen Zusammenhang zu der Einnahmeerzielung stehen.4 18.62
Hiervon abweichend regelt § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG, dass bei Ermittlung der zum Gewinn eines inländischen Betriebs gehörenden ausländischen Einkünfte der in § 34d Nr. 3, 4, 6, 7 und 8 Buchst. c EStG genannten Art im betreffenden Veranlagungszeitraum5 angefallene Betriebsausgaben und Betriebsvermögensminderungen stets dann zu berücksichtigen sind, wenn sie in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den zugrunde liegenden Einnahmen stehen. Im Ergebnis reicht somit ein bloß mittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang aus.6 Ob und inwieweit Aufwendungen in einem derart wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, hängt von den Gründen ab, aus denen die Aufwendungen vorgenommen werden. „Maßgeblich ist die – wertende – Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen auslösenden Moments“7, so dass etwa Refinanzierungskosten im Zusammenhang mit ausländischen Kapitalanlagen zu berücksichtigen sind.8 Im Hinblick auf die für die Anrechnung maßgebliche Höchstbetragsregelung ist diese Sonderregelung für Steuerpflichtige mit betrieblichen Einkünften nachteilig.9
18.63
Die Regelungen des § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG zwingen bei der Ermittlung ausländischer Einkünfte somit zu einer Differenzierung wie folgt:10 Bei (privaten) Überschusseinkünften11 werden nur solche Erwerbsaufwendungen berücksichtigt, 1 BFH v. 4.6.1991 – X R 35/88, BStBl. II 1992, 187; Klein/Link in H/H/R, § 34d EStG Rz. 8; Gosch in Kirchhof15, § 34d EStG Rz. 5; Strunk/Kaminski in Korn, § 34d EStG Rz. 16; Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 11. 2 BFH v. 16.3.1994 – I R 42/93, BStBl. II 1994, 799. 3 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; v. 29.3.2000 – I R 15/99, BStBl. II 2000, 577; Gosch in Kirchhof15, § 34d EStG Rz. 5. 4 BFH v. 16.3.1994 – I R 42/93, BStBl. II 1994, 799; v. 9.4.1997 – I R 178/94, BStBl. II 1997, 657; v. 29.3.2000 – I R 15/99, BStBl. II 2000, 577; Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 91; Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 13; Geurts in Frotscher/Geurts, § 34d EStG Rz. 86; offengelassen von BFH v. 6.4.2016 – I R 61/14, IStR 2016, 666 m. Anm. Wacker. 5 Zur Zeitraumidentität zwischen Einnahmen und Betriebsausgaben bzw. Betriebsvermögensminderungen Geurts in Frotscher/Geurts, § 34c EStG Rz. 42; Müller-Dott, DB 2003, 1468 (1470); Köhler, DStR 2003, 1156 (1156 f.). 6 § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG eingefügt durch StVergAbG v. 16.5.2003 (BGBl. I 2003, 660) gegen BFH v. 29.3.2000 – I R 15/99, BStBl. II 2000, 577; zu Einzelheiten Geurts in Frotscher/Geurts, § 34c EStG Rz. 38 ff.; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 60. 7 So BFH v. 6.4.2016 – I R 61/64, IStR 2016, 666, Tz. 18; vgl. auch BFH v. 21.9.2009 – GrS 1/06, BStBl. II 2010, 672. 8 Ggf. ist eine Aufteilung vorzunehmen. 9 Einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dennoch verneinend BFH v. 6.4.2016 – I R 61/14, IStR 2016, 666 Rz. 22; Siegers in D/P/M, § 26 KStG Rz. 168; bejahend dagegen MüllerDott, DB 2003, 1468 (1469). 10 Diese Differenzierung wird nunmehr infrage gestellt von Wacker, IStR 2016, 671 (672). 11 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG), Kapitalvermögen (§ 20 EStG), Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) und sonstige Einkünfte (§§ 22, 23 EStG).
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die in einem direkten (unmittelbaren) wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einnahmen stehen.1 Für Gewinneinkünfte2 sind demgegenüber auch in einem bloß (mittelbaren) wirtschaftlichen Zusammenhang stehende Erwerbsaufwendungen einbezogen. Entsprechendes gilt auch für Betriebsvermögensminderungen. Das bedeutet etwa, dass im Gegensatz zu den (privaten) Überschusseinkünften ausländische Gewinneinkünfte um Refinanzierungskosten für ausländische Portfolioanlagen, Verluste aus Kurssicherungsgeschäften sowie um Wertverluste von Darlehensforderungen und Beteiligungen und um Währungsverluste3 und schließlich auch – ggf. anteilig – um allgemeine Verwaltungskosten und um Raum- und Personalkosten gemindert werden.4 Da über die Zuordnungsregel des § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG hinaus für die Ermittlung der ausländischen Einkünfte keine Sonderregelungen gelten, finden die allgemeinen für die Einkünfteermittlung maßgeblichen Grundsätze Anwendung. Hierzu gehört auch der geltende Grundsatz der Abschnittsbesteuerung (Jahressteuerprinzip),5 wonach nur die im jeweiligen Veranlagungszeitraum erzielten Einkünfte der Besteuerung zu unterwerfen sind (§ 2 Abs. 7 Satz 1 EStG). Eine periodenübergreifende Besteuerung ist dem deutschen Ertragsteuerrecht im Grundsatz fremd.6 Für die zeitliche Zuordnung von Einnahmen und Aufwendungen (Ausgaben) gilt allerdings das Veranlassungsprinzip, das durch das in § 11 EStG verankerte Zu- und Abflussprinzip nicht verdrängt wird (Rz. 6.101 f.). Hiernach wären an sich auch früher im „wirtschaftlichen Zusammenhang“ stehende Aufwendungen (Ausgaben) zu berücksichtigen. Indessen führte eine derartige Zeitraumdivergenz dazu, dass der Zweck des § 34c Abs. 1 EStG – Vermeidung der Doppelbesteuerung – nicht durchgehend erreicht werden könnte. Hieraus folgt eine Zeitraumidentität zwischen ausländischen Einnahmen und den entsprechenden Erwerbsaufwendungen. Das bedeutet, dass stets nur solche Erwerbsaufwendungen berücksichtigt werden können, die im selben Veranlagungszeitraum wie die ausländischen Einnahmen angefallen sind.7 Daher sind etwa Entwicklungskosten aus Perioden vor der Erzielung der hierauf beruhenden auslän1 BFH v. 16.3.1994 – I R 42/93, BStBl. II 1994, 799; v. 9.4.1997 – I R 178/94, BStBl. II 1997, 657; v. 29.3.2000 – I R 15/99, BStBl. II 2000, 577. 2 Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG), Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) und aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG). 3 BFH v. 22.6.2011 – I R 103/10, BStBl. II 2012, 115 Rz. 22; vgl. zur Differenzierung zwischen Gewinnermittlung gem. § 4 Abs. 3 EStG und §§ 4 Abs. 1, 5 EStG Gosch in Kirchhof15, § 34d EStG Rz. 14. 4 BFH v. 7.4.2016 – I R 61/64, IStR 2016, 666 m. Anm. Wacker; dagegen Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 15; Geurts in Frotscher/Geurts, 34c EStG Rz. 43 im Sinne einer einengenden Auslegung, so dass allgemeine Verwaltungskosten usw. nicht erfasst werden; vgl. auch EFTA-Gerichtshof v. 7.2.2008 – Rs. E 7/07 – Seabrokers, IStR 2009, 315, wonach bei der Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages die anteilige Zuordnung von Aufwendungen, die mit den ausl. Betriebsstätten in keinem Zusammenhang stehen, ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit bedeutet. 5 Hierzu Hey in Tipke/Lang22, § 8 Rz. 44 ff.; vgl. zu den damit verbundenen Problemen Schaumburg/Schaumburg, StuW 2013, 61 ff. 6 Ausnahme: § 3c Abs. 2 EStG. 7 Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 15; Geurts in Frotscher/Geurts, § 34c EStG Rz. 42; Müller-Dott, DB 2003, 1468 (1470); Köhler, DStR 2003, 1156 (1156 f.); Kessler/Dietrich, IWB 2012, 544 (548); a.A. Morlock, JbFSt 2009/2010, 815 (821).
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18.64
Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
dischen Lizenzeinnahmen nicht zu berücksichtigen, so dass im Ergebnis das Anrechnungsvolumen insoweit nicht gekürzt wird.1 18.65
Gemäß § 34c Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 EStG sind bei der Ermittlung der ausländischen Einkünfte solche Einkünfte nicht zu berücksichtigen, die in dem Staat, aus dem sie stammen, nach dessen Recht nicht besteuert werden. Angesprochen sind damit nicht steuerbare und steuerbefreite Einkünfte, nicht aber solche, die in dem anderen Land entgegen der dortigen Rechtslage nicht besteuert werden.2 § 34c Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 EStG enthält insoweit den Charakter einer Per-ItemLimitation.3 Diese Eingrenzung wirkt sich insbesondere dann steuerlich nachteilig aus, wenn aus demselben Staat weitere dort besteuerte Einkünfte bezogen werden, deren Steuerbelastung über dem deutschen Steuerniveau liegt (zu den hiermit verbundenen Systembrüchen Rz. 18.104 ff.).
18.66
Entspricht es der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, das gesamte Welteinkommen zu besteuern, so ist folgerichtig die Doppelbesteuerung auch für das gesamte Welteinkommen zu vermeiden. Deshalb widerspricht es dem Leistungsfähigkeitsprinzip, wenn einerseits alle Einkünfte der Besteuerung unterworfen werden, andererseits aber die Doppelbesteuerung für nur ganz bestimmte Einkünfte vermieden wird. § 34d EStG, der einen numerus clausus von ausländischen Einkünften enthält, für die eine Doppelbesteuerung vermieden wird, ist daher systemwidrig. Verfehlt ist insbesondere die Konzeption, § 34d EStG wie § 49 Abs. 1 EStG auszugestalten.4 Das Ergebnis dieser verfehlten Konzeption ist, dass für zahlreiche Einkünfte, die in § 34d EStG nicht als ausländische Einkünfte qualifiziert werden, eine Doppelbesteuerung entweder überhaupt nicht oder nur eingeschränkt vermieden werden kann. Für die in § 34d EStG vorgenommenen Differenzierungen gibt es keine rechtfertigenden Gründe. § 34d EStG führt daher zu einer gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Ungleichbehandlung: Werden nämlich ohne jede Differenzierung aus dem In- und Ausland stammende Einkünfte der unbeschränkten Steuerpflicht unterworfen, ist ebenso ohne jede Differenzierung für alle mit ausländischer Steuer belasteten Einkünfte die Vermeidung der Doppelbesteuerung vorzusehen. Dass die Vermeidung der Doppelbesteuerung nur für bestimmte ausländische Einkünfte ermöglicht wird, entspricht allerdings einer fiskalischen Klugheitsregel. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass bei einer derart unbeschränkten Steueranrechnung die Besteuerung im Quellenstaat zu Lasten des Wohnsitzstaates ausgedehnt wird.
1 Geurts in Frotscher/Geurts, § 34c EStG Rz. 42; Kessler in Baumhoff/Schönfeld, Doppelbesteuerungsabkommen – Nationale und internationale Entwicklungen, Köln 2012, 163 (172 f.). 2 Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 93; Müller-Dott, DB 2003, 1468 (1469); OFD Berlin v. 22.1.2004, IStR 2004, 288. 3 Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 26. 4 Hierzu auch Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 133 f.
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b) Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft Zu den ausländischen Einkünften zählen gem. § 34d Nr. 1 EStG die Einkünfte aus einer im Ausland betriebenen Land- und Forstwirtschaft (§§ 13, 14 EStG). Die Land- und Forstwirtschaft wird im Ausland betrieben, wenn sich die bewirtschafteten Grundstücke im Ausland befinden, und zwar unabhängig davon, wo die Betriebsleitung ihren Sitz hat oder ob die Land- und Forstwirtschaft von aus dem Inland entsandten Personen betrieben wird. Damit knüpft § 34d Nr. 1 EStG an das international übliche Belegenheitsprinzip an.
18.67
Zu den Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, für deren Qualifikation allein die Vorschriften der §§ 13, 14 EStG maßgeblich sind, gehören auch die Gewinne aus der Veräußerung eines Betriebs, Teilbetriebs oder eines Anteils an einem Betrieb oder Teilbetrieb (§ 14 EStG). Zu den ausländischen Einkünften aus Landund Forstwirtschaft, für die die Gewinnermittlungsvorschriften der §§ 4 Abs. 1, 3; 13a EStG zur Anwendung kommen,1 zählen auch nachträgliche Einkünfte, sofern sie für den Zeitpunkt, in dem der Anspruch begründet wurde, als ausländische Einkünfte qualifiziert werden können.2 Zu den ausländischen Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft gehören schließlich auch solche Einkünfte, die ihrer Art nach Einkünfte aus Kapitalvermögen, Veräußerungen, Vermietung und Verpachtung oder sonstige Einkünfte sind, sofern und soweit sie im Rahmen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs anfallen. Diese in § 34d Nr. 1 EStG vorgenommene Erweiterung des Einkünftebereichs suspendiert die im Grundsatz auch für § 34d EStG geltende isolierende Betrachtungsweise, so dass insoweit die allgemeinen Subsidiaritätsregeln, insbesondere die der §§ 20 Abs. 3, 21 Abs. 3 und 22 Nr. 3 EStG, wieder aufleben.3
18.68
c) Einkünfte aus Gewerbebetrieb § 34d Nr. 2 EStG erfasst als ausländische Einkünfte aus Gewerbebetrieb Einkünfte aus nur einigen der im Ausland ausgeübten gewerblichen Tätigkeiten. Maßgebend für die Auslandsqualifizierung sind nur ganz bestimmte Anknüpfungsmerkmale im Ausland, und zwar eine ausländische Betriebsstätte oder ein für das Ausland bestellter ständiger Vertreter. Erfasst werden ferner Bürgschafts- und Avalprovisionen, wenn der Schuldner Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz in einem ausländischen Staat hat, sowie Beförderungsvorgänge mit Seeschiffen und Luftfahrzeugen zwischen ausländischen und von ausländischen zu inländischen Häfen.
18.69
Den für die Qualifizierung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb als ausländische Einkünfte gewählten Anknüpfungsmerkmalen liegt keine erkennbare Konzeption zugrunde. § 34d Nr. 2 EStG lässt sich nicht einmal als Umkehrung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG verstehen, da die dort gewählten Anknüpfungspunkte für die beschränkte Steuerpflicht mit den Anknüpfungsmerkmalen des § 34d Nr. 2 EStG nicht deckungsgleich sind und zum Teil über diese hinausreichen.
18.70
1 Klein/Link in H/H/R, § 34d EStG Rz. 13. 2 RFH v. 9.3.1932, RStBl. 1932, 513; vgl. auch BFH v. 12.11.1986 – I R 268/83, BStBl. II 1987, 372. 3 Sog. umgekehrte isolierende Betrachtungsweise.
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
18.71
Es hat nicht an Versuchen gefehlt, die lückenhaften Anknüpfungsmerkmale des § 34d Nr. 2 EStG damit zu rechtfertigen, dass nach nationalem Recht die Anrechnung nur derjenigen ausländischen Steuern verlangt werden könne, die auf Einkünfte erhoben würden, die den inländischen Einkünften des § 49 Abs. 1 EStG entsprächen. Durch die Begrenzung werde klargestellt, dass der deutsche Gesetzgeber dem Ausland eine Besteuerung unbeschränkt steuerpflichtiger Personen nur insoweit zugestehe, wie er selbst beschränkt steuerpflichtige Personen in Anspruch nehme. Andernfalls bestehe die Gefahr, dass ausländische Staaten, etwa durch Ausweitung der Quellenbesteuerung, im Ergebnis die Besteuerung zu Lasten Deutschlands durchführten.1 Dahinter steht der Gedanke, dass der Einkünftekatalog des § 49 Abs. 1 EStG Richtmaßstab für eine – aus inländischer Sicht – zutreffende Besteuerung unbeschränkt steuerpflichtiger Personen durch ausländische Staaten darstelle.2 Diese fiskalpolitischen Erwägungen vermögen indessen die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit nicht zu suspendieren. Die Vermeidung der Doppelbesteuerung ist nämlich die Kehrseite der Besteuerung des Welteinkommens. Die Erfassungsbreite derjenigen Einkünfte, für die eine Doppelbesteuerung zu vermeiden ist, wird daher nicht durch § 49 Abs. 1 EStG, sondern allein durch § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG bestimmt. Die durch § 34d Nr. 2 EStG erfassten Einkünfte aus Gewerbebetrieb bleiben weit hinter den unter § 2 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. §§ 15, 16 und 17 EStG fallenden Einkünften zurück. Sie reichen nicht einmal an die durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG erfassten gewerblichen Einkünfte heran. Erzielt etwa ein unbeschränkt steuerpflichtiger Berufssportler im Ausland gewerbliche Einkünfte, ohne dort eine Betriebsstätte zu unterhalten, so werden diese Einkünfte gem. § 34d Nr. 2 EStG nicht als ausländische qualifiziert. Eine auf diese Einkünfte im Ausland gezahlte Steuer ist daher nicht anrechenbar, obwohl nach der eigenen Wertung des Gesetzgebers derartige Einkünfte im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht besteuerungswürdig sind (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG).
18.72
Im Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb ist die im Ausland belegene Betriebsstätte das wichtigste Anknüpfungsmerkmal. Obwohl auf die im Ausland belegene Betriebsstätte abgestellt wird, wird damit nicht zugleich auf die Betriebsstättendefinition des betreffenden ausländischen Steuerrechts verwiesen. Mangels anderweitiger Regelung ist vielmehr die Betriebsstättendefinition des § 12 AO maßgeblich.3 Damit scheidet eine Steueranrechnung stets aus, wenn zwar nach ausländischem Recht, nicht aber nach § 12 AO eine Betriebsstätte vorliegt. Im Hinblick auf die Zielsetzung des § 34c EStG, die Doppelbesteuerung zu vermeiden, wäre es sachgerecht, für die Qualifikation als ausländische Einkünfte auf die Betriebsstättendefinition des betreffenden ausländischen Staates abzu-
1 Vgl. Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, 135 f.; Bachem, Die optimale Ausgestaltung der Anrechnungsmethode zur unilateralen Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Ertragsteuern der deutschen internationalen Unternehmung, 87; Manke, JbFSt. 1977/78, 444 (458). 2 Heining, CDFI XIII (1959), 574 (577). 3 BFH v. 30.6.2005 – III R 76/03, BStBl. II 2006, 84; Klein/Link in H/H/R, § 34d EStG Rz. 28 Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 26; Geurts in Frotscher/Geurts, § 34d EStG Rz. 7.
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stellen.1 Durch § 34d Nr. 2 Buchst. a EStG werden die in der ausländischen Betriebsstätte bzw. durch sie erzielten Gewinne erfasst. Für die Ergebniszuordnung kommt es auf die wirtschaftliche Veranlassung an, so dass der Betriebsstätte diejenigen Einnahmen zuzuordnen sind, für die sie kausal ist, und diejenigen Aufwendungen zuzurechnen sind, die durch ihre Tätigkeit veranlasst werden.2 Im Hinblick darauf ist eine tatsächlich funktionale Einkünftezuordnung maßgeblich, so dass eine „Attraktivkraft“ (Rz. 19.328) der ausländischen Betriebsstätte ausscheidet, es sei denn, es handelt sich hierbei um die einzige Betriebsstätte (Stammhaus).3 Aus dieser Zuordnungsregel folgt, dass Währungsgewinne oder -verluste bei den ausländischen Betriebsstätteneinkünften zu berücksichtigen sind, wenn sie dort anfallen.4 Daher sind auch nachträgliche Einkünfte, also solche, die nach Schließung der Betriebsstätte zufließen, ebenso als ausländische Einkünfte zu qualifizieren wie Einkünfte aus der Veräußerung einer ausländischen Betriebsstätte (Rz. 21.97).5 Dass die ausländischen Einkünfte nach den Regeln des deutschen Steuerrechts zu ermitteln sind (Rz. 18.61), führt dazu, dass in Orientierung am Zweck der §§ 34c, 34d EStG – Vermeidung der Doppelbesteuerung – für die Ermittlung der ausländischen Betriebsstättenergebnisse die spezifischen, der grenzüberschreitenden Gewinnabgrenzung dienenden Einkünftekorrekturnormen zur Anwendung kommen. Angesprochen sind damit vor allem die in §§ 4 Abs. 1 Sätze 3, 4 und 8, 16 Abs. 3a EStG verankerten Entstrickungsnormen (Rz. 6.381 ff.) sowie die in § 1 Abs. 4 u. 5 AStG i.V.m. der BsGaV geregelte grenzüberschreitende Betriebsstättengewinnabgrenzung (Rz. 21.66 ff.).6 Es geht hierbei im Anwendungsbereich der unbeschränkten Steuerpflicht ausschließlich um die Aufteilung der Einkünfte zwischen dem inländischen Stammhaus (Unternehmen) und seiner ausländischen Betriebsstätte (Rz. 21.35 ff.; 21.66 ff.). Für die Gewinnabgrenzung zwischen mehreren in verschiedenen ausländischen Staaten gelegenen Betriebsstätten gelten dagegen die allgemeine Abgrenzungsregeln (Rz. 21.35 ff.). 1 Ebenso Strunk/Kaminski in Korn, § 34d EStG Rz. 35, die auf die jeweils weiterreichende Definition abstellen wollen; die Maßgeblichkeit des § 12 AO wird durchweg damit gerechtfertigt, dass nur so vermieden werden könne, dass ausländische Staaten ihre Besteuerung zu Lasten Deutschlands ausdehnten; so etwa Geurts in Frotscher/Geurts, § 34d EStG Rz. 7. 2 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; hierzu Rz. 21.35 ff. 3 Betriebsstättenlose Einkünfte aus Gewerbebetrieb gibt es nicht (BFH v. 19.12.2007 – I R 19/06, BFH/NV 2008, 672); zu allem Gosch in Kirchhof15, § 34d EStG Rz. 8. 4 BFH v. 16.3.1994 – I R 42/93, BStBl. II 1994, 799; v. 19.5.1993 – I R 60/92, BStBl. II 1992, 714; v. 16.2.1996 – I R 46/95, BStBl. II 1996, 588; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; 18.9.1996 – I R 69/9, BFH/NV 1997, 408; v. 16.12.2008 – I B 44/08, BFH/NV 2009, 940; im EU/EWR-Bereich sind (finale) Währungsverluste, die im Betriebsstättenstaat nicht berücksichtigt werden können, dagegen den inländischen Einkünften zuzurechnen; EuGH v. 28.2.2008 – Rs. C-293/06 – Deutsche Shell, Slg. 2008, I-1147: Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit; anders bei Drittstaaten EuGH v. 6.11.2007 – Rs. C-415/06 – Stahlwerk Ergste Westig, IStR 2008, 107: kein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit; vgl. zum Meinungsstand Geurts in Frotscher/Geurts, § 34d EStG Rz. 38 f. 5 BFH v. 12.10.1978 – I R 69/75, BStBl. II 1979, 64; v. 20.5.2015 – I R 75/14, BFH/NV 2015, 1687; Klein/Link in H/H/R, § 34d EStG Rz. 28; Geurts in Frotscher/Geurts, § 34d EStG Rz. 35 ff. 6 Zum eingeschränkten Anwendungsbereich des § 1 Abs. 4 und 5 AStG (Entgeltprinzip) Rz. 21.22, 21.36 und 21.66 f.
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
18.74
Da eine ausländische Personengesellschaft nach deutschem Einkommensteuerrecht kein Steuersubjekt ist, Steuersubjekte vielmehr die Mitunternehmer sind, ist die Stätte der Geschäftsleitung zugleich gemeinsame Betriebsstätte dieser Mitunternehmer. Hieraus folgt, dass die gem. § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, Abs. 5 Nr. 1 AO festzustellenden Gewinnanteile an ausländischen Personengesellschaften, soweit diese aus inländischer Sicht als Mitunternehmerschaften zu qualifizieren sind, unter § 34d Nr. 2 Buchst. a EStG fallen.1
18.75
Weiteres Qualifikationsmerkmal für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb als ausländische Einkünfte ist der im ausländischen Staat tätige ständige Vertreter. Der Begriff des ständigen Vertreters ist dem § 13 AO zu entnehmen.2
18.76
Zu den ausländischen Einkünften aus Gewerbebetrieb zählen gem. § 34d Nr. 2 Buchst. a EStG auch Einkünfte aus selbständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Veräußerungen, Vermietung und Verpachtung sowie sonstige Einkünfte, sofern und soweit sie im Rahmen der ausländischen Betriebsstätte oder der Tätigkeit des ständigen Vertreters im Ausland anfallen. In Abweichung von der sonst geltenden isolierenden Betrachtungsweise werden durch diese Erweiterung der gewerblichen Einkünfte die Subsidiaritätsklauseln der §§ 20 Abs. 3, 21 Abs. 3 und 22 Nr. 3 EStG wieder in Kraft gesetzt.3 Darüber hinaus wird aber auch die Subsidiarität der Einkünfte aus selbständiger Arbeit ggü. den Einkünften aus Gewerbebetrieb begründet, obwohl sich § 18 EStG und § 15 EStG einander in der Anwendung ausschließen.4
18.77
Zu den ausländischen Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören auch Bürgschaftsund Avalprovisionen, wenn der Schuldner im Ausland ansässig ist (§ 34d Nr. 2 Buchst. b EStG). Hierdurch wird es dem inländischen Gläubiger ermöglicht, auf derartige Provisionen erhobene Quellensteuern anzurechnen. In der Praxis sind insbesondere deutsche Banken betroffen, die ausländischen Schuldnern Fertigstellungs-, Gewährleistungs- und Zahlungsbürgschaften erteilen.5
18.78
§ 34d Nr. 2 Buchst. c EStG stellt eine Umkehrung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG dar. Damit sind die im Ausland erhobenen Steuern auf Beförderungen mit Seeschiffen oder Luftfahrzeugen anrechenbar.6 d) Einkünfte aus selbständiger Arbeit
18.79
§ 34d Nr. 3 EStG stellt für die Auslandsqualifizierung bei Einkünften aus selbständiger Arbeit auf die Ausübung oder Verwertung derselben im Ausland ab. Damit ergibt sich im Grundsatz eine lückenlose Erfassung freiberuflicher Tätigkeit im Ausland. 1 Wegen weiterer Einzelheiten zur Einkünftezuordnung bei Personengesellschaften vgl. Rz. 21.114 ff. 2 Die für Betriebsstätten maßgeblichen Regeln über die Gewinnabgrenzung gelten auch für ständige Vertreter (Rz. 21.100 ff.). 3 Sog. umgekehrte isolierende Betrachtungsweise. 4 BFH v. 4.3.1970 – I R 140/66, BStBl. II 1970, 428; v. 7.7.1971 – I R 41/70, BStBl. II 1971, 771. 5 Hierzu Lüdicke in F/W/B/S, § 34d EStG Rz. 85; Klein/Link in H/H/R, § 34d EStG Rz. 40. 6 Zu Einzelheiten Klein/Link in H/H/R, § 34d EStG Rz. 47 ff.
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Die Ausübung verlangt eine persönliche Tätigkeit, sie erfolgt in der Regel dort, wo sich die betreffende Person physisch aufhält.1 Erfasst werden z.B. das Konzert des Musikers, die Operation des Arztes und die Prozessvertretung des Rechtsanwaltes im Ausland.2
18.80
Verwertung setzt einen über die eigentliche Leistung hinausgehenden Vorgang voraus, ein körperliches oder geistiges Produkt, das der Steuerpflichtige selbst dem Ausland zuführt.3 Hierunter fallen vor allen Dingen Vorgänge, die von § 15 UrhG erfasst werden, wonach der Urheber das ausschließliche Recht hat, sein Werk in körperlicher Form zu verwerten.4
18.81
Da § 34d Nr. 3 EStG alternativ auf Ausübung und Verwertung abstellt, reicht es aus, wenn eines der beiden auslandsbezogenen Qualifikationsmerkmale erfüllt ist. Wird daher etwa eine selbständige Arbeit im Inland ausgeübt, im Ausland aber verwertet, so sind die aus der Verwertung der selbständigen Arbeit im Ausland fließenden Einkünfte ausländische Einkünfte.
18.82
In Abweichung von der sonst geltenden isolierenden Betrachtungsweise werden nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 34d Nr. 3 EStG zu den ausländischen Einkünften aus selbständiger Arbeit auch Einkünfte aus Veräußerungen, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung sowie aus bestimmten sonstigen Leistungen gezählt, soweit sie zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit gehören. Hierdurch werden insbesondere die Subsidiaritätsklauseln der §§ 20 Abs. 3, 21 Abs. 3 und 22 Nr. 3 EStG wieder in Kraft gesetzt.5
18.83
e) Einkünfte aus Veräußerungen Gemäß § 34d Nr. 4 EStG gehören zu den ausländischen Einkünften auch Einkünfte aus der Veräußerung von
18.84
– Wirtschaftsgütern, die zum Anlagevermögen eines (inländischen) Betriebs gehören, wenn die Wirtschaftsgüter in einem ausländischen Staat belegen sind, – Anteilen an Kapitalgesellschaften, wenn die Gesellschaft Geschäftsleitung oder Sitz in einem ausländischen Staat hat. Die Qualifizierung der vorgenannten Veräußerungsgewinne als ausländische Einkünfte zielt vor allem darauf ab, die im Ausland auf capital gains erhobenen Steuern zur Anrechnung zu bringen.6 Voraussetzung ist indessen, dass die veräußerten Wirtschaftsgüter im Ausland belegen sind. Soweit es sich um Gegenstände handelt, ist auf die Belegenheit im örtlichen Sinne abzustellen. Handelt es sich dagegen um Rechte, Forderungen und immaterielle Wirtschaftsgüter, so ist für die Belegenheit derjenige Ort maßgeblich, an dem die Rechte ausgeübt und
1 RFH v. 29.1.1935, RStBl. 1935, 759; BFH v. 12.11.1986 – I R 268/83, BStBl. II 1987, 372. 2 Zu Beispielen aus Rechtsprechung und Verwaltungspraxis Lüdicke in F/W/B/S, § 34d EStG Rz. 93 ff.; Klein/Link in H/H/R, § 34d EStG Rz. 54. 3 BFH v. 12.11.1986 – I R 38/83 u.a., BStBl. II 1987, 377, 379, 381, 383. 4 Zu Beispielen aus Rechtsprechung und Verwaltungspraxis Lüdicke in F/W/B/S, § 34d EStG Rz. 97 ff. 5 Sog. umgekehrte isolierende Betrachtungsweise. 6 Gosch in Kirchhof15, § 34d EStG Rz. 12.
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
die immateriellen Wirtschaftsgüter genutzt werden; bei Forderungen kommt es auf den Erfüllungsort an.1 18.86
Die Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften2 sind ebenfalls ausländische Einkünfte. Obwohl § 34d Nr. 4 Buchst. b EStG nicht auf §§ 17, 20 Abs. 2 EStG verweist, müssen deren Voraussetzungen erfüllt sein, soweit die Anteile zum Privatvermögen zählen.
18.87
Die Anwendung des § 34d Nr. 4 EStG ist gegenüber § 34d Nr. 1 bis 3 EStG lediglich subsidiär,3 so dass eine Qualifizierung der Einkünfte als solche aus Veräußerungen gem. § 34d Nr. 4 EStG nur dann in Betracht kommt, wenn die veräußerten Wirtschaftsgüter nicht zu einem ausländischen Betriebsvermögen gehören und insbesondere keiner dort belegenen Betriebsstätte zuzuordnen sind. f) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
18.88
Im Rahmen des § 34d Nr. 5 EStG wird für die Qualifizierung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) als ausländische Einkünfte alternativ auf Ausübung und Verwertung der Tätigkeit abgestellt. Insoweit stellt sich § 34d Nr. 5 EStG als Umkehrung des § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG dar. Für die Ausübung ist auf den Tätigkeitsort, auf den Ort der Arbeitsausübung abzustellen, also darauf, wo sich der Arbeitnehmer persönlich zur Ausführung seiner Arbeit aufhält, wobei es nicht auf die Zeitdauer ankommt.4 Wird der Arbeitnehmer dafür bezahlt, dass er seine Arbeitskraft zur Verfügung stellt oder etwas unterlässt, etwa bei einem Wettbewerbsverbot, so ist der Ort der Tätigkeit ebenfalls dort, wo sich der Arbeitnehmer aufhält.5 Bei der geschäftsführenden Tätigkeit der Organe von Kapitalgesellschaften ist im Unterschied zu § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. c EStG6 stets auf den tatsächlichen Tätigkeitsort7 abzustellen, so dass ggf. eine Aufteilung der Vergütung erforderlich ist.8 Ob der Arbeitslohn von einem ausländischen Arbeitgeber gezahlt wird, spielt keine Rolle. Die Verwertung, die allein durch den Arbeitnehmer selbst erfolgen kann,9 geschieht dort, wo der Arbeitnehmer das Ergebnis seiner nichtselbständigen Arbeit seinem Arbeitgeber zuführt.10 Da der Verwertungstatbestand ggü. dem Ausübungstatbestand subsidiär ist, 1 2 3 4 5
6 7 8 9 10
Zu den Einzelheiten Lüdicke in F/W/B/S, § 34d EStG Rz. 109. Hierfür ist ein Typenvergleich maßgeblich; hierzu Rz. 7.7 ff. Klein/Link in H/H/R, § 34d EStG Rz. 61. BFH v. 29.1.1986 – I R 22/85, BStBl. II 1986, 479; v. 14.12.1988 – I R 148/87, BStBl. II 1989, 319. BFH v. 9.9.1970 – I R 19/69, BStBl. II 1970, 867; anders dagegen, wenn sich das Konkurrenz- oder Wettbewerbsverbot als Nebenpflicht einer früheren Arbeitsleistung darstellt; in diesem Fall ist der frühere Arbeitsort maßgeblich; BFH v. 18.7.1973 – I R 52/69, BStBl. II 1973, 757; v. 9.11.1977 – I R 254/75, BStBl. II 1978, 195; vgl. Rz. 6.231. Hiernach ist der Ort der Geschäftsleitung maßgeblich, so dass insoweit ein Wertungswiderspruch gegeben ist; vgl. Gosch in Kirchhof15, § 34d EStG Rz. 13. BFH v. 5.10.1994 – I R 67/93, BStBl. II 1995, 95. BMF v. 5.7.1995 – IV C 5 - S 1300 - 73/95, BStBl. I 1995, 373: Der Steuerpflichtige hat nach § 90 Abs. 2 AO den Nachweis über die Ausübung der Tätigkeit in dem anderen Staat und deren Zeitdauer durch Vorlage geeigneter Aufzeichnungen zu führen. Vgl. BFH v. 12.11.1986 – I R 38/83 u.a., BStBl. II 1987, 377, 379, 381. BFH v. 12.11.1986 – I R 38/83 u.a., BStBl. II 1987, 377, 379, 381.
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kommt als Ort der Verwertung nur ein Ort in Betracht, der vom Ausübungsort abweicht.1 Als drittes Anknüpfungsmerkmal enthält § 34d Nr. 5 EStG die Zahlung aus ausländischen öffentlichen Kassen. Im Hinblick auf dieses Kassenprinzip werden gem. § 34d Nr. 5 Satz 2 EStG Einkünfte nicht als ausländische Einkünfte behandelt, wenn sie von inländischen öffentlichen Kassen gewährt werden, und zwar auch dann nicht, wenn die entsprechenden Tätigkeiten im Ausland ausgeübt werden. Mit der Fiktion des § 34d Nr. 5 Satz 2 EStG wird das Ziel des § 34c EStG, die Doppelbesteuerung zu vermeiden, weitgehend verfehlt. Die Fiktion wäre nur dann akzeptabel, wenn das dem § 34d Nr. 5 Satz 2 EStG zugrunde liegende Kassenprinzip internationale Geltung hätte. Das ist nicht der Fall. Nicht einmal in Deutschland ist dieses Kassenprinzip durchgängig normiert. So enthält etwa § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG keine dem § 34d Nr. 5 Satz 2 EStG entsprechende Regelung. Vielmehr sind in Deutschland tätige Arbeitnehmer, die von ausländischen öffentlichen Kassen bezahlt werden, mit ihren Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit beschränkt steuerpflichtig. Somit besteht zwischen § 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b EStG einerseits und § 34d Abs. 1 Nr. 5 Satz 2 EStG andererseits ein Wertungswiderspruch, dem einseitige fiskalische Zielsetzungen zugrunde liegen. Die auf derartige Einkünfte im Ausland gezahlte Steuer ist daher nicht anrechenbar, obwohl nach der eigenen Wertung des Gesetzgebers gleichartige Einkünfte im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht besteuerungswürdig sind. Soweit deshalb die Doppelbesteuerung nicht vermieden werden kann, hat die Finanzverwaltung einen Steuererlass aus sachlichen Billigkeitsgründen zu gewähren (§§ 163, 227 AO).2
18.89
g) Einkünfte aus Kapitalvermögen Nach § 34d Nr. 6 EStG liegen ausländische Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) vor, wenn entweder der Schuldner im Ausland ansässig ist3 oder das Kapitalvermögen durch ausländischen Grundbesitz gesichert ist. Trotz dieser im Gegensatz zu § 49 Abs. 1 Nr. 5 EStG weit gefassten Vorschrift kann die Doppelbesteuerung nicht durchgängig vermieden werden. So können im Ausland auf Zinseinkünfte erhobene Quellensteuern nicht zur Anrechnung gebracht werden, wenn die Zinsen von einer ausländischen Betriebsstätte eines inländischen Schuldners stammen, da es sich in diesem Fall nicht um ausländische Einkünfte handelt.4 Bei der Ermittlung der Einkünfte sind diejenigen Ausgaben abzuziehen, die in einem direkten (unmittelbaren) wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Einnahmen stehen (Rz. 18.61 ff.). Darlehenszinsen sind daher nur dann zu be1 BFH v. 12.11.1986 – I R 38/83 u.a., BStBl. II 1987, 377, 379, 381. 2 Zur Kritik auch Lüdicke in F/W/B/S, § 34d EStG Rz. 145; Gosch in Kirchhof15, § 34d EStG Rz. 13; Klein/Link in H/H/R, § 34d EStG Rz. 77; Strunk/Kaminski in Korn, § 34d EStG Rz. 68; Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 46. 3 Das gilt auch für vereinnahmte Stückzinsen beim Verkauf ausländischer Wertpapiere; BMF v. 8.10.1996 – IV C 6 - S 1301 - 41/96, BStBl. I 1996, 1190 = IStR 1996, 593 (aufgehoben durch BMF v. 6.12.2011 – IV B 3 - S 2293/10/10001:001 – DOK 2011/0397252, BStBl. I 2011, 1222). 4 Zu der insoweit verfehlten Gesetzesformulierung Gosch in Kirchhof15, § 34d EStG Rz. 14.
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rücksichtigen, wenn die Darlehen gerade zur Finanzierung desjenigen Kapitalvermögens aufgenommen worden sind, aus dem die ausländischen Einnahmen fließen.1 Allgemeine Refinanzierungskosten reichen daher nicht aus.2 Im Übrigen sind etwa bei im Ausland erzielten Zinseinkünften ohnehin nur solche Ausgaben zu berücksichtigen, die die Eignung haben, in die Bemessungsgrundlage der Einkünfte aus Kapitalvermögen einzugehen,3 so dass etwa Verluste auf der Vermögensebene4 keine abziehbaren Ausgaben (Werbungskosten) sind.5 Das gilt auch für Wechselkursverluste ausländischer Kapitalanlagen, so dass insoweit die maßgeblichen ausländischen Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht gemindert werden.6 h) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung 18.91
Gemäß § 34d Nr. 7 EStG werden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) als ausländische Einkünfte qualifiziert, soweit das unbewegliche Vermögen oder die Sachinbegriffe in einem ausländischen Staat belegen oder die Rechte zur Nutzung in einem ausländischen Staat überlassen worden sind. Durch diese weite Anknüpfung werden alle wesentlichen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erfasst, so dass eine Vermeidung der Doppelbesteuerung weitgehend gewährleistet ist. Werden allerdings in einem inländischen Schiffsregister eingetragene Schiffe an einen ausländischen Betrieb verpachtet, fallen die Einkünfte zwar weder unter § 34d Nr. 7 EStG noch unter eine andere in § 34d EStG geregelte Einkunftsart, eine im Ausland erhobene Steuer ist aber dennoch aus Billigkeitsgründen (§§ 163, 227 AO) anrechenbar.7 i) Sonstige Einkünfte
18.92
Sonstige Einkünfte werden als ausländische Einkünfte erfasst, wenn – der zur Leistung der wiederkehrenden Bezüge Verpflichtete im Ausland ansässig ist, – bei privaten Veräußerungsgeschäften die veräußerten Wirtschaftsgüter in einem ausländischen Staat belegen sind, – bei Einkünften aus Leistungen, einschließlich der Einkünfte aus Leistungen i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG, der zur Vergütung der Leistung Verpflichtete im Ausland ansässig ist. 1 BFH v. 9.4.1997 – I R 178/94, BStBl. II 1997, 657; Geurts in Frotscher/Geurts, § 34d EStG Rz. 86. 2 BFH v. 29.3.2000 – I R 15/99, BStBl. II 2000, 577; BMF v. 23.11.2001 – IV A 6 - S 2241 9/01, DStR 2002, 805; Gosch in Kirchhof15, § 34d EStG Rz. 14, dort auch zu Währungsverlusten. 3 BFH v. 22.6.2011 – I R 103/10, BStBl. II 2012, 115 Rz. 23. 4 Zur Trennung zwischen Einkünfte- und Vermögensebene BFH v. 10.7.2001 – VIII R 35/00, BStBl. II 2001, 646 m.w.N. 5 BFH v. 13.12.2006 – VIII R 62/04, BStBl. II 2007, 568. 6 BFH v. 22.6.2011 – I R 103/10, BStBl II 2012, 115 Rz. 24; Gosch in Kirchhof15, § 34d EStG Rz. 14. 7 Im Ergebnis ebenso Wagner in Blümich, § 34d EStG Rz. 58; Gosch in Kirchhof15, § 34d EStG Rz. 15.
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§ 34d Nr. 8 EStG ist ein Auffangtatbestand, unter den im Wesentlichen Einkünfte aus der Nutzung beweglicher Sachen sowie Know-how-Vergütungen und Einkünfte aus der Veräußerung von Rechten1 fallen. 4. Anrechenbare Auslandssteuern Anrechenbar sind nur solche Steuern, die in dem Staat erhoben wurden, aus dem die ausländischen Einkünfte stammen (§ 34c Abs. 1 Satz 1 EStG). Anrechenbar sind daher nur die Steuern des Ursprungsstaates, nicht aber Drittstaatensteuern; für diese kommt allein ein Steuerabzug gem. § 34c Abs. 3 EStG in Betracht.2
18.93
Dass Drittstaatensteuern nicht angerechnet werden können, führt dazu, dass das eigentliche Ziel des § 34c Abs. 1 EStG, die Doppelbesteuerung zu vermeiden, weit gehend verfehlt wird. Die Möglichkeit eines Steuerabzugs gem. § 34c Abs. 3 EStG führt allenfalls zu einer Milderung der Doppelbesteuerung. Damit wird nicht nur das Leistungsfähigkeitsprinzip verletzt, sondern zugleich auch gegen die europarechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) verstoßen.3 Durch den Anrechnungsausschluss von Drittstaatensteuern sind insbesondere Steuerinländer in den Fällen betroffen, in denen sie innerhalb des EU-/EWR-Raumes über ausländische Betriebsstätten in anderen Staaten quellensteuerpflichtige Einkünfte erzielen, ohne dort selbst Betriebsstätten zu unterhalten.4 Aus Gründen des Europarechts ist es in den vorgenannten Fällen geboten, durch Erlass im Ergebnis die Anrechnung von Drittstaatensteuern aus sachlichen Billigkeitsgründen zu gewähren (§§ 163, 227 AO).
18.94
Die Steuern des Ursprungsstaates müssen der deutschen Einkommensteuer entsprechen. Da die Steuersysteme der verschiedenen Staaten unterschiedlich sind, genügt die Gleichartigkeit der Auslandssteuern mit der deutschen Einkommensteuer.5 Abzustellen ist hierbei in erster Linie auf die Funktion und den wirtschaftlichen Gehalt der ausländischen Steuer, auf deren Belastungswirkung, nämlich die Belastung des Einkommens.6 Ohne Bedeutung ist demgegenüber die Gleichartigkeit hinsichtlich des Steuersatzes, der Bemessungsgrundlage und der Erhebungsform.7 Schließlich sind auch die Bezeichnung der ausländischen Steuer und deren gesetzestechnische Ausgestaltung ebenso ohne Bedeutung wie etwa die der deutschen Einkommensteuer entsprechende fiskalische Gleichwertigkeit.8 Im Sinne der Belastungswirkung sind damit der deutschen Einkommensteuer ausländische Steuern auch dann gleichartig, wenn etwa aus Vereinfachungsgründen bei beschränkt steuerpflichtigen Personen im Ausland
18.95
1 Einkünfte aus zeitlich begrenzter Rechtsüberlassung unterliegen dagegen als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung dem § 34d Nr. 7 EStG; vgl. BFH v. 20.2.1974 – I R 217/71, BStBl. II 1974, 511. 2 Zu Einzelheiten Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 145. 3 Zur Konvergenz zwischen steuerlicher Leistungsfähigkeit und den Grundfreiheiten vgl. Schaumburg/Schaumburg, StuW 2005, 306 ff. 4 Hierzu Schönfeld in F/W/B/S, Vor § 34c EStG Rz. 37. 5 Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 142; Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 62. 6 BFH v. 27.3.1996 – I R 49/95, BStBl. II 1997, 91. 7 BFH v. 5.2.1992 – I R 9/90, BStBl. II 1992, 607; v. 27.3.1996 – I R 49/95, BStBl. II 1997, 91. 8 Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 142; Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 19.
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
nicht das Einkommen, sondern pauschalierend der Umsatz als Bemessungsgrundlage herangezogen wird.1 Unerheblich ist letztlich auch, ob es sich bei der ausländischen Steuer um eine Länder-, Provinz- oder Gemeindeeinkommensteuer handelt.2 18.96
Die Anlage zu R 34c EStR enthält einen nicht abschließenden Katalog ausländischer Steuern, die der deutschen Einkommensteuer entsprechen.3 Dieser Katalog ist großzügig angelegt und ist das Ergebnis einer am Sinn und Zweck des § 34c EStG orientierten Auslegung, die Doppelbesteuerung zu vermeiden.
18.97
Die Anrechnung setzt voraus, dass für die ausländischen Einkünfte sowohl im Ursprungsstaat als auch im Inland Steuern vom Einkommen gezahlt worden sind. Damit verlangt § 34c Abs. 1 Satz 1 EStG insoweit eine Identität des Steuerobjekts in dem Sinne, dass dieselben Einkünfte im In- und Ausland der Besteuerung unterliegen.
18.98
Gemäß § 34c Abs. 1 Satz 5 EStG sind die ausländischen Steuern nur insoweit anzurechnen, als sie auf die im Veranlagungszeitraum bezogenen Einkünfte entfallen. Die Anrechnung setzt also nicht voraus, dass die auf ausländische Einkünfte entfallende ausländische Steuer für denselben Zeitraum festgesetzt und gezahlt worden ist wie die entsprechende deutsche Einkommensteuer.4 Weichen etwa Steuerperiode, d.h. der Zeitraum, für den die Steuer erhoben wird, und Bemessungsperiode, d.h. der Zeitraum, der für die Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage maßgebend ist, im Ausland voneinander ab, so ist diejenige ausländische Steuer anzurechnen, die für das Jahr erhoben wird, das dem deutschen Veranlagungszeitraum entspricht (§ 34c Abs. 1 Satz 5 EStG).5 Wollte man dagegen auf die mehr oder weniger zufällig identische Steuerperiode abstellen, so ließe sich bei abweichender Bemessungsperiode eine Doppelbesteuerung schon im Ansatz nicht vermeiden: Die Anrechnung liefe ins Leere, wenn der ausländischen Steuer im betreffenden Veranlagungszeitraum nicht entsprechende Einkünfte im Inland gegenüberstünden. Aus diesem Grunde sind etwa bei einem mehrjährigen Auslandsbauvorhaben bereits während der Bauausführungen im Ausland festgesetzte und gezahlte Steuerbeträge auf die deutsche Einkommensteuer des Veranlagungszeitraums anzurechnen, in dem der Gewinn aus dem Auslandsbauvorhaben nach deutschem Steuerrecht zu versteuern ist.6 § 34c EStG verlangt damit für die Steueranrechnung keine Zeitraumidentität.
18.99
Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass ausländische Steuern nur insoweit anzurechnen sind, als sie auf die im Veranlagungszeitraum bezogenen Einkünfte 1 Inst.FuSt., Ausländische Einkünfte und direkte Steueranrechnung – notwendige Verbesserungen der unilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, (Brief 164), 25. 2 Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 141; Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 62; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 29. 3 Der BFH geht im Zweifel von der Verbindlichkeit der Aufzählung in der Anlage 6 zu § 34c EStR aus; vgl. BFH v. 31.10.1990 – I R 3/86, BStBl. II 1991, 610. 4 BFH v. 4.6.1991 – X R 35/88, BStBl. II 1992, 187; v. 31.7.1991 – I R 51/89, BStBl. II 1991, 922; Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 138; Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 20. 5 BFH v. 31.7.1991 – I R 51/89, BStBl. II 1991, 922; Lüdicke in F/W/B/S, § 34c Rz. 137; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 47; Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 20. 6 Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 137, 210; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 48.
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A. Einkommensteuer
entfallen (§ 34c Abs. 1 Satz 5 EStG), enthält § 12 Abs. 3 AStG. Hiernach können Steuern von den nach § 3 Nr. 41 EStG befreiten Gewinnausschüttungen (Rz. 18.36 ff.) auf Antrag im Veranlagungszeitraum des Anfalls der zugrunde liegenden Zwischeneinkünfte als Hinzurechnungsbetrag angerechnet werden. Es erfolgt somit eine Rückbeziehung auf den Zeitpunkt der Hinzurechnungsbesteuerung. Diese Rückbeziehung dient dem Ziel, die in § 34c Abs. 1 Satz 1 EStG verankerte Höchstbetragsregelung zur Geltung zu bringen. Ohne diese Rückbeziehung liefe die Anrechnung der auf der Gewinnausschüttung lastenden ausländischen (Quellen-)Steuern angesichts der Steuerfreiheit gem. § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG ins Leere. Anrechenbar ist nur eine festgesetzte1 und gezahlte und um einen entstandenen Ermäßigungsanspruch gekürzte ausländische Steuer. Soweit daher im Ausland eine Steuerermäßigung in Anspruch genommen werden kann oder konnte, scheidet eine Steueranrechnung aus. Hierdurch soll insbesondere verhindert werden, dass der inländische Steuerpflichtige es zu Lasten des deutschen Fiskus unterlässt, die ausländischen Steuern rechtzeitig durch entsprechende Anträge zu reduzieren.2 Aus der vorstehenden Eingrenzung der anrechenbaren ausländischen Steuer folgt, dass Steuern, die lediglich wegen verjährter Erstattungsansprüche zu zahlen sind, nicht anzurechnen sind.3 Schließlich kommt es auch nicht darauf an, ob es für den Steuerpflichtigen zumutbar ist, gegen die ausländische Steuerfestsetzung mit Rechtsbehelfen vorzugehen.4 Entscheidend ist allein, die freilich aus deutscher Sicht nicht immer eindeutig feststellbare, objektive Rechtslage.
18.100
Gewährt der ausländische Staat Steuervergünstigungen, um etwa Investitionsanreize zu geben, kommen diese Steuervorteile nicht dem Unternehmen, sondern allein dem deutschen Fiskus zugute. Dieser Nachholeffekt5 des Anrechnungsverfahrens ist zwar im Hinblick auf das Welteinkommensprinzip konsequent, führt aber zu einer Störung internationaler Investitionsströme und zu Wettbewerbsverzerrungen im betreffenden Investitionsland. In DBA wird in derartigen Fällen eine Anrechnung fiktiver Steuern gewährt.6 In § 34c EStG ist eine solche Anrechnung fiktiver Steuern indessen nicht vorgesehen.7 Da unter dem Gesichtspunkt der Besteuerung des Welteinkommens das Leistungsfähigkeitsprinzip durch den Nachholeffekt nicht tangiert wird, scheiden Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 227 AO) aus.8
18.101
1 Eine von einem privaten Arbeitgeber oder Unternehmer angemeldete Steuer reicht aus, da eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung gleichsteht, so BFH v. 5.2.1992 – I R 9/90, BStBl. II 1992, 607. 2 Ausländische Steuern, die nur wegen verjährter Erstattungsansprüche zu zahlen sind, können damit nicht angerechnet werden; BFH v. 15.3.1995 – I R 98/94, BStBl. II 1995, 580; Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 22. 3 Gosch in Kirchhof15, § 34d EStG Rz. 22; Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 73. 4 Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 161 ff.; Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 22. 5 Hierzu Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 81. 6 Tax sparing credit/tax matching credit; hierzu Rz. 19.566. 7 § 34c Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 EStG enthält in Abkommensfällen lediglich Modifikationen dahingehend, dass bei der Höchstbetragsberechnung (Rz. 18.104 ff.) die Beschränkung auf Einkünfte, die im Ausland auch tatsächlich besteuert werden (§ 34c Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 EStG), ebenso entfällt, wie der Steuerabzug (§ 34c Abs. 2 EStG). 8 BFH v. 13.7.1976 – VIII R 236/72, BStBl. II 1977, 125; ggf. kommt aber eine Steuerpauschalierung (§ 34c Abs. 5 EStG) in Betracht.
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
18.102
Wird die ursprüngliche Steuerfestsetzung nachträglich geändert, so hat der Steuerpflichtige dies dem zuständigen Finanzamt mitzuteilen (§ 153 Abs. 2 AO), damit für Zwecke der Anrechnung auch der inländische Einkommensteuerbescheid geändert werden kann (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO).1
18.103
Die Ermittlung der anrechenbaren Auslandssteuer, die nach dem Kurs in Euro umzurechnen ist, der für den Tag der Zahlung gilt,2 bereitet dann keine Schwierigkeiten, wenn ihr ausnahmslos ausländische Einkünfte i.S. des § 34d EStG zugrunde liegen. Ist das nicht der Fall, muss die auf die ausländischen Einkünfte i.S. des § 34d EStG entfallende ausländische Steuer aus der im ausländischen Steuerbescheid festgesetzten Gesamtsteuer herausgerechnet werden. Dies macht in der Regel eine Verhältnisrechnung erforderlich.3 Gemäß § 68b EStDV trägt der Steuerpflichtige die Feststellungslast für die Höhe der ausländischen Einkünfte und für die Festsetzung und Zahlung der ausländischen Steuern. Der Nachweis hat durch entsprechende Urkunden4 (Steuerbescheid, Quittung über die Zahlung) zu erfolgen.5 In den Fällen, in denen keine Steuerfestsetzung erfolgt ist, ist nachzuweisen, in welcher Weise die Steuer erhoben und gezahlt worden ist.6 5. Anrechnungshöchstbetrag
18.104
Die ausländische Steuer ist auf die deutsche Einkommensteuer anzurechnen, die auf die Einkünfte aus dem betreffenden ausländischen Staat entfällt. Gemäß § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG errechnet sich die deutsche Einkommensteuer,7 bis zu der die ausländische Steuer angerechnet werden kann, nach dem durchschnittlichen tariflichen Steuersatz (§§ 32a, 32b, 34, 34a, 34b EStG) auf die ausländischen Einkünfte. Bemessungsgrundlage ist das zu versteuernde Einkommen (§ 2 Abs. 5 Satz 1 EStG), wobei im Hinblick auf die in § 32d Abs. 5 EStG getroffene Sonderregelung die der Abgeltungsteuer unterliegenden Einkünfte aus Kapitalvermögen unberücksichtigt bleiben (§ 34c Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 EStG). Darüber hinaus sind die nach ausländischem Steuerrecht nicht der Besteuerung unterliegenden Einkünfte (§ 34c Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 EStG)8 ebenso wie die nach Abkommensrecht im Ausland steuerfrei gestellten Einkünfte (§ 34c Abs. 6 Satz 2 EStG) bei der Ermittlung der ausländischen Einkünfte auszuscheiden. Hierdurch 1 Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 160. 2 R 34c Abs. 1 EStR. 3 BFH v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727; Prokisch in K/S/M, § 34c EStG Rz. B 64; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 45. 4 Zur Prüfung der Echtheit derartiger Urkunden BFH v. 5.2.1992 – I R 9/90, BStBl. II 1992, 607. 5 Nach BFH v. 19.11.2003 – I B 2/03, BFH/NV 2004, 628 soll der Nachweis ausschließlich durch Urkunden geführt werden können; da der geforderte Nachweis jedoch keine materiell-rechtliche Voraussetzung ist, sind auch andere Nachweise zu akzeptieren; Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 74. 6 BFH v. 26.8.1993 – I B 87/93, BFH/NV 1994, 175; zu Einzelheiten des Nachweises vgl. BMF v. 12.5.1998 – IV C 6 - S 1301 - 18/98, BStBl. I 1998, 554. 7 Eine Anrechnung auf den Solidaritätszuschlag und die Kirchensteuer scheidet also aus; eine Anrechnung auf die Gewerbesteuer ist ebenfalls nicht vorgesehen; vgl. hierzu Rz. 18.207. 8 Werden die Einkünfte entgegen der Rechtslage des Quellenstaates nicht besteuert, sind diese anzusetzen; Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 93.
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A. Einkommensteuer
wird das Anrechnungsvolumen im Sinne einer per-item-limitation1 erheblich reduziert, was demgegenüber bei einer nur ganz geringfügigen Steuerbelastung der ausländischen Einkünfte nicht der Fall ist.2 Hiernach gilt für die Höchstbetragsberechnung folgende (vereinfachte) Formel: Hochstbetrag ¼ ¨
deutsche Einkommensteuer auslandische ¨ Einkunfte ¨ versteuerndes Einkommen
Der in § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG verankerte Anrechnungshöchstbetrag entspricht zwar internationaler Übung (ordinary credit), ist aber mit dem durch die Besteuerung des Welteinkommens zum Ausdruck kommenden ungeteilten Leistungsfähigkeitsprinzip (Rz. 17.29) unvereinbar. Soweit nämlich als Rechtfertigung für das Welteinkommensprinzip der Personensteuercharakter der Einkommensteuer herangezogen wird, wonach es zwingend sei, alle Einkünfte, unabhängig von der Art ihrer Herkunft, zusammenzufassen und einer gleichen Steuer zu unterwerfen,3 folgt hieraus, dass alle Einkünfte unterschiedslos in Höhe deutscher Einkommensteuer zu belasten sind. Indessen gilt dies nur für den Fall, dass die auf ausländische Einkünfte im Ausland erhobene Steuer niedriger ist als die deutsche Einkommensteuer. Ist die ausländische Steuer höher als die deutsche Einkommensteuer, sieht § 34c Abs. 1 EStG eine Steuererstattung nicht vor. Durch diese Prinzipienuntreue wird die durch das Welteinkommensprinzip vorgegebene Leistungsfähigkeit aus fiskalischen Gründen gleichheitswidrig (Art. 3 Abs. 1 GG) nur einseitig zu Lasten des Steuerpflichtigen realisiert. Hierdurch ist zugleich die europarechtlich verbürgte Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) tangiert, weil im Unterschied zu Inlandsinvestitionen, bei denen inländische Quellensteuern stets uneingeschränkt angerechnet werden können, auf ausländischen Investitionen lastende Steuern einem Anrechnungshöchstbetrag ausgesetzt sind.4 Der Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit ist indessen unter dem Gesichtspunkt der angemessenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse gerechtfertigt:5 Kein Mitgliedstaat ist gezwungen, auf einen Teil seines Steueraufkommens zugunsten anderer Mitgliedstaaten zu verzichten, was wegen der kompensatorischen Wirkung einer Vollanrechnung ohne Rücksicht auf die inländische Steuerbelastung der Fall wäre.6 Eine Steuererstattung wegen Vollanrechnung aus dem eigenen Haushalt kann daher von den Mitgliedstaaten nicht verlangt werden.7 Dieser fiskalische Gesichtspunkt vermag allerdings den Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht zu rechtfertigen.8 1 Hierzu Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 26; Schnitger, IStR 2003, 73 (73). 2 Diese Differenzierung ist zwar sachlich nicht plausibel, europarechtlich aber nicht zu beanstanden; hierzu Schönfeld in F/W/B/S, Vor § 34c EStG Rz. 33. 3 Hierzu etwa Gandenberger, DStJG 8 (1985), 133. 4 Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 28; Schaumburg, StuW 2000, 369 (375); Schaumburg, DStJG 24 (2001), 225 (251); Lüdicke, IStR 2003, 433 ff.; Wassermeyer, IStR 2001, 113 (117); Cordewener/Schnitger, StuW 2006, 50 (67 ff.). 5 Zu diesem Rechtfertigungsgrund allgemein Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 7.224 ff. 6 Zu dieser Rechtfertigung EuGH v. 28.2.2013 – Rs. C-168/11 – Beker/Beker, ECLI:EU:C:2013:117 = IStR 2013, 275, Tz. 58; vgl. auch EuGH v. 30.6.2016 – Rs. C-176/15 – Riskin u.a., ECLI:EU:C:2016:488 = RIW 2016, 698. 7 Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 23 m.w.N. 8 Fiskalpolitische Zielsetzungen sind kein Rechtfertigungsgrund; BVerfG v. 29.5.1990 – I BvL 20/86 u.a., BVerfGE 82, 60 (89); v. 9.12.2008 – 2 BvL 1/07 u.a., BVerfGE 122, 210 (234).
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
18.106
§ 34c Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 EStG ermöglicht lediglich die Anrechnung ausländischer Steuern auf die deutsche Einkommensteuer, die auf Einkünfte aus dem betreffenden ausländischen Staat entfällt.1 Damit ist die Höchstbetragsberechnung für die Einkünfte aus jedem ausländischen Staat einzeln und getrennt durchzuführen. Diese länderbezogene Höchstbetragsberechnung (per country limitation) ergibt sich ausdrücklich aus § 68a EStDV. Die Anwendung der per country limitation verhindert dann eine durchgängige Vermeidung der Doppelbesteuerung, wenn bei Bezug von Einkünften aus mehreren Staaten die den Höchstbetrag übersteigenden Steuern durch nicht ausgenutzte Höchstbeträge in anderen Ländern aufgefangen werden könnten, ein Ausgleich von hoch und niedrig besteuerten Einkünften verschiedener Länder also möglich wäre.2 Dieser Steuernachteil wird zudem in den Fällen verschärft, in denen die im Ausland keiner Besteuerung unterliegenden Einkünfte (§ 34c Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 EStG) sowie die im Ausland abkommensrechtlich steuerfrei gestellten Einkünfte (§ 34c Abs. 6 Satz 2 EStG) unberücksichtigt bleiben. Stehen allerdings positiven Einkünften aus einem ausländischen Staat negative Einkünfte aus einem anderen ausländischen Staat gegenüber, wirkt sich die Höchstbetragsrechnung nach der per country limitation für den Steuerpflichtigen günstig aus, weil anderenfalls im Falle der Zusammenrechnung eine Steueranrechnung mangels ausländischer Einkünfte zunichte gemacht würde.3
18.107
Die in § 34c Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 EStG (§ 68a EStDV) verankerte per country limitation ist mit dem Welteinkommensprinzip unvereinbar. Dient nämlich als Rechtfertigung für das Welteinkommensprinzip die ungeteilte steuerliche Leistungsfähigkeit, wonach es für die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit unerheblich sei, ob die Einkünfte im Inland oder im Ausland erzielt würden, so kann es für die Anrechnung keine Rolle spielen, aus welchem Land die ausländischen Einkünfte stammen. Führt schon die gesetzliche Verankerung des Anrechnungshöchstbetrages zu einem Systembruch, so wird dieser durch die per country limitation noch verschärft. Das durch das Leistungsfähigkeitsprinzip vorgegebene Ziel des § 34c Abs. 1 EStG, die Doppelbesteuerung zu vermeiden, wird dadurch weitgehend verfehlt. Aus diesem Grunde verstößt die per country limitation gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip.4 Sie führt für die im Ausland tätige deutsche Wirtschaft zu Wettbewerbsnachteilen, weil (einige) wichtige Konkurrenzländer die Möglichkeit der globalen Anrechnung, also einer overall limitation gewähren.5 Diese overall limitation, aufgrund deren die ausländischen Einkünfte aus den verschiedenen Ländern zwecks Steueranrechnung zusammengefasst werden, entspricht allein dem sich aus der Besteuerung des Welteinkommens ergebenden 1 Bei Zusammenveranlagung sind die Einkünfte der Ehegatten aus demselben ausländischen Staat zusammenzurechnen; Erlass FinMin Niedersachsen v. 31.7.1996, DStR 1996, 1811. 2 Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 176 f. mit Berechnungsbeispielen. 3 Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 177 mit Berechnungsbeispielen. 4 Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 28; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 51 ff.; Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (161); Schaumburg in FS Tipke, Köln 1995, 125 (148); Schaumburg; DStJG 24 (2001), 225 (251 f.). 5 Juch, CDFI LXVI b (1981), 81 (100); vgl. speziell zur Wettbewerbssituation Jonas, Steuerschranken für Export (DIHT), 37 ff.; weitere Hinweise bei Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 56.
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A. Einkommensteuer
Leistungsfähigkeitsprinzip.1 Die in § 34c Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 EStG (§ 68a EStDV) verankerte per country limitation ist daher mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar. Anders dagegen unter unionsrechtlichen Gesichtspunkten: Hier geht es um die den Mitgliedstaaten zugestandene Steuerhoheit, in deren Rahmen sie durch Abschluss von DBA die Anknüpfungspunkte für die Aufteilung der jeweiligen Steuerhoheit festlegen können.2 Da die von Deutschland mit allen EU-Staaten abgeschlossenen DBA lediglich bilateral wirken, folgt daraus, dass die Steuerhoheit auch jeweils nur im Verhältnis mit dem jeweils anderen Mitgliedstaat aufgeteilt wird. Damit ist auch die abkommensrechtlich vereinbarte Steueranrechnung als Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ebenfalls nur bilateraler Natur, so dass die länderbezogene Höchstbetragsbegrenzung insoweit folgerichtig ist.3 Diese unionsrechtliche Beurteilung gilt nicht nur in Abkommensfällen, in denen sich die Anrechnungsmodalitäten nach § 34c Abs. 1 EStG richten (§ 34c Abs. 6 Satz 2 EStG), sondern auch dann, wenn die Anrechnung ausländischer Steuern einseitig erfolgt.4 Übersteigt die ausländische Steuer den Anrechnungshöchstbetrag, so kann für den übersteigenden Teil die Doppelbesteuerung nicht vermieden werden. Der nichtanrechenbare Teil der ausländischen Steuer kann nämlich weder gem. § 34c Abs. 2 oder Abs. 3 EStG noch unter anderen Gesichtspunkten bei der Einkommensermittlung abgesetzt werden. Insbesondere können derartige Anrechnungsüberhänge nicht im Rahmen eines Anrechnungsvor- oder -rücktrags (carry forward, carry back) steuerlich zur Geltung gebracht werden.5 Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 227 AO) werden in diesem Zusammenhang nicht für sachgerecht gehalten.6 Dem Steuerpflichtigen verbleibt allein die Möglichkeit, statt der Steueranrechnung insgesamt den Steuerabzug zu beantragen (§ 34c Abs. 2 EStG).
18.108
Anrechnungsüberhänge sind nicht selten ein Ergebnis bloßer Zufälligkeiten, etwa dann, wenn sie durch zeitliche Schwankungen, unterschiedliche Bemessungsgrundlagen oder durch unterschiedliche Steuersätze entstehen. Derartige Divergenzen können sich über mehrere Jahre ausgleichen. Im Hinblick darauf ist die Konzeption des § 34c Abs. 1 EStG, die Vermeidung der Doppelbesteuerung dem Primat der Abschnittsbesteuerung (per year limitation) zu unterstellen,
18.109
1 Burmester in Gassner/Lang/Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, 241 (253); Schaumburg in FS Tipke, Köln 1995, 125 (148); Schaumburg, DStJG 24 (2001), 225 (251 f.); Schaumburg, StuW 2000, 369 (375 f.). 2 EuGH v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – Saint Gobain, Slg. 1999, I-6161, Tz. 57, v. 12.12.2002 – Rs. C-385/00 – de Groot, Slg. 2002, I-11819, Tz. 93; v. 28.2.2013 – Rs. C-168/11 – Beker/ Beker, IStR 2013, 275 Tz. 32; v. 30.6.2016 – Rs. C-176/15, Riskin u.a, ECLI:EU:C:2016:488, Tz. 31 = RIW 2016, 698. 3 BFH v. 18.12.2013 – I R 71/10, BFH/NV 2014, 759 Rz. 21. 4 BFH v. 18.12.2013 – I R 71/10, BFH/NV 2014, 759 Rz. 22 m.w.N. auch zu Gegenansichten. 5 Das ist unionsrechtlich nicht zu beanstanden; vgl. Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.25. 6 BFH v. 26.10.1972 – I R 125/70, BStBl. II 1973, 271; Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 25.
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
nicht sachgerecht1 und zudem europarechtlich zweifelhaft.2 Auch insoweit ist die im Ausland tätige deutsche Wirtschaft Wettbewerbsnachteilen ausgesetzt,3 weil vergleichbare Industriestaaten einen Anrechnungsvor- oder -rücktrag gewähren.4 18.110
Die in § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG bislang vorgegebene Höchstbetragsberechnung war mit den unionsrechtlich verbürgten Grundfreiheiten (Niederlassungsfreiheit, Kapitalverkehrsfreiheit) unvereinbar. Hochstbetrag ¼ ¨
deutsche Einkommensteuer auslandische ¨ Einkunfte ¨ Summe der Einkunfte ¨
Dies deshalb, weil namentlich steuerlich abziehbare Kosten der Lebensführung wie Sonderausgaben (§ 10 EStG) und außergewöhnliche Belastungen (§§ 33, 33a EStG) sowie der Grundfreibetrag (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG) bei der für die deutsche Steuer maßgeblichen Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (§ 2 Abs. 5 EStG), nicht aber bei der Summe der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG) berücksichtigt wurden. Damit wurden derartige, die persönlichen Verhältnisse des Steuerpflichtigen berücksichtigenden Umstände im Ergebnis auch auf die ausländischen Steuerquellen abgewälzt, obwohl es grundsätzlich Sache des Wohnsitzstaates ist, die persönliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen in vollem Umfang zu berücksichtigen.5 § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG wurde für Veranlagungszeiträume bis einschließlich 2014 nunmehr dadurch unionsrechtskonform ausgestaltet, dass bei der Berechnung des Höchstbetrages die Summe der Einkünfte um alle steuerrechtlich abzugsfähigen personen- und familienbezogenen Positionen – z.B. Sonderausgaben (§ 10 EStG), außergewöhnliche Belastungen (§§ 33, 33a EStG), Altersentlastungsbetrag (§ 24a EStG) und Grundfreibetrag (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG) – zu vermindern ist.6 Für Zeiträume danach orientiert sich der Anrechnungshöchstbetrag an dem für die ausländischen Einkünfte maßgeblichen Durchschnittssteuersatz (§ 34c Abs. 1 Satz 2 EStG) mit der Folge, dass im Ergebnis der Grundfreibetrag (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG) wiederum nur anteilig bei den inländischen Einkünften berücksichtigt wird.7 Insoweit ist ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten unverändert gegeben.8
1 Schaumburg in FS Tipke, 125 (148); vgl. zu Problemen der Abschnittsbesteuerung im Übrigen Schaumburg/Schaumburg, StuW 2013, 61 ff. 2 Weiterführend Schönfeld in F/W/B/S, vor § 34c EStG Rz. 34; Geurts in Frotscher/Geurts, § 34c EStG Rz. 83; Kessler in Baumhoff/Schönfeld, Doppelbesteuerungsabkommen – Nationale und internationale Entwicklungen 2012, 163 (175); Lüdicke, FR 2011, 1077; Schnitger, IStR 2011, 53. 3 Jonas, Steuerschranken für Export (DIHT), 38 f. 4 Hierzu Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 56 f.; Juch, CDFI LXVIb (1981), 81 (101). 5 EuGH v. 12.12.2002 – Rs. C-385/00 – de Groot, Slg. 2002, I-11819, Tz. 90; v. 28.2.2013 – Rs. C-168/11 – Beker/Beker, ECLI:EU:C:2013:117, Tz. 43 = IStR 2013, 275. 6 § 52 Abs. 34a EStG: Anwendbar in noch allen offenen Fällen. 7 EuGH v. 28.2.2013 – Rs. C-168/11 – Beker/Beker, ECLI:EU:C:2013:117, Tz. 41 = IStR 2013, 275 = ISR 2013, 134 m. Anm. Pohl = GmbHR 2013, 442 m. Anm. Haritz/Werneburg; BFH v. 18.12.2013 – I R 71/10, GmbHR 2014, 547 m. Anm. Haritz/Werneburg = ISR 2014, 174 m. Anm. Pohl = BFH/NV 2014, 759 Rz. 17 f. 8 Vgl. zu Einzelheiten Desens, IStR 2015, 77.
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A. Einkommensteuer
Da sich die für die Höchstbetragsberechnung maßgebliche durchschnittliche tarifliche deutsche Einkommensteuer nach dem zu versteuernden Einkommen berechnet (§ 2 Abs. 5 Halbs. 2 EStG), sind auch die §§ 2a und 15a EStG zu berücksichtigen.1 Betreffen die nichtausgleichsfähigen Verluste die ausländischen Einkünfte und stehen den Verlusten andere positive ausländische Einkünfte gegenüber, so führen die Verlustausgleichsverbote der §§ 2a und 15a EStG zu einer Erhöhung des Höchstbetrages, weil nur die positiven ausländischen Einkünfte in das zu versteuernde Einkommen eingehen.2 Dieser Erhöhungseffekt kann aber in den folgenden Jahren zu einem entsprechenden Minderungseffekt führen.3 Die Berechnung der Einkommensteuer erfolgt gem. § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG unter Berücksichtigung des § 32a EStG (Grund- oder Splittingtabelle), des § 32b EStG (Progressionsvorbehalt) und der §§ 34, 34b EStG (außerordentliche Einkünfte) sowie des § 34a EStG (Thesaurierungsbegünstigung). Hieraus ergibt sich, dass andere Steuerermäßigungen, die für die Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages maßgebliche deutsche Einkommensteuer nicht beeinflussen; das heißt, sie mindern im Ergebnis den Anrechnungshöchstbetrag nicht. Die der Abgeltungsteuer unterliegenden Einkünfte sowie die Abgeltungsteuer (§ 32d EStG) selbst werden in die Höchstbetragsberechnung ebenfalls nicht einbezogen (§ 34c Abs. 1 Satz 3 Halbs. 1 EStG). Die Anrechnung erfolgt hier entsprechend der in § 32d Abs. 5 EStG verankerten Sonderregelung, für die übrigens nicht die per country limitation, sondern (ausnahmsweise) die overall limitation (Rz. 18.107) zur Geltung gebracht wird.
18.111
Für die Berechnung des Anrechnungshöchstbetrages sind die ausländischen Einkünfte von Bedeutung, die mangels besonderer Vorschriften nach deutschem Steuerrecht zu ermitteln sind.4 Da die Gewinnermittlungsvorschriften in den einzelnen Staaten sehr unterschiedlich sind, kommt es nicht selten zu Anrechnungsüberhängen, die, da § 34c Abs. 1 EStG keinen Vor- oder Rücktrag kennt, für die Anrechnung verloren gehen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die nach deutschem Steuerrecht ermittelten ausländischen Einkünfte niedriger sind als diejenigen, die nach Maßgabe des ausländischen Steuerrechts dort zur Besteuerung geführt haben. Derartige Divergenzen in den Bemessungsgrundlagen, die zu steuerlich nicht verwertbaren Anrechnungsüberhängen führen, finden sich in der Besteuerungspraxis insbesondere bei der Anrechnung von ausländischen Betriebsstättensteuern, wenn Umlagen des Stammhauses oder sonst außerhalb des Betriebsstättenstaates entstandene Kosten bei der ausländischen Ermittlung des Betriebsstättengewinns nicht anerkannt werden. Schließlich entstehen Anrechnungsüberhänge auch dann, wenn ausländische Staaten Quellensteuern auf Bruttobasis erheben. Hierdurch betroffen sind insbesondere Lizenzgebühren und Zinsen aus dem Ausland, denen im Inland entsprechende Entwicklungs- und Forschungsaufwendungen sowie Refinanzierungskosten ge-
18.112
1 Vgl. Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 187; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 16; Geurts in Frotscher/Geurts, § 34c EStG Rz. 45. 2 Vgl. Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 187; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 16. 3 Vgl. zu den Einzelheiten Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 187; R 34c Abs. 2 EStR. 4 BFH v. 2.2.1994 – I R 66/92, BStBl. II 1994, 727; v. 16.5.2001 – I R 102/00, BStBl. II 2001, 710; Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 91; Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 14.
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
genüberstehen. In den vorgenannten Fällen wäre de lege ferenda eine Anrechnung auch auf die Gewerbesteuer geboten (Rz. 18.207).1
V. Steuerabzug 1. Allgemeines 18.113
Der Steuerabzug gem. § 34c Abs. 2 und 3 EStG, der lediglich zur Milderung internationaler Doppelbesteuerung beiträgt, ist nicht geeignet, Kapitalexportneutralität (Rz. 17.34) zu gewährleisten. Nach der Konzeption des § 34c EStG erlangt der Steuerabzug seine eigentliche Bedeutung dann, wenn durch die Steueranrechnung die Doppelbesteuerung nur sehr unvollkommen vermieden werden kann. Damit wird erkennbar, dass der Steuerabzug als Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung lediglich eine Folge der zu Systembrüchen führenden Regelung über die Steueranrechnung (§ 34c Abs. 1 EStG) ist. So führt die Begrenzung der Anrechnung ausländischer Steuern auf die entsprechende Inlandssteuer im Rahmen des Anrechnungshöchstbetrages zu einer lediglich einseitigen Realisierung des Leistungsfähigkeitsprinzips. Da das Einkommensteuergesetz das systemtragende Leistungsfähigkeitsprinzip durch das Welteinkommensprinzip konkretisiert hat, ist es nicht sachgerecht, im Rahmen der Steueranrechnung eine Steuererstattung zu versagen (Einzelheiten hierzu unter Rz. 18.105). Dieser Systembruch wird insbesondere durch die per country limitation noch verschärft.
18.114
Die hierdurch auftretenden Mängel der Steueranrechnung sollen durch den Steuerabzug gemindert werden. Deshalb eröffnet § 34c Abs. 2 EStG dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit, statt der Steueranrechnung den Steuerabzug zu wählen, wenn dieser für ihn zu einem günstigeren Ergebnis führt. Nach § 34c Abs. 3 EStG ist schließlich ein Steuerabzug auch für jene Fälle zugelassen, in denen die Voraussetzungen für eine Steueranrechnung nach § 34c Abs. 1 EStG oder einen Steuerabzug nach § 34c Abs. 2 EStG nicht vorliegen.
18.115
Während der die Steueranrechnung regelnde § 34c Abs. 1 EStG eine Tarifvorschrift ist, setzt § 34c Abs. 2 und 3 EStG bei der Ermittlung der Einkünfte an. Der Steuerabzug schlägt somit grundsätzlich auf die Gewerbesteuer durch. In den Fällen allerdings, in denen die ausländischen Einkünfte nicht der Gewerbesteuer unterliegen, etwa bei Schachteldividenden infolge der Kürzung gem. § 9 Nr. 7 und 8 GewStG, erfolgt zwecks Vermeidung einer zweifachen Minderung des Gewerbeertrages eine Hinzurechnung der ausländischen Steuern gem. § 8 Nr. 12 GewStG.
18.116
Es wird die Meinung vertreten, ausländische Steuern hätten im Verhältnis zur inländischen Einkommensteuer Kostencharakter und seien daher ohnehin als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abzugsfähig.2 § 12 Nr. 3 EStG spreche lediglich für inländische Personensteuern ein Abzugsverbot aus. Ausländische Per1 Vgl. hierzu M. Frotscher in FS Frotscher, 116 (117 ff.); zur Anrechnung auf die Gewerbesteuer in Abkommensfällen Rz. 19.554. 2 Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, 112; Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (144 f.).
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A. Einkommensteuer
sonensteuern fielen nicht unter dieses Abzugsverbot, weil durch die ausländische Steuerzahlung eine inländische Steuerschuld nicht zum Erlöschen gebracht werde.1 Dem § 12 Nr. 3 EStG lässt sich eine derartige Differenzierung allerdings nicht entnehmen. Im Hinblick auf das dem Einkommensteuergesetz zugrunde liegende Welteinkommensprinzip werden in- und ausländische Einkünfte vielmehr gleichermaßen der Besteuerung unterworfen. Die Einkünfteermittlungsvorschriften des Einkommensteuergesetzes gelten unterschiedslos sowohl für in- als auch für ausländische Einkünfte. Zu diesen Einkünfteermittlungsvorschriften zählt auch § 12 Nr. 3 EStG, so dass ausländische Steuern grundsätzlich keine Betriebsausgaben sind.2 Die Regelung des § 34c Abs. 2 und 3 EStG, die einen Abzug ausländischer Steuern bei der Ermittlung der Einkünfte vorsieht, hat daher konstitutive Bedeutung.3 Gemäß § 50 Abs. 3 EStG können auch beschränkt steuerpflichtige Personen unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen für die Einkünfte aus Landund Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit die Doppelbesteuerung durch Steuerabzug (§ 34c Abs. 2 und 3 EStG) mildern (Rz. 18.51).
18.117
2. Steuerabzug gem. § 34c Abs. 2 EStG Gemäß § 34c Abs. 2 EStG kann anstelle der Anrechnung die ausländische Steuer auf Antrag bei der Ermittlung der Einkünfte abgezogen werden, soweit sie auf ausländische Einkünfte entfällt, die nicht steuerfrei sind.4 Dieses Wahlrecht impliziert, dass Steuerabzug und Steueranrechnung nur unter den gleichen Voraussetzungen möglich sind.
18.118
Die in § 34c Abs. 1 Satz 1 EStG geregelte per country limitation führt im Rahmen des Anwendungsbereiches des § 34c Abs. 2 EStG dazu, dass das Wahlrecht für Einkünfte aus demselben Staat zwar einheitlich,5 für Einkünfte aus mehreren Staaten aber unterschiedlich erfolgen kann.6 Da schließlich auch für § 34c Abs. 2 und 3 EStG das Abschnittsprinzip gilt (Rz. 18.64), kann das Wahlrecht Jahr für Jahr neu ausgeübt werden.7 Der Steuerabzug wird insbesondere in folgenden Fällen günstiger sein als die Steueranrechnung.8
18.119
– Fällt etwa infolge von (inländischen) Verlusten keine deutsche Einkommensteuer an, geht eine Steueranrechnung ins Leere. Dagegen führt der Steuerabzug zu einer Erhöhung des Verlustrück- bzw. Verlustvortrages (§ 10d EStG) und kann hierdurch steuerwirksam werden. 1 Mössner, DStJG 8 (1985), 135 (144 f.). 2 BFH v. 16.5.1990 – I R 80/87, BStBl. II 1990, 920; Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 84. 3 § 34c Abs. 2, 3 EStG hätte allerdings in § 12 Satz 1 EStG als Ausnahme zitiert werden müssen. 4 Das gilt nicht für den Fall, dass ein DBA eine Anrechnung fiktiver Steuern zulässt (§ 34c Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 EStG). 5 R 34c Abs. 4 Satz 1 EStR; zusammenveranlagte Ehegatten müssen dieses Wahlrecht dagegen nicht einheitlich ausüben; R 34c Abs. 4 Satz 2 EStR. 6 Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 30; Geurts in Frotscher/Geurts, § 34c EStG Rz. 106; Kaminski/Strunk in Korn, § 34c EStG Rz. 39; R 34c Abs. 4 Satz 2 EStR. 7 Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 77. 8 Zur Ausübung des Wahlrechts Wassermeyer in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 257 f.
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
– Überschreitet die ausländische Steuer den Anrechnungshöchstbetrag, geht der Anrechnungsüberhang verloren. Handelt es sich hierbei nicht nur um geringfügige Beträge, ist der Steuerabzug gem. § 34c Abs. 2 EStG insgesamt günstiger. Das ist stets dann der Fall, wenn die ausländische Steuer höher ist als die nach inländischen Vorschriften ermittelten ausländischen Einkünfte. 18.120
Der Steuerabzug geht indessen bei Kleinanlegern ins Leere, deren ausländische Zins-/Dividendeneinnahmen unter dem Sparerfreibetrag (§ 20 Abs. 9 EStG) liegen: Der Sparer-Freibetrag (801 Euro) und der gemeinsame Sparer-Freibetrag (1 602 Euro) dürfen nicht höher sein, als die um die Werbungskosten einschließlich einer abzusichernden ausländischen Steuer geminderten Kapitalerträge (§ 20 Abs. 9 Satz 4 EStG). Hieraus folgt, dass im Gegensatz zu anderen Einkunftsarten der Steuerabzug gem. § 34c Abs. 2 EStG bei den Einkünften aus Kapitalvermögen bei Inanspruchnahme des Sparer-Freibetrages zu keinen negativen Einkünften führen darf. Da in derartigen Fällen auch keine Steueranrechnung gem. § 34c Abs. 1 EStG in Betracht kommt, werden Kleinanleger, die Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften oder ausländischen Finanzanlagen in ihrem Portfolio haben, steuerlich benachteiligt.1 Schließlich bleibt der volle Steuerabzug auch in Fällen des Teileinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40 EStG) versagt (§ 34c Abs. 2 Halbs. 2 EStG). Um eine Doppelbegünstigung zu vermeiden kann eine ausländische Steuer nur i.H. von 60 % abgezogen werden.2
18.121
Der Abzug bei der Ermittlung der Einkünfte bedeutet, dass ausländische Steuern in Abkehr von § 12 Nr. 3 EStG wie Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abgezogen werden können. Das hat zur Folge, dass bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb der Gewerbeertrag (§ 7 GewStG) entsprechend gemindert wird, wobei allerdings eine Hinzurechnung erfolgt, soweit die ausländischen Steuern auf Gewinne entfallen, die bei der Ermittlung des Gewerbeertrags außer Ansatz bleiben oder gekürzt (§ 9 GewStG) werden (§ 8 Nr. 12 GewStG).3 3. Steuerabzug gem. § 34c Abs. 3 EStG
18.122
Im Unterschied zum Steuerabzug gem. § 34c Abs. 2 EStG greift der Steuerabzug gem. § 34c Abs. 3 EStG dann ein, wenn die Voraussetzungen für eine Steueranrechnung gem. § 34c Abs. 1 EStG nicht gegeben sind. § 34c Abs. 3 EStG ist daher lediglich eine Auffangvorschrift,4 die nur dann Bedeutung erlangt, wenn eine Steueranrechnung gem. § 34c Abs. 1 EStG oder ein Steuerabzug gem. § 34c Abs. 2 EStG nicht möglich ist, weil die ausländische Steuer – nicht der deutschen Einkommensteuer entspricht, – nicht in dem Staat erhoben wird, aus dem die Einkünfte stammen oder – auf Einkünfte erhoben wird, die keine ausländischen Einkünfte i.S. des § 34d EStG sind. 1 Hierzu im Einzelnen Lickteig, IStR 1995, 792 ff.; vgl. aber auch Horlemann, DStR 1995, 1535 f. 2 Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 31; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 75; R. 34c Abs. 4 Satz 8 EStR. 3 Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 110. 4 Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 32.
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A. Einkommensteuer
Da § 34c EStG ohnehin nur ausländische Steuern vom Einkommen erfasst, werden die Fälle selten sein, in denen derartige Steuern nicht der deutschen Einkommensteuer entsprechen. Die erste Alternative ist daher von geringer Bedeutung. Mit der zweiten Alternative werden Drittstaatensteuern erfasst, wobei in der Praxis insbesondere jene Fälle Bedeutung haben, in denen außerhalb des Betriebsstättenstaates Quellensteuern z.B. auf der Betriebsstätte zuzuordnende Zinseinnahmen erhoben werden.1 Mit der dritten Alternative werden die in der Praxis häufig vorkommenden Fälle der Liefergewinnbesteuerung erfasst, in denen etwa bei ausländischen Montagebetriebsstätten (§ 12 Satz 2 Nr. 8 AO) nicht nur der Montage-, sondern auch der Liefergewinn besteuert wird.2 Während die Steueranrechnung gem. § 34c Abs. 1 EStG und der unter den gleichen Voraussetzungen mögliche Steuerabzug gem. § 34c Abs. 2 EStG die Steuerpflicht der ausländischen Einkünfte im Inland voraussetzt, enthält § 34c Abs. 3 EStG dieses Erfordernis nicht. Der Wortlaut des § 34c Abs. 3 EStG verlangt vielmehr lediglich, dass die ausländischen Einkünfte der deutschen Einkommensteuer „unterliegen“, das heißt steuerbar sind, so dass hiernach eine etwaige Steuerfreiheit den Steuerabzug nicht hindern würde. Ein derartiges Auslegungsergebnis wäre allerdings mit dem Sinn und Zweck des § 34c Abs. 3 EStG – Vermeidung der effektiven Doppelbesteuerung – und seiner Komplementärfunktion zu § 34c Abs. 1 EStG unvereinbar. Der Steuerabzug gem. § 34c Abs. 3 EStG setzt daher im Inland steuerpflichtige Einkünfte voraus.3
18.123
VI. Steuererlass und Steuerpauschalierung 1. Auffangfunktion § 34c Abs. 5 EStG enthält eine an die Adresse der Exekutive gerichtete Ermächtigung zur abweichenden Steuerfestsetzung, wenn
18.124
– es aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig oder – die Steueranrechnung nach § 34c Abs. 1 EStG besonders schwierig ist. Die abweichende Steuerfestsetzung kann durch vollständigen oder teilweisen Steuererlass oder durch Steuerpauschalierung erfolgen. Während der vollständige Steuererlass ebenso wie die Steuerfreistellung zu einer Beseitigung der Doppelbesteuerung und damit zur Verwirklichung der Kapitalimportneutralität (Rz. 17.26) führt, bedeuten ein teilweiser Steuererlass oder eine Steuerpauschalierung lediglich eine Milderung der Doppelbesteuerung. Dem Steuererlass und der Steuerpauschalierung kommt eine Auffangfunktion zu;4 sie finden ihre Rechtfertigung darin, dass insbesondere die Steueranrechnung als Regelmethode in der 1 Vgl. hierzu die Regierungsbegründung zum StÄndG v. 20.8.1980, BT-Drucks. 8/3648 (abgedruckt bei Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG, Anhang 1 S. G 6 ff.). 2 Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 33. 3 Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 32; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 87; Geurts in Frotscher/Geurts, § 34c EStG Rz. 123; Kaminski/Strunk in Korn, § 34c EStG Rz. 48; a.A. Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 323; Lüdicke, Steuerermäßigung bei ausländischen Einkünften, 69 f. 4 BVerfG v. 19.4.1978 – 2 BvL 2/75, BStBl. II 1978, 548 (552); BFH v. 18.8.1987 – VIII R 297/82, BStBl. II 1988, 139; Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 35.
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
gesetzlichen Ausprägung des § 34c Abs. 1 EStG nicht geeignet ist, die Doppelbesteuerung in allen Fällen zu vermeiden. Eine etwa verbleibende Doppelbesteuerung führt bei einer exportorientierten Volkswirtschaft zu steuerlichen Hemmnissen, die eine Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit auf den internationalen Märkten zur Folge hat. Im Hinblick darauf hat § 34c Abs. 5 EStG auch die Zielsetzung, die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Außenwirtschaft zu verbessern.1 18.126
§ 34c Abs. 5 EStG2 wurde für verfassungswidrig gehalten, weil die Ermächtigung zum Erlass von Steuerverwaltungsakten nach Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß nicht hinreichend bestimmt und begrenzt sei.3 Die Regelung verstoße deshalb gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, das Prinzip der Gewaltenteilung und die rechtsstaatliche Forderung nach einem möglichst lückenlosen gerichtlichen Schutz gegen die Verletzung der Rechtssphäre des einzelnen durch Eingriffe der öffentlichen Hand. Demgegenüber hat das BVerfG die Ermächtigung für hinreichend bestimmt gehalten4 und dabei darauf abgestellt, dass § 34c Abs. 5 EStG nicht eine die Steuerpflicht begründende Vorschrift sei und nicht zu belastenden Verwaltungsakten ermächtige, sondern vielmehr eine Vorschrift sei, die auf eine Steuerentlastung abziele. In einem derartigen Fall seien die Anforderungen an das Maß der gesetzlichen Bestimmtheit geringer als bei Eingriffsermächtigungen. Dabei hat das BVerfG den Begriff „volkswirtschaftliche Gründe“ in seiner einschränkenden Konkretisierung „außenwirtschaftliche Gründe“ als hinreichend bestimmt akzeptiert.5
18.127
Auf der Ermächtigung des § 34c Abs. 5 EStG beruhen der Auslandstätigkeitserlass6 sowie der Pauschalierungserlass.7 Während die Anwendung des Auslandstätigkeitserlasses zu einer Aufhebung der Doppelbesteuerung durch Steuererlass führt, beinhaltet der Pauschalierungserlass eine Milderung der Doppelbesteuerung durch Steuerpauschalierung. Der Auslandstätigkeitserlass und der Pauschalierungserlass enthalten keine abschließenden Regelungen über die Möglichkeiten des Steuererlasses und der Steuerpauschalierung nach § 34c Abs. 5 EStG.8 Deshalb sind individuelle Billigkeitsmaßnahmen darüber hinaus ohne weiteres zulässig.
1 BVerfG v. 19.4.1978 – 2 BvL 2/75, BStBl. II 1978, 548 (553). 2 § 34c Abs. 3 EStG a.F. 3 Vgl. BFH v. 13.1.1966 – IV 166/61, BStBl. III 1966, 556; v. 10.7.1970 – VI R 48/67, BStBl. II 1970, 728. 4 BVerfG v. 19.4.1978 – 2 BvL 2/75, BStBl. II 1978, 548 (552); ebenso BFH v. 8.12.2010 – I B 98/10, BFH/NV 2011, 596. 5 Vgl. zu der nach wie vor bestehenden Kritik Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 474; Lüdicke, Steuerermäßigung bei ausländischen Einkünften, 77 ff. 6 BMF v. 31.10.1983 – IV B 6 - S 2293 - 50/83, BStBl. I 1983, 470. 7 BMF v. 10.4.1984 – IV C 6 - S 2293 - 11/84, BStBl. I 1984, 252. 8 BFH v. 18.8.1987 – VIII R 297/82, BStBl. II 1988, 139; v. 20.5.1992 – I B 16/92, BFH/NV 1992, 740.
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A. Einkommensteuer
2. Billigkeitsmaßnahmen a) Ermessen Die in § 34c Abs. 5 EStG vorgesehenen Billigkeitsmaßnahmen sind den obersten Finanzbehörden der Länder oder den von ihnen beauftragten Finanzbehörden sowie dem Bundesfinanzministerium vorbehalten.1 In den für die Praxis wichtigen Fällen der Anwendung des Auslandstätigkeitserlasses und des Pauschalierungserlasses ist den Finanzämtern die Entscheidungskompetenz überlassen.
18.128
Die Entscheidung über den Steuererlass oder die Steuerpauschalierung steht im Ermessen (§ 5 AO) der Finanzbehörde und ergeht als Grundlagenbescheid (§ 171 Abs. 10 AO),2 der allerdings äußerlich mit dem betreffenden Steuerbescheid verbunden werden kann (§ 163 Satz 3 AO). Soweit der Auslandstätigkeitserlass und der Pauschalierungserlass ermessensregelnden Charakter haben, tritt eine Selbstbindung der Verwaltung ein, so dass eine Ermessensabweichung grundsätzlich den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt.3 Die Billigkeitsmaßnahmen setzen auf der Tatbestandsseite alternativ die Zweckmäßigkeit aus volkswirtschaftlichen Gründen und die besondere Schwierigkeit der Steueranrechnung voraus.
18.129
Die volkswirtschaftlichen Gründe müssen spezifisch außenwirtschaftlicher Natur sein.4 Solche Gründe sind insbesondere dann zu bejahen, wenn die Steueranrechnung die Doppelbesteuerung entweder nur unzureichend vermeidet oder aber dem Steuerpflichtigen zum Zwecke der Investitionsförderung im Ausland gewährte Steuererleichterungen zunichte macht.5 Da § 34c Abs. 5 EStG auch der Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit der deutschen Außenwirtschaft dienen soll,6 werden ein Steuererlass oder eine Steuerpauschalierung aus volkswirtschaftlichen Gründen immer dann zweckmäßig sein, wenn durch Abbau von Steuerhürden deutsche Steuerpflichtige konkurrenzfähige Angebote im Ausland machen können.7
18.130
Soweit § 34c Abs. 5 EStG Billigkeitsmaßnahmen davon abhängig macht, dass die Steueranrechnung besonders schwierig ist, zielt diese Vorschrift auf Vereinfachung ab. Besondere Schwierigkeiten werden vor allem bei der Zuordnung von Steuerbeträgen auf Teile der ausländischen Bemessungsgrundlage und bei der Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrages liegen.8 Die Billigkeitsmaßnahmen nach § 34c Abs. 5 EStG sind auch im Rahmen von DBA zulässig.9 Eine Anwendung auf die der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 ff. AStG) unterliegenden Zwischeneinkünfte ist mangels Subjektidentität allerdings ausgeschlossen.10
18.131
1 Gebilligt von BFH v. 25.4.2001 – I R 80/97, BFH/NV 2001, 1541. 2 Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 35; Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 171; a.A. Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 462: unselbständiger Teil der Steuerfestsetzung. 3 Hierzu im Einzelnen Drüen in T/K, § 5 AO Rz. 50. 4 BVerfG v. 19.4.1978 – 2 BvL 2/75, BStBl. II 1978, 548 (552). 5 BVerfG v. 19.4.1978 – 2 BvL 2/75, BStBl. II 1978, 548 (553). 6 BVerfG v. 19.4.1978 – 2 BvL 2/75, BStBl. II 1978, 548 (553). 7 Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 563; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 110. 8 Hierzu im Einzelnen Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 571 ff. 9 Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 421; Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 35; Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 171. 10 § 12 Abs. 2 AStG verweist nur auf § 34c Abs. 1 EStG; BFH v. 20.4.1988 – I R 197/84, BStBl. II 1988, 983; Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 35; Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 106.
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
b) Steuererlass (Auslandstätigkeitserlass) 18.132
Neben individuellen, auf Erlass von Steuern gerichteten Maßnahmen steht in der Besteuerungspraxis die Anwendung des Auslandstätigkeitserlasses1 im Vordergrund, der einen nur für die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit wirksamen Steuererlass für bestimmte gleichgelagerte Fälle aus volkswirtschaftlichen Gründen ausspricht. Der Auslandstätigkeitserlass gilt, soweit § 34c Abs. 5 EStG Ermächtigungsgrundlage ist, für unbeschränkt Steuerpflichtige und, soweit § 50 Abs. 4 EStG eingreift (Rz. 6.310 f.), für beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer.
18.133
Der Auslandstätigkeitserlass, der Arbeitnehmer von der Besteuerung des Arbeitslohns für bestimmte begünstigte Tätigkeiten im Ausland freistellt, wird damit gerechtfertigt, dass die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen erhalten werden solle. Aufgrund der in der Exportwirtschaft üblichen Brutto-für-Netto-Lohnvereinbarungen sei die Freistellung von der Besteuerung des Arbeitslohnes der im Ausland tätigen Arbeitnehmer angesichts der Personalkostenintensität als besonders wirksame, kostensenkende Maßnahme für deutsche Auftragnehmer gedacht. Hier würden die „volkswirtschaftlichen Gründe“ besonders deutlich; es sei bewusst ein Gleichziehen mit ausländischen Konkurrenten beabsichtigt, weil in anderen Staaten ähnlich gefördert werde.2 Indessen sind es weniger die Ziele der Exportförderung, die im Vordergrund stehen; es sind vielmehr finanzielle Anreize zur Motivierung von Arbeitnehmern, die sich andernfalls für längerfristige Bau- und Montageausführungen im Ausland wegen der oft außerordentlich ungünstigen Nebenbedingungen nicht bereit erklären.3 Da die Steuerfreistellung aufgrund des Auslandstätigkeitserlasses nicht davon abhängig gemacht wird, dass im Ausland überhaupt eine entsprechende Steuer gezahlt worden ist, handelt es sich in Wahrheit um eine subventionierende Regelung, die sich allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung der virtuellen Doppelbesteuerung rechtfertigen lässt.
18.134
Nach dem Auslandstätigkeitserlass wird von der Besteuerung des Arbeitslohnes bei Arbeitnehmern eines inländischen Arbeitgebers abgesehen, die aufgrund eines gegenwärtigen Dienstverhältnisses eine begünstigte Tätigkeit im Ausland ausüben. Die Erlassregelung gilt für Arbeitnehmer nur eines inländischen Arbeitgebers, und zwar unabhängig davon, ob die Arbeitnehmer unbeschränkt oder nur beschränkt steuerpflichtig sind. Die Beschränkung auf Arbeitnehmer inländischer Arbeitgeber ist indessen mit der unionsrechtlich verbürgten Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV) nicht vereinbar.4 Im Hinblick darauf ist der Steuererlass auch dann zu gewähren, wenn der Arbeitnehmer für einen Arbeitgeber mit Sitz in einem ausländischen EU-/EWR-Staat tätig ist.5 1 BMF v. 31.10.1983 – IV B 6-S 2293-50/83, BStBl. I 1983, 470; der Auslandstätigkeitserlass enthält keine abschließende Regelung der Möglichkeiten des Steuererlasses und der Steuerpauschalierung nach § 34c Abs. 5 EStG, so BFH v. 18.8.1987 – VIII R 297/82, BStBl. II 1988, 139; v. 20.5.1992 – I B 16/92, BFH/NV 1992, 740; vgl. auch Rz. 18.127. 2 So z.B. Reinhart, BB 1983, 2246 (2247). 3 Hierzu Wagner in Blümich, § 34c EStG Rz. 123. 4 EuGH v. 28.2.2013 – Rs. C-544/11 – Petersen, ECLI:EU:C:2013:124 = BStBl. II 2013, 847. 5 Umsetzung des EuGH-Urteils durch die FinVerw; vgl. OFD NRW v. 5.12.2013, DB 2013, 2892; für eine ersatzlose Abschaffung des Auslandstätigkeitserlasses plädiert Gosch, IStR 2013, 325.
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A. Einkommensteuer
Zu den begünstigten Auslandstätigkeiten gehören insbesondere Montagen sowie die Planung, Inbetriebnahme, Modernisierung, Überwachung oder Wartung von Anlagen, also der gesamte Bereich der Errichtung von Anlagen von der Planung bis zur Wartung. Die begünstigte Auslandstätigkeit muss mindestens drei Monate betragen, wobei diese zeitliche Voraussetzung nicht objektbezogen ist. Die Steuerfreistellung, die nur für Auslandstätigkeiten in Staaten gewährt wird, denen aufgrund von DBA nicht die alleinige Besteuerungsbefugnis für Arbeitslöhne zugewiesen ist,1 steht unter Progressionsvorbehalt.2
18.135
c) Steuerpauschalierung (Pauschalierungserlass) Die in der Praxis wichtigsten Fälle der Steuerpauschalierung sind im Pauschalierungserlass3 geregelt. Der Pauschalierungserlass, der nicht anwendbar ist, wenn die Einkünfte aus einem Staat stammen, mit dem für diese Einkünfte ein DBA besteht, gewährt eine Steuerpauschalierung nur auf Antrag.4 Die Einkommensteuer auf die pauschal zu besteuernden Einkünfte beträgt 25 % der Einkünfte, höchstens 25 % des zu versteuernden Einkommens. Zu den pauschal zu besteuernden Einkünften gehören5
18.136
– gewerbliche Einkünfte aus aktiver Tätigkeit einer ausländischen gewerblichen Betriebsstätte, – Einkünfte aus einer in einem inländischen gewerblichen Betriebsvermögen gehaltenen Beteiligung an einer ausländischen aktiv tätigen Mitunternehmerschaft, – Einkünfte aus selbständiger Arbeit, die einer ausländischen Betriebsstätte oder festen Einrichtung zuzurechnen sind, durch technische Beratung, Planung und Überwachung bei der Anlagenerrichtung und – Schachteldividenden. Entsprechend der allgemein für § 34c EStG geltenden per country limitation kann der Antrag auf Pauschalierung auf Einkünfte aus einem Staat oder auf solche aus mehreren Staaten beschränkt werden. Für pauschalierungsfähige Einkünfte aus einem Staat muss allerdings das Wahlrecht einheitlich ausgeübt werden. Entsprechend dem eingeräumten Wahlrecht, kann der Pauschalierungsantrag für jedes Jahr neu gestellt werden mit der Folge, dass, soweit die Voraussetzungen vorliegen, der Steuerpflichtige Jahr für Jahr zwischen der Anrechnungsmethode, der Abzugsmethode und der Steuerpauschalierung wechseln kann.6
1 BFH v. 11.9.1987 – VI R 19/84, BStBl. II 1987, 856; v. 11.9.1987 – VI R 64/86, BFH/NV 1988, 631; v. 27.3.1991 – I R 180/87, BFH/NV 1992, 248. 2 BFH v. 11.9.1987 – VI R 19/84, BStBl. II 1987, 856; v. 11.9.1987 – VI R 64/86, BFH/NV 1988, 631; v. 27.3.1991 – I R 180/87, BFH/NV 1992, 248; zu weiteren Einzelheiten des Auslandstätigkeitserlasses ausführlich Siefert, Die Besteuerung bei der Entsendung von Arbeitskräften in das Ausland, 150 ff. 3 BMF v. 10.4.1984 – IV C 6 - S 2293 - 11/84, BStBl. I 1984, 252. 4 In diesem Fall scheidet eine Steueranrechnung oder ein Steuerabzug aus. 5 Vgl. hierzu im Einzelnen Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 511 ff. 6 Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 527.
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
VII. Steuerermäßigung bei Erbschaftsteuerbelastung 18.138
Sind bei der Ermittlung des Einkommens Einkünfte berücksichtigt worden, die im Veranlagungszeitraum oder in den vorangegangenen vier Veranlagungszeiträumen als Erwerb von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen haben, wird auf Antrag die um sonstige Steuerermäßigungen gekürzte tarifliche Einkommensteuer,1 die auf diese Einkünfte anteilig entfällt, ermäßigt (§ 35b EStG). Die Ermäßigung bestimmt sich hierbei nach dem Verhältnis, in dem die festgesetzte Erbschaftsteuer zu dem Betrag steht, der sich ergibt, wenn dem steuerpflichtigen Erwerb i.S. des § 10 ErbStG die steuerfreien Beträge der §§ 5, 16 und 17 ErbStG hinzugerechnet werden (§ 35b Satz 2 EStG).
18.139
§ 35b EStG dient der Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbelastung, die darin besteht, dass derselbe Sachverhalt sowohl der Einkommensteuer als auch der Erbschaftsteuer unterliegt. Erbschaft- und Einkommensteuer schließen sich zwar nicht gegenseitig aus, weil sie einerseits Tatbestände der Vermögenssphäre und andererseits solche der Einkommensphäre betreffen, beide Steuern sind im Ergebnis aber auf die Erfassung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gerichtet, so dass auch die Erbschaftsteuer als eine Steuer von Einkommen i.S. eines Reinvermögenzugangs zu qualifizieren ist.2 Im Hinblick darauf sind beide Steuern aufeinander abzustimmen,3 so dass eine Vermeidung der Doppelbelastung geboten ist. § 35b EStG zielt nicht auf die Vermeidung der (internationalen) Doppelbesteuerung ab. Dieser Vorschrift kommt aber im Ergebnis diese Wirkung zu, weil nicht nur inländische, sondern auch ausländische Erbschaftsteuer im Rahmen des § 35b EStG zu berücksichtigen ist.4
18.140
Die Einbeziehung nur der inländischen Erbschaftsteuer in die Steuerbetragsermäßigung des § 35b EStG ist im Wesentlichen damit begründet worden, dass die Vorschrift für Zwecke der Berechnung der Einkommensteuerermäßigung lediglich auf Vorschriften des inländischen Erbschaftsteuergesetzes verweise. Im Übrigen sei die Einbeziehung ausländischer Erbschaftsteuern unpraktikabel, weil bei allen ausländischen Erbschaftsteuerfestsetzungen im Wege der Rechtsvergleichung festgestellt werden müsse, welche ausländischen Vorschriften den inländischen entsprächen.5 Indessen ist zu berücksichtigen, dass § 35b EStG eine Steuerkonkurrenz insbesondere für diejenigen Fälle lösen will, in denen abweichend von der dem § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG zugrunde liegende Konzeption Einkünfte von demjenigen zu versteuern sind, der sie nicht erwirtschaftet hat. § 35b EStG stellt daher einen Härteausgleich dar.6 Im Hinblick darauf macht es 1 § 35b EStG gilt nicht für die Körperschaftsteuer; BFH v. 14.9.1994 – I R 78/94, DB 1995, 509. 2 Hey in Tipke/Lang22, § 7 Rz. 38; im Einzelnen Rz. 8.1. 3 Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 878; Mellinghoff, DStJG 22 (1999), 127 (134 ff.); Hey, JZ 2007, 564 (566); Crezelius, BB-Spezial 10/2007, 1 (13 ff.). 4 BFH v. 29.10.1974 – I R 126/73, BStBl. II 1975, 110 (zu § 35 EStG a.F.); Kulosa in Schmidt35, § 35b EStG Rz. 10; Zimmermann in Lademann, § 35b EStG Rz. 28; Derlien in L/B/P § 35b EStG Rz. 25; a.A. Levedag in H/H/R, § 35b EStG Rz. 7; Schallmoser in Blümich, § 35b EStG Rz. 41. 5 FG Hess. v. 18.2.1982 – X 184/78, EFG 1982, 570. 6 Zimmermann in Lademann, § 35b EStG Rz. 28; vgl. auch BFH v. 29.10.1974 – I R 126/73, BStBl. II 1975, 110; v. 7.12.1990 – X R 72/89, BStBl. II 1991, 350.
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A. Einkommensteuer
keinen Unterschied, ob die Härte der Doppelbesteuerung durch Entrichtung inländischer oder ausländischer Erbschaftsteuer bewirkt wird.1 § 35b EStG bleibt allerdings hinter dem durch das Leistungsfähigkeitsprinzip vorgegebene Ziel der Vermeidung der Doppelbesteuerung insoweit zurück, als nur Erwerbe von Todes wegen, nicht aber Schenkungen erfasst werden, und zwar selbst dann nicht, wenn sie der vorweggenommenen Erbfolge dienen.2 Die Steuerermäßigung erfasst Einkünfte, die bei der Ermittlung des Einkommens berücksichtigt worden sind3 und gleichzeitig im laufenden oder in den vorangegangenen vier Veranlagungszeiträumen4 als Bereicherung des Erwerbers von Todes wegen der Erbschaftsteuer unterlegen haben. Angesprochen hierdurch sind z.B. Zahlungseingänge auf betriebliche Forderungen des den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelnden Erblassers, Gewinne aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern, die beim Erblasser zum Betriebsvermögen gehörten, sowie Gewinne aus der Veräußerung von zum Nachlass gehörenden Kapitalanteilen i.S. des § 17 Abs. 1, 2 EStG.5 Entsprechend der teleologischen Ausrichtung des § 35b EStG – Vermeidung wirtschaftlicher Doppelbelastung (Doppelbesteuerung) – sind eine Subjekt- und Objektidentität (Rz. 15.3 ff.) nicht Voraussetzung für die Steuerermäßigung.6
18.141
Die Ermäßigungstechnik des § 35b EStG verlangt in einem ersten Schritt zunächst die Ermittlung der anteiligen Einkommensteuer, die auf die begünstigten Einkünfte entfällt. In einem zweiten Schritt (§ 35b Satz 2 EStG) ist der Prozentsatz zu ermitteln, um den die begünstigten Einkünfte ermäßigt werden. Dieser Prozentsatz errechnet sich aus dem Verhältnis der festgesetzten Erbschaftsteuer zum Gesamterwerb, also zum erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb (§ 10 Abs. 1 ErbStG) zzgl. der steuerfreien Beträge gem. §§ 5, 16, 17 ErbStG.7 Soweit auf eine festgesetzte Erbschaftsteuer abgestellt wird, kommt es nicht darauf an, dass der Erbschaftsteuerbescheid bereits bestandskräftig ist. Das gilt auch für ausländische Erbschaftsteuerbescheide. Werden diese zu einem späteren Zeitpunkt geändert, ist auch der betreffende Einkommensteuerbescheid gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern.8
18.142
1 BFH v. 29.10.1974 – I R 126/73, BStBl. II 1975, 110. 2 Zur Kritik Levedag in H/H/R, § 35b EStG Rz. 3; Zimmermann in Lademann, § 35b EStG Rz. 17, 30; Darlien in L/B/P, § 35b EStG Rz. 16; Herzig/Joisten/Vossel, DB 2009, 584 (585); Crezelius, ZEV 2009, 1; Demuth, Stbg 2009, 9 (13); Seer, GmbHR 2009, 225 (237). 3 Dazu gehören also nicht abkommensrechtlich freigestellte Einkünfte und solche, die der Abgeltungsteuer unterliegen (§ 2 Abs. 5b EStG). 4 Diese Frist ist nicht mit den Behaltefristen in § 13a Abs. 1 Satz 2, Abs. 8 ErbStG (5 bzw. 7 Jahre) abgestimmt; zur Kritik Levedag in H/H/R, § 35b EStG Rz. 3; Zimmermann in Lademann, § 35b EStG Rz. 33; Seer, GmbHR 2009, 225 (237); Herzig/Joisten/Vossel, DB 2009, 584 (588). 5 Vgl. hierzu die Aufstellung bei Schallmoser in Blümich, § 35b EStG Rz. 16 ff.; Zimmermann in Lademann, § 35b EStG Rz. 56 ff. 6 Levedag in H/H/R, § 35b EStG Rz. 29; Kulosa in Schmidt35, § 35b EStG Rz. 11; Schallmoser in Blümich, § 35b EStG Rz. 26 f.; Derlien in L/B/P, § 35b EStG Rz. 37; a.A. Zimmermann in Lademann, § 35b EStG Rz. 29. 7 Zu Einzelheiten mit Berechnungsbeispielen und Formeln Zimmermann in Lademann, § 35b EStG Rz. 41 ff.; Darlien in L/B/P, § 35b EStG Rz. 46 ff. 8 Kulosa in Schmidt35, § 35b EStG Rz. 10; Zimmermann in Lademann, § 35b EStG Rz. 27.
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
B. Körperschaftsteuer Literatur Kommentare zu §§ 8b, 26 KStG; § 50g EStG; Bachem, Die optimale Ausgestaltung der Anrechnungsmethode zur unilateralen Vermeidung der Doppelbesteuerung bei den Ertragsteuern der deutschen internationalen Unternehmung, Diss. Köln 1971; Becker/Loose, Zur Anrechnung ausländischer Quellensteuern auf die Gewerbesteuer, IStR 2012, 57; Burmester, Die Anrechnungsmethode im deutschen Steuerrecht, in Gassner/Lang/Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, Wien 1995, 241; Commandeur, Berücksichtigung ausländischer Steuern im deutschen Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, Diss. München 1983; Dautzenberg, Europäische „Agenda“ für das Ertragsteuerrecht im Jahr 2004: Die Richtlinien vom Juni 2003, BB 2004, 17; Dörr, Praxisfragen zur Umsetzung der Zins- und Lizenzrichtlinie in § 50g EStG, IStR 2005, 109; Dörr/Schreiber, Absenkung der Mindestbeteiligung nach § 43b EStG auf 20 % – Steuergeschenk auf „Abholschein“!, BB 2005, 129; Dötsch/Pung, Die Neuerungen bei der Körperschaftsteuer und bei der Gewerbesteuer durch das Steuergesetzgebungspaket vom Dezember 2003, DB 2004, 151; Ebling, Unilaterale Maßnahmen gegen die internationale Doppelbesteuerung bei den Steuern vom Ertrag, Diss. Mainz 1970; Eilers/Schmidt, Die Steuerbefreiung von Dividenden und Veräußerungsgewinnen nach § 8b KStG, Praxis-Kommentierung zum BMF-Schr. v. 28.4.2003 (GmbHR 2002, 603) zur Anwendung des § 8b KStG 2002 und zu Auswirkungen auf die Gewerbesteuer, GmbHR 2003, 613; Endres, Direktinvestitionen in Entwicklungsländern, München 1986; Englisch, Dividendenbesteuerung, Köln 2005; Flick, Steuerermäßigung bei ausländischen Einkünften nach § 34c EStG und § 19a KStG, Bergisch Gladbach 1959; M. Frotscher, Anrechnung ausländischer Steuern auf die Gewerbesteuer, in Lüdicke/ Mössner/Hummel (Hrsg.), Das Steuerrecht der Unternehmen, FS Frotscher, Freiburg 2013; Gosch, Über Streu- und Schachtelbesitz, in Kessler/Förster/Watrin, Unternehmensbesteuerung, FS für Herzig, München 2010, 63; Hageböke, Zum Konkurrenzverhältnis von DBASchachtelprivileg und § 8b KStG, IStR 2009, 473; Haisch/Helios, Steuerpflicht von Streubesitzdividenden in der Direkt- und Fondsanlage, DB 2013, 724; Hauck, Zur Reichweite des internationalen Korrespondenzprinzips, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 741; Haun/Winkler, Klarstellung und Unklarheiten bei der Besteuerung von Beteiligungserträgen nach der Neufassung des § 8b KStG, GmbHR 2002, 192; Häuselmann/Ludemann, Besteuerung von verbundenen Unternehmen: Richtlinienumsetzungsgesetz und EG-Amtshilfe-Anpassungsgesetz, RIW 2005, 123; Heurung/Engel/Seidel, Das DBA-Schachtelprivileg in Körperschaft- und Gewerbesteuer, DB 2010, 1551; Inst.FuSt., Ausländische Einkünfte und direkte Steueranrechnung – notwendige Verbesserungen der unilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Brief 164), Bonn 1977; Inst.FuSt., Die indirekte Steueranrechnung (§ 26 Abs. 2 bis 5 KStG 1977) – Kritik, Alternativen, Verbesserungsvorschläge (Brief 182), Bonn 1980; Intemann, Ausschüttungen aus dem steuerlichen Einlagekonto nicht nach § 8b Abs. 1 KStG steuerbefreit, NWB 2010, 2295; Ismer, Verwirrung beim Anrechnungshöchstbetrag: Unionsrechtliche Probleme der geplanten Neufassung des § 34c EStG, IStR 2014, 925; Jacob/Scheifele, § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG auf dem Prüfstand des BFH: Welche Auswirkungen ergeben sich für ausländische Holdinggesellschaften mit Beteiligung an inländischen (Grundstücks-) Kapitalgesellschaften?, IStR 2009, 304; Jesse, Richtlinien-Umsetzungsgesetz – EURLUmsG: Anpassung des § 43b EStG (Kapitalertragsteuerbefreiung) an die geänderte Mutter-Tochter-Richtlinie, IStR 2005, 151; Kaminski/Strunk, Die steuerliche Behandlung von Aufwand im Zusammenhang mit Kapitalgesellschaftsbeteiligungen nach Änderung des § 8b KStG zum 1.1.2004, BB 2004, 689; Kaufmann, Die Körperschaftsteuerbelastung von Gewinnanteilen und Verlustübernahmen inländischer Kapitalgesellschaften aus der Beteiligung an ausländischen Gesellschaften, Frankfurt 1992, 32; Kiehne, Grundrechte und Steuerordnung in der Rechtsprechung des BVerfG, Heidelberg 2004; Köhler, Aktuelles Beratungs-Know-how Internationales Steuerrecht, DStR 2005, 227; Kollruss/ Schrey/Benten, Kein pauschales Betriebsausgabenabzugsverbot auf einer ausländischen Zwischengesellschaft nach vorausgegangener Hinzurechnung, GmbHR 2013, 684; Krabbe, OECD-Musterabkommen 2000, IStR 2000, 197; Kreuz, Beteiligung an ausländischen Ge-
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B. Körperschaftsteuer sellschaften nach § 8b KStG, Frankfurt/M. 1997; Lammers, Die begrenzte Abziehbarkeit von Aufwendungen im Zusammenhang mit Beteiligungen an Kapitalgesellschaften nach § 8b Abs. 3 und 5 KStG, DStZ 2011, 483; Lieber, Neuregelung der Hinzurechnungsbesteuerung durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz, FR 2002, 139; Lorenz, Die Suspendierung von § 8b Abs. 5 KStG durch EG- und DBA-Günstigerprüfung, IStR 2009, 437; Lornsen, Unilaterale Maßnahmen der Bundesrepublik Deutschland zur Ausschaltung der internationalen Doppelbesteuerung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer, Frankfurt/Bern/New York/Paris 1987; Lüdicke, Steuerermäßigung bei ausländischen Einkünften, Köln 1985; Moebus, Schachtelbeteiligung bei Körperschaftsteuer, Vermögensteuer und Gewerbesteuer in nationaler und internationaler Sicht, Herne/Berlin 1979; Müller, Vereinbarkeit der Mindestbesteuerung in §§ 8b Abs. 3 Satz 1, 8b Abs. 5 Satz 1 KStG mit dem allgemeinen Gleichheitssatz, FR 2011, 309; Oldiges, Wirkungen und Rechtfertigung des pauschalen Abzugsverbots gemäß § 8b Abs. 5 KStG, DStR 2008, 533; Otto, Die Besteuerung von gewinnausschüttenden Körperschaften und Anteilseignern nach dem Halbeinkünfteverfahren, Berlin 2007; Pagel, Anwendung der Absenkung der Mindestbeteiligung nach § 43b EStG n.F. schon für ab dem 1.1.2004 zugeflossene Kapitalerträge? – BMF unternimmt untauglichen Reparaturversuch, DB 2005, 1025; Pezzer, Die Besteuerung des Anteilseigners, DStJG 25 (2002), 37; Phillip, Befreiungssystem mit Progressionsvorbehalt und Anrechnungsverfahren, Wien 1971; Pohl, Besteuerung grenzüberschreitender Sondervergütungen gem. § 50d Abs. 10 EStG idF des AmtshilfeRLUmsG, DB 2013, 1572; Prinz/ Schürner, Tracking Stocks und Sachdividenden – ein neues Gestaltungsinstrument für spartenbezogene Gesellschaftsrechte?, DStR 2003, 181; Pyszka/Brauer, Einschränkung der Steuerbefreiung von Dividenden und Veräußerungsgewinnen bei Holdinggesellschaften (§ 8b Abs. 7 KStG), BB 2002, 1669; Rättig/Protzen, Das BMF-Schreiben vom 14.5.2004 – IV B 4 – S 1340 – 11/04 (Grundsätze zur Anwendung des Außensteuergesetzes), IStR 2004, 625; Rödder, Aktuelle Fragen der Beteiligungsfinanzierung, WPg-Sonderheft 2003, 179; Rödder/ Schumacher, Das BMF-Schreiben zu § 8b KStG, DStR 2003, 909; Rödder/Schumacher, Erster Überblick über die geplanten Steuerverschärfungen und -entlastungen für Unternehmen zum Jahreswechsel 2003/2004, DStR 2003, 1725; Rogall, Die Belastung von Dividenden und Veräußerungsgewinnen im Konzern nach den beabsichtigten Neuerungen des § 8b Abs. 3 und 5 KStG, DB 2003, 2185; Romswinkel, Steuerfreiheit von Veräußerungsgewinnen gem. § 8b Abs. 2 KStG systemimmanent?, GmbHR 2002, 1059; Schaumburg, Brennpunkte aus dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002, JbFSt 1999/2000, 129; Schaumburg, Die Befreiungsmethode im deutschen Steuerrecht, in Gassner/Lang/Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, Wien 1995, 269; Schaumburg, Die Personengesellschaft im internationalen Steuerrecht, Stbg 1999, 97; Scheffler, Beteiligungsveräußerungen durch Kapitalgesellschaften: Die Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 2 KStG ist gerechtfertigt, DB 2003, 680; Schönfeld, Neues zum DBA-Schachtelprivileg oder: Was bleibt von § 8 Nr. 5 GewStG und § 8b Abs. 5 KStG bei grenzüberschreitenden Dividenden, IStR 2010, 658; Schreiber/Rogall, Die Besteuerung der Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, BB 2003, 497; Sedemund, Zuständigkeits- und Verfahrensfragen bei Leistungen ausländischer Kapitalgesellschaften an inländische Anteilseigner, IStR 2010, 270; Sedemund/Fischenich, Steuerneutralität von Leistungen ausländischer Kapitalgesellschaften im Halbeinkünfteverfahren vor und nach Einführung des § 27 Abs. 8 KStG, BB 2008, 1656; Seer/Drüen, Vertrauensschutz bei steuerfreien Anteilsveräußerungen, GmbHR 2002, 1093; Stangl, Ausgewählte Streitpunkte des § 8b KStG, DStR 2013, Beihefter 4, 8; Thiede, Ökonomische Analyse der Körperschaftsbesteuerung bei ausländischen Einkünften, Bergisch Gladbach/Köln 1994, 108; Thömmes, Unvereinbarkeit des neuen § 8b Abs. 7 KStG mit der EG-Mutter-/Tochterrichtlinie, DB 1999, 500; Wagner, Die Ausnahmetatbestände des § 8b Abs. 7 und 8 KStG für „Finanzdienstleister“ und „Versicherer“ – ihre Berechtigung und ihre Wirkung, DK 2006, 609; Wassermeyer, Die Beurteilung der Abkommensberechtigung ausländischer Personengesellschaften durch Deutschland als dem Nichtansässigkeitsstaat der Personengesellschaft, IStR 1998, 489; Wassermeyer, Soll Deutschland die Abkommensberechtigung von Personengesellschaften in seinen DBA verankern?, IStR 1999, 481; Watermeyer, Aktuelle Fragestellungen zu § 8b KStG in der Rechtsprechung, GmbH-StB 2009, 220.
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
I. Überblick 18.143
Die für die Körperschaftsteuer maßgeblichen unilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sind in § 8b KStG und in § 26 KStG verankert. Ebenso wie auf bilateraler Ebene kommen somit Freistellungs- und Anrechnungsmethode gleichermaßen zur Anwendung. Die in § 8b KStG geregelte Steuerfreistellung, die im Wesentlichen Dividenden und Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen betrifft, dient im außensteuerlichen Kontext auch der Vermeidung der internationalen (wirtschaftlichen) Doppelbesteuerung. § 26 Abs. 1 KStG (Steueranrechnung) ist demgegenüber eine auf § 34c EStG aufbauende spezifische Vermeidungsnorm. Ebenfalls auf die Vermeidung nur der internationalen Doppelbesteuerung gerichtet sind die folgenden, in § 26 Abs. 6 KStG geregelten Methoden: Steuerabzug, Steuererlass und Steuerpauschalierung.
II. Steuerfreistellung 1. Steuerfreie Dividenden a) Körperschaftsteuerliche Vorbelastung 18.144
Gemäß § 8b Abs. 1 KStG werden Bezüge i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG steuerfrei gestellt. Diese sachliche Steuerbefreiung gilt für Inund Auslandsdividenden gleichermaßen und kann sowohl von unbeschränkt als auch von beschränkt steuerpflichtigen Körperschaftsteuersubjekten in Anspruch genommen werden. Die Steuerbefreiung wird allerdings nicht vorbehaltlos gewährt, weil eine Mindestbeteiligungsquote von 10 % zu Beginn des Kalenderjahres erforderlich ist (§ 8b Abs. 4 KStG). Im Übrigen kommt es auf irgendwelche Mindestbesitzzeiten, Mindestbeteiligungsquoten oder Aktivitätsvorbehalte nicht an. Die Steuerfreistellung ist im Wesentlichen darauf gerichtet, körperschaftsteuerliche Doppel- und Mehrfachbelastungen zu vermeiden. Die Steuerbefreiung des § 8b Abs. 1 KStG ist integraler Bestandteil sowohl der Abgeltungsteuer (§ 32d EStG) als auch des Teileinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40 EStG), das insbesondere bei Kapitalgesellschaften in einem in sich geschlossenen System von einer bestimmten körperschaftsteuerlichen Vorbelastung auf Gesellschaftsebene einerseits und einer ausschüttungsbedingten steuerlichen Nachbelastung auf Gesellschafterebene andererseits ausgeht.1 Im Hinblick auf diese typisierte körperschaftsteuerliche Vorbelastung ist die Steuerbefreiung für nachfolgende Ausschüttungen an andere Körperschaftsteuersubjekte systemimmanent. Ob eine in- oder ausländische körperschaftsteuerliche Vorbelastung tatsächlich überhaupt besteht, spielt für die Anwendung des § 8b Abs. 1 KStG grundsätzlich keine Rolle. Eine auf die tatsächliche Vorbelastung abstellende Systemkorrektur erfolgt allerdings durch das in § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG verankerte, insbesondere für verdeckte Gewinnausschüttungen geltende Korrespondenzprinzip sowie im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 bis 14 AStG; Rz. 13.1 ff.) in den
1 Hey in Tipke/Lang22, § 11 Rz. 12; Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 24; Herlinghaus in R/H/N, § 8b KStG Rz. 6.
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B. Körperschaftsteuer
Fällen, in denen ausländische Körperschaftsteuersubjekte mit Einkünften aus passivem Erwerb niedrig besteuert sind.1 Soweit Ausschüttungen seitens ausländischer Körperschaftsteuersubjekte erfolgen, dient die Steuerfreistellung gem. § 8b Abs. 1 KStG im Hinblick auf den vorgenannten Systemzusammenhang auch der Vermeidung der internationalen wirtschaftlichen Doppelbesteuerung. Darüber hinaus dient sie, soweit es um die Steuerbelastung der Dividenden selbst geht, der Vermeidung der juristischen Doppelbesteuerung.2 Soweit für derartige Ausschüttungen auch abkommensrechtliche Schachtelprivilegien (Art. 23A OECD-MA) eingreifen, sind im Ergebnis beide Steuerbefreiungen – sowohl das Schachtelprivileg als auch die Freistellung nach § 8b Abs. 1 KStG – nebeneinander anwendbar.3 Da die Reichweite der in § 8b Abs. 1 KStG verankerten Steuerfreistellung in aller Regel über diejenige der abkommensrechtlichen Schachtelprivilegien hinausgeht,4 ist die Anwendung des § 8b Abs. 1 KStG vorrangig.5 Dies beruht im Wesentlichen darauf, dass die abkommensrechtlichen Schachtelprivilegien nicht selten unter Aktivitätsvorbehalt stehen und im Grundsatz nur bei einer Mindestbeteiligung von 25 % gewährt werden (Rz. 19.547). Die Anwendung abkommensrechtlicher Schachtelprivilegien wird allerdings dann in Betracht kommen,6 wenn diese Weiterreichung die unilaterale Steuerfreistellung z.B. an § 8b Abs. 7, 8 KStG scheitert oder die Ausschüttungen aus dem Ausland abkommensrechtlich zwar als Dividenden, nicht aber als Bezüge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG qualifiziert werden können.7 Soweit sich die Anwendungsbereiche von § 8b Abs. 1 KStG einerseits und der abkommensrechtlichen Schachtelprivilegien (Art. 23A OECD-MA) andererseits decken, kommt der pauschalierte Ausschluss des Betriebsausgabenabzugs gem. § 8b Abs. 5 KStG zur Anwendung, für den abkommensrechtlich keine Schrankenwirkungen bestehen.8 Insoweit greift stets § 8b Abs. 5 KStG (sog. Schachtelstrafe) und nicht etwa § 3c Abs. 1 EStG ein (§ 8b Abs. 5 Satz 2 KStG).9 Entsprechendes gilt für das in § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG verankerte materielle Korrespondenzprinzip, das auch in Abkommensfällen anzuwenden ist (§ 8b Abs. 1 Satz 3 KStG). 1 Zu den damit verbundenen Wertungswidersprüchen Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 25 ff. 2 Insoweit ist eine Subjektidentität gegeben; zur Begriffsbildung Rz. 15.4. 3 Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 40, 143; Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 30; Herlinghaus in R/H/N, § 8b KStG Rz. 79. 4 Die Freistellung gem. § 8b Abs. 1 KStG besteht zu 100 % und nicht etwa wegen § 8b Abs. 5 KStG nur zu 95 %; beide Vorschriften sind insoweit getrennt zu sehen; BFH v. 29.8.2012 – I R 7/12, BStBl. II 2013, 89; Gosch, BFH/PR 2013, 50. 5 BFH v. 14.1.2009 – I R 47/08, BStBl. II 2009, 220 (226); v. 23.6.2010 – I R 71/09, BStBl. II 2011, 129; Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 40; Herlinghaus in R/H/N, § 8b KStG Rz. 78. 6 Für ein umfassendes Wahlrecht Hageböke, IStR 2009, 473 (481); Lorenz, IStR 2009, 437 (441). 7 Beispiel: Erträge aus stillen Beteiligungen; vgl. BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793; vgl. auch BFH v. 14.1.2009 – I R 47/08, BStBl. II 2009, 220 zu § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG in der Fassung bis VZ 2002; zu weiteren Beispielen Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 40. 8 Insoweit handelt es sich nicht um die Rückgängigmachung der Steuerbefreiung; BFH v. 29.8.2012 – I R 7/12, BStBl. II 2013, 89; Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 483 m.w.N. 9 Dötsch/Pung in D/P/M, § 8b KStG Rz. 10; Gosch in FS Herzig, 63 (85 ff.); a.A. z.B. Hageböke, IStR 2009, 473 ff. unter Hinweis auf BFH v. 22.6.2006 – I R 30/05, BFH/NV 2006, 1659.
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18.145
Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
b) Anwendungsvoraussetzungen 18.146
Da die Normadressaten in § 8b Abs. 1 KStG nicht benannt sind, werden von der Reichweite der Steuerbefreiung all jene Körperschaftsteuersubjekte erfasst, für die das Körperschaftsteuergesetz ganz allgemein zur Anwendung kommt.1 Im Rahmen der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht zählen hierzu auch die Körperschaftsteuersubjekte, die nach ausländischem Recht errichtet sind und inländischen Körperschaftssteuerobjekten strukturell entsprechen (zum Typenvergleich Rz. 7.7). Das bedeutet, dass insoweit auch doppelt ansässige Kapitalgesellschaften, wenn sie den Ort der Geschäftsleitung im Inland haben, von der Reichweite des § 8b Abs. 1 KStG erfasst werden.2 Beschränkt steuerpflichtige Rechtsträger können die Steuerbefreiung des § 8b Abs. 1 KStG nur dann beanspruchen, wenn sie mit den in § 1 Abs. 1 KStG aufgeführten Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen vergleichbar sind (zum Typenvergleich Rz. 7.7). Sollte sich allerdings die Einschaltung einer beschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft als rechtsmissbräuchlich i.S.v. § 42 AO erweisen, etwa bei Basisgesellschaften (Rz. 13.23 ff.), ist für Zwecke der Anwendung des § 8b Abs. 1 KStG auf die dahinter stehenden Personen abzustellen.3
18.147
Die Steuerbefreiung kommt auch in den Fällen der Organschaft (§§ 14–17 KStG) zur Anwendung, wobei auf Grund der Sondervorschrift des § 15 Satz 1 Nr. 2 KStG die Steuerbefreiung nicht von der Organgesellschaft, sondern allein vom Organträger in Anspruch genommen werden kann, soweit dieser Körperschaftsteuersubjekt ist und in den an ihn abzuführenden Gewinnen die in § 8b Abs. 1 KStG genannten Bezüge enthalten sind (sog. Bruttomethode).4
18.148
Auf Grund der Sondervorschrift des § 8b Abs. 6 KStG wird die Steuerbefreiung auch auf Fälle der bloß mittelbaren Beteiligung über eine Mitunternehmerschaft ausgedehnt. Steuerfrei sind damit auch Bezüge, die einem Körperschaftsteuersubjekt im Rahmen eines Gewinnanteils aus einer Mitunternehmerschaft5 zugerechnet werden. Hierbei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine in- oder ausländische Mitunternehmerschaft6 oder um eine mehrstöckige Mitunternehmerschaft handelt.7 Wird die Beteiligung an der in- oder ausländischen ausschüttenden Körperschaft über eine in- oder ausländische vermögensverwaltende Personengesellschaft gehalten, erfolgt die Zuordnung der betreffenden Anteile über § 39 Abs. 2
1 Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 10; Herlinghaus in R/H/N, § 8b KStG Rz. 10. 2 Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 10; Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 9; Herlinghaus in R/H/N, § 8b KStG Rz. 11. 3 Herlinghaus in R/H/N, § 8b KStG Rz. 13; Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 10; Schnitger in S/F, § 8b KStG Rz. 17. 4 Hierzu Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 12; Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 10; Herlinghaus in R/H/N, § 8b KStG Rz. 17; BMF v. 26.8.2003 – IV A 2 - S 2770 - 18/03, BStBl. I 2003, 437, Tz. 22 ff. 5 §§ 13 Abs. 7, 15 Abs. 1 Nr. 2, 3, 18 Abs. 4 EStG. 6 Die ausländische Mitunternehmerschaft muss (abstrakt) von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfasst sein; hierzu Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 173. 7 Gosch, in Gosch3, § 8b KStG Rz. 522; Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 203.
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B. Körperschaftsteuer
Nr. 2 AO mit der Folge, dass die Bezüge den Gesellschaftern unmittelbar (quotal) zuzurechnen sind.1 Sachliche Voraussetzung für die Gewährung der Steuerbefreiung ist das Vorliegen von Bezügen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG. Im Wesentlichen sind damit Dividenden und verdeckte Gewinnausschüttungen erfasst, allerdings nur im Sinne von Bruttobeträgen.2 Die Qualifikation als Bezüge erfolgt allein auf der Ebene der die Bezüge empfangenden Körperschaftsteuersubjekte, wobei es ausreicht, dass die betreffenden Leistungen ihrer Art nach den Bezügen entsprechen, die in § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG benannt sind. Eine korrespondierende Qualifikation (Qualifikationsverkettung) etwa zwischen ausschüttender und die Bezüge empfangender Kapitalgesellschaft ist nicht vorgesehen, so dass es insbesondere im internationalen Kontext zu Doppel- oder Minderbesteuerungen kommen kann.3 Eine Ausnahme hiervon besteht allein im Anwendungsbereich der gesetzlich verankerten Korrespondenzklauseln (§ 8b Abs. 1 Sätze 2–4 EStG).
18.149
Die erste Korrespondenzklausel versagt die Steuerbefreiung für (sämtliche) Bezüge, soweit sie das Einkommen der leistenden Körperschaft gemindert haben (§ 8b Abs. 1 Satz 2 KStG). Unter den gleichen Voraussetzungen erklärt die zweite Korrespondenzklausel die abkommensrechtlichen Schachtelprivilegien (Rz. 19.545 ff.) für unanwendbar (§ 8b Abs. 1 Satz 3 KStG). Beide Korrespondenzklauseln sind im Wesentlichen gegen grenzüberschreitende verdeckte Gewinnausschüttungen und hybride Gestaltungen gerichtet.4 Zwar wird hinsichtlich der Einkommensminderung auf leistende Körperschaften im In- und Ausland gleichermaßen abgestellt, diese Gleichstellung ist aber nur formaler Natur,5 weil die Ausnahmeregelungen hierzu in tatsächlicher Hinsicht nur Inlandssachverhalte betreffen.6
18.150
Die speziell gegen intersubjektive weiße Einkünfte gerichteten Korrespondenzklauseln7 benachteiligen Auslandssachverhalte und bedeuten zudem einen Systembruch im deutschen Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht. Die faktische Ungleichbehandlung von In- und Auslandsbezügen führt unter dem Gesichtspunkt des Beschränkungsverbotes (Rz. 4.29) zu einem Verstoß gegen die Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 49, 63 AEUV),8 der insbesondere auch nicht wegen Wahrung einer angemessenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten (Rz. 4.19) gerechtfertigt ist.9 Dies
18.151
1 Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 203; M. Frotscher in Frotscher/Drüen, § 8b KStG Rz. 105; Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 523; BMF v. 28.4.2003 – IV A 2-S 2750a-7/03, BStBl. I 2003, 292, Tz. 56. 2 Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 101; Herlinghaus in R/H/N, § 8b KStG Rz. 95; Schnitger in S/F, § 8b KStG Rz. 128. 3 Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 102. 4 Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 143c. 5 Herlinghaus in R/H/N, § 8b KStG Rz. 137; Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 146; Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 8. 6 Herlinghaus in R/H/N, § 8b KStG Rz. 137; Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 145. 7 Hierzu im Einzelnen Schaumburg in FS Frotscher, 503 ff. 8 Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 146; vgl. auch Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 8; Herlinghaus in R/H/N, § 8b KStG Rz. 137. 9 Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 146.
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
deshalb nicht, weil Deutschland mittels der Korrespondenzklauseln die Einkommensminderung im anderen Staat zugunsten des eigenen Steueraufkommen kompensiert.1 Der im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG bedeutsame Systembruch beruht darauf, dass es im Grundsatz kein allgemeines Korrespondenzgebot gibt,2 so dass nach Maßgabe des dem Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz zugrunde liegenden Konzepts der Individualbesteuerung3 die Besteuerung beim Einkünfteempfänger unabhängig davon erfolgt, ob und ggf. in welchem Umfang entsprechende Aufwendungen beim Leistenden Berücksichtigung finden (Trennungsprinzip). Von diesem Konzept der Individualbesteuerung und dem sich daraus ergebenden Trennungsprinzip wurde indessen praktisch nur bei Auslandssachverhalten abgewichen, so dass insoweit das gleichheitsrechtliche Folgerichtigkeitsgebot (Rz. 4.7) und damit Art. 3 Abs. 1 GG selbst verletzt ist.4 Soweit es schließlich um den Anwendungsbereich der abkommensrechtlichen Schachtelprivilegien geht, bedeutet die in § 8b Abs. 2 Satz 3 KStG verankerte Korrespondenzklausel ein auf dem verfassungsrechtlichen Prüfstand stehendes treaty overriding (Rz. 3.24 f.). 18.152
Zu den steuerfreien Bezügen gehören auch Sachdividenden5 sowie die Einlagerückgewähr,6 soweit sie seitens ausländischer Körperschaften erfolgt, wenn hierfür eine gesonderte Feststellung gem. § 27 Abs. 8 KStG nicht vorliegt (§ 27 Abs. 8 Satz 9 KStG).7 Vorgesehen ist eine derartige gesonderte Feststellung für die Einlagerückgewähr seitens Körperschaften oder Personenvereinigungen, die in einem ausländischen EU-Staat unbeschränkt steuerpflichtig sind (§ 27 Abs. 8 Satz 3 KStG). Damit sind Auskehrungen aus dem steuerlichen Einlagekonto auf Gesellschafterebene auch insoweit nicht steuerbar (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Im Hinblick darauf, dass die Grundfreiheiten auch für EWR-Gesellschaften gelten,8 ist § 27 Abs. 8 KStG insgesamt auch auf EWR-Gesellschaften entsprechend anzuwenden.9 Unter dem Gesichtspunkt der Kapitalverkehrsfreiheit
1 Zu diesem Aspekt der „Bereicherung“ Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 146. 2 BFH v. 6.6.2012 – I R 6/11, BFH/NV 2012, 1905 Rz. 23; Hey in Tipke/Lang22, § 8 Rz. 22 ff. 3 Abgeleitet aus § 2 Abs. 1 EStG; BFH v. 17.12.2007 – GrS 2/04, BStBl. II 2008, 608; Musil in H/H/R, § 2 EStG Rz. 62; Lehner/Waldhoff in K/S/M; § 1 EStG Rz. 1b. 4 Hierzu Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 7; Schaumburg in FS Frotscher, 2013, 503 (504 ff.). 5 Zu Einzelheiten Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 105, 193; BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 S 2750a - 7/03, BStBl. I 2003, 292, Tz. 22. 6 Zu Einzelheiten Dötsch in D/P/M, § 27 KStG Rz. 262 ff.; Berninghaus in H/H/R, § 27 KStG Rz. 160 ff.; ferner Rz. 7.37 ff. 7 Liegt eine gesonderte Feststellung gem. § 27 Abs. 8 KStG vor, greift § 8b Abs. 2 KStG ein, soweit die Auszahlungsbeträge nach steuerneutraler Verrechnung gegen den Beteiligungsbuchwert denselben übersteigen; Dötsch in D/P/M, § 27 KStG Rz. 19; Frotscher in F/D, § 8b KStG Rz. 62 ff.; BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a - 7/03, BStBl. I 2003, 292, Tz. 6; für Steuerpflicht nach steuerneutraler Verrechnung Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 106; offengelassen vom BFH v. 28.10.2009 – I R 116/08, BStBl. II 2011, 898. 8 EFTA-Gerichtshof v. 23.11.2004 – Rs. E - 1/04 – Fokus Bank, IStR 2005, 55; v. 7.5.2008 – Rs. E - 7/07 – Seabrokers, IStR 2009, 315; v. 3.10.2012 – Rs. E - 15/11 – Arcade Drilling, IStR 2013, 195; Reimer in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 7.7. 9 Dötsch in D/P/M, § 27 KStG Rz. 266; Frotscher in F/D, § 27 KStG Rz. 116; Berninghaus in H/H/R, § 27 KStG Rz. 164.
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B. Körperschaftsteuer
(Art. 63 AEUV) sind schließlich auch Drittlandsgesellschaften in den Regelungsbereich des § 27 Abs. 8 KStG einzubeziehen.1 Nicht zu den steuerbefreiten Bezügen zählen bei Pensions- und Wertpapierleihgeschäften Leihgebühren und Kompensationszahlungen. Die Steuerbefreiung erstreckt sich hier nur auf die vom Entleiher vereinnahmten Dividenden, soweit dieser wirtschaftlicher Eigentümer (§ 39 Abs. 1 AO) der Anteile ist (§ 20 Abs. 5 EStG).2 Das gilt für in- und ausländische Dividenden gleichermaßen. Für ausländische Dividenden wird die Steuerbefreiung allerdings in den Fällen suspendiert, in denen die in § 90 Abs. 2 Satz 3 AO verankerten (gesteigerten) Mitwirkungspflichten (Rz. 22.19 ff.) verletzt werden. Es geht hierbei insbesondere um die Verpflichtung, auf Anforderung der Finanzbehörde diese zu bevollmächtigen, im Namen des Steuerpflichtigen mögliche Auskunftsansprüche gegenüber in nicht kooperativen Jurisdiktionen ansässigen Kreditinstituten außergerichtlich und gerichtlich geltend zu machen. Wird die Vollmacht nicht erteilt, wird die Steuerbefreiung gem. § 8b Abs. 1 KStG versagt (§§ 1 Abs. 5, 4 SteuerHBekV).3
18.153
Bezüge von ausländischen Rechtsträgern werden nur dann von der Steuerbefreiung erfasst, wenn diese nach dem maßgeblichen Typenvergleich (Rz. 7.7) einer deutschen Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse strukturell gleich steht.4
18.154
c) Rechtsfolge Obwohl § 8b Abs. 1 KStG anordnet, dass die dort genannten Bezüge bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleiben, setzt die Steuerfreistellung bereits bei der Einkünfteermittlung an, so dass sie insoweit den Charakter einer sachlichen Steuerbefreiung hat.5 Hierdurch kann auch die internationale Doppelbesteuerung vermieden werden. Das gilt im Grundsatz auch für Ausschüttungen seitens ausländischer Rechtsträger, soweit hierfür bereits Hinzurechnungsbeträge (§ 10 Abs. 2 AStG) der Körperschaftsteuer unterlegen haben.
18.155
Da die Doppelbesteuerung wegen der in § 8b Abs. 5 KStG verankerten 5 %-Klausel sowie wegen der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 5 GewStG im Ergebnis durch § 8b Abs. 1 KStG nicht vollständig vermieden werden kann, ist in den Fällen, in denen der Hinzurechnungsbetrag (§ 10 Abs. 2 AStG) zuvor bereits der Körperschaftsteuer unterlag,6 aus Billigkeitsgründen § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG zur Anwendung zu bringen (Rz. 18.42), so dass weder § 8b Abs. 5
18.156
1 Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 41; Schnitger in S/F, § 8b KStG Rz. 143; Pohl, JbFStR 2011/2012, 588 (590 ff.). 2 Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 108; Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 41; BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a - 7/03, BStBl. I 2003, 292, Tz. 9. 3 Derzeit laufen diese Regelungen leer, weil seitens des BMF keine nicht kooperativen Jurisdiktionen festgestellt sind; vgl. zu Einzelheiten Rz. 22.19 f. 4 Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 115. 5 Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 140; M. Frotscher in F/D, § 8b KStG Rz. 19 f. 6 Gem. § 10 Abs. 2 Satz 3 AStG kommt § 8b Abs. 1 KStG nicht zur Anwendung (Rz. 13.204).
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
KStG noch § 8 Nr. 5 GewStG1 eingreifen.2 Gleiches gilt im Hinblick auf die in § 8b Abs. 4 KStG geregelte Steuerpflicht für Streubesitzdividenden: Diese führt zu einer voll umfänglichen Doppelbesteuerung, so dass auch insoweit § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG jedenfalls im Billigkeitswege zur Anwendung zu bringen ist.3 18.157
Die Suspendierung der Steuerbefreiung für sog. Streubesitzdividenden (§ 8b Abs. 4 KStG)4 führt dazu, dass Bezüge steuerpflichtig sind, wenn die Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres unmittelbar weniger als 10 %5 des Grund- oder Stammkapitals betragen hat (§ 8b Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 KStG). Diese Regelung gilt für Inlands- und Auslandsbeteiligungen unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtiger Kapitalgesellschaften6 gleichermaßen, wobei für Auslandsdividenden eine Anrechnung ausländischer Quellensteuer gem. § 26 KStG i.V.m. § 34c EStG (Rz. 18.57 ff.) in Betracht kommt. Eine Ungleichbehandlung zum Nachteil beschränkt steuerpflichtiger Kapitalgesellschaften beruht allerdings darauf, dass diese den Kapitalertragsteuerabzug auf Bruttobasis (§§ 32 Abs. 1 Nr. 2, 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG) ohne Option zur Veranlagung und damit zur Nettobesteuerung hinzunehmen haben.7 Im Übrigen verstößt § 8b Abs. 4 KStG, der von dem für § 8b Abs. 1 KStG maßgeblichen Konzept der Vermeidung der (wirtschaftlichen) Doppelbesteuerung (Rz. 18.143) abweicht, gegen das gleichheitsrechtliche Gebot der Folgerichtigkeit (Rz. 4.7).8
18.158
Die für die Steuerpflicht von Streubesitzdividenden maßgebliche Beteiligung verlangt eine unmittelbare Beteiligung am Vermögen von weniger als 10 %. Das bedeutet einerseits, dass unmittelbare und mittelbare Beteiligungen grundsätzlich nicht zusammen zu rechnen und Stimmrechte unbeachtlich sind.9 Was die Beteiligungshöhe anbelangt, wird auf den Beginn des Kalenderjahres abgestellt, wobei 1 Vgl. § 8 Nr. 5 Satz 2 GewStG. 2 Vgl. R 32 Abs. 1 Nr. 1 KStR; hierzu FG Bremen v. 15.10.2015 – 1 K 4/15 (5), ISR 2016, 169 m. Anm. Weiss; Schönfeld in F/W/B/S, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 59 ff.; Frotscher in F/D, § 8b KStG Rz. 77; Otto, Die Besteuerung von gewinnausschüttenden Körperschaften und Anteilseignern nach dem Halbeinkünfteverfahren, 417 f.; Lieber, FR 2002, 139 (142); Köhler, DStR 2005, 227 (230), Kollruss/Schrey/Benten, GmbHR 2013, 684 (687), die § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG aus systematischen Gründen bzw. im Wege teleologischer Reduktion zur Anwendung bringen wollen; dagegen Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 25 ff.; Rättig/ Protzen, IStR 2004, 625 (634). 3 Vgl. Moser, Ubg. 2014, 263 (264 f.); Melkonyan/Kudert, Ubg. 2015, 132 (135 f.); a.A. Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 287e, 25a, b. 4 § 8b Abs. 4 KStG wurde durch das „Gesetz zur Umsetzung des EuGH-Urteils v. 20.10. 2011 in der Rechtssache C-284/09 v. 21.3.2013“ (BGBl. I 2013, 561) eingefügt. 5 Vgl. die 10 %-Grenze in § 43b Abs. 2 Satz 1 EStG, wonach aufgrund der MTRL auf Antrag keine Kapitalertragsteuer zu erheben ist. 6 Der EuGH v. 20.10.2011 – Rs. C-284/09 – KOM/Deutschland, Slg. 2011, I-9879 hatte die Besteuerung von Ausschüttungen an beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften als Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) beanstandet, weil im Unterschied zu unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften die Kapitalertragsteuer trotz § 8b Abs. 1 KStG gem. § 43 Abs. 1 Satz 3 EStG definitiv ist; vgl. zu Einzelheiten Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 8; Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 287 ff. 7 Vgl. EuGH v. 12.6.2003 – Rs. C-234/01 – Gerritse, Slg. 2003, I-5933; Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 8; Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 287a; Herlinghaus, FR 2013, 529 (532); Hey, KSzW 2013, 353 (358); Wiese/Lang, GmbHR 2013, 404. 8 Herlinghaus in R/H/N, § 8b KStG Rz. 84, 435; Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 287b. 9 Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 129 ff.; Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 288a f.
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B. Körperschaftsteuer
ausnahmsweise der spätere Ersterwerb einer Beteiligung von mindestens 10 % auf den Beginn des Kalenderjahres bezogen wird.1 Im Übrigen ist daher stets die zum Stichtag tatsächliche Beteiligungsquote maßgeblich,2 so dass etwa auch § 13 Abs. 2 Satz 2 UmwStG, wonach bei der Verschmelzung von Körperschaften die Anteile an der übernehmenden Körperschaft steuerlich an die Stelle der Anteile an der übertragenden Körperschaft treten,3 keine Anwendung findet (§ 8b Abs. 4 Satz 2 KStG). Die Steuerbefreiung gilt ferner nicht für Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute, bei denen gem. § 1a KWG i.V.m. Art. 102 bis 106 VO (EU) Nr. 575/20134 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der VO (EU) Nr. 648/2012 oder unmittelbar nach dieser VO (EU) die Anteile dem Handelsbuch zuzurechnen sind (§ 8b Abs. 7 Satz 1 KStG). Gleiches gilt für bestimmte Finanzunternehmen, die die Anteile mit dem Ziel der kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolges erworben haben (§ 8b Abs. 7 Satz 2 KStG). Im Hinblick auf den Verweis auf das KWG gilt diese Regelung nur für entsprechende Unternehmen mit Sitz im Inland. Darüber hinaus gilt sie aber auch für inländische Zweigniederlassungen von Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat des EU-/EWR-Raumes (§ 8b Abs. 7 Satz 3 KStG),5 für die aber wiederum die Rückausnahme gem. § 8b Abs. 9 KStG gilt. Durch § 8b Abs. 9 KStG wird Art. 4 Abs. 1 der Mutter-Tochter-Richtlinie6 entsprochen. Das bedeutet im Ergebnis, dass im Regelfall die Bezüge inländischer Zweigniederlassungen von Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen mit Sitz im EU-/EWR-Raum uneingeschränkt steuerfrei gestellt sind. Das gilt auch für entsprechende Unternehmen mit Sitz in Drittstaaten, soweit diese mit ihren inländischen Zweigniederlassungen nicht der inländischen Kreditaufsicht unterliegen.7
18.159
Die Suspendierung der Steuerbefreiung für Bezüge durch § 8b Abs. 7 KStG entspricht der Zielrichtung, nur solche in- und ausländischen Kapitalanteile zu erfassen, die auf Dauer wie Anlagevermögen dem Betriebsvermögen gewidmet sind.8 In Orientierung an dieser Zielsetzung und entsprechend dem durch das KWG vorgegebenen weit gesteckten Begriffs des Finanzunternehmens können durch den Ausschluss der Steuerbefreiung gem. § 8b Abs. 7 KStG als Finan-
18.160
1 Ob Veränderungen im Übrigen zu berücksichtigen sind, ist streitig; zu Einzelheiten Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 288d f. 2 Anders die in den Fällen der Wertpapierleihe in § 8b Abs. 4 Satz 3 KStG verankerte Missbrauchsvermeidungsregel; vgl. hierzu Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 134 m.w.N. 3 Sog. Fußstapfentheorie. 4 ABl.EU L 176/1 v. 27.6.2013. 5 Nach Auffassung von Jacob/Scheifele, IStR 2009, 304 (309 f.) gilt dies auch ohne inländische Zweigniederlassung. 6 Richtlinie des Rates 2011/96/EU v. 30.11.2011 (ABl. EU 2011 Nr. L 345, 8 v. 29.12.2011, zuletzt geändert durch Richtlinie 2015/121/EU des Rates v. 27.1.2015, ABl. Nr. L 21, 1 v. 28.1.2015). 7 Vgl. BMF v. 25.7.2002 – IV A 2 - S 2750a - 6/02, BStBl. I 2002, 712. 8 Kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG; so auch Herlinghaus in R/H/N, § 8b KStG Rz. 510, Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 597; Pung in D/P/M, § 8b KStG Rz. 427; Kröner in Ernst & Young, § 8b KStG Rz. 257; a.A. Pyszka/Brauer, BB 2002, 1669 (1673); Jacob/Scheifele, IStR 2009, 304 (309).
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
zunternehmen auch Holding-, Factoring-, Leasing-, Anlageberatungs- und Unternehmensberatungsgesellschaften sowie vermögensverwaltende Gesellschaften erfasst sein.1 18.161
Die Steuerfreistellung von Bezügen entfällt auch in den Fällen, in denen Lebensund Krankenversicherungsgesellschaften sowie Pensionsfonds Anteile an inoder ausländischen Körperschaften halten (§ 8b Abs. 8 KStG). Erfasst werden nur solche Unternehmen, die der Versicherungsaufsicht unterliegen.2 Die Ausnahme von der Steuerfreistellung zielt darauf ab, den vorgenannten Unternehmen, die in- und ausländische Kapitalanteile als Kapitalanlage3 im Interesse der Versicherten halten, entgegen § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG eine steuerwirksame Teilwertabschreibung auf Anteile zu ermöglichen.4 Eine Rückausnahme ist indessen in Orientierung an Art. 4 Abs. 1 der Mutter-Tochter-Richtlinie5 in § 8b Abs. 9 KStG enthalten, so dass insoweit für entsprechende Bezüge aus dem EU-/ EWR-Bereich die Steuerfreiheit gem. § 8b Abs. 1 KStG erhalten bleibt. Hieraus ergibt sich, dass letztlich der Ausschluss für die Steuerbefreiung nur für inländische Bezüge und Bezüge aus Drittstaaten gilt, wobei es keine Rolle spielt, ob die Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen bzw. Pensionsfonds unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig sind.6
18.162
Die auf die Suspendierung der Steuerfreiheit gerichteten Sonderregelungen in § 8b Abs. 7 und 8 KStG gelten allerdings nicht in jenen Fällen, in denen die betreffenden Bezüge als Dividenden abkommensrechtlich steuerfrei gestellt sind.7
18.163
Die Steuerfreistellung entfällt schließlich auch nicht in den Fällen der Wertpapierleihe und der Wertpapierpensionsgeschäfte. § 8b Abs. 10 KStG enthält hierzu zwar eine gegen Steuerumgehung gerichtete Sonderregelung,8 diese setzt aber nicht bei der Steuerfreiheit der vereinnahmten Bezüge, sondern bei den Leihgebühren und gleich gestellten Entgelten an, deren Betriebsausgabenabzug ausgeschlossen wird (§ 8b Abs. 10 Sätze 1 u. 2 KStG). Betroffen sind hierdurch zur Inanspruchnahme der Steuerbefreiung gem. § 8b Abs. 1 u. 2 KStG berechtigte 1 BFH v. 14.1.2009 – I R 36/08, BStBl. II 2009, 271; v. 12.10.2011 – I R 4/11, BFH/NV 2012, 453; v. 26.10.2011 – I R 17/11, BFH/NV 2012, 613; v. 15.6.2009 – I B 46/09, BFH/NV, 2009, 1843; v. 12.10.2010 – I B 105/11, BFH/NV 2011, 69; BMF v. 25.7.2002 – IV A 2 - S 2750a 6/02, BStBl. I 2002, 712 unter C.I.; Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 563; M.Frotscher in F/D, § 8b KStG Rz. 571 ff.; Hinweis: Zukünftig fallen Finanzunternehmen nur noch dann unter § 8b Abs. 7 Sätze 1 und 2 KStG, wenn an ihnen Kreditinstitute oder Finanzdienstleistungsinstitute unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 50 %beteiligt sind mit der Folge, dass nur Finanzunternehmen aus dem Bankensektor und nicht mehr etwa Holdinggesellschaften im Übrigen erfasst werden (AHRL-ÄndUmsG). 2 Herlinghaus in R/H/N, § 8b KStG Rz. 577; Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 612. 3 RechVersV v. 8.11.1994, BGBl. I 1994, 3378. 4 Hierzu Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 610; kritisch zu dieser Sonderregelung Kiehne, Grundrechte und Steuerordnung in der Rechtsprechung des BVerfG, 34 ff. 5 Richtlinie des Rates 2003/123/EG v. 22.12.2003 (ABl. EU 2004 Nr. 7, 41 v. 13.1.2004). 6 Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 612. 7 Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 598; Dötsch/Pung in D/P/M, § 8b KStG Rz. 280; Wagner, DK 2006, 609 (615); Lorenz, IStR 2009, 437 (440); vgl. auch BFH v. 14.1.2009 – I R 47/08, BFH/NV 2009, 854. 8 Zu diesem Regelungszweck im einzelnen Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 631; Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 253; Herlinghaus in R/H/N, § 8b KStG Rz. 597.
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B. Körperschaftsteuer
Körperschaften, die im Rahmen einer Wertpapierleihe oder eines Wertpapierpensionsgeschäftes Kapitalanteile von Körperschaften übernehmen, die wegen § 8b Abs. 4, 7 oder 8 KStG die Steuerfreiheit nicht beanspruchen können. Zu einem Fortfall der Steuerbefreiung kann es allerdings in Anwendung von § 42 AO bei Gestaltungen kommen, die ihrerseits auf eine Umgehung des § 8b Abs. 10 KStG abzielen.1 Als weitere Rechtsfolge der für in- und ausländische Bezüge geltenden Steuerbefreiung (§ 8b Abs. 1 KStG) ergibt sich aus § 8b Abs. 5 KStG ein pauschalierter Ausschluss des Betriebsausgabenabzugs.2 Hiernach gelten 5 % der Bezüge als Ausgaben, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen. Das bedeutet im Ergebnis, dass stets nur 95 % der in- oder ausländischen Bezüge steuerfrei sind, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob tatsächlich Betriebsausgaben in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den steuerfreien Bezügen entstanden sind.3 § 3c Abs. 1 EStG ist daneben nicht anwendbar (§ 8b Abs. 5 Satz 2 KStG).
18.164
Da die 5 %-Klausel des § 8b Abs. 5 KStG auf jeder Beteiligungsstufe eingreift, ergibt sich bei einem mehrstufigen Konzern ein (negativer) Kaskadeneffekt,4 so dass die Steuerfreistellung für Bezüge hierdurch stark eingeschränkt wird. Dieser Kaskadeneffekt kann im Inland im Wesentlichen nur durch Begründung eines Organschaftsverhältnisses und im Ausland durch eine dort thesaurierende Holdinggesellschaft vermieden werden.5
18.165
Die Fiktion von 5 % nicht abziehbarer Betriebsausgaben (Schachtelstrafe) führt in den Fällen zu einem Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip,6 in denen geringere oder gar keine Betriebsausgaben angefallen sind.7 Das BVerfG hat indessen die pauschalierende Schachtelstrafe bei einem einstufigen Beteiligungsaufbau unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG akzeptiert.8 Bei einem mehrstufigen Beteiligungsaufbau (Kaskadeneffekt) wird allerdings die Grenze, bis zu der die pauschalierende Schachtelstrafe zulässig ist, überschritten. Die hierdurch
18.166
1 Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 666. 2 Für Steuerbesitzdividenden gilt § 8b Abs. 5 KStG nicht (§ 8b Abs. 4 Satz 7 KStG). 3 Diese Regelung beruht auf der MTRL: Richtlinie des Rates vom 30.11.2011 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (2011/96/EU), ABl. Nr. L 345 v. 29.12.2011 (zuletzt geändert durch Richtlinie 2015/121/EU des Rates v. 27.1.2015, ABl. Nr. L 21, 1 v. 28.1.2015), wonach im Zusammenhang mit der Beteiligung stehende Verwaltungskosten pauschal mit höchstens 5 % der von der Tochtergesellschaft abgezogenen Gewinne festgesetzt werden darf; vgl. Rz. 3.72. 4 Herlinghaus in R/H/N, § 8b KStG Rz. 470; Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 452; Rödder, WPg-Sonderheft 2003, 179 (186); Rödder/Schumacher, DStR 2003, 1725 (1727); Rogall, DB 2003, 2185 ff.; Dötsch/Pung, DB 2004, 151 (154). 5 Kaminski/Strunk, BB 2004, 689 (693 ff.); Dötsch/Pung, DB 2004, 151 (154.). 6 Ob das objektive Nettoprinzip Verfassungsrang hat, hat das BVerfG bislang offengelassen; vgl. BVerfG v. 9.12.2009 – 2 BvL 1, 2/07, 2/08, BVerfGE 122, 210 (234); v. 12.5.2009 – 2 BvL 1/00, BVerfGE 123, 111 (121). 7 Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 7; Hey in Tipke/Lang22, § 11 Rz. 42. 8 BVerfG v. 12.10.2010 – 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224; zur Kritik Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 7; Herlinghaus in R/H/N, § 8b KStG Rz. 85; Hey in Tipke/Lang22, § 11 Rz. 42; Lammers, DStZ 2011, 483; Krug, DStR 2011, 598.
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
bewirkte steuerliche Höherbelastung betrifft nicht nur die Körperschaftsteuer, sondern über § 7 Satz 1 GewStG auch die Gewerbesteuer, die bei Fremdfinanzierung wegen der Hinzurechnung (§ 8 Nr. 1 GewStG) zusätzlich einen Doppelbelastungseffekt auslösen kann.1 18.167
§ 8b Abs. 5 KStG bezieht sich auf jene Bezüge, die als Bruttobeträge gem. § 8b Abs. 1 KStG freigestellt sind. Damit werden auch nach Abkommensrecht steuerfreie Dividenden erfasst. Diese Rechtsfolge beruht darauf, dass zum einen § 8b Abs. 1 KStG gegenüber den in den DBA verankerten internationalen Schachtelprivilegien (Rz. 19.545 ff.), die ebenfalls nur Bruttobeträge freistellen, vorrangig zur Anwendung kommt (Rz. 19.546) und zum anderen darauf, dass die DBA in diesem Zusammenhang keine Regeln über den Betriebsausgabenabzug enthalten.2
18.168
Trotz der in § 8b Abs. 1 KStG verankerten Steuerfreistellung für Bezüge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG ordnet § 43 Abs. 1 Satz 3 EStG den Einbehalt von Kapitalertragsteuer i.H. von grundsätzlich 25 % (§ 43a Abs. 1 Nr. 1 EStG) an. Soweit für unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige Körperschaftsteuersubjekte eine Körperschaftsteuerveranlagung durchzuführen ist, wird die einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer auf die festgesetzte Körperschaftsteuer angerechnet (§ 36 Abs. 2 EStG i.V.m. § 31 Abs. 1 KStG). Ggf. ist die einbehaltene und abgeführte Kapitalertragsteuer zu erstatten (§ 37 Abs. 2 AO).
18.169
Eine Anrechnung oder gar Erstattung der trotz Freistellung (§ 8b Abs. 1 KStG) einbehaltenen und abgeführten Kapitalertragsteuer bleibt allerdings in den Fällen grundsätzlich versagt, in denen die Kapitalertragsteuer abgeltende Wirkung erzeugt (§ 32 Abs. 1 KStG). Diese Abgeltungswirkung greift insbesondere bei beschränkter Steuerpflicht ein (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG; zum Problem der Abgeltungswirkung (Rz. 6.134 ff.).
18.170
Eine Abgeltungswirkung entfällt ausnahmsweise dann, wenn die steuerpflichtigen Kapitalerträge in einer inländischen Betriebsstätte des beschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Rechtsträgers angefallen sind. Hierzu gehört auch der Fall, dass ein beschränkt körperschaftsteuerpflichtiger Rechtsträger an einer inoder ausländischen Personengesellschaft beteiligt ist, die ihrerseits im Inland eine Betriebsstätte unterhält (Rz. 6.268). Voraussetzung ist allerdings stets, dass die Kapitalanteile in einem funktionalen Zusammenhang mit einer in der inländischen Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit des beschränkt steuerpflichtigen Rechtsträgers stehen.
18.171
Der in § 43 Abs. 1 Satz 3 EStG trotz Steuerfreistellung (§ 8b Abs. 1 KStG) angeordnete Kapitalertragsteuereinbehalt auch für Bezüge i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG3 unterbleibt allerdings unter den Voraussetzungen des § 43b EStG. Diese Vorschrift beseitigt die internationale Doppelbesteuerung von Gewinnausschüttungen, die eine inländische Tochtergesellschaft an ihre in einem anderen EU1 Hierzu Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 452. 2 BFH v. 29.8.2012 – I R 7/12, BStBl. II 2013, 89; Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 483; Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 189; M. Frotscher in F/M, § 8b KStG Rz. 529 f.; Pung in D/P/M, § 8b KStG Rz. 384; Gosch in FS Herzig, 2010, 63 (85 ff.); a.A. z.B. Hageböke, IStR 2009, 473; Kraft/Gebhardt/Quilitzsch, FR 2011, 593. 3 Gebilligt durch BFH v. 22.4.2009 – I R 53/07, BFH/NV 2009, 1543.
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B. Körperschaftsteuer
Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft vornimmt. Es handelt sich hierbei um die Umsetzung der Mutter-Tochter-Richtlinie.1 Im bilateralen Verhältnis wird die Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung dadurch erreicht, dass der EU-Mitgliedstaat, in dem die Tochtergesellschaft ansässig ist, auf die Erhebung der Quellensteuer auf Gewinnausschüttungen an die Muttergesellschaft verzichtet und der EU-Mitgliedstaat, in dem die Muttergesellschaft ansässig ist, entweder die von der Tochtergesellschaft bezogenen Dividenden von der Steuer freistellt oder für die im Staat der Tochtergesellschaft erhobene Körperschaftsteuer die indirekte Steueranrechnung gewährt. Adressat der auf Antrag zu gewährenden Freistellung von der Kapitalertragsteuer sind beschränkt steuerpflichtige, in der Rechtsform von Kapitalgesellschaften geführte Muttergesellschaften,2 soweit sie in einem anderen EU-Mitgliedstaat ansässig sind.3 Entsprechendes gilt für Ausschüttungen an eine in einem anderen EU-Mitgliedstaat belegene Betriebsstätte der Muttergesellschaft, und zwar auch dann, wenn Mutter- und Tochtergesellschaft unbeschränkt steuerpflichtig sind. Dies setzt voraus, dass die Anteile an der (inländischen) Tochtergesellschaft dieser Betriebsstätte als Betriebsvermögen zuzurechnen sind, was nur bei einem funktionalen Zusammenhang mit einer in dieser Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit der Muttergesellschaft möglich ist. Voraussetzung für die Freistellung von der Kapitalertragsteuer ist zudem, dass die Muttergesellschaft mit mindestens 10 % unmittelbar am Kapital der Tochtergesellschaft beteiligt ist (§ 43b Abs. 2 Satz 1 EStG). Voraussetzung ist ferner, dass die Beteiligung nachweislich ununterbrochen zwölf Monate besteht (§ 43b Abs. 2 Satz 4 EStG). Die Freistellung erfolgt mittels einer Freistellungsbescheinigung, die seitens des BZSt erteilt wird (§ 50d Abs. 2 EStG), soweit auch die Voraussetzungen des § 50d Abs. 3 EStG erfüllt sind (Rz. 19.160 ff.). Wird diese Mindestbesitzzeit erst nach dem Zeitpunkt der Entstehung der Kapitalertragsteuer gem. § 44 Abs. 1 Satz 2 EStG erreicht, gewährt § 50d Abs. 1 EStG der Muttergesellschaft einen Erstattungsanspruch (§ 43b Abs. 2 Satz 5 EStG).4
18.172
2. Steuerfreie Veräußerungsgewinne a) Rechtfertigung § 8b Abs. 2 KStG, der Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen freistellt, liegt auf der gleichen Wertungsebene wie § 8b Abs. 1 KStG, so dass es auch hier im Wesentlichen darum geht, körperschaftsteuerliche Doppel- und Mehrfachbelastungen zu vermeiden. Ausgehend davon, dass Veräußerungs1 Richtlinie 2011/96/EU des Rates v. 30.11.2011 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, ABl. Nr. L 345, 8 v. 29.12.2011, zuletzt geändert durch Richtlinie 2015/121/EU des Rates v. 27.1.2015, ABl. Nr. L 21, 1 v. 28.1.2015. 2 Vgl. Anl. 2 zum EStG. 3 Inländische Muttergesellschaften sind, weil bei ihnen vom Kapitalertragsteuerabzug grundsätzlich nicht abgesehen werden kann (Ausnahme: Dauerüberzahler gem. § 44a Abs. 5 EStG), schlechter gestellt: Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG: Intemann in H/H/R, § 43b EStG Rz. 3; Frase/Ballwieser, DB 2010, 1366 (1368). 4 Zu weiteren Einzelheiten Dörr/Schreiber, BB 2005, 129 ff.; Jesse, IStR 2005, 151 ff.; Pagel, DB 2005, 1025 ff.
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18.173
Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
gewinne auf der Auflösung offener Rücklagen und der Realisierung stiller Reserven beruhen, ist deren Steuerfreistellung in Ergänzung zu § 8b Abs. 1 KStG folgerichtig.1 Das gilt jedenfalls in den Fällen uneingeschränkt, in denen der Veräußerungsgewinn durch offene Rücklagen, die bereits mit Körperschaftsteuer vorbelastet sind, abgebildet wird. Erfasst der Veräußerungsgewinn auch stille Reserven, so sind diese zwar nicht steuerlich vorbelastet, sie lösen aber auf der Ebene der Gesellschaft, deren Anteile veräußert werden, zukünftige Steuerbelastungen aus. Unter diesem Gesichtspunkt vermeidet § 8b Abs. 2 KStG eine zukünftige körperschaftsteuerliche Doppel- und Mehrfachbelastung.2 18.174
Werden Kapitalanteile an ausländischen Rechtsträgern veräußert, dient die Steuerfreistellung gem. § 8b Abs. 2 KStG auch der Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung. Soweit für derartige Veräußerungsgewinne auch eine abkommensrechtliche Freistellung (Art. 13 Abs. 2, 5 OECD-MA; Rz. 19.385 ff., 19.399 ff.) eingreift, sind im Ergebnis beide Steuerbefreiungen nebeneinander anwendbar. Im Hinblick darauf, dass etwa Art. 13 Abs. 5 OECD-MA als vollständige Verteilungsnorm (Rz. 19.399) das Wohnsitzstaatsprinzip verwirklicht, überlagern sich beide Steuerbefreiungen im Wesentlichen bei beschränkter Körperschaftsteuerpflicht der veräußernden Körperschaft oder Personenvereinigung. Soweit sich die Anwendungsbereiche von § 8b Abs. 2 KStG einerseits und der abkommensrechtlichen Steuerfreistellung (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA) andererseits decken, kommt der pauschalierte Ausschluss des Betriebsausgabenabzugs gem. § 8b Abs. 3 KStG zur Anwendung mit der Folge, dass § 3c Abs. 1 EStG stets suspendiert bleibt (§ 8b Abs. 3 Satz 2 KStG). b) Anwendungsvoraussetzungen
18.175
Normadressaten der in § 8b Abs. 2 KStG verankerten Steuerfreistellung sind die in § 1 Abs. 1 KStG aufgeführten Körperschaften und Personenvereinigungen, zu denen auch nach ausländischem Recht errichtete Kapitalgesellschaften gehören (Rz. 7.7). Ob die vorgenannten Rechtsträger unbeschränkt oder beschränkt körperschaftsteuerpflichtig sind, spielt keine Rolle.
18.176
Erfasst werden Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an in- und ausländischen Körperschaften oder Personenvereinigungen, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen i.S. der § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG gehören (§ 8b Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 KStG). Darüber hinaus werden auch Anteile an nachgeschalteten Organgesellschaften erfasst (§ 8b Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 KStG). Da § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG nicht auf die Veräußerung von Anteilen an anderen Körperschaften und Personenvereinigungen abstellt, werden auch eigene Anteile einbezogen.3 Als Anteile werden auch Genussrechte qualifiziert, soweit diese ein 1 Im Einzelnen Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 62; Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 3, 150; Rödder/Schumacher, DStR 2003, 909; Eilers/Schmidt, GmbHR 2003, 613 (614); Scheffler, DB 2003, 680; Schreiber/Rogall, BB 2003, 497. 2 Kritisch zu dieser Steuerbefreiung Romswinkel, GmbHR 2002, 1059; Seer/Drüen, GmbHR 2002, 1093 (1099); Pezzer, DStJG 25 (2002), 37 (56 f.). 3 BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a - 7/03, BStBl. I 2003, 292, Tz. 15 allerdings einschränkend nur für zur Weiterveräußerung erworbene eigene Anteile; kritisch hierzu Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 163; dort auch zur Rechtslage nach BilMoG (§ 272 Abs. 1a, 1b HGB); vgl. ferner Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 64.
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B. Körperschaftsteuer
Recht auf Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös vermitteln.1 Dies gilt indessen nicht für Bezugsrechte.2 Da § 8b Abs. 2 KStG nicht entnommen werden kann, was unter einer Veräußerung zu verstehen ist, kann auf die diesbezügliche Rechtsprechung zu § 17 EStG3 zurückgegriffen werden.4 Dementsprechend werden als Veräußerungen alle entgeltlichen Rechtsgeschäfte qualifiziert, die auf die Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an Anteilen gerichtet sind. Hierzu gehört auch der Tausch und somit auch die Einbringung von Kapitalanteilen gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten.5 In Orientierung am Sinn und Zweck des § 8b Abs. 2 KStG sind von dessen Reichweite überhaupt alle anteilsbezogenen gewinnrealisierenden Vorgänge zu erfassen, so dass auch Gewinne aus der Auflösung, der Kapitalherabsetzung oder Wertaufholung, aus der Entstrickung, aus der verdeckten Einlage und der Auflösung passiver Ausgleichsposten sowie umwandlungsbedingte Übertragungsgewinne steuerfrei sind.6 Ob die Gewinne im In- oder Ausland anfallen, ist unerheblich.7
18.177
§ 8b Abs. 2 KStG erfasst auch den Fall, dass Kapitalanteile Gegenstand einer verdeckten Einlage (Rz. 21.171 ff.) sind: Soweit es durch den Teilwertansatz (§ 6 Abs. 6 Satz 2 EStG) zu einer Aufdeckung stiller Reserven kommt, greift wie bei der Veräußerung die Steuerbefreiung ein (§ 8b Abs. 2 Satz 6 KStG). Entsprechendes gilt, wenn Kapitalanteile etwa durch eine Kapitalgesellschaft an ihre Gesellschafter unter Teilwert veräußert werden. Die hierdurch bewirkte verdeckte Gewinnausschüttung (verhinderte Vermögensmehrung), die zu einer Einkünfteerhöhung führt, ist im Ergebnis steuerfrei.8 Angesprochen sind damit u.a. grenzüberschreitende Unterpreisveräußerungen. Steuerfrei sind ferner Sachdividenden, soweit Ausschüttungsgegenstand Kapitalanteile sind: Führen die Sachdividenden zu einer Realisation stiller Reserven, greift § 8b Abs. 2 KStG ein.9 Unter § 8b Abs. 2 KStG fällt auch die Einlagerückgewähr, wenn hierfür eine geson-
18.178
1 BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a - 7/03, BStBl. I 2003, 292, Tz. 24; Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 162. 2 BFH v. 23.1.2008 – I R 101/06, BStBl. II 2008, 719; Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 162; Pung in D/P/M, § 8b KStG Rz. 121; BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a - 7/03, BStBl. I 2003, 292, Tz. 24; anders zu § 3 Nr. 40 Buchst. c EStG; BFH v. 27.10.2005 – IX R 15/05, BStBl. II 2006, 171; hierzu Gosch in FS Herzig, 63 (64); BMF v. 20.12.2005 – IV B 2 - S 2242 - 18/05, BStBl. I 2006, 8. 3 § 17 EStG enthält freilich ebenfalls keine Begriffsdefinition. 4 Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 181; Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 63; Pung in D/P/M, § 8b KStG Rz. 120. 5 Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 183, 186; Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 63; Pung in D/P/M, § 8b KStG Rz. 124. 6 BMF v. 28.4.2003, BStBl. I 2003 – IV A 2 - S 2750a - 7/03, 292, Tz. 14, 16, 23; Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 188. 7 Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 66. 8 BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a - 7/03, BStBl. I 2003, 292, Tz. 21; zur Begründung im Einzelnen Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 189 ff.; Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 99. 9 Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 193; Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 99; M. Frotscher in F/D, § 8b KStG 187; Haun/Winkler, GmbHR 2002, 192 (194); in Höhe des Buchwertes ist eine unter § 8b Abs. 1 KStG fallende offene Gewinnausschüttung gegeben; zu Einzelheiten Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 193.
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
derte Feststellung gem. § 27 Abs. 8 KStG vorliegt und die Auszahlungsbeträge nach steuerneutraler Verrechnung gegen den Beteiligungsbuchwert denselben übersteigen.1 Schließlich erfasst § 8b Abs. 2 KStG auch fiktive Veräußerungsgewinne, die im Zuge einer Entstrickung etwa gem. § 12 Abs. 1 KStG (Rz. 7.48 ff.) anfallen.2 18.179
Aufgrund der in § 8b Abs. 2 Satz 3 KStG verankerten Sonderregelung werden u.a. Gewinne aus der Auflösung den Veräußerungsgewinnen gleich gestellt. Angesprochen ist damit der Fall, dass im Zuge der Auflösung der beteiligten Gesellschaft Anteile an nachgeschalteten in- oder ausländischen Kapitalgesellschaften veräußert werden.3 Zu diesen Auflösungsgewinnen zählen auch solche aufgrund der Verlegung des Sitzes oder des Ortes der Geschäftsleitung in einen Drittstaat, wenn hierdurch die wegziehende Kapitalgesellschaft aus der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht ausscheidet (§ 12 Abs. 3 KStG; zu den Rechtsfolgen beim Wegzug von Kapitalgesellschaften Rz. 7.48 ff.). Schließlich entstehen Auflösungsgewinne auch im Zuge der Verschmelzung und der Auf- und Abspaltung von Kapitalgesellschaften (§§ 13 Abs. 1, 15 Abs. 1 i.V.m. §§ 11 UmwStG; zu Einzelheiten Rz. 20.29 ff.). c) Rechtsfolge
18.180
§ 8b Abs. 2 KStG ist eine sachliche Steuerbefreiung, die bei der Einkünfteermittlung bilanzierender Körperschaften und Personenvereinigungen durch außerbilanzielle Kürzung des Bilanzgewinns zu berücksichtigen ist.4
18.181
Die Steuerbefreiung gilt gem. § 8b Abs. 2 Satz 4 KStG freilich nicht bei vorangegangener steuerwirksamer Teilwertabschreibung, soweit die Gewinnminderung nicht durch Ansatz eines höheren Wertes ausgeglichen worden ist (Wertaufholung) und zudem nicht, soweit der niedrigere Buchwert auf die Übertragung einer Rücklage nach § 6b EStG oder ähnliche Abzüge zurückzuführen ist (§ 8b Abs. 2 Satz 5 EStG).
18.182
Gemäß § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG wird die Steuerfreiheit im Ergebnis auf 95 % reduziert, weil 5 % pauschal als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben fingiert werden (Rz. 18.164 ff.). § 3c Abs. 1 EStG findet keine Anwendung (§ 8b Abs. 3 Satz 2 KStG). Das 5%ige Abzugsverbot, das auch in den Fällen zur Anwendung kommt, in denen überhaupt keine Betriebsausgaben entstanden sind (Rz. 18.166), knüpft an den Veräußerungsgewinn als Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten und dem Buchwert im Zeitpunkt der Veräußerung an (§ 8b Abs. 2 Satz 2 KStG).5 Da die Pauschalierung 1 Dötsch in D/P/M, § 27 KStG Rz. 19; Frotscher in F/D, § 8b KStG Rz. 62; Intemann, NWB 2010, 2295 (2298); BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a - 7/03, BStBl. I 2003, 292, Tz. 6; a.A. Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 106, wonach § 8b Abs. 2 KStG auf die den Beteiligungsbuchwert übersteigenden Rückzahlungsbeträge nicht anwendbar sein soll; offengelassen von BFH v. 28.10.2009 – I R 116/08, BStBl. II 2011, 898. 2 Herlinghaus in R/H/N, § 8b KStG Rz. 190; Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 194a; Pung in D/P/M, § 8b KStG Rz. 139 f. 3 Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 211. 4 Vgl. R. 29 Abs. 1 KStR. 5 Bezugsgröße für die Pauschalierung ist also ein Nettobetrag; Herlinghaus in R/H/N, § 8b KStG Rz. 277; Pung in D/P/M, § 8b KStG Rz. 176.
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B. Körperschaftsteuer
der nicht abzugsfähigen Betriebsausgaben zusätzlich zu der aus der Steuerbefreiung folgenden Nichtabzugsfähigkeit der tatsächlich entstandenen Veräußerungskosten erfolgt, sind im Ergebnis die Veräußerungskosten partiell einem doppelten Abzugsverbot unterworfen.1 Das vorstehende Abzugsverbot gilt auch für beschränkt steuerpflichtige Körperschaften und Personenvereinigungen, und zwar auch dann, wenn die Veräußerungsgewinne nicht im Rahmen einer inländischen Betriebsstätte erzielt werden (§ 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG). Denn auch in diesem Fall handelt es sich um Einkünfte aus Gewerbebetrieb, für die § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG uneingeschränkt zur Anwendung kommt.2 Ob insoweit (auch) die abkommensrechtlichen Schachtelprivilegien eingreifen, spielt keine Rolle (Rz. 18.167).
18.183
Nicht anzusetzen sind Gewinnminderungen, die im Zusammenhang mit den in § 8b Abs. 2 KStG genannten Anteilen entstehen (§ 8b Abs. 3 Satz 3 KStG).3 Durch diese Regelung wird im Wege der Typisierung sichergestellt, dass Substanzverluste ebenso wie Substanzgewinne steuerlich unberücksichtigt bleiben.4 Diese Regelungssymmetrie5 ist indessen nicht durchgängig gewährleistet, weil einerseits die Steuerfreiheit der Veräußerungsgewinne nur vorläufig ist und suspendiert wird, sobald natürliche Personen die Anteile veräußern und andererseits der Vermögensverlust endgültig wirkt.6 Diese Nichtberücksichtigung von Substanzverlusten ist mit dem objektiven Nettoprinzip (Rz. 4.7; 6.134 ff.) unvereinbar und somit wegen Verstoßes gegen Art. 3 Abs. 1 GG verfassungswidrig.7 Diese Nichtberücksichtigung betrifft vor allem Gewinnminderungen durch Ansatz des niedrigeren Teilwertes sowie Veräußerungsverluste, zu denen auch Verluste infolge Auflösung oder Kapitalherabsetzung zählen.8
18.184
Von der Reichweite dieses Gewinnminderungs- bzw. Verlustberücksichtigungsverbotes werden auch Gewinnminderungen im Zusammenhang mit in- und ausländischen Darlehensforderungen (§ 8b Abs. 3 Satz 4 KStG) und darlehensgleichen Forderungen (§ 8b Abs. 3 Satz 7 KStG) erfasst. Voraussetzung ist allerdings, dass der Darlehens- oder Sicherungsgeber zu mehr als 25 % unmittelbar oder mit-
18.185
1 Zu diesem Systemverstoß Herlinghaus in R/H/N, § 8b KStG Rz. 277; Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 283; Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 103; Pung in D/P/M, § 8b KStG Rz. 176; Frischmuth, Ubg 2009, 264 (266 f.); kein Verfassungsverstoß: BVerfG v. 12.10. 2010 – 1 BvL 12/07, BVerfGE 127, 224 und keine teleologisch einschränkende Auslegung: BFH v. 9.4.2014 – I R 52/12, BStBl. II 2014, 861. 2 Herlinghaus in R/H/N, § 8b KStG Rz. 282; Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 103; Pung in D/P/M, § 8b KStG Rz. 178; Kröner in E&Y, § 8b KStG Rz. 143; a.A. Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 281a; Nitzschke, IStR 2012, 125. 3 Es erfolgt insoweit eine außerbilanzielle Hinzurechnung; Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 278a; Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 106. 4 Vgl. BFH v. 9.1.2013 – I R 72/11, BStBl. II 2013, 343, Tz. 9; v. 12.3.2014 – I R 87/12, BStBl. II 2014, 859. 5 Hierzu Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 261. 6 Zu Einzelheiten Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 267; Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 106; Binnewies in Streck8, § 8b KStG Rz. 81; Kröner in E&Y, § 8b KStG Rz. 136. 7 Die Regelung wurde allerdings höchstrichterlich akzeptiert; BFH v. 13.10.2010 – I R 79/09, BFH/NV 2011, 521 Rz. 31 f.; v. 12.3.2014 – I R 87/12, BStBl. II 2014, 859. 8 Zu weiteren Anwendungsfällen Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 268 ff.; Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 105; Pung in D/P/M, § 8b KStG Rz. 190.
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
telbar beteiligt oder eine nahestehende Person i.S. von § 1 Abs. 2 AStG oder ein rückgriffsberechtigter Dritter ist (§ 8b Abs. 3 Satz 5 KStG). Das vorgenannte Gewinnminderungs- bzw. Verlustberücksichtigungsverbot gilt freilich dann nicht, wenn nachgewiesen wird, dass auch ein fremder Dritter das Darlehen bei sonst gleichen Umständen gewährt oder noch nicht zurückgefordert hätte, wobei nur die eigenen Sicherungsmittel der darlehensnehmenden Gesellschaft zu berücksichtigen sind (§ 8b Abs. 3 Satz 6 KStG). Tritt bei einer wertgeminderten Darlehensforderung zu einem späteren Zeitpunkt eine Wertaufholung ein, ist insoweit Steuerfreiheit gewährleistet (§ 8b Abs. 3 Satz 8 KStG). 18.186
Die vorstehenden Regelungen sind im Kern darauf gerichtet, Eigenkapital ersetzende Darlehen den Anteilen steuerlich gleichzustellen, um so Asymmetrien insbesondere bei der Teilwertabschreibung zu vermeiden.1 Sie haben auch Auswirkungen auf grenzüberschreitend gewährte Darlehen und Sicherheiten, insbesondere bei internationalen cash-pools.2 In den Fällen, in denen auf die Rückzahlung des wertgeminderten Darlehens verzichtet wird, kann es schließlich bei gleichzeitigem Vorliegen der Voraussetzungen einer verdeckten Gewinnausschüttung auch zu Doppelbesteuerungen kommen, die durch Billigkeitserlass zu mildern sind.3
18.187
Die Steuerbefreiung des § 8b Abs. 2 KStG kommt auch dann zur Anwendung, wenn die veräußerten Kapitalanteile über eine oder mehrere zwischengeschaltete in- oder ausländische Mitunternehmerschaften gehalten werden (§ 8b Abs. 6 Satz 1 KStG). Hierbei spielt es keine Rolle, ob die Kapitalanteile einer in- oder ausländischen Betriebsstätte einer in- oder ausländischen Mitunternehmerschaft zuzuordnen sind. Soweit es sich um ausländische Mitunternehmerschaften handelt, müssen diese so strukturiert sein, dass sie (abstrakt) von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 u. 3 EStG erfasst werden.4 Wird die Beteiligung über eine in- oder ausländische vermögensverwaltend tätige Personengesellschaft gehalten, erfolgt die Zuordnung der Kapitalanteile unmittelbar über § 39 Abs. 2 Nr. 2 AO.5
18.188
Die Steuerbefreiung für die Gewinne aus der Veräußerung von in- und ausländischen Kapitalanteilen ist schließlich auch auf Grund der Sondervorschriften in § 8b Abs. 7 KStG (Eigenhandel von Banken und Finanzdienstunternehmen) sowie in § 8b Abs. 8 KStG (Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen und Pensionsfonds) ausgeschlossen (Rz. 18.159 ff.).
18.189
Die gegen die Steuerumgehung aufgrund von Wertpapierleihe und Wertpapierpensionsgeschäften gerichtete Sonderregelung des § 8b Abs. 10 KStG gilt zwar auch im Anwendungsbereich des § 8b Abs. 2 KStG, sie bewirkt aber nicht den 1 Vgl. den Überblick zu den Umgehungsgestaltungen vor Inkrafttreten des JStG 2008 Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 277. 2 Herlinghaus in R/H/N, § 8b KStG Rz. 354; Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 278 f.; Watermeyer, GmbH-StB 2009, 220 (221); a.A. wohl die FinVerw. 3 Herlinghaus in R/H/N, § 8b KStG Rz. 334; Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 279h. 4 Zum Rechtstypenvergleich Wassermeyer, IStR 1998, 489; Wassermeyer, IStR 1999, 481 ff.; Schaumburg, Stbg 1999, 97 ff.; Krabbe, IStR 2000, 197 ff.; BMF v. 28.12.1999 – IV D 3 - S 1300 - 25/99, BStBl. I 1999, 1121 = DStR 2000, 245 (zu ausländischen atypisch stillen Beteiligungen); BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411 (zur US-LLC). 5 Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 522.
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B. Körperschaftsteuer
Wegfall der Steuerbefreiung, sondern versagt „nur“ den Betriebsausgabenabzug für die Leihgebühren und gleich gestellte Entgelte (Rz. 18.163). 3. Steuerfreie Zinsen und Lizenzgebühren § 50g Abs. 1–5 EStG1 enthält in Umsetzung der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie (Rz. 3.74 ff.)2 eine Steuerfreistellung für Zinsen und Lizenzgebühren, die an ein in einem anderen Mitgliedstaat ansässiges verbundenes Unternehmen gezahlt werden. Eine entsprechende Freistellung ist im Verhältnis zur Schweiz in § 50g Abs. 6 EStG verankert. Hierdurch wird das zwischen der EU und der Schweiz abgeschlossene Zinsbesteuerungsabkommen (ZBstA) umgesetzt.3 Normenadressaten des § 50g EStG sind ausschließlich nach dem Recht der EU-Mitgliedstaaten oder der Schweiz errichtete Kapitalgesellschaften,4 so dass von der Reichweite der Steuerfreistellung im Wesentlichen der konzerninterne Transfer von Zinsen und Lizenzgebühren innerhalb der EU und zur Schweiz erfasst wird. Die lediglich für die beschränkte Körperschaftsteuerpflicht bedeutsame Steuerfreistellung wird entweder dadurch umgesetzt, dass die für Zinsen und Lizenzgebühren vorgesehene Quellensteuer nicht erhoben oder aber im Falle der Veranlagung Zinsen und Lizenzgebühren bei der Ermittlung der Einkünfte nicht erfasst werden (§ 50g Abs. 1 Satz 1 und 2 EStG).
18.190
§ 50h EStG enthält verfahrensrechtliche Regelungen, die dem Vollzug des § 50g EStG dienen. Zu diesem Zweck hat das für die Besteuerung der Kapitalgesellschaft zuständige Finanzamt auf Antrag zu bestätigen, dass diese im Inland ansässig ist oder hier eine Betriebsstätte unterhält.5
18.191
Die Sonderregelung des § 50g EStG dient der Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung,6 die insbesondere in den Fällen zur Geltung kommt, in denen abkommensrechtlich das Besteuerungsrecht des Quellenstaates aufrechterhalten bleibt und die Doppelbesteuerung im Ansässigkeitsstaat lediglich durch teilweise Anrechnung vermieden wird. Eine vollständige Vermeidung der Doppelbesteuerung ist in den vorgenannten Fällen zumeist ausgeschlossen, weil die Quellensteuer auf Bruttobasis erhoben wird und die Anrechnung regelmäßig nur bis zur Höhe der im Ansässigkeitsstaat auf die Nettoeinkünfte erhobenen Körperschaftsteuer möglich ist (zum Anrechnungshöchstbetrag im deutschen Recht Rz. 18.206). Die praktische Bedeutung der in § 50g EStG verankerten Steuerfreistellung ist allerdings begrenzt: Zinsen unterliegen ganz überwiegend nicht der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht7 und sind zudem abkommensrecht-
18.192
1 Diese Vorschrift gilt auch für die Körperschaftsteuer, vgl. Anlage 3 Nr. 2 zu § 50g Abs. 3 Nr. 5 Buchst. a Doppelbuchst. aa EStG. 2 Richtlinie 2003/49/EG v. 3.6.2003, ABl. EU 2003, Nr. L 157/49 v. 26.6.2003, zuletzt geändert durch RL 2013/13/EU, ABl. 2013 Nr. L 141, 30. 3 Art. 15 Abs. 2 ZBstA; ABl. Nr. L 385, 30 v. 29.12.2004; vgl. hierzu Eicker/Obser, EC Tax Rev. 2006, 134 ff.; Jung, ET 2006, 112 ff. 4 Vgl. § 50g Abs. 3 Nr. 5 EStG i.V.m. Anlage 3 Nr. 1 zum EStG. 5 Zu Einzelheiten Rehfeld in H/H/R, § 50h EStG Rz. 1 ff. 6 Gosch in Kirchhof15, § 50g EStG Rz. 1; Kofler in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 15.1. 7 Vgl. § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG; hierzu Rz. 6.244.
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lich zumeist der Besteuerung in Deutschland als Quellenstaat entzogen; Lizenzgebühren unterliegen demgegenüber regelmäßig der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht,1 wobei aber in den meisten Fällen Deutschland abkommensrechtlich das Besteuerungsrecht genommen wird.2 18.193
Von der auf Antrag zu gewährenden Steuerfreistellung werden Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren erfasst – von einer in Deutschland ansässigen Kapitalgesellschaft oder einer hier gelegenen Betriebsstätte einer in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft – an eine in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder in der Schweiz ansässige (unmittelbar) verbundene Kapitalgesellschaft oder an eine dort belegene Betriebsstätte einer in einem EU-Mitgliedstaat oder in der Schweiz ansässigen verbundenen Kapitalgesellschaft.3
18.194
§ 50g Abs. 3 Nr. 4 Buchst. a, Abs. 2 Nr. 1 EStG enthält einen eigenständigen Zinsbegriff, der insbesondere gegenüber § 20 Abs. 1 Nr. 5 und 7 EStG eine verkürzte Reichweite aufweist.4 Dazu gehören – weil gewinnabhängig –5 weder Zinsen aus partiarischen Darlehen und aus Gewinnobligationen, stillen Gesellschaften noch Einnahmen aus obligationsähnlichen Genussrechten (§ 50g Abs. 2 Nr. 1 EStG).6 Darüber hinaus sind von der Steuerfreistellung auch Zinsen ausgeschlossen, die aus deutscher Sicht als verdeckte Gewinnausschüttung (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) zu behandeln sind (§ 50g Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a, Abs. 2 Nr. 2 EStG). Angesprochen sind damit die Fälle, in denen der vereinbarte Zins den Fremdvergleichspreis übersteigt,7 oder Fälle, in denen der Zins als Mehrabführung gezahlt wird, die ihre Ursache in vororganschaftlicher Zeit hat.8 Im Ergebnis werden somit von der Steuerfreistellung nur angemessene Zinsen erfasst, wenn die ihnen zugrunde liegenden Forderungen grundpfandrechtlich gesichert sind (§ 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c Doppelbuchst. aa EStG).9
18.195
Lizenzgebühren haben in § 50g Abs. 3 Nr. 4 Buchst. b EStG ebenfalls eine eigenständige Definition erfahren, die im Wesentlichen mit der Begriffsbestimmung des § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG übereinstimmt.10 Da Lizenzgebühren gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, 6 oder 9 EStG uneingeschränkt der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht unterliegen und zudem hierfür gem. § 50a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 1 § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, Nr. 6, 9 EStG. 2 Art. 12 Abs. 1 OECD-MA; vgl. die Abkommensübersicht bei Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 12 OECD-MA Rz. 29. 3 Zu den einzelnen Fallkonstellationen Dörr, IStR 2005, 109 (111 ff.). 4 Zu Einzelheiten Gosch in Kirchhof15, § 50g EStG Rz. 17; Wagner in Blümich, § 50g EStG Rz. 60f. 5 Anders bei umsatzabhängig bemessenen Zinsen; Dörr, IStR 2005, 109 (113). 6 Hierzu Rehfeld in H/H/R, § 50g EStG Rz. 8; Kofler in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 15.35. 7 Allerdings nur für den übersteigenden Betrag; vgl. Rehfeld in H/H/R, § 50g EStG Rz. 9. 8 Kritisch hierzu Dautzenberg, BB 2004, 17 (19). 9 Hierfür ist kein (abgeltender) Kapitalertragsteuerabzug vorgesehen, so dass die steuerliche Erfassung ausschließlich im Wege der Veranlagung erfolgt. 10 Zu Einzelheiten Gosch in Kirchhof15, § 50g EStG Rz. 17; Wagner in Blümich, § 50g EStG Rz. 62 ff.
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B. Körperschaftsteuer
EStG eine Quellensteuer i.H.v. 15 % vorgesehen ist, entfaltet § 50g EStG seine eigentliche Bedeutung für Lizenzgebühren. Das bedeutet, dass entsprechende Zahlungen vom Quellensteuerabzug und die entsprechenden Einkünfte aus der beschränkten Steuerpflicht ausgenommen sind. Auf die Anwendung von DBA kommt es daher insoweit nicht mehr an. Die Steuerfreistellung kann nur von Kapitalgesellschaften in Anspruch genommen werden.1 Sie müssen in einem EU-Mitgliedstaat bzw. in der Schweiz ansässig, d.h. dort unbeschränkt steuerpflichtig sein (§ 50g Abs. 3 Nr. 5 Buchst. a Doppelbuchst. bb EStG)2 und zugleich im Ansässigkeitsstaat der Besteuerung unterliegen und nicht steuerfrei sein (§ 50g Abs. 3 Nr. 5 Buchst. a Doppelbuchst. cc EStG).3 Damit sind von vornherein Drittstaaten-Unternehmen ausgeschlossen, und zwar auch dann, wenn sie über eine Betriebsstätte in einem EU-Mitgliedstaat oder in der Schweiz verfügen. Im Hinblick auf die im DBA-Schweiz enthaltenen vergleichbaren Regelungen hat die vorstehende Sonderregelung vor allem Bedeutung für sog. Dreiecksfälle unter Beteiligung eines EU-Unternehmens.4 Voraussetzung ist schließlich, dass Gläubiger und Schuldner der Zinsen oder Lizenzgebühren miteinander verbundene Unternehmen sind, was eine unmittelbare Beteiligung5 von mindestens 25 % am Nominalkapital voraussetzt, und zwar entweder des nutzungsberechtigten Unternehmens an dem zahlenden oder umgekehrt6 oder durch Beteiligung eines dritten Unternehmens sowohl an dem nutzungsberechtigten als auch an dem zahlenden Unternehmen.7 Als unmittelbare Beteiligung gelten auch solche, die von Betriebsstätten gehalten werden.8
18.196
Soweit Zins- und Lizenzzahlungen an Betriebsstätten erfolgen, sind diese nur dann steuerbefreit, wenn es sich um eine feste Geschäftseinrichtung in einem EU-Mitgliedstaat oder in der Schweiz handelt, in der die Tätigkeit eines Unternehmens eines anderen EU-Mitgliedstaates oder der Schweiz ganz oder teilweise ausgeübt wird (§ 50g Abs. 3 Nr. 5 Buchst. c EStG).9 Voraussetzung für die Privilegierung der Betriebsstätte ist allerdings, dass entsprechend den abkommensrechtlichen Grundsätzen (Rz. 21.35 ff.) das den Zinsen- und Lizenzgebühren zugrunde liegende Stammrecht tatsächlich der Betriebsstätte zuzuordnen ist.10
18.197
1 Die in Anl. 3 zum EStG und in § 50g Abs. 6 Satz 2 EStG aufgeführten Unternehmen sind sämtlich Kapitalgesellschaften (§ 50g Abs. 3 Nr. 5 Buchst. a EStG). 2 Ansässigkeitsbescheinigungen sind auf Antrag zu erteilen (vgl. § 50h EStG). 3 Insoweit handelt es sich um eine unilaterale Subject-to-Tax-Klausel. 4 Rehfeld in H/H/R, § 50g EStG Rz. 20. 5 Diese Einschränkung führt zu einem nur eingeschränkten Anwendungsbereich. 6 Damit werden Upstream- und Downstream-Beteiligungen gleichermaßen erfasst. 7 Betrifft also Schwestergesellschaften. 8 Über zwischengeschaltete Personengesellschaften gehaltene Beteiligungen sind dagegen keine unmittelbare Beteiligungen Rehfeld in H/H/R, § 50g EStG Rz. 15; Gosch in Kirchhof15 § 50g EStG Rz. 18; Frotscher in Frotscher/Geurts, § 50g EStG Rz. 54; a.A. Dörr, IStR 2005, 109 (115 f.). 9 Die dem Art. 3 Buchst. c) der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie entnommene Formulierung ist weit gehend wortgleich mit dem abkommensrechtlichen Begriff in Art. 5 Abs. 1 OECD-MA, so dass die hierfür maßgeblichen Grundsätze ebenfalls zur Anwendung kommen; hierzu Rehfeld in H/H/R, § 50g EStG Rz. 16. Häuselmann/Lüdemann, RIW 2005, 123 (129). 10 Rehfeld in H/H/R, § 50g EStG Rz. 10; Wagner in Blümich, § 50g Rz. 50 f.
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
III. Steueranrechnung 1. Regelungsinhalt des § 26 KStG 18.198
§ 26 KStG Abs. 1 Satz 1 sieht folgende Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vor: bei unbeschränkter und beschränkter Körperschaftsteuerpflicht die direkte Steueranrechnung und der Steuerabzug und darüber hinaus nur bei unbeschränkter Körperschaftsteuerpflicht Steuerlass und Steuerpauschalierung. Im Vordergrund steht die Anrechnungsmethode, die insbesondere durch die Abzugsmethode ergänzt wird. Die vorgenannten Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung entsprechen dem für unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtige Personen geltenden Welteinkommensprinzip und führen im Grundsatz zur Verwirklichung der Kapitalexportneutralität (Rz. 17.17).
18.199
§ 26 Abs. 1 KStG ist eine Tarifvorschrift, die keine eigenen materiell-rechtlichen Regelungen enthält, sondern lediglich auf §§ 34c Abs. 1 bis 3 und 5 bis 7, 50 Abs. 3 und 50d Abs. 10 EStG verweist. Durch den Verweis auf § 50 Abs. 3 EStG werden auch beschränkt körperschaftsteuerpflichtige Rechtsträger von § 26 KStG erfasst, obwohl Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung grundsätzlich nur als Aufgabe des Wohnsitzstaates aufgefasst werden (Rz. 18.51). Im Wesentlichen werden hierdurch inländische Niederlassungen ausländischer Banken sowie Beteiligungen ausländischer Körperschaften an inländischen Personengesellschaften begünstigt (Rz. 18.51 f.). Soweit auf § 50d Abs. 10 EStG verwiesen wird, geht es um die in § 50d Abs. 10 Satz 5 EStG vorgesehene Anrechnung ausländischer Steuern auf Sondervergütungen und Sonderbetriebseinnahmen/-ausgaben, die entgegen dem Abkommensrecht als inländische Einkünfte in die deutsche Besteuerung einbezogen werden (Rz. 21.141). 2. Reichweite des § 26 KStG
18.200
Im Verhältnis zu den DBA ist § 26 KStG grundsätzlich subsidiär (§ 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG i.V.m. § 34c Abs. 6 Satz 1 EStG). Der Vorrang der DBA gilt uneingeschränkt nur in den Fällen, in denen die ausländischen Einkünfte nach der Freistellungsmethode der Besteuerung durch Deutschland entzogen sind,1 und zwar auch dann, wenn die Anrechnungsmethode (ausnahmsweise) vorteilhafter ist.2 Demgegenüber stehen DBA der Anwendung der Erlass- oder Pauschalierungsmethode (§ 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG i.V.m. § 34c Abs. 5 EStG) nicht entgegen.3 In Bezug auf die Anrechnungs- und Abzugsmethode gilt der Vorrang von DBA allerdings nur im Grundsatz, da § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG i.V.m. § 34c Abs. 6 Sätze 2 bis 6 EStG entsprechende Modifikationen vorsieht (Rz. 18.12 ff.). Hierzu zählt auch die in § 34c Abs. 6 Satz 2 EStG verankerte Regelung, wonach bei abkommensrechtlich vorgesehener Anrechnung § 34c Abs. 1 Sätze 2–5, 1 Vgl. BFH v. 11.9.1987 – VI R 19/84, BStBl. II 1987, 856; v. 11.9.1987 – VI R 64/86, BFH/NV 1988, 631; v. 24.3.1998 – I R 38/97, BStBl. II 1998, 471; v. 19.4.1999 – I B 141/98, BFH/NV 1999, 1317. 2 BFH v. 14.3.1988 – I R 20/87, BStBl. II 1989, 649; v. 1.10.1992 – I B 42/43/92, BFH/NV 1993, 516; Lieber in H/H/R, § 26 KStG Rz. 58; Roser in Gosch3, § 26 KStG Rz. 12. 3 Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 421; Gosch in Kirchhof15, § 34c EStG Rz. 35; Kuhn in H/H/R, § 34c EStG Rz. 173.
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B. Körperschaftsteuer
Abs. 2 EStG entsprechend anzuwenden sind. § 26 Abs. 1 Satz 2 KStG enthält diesbezüglich eine Ergänzung dahingehend, dass eine Anrechnung und ein Abzug ausländischer Steuern ausnahmsweise dann in Betracht kommt, wenn die Anrechnung im betreffenden Doppelbesteuerungsabkommen nicht vorgesehen ist. Angesprochen ist damit der Fall des § 8b Abs. 1 Satz 3 KStG, wonach die Steuerbefreiung für Bezüge versagt wird, wenn diese das Einkommen der leistenden Körperschaft gemindert haben (Rz. 18.150).1 Soweit DBA zur Anwendung kommen und als Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die Steueranrechnung vorschreiben, wegen der Modalitäten aber auf innerstaatliches Recht verweisen, greifen die nationalen Anrechnungsregeln ein (§ 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG i.V.m. § 34c Abs. 6 Satz 2 EStG). Das Gleiche gilt für den Fall, dass DBA eine Steueranrechnung anordnen, ohne auf innerstaatliches Recht ausdrücklich zu verweisen (Rz. 19.552).
18.201
3. Direkte Steueranrechnung § 26 Abs. 1 KStG verweist u.a. auf § 34c Abs. 1 EStG, der die direkte Steueranrechnung für unbeschränkt steuerpflichtige Personen regelt. Für beschränkt Steuerpflichtige findet § 34c Abs. 1 EStG über § 50 Abs. 3 EStG Anwendung, auf den § 26 Abs. 1 Satz 1 KStG ebenfalls verweist. Es gelten allerdings die in § 26 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 KStG enthaltenen Sonderregelungen. Die direkte Steueranrechnung gem. § 26 Abs. 1 KStG entspricht daher im Wesentlichen der in § 34c Abs. 1 EStG verankerten Steueranrechnung (Rz. 18.49 ff.). Im Folgenden seien nur einige Besonderheiten erläutert:
18.202
Die direkte Steueranrechnung kann im Regelfall nur von unbeschränkt steuerpflichtigen Rechtsträgern gem. § 1 Abs. 1 KStG in Anspruch genommen werden.2 Damit werden auch jene Körperschaftsteuersubjekte erfasst, die nach ausländischem Recht errichtet sind, soweit diese nach dem maßgeblichen Typenvergleich einem der in § 1 Abs. 1 KStG genannten Rechtsträger vergleichbar sind (Rz. 7.7).
18.203
Die direkte Steueranrechnung gem. § 26 Abs. 1 KStG setzt ebenso wie § 34c Abs. 1 EStG eine Steuersubjektidentität voraus. Dieses Erfordernis erfährt durch § 19 Abs. 1 KStG im Rahmen der Organschaft eine Ausnahme dahingehend, dass die von der Organgesellschaft gezahlten ausländischen Steuern vom Organträger angerechnet werden können. Nach § 19 Abs. 1 KStG sind nämlich besondere Tarifvorschriften, zu denen auch § 26 Abs. 1 KStG zählt,3 beim Organträger so anzuwenden, als wären die Voraussetzungen für ihre Anwendung bei ihm selbst erfüllt. Voraussetzung für die Steueranrechnung beim Organträger ist, dass dieser der unbeschränkten Körperschaftsteuer- oder Einkommensteuerpflicht (§ 19 Abs. 2 KStG) unterliegt und die Voraussetzungen für die Steueranrechnung gem. § 26 Abs. 1 KStG von der Organgesellschaft dem Grunde nach erfüllt werden.4 Ist der
18.204
1 Vgl. hierzu Lieber in H/H/R, § 26 KStG Rz. 87. 2 Zur beschränkten Steuerpflicht vgl. § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KStG i.V.m. § 50 Abs. 3 EStG. 3 BFH v. 27.3.1996 – I R 49/95, BStBl. II 1997, 91. 4 Hierzu Geurts in Ernst & Young, § 26 KStG Rz. 131, 146; Staats in R/H/N, § 26 KStG Rz. 44.
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
Organträger lediglich beschränkt steuerpflichtig, findet über § 19 Abs. 3 KStG die für beschränkt steuerpflichtige Personen geltende Steueranrechnungsvorschrift des § 50 Abs. 3 EStG1 Anwendung. Über § 19 Abs. 4 KStG kommt auch eine Steueranrechnung für den Fall in Betracht, dass eine Personengesellschaft Organträgerin ist: Die direkte Steueranrechnung kann hier nur durch die Gesellschafter selbst in Anspruch genommen werden.2 18.205
Obwohl § 26 Abs. 1 KStG den Begriff der ausländischen Einkünfte nicht definiert und auch nicht unmittelbar3 auf § 34d EStG verweist, gilt der in § 34d EStG enthaltene Katalog der ausländischen Einkünfte auch für Zwecke der direkten Steueranrechnung bei der Körperschaftsteuer.4 Soweit unbeschränkt steuerpflichtige Rechtsträger an inländischen Personengesellschaften beteiligt sind, die ihrerseits ausländische Einkünfte beziehen, sind diese im Rahmen einer einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte dem betreffenden Rechtsträger nach Maßgabe seiner Beteiligung zuzurechnen,5 wobei zugleich auch die hierauf entfallenden ausländischen Steuern festgestellt werden. Im Ergebnis erfolgt die Anrechnung der ausländischen Steuern so, als habe der betreffende Gesellschafter die anteiligen ausländischen Einkünfte selbst bezogen und als wäre er mit der darauf entfallenden ausländischen Steuer unmittelbar belastet worden.6 Entsprechendes gilt auch bei der Beteiligung an einer ausländischen Personengesellschaft.
18.206
Wegen der Ermittlung des Anrechnungshöchstbetrages verweist § 26 Abs. 1 Satz 1 KStG zwar auf § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG, wonach die deutsche Steuer berücksichtigt wird, die auf die ausländischen Einkünfte entfällt (Rz. 18.104 ff.), § 26 Abs. 2 Satz 1 KStG enthält aber eine (abweichende) Sonderregelung dahingehend, dass die ausländische Steuer bis zu dem Höchstbetrag anrechenbar ist, der sich durch das Verhältnis der ausländischen Einkünfte zur Summe der Einkünfte errechnet. Entsprechend der Systematik des Körperschaftsteuergesetzes wird die Anrechnung nicht auf die Durchschnittssteuerbelastung insgesamt bezogen, sondern gem. § 26 Abs. 2 Satz 1 KStG nur auf die Tarifbelastung (§ 23 Abs. 1 KStG), also auf die Körperschaftsteuer vor Anwendung der auf eine Körperschaftsteuerminderung bzw. -erhöhung gerichteten §§ 37, 38 KStG. Hierdurch ist folgende Formel maßgeblich: Hochstbetrag ¼ ¨
deutsche KSt ausl: Einkunfte ¨ Summe der Einkunfte ¨
Der Ansatz der ausländischen Einkünfte erfolgt ohne Berücksichtigung jener Einkünfte, die im Ausland aufgrund eines DBA nicht besteuert werden können (§ 26
1 Lieber in H/H/R, § 26 KStG Rz. 17. 2 Hierzu Rödder/Joisten in R/H/N, § 19 KStG Rz. 58 ff.; Neumann in Gosch3, § 19 KStG Rz. 21. 3 Allerdings Bezugnahme über § 34c Abs. 1 Satz 2 bis 5, Abs. 2 bis 5 EStG, auf den § 34d EStG verweist. 4 Lieber in H/H/R, § 26 KStG Rz. 23; Roser in Gosch3, § 26 KStG Rz. 48; Geurts in Ernst & Young, § 26 KStG Rz. 51. 5 Vgl. BFH v. 22.3.1994 – VII R 117/92, BStBl. II 1994, 789. 6 Geurts in Ernst & Young, § 26 KStG Rz. 69.
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B. Körperschaftsteuer
Abs. 1 Satz 2 KStG i.V.m. § 34c Abs. 6 Satz 3 EStG).1 § 26 Abs. 2 Satz 3 KStG ordnet in diesem Zusammenhang an, dass ausländische Einkünfte, die nach der ZiLiRL (Rz. 18.190 ff.) nicht zu besteuern sind, ebenfalls außer Ansatz bleiben. Es geht hierbei um Quellensteuern auf Zinsen und/oder Lizenzgebühren, die ausnahmeweise und zeitlich befristet von einigen Mitgliedstaaten noch erhoben werden dürfen.2 Soweit auf die Summe der Einkünfte abgestellt wird, führt der Spendenabzug (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 KStG), falls dieser bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens rechnerisch erst nach der Summe der Einkünfte erfolgt,3 zu einer Schmälerung des Anrechnungsvolumen, obwohl der Spendenabzug in erster Linie Aufgabe des Wohnsitzstaates ist.4 Im Hinblick darauf ist der Abzug im Rahmen der Gewinnermittlung5 geboten.6 Im Hinblick auf den Körperschaftsteuersatz von 15 % (§ 23 Abs. 1 KStG) kommt es in der Praxis nicht selten zu erheblichen Anrechnungsüberhängen, insbesondere in den Fällen, in denen die ausländische Quellensteuer auf Bruttobasis erhoben wird. Eine Anrechnung auch auf die Gewerbesteuer, die bei Kapitalgesellschaften eine annähernd gleich hohe Belastungswirkung erzeugt wie die Körperschaftsteuer, ist von Gesetzes wegen zwar nicht vorgesehen, in Orientierung an das Leistungsfähigkeitsprinzip de lege ferenda aber geboten (Rz. 18.112; 19.554). Das gilt vor allem auch deshalb, weil der alternative Steuerabzug (§ 26 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 34c Abs. 2 EStG) allenfalls eine Milderung der Doppelbesteuerung herzustellen vermag, die zudem in Verlustfällen durch die Mindestbesteuerung (§ 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 10d EStG) an Wirkung verliert. Die Doppelbesteuerung ist daher ggf. durch Billigkeitserlass (§§ 163, 227 AO) zu vermeiden.7
18.207
Soweit etwa bei Doppelansässigkeit (Rz. 19.209 f.) im Ausland eine Körperschaftsteueranrechnung gewährt wird, erfolgt hierdurch eine Reduzierung der vom inländischen Dividendengläubiger im Ausland gezahlten Körperschaftsteuer mit der Folge, dass nur diejenige ausländische Steuer anzurechnen ist, die nach Anrechnung der ausländischen Körperschaftsteuer noch verbleibt.8 Diese Rechtsfolge ergibt sich unmittelbar aus der Verweisung auf § 34c Abs. 1 Satz 1 EStG, wonach nur die um einen entstandenen Ermäßigungsanspruch gekürzte ausländische Steuer zur Anrechnung kommt (Rz. 18.100).
18.208
1 2 3 4 5 6
Hierdurch mindert sich der Anrechnungshöchstbetrag. Vgl. hierzu die Länderübersicht bei Lieber in H/H/R, § 26 KStG Rz. 94. So in R 29 Abs. 1 KStR. Gesichtspunkt der Staatsentlastung; zu Einzelheiten Seer, DStJG 26 (2003), 11 (14 ff.) Vgl. BFH v. 21.10.1981 – I R 149/77, BStBl. II 1982, 177. Vgl. EuGH v. 28.2.2013 – Rs. C-168/11 – Beker, ECLI:EU:C:2013:117 = IStR 2013, 275; Lieber in H/H/R, § 26 KStG Rz. 38; Siegers in D/P/M, § 26 KStG Rz. 173; Ismer, IStR 2014, 925 (926). 7 Zum Problem der unilateral nicht vorgesehenen Anrechnung auf die Gewerbesteuer Becker/Loose, IStR 2012, 57; Pfaar/Jüngling, IStR 2009, 610 (614 f.); Kessler/Dietrich, IStR 2011, 108; M. Frotscher in FS Frotscher, 2013, 115 ff. m.w.N.; zur Anrechnung auf die Gewerbesteuer in Abkommensfällen Rz. 19.554. 8 Hierzu Roser in Gosch3, § 26 KStG Rz. 99a; Siegers in D/P/M, § 26 KStG Rz. 93.
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
4. Steuerabzug 18.209
Gemäß § 26 Abs. 1 Satz 1 KStG kommt die Regelung des § 34c Abs. 2 und 3 EStG zur Anwendung, so dass der Steuerabzug als Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auch im Bereich der Körperschaftsteuer Geltung hat. Der Steuerabzug hat bei der Körperschaftsteuer die gleiche rechtliche Struktur wie bei der Einkommensteuer. Im Folgenden werden daher nur die für das Körperschaftsteuerrecht geltenden Besonderheiten erörtert.
18.210
Der den Steuerabzug regelnde § 26 Abs. 1 Satz 1 KStG (§ 34c Abs. 2 und 3 EStG) ermöglicht in Abweichung von § 10 Nr. 2 KStG1 den Abzug der ausländischen Steuer bei der Ermittlung der Einkünfte,2 wodurch grundsätzlich auch eine Gewerbesteuerersparnis eintritt.3 Da der Steuerabzug bei der Ermittlung der Einkünfte erfolgt, es sich mithin nicht um die Anwendung einer besonderen Tarifvorschrift handelt, greift im Falle der Organschaft § 19 Abs. 1 KStG nicht ein. Dies hat zur Folge, dass der Steuerabzug nicht beim Organträger, sondern bei der Organgesellschaft zu berücksichtigen ist.4 Das bedeutet zugleich, dass der Antrag auf Steuerabzug von jeder Organgesellschaft gesondert gestellt werden kann.5 Das Organeinkommen wird daher um die abgezogene ausländische Steuer reduziert und sodann gem. § 14 Satz 1 KStG dem Organträger zur Besteuerung zugewiesen.6
18.211
Der alternative Steuerabzug, der gem. § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG (§ 34c Abs. 2 EStG) auf Antrag anstelle der Anrechnung vorgenommen werden kann,7 ist auch in denjenigen Fällen möglich, in denen ein DBA lediglich die Anrechnung ausländischer Steuern vorschreibt (Rz. 18.14). Das gilt allerdings nicht für den Fall, dass ein DBA eine Anrechnung fiktiver Steuern8 zulässt (§ 26 Abs. 6 Satz 1 KStG i.V.m. § 34c Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 EStG).
18.212
Der Steuerabzug gem. § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG (§ 34c Abs. 3 EStG) greift im Unterschied zum Steuerabzug gem. § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG (§ 34c Abs. 2 EStG) nur dann ein, wenn die Voraussetzungen für die Steueranrechnung gem. § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG (§ 34c Abs. 2 EStG) nicht gegeben sind, weil die ausländische Steuer – nicht der deutschen Einkommensteuer/Körperschaftsteuer entspricht, – nicht in dem Staat erhoben wird, aus dem die Einkünfte stammen, oder
1 Das Abzugsverbot betrifft auch ausländische Steuern; BFH v. 16.5.1990 – I R 80/87, BStBl. II 1990, 920. 2 Vorbehaltlich des Verlustabzugsverbotes gem. § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 2a EStG bei nicht abziehbaren Auslandsverlusten. 3 Vgl. zur Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 12 GewStG Rz. 9.13. 4 Müller-Dott in F/W/B/S, § 26 KStG Rz. 256; Staats in R/H/N, § 26 KStG Rz. 97; Roser in Gosch3, § 26 KStG Rz. 132; Geurts in Ernst & Young, § 26 KStG Rz. 146. 5 Staats in R/H/N, § 26 KStG Rz. 104; Roser in Gosch3, § 26 KStG Rz. 132; Geurts in Ernst & Young, § 26 KStG Rz. 146. 6 Müller-Dott in F/W/B/S, § 26 KStG Rz. 256. 7 Zu den Belastungsunterschieden zwischen Steueranrechnung einerseits und Steuerabzug andererseits Müller-Dott in F/W/B/S, § 26 KStG Rz. 232 ff.; Geurts in Ernst & Young, § 26 KStG Rz. 148 ff. 8 Tax matching credit/tax sparing credit.
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Schaumburg
C. Gewerbesteuer
– auf Einkünfte erhoben wird, die keine ausländischen Einkünfte i.S. des § 34d EStG sind.1 Während die direkte Steueranrechnung gem. § 26 Abs. 1 KStG und der Steuerabzug gem. § 26 Abs. 1 Satz 1 KStG (§ 34c Abs. 3 EStG) nebeneinander möglich sind, schließen sich die direkte Steueranrechnung gem. § 26 Abs. 1 KStG und der alternative Steuerabzug gem. § 26 Abs. 1 Satz 1 KStG (§ 34c Abs. 2 EStG) gegenseitig aus.
18.213
5. Steuererlass und Steuerpauschalierung Da über § 26 Abs. 6 Satz 1 KStG auch die Regelung des § 34c Abs. 5 EStG zur Anwendung kommt, kann ebenso wie für die Einkommensteuer auch für die Körperschaftsteuer ein Steuererlass oder eine Steuerpauschalierung in Anspruch genommen werden. Während der für den Steuererlass im Einkommensteuerrecht maßgebliche Auslandstätigkeitserlass2 für die Körperschaftsteuer keine Bedeutung hat und darüber hinaus keine Verwaltungsregelungen zur Steuerpauschalierung bestehen,3 sind im Bereich der Körperschaftsteuer einstweilen nur individuelle Einzelregelungen möglich.
C. Gewerbesteuer Literatur Kommentare zu § 9 GewStG; Beckmann/Schanz, Gewerbesteuerliche Hinzurechnungen und Kürzungen im Zusammenhang mit Beteiligungserträgen, DB 2011, 954; Dallwitz/Mattern/Schnitger, Beeinträchtigung grenzüberschreitender Finanzierung durch das JStG 2007, DStR 2007, 1697; Ernst, Das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg bei Umwandlungsvorgängen, Ubg 2012, 678; Ernst, Das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg – Irrungen und Wirrungen in nationalen und grenzüberschreitenden Konstellationen, Ubg 2010, 494; Glassl, Schachtelbeteiligung bei der Körperschaftsteuer, Vermögensteuer und Gewerbesteuer, Herne/Berlin 1973; Gröning/Siegmund, Aushöhlung des Objektprinzips der Gewerbesteuer: Dauerschuldzinsaufwendungen für Streubesitzbeteiligungen, DStR 2003, 617; Haas, Die Gewerbesteuerpflicht von Dividenden aus Streubesitz nach § 8 Nr. 5 GewStG und ihre Auswirkungen auf 100 %-Beteiligungen, DB 2002, 549; Hageböke, Zum Konkurrenzverhältnis von DBA-Schachtelprivileg und § 8b KStG, IStR 2009, 473; Heurung/Engel/Seidel, Das DBA-Schachtelprivileg in Körperschaft- und Gewerbesteuer, DB 2010, 1551; Heurung/Seidel/Pippart, Auslandseinkünfte aus Betriebsstätten und Kapitalgesellschaftsanteilen in der Gewerbesteuer, FS Krawitz 2010, 103; Kessler/Knörzer, Die Verschärfung der gewerbesteuerlichen Schachtelstrafe – erneute Diskriminierung inländischer Holdinggesellschaften?, IStR 2008, 121; Killinger, Berücksichtigung von Betriebsausgaben bei der Anwendung der Weisungsvorschriften des § 9 Nr. 2a u. 7 GewStG, BB 1999, 500; Köhler, Aktuelles Beratungs-Know-how Internationales Steuerrecht, DStR 2002, 1341; Moebus, Schachtelbeteiligung bei Körperschaftsteuer, Vermögensteuer und Gewerbesteuer, Herne/Berlin 1979; Prinz/Simon, Kuriositäten und Ungereimtheiten des UntStFG: Ungewollte Abschaffung des gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegs für Kapitalgesellschaf1 Zu weiteren Einzelheiten Müller-Dott in F/W/B/S, § 26 KStG Rz. 265 ff. 2 BMF v. 31.10.1983 – IV B 6 - S 2293 - 50/83, BStBl. I 1983, 470. 3 Der Pauschalierungserlass (BMF v. 10.4.1984 – IV C 6 - S 2293 - 11/84, BStBl. I 1984, 252) ist mit Wirkung ab 2004 aufgehoben worden (BMF v. 24.11.2003 – IV B 4 - S 2293 - 46/03, BStBl. I 2003, 747).
Schaumburg
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18.214
Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ten? DStR 2002, 149; Rödder, Gewerbesteuerliche Hinzurechnung von „Streubesitzdividenden“ nach § 8 Nr. 5 GewStG n.F., WPg 2002, 625; Rödder/Liekenbrock, Verstößt die gewerbesteuerliche Belastung des Hinzurechnungsbetrags iSd. § 10 AStG gegen Europarecht?, Ubg 2013, 23; Schaumburg, Die Befreiungsmethode im deutschen Steuerrecht, in Gassner/Lang/Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, Wien 1995, 269.
I. Allgemeines 18.215
Aus dem dem Gewerbesteuergesetz als Konzeption zugrunde liegenden Äquivalenzprinzip folgt die örtliche Anknüpfung der Besteuerung an das Gebiet einer bestimmten (inländischen) Gemeinde, in dem ein Gewerbebetrieb unterhalten wird (Rz. 9.1). Die Gewerbesteuer beschränkt sich damit grundsätzlich auf das Inland (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG), so dass im Gegensatz zur Einkommen-, Körperschaft- und Erbschaftsteuer das Territorialprinzip verwirklicht wird.1 Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung stellen sich daher anders als bei der Einkommen-, Körperschaft- und Erbschaft-/Schenkungsteuer für Zwecke der Gewerbesteuer nicht als Kehrseite des Welteinkommensprinzips dar.
18.216
Dass das Gewerbesteuergesetz gleichwohl spezifische Regelungen enthält, die der Vermeidung einer Doppelbesteuerung (Mehrfachbelastung) dienen, hat seinen Grund insbesondere in Art. 3 Abs. 1 GG. Das in § 9 Nr. 7 GewStG verankerte, auf die Vermeidung (internationaler) Doppelbesteuerung ausgerichtete gewerbesteuerliche Schachtelprivileg bewirkt nämlich im Wesentlichen eine Gleichbehandlung mit dem nationalen Schachtelprivileg des § 9 Nr. 2a GewStG sowie eine Gleichstellung mit der Kürzung gem. § 9 Nr. 3 GewStG. Mit dieser Gleichstellung ist einerseits sichergestellt, dass grundsätzlich Erträge ausländischer Betriebsstätten, ausländischer Personen- und ausländischer Kapitalgesellschaften gleichermaßen von inländischer Gewerbesteuer freigestellt sind, und andererseits, dass diese ausländischen Erträge ebenso wie die entsprechenden inländischen Erträge im Inland nicht nochmals der Gewerbesteuer unterworfen werden.2 Das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg des § 9 Nr. 7 GewStG greift auch dann ein, wenn die ausländischen Beteiligungserträge nicht mit ausländischer Gewerbesteuer belastet sind. Dies entspricht konzeptionell den abkommensrechtlichen Schachtelprivilegien, die, soweit sie nicht mit Subject-toTax-Klauseln (Rz. 19.141) gekoppelt sind, stets auf die Vermeidung virtueller Doppelbesteuerung gerichtet sind (Rz. 19.522).
18.217
Dass die gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegien nicht darauf abstellen, ob im Ausland tatsächlich eine Gewerbesteuer erhoben wird, hat seinen eigentlichen Grund darin, dass zwischen den einzelnen Ertragsteuern, etwa zwischen Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer, eine enge Verzahnung besteht und deshalb die Belastung ausländischer Tochter- und Enkelgesellschaften durch Ertragsteuern – ohne Rücksicht auf die jeweilige Steuerordnung des anderen Staates – als Einheit 1 Vgl. allerdings § 7 Sätze 7 u. 8 GewStG i.d.F. des AHRL-ÄndUmsG, wonach im Falle der Hinzurechnungsbesteuerung inländische Betriebsstättengewinne fungiert werden (Rz. 13.7). 2 Roser in L/S, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 18; Güroff in Glanegger/Güroff8, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 1; Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 288.
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C. Gewerbesteuer
zu sehen ist.1 Im Hinblick darauf wäre es geboten, auch aus der Sicht des inländischen Steuerrechts für Zwecke der Vermeidung der Doppelbesteuerung die Ertragsteuern als Einheit zu sehen. Das gilt insbesondere für die Anrechnung ausländischer Steuern, für die das Gewerbesteuergesetz im Unterschied zum Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz (§ 34c EStG, § 26 KStG) keine entsprechende Regelung enthält. Die Folge hiervon sind nicht selten Anrechnungsüberhänge, die die Vermeidung der Doppelbesteuerung vereiteln (Rz. 18.112, 18.207). Soweit das Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz ganz oder teilweise Steuerbefreiungen vorsehen, gelten diese über § 7 GewStG auch für die Gewerbesteuer. Unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung auch der internationalen Doppelbesteuerung sind hiermit insbesondere § 3 Nr. 40, 41 EStG (Rz. 18.20 ff., 18.36 ff.) und § 8b Abs. 1 KStG (Rz. 18.144 ff.) angesprochen (§ 7 Satz 4 GewStG). Im Ausgangspunkt sind damit etwa Dividenden und Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen ganz oder zu 40 % steuerfrei. Eine weitergehende Freistellung oder aber deren Rückgängigmachung erfolgt durch Kürzungen (§ 9 Nr. 2a, Nr. 7 GewStG) oder Hinzurechnungen (§ 8 Nr. 5 GewStG). Schließlich gewähren auch DBA für Zwecke der Ertragsteuern ein internationales Schachtelprivileg, für das § 9 Nr. 8 GewStG einseitig eine Mindestbeteiligungsquote von 15 % vorschreibt. Dieses schlägt über § 7 GewStG unmittelbar auf die Gewerbesteuer durch, so dass insoweit § 9 Nr. 7 GewStG nur subsidiäre Bedeutung hat.2 Führt die Anwendung des betreffenden DBA zu keiner Freistellung für die Gewerbesteuer, kann sich hiervon unabhängig die Steuerfreistellung aus § 9 Nr. 7 GewStG ergeben. Im Ergebnis stehen somit die entsprechenden Vorschriften selbstständig nebeneinander,3 so dass stets die für den Steuerpflichtigen günstigeren Bestimmungen anzuwenden sind.4
18.218
Im Gegensatz zu den übrigen Schachtelprivilegien ist das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg (§ 9 Nr. 7 GewStG) rechtsformneutral ausgestaltet, so dass es von jeder Person beansprucht werden kann, die einen Gewinn aus Gewerbebetrieb i.S. von § 7 GewStG erzielt.5 Diese Rechtsformneutralität6 hat ihren Grund in der Gleichbehandlung mit Steuerfreistellungen anderer in- und ausländischer Erträge, die ebenfalls rechtsformunabhängig gewährt werden.
18.219
Die über § 7 GewStG auf die Gewerbesteuer durchschlagenden Steuerfreistellungen des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes (§ 3 Nr. 40, 41 EStG, § 8b Abs. 1 KStG) haben ebenso wie die gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegien (§ 9 Nr. 2a, 7 GewStG) in erster Linie das Ziel, eine mehrfache Gewerbesteuerbelastung auf verschiedenen Beteiligungsstufen einer Unternehmenskette zu ver-
18.220
1 Schaumburg in Gassner/Lang/Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, 269 (294). 2 Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 293. 3 Vgl. BFH v. 23.6.2010 – I R 71/09, BStBl. II 2011, 129; v. 14.1.2009 – I R 47/08, BStBl. II 2011, 131. 4 Roser in L/S, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 17a; Güroff in Glanegger/Güroff8, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 3; R 9.5 Satz 7 GewStR. 5 Roser in L/S, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 22; Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 289; Güroff in Glanegger/Güroff8, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 7. 6 Schachtelprivilegien werden sonst durchweg nur juristischen Personen, insbesondere Kapitalgesellschaften gewährt; vgl. § 8b Abs. 1, 2 KStG und die DBA-Schachtelprivilegien.
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
meiden. Damit steht die Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung im Vordergrund. Im internationalen Kontext geht es dabei vor allem um Auslandsdividenden.
II. Steuerfreie Dividenden 18.221
Für Zwecke der Ermittlung des Gewerbeertrags verweist § 7 GewStG auf die Vorschriften des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes. Damit wird im Ausgangspunkt eine kongruente Bemessungsgrundlage sichergestellt, die in Orientierung an den Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer allerdings durch Hinzurechnungen (§ 8 GewStG) und Kürzungen (§ 9 GewStG) Modifikationen erfährt (Rz. 9.13 f.). Aus der Anknüpfung an die für die Einkommen- und Körperschaftsteuer maßgebliche Bemessungsgrundlage folgt, dass u.a. auch die im Rahmen des Teileinkünfteverfahrens gewährte Steuerfreistellung für Bezüge (§ 3 Nr. 40 Buchst. d und e EStG) sowie § 3c Abs. 2 EStG zur Anwendung kommt (§ 7 Satz 4 GewStG). Erfasst werden hierdurch im Wesentlichen Dividenden, die Einzelgewerbetreibende und Mitunternehmerschaften im Rahmen ihrer Betriebe beziehen. Die hierfür im Rahmen des Teileinkünfteverfahrens verankerte partielle Steuerbefreiung gilt somit grundsätzlich auch für die Gewerbesteuer.1 Über § 7 Satz 1 GewStG werden schließlich auch Auslandsdividenden ausgenommen, soweit der Steuerpflichtige in diesem Zusammenhang bereits zur Hinzurechnungsbesteuerung herangezogen wurde (§ 3 Nr. 41 EStG)2. Über § 7 Satz 1 GewStG kommt auch die Freistellung gem. § 8b Abs. 1, 5 KStG zur Anwendung mit der Folge, dass im Ergebnis 95 % der Bezüge steuerfrei bleiben (Rz. 18.144 ff.) und somit nicht in den Gewerbeertrag eingehen. Entsprechende Modifikationen erfolgen allerdings in Anwendung von § 8 Nr. 5 GewStG (Hinzurechnung), § 9 Nr. 7 GewStG (Kürzung) und im Fall der Organschaft (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG).
18.222
Die maßgebliche, zur Steuerbefreiung von ausländischen Dividenden führende Kürzung enthält § 9 Nr. 7 GewStG. Diese Vorschrift schließt allerdings die Anwendung anderer Kürzungsvorschriften nicht aus.3 Im Hinblick darauf wird z.B. der Hinzurechnungsbetrag (Rz. 13.165 ff.), obwohl er als Dividende qualifiziert wird (§ 10 Abs. 2 Satz 1 AStG), auch von der Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 3 GewStG erfasst.4 Es handelt sich zwar in derartigen Fällen um von der Zwischengesellschaft erzielte Zwischeneinkünfte einer von ihr unterhaltenen Betriebsstätte, da diese aber unter Durchbrechung des Trennungsprinzips (Rz. 13.7) den inländischen Anteilseignern ohne Ausschüttung als eigene Einkünfte hinzugerechnet werden (§ 7 Abs. 1 AStG), sind sie (auch) als ausländische Betriebsstätteneinkünfte des inländischen Anteilseigners anzusehen. Dass die auslän-
1 Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 45; Selder in Glanegger/Güroff8, § 7 GewStG Rz. 5. 2 Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 41 EStG Rz. 5; ferner Rz. 18.36 ff. 3 BFH v. 11.3.2015 – I R 10/14, BFH/NV 2015, 921 Rz. 11. 4 BFH v. 11.3.2015 – I R 10/14, BFH/NV 2015, 921 m.w.N.; gem. § 7 Satz 7 GewStG i.d.F. des AHRL-ÄndUmsG werden allerdings inländische Betriebsstätteneinkünfte fingiert.
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C. Gewerbesteuer
dische Betriebsstätte nicht eine solche des inländischen Anteilseigners ist, spielt hierbei (bis einschließlich 2016) keine Rolle.1 Soweit Einzelgewerbetreibende Dividenden aus dem Ausland beziehen, gehen sie nach Maßgabe des auch für die Gewerbesteuer zur Anwendung kommenden Teileinkünfteverfahrens nur zu 60 % in den Gewerbeertrag ein (§ 7 Satz 1 GewStG i.V.m. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG). Durch das Zusammenspiel von § 8 Nr. 5 GewStG einerseits und § 9 Nr. 7 GewStG andererseits wird das Teileinkünfteverfahren für gewerbesteuerliche Zwecke im Ergebnis indessen wieder suspendiert. Dies deshalb, weil entweder die Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 5 GewStG zu einer uneingeschränkten Gewerbesteuerbelastung führt oder aber das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg in § 9 Nr. 7 GewStG eine vollständige Freistellung bewirkt. Mit anderen Worten: Ausländische Dividenden unterliegen entweder in vollem Umfang oder überhaupt nicht der Gewerbesteuer.2 Die vorgenannte Hinzurechnung gilt allerdings nicht in den Fällen des § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG (§ 8 Nr. 5 Satz 2 GewStG), so dass Dividenden, denen Gewinne zugrunde liegen, die innerhalb des maßgeblichen Siebenjahreszeitraum bereits der Hinzurechnungsbesteuerung zugeführt wurden, keiner zusätzlichen Gewerbesteuer ausgesetzt sind (Rz. 18.38).
18.223
Die vorgenannten Grundsätze gelten auch für den Fall, dass die Bezüge im Rahmen der Einkünfteermittlung auf der Ebene einer Mitunternehmerschaft zu erfassen sind (§ 7 Satz 4 GewStG). Voraussetzung ist, dass an der Mitunternehmerschaft natürliche Personen unmittelbar oder mittelbar über eine oder mehrere Personengesellschaften beteiligt sind. Damit werden im Ergebnis auch doppelstöckige Personengesellschaften erfasst.3 Soweit Körperschaften unmittelbar oder mittelbar beteiligt sind, kommt § 8b KStG zur Anwendung (§ 7 Satz 4 Halbs. 2 GewStG).
18.224
Das für die Gewerbesteuer gem. § 7 Satz 1 GewStG an sich maßgebliche Teileinkünfteverfahren wird durch Hinzurechnung unter den Voraussetzungen des § 8 Nr. 5 GewStG wieder rückgängig gemacht. Der Hinzurechnung unterliegen die außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile (Dividenden) und die diesen gleichgestellten Bezüge und erhaltenen Leistungen aus Anteilen an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes, soweit nicht die Voraussetzungen der gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegien gem. § 9 Nr. 2a, 7 GewStG erfüllt sind. Die vorgenannten gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegien setzen eine Mindestbeteiligungsquote von 15 % seit Beginn des Erhebungszeitraums voraus und verlangen zudem bei ausländischen Rechtsträgern, die nicht in einem EU-Mitgliedstaat ansässig sind, eine aktive Tätigkeit (§ 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG). Deshalb bewirkt die Hinzurechnung im Ergebnis stets eine uneingeschränkte Gewerbesteuerbelastung für Streubesitzdividenden, für in- und ausländische Dividenden aus Kapitalanteilen, die unterjährig erworben wurden, und generell für Dividenden seitens ausländischer außerhalb der EU ansässiger Rechtsträger, soweit diese nicht aktiv tätig sind.
18.225
1 BFH v. 11.3.2015 – I R 10/14, BFH/NV 2015, 921 Rz. 9; anders nunmehr ab 2017 nach § 9 Nr. 3 Satz 1 GewStG i.d.F. des AHRL-ÄndUmsG. 2 Hierzu Intemann in H/H/R, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 45. 3 Vgl. Roser in L/S, § 7 GewStG Rz. 393.
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
18.226
Die insbesondere auf die Suspendierung des Teileinkünfteverfahrens für gewerbesteuerliche Zwecke gerichtete Hinzurechnung führt zu einer Störung des Systemzusammenhangs zwischen dem im Einkommensteuergesetz angelegten Teileinkünfteverfahren und der daran anknüpfenden kongruenten gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage. Damit wird zugleich das durch das Teileinkünfteverfahren verfolgte Ziel der Vermeidung einer steuerlichen Mehrfachbelastung (Rz. 18.20 ff.) insoweit verfehlt. Im internationalen Kontext bedeutet dies, dass eine internationale Doppelbesteuerung somit nicht vermieden werden kann. Dieser Systembruch ist allein fiskalisch motiviert: Dem Gesetzgeber ging es im Wesentlichen darum, das Gewerbesteueraufkommen durch Einbeziehung von Streubesitzdividenden in die Bemessungsgrundlage zu sichern.1
18.227
Die Hinzurechnung (§ 8 Nr. 5 GewStG) betrifft nach dem Wortlaut des Gesetzes nur Gewinnanteile (Dividenden) und die ihnen gleichgestellten Bezüge und erhaltenen Leistungen aus Anteilen an einer Körperschaft, Personenvereinigung und Vermögensmasse im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes, die, soweit sie gem. § 3 Nr. 40 EStG steuerfrei sind, bei der Gewinnermittlung außer Ansatz bleiben. Trotz unterschiedlicher Formulierungen sind § 8 Nr. 5 GewStG einerseits und § 3 Nr. 40 EStG andererseits insoweit deckungsgleich, als § 3 Nr. 40 EStG alle steuerfreien Bezüge und Einnahmen i.S. des § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d bis i EStG erfasst.2 Das sind im Wesentlichen Dividenden. Der Hinzurechnung unterliegen nur die Nettobeträge; es werden also auch solche Betriebsausgaben berücksichtigt, die gem. § 3c Abs. 2 EStG bei der Gewinnermittlung nicht abgezogen werden dürfen (§ 8 Nr. 5 Satz 1 3. und 4. Halbs. GewStG). Soweit es hierbei zu einem negativen Nettobetrag kommt, bleibt eine Hinzurechnung, die sich in diesem Falle als Kürzung auswirken würde, allerdings versagt.3
18.228
Über § 7 Satz 1 GewStG kommen für Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen auch die Körperschaftsteuerbefreiungen gem. § 8b Abs. 1, 2 KStG zur Anwendung. Das hat zur Folge, dass Streubesitzdividenden (§ 8b Abs. 4 KStG) überhaupt nicht, übrige Dividenden im Ausgangspunkt zu 95 % (§ 8b Abs. 1, 5 KStG)4 und ebenso die Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen (§ 8b Abs. 2, 3 KStG) aus dem Gewerbeertrag herausgenommen sind. Soweit es sich um die Veräußerungsgewinne handelt, ist diese Freistellung von der Gewerbesteuer endgültig. Für steuerfreie Dividenden und ihnen gleichgestellte Einnahmen kommt allerdings die Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 5 GewStG zur Anwendung, so dass im Ergebnis – unter Einbeziehung von § 9 Nr. 7 GewStG – die Freistellung für Dividenden aus einer Beteiligung von mindestens 10 % (§ 8b Abs. 4 KStG), aber weniger als 15 % (§ 9 Nr. 7 GewStG),5 für Dividenden aus un1 Roser in L/S, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 21; Hofmeister in Blümich, § 8 GewStG Rz. 561. 2 Prinz/Simon, DStR 2002, 149 (150). 3 Zur Begründung Hofmeister in Blümich, § 8 GewStG Rz. 586; Gröning/Siegmund, DStR 2003, 617 ff.; a.A. Sarrazin in L/S, § 8 Nr. 5 GewStG Rz. 13; Güroff in Glanegger/Güroff8, § 8 Nr. 5 GewStG Rz. 12; BFH v. 1.10.2015 – I R 4/14, BFH/NV 2016, 145 zu § 8 Nr. 1 Buchst. c GewStG. 4 Im Fall der Organschaft (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG) bleibt die sog. Schachtelstrafe (§ 8b Abs. 5 KStG) unberücksichtigt; BFH v. 17.12.2014 – I R 39/14, BStBl. II 2015, 1052; anders dagegen ab 2017 § 7a GewStG (AHRL-ÄndUmsG). 5 Bei EU-Kapitalgesellschaften wird auf eine Mindestbeteiligungsquote von 10 % abgestellt.
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C. Gewerbesteuer
terjährig erworbenen Kapitalanteilen und Dividenden von nicht aktiv tätigen ausländischen Kapitalgesellschaften, soweit diese nicht in EU-Mitgliedstaaten ansässig sind, suspendiert wird. Auch hier erfolgt die Hinzurechnung mit dem Nettobetrag, also auch unter Berücksichtigung von § 8b Abs. 5 KStG.1 Die Besteuerung von Streubesitzdividenden nach § 8b Abs. 4 KStG einerseits und § 9 Nr. 7 GewStG andererseits sind nicht aufeinander abgestimmt und führen im Hinblick auf die eigentliche Zielsetzung der Vermeidung der (internationalen) Doppelbesteuerung zu nicht gerechtfertigten Anwendungsdivergenzen. Diese bestehen vor allem bei der maßgeblichen Mindestbeteiligung und dem Zeitbezug. Während § 8b Abs. 4 KStG für Beteiligungen an Kapitalgesellschaften durchgängig auf eine Mindestbeteiligung von 10 % abstellt, gilt dieser Satz gem. § 9 Nr. 7 GewStG nur für Beteiligungen an EU-Kapitalgesellschaften, nicht aber für solche an Drittstaatengesellschaften, für die eine Mindestbeteiligung von 15 % erforderlich ist. Darüber hinaus muss diese Mindestbeteiligung bei der Gewerbesteuer seit Beginn des Erhebungszeitraums bestanden haben, während demgegenüber bei der Körperschaftsteuer auf den Beginn des Kalenderjahres abgestellt wird. Unterschiede bestehen auch bei Finanzunternehmen, denen die Steuerbefreiung für Dividenden gem. § 8b Abs. 7 KStG (Rz. 18.159 f.) versagt, für Zwecke der Gewerbesteuer unter den Voraussetzungen des § 9 Nr. 7 GewStG dagegen gewährt wird.2
18.229
Die mit § 9 Nr. 7 GewStG verknüpfte Hinzurechnung hat für die in § 8 Nr. 5 GewStG genannten Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen indessen nur eine begrenzte Reichweite: In den Fällen, in denen Auslandsdividenden den abkommensrechtlichen Schachtelprivilegien unterliegen und diese auch für die Gewerbesteuer gelten, kommt die abkommensrechtliche Freistellung (Rz. 19.545 ff.) ohne die Einschränkung des § 8 Nr. 5 GewStG zur Anwendung. Denn die auf den Bruttobetrag der Dividende bezogene abkommensrechtliche Freistellung wird ohne Vorbehalt gewährt, so dass die für den Steuerpflichtigen günstigere Regelung zur Anwendung kommt.3
18.230
Im Übrigen unterbleibt eine Hinzurechnung und damit zugleich die Suspendierung von § 3 Nr. 40 EStG und § 8b Abs. 1 KStG, soweit die Voraussetzungen der in § 9 Nr. 2a, 7 GewStG verankerten gewerbesteuerlichen Schachtelprivilegien erfüllt sind. Im außensteuerlichen Kontext ist allein § 9 Nr. 7 GewStG von Bedeutung. Das dort verankerte gewerbesteuerliche Schachtelprivileg gilt sowohl bei unmittelbarer als auch bei mittelbarer Beteiligung.
18.231
1 Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 74. 2 Hierzu Roser in L/S, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 17b. 3 BFH v. 23.6.2010 – I R 71/09, BStBl. II 2011, 129; Nöcker in L/S, § 8 Nr. 5 GewStG Rz. 26; Hofmeister in Blümich, § 8 GewStG Rz. 576; Güroff in Glanegger/Güroff8, § 8 Nr. 5 GewStG Rz. 6; Hageböke, IStR 2009, 473 (477); Ernst, Ubg 2010, 494 (503); Haas, DB 2002, 549 (551); Prinz/Simon, DStR 2002, 149 (150); Dallwitz/Mattern/Schnitger, DStR 2007, 1697; Kessler/Knörzer, IStR 2008, 121 (122); Köhler, DStR 2002, 1341 (1343); Rödder, WPg 2002, 625 (626); Heurung/Engel/Seidel, DB 2010, 1551 (1555); R 9.5 Satz 7 GewStR 2009.
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
III. Gewerbesteuerliches Schachtelprivileg 1. Unmittelbare Beteiligung 18.232
Das als Kürzung ausgeprägte gewerbesteuerliche Schachtelprivileg, das von jedem in Anspruch genommen werden kann, der einen Gewinn aus Gewerbebetrieb i.S. von § 7 GewStG erzielt, bewirkt, dass die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um die Gewinne aus Anteilen an einer aktiv tätigen ausländischen Kapitalgesellschaft oder einer EU-Tochtergesellschaft1 bei wesentlicher Beteiligung2 gekürzt wird (§ 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG).
18.233
Da die Kürzung nur Gewinnanteile betrifft,3 die bei der Ermittlung des Gewinns nach § 7 GewStG angesetzt worden sind,4 fallen unter die Kürzung des § 9 Nr. 7 GewStG auch verdeckte Gewinnausschüttungen, Vorabausschüttungen und anderweitige geldwerte Vorteile wie Gratisaktien, Boni und Liquidationsgewinne.5 Die Kürzungsvorschrift des § 9 Nr. 7 GewStG hat indessen eine begrenzte Reichweite. Soweit ein DBA zur Anwendung kommt und dieses auch für gewerbesteuerliche Zwecke ein Schachtelprivileg gewährt, greift § 9 Nr. 7 GewStG von vornherein nicht ein, weil die so abkommensrechtlich steuerfrei gestellte Dividende bereits nicht im Gewinn gem. § 7 Satz 1 GewStG enthalten und eine Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 5 GewStG ausgeschlossen ist.6 Im Übrigen entfaltet § 9 Nr. 7 GewStG seine Wirkung nur im Rahmen der Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 5 GewStG. Hiernach unterbleibt eine Hinzurechnung ausländischer Dividenden nur unter den Voraussetzungen des § 9 Nr. 7 GewStG (Rz. 18.223). Da § 8 Nr. 5 GewStG unter dem Vorbehalt der Kürzungsvoraussetzung gem. § 9 Nr. 7 GewStG steht, andererseits aber die Kürzung wiederum die vorangegangene Hinzurechnung voraussetzt, ginge das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg eigentlich ins Leere.7 In Orientierung an den Sinn und Zweck des § 9 Nr. 7 GewStG – Vermeidung der Doppel- und Mehrfachbesteuerung – ist der Regelungszusammenhang zwischen § 8 Nr. 5 GewStG und § 9 Nr. 7 GewStG so zu verstehen, dass § 8 Nr. 5 GewStG vorgeht und der Verweis auf § 9 Nr. 7 GewStG lediglich die abstrakten Tatbestandsvoraussetzungen betrifft.8
18.234
Da in die Kürzung gem. § 9 Nr. 7 GewStG nur dasjenige einbezogen wird, was zuvor in den Gewinn gem. § 7 GewStG eingegangen ist, mindern Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Bezug der Dividenden den Kürzungsbetrag, wenn sie selbst ebenfalls den Gewinn gemindert haben (§ 9 Nr. 7 Satz 2 i.V.m. § 9 Nr. 2a Satz 3 GewStG). Der Kürzungsbetrag wird bei Kapitalgesellschaften ferner 1 Aufgeführt in Art. 2 der Richtlinie Nr. 2011/96/EU des Rates v. 30.11.2011 (ABl. Nr. L 345, 8, v. 29.12.2011 [MTRL], zuletzt geändert durch Richtlinie 2015/121/EU des Rates v. 27.1.2015, ABl. Nr. L 21, 1 v. 28.1.2015); vgl. hierzu Anlage 2 zum EStG. 2 15 % bei Drittstaaten- und 10 % bei EU-Kapitalgesellschaften. 3 Nicht aber Anteilsveräußerungsgewinne; vgl. BFH v. 17.12.1971 – VIII R 3/70, BStBl. II 1972, 468; v. 2.2.1972 – I R 217/69, BStBl. II 1972, 470; v. 29.8.1984 – I R 154/81, BStBl. II 1985, 160; Roser in L/S, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 24g. 4 § 9 Nr. 7 GewStG betrifft somit nur den steuerpflichtigen Teil der Dividende. 5 Vgl. die Aufzählung bei Roser in L/S, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 24d ff. 6 BFH v. 9.8.2006 – I R 95/05, BStBl. II 2007, 279; v. 23.6.2010 – I R 71/09, BStBl. II 2011, 129; Roser in L/S, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 69; Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 293. 7 Hierzu Prinz/Simon, DStR 2002, 149 (150). 8 Nöcker in L/S, § 8 Nr. 5 GewStG Rz. 22; Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 294; Güroff in Glanegger/Güroff, § 8 Nr. 5 GewStG Rz. 1.
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C. Gewerbesteuer
auch um den Betrag der Schachtelstrafe (§ 8 Abs. 5 KStG) vermindert (§ 9 Nr. 7 Satz 3 i.V.m. § 9 Nr. 2a Satz 4 GewStG). Diese Nettobetrachtung wird allerdings in den Fällen der Organschaft (§ 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG), für die die körperschaftsteuerrechtlichen Regelungen für den gewerbesteuerlichen Organkreis uneingeschränkt Anwendung finden, durch die Bruttomethode (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 KStG) ersetzt. Hieraus folgt einerseits, dass bei der Organgesellschaft der Kürzungsbetrag und bei Organträgern bis einschließlich 2016 das zugerechnete Ergebnis nicht um die Schachtelstrafe vermindert wird.1 Sind ausländische Steuern, die auf Gewinne oder Gewinnanteile entfallen, die bei der Ermittlung des Gewerbeertrages außer Ansatz bleiben oder gem. § 9 GewStG gekürzt werden, nach § 34c Abs. 2 und 3 EStG bei der Ermittlung der Einkünfte abzuziehen, unterliegen sie gem. § 8 Nr. 12 GewStG einer Hinzurechnung. Damit wird eine zweifache Minderung des Gewerbeertrags in den Fällen vermieden, in denen die ausländischen Einkünfte ohnehin nicht der Gewerbesteuer unterliegen, z.B. weil es sich um Schachteldividenden handelt, die bei der Ermittlung des Gewerbeertrags gem. § 9 Nr. 7 und 8 GewStG gekürzt werden. Der Kürzung unterliegen nur Gewinne aus einem Anteil an einer ausländischen Kapitalgesellschaft.2 Es muss sich im Anwendungsbereich von § 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG in Abgrenzung zu § 9 Nr. 7 Satz 4 GewStG um eine unmittelbare Beteiligung am Nennkapital handeln, so dass einerseits Gewinnanteile stiller Gesellschafter oder partiarischer Darlehensgeber und andererseits Gewinne aus Beteiligungen über andere Gesellschaften, etwa Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften nicht von § 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG erfasst werden.3 Die unmittelbare Beteiligung muss bei Drittstaatengesellschaften mindestens 15 % und bei EU-Kapitalgesellschaften mindestens 10 % zu Beginn des Erhebungszeitraums betragen und bei Drittstaatengesellschaften während des gesamten Erhebungszeitraums bestanden haben.4 Werden die Anteile an der Drittstaatengesellschaft zum Jahreswechsel übertragen, können sowohl der Veräußerer (für den abgelaufenen Zeitraum) als auch der Erwerber (für den neuen Zeitraum) die Kürzung nach § 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG beanspruchen.5
18.235
Soweit es sich nicht um eine Drittstaatengesellschaft handelt, muss die ausländische Kapitalgesellschaft (Tochtergesellschaft) in dem Wirtschaftsjahr, für das
18.236
1 BFH v. 17.12.2014 – I R 39/14, BStBl. II 2015, 1052; anders ab 2017 gem. § 7a GewStG i.d.F. des AHRL-ÄndUmsG. 2 Ort der Geschäftsleitung und Sitz im Ausland; zu verfassungsrechtlichen Bedenken wegen des Ausschlusses von doppelt ansässigen Kapitalgesellschaften Kollruss, FR 2015, 446. 3 Güroff in Glanegger/Güroff8, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 5; eine mittelbare Beteiligung lassen dagegen ausreichen BFH v. 17.5.2000 – I R 31/99, BStBl. II 2001, 685; Roser in L/S, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 23 (die praktische Bedeutung dieser Meinungsunterschiede ist gering); Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 308; Schnitter in F/M, § 9 GewStG Rz. 210a; OFD Hannover v. 15.7.2002, DB 2002, 1917. 4 Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 309; a.A. Güroff in Glanegger/Güroff8, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 5a und Roser in L/S, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 24, wonach auf den Zeitraum bis zum Gewinnbezug abgestellt wird; offengelassen von BFH v. 23.6.2010 – I R 71/09, BStBl. II 2011, 129. 5 BMF v. 8.1.1976 – IV B 7 - S 2775 - 1/76; IV C 3 - S 3222 - 1/76, FR 1976, 97 (sog. Mitternachtserlass); vgl. auch Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 309.
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Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
sie ihre Ausschüttungen vorgenommen hat, ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG fallenden aktiven Tätigkeiten (Rz. 13.83 ff.) und/oder aus einer ausländischen Landes- oder Funktionsholding1 bezogen haben (§ 9 Nr. 7 Satz 1 Halbs. 1 GewStG). 18.237
Für das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg gem. § 9 Nr. 7 GewStG wird das Erfordernis einer aktiven Tätigkeit damit begründet, dass die Förderung der Wettbewerbslage ausländischer Tochtergesellschaften nur dann in Betracht komme, wenn diese Gesellschaften im Ausland durch Entfaltung eigener unternehmerischer Tätigkeit überhaupt dem dortigen Wettbewerb ausgesetzt seien. Indessen geht es nicht um die Förderung der Wettbewerbslage ausländischer Tochtergesellschaften, sondern um die Vermeidung der (internationalen) Doppelbesteuerung. Unter diesem Gesichtspunkt ist die Aktivitätsklausel des § 9 Nr. 7 GewStG nicht sachgerecht. Erzielt die ausländische Tochtergesellschaft über das unschädliche Maß (10 % der Bruttoerträge)2 hinaus Einkünfte aus passivem Erwerb, so entfällt nämlich in vollem Umfang das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg, also auch insoweit, als die ausländische Tochtergesellschaft Einkünfte aus aktiver Tätigkeit bezieht. Schließlich ist die nur für Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften geltende Aktivitätsklausel mit den unionsrechtlichen Grundfreiheiten3 unvereinbar.4 Eine Rechtfertigung für die Beschränkung der Niederlassungsfreiheit/Kapitalverkehrsfreiheit5 ist nicht erkennbar. Das gilt insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung von Missbräuchen (Rz. 4.19), die allenfalls eine hier nicht vorgesehene einzelfallbezogene Betrachtung erlaubt.6 2. Mittelbare Beteiligung
18.238
Das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg bei mittelbarer Beteiligung (§ 9 Nr. 7 Satz 4 GewStG) ist auf einen bloß dreistufigen Konzernaufbau begrenzt7 und 1 Die Voraussetzungen entsprechen denen des § 8 Abs. 2 AStG a.F.; vgl. hierzu Roser in L/S, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 28. 2 Entspricht dem Tatbestandsmerkmal „fast ausschließlich“; vgl. BFH v. 2.10.2003 – IV R 13/03, BStBl. II 2004, 985; Roser in L/S, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 26; Schnitter in Frotscher/ Drüen, § 9 GewStG Rz. 206a; a.A. Güroff in Glanegger/Güroff8, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 10a, der auf 99 % abstellt. 3 Niederlassungsfreiheit (Art. 49 ff. AEUV) ab einer normtypischen Mindestbeteiligungsquote von 10 % (BFH v. 29.8.2012 – I R 7/12, BFH/NV 2013, 158 Rz. 11; v. 6.3.2013 – I R 14/07, BFH/NV 2013, 1325 Rz. 14); dagegen auf die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 ff. AEUV) auch ab einer Beteiligung von 10 % abstellend EuGH v. 11.9.2014 – Rs. C-47/12 – Kronos International, ECLI:EU:C:2014:2200 = ISR 2014, 337; vgl. auch EuGH v. 3.10.2013 – Rs. C-282/12 – Itelcar, ECLI:EU:C:2013:629, Tz. 22 = ISR 2013, 376. 4 Roser in L/S, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 20a; Schnitter in Frotscher/Drüen, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 201; offengelassen BFH v. 11.3.2015 – I R 10/14, BFH/NV 2015, 921 Rz. 14. 5 Bei der Kapitalverkehrsfreit käme allerdings die Standstill-Klausel (Art. 64 Abs. 1 AEUV, Rz. 4.35) zur Anwendung, weil es sich bei § 9 Nr. 7 GewStG um ein „Alt-Vorschrift“ handelt, die bereits am 31.12.1993 bestand; offengelassen von BFH v. 11.3.2015 – I R 10/14, BFH/NV 2015, 921 Rz. 14; Roser in L/S, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 20a. 6 Eine dem § 8 Abs. 2 AStG entsprechende Regelung, also auch EWR-Fälle erfassend, wäre geboten gewesen. 7 Roser in L/S, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 56.
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C. Gewerbesteuer
greift nur dann ein, wenn das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg bei unmittelbarer Beteiligung (§ 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG) ausscheidet, weil die Tochtergesellschaft die in § 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG bestimmten Tätigkeitsvoraussetzungen nicht erfüllt. Das ist vor allem dann der Fall, wenn es sich bei der ausländischen Tochtergesellschaft um eine nicht privilegierte Holding1 handelt oder Ausschüttungen der nachgeschalteten Enkelgesellschaft bei der ausländischen Tochtergesellschaft zu Einkünften aus passivem Erwerb führen. Voraussetzung für das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg gem. § 9 Nr. 7 Satz 4 GewStG ist, dass das inländische Unternehmen an der ausländischen Tochtergesellschaft und diese an der ausländischen Enkelgesellschaft2 jeweils mit mindestens 15 % beteiligt sind und die mittelbare Beteiligungsquote 15 % erreicht.3 Die mittelbare Beteiligungsquote muss nicht während des Erhebungszeitraums ununterbrochen in gleichbleibender Höhe bestanden haben. Voraussetzung ist lediglich, dass die Beteiligung an der ausländischen Tochtergesellschaft und deren Beteiligung an der ausländischen Enkelgesellschaft seit Beginn des Erhebungszeitraums ununterbrochen mindestens bei 15 % lag.4
18.239
Weitere Voraussetzung ist darüber hinaus, dass das inländische Unternehmen in einem Wirtschaftsjahr Gewinne aus Anteilen an der Tochtergesellschaft bezogen und die Enkelgesellschaft zu einem Zeitpunkt, der in dieses Wirtschaftsjahr fällt, ihrerseits Gewinne an die Tochtergesellschaft ausgeschüttet hat. Abzustellen ist hierbei auf das Wirtschaftsjahr des inländischen Unternehmens, so dass in diesen Zeitraum sowohl die Ausschüttung der Enkelgesellschaft an die Tochtergesellschaft als auch die Ausschüttung der Tochtergesellschaft an das inländische Unternehmen fallen muss.5 Hierbei ist es ohne Bedeutung, in welcher zeitlichen Reihenfolge die Ausschüttungen der Tochtergesellschaft und der Enkelgesellschaft erfolgen.6
18.240
Schließlich muss die Enkelgesellschaft in dem Wirtschaftsjahr, für das sie die Gewinnanteile ausschüttet, ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AStG fallenden Tätigkeiten und/oder aus einer Beteiligung an einer ausländischen Landesholding bezogen haben (§ 9 Nr. 7 Satz 6 GewStG). Im Gegensatz zum gewerbesteuerlichen Schachtelprivileg bei unmittelbarer Beteiligung (§ 9 Nr. 7 Satz 1 GewStG) sind somit Bruttoerträge aus einer Beteiligung an einer Funktionsholding dem passiven Erwerb zuzurechnen.
18.241
Das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg gem. § 9 Nr. 7 Satz 4 GewStG beschränkt sich auf den Teil der vom inländischen Unternehmen bezogenen Gewinne, der der nach seiner mittelbaren Beteiligung auf das Unternehmen entfallenden Gewinnausschüttung der Enkelgesellschaft entspricht. Soweit die Toch-
18.242
1 Soweit sie also weder Landes- noch Funktionsholding ist. 2 Diese Regelung gilt analog für inländische Enkelgesellschaften. 3 Eine Zusammenrechnung von unmittelbaren und mittelbaren Beteiligungen scheidet aus; BFH v. 21.8.1996 – I R 186/94, BStBl. II 1997, 434; Güroff in Glanegger/Güroff8, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 12; Roser in L/S, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 59. 4 Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 323; Roser in L/S, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 58; Güroff in Glanegger/Güroff8, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 12a. 5 Roser in L/S, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 57; Güroff in Glanegger/Güroff8, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 13. 6 Roser in L/S, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 57.
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tergesellschaft in dem Wirtschaftsjahr des inländischen Unternehmens neben Gewinnanteilen einer Enkelgesellschaft noch andere Erträge bezogen hat, folgt eine weitere Einschränkung aus § 9 Nr. 7 Satz 5 GewStG; in derartigen Fällen ist das gewerbesteuerliche Schachtelprivileg nur auf den Teil der Ausschüttung der Tochtergesellschaft anzuwenden, der dem Verhältnis der Schachteldividende zur Summe der gesamten Erträge der Tochtergesellschaft entspricht.1 Der Höchstbetrag der Kürzung berechnet sich nach folgender Formel: Ausschuttung Tochtergesellschaft Ausschuttung Enkelgesellschaft ¨ ¨ ¨ der Tochtergesellschaft Gesamtbetrag der Ertrage
Übersteigen daher die von dem inländischen Unternehmen bezogenen Gewinnanteile diejenigen, die die Tochtergesellschaft von der Enkelgesellschaft bezogen hat und die mittelbar auf die Beteiligung des inländischen Unternehmens an der Tochtergesellschaft entfallen, so erstreckt sich die Steuerbefreiung nicht auf alle von der Muttergesellschaft bezogenen Gewinnanteile. Insoweit wird lediglich eine teilweise Steuerbefreiung gewährt. Sind die vom inländischen Unternehmen bezogenen Gewinnanteile dagegen niedriger als diejenigen, die die Tochtergesellschaft von der Enkelgesellschaft bezogen hat und die mittelbar auf die Beteiligung des inländischen Unternehmens an einer Tochtergesellschaft entfallen, so sind die bezogenen Gewinnanteile in vollem Umfang steuerbefreit, ohne dass ein nicht ausgeschöpfter Höchstbetrag in anderen Jahren berücksichtigungsfähig wäre.2
D. Erbschaftsteuer Literatur Kommentare zu § 21 ErbStG; Arlt, Internationale Erbschaft- und Schenkungsteuerplanung, Herne/Berlin 2001; Arlt, Vermeidung der Doppelbesteuerung bei internationalen Erbfällen und Schenkungen als Problem der Erbschaftsteuerplanung, in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung, 3. Aufl. 2011, 1931; Bachmann/Richter, Anrechnungshöchstbetrag bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer: Ist die Rechtsprechung von EuGH und BFH zur Unionsrechtswidrigkeit von § 34c Abs. 1 S. 2 EStG auf § 21 Abs. 1 S. 2 ErbStG übertragbar?, FR 2014, 928; Bechthold, Vermeidung von Doppelbesteuerung bei internationalen Erb- und Schenkungsfällen, 2015; Beul, Beschränkung europäischer Niederlassungsfreiheit und Art. 220 EGV, IStR 1997, 1; Birnbaum, Leistungsfähigkeitsprinzip und ErbStG, Berlin 2007; Dautzenberg/Brüggemann, EG-Vertrag und deutsche Erbschaftsteuer, BB 1997, 123; Deinigner/Götzenberger, Internationale Vermögensnachfolgeplanung mit Auslandsstiftungen und Trusts, Angelbachtal 2006; Dißars/Dißars, Die Anrechnung ausländischer Erbschaft- und Schenkungsteuer in Deutschland, RIW 1996, 144; Faltings, Die Vermeidung der Doppelbesteuerung im internationalen Erbschaftsteuerrecht, 2010; Flick/ Piltz, Der internationale Erbfall, 2. Aufl. München 2008; Fraberger, Nationale und Internationale Unternehmensnachfolge, Wien 2001; Hamdan, Die Beseitigung internationaler Doppelbeteuerung durch § 21 ErbStG, Angelbachtal 2007; Hönninger, Internationale Doppelbesteuerung im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, Frankfurt/M. 2003; Jülicher, Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer nach § 21 ErbStG: Eine Vorschrift im Wandel?, 1 Zu Einzelheiten Roser in L/S, § 9 Nr. 7 GewStG Rz. 56. 2 Gosch in Blümich, § 9 GewStG Rz. 327; Schnitter in Frotscher/Drüen, § 9 GewStG Rz. 229.
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D. Erbschaftsteuer in FS Frotscher, 2013, 273; Jülicher, Die anrechenbare Steuer im Sinne des § 21 ErbStG, ZEV 1996, 295; Krawitz/Dornhöfer, Möglichkeiten zur Vermeidung einer internationalen Mehrfachbelastung mit Erbschaft- und Schenkungsteuer bei der unentgeltlichen Übertragung von ausländischem Unternehmensvermögen, in Kessler/Förster/Watrin, Unternehmensbesteuerung, FS für Herzig, München 2010, 381; Schaumburg, Problemfelder im Internationalen Erbschaftsteuerrecht, RIW 2001, 161; Schnitger, Geltung der Grundfreiheiten des EGVertrages im deutschen internationalen Erbschaftsteuerrecht, FR 2004, 185; Wachter, Deutsches Erbschaftsteuerrecht und europäisches Gemeinschaftsrecht, FR 2004, 1256; Wacker, Internationale Besteuerung von Schenkungs- und Erbfällen, IStR 1998, 33; Wassermeyer, Die Vermeidung der Doppelbesteuerung im Europäischen Binnenmarkt, DStJG 19 (1996), 151; Watrin, Erbschaftsteuerplanung internationaler Familienunternehmen, Düsseldorf 1997.
Im innerstaatlichen Recht wird für den Bereich der Erbschaftsteuer die Doppelbesteuerung allein durch Steueranrechnung (§ 21 ErbStG) vermieden. § 21 ErbStG ist eine kollisionsauflösende Norm, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG steht, der die Tatbestände der unbeschränkten und erweiterten unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht enthält. Es handelt sich hierbei um eine kollisionsbegründende Norm, die den gesamten Vermögensanfall der Erbschaftsteuer unterwirft (Weltvermögensprinzip) und damit auf Doppelbesteuerung ausgerichtet ist (Rz. 8.26).
18.243
In seiner Grundstruktur ist § 21 ErbStG dem § 34c EStG nachgebildet. Allerdings bleibt seine Reichweite deutlich hinter § 34c EStG zurück. So sieht § 21 ErbStG im Gegensatz zu § 34c EStG weder einen Steuerabzug noch eine Steuerpauschalierung oder einen Steuererlass vor. Der Steuerabzug ist sogar gem. § 10 Abs. 8 ErbStG ausdrücklich ausgeschlossen.1 Unter dieses Abzugsverbot fallen auch ausländische Erbschaftsteuerschulden.2 Trotz Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuern verbleibt in der Praxis nicht selten eine erhebliche Doppelbesteuerung, die sich insbesondere im Falle der erweiterten unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht als Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip erweist.3 Das gilt insbesondere in den Fällen, in denen der Erblasser in zwei Staaten etwa wegen doppelten Wohnsitzes unbeschränkt steuerpflichtig war und eine Anrechnung versagt bleibt, wenn aus der Sicht beider Staaten kein Auslandsvermögen übergegangen ist.4 Bei verbleibender Doppelbesteuerung ist daher stets ein Steuererlass (§§ 163, 227 AO) geboten.5
18.244
1 BFH v. 19.6.2013 – II R 10/12, BStBl. II 2013, 746; Geck in K/E, § 10 ErbStG Rz. 177; Weinmann in M/W, § 10 ErbStG Rz. 104; Gebel in T/G/J, § 10 ErbStG Rz. 268, a.A. Meincke16, § 10 ErbStG Rz. 59, wonach § 10 Abs. 8 ErbStG den Abzug ausländischer Erbschaftsteuer von der Bemessungsgrundlage der inländischen Erbschaftsteuer nicht verbiete. 2 Geck in K/E, § 10 ErbStG Rz. 177; Gebel in T/G/J, § 10 ErbStG Rz. 268, HE 10.11 ErbStR; ein wahlweiser Abzug wäre im Hinblick auf den Anrechnungshöchstbetrag allerdings geboten; vgl. Meincke16, § 21 ErbStG Rz. 2. 3 Im Hinblick darauf besteht die Notwendigkeit, insbesondere zwischen den EU-Mitgliedstaaten DBA vermehrt auch über Erbschaftsteuern abzuschließen; hierzu Wassermeyer, DStJG 19 (1996), 151 ff.; Beul, IStR 1997, 1 ff. 4 Keine Europarechtswidrigkeit: EuGH v. 12.2.2009 – Rs. C-67/08 – Block, DStR 2009, 373; hierzu Eisele in K/E, § 21 ErbStG Rz. 15.1; Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 2, 75; Oellerich in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.72; zur Kritik Hamdan/ Hamdan, ZEV 2009, 203. 5 Zu Billigkeitsmaßnahmen Eisele in K/E, § 21 ErbStG Rz. 16.1; Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 6.
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18.245
Im Hinblick darauf, dass insbesondere die Reichweite der unbeschränkten und erweiterten unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht sehr weit gezogen ist und nur wenige DBA die Erbschaftsteuer erfassen,1 greift die in § 21 ErbStG verankerte Steueranrechnung zu kurz. Das auch für die Erbschaftsteuer geltende Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (Rz. 7.4)2 gebietet weitergehende Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Diesem Gesichtspunkt ist bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer durch die Möglichkeit des Steuerabzugs (§ 34c Abs. 2, 3 EStG, § 26 Abs. 1 Satz 2 KStG) jedenfalls teilweise entsprochen. Es ist kein Grund erkennbar, warum de lege ferenda nicht jedenfalls wahlweise ein Steuerabzug eingeräumt wird.3
18.246
Als unilaterale Maßnahme zur Vermeidung der Doppelbesteuerung greift § 21 ErbStG nur dann ein, wenn DBA (Erbschaftsteuerabkommen) nicht anzuwenden sind (§ 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG).4 Da die von Deutschland abgeschlossenen Erbschaftsteuerabkommen durchweg nur die Erbschaftsteuer selbst, nicht aber die Schenkungsteuer betreffen,5 bleibt die Steueranrechnung bei Schenkungen insoweit möglich.
18.247
Die Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer ist unter folgenden Voraussetzungen zulässig: – Antrag, – unbeschränkte Steuerpflicht beim Erwerb, – auf Auslandsvermögen erhobene und tatsächlich gezahlte ausländische Erbschaftsteuer, soweit sie der deutschen Erbschaftsteuer entspricht, – Berücksichtigung der ausländischen Erbschaftsteuer nur innerhalb von fünf Jahren seit dem Zeitpunkt ihres Entstehens und nur bis zu einem bestimmten Höchstbetrag.
18.248
Die Steueranrechnung ist nur bei Erbfällen und Schenkungen mit unbeschränkter Steuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) vorgesehen. Erblasser (Schenker) oder der Erwerber müssen also zum Zeitpunkt des Erwerbs Inländer sein. Bei beschränkter Erbschaftsteuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG) und erweiterter beschränkter Erbschaftsteuerpflicht (§ 4 AStG) ist eine Anrechnung dagegen ausgeschlossen.6
18.249
Obwohl § 21 Abs. 1 Satz 1 ErbStG für Zwecke der Anrechnung darauf abstellt, dass der Erwerber selbst zur ausländischen Steuer herangezogen worden ist, ist
1 Vgl. die Aufstellung in BStBl. I 2016, 76. 2 Birnbaum, Leistungsfähigkeitsprinzip und ErbStG. 3 Hierzu Meincke, § 21 ErbStG Rz. 2, der den Steuerabzug allerdings schon de lege lata für möglich hält. 4 Soweit abkommensrechtlich die Anrechnungsmethode vorgesehen ist, finden die Vorschriften des § 21 Abs. 1–3 ErbStG allerdings entsprechende Anwendung (§ 21 Abs. 4 ErbStG). 5 Ausnahme: DBA-USA (Erb); DBA-Schweden; DBA-Dänemark; DBA-Frankreich (Erb); zum DBA-Schweiz (Erb) vgl. BMF v. 7.4.1988 – IV C 6 - S 1301 Schz - 25/88, DB 1988, 938: Verständigungsregelung zu Schenkungen von Geschäftsbetrieben. 6 Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 11.
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D. Erbschaftsteuer
eine Steuersubjektidentität im formaljuristischen Sinne nicht erforderlich.1 Andernfalls ginge die Anrechnungsvorschrift des § 21 ErbStG weitgehend ins Leere, weil die Erbschaftsteuer international nicht nur als Erbanfallsteuer, die für den Erwerber festgesetzt wird, ausgeprägt ist, sondern auch als Nachlasssteuer, die noch für die Person des Erblassers festgesetzt wird.2 Im Hinblick darauf kann der Erwerber die ausländische Erbschaftsteuer nicht nur dann anrechnen, wenn er selbst der Schuldner ist oder durch diese unmittelbar wirtschaftlich belastet wird, sondern auch dann, wenn, wie im Falle einer Nachlasssteuer, diese den Nachlass3 und damit alle Teile des Nachlasses belastet.4 Folgerichtig gehören daher zu den anrechenbaren ausländischen Erbschaftsteuern nicht nur Erbanfallsteuern, sondern auch ausländische Nachlasssteuern, die auf dem Nachlass selbst lasten.5 Anrechenbar ist schließlich auch eine ausländische Schenkungsteuer, die für Zuwendungen unter Lebenden erhoben wird. Ohne Bedeutung ist hierbei die Bezeichnung dieser Steuer. Entscheidend ist allein, ob die Steuer auf einen Vermögensübergang unter Lebenden deshalb erhoben wird, weil dieser unentgeltlich und freigebig ist.6 Stets muss aber die ausländische Erbschaftsteuer, gleich ob sie nach den Gesetzen einer Provinz oder eines Landes erhoben wird,7 die Vermögenssubstanz als solche belasten.8 Daher ist etwa die kanadische Kapitalgewinnsteuer (capital gains tax), die in Erbfällen nur die Wertsteigerung der Vermögenssubstanz besteuert, nicht anrechenbar.9 In Betracht kommt daher nur ein Schuldenabzug gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG.10 Die ausländische Erbschaftsteuer ist ohne Rücksicht darauf anrechenbar, ob die deutsche und ausländische Steuerschuld im gleichen Zeitpunkt entstanden sind. Entscheidend ist allein, dass die ausländische Erbschaftsteuer für denselben Erbfall oder für dieselbe Schenkung erhoben wird wie die deutsche Erbschaftsteuer. § 21 Abs. 1 Satz 4 ErbStG zieht allerdings eine zeitliche Grenze. Hiernach ist nur diejenige ausländische Steuer anrechenbar, die bis zu fünf Jahren vor der deutschen Erbschaftsteuer entstanden ist. Nicht geregelt ist der Fall, dass die ausländische Steuer zeitlich erst nach der deutschen Erbschaftsteuer entsteht. Da ein sachlicher Grund 1 BFH v. 6.3.1990 – II R 32/86, BStBl. II 1990, 786, Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 34; Eisele in K/E § 21 ErbStG Rz. 1, 21; Moench in M/W, § 21 ErbStG Rz. 7; Meincke, § 21 ErbStG Rz. 13. 2 Vgl. hierzu den Länderüberblick bei Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 91 ff. 3 So etwa die vom Trustee als Steuerschuldner entrichtete Nachlasssteuer bei einem nach anglo-amerikanischem Recht errichteten Nachlasstrust; BFH v. 28.2.1979 – II R 165/74, BStBl. II 1979, 438; v. 6.3.1990 – II R 32/86, BStBl. II 1990, 786; Eisele in K/E, § 21 ErbStG Rz. 26.1. 4 BFH v. 6.3.1990 – II R 32/86, BStBl. II 1990, 786; Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 34; Moench in M/W, § 21 ErbStG Rz. 7; Eisele in K/E, § 21 ErbStG Rz. 9. 5 BFH v. 26.6.1963 – II 196/61 U, BStBl. III 1963, 402; v. 28.2.1979 – II R 165/74, BStBl. II 1979, 438; v. 6.3.1990 – II R 32/86, BStBl. II 1990, 786; Eisele in K/E, § 21 ErbStG Rz. 1; Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 91 ff. 6 Eisele in K/E, § 21 ErbStG Rz. 6. 7 BFH v. 15.5.1964 – II 177/61 U, BStBl. III 1964, 408; Richter in Viskorf4, § 21 ErbStG Rz. 17. 8 Ausführlich hierzu Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 20 ff. mit Hinweisen zu anrechenbaren und nicht anrechenbaren Auslandssteuern. 9 BFH v. 26.4.1995 – II R 13/92, BStBl. II 1995, 540; Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 19. Entsprechendes gilt für die in den USA auf Versicherungsleistungen erhobene „federal income tax withheld“; BFH v. 15.6.2016 – II R 51/14, ISR 2016, 421. 10 BFH v. 26.4.1995 – II R 13/92, BStBl. II 1995, 540.
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18.250
Kap. 18 Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung
für eine Differenzierung zwischen beiden Fallgruppen nicht besteht, ist im Wege teleologischer Reduktion eine Anwendung des § 21 Abs. 1 Satz 4 ErbStG für den Fall geboten, dass die ausländische Erbschaftsteuer innerhalb von fünf Jahren nach der deutschen Erbschaftsteuer entsteht.1 Die Änderung eines bereits bestandskräftigen Erbschaftsteuerbescheides ist sodann gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO möglich.2 18.251
Anrechenbar ist nur die tatsächlich gezahlte ausländische Erbschaftsteuer. § 21 ErbStG legt zwar nicht fest, nach welchem Stichtag und Kurs die anzurechnende ausländische Steuer in die deutsche Währung umzurechnen ist, es ist aber sachgerecht, auf den Tag abzustellen, an dem die deutsche Erbschaftsteuer für den Erwerb entstanden ist.3
18.252
In Anlehnung an die Anrechnungsvorschrift des § 34c Abs. 1 EStG lässt auch § 21 Abs. 1 ErbStG die Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuern nur bis zu dem Betrag der deutschen Erbschaftsteuer zu, der auf das Auslandsvermögen entfällt. Gemäß § 21 Abs. 1 Satz 2 ErbStG ist die auf das Auslandsvermögen entfallende deutsche Erbschaftsteuer in der Weise zu ermitteln, dass die für das steuerpflichtige Gesamtvermögen sich ergebende Erbschaftsteuer im Verhältnis des steuerpflichtigen Auslandsvermögens zum steuerpflichtigen Gesamtvermögen aufgeteilt wird. Auszugehen ist hierbei jeweils von den Nettowerten, also von den Steuerwerten abzgl. Verbindlichkeiten, aber ohne Abzug von persönlichen Freibeträgen (§§ 16, 17 ErbStG)4 und ausländischer Steuer.5 Demgemäß wird der Höchstbetrag nach folgender Formel ermittelt: Hochstbetrag ¼ ¨
18.253
deutsche Erbschaftsteuer steuerpflichtiges Auslandsvermogen ¨ steuerpflichtiges Gesamtvermogen ¨
5
Nach der vorstehenden Formel ist der Höchstbetrag für jeden Staat gesondert zu berechnen (§ 21 Abs. 1 Satz 3 ErbStG)7 mit der Folge von nicht nutzbaren Anrechnungsüberhängen.8 1 Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 58; Moench in M/W, § 21 ErbStG Rz. 17; Jochum in W/J, § 21 ErbStG Rz. 106; Schaumburg, RIW 2001, 161 (168); Krawitz/Dornhöfer in FS Herzig, 381 (391). 2 BFH v. 22.9.2010 – II R 54/09, BStBl. II 2011, 247; Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 50; Eisele in K/E, § 21 ErbStG Rz. 27. 3 BFH v. 19.3.1991 – II R 134/88, BStBl. II 1991, 521; v. 26.4.1995 – II R 13/92, BStBl. II 1995, 540; kritisch hierzu Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 54; hiernach soll bei gestiegenem Wechselkurs der Tag der Zahlung maßgeblich sein. 4 BFH v. 10.7.1963 – II 115/62, HFR 1964, 12; Moench in M/W, § 21 ErbStG Rz. 15; ein in Orientierung an das Urteil des EuGH v. 28.2.2013 – Rs. C-168/11 – Beker, ECLI:EU:C:2013:117 = ISR 2013, 275 vorzunehmender Abzug beim Gesamtvermögen und teilweise beim Auslandsvermögen führt zu keiner Verschiebung der Wertrelationen; vgl. Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 68; Eisele in K/E, § 21 ErbStG Rz. 3, 10; Bachmann/ Richter, FR 2014, 829. 5 Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 56; Meincke16, § 21 ErbStG Rz. 21 f.; Moench in M/W, § 21 ErbStG Rz. 14. 6 Die Bewertung des Auslands- und Gesamtvermögen erfolgt nach deutschen Vorschriften, wobei das Gesamtvermögen i.S. von Nettovermögen zu verstehen ist; Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 58. 7 Zur Kritik an der per country limitation Rz. 18.107. 8 Eisele in K/E, § 21 ErbStG Rz. 12; W. Wassermeyer in Flick/Piltz, Der internationale Erbfall, Rz. 1398.
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D. Erbschaftsteuer
Die Höhe der anrechenbaren ausländischen Erbschaftsteuer hängt im Wesentlichen davon ab, in welchem Umfang das im Ausland belegene Vermögen bei der Anrechnung berücksichtigt wird. § 21 Abs. 2 ErbStG unterscheidet zwei Fallgruppen:
18.254
– War der Erblasser zur Zeit seines Todes Inländer, zählen zum Auslandsvermögen alle auf den ausländischen Staat entfallenden Vermögensgegenstände der in § 121 BewG genannten Art sowie alle Nutzungsrechte an diesen Vermögensgegenständen. – War der Erblasser zur Zeit seines Todes kein Inländer, zählen zum Auslandsvermögen alle Vermögensgegenstände mit Ausnahme des Inlandsvermögens i.S. des § 121 BewG sowie aller Nutzungsrechte an diesen Vermögensgegenständen. Für diese zweite Fallgruppe ist der Begriff des Auslandsvermögens deshalb weiter gefasst, weil der Erwerb eines inländischen Erwerbers aus einem ausländischen Nachlass regelmäßig bereits in dem Staat, in dem der Erblasser seinen Wohnsitz hatte, in vollem Umfang der Besteuerung unterlegen hat.1
18.255
Die Begrenzung der Anrechenbarkeit auf jene ausländische Erbschaftsteuer, die auf ausländische Vermögensgegenstände der in § 121 BewG genannten Art entfällt (erste Fallgruppe), ist nicht sachgerecht. Wird nämlich im Rahmen der unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) Erbschaftsteuer für den gesamten Vermögensanfall beansprucht (Weltvermögensprinzip), so ist folgerichtig die Doppelbesteuerung auch für den gesamten Vermögensanfall zu vermeiden. Die Anknüpfung an § 121 BewG ist daher konzeptionell verfehlt. Sie bewirkt, dass für zahlreiche Vermögensgegenstände, die aufgrund des § 121 BewG nicht als ausländische Vermögensgegenstände qualifiziert werden können, eine Doppelbesteuerung entweder überhaupt nicht oder nur eingeschränkt vermieden werden kann.2 Fallen etwa ausländische Wertpapiere in den Nachlass eines inländischen Erblassers, ist eine Anrechnung der auf diese Wertpapiere erhobenen ausländischen Erbschaftsteuer gem. § 21 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ErbStG ausgeschlossen.3 In diesen Fällen ist indessen eine Steueranrechnung aus Billigkeitsgründen (§§ 163, 227 AO) geboten.4
18.256
1 Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 77; Moench in M/W, § 21 ErbStG Rz. 20. 2 Kein Verstoß gegen Verfassungsrecht: BFH v. 5.5.2004 – II R 33/02, BFH/NV 2004, 1279. 3 Kein Verstoß gegen die Grundfreiheiten (Kapitalverkehrsfreiheit): EuGH v. 12.2.2009 – Rs. C-67/08 – Block, Slg. 2009, I-883, Tz. 28 ff.; BFH v. 29.6.2013 – II R 10/12, BStBl. II 2013, 746. 4 Eisele in K/E, § 21 ErbStG Rz. 17; Moench in M/W, § 21 ErbStG Rz. 21, 22; Meincke16, § 21 ErbStG Rz. 30; Jülicher in T/G/J, § 21 ErbStG Rz. 79.
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Kapitel 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) A. Einführung . . . . . . . . . . . . .
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19.1
B. Multinationale Entwicklung . . 19.12 I. Deutsche DBA . . . . . . . . . . 19.12 II. Musterabkommen . . . . . . . . 19.14 C. Abschluss und Wirksamwerden von DBA . . . . . . . . . . . . . . 19.19 D. Änderungen und Erlöschen von DBA . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.24 I. Änderungen und Ergänzungen . 19.24 II. Außerkrafttreten . . . . . . . . . 19.26 E. I. II. 1.
Anwendung von DBA . . . . Normengruppen . . . . . . . . Normenkonkurrenz . . . . . Verhältnis zum nationalen Recht . . . . . . . . . . . . . . 2. Verhältnis zum Europarecht
. . 19.29 . . 19.29 . . 19.37
G. I. II. 1. 2. 3. III. 1.
. . 19.37 . . 19.41
2.
F. Auslegung von DBA . . . . . . . 19.49 I. Abkommensspezifische Auslegungsgrundsätze . . . . . . 19.49 1. Regelungssouveränität der Abkommen . . . . . . . . . . . . . . 19.49 2. Regelungshomogenität der Abkommen . . . . . . . . . . . . . . 19.52 II. Auslegungsrichtlinien der Abkommen . . . . . . . . . . . . 19.54 1. Reichweite der Auslegungsrichtlinien . . . . . . . . . . . . . 19.54 2. Begriffsdefinitionen der Abkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.58 3. Auslegung nach dem Sinnzusammenhang . . . . . . . . . . 19.61 4. Rückgriff auf innerstaatliches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . 19.64 III. Völkerrechtliche Auslegungsregeln . . . . . . . . . . . . . . . . 19.67 IV. Hilfsmittel der Auslegung . . . . 19.73 V. Auslegungskonflikte . . . . . . . 19.79 VI. Verständigungsverfahren . . . . 19.88 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . 19.88 2. Verständigungsverfahren in Einzelfällen . . . . . . . . . . . . . . 19.94 3. Vorabverständigungsverfahren (APAs) . . . . . . . . . . . . . . . 19.104 4. Konsultationsverfahren . . . . . 19.108 5. Schiedsverfahren . . . . . . . . . 19.110
IV.
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VII. EU-Schiedsverfahrenskonvention . . . . . . . . . . . . 19.114 1. Allgemeine Hinweise . . . . . . 19.114 2. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . 19.118
1. 2. 3. H. I. II. III. I.
Steuerumgehung bei DBA . . . . 19.124 Gestaltungen in der Praxis . . . 19.124 Reichweite des § 42 AO . . . . . 19.133 Missbrauchsklauseln der DBA . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.133 DBA ohne Missbrauchsklauseln . . . . . . . . . . . . . . 19.145 Missbrauchsklauseln des nationalen Rechts . . . . . . . . 19.150 Anwendung des § 42 AO . . . . 19.154 Unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht . . . . . . . . . . 19.154 Tatbestandsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 19.155 Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG . . . . . . . . . . . . . . . . 19.160 Einführung . . . . . . . . . . . . . 19.160 Anwendungsvoraussetzungen . 19.163 Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . 19.168 Persönlicher Geltungsbereich Anknüpfungsgrundsätze . . . . Personengesellschaften . . . . Dreiecksverhältnisse . . . . . . Räumlicher Geltungsbereich .
. 19.169 . 19.169 . 19.177 . 19.182 . 19.184
J. Sachlicher Geltungsbereich . . . 19.189 K. Steuerberechtigung . . . . . . . . 19.194 I. Grundregel . . . . . . . . . . . . . 19.194 II. Kollisionsregel . . . . . . . . . . 19.202 L. Verteilung der Steuergüter . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . II. Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . 2. Begriffsabgrenzung nach dem Recht des Belegenheitsstaates 3. Reichweite des Belegenheitsprinzips . . . . . . . . . . . . . . III. Unternehmensgewinne . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . 2. Begriffsabgrenzungen . . . . . .
. 19.211 . 19.211 . 19.219 . 19.219 . 19.224 . 19.227 . 19.229 . 19.229 . 19.234
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) 3. Betriebsstättengewinne . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . b) Betriebsstättenbegriff . . . . c) Gewinnzuordnung . . . . . 4. Gewinne aus Schifffahrt und Luftfahrt . . . . . . . . . . 5. Gewinnabgrenzung bei verbundenen Unternehmen . . . . a) Allgemeines . . . . . . . . . b) Erstberichtigung . . . . . . . c) Gegenberichtigung . . . . . IV. Dividendeneinkünfte . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . 2. Dividendenbegriff . . . . . . . . 3. Besteuerung im Quellenstaat . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verbot extraterritorialer Besteuerung . . . . . . . . . . . V. Zinseinkünfte . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . 2. Zinsbegriff . . . . . . . . . . . . 3. Besteuerung im Quellenstaat . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Lizenzgebühren . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . 2. Lizenzbegriff . . . . . . . . . . . 3. Besteuerung im Wohnsitzstaat und Quellenstaat . . . . . . . . VII. Veräußerungsgewinne . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . 2. Gewinne aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Betriebsvermögens . . . . . . . . . . . . 4. Gewinne aus der Veräußerung von Schiffen und Luftfahrzeugen . . . . . . . . . . . . 5. Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Immobiliengesellschaften . . . 6. Gewinne aus der Veräußerung von übrigem Vermögen . . VIII. Einkünfte aus selbständiger Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . 2. Einordnung der Einkünfte . . . 3. Besteuerung im Quellenstaat . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Einkünfte aus unselbständiger Arbeit . . . . . . . . . . . . . . .
. 19.239 . 19.239 . 19.241 . 19.264 . 19.280 . 19.289 . 19.289 . 19.298 . 19.314 . 19.324 . 19.324 . 19.329 . 19.346 . 19.353 . 19.356 . 19.356 . 19.361 . 19.365 . 19.369 . 19.369 . 19.372 . 19.376 . 19.378 . 19.378 . 19.381 . 19.385 . 19.394 . 19.396 . 19.399 . 19.404 . 19.404 . 19.410 . 19.412 . 19.419
1. Allgemeines . . . . . . . . . . . 19.419 2. Einordnung der Einkünfte . . . 19.422 3. Besteuerung im Staat des Tätigkeitsortes . . . . . . . . . 19.424 4. Besteuerung im Staat des Ortes der Geschäftsleitung . . 19.439 5. Besteuerung im Wohnsitzstaat . . . . . . . . . . . . . . . . 19.443 X. Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen . . . . . 19.450 XI. Einkünfte von Künstlern und Sportlern . . . . . . . . . . . . . 19.453 XII. Ruhegehälter . . . . . . . . . . . 19.459 XIII. Einkünfte aus dem öffentlichen Dienst . . . . . . . . . . 19.462 XIV. Einkünfte von Studenten . . . 19.466 XV. Andere Einkünfte . . . . . . . . 19.473 XVI. Vermögen . . . . . . . . . . . . 19.478 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . 19.478 2. Belegenheitsprinzip . . . . . . . 19.482 3. Betriebsstättenprinzip . . . . . 19.484 4. Besteuerung am Ort der Geschäftsleitung . . . . . . . . 19.489 5. Wohnsitzprinzip . . . . . . . . . 19.490 XVII. Nachlässe und Erbschaften . . 19.493 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . 19.493 2. Besteuerung im Belegenheitsstaat . . . . . . . . . . . . . . . . 19.501 3. Besteuerung im Betriebsstättenstaat . . . . . . . . . . . . 19.505 4. Besteuerung im Wohnsitzstaat . . . . . . . . . . . . . . . . 19.510 M. Vermeidung der Doppelbesteuerung . . . . . . . . . . . 19.512 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . 19.512 II. Steuerfreistellung . . . . . . . 1. Grundsätze . . . . . . . . . . 2. Einkünfte und Vermögen . 3. Progressionsvorbehalt . . . 4. Aufwandsabzug . . . . . . . 5. Betriebsstättenfreistellung . 6. Internationales Schachtelprivileg . . . . . . . . . . . . III. 1. 2. 3.
. . . . . .
. 19.521 . 19.521 . 19.531 . 19.534 . 19.541 . 19.543
. . 19.545
Steueranrechnung . . . . . . . Grundsätze . . . . . . . . . . . Anrechenbare Steuern . . . . Anrechnung fiktiver Steuern
. 19.552 . 19.552 . 19.553 . 19.566
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) Literatur Kommentare zu deutschen DBA: Arthur Andersen & Co. GmbH, DBA-USA 1989; Becker, DBA-Kanada; Debatin/Endres, DBA-USA 1989; Debatin/Walter, DBA-USA 1954; Gosch/ Kroppen/Grotherr, DBA; Endres/Jacob/Gohr/Klein, DBA Deutschland-USA 2006, Flick/ Krabbe, DBA-Brasilien; Flick/Wassermeyer/Kempermann, DBA-Schweiz; Gassner/Lang/ Lechner, Das neue DBA Österreich-Deutschland; Grützner, DBA; Haase, AStG/DBA; Hacker, Die DBA Russlands und der anderen GUS-Staaten; Heining/Timbart, DBA-Frankreich; Hilty, DBA Deutschland-Schweiz; Jacob, DBA-USA; Kessler/Linz/Achilles-Pujol, DBA-Kommentar Deutschland/Frankreich; Krabbe, DBA Deutschland-Uruguay; Kreile, DBA-China; Lang, M./Schuch, DBA-Österreich; Locher/Meier/von Siebenthal/Kolb, DBASchweiz; Meyer-Marsilius/Hangarter, DBA-Schweiz; Rotter/Welz/Lammers, Kommentar zur Verhandlungsgrundlage für DBA, 2014; Safarik, DBA Schweiz-Tschechien; SchulzeBrachmann, Doppelbesteuerung; Schönfeld/Ditz, DBA; Schulze-Brachmann/Dirksen, DBA-Niederlande; Shannon, Die DBA der USA; Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA; Vogel/Lehner, DBA; Wassermeyer, DBA; Weber, Handausgabe der DBA; Wingert/Krause, DBA.
A. Einführung Literatur Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, Amsterdam 1964; Debatin, System und Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen, DB 1985, Beilage 23, 1; Debatin, Doppelbesteuerungsabkommen und innerstaatliches Recht, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 1; Escher, Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, Bern/Stuttgart 1974; Höhn, Handbuch des Internationalen Steuerrechts der Schweiz, Bern/Stuttgart 1984; Höhn/David, Doppelbesteuerungsrecht, Bern/Stuttgart 1973; Isay, Internationales Finanzrecht, Stuttgart/Berlin 1934; Knechtle, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, Basel/ Stuttgart 1976; Kofler, Doppelbesteuerungsabkommen und Europäisches Gemeinschaftsrecht, Wien 2007; Kormann, Die Steuerpolitik der internationalen Unternehmung, Düsseldorf 1970; Lampert, Doppelbesteuerungsrecht und Lastengleichheit, Baden-Baden 2010; Lang, M., Einführung in das Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 1997; Lang, M., Multilateral Tax Treaties – New Developments in International Tax Law, Wien 1997; Locher, Einführung in das Internationale Steuerrecht der Schweiz, 3. Aufl. Bern 2005; Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, Baden-Baden 2008; Loukota/Jirousek, Doppelbesteuerung und Gemeinschaftsrecht; SWI 2007, 295; Maßbaum/Meyer-Scharenberg/Perlet, Die deutsche Unternehmensbesteuerung im europäischen Binnenmarkt, Neuwied 1995; Mattson, Gehört den multilateralen DBA die Zukunft?, Hamburg 1985; Preuninger, Rechtsprobleme des Funktionswandels deutscher Doppelbesteuerungsabkommen, Diss. Mannheim 1980; Rädler/Raupach, Deutsche Steuern bei Auslandsbeziehungen, München/Berlin 1966; Reimer, Das Multilaterale Übereinkommen (BEPS-Maßnahme Nr. 15) als Instrument einer flexiblen Anpassung der bestehenden DBA, IStR 2015, 1; Scherer, Doppelbesteuerung und Europäisches Gemeinschaftsrecht, München 1995; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, Amsterdam 1936 (Neudruck Köln 1967); Teichner, Internationales Steuerrecht, Stuttgart 1967; Vogel, Probleme der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, SWI 2000, 103.
19.1
Zu den unilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung gehören grundsätzlich nur solche Maßnahmen, die einseitig von den Wohnsitzstaaten zugunsten ihrer unbeschränkt steuerpflichtigen Personen1 ergriffen werden. Im 1 Ausnahme: Unter den Voraussetzungen des § 50 Abs. 3 EStG werden auch beschränkt steuerpflichtige Personen einbezogen; vgl. Rz. 18.51.
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Schaumburg/Häck
A. Einführung
Vordergrund steht die Steueranrechnungsmethode, die allerdings in ihrer Ausprägung, die sie in der internationalen Praxis erfahren hat, eine Anrechnung der Steuern des Quellenstaates nur bis zur Höhe der Steuer im Wohnsitzstaat zulässt (Rz. 18.104 ff.). Da die unilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der einzelnen Staaten nicht aufeinander abgestimmt und darüber hinaus auch sehr unvollkommen ausgestaltet sind, vermögen sie eine Doppelbesteuerung letztlich nicht vollständig zu vermeiden. Für einen Ausgleich des internationalen Regelungsgefälles wäre ein multilaterales Regelungssystem, etwa in Form von multilateralen DBA, am besten geeignet. Derartige multilaterale DBA haben aber im Verhältnis zu den bilateralen DBA bisher nur eine geringe Bedeutung erlangt. Ein multilaterales Abkommen ist nicht einmal für den Bereich der EU vorgesehen,1 obwohl hierdurch dem Integrationsziel und der Binnenmarktkonzeption in besonderer Weise entsprochen werden könnte.2 Im Hinblick darauf ist es geboten, dass die Mitgliedstaaten, soweit erforderlich, bilaterale Verhandlungen einleiten, um die Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb der Gemeinschaft sicherzustellen.3 Dass multilaterale DBA4 bisher keine nennenswerte Bedeutung erlangt haben, hat seinen Grund in den unterschiedlichen fiskalpolitischen Interessenlagen, die in multilateralen Abkommen nicht ohne weiteres auszugleichen sind.5
19.2
In der internationalen Praxis stehen bilaterale DBA im Vordergrund. Das Abkommensnetz ist allerdings lückenhaft, so dass eine internationale Doppelbesteuerung nur unvollkommen vermieden wird. Da sich derartige Lücken im Doppelbesteuerungsnetz für den grenzüberschreitenden Geschäftsverkehr als außerordentlich hinderlich erweisen, werden nicht selten Gestaltungen gewählt, die auf die (missbräuchliche) Erlangung von Abkommensschutz ausgerichtet sind (zu diesem Treaty-Shopping Rz. 19.127 ff.).
19.3
1 Zum Vorentwurf eines multilateralen europäischen DBA aus dem Jahre 1968 vgl. Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 256d; Text abgedruckt bei Regul, Steuern und Zölle im gemeinsamen Markt, V/VI, DBA, Bd. 8, V B/2. 2 Hierzu Lang, M., Multilateral Tax Treaties – New Developments in International Tax Law; Kofler, DBA und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 374 ff.; Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 29; Loukota/Jirousek, SWI 2007, 295 (301); Vogel, SWI 2000, 103 (106). 3 Auf der Grundlage von Art. 293 EG a.F. ist am 23.7.1990 ein multilaterales Übereinkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen – Schiedsverfahrenskonvention – abgeschlossen worden (90/436/EWG, ABl. EG Nr. L 225, 10 v. 20.8.1990; BGBl. II 1993, 1308); hierzu Rz. 19.114 ff.; vgl. ferner den Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über Verfahren zur Beilegung von Doppelbesteuerungsstreitigkeiten in der Europäischen Union v. 25.10.2016 (COM(2016) 686 final/2016/0338 (CNS)), die der Beseitigung der Doppelbesteuerung von Unternehmenseinkünften bei ESt/KSt dienen soll. 4 Beispiele: Multilaterale Abkommen zwischen afrikanischen Staaten der – inzwischen aufgelösten – OCAM-Gruppe (Organisation Commune Africaine et Malgache), zwischen den Staaten Skandinaviens und den früheren RGW-Mitgliedstaaten, vgl. hierzu Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 40a. 5 Mattson, Gehört den multilateralen DBA die Zukunft?; Knechtle, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, 206 ff. Auch das als BEPS-Maßnahme 15 vorgesehene mehrseitige Übereinkommen (multilateral instrument) qualifiziert nicht als mehrseitiges DBA, vgl. Reimer, IStR 2015, 1 (2).
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
19.4
Obwohl die bilateralen DBA Deutschlands weitgehend den OECD-MA von 1963, 1977 und 1992 nachgebildet sind,1 gibt es dennoch Standardabweichungen, je nachdem, ob die Abkommen zwischen Industriestaaten oder Entwicklungsländern abgeschlossen worden sind. Diese Unterschiede beruhen im Wesentlichen auf den unterschiedlichen Interessen der beteiligten Vertragsstaaten. So haben insbesondere Entwicklungsländer aufgrund ihrer Schuldnerposition ein Interesse daran, die Quellenbesteuerung weitgehend aufrechtzuerhalten, um dadurch ihre Fiskalopfer gering zu halten.2 Hochbesteuernde Industrieländer sind dagegen durchweg bestrebt, auf Abkommensebene der Steueranrechnung ggü. der Steuerbefreiung den Vorzug zu geben, um so ihren Steueranspruch aufrecht zu erhalten.
19.5
DBA sind darauf gerichtet, ggü. den aufgrund des innerstaatlichen Rechts der einzelnen Vertragsstaaten entstehenden Steueransprüchen Schrankenwirkungen zu entfalten.3 Diese Wirkungen beruhen im Wesentlichen auf den mit lex specialisCharakter ausgestatteten Normen der DBA,4 die nach Umsetzung in innerstaatliches Recht5 einen gegenseitigen Steuerverzicht der Vertragsstaaten begründen.6 Dieser gegenseitige Steuerverzicht wird, entsprechend der Grundkonzeption des OECD-MAs, dadurch gewährleistet, dass einerseits die Besteuerung im Quellenstaat umgrenzt wird (Art. 6 bis 21 OECD-MA) und andererseits der Wohnsitzstaat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung Steueranrechnung oder Steuerfreistellung gewährt (Art. 23 OECD-MA).
19.6
Das Ausmaß der gegen die Besteuerung im Quellenstaat gerichteten Schrankenwirkungen orientiert sich an der Intensität der wirtschaftlichen Verknüpfung der Einkunftsquelle mit der Wirtschaft des Quellenstaates. Die auf dieser Grundlage in den DBA von den Vertragsstaaten getroffenen Wertentscheidungen (Art. 6 bis 21 OECD-MA) artikulieren sich in einem abgestuften Schrankensystem. Dieses führt z.B. für unbewegliches Vermögen durchweg zu keiner Einschränkung der Besteuerung im Quellenstaat (Belegenheitsprinzip, Art. 6 OECD-MA).
19.7
Neben dieser uneingeschränkten Aufrechterhaltung der Besteuerung im Quellenstaat verbleibt es in einem anderen Wertungsbereich bei der Besteuerung im Quellenstaat nur, wenn ganz bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. So können Unternehmensgewinne im Quellenstaat nur dann einer Besteuerung zugeführt werden, wenn diese im Rahmen einer im Quellenstaat belegenen Betriebs1 Ergänzungen zum OECD-MA erfolgen seitdem fortlaufend. 2 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 73 f.; Preuninger, Rechtsprobleme des Funktionswandels deutscher DBA, 285 ff.; Knechtle, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, 204 ff. 3 Gegen den Begriff „Schrankenrecht“ Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 9, wonach die Normen der DBA durch Zustimmungsgesetz ähnlich wirkten wie §§ 3; 34c EStG, so dass die Abkommen nur eine völkervertragliche Verpflichtungserklärung enthielten, Steuerbefreiungs- und Steuerermäßigungsvorschriften der vorgenannten Art bzw. keine vom Abkommen abweichenden Besteuerungsvorschriften zu erlassen. Hierdurch werden aber gerade die abkommensrechtlichen Schrankenwirkungen deutlich; zu den in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich verwendeten, für die Rechtsanwendung aber nicht weiter bedeutsamen Begriffen Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 66; Menck in G/K/G, DBA, Grundlagen, Abschn. 2 Rz. 57 ff. 4 Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 2, 5; zu Einzelheiten Rz. 3.24 ff. 5 In Deutschland durch Zustimmungsgesetz; hierzu Rz. 19.20. 6 Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 66; Debatin, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 1 (1 f.).
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A. Einführung
stätte erzielt werden (Betriebsstättenprinzip, Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA). Ähnlich verhält es sich bei den Einkünften aus unselbständiger Arbeit: Hier verbleibt dem Staat des Arbeitsortes als Quellenstaat die Besteuerungsbefugnis nur dann, wenn sich der Arbeitnehmer dort während des Steuerjahres mehr als 183 Tage aufgehalten hat oder die Vergütungen zu Lasten des Staates des Arbeitsortes gezahlt worden sind (Arbeitsortprinzip, Art. 15 Abs. 1 und 2 OECD-MA). Schließlich richten sich die Besteuerungsschranken der Abkommen auch gegen die Höhe der im Quellenstaat erhobenen Steuer. So ist den Quellenstaaten aufgrund der maßgeblichen Verteilungsnormen für Dividenden und Zinsen lediglich eine Quellensteuerbefugnis in begrenzter Höhe1 eingeräumt (Art. 10 Abs. 2; 11 Abs. 2 OECDMA). In anderen Fällen, etwa für Lizenzgebühren (Art. 12 Abs. 1 OECD-MA), wird die Besteuerungsbefugnis dem Quellenstaat in vollem Umfang genommen.2
19.8
Diese gegen die Besteuerung im Quellenstaat gerichteten Schrankenwirkungen haben dann eine unmittelbare Bedeutung, wenn nach innerstaatlichem Recht des Quellenstaates der Steueranspruch über die Abkommensschranken hinausreicht. In derartigen Fällen sind die DBA stets auf die Vermeidung der effektiven Doppelbesteuerung gerichtet. Bleibt die Reichweite des innerstaatlichen Steueranspruchs des Quellenstaates dagegen hinter den Abkommensschranken zurück, so wirken sich diese zwar gegenwärtig nicht aus, führen aber zu einem Steuerverzicht des Quellenstaates, sobald dieser, etwa durch Steuererhöhungen oder die Ausdehnung von Steuertatbeständen, die durch die Schranken gezogenen Grenzen überschreitet. In diesem Sinne vermeiden die DBA eine virtuelle Doppelbesteuerung,3 wobei die hiermit verbundene doppelte Nichtbesteuerung (Minderbesteuerung) in Teilbereichen durch bilaterale und unilaterale Subject-toTax-Klauseln (Rz. 19.522 f.) vermieden wird.
19.9
Soweit die Besteuerungsbefugnis dem Quellenstaat nicht gänzlich genommen ist, fällt nach der Grundstruktur des OECD-MAs stets dem Wohnsitzstaat die Aufgabe zu, die Doppelbesteuerung entweder durch Steueranrechnung oder durch Steuerfreistellung zu vermeiden (Art. 23 OECD-MA). Diese Abkommensnormen über die Methode zur Beseitigung der Doppelbesteuerung bestätigen den prinzipiellen Schrankencharakter des Abkommensrechts.4
19.10
Zu den bilateralen DBA zählen auch die insbesondere von Deutschland mit einigen Staaten abgeschlossenen Sonderabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der Einkünfte von Luft- und/oder Schifffahrtunternehmen.5 Die Sonderabkommen beinhalten eine Freistellung der Einkünfte von Luft- und/oder
19.11
1 Regelmäßig bis zu 15 oder 5 %; in vielen deutschen DBA ist die Quellensteuerbefugnis für Zinsen auf 0 reduziert; vgl. die Abkommensübersicht bei Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 11 OECD-MA Rz. 48. 2 Viele deutsche Abkommen sehen allerdings, abweichend vom OECD-MA, eine der Höhe nach begrenzte Besteuerung im Quellenstaat vor; vgl. die Übersicht bei Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 12 OECD-MA Rz. 29. 3 Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 69; Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 4; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 12; Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (2). 4 Menck in G/K/G, DBA, Grundlagen, Abschn. 2 Rz. 61; Debatin, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 1 (3). 5 Zum Abkommensstand s. BMF v. 18.1.2017 – V B 2 - S 1301/07/10017-08 – DOK 2017/0048668, BStBl. I 2017, 140, Länderübersicht I. Nr. 3 mit Stand 1.1.2017.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
Schifffahrtunternehmen von der Steuer in dem einen Vertragsstaat, sofern der Ort der Geschäftsleitung des Unternehmens in dem anderen Vertragsstaat belegen ist. Zudem enthalten mehrere Sonderabkommen1 eine Meistbegünstigungsklausel, nach der die Vertragsstaaten verpflichtet sind, dem Unternehmen aus dem anderen Vertragsstaat mindestens die Vorteile zu gewähren, welche sie Unternehmen aus Drittstaaten gewähren. Darüber hinaus beziehen sich die Sonderabkommen häufig nicht allein auf einen steuerrechtlichen, sondern zusätzlich auch auf einen handelsrechtlichen Anwendungsbereich – z.B. Maßnahmen zur erleichterten Abwicklung des Schiffsverkehrs, Zollabfertigung und Zolltarife. Der Sinn und Zweck der Sonderabkommen besteht somit nur teilweise darin, die Doppelbesteuerung zu vermeiden. Zudem hat insbesondere Deutschland mit Staaten und anderen Jurisdiktionen, mit denen bislang entweder keine oder aus deutscher Sicht DBA mit nur unzureichenden Auskunftsklauseln bestehen, Informationsaustauschabkommen (Tax Information Exchange AgreementsTIEA) abgeschlossen, die gegen den von sog. Steueroasen gerichteten schädlichen Steuerwettbewerbs gerichtet sind und vor allem der vollständigen Erfassung von Kapitaleinkünften dienen.2 Soweit mit Staaten zugleich DBA bestehen, die mit den Sonderabkommen und den Informationsaustauschabkommen vergleichbare Regelungen enthalten, sind wegen der Gleichrangigkeit der Abkommen die diesbezüglichen Regelungen gleichermaßen anwendbar, ohne dass die eine Regelung die andere verdrängt.3
B. Multinationale Entwicklung Literatur Ditz, Deutsche Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen – Eine kritische Analyse, StJB 2013/2014, 369; Ditz/Schönfeld, Deutsche Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen, DB 2013, 1437; Dorn, Doppelbesteuerung und Völkerbund, StuW 1928, 49; Hundt, UN-Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern, RIW 1981, 306; Haase, Die Revision des OECD-MA 2014 – ein Überblick, IStR 2014, 540; Kaminski, Die deutsche Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen, Stbg 2013, 261; Lang/Ecker/Ressler, History of Tax Treaties, Wien 2011; Lay/Stoecker, Die deutsche Verhandlungsgrundlage für DBA, IWB 2013, 368; Lüdicke, Anmerkungen zur deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen, IStR Beihefter zu Nr. 10/2013, 25; Pohl, Deutsche Abkommenspolitik – Aktuelle Praxisfragen und deutsche Verhandlungsgrundlage, in Lüdicke (Hrsg.), Neue Grenzen für die internationale Steuerplanung?, Forum der Internationalen Besteuerung, Band 43, 51; Ritter, Steuerbeziehungen mit der Dritten Welt, DStZ A 1979, 419; Schnittker/Steinbiß, Geplante Änderungen des US-Musterabkommens, IStR 2015, 686; Shannon, Die DBA der USA, München 1987; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, Amsterdam 1936 (Neudruck Köln 1967); Valta, Die deutsche Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen und Entwicklungsländer, ISR 2013, 186; Vogel/Shannon/Doernberg/van Raad, United States Tax Treaties (Loseblatt).
1 Z.B. Chile, China und Jugoslawien. 2 Zum Abkommensstand s. BMF v. 18.1.2017 – V B 2 - S 1301/07/10017-08 – DOK 2017/0048668, BStBl. I 2017, 140, Länderübersicht I. Nr. 4 mit Stand 1.1.2017. 3 So ausdrücklich Abschn. 2 des Schlussprotokolls zum DBA-China 1985 betreffend Sonderabkommen.
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B. Multinationale Entwicklung
I. Deutsche DBA Das erste allgemeine DBA überhaupt wurde am 16.4.1869 zwischen Preußen und Sachsen abgeschlossen. Unter den persönlichen Anwendungsbereich dieses Abkommens fielen nur Staatsangehörige beider Staaten. Darüber hinaus erfasste das Abkommen vom sachlichen Anwendungsbereich her lediglich direkte Steuern. Es folgten Abkommen zwischen Österreich und Ungarn über die Unternehmensbesteuerung vom 18.12.1869/7.1.1870 sowie zwischen Preußen und Österreich vom 21.6.1899. Zum eigentlichen Aufbau eines Doppelbesteuerungsnetzes kam es erst nach dem 1. Weltkrieg im Zuge der weltwirtschaftlichen Verflechtung der deutschen Wirtschaft, und zwar durch Abkommen mit Österreich vom 23.5.1922, mit Italien vom 31.10.1925 und mit der Schweiz vom 15.7.1931. Nach dem 2. Weltkrieg wurden die ersten Abkommen mit den USA am 22.7.1954 und mit Österreich am 4.10.1954 geschlossen. Es folgten sodann die Abkommen mit Kanada vom 4.6.1956, Norwegen vom 18.11.1958 sowie Schweden vom 17.4. 1959 und den Niederlanden vom 16.6.1959. Seitdem hat Deutschland das Netz der DBA nicht nur mit Industriestaaten, sondern auch mit Entwicklungsländern kontinuierlich ausgebaut. Parallel hierzu sind zahlreiche Abkommen einer Revision unterworfen und neu abgeschlossen worden.1
19.12
Während derzeit über 90 Abkommen auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen in Kraft sind, gibt es lediglich einige Erbschaftsteuerabkommen und darüber hinaus weitere Sonderabkommen betreffend Einkünfte und Vermögen von Schifffahrt- und Luftfahrtunternehmen sowie Informationsaustauschabkommen.2 Eine Aufstellung der zum Jahresbeginn geltenden DBA findet sich jeweils in der ersten Jahresausgabe des Bundessteuerblattes Teil I. Verhandlungen zu neuen DBA oder der Revision von DBA werden von deutscher Seite als Leitlinie die „Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen“ mit Stand vom 22.8.20133 in der Art eines deutschen Muster-DBA zugrunde gelegt (dazu s. Rz. 19.17).
19.13
II. Musterabkommen Da die internationale Doppelbesteuerung frühzeitig als ein multinationales Problem verstanden wurde, gab es bereits kurz nach dem 1. Weltkrieg die ersten Bemühungen internationaler Organisationen, einheitliche Maßnahmen zur Bekämpfung der internationalen Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Vermögen zu entwickeln.4 Zu diesen internationalen Organisationen gehörte insbesondere die Internationale Handelskammer, die im Jahre 1920 die Regierungen der alliierten Staaten aufgerufen hatte, aufeinander 1 Einer Revision wurden jüngst bspw. die DBA mit Luxemburg und den Niederlande unterworfen. Neu abgeschlossen wurde jüngst bspw. das DBA mit Liechtenstein. 2 Zum derzeitigen Stand der DBA s. BMF v. 18.1.2017 – V B 2 - S 1301/07/10017-08 – DOK 2017/0048668, BStBl. I 2017, 140, Länderübersicht mit Stand 1.1.2017. 3 Abrufbar auf den Internetseiten des BMF. 4 Hierzu der Überblick bei Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 12 ff.; Wassermeyer in Wassermeyer, vor Art. 1 OECD-MA Rz. 75 ff.; Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 33 ff.
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19.14
Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
abgestimmte Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zu ergreifen.1 Parallel hierzu gab es auch Bemühungen des Völkerbundes, die theoretischen Grundlagen für die Maßnahmen zur Beseitigung der internationalen Doppelbesteuerung zu erarbeiten. Im Anschluss an verschiedene Empfehlungen dieser Expertenkommissionen wurden im Jahre 1928 vom Völkerbund drei Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der direkten Steuern verabschiedet.2 Ein vom Völkerbund im Jahre 1928 eingesetzter ständiger Steuerausschuss entwickelte sodann in der Folgezeit zwei konkurrierende Modelle, und zwar 1943 das Muster von Mexiko und 1946 das Muster von London. Während das Muster von Mexiko, das im Wesentlichen von lateinamerikanischen Vorstellungen beeinflusst war, dem jeweiligen Quellenstaat ein umfangreiches Besteuerungsrecht zubilligte, entsprach das Muster von London mehr den Vorstellungen der Industriestaaten, so dass dem jeweiligen Wohnsitzstaat das vorrangige Besteuerungsrecht eingeräumt wurde.3 Nach dem Kriege wurden die Bemühungen um eine Vereinheitlichung von DBA von der OEEC (Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit) und später von deren Nachfolgeorganisation, der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung), fortgesetzt. Ein im Jahre 1956 von der OECD ins Leben gerufener Steuerausschuss erhielt den Auftrag, ein Musterabkommen zu entwickeln, das als Grundlage für den Ausbau eines Netzes von bilateralen Abkommen zwischen den Mitgliedstaaten dienen sollte. Dieses Musterabkommen sollte eine größere Harmonisierung der bilateralen Abkommen der Mitgliedstaaten nach einheitlichen Grundsätzen, Begriffsbestimmungen, Regeln und Verfahren sowie eine Einigung auf eine gemeinsame Auslegung ermöglichen. Im Jahre 1963 veröffentlichte die OECD ein Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung des Einkommens und des Vermögens. Dem vollständigen Musterabkommen war ein Kommentar beigefügt, der das Muster erläuterte und Vorbehalte seiner Mitgliedstaaten in Bezug auf Vorschriften des Musters enthielt, denen sie nicht zu folgen bereit waren. Das OECD-MA 1963, das in den Folgejahren wesentlich zur Vereinheitlichung der DBA vieler Staaten beigetragen hat, wurde aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung der Mitgliedstaaten und der Weiterentwicklung ihrer Steuersysteme überarbeitet und im Jahre 1977 neu gefasst und mit einem neuen Kommentar versehen. Dieses OECD-MA 1977 weicht von dem OECD-MA 1963 kaum ab. Ein weiterer Schritt im Zuge des seitens der OECD4 angestrebten ständigen Revisionsprozesses ist das OECD-MA 1992 und das OECD-MA 2000, die in ihren Grundzügen den Vorgängerabkommen entsprechen.5 Seitdem wird das OECD-MA in zwei- bis dreijährigen Abständen überarbeitet.6 1 Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 13. 2 Die deutsche Fassung ist abgedruckt in FinArch. 1929, Band I, 26 ff.; Erläuterungen hierzu von Dorn, StuW 1928, 49 ff. 3 Hierzu der Überblick bei Wassermeyer in Wassermeyer, vor Art. 1 OECD-MA Rz. 76 f.; Shannon, Die DBA der USA, 10 ff. 4 Zur Arbeit des OECD-Steuerausschusses Krabbe in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 156 ff. 5 Zu Einzelheiten Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht. 6 S. zu den wichtigsten Änderungen des OECD-MA und OECD-MK den Überblick bei Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 35e. Zum Update des OECD-MA 2014 s. Haase, IStR 2014, 540 ff.
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B. Multinationale Entwicklung
wobei das OECD-MA 2010 wichtige Änderungen zu Art. 7 OECD-MA enthält.1 Zuletzt wurde am 15.7.2014 das OECD-MA 2014 veröffentlicht.2 Die OECD-MA, die darauf gerichtet sind, von den Mitgliedstaaten der OECD akzeptiert zu werden, entsprechen weitgehend den Interessen der Industriestaaten. Da diese Industriestaaten als Kapitalexportländer durchweg das Welteinkommensprinzip verwirklichen, wird nach den OECD-MA die Wohnsitzbesteuerung überwiegend aufrechterhalten und die Quellenstaatbesteuerung limitiert.
19.15
Um die fiskalischen und wirtschaftlichen Belange der Entwicklungsländer ebenfalls zur Geltung zu bringen, wurde im Anschluss an das im Jahre 1971 als Gegenentwurf zum OECD-MA konzipierte Anden-Modell3 von den Vereinten Nationen (UN) im Jahre 1980 ein Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, das zwischen Industriestaaten und Entwicklungsländern eingreifen sollte, vorgelegt.4 Im Vergleich zu den OECD-MA sieht das UN-Musterabkommen eine umfangreiche Quellenstaatbesteuerung vor, so dass hierdurch insbesondere Entwicklungsländer als Kapitalimportländer fiskalisch begünstigt werden.5
19.16
Während die meisten DBA, die von den OECD-Mitgliedstaaten abgeschlossen wurden, den OECD-MA folgen, hat es insbesondere in der Abkommenspraxis der USA Sonderentwicklungen gegeben. So haben die USA frühzeitig eigene Musterabkommen6 entwickelt, die bei ihren Abkommensverhandlungen Berücksichtigung gefunden haben.7 Bestrebungen zur Vereinheitlichung der deutschen DBA und der deutschen DBA-Politik haben zur Entwicklung einer „Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen im Bereich der Steuern vom Einkommen und Vermögen“ mit Stand vom 22.8.20138 in der Art eines deutschen Muster-DBA geführt9, welches nach Bedarf geändert oder ergänzt werden soll. Das deutsche Musterabkommen soll als Grundlage für neue Abkom-
19.17
1 Vgl. hierzu die Hinweise in Rz. 19.267 ff.; 21.23 ff. 2 OECD, Model Tax Convention on Income and on Capital: Condensed Version 2014, zum Update 2014 Haase, IStR 2014, 540 ff. 3 Erarbeitet und beschlossen von der in der sog. Anden-Gruppe zusammengeschlossenen Staaten Bolivien, Chile, Ecuador, Kolumbien, Peru und ab 1973 Venezuela; vgl. Naranjo, BIFD 1987, 89 ff.; im Überblick Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 24. 4 Die aus dem Jahr 2001 stammende überarbeitete Fassung wurde durch das am 15.3.2012 veröffentlichte Update ersetzt. Vgl. zum Text bei V/L6, DBA, zu den einzelnen Artikeln des OECD-MAs. 5 Hierzu im Einzelnen Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 24; Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 36a; Ritter, DStZ A 1979, 419 ff.; Hundt, RIW 1981, 306 ff. 6 Texte bei V/L6, DBA, zu den einzelnen Artikeln des OECD-MAs. 7 Zum US-Musterabkommen im Einzelnen Vogel/Shannon/Doernberg/van Raad, United States Tax Treaties (Loseblatt); Shannon, Die DBA der USA, 57 ff. Zu geplanten Änderungen Schnittker/Steinbiß, IStR 2015, 686 ff. 8 Abrufbar auf den Internetseiten des BMF. 9 Hierzu ausf. Rotter/Welz/Lammers, Kommentar zur Verhandlungsgrundlage für DBA, 2014; Ditz, StbJb 2013/2014, 369; Ditz/Schönfeld, DB 2013, 1437; Kaminski, Stbg 2013, 261; Lay/Stoecker, IWB 2013, 368; Lüdicke, IStR Beihefter zu Nr. 10/2013, 25; Pohl, Deutsche Abkommenspolitik – Aktuelle Praxisfragen und deutsche Verhandlungsgrundlage, in Lüdicke (Hrsg.), Neue Grenzen für die internationale Steuerplanung?, Forum der Internationalen Besteuerung, Band 43, 51.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
mensverhandlungen dienen,1 die deutsche Verhandlungsposition stärken und möglichst zu einem abkommensübergreifend einheitlichen Wortlaut führen.2 19.18
Im internationalen Bereich bestand schließlich schon frühzeitig das Bedürfnis, auch auf dem Gebiet der Erbschaft- und Nachlasssteuern DBA abzuschließen. Dementsprechend erarbeitete der OECD-Steuerausschuss im Jahre 1966 ein Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der Nachlässe und Erbschaften und 1982 ein weiteres Musterabkommen unter Einbeziehung von Schenkungen.3 Diese Musterabkommen haben in der Praxis allerdings keine große Bedeutung gewonnen. Derzeit gibt es sechs deutsche DBA auf dem Gebiet der Erbschaft- und Nachlasssteuern.4 Darüber hinaus hat der OECD-Steuerausschuss im Jahre 2002 ein Musterabkommen über den Informationsaustausch in Steuersachen vorgelegt, das allerdings erst ab 2007 internationale Bedeutung erlangt hat und zugleich Grundlage für einige deutsche Informationsaustauschabkommen geworden ist.5
C. Abschluss und Wirksamwerden von DBA Literatur Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, Berlin 1988; Hahn/Suhrbier, Zulässigkeit der Rückwirkung des DBA-Italien vom 18.10. 1989 hinsichtlich der Besteuerung von Einkünften in Italien ausgeübter nichtselbständiger Arbeit?, IStR 1993, 262; Handzik, Einkünfte aus in Italien ausgeübter nichtselbständiger Tätigkeit, RIW 1991, 653; Lüdicke, Nochmals: Zur rückwirkenden Anwendung des DBAItalien 1989, DB 1995, 748; Lüdicke, Zur rückwirkenden Anwendung des DBA-Italien 1989, DB 1991, 1491; Vogel, H., Zur Rückwirkung von Regelungen in Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, in FS für O. L. Walter, Osnabrück 1988, 81.
19.19
DBA sind völkerrechtliche Verträge, also zwei- oder mehrseitige völkerrechtliche Rechtsgeschäfte, an dem Völkerrechtssubjekte beteiligt sind. Zum Charakteristikum völkerrechtlicher Verträge gehört, dass sie nicht nur dem Recht eines der Vertragspartner unterstellt sind. Das formelle Recht für völkerrechtliche Verträge und damit auch für DBA beurteilt sich nach dem Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge (WÜRV) vom 23.5.1969.6 In Deutschland ist das WÜRV am 20.8.1987 in Kraft getreten;7 dessen Vorschriften wurden jedoch bereits zuvor beim Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen berücksichtigt. Denn die Vorschriften des WÜRV stellen weitgehend Völkergewohnheits-
1 Die DE-VG ist in der veröffentlichten Form für DBA mit „entwickelten“ Vertragsstaaten konzipiert. In Verhandlungen mit Entwicklungs- und Schwellenländern soll sie modifiziert und anders gewichtet werden, vgl. ausf. Valta, ISR 2013, 186 ff. 2 Vgl. Müller-Gatermann, FR 2012, 1032. 3 Zu Einzelheiten Jülicher in Wassermeyer, Vor Art. 1 ErbSt-MA Rz. 1 ff. 4 Griechenland (RGBl. 1912, 173); Schweden (BGBl. II 1994, 686); Schweiz (BGBl. II 1980, 594); USA (BGBl. II 1982, 847); Dänemark (BGBl. II 1996, 2565); Frankreich (BGBl. II 2009, 596). 5 Vgl. hierzu Hendricks in Wassermeyer, Vor Art. 1 MA-InfAust Rz. 32 ff. 6 BGBl. II 1985, 926. 7 BGBl. II 1987, 757.
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Schaumburg/Häck
C. Abschluss und Wirksamwerden von DBA
recht1 dar, das über den Kreis der Mitgliedstaaten des WÜRV hinaus Anwendung findet.2 Der Abschluss von DBA erfolgt in einem mehrphasigen Verfahren.3 Zwischen dem Abschluss der Vertragsverhandlungen und der Erklärung, die dem Vertrag völkerrechtliche Verbindlichkeit verleiht, liegt das parlamentarische Verfahren. Es lassen sich folgende Phasen unterscheiden:4 – Die Vertragsverhandlungen werden durch Unterhändler, zumeist Ministerialbeamte des Bundesfinanzministeriums, geführt, die eine Verhandlungsvollmacht des Bundespräsidenten haben, der nach Art. 59 Abs. 1 GG den Bund völkerrechtlich vertritt und allein befugt ist, völkerrechtliche Verträge abzuschließen. – Die Unterhändler beider Vertragspartner einigen sich als erstes zumeist auf nur eine einzige Verhandlungssprache, um von vornherein die Möglichkeit sprachlicher Missverständnisse gering zu halten. In dieser Verhandlungssprache wird auch der vorläufige Abkommenstext erarbeitet, zu dem auch Protokolle und sonstige Briefwechsel gehören. – Zum Abschluss der Verhandlungen paraphieren die Unterhändler beider Vertragspartner jeweils eine Ausfertigung des Abkommenstextes, der Protokolle und des Briefwechsels. Nach dieser Paraphierung wird die in der Verhandlungssprache ausgefertigte Fassung in den jeweiligen Landessprachen der beiden Vertragspartnerländer abgefasst, und die Fassungen werden aufeinander abgestimmt. Die Unterhändler einigen sich sodann darüber, dass das Abkommen letztlich in der Fassung beider Landessprachen der Vertragspartnerstaaten verbindlich sein soll. Denkbar ist aber auch, den Abkommenstext in der Fassung einer dritten Landessprache als verbindlich festzulegen.5 Die Paraphierung des Abkommenstextes kennzeichnet lediglich den vorläufigen Charakter der Einigung. Die materielle Wirkung erschöpft sich darin, dass die beteiligten Vertragspartner nach Treu und Glauben nunmehr verpflichtet sind, den Vertrag in angemessener Zeit den Stellen vorzulegen, die über dessen Annahme oder Ablehnung zu entscheiden haben. Es besteht aber keine völkerrechtliche Verpflichtung zur Annahme des Vertrages. – Da gem. Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG völkerrechtliche Verträge der parlamentarischen Zustimmung bedürfen, legt die Bundesregierung dem Bundestag und gem. Art. 105 Abs. 3 GG auch dem Bundesrat den Entwurf eines Zustim1 Als Völkergewohnheitsrecht ist das WÜRV aufgrund des Art. 25 Satz 2 GG innerstaatlich anwendbar, BVerfG v. 7.7.1975 – 1 BvR 274/72, 1 BvR 209/72, 1 BvR 195/73 u.a., BVerfGE 40, 141 (167); v. 14.11.1979 – 1 BvR 654/79, BVerfGE 52, 391 (406); Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I2, § 14 IV 3c. 2 Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 39; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 68 f.; dagegen für die Anwendbarkeit erst ab Inkrafttreten BFH v. 14.3.1989 – I R 20/87, BStBl. II 1989, 649. 3 Hierzu im Einzelnen Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, Rz. 51; v. Arnauld, Völkerrecht, Rz. 195 ff. 4 Hierzu Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, Rz. 51; v. Arnauld, Völkerrecht, Rz. 195 ff.; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht6, 108 ff.; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 63 ff.; Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 105 ff. mit Hinweisen auf die ausländische Praxis; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 6 ff. 5 S. die Abkommensübersicht bei Nasdala in V/L6, Art. 30/31 OECD-MA Rz. 42.
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19.20
Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
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19.21
mungsgesetzes zu dem DBA einschließlich der Protokolle und des Briefwechsels vor. Das Zustimmungsgesetz zum Abkommen (Art. 59 Abs. 2 GG) wird im Bundestag verabschiedet; der Bundesrat muss zustimmen (Art. 78 GG). Das Zustimmungsgesetz wird sodann gem. Art. 82 GG vom Bundespräsidenten ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet. Durch das Zustimmungsgesetz wird der Inhalt des Vertrages innerstaatliches Recht unter der Voraussetzung, dass dieser Vertrag völkerrechtlich überhaupt in Kraft treten wird.1 Die Ratifikation, d.h. die formelle Erklärung, dass der Vertragsstaat den in der betreffenden Urkunde wiedergegebenen Text des Vertrages einzuhalten gewillt ist und sich daran nunmehr völkerrechtlich für gebunden hält, erfolgt durch den hierfür allein gem. Art. 59 Abs. 1 GG zuständigen Bundespräsidenten. Schließlich erfolgt ein Austausch der Ratifikationsurkunden und die Bekanntgabe hiervon im Bundesgesetzblatt. Dies ist der letzte Akt des förmlichen mehrphasigen Vertragsabschlussverfahrens. Er hat seine Bedeutung darin, dass erst dadurch der jeweils andere Vertragspartner formell vom Willen des anderen ratifizierenden Staates in Kenntnis gesetzt wird, dass der Vertrag nunmehr völkerrechtlich verbindlich sein soll. Daher beginnt die Bindungswirkung grundsätzlich erst mit dem Austausch der Ratifikationsurkunden. Bei multilateralen Verträgen tritt anstelle des Austauschs der Ratifikationsurkunden nicht selten die Hinterlegung derselben bei einer bestimmten Stelle.2
Das Inkrafttreten wird in DBA zumeist zeitlich genau fixiert und fällt in aller Regel mit dem Tag zusammen, an dem die Ratifikationsurkunden ausgetauscht werden.3 Von dem Inkrafttreten des Abkommens ist die erstmalige Anwendung seiner Vorschriften zu unterscheiden. Auch hier werden regelmäßig besondere Regelungen getroffen.4 Eine rückwirkende Anwendung von DBA ist aber im Hinblick auf das sich aus dem Rechtsstaatsprinzip ergebende Rückwirkungsverbot5 unzulässig, wenn sie steuerlich belastend wirkt.6 1 Das Zustimmungsgesetz enthält insoweit einen Anwendungsbefehl; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 67. 2 Das EU-Abkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen – Schiedsverfahrenskonvention – (90/436/EWG v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, 10 v. 20.8.1990; BGBl. II 1993, 1308) z.B. sieht in seinem Art. 17 die Hinterlegung der Ratifikationsurkunden beim Generalsekretär des Rates der Europäischen Union vor; vgl. Bekanntmachung über das Inkrafttreten zum 1.1.1995, BStBl. I 1995, 166; Einzelheiten zu diesem EU-Abkommen unter Rz. 19.114 ff. 3 Vgl. etwa Art. 32 Abs. 2 DBA-USA, in einigen Abkommen sind spätere Termine vorgesehen, hierzu Nasdala in V/L6, Art. 30–31 OECD-MA Rz. 18. 4 Vgl. etwa Art. 32 Abs. 3 bis 6 DBA-USA. 5 Hierzu Hey in Tipke/Lang22, § 4 Rz. 170 ff. 6 BVerfG v. 10.3.1971 – 2 BvL 3/68, BVerfGE 30, 272 (284, 287) und in BStBl. II 1973, 431 (434, 435); v. 14.5.1986 – 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200 ff. und in BStBl. II 1986, 628 (640, 645); v. 19.5.2010 – I R 81/09, DStR 2010, 1223; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 32; Nasdala in V/L6, Art. 30–31 OECD-MA Rz. 21; zum DBA-Italien: Lüdicke, DB 1991, 1491 ff.; Handzik, RIW 1991, 653 ff.; Hahn/Suhrbier, IStR 1993, 262 ff.
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D. Änderungen und Erlöschen von DBA
In der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine belastende Rückwirkung verfassungsrechtlich unter dem Gesichtspunkt des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 GG) zulässig ist oder nicht, unterscheidet das BVerfG1 bei DBA zwischen der Rückwirkung auf völkerrechtlicher Ebene und derjenigen auf der innerstaatlichen Ebene.2 Eine Rückwirkung des Abkommens auf der völkerrechtlichen Ebene liegt vor, wenn der Beginn seines zeitlichen Anwendungsbereichs auf einen Zeitpunkt vor dem Vertragsschluss (Austausch der Ratifikationsurkunden) festgelegt wird; eine Rückwirkung des Vertrages auf der innerstaatlichen Ebene ist gegeben, wenn der Beginn seines völkerrechtlichen zeitlichen Anwendungsbereichs auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor der Verkündung des Zustimmungsgesetzes im Bundesgesetzblatt liegt. Für beide Fallgruppen ist die Reichweite des verfassungsrechtlich zu beachtenden schutzwürdigen Vertrauens in den Fortbestand der ursprünglichen günstigeren Rechtslage bis zum Tag des endgültigen Gesetzesbeschlusses des Bundestages über das Zustimmungsgesetz begrenzt. Darüber hinaus ist es auch bei Zustimmungsgesetzen von Verfassungs wegen nicht geboten, Vertrauensschutz noch für die Zeit nach dem endgültigen Gesetzesbeschluss des Bundestages zu gewähren.3 Auf innerstaatlicher Ebene ist eine Rückwirkung daher verfassungsrechtlich unbedenklich, solange der völkerrechtliche Vertragsabschluss, das heißt der Austausch der Ratifikationsurkunden, angemessene Zeit4 nach dem Gesetzesbeschluss, erfolgt.
19.22
Indessen enthalten die meisten deutschen Zustimmungsgesetze eine Rückwirkungsklausel dahingehend, dass die Steuer nicht zu erheben oder ggf. zu erstatten ist, soweit die Rückwirkung zu einer Mehrbelastung des Steuerpflichtigen durch das DBA führen würde.5 Die Zustimmungsgesetze enthalten seit 1968 zudem jeweils eine gesonderte Rechtsgrundlage,6 um bereits bestandskräftige Steuerbescheide, die der Rückwirkung entgegenstehen, zu ändern.7
19.23
D. Änderungen und Erlöschen von DBA Literatur Böckstiegel, Wegfall der Geschäftsgrundlage und clausula rebus sic stantibus im Staatsvertrags- und Völkerrecht, JuS 1973, 759; Hoffmann, Internationales Privatrecht im Einigungsvertrag, IPRax 1991, 1; Köck, Altes und Neues zur clausula rebus sic stantibus, in FS für Verosta, Berlin 1980, 79; Poeggel/Meißner/Poeggel, Staatennachfolge in Verträge, Berlin 1 BVerfG v. 22.3.1983 – 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343 (354 f.); v. 14.5.1986 – 2 BvL 2/83, BVerfGE 72, 200 (267 ff.) und in BStBl. II 1986, 628 (649 ff.). 2 Zur Kritik an dieser Differenzierung Vogel, H. in FS O. L. Walter, 81 (89 ff.). 3 Zum DBA-Italien 1989 BFH v. 10.11.1993 – I B 122/93, BStBl. II 1994, 155. 4 Im Falle des DBA-Italien 1989 betrug dieser Zeitraum fast zweieinhalb Jahre, ohne dass er verfassungsrechtlich beanstandet worden ist; BFH v. 10.11.1993 – I B 122/93, BStBl. II 1994, 155; v. 28.12.1993 – I B 168/93, BFH/NV 1994, 692; v. 6.4.1994 – I B 218/93, BFH/NV 1995, 9; zur Kritik Lüdicke, DB 1995, 748 ff. 5 Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 32; Nasdala in V/L6, Art. 30/31 OECD-MA Rz. 21. 6 Überblick über die einzelnen Zustimmungsgesetze bei Nasdala in V/L6, Art. 30/31 OECD-MA Rz. 16. 7 Ohne gesonderte Rechtsgrundlage wäre eine Änderung nicht zulässig, und zwar auch nicht gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO; Loose in T/K, § 175 AO Rz. 43; Nasdala in V/L6, Art. 30/31 OECD-MA Rz. 22.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) 1980; Schaumburg/Schulz, Die Kündigung des Doppelbesteuerungsabkommens Deutschland-Brasilien und ihre Konsequenzen nach nationalem deutschen Steuerrecht, IStR 2005, 794; Treviranus, Die Konvention der Vereinten Nationen über Staatensukzession bei Verträgen, ZaöRV 39 (1979), 259; Zemanek, Die Wiener Konvention über die Staatennachfolge in Verträge, in FS für Verdross, Berlin 1980, 719.
I. Änderungen und Ergänzungen 19.24
Auch nach dem Inkrafttreten von DBA ergeben sich vielfach Gründe, DBA zu ändern oder zu ergänzen. Zu den maßgeblichen Gründen zählen grundlegende Steuerreformen oder wesentliche Änderungen des Steuersystems eines der beiden Vertragsstaaten. Während Revisionsverhandlungen mit dem Ziel der Änderung völkerrechtlicher Verträge bei multilateralen Verträgen in aller Regel nur auf der Grundlage besonderer Revisionsklauseln erfolgen, werden bei bilateralen Verträgen, insbesondere bei DBA, Revisionsverhandlungen zumeist auf Initiative eines der beiden Vertragspartner ohne weiteres eingeleitet. Derartige Revisionsverhandlungen werden geführt bei grundsätzlichem Fortbestehen des betreffenden DBAs. Soweit nur eine partielle Änderung erfolgt, wird diese in einem Revisionsprotokoll niedergelegt, das nach den gleichen Regeln wie das DBA selbst in innerstaatliches Recht umgesetzt wird und völkerrechtliche Verbindlichkeit erlangt. Soll hingegen das DBA insgesamt geändert und durch ein neues DBA ersetzt werden, sind die entsprechenden Revisionsverhandlungen auf den Abschluss eines Revisionsabkommens gerichtet. Durch ein derartiges Revisionsabkommen wird das alte Abkommen außer Kraft gesetzt, wobei zwecks Vermeidung steuerlicher Nachteile mitunter dem Steuerpflichtigen die Option eingeräumt wird, für eine bestimmte Übergangszeit das alte Abkommen weiter anzuwenden.1
19.25
Werden zu einem bereits bestehenden DBA zusätzliche Vereinbarungen getroffen, die die Normen des bestehenden DBAs nicht ändern, sondern lediglich formell oder materiell ergänzen, so steht am Ende der Revisionsverhandlungen ein Zusatzprotokoll, das ebenfalls nach den für DBA selbst bestehenden Regeln innerstaatliches Recht wird und völkerrechtliche Verbindlichkeit erlangt.
II. Außerkrafttreten 19.26
In aller Regel ergeben sich die Erlöschensgründe aus dem völkerrechtlichen Vertrag selbst. So kann ein Vertrag erlöschen durch Eintritt einer auflösenden Bedingung oder aber durch Zeitablauf am Ende der vertraglich vereinbarten Geltungsdauer (Art. 54 WÜRV).2 Da DBA indessen durchweg für unbestimmte Zeit in Kraft treten, werden diese durch Kündigung beendigt, soweit sie eine Kündigungsklausel enthalten (Art. 31 OECD-MA). Gekündigt wurde zuletzt das DBABrasilien zum 31.12.20053, das DBA-Türkei zum 1.1.20114 und das ErbSt-DBA 1 Vgl. etwa Art. 32 Abs. 3 DBA-USA; Art. 33 Abs. 6 DBA-Niederlande 2012. 2 Eine zeitliche Befristung findet sich bspw. in Art. 30 Abs. 1 DBA-VAE 2010. 3 Hierzu Schaumburg/Schulz, IStR 2005, 794 ff. Der abkommenslose Zustand dauert insoweit an. 4 Vgl. BMF, Pressemitteilung v. 21.7.2009, BB 2009, 1723. Ein abkommensloser Zustand wurde vermieden, indem gemäß Art. 30 Abs. 2 DBA-Türkei 2012 das neue DBA rückwirkend ab dem 1.1.2011 Anwendung findet.
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E. Anwendung von DBA
mit Österreich zum 31.12.2007.1 Ohne Kündigungsklausel kann ein völkerrechtlicher Vertrag und damit auch ein DBA nur unter Berufung auf die clausula rebus sic stantibus2 oder einvernehmlich aufgehoben werden. DBA erlöschen schließlich auch beim Untergang eines Vertragsstaates,3 es sei denn, es handelt sich um einen Fall der Staatennachfolge.4 Hierfür gilt nach Maßgabe des Art. 31 des Wiener Übereinkommens über Staatennachfolge in Bezug auf Verträge vom 23.8.19785 das Prinzip der Kontinuität (automatische Nachfolge in alle Verträge), wobei der Anwendungsbereich der fortgeltenden Verträge jeweils auf das ursprüngliche Territorium der Vertragspartei beschränkt bleibt.6
19.27
Nach dem Zerfall der Sowjetunion und Jugoslawiens sowie der Teilung der Tschechoslowakei wurden von Deutschland mit den neu entstandenen Staaten zunächst Vereinbarungen über die Fortgeltung der mit den drei vorgenannten Staaten bestehenden DBA geschlossen,7 wobei inzwischen mit einigen Nachfolgestaaten neue DBA abgeschlossen bzw. in Kraft getreten sind.8
19.28
E. Anwendung von DBA Literatur Beul, Beschränkung europäischer Niederlassungsfreiheit und Art. 220 EGV, IStR 1997, 1; Bohnert, US-Steuerreform und deutsch-amerikanisches Doppelbesteuerungsabkommen, RIW 1987, 37 ff.; Bothe, Die Wiener Konvention über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen und zwischen internationalen Organisationen, NJW 1991, 2169; Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, Amsterdam 1964; Cordewener/Enchelmaier/Schindler, Meistbegünstigung im Steuerrecht der EU-Staaten, München 2006; Debatin, System und Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen, DB 1985, Beilage 23, 1; Debatin, Doppelbesteuerungsabkommen und innerstaatliches Recht, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 1; Dürrschmidt, „Europäisches Steuerrecht“ nach Lissabon, NJW 2010, 2086; Forsthoff, Treaty Override und Europarecht, IStR 2006, 509; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, Berlin 1988; Häger, Meistbegünstigung im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Baden-Baden 2008; Hofbauer, Erfordern die Grundfreiheiten des EGV eine innereuropäische Meistbegünstigung? – Erste Erkenntnisse aus dem „D“-Fall, SWI 2004, 586; Jann, Die Auswir1 BMF v. 8.10.2007, BStBl. I 2007, 821; Verlängerungsabkommen (bis 31.7.2008) v. 6.11. 2008, BGBl. II 2009, 715. 2 Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, Rz. 103 ff.; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht6, 111; Böckstiegel, JuS 1973, 759 ff.; Köck in FS Verosta, 79 ff. 3 Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, Rz. 103; Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht6, 111 ff. 4 Hierzu Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, Rz. 340 ff. 5 Vgl. dazu Treviranus, ZaöRV 39 (1979), 259 ff. mit Text im Anhang, 279 ff.; Zemanek in FS Verdross, 719 ff. 6 Poeggel/Meißner/Poeggel, Staatennachfolge in Verträge, 108 f.; Treviranus, ZaöRV 39 (1979), 259 (271 f.); Hoffmann, IPRax 1991, 1 (7); zur Rechtslage bezüglich der Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR und Jugoslawiens BMF v. 19.1.2016 – IV B 2 S 1301/07/10017-07 – DOK 2016/0028964, BStBl. I 2016, 76. 7 Vgl. die Hinweise in BMF v. 19.1.2016 – IV B 2 - S 1301/07/10017-07 – DOK 2016/0028964, BStBl. I 2016, 76. 8 Hierzu der Überblick in BMF v. 19.1.2016 – IV B 2 - S 1301/07/10017-07 – DOK 2016/0028964, BStBl. I 2016, 76.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) kungen des EU-Rechts auf die Abkommensberechtigung von beschränkt Steuerpflichtigen, SWI 1996, 400; Kluge, Zur unmittelbaren Anwendung von DBA-Vorschriften bei der Gewinnermittlung, StuW 1975, 294; Kofler, DBA und Europäisches Gemeinschaftsrecht, Wien 2007; Lang, M., DBA und innerstaatliches Recht, Wien 1992; Lang, M., Wohin geht das Internationale Steuerrecht?, IStR 2005, 289; Langbein, „Treaty overriding“ durch nationales Recht, RIW 1988, 875; Mössner, Zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, in FS für Seidl-Hohenveldern, Köln/Berlin/Bonn/München 1988, 403; Rödder/Schönfeld, Mündliche Verhandlung vor dem EuGH in der Rechtssache „Cadbury Schweppes“: Wird sich der Missbrauchsbegriff des EuGH verändern?, IStR 2006, 49; Schaumburg, Spezielle Gewinnrealisierungsprobleme im außensteuerlichen Kontext, DStJG 4 (1985), 247; Scherer, Doppelbesteuerung und europäisches Gemeinschaftsrecht, München 1995; Schuch, Verpflichtet das EU-Recht zur DBA-rechtlichen Meistbegünstigung?, SWI 1996, 267; Shannon, Die DBA der USA, München 1987; Stockmann, Völkerrechtliche Meistbegünstigungsklausel und Internationales Steuerrecht, IStR 1999, 129; Vedder, Einwirkungen des Europarechts auf das innerstaatliche Recht und auf internationale Verträge der Mitgliedstaaten: Die Regelung der Doppelbesteuerung, in Lehner/Thömmes u.a., Europarecht und Internationales Steuerrecht, München 1994, 1; Vogel, Zu einigen Fragen des Internationalen Steuerrechts, DB 1986, 507; Wassermeyer, Die Vermeidung der Doppelbesteuerung im Europäischen Binnenmarkt, DStJG 19 (1996), 151; Wassermeyer, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen durch den BFH, StuW 1990, 404; Weggenmann, EG-rechtliche Aspekte steuerlicher Meistbegünstigung im Abkommensrecht, IStR 2003, 677; Wingert, Neuere Entwicklungen der deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, RIW 1990, 207.
I. Normengruppen 19.29
DBA erlangen Rechtsnormcharakter dadurch, dass sie vom Bundestag und Bundesrat als Zustimmungsgesetze1 beschlossen und sodann durch das Ratifikationsverfahren völkerrechtlich verbindlich werden (Rz. 19.20 f.). Rechtsnormcharakter hat nicht nur der Abkommenstext als solcher, sondern haben auch die beigefügten Protokolle und Briefwechsel, die selbst integrale Bestandteile der DBA sind.2
19.30
In Protokollen und Briefwechseln werden gewöhnlich diejenigen Verhandlungsergebnisse niedergelegt, die entweder von den Vertragspartnern als weniger wichtig angesehen werden oder aber vom Regelungsgehalt her nur einen der beiden Vertragsstaaten betreffen. Indessen haben Protokolle und Briefwechsel in der Abkommenspraxis zunehmend an Bedeutung gewonnen.3 Dass vermehrt auch materiellrechtliche Regelungen in Protokolle aufgenommen werden,4 hat seine Ursache im Wesentlichen darin, dass die von Deutschland abgeschlossenen DBA vom äußeren Aufbau her zwar noch weitgehend dem OECD-MA entsprechen, inhaltlich aber immer mehr von diesem abweichen. Dabei finden die Abweichungen Eingang in die den eigentlichen Abkommenstexten beigefügten Schlussprotokolle.5
19.31
Soweit Protokolle und Briefwechsel nicht zum Bestandteil der eigentlichen Abkommen selbst geworden sind und damit auch nicht am Ratifizierungsverfahren 1 Art. 59 Abs. 2 GG; die Zustimmung des Bundesrates ist gem. Art. 105 GG unabdingbar. 2 Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 49; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 7; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 7; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 29. 3 Zu dieser „Protokollsucht“ Wingert, RIW 1990, 207 (209). 4 Vgl. etwa die Protokolle zum DBA-Italien und DBA-USA. 5 Zur „Bilateralisierung“ der DBA Wingert, RIW 1990, 207 (209).
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E. Anwendung von DBA
teilgenommen haben, kommt ihnen zwar kein Rechtsnormcharakter zu, sie stellen aber eine Auslegungshilfe dar.1 Da DBA darauf gerichtet sind, dem jeweiligen innerstaatlichen Steuerrecht im bilateralen Verhältnis Schranken2 aufzuerlegen,3 wirken sie unmittelbar auf das jeweilige Steuerrechtsverhältnis4 ein.5 Sie sind nach Umsetzung in innerstaatliches Recht insoweit unmittelbar anwendungsfähig, haben als solche also Self-executing-Charakter.6 Das bedeutet aber nicht, dass allen Vorschriften der DBA eine derartige Self-executing-Wirkung zukommt. So gibt es Vorschriften, die lediglich Ermächtigungsnormen darstellen, die zu ihrer Umsetzung noch einer innerstaatlichen gesetzlichen Vorschrift bedürfen.7 Ob eine Abkommensvorschrift Self-executing-Wirkung hat oder nicht, ist dem Wortlaut und dem Sinngehalt der einzelnen Vorschrift zu entnehmen. Für Ermächtigungsnormen sprechen Formulierungen wie „dürfen“ oder „können“, für unmittelbar anwendbare Normen sprechen dagegen Formulierungen wie „sind“. Zu diesen Self-executingNormen zählen insbesondere die dealing-at-arm’s-length-Klausel des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA, zu deren Durchführung es keiner innerstaatlichen gesetzlichen Vorschrift mehr bedarf.8
19.32
Da DBA in erster Linie den Zweck verfolgen, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden,9 sind deren Normen unter diesem Gesichtspunkt als kollisions- oder konfliktauflösende Normen zu qualifizieren. Während die kollisions- oder konfliktbegründenden Normen, dass heißt solche Normen, die eine Doppelbesteuerung verursachen, Bestandteil des innerstaatlichen Rechts sind, erfolgt die Kollisionsauflösung auf der Ebene des Abkommensrechts.10 Der Zweck von DBA erschöpft
19.33
1 Vgl. Art. 31 Abs. 2 WÜRV. 2 Kritisch zu diesem Begriff Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 9; vgl. dagegen etwa BFH v. 17.12.2014 – I R 23/13, BFH/NV 2015, 626 (Schrankenwirkung i.S. von Sperrwirkung). 3 Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (2 ff.). 4 Zum Steuerrechtsverhältnis Seer in Tipke/Lang22, § 6 Rz. 1 ff. 5 In Deutschland nach Verabschiedung des Zustimmungsgesetzes als legislative Schranke gegen die übrigen Normen des nationalen Rechts; zum lex specialis-Charakter Rz. 3.25. 6 Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 56; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 24; Henkel in G/K/G, DBA, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 11 ff.; Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1; Debatin, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 1 (1); zur Terminologie Stein/von Buttlar13, Rz. 185 ff.; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 45 f. 7 So z.B. die Gewinnkorrekturvorschrift des Art. 9 OECD-MA; hierzu im Einzelnen BFH v. 12.3.1980 – I R 186/76, BStBl. II 1980, 531 zu Art. 6 DBA-Niederlande. 8 Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 504; Lang, M., DBA und innerstaatliches Recht, 29 ff.; Kluge, StuW 1975, 294 (300 ff.); Schaumburg, DStJG 4 (1985), 247 (253); a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 171, 315. Zum Ganzen ausf. Ditz in S/D, Art. 7 OECD-MA (2008) Rz. 38. 9 Die Vermeidung einer doppelten Nichtbesteuerung (Minderbesteuerung) ist nach herkömmlichen Verständnis nicht das eigentliche Ziel von DBA, sondern lediglich Folge der Freistellungsmethode; vgl. Rz. 19.84 ff.; 19.522 ff. 10 Zu kollisionsbegründenden und kollisionsauflösenden Normen im Einzelnen Rz. 27 ff.; zur Abgrenzung: die Normen der DBA sind keine Kollisionsnormen im Sinne des Internationalen Privatrechts, hierzu Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 44; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 9.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
sich indessen nicht darin, die Doppelbesteuerung zu vermeiden (Rz. 19.36). Aufgabe der DBA ist es vielmehr auch, in grenzüberschreitenden Steuerfällen aufgrund sachgerechter und konsequent durchgeführter Regeln für die gerechte Zuordnung des Steuergutes zu einem Staat oder die gerechte Verteilung des Steuergutes unter mehreren Staaten Sorge zu tragen.1 19.34
Die Normen der DBA werden u.a. als Verzichtsnormen2 oder als Verteilungsnormen3 (Zuteilungs-/Aufteilungsnormen) bezeichnet.4
19.35
In der Staatenpraxis werden die Normen der DBA indessen tatsächlich überwiegend nicht als ein auf Verteilungsgerechtigkeit, sondern eher als ein auf fiskalische Interessenverfolgung ausgerichtetes Regelungsgefüge, aufgefasst. Zu diesem Zweck werden die DBA nicht selten von den Vertragsstaaten selbst umgangen,5 wird Abkommensrecht offen oder verdeckt durch innerstaatliches Recht überlagert oder gar verdrängt (sog. treaty overriding, Rz. 3.25 f.), werden Normen der DBA unter dem Gesichtspunkt des geringstmöglichen Steuerverzichts ausgelegt und damit Qualifikationskonflikte, Auslegungskonflikte usw. (Rz. 19.79 ff.) hingenommen. Trotz DBA wird daher eine Doppelbesteuerung nicht stets vermieden, so dass Steuerpflichtige nicht selten Opfer dieses Verteilungskampfes werden, zumal ihnen in der internationalen Besteuerungspraxis regelmäßig kein Recht auf konfliktlösende zwischenstaatliche Verständigungsverfahren (Rz. 19.91) eingeräumt wird.6
19.36
Der Regelungsgehalt der DBA geht mitunter über die bloße Vermeidung der Doppelbesteuerung und die gerechte Verteilung des Steuergutes zwischen den beteiligten Staaten hinaus. So dienen Abkommen auch der Verhinderung von Steuerverkürzungen,7 so dass die diesbezüglichen Normen, bei denen es sich zumeist um sog. Missbrauchsklauseln handelt,8 auch als Normen zur Vermeidung von Einkünfteverlagerungen9 aufgefasst werden können. Steuerbegründende Normen enthalten DBA demgegenüber nicht. Das Recht, Steuern zu erheben, wird nämlich nicht durch DBA verliehen, sondern leitet sich allein aus der Souveränität eines jeden Staates ab.10
1 Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 23; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 11; Tipke, Steuergerechtigkeit, 120. 2 Hierzu ausführlich Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (2 f.). 3 Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 67; Kirchhof in K/S/M, § 2 EStG Rz. A 148. 4 Kritisch zu diesen Begriffen Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 9. 5 Hierzu Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 193 ff. 6 Vgl. allerdings die abkommensrechtlichen Schiedsklauseln sowie für den Bereich der EU die Schiedsverfahrenskonvention; zu Einzelheiten Rz. 19.114 ff. 7 Vgl. etwa die Überschrift des DBA-USA. 8 Vgl. etwa Art. 28 DBA-USA, Nr. 17 des Protokolls des DBA-Belgien; Nr. 7c des Protokolls des DBA-Neuseeland; Nr. 6 des Protokolls des DBA-Finnland; ferner Art. 23 DBA-Schweiz. 9 Häufig auch als Steuerfluchtnormen bezeichnet; hierzu im Einzelnen Rz. 2.16 ff. 10 Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 44, 65; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 9; Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 33; Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, Amsterdam 1964, 61; Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, 403 (414); Wassermeyer, StuW 1990, 404 (411).
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E. Anwendung von DBA
II. Normenkonkurrenz 1. Verhältnis zum nationalen Recht DBA stehen als völkerrechtliche Verträge gem. Art. 59 Abs. 2 GG im Rang von Bundesgesetzen.1 Sie gehen indessen als leges speciales dem innerstaatlichen Steuerrecht vor.2
19.37
Diese Derogationswirkung hat allerdings Grenzen, weil spätere speziellere Regelungen des nationalen Steuerrechts den DBA vorgehen, soweit ein gesetzgeberischer Wille zur Abkommensverdrängung feststellbar ist.3 Die Derogationswirkung ergibt sich unabhängig von dem insoweit nur deklaratorisch wirkenden § 2 AO schon aus dem Sinn und Zweck der DBA. Während nämlich die Normen des nationalen Steuerrechts darauf gerichtet sind, die Voraussetzungen der Steuerpflicht zu bestimmen, besteht das Wesen der Abkommen demgegenüber darin, gegen das innerstaatliche Steuerrecht Schranken zu errichten,4 was aber nur dadurch erreicht werden kann, dass die Normen der DBA denen des innerstaatlichen Steuerrechts vorgehen.
19.38
Die Schrankenwirkung der DBA versagt indessen, wenn aufgrund gesetzgeberischer Maßnahmen des nationalen Rechts den DBA die Derogationswirkung genommen wird. Ein derartiges treaty overriding ist in denjenigen Staaten ausgeschlossen, in denen völkerrechtliche Verträge selbst vor späteren spezielleren nationalen Steuergesetzen Vorrang haben.5 Demgegenüber beanspruchen die gesetzgebenden Körperschaften der USA ein treaty overriding als verfassungsmäßiges Recht, von dem sie nicht selten Gebrauch machen.6 In Deutschland wird ein (offenes) treaty overriding in zunehmendem Maße praktiziert;7 das nationale deutsche Steuerrecht enthält zudem Vorschriften,8 die so ausgestaltet sind, dass sie entsprechende Abkommensvorschriften unterlaufen können.9 Offenes oder verdecktes treaty overriding bewirkt eine Störung der durch DBA geschaffenen bilateralen Steuerrechtsordnung, deren Normen wesensmäßig darauf gerichtet sind, beide Vertragsstaaten gleichermaßen zu verpflichten.10 Darüber hinaus führt ein Unterlaufen von DBA und deren nachhaltige Aushöhlung durch entgegenstehendes innerstaatliches Recht zu Vertragsverletzungen, die gem. Art. 60 WÜRV zu einer Vertragskündigung durch den anderen Vertragsstaat berechtigen
19.39
1 2 3 4 5
6 7 8 9 10
Grundlegend BVerfG v. 26.3.1957 – 2 BvG 1/55, BVerfGE 6, 309 (363). § 2 AO; zu den Einzelheiten Rz. 3.25. Drüen in T/K § 2 AO Rz. 38; vgl. hierzu im Einzelnen Rz. 3.24 f. Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (2 ff.); kritisch hierzu Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 9. So in Frankreich, in den Niederlanden sowie in Japan; für die Schweiz verneint die schweizerische Rechtsprechung einen Vorrang von Völkervertragsrecht, wenn der Gesetzgeber einen Widerspruch zum DBA bewusst in Kauf genommen hat; Einzelheiten bei Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 203 ff. Hierzu Shannon, Die DBA der USA, 50 ff.; Bohnert, RIW 1987, 37 ff.; Langbein, RIW 1988, 875 ff. Beispiele: § 50d Abs. 1, 3, 8 bis 11 EStG. Etwa § 20 Abs. 2 AStG. Zur Umgehung von DBA durch die Vertragsstaaten Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 193 ff. Debatin, DB 1985 Beilage 23, 1 (2).
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
können, zumal Art. 27 Abs. 1 WVK das Prinzip formuliert, dass Staaten sich nicht auf ihr internes Recht berufen dürfen, um die Nichterfüllung und Nichteinhaltung eines völkerrechtlichen Vertrages zu rechtfertigen.1 Die in Deutschland geführte Diskussion um die Frage, ob ein treaty overriding verfassungsrechtlich zulässig ist2, hat das BVerfG dahin beantwortet, dass der Gesetzgeber nach dem lex-posterior-Grundsatz später einem DBA widersprechende Gesetzes erlassen darf, ohne gegen den Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit oder das Rechtsstaatsprinzip zu verstoßen.3 19.40
Für die praktische Anwendung von DBA im Wechselspiel mit dem innerstaatlichen Steuerrecht ergibt sich Folgendes4: Zunächst ist ungeachtet eines DBA festzustellen, ob Deutschland nach seinem innerstaatlichen Steuerrecht im Rahmen der beschränkten oder unbeschränkten Steuerpflicht ein Besteuerungsanspruch zusteht. Anschließend ist anhand des einschlägigen DBA zu beurteilen, ob dieses den innerstaatlichen Besteuerungsanspruch ausschließt oder beschränkt. Ist dies zu bejahen, ist wiederum das innerstaatliche Steuerrecht daraufhin zu untersuchen, ob es ein treaty overriding enthält, um die abkommensrechtliche Schrankenwirkung zu suspendieren. 2. Verhältnis zum Europarecht
19.41
Soweit die europarechtlichen Normen self executing sind (Rz. 3.37), genießen sie innerhalb der Normenhierarchie des Internationalen Steuerrechts Anwendungsvorrang ggü. den Normen der DBA, die gem. Art. 59 Abs. 2 GG lediglich im Rang von Bundesgesetzen stehen (Rz. 3.24, 3.37). Dieser Anwendungsvorrang ist indessen begrenzt durch die Reichweite des primären und sekundären Unionsrechts selbst, das z.B. keine allgemeinen Kriterien für die Vermeidung der Doppelbesteuerung enthält.5
19.42
Die Vorrangwirkung erfasst uneingeschränkt die zwischen den Mitgliedstaaten abgeschlossenen DBA, und zwar unabhängig davon, ob es sich um Altabkommen, also um Abkommen, die vor Inkrafttreten des EG-Vertrages (heute AEUV) abgeschlossen wurden, oder um Neuabkommen handelt.6 Auf mit Drittstaaten abgeschlossene DBA wirken die europarechtlichen Normen nur dann ein, wenn die abkommensrechtlichen Regelungen Auswirkungen auf den Binnen-
1 Die Wiener Konvention über das Recht der Verträge zwischen Staaten und internationalen Organisationen und zwischen internationalen Organisationen vom 21.3.1986 (WVK) ist von Deutschland ratifiziert worden (BGBl. II 1990, 1415); zu Einzelheiten Bothe, NJW 1991, 2169. 2 Nachweise bei Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 193. 3 BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, DStR 2016, 359. Ausf. hierzu Rz. 3.24. 4 Vgl. Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 23. 5 EuGH v. 6.12.2007 – Rs. C-298/05 – Columbus Container, Slg. 2007, I-10451 Rz. 45. 6 Zum Vorrang des Unionsrechts vor völkerrechtlichen Verträgen z.B. EuGH v. 10.1.2006 – Rs. C-265/04 – Bonanich, Slg. 2006, I-923; zu Altabkommen EuGH v. 27.2.1962 – Rs. 10/61 – Kommission ./. Italien, Slg. 1962, 3; im Einzelnen m.w.N. Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 103; Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 259; Lang, M. in Gassner/Lang/ Lechner (Hrsg.), DBA und EU-Recht, 25 (27); Oellerich in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.155 ff.
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E. Anwendung von DBA
bereich der EU und somit unionsrechtliche Relevanz haben.1 Soweit sich hiernach eine Bindungswirkung des vorrangigen Europarechts ergibt, gilt diese freilich nur für den EU-Vertragsstaat selbst, nicht aber für den Drittstaat. Das gilt für Alt- und Neuabkommen gleichermaßen. Verstoßen derartige mit Drittstaaten abgeschlossene DBA gegen primäres oder sekundäres Unionsrecht, ist wie folgt zu differenzieren: Altabkommen bleiben für den betreffenden EU-Vertragsstaat anwendbar (Art. 351 Abs. 1 AEUV), es sei denn, es wird primäres Unionsrecht (zum Begriff vgl. Rz. 1.7) verletzt. In diesem Fall trifft den EU-Vertragsstaat allerdings eine Anpassungspflicht, so dass alle geeigneten Mittel anzuwenden sind, um die Unvereinbarkeit mit dem primären Unionsrecht zu beheben, was bedeutet, dass entweder einseitig durch nationales Recht das primäre Unionsrecht auf die Altabkommen für anwendbar erklärt wird oder gegebenenfalls das DBA zu kündigen ist.2 Mit Drittstaaten abgeschlossene Neuabkommen sind indessen von vornherein unanwendbar, soweit sie gegen vorrangiges Europarecht verstoßen.3 Hieraus folgt, dass jeder EU-Vertragsstaat schon im Ausgangspunkt gehalten ist, die einzelnen DBA so auszuhandeln, dass sie den Grundfreiheiten entsprechen.4 Die die Anwendung von DBA überlagernde Bindung an primäres Unionsrecht bezieht sich vor allem auf die im AEUV verankerten Grundfreiheiten.5 Betroffen sind hierdurch die von den EU-Staaten untereinander geschlossenen DBA. Ein Verstoß gegen die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten ist stets dann gegeben, wenn die Abkommensanwendung zu einer Diskriminierung von Angehörigen anderer EU-Mitgliedstaaten führt. Hierbei geht es im Wesentlichen um die abkommensrechtliche Ungleichbehandlung von beschränkt steuerpflichtigen Unionsbürgern fremder Staatsangehörigkeit im Vergleich zu unbeschränkt steuerpflichtigen Personen eigener Staatsangehörigkeit. Angesprochen sind aber auch die Fälle, in denen beschränkt steuerpflichtige Unionsbürger verschiedener Staatsangehörigkeiten im Quellenstaat, etwa in Deutschland, ungleich behandelt werden. Erfasst werden in der ersten Fallgruppe z.B. beschränkt steuerpflichtige Unionsbürger, die in Deutschland Betriebsstätten mit Drittlandseinkünften unterhalten. Da Betriebsstätten nicht abkommensberechtigt sind (Rz. 19.175), kann die Doppelbesteuerung in derartigen Dreiecksfällen nicht vermieden werden (Rz. 19.182 ff.). Demgegenüber können unbeschränkt steuerpflichtige Personen die Schrankenwirkungen der von Deutschland als Ansässigkeitsstaat abgeschlossenen DBA für derartige inländische Betriebsstätteneinkünfte aus in Drittstaaten belegenen Quellen in Anspruch nehmen.6 Im Ergebnis werden damit beschränkt steuerpflichtigen Unionsbürgern nicht die gleichen Abkommensvergünstigungen gewährt wie den in Deutschland ansässigen unbeschränkt steuerpflichtigen Personen. 1 Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 105 ff.; Kofler, DBA und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 280 ff. 2 Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 110; Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 260b. 3 Wegen des bloß subsidiär anwendbaren Art. 63 AEUV (Kapitalverkehrsfreiheit) ist der Rechtsschutz allerdings sehr eingeschränkt; hierzu Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 114; Vedder, in Lehner/Thömmes u.a., Europarecht und Internationales Steuerrecht, 1 (8). 4 Hierzu Schuch, SWI 1996, 267 (269); Dautzenberg, DStJG 19 (1996) 151 (160). 5 Vgl. Schwenke in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 106, 111 ff.; Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 265 ff.; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 115 ff. 6 Zu diesem Fall Jann, SWI 1996, 400 ff.
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19.43
Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
19.44
Die zweite Fallgruppe betrifft Fälle, in denen beschränkt steuerpflichtige Unionsbürger verschiedener Nationalitäten etwa in Deutschland als Quellenstaat deshalb ungleich besteuert werden, weil die Schrankenwirkungen der mit den betreffenden EU-Ansässigkeitsstaaten geschlossenen DBA unterschiedliche Reichweiten haben. Die Grundfreiheiten werden mitunter dahingehend extensiv verstanden, dass sie auch eine Verpflichtung zur Meistbegünstigung enthalten.1 Hieraus wird gefolgert, dass beschränkt steuerpflichtige Unionsbürger sich auf das jeweils günstigste EU-DBA des EU-Quellenstaates, etwa das von Deutschland, berufen können.2 Darüber hinaus wird angenommen, dass das Gebot der Meistbegünstigung nicht nur bei Anwendung von zwischen den EU-Staaten abgeschlossenen DBA, sondern auch dann zur Anwendung komme, wenn EU-Staaten DBA mit Drittstaaten abgeschlossen haben, von denen gegen die europarechtlichen Diskriminierungsverbote gerichtete Wirkungen ausgehen.3 Der Geltung der Meistbegünstigung im Europarecht4 hat indessen der EuGH5 eine Absage erteilt: Entsprechend dem Wesen von DBA mit ihren lediglich auf bilateraler Ebene wirkenden, auf Gegenseitigkeit beruhenden Normen ist eine Vergleichbarkeit von den in verschiedenen EU-Staaten ansässigen Gebietsfremden von vornherein nicht gegeben.6
19.45
Die Absage an eine innereuropäische Meistbegünstigung führt im Ergebnis dazu, dass die unterschiedliche Besteuerung von Gemeinschaftsbürgern unterschiedlicher Herkunft in einem EU-Mitgliedstaat konserviert wird. Diese steuerlichen Verwerfungen bewirken Wettbewerbsverzerrungen, die mit dem Binnenmarktkonzept des AEUV unvereinbar sind. Dies gilt insbesondere im Hinblick darauf, dass auf Grund der unterschiedlichen Steuerwirkungen bei einzelnen DBA mitunter Drittstaatenangehörige eine vorteilhaftere steuerliche Behandlung in einem EU-Mitgliedstaat in Anspruch nehmen können als Angehörige anderer EUMitgliedstaaten7 Die EU-Mitgliedstaaten werden daher gehalten sein, im Kernbereich inhaltsgleiche DBA oder ein multilaterales DBA abzuschließen.
19.46
Die Grundfreiheiten wirken auf Abkommensebene ggf. auch zugunsten unbeschränkt steuerpflichtiger Personen. Angesprochen sind hiermit insbesondere Fälle, in denen die abkommensrechtlichen Schrankenwirkungen davon abhängig sind, in welchem Ausmaß das eine oder andere DBA Aktivitätsklauseln (Rz. 19.138) enthält oder nicht, womit zugleich entgegen dem europarechtlich 1 Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 51 ff., 687, 817 f., 836 ff.; Weggenmann, IStR 2003, 677 ff. 2 Schuch in Gassner/Lang/Lechner (Hrsg.), DBA und EU-Recht, 99 ff.; Schuch, SWI 1996, 267 ff.; Wassermeyer, DStJG 19 (1996), 151 (162 f.); Beul, IStR 1997, 1 (4); Stockmann, IStR 1999, 129 ff. 3 Scherer, Doppelbesteuerung und europäisches Gemeinschaftsrecht, 156. 4 Hierzu Kofler, DBA und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 759 ff.; Hageböke in S/K/K, Art. 24 Rz. 29 ff. 5 EuGH v. 5.7.2005 – Rs. C-376/03 – D, Slg. 2005, I-5821; ebenso BFH v. 14.3.1989 – I R 20/87, BStBl. II 1989, 649; v. 19.11.2003 – I R 22/02, BStBl. II 2004, 560; v. 9.11.2005 – I R 27/03, BStBl. II 2006, 564. 6 Diese Entscheidung ist überwiegend auf Kritik gestoßen, vgl. die Nachweise bei Kofler, DBA und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 759 ff.; ferner Häger, Meistbegünstigung im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 101 ff. 7 Hierzu Hofbauer, SWI 2004, 586 ff.
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E. Anwendung von DBA
fundierten Binnenmarktkonzept Investitionsentscheidungen verzerrt werden.1 Dieser sog. Outbound-Meistbegünstigungsklausel hat der EuGH ebenfalls eine Absage erteilt.2 Die vom primären Unionsrecht ausgehenden Schutzwirkungen auf DBA haben in Orientierung an die hierfür maßgebliche EuGH-Rechtsprechung (Rz. 4.16 ff.) nur eine begrenzte Reichweite. So korrespondiert mit der fehlenden europarechtlichen Absicherung der Meistbegünstigung die nicht gegebene Verpflichtung der EU-Staaten, überhaupt DBA abzuschließen,3 so dass die Unionsbürger auch kein entsprechendes subjektives Recht herleiten können.4 Davon abgesehen sind im Ergebnis auch einzelne Regelungsbereiche der DBA den europarechtlichen Schutzwirkungen entzogen, so z.B. die Verteilungsnormen (Art. 6–21 OECDMA)5 und die Methodenartikel (Art. 23A, 23B OECD-MA).6 Das schließt allerdings nicht aus, dass abkommensrechtliche Defizite aus Gründen des Europarechts auf Ebene des nationalen (innerstaatlichen) Rechts auszugleichen sind.7
19.47
Abkommensrechtliche Verstöße gegen sekundäres Unionsrecht betreffen durchweg EU-Richtlinien, soweit sie einen Abkommensbezug haben.8 Setzt sich unter dem vorgenannten Gesichtspunkt das von einem EU-Vertragsstaat abgeschlossene DBA in Widerspruch zu einer EU-Richtlinie und werden hierdurch Unionsbürger benachteiligt, können sich diese auf die unmittelbare Wirkung der Richtlinienbestimmung selbst berufen, sofern diese unbedingt und hinreichend genau bestimmt ist (Rz. 3.31). Dies gilt nicht, wenn die EU-Richtlinie von dem betreffenden EU-Vertragsstaat in übriges nationales Recht umgesetzt worden ist und soweit dieses Abkommensrecht verdrängt (treaty-overriding; vgl. Rz. 3.24 f., 19.35) oder neben diesem anwendbar ist. In diesem Fall kann die unmittelbare Anwendung des betreffenden nationalen Rechts insbesondere dann beansprucht werden, wenn dieses zu einer für den Steuerpflichtigen günstigeren Rechtsfolge führt,9 was beispielsweise bei Anwendung der Mutter-Tochter-Richtlinie (§ 43b EStG) der Fall ist (Rz. 3.70 ff).
19.48
1 Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 126; Kofler, DBA und Europäisches Gemeinschaftsrecht, 808 ff.; Wassermeyer, DStJG 19 (1996), 151 (162 ff.); Lang, M., IStR 2005, 289 (295), a.A. wohl BFH v. 9.11.2005 – I R 27/03, BStBl. II 2006, 564. 2 EuGH v. 6.12.2007 – Rs. C-298/05 – Columbus Container, Slg. 2007, I-10497. 3 Dürrschmidt, NJW 2010, 2086 (2089). 4 EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, Slg. 1998, I-2823; vgl. auch Forsthoff, IStR 2006, 509 ff. 5 Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 188; vgl. im Einzelnen Rz. 19.211 ff. 6 Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 119 ff.; vgl. im Einzelnen Rz. 19.512 ff. 7 So etwa (bisher) die finale Verlustberücksichtigung EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, Slg. 2005, I-10837 zu Kapitalgesellschaften und v. 15.5.2008 – Rs. C-414/06 – Lidl Belgium, Slg. 2008, I-3601; v. 13.10.2008, Rs. C-157/07 – KR Wannsee, IStR 2008, 769; v. 6.11.2007 – Rs. C-415/06 – Stahlwerke Ergste Wertig, Slg. 2007, I-151; v. 28.2.2008 – Rs. C-293/06 – Deutsche Shell, Slg. 2008, I-1129; v. 17.7.2014 – Rs. C-48/13 – Nordea Bank, ECLI:EU:C:2014:2087 = IStR 2014, 563; zu Betriebsstätten. Insoweit ist jedoch eine Kehrtwende in der Rechtsprechung des EuGH auszumachen, vgl. EuGH v. 17.12.2015 – Rs. C-388/14 – Timac Agro Deutschland, ECLI:EU:C:2015:829 = ISR 2016, 14; v. 10.6.2015 – Rs. C-686/13 – X AB, ECLI:EU:C:2015:375 = IStR 2015, 557. 8 Hierzu Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 274a; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 135. 9 Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 276; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 135.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
F. Auslegung von DBA Literatur Kommentare zu Art. 3 Abs. 2 OECD-MA; Avery Jones, Qualification Conflicts: The Meaning of Application in Article 3 (2) of the OECD-Model, in FS Beusch, Berlin/New York 1993, 43; Bernhardt, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge insbesondere in der neueren Rechtsprechung internationaler Gerichte, Köln/Berlin 1963; Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, Amsterdam 1964; Czakert, Artikel 3 Abs. 2 OECD-MA und die Anwendung des innerstaatlichen Rechts, IStR 2012, 703; Debatin, Auslegungsmaximen zum Internationalen Steuerrecht, AWD 1969, 477; Debatin, Zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, in FS für Scherpf, Wiesbaden 1983, 305; Debatin, System und Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen, DB 1985, Beilage 23, 1; Debatin, Doppelbesteuerungsabkommen und innerstaatliches Recht, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 1; Debatin, Entwicklungstendenzen im Internationalen Steuerrecht und nationalen Außensteuerrecht im Lichte der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung, DStZ A 1987, 211; Diehl, Qualifikationskonflikte im Außensteuerrecht, FR 1978, 517; Flick in Felix (Hrsg.), Von der Auslegung und Anwendung der Steuergesetze, Köln 1958, 151; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz – Zugleich ein Beitrag zur Lehre von der Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen, Berlin 1988; Gloria, Die Doppelbesteuerungsabkommen der Bundesrepublik Deutschland und die Bedeutung der Lex-ForiKlausel für ihre Auslegung, RIW 1986, 970; Gosch, Über die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, ISR 2013, 87; Gröhs/Herbst, Die Interpretation von Doppelbesteuerungsabkommen als Problem der Auslegung von völkerrechtlichen Verträgen im nationalen Recht, ZfV 1986, 16; Grützner, DBA, Herne/Berlin 1978; Haarmann, Auslegung und Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen, Köln 2004; Hahn, Gedanken zum Grundsatz der Entscheidungsharmonie, IStR 2012, 941; Hahn, Zur Auslegung von DBA: Grundsatz der Entscheidungsharmonie im Crash-Test, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 631; Hannes, Qualifikationskonflikte im Internationalen Steuerrecht, Hamburg 1992; Hilf, Die Auslegung mehrsprachiger Verträge, Berlin/Heidelberg/New York 1973; Holthaus, Die Änderung der Freistellungspraxis im StÄndG 2003 beim ausländischen Arbeitslohn in § 50d EStG – Auswirkungen einer globalen Rückfallklausel in allen Anwendungsfällen der DBA, IStR 2004, 16; Kerath, Maßstäbe zur Auslegung und Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen unter besonderer Berücksichtigung des Verständigungsverfahrens, Hamburg 1995; Klebau, Einzelprobleme bei der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, RIW 1985, 125; Kluge, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, RIW/AWD 1975, 90; Krabbe, Qualifikationskonflikte bei atypischen stillen Gesellschaften, IStR 1999, 591; Lampert, Die dynamische Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen unter besonderer Beachtung des Kommentars zum OECD-Musterabkommen, IStR 2012, 513; Lampert, Doppelbesteuerungsrecht und Lastengleichheit, Baden-Baden 2010; Lang, Die Bedeutung des OECD-Kommentars und der Reservations, Observations und Positions für die DBA-Auslegung, in Mellinghoff/Lüdicke/Rödder (Hrsg.), Nationale und internationale Unternehmensbesteuerung in der Rechtsordnung, Festschrift für Dietmar Gosch, 2016, 235; Lang, M., Qualifikations- und Zurechnungskonflikte im DBA-Recht, IStR 2010, 114; Lang, M., Die Bedeutung des Musterabkommens und des Kommentars des OECD-Steuerausschusses für die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1994, 11; Lang, M., Doppelbesteuerungsabkommen und innerstaatliches Recht, Wien 1992; Lang, M., DBA und Personengesellschaften – Grundfragen der Abkommensauslegung, IStR 2007, 606; Lang, M., Grundsatzerkenntnis des VwGH zur DBA-Auslegung, SWI 1996, 427; Lang, M., Tax Treaty Interpretation, Wien 2001; Lang, Grundsätzliches zur Interpretation völkerrechtlicher Abkommen im Steuerrecht, StuW 1975, 285; Langbein, Doppelbesteuerungsabkommen im Spannungsfeld zwischen nationalem Recht und Völkerrecht, RIW 1984, 531; Lenz, Die Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen, CDFI XLII (1960), 107; Lehner, Die autonome Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen im Kontext des Art. 3 Abs. 2 OECD-MA, in Lüdicke/Mössner/Hummel (Hrsg.), Das
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F. Auslegung von DBA Steuerrecht der Unternehmen, Festschrift für Gerrit Frotscher, 2013, 383; Leisner-Egensperger, DBA-Auslegung unter Rückgriff auf nationales Recht, IStR 2014, 10; Locher, Einführung in das Internationale Steuerrecht der Schweiz, 3. Aufl. Bern 2005; Menck, OECDBericht zur Personengesellschaft und zum Qualifikationskonflikt – ein Überblick, IStR 1999, 147; Mössner, Die Auslegung mehrsprachiger Staatsverträge, AVR 1972, 273; Mössner, Zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, in FS für Seidl-Hohenveldern, Köln/Berlin/Bonn/München 1988, 403; Piltz, Doppelbesteuerungsabkommen und Steuerumgehung unter besonderer Berücksichtigung des treaty shopping, BB 1987, Beilage 14, 1; Pöllath, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge aus der Sicht der Steuerpraxis, in Mössner/Blumenwitz u.a., Doppelbesteuerungsabkommen und nationales Recht, München 1995, 29; von Poser und Groß-Naedlitz, Der Qualifikationskonflikt bei Doppelbesteuerungsabkommen, Diss. München 1972; Pott, Die Kollision unterschiedlicher Formen der Gesellschaftsbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, Köln 1982; Reimer, Die sog. Entscheidungsharmonie als Maßstab für die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2008, 551; Rest, Interpretation von Rechtsbegriffen in internationalen Verträgen, Diss. Köln 1971; Scheffler, Grenzüberschreitendes Leasing als Instrument der konzerninternen Außenfinanzierung, IStR 1993, 490; 538; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, Amsterdam 1936 (Neudruck Köln 1967); Spitaler, Die Auslegung der DBA, CDFI XLII (1960), 165; Strobl, Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, in FS für Döllerer, Düsseldorf 1988, 635; Vogel, Über Entscheidungsharmonie, in Klein/Stihl/Wassermeyer/Piltz/Schaumburg (Hrsg.) Unternehmen/Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 1043; Vogel, Probleme der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, SWI 2000, 103; Vogel, H., Aktuelle Fragen bei der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, BB 1978, 1021; Vogel, Abkommensvergleich als Methode bei der Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, StbJb 1983/84, 373; Vogel/Prokisch, Die Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, CDFI LXXVIIIa (1993), 19; Wassermeyer, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge – Haltung des BFH, in Mössner/Blumenwitz u.a., Doppelbesteuerungsabkommen und nationales Recht, München 1995, 19; Wassermeyer, Die Beurteilung der Abkommensberechtigung ausländischer Personengesellschaften durch Deutschland als dem Nichtansässigkeitsstaat der Personengesellschaft, IStR 1998, 491; Weber-Fas, Prinzipien der Abkommensinterpretation im zwischenstaatlichen Steuerrecht, RIW 1982, 803; Widmann, Zurechnungsänderungen und Umqualifikationen durch das nationale Recht im Verhältnis zum DBA-Recht, DStJG 8 (1985), 234.
I. Abkommensspezifische Auslegungsgrundsätze 1. Regelungssouveränität der Abkommen DBA beanspruchen als bilaterale völkerrechtliche Verträge eine einheitliche Anwendung durch beide Vertragsstaaten. Diese einheitliche Rechtsanwendung erfährt ihre Absicherung dadurch, dass DBA wegen ihres lex specialis-Charakters dem innerstaatlichen Steuerrecht beider Vertragsstaaten vorgehen (Rz. 3.25). Infolge der Trennung vom innerstaatlichen Steuerrecht stellen die Normen eines DBAs einen in sich geschlossenen Regelungskreis1 dar, der von dem jeweiligen innerstaatlichen Recht beider Vertragsstaaten grundsätzlich unabhängig ist. 1 BFH v. 15.1.1971 – III R 125/69, BStBl. II 1971, 379; v. 6.10.1971 – I R 207/66, BStBl. II 1972, 88; v. 15.6.1973 – III R 118/70, BStBl. II 1973, 810; v. 9.11.1977 – I R 254/75, BStBl. II 1978, 195; v. 21.8.1985 – I R 63/80, BStBl. II 1986, 4; v. 27.1.1988 – I R 241/83, BStBl. II 1988, 574; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 48; Art. 3 OECD-MA Rz. 71a, 76; Henkel in G/K/G, DBA, Grundlagen, Abschn. 4 Rz. 45 ff.; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 562; Spitaler, Die Auslegung der DBA, CDFI XLII (1960), 165 ff.; Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (2); Debatin, DStR 1992, Beiheft zu Heft 23, 1 (2, 5); Strobl in FS Döllerer, 635 (642).
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19.49
Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
Diese Regelungssouveränität allein vermag der gegen innerstaatliches Steuerrecht gerichteten Schrankenwirkung (Rz. 19.5 ff.) Geltung zu verschaffen. 19.50
Da die Normen der DBA und die des innerstaatlichen Rechts auf getrennten Ebenen angesiedelt sind1 und aufgrund ihres unterschiedlichen Funktionsgehaltes – Begründung der innerstaatlichen Steuerpflicht einerseits und hiergegen gerichtete Schranken andererseits – die Begriffswelt beider Rechtskreise unterschiedlich ist, verbietet es sich grundsätzlich, die Normen der DBA im Lichte des innerstaatlichen Steuerrechts auszulegen.2
19.51
Die Regelungssouveränität der Abkommen hat jedoch ihre Grenzen. DBA schaffen nämlich kein vollständiges und eigenständiges Steuerrechtsverhältnis, insbesondere kein Steuerschuldverhältnis,3 und begründen damit auch keine Steuerpflicht für die in den Vertragsstaaten ansässigen Personen.4 Wegen ihrer Schrankenwirkung erlangen sie Bedeutung nur im Zusammenhang mit dem jeweiligen innerstaatlichen Steuerrecht. Hieraus folgt, dass auch der Pflichtenkreis der Vertragsstaaten über einen sie gleichermaßen treffenden Steuerverzicht grundsätzlich nicht hinausgeht.5 2. Regelungshomogenität der Abkommen
19.52
Da DBA primär Doppelbesteuerungen vermeiden und eine gerechte Verteilung der Steuergüter zwischen den Vertragsstaaten regeln wollen, sind die Abkommensregelungen auf gemeinsame Rechtsfolgen gerichtet, was notwendigerweise eine einheitliche Anwendung der Normen durch die Vertragsstaaten voraussetzt.6 Wenn aber der Vertragszweck für beide Vertragsstaaten gleichermaßen verbindliche, gemeinsame Rechtsfolgen und damit eine einheitliche Rechtsanwendung verlangt, dann folgt aus dieser den DBA immanenten Regelungshomogenität das Gebot, Abkommen aus sich selbst heraus dergestalt auszulegen,7 dass die Ergebnisse der Auslegung von beiden Vertragsstaaten akzeptiert werden.8 Diese auf Entschei1 BFH v. 15.6.1973 – III R 118/70, BStBl. II 1973, 810. 2 So die sog. völkerrechtliche Theorie; anders dagegen die sog. landesrechtliche Theorie, wonach die nicht im Abkommen definierten Begriffe primär nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts des Anwenderstaates ausgelegt werden sollen; hierzu der Überblick Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 48, Art. 3 Rz. 82. 3 Zum Begriff Seer in Tipke/Lang22, § 6 Rz. 1 ff. 4 BFH v. 12.3.1980 – I R 186/76, BStBl. II 1980, 531; Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 65; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 9; Haase in Haase3, Einl. II Rz. 68; Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, 61; Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, 654 f.; Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, 403 (414). 5 Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (3). 6 Haase in Haase3, Einl. II Rz. 69; Lang, M., DBA und innerstaatliches Recht, 104 f., 108 ff.; Debatin, AWD 1969, 477 ff.; Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (3); Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (3); Debatin in FS Scherpf, 305 (309); Vogel/Prokisch, CDFI LXXVIIIa (1993), 19 (25 f.). 7 Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, 562; Spitaler, CDFI XLII (1960), 165 ff.; Kluge, AWD 1975, 90 (92 ff.); Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (6). 8 Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 96a ff.; Vogel in FS Flick, 1043 ff.; Flick in Felix (Hrsg.), Von der Auslegung und Anwendung der Steuergesetze, 151 ff.; Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, 403 (406); Strobl in FS Döllerer, 635 (645 f.); Vogel/Prokisch, CDFI LXXVIIIa (1993), 19 (28 f.).
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F. Auslegung von DBA
dungsharmonie1 ausgerichtete Auslegung wird in der Abkommenspraxis insbesondere durch eine zunehmend adaptierte einheitliche internationale Steuersprache abgesichert,2 zu der vor allem die Arbeit des Steuerausschusses der OECD beiträgt.3 Deshalb kommt eine Auslegung nach Maßgabe des jeweiligen innerstaatlichen Rechts nur dann in Betracht, wenn ein Auslegungsergebnis aus dem Abkommen selbst nicht zu gewinnen ist.4 Aus der abkommensimmanenten Regelungshomogenität folgt ferner, dass DBA entsprechend ihrer Zielsetzung nicht ohne Einschränkung den üblichen völkervertraglichen Auslegungsregeln unterworfen sind. So sind insbesondere souveränitätsfreundliche Auslegungsregeln nicht anzuwenden, wonach im Zweifel derjenigen Auslegung der Vorzug zu geben ist, die eine geringstmögliche Einschränkung der Souveränität der Vertragsstaaten zur Folge hat.5 Demgegenüber wird die Auslegung von zwischen EU-Staaten abgeschlossenen DBA ganz wesentlich vom primären und sekundären Unionsrecht beeinflusst: Das insoweit höherrangige Unionsrecht verlangt insbesondere ein an den Grundfreiheiten und den EG-Richtlinien orientierte Auslegung (Rz. 3.45 ff.). Denn nur so können von den DBA ausgehende gemeinschaftswidrige Wirkungen vermieden und insoweit zugleich eine einheitliche Abkommensanwendung durch die EU-Staaten gewährleistet werden. In Übereinstimmung mit der abkommensimmanenten Regelungshomogenität enthalten die DBA durchweg eigene Auslegungsrichtlinien (Art. 3 OECD-MA), zu deren Anwendung sich die jeweiligen Vertragsstaaten verpflichtet haben. Die entsprechenden abkommensrechtlichen Auslegungsklauseln stecken den Rahmen ab, innerhalb deren eine Auslegung zu erfolgen hat.
1 Ausführlich hierzu Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 114 ff.; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 92; Reimer, IStR 2008, 551 (554); Vogel in FS Flick, 1043; (122); Mössner in FS Seidl-Hohenfelder, 403 (406); Prokisch, SWI 1994, 52; Strobl in FS Döllerer, 635 (645 f.); BFH v. 24.3.1999 – I R 144/97, BFHE 188, 315 (322); v. 17.11.1999 – I R 7/99, BFHE 191, 18 (22); kritisch bzw. ablehnend Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, 671 f.; Wassermeyer, IStR 1998, 491; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 78; Wolff in Wassermeyer, Art. 3 DBA-USA Rz. 36; Gosch, ISR 2013, 87 (91); Hahn, IStR 2012, 941 ff. 2 Vgl. hierzu Vogel/Prokisch, CDFI LXXVIIIa (1993), 19 (27). 3 Hierzu der Überblick bei Krabbe in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 156 ff. 4 BFH v. 6.10.1971 – I R 207/66, BStBl. II 1972, 88; v. 15.6.1973 – III R 118/70, BStBl. II 1973, 810; v. 9.11.1977 – I R 254/75, BStBl. II 1978, 195; v. 21.8.1985 – I R 63/80, BStBl. II 1986, 4; OECD-MK zu Art. 3 Abs. 2 OECD-MA Rz. 12; Höhn, Handbuch des Internationalen Steuerrechts der Schweiz, 76; Locher, Einführung in das internationale Steuerrecht der Schweiz, 116; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 97 ff.; Flick, in Felix (Hrsg.), Von der Auslegung und Anwendung der Steuergesetze, 151 (163); Lenz, CDFI XLII (1960), 107 (113); Kluge, RIW 1975, 90 (96); Klebau, RIW 1985, 125 (126); Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (7); Debatin in FS Scherpf, 305 (311); Strobl in FS Döllerer, 635 (642); Lang, M. in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 11 (35); zu Zweifeln an diesem Vorrang Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 78; Gaffron in Haase3, Art. 3 OECD-MA Rz. 55. 5 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 77; Pott, Die Kollision unterschiedlicher Formen der Gesellschaftsbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, 148 f.; von Poser und Groß-Naedlitz, Der Qualifikationskonflikt bei DBA, 76; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 81.
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19.53
Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
II. Auslegungsrichtlinien der Abkommen 1. Reichweite der Auslegungsrichtlinien 19.54
Die meisten DBA, insbesondere die von Deutschland abgeschlossenen,1 enthalten eine dem Art. 3 Abs. 2 OECD-MA2 vergleichbare Auslegungsklausel,3 die als Auslegungsrichtlinie den allgemeinen völkervertraglichen Auslegungsregeln vorgeht.4 Diese an die Rechtsanwender beider Vertragsstaaten5 gerichtete abkommensrechtliche Auslegungsrichtlinie ist verbindlich für die Auslegung aller Abkommensregelungen, soweit diese ihrerseits nicht besondere Auslegungsregelungen enthalten. Im Verhältnis zu diesen besonderen Auslegungsrichtlinien ist die allgemeine Auslegungsrichtlinie (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA) stets subsidiär.6
19.55
Die dem Art. 3 Abs. 2 OECD-MA entsprechenden Auslegungsklauseln legen zwar den Rechtsanwender nicht auf einzelne Auslegungsmethoden fest, sie enthalten aber eine bestimmte Reihenfolge von Orientierungsmaßstäben für die Auslegung. Durch diese Reihenfolge wird die Regelungshomogenität insbesondere durch die vorrangige Beachtung eigenständiger Definitionen sichergestellt.
19.56
Die allgemeinen Auslegungsrichtlinien der Abkommen enthalten drei Orientierungsmaßstäbe, die in folgender Reihenfolge zu beachten sind:7 1 Vgl. Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 126. 2 Wortlaut: Bei der Anwendung des Abkommens durch einen Vertragsstaat hat, wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert, jeder im Abkommen nicht definierte Ausdruck die Bedeutung, die ihm im Anwendungszeitraum nach dem Recht dieses Staates für die Steuern zukommt, für die das Abkommen gilt, wobei die Bedeutung nach in diesem Staat anzuwendendem Steuerrecht den Vorrang vor einer Bedeutung hat, die der Ausdruck nach anderem Recht dieses Staates hat; zum Begriff „Anwendung“ in einem weiten Sinn verstehend Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 111. 3 Ausführlich zur Bedeutung dieser Lex-Fori-Klausel Gloria, RIW 1986, 970 ff. 4 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 77. 5 Mitunter wird allerdings die Ansicht vertreten, die Auslegungsregel sei nur für den Vertragsstaat verbindlich, dessen Besteuerungsrecht durch das DBA beschränkt werde; Nachweise bei Vogel/Prokisch, CDFI LXXVIIIa (1993), 19 (45); hiergegen zu Recht Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 73. 6 Vgl. Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 78 ff. 7 Für diese Reihenfolge die sog. völkerrechtliche Theorie: BFH v. 15.1.1971 – III R 125/69, BStBl. II 1971, 379; v. 21.8.1985 – I R 63/80, BStBl. II 1986, 4; v. 27.1.1988 – I R 241/83, BStBl. II 1988, 574; v. 11.4.1990 – I R 75/88, BFHE 160, 513; v. 30.5.1990 – I R 179/86, BStBl. II 1990, 906; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 84; Erhard in F/W/K, Art. 3 DBA-Schweiz Rz. 182; Höhn, Handbuch des Internationalen Steuerrechts der Schweiz, 71 ff.; Locher, Einführung in das Internationale Steuerrecht der Schweiz, 115 ff.; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 97 ff.; Grützner, DBA, Rz. 211; Lehner in FS Frotscher, 383 (386 ff.); Debatin, AWD 1969, 477 ff., 484 ff.; Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (6 ff.); Kluge, RIW 1975, 90 (96); Vogel, H., BB 1978, 1021 (1021); Klebau, RIW 1985, 125 (126); Gloria, RIW 1986, 970 (975 f.); Gröhs/ Herbst, ZfV 1986, 16 (22 ff.); Strobl in FS Döllerer, 635 (642, 644 f.); Gosch, ISR 2013, 87 (88 f.); dagegen für den Vorrang des innerstaatlichen Rechts vor dem Abkommenszusammenhang die sog. länderrechtliche Theorie: BFH v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211 mit kritischen Anmerkungen von Debatin, RIW 1991, 263; Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, Rz. 34 ff.; eine Mittelmeinung vertreten: Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 48; Art. 3 OECD-MA Rz. 78; zum Überblick über den „Theorienstreit“ Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, 403 (420 ff.); von Poser und Groß-Naedlitz,
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F. Auslegung von DBA
– Begriffsdefinitionen der Abkommen, – Sinnzusammenhang der Abkommen, – Begriffswelt des innerstaatlichen Rechts. Dem Wortlaut der allgemeinen Auslegungsrichtlinien lässt sich allerdings entnehmen, dass nach Berücksichtigung von Begriffsdefinitionen des Abkommens die Auslegung nach innerstaatlichem Recht vorrangig sein soll, da diese lediglich unter dem Vorbehalt steht, dass „der Zusammenhang nichts anderes erfordert“.1 Hieraus wird gefolgert, die Auslegung aus dem Zusammenhang des Abkommens habe keinen systematischen Vorrang vor der Bezugnahme auf das jeweilige innerstaatliche Recht.2 Soweit die Abkommen keine eigenen Begriffsdefinitionen enthielten, sei zunächst auf die Begriffswelt des innerstaatlichen Rechts zurückzugreifen, von der dann abgewichen werden könne, wenn der in einem weiten Sinn zu verstehende Zusammenhang gewichtige Gründe hierfür biete.3 Die weite Auslegung des Begriffs „Zusammenhang“ ziele darauf ab, die durch den Rückgriff auf innerstaatliches Recht möglichen unangemessenen Ergebnisse zu vermeiden.4 Ob „der Zusammenhang nichts anderes erfordert“, wird indessen durch den primären Zweck der DBA bestimmt, Doppelbesteuerungen zu vermeiden und für eine gerechte Verteilung der Steuergüter zwischen den Vertragsstaaten zu sorgen.5 Diese teleologischen Orientierungsmaßstäbe bestimmen den abkommensmäßigen „Zusammenhang“, in den die (auslegungsbedürftigen) Begriffe gestellt sind. Da die Auslegung darauf gerichtet ist, den Sinn von Gesetzesworten (hier: Abkommensbegriffen) vom Gesetzeszweck (hier: Abkommenszweck) her zu ermitteln und klarzustellen, also stets teleologisch orientiert ist,6 hat die Auslegung aus dem Abkommen heraus Vorrang, da die Auslegung nach innerstaatlichem Recht den Abkommenszweck nicht zu berücksichtigen vermag.7 Mit anderen Worten: Die Auslegungsklausel des Art. 3 Abs. 2 OECD-MA gebietet die Auslegung unter Berücksichtigung des Sinnzusammenhangs, verankert das Ge-
1
2
3
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Der Qualifikationskonflikt bei DBA, 50 ff.; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 92 ff. So die sog. länderrechtliche Theorie; anders dagegen ausdrücklich z.B. Art. 3 Abs. 2 DBASchweden, wonach auf innerstaatliches Recht nur dann zurückgegriffen werden darf, wenn dies der Abkommenszusammenhang erfordert; hierzu Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 100a. Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 119; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 82, wonach durch weite Auslegung des Begriffs „wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert“ letztlich indessen vergleichbare Auslegungsergebnisse erzielt werden. So die zwischen der sog. länderrechtlichen und der sog. völkerrechtlichen Theorie vermittelnde Meinung von Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 121; Vogel/Prokisch, CDFI LXXVIIIa (1993), 19 (49 f.); ähnlich Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, 403 (425 f.); Klebau, RIW 1985, 125 (131 ff.). Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 121. Nach Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 78 soll dieses Auslegungsziel nur von sekundärer Bedeutung sein. Englisch in Tipke/Lang22, § 5 Rz. 48 ff. S. auch Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 84.
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19.57
Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
bot der teleologischen Auslegung1 und versperrt damit einen Rückgriff auf innerstaatliches Recht, solange aus dem Abkommen selbst ein Auslegungsergebnis zu gewinnen ist.2 Der Vorrang der am Abkommenszweck orientierten Auslegung ermöglicht allein die Vermeidung der Doppelbesteuerung. Damit wird zugleich dem Leistungsfähigkeitsprinzip entsprochen, das eine Vermeidung der Doppelbesteuerung gebietet. Darüber hinaus trägt die so verstandene allgemeine Auslegungsrichtlinie auch zur Verteilungsgerechtigkeit zwischen den Vertragsstaaten bei. Ein Rückgriff auf das jeweils geltende, abänderbare3 innerstaatliche Recht eröffnete nämlich den Vertragsstaaten die Möglichkeit, durch Änderung des innerstaatlichen Rechts zu Lasten des jeweils anderen Vertragsstaates eine anderweitige Verteilung der Steuergüter zu bewirken und hierdurch Abkommensregelungen zu unterlaufen.4 2. Begriffsdefinitionen der Abkommen 19.58
Die in einem in sich geschlossenen Regelungskreis eingebetteten Abkommensnormen haben vom jeweiligen innerstaatlichen Recht unabhängige und eigenständige Formulierungen erfahren. Die in den DBA und im innerstaatlichen Recht verwendeten Begriffe sind damit auf verschiedenen Begriffsebenen angesiedelt.5 Die Begriffsautonomie der DBA entspricht der Regelungssouveränität der Abkommen selbst. Auch wenn die auf Abkommensebene und auf der Ebene des nationalen Rechts verwendeten Begriffe einander ähneln oder gar übereinstimmen, so sind sie dennoch von ihrer Bedeutung her nicht ohne weiteres gleichzusetzen. Insoweit gibt es grundsätzlich keine Begriffsidentität, sondern allenfalls eine Begriffsparallelität.6 Um zu gewährleisten, dass die Rechtsfolgen für die Abkommensnormen in beiden Vertragsstaaten gleichermaßen gezogen werden, enthalten die DBA in einem besonderen Artikel (Art. 3 Abs. 1 OECD-MA) einen umfangreichen, für die Auslegung verbindlichen Definitionenkatalog. Darüber hinaus finden sich in den einzelnen Abkommensnormen selbst weitere Begriffsdefinitionen, die ggü. dem allgemeinen, dem Art. 3 Abs. 1 OECD-MA entsprechenden Definitionenkatalog Lex-specialis-Charakter haben.7
1 Im Hinblick darauf käme die vorstehende Reihenfolge der Auslegung auch ohne ausdrückliche Regelung in Art. 3 Abs. 2 OECD-MA in Betracht; Weber-Fas, RIW 1982, 803 (807); Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (6); Debatin, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 1 (6); kritisch hierzu Mössner in FS Seidl-Hohenveldern, 403 (424 f.). 2 Ähnlich auch die für die Auslegungspraxis gegebenen Hinweise bei Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 81, wonach bei Fehlen einer Abkommensdefinition zu prüfen ist, ob das Abkommen anderweitige Auslegungshinweise enthält. 3 Im Sinne einer dynamischen Verweisung; vgl. hierzu Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 124; Widmann, DStJG 8 (1985), 234 (242 ff.); Klebau, RIW 1985, 125 (129 f.); ferner Rz. 19.66. 4 Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 84. 5 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 48; Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (3); Debatin, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 1 (5). 6 Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (3); anders dagegen Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 71a, soweit es sich um termini technici des innerstaatlichen Rechts handelt. 7 Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 4.
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F. Auslegung von DBA
DBA verweisen1 schließlich auch auf innerstaatliches Recht und machen sich dadurch dessen Begriffswelt zu Eigen. Derart abgeleitete Begriffsdefinitionen, die stets nur durch Verweisung auf das innerstaatliche Recht eines der beiden Vertragsstaaten gewonnen werden, sind als Abkommensdefinitionen ebenfalls für beide Vertragsstaaten verbindlich. Die Verweisung für Zwecke der Begriffsschöpfung auf das innerstaatliche Recht erfolgt dabei durchweg nur auf das Recht desjenigen Vertragsstaates, dem letztlich – etwa als Quellenstaat – auch die Besteuerungsbefugnis erhalten bleibt. Dies gilt insbesondere für den Begriff „unbewegliches Vermögen“ (Art. 6 Abs. 2 OECD-MA), für den allein das Recht des besteuerungsbefugten Belegenheitsstaates maßgeblich ist. Die Verweisung auf das jeweilige innerstaatliche Recht erfolgt in aller Regel ohne weitere Differenzierung,2 so dass das innerstaatliche Recht in seiner Gesamtheit angesprochen wird. Erfahren die in Bezug genommenen Begriffe des innerstaatlichen Rechts in den verschiedenen Rechtsmaterien3 unterschiedliche Deutungsinhalte, so ist wegen der Sachnähe im Zweifel die Begriffswelt des nationalen Steuerrechts maßgeblich.4 Verwiesen wird schließlich auch nicht etwa auf das innerstaatliche Recht nur zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des DBAs, sondern, soweit sich aus dem DBA hierfür keine Beschränkungen ergeben, auf das jeweils geltende innerstaatliche Recht.5
19.59
Eine derart dynamische Verweisung auf das innerstaatliche Recht nur eines Vertragsstaates kann dazu führen, dass durch Änderung der in Bezug genommenen innerstaatlichen Begriffsdefinitionen auch die Rechtsfolgen auf Abkommensebene, insbesondere im Bereich der Verteilungsnormen, eine Änderung erfahren. Da durchweg auf das innerstaatliche Recht des besteuerungsbefugten Quellenstaates verwiesen wird, gehen etwaige Änderungen in aller Regel zu Lasten des Wohnsitzstaates. Hiergegen schützen allerdings auf Abkommensebene die Verweisungsnormen selbst, indem sie der Verweisung enge Grenzen setzen. So enthält zwar Art. 6 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA für den Begriff „unbewegliches Vermögen“ eine Verweisung auf das innerstaatliche Recht des Belegenheitsstaates, bestimmt aber zugleich, dass zum unbeweglichen Vermögen unter keinen Umständen Schiffe und Luftfahrzeuge gehören.6
19.60
3. Auslegung nach dem Sinnzusammenhang Da die eigenständigen Begriffsdefinitionen der Abkommen und die in Bezug genommenen Begriffsdefinitionen des innerstaatlichen Rechts in ihrer Zahl be1 Es handelt sich nicht um eine Rechtsfolgenverweisung, sondern lediglich um einen Rückgriff oder eine Bezugnahme auf nationales Recht; Mössner, in FS Seidl-Hohenveldern, 403 (422); ausführlich Lang, M., DBA und innerstaatliches Recht, 105 ff., 112 ff. 2 Ausnahme: Art. 6 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA, in dem für grundstücksgleiche Rechte auf das innerstaatliche Privatrecht des Belegenheitsstaates verwiesen wird. 3 Etwa Privatrecht einerseits und Steuerrecht andererseits. 4 Gaffron in Haase2, Art. 3 OECD-MA Rz. 73. 5 BFH v. 13.12.1989 – I R 39/87, BStBl. II 1990, 379 (381); hierzu im Einzelnen Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 124; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 92; Widmann, DStJG 8 (1985), 235 (242 ff.); Klebau, RIW 1985, 125 (129 f.); Vogel/Prokisch, CDFI LXXVIIIa (1993), 19 (48). 6 Demnach zählen im Schiffsregister und Luftfahrtregister eingetragene Schiffe und Luftfahrzeuge auf Abkommensebene entgegen der Rechtslage in Deutschland nicht zum unbeweglichen Vermögen.
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19.61
Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
grenzt sind, kommt der Auslegung nach dem Sinnzusammenhang die eigentliche Bedeutung zu.1 Dieser Auslegung sind nicht nur einzelne Ausdrücke oder Begriffe, sondern alle Normen der DBA insgesamt unterworfen.2 Nur diese uneingeschränkte Auslegung des Abkommens aus sich selbst heraus3 gewährleistet die abkommensimmanente Regelungshomogenität, stellt also sicher, dass beide Vertragsstaaten die Abkommensregeln einheitlich auslegen. 19.62
Da die dem Art. 3 Abs. 2 OECD-MA entsprechenden abkommensrechtlichen Auslegungsklauseln keine Festlegung auf eine bestimmte Auslegungsmethode4 vorsehen, kommen insbesondere die grammatische, systematische, historische und die teleologische Auslegung in Betracht. Sie alle sind darauf gerichtet, den Sinn der Abkommensregelungen für beide Vertragsstaaten verbindlich zu erschließen.5 Die einzelnen Auslegungsmethoden schließen sich nicht gegenseitig aus, sie ergänzen sich vielmehr.6
19.63
Die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Auslegung von DBA stellt wechselweise eine am Wortlaut orientierte Auslegung und eine Auslegung nach dem Sinn und Zweck des Abkommens in den Vordergrund. Das Wiener Übereinkommen über das Recht der völkerrechtlichen Verträge (WÜRV)7 bevorzugt eine bestimmte Auslegungsmethode ebenfalls nicht. Die in Art. 31 Abs. 1 WÜRV verankerte allgemeine Auslegungsregel gebietet, einen völkerrechtlichen Vertrag „nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen“. Hiernach wird zwar zunächst auf den Wortlaut abgestellt, daraus folgt aber nicht, dass der grammatischen Auslegung der Vorzug zu geben ist.8 Art. 31 Abs. 1 WÜRV stellt lediglich klar, dass die Auslegung mit der Frage nach dem Wortsinn beginnt,9 ohne die teleologische Auslegung als nachrangig zu qualifizieren. Es gibt kein Primat der einen oder anderen Auslegungsmethode. Alle Auslegungsmethoden sind vielmehr lediglich Hilfsmittel, den Sinn von Abkommensnormen zu erschließen, was einen Rückgriff auf den Vertragszweck voraussetzt. Im Hinblick darauf verdient stets diejenige
1 Gaffron in Haase2, Art. 3 OECD-MA Rz. 68; Debatin, RIW 1969, 477 (479); so ausdrücklich auch der österreichische VwGH v. 31.7.1996, zitiert und kommentiert von Lang, M., SWI 1996, 427 ff.; einschränkend Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 117 ff.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 78, 82. 2 Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 41; Höhn, Handbuch des Internationalen Steuerrechts der Schweiz2, 76 f. 3 Debatin, DStZ A 1987, 211 (212); so ausdrücklich auch Art. 3 Abs. 2 DBA-Schweden. 4 Oder Auslegungskriterium; Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 250 ff. 5 Zu den einzelnen Auslegungsmethoden im Abkommenszusammenhang Schönfeld/ Häck in S/D, Systematik Rz. 89 ff. 6 BFH v. 15.6.1973 – III R 118/70, BStBl. II 1973, 810; v. 24.4.1975 – I R 204/73, BStBl. II 1975, 604; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 78; Henkel in G/K/G, Grundlagen Abschn. 4 Rz. 26 ff., Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (6); Debatin, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 1 (6). 7 Vom 23.5.1969, BGBl. II 1985, 927; das WÜRV ist seit dem Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes vom 3.8.1985 (BGBl. II 1985, 926) am 20.8.1987 (BGBl. II 1987, 757) auch innerstaatlich unmittelbar anwendbar. 8 Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 96. 9 Hierzu Drüen in T/K, § 4 AO Rz. 261.
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F. Auslegung von DBA
Auslegung den Vorzug, bei der der primäre Vertragszweck – Vermeidung der Doppelbesteuerung – erreicht wird.1 4. Rückgriff auf innerstaatliches Recht Kann der Sinngehalt einer Abkommensvorschrift nicht aus dem Abkommen selbst heraus erschlossen werden, ist als letztes Mittel der Auslegung ein Rückgriff auf innerstaatliches Recht geboten.2 Es versteht sich hierbei von selbst, dass ein derartiger Rückgriff auf innerstaatliches Recht, wie sich auch aus dem Wortlaut des Art. 3 Abs. 2 OECD-MA ergibt, nur für die Auslegung von einzelnen Worten zulässig ist mit der Folge, dass etwaige Vertragslücken im Wege der Analogie nicht unter Heranziehung innerstaatlichen Rechts geschlossen werden dürfen.3 Andernfalls käme es zu einer Überlagerung der unterschiedlichen Wertungsebenen des Abkommens einerseits und des innerstaatlichen Rechts andererseits und damit zu einer Störung der abkommensimmanenten Regelungshomogenität.
19.64
Zwar ist der Rückgriff auf innerstaatliches Recht für Zwecke der Auslegung einzelner Worte mit der abkommensimmanenten Regelungshomogenität grundsätzlich ebenfalls unvereinbar, dieser Auslegungsrückgriff findet seine Rechtfertigung aber dann, wenn sonst eine Anwendung von Abkommensvorschriften versagt bliebe. Vor diesem Hintergrund wird sich die Auslegung nach Maßgabe allein des innerstaatlichen Rechts nicht als Regel erweisen.4
19.65
Der in den allgemeinen Auslegungsrichtlinien vorgesehene Auslegungsrückgriff hat die Bedeutung einer dynamischen Verweisung, so dass stets das jeweils geltende innerstaatliche Recht maßgeblich ist.5 Materiell führt der Rückgriff auf innerstaatliches Recht zu einer Verweisung auf das dortige Steuerrecht, sofern die in Betracht kommenden Ausdrücke in den einzelnen Rechtsmaterien6 eine unterschiedliche Sinndeutung erfahren, und zugleich führt er aber auch auf das vorrangige europäische Recht, wenn der betreffende Staat der EU angehört.7
19.66
1 BFH v. 9.11.1966 – I 29/65, BStBl. III 1967, 88; einschränkend Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 78, der diesem Auslegungsziel nur sekundäre Bedeutung beimisst. 2 Im Sinne der sog. völkerrechtlichen Theorie im Gegensatz zur sog. landesrechtlichen Theorie; hierzu Rz. 19.56; vermittelnd Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 121; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 82; Wassermeyer in Mössner/Blumenwitz u.a., DBA und nationales Recht, 19 (23), wonach durch weite Auslegung des Begriffs „wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert“ vergleichbare Auslegungsergebnisse erzielt werden. 3 Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 102; Blumenwitz in Mössner/Blumenwitz u.a., DBA und nationales Recht, 5 (6); a.A. Kluge, RIW/AWD 1975, 90 (96); Diehl, FR 1978, 517 (517). 4 Höhn, Handbuch des Internationalen Steuerrechts der Schweiz2, 83 f.; Lang, M., DBA und innerstaatliches Recht, 110; Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (7); Debatin, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 1 (7). 5 Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 124; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 92; Leisner-Egensperger, IStR 2014, 10 ff. 6 Etwa Privatrecht einerseits und Steuerrecht andererseits. 7 Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 111e.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
III. Völkerrechtliche Auslegungsregeln 19.67
Soweit die allgemeinen und speziellen Auslegungsregeln der DBA nicht entgegenstehen, kommen subsidiär völkervertragliche Auslegungsregeln, insbesondere die des Wiener Übereinkommens über das Recht der völkerrechtlichen Verträge (WÜRV)1 in Betracht.2
19.68
Art. 31 Abs. 1 WÜRV stellt die Grundregel auf, dass ein völkerrechtlicher Vertrag nach Treu und Glauben (bona fide) in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen Bedeutung der im Vertrag verwendeten Worte in ihrem Zusammenhang und im Lichte des Vertragszieles ausgelegt werden soll. Diese Grundregel, die den Besonderheiten der Doppelbesteuerung selbst zwar nicht Rechnung trägt,3 stimmt aber weitgehend mit den Auslegungsregeln der DBA überein. Die völkervertraglichen Auslegungsregeln heben dementsprechend auf den Vertragswillen der Vertragspartner nur insoweit ab, als dieser seinen Niederschlag im Abkommen selbst gefunden hat.4 Deshalb bleibt auch der authentischen Interpretation eine größere Bedeutung versagt.5 Durch eine authentische Interpretation bestünde die Gefahr, dass die einseitige subjektive Vorstellung nur eines der beiden Vertragspartner Eingang in die Auslegung fände.6 Eine derartige einseitige Berücksichtigung des subjektiven Parteiwillens widerspräche einer Auslegung des Vertragstextes unter Berücksichtigung von Treu und Glauben.7 Diese dem Art. 31 Abs. 1 WÜRV zu entnehmende Auslegungsregel gebietet nämlich, dasjenige Auslegungsergebnis anzustreben, das am ehesten die Aussicht hat, auch von dem anderen Vertragsstaat8 akzeptiert zu werden.9 1 Vom 23.5.1969, BGBl. II 1985, 927; das WÜRV ist seit dem Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes vom 3.8.1985 (BGBl. II 1985, 926) am 20.8.1987 (BGBl. II 1987, 757) auch innerstaatlich unmittelbar anwendbar. 2 Gemäß Art. 4 WÜRV gilt das WÜRV nur für Verträge, die von Staaten abgeschlossen werden, nachdem das Übereinkommen für sie in Kraft getreten ist. 3 Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 105. 4 Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 107; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 78; Bernhardt, Die Auslegung völkerrechtlicher Verträge insbesondere in der neueren Rechtsprechung internationaler Gerichte, 32; Rest, Interpretation von Rechtsbegriffen in internationalen Verträgen, 143; Vogel/Prokisch, CDFI LXXVIIIa (1993), 19 (40); Lang, StuW 1975, 285 (289); Kluge, RIW/AWD 1975, 90 ff.; vgl. im Übrigen zur subjektiven und objektiven Theorie Englisch in Tipke/Lang22, § 5 Rz. 51. 5 Zu Einzelheiten Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 93; Vogel/Prokisch, CDFI LXXVIIIa (1993), 19 (39 ff.). 6 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 78; Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1; nach Blumenwitz, in Mössner/Blumenwitz u.a., DBA und nationales Recht, 5 (11) verlangt eine authentische Interpretation ohnehin eine einvernehmliche Auslegung. 7 Zur Auslegung nach den Regeln der bona fides Heintschel von Heinegg in Ipsen, Völkerrecht6, § 12 Rz. 17. 8 Zur Auslegung von DBA in anderen Staaten Strobl in FS Döllerer, 635 (646 ff.); speziell zu den USA und Kanada Langbein, RIW 1984, 531 ff.; vgl. ferner die Nationalberichte in CDFI LXXVIIIa (1993). 9 Zum Gebot der Entscheidungsharmonie Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 114 ff.; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 92;Vogel, in FS Flick, 1043 ff.; Mössner, in FS Seidl-Hohenveldern, 403 (406); Flick, in Felix (Hrsg.), Von der Auslegung und Anwendung der Steuergesetze, 151 (151); Strobl, in FS Döllerer, 635 (645 f.); ablehnend z.B. Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, 671 f.; Wassermeyer, IStR 1998, 491.
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F. Auslegung von DBA
Da nach den Auslegungsregeln des WÜRV eine Ausfüllung von Vertragslücken durch Analogie nicht von vorneherein verboten ist,1 kommen die im nationalen Recht allgemein geltenden und auch im Völkerrecht gebräuchlichen Grundsätze der Rechtsfortbildung,2 insbesondere die der Lückenausfüllung dienenden juristischen Schlussverfahren (z.B. Analogieschluss)3 zur Anwendung. Es gilt allerdings die Besonderheit, dass die Ausfüllung etwaiger Vertragslücken nur durch Abkommensrecht selbst, nicht aber durch Heranziehung innerstaatlichen Rechts zulässig ist. Dass in der internationalen Völkerrechtspraxis eine Analogie bei völkerrechtlichen Verträgen nur eingeschränkt zur Anwendung kommt,4 spielt demgegenüber keine Rolle, weil dieser Grundsatz im Hinblick auf Art. 3 Abs. 2 OECD-MA für DBA nicht gilt.5
19.69
DBA werden in aller Regel mehrsprachig abgeschlossen, so dass zumeist mehrere authentische Vertragstexte zur Anwendung kommen. Seltener anzutreffen ist die zwischen den Vertragsstaaten getroffene Vereinbarung, dass der maßgebliche Vertragstext nur in der Fassung einer dritten Sprache – zumeist Englisch oder Französisch – verbindlich sein soll.6 Sind mehrere Vertragstexte authentisch, ist gem. Art. 33 Abs. 1 WÜRV der Text in jeder sprachlichen Fassung gleichermaßen verbindlich, so dass grundsätzlich auch der Text in der fremdsprachlichen Fassung bei der Auslegung heranzuziehen ist.7
19.70
Ergeben sich aufgrund der mehrsprachigen Fassungen Bedeutungsunterschiede, so ist gem. Art. 33 Abs. 4 WÜRV stets derjenigen Auslegung der Vorzug zu geben, die die beiden Texte am besten miteinander in Einklang bringt. Gelingt dies nicht, ist diejenige Fassung maßgeblich, die insbesondere den Vertragszweck am besten zur Geltung bringt.8 Hierbei wird in der internationalen Gerichtspraxis nicht selten auf die Fassung der Arbeitssprache zurückgegriffen, in der der Vertragstext tatsächlich in der Phase bis zur Paraphierung erarbeitet worden ist.9 Es handelt sich hierbei aber nur um ein subsidiäres Auslegungsmittel; ein Rückgriff auf den Urtext als authentischen Text für die Rechtsanwendung selbst scheidet dagegen aus.10
19.71
1 Heintschel von Heinegg in Ipsen6, § 20 Rz. 5 ff.; Bleckmann, AVR 17 (1976/77), 161 ff.; Lang, StuW 1975, 285 (290). 2 Hierzu Englisch in Tipke/Lang22, § 5 Rz. 74 ff. 3 Zur Lückenausfüllung völkerrechtlicher Verträge Rest, Interpretation von Rechtsbegriffen in internationalen Verträgen, 76 ff. 4 Hierzu Heintschel von Heinegg in Ipsen, Völkerrecht6, § 20 Rz. 6 f. 5 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 77; Pott, Die Kollision unterschiedlicher Formen der Gesellschaftsbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, 148 f.; von Poser und Groß-Naedlitz, Der Qualifikationskonflikt bei DBA, 76. 6 Abkommensübersicht bei Nasdala in V/L6, Art. 30/31 OECD-MA Rz. 42. 7 BFH v. 13.12.1989 – I R 39/87, BStBl. II 1990, 379 (381); v. 7.2.1990 – I R 106/87, BFHE 159, 518; v. 11.4.1990 – I R 75/88, BFHE 160, 513; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 77; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 83; Hilf, Die Auslegung mehrsprachiger Verträge, 85. 8 Zu weiteren Einzelheiten Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 112 f. 9 Die Sprache der Vertragsverhandlung selbst soll dagegen nach Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 112 unbeachtlich sein. 10 Hilf, Die Auslegung mehrsprachiger Verträge, 90 f.; Mössner, AVR 1972, 273 (289 f.).
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
19.72
Soweit Art. 31 Abs. 1 WÜRV für Zwecke der Auslegung auf die „Bestimmungen in ihrem Zusammenhang“ abstellt, wird auch hier auf die Auslegung aus dem Abkommen selbst heraus abgestellt.
IV. Hilfsmittel der Auslegung 19.73
Gegenstand der Auslegung sind neben dem Abkommen selbst die zu seinem Bestandteil erklärten (Schluss-)Protokolle und Briefwechsel.1 Die Texte weiterer ergänzender Dokumente, insbesondere der Verhandlungsprotokolle, sind dagegen lediglich Hilfsmittel für die Auslegung der Abkommensbestimmungen.2 Die Materialien zu den DBA sind gem. Art. 32 WÜRV für die Auslegung darüber hinaus nur ergänzend heranzuziehen, wenn Zweifel verbleiben.3 Die bei Einleitung des Gesetzgebungsverfahrens seitens der Bundesregierung dem Vertragstext beigegebene Denkschrift, die selbst nicht Bestandteil des Vertragsgesetzes wird, ist für die Auslegung allerdings nicht verwertbar, soweit sie lediglich die subjektive Vorstellung nur eines Vertragspartners wiedergibt.4
19.74
Art. 31 Abs. 3 WÜRV verlangt schließlich für die Auslegung auch die Beachtung von Verständigungsvereinbarungen sowie späteren Übereinkommen oder Übungen der Vertragspartner. Dies kann allerdings nur insoweit gelten, als sie im Abkommenstext selbst sowie in den zu seinem Bestandteil erklärten Protokollen und Briefwechseln ihre Bestätigung finden, nicht aber dann, wenn sie hiervon abweichen. Denn Änderungen von DBA werden innerstaatlich nur dann wirksam, wenn sie durch Gesetz erfolgen.5
19.75
Sind die Vertragspartner OECD-Staaten und entspricht das von ihnen vereinbarte DBA dem OECD-MA, so ist davon auszugehen, dass die verwendeten Begriffe und Ausdrücke, soweit sie wörtlich mit denen des OECD-MAs übereinstimmen, einen mit diesem identischen Bedeutungsinhalt6 haben. Diese Vermutung begründet sich aus den Empfehlungen des Rates der OECD,7 wonach die Regierungen der Mitgliedstaaten gehalten sind, ihren DBA die OECD-MA zugrunde zu legen, wenn der betreffende Vertragsstaat nicht Vorbehalte angemeldet hat oder im
1 Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 76. 2 Art. 31 Abs. 2 WÜRV. 3 Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 110; Rest, Interpretation von Rechtsbegriffen in internationalen Verträgen, 40, 151; Lang, StuW 1975, 285 (288). 4 Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 76; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 81 ff.; Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (4). 5 BFH v. 22.10.1986 – I R 261/82, BStBl. II 1987, 171; v. 22.10.1986 – I R 128/83, BStBl. II 1987, 253; v. 1.2.1989 – I R 74/86, BStBl. II 1990, 4; v. 11.4.1990 – I R 63/88, BFH/NV 1990, 705; v. 10.7.1996 – I R 4/96, BStBl. II 1997, 15; v. 13.8.1997 – I R 65/95, BStBl. II 1998, 21; v. 24.3.1998 – I R 49/96, BStBl. II 1998, 649; v. 16.12.1998 – I R 40/97, BStBl. II 1999, 207; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 93;Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 79; vgl. zu weiteren Einzelheiten die Beiträge von Geiger, Widmann und Pöllath in Mössner/Blumenwitz u.a., DBA und nationales Recht, 37 ff.; 47 ff.; 55 ff. 6 Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 126, 130; Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 51. 7 Z.B. vom 30.7.1963 und vom 11.4.1977.
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F. Auslegung von DBA
Einzelfall sachliche Gründe der Übernahme des OECD-MAs entgegenstehen.1 Aus dem gleichen Grunde ist für die Auslegung der entsprechenden Abkommensbestimmungen auch der OECD-Kommentar zum OECD-MA2 heranzuziehen.3 Die OECD-MA sowie ihre Kommentare sind nicht Bestandteil der Abkommen selbst. Sie haben sich auch nicht zum Völkergewohnheitsrecht4 verdichtet,5 so dass ihnen keine normative Wirkung zukommt.6 Sie gehören aber zu den primären Auslegungsmitteln i.S. von Art. 31 Abs. 4 WÜRV7 mit der Folge, dass in erster Linie sie heranzuziehen sind, um einerseits die historischen Absichten der Vertragsstaaten und andererseits den objektiven Erklärungswert des tatsächlich Vereinbarten zu ermitteln.8
19.76
Soweit zwischen OECD-Mitgliedstaaten abgeschlossene DBA nicht wörtlich mit den OECD-MA übereinstimmen, spricht die Vermutung insoweit für einen abweichenden Bedeutungsinhalt, wenn auch im Übrigen die Teleologie des betreffenden DBAs hierauf hindeutet.9 Für die Auslegung von DBA können das OECD-MA sowie der OECD-Kommentar nur in der Fassung herangezogen werden, die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Geltung hatte,10 so dass früher abgeschlossene Abkommen ohne Rücksicht auf das OECD-MA und den OECD-
19.77
1 Zu Einzelheiten Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 130; Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 34 ff.; Vogel/Prokisch, CDFI LXXVIIIa (1993), 19 (30 f.); Lang, M., in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 11 (18 ff.). 2 Bei den einschlägigen Abkommensartikeln abgedruckt z.B. bei Vogel/Lehner, DBA; Wassermeyer, DBA; und Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA. 3 Der OECD-Kommentar ist nicht etwa ein völkerrechtlicher Vertrag, sondern lediglich eine Auslegungsempfehlung einer internationalen Organisation und deshalb unverbindlich und nur in Grenzen anwendbar; für eine abgeschwächte Verpflichtung zur Anwendung des OECD-Kommentars dagegen Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 126a. 4 Hierzu Einzelheiten bei Heintschel von Heinegg in Ipsen 6, § 17 Rz. 1 ff.; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, Rz. 122 ff. 5 Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 42; Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 41; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 90. 6 Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 97. 7 Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 126 f.; Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 44; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 97; Lang, M., in Gassner/ Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 11 (18 ff.); Vogel/Prokisch, CDFI LXXVIIIa (1993) 19 (30 f.); demgegenüber als bloß (subsidiäre) Auslegungshilfe i.S. von Art. 32 WÜRV qualifizierend Drüen in T/K, § 2 AO Rz. 42; Pott, Die Kollision unterschiedlicher Formen der Gesellschafterbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, 142 f.; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 91. 8 So Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 44. 9 Also kein genereller Umkehrschluss; Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 51; Lang, M., in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 11 (23). 10 Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 98; Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 127; Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 60, 63; Lang in FS Gosch, 235 (242); Lang, M., IStR 2007, 606 ff.; a.A. Czakert, IStR 2012, 703 (705); diff. Lampert, IStR 2012, 513.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
Musterkommentar und nach dem Vorbild des OECD-MAs geschlossene Abkommen ohne Rücksicht auf spätere Fassungen1 auszulegen sind.2 19.78
DBA zwischen Staaten, die nicht Mitglieder der OECD sind, haben nicht selten ebenfalls nach dem Vorbild der OECD-MA DBA abgeschlossen. Auch hier kann bei der Auslegung von einem durch die OECD-MA vorgegebenen Bedeutungsinhalt ausgegangen werden.3 Schließlich können auch aus Parallelabkommen Anhaltspunkte für die Auslegung gewonnen werden, wenn feststeht, dass die dort verwendeten Begriffe im gleichen Sinne Verwendung finden sollen wie in dem anzuwendenden DBA.4
V. Auslegungskonflikte 19.79
Es ist nicht zu vermeiden, dass die Vertragsstaaten ein und dieselben Abkommensvorschriften unterschiedlich auslegen. Eine derartige unterschiedliche Auslegung führt zu einer Störung der Regelungshomogenität und vereitelt damit nicht selten die Vermeidung der Doppelbesteuerung als eigentliches Vertragsziel der DBA. Es kommt hierbei zu Auslegungskonflikten.5 Diese können bilateral entweder durch normspezifische Switch-over-Klauseln6 oder durch ein Verständigungsverfahren (Art. 25 OECD-MA), multilateral partiell durch die Schiedsverfahrenskonvention7 oder in Anwendung des Europäischen Übereinkommens zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten8 sowie durch bilaterale (Rz. 19.141, 19.522) und unilaterale9 Subject-to-Tax-Klauseln behoben werden. Auslegungskonflikte haben ihre Ursache in einer unterschiedlichen Auslegung – von eigenständigen Abkommensnormen mit autonomer Begriffsbildung, – von Abkommensnormen, die für Zwecke der Begriffsbildung auf innerstaatliches Recht verweisen, und – von innerstaatlichem Recht der jeweiligen Vertragsstaaten, auf das als letztes Mittel die allgemeine abkommensrechtliche Auslegungsrichtlinie (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA) verweist. 1 Soweit diese nicht nur Klarstellungen enthält. 2 Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 127; Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 60, 63; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 98. Demgegenüber erhebt die OECD selber den Anspruch, bereits bestehende Abkommen im Lichte der jeweils neueren Kommentare auszulegen, soweit nicht einschneidende zwischenzeitliche Änderungen des OECD-MAs erfolgt sind; vgl. Vogel/Prokisch, CDFI LXXVIIIa (1993), 11 (30). 3 Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 134; Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 1 OECD-MA Rz. 57. 4 Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 140 ff.; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 95; Vogel, StbJb 1983/84, 373 ff. 5 Zur Typologie Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 96b ff.; von Poser und Groß-Naedlitz, Der Qualifikationskonflikt bei DBA, 104 ff.; Hannes, Qualifikationskonflikte im Internationalen Steuerrecht, 129 ff. 6 Hierzu Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B Rz. 93 ff. 7 Übereinkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen, 90/436/EWG, ABl. EG Nr. L 225/10 v. 20.8.1990; BGBl. I 1993, 1308 (BStBl. I 1993, 818). 8 Vom 29.4.1957, BGBl. II 1961, 81; vgl. auch Art. 41 Abs. 5 DBA-Schweden. 9 Z.B. § 50d Abs. 8 EStG bei Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit; ferner § 50d Abs. 9 EStG; hierzu Rz. 19.523 ff.
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Schaumburg/Häck
F. Auslegung von DBA
Soweit es zu Divergenzen in der Auslegung von eigenständigen Abkommensnormen mit autonomer Begriffsbildung kommt, handelt es sich um einen Subsumtionskonflikt, der dadurch gekennzeichnet ist, dass die Auslegung durch einen der beiden Vertragsstaaten notwendigerweise unzutreffend sein muss.1 Ein derartiger Subsumtionskonflikt2 hat seinen Grund insbesondere in der unterschiedlichen Sachverhaltswürdigung durch beide Vertragsstaaten und in einer unterschiedlichen Auslegung der in Betracht kommenden Definitionen (Definitionenkonflikt).
19.80
Subsumtionskonflikte gehören zum eigentlichen Anwendungsbereich der in den DBA vorgesehenen Verständigungsverfahren (Art. 25 OECD-MA), weil Subsumtionskonflikte stets eine Abkommensverletzung durch den einen oder anderen Vertragsstaat bedeuten.
19.81
Soweit Abkommensnormen durch Verweisung auf innerstaatliches Recht eines der beiden Vertragsstaaten dessen Begriffsinhalte übernehmen,3 kann es zu einer abweichenden Begriffsdeutung durch den anderen Vertragsstaat kommen. Obwohl derart übernommene Begriffe des innerstaatlichen Rechts eines der beiden Vertragsstaaten Abkommensrecht werden, besteht doch im Kern ein Konflikt um die zutreffende Anwendung von Begriffen, die dem innerstaatlichen Recht entspringen. Diese Konfliktsituation wird allgemein als Qualifikationskonflikt umschrieben.4 Qualifikationskonflikte können auch dann entstehen, wenn auf der Grundlage der in den Abkommen verankerten allgemeinen Auslegungsrichtlinie (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA) als letztes Mittel der Auslegung auf innerstaatliches Recht zurückgegriffen wird. Derartige Qualifikationskonflikte können im Zusammenhang mit der persönlichen Abkommensberechtigung (subjektiver Qualifikationskonflikt) oder bei der Zurechnung von Einkommen und Vermögen zu einem bestimmten Steuersubjekt (subjektiver Zurechnungskonflikt)5 oder zu einer Betriebsstätte (objektiver Zurechnungskonflikt bzw. Zuordnungskonflikt) auftreten.6
19.82
Da ein Verständigungsverfahren eine Doppelbesteuerung nicht in allen Fällen beseitigen und eine Doppelfreistellung nicht immer verhindern kann,7 hat es nicht
19.83
1 Von Poser und Groß-Naedlitz, Der Qualifikationskonflikt bei DBA, 105; Debatin, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 1 (7). 2 Hierzu Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 48; Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (7). 3 So etwa den Begriff „unbewegliches Vermögen“, vgl. Art. 6 Abs. 2 OECD-MA. 4 Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 96b; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 86; Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 38; Menck in G/K/G, DBA, Grundlagen, Abschn. 6 Rz. 2 ff. von Poser und Groß Naedlitz, Der Qualifikationskonflikt bei DBA, 111 f.; vgl. auch den Überblick über die in der Steuerrechtswissenschaft vorgenommene Klassifizierung und Systematisierung bei Piltz, Die Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, 107 ff.; Hannes, Qualifikationskonflikte im Internationalen Steuerrecht, 129 ff.; M. Lang, IStR 2010, 114 ff. 5 In der Praxis besonders prägnant sind die sog. double-dip-Modelle beim grenzüberschreitenden Leasing; hierzu Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 1265 f.; Scheffler, IStR 1993, 490 ff.; 538 (541). 6 Die für die Rechtsanwendung wenig bedeutsame Terminologie ist z.T. abweichend; vgl. nur Lehner in V/L6, Grundlagen 86 ff. 7 Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (8).
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
an Versuchen insbesondere seitens des Steuerausschusses der OECD gefehlt,1 den unerwünschten Folgen von Qualifikationskonflikten durch Auslegung nach dem Recht des Quellenstaates entgegenzutreten.2 Diese Auslegung nach den Rechten des Quellenstaates,3 die ohnehin nur in Betracht kommt für nicht vollständige Verteilungsnormen, führt allerdings nur dann weiter, wenn sie auch für den Wohnsitzstaat verbindlich ist. Für eigenständige Abkommensnormen mit autonomer Begriffsbildung ist eine derartige Verbindlichkeit nicht vorgesehen. Das gilt auch in den Fällen, in denen gem. Art. 3 Abs. 2 OECD-MA auf das innerstaatliche Recht des Quellenstaates zurückgegriffen wird. Anderenfalls läge es in der Hand des Quellenstaates, sein Besteuerungsrecht zu Lasten des Ansässigkeitsstaats auszudehnen. Daher bedeutet die Auslegung nach dem Recht des Quellenstaates ebenso wie die nach dem Recht des Wohnsitzstaates keine Lösung von Qualifikationskonflikten, so lange hierfür abkommensrechtlich keine Rechtsgrundlage gegeben ist. Aus Art. 23A Abs. 4 OECD-MA, wonach die Freistellung im Ansässigkeitsstaat entfällt, wenn der Quellenstaat sein Besteuerungsrecht zu Unrecht verneint hat, ergibt sich ebenfalls keine Lösung, weil er nur für Fälle gilt, in denen der Quellenstaat das Abkommen unrichtig angewendet hat. Eine Bindung an das Recht des Quellenstaates ist daher nicht gegeben.4 19.84
Zu den objektiven Zurechnungskonflikten zählen auch Fälle, in denen beide Vertragsstaaten eine unterschiedliche Zuordnung derart vornehmen, dass es zu einer Doppelfreistellung bzw. doppelten Nichtbesteuerung (Rz. 15.10) kommt. Es handelt sich hierbei um negative Qualifikationskonflikte,5 da beide Vertragsstaaten zu dem Ergebnis kommen, nur jeweils der andere Staat habe das Besteuerungsrecht für bestimmte Einkünfte. Diese negativen Qualifikationskonflikte bedeuten keine Abkommensverletzung, so dass eine Behebung dieser Qualifikationskonflikte durch Verständigungsverfahren (Art. 25 OECD-MA) nicht vorgesehen ist.6 In der Praxis werden in diesen Fällen gleichwohl sog. Konsultationsverfahren, die auch nach Einfügung von § 2 Abs. 2 AO durch das JStG 20107 auf eine die Gerichte allerdings nicht bindende Behebung dieser negativen Qualifikationskonflikte ausgerichtet sind, eingeleitet.8 In den Fällen subjektiver und objektiver 1 2 3 4
5 6 7 8
Nachweise bei Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 125. Vgl. die Nachweise bei Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 125. Vgl. hierzu § 50d Abs. 10 EStG zu Sondervergütungen. BFH v. 24.1.2016 – I R 49/14, GmbHR 2016, 723; v. 25.5.2011 – I R 95/10, BFH/NV 2010, 1602; v. 19.5.2010 – I B 191/09, BStBl. II 2011, 156; v. 20.9.2006 – I R 59/05, BStBl. II 2007, 756; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 28g, Art. 3 OECD-MA Rz. 80a; Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 37; Aigner/Züger in Gassner/Lang/ Lehner, Personengesellschaften, 47 ff.; Lang, M. in FS Vogel, 907 ff.; a.A. Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 155 ff.; Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 125 f.; Vogel, SWI 2000, 103 (111); Menck, IStR 1999, 147 (148); Krabbe, IStR 1999, 591 und die dt. FinVerw, vgl. BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 4.1.3.3.1/2; v. 28.12.1999 – IV D 3 - S 1300 - 25/99, BStBl. I 1999, 1121 zu atypisch stillen Beteiligungen. Hierzu Piltz, BB 1987, Beilage 14, 1 (15). Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (8). Gesetz v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. Zur fehlenden Bindungswirkung von Konsultationsverfahren (Art. 25 Abs. 3 OECD-MA) auch nach Einführung von § 2 Abs. 2 AO s. BFH v. 10.6.2015 – I R 79/13, IStR 2015, 2222; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 99; Häck in F/W/K, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 20.1.
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F. Auslegung von DBA
Zurechnungskonflikte sowie für Qualifikationskonflikte (Rz. 19.82) ist darüber hinaus in neueren deutschen DBA1 vorgesehen, dass anstelle der Steuerfreistellung die Steueranrechnung als Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung eingreift.2 Gegen eine Doppelfreistellung gerichtet ist auch die unilaterale Subject-to-TaxKlausel des § 50d Abs. 8 EStG, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit betrifft. Auf Grund dieser Regelung erfolgt eine deutsche Besteuerung auch dann, wenn abkommensrechtlich Deutschland zur Freistellung verpflichtet ist (Rz. 19.523). Die Einkünfte werden erst dann freigestellt, wenn die tatsächliche Besteuerung im Tätigkeitsstaat oder der Besteuerungsverzicht des Tätigkeitsstaats nachgewiesen werden. § 50d Abs. 8 EStG erfasst damit im Wesentlichen den Fall, dass der unbeschränkt Steuerpflichtige im Tätigkeitsstaat pflichtwidrig seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit dort nicht deklariert hat.3
19.85
§ 50d Abs. 8 EStG, der ausschließlich unbeschränkt steuerpflichtige Personen betrifft und somit falsch platziert ist,4 führt zu einem treaty overriding (Rz. 3.25 f., 19.524) in den Fällen, in denen abkommensrechtlich nicht bereits eine Subjectto-Tax-Klausel eingreift. Diese Subject-to-Tax-Klausel, die rechtlich zulässig ist (Rz. 19.141), bewirkt in Abkehr vom maßgeblichen Abkommensrecht eine Vermeidung nur der effektiven Doppelbesteuerung.5 § 50d Abs. 8 EStG leidet indessen insoweit an Plausibilitätsdefiziten, als nicht zu erklären ist, warum eine derartige unilaterale Subject-to-Tax-Klausel nur für Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gelten soll6 und warum diese nur in Abkommensfällen zur Anwendung kommt. Angesprochen ist damit insbesondere der auf der Grundlage der §§ 34c Abs. 5, 50 Abs. 4 EStG ergangene Auslandstätigkeitserlass,7 wonach der Arbeitslohn für bestimmte im Ausland ausgeübte Tätigkeiten von deutscher Besteuerung frei gestellt wird, ohne dass hierfür der Nachweis einer Besteuerung im Tätigkeitsstaat verlangt wird.8
19.86
Auf einer vergleichbaren Wertungsebene liegt die Switch-over-Klausel des § 50d Abs. 9 EStG, wonach in bestimmten Fällen der Nichtbesteuerung oder der Besteuerung mit einem begrenzten Steuersatz im Ausland die an sich abkommensrechtlich gebotene deutsche Steuerfreistellung durch eine Steueranrechnung ersetzt wird (Rz. 19.525 ff.).9
19.87
1 Abkommensübersicht bei Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 16. 2 Zu entsprechenden Klauseln Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 73 ff.; vgl. ferner Rz. 19.140. 3 Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 35. 4 Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 35: systematisch korrekte Platzierung bei §§ 34c, 34d EStG. 5 Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 35. 6 Einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG haben das BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, FR 2016, 405 und im Gefolge auch der BFH v. 29.6.2016 – I R 66/09, IStR 2016, 981 gleichwohl verneint. 7 BMF v. 31.10.1983 – IV B 6 - S 2293 - 50/83, BStBl. I 1983, 470; vgl. Rz. 18.132 ff. 8 Hierzu Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 35; Holthaus, IStR 2004, 16 (17); zum Auslandstätigkeitserlass Rz. 6.96 ff., 18.132 ff. 9 Ähnlich auch die in § 20 Abs. 2 AStG verankerte Switch-over-Klausel, die bei Zwischeneinkünften eingreift (Rz. 19.151; 19.518).
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
VI. Verständigungsverfahren Literatur Kommentare zu Art. 25 OECD-MA; Bachmayr, Rechtsanspruch auf Schutz gegen internationale Doppelbesteuerung, StuW 1964, 885; Becker, Internationale Zusammenarbeit – Konsultation und Verständigung, in Achatz (Hrsg.), Internationales Steuerrecht, DStJG Band 36 (2013), 167; Bödefeld/Kuntschik, Schiedsverfahren nach DBA, IStR 2009, 449; Carl/Klos, Das völkerrechtliche Verständigungsverfahren des DBA, RIW 1995, 493; Debatin, Auslegungsmaximen zum Internationalen Steuerrecht, AWD 1969, 477; Eilers/Wienands, Advance Pricing Agreements, IStR 1995, 311; Flüchter, Seminar C: Verständigungsverfahren und die Beilegung grenzüberschreitender Streitigkeiten, IStR 2012, 694; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, Berlin 1988; Gloria, Der Anspruch auf Durchführung des Verständigungsverfahrens und seine gerichtliche Durchsetzung in den Vereinigten Staaten, StuW 1989, 138; Grotherr, Advance Pricing Agreements – Verfahren zur Vermeidung von Verrechnungspreiskonflikten, BB 2005, 856; Grotherr, Überlegungen zur Ausgestaltung von speziellen Verfahrensregelungen für Advance Pricing Agreements, IStR 2005, 350; Herlinghaus, Gedanken zum abkommensrechtlichen Schiedsverfahren nach Art. 25 Abs. 5 OECD-MA, IStR 2010, 125; Herzig, Advance Pricing Agreements, APAs, Köln 1996; Herzig, Advance Pricing Agreements: ein Instrument zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen?, in FS für Debatin, München 1997, 107; Hintzen/Hintzen, Die Systematik des völkerrechtlichen Verständigungsverfahrens der Doppelbesteuerungsabkommen, DB 1979, 1907, 1953; Ismer, Rechtswidrige Gewährung von Rechtsschutz?, IStR 2003, 394; Kaligin, Zur Rechtsschutzintensität des Verständigungsverfahrens im Internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, WPg. 1982, 217; Kempf/Gelsdorf, Die EU-Schiedsverfahrenskonvention im Konkurrenzverhältnis zu Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2012, 329; Koch, Das Verständigungsverfahren – Verfahren und praktische Handhabung, CDFI LXVIa (1981), 13; Krabbe, DBA-Verständigungs- und Schiedsverfahren und innerstaatliches Verfahrensrecht, DStZ 1995, 627; Krabbe, Verständigungsverfahren, IStR 2002, 548; Kramer, APA – Vorabverständigungsverfahren und Vorabzusagen über Verrechnungspreise, IStR 2007, 174; Lang, M., Der Rechtsanspruch auf Einleitung des „Verständigungsverfahrens“, JBl. 1989, 365; Lehner, Möglichkeiten zur Verbesserung des Verständigungsverfahrens auf der Grundlage des EWG-Vertrages, München 1982; Leising, Die Klage auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens nach Art. 25 Abs. 2 OECD-MA, IStR 2002, 114; Loh/Steinert, Scheitern internationale Lösungen von Verrechnungspreisfragen an § 175a AO?, BB 2008, 2383; Loukota, Das internationale Verständigungsverfahren als Instrument der DBA-Auslegung, SWI 2000, 299; Lühn, Scheitern internationale Lösungen von Verrechnungspreisfragen an § 175a AO?, BB 2009, 412; Mössner, Internationale Streitbeilegung und Internationales Steuerrecht, RIW 1983, 360; Mühlhausen, Das Verständigungsverfahren im deutschen Internationalen Steuerrecht, Berlin 1976; Nientimp/Tomson, Das verbindliche Schiedsverfahren nach dem neuen OECDMA, IStR 2009, 615; Reich, Das Verständigungsverfahren nach den internationalen Doppelbesteuerungsabkommen der Schweiz, Zürich 1976; Saß, Zielkonflikte bei der Besteuerung in der EU, SWI 1996, 108; Spitaler, Empfiehlt sich die Errichtung eines internationalen Schiedsgerichtshofs zur Entscheidung zwischenstaatlicher Steuerkonflikte?, StuW 1950, 803; Strobl, Das Verständigungsverfahren – Verfahren und praktische Handhabung, CDFI LXVIa (1981), 171; Strobl/Zeller, Probleme beim Verständigungsverfahren in Doppelbesteuerungsabkommen bezüglich Einkommen- und Körperschaftsteuer, StuW 1978, 244; Teichner, Die Verständigung – ein Versuch zu ihrer rechtssystematischen Einordnung –, StuW 1965, 343; Tipke, Verständigungsverfahren, Rechtsanspruch auf Beseitigung der Doppelbesteuerung oder bloßer Rechtsreflex?, AWD 1969, 589; Tittel, Das Verständigungsverfahren nach den Doppelbesteuerungsabkommen, Diss. Bern 1963; Züger, Schiedsverfahren für Doppelbesteuerungsabkommen: Möglichkeiten zur Verbesserung des Rechtsschutzes im internationalen Steuerrecht, Wien 2001.
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F. Auslegung von DBA
1. Allgemeines Eine unterschiedliche Auslegung von Abkommensvorschriften durch die Vertragsstaaten führt zu einer Störung der Regelungshomogenität der DBA und ist geeignet, deren eigentliches Ziel, nämlich die Vermeidung der Doppelbesteuerung, zu vereiteln.
19.88
Es geht hierbei insbesondere um Auslegungskonflikte, die auf bilateraler Ebene grundsätzlich nur durch Verständigungsverfahren (Art. 25 OECD-MA) behoben werden können. Diese Verständigungsverfahren eröffnen den zuständigen Behörden beider Vertragsstaaten die Möglichkeit, Schwierigkeiten bei der Auslegung und Anwendung der DBA im gegenseitigen Einvernehmen zu regeln. Die DBA sehen in diesem Zusammenhang Verständigungsverfahren im engeren Sinne vor,1 die einzelfallbezogen darauf gerichtet sind, eine dem Abkommen nicht entsprechende Besteuerung durch einen oder beide Vertragsstaaten zu vermeiden oder aufzuheben (Art. 25 Abs. 1 und 2 OECD-MA). Hierzu zählen auch Vorabverständigungsverfahren (Advance Pricing Agreements – APAs), die insbesondere für grenzüberschreitend tätige Unternehmen im Zusammenhang mit der Gewinnabgrenzung zu verbundenen Unternehmen und Betriebsstätten eine Rolle spielen.2 Darüber hinaus gibt es Konsultationsverfahren, die allgemein oder in einzelnen Anwendungsfällen, jedoch ohne Bezug auf einen bestimmten Steuerpflichtigen, der Beseitigung von Schwierigkeiten oder Zweifeln bei der Auslegung oder Anwendung der Abkommen3 oder allgemein der Schließung von Vertragslücken4 dienen.5 Schließlich gewährleisten auf Abkommensebene Schiedsverfahren (Art. 25 Abs. 5 OECD-MA) und bestimmte Sonderregelungen6 sowie die EU-Schiedsverfahrenskonvention (Rz. 3.79 ff., 19.114 ff.)7, dass trotz bestehender Auslegungskonflikte die Doppelbesteuerung vermieden wird.
19.89
Die Verständigungsverfahren sind Verwaltungsverfahren, die den Förmlichkeiten des diplomatischen Protokolls entzogen sind (Art. 25 Abs. 4 OECD-MA). Sie können daher in der Praxis durchweg flexibel gehandhabt werden.8 Die Ver-
19.90
1 Zur Terminologie Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 3; Flüchter in S/D, Art. 25 OECD-MA Rz. 11; Mülhausen, Das Verständigungsverfahren im deutschen Internationalen Steuerrecht, 30; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 150 ff.; BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461, Tz. 1.2. 2 Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 3. 3 Sog. konkretes Konsultationsverfahren; Art. 25 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA. 4 Sog. abstraktes Konsultationsverfahren; Art. 25 Abs. 3 Satz 2 OECD-MA. 5 Allerdings ohne Bindung für die Gerichte auch nach Einführung des § 2 Abs. 2 AO, vgl. BFH v. 10.6.2015 – I R 79/13, DStR 2015, 2222. 6 Vermeidung der Doppelbesteuerung in Fällen von Qualifikationskonflikten nach erfolglos durchgeführtem Verständigungsverfahren durch Steueranrechnung als ultima ratio; vgl. hierzu Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 136 f. mit Abkommensübersicht. 7 Vgl. ferner den Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates „über Verfahren zur Beilegung von Doppelbesteuerungsstreitigkeiten in der Europäischen Union“ v. 25.10.2016 (COM (2016) 686 final/2016/0338 (CNS)), die auf die Vermeidung der Doppelbesteuerung (ESt/KSt) von Unternehmenseinkünften gerichtet ist; siehe dazu auch Rasch, ISR 2017, 43. 8 Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 41.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
ständigungsverfahren sind keine Rechtsbehelfsverfahren; an ihnen sind die Steuerpflichtigen grundsätzlich1 nicht beteiligt. Verständigungsverfahren sind vielmehr bilaterale Streiterledigungsmittel, für die zwar durchweg Billigkeits- und Praktikabilitätserwägungen,2 nicht aber die Grundsätze und Garantien von rechtsförmlichen Verfahren gelten.3 Verständigungsverfahren sind dennoch nicht im rechtsfreien Raum angesiedelt, es geht vielmehr um die rechtsrichtige Anwendung des DBAs selbst und damit um Fragen der zutreffenden Ermittlung des Sachverhaltes4 und der Rechtsanwendung.5 19.91
Da der betroffene Steuerpflichtige an dem Verständigungsverfahren nicht unmittelbar beteiligt ist, hat er auch keinen Einfluss auf dessen Fortführung bzw. Beendigung, so dass ein derartiges Verständigungsverfahren grundsätzlich auch gegen den Willen des Steuerpflichtigen weitergeführt werden kann.6 Im Hinblick darauf besteht für die beteiligten Verwaltungsbehörden auch keine Verpflichtung zur Einigung.7 Erfolgt eine Einigung, so ergibt sich hieraus eine unter dem Vorbehalt der Gegenseitigkeit stehende völkervertragliche Erfüllungspflicht, die gem. § 175a AO innerstaatlich ohne weiteres umzusetzen ist.8 Aus deutscher Sicht hat die Verständigungsvereinbarung den Rechtscharakter eines (schlichten) 1 Abgesehen von der Antragstellung (Art. 25 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA) und dem Anspruch auf rechtliches Gehör und Information; vgl. Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 116; BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461, Tz. 3.3. 2 Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 72; Flüchter in S/D, Art. 25 OECD-MA Rz. 140 f.; Lüthi in G/K/G, Art. 25 OECD-MA Rz. 69; Mülhausen, Das Verständigungsverfahren im deutschen internationalen Steuerrecht, 164 ff.; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 169 ff.; Koch, CDFI LXVIa (1981), 13 (26). 3 Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 72; Tittel, Das Verständigungsverfahren nach den DBA, 73 ff.; Mülhausen, Das Verständigungsverfahren im deutschen Internationalen Steuerrecht, 84; Reich, Das Verständigungsverfahren nach den internationalen DBA der Schweiz, 31; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 162 ff.; Strobl/Zeller, StuW 1978, 244 (245); Strobl, CDFI LXVIa (1981), 171 (171). 4 Hieran hat der Steuerpflichtige ggf. mitzuwirken; vgl. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 340/06, BStBl. I 2006, 461, Tz. 3.2.1; Becker in Haase3, Art. 25 OECD-MA Rz. 24 unter Hinweis auf § 90 Abs. 2 AO. 5 Lehner in in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 73. 6 Vgl. allerdings BMF v. 1.7.1997 – IV C 5 - S 1300 - 189/96, BStBl. I 1997, 717, Tz. 5.2, wonach bei Verzicht seitens des Steuerpflichtigen kein Verständigungsverfahren durchgeführt wird. 7 OECD-MK zu Art. 25 OECD-MA, Ziff. 26 (abgedruckt bei Lehner in V/L6, Art. 25 OECDMA); Flüchter in S/D, Art. 25 OECD/MA Rz. 134; Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 89; Eilers in Wassermeyer, Art. 25 OECD-MA Rz. 9, 54; Lüthi in G/K/G, Art. 25 OECD-MA Rz. 373; Becker in Haase3, Art. 25 OECD-MA Rz. 30; die Einigung ist aber die Regel. 8 Flüchter in S/D, Art. 25 OECD-MA Rz. 163; Mühlhausen, Das Verständigungsverfahren im deutschen Internationalen Steuerrecht, 132; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 178. Dem Finanzamt ist kein Ermessensspielraum eingeräumt; Loose in T/K, § 175a AO Rz. 7; lt. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461, Tz. 3.4 Satz 2 und Tz. 4.2 soll die Umsetzung der Verständigungsvereinbarung dagegen unter Zustimmungsvorbehalt seitens des Steuerpflichtigen stehen, so dass ggf. insoweit auf Rechtsbehelfe gem. §§ 354 Abs. 2, 362 Abs. 2 AO; §§ 50 Abs. 1a, 72 Abs. 1a FGO verzichtet oder diese zurückgenommen werden sollen.
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F. Auslegung von DBA
Verwaltungsabkommens,1 an das zwar nicht die Gerichte,2 wohl aber die Finanzbehörden gebunden sind.3 Obwohl die Verständigungsverfahren keinen förmlichen diplomatischen Regeln unterworfen sind (Art. 25 Abs. 4 OECD-MA), der diplomatische Weg über die Außenministerien deshalb nicht beschritten werden muss und die Verwaltungsbehörden4 grundsätzlich sogar unmittelbar im mündlichen Meinungsaustausch verkehren dürfen,5 dauern die Verfahren dennoch mitunter mehrere Jahre.6 Die für den Steuerpflichtigen bei der Durchführung von Verständigungsverfahren bestehenden rechtlichen Defizite und die Dauer der Verfahren selbst haben dazu geführt, dass in der internationalen Praxis relativ wenige Verständigungsverfahren durchgeführt werden.7
19.92
Wegen der geringen rechtsförmlichen Ausprägung der Verständigungsverfahren vermögen diese dem betroffenen Steuerpflichtigen keinen ausreichenden Schutz vor einer Doppelbesteuerung zu gewähren. Deshalb wird zu Recht dafür geworben, die Rechte des Steuerpflichtigen bei Verständigungsverfahren zu stärken und jedenfalls in den Fällen, in denen sich die Verwaltungsbehörden nicht einigen können, ein formelles Schiedsverfahren vorzusehen.8 Der Stärkung der Rechtsstellung des Steuerpflichtigen wird entsprechend Art. 25 Abs. 5 OECD-MA in neueren deutschen DBA durch zumeist obligatorische Schiedsverfahren9 sowie durch besondere Regelungen, die in Fällen bestimmter Qualifikationskonflikte nach erfolglos durchgeführten Verständigungsverfahren eine Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung als ultima ratio gewährleisten,10 bereits entspro-
19.93
1 Art. 59 Abs. 2 Satz 2 GG; hierzu im Einzelnen Mülhausen, Das Verständigungsverfahren im deutschen Internationalen Steuerrecht, 132 ff.; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 178 ff.; aus der Sicht der Schweiz: Reich, Das Verständigungsverfahren nach den internationalen DBA der Schweiz, 104 f. 2 BFH v. 1.2.1989 – I R 74/86, BStBl. II 1990, 4; v. 10.7.1997 – I R 4/96, BStBl. II 1997, 15; v. 2.9.2009 – I R 111/08, BFH/NV 2009, 2044. 3 Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 132; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 182; Strobl, CDFI LXVIa (1981), 171 (177); Koch, CDFI LXVIa (1981), 17 (45 f.); dagegen auch für einen Vorrang vor einer rechtskräftigen Gerichtsentscheidung Becker in Haase3, Art. 25 OECD-MA Rz. 25; Mühlhausen, Das Verständigungsverfahren im deutschen Internationalen Steuerrecht, 130; offen lassend z.B. Eilers in Wassermeyer, Art. 25 OECD-MA Rz. 57; Ismer, IStR 2003, 394 (396); zu Einzelheiten Rz. 19.102 f. 4 Nach dem BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461, Tz. 1.4 führt das BZSt die Verständigungsverfahren im unmittelbaren Verkehr mit den zuständigen Behörden des anderen Vertragsstaates. 5 Art. 25 Abs. 4 Satz 2 OECD-MA; in vielen deutschen DBA ist ein mündlicher Meinungsaustausch allerdings nicht ausdrücklich erwähnt; hierzu die Abkommensübersicht bei Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 192. 6 Vgl. Eilers in Wassermeyer, Art. 25 OECD-MA Rz. 19; Flüchter in S/D, Art. 25 OECD-MA Rz. 27. 7 Statistische Angaben bei Flüchter in S/D, Art. 25 OECD-MA Rz. 27, ders., IStR 2012, 694 (699). 8 Koch, CDFI LXVIa (1981), 17 (46, 48 f.). 9 Hierzu die Abkommensübersicht bei Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 250. 10 Zu weiteren Einzelheiten mit Abkommensübersicht Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 136.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
chen.1 Die Einrichtung eines besonderen Internationalen Schiedsgerichtshofes2 ist indessen bislang am Fiskalegoismus der einzelnen Staaten gescheitert.3 So stellt etwa die EU-Schiedsverfahrenskonvention,4 wonach durch den Beratenden Ausschuss eine verbindliche Entscheidung in den Fällen getroffen werden soll, in denen eine bilaterale Verständigung über Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen (Art. 9 OECD-MA) nicht zustande kommt (Art. 12 Abs. 1 EUSchÜ), ebenso nur eine Teillösung dar (Rz. 19.123) wie die in neueren deutschen DBA für die Behebung bestimmter Qualifikationskonflikte vorgesehene Steueranrechnung als Ultima-Ratio-Regelung.5 Auch der Vorschlag der Internationalen Handelskammer zur Fortentwicklung des Verständigungsverfahrens,6 in dem ein Recht der Steuerpflichtigen auf Beteiligung am Verfahren sowie die Bildung eines internationalen Steuergerichts vorgesehen wird, ist nicht verwirklicht worden.7 2. Verständigungsverfahren in Einzelfällen 19.94
Die für Verständigungsverfahren im engeren Sinne geltenden Abkommensnormen8 sehen für den betroffenen Steuerpflichtigen in Einzelfällen9 eine Antragsbefugnis vor, sofern er eine abkommenswidrige Besteuerung geltend macht. In der internationalen Abkommenspraxis sind nicht nur abkommensberechtigte Personen antragsbefugt, sondern darüber hinaus auch Staatsangehörige eines der beiden Vertragsstaaten, soweit sie, ohne abkommensberechtigt zu sein, eine Staatsangehörigkeitsdiskriminierung (Art. 24 Abs. 1 OECD-MA, vgl. Rz. 4.51 ff.) rügen.10 Eine abkommenswidrige Besteuerung kann insbesondere geltend gemacht werden bei – falscher Auslegung und Anwendung des Abkommensrechts, – falscher Anwendung des innerstaatlichen Rechts, sofern das Abkommensrecht auf dieses Bezug nimmt, – unrichtiger Würdigung des Sachverhaltes.11 1 Ggf. erfolgt unilateral ein Steuererlass aus Billigkeitsgründen (§ 163 AO); vgl. BMF v.13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461, Tz. 8. 2 Hierzu schon Spitaler, StuW 1950, 803 ff.; Azzi, BIFD 1998, 344 (347). 3 Vgl. allerdings Art. 41 Abs. 5 DBA-Schweden, wonach in dem Fall, dass eine Einigung nicht erfolgt, nach Maßgabe des Europäischen Übereinkommens zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten v. 29.4.1957 (BGBl. II 1961, 81) der Internationale Gerichtshof entscheiden soll; vgl. hierzu Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 267. 4 ABl. EG Nr. L 225 v. 20.8.1990, BGBl. I 1993, 1308 (BStBl. I 1993, 818). 5 Hierzu Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 136a. 6 Abgedruckt in BB 1987, 595. 7 Vgl. nunmehr allerdings den Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates „über Verfahren zur Beilegung von Doppelbesteuerungsstreitigkeiten in der Europäischen Union“ v. 25.10.2016 (COM (2016) 686 final/2016/0338 (CNS)); vgl. hierzu Benz/ Böhmer, DB 2016, 2800; Rasch, ISR 2017, 43. 8 Art. 25 Abs. 1 OECD-MA. 9 Wird eine allgemeine Regelung angestrebt, kommt auch die Einleitung eines Verständigungsverfahrens von Amts wegen in Betracht; Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 21. 10 In den älteren deutschen Abkommen ist eine Antragsbefugnis für Staatsangehörige indessen nicht vorgesehen; hierzu die Abkommensübersicht bei Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 54. 11 Zu den einzelnen Fallgruppen Flüchter in S/D, Art. 25 OECD-MA Rz. 39 ff.; Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 30.
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F. Auslegung von DBA
Mit dem Antrag auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens kann auch eine abkommenswidrige wirtschaftliche Doppelbesteuerung (Rz. 15.3) geltend gemacht werden, so dass eine Subjektsidentität für die Antragsbefugnis nicht erforderlich ist, was durch Art. 9 Abs. 2 OECD-MA, der den in der Praxis wichtigen Konfliktfall der Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen betrifft, nachdrücklich belegt wird.1
19.95
Der Antrag auf Einleitung des Verständigungsverfahrens ist bei der zuständigen Behörde2 des Wohnsitzstaates zu stellen. In Deutschland ist dafür das BZSt zuständig.3 Die Anträge können aber auch beim für die Besteuerung des Abkommensberechtigten örtlich zuständigen Finanzamt eingereicht werden, die sie dann an das BZSt weiterleitet.4
19.96
In den Fällen, in denen eine abkommenswidrige Besteuerung im Zusammenhang mit Gewinnkorrekturen zwischen verbundenen Unternehmen gerügt wird,5 kann der Antrag auf Einleitung des Verständigungsverfahrens wahlweise von dem einen oder anderen verbundenen Unternehmen gestellt werden.6
19.97
Soweit deutsche DBA eine Antragsfrist vorsehen, gilt eine solche von zwei, drei oder vier Jahren,7 und zwar beginnend mit der ersten Mitteilung der Maßnahme,8 die zu einer abkommenswidrigen Besteuerung führt.9 Ist abkommensrechtlich keine besondere Antragsfrist vorgesehen, wird seitens der deutschen Finanzverwaltung die Einleitung eines Verständigungsverfahrens grundsätzlich abgelehnt, wenn der Antrag erst nach Ablauf von vier Jahren gestellt wird.10
19.98
Nach Eingehen des Antrages auf Einleitung des Verständigungsverfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde unterscheiden die für die Verständigungsver-
19.99
1 Zu Einzelheiten Mülhausen, Das Verständigungsverfahren im deutschen Internationalen Steuerrecht, 162 f.; vgl. auch Flüchter in S/D, Art. 25 OECD-MA Rz. 42; Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 33; Eilers in Wassermeyer, Art. 25 OECD-MA Rz. 16; Becker in Haase2, Art. 25 OECD-MA Rz. 117; Krabbe, IStR 2002, 548; BMF v. 13.7. 2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461, Tz. 2.1.2, wonach jeder antragsberechtigt ist, der durch die abkommenswidrige Besteuerung betroffen ist. 2 Vgl. Art. 3 Abs. 1 Buchst. f OECD-MA. 3 § 5 Abs. 1 Nr. 5 FVG; BMF v. 20.6.2011 – IV B 5 - O 1000/09/10507-04 – DOK 2011/0048553, BStBl. I 2011, 674; v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461, Tz. 1.4. 4 BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461, Tz. 2.1.4; Flüchter in S/D, Art. 25 OECD-MA Rz. 62. 5 Das ist in der Praxis der wichtigste Anwendungsfall. 6 Bei einem Mutter-Tochterverhältnis wird der Antrag zweckmäßigerweise von der Muttergesellschaft gestellt werden (BMF v. 13.7.2006, BStBl. I 2006, 461, Tz. 2.1.3) und zwar bei der Steuerbehörde des Staates, von der eine Gewinnanpassung zu erwarten ist. 7 Hierzu die Abkommensübersicht bei Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 54, 62. 8 Z.B. Erlass eines Steuerbescheides; vgl. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461, Tz. 2.2.1; ggf. auch schon der Betriebsprüfungsbericht; Eilers in Wassermeyer, Art. 25 OECD-MA Rz. 28. Einzelheiten bei Flüchter in S/D, Art. 25 OECD-MA Rz. 81 ff. 9 Art. 25 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA; zu den Abweichungen in den deutschen DBA die Übersicht bei Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 54. 10 BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461, Tz. 2.2.3.
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fahren geltenden Abkommensnormen (Art. 25 Abs. 2 OECD-MA) drei Verfahrensabschnitte,1 und zwar das – Vorprüfungs- und Abhilfeverfahren der Antragsbehörde, – Verständigungsverfahren der Behörden beider Vertragsstaaten, – Umsetzungsverfahren nach Abschluss der zwischenstaatlichen Verständigungsregelung durch die zuständigen Behörden beider Vertragsstaaten. 19.100
Das Vorprüfungs- und Abhilfeverfahren ist darauf gerichtet, bei Begründetheit des Antrages entweder abzuhelfen oder aber das Verständigungsverfahren einzuleiten. Eine Abhilfe kommt insbesondere bei eigener Rechtsverletzung in Betracht. Soweit die Steuerbescheide bestandskräftig sind, erfolgt die Abhilfe durch Änderung der Steuerbescheide gem. § 175a AO. Stellt die Antragsbehörde eine Rechtsverletzung durch den anderen Vertragsstaat fest, wird, soweit ein einseitiger Steuererlass (§§ 163, 227 AO) ausscheidet, nur die Einleitung eines Verständigungsverfahrens zur Beseitigung des Besteuerungskonfliktes möglich sein. Scheitert das Verständigungsverfahren, kommt zwecks Vermeidung der Doppelbesteuerung ein Steuererlass aus Billigkeitsgründen2 oder ggf. ein Schiedsverfahren (Rz. 19.110 ff.) oder in bestimmten Fällen von Qualifikationskonflikten eine Steueranrechnung als ultima ratio3 in Betracht. Wird die Einleitung des Verständigungsverfahrens durch das BZSt abgelehnt, kann hiergegen mit dem Einspruch vorgegangen werden (§ 347 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO).4 Nach erfolglosem Einspruchsverfahren ist der Finanzrechtsweg eröffnet. Zuständig ist (derzeit) bei Verfahren gegen das BZSt (Sitz in Bonn) das Finanzgericht Köln.5
19.101
Überwiegend wird angenommen, es stehe im Ermessen der Antragsbehörde,6 ob ein Verständigungsverfahren eingeleitet werde oder nicht. Der Antragsteller habe daher nur einen Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung.7 Eine Analyse der von Deutschland abgeschlossenen DBA ergibt indessen, dass die betreffenden 1 Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 71; Eilers in Wassermeyer, Art. 25 OECD-MA Rz. 45 ff. 2 BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 -340/06, BStBl. I 2006, 461, Tz. 8. 3 Zu weiteren Einzelheiten mit Abkommensübersicht Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 136a. 4 Stv. Flüchter in S/D, Art. 25 OECD-MA Rz. 130; Becker in Haase3, Art. 25 OECD-MA Rz. 24; Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 92. 5 Flüchter in S/D, Art. 25 OECD-MA Rz. 130. 6 Dies wird aus dem Wortlaut des Art. 25 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA („… wird sie sich bemühen …“) abgeleitet. 7 BFH v. 26.5.1982 – I R 16/78, BStBl. II 1982, 583; FG Hamburg v. 13.7.2000 – V 2/97, EFG 2001, 27; Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 90; Becker in Haase3, Art. 25 OECD-MA Rz. 24; Lüthi in G/K/G, Art. 25 OECD-MA Rz. 60; Schmitz in S/K/K, Art. 25 OECD-MA Rz. 41; Koch, CDFI LXVIa (1981), 13 (30); Strobl, CDFI LXVIa (1981), 171 (174); Debatin, AWD 1969, 477 (485); Kaligin, WPg. 1982, 217 (220); für einen Rechtsanspruch auf Durchführung eines Verständigungsverfahrens dagegen OECD-Kommentar zu Art. 25 OECD-MA, Ziff. 22, 26 (abgedruckt bei Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA); Flüchter in S/D, Art. 25 OECD-MA Rz. 123 ff.; Kubaile in F/W/K, Art. 26 DBA-Schweiz Rz. 55; Reich, Das Verständigungsverfahren nach den internationalen DBA der Schweiz, 55; Mülhausen, Das Verständigungsverfahren im deutschen Internationalen Steuerrecht, 149 ff.; Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, 690; Bachmayr, StuW 1964, 885 (890 f.); Tipke, AWD 1969, 589 (592); Gloria, StuW 1989, 138 ff.; wohl auch BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461, Tz. 2.4.3; modifizierend Eilers in Wassermeyer, Art. 25 OECD-MA Rz. 9a.
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F. Auslegung von DBA
Verständigungsklauseln dem Antragsberechtigten im Ergebnis durchweg einen Rechtsanspruch auf Durchführung eines Verständigungsverfahrens gewähren.1 Trotz unterschiedlicher Formulierungen gilt das für alle Abkommen, die eine dem Art. 25 Abs. 2 OECD-MA nachgebildete Verständigungsklausel enthalten,2 gleichermaßen. Davon abgesehen ergäbe sich aufgrund der dem Heimatstaat obliegenden diplomatischen Schutzpflicht ohnehin eine Reduzierung des der Antragsbehörde eingeräumten Ermessensspielraums auf Null.3 Darüber hinaus leitet sich der Anspruch auf Einleitung des Verständigungsverfahrens auch aus dem verfassungsrechtlich verankerten Rechtsprinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ab. Die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit gebietet aus Rechtsgründen die Vermeidung der Doppelbesteuerung als Kehrseite der Besteuerung des Welteinkommens (Rz. 17.8 ff.). Dies gilt vor allem dann, wenn es zu einer der Regelungshomogenität der Abkommen widersprechenden planwidrigen Doppelbesteuerung kommt. Wie diese planwidrige Doppelbesteuerung vermieden wird, ist durch das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht vorgegeben. In Abkommensfällen ist allerdings zunächst ein Verständigungsverfahren einzuleiten. Kommt es hierbei zu keiner Einigung, hat ein Steuererlass (§§ 163, 227 AO) zu erfolgen,4 soweit abkommensrechtlich nicht die Durchführung eines anschließenden Schiedsverfahrens oder eines Verfahrens nach der EU-Schiedsverfahrenskonvention oder in Fällen bestimmter Qualifikationskonflikte die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung als ultima ratio5 vorgesehen oder möglich ist (Rz. 17.12). Die Durchführung von Verständigungsverfahren zwischen EU-Mitgliedstaaten ist schließlich auch europarechtlich geboten. Die Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb der Gemeinschaft gehört nämlich zu den Zielen des EU-Vertrages6 und ist darüber hinaus sogar eines der Grundanliegen des gemeinsamen Marktes.7 Insoweit wird zugleich auch den europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten entsprochen (Rz. 17.5). Im Hinblick auf die vorgenannten Gesichtspunkte lehnt die deutsche Finanzverwaltung die Einleitung eines Verständigungsverfahrens nur ausnahmsweise ab.8 Die DBA sehen grundsätzlich vor, dass das Verständigungsverfahren unbeschadet der nach innerstaatlichem Recht vorgesehenen Rechtsbehelfe durchgeführt werden kann.9 In Deutschland sind daher Verständigungsverfahren und Rechts1 Hierzu umfassend Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 247 ff.; vgl. ferner Mülhausen, Das Verständigungsverfahren im deutschen Internationalen Steuerrecht, 136 ff. 2 Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 263 ff. 3 Zur Begründung im Einzelnen Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 267 ff. 4 Vgl. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461, Tz. 8. 5 Hierzu Einzelheiten sowie eine Abkommensübersicht bei Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 136a. 6 EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, Slg. 1998, I-2793, Tz. 16. 7 Saß, SWI 1996, 108 (112). 8 So der Hinweis von Becker in Haase3, Art. 25 OECD-MA Rz. 24. 9 Art. 25 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA: Es handelt sich um eine Ausnahme von der sog. local remedies rule, wonach diplomatischer Schutz nur dann verlangt werden kann, wenn die innerstaatlich möglichen Rechtsbehelfe ausgeschöpft sind; vgl. hierzu Mülhausen, Das Verständigungsverfahren im deutschen Internationalen Steuerrecht, 125; Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 205 ff.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
behelfsverfahren gleichzeitig möglich,1 wobei die Vollziehung angefochtener durch das Verständigungsverfahren betroffener Steuerbescheide regelmäßig auszusetzen ist (§ 361 AO, § 69 FGO).2 Verständigungsregelungen können hierbei grundsätzlich aufgrund von abkommensrechtlichen Sonderregelungen ungeachtet der Fristen des innerstaatlichen Rechts erfolgen (Art. 25 Abs. 2 Satz 2 OECDMA), so dass Verständigungsverfahren unabhängig von etwaigen Verjährungsund Ausschlussfristen möglich sind. Da einige der deutschen DBA dahingehende Regelungen nicht enthalten,3 sind insoweit Verständigungsregelungen durch Änderung von Steuerbescheiden (§ 175a AO) nur innerhalb der vierjährigen Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 AO) möglich, wobei jedoch durch Stellen des Antrages auf Einleitung eines Verständigungsverfahrens der Fristablauf gehemmt ist mit der Maßgabe, dass die Festsetzungsfrist nicht vor Ablauf eines Jahres nach dem Wirksamwerden der Verständigungsvereinbarung endet (§ 175a Satz 2 AO).4 Voraussetzung ist allerdings, dass zum Zeitpunkt der Beantragung des Verständigungsverfahrens die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist.5 Getroffene Verständigungsregelungen können die Bestandskraft von Steuerbescheiden oder die Rechtskraft von Urteilen nur aufgrund der Vorschriften des jeweiligen innerstaatlichen Rechts durchbrechen.6 Im deutschen Recht ist eine Änderung bestandskräftiger Steuerbescheide aufgrund einer getroffenen Verständigungsregelung daher nur gem. § 175a AO möglich.7 19.103
Da eine Durchbrechung der Rechtskraft von Urteilen grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen des § 110 Abs. 2 FGO möglich ist, ist bei Rechtskraft eines Urteils im Anschluss an ein Verständigungsverfahren eine Änderung eines Steuerbescheides gem. § 175a AO nicht zulässig. Ein Verständigungsverfahren selbst ist keine Rechtsgrundlage für die Durchbrechung der Rechtskraft.8 Eine Änderung von Steuerfestsetzungen wegen abweichender Verständigungsregelungen ist allerdings stets auch als Billigkeitsmaßnahme (§§ 163, 227 AO) in Verwirklichung des Leistungsfähigkeitsprinzips geboten.9 Im Hinblick auf die von § 110 Abs. 1 FGO ausgehende Bindungswirkung macht die Finanzverwaltung die innerstaatliche Umsetzung der Verständigungsvereinbarung generell davon 1 BFH v. 1.2.1967 – I 220/64, BStBl. III 1967, 495; v. 12.10.1978 – I R 69/75, BStBl. II 1979 64; v. 26.5.1982 – I R 16/78, BStBl. II 1982, 583; Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 93; Eilers in Wassermeyer, Art. 25 OECD-MA Rz. 34; Becker, DStJG 36 (2013), 167 (171 ff.); Krabbe, IStR 2002, 548 (549); zur unterschiedlichen Rechtslage in einzelnen Staaten die Landesberichte in CDFI LXVI a (1981). 2 Eilers in Wassermeyer, Art. 25 OECD-MA Rz. 35. 3 Abkommensübersicht bei Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 134. 4 Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 135; Loose in T/K, § 175a AO Rz. 8; BMF v. 13.7. 2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461, Tz. 4.1. 5 Loose in T/K, § 175a AO Rz. 8; Bartone in Kühn/von Wedelstädt21, § 175a AO Rz. 7; von Groll in H/H/Sp, § 175a AO Rz. 102; a.A. Loh/Steinert, BB 2008, 2383 (2385); zu Gestaltungshinweisen Lühn, BB 2009, 412 ff. 6 Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 104. 7 Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 105; Eilers in Wassermeyer, Art. 25 Rz. 57. 8 Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 133; Mülhausen, Das Verständigungsverfahren im deutschen Internationalen Steuerrecht, 134. 9 BFH v. 1.2.1967 – I 220/64, BStBl. III 1967, 495; J. Förster in Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 30 Rz. 189; a.A. Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 133.
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abhängig, dass der Steuerpflichtige der Einigung zustimmt, anhängige Rechtsmittel zurücknimmt und auf seine Rechtsbehelfe entweder teilweise verzichtet (§ 354 Abs. 1a AO, § 50 Abs. 1a FGO) oder aber teilweise zurücknimmt (§ 362 Abs. 1a AO, § 72 Abs. 1a FGO).1 3. Vorabverständigungsverfahren (APAs) Im Hinblick darauf, dass Verständigungsverfahren lediglich im Nachhinein wirkende bilaterale Streiterledigungsmittel sind (Rz. 19.90), haben sich in der internationalen Staatenpraxis in den letzten Jahren zunehmend präventiv wirkende Vorabverständigungsvereinbarungen (Advance Pricing Agreements – APAs) herausgebildet.2 Diese APAs sind darauf gerichtet, zwischen zwei oder mehreren Staaten eine einvernehmliche Besteuerung von noch nicht verwirklichten Geschäften eines Steuerpflichtigen mit nahe stehenden Personen i.S. von § 1 AStG, eine einvernehmliche Gewinnaufteilung zwischen einem inländischen Unternehmen und seiner ausländischen Betriebsstätte oder eine einvernehmliche Gewinnermittlung einer inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens herbeizuführen.3 Es geht also um die Vermeidung von Verrechnungspreiskonflikten im weitesten Sinne (Rz. 21.244 ff.),4 wobei bilaterale APAs die Regel und multilaterale APAs die Ausnahme sind.5
19.104
Rechtsgrundlage für bilaterale und multilaterale APAs ist auf Abkommensebene Art. 25 Abs. 1, 2 OECD-MA.6 Nach innerstaatlichem Recht gelten die für eine verbindliche Auskunft (§ 89 Abs. 2 AO) geltenden Grundsätze (Rz. 19.107). Darüber hinaus kommen auch unilaterale APAs in Betracht, wenn hierfür ein berechtigtes Interesse7 besteht, etwa dann wenn Abkommen nicht eingreifen oder aber bei einer nur in einem Staat (Deutschland) strittigen Rechtsfrage.8 Rechtsgrundlage hierfür ist § 89 Abs. 2 AO (verbindliche Auskunft).9
19.105
APAs werden nur auf schriftlichen Antrag10 hin vom BZSt erteilt.11 Anträge auf APAs sind freilich relativ selten. APAs vermitteln zwar einerseits Planungssicherheit und dienen zudem der Streitvermeidung, andererseits sind die Verfahren gebührenpflichtig (§ 178a Abs. 2 AO) und dauern zumeist mehr als ein Jahr.12 Zudem besteht eine Offenlegungsverpflichtung, die dazu führen kann, dass die
19.106
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Vgl. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461, Tz. 4.2. Vgl. die Länderübersicht bei Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 316. So die Formulierung im § 178a Abs. 1 AO. Becker in Haase3, Art. 25 OECD-MA Rz. 66. Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 322 f.; Becker in Haase3, Art. 25 OECD-MA Rz. 67; Grotherr, IStR 2005, 350 (350); Kramer, IStR 2007, 174 (175). Zu Einzelheiten Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 327; Liebchen in S/D, Art. 25 OECD-MA Rz. 324. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06, BStBl. I 2006, 594, Tz. 1.2. Weitere Fallkonstellationen bei Liebchen in S/D, Art. 25 OECD-MA Rz. 327; Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 321; Grotherr, BB 2005, 856 (857); vgl. auch Rz. 21.244. Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 325; Kramer, IStR 2007, 174 (176 f.). Zu Erfordernissen wie Begründung, Beifügung von Unterlagen usw. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06, BStBl. I 2006, 594, Tz. 3. BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06, BStBl. I 2006, BStBl. I 2006, 594, Tz. 2.3. Becker in Haase3, Art. 25 OECD-MA Rz. 74.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
seitens der Finanzverwaltung erlangten Informationen im Übrigen zum Nachteil des Steuerpflichtigen verwendet werden können.1 Dem Antrag geht meist ein Vorgespräch (Prefiling) – auch auf anonymer Basis2 – voraus, in dessen Rahmen etwa die geplanten Verrechnungspreismethoden (Rz. 21.189 ff.), der APA-Zeitraum und die Frage einer rückwirkenden Anwendung (roll back) erörtert werden.3 Über die Annahme des Antrags wird sodann durch das BZSt entschieden,4 das für sich ein Ermessen in Anspruch nimmt.5 Nach Annahme des Antrags erfolgt eine APA-Prüfung, die in aller Regel in den Räumen des Antrag stellenden Unternehmens durch Betriebsprüfer durchgeführt wird.6 Hieran schließen sich dann die eigentlichen APA-Verhandlungen mit Vertretern des oder der anderen Vertragsstaaten an.7 Wird das APA erteilt, so hat es zumeist eine Laufzeit von drei bis fünf Jahren,8 wobei insbesondere bei längerer Verfahrensdauer eine rückwirkende Geltung (roll back) in Betracht kommt.9 Haben sich die dem APA zugrunde gelegten Sachverhaltsumstände nicht geändert, kann zu einem späteren Zeitpunkt ein APA auch verlängert werden.10 19.107
APAs erlangen für die Finanzverwaltung als verbindliche Auskünfte (§ 89 Abs. 2 AO) Bindungswirkung, soweit sie für die Zukunft wirken.11 Eine Bindungswirkung für den Antragsteller ist hiermit nicht verbunden. Haben APAs rückwirkende Geltung (roll back) ergibt sich eine dann allerdings beiderseitige Bindungswirkung nur unter dem Gesichtspunkt der tatsächlichen Verständigung,12 was voraussetzt, dass die Regelung über Tatsachen im Vordergrund steht.13 Um für alle Fälle eine Bindung auch des Antragstellers zu gewährleisten, wird ihm im Vorhinein ein Einspruchsverzicht (§ 354 Abs. 1a AO) für die Steuerbescheide abverlangt, die die Vorabverständigungsvereinbarung für deren Laufzeit (zutreffend) umsetzen.14 Der Antragsteller seinerseits erhält eine verbindliche Vorabzusage.15
1 Zu den Vor- und Nachteilen Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 329 f.; Liebchen in S/D, Art. 25 OECD-MA Rz. 374 f.; Becker in Haase3, Art. 25 OECD-MA Rz. 66. 2 BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06, BStBl. I 2006, BStBl. I 2006, 594, Tz. 2.2. 3 Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 334; Becker in Haase3, Art. 25 OECD-MA Rz. 72. 4 BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06, BStBl. I 2006, BStBl. I 2006, 594, Tz. 3.9. 5 Demgegenüber besteht auch hier wie bei Einleitung eines (normalen) Verständigungsverfahrens ein Anspruch auf Einleitung eines APA-Verfahrens; zur Begründung Rz. 19.101. 6 BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06, BStBl. I 2006, BStBl. I 2006, 594, Tz. 4.3; Becker in Haase3, Art. 25 OECD-MA Rz. 74; Liebchen in S/D, Art. 25 OECD-MA Rz. 352. 7 Becker in Haase3, Art. 25 OECD-MA Rz. 75. 8 BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06, BStBl. I 2006, 594, Tz. 3.8. 9 BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06, BStBl. I 2006, 594, Tz. 7.3. 10 BMF v. 5.10.2006 – IV B 4 - S 1341 - 38/06, BStBl. I 2006, 594, Tz. 7.4; Becker in Haase2, Art. 25 OECD-MA Rz. 68. 11 Zur Bindungswirkung verbindlicher Auskünfte Seer in T/K, § 89 AO Rz. 27 f. 12 Hierzu Seer in T/K, vor § 118 AO Rz. 23. 13 Dass auch Rechtsfragen betroffen sind, ist unschädlich; vgl. BFH v. 13.8.1997 – I R 12/97, BFH/NV 1998, 498; Seer in T/K, vor § 118 AO Rz. 13. 14 Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 377; Becker in Haase3, Art. 25 OECD-MA Rz. 75. 15 Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 377; dort auch zu Bedenken zu diesem Verfahren.
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F. Auslegung von DBA
4. Konsultationsverfahren Konsultationsverfahren sind darauf gerichtet, Schwierigkeiten oder Zweifel, die bei der Auslegung oder Anwendung der Abkommen entstehen, im gegenseitigen Einvernehmen zu beseitigen (konkretes Konsultationsverfahren)1 sowie Regelungslücken in DBA zu schließen (abstraktes Konsultationsverfahren).2 Es handelt sich hierbei um die Klärung von Rechtsfragen ohne Bezug auf einen konkreten Einzelfall, die mitunter parallel zu einem Verständigungsverfahren im engeren Sinne betrieben werden. Das Ziel dieser Konsultationsverfahren3 ist die gleichmäßige Anwendung und Auslegung der DBA im Sinne einer Regelungshomogenität. Damit werden nicht nur Sachverhalts- und Rechtsfragen, etwa Fragen der bilateralen Einkünfteabgrenzung,4 sondern auch verwaltungstechnische Fragen angesprochen.5
19.108
Derartige zwischenstaatlich getroffene Vereinbarungen, insbesondere Auslegungsvereinbarungen, sind entsprechend ihrem Rechtscharakter als (schlichtes) Verwaltungsabkommen6 auch nach Einfügung von § 2 Abs. 2 AO durch das JStG 20107 weder für den Steuerpflichtigen noch für die Gerichte bindend.8 Dementsprechend können derartige Vereinbarungen auch die DBA selbst nicht ändern. Als Hilfsmittel für die Auslegung kommen sie indessen in Betracht.
19.109
5. Schiedsverfahren Die in den DBA vorgesehenen Verständigungsverfahren vermitteln den betroffenen Steuerpflichtigen keinen Anspruch darauf, dass sich die am Verständigungsverfahren beteiligten Behörden einigen.9 Im Hinblick auf die somit fortbestehenden Auslegungskonflikte kann das eigentliche Ziel der DBA, die Doppelbesteuerung auf bilateraler Ebene zu vermeiden, nicht erreicht werden. In derartigen Fällen hat etwa Deutschland als Wohnsitzstaat nach Maßgabe des Leistungsfähigkeitsprinzips die Doppelbesteuerung durch Steuererlass (§§ 163, 227 AO)
1 Art. 25 Abs. 3 Satz 1 OECD-MA; zu Einzelheiten Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 158 f. 2 Art. 25 Abs. 3 Satz 2 OECD-MA; zu Einzelheiten Gloria, Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, 159 ff. 3 In einigen deutschen DBA sind sie nicht vorgesehen; Abkommensübersicht bei Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 165, 167. 4 Hierfür sind besondere Konsultationsverfahren vorgesehen; hierzu die Abkommensübersicht bei Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 168 ff. 5 Eilers in Wassermeyer, Art. 25 OECD-MA Rz. 61; Koch, CDFI LXVIa (1981), 13 (43). 6 Art. 59 Abs. 2 Satz 2 GG; zu Einzelheiten Mülhausen, Das Verständigungsverfahren im deutschen Internationalen Steuerrecht, 188 ff.; Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 166. 7 Gesetz v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. 8 BFH v. 10.6.2015 – I R 79/13, DStR 2015, 2222; Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 154a, 166; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 99 f.; Häck in F/W/K, Art. 24 DBASchweiz Rz. 20.1 f. 9 Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 89; Liebchen in S/D, Art. 25 OECD-MA Rz. 238; Eilers in Wassermeyer, Art. 25 OECD-MA Rz. 10; Koch, CDFI LXVIa (1981), 13 (40); OECD-MK zu Art. 25 OECD-MA, Ziff. 26 (abgedruckt bei Lehner in V/L6, Art. 25 OECDMA).
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19.110
Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
zu vermeiden.1 In einigen deutschen DBA2 ist indessen für den Fall, dass eingeleitete Verständigungsverfahren zu keiner einvernehmlichen Regelung führen, ein fakultatives oder ein obligatorisches Schiedsverfahren vorgesehen.3 Soweit dieses Schiedsverfahren in Anlehnung an Art. 25 Abs. 5 OECD-MA obligatorisch ist,4 folgt hieraus stets eine den Auslegungskonflikt behebende endgültige Entscheidung.5 19.111
Das Schiedsverfahren, das entsprechend Art. 25 Abs. 5 OECD-MA nur auf Antrag dessen durchgeführt wird,6 der zuvor auch das Verständigungsverfahren beantragt hat, ist unselbständiger Teil des Verständigungsverfahrens selbst.7 Dementsprechend werden Schiedssprüche, soweit der Antragsteller zustimmt, dadurch umgesetzt, dass eine inhaltsgleiche Verständigungsvereinbarung abgeschlossen wird.8 Der Antragsteller ist ferner ebenso wenig wie im eigentlichen Verständigungsverfahren Partei, so dass er insbesondere nicht das Recht auf Akteneinsicht hat.9 Er hat aber ebenso wie im Verständigungsverfahren selbst die Möglichkeit, schriftliche Stellungnahmen abzugeben.10
19.112
Die OECD-Schiedsklausel (Art. 25 OECD-MA) beinhaltet zwar keine bindenden Verfahrensvorschriften,11 die Eröffnung eines Schiedsverfahrens setzt neben einem Antrag allerdings voraus, dass sich die zuständigen Behörden im Rahmen des eigentlichen Verständigungsverfahrens über einen Zeitraum von zwei Jahren nicht haben einigen können. Dass die Streitfrage nicht im Sinne des Antragstellers gelöst wird, ist hierbei unbeachtlich.12 Voraussetzung ist ferner, dass es auf 1 Vgl. BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461, Tz. 8. 2 Abkommensübersicht bei Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 250; s. auch Liebchen in S/D, Art. 25 OECD-MA Rz. 244; zur Abkommensentwicklung Bödefeld/Kuntschik, IStR 2009, 449 ff.; Nientimp/Tomson, IStR 2009, 615 ff. 3 Vgl. auch den Richtlinienvorschlag der Kommission v. 25.10.2016 (COM (2016) 686 final/2016/0338 (CNS)) „über Verfahren zur Beilegung von Doppelbesteuerungsstreitigkeiten in der Europäischen Union“; hierzu im Überblick Benz/Böhmer, DB 2016, 2800; Rasch, ISR 2017, 43. 4 Hierzu der Überblick bei Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 250, 260 ff. 5 Nach dem DBA-Schweden kommt auch eine Entscheidung durch den Internationalen Gerichtshof in Den Haag nach Maßgabe des europäischen Übereinkommens zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten vom 29.4.1957, BGBl. II 1961, 81 in Betracht. 6 Wie bei Verständigungsverfahren besteht ein Anspruch auf Durchführung eines (obligatorischen) Schiedsverfahrens; Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 208; Herlinghaus, IStR 2010, 125 (126); ferner Rz. 19.101. 7 Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 209; Liebchen in S/D, Art. 25 OECD-MA Rz. 239; Eilers in Wassermeyer, Art. 25 OECD-MA Rz. 72; Becker in Haase3, Art. 25 OECD-MA Rz. 48. 8 Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 237. 9 Becker in Haase3, Art. 25 OECD-MA Rz. 53, 35. 10 Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 228. 11 Vgl. allerdings die im Anh. zum OECD-MA eingefügte Musterverständigungsvereinbarung, die auch Regeln über den Verfahrensablauf enthalten; abgedruckt bei Eilers in Wassermeyer, Art. 25 OECD-MA; hierzu die Kommentierung bei Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 223 ff. und Becker in Haase3, Art. 25 OECD-MA Rz. 54 ff. Bspw. hat Deutschland mit Großbritannien eine solche Verständigungsvereinbarung zur Regelung der Durchführung des Schiedsverfahrens getroffen (BMF v. 10.10.2011 – IV B 3 S 1301-GB/11/10003, BStBl. I 2011, 956). 12 Eilers in Wassermeyer, Art. 25 OECD-MA Rz. 76; Becker in Haase3, Art. 25 OECD-MA Rz. 49.
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F. Auslegung von DBA
Grund der fehlenden Einigung tatsächlich schon zu einer abkommenswidrigen Besteuerung gekommen ist.1 Hieraus folgt, dass die in Art. 25 Abs. 5 Satz 1 Buchst. b OECD-MA vorgesehene Zweijahresfrist erst mit Eintritt der abkommenswidrigen Besteuerung beginnt, sofern das Verständigungsverfahren zuvor bereits deshalb eingeleitet wurde, weil die abkommenswidrige Besteuerung (Doppelbesteuerung) drohte.2 Dies bedeutet etwa, dass für APAs ein Schiedsverfahren nur dann in Betracht kommt, wenn eine Besteuerung bereits erfolgt ist und seitdem zwei Jahre vergangen sind.3 Gemäß Art. 25 Abs. 5 Satz 2 OECD-MA darf ein Schiedsverfahren nicht eingeleitet werden, wenn bereits eine Gerichtsentscheidung zu dem konkreten Streitfall ergangen ist. Dies entspricht der deutschen Rechtslage, wonach Verständigungsverfahren die Rechtskraft von Urteilen nicht durchbrechen können.4
19.113
VII. EU-Schiedsverfahrenskonvention Literatur Kommentare zum Eh-SchÜ; Bödefeld/Kuntschik, Verständigungs- und Schiedsverfahren nach dem EU-Schiedsabkommen – Theorie und Praxis, IStR 2009, 268; Bödefeld/Kuntschik, Der Überarbeitete Verhaltenskodex zur Anwendung des EU-Schiedsübereinkommen, IStR 2010, 474; Kempf/Gelsdorf, Die EU-Schiedsverfahrenskonvention im Konkurrenzverhältnis zu Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2012, 329; Krabbe, Das Schiedsübereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union, IStR 1996, 5; Menck, Die Prüfung der internationalen Gewinnabgrenzung nach der „Schiedsstellenkonvention“ der EU, StBp. 1995, 169; Saß, Zum EG-Abkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung (Schlichtungsverfahren) im Falle einer Gewinnberichtigung bei Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen, DB 1991, 984; Schaumburg in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 16.1 ff.; Schelpe, The Arbitration Convention, EC-Tax Review 1995, 68.
1. Allgemeine Hinweise Auf der Grundlage des Art. 220 EG-Vertrag a.F. haben die EG-Staaten das Übereinkommen über die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Falle von Gewinnberichtigungen zwischen verbundenen Unternehmen und im Verhältnis zu Betriebsstätten5 (Schiedsverfahrenskonvention) abgeschlossen, das als multilateraler völkerrechtlicher Vertrag6 nach Hinterlegung aller Ratifikationsurkunden7 zum 1.1.1995 in Kraft getreten ist.8 1 Liebchen in S/D, Art. 25 OECD-MA Rz. 246. 2 Für einen im Sinne des Antragstellers großzügigen Umgang mit dieser Frist Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 215. 3 Becker in Haase3, Art. 25 OECD-MA Rz. 49. 4 Hierzu Rz. 19.103; vgl. Becker in Haase3, Art. 25 OECD-MA Rz. 51 mit Hinweis auf das DBA-USA, wonach ein dem Art. 25 Abs. 5 Satz 2 OECD-MA entsprechender Wortlaut nicht übernommen wurde. 5 Richtlinie 90/434/EWG v. 23.7.1990, ABl. EG Nr. L 225, 1 v. 20.8.1990, Änderungsprotokoll v. 25.5.1999, Abl. EG Nr. C 202/1 v. 16.7.1999, Ergänzung Abl. EU Nr. C 160 v. 30.6.2005, 1; Beschl. des Rates v. 23.6.2008, Abl. L 174 v. 1.7.2008, 1. 6 Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 300; Becker in Haase3, Art. 25 OECD-MA Rz. 78. 7 Art. 18 der Schiedsverfahrenskonvention. 8 BStBl. I 1995, 166.
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19.114
Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
19.115
Die zunächst auf fünf Jahre befristete und nunmehr ohne Befristung geltende Schiedsverfahrenskonvention1 ist auf die Beseitigung wirtschaftlicher Doppelbesteuerung (zum Begriff Rz. 15.3) gerichtet.2 Diese kann dadurch entstehen, dass die Finanzverwaltungen der Mitgliedstaaten nicht abgestimmte Einkünfteberichtigungen vornehmen, die sich als Folge von Verrechnungspreiskorrekturen zwischen verbundenen Kapitalgesellschaften und veränderten Einkünfteabgrenzungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätten oder verschiedenen Betriebsstätten in den Mitgliedstaaten ergeben (Rz. 21.1 ff.). Dadurch wird sichergestellt, dass mit der auf Gewinnerhöhung gerichteten Erstberichtigung in dem einen Mitgliedstaat eine auf Gewinnminderung gerichtete Gegenberichtigung in dem oder den anderen Mitgliedstaaten korrespondiert. Da die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, die auf dieser nicht abgestimmten Einkünfteberichtigung beruhende wirtschaftliche Doppelbesteuerung zu vermeiden,3 entfaltet die Schiedsverfahrenskonvention eine Schutzwirkung zugunsten der in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässigen (verbundenen) Unternehmen gegenüber einseitigen Gewinnkorrekturen4 durch den einen oder anderen Mitgliedstaat.
19.116
Die auf eine Verständigungsregelung ausgerichteten Normen der Schiedsverfahrenskonvention sind neben den abkommensrechtlichen Regelungen über das Verständigungsverfahren (Art. 25 OECD-MA) anwendbar.5 Ein Vorrangverhältnis besteht nicht, weil die Schiedsverfahrenskonvention weder zum primären noch zum sekundären Unionsrecht gehört.6 Da Deutschland mit allen Mitgliedstaaten der EU DBA abgeschlossen hat, gewinnt die Schiedsverfahrenskonvention gerade in Abkommensfällen ihre eigentliche Bedeutung.7 Die von Deutschland mit den Mitgliedstaaten der EU abgeschlossenen DBA vermögen nämlich eine korrespondierende Einkünfteberichtigung nicht zu gewährleisten. Dies beruht zum einen darauf, dass die DBA durchweg keine dem Art. 9 Abs. 2 OECD-MA nachgebildete Gegenberichtigungsklausel enthalten8 und zum anderen darauf, dass die wegen nicht abgestimmter Einkünfteberichtigungen an sich möglichen Verständigungsverfahren9 deshalb keinen vollständigen Rechtsschutz 1 Art. 20 EU-SchÜ; zum zeitlichen Geltungsbereich und zur Behandlung während des Übergangszeitraums vom 1.1.2000 bis 30.10.2004 Krabbe in Wassermeyer, Vor Art. 1 EUSchÜ Rz. 3; Art. 18 EU-SchÜ Rz. 5 ff.; zu Entwicklungstendenzen Bödefeld/Kuntschik, IStR 2009, 268 ff., Bödefeld/Kuntschik, IStR 2010, 474 ff. 2 Krabbe in Wassermeyer, Vor Art. 1 EU-SchÜ Rz. 1. 3 Art. 12 Abs. 1 Schiedsverfahrenskonvention; hierzu Krabbe in Wassermeyer, Art. 12 EUSchÜ Rz. 6. 4 Soweit sie sich auf die Einkommen-, Körperschaft- und Gewerbesteuer auswirken; Art. 2 Abs. 2 der Schiedsverfahrenskonvention. 5 Art. 15 der Schiedsverfahrenskonvention; das europäische Übereinkommen zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten v. 29.4.1957 (BGBI. 1961 II 81) wird indessen verdrängt, weil dieses nur Anwendung findet, soweit anderweitig keine auf Streitbeilegung gerichtete Verfahren vorgesehen sind; hierzu Krabbe in Wassermeyer, Vor Art. 1 EU-SchÜ Rz. 9; Krabbe, IStR, 1996, 5 (5 f.). 6 Krabbe in Wassermeyer, Vor Art. 1 EU-SchÜ Rz. 8; Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 301. 7 Zum Verhältnis der EU-Schiedsverfahrenskonvention zu den DBA s. Kempf/Gelsdorf, IStR 2012, 329 ff. 8 Vgl. die Abkommensübersicht bei Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 145, 181. 9 Art. 25 OECD-MA.
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F. Auslegung von DBA
vermitteln, weil kein Rechtsanspruch darauf besteht, dass die Vertragsstaaten sich einigen (Rz. 19.91). Deshalb ist die Schiedsverfahrenskonvention für den eingeschränkten Bereich der Einkünfteabgrenzung1 als ein die abkommensrechtlichen Verständigungsverfahren überlagerndes ebenfalls auf Beseitigung bilateraler Anwendungskonflikte gerichtetes multilaterales DBA2 zu qualifizieren. Im Unterschied zu den abkommensrechtlichen Verständigungsverfahren führen die in der Schiedsverfahrenskonvention geregelten Verfahren stets zu einer Konfliktlösung, die allerdings nur in der Vermeidung der effektiven, nicht aber der virtuellen Doppelbesteuerung besteht.3 Soweit Verständigungsverfahren und Schiedsverfahren verknüpft sind (Rz. 19.110), muss sich der jeweilige Antragsteller für das Verständigungs- und Schiedsverfahren oder für das Verfahren nach der Schiedsverfahrenskonvention entscheiden, denn beide Verfahren sind nicht parallel anwendbar.4 Sieht das Verständigungsverfahren kein Schiedsverfahren vor, gilt im Zweifel der Antrag nach der Schiedsverfahrenskonvention als gestellt.5
19.117
2. Verfahren Die Schiedsverfahrenskonvention sieht folgende vier Verfahrensabschnitte vor: – – – –
19.118
Vorverfahren Verständigungsverfahren Schlichtungsverfahren Einigungsverfahren.
Vor dem eigentlichen Verständigungsverfahren ist ein Vorverfahren vorgeschaltet, das auf eine einvernehmliche Regelung zwischen dem betroffenen Unternehmen und den beteiligten Finanzbehörden abzielt. Im Hinblick darauf hat die Finanzverwaltung, die eine Gewinnerhöhung vornehmen will, das betroffene Unternehmen frühzeitig hierüber zu unterrichten, damit dieses Maßnahmen einleiten kann, um in dem anderen Vertragsstaat, in dem etwa das verbundene Unternehmen ansässig ist, eine Gegenberichtigung zu erwirken.6 Wird zwischen den Beteiligten über Berichtigung und Gegenberichtigung Konsens erzielt, ist die Angelegenheit bereits in diesem Stadium erledigt. Ein Verständigungs- und Schlichtungsverfahren wird erst gar nicht eingeleitet.7
19.119
Findet die Angelegenheit nicht bereits im Vorverfahren ihre Erledigung, so wird auf Antrag des betroffenen Unternehmens das Verständigungsverfahren eingelei-
19.120
1 Gewinnzurechnung zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften sowie zwischen Stammhaus und Betriebsstätten und zwischen Betriebsstätten. 2 Krabbe in Wassermeyer, Vor Art. 1 EU-SchÜ Rz. 10. 3 Art. 14 Schiedsverfahrenskonvention; vgl. hierzu Menck, StBp. 1995, 169 (171). 4 Krabbe in Wassermeyer, Vor Art. 1 EU-SchÜ Rz. 10, Art. EU-SchÜ Rz. 6; Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 306; Becker in Haase3, Art. 25 OECD-MA Rz. 80. 5 Krabbe in Wassermeyer, Art. 6 EU-SchÜ Rz. 6. 6 Art. 5 der Schiedsverfahrenskonvention. 7 Krabbe in Wassermeyer, Art. 5 EU-SchÜ Rz. 8; Liebchen in S/D, Art. 25 OECD-MA Rz. 278.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
tet.1 Der Antrag ist innerhalb von drei Jahren nach der ersten Mitteilung der Maßnahme, die eine Doppelbesteuerung herbeiführt oder herbeiführen könnte,2 zu stellen.3 Der Antrag kann in beiden Staaten gestellt werden.4 Antragsberechtigt sind in der EU ansässige Unternehmen, womit in Anlehnung an die Begriffswelt der DBA5 sowohl Einzelunternehmen als auch Kapitalgesellschaften angesprochen sind.6 Da Betriebsstätten7 den Unternehmen gleichgestellt sind,8 sind auch Betriebsstätten selbst sowie Personengesellschaften9 antragsberechtigt. Der Antrag verpflichtet zur Einleitung des Verständigungsverfahrens, es sei denn, es liegen Handlungen vor, die einen „empfindlich zu bestrafenden Verstoß gegen steuerliche Vorschriften“ darstellen.10 Gegen die Ablehnung des Antrags ist der Finanzrechtsweg gegeben.11 19.121
Die Schiedsverfahrenskonvention enthält für die Durchführung des Verständigungsverfahrens keine besonderen Vorschriften mit der Folge, dass insoweit die üblichen für die abkommensrechtlichen Verständigungsverfahren vorgesehenen Regeln Anwendung finden können.12 Führt das Verständigungsverfahren zu keinem Ergebnis, etwa deshalb nicht, weil der ersuchte Staat keine einseitige Maßnahme zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vornimmt oder beide Staaten kein Einvernehmen über die zu ergreifenden Maßnahmen13 erzielen, ist das Verständigungsverfahren gescheitert, so dass es in das sog. Schlichtungsverfahren überführt wird.
19.122
In das Schlichtungsverfahren wird übergeleitet, wenn das Verständigungsverfahren nicht innerhalb von zwei Jahren14 zu einer Einigung bzw. zu einer Erledigung durch eine einseitige Maßnahme geführt hat. Die Einleitung des Schlichtungsverfahrens hat zur Folge, dass ein Beratender Ausschuss eingesetzt wird, der innerhalb von sechs Monaten eine Stellungnahme zu den zu ergreifenden Maßnahmen abzugeben hat. Dieser Beratende Ausschuss wird von den zuständigen Behörden15 für
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
11 12 13 14 15
Art. 6 Schiedsverfahrenskonvention. Z.B. im Anschluss an eine Betriebsprüfung durch Änderungsbescheid. In Deutschland ist der Antrag an das BZSt zu richten. Art. 6 der Schiedsverfahrenskonvention; nach Menck, StBp. 1995, 169 (171) und Krabbe, IStR 1996, 5 ff. sollte der Antrag zweckmäßigerweise im Staat des übergeordneten Steuerpflichtigen gestellt werden. Vgl. die Verweisung in Art. 3 Abs. 2 der Schiedsverfahrenskonvention. Hierzu Krabbe in Wassermeyer, Art. 1 EU-SchÜ Rz. 3. Erfasst werden nur Betriebsstätten von in der EU ansässigen Unternehmen. Art. 1 Abs. 2 der Schiedsverfahrenskonvention. Diese gelten als Betriebsstätten; zu Einzelheiten Rz. 21.114. Art. 8 der Schiedsverfahrenskonvention; nach Liebchen in S/D, Art. 25 OECD-MA Rz. 285; Krabbe in Wassermeyer, Art. 8 EU-SchÜ Rz. 2; Menck, StBp. 1995, 169 (172), soll dies bereits bei leichtfertiger Steuerverkürzung (§ 378 AO) und Steuergefährdung (§ 379 AO) gegeben sein. Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 303; Becker in Haase3, Art. 25 OECD-MA Rz. 81. Vgl. hierzu BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461, Tz. 3, 4. Angesprochen sind nur die in Art. 14 der Schiedsverfahrenskonvention aufgeführten Maßnahmen. Gemäß Art. 7 Abs. 4 der Schiedsverfahrenskonvention ist eine Fristverlängerung möglich. In Deutschland das BZSt.
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F. Auslegung von DBA
jeden Einzelfall gesondert1 eingesetzt.2 Auch während des Schlichtungsverfahrens bleiben die beteiligten Behörden beider Vertragsstaaten Herr des Verfahrens, so dass sie stets durch einseitige Maßnahmen die Doppelbesteuerung beseitigen und damit das Verfahren insgesamt beendigen können.3 Das vom Beratenden Ausschuss einzuhaltende Verfahren ist weitgehend ungeregelt geblieben, so dass die international anerkannten allgemeinen Verfahrensgrundsätze zur Anwendung kommen.4 Ausdrücklich geregelt sind allerdings das für die am Verfahren beteiligten Unternehmen geltende Recht auf Gehör, deren Antragsrecht sowie deren Pflicht, auf Ladung zu erscheinen, womit das Recht korrespondiert, vor dem Beratenden Ausschuss zu Sach- und Rechtsfragen selbst Stellung zu nehmen.5 Die vom Beratenden Ausschuss abzugebende Stellungnahme bezieht sich ausschließlich darauf, wie in Anlehnung an den arm’s length-Grundsatz die Doppelbesteuerung zu vermeiden ist.6 Damit gelten im Ergebnis die bei der Anwendung von DBA zu beachtenden allgemeinen Grundsätze der bilateralen Einkünfteabgrenzung (Rz. 19.264 ff., 19.289 ff.). Eine hierauf aufbauende Stellungnahme des Beratenden Ausschusses setzt eine entsprechende Sachverhaltsermittlung voraus. Die Sachverhaltsermittlungen kann der Beratende Ausschuss entweder selbst durchführen oder aber durch die am Verfahren beteiligten Behörden beider Vertragsstaaten durchführen lassen.7 Sobald die Stellungnahme des Beratenden Ausschusses vorliegt, beginnt das Einigungsverfahren, das bedeutet, dass innerhalb von weiteren sechs Monaten die am Verfahren beteiligten Behörden die Möglichkeit haben, die Doppelbesteuerung entweder durch einseitige Maßnahmen zu beheben oder sich entsprechend zu einigen. Während dieses Zeitraums ist die Stellungnahme mithin unverbindlich, so dass beide Behörden weiterhin Herr des Verfahrens bleiben. Einigen sie sich binnen sechs Monaten nicht, wird die Stellungnahme für sie indessen verbindlich.8 Die Doppelbesteuerung ist dann nach Maßgabe der in der Stellungnahme vorgeschlagenen Zuordnung von Gewinnen durch Steuerfreistellung oder Steueranrechnung9 zu vermeiden. Die bindend gewordene Stellungnahme des Beratenden Ausschusses ist von den Finanzbehörden umzusetzen, wobei bereits bestandskräftige Steuerbescheide gem. § 175a AO zu ändern sind. Wird die Stellungnahme des Beratenden Ausschusses während eines anhängigen Rechtsbehelfsverfahrens bindend, eröffnet sich dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit, den Rechtsbehelf insoweit (teilweise) zurückzunehmen (§ 362 Abs. 1a AO; § 72 1 Krabbe in Wassermeyer, Art. 7 EU-SchÜ Rz. 7; Menck, StBp. 1995, 169 (173). 2 Zur Anzahl und Qualifikation der Mitglieder vgl. Art. 9 der Schiedsverfahrenskonvention. 3 Menck, StBp. 1995, 169 (173). 4 Vgl. EU-Verhaltenskodex v. 7.12.2004 (ABl. EG 2006 Nr. C 176, 8) und BMF v. 13.7.2006 – IV B 6 - S 1300 - 340/06, BStBl. I 2006, 461, Tz. 13.3; nunmehr „Überarbeiteter Verhaltenskodex“ v. 22.12.2009 (ABl. EU 2009 Nr. C 322, 1); hierzu Bödefeld/Kuntschik, IStR 2010, 474 ff. 5 Art. 10 Abs. 1, 2 der Schiedsverfahrenskonvention. 6 Art. 11 Abs. 1 Satz 2 i.V. mit Art. 4 der Schiedsverfahrenskonvention; hierzu Krabbe in Wassermeyer, Art. 11 EU-SchÜ Rz. 3; vgl. auch Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 301. 7 Art. 10 Abs. 1 der Schiedsverfahrenskonvention. 8 Art. 12 der Schiedsverfahrenskonvention. 9 Art. 14 der Schiedsverfahrenskonvention.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
Abs. 1a FGO). Ist dagegen bereits in dieser Sache ein rechtskräftiges Urteil ergangen, so können die betreffenden Steuerbescheide trotz der Bindungswirkung des § 110 Abs. 1 FGO aus Billigkeitsgründen (§§ 163, 227 AO) entsprechend der bindend gewordenen Stellungnahme des Beratenden Ausschusses geändert werden.1 Die Finanzverwaltung wird auch in den Fällen, in denen Rechtsbehelfsverfahren anhängig sind, die Einleitung des Schlichtungsverfahrens davon abhängig machen, dass der Steuerpflichtige seine Rechtsbehelfe teilweise zurücknimmt (§ 362 Abs. 1a AO; § 72 Abs. 1a FGO) oder aber, soweit ein Rechtsbehelfsverfahren noch nicht anhängig ist, von vornherein einen teilweisen Rechtsbehelfsverzicht (§ 354 Abs. 1a AO; § 50 Abs. 1a FGO) ausspricht.2
G. Steuerumgehung bei DBA Literatur Arndt, Beschränkte Steuerpflicht im deutschen und amerikanischen Einkommensteuerrecht, StuW 1990, 364; Becker, Erschleichung der Abkommensberechtigung durch Zwischenpersonen, DStJG 8 (1985), 171; Crezelius, Beschränkte Steuerpflicht und Gestaltungsmissbrauch, DB 1984, 530; Debatin, Rechtsmissbrauch im Internationalen Steuerrecht im Lichte deutscher Rechtsprechung, DB 1979, 181, 229; Drüen, „Präzisierung“ und „Effektuierung“ des § 42 AO durch das Jahressteuergesetz 2008?, Ubg 2008, 31; Fischer, Die Umgehung des Steuergesetzes, DB 1996, 644; Fischer-Zernin, Missbrauch von Doppelbesteuerungsabkommen, RIW 1987, 362; Gassner/Lang, Treaty Shopping, in Gassner/Lang/ Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1994, 43; Gebhardt/Reppel, Die neuen Subject-to-tax-Klauseln in deutschen DBA – Praxisfälle und Zweifelsfragen im Kontext des BMF-Schreibens vom 20.6.2013, IStR 2013, 760; Gosch, Missbrauchsabwehr im Internationalen Steuerrecht, DStJG 36 (2013), 210; Gosch, Die Zwischengesellschaft nach „Hilversum I und II“, „Cadbury Schweppes“ und den Jahressteuergesetzen 2007 und 2008, in Kirchhof/Nieskens (Hrsg.), FS für Reiß, Köln 2008, 597; Haase/ Dorn, Rätsel um den Anwendungsbereich der jüngeren abkommensrechtlichen Switchover-Regelungen, IStR 2011, 791; Hey, Spezialgesetzgebung und Typologie zum Gestaltungsmissbrauch, DStJG 33 (2010), 129; Hey, Spezialgesetzliche Missbrauchsgesetzgebung, StuW 2008, 167; Höppner, Deutsche steuerliche Missbrauchsvorschriften und das Gemeinschaftsrecht – § 42 AO und 50d Abs. 1a EStG aus EG-rechtlicher Sicht, in Breuninger/Müller/Strobl/Haarmann (Hrsg.), Steuerrecht und europäische Integration, FS für Rädler, München 1999, 305; Kleineidam, Perspektiven der internationalen Einkunftsabgrenzung im Lichte globaler Unternehmensstrategien, in Klein/Stihl/Wassermeyer/Piltz/ Schaumburg (Hrsg.) Unternehmen/Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 857; Kluge, Basisgesellschaften und Doppelbesteuerungsabkommen, RIW/AWD 1975, 525; Krabbe, Freistellung und Missbrauchsbekämpfung, in Vogel/Wassermeyer u.a. Freistellung im Internationalen Steuerrecht, München 1996, 39; Kraft, Die missbräuchliche Inanspruchnahme von Doppelbesteuerungsabkommen, Heidelberg 1991; Lampe, Missbrauchsvorbehalte in völkerrechtlichen Abkommen am Beispiel der Doppelbesteuerungsabkommen, Köln/Berlin/München 2006; Lang, M., „treaty-shopping“ – der Missbrauch von Doppelbesteuerungsabkommen, SWI 1991, 55; Linn, Steuerumgehung und Abkommensrecht, IStR 2010, 542; Lüdicke, Subject-to-tax-Klauseln nach den DBA – Bemerkungen zum BMF1 Vgl. BFH v. 1.2.1967 – I 220/64, BStBl. III 1967, 495; J. Förster, in Birk (Hrsg.), Handbuch des Europäischen Steuer- und Abgabenrechts, § 30 Rz. 189; für eine Änderung entsprechend § 110 Abs. 2 FGO i.V. mit § 175 Abs. 1 Satz 1 AO Krabbe in Wassermeyer, Art. 7 EU-SchÜ Rz. 15; eine Änderung dagegen generell ausschließend Lehner in V/L6, Art. 25 OECD-MA Rz. 132. 2 Rechtsgrundlage: Art. 7 Abs. 3 der Schiedsverfahrenskonvention.
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G. Steuerumgehung bei DBA Schreiben vom 20.6.2013, IStR 2013, 721; Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, Baden-Baden 2008; Lüdicke, Treaty shopping – § 50d Abs. 1a EStG, in Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung im Internationalen Steuerrecht, Köln 1995, 102; Lutz, Die Maßnahmen gegen die missbräuchliche Inanspruchnahme von Doppelbesteuerungsabkommen, Zürich 2000; Menhorn, § 50d Abs. 3 EStG und der stillschweigende Missbrauchsvorbehalt in Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2005, 325; Merthan, Die Anwendung von § 42 AO bei Missbrauch von DBA, RIW 1992, 927; Paschen, Steuerumgehung im nationalen und internationalen Steuerrecht, Wiesbaden 2001; Petereit, Die sog. switchover-Klausel in den deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2003, 277; Piltz, Doppelbesteuerungsabkommen und Steuerumgehung unter besonderer Berücksichtigung des treaty shopping, BB 1987, Beilage 14, 1; Rauer, Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts durch Einschaltung einer Basisgesellschaft, DB 1983, 2276; Rudolf, Treaty Shopping und Gestaltungsmissbrauch, Köln 2012; Schön, Gestaltungsmissbrauch im Europäischen Steuerrecht, IStR 1996, Beihefter zu Nr. 2; Schönfeld, Welche praktischen Probleme löst das BMF-Schreiben zu Subject-to-Tax-Klauseln und welche nicht? – dargestellt anhand von Fallbeispielen, IStR 2013, 757; Spindler, § 42 AO n.F. – was hat sich geändert?, StbJb 2008/2009, 29; Tulloch, StÄndG 1992: Die neue Hinzurechnungsbesteuerung im AStG als Instrument der Missbrauchsbekämpfung, DB 1992, 1444; Vogel, Abkommensbindung und Missbrauchsabwehr, in FS für Höhn, Bern 1995, 461; Vogel, Steuerumgehung bei Doppelbesteuerungsabkommen, in Haarmann (Hrsg.), Grenzen der Gestaltung im Internationalen Steuerrecht, Köln 1994, 79; Vogel, Steuerumgehung nach innerstaatlichem Recht und nach Abkommensrecht, StuW 1985, 369; Vogel, Künstlergesellschaften und Steuerumgehung, StuW 1996, 248; Vogel/Ellis u.a., Steueroasen und Außensteuergesetz, München 1981; Wassermeyer, Die Missbrauchsvorschriften des deutschen Gesetzgebers auf dem Gebiete des Internationalen Steuerrechts, SWI 1995, 139; Wassermeyer, Die beschränkte Steuerpflicht, DStJG 8 (1985), 49; Wassermeyer; Missbräuchliche Inanspruchnahme von Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2000, 505; Wienbracke, Die Genese fiskalischen Misstrauens, DB 2008, 664; Winkelmann, Steuerumgehung durch die Einschaltung ausländischer Kapitalgesellschaften, Frankfurt 1997.
I. Gestaltungen in der Praxis Obwohl Deutschland ein vergleichsweise dichtes Netz von DBA unterhält, ist dieses dennoch teilweise lückenhaft, da es zahlreiche Länder, mit denen intensive Geschäftsbeziehungen gepflegt werden, nicht eingebunden sind. In diesen Fällen kann eine Doppelbesteuerung lediglich durch innerstaatliche Regelungen vermieden oder gemildert werden. Innerstaatliche Regelungen sind indessen, wie insbesondere die des deutschen Steuerrechts zeigen, unvollständig und daher nicht immer geeignet, eine Doppelbesteuerung vollständig zu verhindern.
19.124
Da die unilateralen Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung unterschiedlich ausgeprägt sind, kommt es international zu einem starken Regelungsgefälle. Ein derartiges Regelungsgefälle herrscht allerdings auch auf der Ebene der DBA, obwohl ein solches vom Grundsatz her nach dem Vorbild der OECD-MA nicht vorhanden sein dürfte.
19.125
Die Folge dieses internationalen Regelungsgefälles bei den unilateralen und bilateralen Vorschriften zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ist das Bestreben von Steuerpflichtigen, durch entsprechende Gestaltungen sich unter den Schutz jener Abkommensvorschriften zu stellen, die eine Milderung oder gar eine Vermeidung der Doppelbesteuerung am besten gewährleisten. International steht die Ausnutzung des Regelungsgefälles von DBA im Vordergrund. Es handelt sich hierbei um Fallgestaltungen, die insbesondere darauf gerichtet sind,
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
– durch Zwischenschaltung einer Person die Schutzwirkung eines Abkommens in Anspruch zu nehmen, die sonst nicht gewährt würde (Treaty-Shopping), – durch bestimmte Gestaltungen Einkünfte von einer in eine andere Einkunftsart des Abkommens umzuqualifizieren (Rule-Shopping) oder – Doppelbefreiungen bzw. eine doppelte Nichtbesteuerung (negative Qualifikationskonflikte) zu erlangen. 19.127
Als treaty shopping1 gelten die Gestaltungen von nichtabkommensberechtigten Steuerpflichtigen, die darauf abzielen, durch Zwischenschaltung abkommensberechtigter Gesellschaften durch nicht abkommensberechtigte Gesellschafter in den Genuss von Abkommensvergünstigungen zu kommen.2 Zu diesen Fällen des Treaty-Shopping gehören insbesondere jene, in denen etwa inländische Kapitalgesellschaften zwischen sich und ausländische Tochtergesellschaften, die in Ländern ansässig sind, mit denen Deutschland keine DBA geschlossen hat, Holding-Gesellschaften in Drittländern zwischenschalten, die mit den anderen Ansässigkeitsstaaten durch DBA verknüpft sind.3 Gewähren diese DBA im Quellenstaat eine Quellensteuerreduktion (Rz. 19.324), so führt diese Multilateralisierung von DBA zur Inanspruchnahme von Abkommensvergünstigungen, die ohne Einschaltung der Holding-Gesellschaft nicht zur Verfügung gestanden hätten.
19.128
Zu einem Treaty-Shopping führt auch die insbesondere im Dienstleistungsbereich anzutreffenden Zwischenschaltung sog. Stepping-Stone-Gesellschaften, die etwa als Patentverwertungsgesellschaften von einem nichtabkommensberechtigten Steuerausländer in einem Abkommensland errichtet und zwischen Deutschland und den Wohnsitzstaat des Steuerpflichtigen, mit dem Deutschland kein DBA abgeschlossen hat, zwischengeschaltet werden. Stellen die jeweiligen DBA die Lizenzgebühren von Quellensteuer frei, verbleibt es letztlich nur bei der (Niedrig-) Besteuerung im Wohnsitzstaat, wenn die seitens der zwischengeschalteten Patentverwertungsgesellschaft zu zahlenden Lizenzgebühren ihren Lizenzeinnahmen entsprechen.4
19.129
Ein ebenfalls auf die Reduktion der Quellensteuer ausgerichtetes Treaty-Shopping ist in den Fällen gegeben, in denen ein nichtabkommensberechtigter Steuerausländer seine Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft in eine in einem Abkommensland ansässige Holding einbringt mit der Folge, dass nunmehr nicht 25 %, sondern aufgrund des eingreifenden DBAs eine reduzierte deutsche Kapitalertragsteuer auf Dividenden zu erheben ist.5
1 Zur Bedeutung und Entwicklung dieses Begriffs im Einzelnen Kraft, Die missbräuchliche Inanspruchnahme von DBA, 2 ff.; Becker, DStJG 8 (1985), 171 (172 ff.). 2 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 65; Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 101; Gold in S/K/K, Art. 1 OECD-MA Rz. 33; Rudolf, Treaty Shopping und Gestaltungsmißbrauch, 17. 3 Hierzu Gosch, DStJG 36 (2013), 201 (204). 4 Hierzu Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 66; Piltz, BB 1987, Beilage 14, 1 (3). 5 Dem entspricht im EU-Bereich das Directive-Shopping, das darauf abzielt, die Kapitalertragsteuerreduktion gem. § 43b EStG zu erlangen; vgl. Rz. 19.160.
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G. Steuerumgehung bei DBA
Beim Rule-Shopping1 sind die Sachverhaltsgestaltungen darauf gerichtet, über eine bestimmte Einkünftequalifizierung in den Genuss einer möglichst günstigen Verteilungsnorm zu kommen. Hierzu zählen insbesondere jene Fälle, in denen abkommensberechtigte Steuerinländer Bankguthaben in eine in einem Abkommensland liegende Betriebsstätte einbringen mit der Folge, dass Zinsen als Betriebsstättengewinne (ohne Aktivitätsklausel) der deutschen Besteuerung entzogen sind und schließlich keiner oder einer nur geringen Besteuerung unterliegen, sofern sie im Betriebsstättenstaat steuerlich privilegiert sind.2
19.130
Zu dieser Fallgruppe zählen insbesondere treasury centres, Versicherungsgesellschaften (captives), Factoring- und Reinvoicing-Gesellschaften sowie Koordinierungsstellen (coordination centers), die mitunter Steuerprivilegien genießen und über die DBA ggü. der deutschen Besteuerung eine Abschirmwirkung entfalten,3 soweit nicht eine Hinzurechnungsbesteuerung gem. §§ 7 bis 14 AStG eingreift (Rz. 13.1 ff.). Die Ausnutzung des zwischenstaatlichen Steuergefälles ist auch über Kapitalgesellschaften möglich. In der Praxis spielen hierbei insbesondere in Niedrigsteuerländern ansässige Finanzierungsgesellschaften4 eine Rolle, die z.B. an in Deutschland ansässige verbundene Unternehmen Kredite vergeben, ohne dass dort die entsprechenden Zinseinkünfte einer nennenswerten Besteuerung unterliegen. Entsprechende Steuereffekte können aber nur dann erzielt werden, wenn keine Hinzurechnungsbesteuerung eingreift (Rz. 13.1 ff.). Schließlich haben in der Praxis auch sog. Künstlerverleihgesellschaften Bedeutung erlangt.5 Deren Einschaltung dient vor allem dem Zweck, das Besteuerungsrecht des Quellenstaates zu unterlaufen.6
19.131
Zu Doppelfreistellungen oder zu einer doppelten Nichtbesteuerung führen Sachverhaltsgestaltungen, die auf einen negativen Qualifikationskonflikt abzielen. Damit sind jene Fälle angesprochen, in denen DBA von beiden Staaten unterschiedlich angewendet werden (Rz. 19.84).
19.132
II. Reichweite des § 42 AO 1. Missbrauchsklauseln der DBA § 42 Abs. 1 Satz 3 AO, aufgrund dessen bei Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten der Steueranspruch so entsteht, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen Gestaltung entstünde, findet vom Grundsatz her auf alle Normen, also auch auf jene der DBA, Anwendung. Indessen haben die Normen der DBA lex specialis-Charakter, so dass sie dem übrigen innerstaatlichen Recht grundsätzlich vorgehen (Rz. 3.24 f.). § 42 AO tritt folglich
1 Zum Begriff Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 68; Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, Rz. 102, 110; Gosch, DStJG 36 (2013), 201 (205). 2 Piltz, BB 1987, Beilage 14, 1 (3, 14). 3 Weitere Einzelheiten bei Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 1102 ff. 4 Ausf. Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 1096 ff. 5 Ausf. Schlotter in S/D, Art. 17 OECD-MA Rz. 53. 6 Hierzu Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 74; Art. 17 OECD-MA Rz. 58.
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19.133
Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
insoweit zurück, als die DBA eigenständige Missbrauchsklauseln enthalten.1 Dieses Konkurrenzverhältnis ergibt sich auch aus § 42 Abs. 1 Satz 2 AO, wonach einzelsteuergesetzliche Umgehungsvorschriften vorgehen.2 19.134
In Anlehnung an die US-amerikanische Abkommenspolitik, die seit jeher auf die Verankerung umfassender eigenständiger Missbrauchsklauseln in den DBA ausgerichtet ist,3 werden in die von Deutschland abgeschlossenen DBA in zunehmendem Maße derartige Missbrauchsklauseln aufgenommen.4 Einige deutsche Abkommen verweisen zudem auf innerstaatliche Missbrauchsvorschriften.5
19.135
Soweit der Tatbestand sowohl der abkommensrechtlichen Missbrauchsklauseln als auch des § 42 AO erfüllt wird, tritt § 42 AO zurück (§ 42 Abs. 1 Satz 2 AO). Soweit indessen § 42 AO über den Regelungsbereich einer abkommensrechtlichen Missbrauchsklausel hinausreicht, bleibt § 42 AO entsprechend seiner Auffangfunktion anwendbar, soweit die abkommensrechtliche Missbrauchsklausel nicht abschließend ist.6 Ob eine derartige Klausel abschließenden Charakter hat, ist durch Auslegung zu ermitteln.7 Ist das der Fall, handelt es sich also um eine echte Spezialvorschrift, so dass der Rekurs auf die Generalklausel des § 42 AO versperrt ist, woran auch § 42 Abs. 1 Satz 3 AO nichts ändert.8 Anderenfalls (unechte Spezialvorschrift) bleibt § 42 AO anwendbar.9
19.136
Abkommensrechtliche Missbrauchsklauseln zielen entweder auf die Abkommensberechtigung ab oder enthalten Einzelregelungen, die unter dem Gesichtspunkt des Abkommensmissbrauchs besondere Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Abkommensvergünstigungen aufstellen.
19.137
Klauseln, die auf eine Einschränkung der Abkommensberechtigung gerichtet sind, betreffen in erster Linie ein Treaty-Shopping.10 Derartige (abschließende) Regelungen enthalten insbesondere die mit der Schweiz und den USA abgeschlossenen DBA.11 1 BFH v. 19.12.2007 – I R 21/07, BStBl. II 2008, 619; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 56; Drüen in T/K, § 42 AO Rz. 102; Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 46; Piltz, BB 1987, Beilage 14, 1 (4). 2 Zur entsprechenden Prüfungsfolge Drüen in T/K, Vor § 42 AO Rz. 10 ff. 3 Kraft, Die missbräuchliche Inanspruchnahme von DBA, 92 ff.; vgl. auch Art. 28 US-MA 2006; hierzu Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 123 ff. 4 Hier die Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 136 ff. S. auch Art. 28 DE-VG. 5 Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 135. 6 Drüen in T/K, § 42 AO Rz. 102; Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 113; Piltz, BB 1987, Beilage 14, 1 (9). 7 Drüen in T/K, § 42 AO Rz. 102; Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 113; vgl. auch Spindler, StbJb 2008/2009, 29 (51); Hey, DStJG 32 (2010), 129 (145 f.). 8 Hierzu Drüen in T/K, Vor § 42 AO Rz. 13, § 42 Rz. 20b; Fischer in H/H/Sp, § 42 AO Rz. 25; Drüen, Ubg 2008, 31 (33 f.); Gosch in FS Reiß, 597 (604 f.); Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 30; Spindler, StbJb 2008/2009, 39 (52); Hey, StuW 2008, 167 (173); Mack/ Wollweber, DStR 2009, 182 (186); Wienbracke, DB 2008, 664 (669). 9 Drüen in T/K, § 42 AO Rz. 20b; Piltz, BB 1987, Beilage 14, 1 (9); a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 57 f., wonach § 42 AO nur Anwendung findet, wenn das DBA insoweit zumindest stillschweigend auf deutsches Steuerrecht verweist. 10 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 Rz. 73. 11 Zu Einzelheiten Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 137 ff.
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G. Steuerumgehung bei DBA
So machen etwa die neueren deutschen DBA die Freistellung von Betriebsstättengewinnen und von Schachteldividenden davon abhängig, dass die Einnahmen der Betriebsstätte oder der Tochtergesellschaft ausschließlich oder fast ausschließlich aus sog. aktiven oder produktiven Tätigkeiten stammen.1 Derartige in DBA enthaltene eigenständige Aktivitätsklauseln, also solche, die nicht auf entsprechende Aktivitätsklauseln des innerstaatlichen Rechts verweisen, gehen ebenfalls § 42 AO vor. Sie sind darüber hinaus auch als abschließend anzusehen mit der Folge, dass weitergehende Aktivitätsvorbehalte auf der Grundlage des § 42 AO ausgeschlossen sind.
19.138
Darüber hinaus können Empfänger von Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren die Reduzierung von Quellensteuern oder deren Nichterhebung im Quellenstaat nur dann beanspruchen, wenn sie Nutzungsberechtigte (beneficial owner) sind, also nicht nur ein formales Recht auf die Einkünfte haben, sondern tatsächlich über die den vorgenannten Einkünften zugrunde liegenden Stammrechte und/ oder über diese Einkünfte verfügen können.2 Soweit diese Beneficiary-Klauseln eingreifen, scheidet die Anwendung des § 42 AO ebenfalls aus.
19.139
Neuere deutsche DBA3 enthalten Sonderregelungen, nach denen die beteiligten Vertragsstaaten von der Freistellungsmethode zur Anrechnungsmethode überwechseln können, um die steuerliche Freistellung von Einkünften in beiden Vertragsstaaten sowie Gestaltungen zum Abkommensmissbrauch und mitunter auch einen unfairen Steuerwettbewerb zu verhindern.4 Derartige Switch-over-Klauseln,5 soweit sie gegen den Abkommensmissbrauch gerichtet sind, werden allerdings durch die unilaterale Switch-over-Klausel des § 50d Abs. 9 EStG überlagert (Rz. 19.525), so dass das Abkommensrecht insoweit verdrängt wird (Rz. 19.529), sofern die bilateralen Switch-over-Klauseln nicht noch weitergehen (§ 50d Abs. 9 Satz 3 EStG). § 42 AO kommt darüber hinaus nicht zur Anwendung.6
19.140
Zu den abkommensrechtlichen Missbrauchsklauseln zählen auch die Subjectto-Tax-Klauseln, die darauf gerichtet sind, insbesondere eine Doppelfreistellung oder -ermäßigung zu verhindern.7 Derartige Subject-to-Tax-Klauseln8 machen Steuerbefreiungen oder Steuererleichterungen im Quellenstaat oder Wohnsitzstaat davon abhängig, dass die betreffenden Einkünfte im jeweils anderen Staat
19.141
1 Abkommensübersicht bei Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 23A/B OECDMA, Anlage. 2 Zu Einzelheiten Tischbirek in V/L6, vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 10 ff.; Kraft, Die missbräuchliche Inanspruchnahme von DBA, 20 ff. 3 Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 136. 4 Eine an das BMF gerichtete Ermächtigung zum Erlass entsprechender Rechtsverordnungen enthält § 2 Abs. 3 AO mit Wirkung ab 2017 (AHRL-ÄndUmsG). 5 Allgemein hierzu Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23 A/B Rz. 82 ff.; Grotherr in G/K/G, Art. 23A/23B OECD-MA Rz. 162 ff.; Schmidt/Blöchle in S/K/K, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 152 ff.; Haase/Dorn, IStR 2011, 791 ff.; Petereit, IStR 2003, 577 ff. 6 Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 30. 7 Zu Einzelheiten BMF v. 20.6.2013 – IV B 2 - S 1300/09/10006, BStBl. I 2013, 980; Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 73; Gebhardt/Reppel, IStR 2013, 760 ff.; Lüdicke, IStR 2013, 721 ff.; Schönfeld, IStR 2013, 757 ff. 8 Mitunter auch als Rückfallklauseln bezeichnet; vgl. OFD Düsseldorf und Münster v. 18.7.2005, IStR 2006, 96.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
der Besteuerung unterliegen.1 Die auf den Quellenstaat angewendete Subject-toTax-Klausel bewirkt im Ergebnis, dass unter den vorgenannten Voraussetzungen eine Steuerfreistellung oder eine Quellensteuerreduktion entfällt. Eine auf den Wohnsitzstaat angewendete Subject-to-Tax-Klausel bewirkt demgegenüber, dass die Doppelbesteuerung nicht durch Steuerfreistellung, sondern durch Steueranrechnung erfolgt, womit im Ergebnis stets nur die effektive Doppelbesteuerung vermieden wird.2 Da Subject-to-Tax-Klauseln abschließend sind, kommt § 42 AO darüber hinaus nicht zur Anwendung. Nicht ausgeschlossen ist allerdings die unilaterale Subject-to-Tax-Klausel des § 50d Abs. 8 EStG, die speziell für ausländische Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gilt.3 19.142
Die in Art. 17 Abs. 2 OECD-MA verankerten Künstlerverleihklauseln dienen ebenfalls der Missbrauchsabwehr.4 Sie bewirken, dass Personen, denen Einkünfte aus der Tätigkeit als Künstler oder Sportler zufließen, obwohl sie selbst nicht als Künstler oder Sportler auftreten, der Besteuerung in dem Staat unterliegen, in dem die künstlerische oder sportliche Tätigkeit ausgeübt wird. Nur soweit eine abkommensrechtliche Künstlerverleihklausel nicht vorgesehen ist, verbleibt ein Anwendungsbereich für § 42 AO.5
19.143
Auf der gleichen Linie liegen die Grundstücksklauseln (Art. 13 Abs. 4 OECD-MA), wonach Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Grundstücksgesellschaften vom Belegenheitsstaat besteuert werden dürfen, so dass statt der Freistellungs- die Anrechnungsmethode eingreift.6 Hierdurch wird dem Immobilieninvestor die Möglichkeit genommen, durch Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft die Besteuerung im Belegenheitsstaat zu vermeiden.7 § 42 AO findet daneben keine Anwendung.
19.144
Schließlich enthalten auch in einigen neuen deutschen Abkommen8 verankerte Arbeitnehmerüberlassungsklauseln eine Ausnahme von Art. 15 Abs. 2 OECDMA, so dass auch der Tätigkeitsstaat besteuern darf.9 In diesem Fall wird die Doppelbesteuerung durch Anrechnung vermieden, ohne dass darüber hinaus § 42 AO zur Anwendung käme. 2. DBA ohne Missbrauchsklauseln
19.145
Enthalten die DBA keine eigenständigen Missbrauchsklauseln, so beurteilt sich die Frage, ob ein Abkommensmissbrauch vorliegt, nach innerstaatlichem Recht.10 1 Abkommensübersicht mit den wichtigsten Industriestaaten bei Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 105. 2 Zur Frage, ob sog. Quellenregeln als Subject-to-Tax-Klauseln qualifizieren Dürrschmidt in V/L6, Vor Art. 6–22 Rz. 20 f.; Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23 A/B OECD-MA Rz. 75. 3 Treaty overriding, vgl. Rz. 3.25 f.; Einzelheiten zu § 50d Abs. 8 EStG unter Rz. 19.523 f. 4 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 74; Vogel, StuW 1996, 248 ff. 5 BFH v. 29.10.1997 – I R 35/96, BStBl. II 1998, 235. 6 Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 174. 7 Hierzu Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 118; dort auch zur Abkommensübersicht Rz. 149. 8 Vgl. die Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 69, 92 ff. 9 Hierzu Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 54 ff.; dort auch zu den entsprechenden missbräuchlichen Gestaltungen. 10 BFH v. 21.1.1976 – I R 234/73, BStBl. II 1976, 513; v. 29.9.1976 – I R 171/75, BStBl. II 1977, 260; v. 29.10.1981 – I R 89/80, BStBl. II 1982, 150; v. 5.3.1986 – I R 201/82, BStBl. II 1986, 496; v. 28.1.1992 – VIII R 7/88, BStBl. II 1993, 84; Piltz, BB 1987, Beilage 14, 1 (4 ff.);
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G. Steuerumgehung bei DBA
Es wird allerdings die Meinung vertreten, § 42 AO sei nur insoweit anwendbar, als auch der andere Vertragsstaat eine entsprechende innerstaatliche Missbrauchsvorschrift kenne.1 In diesem Fall könne davon ausgegangen werden, dass beide Vertragsstaaten die Anwendung innerstaatlicher Missbrauchsvorschriften auch auf das DBA billigten.2 Existiere in dem anderen Vertragsstaat keine derartige Missbrauchsvorschrift, sei ein Rückgriff auf § 42 AO ausgeschlossen. Allerdings sei generell von der Geltung einer ungeschriebenen eigenständigen Abkommensmissbrauchsregel auszugehen.3 Die Annahme eines derartigen eigenständigen Missbrauchstatbestandes wird durchweg aus der Existenz eines allgemeinen völkerrechtlichen Missbrauchsvorbehaltes abgeleitet.4 In diesem Zusammenhang wird davon ausgegangen, dass der abkommensmäßige – freilich ungeschriebene – Missbrauchstatbestand enger sei als der des § 42 AO und daher die Schwelle, von wo ab die Steuergestaltung als missbräuchlich anzusehen sei, entsprechend höher ansetze.5
19.146
Indessen verbieten das auf verfassungsrechtlicher Grundlage beruhende Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung6 sowie das Prinzip der Gesetzesbestimmtheit7 die Annahme eines – ungeschriebenen – Missbrauchstatbestandes, der bislang weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur eine subsumtionsfähige Konkretisierung erfahren hat.8 Da § 42 AO nur zur Anwendung kommt, wenn durch den Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten ein Steuergesetz umgangen wird, setzt die Subsumtion die Feststellung voraus, ob nach dem Gesetzeszweck eine Steuerbelastung gewollt oder eine Steuerentlastung nicht gewollt ist.9 Dabei ist nicht etwa auf Zweck und Ziel der Rechtsordnung schlechthin, sondern nur auf den Zweck der betreffenden Norm, deren Umgehung zu beurteilen ist, abzustellen. Hieraus folgt, dass für die Missbrauchsprüfung die Wertungen der einzelnen Normen der
1 2 3 4 5 6 7 8
9
differenzierend Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 57 f.; wonach § 42 AO nur zur Anwendung kommt, wenn insoweit zumindest stillschweigend auf deutsches Recht verwiesen wird. Vogel in Haarmann (Hrsg.), Grenzen der Gestaltung im Internationalen Steuerrecht, 79 (93 f.); Mössner, RIW 1986, 208 (211 ff.). Fahrholz in Gaddum/Hoffmann u.a., Zinsen im Internationalen Steuerrecht, 51 (53); Mössner, RIW 1986, 208 (211). Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 117; Vogel, StuW 1985, 369 (372); Fischer, DB 1996, 644 (645); modifizierend Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 Rz. 57; Menhorn, IStR 2005, 325 ff. Hierzu Vogel, StuW 1985, 369 (378); Vogel in Haarmann (Hrsg.), Grenzen der Gestaltung im Internationalen Steuerrecht, Köln 1994, 79 (93 f.). Vogel, StuW 1985, 369 (372, 381). Hierzu Hey in Tipke/Lang22, § 4 Rz. 230 ff. Hierzu Hey in Tipke/Lang22, § 4 Rz. 243 ff. Zur Begründung im Einzelnen Kraft, Die missbräuchliche Inanspruchnahme von DBA, 19 f.; Piltz, BB 1987, Beilage 14, 1 (5); im Ergebnis ebenso Großfeld, Die Basisgesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 99 f.; von Beckerath, Der Durchgriff im Außensteuerrecht, 275 ff.; Kluge, RIW 1975, 525 (525 f.); Fischer-Zernin, RIW 1987, 362; Lang, M., SWI 1991, 55 ff.; Debatin, DB 1979, 181 ff., 229 (232); Merthan, RIW 1992, 927; (928). Zum Ganzen auch Dremel in S/D, Art. 1 OECD-MA Rz. 97 f. Zum Tatbestand „gesetzlich nicht vorgesehener Steuervorteil“ Drüen in T/K, Vor § 42 AO Rz. 20 ff.
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19.147
Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
DBA zum Maßstab erhoben werden.1 Bei Anwendung des § 42 AO ist der Zweck der DBA allerdings nur insoweit maßgeblich, als deren Normen darauf gerichtet sind, eine Doppelbesteuerung zu vermeiden und gegebenenfalls eine Steuerverkürzung zu verhindern.2 Soweit die DBA darüber hinaus in grenzüberschreitenden Steuerfällen die gerechte Zuordnung der Steuergüter zu einem Staat oder deren gerechte Verteilung zwischen mehreren Staaten gewährleisten wollen,3 spielt dieser Zweck für die Anwendung des § 42 AO keine Rolle. § 42 AO setzt nämlich tatbestandsmäßig voraus, dass durch die Umgehung im Ergebnis ein gesetzlich nicht vorgesehener Steuervorteil dadurch entsteht, dass durch die unangemessene Rechtsgestaltung eine niedrigere – deutsche – Steuer ausgelöst wird als durch die angemessene Gestaltung. § 42 AO greift daher von vornherein dann nicht ein, wenn aufgrund einer unangemessenen rechtlichen Gestaltung nur der andere Vertragsstaat einen Steuerausfall erleidet.4 19.148
Die Anwendung des § 42 AO stellt eine Störung der abkommensimmanenten Regelungshomogenität dar. § 42 AO ist nämlich nicht auf eine für beide Vertragsstaaten gleichermaßen verbindliche Rechtsfolge gerichtet, sondern greift tatbestandsmäßig nur dann ein, wenn die missbräuchliche Rechtsgestaltung im Ergebnis zu Lasten des deutschen Steueraufkommens geht. Diese Störung der Regelungshomogenität ist indessen aus Gründen der Rechtssicherheit (Gesetzmäßigkeit der Besteuerung) und der Gesetzesbestimmtheit hinzunehmen. Die deutsche Abkommenspraxis sollte daher darauf gerichtet sein, in den DBA eigenständige Missbrauchsklauseln zu verankern,5 zumal in der internationalen Staatenpraxis normative oder richterrechtliche Missbrauchsregeln6 gebräuchlich sind, die in ihrer Funktion, zum Teil auch in ihren Wirkungen, denen des § 42 AO weitgehend entsprechen.7
19.149
Die Ausrichtung des § 42 AO am Vertragszweck8 verhindert, dass die Anwendung der DBA durch § 42 AO unterlaufen wird. Andernfalls entspräche die Anwendung der DBA nicht mehr den Grundsätzen von Treu und Glauben, zu deren Einhaltung sich die Vertragsstaaten verpflichtet haben. 3. Missbrauchsklauseln des nationalen Rechts
19.150
Das deutsche Steuerrecht enthält neben § 42 AO besondere gegen die Steuerumgehung gerichtete Vorschriften, die eine Konkretisierung des § 42 AO darstel1 Gassner/Lang in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 44 (59); Piltz, BB 1987, Beilage 14, 1 (9 f.). 2 Während die Vermeidung der Doppelbesteuerung Zweck aller DBA ist, realisiert sich die Verhinderung von Steuerverkürzungen als Vertragszweck nur in einigen, insbesondere jüngeren DBA, in denen die „Verhinderung der Steuerverkürzung“ ausdrücklich in den Abkommenstitel aufgenommen wird (bspw. DBA-Niederlande 2012, s. auch die DE-VG). 3 Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 23 ff.; Tipke, Steuergerechtigkeit, 120; Kleineidam in FS Flick, 857 (865 ff.). 4 Dremel in S/D, Art. 1 OECD-MA Rz. 97; Piltz, BB 1987, Beilage 14, 1 (9 f.). 5 Hierzu Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 45 ff. 6 Zur Substance-over-Form-Doctrine in den USA Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band III, 1347 (1349). 7 Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 90 ff. 8 Insoweit ist § 42 AO nicht mehr als eine teleologische Hilfsnorm; hierzu Englisch in Tipke/Lang22, § 5 Rz. 116 ff.
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G. Steuerumgehung bei DBA
len, dessen Generalklausel aber nur dann verdrängen, wenn sie abschließende Wirkung haben.1 Zu den vorgenannten speziellen Missbrauchsklauseln des nationalen Rechts gehört insbesondere § 20 Abs. 2 AStG, der für niedrig besteuerte ausländische Betriebsstätteneinkünfte aus passivem Erwerb die abkommensrechtliche Steuerfreistellung durch die Steueranrechnung ersetzt.2 Die unilaterale Switch-overKlausel erfasst niedrig besteuerte passive Einkünfte, die als Zwischeneinkünfte steuerpflichtig wären, wenn die Betriebsstätte eine ausländische Kapitalgesellschaft wäre. Dieser Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode ist zwar europarechtlich im Grundsatz nicht zu beanstanden,3 wegen der Bezugnahme auf die §§ 7 ff. AStG ist aber der europarechtlich gebotene „Motivtest“, so wie er sich aus § 8 Abs. 2 AStG ergibt (Rz. 13.140 ff.), auch bei § 20 Abs. 2 AStG zu berücksichtigen (Rz. 19.544).4 Greift hiernach § 20 Abs. 2 AStG ein, wird im Ergebnis die Steuerbelastung auf inländisches Steuerniveau hochgeschleust. § 20 Abs. 2 AStG verdrängt insoweit die abkommensrechtlichen Aktivitätsklauseln (Rz. 19.138), soweit der hierfür maßgebliche Aktivitätskatalog des § 8 Abs. 1 AStG ggü. den abkommensrechtlich verankerten Aktivitätskriterien strengere Maßstäbe setzt. Denn § 20 Abs. 2 AStG enthält eine abschließende Regelung mit der Folge, dass insoweit § 42 AO keine Anwendung findet.
19.151
§ 50d Abs. 1 EStG dient der Sicherstellung des Steuerabzugs und ist gegen die missbräuchliche Inanspruchnahme von DBA insoweit gerichtet,5 als die durch DBA eingeräumte Reduzierung oder Freistellung von Quellensteuern nur dann beansprucht werden kann, wenn der Empfänger der betreffenden Einkünfte seine Abkommensberechtigung nachweist.6 In diesem Fall kommt für ihn entweder das auf die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung abzielende Freistellungsverfahren oder das Erstattungsverfahren in Betracht (§ 50d Abs. 1, 2 EStG). Entsprechendes gilt für § 48d EStG, wonach die Bauabzugssteuer auch dann einzubehalten und abzuführen ist, wenn die Einkünfte aus der Bauleistung abkommensrechtlich nicht besteuert werden dürfen. Hier wird der ausländische Bauleistende auf das Freistellungs- bzw. Erstattungsverfahren verwiesen (§§ 48b Abs. 2, 48d Abs. 1 EStG).
19.152
Auf einer vergleichbaren Wertungsebene ist die Treaty-Shopping-Klausel des § 50d Abs. 3 EStG angesiedelt: Eine nicht aktiv tätige ausländische Gesellschaft hat grundsätzlich keinen Anspruch auf Steuerentlastung nach Maßgabe der DBA und gem. der §§ 43b, 50g EStG, soweit an ihr Personen beteiligt sind, denen die Steuerentlastung7 nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten
19.153
1 Zu Einzelheiten Drüen in T/K, Vor § 42 AO Rz. 13 f. 2 Die Switch-over-Klausel gilt nicht, wenn in der Betriebsstätte passive Einkünfte i.S. von § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a AStG erzielt werden (§ 20 Abs. 2 Satz 2 AStG i.d.F. des JStG 2010 v. 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768). 3 EuGH v. 6.12.2007 – Rs. C-298/05 – Columbus Container, Slg. 2007, I-10451. 4 BFH v. 21.10.2009 – I R 114/08, BStBl. II 2010, 774; a.A. für nach dem 31.12.2007 beginnende Wirtschaftsjahre OFD Rheinland v. 22.10.2010, DStR 2011, 175. 5 Hahn-Joecks in K/S/M, § 50d EStG Rz. 16; Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 1; Kraft, Die missbräuchliche Inanspruchnahme von DBA, 44 ff. 6 Vgl. weitere Nachweiserfordernisse in § 50j EStG (AHRL-ÄndUmsG). 7 Angesprochen ist vor allem die abkommensrechtliche Quellensteuerreduktion.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
(Rz. 19.160 ff.). Schließlich verhindert auch die für die Einkommensermittlung bei Organschaft maßgebliche in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 KStG verankerte Bruttomethode einen Abkommensmissbrauch dadurch, dass der Organträger etwa die abkommensrechtliche Steuerfreistellung von Schachteldividenden (internationales Schachtelprivileg) (Rz. 19.545 ff.) nicht in Anspruch nehmen kann, wenn er nicht selbst die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen erfüllt.1 Während die §§ 50d Abs. 1, 2; 48d EStG nicht abschließend sind (unechte Spezialvorschriften),2 enthält § 50d Abs. 3 EStG eine abschließende Regelung (echte Spezialvorschrift), so dass § 42 AO insoweit grundsätzlich keine Anwendung findet.3
III. Anwendung des § 42 AO 1. Unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht 19.154
Bei der Frage, ob ein Abkommensmissbrauch vorliegt oder nicht, findet, soweit spezielle Missbrauchsklauseln mit abschließender Wirkung nicht eingreifen, § 42 AO sowohl bei unbeschränkter als auch bei beschränkter Steuerpflicht gleichermaßen Anwendung. Weder dem § 42 AO noch den DBA lässt sich entnehmen, dass etwa von beschränkt Steuerpflichtigen verwirklichte Sachverhalte der Anwendung des § 42 AO von vornherein entzogen sind.4 Soweit es um die missbräuchliche Inanspruchnahme von Abkommensvergünstigungen geht, ergeben sich grundsätzlich auch keine Unterschiede in der Verwirklichung des Tatbestandes des § 42 AO. Anders verhält es sich dagegen im Zusammenhang mit der Anwendung des § 49 EStG. Wegen der bloß singulären Erfassung der Einkünfte im Rahmen des § 49 EStG ist hier der Bereich, innerhalb dessen missbräuchliche Gestaltungen angenommen werden können, eingeengt.5 2. Tatbestandsvoraussetzungen
19.155
Im außensteuerlichen Kontext hat die höchstrichterliche Rechtsprechung § 42 AO insbesondere im Zusammenhang mit ausländischen Basisgesellschaften (Rz. 13.23 ff.) dahingehend konkretisiert, dass die Zwischenschaltung dieser Basisgesellschaften in der Rechtsform der Kapitalgesellschaft im niedrig besteuernden Ausland dann den Tatbestand des Rechtsmissbrauchs erfüllt, wenn für ihre Einschaltung wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und wenn sie keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet, also eigenwirtschaftlich funk1 Hierzu Neumann in Gosch3, § 15 KStG Rz. 30. 2 So die Formulierung von Drüen in T/K, § 42 AO Rz. 20b. 3 BFH v. 29.1.2008 – I R 26/06, BStBl. II 2008, 978; v. 31.5.2005 – I R 74/04, I R 88/04, BStBl. II 2006, 118; noch offen gelassen von BFH v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819. Dies gilt auch nach der Neufassung des § 42 AO durch Gesetz v. 20.12.2007 (BGBl. I 2007, 3150), vgl. Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 30; Ferrara, ISR 2014, 296 (297); a.A. wohl BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171, Tz. 11. 4 BFH v. 29.10.1997 – I R 35/96, BStBl. II 1998, 235; v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819; v. 29.1.2008 – I R 26/06, BStBl. II 2008, 978; Drüen in T/K, § 42 AO Rz. 103. 5 Vgl. BFH v. 29.10.1981 – I R 89/80, BStBl. II 1982, 150; im Einzelnen Piltz, BB 1987, Beilage 14, 1 (6); Crezelius, DB 1984, 530 (534); Wassermeyer, DStJG 8 (1985), 49 (71); Rauer, DB 1983, 2276 ff.; Arndt, StuW 1990, 364 (367 f.).
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G. Steuerumgehung bei DBA
tionslos ist.1 Das ist allerdings zu verneinen, wenn eine Kapitalgesellschaft aus organisatorischen und haftungsrechtlichen Gründen innerhalb eines ansonsten wirtschaftlich aktiv tätigen Konzerns nicht nur vorübergehend zwischengeschaltet ist.2 Diese höchstrichterliche Tatbestandskonkretisierung findet als subsumtionsfähige Missbrauchsklausel ganz allgemein Anwendung bei der Wertung von Gestaltungen im zwischenstaatlichen Bereich. Dies gilt insbesondere für die Prüfung, ob bestimmte Gestaltungen einen Abkommensmissbrauch darstellen. Allerdings kann die missbräuchliche Inanspruchnahme von Abkommensvergünstigungen nicht nur durch Kapitalgesellschaften im niedrig besteuernden Ausland erreicht werden. Deshalb führt die höchstrichterlich formulierte Missbrauchsklausel im Ergebnis dazu, dass ein Abkommensmissbrauch immer dann vorliegt, wenn durch eine unangemessene und wirtschaftlich funktionslose, nur durch das Steuerersparnismotiv zu erklärende Gestaltung das deutsche Besteuerungsrecht eingeschränkt oder ausgeschlossen wird und hierdurch ein gesetzlich nicht vorgesehener Steuervorteil bewirkt wird. Die Rechtsfolgen eines Abkommensmissbrauchs ergeben sich unmittelbar aus § 42 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach der Steueranspruch so entsteht, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entstände. Dies kann dazu führen, dass das betreffende DBA entweder überhaupt nicht oder aber nur modifiziert zur Anwendung kommt.
19.156
Die als Treaty-Shopping gekennzeichneten Gestaltungen sind durchweg darauf gerichtet, durch Zwischenschaltung weiterer Steuersubjekte Abkommensvergünstigungen zu erlangen, die ohne deren Zwischenschaltung nicht erreichbar wären. In diesen Fällen sind die Voraussetzungen des § 42 AO nur dann erfüllt, wenn für die Zwischenschaltung dieser Steuersubjekte wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und diese zwischengeschalteten Steuersubjekte keine eigenen wirtschaftlichen Tätigkeiten entfalten. Wird in derartigen Fällen durch die Zwischenschaltung eine endgültige Steuerersparnis erreicht, ist den zwischengeschalteten Steuersubjekten als Rechtsfolge (§ 42 Abs. 1 Satz 3 AO) die Abkommensberechtigung zu versagen.3 § 50d Abs. 3 EStG, der auf die gleiche
19.157
1 BFH v. 29.1.1975 – I R 135/70, BStBl. II 1975, 553; v. 16.1.1976 – III R 92/74, BStBl. II 1976, 401; v. 7.2.1975 – VIII B 61/74, VIII B 62/74, VIII B 61-62/74, BStBl. II 1976, 608; v. 29.7. 1976 – VIII R 142/73, BStBl. II 1977, 263; v. 24.2.1976 – VIII R 155/71, BStBl. II 1977, 265; v. 9.12.1980 – VIII R 11/77, BStBl. II 1981, 339; v. 5.3.1986 – I R 201/82, BStBl. II 1986, 496; v. 21.10.1988 – III R 194/84, BStBl. II 1989, 216; v. 23.10.1991 – I R 40/89, BStBl. II 1992, 1026; v. 10.6.1992 – I R 105/89, BStBl. II 1992, 1029; v. 6.12.1995 – I R 40/95, BStBl. II 1997, 118; v. 27.8.1997 – I R 8/97, BStBl. II 1998, 163; v. 19.1.2000 – I R 94/97, BStBl. II 2001, 222; v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819; v. 20.3.2003 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50; v. 25.2.2004 – I R 42/02, BStBl. II 2005, 14; v. 17.11.2004 – I R 55/03, BFH/NV 2005, 1016; v. 31.5.2005 – I R 74/04, 88/04, BStBl. II 2006, 118; v. 29.1.2008, I R 26/06, BStBl. II 2008, 978; vgl. allerdings die Nichtanwendungserlasse des BMF v. 19.3.2001 – IV B - S 1300 - 65/01, BStBl. I 2001, 243; v. 28.12.2004 – IV B 4 - S 1300 - 362/04, BStBl. I 2005, 28; v. 30.1.2006, BStBl. I 2006, 166. 2 BFH v. 17.11.2004 – I R 55/03, BFH/NV 2005, 1016; v. 31.5.2005 – I R 74/04, 88/04 BStBl. II 2006, 118; Nichtanwendungserlass des BMF v. 30.1.2006 – IV B 1 - S 2411 - 4/06, BStBl. I 2006, 166. 3 Piltz, BB 1987, Beilage 14, 1 (13).
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
Rechtsfolge gerichtet ist, enthält insbesondere für den Fall der missbräuchlichen Inanspruchnahme einer abkommensrechtlich oder gem. § 43b EStG möglichen Quellensteuerreduktion, eine abschließende Konkretisierung des § 42 AO, so dass die Generalklausel des § 42 AO verdrängt wird.1 19.158
Beim Rule-Shopping geht es darum, durch bestimmte Sachverhaltsgestaltungen einen möglichst weitgehenden Abkommensschutz zu erreichen. Diese Fälle sind insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass etwa durch die Umwandlung von Tochtergesellschaften in Betriebsstätten eine Betriebsstättenfreistellung bewirkt wird, durch Gesellschafterfremdfinanzierung anstelle von Eigenkapitalfinanzierung quellensteuerfreie Zinsen und nicht quellensteuerpflichtige Dividenden erzielt werden und durch Zuordnung von Wertpapieren, Bankguthaben und Patenten zu einer Betriebsstätte die Betriebsstättenfreistellung von Dividenden, Zinsen und Lizenzen erlangt wird. Da derartige Gestaltungen regelmäßig auch eine wirtschaftliche Tragweite haben und sich damit nicht nur mit der Absicht, Steuern zu sparen, erklären lassen, ist eine Anwendung des § 42 AO in diesen Fällen regelmäßig ausgeschlossen. Insoweit gelten für die Beurteilung dieser Gestaltungen im zwischenstaatlichen Bereich keine anderen Grundsätze als im innerstaatlichen Recht.2
19.159
Da Doppelfreistellungen (doppelte Nichtbesteuerung) darauf beruhen, dass beide Vertragsstaaten zu dem Ergebnis gelangen, nur der jeweils andere Staat habe das Besteuerungsrecht für bestimmte Einkünfte (negativer Qualifikationskonflikt), kann bei entsprechenden Sachverhaltsgestaltungen ein Abkommensmissbrauch durchweg nicht angenommen werden. Die Doppelfreistellung ist nämlich nicht die Folge davon, dass der Steuerpflichtige eine Divergenz zwischen Abkommenszweck und Abkommenswortlaut ausnutzt, sondern nur das Ergebnis einer divergierenden Auslegung von Abkommensvorschriften: Beide Staaten legen die Verteilungsnormen der Abkommen in Übereinstimmung mit der aus ihrer jeweiligen Sicht zutreffenden Verteilungswertung aus.
IV. Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG Literatur Kommentare zu § 50d Abs. 3 EStG; Altrichter, Gefährdung der Entlastung von der Kapitalertragsteuer bei Zwischenschaltung einer Auslands-Holding, GmbHR 2007, 579; Beußer, Der neue § 50d Abs. 3 EStG bei Nutzungsveräußerungen, IStR 2007, 416; Bron, Die Europarechtswidrigkeit des § 50d Abs. 3 EStG unter Berücksichtigung von Missbrauchsvorbehalten im Gemeinschaftsrecht, DB 2007, 1273; Brunsbach/Mock, Sachliche Entlastungsberechtigung des § 50d Abs. 3 EStG für Dividendenausschüttungen aus Deutschland in Theorie und Praxis, IStR 2013, 653; Dorfmueller/Fischer, Die geplante Neufassung der Anti-Treaty-Shopping-Regelung des § 50d Abs. 3 EStG durch das BeitrRLUmsG, IStR 2011, 857; Engers/Dyckmans, Die Neuregelung des § 50d Abs. 3 EStG durch das BeitrRLUmsG, Ubg 2011, 929; Flick, Deutsche Aktivitäten von Ausländern über ausländische Zwischengesellschaften und die Missbrauchsgesetzgebung des § 50d Abs. 1a EStG, IStR 1994, 223; Gosch, Missbrauchsabwehr im Internationalen Steuerrecht, DStJG 36 (2013), 210; Gosch, 1 Drüen in T/K, Vor § 42 AO Rz. 13; Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 30; Gosch in FS Reiß, 597 (604, 618). 2 Hierzu im Einzelnen Piltz, BB 1987, Beilage 14, 1 (14 f.).
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G. Steuerumgehung bei DBA Die Zwischengesellschaft nach „Hilversum I und II“, „Cadbury Schweppes“ und den Jahressteuergesetzen 2007 und 2008, in Kirchhof/Nieskens (Hrsg.), FS für Reiß, Köln 2008, 597; Günkel/Lieber, Ausgewählte Zweifelsfragen im Zusammenhang mit der verschärften Holdingregelung in § 50d Abs. 3 i.d.F. des EStG 2007, Ubg. 2008, 393; Haase, Die „ausländische Gesellschaft“ i.S. des § 50d Abs. 3 EStG, IStR 2014, 329; Kempf/Meyer, Der neu gefasste § 50d Abs. 3 EStG in der Praxis, DStZ 2007, 584; Kessler/Eicke, Ausschluss der Kapitalertragsteuererstattung gemäß § 50d Abs. 1a EStG 1990 für „Briefkasten“-Gesellschaften, IStR 2008, 366; Kraft, Auslegungs- und Anwendungsprobleme der speziellen Missbrauchsklausel des § 50d Abs. 1a EStG, IStR 1994, 370; Lüdicke, Zum BMF-Schreiben vom 24.1. 2012: Entlastungsberechtigung ausländischer Gesellschaften (§ 50d Abs. 3 EStG), IStR 2012, 148; Lüdicke, Der missratene § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG, IStR 2012, 81; Lüdicke, Entlastungsberechtigung ausländischer Gesellschaften (§ 50d Abs. 3 EStG) bei mehrstufigen Beteiligungsstrukturen, IStR 2007, 556; Micker, Anwendungsprobleme des Anti-Treaty-Shopping nach § 50d Abs. 3 EStG, FR 2009, 409; Mössner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung – Vorzüge, Nachteile, aktuelle Probleme, DStJG 8 (1985), 135; Musil, § 50d Abs. 3 EStG – eine unendliche Geschichte?, FR 2012, 149; Neyer, Die Missbrauchsklausel des § 50d Abs. 1a EStG und ihre Anwendung auf Veräußerungsgewinne, IStR 1996, 120; Perwein, Die Geschäftsleitende Holding im Sinne § 50d Abs. 3 EStG, ISR 2014, 231; Piltz, Wirtschaftliche und sonst beachtliche Gründe in § 50d Abs. 3 EStG, IStR 2007, 793; Rudolf, Treaty Shopping und Gestaltungsmissbrauch, Köln 2012; Schönfeld, Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG i.d.F. des JStG 2007, FR 2007, 506; Schnitger/Gebhardt, Zweifelsfragen im Zusammenhang mit der Auslegung der sachlichen Entlastungsberechtigung gem. § 50d Abs. 3 EStG, ISR 2013, 202; Stark/Jasper, Methodische Überlegungen zu aktuellen Anwendungsproblemen des § 50d Abs. 3 EStG und einer systemgerechten Neuregelung, IStR 2013, 169; Wagner/Fischer, Anti-Treaty-/Anti-Directive-Shopping als Hintergrund von § 50d Abs. 1a EStG aF, FR 2008, 674; Wassermeyer, Die Missbrauchsvorschriften des deutschen Gesetzgebers auf dem Gebiet des internationalen Steuerrechts, SWI 1995, 139; Wiese, Entlastung ausländischer Gesellschaften von deutscher Quellensteuer, GmbHR 2012, 376.
1. Einführung § 50d Abs. 3 EStG1 ist eine insbesondere gegen das Treaty-Shopping (Rz. 19.127) gerichtete Vorschrift, die als Sondervorschrift zur Bekämpfung der internationalen Steuerumgehung eine abschließende Konkretisierung des § 42 AO ist und somit diese Generalklausel verdrängt (Rz. 19.153). § 50d Abs. 3 EStG erleichtert den normativen Zugriff für bestimmte Fälle des Treaty-Shopping und des vergleichbaren Directive-Shopping:2 Durch insbesondere wirtschaftliche nicht begründete Zwischenschaltung nicht aktiv tätiger ausländischer Gesellschaften sollen die unilaterale Entlastung von Quellensteuern gem. den §§ 43b; 50a; 50g EStG sowie die bilateralen Steuerentlastungen nach den DBA nicht in Anspruch genommen werden dürfen, wenn den an der ausländischen Gesellschaft beteilig-
1 Zuletzt geändert durch das BeitrRLUmsG v. 7.12.2011, BGBl. 2011, 2592; vgl. hierzu Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 29g ff.; Brunsbach/Mock, IStR 2013, 653; Dorfmueller/Fischer, IStR 2011, 857; Engers/Dyckmans, Ubg 2011, 929; Lüdicke, IStR 2012, 81; Musil, FR 2012, 149; Schnitger/Gebhardt, ISR 2013, 202; Stark/Jasper, IStR 2013, 169; Wiese, GmbHR 2012, 376. Synoptische Übersicht zur bisherigen Regelung bei Engers/Dyckmans, Ubg 2011 929 (930). 2 Erschleichen von Vorteilen der Mutter/Tochter-Richtlinie sowie der Zins- und LizenzRichtlinie.
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19.160
Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
ten Personen bei unmittelbarer Einkünfteerzielung diese Steuerentlastungen nicht zuständen. 19.161
§ 50d Abs. 3 EStG hat zwar eine nur begrenzte Reichweite,1 und ist im Hinblick darauf, dass die Mutter-/Tochter-Richtlinie (Rz. 3.70 ff.) und die Zins- und LizenzRichtlinie (Rz. 3.74 ff.) keine eigenständigen Missbrauchsregelungen enthalten, sondern zwecks Verhinderung von Steuerhinterziehungen und Missbräuchen auf das jeweilige nationale Recht der Mitgliedstaaten verweisen, richtlinienkonform.2 Andererseits geht diese Vorschrift aber über die durch die höchstrichterliche Rechtsprechung gezogenen Anwendungsgrenzen des § 42 AO hinaus, wodurch ein Verstoß gegen die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten (Rz. 4.16 ff.) verbunden sein kann. Soweit nämlich durch Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG im Unterschied zu § 42 AO für grenzüberschreitende Gestaltungen eine pauschalierende Missbrauchsvermutung normiert ist, muss die Möglichkeit eingeräumt werden, den Gegenbeweis (Motivtest) anzutreten,3 was auf eine entsprechende Anwendung des § 8 Abs. 2 AStG (Rz. 13.140 ff.) hinausläuft.4 Im Ergebnis ist damit § 50d Abs. 3 EStG im EU/EWR-Bereich nur auf rein künstliche Konstruktionen anwendbar. Insbesondere aufgrund der unionsrechtlichen Bedenken gegen die starre Mindestgrenze von 10 % „aktiver“ Bruttoerträge in § 50d Abs. 3 EStG a.F.5 wurde – mutmaßlich in Abstimmung mit der EU-Kommission6 – § 50d Abs. 3 EStG durch das BeitrRLUmsG v. 7.12. 20117 geändert.8 Es verbleiben aber unionsrechtliche Bedenken,9 insbesondere wirkt § 50d Abs. 3 EStG weiterhin (teilweise) als pauschalierende Missbrauchsvermutung ohne (echte) Möglichkeit eines entlastenden Gegenbeweises.10
19.162
Als unilaterale Treaty-Shopping-Klausel wird § 50d Abs. 3 EStG nicht von speziellen bilateralen Treaty-Shopping-Klauseln der DBA verdrängt, weil § 50d Abs. 3 EStG hinreichend deutlich den Vorrang vor Abkommensrecht anordnet und somit treaty overriding-Wirkung erzeugt.11 1 Sie ist keine allgemeine „Anti-Treaty-Shopping-Vorschrift“; vgl. Lüdicke in Piltz/ Schaumburg (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung im Internationalen Steuerrecht, 102 (109). 2 BFH v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819. 3 So z.B. der EuGH v. 12.9.2006 – Rs. C-196/04 – Cadbury-Schweppes, Slg. 2006 I-7995 zur englischen CFC-legislation. 4 Im Ergebnis ebenso Schönfeld in F/W/B/S, § 50d Abs. 3 EStG Rz. 21 ff.; Loschelder in Schmidt35, § 50d EStG Rz. 50; Gosch in FS Reiß, 597 (615 ff.); Kessler/Eicke, IStR 2008, 366 (367); Wagner/Fischer, FR 2008, 674 (677); ferner wohl auch; a.A. BFH v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819 zu § 50d Abs. 1a EStG; anders wiederum zu § 20 Abs. 2 AStG BFH v. 21.10.2009 – I R 114/08, IStR 2010, 149. 5 Zur Kritik s. die 3. Auflage, Rz. 16.166. 6 Vgl. Enger/Dyckmans, Ubg 2011, 929. 7 BGBl. 2011, 2592. Synoptische Übersicht zur bisherigen Regelung bei Engers/Dyckmans, Ubg 2011, 929 (930). 8 Zur den Änderungen ausf. Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 29g ff.; Engers/Dyckmans, Ubg 2011, 929; Dorfmueller/Fischer, IStR 2011, 857; Lüdicke, IStR 2012, 81; Musil, FR 2012, 149. 9 Vgl. Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 29l; Rudolf, Treaty Shopping und Gestaltungsmissbrauch, 496 ff. 10 Vgl. stv. Loschelder in Schmidt35, § 50d EStG Rz. 50. 11 BFH v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819; a.A. Klein/Hagena in H/H/R, § 50d EStG Rz. 74; Strunk in Korn, § 50d EStG Rz. 28.
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G. Steuerumgehung bei DBA
2. Anwendungsvoraussetzungen § 50d Abs. 3 EStG richtet sich gegen den Missbrauch durch eine ausländische Gesellschaft, und versagt eine Erstattung bzw. Freistellung nach § 50d Abs. 1 und Abs. 2 soweit
19.163
– Personen an ihr beteiligt sind, denen die Steuerentlastung (Erstattung oder Freistellung) nicht zustände, wenn sie die Einkünfte unmittelbar erzielten, und – die von der ausländischen Gesellschaft im betreffenden Wirtschaftsjahr erzielten Bruttoerträge nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen, sowie – in Bezug auf diese Erträge für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen oder – sie nicht mit einem für ihren Geschäftszweck angemessenen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt. Da die vorstehende Missbrauchsregelung insbesondere gegen die in den §§ 43b Abs. 1; 50g Abs. 1 EStG und den DBA verankerten Steuerentlastungen gerichtet ist, werden hierdurch zum einen EU-Kapitalgesellschaften1 und zum anderen abkommensberechtigte Gesellschaften2 erfasst. Die Missbrauchsregelung setzt weiterhin voraus, dass an der ausländischen Gesellschaft3 Personen beteiligt sind, denen die Steuerentlastung bei unmittelbarem Bezug der Einkünfte nicht zustände. Bei diesen Personen kann es sich sowohl um natürliche als auch um juristische Personen handeln. Ob diese Personen im Inland oder im Ausland ansässig sind,4 spielt keine Rolle. Damit werden von der Reichweite des § 50d Abs. 3 EStG auch sog. Mäander-Strukturen erfasst, in denen etwa eine inländische Kapitalgesellschaft Anteile an anderen inländischen Kapitalgesellschaften über eine ausländische Zwischenholding hält.5 Abzustellen ist nur auf die unmittelbar an der ausländischen Gesellschaft beteiligten Personen.6 Hierfür trägt 1 Anlage 2 zu § 43b EStG.; Anlage 3 zu § 50g EStG. 2 Nach Art. 3 Abs. 1a und b OECD-MA in erster Linie Kapitalgesellschaften und ggf. auch Personengesellschaften; vgl. hierzu die Abkommensübersicht bei Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 23. 3 Ausländische Gesellschaften sind solche, die weder Sitz noch Ort der Geschäftsleitung im Inland haben oder im Falle der Doppelansässigkeit als im anderen DBA-Vertragsstaat ansässig gelten; BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171, Tz. 3. Zur Auslegung durch das BZSt Haase, IStR 2014, 329. 4 Im Sinne unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht. 5 Loschelder in Schmidt35, § 50d EStG Rz. 47; Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 28; Schönfeld in F/W/B/S, § 50d Abs. 3 EStG Rz. 82; Lüdicke in Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung im Internationalen Steuerrecht, 102 (107), wonach als Personen nur Steuerausländer erfasst sein sollen; für Steuerinländer käme hiernach § 42 AO in Betracht. 6 BFH v. 20.3.2002 – I R 38/00, BStBl. II 2002, 819 (allerdings missverständlich); Loschelder in Schmidt35, § 50d EStG Rz. 47; Frotscher/Geurts in Frotscher/Geurts, § 50d EStG Rz. 11c; Mössner in Fischer (Hrsg.), Besteuerung wirtschaftlicher Aktivitäten von Ausländern in Deutschland, 85 (102); Flick, IStR 1994, 223 (224); Wassermeyer, SWI 1995, 139 (144); dagegen auch für eine mittelbare Beteiligung; Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 28b; Wagner in Blümich, § 50d EStG Rz. 68; Hahn-Joecks in K/S/M, § 50d EStG Rz E6; BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171, Tz. 4.2 f.; Kraft, IStR 1994, 370 (376); Lüdicke in Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung im Internationalen Steuerrecht, 102 (108); in diesem Sinne auch § 2 SteuerHBekV.
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19.164
Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
die ausländische Gesellschaft die objektive Beweislast (Feststellungslast),1 die in den Fällen, in denen die ausländische Gesellschaft in einer nicht kooperativen Jurisdiktion ansässig ist, durch § 2 SteuerHBekV eine Verschärfung dahingehend erfährt, dass die Steuerentlastung soweit auch die übrigen Voraussetzungen vorliegen, nur gewährt wird, wenn Namen und die Ansässigkeit der Gesellschafter genannt werden, die zu mehr als 10 % unmittelbar oder mittelbar beteiligt sind.2 Auf dieser ersten Stufe der gem. § 50d Abs. 3 EStG gebotenen Missbrauchsprüfung kommt es im Wesentlichen darauf an, ob der Gesellschafter der ausländischen Gesellschaft bei unmittelbarem Bezug der Einkünfte die Steuerentlastung der §§ 43b; 50g EStG bzw. der DBA beanspruchen könnte. Dies ist für jede an der ausländischen Gesellschaft beteiligte Person gesondert zu prüfen.3 Während die Kapitalertragsteuerbefreiung gem. den §§ 43b; 50g Abs. 1 EStG nur EU-Kapitalgesellschaften4 beanspruchen können, ergibt sich für die Inanspruchnahme abkommensrechtlicher Steuerentlastungen keine Einschränkung: Im Ausgangspunkt sind anspruchsberechtigt alle abkommensberechtigten Gesellschaften. Zu den abkommensrechtlichen Steuerentlastungen zählen allerdings nur solche, die sich auf den Steuerabzug vom Kapitalertrag oder den Steuerabzug gem. § 50a EStG beziehen.5 19.165
Die Rechtsfolge des § 50d Abs. 3 EStG tritt nur dann ein, wenn neben der fehlenden Steuerentlastung bei unmittelbarem Bezug der Einkünfte durch die Gesellschafter der ausländischen Gesellschaft zudem die im betreffenden Wirtschaftsjahr erzielten Bruttoerträge nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen. Damit wird eine aktive Wirtschaftstätigkeit verlangt, die über die bloße Vermögensverwaltung hinausgeht. Im Hinblick darauf ist die Verwaltung eigenen Vermögens, etwa die bloße Holdingtätigkeit, ebenso schädlich wie die Auslagerung (Outsourcing) von wesentlichen Geschäftstätigkeiten6 (§ 50d Abs. 3 Satz 3 EStG).7
19.166
Fehlt es sowohl an der Entlastungsberechtigung bei unmittelbarem Bezug der Erträge durch die Gesellschafter (Rz. 19.164) als auch an Bruttoerträgen aus aktiver Wirtschaftstätigkeit (Rz. 19.165) ist die Steuerentlastung dennoch nur zu versagen, wenn sowohl in Bezug auf diese Erträge für die Einschaltung der ausländischen Gesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen (§ 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG) als auch die ausländische Gesellschaft nicht mit einem 1 § 90 Abs. 2 AO, § 76 Abs. 1 FGO; Loschelder in Schmidt35, § 50d EStG Rz. 47; Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 28; Flick, IStR 1994, 223 (225); a.A. Lüdicke in Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung im Internationalen Steuerrecht, 102 (114). 2 Diese Regelung läuft leer, solange das BMF keine Staaten auf die „schwarze Liste“ setzt; vgl. BMF v. 5.1.2010 – IV B 2 - S 1315/08/10001-09 – DOK 2009/0816912, BStBl. I 2010, 19; zu rechtstaatlichen Bedenken der SteuerHBekV Seer in T/K, § 90 AO Rz. 30 ff. 3 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171, Tz. 4.1. 4 Anlage 2 zu § 43b EStG und Anlage 3 zu § 50g EStG. 5 Lüdicke in Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung im Internationalen Steuerrecht, 102 (108 ff.); Kraft, IStR 1994, 370 (375). 6 Die Auslagerung von Hilfsfunktionen ist unschädlich; Schönfeld in F/W/B/S, § 50d Abs. 3 EStG Rz. 184. 7 Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 29; BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171, Tz. 5.
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G. Steuerumgehung bei DBA
für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt (§ 50d Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Die Frage nach den wirtschaftlichen oder sonst beachtlichen Gründen der Einschaltung der ausländischen Gesellschaft beantwortet sich grds. nach den Kriterien, die die höchstrichterliche Rechtsprechung auf der Grundlage der allgemeinen Missbrauchsregel des § 42 AO für die Beurteilung ausländischer Basisgesellschaften bei deutscher Beteiligung entwickelt hat.1 Die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr mit einem für ihren Geschäftszweck angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert eine substantielle Geschäftsausstattung, etwa qualifiziertes Personal, Geschäftsräume und technische Kommunikationsmittel.2 Die vorgenannten Aktivitätskriterien beziehen sich ausschließlich auf die betreffende ausländische Gesellschaft selbst (§ 50d Abs. 3 Satz 2 EStG), so dass insbesondere Aktivitätsmerkmale konzernverbundener Unternehmen außer Betracht bleiben.3 Für die in § 50d Abs. 3 Satz 1 bis 3 EStG aufgeführten (Aktivitäts-)Kriterien trägt die die Steuerentlastung begehrende ausländische Kapitalgesellschaft im Rahmen ihrer Mitwirkungspflichten (§ 90 Abs. 2 AO) die Feststellungslast (§ 50d Abs. 3 Satz 4 EStG).4 Diese Mitwirkungspflichten scheitern indessen insbesondere bei börsennotierten Unternehmen zumeist an anfänglicher Unmöglichkeit. Im Hinblick darauf suspendiert die in § 50d Abs. 3 Satz 5 EStG verankerte Börsenklausel § 50d Abs. 3 Satz 1 bis 3 EStG. Entsprechendes gilt für ausländische Gesellschaften, für die das InvStG zur Anwendung kommt.
19.167
3. Rechtsfolgen Soweit die Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen, sind die Steuerentlastungen für kapitalertragsteuerpflichtige und gem. § 50a EStG quellensteuerpflichtige Einkünfte zu versagen. Nach dem Gesetzeswortlaut könnte es zur Versagung von Entlastungen kommen, die ohne Zwischenschaltung der ausländischen Gesellschaft zu gewähren gewesen wären.5 Diese Rechtsfolge geht indessen über den Sinn und Zweck der besonderen Missbrauchsklausel hinaus. Hiernach soll nämlich diejenige Besteuerung eingreifen, die ohne Zwischenschaltung der ausländischen Gesellschaft bestände. Im Hinblick darauf ist eine teleologische Reduktion auf das zur Missbrauchsbekämpfung erforderliche Maß geboten. Im Ergebnis entspricht damit die Rechtsfolge derjenigen des § 42 Abs. 1 Satz 3 AO. Damit sind jedenfalls stets diejenigen Steuerentlastungen zu gewähren, die bei unmittelbarem Bezug der Einkünfte durch den Gesellschafter der ausländischen
1 Hierzu 19.155; zum Positiv- und Negativkatalog wirtschaftlicher oder sonst beachtlicher Gründe Flick, IStR 1994, 223 (224); s. auch BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171, Tz. 6. 2 BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171, Tz. 7; einschränkend Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 29. 3 Gegen BFH v. 31.5.2005 – I R 74/04 I R 88/04, BStBl. II 2006, 118. 4 Loschelder in Schmidt35, § 50d EStG Rz. 49. 5 Vgl. Loschelder in Schmidt35, § 50d EStG Rz. 48.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
Gesellschaft nach Maßgabe des für ihn in Betracht kommenden DBA in Anspruch genommen werden könnten.1
H. Persönlicher Geltungsbereich Literatur Kommentare zu Art. 1 OECD-MA; von Beckerath, Der Durchgriff im deutschen Außensteuerrecht, Berlin 1978, 108; Demleitner, Die Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen bei Dreieckssachverhalten im Zusammenhang mit Personengesellschaften und Betriebsstätten, ISR 2013, 131; Diehl, Qualifikationskonflikte im Außensteuerrecht, FR 1978, 517; Ebling, Anerkennung der steuerlichen Rechtsfähigkeit ausländischer Unternehmungen, CDFI LXIIIa (1988), 227; Firlinger, Die abkommensrechtliche Ansässigkeit und die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, in Gassner/Lang/Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, Wien 1995, 307; Göschl/Kovar/ Wahrlich, Dreiecksverhältnisse im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, in FS für Loukota, Wien 2005, 111 ff.; Großmann, Doppelt ansässige Kapitalgesellschaften im Internationalen Steuerrecht, München 1995; Gündisch, Personengesellschaften im DBA-Recht, München 2004; Haas, Qualifikationskonflikte ausländischer Mitunternehmerschaften, BB 1978, 1253; Hannes, Qualifikationskonflikte im Internationalen Steuerrecht, Hamburg 1992; Hansen, Einkünfte aus Personengesellschafterbeteiligungen im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Baden-Baden 2009; Helde, Dreiecksverhältnisse im Internationalen Steuerrecht unter Beteiligung einer Betriebsstätte, Köln 2000; Hock, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, RIW 1995, 135; Jacob/Hagena, Die inländische gewerbliche Personengesellschaft: ansässige Person mit Abkommensschutz?, IStR 2013, 485; Jann/Toifl, EuGH-Entscheidung zur Behaltefrist nach der Mutter/Tochter-Richtlinie, SWI 1999, 483; Kluge, Die Anerkennung ausländischer Gesellschaften im deutschen Steuerrecht, DStR 1976, 365; Lampert, Doppelbesteuerungsrecht und Lastengleichheit, Baden-Baden 2010; Lang, Steuerlich transparente Rechtsträger und Abkommensberechtigung, IStR 2011, 1; Lang, Qualifikationskonflikte bei Personengesellschaften, IStR 2000, 130; Lang/ Lüdicke/Riedweg, Steueranrechnung und Betriebsstättendiskriminierungsverbot der DBA bei Dreiecksverhältnissen, IStR 2006, 73; Le Gall, Internationale Einkommensteuerprobleme bei Personengesellschaft, CDFI LXXXa (1995), 709; Lethaus, Steuerliche Probleme der internationalen Personengesellschaft, Hamburg 1990; Lethaus, Wege zur Abkommensberechtigung der Personengesellschaft, in Kley/Sünner/Willemsen (Hrsg.), FS für Ritter, Köln 1997, 427; Lüdicke, Beteiligung an ausländischen intransparent besteuerten Personengesellschaften, IStR 2011, 91; Manke, Personengesellschaften und DBA, Abkommensberechtigung und Abkommensschutz, DStJG 8 (1985), 195; Phillip, Personengesellschaften und Arbeitsgemeinschaften im Internationalen Steuerrecht, CDFI LVIIIb (1973), I 1; Pott, Die Kollision unterschiedlicher Formen der Gesellschaftsbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, Köln 1982; Riemenschneider, Abkommensberechtigung von Personengesellschaften und abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte aus Beteiligungen inländischer Gesellschafter an ausländischen Personengesellschaften, Frankfurt 1995; Shannon, Die DBA der USA, München 1987; Sutter/Zehetner, Triangular Tax Cases, Wien 2004; Wassermeyer, Die abkommensrechtliche Behandlung von Einkünften einer in einem Vertragsstaat ansässigen Personengesellschaft, IStR 2011, 85; Wassermeyer, Dreiecksverhältnisse im Abkommensrecht, SWI 1999, 520; Wassermeyer/Richter/Schnittker, 1 Vgl. BMF v. 24.1.2012 – IV B 3 - S 2411/07/10016 – DOK 2011/1032913, BStBl. I 2012, 171, Tz. 12 mit Beispiel; Schönfeld in F/W/B/S, § 50d Abs. 3 EStG Rz. 73; Loschelder in Schmidt35, § 50d EStG Rz. 48; Klein in H/H/R, § 50d EStG Rz. 61; Neyer, IStR 1996, 120 f.; Lüdicke in Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung im Internationalen Steuerrecht, 102 (112 f.); Krabbe, IStR 1995, 382 (383) zu Frage 7; Wolff in Piltz/ Schaumburg (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung im Internationalen Steuerrecht, 205.
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H. Persönlicher Geltungsbereich Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2. Aufl., Köln 2016; Weggenmann, Personengesellschaften im Lichte der Doppelbesteuerungsabkommen, Bonn 2005.
I. Anknüpfungsgrundsätze Völkerrechtliche Verträge wirken grundsätzlich nur inter partes, so dass deren Rechte und Pflichten lediglich die Vertragsstaaten als Völkerrechtssubjekte treffen. Derartige völkerrechtliche Verträge können auch zugunsten Dritter, also zugunsten außenstehender Völkerrechtssubjekte, abgeschlossen werden.1 Völkerrechtliche Verträge können aber auch begünstigende oder gegebenenfalls belastende Reflexwirkungen für dritte Staaten zur Folge haben.2 In aller Regel sind völkerrechtliche Verträge aber nicht so ausgestaltet, dass dem einzelnen Bürger hieraus unmittelbar Rechte und Pflichten erwachsen. Anders ist dies nur in den Fällen, in denen die in den völkerrechtlichen Verträgen getroffenen Vereinbarungen dem einzelnen Bürger unmittelbar Rechte und Pflichten einräumen wollen, also Self-executing-Wirkung3 haben. Zu diesen völkerrechtlichen Verträgen zählen die DBA.4 Sie enthalten nicht bloß Ermächtigungen, sondern sind auf unmittelbare Anwendung angelegt. Daher können Steuerpflichtige die gegen die innerstaatlichen Steueransprüche gerichteten Schrankenwirkungen der DBA unmittelbar für sich selbst in Anspruch nehmen. Wer zu den derart Berechtigten zählt, ergibt sich nicht aus innerstaatlichem Recht, sondern aus den DBA (Art. 1 OECD-MA). Darüber hinaus regeln die DBA aber auch, unter welchen Voraussetzungen die Abkommensberechtigung tatsächlich in Anspruch genommen werden darf. Einschränkungen der Abkommensberechtigung können sich in Missbrauchsfällen allerdings auch aus dem nationalen Recht ergeben.5
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Für die Abkommensberechtigung stellen die DBA (Art. 1 OECD-MA) darauf ab, ob eine Person in einem Vertragsstaat oder in beiden Vertragsstaaten ansässig ist. Mit dieser Anknüpfung unterfallen dem Abkommensschutz lediglich solche Personen, die wenigstens zu einem der beiden Vertragsstaaten eine besondere persönliche Bindung aufweisen. Werden diese Merkmale – Person (Art. 3 Abs. 1a OECD-MA) und Ansässigkeit (Art. 4 OECD-MA) – nicht erfüllt, versagt der Abkommensschutz mit der Folge, dass insoweit eine Doppelbesteuerung bilateral nicht vermieden werden kann.
19.170
Der Kreis derjenigen, die als Personen im Sinne des Abkommens als Abkommenssubjekte6 und damit als Träger von Rechten und Pflichten in Betracht kommen, ist im Abkommen weit gezogen. Neben den natürlichen Personen fallen auch Gesellschaften, das heißt juristische Personen oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden, sowie alle anderen Personenvereinigungen in diesen Schutzkreis (Art. 3 Abs. 1a und b OECD-MA).
19.171
1 Heintschel von Heinegg in Ipsen, Völkerrecht6, § 13 Rz. 23 ff.; Stein/von Buttlar/Kutzor, Völkerrecht14, Rz. 114 ff.; dort auch zu völkerrechtlichen Verträgen zu Lasten Dritter. 2 Stein/von Buttlar/Kutzor, Völkerrecht14, Rz. 118 ff. 3 Hierzu Stein/von Buttlar/Kutzor, Völkerrecht14, 185 ff. 4 Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 56; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 24; Pott, Die Kollision unterschiedlicher Formen der Gesellschaftsbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, 83 f. 5 Z.B. § 42 AO, § 50d Abs. 3 EStG; hierzu Rz. 19.160 ff. 6 Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 5.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
Dieser Schutzkreis verengt sich allerdings dadurch, dass nur solche Personen unter den Abkommensschutz fallen, die in wenigstens einem der beiden Vertragsstaaten ansässig sind. Hierzu gehören jene Personen, die in einem oder in beiden Vertragsstaaten nach dortigem Recht aufgrund ihres Wohnsitzes, ihres ständigen Aufenthaltes, des Orts der Geschäftsleitung oder eines anderen ähnlichen Merkmals steuerpflichtig sind. 19.172
Im Gegensatz zu Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt spielt die Staatsangehörigkeit international für die Abkommensberechtigung einer Person grundsätzlich keine Rolle.1 Die Anknüpfung der Abkommensberechtigung an Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt erfordert indessen modifizierende Regelungen für den Fall, dass ein Vertragsstaat die unbeschränkte Steuerpflicht auch an die Staatsangehörigkeit anknüpft. So haben sich etwa die USA aufgrund der sog. Saving-Clause (Art. 1 Abs. 4, 5 DBA-USA) das Recht vorbehalten, ihre eigenen Staatsangehörigen grundsätzlich ohne Rücksicht auf die Schrankenwirkungen eines Abkommens zu besteuern.2 Damit diese Saving-Clause die Vermeidung der Doppelbesteuerung nicht zu Fall bringt, ergeben sich notwendige Erweiterungen hinsichtlich der Vermeidungsnormen mit der Folge, dass nicht nur abkommensberechtigte Personen, sondern auch amerikanische Staatsangehörige die Anwendung der Vermeidungsnormen für sich in Anspruch nehmen können.3
19.173
Wegen der vorstehenden Anknüpfung beurteilt sich letztlich die Ansässigkeit einer Person auf Abkommensebene nach dem jeweiligen innerstaatlichen Steuerrecht, und zwar nach dem Recht desjenigen Staates, der im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht die Besteuerung des Welteinkommens (Weltvermögens), gegen die die Schrankenwirkungen des Abkommens gerichtet sind, für sich beansprucht. Im Hinblick darauf entsprechen die Anknüpfungsmerkmale für die Ansässigkeit auf Abkommensebene denen der unbeschränkten Steuerpflicht nach innerstaatlichem Steuerrecht.
19.174
Der Begriff der Ansässigkeit (Art. 4 OECD-MA) hat nicht nur Bedeutung für die Abkommensberechtigung einer Person, er dient auch als Anknüpfungspunkt für die Besteuerung im Wohnsitzstaat in Abgrenzung gegen die Besteuerung im Quellenstaat. Nach der Grundkonzeption der DBA wenden sich deren Schrankenwirkungen zum einen gegen den Quellenstaat und zum anderen gegen den Wohnsitzstaat. Die den Quellenstaat betreffenden Abkommensvorschriften führen zu einer Umgrenzung der Quellenstaatsbesteuerung, wonach entweder die Besteuerung im Quellenstaat voll aufrechterhalten bleibt,4 den Besteuerungsgrundlagen5 oder der Steuerhöhe nach eingeschränkt6 oder aber gänzlich aufgeho1 Art. 4 Abs. 1 OECD-MA enthält nur ortsbezogene Anknüpfungsmerkmale. 2 Zu dieser Saving-Klausel im Einzelnen Shannon, Die DBA der USA, 79 ff.; Schnitger in Endres/Jacob/Gohr/Klein, Art. 1 DBA-USA Rz. 22 ff.; Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 60, 77 ff. 3 Hierzu im Einzelnen Schnitger in Endres/Jacob/Gohr/Klein, Art. 23 DBA-USA Rz. 113 ff. 4 So das für die Besteuerung unbeweglichen Vermögens geltende Belegenheitsprinzip (Art. 6 Abs. 1 OECD-MA). 5 So das für Unternehmensgewinne geltende Betriebsstättenprinzip (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA). 6 Vgl. etwa die Steuersatzbegrenzung für auf Dividenden und Zinsen erhobene Quellensteuern (Art. 10 Abs. 2, 11 Abs. 2 OECD-MA).
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H. Persönlicher Geltungsbereich
ben1 wird. Die den Wohnsitzstaat betreffenden Vorschriften regeln sodann, auf welche Weise der Wohnsitzstaat die (verbleibende) Doppelbesteuerung auszugleichen hat.2 Der Begriff der Ansässigkeit ist schließlich noch von Bedeutung für die Regelung derjenigen Fälle, in denen sich eine Doppelbesteuerung daraus ergibt, dass zwei Wohnsitze vorhanden sind.3 Da für die Ansässigkeit auf Abkommensebene die unbeschränkte Steuerpflicht auf der Ebene des innerstaatlichen Rechts maßgeblich ist, spielt die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit einer Person im Ergebnis keine Rolle. Von Bedeutung ist allein, ob die Person wenigstens in einem der beiden Vertragsstaaten als eigenständiges Steuersubjekt unbeschränkt steuerpflichtig ist.4 Im Hinblick auf die für die Ansässigkeit maßgeblichen ortsbezogenen Merkmale der unbeschränkten Steuerpflicht, wird zwar auch die erweiterte unbeschränkte Steuerpflicht (§ 1 Abs. 2 EStG; hierzu Rz. 6.37 ff.), nicht aber die fiktive unbeschränkte Steuerpflicht (§ 1 Abs. 3 EStG; hierzu Rz. 6.40 ff.) erfasst.5 Aus der Anknüpfung an die Steuersubjekteigenschaft6 folgt, dass etwa Betriebsstätten und Personengesellschaften, soweit diesen nach innerstaatlichem Recht keiner der beiden Vertragsstaaten Steuersubjekteigenschaft zukommt, grundsätzlich nicht abkommensberechtigt sind. Das kann insbesondere in sog. Dreiecksfällen, also dann, wenn die Betriebsstätte oder die Personengesellschaft Einkünfte aus Drittländern bezieht, zu einer nicht behebbaren Doppelbesteuerung führen (Rz. 19.182 f.). Die Steuersubjekteigenschaft kann zwar zwischenstaatlich auseinander fallen, das führt aber nicht automatisch dazu, dass ein Abkommensschutz nur aus der Sicht eines Vertragsstaates gewährt wird.7 Daher können etwa Personengesellschaften für sich oder ihre Gesellschafter Abkommensschutz auch dann beanspruchen, wenn sie nur in einem der beiden Vertragsstaaten als selbständiges Steuersubjekt anerkannt werden.
19.175
Die an die Ansässigkeit in einem der beiden Vertragsstaaten anknüpfende Abkommensberechtigung findet in verschiedenen Abkommen Ausnahmen, die weitgehend dem Gesichtspunkt des Treaty-Shopping (Rz. 19.127 f.) oder anderen steuerpolitischen Zielsetzungen Rechnung tragen. So versagt etwa das DBASchweiz Personen, die in der Schweiz eine Pauschalbesteuerung in Anspruch nehmen (Art. 4 Abs. 6 DBA-Schweiz) oder Treuhänder sind (Art. 4 Abs. 11 DBASchweiz), teilweise die Abkommensberechtigung ebenso wie ausländisch beherrschten Durchlaufgesellschaften und Thesaurierungsgesellschaften (Art. 23 DBA-Schweiz).
19.176
1 So etwa für Lizenzgebühren (Art. 12 Abs. 1 OECD-MA). 2 Entweder durch Steueranrechnung oder durch Steuerfreistellung (Art. 23A, 23B OECDMA). 3 Art. 4 Abs. 2 OECD-MA (Tie-Breaker-Rule). 4 Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 25; auf die GewSt kommt es nicht an; vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 17; a.A. Jacob/Hagena, IStR 2013, 485 ff. 5 Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 78 f.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 42; dort jeweils auch zu den Besonderheiten des DBA-Schweiz. 6 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 30. 7 Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 32b; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 27.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
II. Personengesellschaften 19.177
Während für natürliche und juristische Personen die Abkommensberechtigung in aller Regel keine Besonderheiten aufweist, ergeben sich für Personengesellschaften aufgrund ihrer unterschiedlichen steuerlichen Behandlung, die sie in den einzelnen Staaten erfahren1 erhebliche Schwierigkeiten2 bei der Abkommensanwendung.3 Diese beruhen im Wesentlichen darauf, dass Personengesellschaften abkommensrechtlich zwar Personen sein können (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA), bei fehlender eigener Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerpflicht aber nicht ansässig sind (Art. 4 Abs. 1 OECD-MA).4
19.178
Werden die Personengesellschaften in beiden Vertragsstaaten hinsichtlich ihrer Steuersubjekteigenschaft einheitlich behandelt, so ist die Ansässigkeit und damit die Abkommensberechtigung für beide Vertragsstaaten von vornherein nicht zweifelhaft (Rz. 21.139):5 Die Personengesellschaft ist abkommensberechtigt, sofern sie in beiden Vertragsstaaten selbständiges Steuersubjekt ist; sie ist es nicht, wenn ihr übereinstimmend die Steuersubjekteigenschaft abgesprochen wird. In diesem Fall sind die Gesellschafter abkommensberechtigt, so dass sie die betreffenden Abkommensvergünstigungen geltend machen können, wenn sie im anderen Vertragsstaat ansässig sind.6 Sind sie in Drittstaaten ansässig, richtet sich die Abkommensberechtigung nach den Abkommen mit diesen Staaten.7 In den vorgenannten Fällen gewährleistet die parallele Qualifikation8 der Personengesellschaft mithin eine auf einheitliche Rechtsfolgen gerichtete gleichförmige Anwendung des DBA durch beide Vertragsstaaten, soweit die Gesellschafter ebenfalls in einem der beiden Vertragsstaaten ansässig sind. Sind sie dagegen in 1 Hierzu der Überblick bei Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 19 ff.; Dremel in S/D, Art. 1 OECD-MA Rz. 40 ff. 2 Vgl. die Lösungsversuche im OECD-Partnership-Report; OECD, The application of the OECD model tax convention to partnerships, Paris 1999 und in BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258; zu einigen Falllösungen aus diesem OECD-Partnership-Report Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 27. 3 Ausf. Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 25 ff.; Dremel in S/D, Art. 1 OECD-MA Rz. 40 ff.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 63 ff.; Lieber in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 298 ff.; Wassermeyer in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 2.20 ff.; 4.11 ff.; Lang, IStR 2011, 1 ff.; Lüdicke, IStR 2011, 91 ff.; Wassermeyer, IStR 2011, 85 ff. 4 Auf die GewSt kommt es hierbei nicht an; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 17; a.A. Jacob/Hagena, IStR 2013, 485. 5 Hierzu Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 26 ff.; Lieber in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 291; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 28d; Dremel in S/D, Art. 1 OECD-MA Rz. 43 ff.; Wilke in G/K/G, Art. 1 OECD-MA Rz. 21 ff.; Piltz, Die Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, 148 ff.; 221. 6 Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 28. 7 Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 29. 8 Der Begriff „Qualifikation“ stammt zwar aus dem Internationalen Privatrecht, wo er im Zusammenhang mit Kollisionsnormen Bedeutung hat, er hat aber auch das Internationale Steuerrecht mit allerdings unterschiedlichen Deutungen (vgl. etwa Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 96c ff.) erobert. Er wird hier im Sinne von Einordnung oder Bestimmung verwendet.
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H. Persönlicher Geltungsbereich
Drittstaaten ansässig, die ihrerseits im Gegensatz zum Ansässigkeits- und Quellenstaat der Personengesellschaft dieselbe nicht als selbständiges Steuersubjekt anerkennt, so kann hieraus im Verhältnis zum Quellenstaat eine Abkommensberechtigung sowohl der Personengesellschaft als auch ihrer Gesellschafter folgen. In diesem Fall muss der Quellenstaat das für die Abkommensberechtigten jeweils günstigste Abkommen anwenden.1 Abweichend von den vorgenannten Grundsätzen wird in deutschen DBA vereinzelt auf Grund von Sonderregelungen Personengesellschaften eine Abkommensberechtigung eingeräumt, obwohl diese in Deutschland nicht Steuersubjekte sind.2 Damit soll der ausländischen Personengesellschaft die Möglichkeit eröffnet werden, die Erstattung inländischer Quellensteuern zu verlangen, obwohl diese zu Lasten der Gesellschafter einbehalten werden.3 Wird die Personengesellschaft im Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter im Gegensatz zum Staat der Personengesellschaft und zum Quellenstaat als selbständiges Steuersubjekt anerkannt, muss der Quellenstaat diejenigen Abkommensvergünstigungen gewähren, die den Gesellschaftern auf Grund des mit ihrem Ansässigkeitsstaat abgeschlossenen DBA zustehen, obwohl die betreffenden Einkünfte dort nicht den Gesellschaftern, sondern der aus der Sicht der Ansässigkeit als selbständiges Steuersubjekt zu qualifizierenden Personengesellschaft zugerechnet werden. Im Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter werden die Auskehrungen aus der ausländischen Gesellschaft nach den Vorgaben des nationalen Rechts als Dividenden besteuert, für die etwa in Deutschland § 3 Nr. 40 EStG (Teileinkünfteverfahren) bzw. § 8b Abs. 1 KStG (Schachtelprivileg) in Betracht kommen (Rz. 21.139).4 Wird die Personengesellschaft in ihrem Sitzstaat (Ort der Geschäftsleitung) selbst der unbeschränkten Steuerpflicht unterworfen,5 dagegen im anderen Vertragsstaat, etwa im Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter, nicht als Steuersubjekt anerkannt,6 dann ist sie als Person (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und b OECD-MA) im Sitzstaat ansässig (Art. 4 Abs. 1 OECD-MA) und somit abkommensberechtigt.7 Die Ausschüttungen sind abkommensrechtlich Dividenden8 und im Ansässigkeitsstaat der Gesellschaft z.B. Betriebsstätteneinkünfte, die steuerfrei zu
1 Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 26. 2 So bspw. Art. 3 Abs. 1 Nr. 4, Art. 4 Abs. 1 DBA-Belgien; vgl. ferner die Anlage zum BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258. 3 In diese Richtung zielt auch § 50d Abs. 1 Satz 11 EStG, eingefügt durch das AmtshilfeRLUmsG v. 27.6.2013, BGBl. I 2013, 1862. 4 Wassermeyer in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 4.33; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 4.1.4.2. 5 Das trifft insbesondere für Personengesellschaften des romanischen Rechtskreises zu. S. zu den einzelnen Staaten die Anlage zum BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258. 6 Damit also keine Bindung an die Qualifikation im Sitzstaat (Qualifikationsverkettung); BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760; Schnittker in W/R/SW, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 3.10; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258. 7 Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 31; Dremel in S/D, Art. 1 OECD-MA Rz. 59. 8 Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 190; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 123.
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19.179
Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
stellen sind.1 Nach innerstaatlichem Recht, z.B. in Deutschland, handelt es sich um nicht steuerbare Entnahmen, für die im Sitzstaat der Personengesellschaft etwa einbehaltene Quellensteuern nicht angerechnet werden können. Demgegenüber sind die zu Lasten der ausländischen Gesellschaft gezahlten Steuern nach Maßgabe von § 34c Abs. 1 bzw. 2 i.V.m. Abs. 6 EStG anrechenbar bzw. abzugsfähig.2 Damit unterfallen die Gesellschafter in ihrem Ansässigkeitsstaat anstelle der Personengesellschaft dem Abkommensschutz.3 Das bedeutet, dass die mit der Abkommensberechtigung der Personengesellschaft verknüpften Schrankenwirkungen des Abkommens in dem einen Staat gegen die Besteuerung der Personengesellschaft selbst und in dem anderen Staat gegen die Besteuerung der Gesellschafter gerichtet sind. 19.180
Demgegenüber wird unter Hinweis auf die allerdings nur subsidiäre Auslegung von Abkommensbegriffen nach innerstaatlichem Recht (Art. 3 Abs. 2 OECDMA) die Ansicht vertreten, dass mangels Subjektsidentität eine Doppelbesteuerung nicht vermieden werden könne.4 Dieses Auslegungsergebnis wird indessen der für die DBA maßgeblichen Regelungshomogenität nicht gerecht (Rz. 19.52 f.). Geboten ist hiernach eine auf Vermeidung der Doppelbesteuerung ausgerichtete Auslegung,5 so dass die Gesellschafter als ultima ratio den Abkommensschutz als Reflexwirkung der abkommensberechtigten Personengesellschaft in Anspruch nehmen können.6
19.181
Diese Rechtsfolge ergibt sich zudem aus dem Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, wonach ein Rechtsanspruch auf Vermeidung der Doppelbesteuerung besteht, dem ggf. durch entsprechende Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 227 AO) entsprochen werden muss (Rz. 17.9 ff.). De lege ferenda7 ist eine abkommensmäßige Gleichstellung von Personengesellschaften mit Kapitalgesellschaften dergestalt geboten, dass Personengesellschaften stets abkommensberechtigt sind8 oder aber bei Beibehaltung des Mitunternehmerkonzeptes die Ausdehnung des Abkommensschutzes auf die Gesellschafter9 gewährleistet ist. 1 BFH v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521; Wassermeyer in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 4.32; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 4.1.4.1. 2 Wassermeyer in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 4.32; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 4.1.4.1. 3 Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 32 f. 4 Von Beckerath, Der Durchgriff im deutschen Außensteuerrecht, 108 ff.; Diehl, FR 1978, 517 (521); Kluge, DStR 1976, 365 (367); Haas, BB 1978, 1253 f. 5 Eine derartige an den Zielen und Zwecken der DBA orientierte Auslegung verlangt auch Art. 31 Abs. 1 WÜRV; zur Auslegung von DBA im Einzelnen Rz. 19.49. 6 In einigen DBA wird das ausdrücklich bestätigt, wobei Personengesellschaften mitunter eine partielle Abkommensberechtigung zugebilligt wird, auf Grund deren sie selbst Anträge auf Steuerentlastung stellen können; hierzu Wassermeyer in W/R/S2, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Rz. 2.26; Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 61 ff. 7 Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 54 ff. 8 Vgl. Ebling, CDFI LXIIIa (1988), 227 (244); Manke, DStJG 8 (1985), 195 (212 f.); hierzu ausführlich Lethaus in FS Ritter, 427 (437 ff.). 9 Phillip, CDFI LVIIIb (1973), I 1 (22).
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H. Persönlicher Geltungsbereich
III. Dreiecksverhältnisse Die Versagung der Abkommensberechtigung für Betriebsstätten und Personengesellschaften, wenn sie im Sitzstaat, in dem sie den Ort ihrer Geschäftsleitung haben, keine Steuersubjekteigenschaft besitzen, kann zu einer nach Abkommensrecht nicht vermeidbaren Doppelbesteuerung insbesondere dann führen, wenn der Betriebsstätte oder der Personengesellschaft in Drittländern erzielte Einkünfte zuzuordnen sind.1 Unterhält etwa eine in Deutschland ansässige natürliche Person in einem anderen Vertragsstaat eine Betriebsstätte, die ihrerseits ihr zuzuordnende quellensteuerpflichtige Zinseinkünfte aus einem Drittstaat erzielt, so tritt eine Doppelbesteuerung dadurch ein, dass die auf die Zinsen erhobenen Quellensteuern nirgends zur Anrechnung gebracht werden können. Die in Deutschland ansässige natürliche Person mag zwar nach dem zwischen dem Wohnsitzstaat und dem Drittstaat geltenden DBA abkommensberechtigt sein (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und Art. 4 Abs. 1 OECD-MA), eine Anrechnung der auf die Zinsen erhobenen Quellensteuer scheidet aber aus, weil in Deutschland auf den Betriebsstättengewinn, der nur der Besteuerung im Betriebsstättenstaat unterliegt, keine Steuer erhoben wird (Art. 7 und 23A OECD-MA). Eine Anrechnung nach Maßgabe des zwischen dem Betriebsstättenstaat und dem Drittstaat abgeschlossenen DBAs versagt ebenfalls, weil weder die in Deutschland ansässige Person noch deren Betriebsstätte nach diesem Abkommen abkommensberechtigt ist.2
19.182
Die fehlende Abkommensberechtigung von Betriebsstätten und Personengesellschaften führt aus der Sicht des deutschen Rechts zu einer Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips, das eine Vermeidung der Doppelbesteuerung gebietet (Rz. 17.8 ff.). Deshalb gehört es zu den vordringlichen Aufgaben der Abkommenspolitik, Betriebsstätten und Personengesellschaften die Abkommensberechtigung zuzugestehen3 oder aber den Abkommensschutz auf Unternehmer bzw. Gesellschafter auszudehnen. Solange dies nicht geschehen ist, hat Deutschland im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht die Doppelbesteuerung ggf. durch Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 227 AO) zu vermeiden. Darüber hinaus ist Deutschland verpflichtet, beschränkt steuerpflichtigen Unionsbürgern, die im Inland Betriebsstätten mit Drittlandseinkünften unterhalten, wegen der europarechtlichen Diskriminierungsverbote diejenigen Abkommensvergünstigungen zu gewähren, die unbeschränkt Steuerpflichtige für die im Rahmen inländischer Betriebsstätten bezogenen Drittlandseinkünfte in Anspruch nehmen können.4 Da-
19.183
1 Zu diesen Dreiecksverhältnissen Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 8 ff.; Staringer, Triangular Cases, in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 67 ff.; Helde, Dreiecksverhältnisse im Internationalen Steuerrecht unter Beteiligung einer Betriebsstätte; Sutter/Zehetner, Triangular Tax Cases; Schnitger in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 16.1 ff.; Heinsen in Grotherr, Hdb der Internationalen Steuerplanung3, 1843 ff.; Demleitner, ISR 2013, 131 ff.; Göschl/Kovar/Wahrlich in FS Loukota, 111 ff.; Lang/Lüdicke/Riedweg, IStR 2006, 73 ff.; Wassermeyer, SWI 1999, 520 ff. 2 Hierzu im Einzelnen Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 9; Staringer in Gassner/ Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 67 ff. 3 Hierzu Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 49 ff. 54 ff.; Lethaus in FS Ritter, Köln 1997, 427 (439 ff.). 4 EuGH v. 21.9.1999 – Rs. C-307/97 – Saint Gobain, Slg. 1999, I-6161.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
mit kommt im Ergebnis Betriebsstätten partiell eine faktische Abkommensberechtigung zu.1 Für Personengesellschaften ist die Abkommensberechtigung allerdings in einigen Abkommen bereits konkret geregelt.2 Für Betriebsstätten fehlen indessen Vorschriften, die deren Abkommensberechtigung umfassend begründen könnten.3
I. Räumlicher Geltungsbereich Literatur Behrendt/Wischott/Krüger, Praxisfragen zu deutschen Besteuerungsrechten im Zusammenhang mit Offshore-Windparks in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone, BB 2012, 1827; Hawlitschek, Gedanken zur geplanten (vermeintlichen) Erweiterung des Inlandsbegriffs für die Ertragsteuern, IStR 2015, 413; Kübler, Klärung der allgemeinen Hoheitsverhältnisse auf dem Bodensee?, DÖV 1976, 184; Kurz, Klärung der allgemeinen Hoheitsverhältnisse auf dem Bodensee?, DStR 1975, 461; Maciejewski/Theilen, Steuern an ihren Grenzen: Der (erweiterte) Inlandsbegriff im deutschen Ertragsteuerrecht und seine völkerrechtlichen Bezüge, IStR 2013, 846; Petry, Die Ertragsbesteuerung auf dem deutschen Festlandsockel und in der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone, Lohmar 2008; Rudolf, Deutsch- luxemburgisches Kondominium, AVR 24 (1986), 301; Rüster, Die Rechtsordnung des Festlandsockels, Berlin 1977; Schenk, Brauchen wir ein BodenseeStatut?, BayVBl. 1979, 428; Schröer, Staatliche Gebietshoheit und die verfassungsrechtlichen Verhältnisse am deutschen Festlandsockel, RIW 1978, 507; Schweiger, Staatsgrenzen im Bodensee und IGH-Statut, BayVBl. 1995, 65; Waldhoff/Engler, Die Küste im deutschen Ertragsteuerrecht – am Beispiel der Besteuerung von Offshore-Energieerzeugung, FR 2012, 254.
19.184
DBA gelten mit ihren bilateralen Regelungen grundsätzlich nur zwischen den beiden Vertragsstaaten, die das DBA abgeschlossen haben. Demzufolge sind auch nur jene Personen dem Abkommensschutz unterstellt, die mindestens in einem der beiden Vertragsstaaten ansässig sind. Die von Deutschland abgeschlossenen DBA enthalten mitunter eine Definition des Begriffs „Vertragsstaat“,4 wodurch zugleich der räumliche Geltungsbereich des DBAs festgelegt wird. Soweit DBA keine besonderen Regelungen enthalten, aus der Überschrift und/oder der Präambel und den Abkommen auch sonst keine Anhaltspunkte über den räumlichen Geltungsbereich zu entnehmen sind, bestimmt das jeweilige innerstaatliche Recht für sich selbst den räumlichen Geltungsbereich des Abkommens.5 Der räumliche Geltungsbereich eines DBAs ist zumeist deckungsgleich mit dem jeweiligen Staatsgebiet.
19.185
Soweit die von Deutschland abgeschlossenen DBA eine eigenständige Definition des Begriffs „Vertragsstaat“ enthalten, wird dieser eingegrenzt durch den Gel1 Cordewener, Europäische Grundfreiheiten und nationales Steuerrecht, 688 f.; Jann/Toifl, SWI 1999, 483 (492). 2 Hierzu der Überblick bei Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 57, 61. 3 Vgl. hierzu die Arbeiten der OECD (z.B. Triangular Cases Report; OECD „Triangular Cases“ in International Taxation 1992, Nr. 4), die in den OECD-Musterkommentar 1992 zu Art. 24 Ziff. 51 ff. eingegangen sind. 4 Abkommensübersicht bei Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 45. 5 Art. 3 Abs. 2 OECD-MA; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 40.
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I. Räumlicher Geltungsbereich
tungsbereich des Grundgesetzes und/oder der Steuergesetze oder durch das jeweilige Hoheitsgebiet.1 Zum räumlichen Geltungsbereich der DBA gehören auch das Küstenmeer2 und der darunter befindliche Meeresboden und -untergrund, da insoweit die territoriale Souveränität und Gebietshoheit im Sinne des Grundgesetzes reicht.3 Deutschland beansprucht indessen wie die meisten anderen Staaten über die Grenzen ihrer Küstengewässer hinaus auch die Souveränität für den ihm zustehenden Anteil an der ausschließlichen Wirtschaftszone und am Festlandsockel (Rz. 6.32).4 Da Deutschland in diesem Zusammenhang die Erforschung und Ausbeutung der Naturschätze des Meeresgrundes und des Meeresuntergrundes sowie die dortige Energieerzeugung unter Nutzung erneuerbarer Energien als ihr Souveränitätsrecht in Anspruch nimmt, gelten die DBA folglich auch für die im Bereich des deutschen Festlandsockels erwirtschafteten Einkünfte aufgrund der vorgenannten Tätigkeiten.5 Im Übrigen zählen zum räumlichen Geltungsbereich der Abkommen Zollausschlussgebiete,6 ferner Handelsschiffe, die zum Führen der deutschen Flagge berechtigt sind, solange sie sich in inländischen Gewässern oder auf hoher See aufhalten.7
19.186
Das deutsch-luxemburgische Kondominium8 gehört allerdings zum Geltungsbereich beider Staaten, so dass eine Doppelbesteuerung nur über ein Verständigungsverfahren beseitigt werden kann.9 Zum räumlichen Geltungsbereich der DBA gehört auch der zwischen dem deutschen Ufer und der Seemitte gelegene Teil des Bodensees.10 Zum räumlichen Geltungsbereich der DBA zählt schließlich auch der Luftraum oberhalb des Staatsgebietes.11
19.187
1 Das DBA-China umfasst nicht Hongkong, da das frühere Steuersystem auch nach dem Rückfall an China in Kraft geblieben ist; Hackemann/Pfarr in Wassermeyer, Art. 3 DBA-China Rz. 14. 2 Hier gilt eine Zwölfmeilenzone; Art. 3 SRÜ (BGBl. II 1994, 1798). 3 Zu Einzelheiten vgl. Bekanntmachung v. 11.11.1994, BGBl. I 1994, 3428; hierzu Epping in Ipsen, Völkerrecht6, § 5, Rz. 5. 4 Proklamation der Bundesrepublik Deutschland über die Errichtung einer ausschließlichen Wirtschaftszone in der Nordsee und in der Ostsee vom 25.11.1994, BGBl. II 1994, 3769, sowie über die Erforschung und Ausbeutung des deutschen Festlandsockels vom 20.1.1964, BGBl. II 1964, 104 und das entsprechende Gesetz vom 24.7.1964, BGBl. I 1964, 497 und BGBl. I 1974, 2149; zu weiteren Einzelheiten Rüster, Die Rechtsordnung des Festlandsockels, Berlin 1977; Stein/von Buttlar/Kotzur, Völkerrecht14, Rz. 279 ff.; Schröer, RIW 1978, 507 ff.; vgl. hierzu auch Rz. 6.31 f. 5 Waldhoff in V/L6, Art. 29 OECD-MA Rz. 11; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 41; s. aber Nasdala in V/L6, Überschrift und Präambel Rz. 10. 6 Art. 3 Abs. 1 ZK (Art. 3 MZK) z.B. die Gemeinde Büsingen (Hochrhein). 7 Vgl. hierzu etwa RFH v. 24.2.1937, RStBl. 1937, 899; BFH v. 13.2.1974 – I R 219/71, BStBl. II 1974, 361; v. 5.10.1977 – I R 250/75, BStBl. II 1978, 50; v. 12.11.1986 – I R 38/83, BStBl. II 1987, 377; Nasdala in V/L6, Überschrift und Präambel Rz. 12; Meinert in S/D, Art. 29 OECD-MA Rz. 15. 8 Über die Mosel, Sauer und Our; vgl. hierzu im Einzelnen Rudolf, AVR 24 (1986), 301 ff. 9 Waldhoff in V/L6, Art. 29 OECD-MA Rz. 13; Meinert in S/D, Art. 29 OECD-MA Rz. 15. 10 So der RFH v. 1.6.1934, RStBl. 1934, 1445 entsprechend der sog. Realteilungstheorie; hierzu Kübler, DÖV 1976, 184 ff.; Kurz, DStR 1975, 461 ff.; Schenk, BayVBl. 1979, 428 ff.; Schweiger, BayVBl. 1995, 65 ff. 11 BFH v. 14.12.1988 – I R 148/87, BStBl. II 1989, 319; zur Völkerrechtslage Verdross/Simma, UniversellesVölkerrecht3, 664 f.; Epping in Ipsen, Völkerrecht6, § 5 Rz. 5; zu weiteren Einzelheiten Waldhoff in V/L6, Art. 29 OECD-MA Rz. 13 ff.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 42.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
19.188
Einige DBA enthalten Sonderregelungen, wonach bestimmte Gebiete aus dem räumlichen Geltungsbereich ausdrücklich ausgenommen werden.1
J. Sachlicher Geltungsbereich 19.189
DBA bestimmen durchweg, dass unter ihren sachlichen Anwendungsbereich solche Steuern fallen, die vom Einkommen und Vermögen für Rechnung eines Vertragsstaates oder seiner Gebietskörperschaften erhoben werden (Art. 2 Abs. 1 OECD-MA). Hierbei spielt es keine Rolle, ob die betreffenden Steuern durch Veranlagung oder durch Abzug an der Quelle erhoben werden. Ohne Bedeutung ist grundsätzlich ferner, ob die Steuern vom Zentralstaat selbst, von seinen Ländern, Provinzen, Bezirken, Gemeinden oder Gemeindeverbänden erhoben werden.2 Da die deutsche Kirchensteuer keiner derartigen Gebietskörperschaft zufließt, unterliegt sie auch nicht dem sachlichen Anwendungsbereich der DBA. Dies ist im Ergebnis ohne große praktische Bedeutung, weil die als Maßstabsteuer zugrunde liegende Einkommensteuer (§ 51a EStG) von den DBA erfasst wird.3 Einige DBA enthalten bedeutsame Einschränkungen dahingehend, dass lediglich die Steuern des Zentralstaates vom Abkommen erfasst werden.4
19.190
Mit den Steuern vom Einkommen und Vermögen ist der Kreis der in die Abkommen einbezogenen Steuern sehr weit gezogen. Aus deutscher Sicht gehören hierzu nicht nur die Einkommen-, Körperschaft-5 und Vermögensteuer,6 sondern auch die Gewerbesteuer.7
19.191
Die Gewerbesteuer zählt zu den Steuern vom Einkommen im Sinne der Abkommensterminologie.8 Da es für die Gewerbesteuer keine eigenständigen Verteilungsnormen gibt, richtet sich die Verteilung des Gewerbeertrags nach den für die Steuern vom Einkommen geltenden Verteilungsnormen (Art. 6 bis 21 und Art. 22 OECD-MA). Mit ihrer Ausrichtung auf die Steuern vom Einkommen liegt den DBA konzeptionell die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Personensteuern zugrunde. Im Hinblick darauf orientiert sich die persönliche Abkommensberechtigung auch an der Ansässigkeit, d.h. an der unbeschränkten Steuerpflicht des Steuersubjekts in mindestens einem Vertragsstaat. Die Gewerbesteuer ist zwar eine Objektsteuer, die nicht an die unbeschränkte Steuerpflicht anknüpft, belastet wird aber letztlich eine Person im Sinne des Abkommensrechts (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA), so dass insoweit die Ein-
1 Vgl. die Beispiele bei Waldhoff in V/L6, Art. 29 OECD-MA Rz. 14. 2 OECD-MK, Ziff. 2 zu Art. 2 Abs. 1. 3 Ismer in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 13; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 20. 4 Beispiele bei Ismer in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 20. 5 Einschließlich des als Ergänzungsabgabe erhobenen Solidaritätszuschlags, vgl. §§ 1 und 5 SolZG. 6 Sie wird seit dem 1.1.1997 nicht mehr erhoben. 7 Hierzu die Abkommensübersicht bei Ismer in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 53. 8 Dremel in S/D, Art. 2 OECD-MA Rz. 30; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 31; Kluge, FR 1976, 521 (528).
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K. Steuerberechtigung
beziehung der Gewerbesteuer in den sachlichen Anwendungsbereich der Abkommen gerechtfertigt ist.1 Als Steuer vom Vermögen unterliegt die Grundsteuer dem sachlichen Anwendungsbereich der DBA,2 was allerdings im Hinblick darauf, dass nur inländische Grundstücke der Besteuerung unterliegen,3 keine weiteren Auswirkungen hat. Nicht erfasst werden vom sachlichen Geltungsbereich der Abkommen indessen grundsätzlich die Umsatzsteuer und (sonstige) Verbrauchsteuern sowie zumeist die Erbschaftsteuer,4 für die Deutschland allerdings einige eigenständige Abkommen abgeschlossen hat.5 Zu den Steuern vom Einkommen und Vermögen gehören nicht Sozialversicherungsbeiträge, selbst wenn diese als Steuern bezeichnet werden.6 Die von Deutschland abgeschlossenen DBA stellen durchweg klar, dass zu den Steuern vom Einkommen und Vermögen auch die Steuern vom Vermögenszuwachs gehören. Damit wird auch die Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG erfasst.7
19.192
Der sachliche Anwendungsbereich der Abkommen beurteilt sich nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Abkommens (Art. 2 Abs. 4 OECD-MA), ohne dass es darauf ankommt, ob die betreffenden Steuern in dem einen oder anderen Vertragsstaat auch tatsächlich erhoben werden. Sollten zu einem späteren Zeitpunkt in dem einen oder anderen Vertragsstaat Steuern gleicher oder im Wesentlichen ähnlicher Art eingeführt werden, so wird durch die in den DBA verankerten Ausdehnungsklauseln (Art. 2 Abs. 4 OECD-MA) gewährleistet, dass auch diese Steuern in deren sachlichen Anwendungsbereich fallen.8 Die zuständigen Behörden beider Vertragsstaaten sind verpflichtet, sich die entsprechenden Änderungen mitzuteilen (Art. 2 Abs. 4 Satz 2 OECD-MA).
19.193
K. Steuerberechtigung Literatur Kommentare zu Art. 4 OECD-MA; Beiser, Doppelwohnsitz und Mittelpunkt der Lebensinteressen im zwischenstaatlichen Steuerrecht, ÖStZ 1989, 241; Firlinger, Die abkommensrechtliche Ansässigkeit und die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, in Gassner/Lang/Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, Wien 1995, 307; Flick, Recht und Gerechtigkeit im Internationalen Steuerrecht, FR 1961, 171; Großmann, Doppelt ansässige Gesellschaften, München 1995; Hausmann/Raupach u.a., Steuergestaltung durch doppelt ansässige Gesellschaften?, München 1988; Kaminski/
1 Dremel in S/D, Art. 2 OECD-MA Rz. 30; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 31; Debatin, DB 1962, Beilage 12, 1 (1 f.). 2 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 Rz. 32. 3 § 1 Abs. 1 und 2 GrStG. 4 Ausnahme: DBA-Schweden; DBA-Dänemark. 5 Mit Griechenland, Schweiz, Frankreich und den USA. 6 Ismer in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 30. 7 Ismer in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 39; unmittelbar als Steuer vom Einkommen qualifizierend Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 45; Dremel in S/D, Art. 2 OECD-MA Rz. 34. 8 Zu den Einzelheiten Ismer in V/L6, Art. 2 OECD-MA Rz. 56 ff.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 2 OECD-MA Rz. 69 ff.; Dremel in S/D, Art. 2 OECD-MA Rz. 41 ff.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) Strunk, Ansässigkeit und Vermeidung der Doppelbesteuerung nach Abkommensrecht, IStR 2007, 189; Kleineidam, Perspektiven der internationalen Einkunftsabgrenzung im Lichte globaler Unternehmensstrategien, in Klein/Stihl/Wassermeyer/Piltz/Schaumburg (Hrsg.) Unternehmen/Steuern, FS für Flick, Köln 1997, 857; Lüdicke, Doppelansässigkeit, Ansässigkeitswechsel und Progressionsvorbehalt, in FS für Fischer, Berlin 1999, 731; Mäusli, Die Ansässigkeit von Gesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Bern/Stuttgart/ Wien 1993; Seibold, Problematik der Doppelansässigkeit von Kapitalgesellschaften, IStR 2003, 45; Staringer, Besteuerung doppelt ansässiger Kapitalgesellschaften, Wien 1999; Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, Hamburg 1991.
I. Grundregel 19.194
Die Bedeutung der DBA erschöpft sich nicht darin, zugunsten abkommensberechtigter Personen eine Doppelbesteuerung zu vermeiden; DBA sind vielmehr auch auf die gerechte Verteilung der Steuergüter unter den Vertragsstaaten gerichtet.1 Die Verteilung des Steuergutes2 erfolgt nach Maßgabe der in den DBA verankerten Verteilungsnormen, die damit über die Reichweite der allein nach innerstaatlichem Recht begründeten Steuerberechtigung der Vertragsstaaten auf Abkommensebene entscheiden. Im Grundsatz wird hierbei die Steuerberechtigung des Wohnsitzstaates aufrechterhalten mit der Folge, dass dieser die vorrangige Besteuerung hat. Entsprechend dieser Grundregel setzt der Vorschriftenaufbau der DBA bei der Steuerberechtigung des Wohnsitzstaates an und grenzt hiervon die Steuerberechtigung des Quellenstaates aus, so dass dieser grundsätzlich nur eine nachrangige Besteuerung verbleibt. Die Dominanz der Wohnsitzstaatbesteuerung, die ggü. der Quellenstaatbesteuerung eine größere Reichweite ausweist, verwirklicht im Ansatz das Welteinkommensprinzip auch auf Abkommensebene. Im Hinblick darauf knüpft die Entscheidung, ob ein Vertragsstaat Wohnsitzstaat oder Quellenstaat ist, folgerichtig an die unbeschränkte Steuerpflicht der betreffenden natürlichen oder juristischen Person an (Art. 4 Abs. 1 OECD-MA).
19.195
Die unbeschränkte Steuerpflicht entscheidet damit nicht nur über die Abkommensberechtigung einer Person, sondern zugleich auch darüber, ob und in welchem Ausmaß die Steuerberechtigung der beiden Vertragsstaaten aufrechterhalten bleibt.3
19.196
Ist die Person in beiden Vertragsstaaten unbeschränkt steuerpflichtig, ist damit zwar über die Abkommensberechtigung dieser Person entschieden, nicht aber darüber, welcher der beiden Vertragsstaaten die in seinem Gebiet ansässige Person als Wohnsitzstaat oder als Quellenstaat besteuern darf. Diese Entscheidung wird vielmehr erst auf einer Stufenfolge zumeist ortsbezogener Kriterien getroffen 1 Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 23; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 11; Tipke, Steuergerechtigkeit, 120; Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, 105 ff.; Flick, FR 1961, 171 f.; Kleineidam in FS Flick, 857 (865 ff.). 2 Zu noch im Übrigen gebräuchlichen Formulierungen Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 65; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 9 mit Kritik am Begriff „Verteilungsnorm“. 3 Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 11 ff.; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 2.
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K. Steuerberechtigung
(Art. 4 Abs. 2 OECD-MA). Als Wohnsitzstaat gilt danach stets derjenige Vertragsstaat, in dem die Person aufgrund eines abgestuften Regelungssystems als ansässig gilt. Der andere Vertragsstaat ist sodann automatisch der Quellenstaat.1 Die aufgrund besonderer Kollisionsregeln (Tie-Breaker-Rules, Art. 4 Abs. 2 OECD-MA) zu treffende Entscheidung, welcher der beiden Vertragsstaaten Wohnsitz- oder Quellenstaat ist, hat lediglich bilaterale Bedeutung und mithin keine Bindung für Drittstaaten. Hieraus folgt: Ist eine Person etwa in zwei verschiedenen Staaten ansässig und haben beide Staaten mit einem Drittstaat DBA abgeschlossen, so ist der Drittstatt Quellenstaat, die beiden anderen Staaten sind Wohnsitzstaaten. Besteht zwischen beiden Wohnsitzstaaten ein DBA, so ist zwar im Verhältnis zueinander der eine Vertragsstaat Wohnsitzstaat und der andere Quellenstaat mit der Folge, dass hiernach nur dem Wohnsitzstaat die uneingeschränkte Besteuerung der Drittstaateneinkünfte (Art. 21 OECD-MA) verbleibt, aus der Sicht des Drittstaates sind aber die beiden anderen Staaten unverändert Wohnsitzstaaten. Da die DBA hierfür keine Kollisionsregeln enthalten, kann sich der Steuerpflichtige gegenüber dem Drittstaat auf das für ihn günstigere DBA berufen.2 Besteht zwischen beiden Wohnsitzstaaten kein DBA, ist eine entsprechende Verständigungsvereinbarung nicht möglich. Die Vermeidung der Doppelbesteuerung ist hier ggf. durch Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 227 AO) seitens der Wohnsitzstaaten sicherzustellen.
19.197
Aus der vorrangigen Besteuerung durch den Wohnsitzstaat, für den grundsätzlich die Besteuerung des Welteinkommens/-vermögens erhalten bleibt, folgt als Kehrseite, dass es im Ausgangspunkt der Wohnsitzstaat ist, der auf seine weitreichende Steuerberechtigung ganz oder teilweise verzichtet, soweit dem Quellenstaat die Steuerberechtigung nicht genommen ist. Der Verzicht durch den Wohnsitzstaat erfolgt durch Steuerfreistellung oder Steueranrechnung.
19.198
Entsprechend der Grundorientierung der Abkommen verbleibt dem Quellenstaat lediglich eine nachrangige Besteuerung, die ihm im Grundsatz die uneingeschränkte Besteuerung der Einkünfte von in seinem Gebiet belegenen Betriebsstätten und unbeweglichem Vermögen sowie die reduzierte Besteuerung von Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren belässt. Darüber hinaus ist dem Quellenstaat grundsätzlich aber die Besteuerungsbefugnis genommen, so dass insbesondere Einkünfte aus Drittstaaten (Art. 21 OECD-MA) dem Besteuerungszugriff des Quellenstaates auch dann entzogen sind, wenn die Person im Quellenstaat unbeschränkt steuerpflichtig ist.
19.199
Die Aufhebung oder Einschränkung der Steuerberechtigung des Quellenstaates steht nach einigen Abkommen allerdings unter dem Vorbehalt, dass die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat tatsächlich besteuert werden.3 Darüber hinaus ist die Aufhebung oder Einschränkung der Steuerberechtigung des Quellenstaates in einigen Abkommen auf diejenigen Einkunftsbeträge begrenzt, die tat-
19.200
1 Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 2. 2 Vgl. Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 24; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 4. Vgl. aber etwa die deutsch-österreichische Verständigungsvereinbarung v. 7.6.1991, SWI 1991, 197; zur Kritik hieran Lüdicke in FS Fischer, 731 (739). 3 Sog. Subject-to-Tax-Klauseln; Abkommensübersicht bei Dürrschmidt in V/L6, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 20a, dort auch zur Abgrenzung sog. Rückfallklauseln.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
sächlich in den Wohnsitzstaat überwiesen werden1 und gegebenenfalls dort auch tatsächlich besteuert werden.2 Durch diese Einschränkungen wird im Ergebnis ausnahmsweise lediglich die effektive Doppelbesteuerung (Rz. 15.8) vermieden. 19.201
Die für die Steuerberechtigung maßgebliche Entscheidung, welcher der beiden Vertragsstaaten als Wohnsitz- oder als Quellenstaat zu gelten hat, orientiert sich in erster Linie an bestimmten, in Art. 4 Abs. 1 OECD-MA aufgeführten ortsbezogenen Merkmalen, die nach Maßgabe des jeweiligen nationalen Steuerrechts zu einer Steuerpflicht führen. Im Hinblick darauf, dass die ortsbezogenen Merkmale den Wohnsitz, ständigen Aufenthalt, Ort der Geschäftsleitung oder ein anderes ähnliches Merkmal betreffen, wird letztlich auf die unbeschränkte Steuerpflicht abgestellt. Soweit es um natürliche Personen geht, ist der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthalt maßgeblich. Es handelt sich hierbei zwar um abkommensrechtliche Begriffe, da aber letztlich auf die unbeschränkte Steuerpflicht in einem der beiden oder in beiden Vertragsstaaten abgestellt wird, ist die Begriffsbildung des jeweiligen nationalen Rechts maßgeblich.3 Aus der Sicht des deutschen Steuerrechts ist damit auf § 8 AO (Wohnsitz) und § 9 AO (gewöhnlicher Aufenthalt) abzustellen (Rz. 6.12 ff.). Erfasst wird damit stets die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht gem. § 1 Abs. 1 EStG. Darüber hinaus wird wegen der Erfassung des Welteinkommens als ein dem Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt ähnliches Merkmal auch die erweiterte unbeschränkte Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 2 EStG) einbezogen.4 Nicht erfasst wird demgegenüber die fiktive unbeschränkte Einkommensteuerpflicht (§ 1 Abs. 3 EStG) und die erweiterte beschränkte Einkommensteuerpflicht (§ 2 AStG).5 Soweit darüber hinaus an den Ort der Geschäftsleitung angeknüpft wird, sind nicht-natürliche Personen angesprochen, zu denen aus der Sicht des deutschen Steuerrechts ausschließlich die in § 1 Abs. 1 KStG aufgeführten Körperschaftsteuersubjekte gehören. Maßgeblich ist die Begriffsdeutung des jeweiligen nationalen Rechts, so dass letztlich auf den Ort der Geschäftsleitung i.S. des § 10 AO abzustellen ist.6 Erfasst wird somit aus der Sicht des deutschen Steuerrechts die unbeschränkte Körperschaftsteuerpflicht (§ 1 Abs. 1 KStG), und zwar auch insoweit, als diese auf einem inländischen Sitz (§ 11 AO) beruht.7 Obwohl vom sachlichen Anwendungsbereich der DBA auch die Gewerbesteuer umfasst ist, enthält Art. 4 Abs. 1 OECD-MA keine für die Gewerbesteuer maßgebliche Anknüpfung, so dass etwa Unterneh-
1 Sog. Remittance-Klausel; Abkommensübersicht bei Dürrschmidt in V/L6, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 18. 2 So Art. II Abs. 2 DBA-Großbritannien 1964/70, vgl. Dürrschmidt in V/L6, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 19e. 3 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 31, 35. 4 Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 42; Pohl in S/D, Art. 4 OECD-MA Rz. 44. 5 Begründung: keine Erfassung des Welteinkommens; BFH v. 20.9.2006 – I R 13/02, BFH/NV 2007, 410; Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 79; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 42; Pohl in S/D, Art. 4 OECD-MA Rz. 44, 48. 6 Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 105; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 38; zum Ort der Geschäftsleitung im Einzelnen Rz. 7.2 ff. 7 Es handelt sich hierbei um ein dem Ort der Geschäftsleitung ähnliches Merkmal; hierzu Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 110; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 41 f.; Pohl in S/D, Art. 4 OECD-MA Rz. 43.
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K. Steuerberechtigung
men, die in Deutschland der Gewerbesteuer unterliegen, deshalb hier noch nicht ansässig i.S. des Art. 4 Abs. 1 OECD-MA sind.1
II. Kollisionsregel Die Kollisionsregel2 des Art. 4 Abs. 2 OECD-MA entscheidet, welcher Staat als Wohnsitzstaat zu gelten hat, wenn nach der Grundregel des Art. 4 Abs. 1 OECD-MA wegen der unbeschränkten Steuerpflicht in beiden Staaten die Steuerberechtigung beider Staaten als Wohnsitzstaaten miteinander kollidiert. In diesem Sinne hat der Begriff „Kollisionsregel“ Eingang in die Terminologie des Internationalen Steuerrechts gefunden.3
19.202
Während für Zwecke der persönlichen Abkommensberechtigung ausschließlich auf die unbeschränkte Steuerpflicht und damit auf innerstaatliches Steuerrecht zurückzugreifen ist,4 knüpft die Steuerberechtigung als Wohnsitzstaat an die unbeschränkte Steuerpflicht nur dann an, wenn diese lediglich in einem Vertragsstaat gegeben ist. Besteht allerdings die unbeschränkte Steuerpflicht in beiden Vertragsstaaten, so dass nach der vorgenannten Grundregel (Art. 4 Abs. 1 OECDMA) die Ansässigkeit in beiden Vertragsstaaten zu bejahen ist, so entscheidet sich die Steuerberechtigung als Wohnsitzstaat sowohl für natürliche als auch für juristische Personen nach auf mehreren Stufen angesiedelten Kollisionsregeln (Art. 4 Abs. 2 und Abs. 3 OECD-MA). Auf jeder Kollisionsstufe entscheidet sich, in welchem der beiden Vertragsstaaten die natürliche oder juristische Person als ansässig gilt, so dass einer der beiden Vertragsstaaten zum Wohnsitzstaat mit grundsätzlich uneingeschränkter Steuerberechtigung erklärt wird und der andere Vertragsstaat als Quellenstaat zurücktreten muss.
19.203
Soweit die Steuerberechtigung an die Ansässigkeit natürlicher Personen anknüpft, sehen die DBA im Allgemeinen fünf Kollisionsstufen vor.5 Ist eine natürliche Person in beiden Vertragsstaaten aufgrund ihres Wohnsitzes oder ihres ständigen Aufenthaltes unbeschränkt steuerpflichtig und damit nach der Grundregel in beiden Vertragsstaaten ansässig, so entscheidet auf der ersten Kollisionsstufe die ständige Wohnstätte über die Ansässigkeit und damit über die Steuerberechtigung als Wohnsitzstaat. Da der Begriff „ständige Wohnstätte“ nicht identisch ist mit „Wohnsitz“, vielmehr einen besonders qualifizierten Wohnsitz meint, den die natürliche Person nicht nur gelegentlich und auch nicht nur zu vorüber-
19.204
1 Klarstellung in Art. 4 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA; hierzu Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 46. 2 Dieser Begriff ist nicht im Sinne des Internationalen Privatrechts zu verstehen, wonach Kollisionsnormen bestimmen, welches der beiden innerstaatlichen Rechte zur Anwendung kommt. Sog. Tie-Breaker-Rule. 3 So etwa Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 172. 4 Art. 4 Abs. 1 OECD-MA; einige deutsche Abkommen enthalten entweder keine vergleichbare oder aber autonome Regelungen; hierzu Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 140 ff. 5 Überblick über die Rangfolge bei Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 52; Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 162 ff.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
gehenden Zwecken nutzt,1 bietet die ständige Wohnstätte nicht nur die Lösung für die Kollisionspaare Wohnsitz/ständiger Aufenthalt, sondern auch für den Fall, dass die natürliche Person in beiden Vertragsstaaten einen Wohnsitz unterhält. 19.205
Verfügt die natürliche Person in beiden Vertragsstaaten über eine ständige Wohnstätte, so orientiert sich auf einer zweiten Kollisionsstufe die Abgrenzung zwischen Wohnsitzstaat einerseits und Quellenstaat andererseits am Mittelpunkt der Lebensinteressen der abkommensberechtigten Person. Danach ist derjenige Vertragsstaat Wohnsitzstaat, zu dem die natürliche Person die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen unterhält.2 Hinsichtlich der persönlichen Beziehungen ist abzustellen auf die gesamte private Lebensführung, insbesondere auf das familiäre, gesellschaftliche, politische und kulturelle Umfeld.3 Demgegenüber ist im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen Beziehungen darauf abzustellen, von wo aus die natürliche Person ihrer täglichen Arbeit nachgeht und wo ihr Vermögen und ihre Einkünfte verwaltet werden.4 Der Mittelpunkt der Lebensinteressen in einem Vertragsstaat erfordert nicht, dass zu diesem persönliche und wirtschaftliche Beziehungen kumulativ vorliegen müssten. Hat die Person die engeren persönlichen Beziehungen zu einem Vertragsstaat und die wirtschaftlichen Beziehungen5 dagegen zu dem anderen Vertragsstaat, so liegt der Mittelpunkt der Lebensinteressen in dem Vertragsstaat, zu dem die Beziehungen für die natürliche Person bedeutungsvoller sind.6
19.206
Hat die abkommensberechtigte Person in beiden Vertragsstaaten eine ständige Wohnstätte, kann aber nicht festgestellt werden, in welchem Staat sie den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen hat, oder verfügt sie in keinem der Vertragsstaaten über eine ständige Wohnstätte, so ist auf einer dritten Kollisionsstufe auf den gewöhnlichen Aufenthalt der natürlichen Person abzustellen. Der Begriff gewöhnlicher Aufenthalt ist nicht im Rückgriff auf innerstaatliches Recht (§ 9 AO), sondern in Abgrenzung zu den anderen Kollisionsmerkmalen autonom auszulegen.7 Der gewöhnliche Aufenthalt einer Person wird hierbei in dem Vertragsstaat liegen, in dem sie überwiegend lebt.8 1 BFH v. 23.10.1985 – I R 274/82, BStBl. II 1986, 133; v. 31.10.1990 – I R 24/89, BStBl. II 1991, 562; v. 16.12.1998 – I R 40/97, BStBl. II 1999, 207; v. 5.6.2007 – I R 22/06, BStBl. II 2007, 812; Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 180 ff.; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 33, 53 ff.; M. Frotscher in Haase3, Art. 4 OECD-MA Rz. 103. 2 Zum Begriff im Einzelnen Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 66 ff.; Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 192 ff.; Pohl in S/D, Art. 4 OECD-MA Rz. 74 ff. 3 Hierzu im Einzelnen Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 192; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 69; Pohl in S/D, Art. 4 OECD-MA Rz. 77. 4 Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 194; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 670; Pohl in S/D, Art. 4 OECD-MA Rz. 78. 5 Nur gegenwartsbezogene wirtschaftliche Beziehungen, die sich voraussichtlich in Zukunft abbauen werden, fallen nicht stark ins Gewicht, BFH v. 31.10.1990 – I R 24/89, BStBl. II 1991, 562. 6 BFH v. 31.10.1990 – I R 24/89, BStBl. II 1991, 562; v. 23.7.1971 – III R 60/70, BStBl. II 1971, 758; Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 195; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 71; vgl. auch BFH v. 25.9.2007 – I B 84/06, BFH/NV 2008, 226. 7 Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 203; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 74. 8 Zu weiteren Einzelheiten Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 74 ff.
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Schaumburg/Häck
K. Steuerberechtigung
Hat die natürliche Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in beiden Vertragsstaaten oder in keinem von beiden, so ist derjenige Vertragsstaat Wohnsitzstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie hat. Für dieses auf der vierten Kollisionsstufe maßgebliche Abgrenzungskriterium ist auf das innerstaatliche Recht desjenigen Vertragsstaates zurückzugreifen, dessen Staatsangehörigkeit die natürliche Person besitzt.1
19.207
Hat die natürliche Person schließlich die Staatsangehörigkeit beider Vertragsstaaten oder keines dieser Staaten, so entscheidet auf einer fünften Kollisionsstufe das gegenseitige Einvernehmen der beiden Vertragsstaaten darüber, wer Wohnsitzstaat und wer Quellenstaat ist. Es handelt sich hierbei um ein Verständigungsverfahren (Art. 25 OECD-MA), dass hier eine Modifikation dahingehend erfährt, dass die Vertragsstaaten sowohl zur Einleitung als auch zu einer Einigung verpflichtet sind, weil andernfalls das DBA nicht anwendbar wäre.2
19.208
Sind juristische Personen und abkommensberechtigte Personengesellschaften (Rz. 19.177 ff.) in beiden Vertragsstaaten unbeschränkt steuerpflichtig, etwa aufgrund des Sitzes oder des Orts der Geschäftsleitung, so wird diese Kollision dadurch gelöst, dass derjenige Vertragsstaat Wohnsitzstaat ist, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung befindet. Dieser Begriff ist zwar ebenfalls autonom ohne Rückgriff auf innerstaatliches Recht auszulegen,3 da aber die deutsche Rechtsprechung zu § 10 AO bei der Bestimmung des Orts der Geschäftsleitung auf tatsächliche Verhältnisse abstellt, können diese Rechtsprechungsgrundsätze herangezogen werden.4 Der Ort der Geschäftsleitung befindet sich danach dort, wo der für die Geschäftsleitung maßgebende Wille tatsächlich gebildet wird; das heißt, wo die geschäftsleitenden Anordnungen abgegeben, nicht aber dort, wo sie wirksam werden.5
19.209
Da bei juristischen Personen und abkommensberechtigten Personengesellschaften die Kollision der Steuerberechtigung der beiden Vertragsstaaten auf nur einer Stufe gelöst werden kann (Art. 4 Abs. 3 OECD-MA), kommt für die tatsächliche
19.210
1 Art. 4 Abs. 2c i.V. mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. g OECD-MA; im Einzelnen Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 208; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 80 f.; Pohl in S/D, Art. 4 OECD-MA Rz. 93. 2 Ein Zwang zur Einigung besteht sonst nicht; Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 210; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 84; M. Frotscher in Haase3, Art. 4 OECD-MA Rz. 115. 3 Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 263; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 4 OECD-MA Rz. 95. 4 Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 265. 5 RFH v. 3.7.1936, RStBl. 1936, 804; BFH v. 17.7.1968 – I 121/64, BStBl. II 1968, 695; v. 16.1. 1976 – III R 92/74, BStBl. II 1976, 401; v. 3.8.1977– III R 92/74, BStBl. II 1977, 857; v. 29.4. 1987 – X R 16/81, BFH/NV 1988, 64; v. 21.9.1989 – V R 55/84, BFH/NV 1990, 353; v. 21.9. 1989 – V R 32/88, BFH/NV 1990, 688; v. 23.1.1991 – I R 22/90, BStBl. II 1991, 554; v. 7.12. 1994 – I K 1/93, BStBl. II 1995, 175; v. 3.7.1997 – IV R 58/95, BStBl. II 1998, 86; v. 16.12. 1998 – I R 138/97, BStBl. II 1999, 437; v. 9.7.2003 – I R 4/02, BFH/NV 2004, 83; v. 5.11. 2014 – IV R 30/11, BStBl. II 2015, 601; zu weiteren Einzelheiten Rz. 7.2 ff.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
Geschäftsleitung nur ein einziger Ort in Betracht.1 Insoweit entspricht die Rechtslage der des § 10 AO.2
L. Verteilung der Steuergüter I. Allgemeines Literatur Amann, Zur Systematik der Ermittlung ausländischer Einkünfte, DB 1997, 796; Debatin, Zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, in FS für Scherpf, Wiesbaden 1983, 305; Debatin, System und Auslegung der Doppelbesteuerungsabkommen, DB 1985, Beilage 23, 1; Dürrschmidt, Die Einkunftsarten im Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland und im Recht der Doppelbesteuerung, Diss. Erlangen-Nürnberg 1975; Gosch, Die Zeit im Abkommensrecht, in Festgabe Wassermeyer, München 2015, 209; Gosch, Über die Zeit im Abkommensrecht, IStR 2015, 709; Hey, F., Anwendung des Art. 23 Abs. 2 Buchst. b DBAUSA bei Nichtversteuerung von in den USA steuerpflichtigen Einkünften, RIW 1997, 82; Jakob, Das deutsch-amerikanische Doppelbesteuerungsabkommen von 1989, DStZ 1992, 669; Knechtle, Grundfragen des internationalen Steuerrechts, Basel/Stuttgart 1976; Lang, M., Zeitliche Zurechnung bei der DBA-Anwendung, SWI 1999, 282; Vogel, Die Mär von den „Rückfall-Klauseln“ in Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 1997, Beihefter zu Heft 24; Wassermeyer, Nachträgliche „ausländische“ Einkünfte, IStR 2011, 361; Wassermeyer, Das Besteuerungsrecht für nachträgliche Einkünfte im internationalen Steuerrecht, IStR 2010, 461.
19.211
Die Schrankenwirkungen der DBA artikulieren sich primär in ihren Verteilungsnormen,3 die darauf gerichtet sind, die Verteilung des Steuergutes4 zwischen Wohnsitzstaat und Quellenstaat vorzunehmen. In ihrem Ausgangspunkt zielen die Verteilungsnormen darauf ab, die Steuerberechtigung des Wohnsitzstaates aufrechtzuerhalten und diejenige des Quellenstaates zu umgrenzen mit der Folge, dass die Steuerberechtigung des Quellenstaates entweder aufrechterhalten, begrenzt oder gänzlich aufgehoben wird.
19.212
Soweit die Steuerberechtigung des Quellenstaates aufgehoben wird, handelt es sich um vollständige Verteilungsnormen, also um Verteilungsnormen mit einer abschließenden Rechtsfolge.5 Diese vollständigen Verteilungsnormen sind dadurch gekennzeichnet, dass bestimmte Einkünfte und bestimmtes Vermögen 1 BFH v. 1.3.1966 – I 13/65, I 14/65, I 13, 14/65, BStBl. III 1966, 207; Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 266; vgl. im Übrigen zu weiteren Einzelheiten insbesondere im Zusammenhang mit Unternehmensverträgen Lehner in V/L6, Art. 4 OECD-MA Rz. 269 ff.; ferner Rz. 7.2. 2 S. aber BFH v. 5.11.2014 – IV R 30/11, BStBl. II 2015, 601. 3 Art. 6 bis 22 OECD-MA; neben Verteilungsnormen sind auch die Begriffe Zuteilungsnormen und Kollisionsnormen gebräuchlich, vgl. zur Terminologie Debatin, DB 1985, Beilage 23, 1 (2); kritisch zu dieser Begriffsbildung Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 9; Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 1, der diese Normen als Steuerbefreiungsund Steuerermäßigungsnormen bezeichnet, ohne dass hierin ein Widerspruch erkennbar ist. 4 Zur Abgrenzung zwischen (wirtschaftlichem) Steuergut und (rechtlichem) Steuerobjekt Seer in Tipke/Lang22, § 6 Rz. 36. 5 Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 82 ff.; Häck in F/W/K, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 12; Knechtle, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, 78 f.
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L. Verteilung der Steuergüter
nur im Wohnsitzstaat besteuert werden dürfen mit der Folge der Steuerfreistellung im Quellenstaat. In Sonderfällen regeln die Verteilungsnormen ihre Rechtsfolge allerdings auch dadurch abschließend, dass das Besteuerungsrecht nur dem Quellenstaat zugewiesen wird, so dass der Wohnsitzstaat freizustellen hat (vgl. etwa Art. 8 Abs. 1 und 2 OECD-MA). Unvollständige Verteilungsnormen, also solche ohne abschließende Rechtsfolge, halten die Steuerberechtigung des Quellenstaates ganz oder teilweise aufrecht mit der Folge, dass der Wohnsitzstaat diese Steuerberechtigung zur Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Steuerfreistellung oder Steueranrechnung auszugleichen hat. Die gegen die Doppelbesteuerung gerichteten Schrankenwirkungen der DBA setzen bei diesen unvollständigen Verteilungsnormen mithin erst auf einer nachgeordneten Stufe bei den Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (Art. 23A, 23B OECD-MA) ein.1
19.213
Die Reichweite der Steuerberechtigung des Quellenstaates orientiert sich an einem in den Verteilungsnormen enthaltenen differenzierten Einkünfte- und Vermögenskatalog, der mit dem des innerstaatlichen Rechts nicht identisch ist. Die Verteilungsnormen haben eine eigenständige Begriffssprache, so dass ein Rückgriff auf die Begriffswelt etwa der sieben Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes grundsätzlich unzulässig ist.2 Die Verteilungsnormen enthalten für die Einordnung in die einzelnen Einkünftekategorien auch eigenständige Konkurrenzregeln, die sich von denen der sieben Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes grundlegend unterscheiden. So hat etwa die Einordnung unter die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen stets Vorrang vor den übrigen Einkünftekategorien (vgl. Art. 6 Abs. 4 OECD-MA). Das Gefüge der Konkurrenzregeln statuiert eine abkommensspezifische isolierende Betrachtungsweise,3 für die andere Abgrenzungsregeln gelten als in § 49 EStG.4 Hieraus folgt, dass im Sinne der Spezialität, die spezielleren den allgemeinen Verteilungsnormen rechtsfolgemäßig im Grundsatz vorgehen. Aufgrund dieser isolierenden Betrachtungsweise sind etwa einem Unternehmen zufließende Einkünfte nicht stets als Unternehmensgewinne, sondern ggf. als Dividenden, Lizenzen oder Zinsen zu qualifizieren,5 und zwar auch dann, wenn dieses Unternehmen nach deutschem Steuerrecht als Gewerbebetrieb kraft Rechtsform6 oder als gewerblich geprägte Personengesellschaft7 Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Schließlich enthalten die Verteilungsnormen insoweit keine Lücken, als durch eine Auffangklausel
19.214
1 Häck in F/W/K, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 12. 2 Hierzu im Einzelnen Rz. 19.58 ff.; zum Vergleich der Einkunftsarten des EStG einerseits und der DBA andererseits Dürrschmidt, Die Einkunftsarten im Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland und im Recht der Doppelbesteuerung. 3 Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 21; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 42; Debatin in FS Scherpf, 305 (315); Wassermeyer, in Vogel/Wassermeyer u.a., Freistellung im Internationalen Steuerrecht, 21 (23 f.); Amann, DB 1997, 796 (797). 4 Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 21. 5 Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 21 f.; Schönfeld/Häck in S/D, Systematik Rz. 42. 6 Kapitalgesellschaften gem. § 8 Abs. 2 KStG. 7 Z.B. GmbH & Co. KG gem. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
(Art. 21 OECD-MA) sichergestellt ist, dass alle Einkünfte und sämtliches Vermögen erfasst werden. 19.215
Für die Einordnung der Einkünfte unter die Einkünftekategorien der Verteilungsnormen sind sachliche Kriterien maßgeblich, so dass darauf abzustellen ist, auf welche Ursachen die Entstehung der Einkünfte zurückzuführen ist.1 Diese sachlichen Zuordnungskriterien sind insbesondere für Vorauseinkünfte und für nachträgliche Einkünfte von Bedeutung. So sind etwa nachträgliche Einkünfte einer bereits aufgelösten Betriebsstätte gleichwohl als Betriebsstätteneinkünfte (Art. 7 Abs. 2 OECD-MA) zu qualifizieren (Rz. 21.95 ff.). Entsprechendes gilt für vorweggenommene und nachträgliche, nicht aber für vergebliche Aufwendungen (Rz. 21.95).2
19.216
Verteilungsnormen, die zu einer Steuerfreistellung im Quellenstaat oder im Wohnsitzstaat führen, bewirken im Grundsatz die Vermeidung der virtuellen Doppelbesteuerung, weil die Steuerfreistellung grundsätzlich unabhängig davon ist, ob die freigestellten Einkünfte von dem anderen Staat besteuert werden3 und eine geschuldete Steuer tatsächlich erhoben wird.4 In einigen, insbesondere den jüngeren deutschen DBA steht die Steuerfreistellung im Wohnsitzstaat oder im Quellenstaat allerdings unter dem Vorbehalt, dass die betreffenden Einkünfte im jeweils anderen Vertragsstaat tatsächlich besteuert worden sind.5
19.217
DBA sehen im Rahmen der vorgenannten Verteilungsnormen mitunter Besonderheiten dahingehend vor, dass die Steuerfreistellung durch den Quellenstaat nur die an den Wohnsitzstaat transferierten Beträge erfasst.6 In diesen Fällen wird die Steuerfreistellung in aller Regel durch die Steueranrechnung ersetzt.7 Durch diese Einschränkungen wird im Ergebnis lediglich die effektive Doppelbesteuerung vermieden.
19.218
Die Reichweite der abkommensrechtlichen Verteilungsnormen ist begrenzt: Sie enthalten durchweg keine Regeln über die Einkünfteermittlung und -zurechnung so dass abkommensrechtlich beides dem innerstaatlichen Recht vorbehalten ist.8 Im Hinblick darauf sind die diesbezüglichen Regeln jeweils dem nationalen Recht zu entnehmen. Das bedeutet, dass aus der Sicht des deutschen Steuer1 BFH v. 28.10.2009 – I R 99/08, BStBl. II 2011, 1019; Dürrschmidt in V/L6, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 8 ff.; Lang, M., SWI 1999, 282 (283); a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 17; vgl. ausführlich Wassermeyer, IStR 2010, 461 ff. 2 BFH v. 20.5.2015 – I R 75/14, BFH/NV 2015, 1687 mit Anm. Dürrschmidt, IStR 2015, 885; a.A. Ditz in S/D, Art. 7 (2008) OECD-MA Rz. 188; Wassermeyer, IStR 2011, 361 (368); Gosch, IStR 2015, 709 (711 ff.); anders zum (vergeblichem) Gründungsaufwand BFH v. 26.2.2014 – I R 56/12, BStBl. II 2014, 703; Gosch, IStR 2015, 709 (713). 3 RFH v. 29.2.1940, RStBl. 1940, 532; BFH v. 13.9.1972 – I R 130/70, BStBl. II 1973, 57; v. 31.7.1974 – I R 27/73, BStBl. II 1975, 61; vgl. auch Rz. 15.8. 4 BFH v. 31.7.1974 – I R 27/73, BStBl. II 1975, 61. 5 Zu dieser Subject-to-Tax-Klausel Dürrschmidt in V/L6, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 19 ff. mit einer Übersicht über die einschlägigen DBA. 6 Zu dieser Remittance-Klausel Dürrschmidt in V/L6, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 18 mit einem Überblick über die einschlägigen DBA. 7 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 72. 8 Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 21; Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 15; Häck in F/W/K, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 55.
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L. Verteilung der Steuergüter
rechts die unter die abkommensrechtlichen Verteilungsnormen fallenden Einkünfte entweder im Rahmen eines Bestandsvergleichs nach den §§ 4 Abs. 1; 5 Abs. 1 EStG, einer Überschussrechnung gem. § 4 Abs. 3 EStG oder durch Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu ermitteln sind. Diese an den Regeln des jeweiligen nationalen Rechts orientierte Einkünfteermittlung wird indessen durch die abkommensspezifische isolierende Betrachtungsweise, wonach etwa die für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren maßgeblichen Verteilungsnormen im Grundsatz1 unabhängig davon eingreifen, ob die vorbezeichneten Einkünfte in einem Betriebs- oder Privatvermögen erzielt werden, im Sinne einer einheitlichen Einkünfteermittlung modifiziert. Hieraus folgt, dass auch Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren, die nach innerstaatlichem deutschen Steuerrecht zu den Gewinneinkunftsarten gehören, nur mit dem Betrag angesetzt werden können, der auch bei einer im Inland ansässigen Person, die diese Einkünfte im Privatvermögen erzielt, als Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG), Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) oder sonstige Einkünfte (§ 22 EStG) zu berücksichtigen wäre. Als Betriebsausgaben können hiernach von den entsprechenden ausländischen Erwerbsbezügen nur solche Erwerbsaufwendungen abgezogen werden, die dem Grunde nach auch als Werbungskosten bei den Überschusseinkünften abgezogen werden könnten.2 Hieraus folgt, dass etwa wechselkursbedingte Wertminderungen bei Darlehen, soweit diese nicht tatsächlich zu einer Betriebsstätte gehören (Art. 11 Abs. 4 OECD-MA), sich erst bei Rückzahlung der Darlehen auswirken.3 Dieser im Abkommensrecht angelegte Systemansatz wird allerdings in den Fällen, in denen die Doppelbesteuerung durch Anrechnung vermieden wird, durch § 34c Abs. 1 Satz 4, Abs. 6 Satz 1 EStG überlagert: Für Zwecke der Höchstbetragsberechnung werden bei der Ermittlung der ausländischen Einkünfte auch Betriebsausgaben berücksichtigt, die bei Überschusseinkünften nicht als Werbungskosten abgesetzt werden könnten und zudem in einem bloß mittelbaren Zusammenhang mit ausländischen Einnahmen stehen, so dass hierdurch das Anrechnungsvolumen gekürzt wird (Rz. 18.70 ff.).
II. Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen Literatur Kommentare zu Art. 6 OECD-MA; Airs Randell, Deutsche Investitionen in britischen Immobilien, IStR 1993, 160; Böhl/Schmidt-Naschke/Böttcher, Besteuerung von Vermietungseinkünften bei Direktinvestitionen in Deutschland, IStR 2008, 651; Cloer, Die Immobilien im Abkommensrecht, PIStB 2005, 315; Debatin, Die Land- und Forstwirtschaft im Spiegel des Internationalen Steuerrechts, DB 1988, 1285, Erichsen, Bauherrenmodelle in der Bundesrepublik Deutschland und Wegzug in ein DBA-Land, FR 1981, 504; Erichsen, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bei Progressionsvorbehalt im Netzwerk bilateraler Doppelbesteuerungsverträge, DB 1979, 515; Hoheisel, Ertragsteuerliche Folgen bei der Investition in einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb im Ausland, IWB 2010, 521; Holthaus, 1 Ausnahme: Betriebsstättenvorbehalte gem. Art. 10 Abs. 5, 11 Abs. 4, 12 Abs. 3 OECDMA. 2 BFH v. 16.3.1994 – I R 42/93, BStBl. II 1994, 799 = IStR 1995, 71 m. Anm. Piltz. 3 Berücksichtigt werden also nur realisierte Wertveränderungen; hierzu BFH v. 11.6.1996 – I B 33/95, BFH/NV 1997, 23.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) Ausländische Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen und deren Veräußerung nach den DBA, IStR 2011, 385; Kessler/Arnold, Gedanken zur Behandlung von unbeweglichem Vermögen in der deutschen DBA-Verhandlungsgrundlage, ISR 2014, 9; Parsche/Haug/Marcelo u.a., Internationaler Vergleich der Systeme zur Besteuerung der Land- und Forstwirtschaft, München 2001; Reimer, Seminar I: Unbewegliches Vermögen und DBA, IStR 2011, 677; Schmidt/Dendorfer, Beteiligungen an US-Amerikanischen Immobilienfonds, IStR 2000, 46.
1. Allgemeines 19.219
Für die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen bleibt im Grundsatz die Steuerberechtigung des Quellenstaates uneingeschränkt aufrechterhalten.1 Damit hat der Ausgleich der Doppelbesteuerung durch den Wohnsitzstaat zu erfolgen, was in der deutschen Vertragspraxis überwiegend durch Steuerfreistellung geschieht.2
19.220
Die deutschen DBA folgen der Konzeption des Art. 6 OECD-MA, so dass sie unvollständige Verteilungsnormen (zum Begriff Rz. 19.213) enthalten.3 Durch die Aufrechterhaltung des Besteuerungsrechtes des Quellenstaates, das heißt hier des Belegenheitsstaates, wird das Belegenheitsprinzip verwirklicht, das im Internationalen Privatrecht seine Parallele in der dort verankerten lex rei sitae findet (Art. 43 EGBGB).
19.221
Rechtfertigungsgrund für das Belegenheitsprinzip ist die enge wirtschaftliche Beziehung des Belegenheitsstaates zu dem unbeweglichen Vermögen als fundierte Einkommensquelle.4
19.222
Die entsprechenden Verteilungsnormen der deutschen DBA folgen dem Belegenheitsprinzip, das grundsätzlich unabhängig davon eingreift, ob das unbewegliche Vermögen dem land- und forstwirtschaftlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Betriebsvermögen oder dem privaten Vermögen oder auf Abkommensebene einem unternehmerischen Vermögen zuzuordnen ist.5 Auf Abkommensebene bewirkt der Vorrang des Belegenheitsprinzips (Art. 6 Abs. 4 OECD-MA) dass nicht nur die Einkünfte aus dem im anderen Vertragsstaat belegenen6 unbeweglichen Vermögen selbst, sondern auch solche aufgrund der Einräumung von Rechten an unbeweglichem Vermögen, etwa aus Ausbeutungsrechten erfasst werden.7 Hieraus folgt, dass Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen im Quellenstaat (Belegenheitsstaat) auch dann besteuert werden dürfen, wenn das unbe1 Art. 6 OECD-MA. 2 Abkommensübersicht bei Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 16. Anders bspw. im DBA-Schweiz; s. hierzu Häck in F/W/K, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 157 (Anrechnungsmethode). 3 Zur Ausgestaltung des Art. 6 DE-VG Kessler/Arnold, ISR 2014, 9 ff. 4 OECD-MK zu Art. 6 OECD-MA, Ziff. 1 zu Art. 6; Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 3; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 1; Lieber in S/D, Art. 6 OECD-MA Rz. 1. 5 Art. 6 Abs. 4 OECD-MA; OECD-MK zu Art. 6 OECD-MA, Ziff. 4; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 11, 101 ff.; Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 200. 6 Für im Wohnsitzstaat oder in Drittstaaten belegenes unbewegliches Vermögen gilt Art. 21 OECD-MA; Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 32 f. 7 Lizenzgebühren für die Ausbeutungsrechte (mineral royalties) fallen daher nicht unter Art. 12 OECD-MA; Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 10; Lieber in S/D, Art. 6 OECD-MA Rz. 20; Häck in F/W/K, Art. 12 DBA-Schweiz Rz. 5.
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L. Verteilung der Steuergüter
wegliche Vermögen zwar einem Unternehmen zuzuordnen ist, der Unternehmer aber im Quellenstaat (Belegenheitsstaat) keine Betriebsstätte unterhält.1 Zinseinkünfte aus grundpfandrechtlich gesicherten Forderungen liegen dagegen grundsätzlich außerhalb der Reichweite des Belegenheitsprinzips, so dass insoweit die betreffenden Zinsartikel (Art. 11 OECD-MA) Anwendung finden.2
19.223
2. Begriffsabgrenzung nach dem Recht des Belegenheitsstaates Die die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen betreffenden Verteilungsnormen verweisen wegen des Begriffs „unbewegliches Vermögen“ als für die Einkünfteerzielung maßgebliche Erwerbsgrundlage3 auf das Recht des Belegenheitsstaates (Art. 6 Abs. 2 OECD-MA), wodurch die dortigen Begriffsdefinitionen zum Vertragsinhalt erhoben und die diesbezüglichen Begriffe des Belegenheitsstaates zu Abkommensbegriffen werden.4 Hierzu gehört auch der Begriff „land- und forstwirtschaftlicher Betrieb“, der gem. Art. 6 Abs. 1 OECD-MA dem unbeweglichen Vermögen zugeordnet ist.5 Diese Verweisung schließt eine Einkünftequalifikation nach den Regeln des Wohnsitzstaates von vornherein aus.6 Die Maßgeblichkeit des Rechts des Belegenheitsstaates hat allerdings seine Grenze im Abkommenstext selbst. So ergibt etwa dessen Auslegung, dass von Art. 6 OECD-MA lediglich grundvermögensbezogene Einkünfte, insbesondere solche aus Land- und Forstwirtschaft erfasst werden. Nicht grundvermögensbezogene Einkünfte, mögen sie auch aus der Sicht des deutschen Steuerrechts als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft zu qualifizieren sein, werden nicht erfasst, so dass etwa Einkünfte aus Imkerei, Vogelzucht und Fischzucht nicht zu den Einkünften aus unbeweglichem Vermögen, sondern zu den Unternehmensgewinnen zählen.7 Das Rückgriffsverbot auf das Recht des Anwendungsstaates gilt nur für die Einstufung der Einkünfte, nicht dagegen für die Einkünfteermittlung.8 Hierfür gelten mangels abkommensrechtlicher Auslegungskriterien ausschließlich die Regeln des jeweiligen innerstaatlichen Rechts.9 Hieraus folgt, dass die Ein1 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 102; Kerssenbrock in S/K/K, Art. 6 OECD-MA Rz. 96; wegen Art. 7 Abs. 7 OECD-MA hat Art. 6 Abs. 4 OECD-MA nur deklaratorische Bedeutung; hierzu Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 201; Lieber in S/D, Art. 6 OECD-MA Rz. 11 2 OECD-MK zu Art. 11 OECD-MA, Ziff. 18; Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 9; Häck in F/W/K, Art. 11 DBA-Schweiz Rz. 6; Lieber in S/D, Art. 6 OECD-MA Rz. 18; Pöllath/ Lohbeck in V/L6, Art. 11 OECD-MA Rz. 83 mit einer Übersicht über die Abkommen, nach denen Hypothekenzinsen ausnahmsweise unter Art. 11 OECD-MA fallen. 3 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 12. 4 Debatin, DB 1988, 1285 (1288). 5 Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 66; Galke/Haase in Haase3, Art. 6 OECD-MA Rz. 75; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 16, der insoweit über Art. 3 Abs. 2 OECD-MA auf die Begriffswelt des nationalen Rechts zurückgreifen will. 6 Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 66; Reimer, IStR 2011, 677 (678). 7 Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 38 f., 66; Galke/Haase in Haase3, Art. 6 OECD-MA Rz. 80 f.; Hoheisel, IWB 2010, 521 (524); a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 16; Lieber in S/D, Art. 6 OECD-MA Rz. 31. 8 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 12, 15; Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 15. 9 Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 15; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 12, 15.
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19.224
Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
künfte aus der Sicht des deutschen Steuerrechts entsprechend dem grundlegenden Nettoprinzip als Nettoeinkünfte (Reineinkünfte) zu verstehen und im Übrigen entweder durch Betriebsvermögensvergleich (§§ 4 Abs. 1, 5 EStG) oder durch Überschuss der Einnahmen über die Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 3 EStG) oder Werbungskosten (§§ 2 Abs. 2 Nr. 2, 8; 9 EStG) zu ermitteln sind.1 Wem diese Einkünfte zuzurechnen sind, ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus Art. 6 OECDMA, dem Art. 6 Abs. 3 OECD-MA lässt sich aber entnehmen, dass demjenigen die Einkünfte zuzurechnen sind, der das unbewegliche Vermögen entweder selbst nutzt oder einer anderen Person zur Nutzung überlässt. Da es einer weitergehenden abkommensrechtlichen Konkretisierung entbehrt, darf (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA) in dem vorstehend durch Art. 6 Abs. 3 OECD-MA gesteckten Rahmen auf innerstaatliches Recht zurückgegriffen werden.2 19.225
Die Qualifikationsverweisung3 auf das Recht des Belegenheitsstaates bezieht dessen gesamte Rechtsordnung mit ein.4 Ergeben sich dabei Bedeutungsunterschiede etwa zwischen Privatrecht einerseits und Steuerrecht andererseits, so hat im Zweifel die steuerrechtliche Bedeutung Vorrang.5 Die Qualifikationsverweisung auf das Recht des Belegenheitsstaates6 findet allerdings ihre Schranken in der deutschen Vertragspraxis dadurch, dass die betreffenden Verteilungsnormen für bestimmte Vermögenswerte einen Positiv-Katalog und einen NegativKatalog enthalten. Der Positiv-Katalog7 umfasst als unbewegliches Vermögen – – – – –
19.226
das Zubehör, das lebende und tote Inventar land- und forstwirtschaftlicher Betriebe, die Rechte, für die die Vorschriften des Privatrechts über Grundstücke gelten, Nutzungsrechte an unbeweglichem Vermögen und Rechte auf veränderliche oder feste Vergütungen für die Ausbeutung oder das Recht auf Ausbeutung von Mineralvorkommen, Quellen und anderen Bodenschätzen.8
Zum Negativ-Katalog (Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 OECD-MA) zählen demgegenüber Schiffe und Luftfahrzeuge. Die Einkünfte aus dem Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen unterliegen der besonderen Verteilungsnorm des Art. 8 OECD-MA. 3. Reichweite des Belegenheitsprinzips
19.227
Das Belegenheitsprinzip gilt für Einkünfte aus jeder Art der Nutzung unbeweglichen Vermögens (Art. 6 Abs. 3 OECD-MA). Hierzu gehört nicht nur die unmit1 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 12; Lieber in S/D, Art. 6 OECD-MA Rz. 32. 2 Zu Einzelheiten Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 19. 3 Es handelt sich um eine dynamische Verweisung, hierzu Rz. 19.60. 4 Vgl. BFH v. 19.5.1982 – I R 257/78, BStBl. II 1982, 768. 5 Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 67; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 32. 6 Zu den einzelnen Begriffen aus der Sicht des deutschen Steuerrechts Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 33 ff. 7 Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 OECD-MA. 8 Zu Einzelheiten Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 Rz. 53 ff.
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L. Verteilung der Steuergüter
telbare Nutzung sowie die Vermietung oder Verpachtung, sondern auch jede andere Art der Nutzung.1 Der Kreis der den Einkünften aus unbeweglichem Vermögen zuzuordnenden Einkunftsquellen wird daher sehr weit gezogen. Hierunter fallen insbesondere Einkünfte aus der Bestellung von Erbbaurechten (Erbbauzinsen),2 aus Abstandszahlungen an den Verpächter wegen vorzeitiger Entlassung des Pächters aus dem Pachtverhältnis,3 aus Mieten auf Grund von Immobilienleasing, solange die Immobilie nach Maßgabe des betreffenden nationalen Steuerrechts dem Leasinggeber zuzurechnen ist,4 aus dem Abbau und aus der Veräußerung von geologischen und biologischen Früchten des Grundstücks,5 aus der Ausbeutung von Bodenschätzen,6 aus der Nutzung von Erdwärme,7 aus der Untervermietung,8 aus geschlossenen Immobilienfonds9 sowie aus der entgeltlichen Überlassung auf Grund des Nießbrauchs, soweit der Nießbraucher also selbst vermietet.10 Nicht dazu gehören allerdings Einkünfte aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens;11 diese Einkünfte unterfallen der Regelung des Art. 13 OECD-MA.
III. Unternehmensgewinne Literatur Kommentare zu Art. 7 OECD-MA; Becker/Günkel, Betriebsaufspaltung über die Grenze, in FS für Schmidt, München 1993, 483; Bendlinger, Paradigmenwechsel bei der Auslegung des Betriebsstättenbegriffs im DBA-Recht durch die OECD, SWI 2006, 358; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, Berlin 2004; Gebbers, Zur Besteuerung der internationalen Betriebsaufspaltung durch Grundstücksvermietung, RIW 1984, 711; Günkel/Kussel, Betriebsaufspaltung mit ausländischer Besitzgesellschaft, FR 1980, 553; Knechtle, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, Basel/Stuttgart 1976; Krabbe, Personengesellschaften und Unternehmensgewinne nach den DBA, IStR 2002, 145; Krabbe, Qualifikationskonflikte bei atypischen stillen Gesellschaften, IStR 1999, 591; Müller, Die atypisch ausgestaltete stille Gesellschaft im Abkommensrecht, IStR 1996, 266; Piltz, Betriebsaufspaltung über die Grenze?, DB 1981, 2044; Piltz, Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen unter den Doppelbesteuerungsabkommen (OECD-Musterabkommen und DBA-Schweiz), IStR 1996, 457; Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, Köln 2001; Preuninger, Rechtsprobleme des Funktionswandels deutscher DBA, Diss. Mannheim 1980; Pyszka, Aktuelle Fragen zur atypischen stillen Gesellschaft im Internationalen Steuer1 Zu diesen unklaren Begriffen Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 91. 2 Ellsel in G/K/G, Art. 6 OECD-MA Rz. 225; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 64; Lieber in S/D, Art. 6 OECD-MA Rz. 53. 3 Vgl. BFH v. 28.4.1982 – I R 151/78, BStBl. II 1982, 566; Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 141; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 71. 4 Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 142, 184. 5 Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 144. 6 Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 166; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 66, 79. 7 Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 169. 8 Eigentum ist also nicht erforderlich; Reimer in V/L6, Art. 6 OECD-MA Rz. 183. 9 Lieber in S/D, Art. 6 OECD-MA Rz. 58. 10 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 72; anders beim sog. Ertragsnießbrauch, bei dem der Eigentümer als Vermieter auftritt (BFH v. 26.4.1983 – VIII R 205/80, BStBl. II 1983, 502); hierzu Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 19. 11 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 91.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) recht, IStR 1999, 577; Remberg, Betriebsstätten-Gewinnermittlung im Blickpunkt der OECD – Fallbeispiel: Großanlagenbau, StbJb 2005/06, 179; Schmidt, Die atypisch stille Gesellschaft im deutschen Internationalen Steuerrecht – wie begründet ist die herrschende Meinung?, IStR 1996, 213; Schnieder, Die atypisch stille Gesellschaft im Recht der deutschen DBA, IStR 1999, 392; Strobl/Schäfer, Berücksichtigung von Auslandsverlusten bei atypisch stiller Gesellschaft, IStR 1993, 206; Wagemann, Verschärfungen des Betriebsstättenbegriffs nach OECD-MA, IWB 2016, 14; Wassermeyer, Einkommen und Vermögen im Abkommensrecht, in FS für Beisse, Düsseldorf 1997, 529; Wassermeyer, Die Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen auf Personengesellschaften, IStR 2007, 413; Wassermeyer, Über Unternehmensgewinne im Sinne des Art. 7 OECD-MA, IStR 2010, 37; Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Köln 2006; Wassermeyer/Richter/ Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2. Aufl. Köln 2015; Wichmann, Aktuelle Tendenzen der OECD-Arbeiten zur Betriebsstätte, insbesondere bei Vertretern und Dienstleistungen, StbJB 2004/05, 93; Wolff, Auslegungsfragen zu DBA-Regelungen über Unternehmensgewinne, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 647.
1. Allgemeines 19.229
Für Unternehmensgewinne gilt ein duales Verteilungssystem: Vom Ausgangspunkt her steht die Steuerberechtigung ausschließlich dem Wohnsitzstaat zu (Art. 7 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 1 OECD-MA), so dass sich insoweit das Wohnsitzprinzip verwirklicht. Die entsprechenden Verteilungsnormen der DBA stellen daher vollständige Verteilungsnormen dar.
19.230
Unterhält das Unternehmen in dem anderen Vertragsstaat eine Betriebsstätte, so können die Unternehmensgewinne im Betriebsstättenstaat insoweit besteuert werden, als sie der Betriebsstätte dort zugerechnet werden können (Art. 7 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 2 und Abs. 2 OECD-MA). Dieses Betriebsstättenprinzip artikuliert sich mithin in einer unvollständigen Verteilungsnorm, so dass es dem Wohnsitzstaat überlassen bleibt, die Doppelbesteuerung zu vermeiden. In den deutschen DBA geschieht dies überwiegend durch die Freistellungsmethode.
19.231
Es entspricht der internationalen Besteuerungspraxis, den Kreis der den Unternehmensgewinnen zuzuordnenden Einkünfte weit zu ziehen.1 Demgegenüber bleibt die Reichweite der Betriebsstätteneinkünfte aufgrund des eng gefassten Betriebsstättenbegriffs (Art. 5 OECD-MA) weit dahinter zurück. Tendenziell geht damit das Betriebsstättenprinzip zu Lasten der kapitalimportierenden Staaten, da diese ein Besteuerungsrecht nur an Investitionen der Unternehmen der kapitalexportierenden Länder knüpfen können. Solange aber diese Unternehmen Gewinne etwa aus Warenlieferungen erzielen, gehen die kapitalimportierenden Länder leer aus, obwohl diese Gewinne nicht nur auf der Produktion der Waren im Wohnsitzstaat, sondern auch darauf beruhen, dass diese Waren im Empfängerstaat abgesetzt werden können.2 Dieses Ungleichgewicht in der Verteilung des Steuergutes benachteiligt insbesondere Entwicklungsländer.3 Im Hinblick darauf 1 Ab 2000 zählen nach den OECD-MA hierzu auch die im früheren Art. 14 geregelten Einkünfte aus selbständiger Arbeit. 2 Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 3. 3 Zu den Interessengegensätzen von Entwicklungs- und Industrieländern beim Abschluss von DBA Knechtle, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, Basel/Stuttgart 1976, 205; Preuninger, Rechtsprobleme des Funktionswandels deutscher DBA, Diss. Mannheim 1980, 285 ff.
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L. Verteilung der Steuergüter
enthalten vor allem die DBA mit Entwicklungsländern eine Erweiterung der Betriebsstättenbesteuerung, die sich insbesondere darin zeigt, dass Bauausführungen und Montagen nicht erst bei einer Dauer von mehr als 12 Monaten, sondern bereits nach sechs Monaten als Betriebsstätten gelten.1 Darüber hinaus ist seit Jahren ohnehin die Tendenz erkennbar, die Anforderungen für das Vorhandensein einer Betriebsstätte abzusenken,2 was durchweg nicht im Interesse der Industriestaaten liegt.3 Aus dem Betriebsstättenprinzip folgt als Kehrseite das Verbot des Betriebsstättenstaates, Betriebsstätten von Unternehmen des anderen Vertragsstaates gegenüber gleichartigen eigenen Unternehmen steuerlich schlechter zu stellen.4 Dieses Diskriminierungsverbot dient der Wettbewerbsneutralität in dem Sinne, dass in- und ausländische Unternehmen für ihre Tätigkeit auf ein und demselben Markt die gleichen steuerlichen Bedingungen vorfinden sollen. In den deutschen DBA wird dem Gesichtspunkt der Wettbewerbsneutralität zusätzlich noch dadurch Rechnung getragen, dass Betriebsstättengewinne im Wohnsitzstaat zumeist freigestellt werden. Im Grundsatz ist damit allein die Besteuerung im Betriebsstättenstaat maßgeblich. Da Träger der internationalen Wirtschaftstätigkeit überwiegend Unternehmen sind, sind die Unternehmensgewinne, die weitgehend den Einkünften aus nicht grundstücksbezogener Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG), aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) und aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG)5 entsprechen, die wichtigste Einkunftsart auf Abkommensebene. Die diesbezüglichen Verteilungsnormen der DBA haben daher eine zentrale Bedeutung. Diese Verteilungsnormen werden ergänzt um Gewinnberichtigungsvorschriften (Art. 9 OECDMA) sowie Sonderverteilungsnormen, die Unternehmensgewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen, Binnenschiffen und Luftfahrzeugen erfassen (Art. 8 OECD-MA).
19.232
Einkünfte, für die die Voraussetzungen anderer Verteilungsnormen erfüllt sind, etwa für aus dem anderen Vertragsstaat (Quellenstaat) bezogene Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen (Art. 6 OECD-MA), Dividenden (Art. 10 OECD-MA), Zinsen (Art. 11 OECD-MA) und Lizenzgebühren (Art. 12 OECD-MA) sowie für andere Einkünfte (Art. 21 OECD-MA)6 sind nicht Unternehmensgewinne. Vorrangig sind insoweit die speziellen Verteilungsnormen (Art. 7 Abs. 7 OECD-MA) soweit nicht für Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren und für andere Einkünfte der sog. Betriebsstättenvorbehalt eingreift. In diesen Fällen sind aus dem Betriebsstättenstaat stammende Dividenden, Zinsen, Lizenzgebühren und andere
19.233
1 Abkommensübersicht bei Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 74. 2 Vgl. OECD-MK zu Art. 5 Rz. 2–11; hierzu Wichmann, StbJB 2004/05, 93 ff.; Remberg, StbJb 2005/6, 179 (186); Bendlinger, SWI 2006, 358 ff.; Häck in F/W/K, Art. 5 DBASchweiz Rz. 36 ff. 3 Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 115 f. 4 Art. 24 Abs. 4 OECD-MA; zum Diskriminierungsverbot Rz. 4.51 ff. 5 Seit 2000; zu Einzelheiten Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 11 f. 6 Art. 21 OECD-MA geht trotz seines Charakters als Auffangnorm vor; BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 175; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 355; Ditz in S/D, Art. 7 (2008) OECD-MA Rz. 229; a.A. Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 865.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
Einkünfte als Betriebsstättengewinne der Besteuerung des Betriebsstättenstaates zugewiesen (Art. 10 Abs. 4, Art. 11 Abs. 4, Art. 12 Abs. 3, Art. 21 Abs. 2 OECDMA). Da die Zuordnung zu den Unternehmensgewinnen nachrangig ist, soweit die Einkünfte außerhalb einer Betriebsstätte im Quellenstaat anfallen, gilt im Unterschied zu den Zuordnungsregeln des EStG1 ein umgekehrtes Subsidiaritätsprinzip.2 2. Begriffsabgrenzungen 19.234
Gegenstand der dem Wohnsitzstaat überlassenen Besteuerung sind die Gewinne eines dort ansässigen Unternehmens (Art. 7 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 1 OECD-MA). Aus abkommensrechtlicher Sicht bedeutet ein Unternehmen die Ausübung einer Geschäftstätigkeit (Art. 3 Abs. 1 Buchst. c OECD-MA), die auch die Ausübung einer freiberuflichen oder sonstigen selbständigen Tätigkeit mit einschließt (Art. 3 Abs. 1 Buchst. h OECD-MA). Der unscharfe Typusbegriff3 des „Unternehmens“ lässt sich abkommensautonom und grds. ohne Rückgriff auf das innerstaatliche Steuerrecht des Anwenderstaats auslegen.4 Die einzelnen Merkmale5 ähneln denen in § 15 Abs. 2 EStG „Unternehmen“ und „Gewerbebetrieb“, sind jedoch wegen der vom Einkommensteuerrecht abweichenden Abgrenzung der Einkunftsarten im Abkommensrecht6 nicht stets gleichzusetzen.7 Zu den (gewerblichen) Unternehmen i.S. der DBA zählen aus deutscher Sicht neben Einzelunternehmen (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG) und Kapitalgesellschaften (§ 8 Abs. 2 KStG) auch Beteiligungen an Personengesellschaften (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG).8 Auch Anteile an atypisch stillen Gesellschaften,9 bei der die Rechtsstellung des stillen Gesellschafters derjenigen eines Kommanditisten entspricht,10 gehören zu den Unternehmen i.S. der DBA. Dies hat zur Folge, dass der atypisch stille Beteiligte abkommensrechtlich nicht etwa Dividenden (Art. 10 OECD1 §§ 20 Abs. 3; 21 Abs. 3; 22 Nr. 1 EStG. 2 Zu den Einzelheiten Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 167 ff. mit Hinweisen auf DBA, in denen die Subsidiaritätsklausel fehlt. 3 Zur Qualität als Typusbegriff Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 30; allg. zum Typusbegriff Englisch in Tipke/Lang22, § 5 Rz. 53 f. 4 Vgl. BFH v. 27.10.2011 – I R 26/11, BStBl. II 2012, 457; Ditz in S/D, Art. 7 (2008) OECD-MA Rz. 50 ff.; Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 26 ff.; Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 29; Niehaves in Haase3, Art. 7 OECD-MA Rz. 43 ff.; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 16; Hruschka in S/D, Art. 5 OECD-MA Rz. 34. 5 Ausf. Ditz in S/D, Art. 7 (2008) OECD-MA Rz. 52. 6 Etwa wegen der umgekehrten Subsidiarität. 7 Im Ergebnis ebenso Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 28 ff.; Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 46; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 16. 8 Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 36 f.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 63; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 64. 9 Zur Abgrenzung zwischen typisch und atypisch stiller Gesellschaft Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 340 ff. 10 BFH v. 10.8.1978 – IV R 54/74, BStBl. II 1979, 74; v. 12.11.1985 – VIII R 364/83, BStBl. II 1986, 311; v. 21.7.1999 – I R 110/98, BStBl. II 1999, 812; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 93; Ditz in S/D, Art. 7 (2008) OECD-MA Rz. 59; Häck in F/W/K, Art. 11 DBA-Schweiz Rz. 68; Strobl/Schäfer, IStR 1993, 206 (210).
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MA) oder Zinsen (Art. 11 OECD-MA), sondern grundsätzlich Unternehmensgewinne erzielt.1 Unternehmen sind schließlich auch Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigungen (EWIV),2 die in allen Mitgliedstaaten nach dem Mitunternehmerkonzept (Art. 40 EWIV-VO) und dementsprechend im deutschen Recht als offene Handelsgesellschaften (§ 1 EWIV-AG) behandelt werden, soweit sie gewerbliche Einkünfte erzielen. Da abkommensberechtigt nur Personen (Rz. 19.170) sein können, werden in den Abkommensschutz nur solche Unternehmen einbezogen, die von Personen betrieben werden, die in dem einen und/oder anderen Vertragsstaat ansässig (Rz. 19.174 f.) sind. Mithin kommt es nicht auf den Ort an, an dem das Unternehmen betrieben wird, wo es Betriebsvermögen hat oder seine Tätigkeit entfaltet.3
19.235
Gegenstand der Regelung des Art. 7 OECD-MA sind Unternehmensgewinne, die mangels abkommensrechtlicher Definition entsprechend der Begriffsorientierung an § 15 Abs. 1 EStG aus deutscher Sicht im Kernbereich den Einkünften aus Gewerbebetrieb entsprechen, darüber hinaus aber auch Einkünfte aus nicht grundstücksbezogener Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG) und aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG)4 erfassen. Dem Rückgriff auf die entsprechende Begriffswelt des nationalen Steuerrechts (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA) werden allerdings durch die abkommensspezifische Subsidiaritätsregel des Art. 7 Abs. 7 OECD-MA sowie ganz allgemein durch die den Verteilungsnormen als Konzeption zugrunde liegende isolierende Betrachtungsweise (Rz. 19.214) Schranken gesetzt mit der Folge, dass der Abkommenszusammenhang (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA) die Anwendung von besonderen Subsidiaritätsregeln5 und Einkünftequalifikationsregeln6 des nationalen Rechts verbietet.7 Unternehmensgewinne sind daher Einkünfte aus selbständiger Erwerbstätigkeit, die nicht Nutzung unbeweglichen Vermögens (Art. 6 Abs. 3 OECD-MA) darstellt, soweit diese Einkünfte nicht unter die für Dividenden (Art. 10 OECD-MA), Zinsen (Art. 11 OECD-MA) und Li-
19.236
1 BFH v. 5.2.1965 – VI 338/63 U, BStBl. III 1965, 258, v. 23.10.1996 – I R 10/96, IStR 1997, 271; v. 21.7.1999 – I R 110/98, BStBl. II 1999, 812; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1.2; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 93; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 65; Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 53 ff.; Schnieder, IStR 1999, 392 ff.; Pyszka, IStR 1999, 577 ff.; Krabbe, IStR 1999, 591 ff.; Burmester in Haarmann (Hrsg.), Unternehmensstrukturen und Rechtsformen im Internationalen Steuerrecht, 122 ff.; Strobl/Schäfer, IStR 1993, 206 (210) Müller, IStR 1996, 266 ff.; Schmidt, IStR 1996, 213 ff. 2 Hemmelrath, in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 39, Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 102. 3 BFH v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211; Dürrschmidt in V/L6, Art. 3 OECD-MA Rz. 42; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 3 OECD-MA Rz. 25 ff. 4 Seit 2000; zu Einzelheiten Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 11 ff. 5 §§ 20 Abs. 3, 21 Abs. 3, 22 Nr. 1 EStG. 6 Z.B. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG (kodifizierte Abfärbetheorie; vgl. Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 185 ff.) und § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG (Fiktion der gewerblichen Einkünfte einer gewerblich geprägten Personengesellschaft; Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 212 ff.). 7 BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 41, 85; Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 57; BMF v. 26.9. 2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1 und 2.3.1 (anders noch BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 1.1.5.1).
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
zenzgebühren (Art. 12 OECD-MA) oder andere Einkünfte geltenden Verteilungsnormen fallen. Unternehmensgewinne, zu denen auch Verluste als negative Unternehmensgewinne zählen (Symmetriethese),1 sind ferner nicht ohne weiteres Einkünfte von Gewerbetrieben kraft Rechtsform,2 von gewerblich geprägten Personengesellschaften3 oder die im Rahmen einer Betriebsaufspaltung4 erzielten Einkünfte des Besitz- und Betriebsunternehmens. Sie sind es nur dann, wenn die Erwerbstätigkeit einer eigengewerblichen Tätigkeit entspricht und nicht spezielle Verteilungsnormen eingreifen. Daher gehören die Einkünfte aus der Verpachtung eines Betriebes auch dann nicht unbedingt zu den Unternehmensgewinnen, wenn eine Betriebsaufgabe nicht erklärt worden ist. Eine derartige gewerbliche Betriebsverpachtung ohne Betriebsaufgabeerklärung5 führt zwar nach innerstaatlichem Recht zu Einkünften aus Gewerbebetrieb; diese sind aber abkommensrechtlich insoweit keine Unternehmensgewinne, als Gegenstand der Betriebsverpachtung unbewegliches Vermögen ist. Wegen des umgekehrten Subsidiaritätsprinzips (Art. 7 Abs. 7 OECD-MA) handelt es sich in diesem Falle insoweit vielmehr um Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen, für die das Belegenheitsprinzip maßgeblich ist.6 19.237
Zu den Unternehmensgewinnen zählen aus deutscher Sicht bei Personengesellschaften nur originär gewerbliche Gewinne,7 allerdings nicht Zinsen, Lizenz-
1 BFH v. 9.11.1966 – I 29/65, BStBl. III 1967, 88; v. 11.3.1970 – I B 50/68, I B 3/69, I B 50/68, I B 3/69, BStBl. II 1970, 569; v. 23.3.1972 – I R 128/70, BStBl. II 1972, 948; v. 28.3.1973 – I R 59/71, BStBl. II 1973, 531; v. 20.11.1974 – I R 1/73, BFHE 114, 530; v. 25.2.1976 – I R 150/73, BStBl. II 1976, 454; v. 12.1.1983 – I R 90/79, BStBl. II 1983, 382; v. 5.6.1986 – IV R 338/84, BStBl. II 1986, 661; v. 6.10.1993 – I R 32/93, BStBl. II 1994, 113; v. 17.7.2008 – I R 84/04, BStBl. II 2009, 630; v. 9.6.2010 – I R 107/09, DStR 2010, 1611; v. 5.2.2014 – I R 48/11, BFH/NV 2014, 963; v. 26.2.2014 – I R 56/12, BStBl. II 2014, 703; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 152; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 85; zur Frage, ob Verluste im Rahmen der Freistellungsmethode zu berücksichtigen sind Rz. 19.532. 2 Kapitalgesellschaften gem. § 8 Abs. 2 KStG; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 41. 3 Z.B. GmbH & Co. KG’s gem. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG; BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BStBl. II 2014, 754 (zu US-Personengesellschaft); Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 85; Wassermeyer, IStR 2007, 413 (416); BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1 und 2.3.1 (anders noch BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Rz. 2.2.1); a.A. Krabbe, IStR 2002, 145 (148); Wolff in FS Wassermeyer, 647 (653 f.). 4 BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 34 ff. 5 Zu dem entsprechenden Wahlrecht und zu weiteren Einzelheiten Wacker in Schmidt35, § 16 EStG Rz. 690 ff. 6 Art. 6 Abs. 1 OECD-MA; vgl. auch Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 34. 7 BFH v. 28.4.2010 – I R 81/09, BStBl. II 2014, 754; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 16; Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 46; Strunk/Kaminski in S/K/K, Art. 7 OECD-MA Rz. 29 f.; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1 und 2.3.1 (anders noch BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 2.2.1); eine gewerbliche Prägung spielt abkommensrechtlich also keine Rolle; vgl. Rz. 19.236.
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Schaumburg/Häck
L. Verteilung der Steuergüter
gebühren oder ähnliche Vergütungen, die an die Gesellschaft gezahlt werden. Diese Sondervergütungen sind zwar aus der Sicht des innerstaatlichen Steuerrechts Deutschlands Einkünfte aus Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1, Halbs. 2 EStG), auf Abkommensebene1 sind sie, soweit nicht § 50d Abs. 10 EStG eingreift (Rz. 21.120 f.), aber regelmäßig als Zinsen (Art. 11 Abs. 3 OECDMA) oder als Lizenzgebühren (Art. 12 Abs. 2 OECD-MA) zu qualifizieren,2 wobei der in den für Dividenden, Zinsen und Lizenzvergütungen maßgeblichen Verteilungsnormen verankerte Betriebsstättenvorbehalt (Art. 10 Abs. 4, 11 Abs. 4 und 12 Abs. 3 OECD-MA) regelmäßig deshalb nicht eingreift, weil die diesen Sondervergütungen zugrunde liegenden Vermögenswerte nicht tatsächlich zu der von der Personengesellschaft unterhaltenen Betriebsstätte gehören.3 Entsprechendes gilt für aus deutscher Sicht zu qualifizierende Sonderbetriebseinnahmen: Das zugrunde liegende Sonderbetriebsvermögen4 wird nur in Ausnahmefällen5 tatsächlich zum Vermögen der Betriebsstätte der Personengesellschaft gehören.6 Sind die den Sondervergütungen und Sonderbetriebseinnahmen zugrunde liegenden Vermögenswerte etwa in Drittstaaten belegen, geht der Betriebsstättenvorbehalt ohnehin ins Leere, da hiervon von vornherein nur im Betriebsstättenstaat selbst belegenes Vermögen erfasst wird. Wie die Unternehmensgewinne zu ermitteln sind, ergibt sich nicht aus den Abkommen. Da auch aus dem Abkommenszusammenhang keine Orientierungspunkte für die Gewinnermittlung abgeleitet werden können, sind die Regeln 1 Vgl. die Subsidiaritätsklausel des Art. 7 Abs. 7 OECD-MA. 2 BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 27.2.1991 – I R 96/89, BFH/NV 1992, 385; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; v. 14.7.1993 – I R 71/92, BStBl. II 1994, 91; v. 31.5.1995 – I R 74/93, BStBl. II 1995, 683; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 21.7.1999 – I R 71/98, BStBl. II 2000, 336; v. 16.10.2002 – I R 17/01, BStBl. II 2003, 631; v. 10.8.2006 – II R 59/05, BStBl II 2009, 758; v. 20.12.2006 – I B 47/05, BStBl II 2009, 766; v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl II 2009, 356; Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 36, 58; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 99 ff.; a.A. BMF v. 26.9. 2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 5.1.1; nach Art. 7 Abs. 7 DBA-Schweiz sind dagegen Sondervergütungen als Unternehmensgewinne (gewerbliche Einkünfte) zu behandeln und somit auf § 15 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1, 2. Halbs, Nr. 3 EStG zugeschnitten; BFH v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211 mit kritischer Anm. von Debatin, RIW 1991, 355; v. 26.2.1992 – I R 85/90, RIW 1992, 689. 3 BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 27.2.1991 – I R 96/89, BFH/NV 1992, 385; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; v. 14.7.1993 – I R 71/92, BStBl. II 1994, 91; v. 31.5.1995 – I R 74/93, BStBl. II 1995, 683; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 23.10.1996 – I R 10/96, IStR 1997, 271; v. 17.12.1997 – I R 34/97, BStBl. II 1998. 296; v. 21.7.1999 – I R 110/98, BStBl. II 1999, 812; v. 20.12.2006 – I B 47/05, BStBl II 2009, 766; v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl II 2009, 356; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 101 f.; Lieber in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 328; a.A. BMF v. 26.9. 2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 5.1 unter Hinweis auf § 50d Abs. 10 EStG. 4 Zu Sonderbetriebsvermögen I und II Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 506 ff. 5 Für Anteile an der Komplementär-GmbH einer deutschen GmbH & Co. KG: BFH v. 26.2. 1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937. 6 BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 27.2.1991 – I R 96/89, BFH/NV 1992, 385; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; v. 14.7.1993 – I R 71/92, BStBl. II 1994, 91; v. 31.5.1995 – I R 74/93, BStBl. II 1995, 683; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 23.10.1996 – I R 10/96, IStR 1997, 271; v. 17.12.1997 – I R 34/97, BStBl. II 1998, 296; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 118 f.; Piltz, IStR 1996, 457 (459).
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19.238
Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
des nationalen Rechts des jeweiligen Anwenderstaates maßgeblich.1 Aus der Sicht des deutschen Steuerrechts gilt somit auch für die Ermittlung von Unternehmensgewinnen das grundlegende Nettoprinzip, so dass insoweit auch für Abkommenszwecke ein Betriebsausgabenabzug möglich ist. Das bedeutet auch, dass als Unternehmensgewinn positive und negative Einkünfte gleichermaßen erfasst werden (Symmetriethese).2 Der Unternehmensgewinn ist daher gem. §§ 4 Abs. 1, 3; 5 EStG zu ermitteln, wobei allerdings im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht Besonderheiten gelten (§§ 49 ff. EStG). Die für die Ermittlung des Unternehmensgewinns maßgeblichen Gewinnermittlungsvorschriften des nationalen Steuerrechts werden im Ergebnis nicht durch die in Art. 7 OECD-MA verankerten Regeln überlagert. Das gilt insbesondere für die gem. Art. 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 OECD-MA auszugrenzenden Betriebsstättengewinne: Beide Vorschriften betreffen nicht die Gewinnermittlung, sondern die auf einer nachfolgenden Stufe erforderliche Gewinnzuordnung.3 3. Betriebsstättengewinne a) Allgemeines 19.239
Das im Ausgangspunkt für Unternehmensgewinne maßgebliche Wohnsitzprinzip (Art. 7 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 1 i.V. mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. c OECD-MA) gilt nicht, wenn die Unternehmensgewinne in dem anderen Vertragsstaat im Rahmen einer dort gelegenen Betriebsstätte erzielt werden (Art. 7 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 2 OECD-MA).
19.240
In den deutschen DBA wird die Doppelbesteuerung insoweit im Grundsatz dadurch vermieden, dass die ausländischen Betriebsstättengewinne in Deutschland als Wohnsitzstaat unter Progressionsvorbehalt freigestellt werden.4 Wegen des internationalen Steuergefälles wird dadurch das in allen DBA verankerte Betriebsstättenprinzip zu einem zentralen Orientierungspunkt für die internationale Geschäftstätigkeit. Zugleich bedeutet das Betriebsstättenprinzip eine wichtige Wertentscheidung für die Verteilung des Steueraufkommens zwischen den 1 Art. 3 Abs. 2 OECD-MA; Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Art. 7 Rz. 21; Ditz in S/D, Art. 7 (2008) OECD-MA Rz. 60; Niehaves in Haase3, Art. 7 OECD-MA Rz. 52; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 151; Wassermeyer in FS Beisse, 529 (532 f.). 2 BFH v. 9.11.1966 – I 29/65, BStBl. III 1967, 88; v. 11.3.1970 – I B 50/68, I B 3/69, I B 50/68, I B 3/69, BStBl. II 1970, 569; v. 23.3.1972 – I R 128/70, BStBl. II 1972, 948; v. 28.3.1973 – I R 59/71, BStBl. II 1973, 531; v. 20.11.1974 – I R 1/73, BFHE 114, 530; v. 25.2.1976 – I R 150/73, BStBl. II 1976, 454; v. 12.1.1983 – I R 90/79, BStBl. II 1983, 382; v. 5.6.1986 – IV R 268/82, BStBl. II 1986, 659; v. 5.6.1986 – IV R 338/84, BStBl. II 1986, 661; v. 17.7.2008 – I R 84/04, BStBl. II 2009, 630; v. 29.11.2006 – I R 45/05, BStBl. II 2007, 398; v. 29.1.2008 – I R 85/06, BStBl. II 2008, 671; v. 11.3.2008 – I R 116/04, BFH/NV 2008, 1161; v. 3.2.2010 – I R 23/09, BStBl. II 2010, 599; v. 9.6.2010 – I R 107/09, BFH/NV 2010, 1744; v. 5.2.2014 – I R 48/11, BFH/NV 2014, 963; v. 26.2.2014 – I R 56/12, BStBl. II 2014, 703; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 151; ferner Rz. 19.532. 3 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 184. 4 Für ausländische Betriebsstättengewinne aus passivem Erwerb wird die Steuerfreistellung ggf. durch bilaterale oder unilaterale Aktivitätsklauseln durch die Steueranrechnung ersetzt; vgl. Rz. 19.151, 19.544.
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Schaumburg/Häck
L. Verteilung der Steuergüter
Vertragsstaaten: Die unternehmerische Tätigkeit soll erst dann von einem ausländischen Staat zum Anknüpfungspunkt für eine Besteuerung gemacht werden, wenn sie zu einer intensiven geschäftlichen Bindung an diesen Staat geführt hat.1 Unter diesem Gesichtspunkt gewinnt der in den jeweiligen DBA eigenständig formulierte Betriebsstättenbegriff (Art. 5 OECD-MA) mit seinen sachlichen und personellen Anknüpfungsmerkmalen für die Besteuerung im Betriebsstättenstaat eine erhebliche Bedeutung. b) Betriebsstättenbegriff Literatur Kommentare zu Art. 5 OECD-MA; Baehren, Die Behandlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Internationalen Steuerrecht unter besonderer Berücksichtigung der DBA der Bundesrepublik Deutschland, Diss. München 1957; Becker, Die Besteuerung regionaler Konzernverwaltungsstellen, DB 1984, 1847; Brunner, Die Betriebsstätte und ihre internationale Bedeutung als Steuerort, Diss. Bern 1954; Debatin, Zur Behandlung von Beteiligungen an Personengesellschaften unter den Doppelbesteuerungsabkommen im Lichte der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, BB 1992, 1181; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, Berlin 2004; Ditz, Verbundene Unternehmen als Betriebsstätte, IStR 2010, 553; Endres, Die Vertreterbetriebsstätte im Konzern, IStR 1996, 1; Feuerbaum, Internationale Besteuerung des Industrieanlagenbaus, 2. Aufl. Herne/Berlin 1983; Flick, Der Begriff der festen Betriebsstätte und seine Entwicklung, CDFI LII (1967), 443; Helling, Die Vertreterbetriebsstätte im Internationalen Steuerrecht, Hamburg 2009; IFA, Is there a permanent establishment?, Cahiers de Droit Fiscal International (CDFI), Vol. 94a (2009); Kaumanns, Die Erfassung von Baustellen des Auslandsbaus der deutschen Bauindustrie als ertrag- und vermögensteuerliches Problem des Internationalen deutschen Steuerrechts, Frankfurt 1992; Kolck, Der Betriebsstättenbegriff im nationalen und internationalen Steuerrecht, Diss. Münster 1974; Kraft/Weiß, Vertreterbetriebsstätte: Die geplante Reform des abkommensrechtlichen Begriffs der Vertreterbetriebsstätte und ihre Auswirkungen auf die Kommissionärsstrukturen international tätiger Konzerne, ISR 2016, 30; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, Köln 1982; Kunze, Der Begriff der Betriebsstätte und des ständigen Vertreters, Diss. Mannheim 1963; Mersmann, Die Ertragsbesteuerung inländischer Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ausländischer Kapitalgesellschaften, Heidelberg 1966; Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, Köln 2001; Puls, Die Betriebsstätte im Abgaben- und Abkommensrecht, Köln/Berlin/München 2005; Rasch/Dotterweich, Vertreterbetriebsstätte: Begründung durch Vertriebsstrukturen?, ISR 2014, 65; Schieber, Die Besteuerung von Auslandsbetriebsstätten, Köln 1979; Schürmann/Reinhardt, Beschränkte Einkommen- oder Körperschaftsteuerpflicht wegen inländischer Tochtergesellschaft „mit Abschlussvollmacht“?, AWD 1974, 603; Schweizer, Die Betriebsstätteneigenschaft von Bauausführungen und ihre gewerbesteuerliche Behandlung, Diss. München 1966; Selent, Ausländische Personengesellschaften im Ertrag- und Vermögensteuerrecht, Gelsenkirchen 1982; Spitaler, Die Einschränkung des Betriebsstättenprinzips im zwischenstaatlichen Steuerrecht, RIW 1956, 69; Storck, Ausländische Betriebsstätten im Ertrag- und Vermögensteuerrecht, Frankfurt/Deventer 1980; Strobl/Kollmann, Beschränkte Steuerpflicht durch Verbindungsbüros?, AWD 1969, 405; van der Ham/Retzer, BEPS Aktion Nr. 7 zu Betriebsstätten und 1 BFH v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 2; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 1; zu den internationalen Tendenzen, den Betriebsstättenbegriff, insbesondere im Zusammenhang mit sog. Dienstleistungsbetriebsstätten, aufzuweichen und auszuweiten Rosenberger/Vitali/Ziehr, IStR 2010, Beilage zu Heft 18, 1 ff.; Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 36 ff.; vgl. auch BEPS-Aktionspunkt 7 (Rz. 5.31).
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) die Auswirkungen auf die Betriebsstättengewinnabgrenzung, IStR 2016, 749; Wagemann, Verschärfungen des Betriebsstättenbegriffs nach OECD-MA, IWB 2016, 14; Wassermeyer, Eigenhändler versus Kommissionär im grenzüberschreitenden Ertragsteuerrecht, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 971; Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Köln 2006; Wiater/Bosch, National bestimmbare Steuerentstrickung unternehmerischer Erträge durch Nutzung des Internets?, IStR 1998, 757.
19.241
Da der Begriff der Betriebsstätte in den DBA eine eigenständige Regelung gefunden hat (Art. 5 OECD-MA), ist ein Rückgriff auf innerstaatliches Recht (§ 12 AO) grundsätzlich ausgeschlossen.1 Soweit indessen die in Art. 5 OECD-MA verwendeten Begriffe mit denen des § 12 AO identisch oder vergleichbar sind, z.B. Bauausführung, Montage, können bei der Auslegung der abkommensrechtlichen Begriffe auch die Begriffsinhalte nach dem Verständnis des innerstaatlichen Rechts hilfsweise Berücksichtigung finden.2 Im Unterschied zu § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, der für Zwecke der beschränkten Steuerpflicht für gewerbliche Einkünfte mit Betriebsstätte und ständigem Vertreter gesonderte Anknüpfungspunkte gewählt hat, sind auf Abkommensebene im Begriff der Betriebsstätte die sachlichen und personellen Anknüpfungspunkte für die Aufrechterhaltung der Quellenstaatbesteuerung für Unternehmensgewinne zusammengefasst.3 Da die sachlichen Anknüpfungspunkte im Vordergrund stehen, werden diese in der Praxis unter Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zumeist einer primären Prüfung unterzogen.4
19.242
Die DBA verstehen unter einer Betriebsstätte eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Tätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird (Art. 5 Abs. 1 OECD-MA). Zur festen Geschäftseinrichtung in diesem Sinne zählen alle dem Betrieb dienenden Sachen (körperliche Gegenstände), insbesondere Räumlichkeiten, soweit sie einen ausreichenden Bezug zu einem bestimmten Punkt der Erdoberfläche haben. Unter diesem Gesichtspunkt stellen etwa Bohrinseln,5 die fest mit dem Meeresboden verbunden sind, sowie ständig mit dem Ufer fest verbundene Schiffe,6 eine feste Geschäftseinrichtung dar. Unkörperliche Gegenstände vermitteln keine feste Geschäftseinrichtung, so dass weder Software noch eine Website eine Betriebsstätte sein können.7
19.243
Die feste Geschäftseinrichtung muss sich in der Verfügungsgewalt des Unternehmens befinden, dessen Gewinne für Zwecke der Verteilung zwischen Wohn-
1 Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 8; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 8; Hruschka in S/D, Art. 5 OECD-MA Rz. 32; Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 9. 2 Unter dieser Einschränkung kann daher auch auf die zu § 12 AO ergangene Rechtsprechung verwiesen werden. 3 Im Übrigen ist der Betriebsstättenbegriff der DBA enger als der des § 12 AO; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 9; Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 12. 4 OECD-MK zu Art. 5 Abs. 5 OECD-MA, Ziff. 35; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 6. 5 Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 13, 14; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 37. 6 Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 14; Hruschka in S/D, Art. 5 OECD-MA Rz. 40; Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 24. 7 Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 29; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 30; Hruschka in S/D, Art. 5 OECD-MA Rz. 37; Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 19; Wiater/Bosch, IStR 1998, 757 (758).
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L. Verteilung der Steuergüter
sitzstaat und Betriebsstättenstaat zur Disposition stehen.1 Abzustellen ist daher nicht nur auf Einzelunternehmen und Kapitalgesellschaften, sondern grundsätzlich auch auf Personengesellschaften.2 Soweit nach innerstaatlichem Recht des Anwenderstaates Gewinnanteile an einer Personengesellschaft den Gesellschaftern zugerechnet werden, ist Unternehmen im Sinne des Abkommens (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA) der Anteil des Gesellschafters am Unternehmen der Gesellschaft selbst.3 Folglich ist jede Betriebsstätte der Gesellschaft zugleich auch eine Betriebsstätte des Unternehmens eines jeden Gesellschafters,4 und zwar unabhängig davon, ob der Gesellschafter bei der Errichtung der betreffenden Betriebsstätte mitgewirkt hat oder dort tätig ist. Es reicht aus, dass entweder die Personengesellschaft selbst oder einer der Gesellschafter Verfügungsmacht hat,5 wobei in Fällen, in denen der Personengesellschaft Sonderbetriebsvermögen zur Nutzung überlassen wird, der betreffende Mitunternehmer insoweit eine eigene Mitunternehmerbetriebsstätte unterhalten kann.6 Ob die Verfügungsmacht über eine feste Geschäftseinrichtung rechtlicher oder tatsächlicher Art ist, spielt keine Rolle.7 Entscheidend ist, dass die Verfügungsmacht nicht ohne weiteres entzogen werden kann.8 Daher kann eine Verfügungsmacht schon dann angenommen werden, wenn ein leitender Angestellter des Unternehmens entsprechende Räumlichkeiten, in denen der Betrieb des Unternehmens ausgeübt wird, unter seinem Namen angemietet hat.9 Das Erfordernis der Verfügungsgewalt des 1 Ständige Rechtsprechung, z.B. BFH v. 18.3.1976 – IV R 168/72, BStBl. II 1976, 365; v. 11.10.1989 – I R 77/88, BStBl. II 1990, 166; v. 16.5.1990 – I R 113/87, BStBl. II 1990, 983; v. 3.2.1993 – I R 80/91, I R 81/91, BStBl. II 1993, 462; v. 4.6.2008 – I R 30/07, BStBl. II 2008, 922; v. 24.8.2011 – I R 46/10, BStBl. II 2014, 764; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 16; Rehfeld in G/K/G, Art. 5 OECD-MA Rz. 48 ff.; Haase in Haase3, Art. 5 OECD-MA Rz. 76 ff.; Mössner in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 2.106 ff.; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 42, 42a. 2 Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 18; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 44; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 184. 3 BFH v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; Hemmelrath in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 37; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 44; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 184; Hruschka in S/D, Art. 5 OECD-MA Rz. 64; Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 35; Debatin, BB 1992, 1181 (1182 f.). 4 Das gilt auch bei doppelstöckigen Personengesellschaften für die Gesellschafter der Obergesellschaft; vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 45. 5 BFH v. 29.1.1964 – I 153/61 S, BStBl. III 1964, 165; v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 4.12.1991 – I R 140/90, BStBl. II 1992, 750; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; v. 2.12.1992 – I R 165/90, BStBl. II 1993, 577; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 44; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 184; Piltz, Die Personengesellschaft im Internationalen Steuerrecht, 152 ff.; Selent, Ausländische Personengesellschaften im Ertrag- und Vermögensteuerrecht, 188, 308; a.A. Hruschka in S/D, Art. 5 OECD-MA Rz. 67. 6 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 44. 7 Zur Präzisierung der Verfügungsmacht im Sinne einer (an § 854 BGB orientierten) Sachherrschaft Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 21; Hruschka in S/D, Art. 5 OECD-MA Rz. 52. 8 BFH v. 17.3.1982 – I R 189/79, BStBl. II 1982, 624; v. 4.6.2008 – I R 30/07, BStBl. II 2008, 922; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 16. 9 RFH v. 3.12.1936, RStBl. 1937, 67; BFH v 30.1.1974 – I R 87/72, BStBl. II 1974, 327; v. 5.10. 1977 – I R 90/75, BStBl. II 1978, 205; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 16.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
Unternehmens über die Geschäftseinrichtung schließt es aus, dass Tochtergesellschaften insoweit Betriebsstätten der Muttergesellschaft sind (Art. 5 Abs. 7 OECD-MA: Anti-Organ-Klausel). Sie können allerdings z.B. als abhängige Vertreter (Art. 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA) für die Muttergesellschaft auftreten und hierdurch eine Betriebsstätte für diese begründen.1 19.244
Eine feste Geschäftseinrichtung setzt ferner voraus, dass diese dem Unternehmen nicht nur vorübergehend, sondern auf eine gewisse Dauer2 zu dienen bestimmt ist. Aus diesem Grunde begründen umherziehende Gewerbetreibende, die sich jeweils nur für kurze Zeit an einem bestimmten Ort aufhalten, in dem betreffenden Land keine Betriebsstätte.3
19.245
Schließlich muss die feste Geschäftseinrichtung so beschaffen sein, dass sich die Tätigkeit des Unternehmens darin selbst vollzieht.4 Stillgelegte Betriebe sind daher keine Betriebsstätten. Die bloße Vermietung oder Verpachtung von Grundstücken führt ebenfalls nicht dazu, dass diese Grundstücke feste Geschäftseinrichtungen sind, in denen die Unternehmenstätigkeit ausgeübt wird.5 Entsprechendes gilt auch für Pipelines, Gleisanlagen und Versorgungsleitungen6 und darüber hinaus auch für einen Internet-Server;7 es handelt sich hierbei zwar um technische Anlagen, die dem Produktverkauf dienen, in ihnen wird aber keine unternehmerische Tätigkeit ausgeübt.8
19.246
Stellen die vermieteten oder verpachteten Gegenstände in ihrer Gesamtheit eine feste Geschäftseinrichtung für den Mieter oder Pächter dar, so folgt daraus noch nicht das Vorliegen einer festen Geschäftseinrichtung auch beim Vermieter oder Verpächter.9 So bildet etwa ein im Rahmen einer grenzüberschreitenden Betriebsaufspaltung an die Betriebsgesellschaft verpachteter Geschäftsbetrieb nicht 1 OECD-MK zu Art. 5 OECD-MA Ziff. 40 f. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 168; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 258; Ditz, IStR 2010, 553. 2 Abzustellen ist hierbei auf eine Zeitgrenze von 6 Monaten und ggf. von 12 Monaten, soweit die Geschäftseinrichtung einer Montage oder Bauausführung (Art. 5 Abs. 3 OECDMA) vergleichbar ist; vgl. BFH v. 19.5.1993 – I R 80/92, BStBl. II 1993, 655; v. 28.6.2006 – I R 92/05, BStBl. II 2007, 100; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 19; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 37a; ausf. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 25. 3 Beispiele bei Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 20. 4 Insbesondere darf die feste Geschäftseinrichtung nicht zugleich Tätigkeitsobjekt sein, vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 20, 37 (zum sog. Painter-Example). 5 RFH v. 27.5.1941, RStBl. 1941, 393; BFH v. 20.1.1959 – I 112/57 S, BStBl. III 1959, 133; v. 29.11.1960 – I B 222/59 U, BStBl. III 1961, 52; v. 10.2.1988 – VIII R 159/84, BStBl. II 1988, 653; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 42a; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 23. 6 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 10, 33; a.A. BFH v. 30.10.1996 – II R 12/92, BStBl. II 1997, 12 zu § 12 AO, wonach es ausreicht, dass die feste Geschäftseinrichtung der Tätigkeit eines Unternehmens dient. 7 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 33a; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 5, 29; Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 42; OFD Karlsruhe v. 11.11.1998, IStR 1999, 439. 8 Im Hinblick darauf zu weitgehend und zu einer Auflösung des Betriebsstättenprinzips führend OECD-MK zum OECD-MA Ziff. 42.1–42.9; anders zum weiter gefassten § 12 AO (Rz. 6.166). 9 OECD-MK zu Art. 5 Abs. 1 OECD-MA, Ziff. 8; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 52.
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L. Verteilung der Steuergüter
ohne weiteres auch eine feste Geschäftseinrichtung bei der Besitzgesellschaft.1 Die Betriebsgesellschaft ist zwar nicht Betriebsstätte im Sinne einer festen Geschäftseinrichtung, sie kann aber ein abhängiger Vertreter gem. Art. 5 Abs. 5 OECD-MA sein. Da eine feste Geschäftseinrichtung erfordert, dass in ihr eine Unternehmenstätigkeit ausgeübt wird, begründen Tätigkeiten, die über bloße Vorbereitungshandlungen und Hilfstätigkeiten nicht hinausgehen, keine Betriebsstätten (Art. 5 Abs. 4 Buchst. e und f OECD-MA). Soziale Einrichtungen, wie etwa solche für die Belegschaft des Unternehmens, dienen dem Geschäftsgegenstand nur mittelbar und sind daher keine Betriebsstätten.2
19.247
Eine Betriebsstätte entsteht erst dann, wenn die unternehmerische Tätigkeit in der festen Geschäftseinrichtung aufgenommen wird. Hierzu gehören noch nicht die entsprechenden Vorbereitungs- und Nebentätigkeiten.3 Hiervon zu unterscheiden ist die Zuordnung von Betriebsstättengewinnen, die unabhängig davon erfolgt, ob zum Zeitpunkt der Gewinnentstehung eine Betriebsstätte schon oder noch vorhanden ist (Rz. 21.95 ff.).
19.248
In Konkretisierung der Betriebsstättendefinition enthalten die Abkommen regelmäßig einen Katalog von Regelbeispielen,4 die allerdings eine Prüfung, ob die Tatbestandsmerkmale einer Betriebsstätte gegeben sind, nicht entbehrlich machen.5
19.249
Nach dem diesbezüglichen Positivkatalog ist auch ein Ort der Leitung als ein Ort, an dem das Unternehmen ganz oder ein Teil des Unternehmens geleitet wird, Betriebsstätte. Erforderlich hierfür sind Anlagen und Einrichtungen, in denen die entsprechenden Leitungsfunktionen ausgeübt werden können.6 Die Voraussetzungen im Sinne eines Ortes der geschäftlichen Oberleitung (§ 10 AO) müssen nicht erfüllt sein, so dass durchaus mehrere Orte der Leitung jeweils als Anknüpfungspunkt für die Betriebsstättenbesteuerung dienen können.7 Daher begründen auch Kontroll- und Koordinierungsstellen8 grenzüberschreitender
19.250
1 BFH v. 28.7.1982 – I R 196/79, BStBl. II 1983, 77; Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 862; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 34. 2 RFH v. 22.1.1941, RStBl. 1941, 90; RFH v. 17.9.1941, RStBl. 1941, 764; BFH v. 16.6.1959 – I B 214/58 U, BStBl. III 1959, 349; v. 29.11.1960 – I B 222/59 U, BStBl. III 1961, 52; v. 7.3. 1979 – I R 145/76, BStBl. II 1979, 527. 3 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 Rz. 56; Haase in Haase3, Art. 5 OECD-MA Rz. 75; Art. 5 Nr. 11 S. 2 MK; a.A. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 31; Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 29; Schieber, Die Besteuerung von Auslandsbetriebsstätten, 8; anders z.T. bei Bauausführungen und Montagen; hierzu Rz. 19.254 ff. 4 Art. 5 Abs. 2 OECD-MA. 5 OECD-Kommentar zum OECD-MA Ziff. 12 zu Art. 5; RFH v. 30.4.1935, RStBl. 1935, 840; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 37; Hruschka in S/D, Art. 5 OECD-MA Rz. 73; tw. a.A. BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 61; Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 47. 6 Eine Wohnung reicht aus; BFH v. 28.7.1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148; v. 24.3.1998 – I R 38/97, BStBl. II 1998, 471; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 64. 7 Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 39; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 64; Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 52. 8 Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 41; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 70; Becker, DB 1984, 1847 ff.; BMF v. 24.8.1984 – IV C 5 - S 1300 - 244/84, BStBl. I 1984, 458.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
Konzerne als Orte der Leitung oder als Geschäftsstellen regelmäßig Betriebsstätten, es sei denn, ihre Tätigkeit beschränkt sich auf die bloße Beschaffung von Informationen. 19.251
Zum Positivkatalog zählen ferner Zweigniederlassungen als organisatorisch verselbständigte, rechtlich aber unselbständige Untergliederungen eines Unternehmens, soweit sie nicht nur Hilfstätigkeiten ausüben. Für die Annahme der Betriebsstätteneigenschaft kommt es nicht auf die Registereintragung der Zweigniederlassung an.1 Ist indessen eine Zweigniederlassung im Handelsregister eingetragen, spricht eine widerlegbare Vermutung dafür, dass eine Betriebsstätte unterhalten wird.2
19.252
Soweit die Untergliederungen des Unternehmens keine organisatorische Selbständigkeit haben, können sie als Geschäftsstellen, in denen büromäßige Aufgaben des Managements ausgeübt werden,3 insbesondere als Verbindungsbüros,4 durchaus Betriebsstätteneigenschaft erlangen, sofern dort nicht lediglich Hilfstätigkeiten ausgeübt werden.5
19.253
Neben Fabrikationsstätten und Werkstätten zählen insbesondere Bergwerke, Öloder Gasvorkommen, Steinbrüche oder andere Stätten der Ausbeutung von Bodenschätzen zu jenen Einrichtungen, die in dem Positivkatalog als Betriebsstätten genannt sind.6
19.254
In der internationalen Vertragspraxis haben Bauausführungen und Montagen7 eine besondere Beachtung dadurch gefunden, dass über den allgemeinen Betriebsstättenbegriff (Art. 5 Abs. 1 OECD-MA) hinaus ein besonderer Anknüpfungspunkt für die Besteuerung gefunden wird,8 obwohl die fraglichen Tätigkeiten nicht stets alle Voraussetzungen des allgemeinen Betriebsstättenbegriffs erfüllen. So ist z.B. eine mehr als zwölfmonatige Bauausführung auch dann Betriebsstätte, wenn es an einer festen Geschäftseinrichtung oder Anlage fehlt.9 Sie ist es 1 BFH v. 26.2.1964 – II 289/59 U, BStBl. III 1964, 275; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 42. 2 BFH v. 30.1.1981 – III R 116/79, BStBl. II 1981, 560; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 71 f. 3 Zur Begrifflichkeit BFH v. 10.5.1989 – I R 50/85, BStBl. II 1989, 755. 4 Flick, CDFI LII (1967), 443 (452); Strobl/Kollmann, AWD 1969, 405 (409). 5 BFH v. 14.7.1971 – I R 127/68, BStBl. II 1971, 776. 6 Zu Einzelheiten Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 78 ff. 7 Art. 5 Abs. 3 OECD-MA; zu § 12 Satz 2 Nr. 8 AO: BFH v. 16.5.1990 – I R 113/87, BStBl. II 1990, 983; v. 13.11.1990 – VIII R 152/86, BStBl. II 1991, 94; aus der umfangreichen Literatur (nur Monographien): Feuerbaum, Internationale Besteuerung des Industrieanlagenbaus2; Schieber, Die Besteuerung von Auslandsbetriebsstätten, 57 ff.; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 38 f., 153 f.; Mersmann, Die Ertragsbesteuerung inländischer Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ausländischer Kapitalgesellschaften, 50 f., 66 ff.; Storck, Ausländische Betriebsstätten im Ertrag- und Vermögensteuerrecht, 169 ff.; Schweizer, Die Betriebsstätteneigenschaft von Bauausführungen und ihre gewerbesteuerliche Behandlung; Kaumanns, Die Erfassung von Baustellen des Auslandsbaus der deutschen Bauindustrie als ertrag- und vermögensteuerliches Problem des Internationalen deutschen Steuerrechts. 8 Zum Prüfungsschema für Bauausführungen und Montagen Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 316, 325. 9 Art. 5 Abs. 3 OECD-MA enthält insoweit eine Definitionserweiterung; vgl. BFH v. 28.7. 1993 – I R 15/93, BStBl. II 1994, 148; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 62, Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 95; Haase in Haase3, Art. 5 OECD-MA Rz. 100.
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nicht, wenn die Zwölfmonatsfrist nicht erreicht wird, und zwar selbst dann nicht, wenn sie zu einer festen Geschäftseinrichtung gem. Art. 5 Abs. 1 OECD-MA gehört.1 Durch diese Erweiterung des allgemeinen Betriebsstättenbegriffs wird insbesondere den Kapitalimportländern ein nicht unwesentlicher Besteuerungszugriff eingeräumt, der eine zusätzliche Erweiterung noch dadurch erfährt, dass in den insbesondere mit Entwicklungsländern und Schwellenländern abgeschlossenen DBA das allgemeine Zeitraumerfordernis von zwölf Monaten (Art. 5 Abs. 3 OECD-MA) auf regelmäßig sechs Monate reduziert worden ist.2 Zu den Bauausführungen3 zählen alle zur Fertigstellung oder zum Abbruch eines Bauwerks erforderlichen Arbeiten einschließlich der Bauplanung und Bauüberwachung, soweit diese von dem betreffenden Bauunternehmer selbst oder durch Subunternehmer4 ausgeführt werden. Die bloße Bauplanung bzw. Bauüberwachung bedeutet demgegenüber keine Bauausführung, so dass eine Betriebsstätte hierdurch nur dann begründet wird, wenn die allgemeinen Voraussetzungen des Betriebsstättenbegriffs gegeben sind.5
19.255
Zu den Montagen6 zählen insbesondere die Aufstellung von Stahlgerüsten oder Produktionseinrichtungen7 sowie das Zusammenfügen oder der Umbau vorgefertigter Einzelteile in jedem Stadium der Produktion,8 nicht jedoch bloße Reparatur- und Instandsetzungsarbeiten.9
19.256
Die maßgebliche Zwölf-Monatsfrist beginnt mit den Vorbereitungs- bzw. Nebenarbeiten vor Ort,10 etwa mit der Errichtung von Baubuden,11 und endet entsprechend mit dem Abschluss von Nebentätigkeiten, etwa dem Probelauf einer aufgestellten Maschine.12 Übliche Arbeitsunterbrechungen, z.B. arbeitsfreie Wo-
19.257
1 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 95; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 56; Rz. 16 OECD-MK zu Art. 5. 2 Hierzu der Überblick über die deutschen DBA bei Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 74. 3 Zum Begriff: Erstellung von Bauwerken, Bau von Straßen, Brücken und Kanälen, Legen von Rohrleitungen, Erd- und Baggerarbeiten usw. (ABC-Aufstellung) vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 104 f. 4 Voraussetzung: Der Generalunternehmer muss vor Ort die Überwachung der Bauausführung in Händen halten; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 104, 115; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 68;Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 68. 5 OECD-MK zu Art. 5 Abs. 3 OECD-MA Ziff. 17; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.3.2; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 115; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 68, 80 mit einer Übersicht deutscher Abkommen, nach denen ausnahmsweise auch die Bau- und Montageüberwachung als Betriebsstätte behandelt wird. 6 Zum Begriff: Zusammensetzen von Einzelteilen zu einem neuen Produkt vgl. BFH v. 16.5.1990 – I R 113/87, BStBl. II 1990, 983; v. 21.4.1999 – I R 99/97, BStBl. II 1999, 694. 7 BFH v. 7.3.1979 – I R 145/76, BStBl. II 1979, 527. 8 Weitere Einzelheiten bei Feuerbaum, Internationale Besteuerung des Industrieanlagenbaus, 20 ff. 9 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.3.1. 10 Anders bei festen Geschäftseinrichtungen, hierzu Rz. 19.248. 11 OECD-MK zu Art. 5 Abs. 3 OECD-MA Ziff. 18; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 131; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 64. 12 Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 65; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 134.
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chenenden sowie Urlaubszeiten, hemmen dabei den Fristablauf nicht, werden also mitgezählt.1 19.258
Nicht mitgezählt werden dagegen vom Bau- bzw. Montageunternehmen zu vertretende Arbeitsunterbrechungen, soweit sie nicht bloß kurzfristig sind.2
19.259
DBA enthalten durchweg auch einen Negativkatalog (Art. 5 Abs. 4 OECD-MA), nach dem bestimmte Geschäftseinrichtungen und Sachgesamtheiten auch dann nicht als Betriebsstätten gelten, wenn die entsprechenden Voraussetzungen hierfür gegeben sein sollten.3 Das gilt insbesondere für Einrichtungen, in denen ausschließlich vorbereitende und unterstützende Tätigkeiten ausgeübt werden. Dass diese Einrichtungen dem Besteuerungszugriff des Betriebsstättenstaates entzogen sind, hat seinen Grund insbesondere in der schwierigen Bestimmung des auf solche nicht unmittelbar der Einkünfteerzielung dienenden Hilfstätigkeiten entfallenden Anteiles am Unternehmensgewinn.4 Im Hinblick darauf zählen nicht zu den Betriebsstätten Einrichtungen, die ausschließlich zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung von Gütern und Waren des Unternehmens genutzt werden (Art. 5 Abs. 4 Buchst. a OECD-MA), sowie Bestände von Gütern oder Waren des Unternehmens, die ausschließlich zur Lagerung, Ausstellung oder Auslieferung unterhalten werden (Art. 5 Abs. 4 Buchst. b OECD-MA). Ferner zählen hierzu nicht Bestände von Gütern oder Waren des Unternehmens, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten werden, durch ein anderes Unternehmen bearbeitet oder verarbeitet zu werden (Art. 5 Abs. 4 Buchst. c OECDMA). Darüber hinaus gelten auch solche feste Geschäftseinrichtungen nicht als Betriebsstätten, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten werden, für das Unternehmen Güter oder Waren einzukaufen oder Informationen zu beschaffen (Art. 5 Abs. 4 Buchst. d OECD-MA).5 Derartige Einkaufsstellen sind allerdings dann in vollem Umfange Betriebsstätten, wenn dort auch für andere Unternehmen eingekauft wird oder für diese Informationen beschafft werden. Aus diesem Grunde sind etwa gemeinsame Einkaufsstellen konzernverbundener Unternehmen, die insoweit andere Unternehmen darstellen, stets Betriebsstätten.6 Da der Negativkatalog allgemein feste Geschäftseinrichtungen ausnimmt, die ausschließlich zu dem Zweck unterhalten werden, für das Unternehmen Tätigkei1 Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 67; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 132. 2 Frist: etwa 14 Tage (BFH v. 8.2.1979 – IV R 56/76, BStBl. II 1979, 479; v. 21.10.1981 – I R 21/78, BStBl. II 1982, 241), aber letztlich auf den Einzelfall abzustellen, vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBA-Schweiz Rz. 71; zu Einzelheiten Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 133. 3 S. zur geplanten Änderung des Art. 5 Abs. 4 OECD-MA stv. van der Ham/Retzer, IStR 2016, 749 (753 f.). 4 Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 85; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 152; in der Vergangenheit wurde als weiterer Grund die fehlende „produktive Funktion“ solcher Tätigkeiten angeführt; vgl. hierzu Brunner, Die Betriebsstätte und ihre internationale Funktion als Steuerort, 45; Baehren, Die Behandlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb im Internationalen Steuerrecht unter besonderer Berücksichtigung der DBA der Bundesrepublik Deutschland, 112 ff., Spitaler, RIW 1956, 69 (70). 5 Vgl. auch BFH v. 23.1.1985 – I R 292/81, BStBl. II 1985, 417 zur Betriebsstätteneigenschaft einer Redaktionsaußenstelle einer Tageszeitung. 6 Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 94; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 172.
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ten auszuüben, die vorbereitender Art sind oder reine Hilfstätigkeiten bedeuten (Art. 5 Abs. 4 Buchst. e OECD-MA),1 werden der internationalen Unternehmenstätigkeit betriebsstättenorientierte Spielräume zugestanden.2 Ob es sich nämlich um Haupt- oder Nebentätigkeiten handelt, hängt vom Unternehmensgegenstand des betreffenden Unternehmens und von dessen tatsächlicher Tätigkeit ab. Werden etwa in einer Geschäftsstelle gemischte Tätigkeiten ausgeübt, also solche, die nicht nur unter den Negativkatalog fallen, wird eine einheitliche Betriebsstätte begründet, so dass die Tätigkeiten insgesamt der Betriebsstättenbesteuerung unterworfen werden können (Art. 5 Abs. 4 Buchst. f OECD-MA).3 Eine Betriebsstätte wird auch dadurch begründet, dass abhängige Vertreter mit Abschlussvollmacht4 für das Unternehmen tätig werden (Art. 5 Abs. 5 OECDMA). Zu diesen Vertretern zählen nicht nur natürliche Personen, sondern auch juristische Personen und Personenvereinigungen, so dass etwa auch Tochtergesellschaften Vertreter für die Muttergesellschaft sein können.5
19.260
In diesem Zusammenhang stellen die DBA aufgrund einer sog. Anti-Organ-Klausel fest, dass allein aufgrund eines Beherrschungsverhältnisses die Betriebsstätteneigenschaft der beherrschten Gesellschaft nicht begründet wird (Art. 5 Abs. 7 OECD-MA). Das bedeutet, dass Tochtergesellschaften nicht schon zur Geschäftseinrichtung oder zum abhängigen Vertreter der Muttergesellschaft werden, weil sie von dieser rechtlich beherrscht werden. Eine Vertreterbetriebsstätte vermögen sie allerdings dadurch zu begründen, dass sie als Vertreter der Muttergesellschaft (Art. 5 Abs. 6 OECD-MA) mit deren Vollmacht Verträge abschließen, die über den Rahmen ihrer ordentlichen Geschäftstätigkeit hinausgehen (Art. 5 Abs. 5 und 6 OECD-MA).6
19.261
Da grundsätzlich lediglich die Tätigkeit eines abhängigen Vertreters eine Vertreterbetriebsstätte begründet,7 gehören selbständige Gewerbetreibende, etwa Makler, Kommissionäre und Handelsvertreter, soweit sie sich im Rahmen ihrer ordentlichen Geschäftstätigkeit bewegen (Art. 5 Abs. 6 OECD-MA),8 nicht zu die-
19.262
1 Es handelt sich hierbei um eine Generalklausel im Verhältnis zu Art. 5 Abs. 4 Buchst. a bis d; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 177. 2 Hierzu Kaligin, RIW 1995, 398 ff. 3 OECD-MK zu Art. 5 Abs. 4 OECD-MA; Ziff. 30; zu Einzelheiten Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 182 f. 4 Zu den Unterschieden zwischen § 13 AO einerseits und Art. 5 Abs. 5 OECD-MA andererseits Wassermeyer in FS Schaumburg, 971 (974 ff.). 5 Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 112; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 197; Endres, IStR 1996, 1 ff. 6 Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 168; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 258; Schürmann/Reinhardt, AWD 1974, 603 (603). 7 S. aber zur geplanten Änderung der Voraussetzungen der Vertreterbetriebsstätte stv. Kraft/Weiß, IStR 2016, 30 ff.; Rasch/Dotterweich, ISR 2014, 65 ff.; Wagemann, IWB 2016, 14 ff. 8 Zur ordentlichen Geschäftstätigkeit: BFH v. 23.9.1983 – III R 76/81, BStBl. II 1984, 94; v. 14.9.1994 – I R 116/93, BStBl. II 1995, 238; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 150; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 229 ff.; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 49 f.; Mersmann, Die Ertragsbesteuerung inländischer Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ausländischer Kapitalgesellschaften, 55.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
sem Personenkreis. Als abhängige Vertreter kommen daher nur solche Personen in Betracht, die an die geschäftlichen Anweisungen des Unternehmens gebunden sind und auch persönlich zu diesem in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen.1 Für die Begründung einer Vertreterbetriebsstätte reicht es indessen nicht aus, wenn von der Abschlussvollmacht2 nur gelegentlich Gebrauch gemacht wird; erforderlich ist vielmehr die Nachhaltigkeit der Vollmachtsausübung.3 19.263
Beschränkt sich die Tätigkeit des abhängigen Vertreters auf Tätigkeiten, die unter den Negativkatalog (Art. 5 Abs. 4 OECD-MA) fallen, so wird hierdurch auch keine Vertreterbetriebsstätte begründet (Art. 5 Abs. 5 OECD-MA). c) Gewinnzuordnung Literatur Vgl. die Literaturübersicht zu Rz. 21.16.
19.264
Der Betriebsstättenstaat darf die Unternehmensgewinne nur insoweit besteuern, als sie der Betriebsstätte zugerechnet werden können (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA 2008) bzw. gem. den Bestimmungen des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 zuzurechnen sind (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA 2010).4 Welche Gewinne der Betriebsstätte zuzurechnen sind, entscheidet sich nach den Zuordnungsregeln der DBA, insbesondere aufgrund der abkommensrechtlichen Bestimmungen über den Betriebsstättenvorbehalt, die in den für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren maßgeblichen Verteilungsnormen enthalten sind (Art. 10 Abs. 4; 11 Abs. 4; 12 Abs. 3 OECD-MA).5 Diese Regelungen stellen im Wesentlichen darauf ab, ob die Vermögensteile, aus denen die Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren stammen, tatsächlich zum Betriebsstättenvermögen gehören. Hieraus folgt, dass in Abgrenzung zu den für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren maßgeblichen Verteilungsnormen der Betriebsstätte von vornherein nur Gewinne aus den Vermögenswerten zugerechnet werden können, die der Betriebsstätte dienen.
19.265
Die Zuordnungsregeln der DBA erheben den Drittvergleich zum Maßstab für die Gewinnzuordnung: Der Betriebsstätte wird im Grundsatz der Gewinn zugeordnet, den sie als ein vom Stammhaus unabhängiges Unternehmen hätte erzielen können (Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008) bzw. „aus ihren Innenbeziehungen mit anderen Teilen des Unternehmens voraussichtlich erzielt hätte, wenn sie die gleichen oder ähnlichen Tätigkeiten unter den gleichen oder ähnlichen Bedin1 BFH v. 30.4.1975 – I R 152/73, BStBl. II 1975, 626; v. 14.9.1994 – I R 116/93, BStBl. II 1995, 238; Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 116, 145; kritisch zum Erfordernis der persönlichen Abhängigkeit Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 225; Zehetner in Gassner/Lang/Lechner, Die Betriebsstätte im Recht der DBA, 111 (118). 2 Es bedarf einer rechtlichen Abschlussvollmacht, vgl. Häck in F/W/K, Art. 5 DBASchweiz Rz. 93, a.A. Görl in V/L6, Art. 5 OECD-MA Rz. 118. 3 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 5 OECD-MA Rz. 202. 4 Zur Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten im Einzelnen Rz. 21.16 ff. 5 Eine Attraktivkraft der Betriebsstätte, wonach sämtliche Einkünfte eines Unternehmens aus Quellen eines Vertragsstaates zuzuordnen sind, ist somit mit Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008/2010 unvereinbar; vgl. Hemmelrath in V/L6 Art. 7 OECD-MA Rz. 42; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 184.
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L. Verteilung der Steuergüter
gungen als selbständiges und unabhängiges Unternehmen ausgeübt hätte“ (Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010). Die Gewinnzuordnung1 ist damit zugleich auch eine Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte,2 von deren Reichweite die Ebene der Gewinnermittlung allerdings nicht erfasst wird.3 Diese abkommensrechtliche dealing at arm’s length-Klausel4 ist nicht bloß eine Ermächtigungsnorm, die durch eine innerstaatliche Vorschrift ausgefüllt werden muss. Es handelt sich vielmehr um eine unmittelbar anwendbare Norm, die zu ihrer Durchführung – abgesehen vom Zustimmungsgesetz nach Art. 59 Abs. 2 Satz 1 GG – keiner innerstaatlichen gesetzlichen Vorschrift mehr bedarf, insoweit also Self-executing-Wirkung hat.5 Die Gewinnzuordnung ist daher nicht den autonomen Regelungen der beteiligten Staaten überlassen. Sie hat vielmehr in den DBA eine Bindungswirkung für die Vertragsstaaten erfahren, die allerdings durch ein innerstaatlich wirkendes treaty overriding (Rz. 3.24 f.) ganz oder teilweise suspendiert werden kann.6 Die Selfexecuting-Wirkung der dealing at arm’s length-Klausel richtet sich sowohl gegen den Betriebsstätten- als auch gegen den Wohnsitzstaat.7 Hierdurch wird die Grundlage dafür gelegt, dass trotz unterschiedlicher Gewinnzuordnungsvorschriften eine Doppelbesteuerung oder eine Besteuerungslücke vermieden werden kann. Die Self-executing-Wirkung von Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008/2010 wird im deutschen Recht nicht dadurch beseitigt, dass die dealing at arm’s length-Klausel im Rahmen einer Einkünftekorrektur nur einseitig zu Gunsten des deutschen Fiskus zur Anwendung kommt (§ 1 Abs. 5 AStG; Rz. 21.67). § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG, in dem der Fremdvergleichsgrundsatz verankert ist und auf den § 1 Abs. 5 AStG für Zwecke der Einkünfteabgrenzung bei Betriebsstätten verweist, enthält zwar die Aussage „unbeschadet anderer Vorschriften“, hierdurch werden aber entgegenstehende Abkommensvorschriften nicht überspielt.8 Dies deshalb nicht, weil aus der vorgenannten Klausel nicht hinreichend deutlich wird, dass gerade der sich aus § 2 Abs. 1 AO ergebende zugunsten von Abkommensvorschrif1 Oder Gewinnzurechnung. 2 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 155 ff., 187. 3 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; Niehaves in Haase3, Art. 7 OECD-MA Rz. 52 ff.; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 775; Ditz, IStR 2005, 37 (39 ff.). 4 Dieser Ausdruck stammt aus der Fechtersprache: Die Fechter müssen sich auf Waffenlänge, also in angemessenem Abstand, gegenüberstehen, um einen fairen Wettkampf zu gewährleisten. 5 Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 71; Ditz in S/D, Art. 7 OECD-MA (2008) Rz. 37; Kroppen in G/K/G Art. 7 OECD-MA Rz. 96 ff.; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBASchweiz Rz. 504; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 775; Hemmelrath, Die Ermittlung des Betriebsstättengewinns im internationalen Steuerrecht, 237; Kempka, Gewinnrealisierung bei der Überführung von Wirtschaftsgütern zwischen Stammhaus und Betriebsstätte, 108; Kluge, StuW 1975, 294 (302 f.); Schaumburg, DStJG 4 (1981), 247 (253); Schaumburg in Krause/Schaumburg/Wassermeyer, Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten, 23 (71); Ditz, IStR 2005, 37 (41); a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 315. 6 Vgl. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, IStR 2016, 191. 7 Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 71. 8 Anders BMF v. 30.3.2016 – IV B 5 - S 1341/11/10004-07 – DOK 2016/0291611, BStBl. I 2016, 455.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
ten geltende lex specialis-Grundsatz beseitigt werden soll (Rz. 3.24). Der Formulierung „unbeschadet anderer Vorschriften“ kann überhaupt nur entnommen werden, dass andere Einkünftekorrekturnormen vorrangig anzuwenden sind (Rz. 21.67).1 Im Ergebnis bleibt damit die auf gemeinsame Rechtsfolgen in beiden Vertragsstaaten angelegte Verteilungsfunktion des Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008/2010 erhalten. Hierdurch wird zum einen das Prinzip der Verteilungsgerechtigkeit zwischen den Vertragsstaaten (Rz. 19.33 ff.) gewahrt, und zum anderen werden die Steuerpflichtigen keiner Doppelbesteuerung ausgesetzt, die nachträglich2 allenfalls durch Verständigungs- oder Schiedsverfahren (Rz. 19.88 ff., 19.110 ff.) vermieden werden könnte. 19.267
Die im OECD-MA 2008 und OECD-MA 2010 gleichermaßen verankerte dealing at arm’s length-Klausel geht von einer Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte aus. Während für Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008 die Aufteilung des Gewinns des Gesamtunternehmens auf Stammhaus und Betriebsstätte im Vordergrund steht, geht es bei Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 vor allem um eine inkongruente Gewinnzurechnung mit der Folge, dass der derart der Betriebsstätte zugerechnete Gewinn und der Gewinn des übrigen Unternehmens in der Summe den Gesamtgewinn des Unternehmens überschreiten kann. Dies beruht auf der durch den Authorised OECD Approach (AOA) zugrunde gelegten Fiktion der uneingeschränkten Selbstständigkeit der Betriebsstätte und der damit verbundenen Fiktion von Geschäftsbeziehungen zwischen Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen, so dass auch bloße Innentransaktionen Berücksichtigung finden. Diese AOA-Regeln wurden in § 1 Abs. 5 AStG in das innerstaatliche Recht umgesetzt (Rz. 21.66 ff.).
19.268
Gem. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008 sind der Betriebsstätte diejenigen Gewinne zuzurechnen, die sie hätte erzielen können, wenn sie eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen als selbständiges Unternehmen ausgeübt hätte und im Verkehr mit dem Unternehmen, dessen Betriebsstätte sie ist, völlig unabhängig gewesen wäre. In Orientierung am allgemein gültigen Veranlassungsprinzip (Rz. 21.37 ff.) ist aus deutscher Sicht von einer nur eingeschränkten Selbständigkeit der Betriebsstätte auszugehen,3 so dass z.B. Darlehenszinsen, Mieten, Provisionen, Dienstleistungs- und ähnliche Vergütungen zwischen Betriebsstätte und Stammhaus als bloße Innentransaktionen unberücksichtigt bleiben. Dieses Erwirtschaftungsprinzip (Rz. 21.37 ff.), wonach insbesondere Innentransaktionen zu keiner Gewinnrealisation führen, erleidet frei-
1 Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 383. 2 Zu Vorwegauskünften (APA) vgl. Rz. 19.104 ff.; Rz. 21.244 ff. 3 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; OECD-MK zu Art. 7 OECD-MA, Ziff. 12.1; Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 89 ff.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 185; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 1.2.3; Andresen in W/A/D, BetriebsstättenHandbuch, Rz. 2.163; Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 ff.; Kleineidam, IStR 1993, 349 ff.; 395 (396); Ditz, IStR 2005, 37 (40 ff.); für eine uneingeschränkte Selbständigkeit dagegen immer schon z.B. Kroppen in G/K/G Art. 7 OECD-MA Rz. 107 ff.; Burmester, Probleme der Gewinn- und Verlustrealisierung, 204; Becker, DB 1989, 10 ff.; Beiser, IStR 1992, 7 ff.; Sieker, DB 1996, 110 (112); nunmehr geregelt in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 und § 1 Abs. 5 AStG.
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L. Verteilung der Steuergüter
lich nach innerstaatlichem Recht insbesondere in Fällen der Steuerentstrickung Ausnahmen (Rz. 21.40 ff.). Während die dem Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008 entsprechenden Normen der DBA mit dem dealing at arm’s length-Prinzip die Grundregel für die Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte enthalten, regeln die dem Art. 7 Abs. 3 und 4 OECD-MA 2008 entsprechenden Abkommensnormen insbesondere die Methoden der Gewinnzuordnung, und zwar die direkte Methode (Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2008) und die indirekte Methode (Art. 7 Abs. 4 OECD-MA 2008). Beide Methoden verfolgen das Ziel einer Gewinnzuordnung nach Maßgabe des Erwirtschaftungsprinzips (Rz. 21.37 ff.), so dass der Teil des Gesamtergebnisses des Unternehmens als Gewinn der Betriebsstätte zu ermitteln ist, der sowohl durch ihre Tätigkeit als auch durch ihre Existenz erwirtschaftet wird. Daher ist es auch unerheblich, ob etwa Aufwendungen im Inland oder im Ausland anfallen, ob sie vom Stammhaus oder von der Betriebsstätte getragen werden (Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2008).
19.269
Die DBA sprechen ausdrücklich lediglich die indirekte Methode an (Art. 7 Abs. 4 OECD-MA 2008), unterstellen aber die direkte Methode als Normalmethode.1 Die Gewinnzuordnung nach der direkten Methode macht die Ermittlung des Betriebsstättengewinns aufgrund einer eigenständigen Betriebsstättenbuchführung wie bei einem selbständigen Unternehmen erforderlich. Die indirekte Methode dagegen geht vom Gesamtgewinn des Unternehmens aus und teilt diesen nach bestimmten Schlüsseln auf das Stammhaus und die Betriebsstätte auf.2 Entsprechend den Abkommensregelungen steht sowohl in der deutschen3 als auch in der internationalen Praxis die direkte Methode im Vordergrund. Sie allein ist in der Lage, das in den Abkommen verankerte dealing at arm’s length-Prinzip uneingeschränkt zu verwirklichen.4
19.270
Im Unterschied zu Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008 geht die in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 verankerte Neuregelung von der Fiktion der uneingeschränkten Selbständigkeit der Betriebsstätte aus. Hiernach sind im Ergebnis die Einkünfte des Einheitsunternehmens nach denselben Grundsätzen zu verteilen wie zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft. Dieses Konzept des „Authorised OECDApproach“ (AOA) suspendiert das im Übrigen geltende Veranlassungsprinzip (Rz. 21.35), so dass insbesondere auch bloße Innentransaktionen steuerliche Berücksichtigung finden (Entgeltsprinzip). Obwohl bislang nur wenige deutsche DBA eine derartige AOA-Regelung enthalten,5 wird die entsprechende Regelung in § 1 Abs. 5 AStG (Rz. 21.66 ff.) im Wege eines treaty overriding (Rz. 3.24 f.) ausdrücklich auch auf andere Abkommen angewendet, es sei denn der Steuerpflich-
19.271
1 Vgl. den Wortlaut des Art. 7 Abs. 4 OECD-MA. 2 Die indirekte Methode ist insbesondere bei Bau- und Montagebetriebsstätten gebräuchlich (vgl. Rz. 21.130 ff.). 3 Zum Vorrang der direkten Methode RFH v. 25.5.1932, RStBl. 1932, 771; BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1966, 24; v. 28.3.1985 – IV R 80/82, BStBl. II 1985, 405; v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785; v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63; OECD-MK zu Art. 7 OECD-MA, Ziff. 25; Hemmelrath in V/L5, Art. 7 OECD-MA Rz. 104. 4 Zu den Vor- und Nachteilen der direkten und indirekten Methode Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 546 ff. 5 Z.B. DBA-NL, DBA-FL, DBA-Lux, DBA-UK, DBA-Irl, DBA-USA.
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tige macht geltend, dass das an sich zur Anwendung kommende Doppelbesteuerungsabkommen den AOA-Regelungen widerspricht, der andere Vertragsstaat sein Besteuerungsrecht entsprechend ausübt und es deshalb zu einer Doppelbesteuerung kommen würde (§ 1 Abs. 5 Satz 8 AStG). 19.272
Im Gefolge der (uneingeschränkten) Selbstständigkeitsfiktion der Betriebsstätte (Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010) sind weitere Fiktionen erforderlich, um überhaupt das maßgebliche Entgeltsprinzip zur Anwendung bringen zu können. Konkretisierungen hierzu enthalten die entsprechenden DBA nicht, so dass insoweit die Regelungen des innerstaatlichen Rechts zur Geltung kommen. Diese enthalten die BsGaV, die auf Grundlage der Ermächtigung in § 1 Abs. 6 AStG ergangen ist. Danach ist für die Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte zunächst eine Vergleichbarkeitsanalyse vorzunehmen (§1 Abs. 1 Satz 2 BsGaV), um insbesondere mit dem Stammhaus Verrechnungspreise zu bestimmen, die dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 BsGaV).
19.273
Auf dieser Grundlage erlangt im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen zweistufigen Vorgehensweise, die der Ausgestaltung der Betriebsstätte als „eigenständiges und unabhängiges Unternehmen“ dient (§ 1 Abs. 5 Satz 3 AStG), die Zuordnung von Personalfunktionen (Geschäftstätigkeiten) eine maßgebliche Bedeutung für die Zuordnung von Vermögenswerten (§§ 5 ff. BsGaV), Chancen und Risiken (§ 11 BsGaV) und schließlich auch von Geschäftsvorfällen (§ 9 BsGaV). Vgl. zu den einzelnen Zuordnungsregeln im Überblick (Rz. 21.72 ff.).
19.274
Im Hinblick darauf, dass die Anwendung von DBA auf gemeinsame Rechtsfolgen gerichtet ist (Rz. 19.52 f.), enthält Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2010 eine korrespondierende Gegenberichtigung. Ebenso wie Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 entfaltet Art. 7 Abs. 3 OECD-MA 2010 Self-executing-Wirkung,1 so dass insoweit – freilich in engen Grenzen – eine Doppelbesteuerung durch unterschiedliche Anwendung der AOA-Regeln vermieden werden kann. Eine auch zu Gunsten des Steuerpflichtigen wirkende Gegenberichtigung erfolgt somit nur dann, wenn – die Erstberichtigung im anderen Vertragsstaat unter Beachtung der in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA verankerten AOA-Regeln erfolgt ist und – die durch die Erstberichtigung ausgelösten (Mehr-)gewinne dort auch besteuert werden.
19.275
Ob der andere Vertragsstaat die Erstkorrektur entsprechend Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 vorgenommen hat, beurteilt der zur Gegenkorrektur berufene Vertragsstaat allein aus seiner Sicht, so dass er im Umfang der hiernach möglichen Berichtigung die Erstberichtigung anerkennen muss.2 Das wir nur dann der Fall sein, wenn die Erstberichtigung etwa durch Betriebsprüfungsberichte entsprechend dokumentiert worden ist. Bloß mehrergebnisbezogene tatsächliche Verständigungen im Rahmen einer Außenprüfung reichen daher nicht aus. In Betracht kommt ggf. auch nur eine teilweise Gegenberichtigung in den Fällen, in denen etwa für fiktive Lieferungen zwischen Betriebsstätte und Stammhaus im 1 Ditz in S/D, Art. 7 OECD-MA (2010) Rz. 54; Kaeser in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA (2010) Rz. 766. 2 Ditz in S/D, Art. 7 OECD-MA (2010) Rz. 52; Kaeser in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA (2010) Rz. 750; a.A. Kroppen in G/K/G Art. 7 OECD-MA (2010) Rz. 232.
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L. Verteilung der Steuergüter
anderen Staat Fremdvergleichswerte zugrunde gelegt wurden, die außerhalb der Bandbreiten liegen, die der zur Gegenberichtigung berufene Vertragsstaat für zutreffend hält.1 Erkennt der Vertragsstaat die Erstberichtigung nicht an, kann eine Doppelbesteuerung auf Grundlage eines Verständigungs- oder Schiedsverfahrens (Rz. 19.88 ff., 19.110 ff.) oder nach der Schiedsverfahrenskonvention vermieden werden (Rz. 19.114 ff.). Weitere Voraussetzung für eine Gegenberichtigung ist der Nachweis der Besteuerung infolge der Erstberichtigung. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob tatsächlich eine entsprechende Steuer bezahlt worden ist. Es reicht vielmehr eine Mehrbelastung etwa aufgrund der Verrechnung mit Verlusten.2
19.276
Die unter den vorgenannten Voraussetzungen bestehende Verpflichtung zur Gegenkorrektur wird allerdings aus deutscher Sicht die Ausnahme bilden, weil Art. 7 Abs. 3 DE-VG die Gegenberichtigung ausdrücklich davon abhängig macht, dass der zur Gegenberichtigung berufene Vertragsstaat der Erstberichtung zustimmt. Ist das nicht der Fall, kann die Doppelbesteuerung nur über ein Verständigungs- oder Schiedsverfahren (Rz. 19.88 ff., 19.110 ff.) oder auf der Grundlage der Schiedsverfahrenskonvention (Rz. 19.114 ff.) vermieden werden.
19.277
Soweit aufgrund der Gegenberichtigung aus deutscher Sicht Feststellungs- oder Steuerbescheide zu ändern sind, greift § 175a AO analog ein. Hier gelten die für Verständigungsverfahren maßgeblichen Regeln entsprechend (Rz. 19.102 ff.).3
19.278
Wegen der Aufwands- und Ertragszuordnung bei Anwendung von Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008 (Erwirtschaftungsprinzip) wird auf Rz. 21.37 ff. und wegen weiterer Einzelheiten zu den Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 zugrunde liegenden AOA-Regeln auf Rz. 21.66 ff. verwiesen. Zur zeitlichen Zuordnung vgl. Rz. 21.95 ff. und zu Betriebsstättensonderfällen vgl. Rz. 21.100.
19.279
4. Gewinne aus Schifffahrt und Luftfahrt Literatur Kommentare zu Art. 8 OECD-MA; Brons, Nationale und internationale Besteuerung der Seeschifffahrt, Bielefeld 1990; Kreutziger, Festlegung des Mittelpunktes der geschäftlichen Oberleitung eines Schifffahrtsunternehmens, DStR 1998, 1122; Kröger, Zu dem Begriff „Betrieb von Handelsschiffen“ und „internationaler Verkehr“ i.S. des § 34c Abs. 4 EStG, DStR 1974, 658; Lippek, Die internationale Besteuerung der Seeschifffahrt, Hamburg 1985; Ritter, Neugestaltung der beschränkten Steuerpflicht für ausländische Schiff- und Luftfahrtunternehmen, DStZ A 1971, 16; Söffing, Einkünfte aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr, FR 1972, 222.
1 Vgl. das Beispiel bei Ditz S/D, Art.7 OECD-MA (2010) Rz. 52. 2 Ditz in S/D, Art. 7 OECD-MA (2010) Rz. 50; eine Steuerzahlung dagegen verlangt Kroppen in G/K/G Art. 7 OECD-MA (2010) Rz. 231. 3 Dagegen auf §§ 164 Abs. 2, 173 Abs. 1 Nr. 2 AO und auf Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 227 AO) abstellend Ditz in S/D, Art. 7 OECD-MA (2010) Rz. 55; Kaeser in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA (2010) Rz. 766 und auf Art. 7 Abs. 3 OECD-MA (2010) als eigenständige (verfahrensrechtliche) Vorschrift Kroppen in G/K/G Art. 7 OECD-MA (2010) Rz. 232/4.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
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Das Besteuerungsrecht für Unternehmensgewinne hat in allen deutschen DBA eine Sonderregelung für Gewinne aus Schifffahrt und Luftfahrt erfahren (Art. 8 OECD-MA).
19.281
Hiernach können Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr sowie Gewinne aus dem Betrieb von Schiffen, die der Binnenschifffahrt dienen, nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens befindet.1 Die diesbezügliche Verteilungsnorm in den DBA weist das Besteuerungsrecht dem Staat der tatsächlichen Geschäftsführung als Quellenstaat abschließend zu mit der Folge, dass die Besteuerung im Betriebsstättenstaat und im Wohnsitzstaat ausgeschlossen ist.2 Diese abweichende Verteilungsregel findet ihren Grund darin, dass das für Unternehmensgewinne sonst übliche Wohnsitz- und Betriebsstättenprinzip nicht sachgerecht ist.3 So ist nicht selten der rechtliche Sitz von Schifffahrtsunternehmen in Staaten, in denen sie keine Aktivitäten ausüben. Die Anknüpfung an das Wohnsitzprinzip würde hier den Wohnsitzstaat einseitig bevorzugen.4 Da zudem Schifffahrts- und Luftfahrtunternehmen aufgrund ihrer international ausgerichteten Tätigkeit zumeist in mehreren Staaten Betriebsstätten unterhalten, würde bei Anknüpfung an das Betriebsstättenprinzip eine Zuordnung des Beförderungsgewinns zu den einzelnen Betriebsstätten auf erhebliche Schwierigkeiten stoßen.5 Im Hinblick darauf stellt sich Art. 8 OECD-MA gegenüber Art. 7 OECD-MA als speziellere Vorschrift dar.6 Der dem Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung eingeräumte Vorrang ggü. dem Wohnsitzstaat und dem Betriebsstättenstaat gilt nur dann, wenn sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung in einem der beiden Vertragsstaaten befindet. Liegt der Ort der Geschäftsleitung in einem dritten Staat, so verbleibt es bei der Anwendung der für Unternehmensgewinne geltenden allgemeinen Verteilungsnorm (Art. 7 OECD-MA) mit der Folge, dass für die Verteilung des Besteuerungsrechts entweder das Wohnsitzprinzip oder das Betriebsstättenprinzip gilt.7 Die für die Gewinne aus Schifffahrts- und Luftfahrtunternehmen geltende besondere Verteilungsregel (Art. 8 OECD-MA) greift schließlich auch dann nicht ein, wenn zwar der Ort der Geschäftsleitung in einem der beiden Vertragsstaaten liegt, 1 Art. 8 Abs. 1 und 2 OECD-MA; in einigen deutschen DBA sowie im Sonderabkommen betreffend Einkünfte und Vermögen von Schifffahrt- und Luftfahrtunternehmen wird hiervon abweichend z.T. dem Wohnsitzprinzip gefolgt; vgl. hierzu die Abkommensübersicht bei Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 35. 2 Kreutziger in Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 8 OECD-MA Rz. 11; Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 3; Rauert in S/D, Art. 8 OECD-MA Rz. 1. 3 Besteuert allerdings der Geschäftsleitungsstaat nach seinem nationalen Recht nur die auf die Geschäftsleitungsbetriebsstätte entfallenden Gewinne, kann es im Übrigen zu einer Nichtbesteuerung („weiße Einkünfte“) kommen, Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 6; Kreutziger in Wassermeyer, Art. 8 OECD-MA Rz. 11. 4 In einigen deutschen Abkommen wird dennoch das Wohnsitzprinzip verwirklicht; vgl. die Abkommensübersicht bei Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 35, 41. 5 Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 4; Brons, Nationale und internationale Besteuerung der Seeschifffahrt, 107. 6 BFH v. 23.10.1996 – I R 10/96, IStR 1997, 271; Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 8; Kreutziger/Krings in Wassermeyer, Art. 8 OECD-MA Rz. 1; Erhard in F/W/K, Art. 8 DBA-Schweiz Rz. 12. 7 Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 8.
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L. Verteilung der Steuergüter
der Unternehmer jedoch in keinem der beiden Vertragsstaaten ansässig ist. In diesem Fall fehlt es schon an der für die Anwendung des Abkommens erforderlichen Abkommensberechtigung.1 Die Steuerberechtigung für Beförderungsgewinne steht dem Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung nur zu, wenn die Gewinne aus dem Betrieb von Seeschiffen und Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr sowie aus dem Betrieb von Schiffen, die der Binnenschifffahrt dienen, erzielt werden. Da die Abkommen selbst nicht definieren, was unter Seeschiffen und Luftfahrzeugen zu verstehen ist, richtet sich die Auslegung nach den allgemeinen Grundsätzen,2 wobei die für die besondere Verteilungsregel maßgeblichen Zweckmäßigkeitsgründe besondere Berücksichtigung finden müssen. Demnach zählen zu den Schiffen alle auf und unter dem Wasser sich bewegenden oder bewegten Transportmittel3 und zu den Luftfahrzeugen alle auf dem Wasser oder auf dem Festland startenden und landenden Fahrzeuge, die sich im Luftraum fortbewegen.4
19.282
Der Begriff „internationaler Verkehr“ hat dagegen in den DBA eine eigenständige Definition erfahren (Art. 3 Abs. 1 Buchst. e OECD-MA). Hiernach ist unter internationalem Verkehr jede Beförderung mit einem Seeschiff oder Luftfahrzeug zu verstehen, das von einem Unternehmen mit tatsächlicher Geschäftsleitung in einem Vertragsstaat betrieben wird, es sei denn, das Seeschiff oder Luftfahrzeug wird ausschließlich zwischen Orten im anderen Vertragsstaat betrieben. Vorausgesetzt wird daher stets eine grenzüberschreitende Beförderung.5
19.283
Neben den Gewinnen aus der eigentlichen Beförderungstätigkeit selbst werden dem Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung auch die Gewinne aus Vorbereitungs- und Hilfstätigkeiten zur Besteuerung zugewiesen.6 Zu den Gewinnen aus dem Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen gehören schließlich auch die Gewinne aus der Vercharterung von vollständig ausgerüsteten bemannten Schiffen oder Luftfahrzeugen.7 In Abgrenzung hiervon zählen dagegen Einkünfte aus sog. bare boat-charter oder dry lease zu den Unternehmensgewinnen gem. Art. 7
19.284
1 Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 9; Kreutziger in Wassermeyer, Art. 8 OECD-MA Rz. 11; Kroschewski in Haase3, Art. 8 OECD-MA Rz. 36. 2 Der gem. Art. 3 Abs. 2 OECD-MA gebotene Rückgriff auf nationales Recht führt hier nicht weiter, weil auch das deutsche Steuerrecht keine Begriffsdefinition enthält. 3 Rauert in S/D, Art. 8 OECD-MA Rz. 21 f.; nach Kreutziger in Wassermeyer, Art. 8 OECD-MA Rz. 16, 31 reicht jedes schwimmende Fahrzeug ohne Rücksicht auf den Verwendungszweck aus, was im Ergebnis aber zu keinem Unterschied führt, weil die nicht zu Transportzwecken dienenden Fahrzeuge nicht im „internationalen Verkehr“ eingesetzt werden. 4 Rauert in S/D, Art. 8 OECD-MA Rz. 24; Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 12 f.; Kreutziger in Wassermeyer, Art. 8 OECD-MA Rz. 15 ff.; Erhard in F/W/K, Art. 8 DBASchweiz Rz. 31 ff., 36. 5 Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 20; Kreutziger in Wassermeyer, Art. 8 OECD-MA Rz. 31. 6 Zu Einzelheiten Rauert in S/D, Art. 8 OECD-MA Rz. 29 f.; Kreutziger in Wassermeyer, Art. 8 OECD-MA Rz. 21; Brons, Nationale und internationale Besteuerung der Seeschifffahrt, 102 f. 7 OECD-MK zu Art. 8 OECD-MA, Ziff. 5.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
OECD-MA,1 es sei denn, es handelt sich insoweit nur um eine untergeordnete Tätigkeit.2 Erfasst werden von Art. 8 OECD-MA auch Einkünfte aus dem Containerverkehr und den damit zusammenhängenden Leistungen,3 zu denen aus deutscher Sicht der Landtransport zwischen Auftraggeber und Verladehafen/Entladehafen nicht gehört.4 19.285
Art. 8 OECD-MA enthält keine Regelungen über die Gewinnermittlung, so dass im Rückgriff auf die Vorschriften des nationalen Steuerrechts (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA), auch auf Abkommensebene das den Einkünften aus Gewerbebetrieb (§ 15 EStG) zugrunde liegende Nettoprinzip verwirklicht wird. Im Hinblick darauf ist der Gewinn5 aus dem Betrieb von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr nach Maßgabe der §§ 4 Abs. 1, 3; 5 EStG zu ermitteln.6 Im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht sind allerdings die Besonderheiten des § 49 Abs. 3 EStG zu beachten.7
19.286
Die für das Recht auf Besteuerung der Gewinne aus dem Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen maßgebliche Anknüpfung an den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung8 führt insbesondere bei der Besteuerung von Personengesellschaften, die ein Schiff- oder Luftfahrtunternehmen betreiben, in der internationalen Besteuerungspraxis zu Besteuerungslücken. Nach den nationalen Rechtsordnungen ist der Ort der Geschäftsleitung nämlich lediglich für die Besteuerung juristischer Personen maßgeblich. Ist etwa eine beschränkt steuerpflichtige Person an einer deutschen Personengesellschaft beteiligt, die ein Schifffahrtsunternehmen betreibt, bleibt die Reichweite der beschränkten Steuerpflicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a und b EStG) hinter der von den DBA eingeräumten Besteuerungsbefugnis (Art. 8 Abs. 1 OECD-MA) zurück, da ausländische Beförderungsgewinne durch die beschränkte Steuerpflicht nicht erfasst werden.9 Die durch die vorgenannte Anknüpfungsdivergenz sich ergebenden Besteuerungslücken werden allerdings in einigen deutschen DBA durch Sonderregelungen geschlossen.10
1 Vgl. OECD-MK zu Art. 8 OECD-MA, Ziff. 5; Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 17; Kreutziger in Wassermeyer, Art. 8 OECD-MA Rz. 19. 2 OECD-MK zu Art. 8 OECD-MA, Ziff. 5. 3 Zu Einzelheiten Rauert in S/D, Art. 8 OECD-MA Rz. 31; Kreutziger in Wassermeyer, Art. 8 OECD-MA Rz. 20. 4 Vgl. den deutschen Vorbehalt zu dem anders lautenden OECD-MK zu Art. 8 OECD-MA, Ziff. 29. 5 Hierzu zählen positive und negative Einkünfte; Kreutziger in Wassermeyer, Art. 8 OECD-MA Rz. 37. 6 Ggf. auch gem. § 5a EStG (Tonnagebesteuerung). 7 Hierzu Wied in Blümich, § 49 EStG Rz. 237. 8 Art. 4 Abs. 3 OECD-MA, er entspricht dem Ort der geschäftlichen Oberleitung (§ 10 AO), vgl. Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 26; Erhard in F/W/K, Art. 8 DBASchweiz Rz. 51 ff. 9 Zu Einzelheiten Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 28; Kreutziger in Wassermeyer, Art. 8 OECD-MA Rz. 23, Brons, Nationale und internationale Besteuerung der Seeschifffahrt, 115 ff. 10 Vgl. etwa Art. 8 Abs. 5 DBA-Schweiz; hierzu BFH v. 23.10.1996 – I R 10/96, BStBl. II 1997, 313; Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 38; Erhard in F/W/K, Art. 8 DBASchweiz Rz. 111; zu anderen DBA Hemmelrath in V/L6, Art. 8 OECD-MA Rz. 39 ff.
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L. Verteilung der Steuergüter
Befindet sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung eines Unternehmens der See- oder Binnenschifffahrt an Bord eines Schiffes, so wird der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung als im Heimathafen gelegen fingiert (Art. 8 Abs. 3 OECD-MA). Mit dieser Regelung wird an die Grundsätze des Völkerrechts angeknüpft, nach denen ein Schiff unter der Flagge eines Staates auch dessen Rechtsordnung untersteht.1 Fehlt ein Heimathafen, so wird der Ort der Geschäftsleitung als in dem Staat gelegen fingiert, in dem der Betreiber des Schiffes ansässig ist (Art. 8 Abs. 3 OECD-MA).
19.287
Die besondere Verteilungsregel des Art. 8 OECD-MA gilt nicht nur für die Besteuerung von Gewinnen aus dem Betrieb von Schiffen und Luftfahrzeugen, sondern auch für Gewinne aus der Beteiligung des Unternehmens an einem Pool, einer Betriebsgemeinschaft oder einer internationalen Betriebsstelle (Art. 8 Abs. 4 OECD-MA). Auch für diese Gewinne ist der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens, das an dem Pool, der Betriebsgemeinschaft oder der internationalen Betriebsstelle beteiligt ist, maßgeblich.
19.288
5. Gewinnabgrenzung bei verbundenen Unternehmen Literatur Vgl. die Literaturübersicht zu Rz. 21.136.
a) Allgemeines Nach der in den DBA für Unternehmensgewinne maßgeblichen Grundregel steht die Besteuerung von Unternehmensgewinnen dem Wohnsitzstaat zu (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 OECD-MA 2008/2010). Soweit allerdings ein Unternehmen im anderen Vertragsstaat durch eine dort belegene Betriebsstätte tätig wird, sind die Betriebsstättengewinne der Besteuerung auch durch den Betriebsstättenstaat zugewiesen mit der Folge, dass auf der Ebene der DBA eine Gewinnabgrenzung2 zwischen Stammhaus einerseits und Betriebsstätte andererseits erforderlich ist (Art. 7 Abs. 1 Satz 2 OECD-MA 2008/2010). Diese für Zwecke der bilateralen Besteuerungszuordnung erforderliche Gewinnabgrenzung zwischen Teilen ein und desselben Unternehmens findet ihre Parallele bei (steuerlich selbständigen) verbundenen Unternehmen (Art. 9 Abs. 1 OECD-MA),3 für die ebenfalls eine Gewinnabgrenzung z.B. zwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaft oder zwischen Schwestergesellschaften vorgesehen ist.
19.289
Soweit die Bedingungen der zwischen diesen verbundenen Unternehmen abgewickelten Geschäfte einem Fremdvergleich nicht standhalten, kann der hierdurch zu niedrig ausgewiesene Gewinn des betreffenden Unternehmens erhöht
19.290
1 Art. 91 SRÜ; vgl. hierzu BFH v. 13.2.1974 – I R 219/71, BStBl. II 1974, 361; Heintschel von Heinegg in Ipsen6, § 46 Rz. 9. 2 Hier gleichbedeutend mit Einkünfteabgrenzung und Einkünfte- oder Gewinnzuordnung bzw. Gewinnzurechnung. 3 Um verbundene Unternehmen handelt es sich, wenn ein Unternehmen unmittelbar oder mittelbar an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital des anderen Unternehmens beteiligt ist oder wenn dieselben Personen unmittelbar oder mittelbar an der Geschäftsführung, der Kontrolle oder dem Kapital beider Unternehmen beteiligt sind.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
werden. Zu dieser Erstberichtigung ist der jeweilige Wohnsitzstaat befugt. In einigen deutschen DBA1 ist auch eine Gegenberichtigung bei dem verbundenen Unternehmen durch den anderen Vertragsstaat vorgesehen (Art. 9 Abs. 2 OECDMA; sog. Korrespondenzklausel). Während diese Gegenberichtigung dem Ziel dient, eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung (Rz. 15.3)2 zu vermeiden, ist die Erstberichtigung insbesondere darauf angelegt, für eine gerechte Verteilung des Steuergutes zwischen den beiden Vertragsstaaten zu sorgen (Rz. 19.33 ff.).3 19.291
Die für verbundene Unternehmen maßgeblichen Korrekturnormen der DBA haben keine Self-executing-Wirkung,4 sie räumen dem Sitzstaat des Unternehmens, dessen Gewinn verkürzt wurde, vielmehr lediglich eine Ermächtigung zur Korrektur ein.5 Die Rechtsgrundlage für eine Gewinnberichtigung kann sich daher nur aus dem innerstaatlichen Recht des berechtigten Wohnsitzstaates ergeben.6
19.292
Auch wenn die abkommensrechtlichen (bilateralen) Korrekturklauseln für sich allein keine Rechtsgrundlage für eine Gewinnberichtigung darstellen, so sind sie damit dennoch nicht gänzlich ohne Bedeutung. Sie begrenzen nämlich die Reichweite der Gewinnkorrekturklauseln des nationalen Rechts insbesondere durch den beiderseits verbindlichen Maßstab des Fremdvergleichs. Im Hinblick darauf kann die jeweilige abkommensberechtigte Person aus den bilateralen Gewinnkorrekturklauseln Schutz dagegen beanspruchen, dass der Wohnsitzstaat Gewinnerhöhungen vornimmt, die über das durch die bilateralen Gewinnkorrekturklauseln gesetzte Maß hinausgehen.7
19.293
Demgegenüber wird die Meinung vertreten, abkommensrechtliche Gewinnkorrekturklauseln hätten lediglich klarstellende Bedeutung, die nicht den Sinn haben könnten, einen Vertragsstaat in der nach seinem eigenen nationalen Recht zu treffenden Ermittlung des Gewinns für ein in seinem Gebiet ansässiges Unternehmen zu beschränken. Eine Einschränkung des Besteuerungsrechts erfolge auf der Ebene von DBA allein durch Verteilungsnormen, die allerdings nur die Be1 Abkommensübersicht bei Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 145. 2 Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 159; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 366; Ditz in S/D, Art. 9 OECD-MA Rz. 3. 3 Zur Verteilungsgerechtigkeit Tipke, Steuergerechtigkeit, 120; Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 24; Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, 105 ff.; Lang in FS Schaumburg, 45 (47 ff.); Rödder in FS Lang, 1147 (1148 f.). 4 BFH v. 12.3.1980 – I R 186/76, BStBl. II 1980, 531; v. 21.1.1981 – I R 153/77, BStBl. II 1981, 517; Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 18; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 4, 76; Ditz in S/D, Art. 90 OECD-MA Rz.18; Becker in Haase3, Art. 9 OECD-MA Rz. 8. 5 Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 18; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 76 f.; Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 1 (5). 6 Z.B. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG (verdeckte Gewinnausschüttung); § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG (verdeckte Einlage); § 1 AStG (Berichtigung von Einkünften); zu Einzelheiten Rz. 21.156 ff. 7 BFH v. 11.10.2012 – I R 75/11, BStBl. II 2013, 1046; v. 17.12.2014 – I R 23/13, BStBl. II 2016, 261; v. 24.6.2015 – I R 29/14, BStBl. II 2016, 258 (Nichtanwendungserlass BMF v. 30.3.2016 – IV B 5 - S 1341/11/10004-07 – DOK 2016/0291611, BStBl. I 2016, 455); Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 20 f.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 76 f.; Ditz in S/D, Art. 9 OECD-MA Rz. 19.
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Schaumburg/Häck
L. Verteilung der Steuergüter
steuerungsbefugnis für die Einkünfte ein und desselben Steuersubjektes zwischen Wohnsitzstaat einerseits und Quellenstaat andererseits aufteilten. Die dem Art. 9 OECD-MA entsprechenden Normen der DBA bezögen sich dagegen auf verschiedene Steuersubjekte im Verhältnis zweier Wohnsitzstaaten zueinander. Daher entfalteten die abkommensrechtlichen Gewinnkorrekturklauseln keine Schrankenwirkung ggü. der nationalen Besteuerung.1 Indessen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die abkommensrechtlichen Gewinnkorrekturklauseln lediglich einen Programmsatz darstellen, der für beide Vertragsstaaten nicht verbindlich wäre. Eine solche Norm wäre überflüssig. Die Parallele zu den Regelungen über die Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus einerseits und Betriebsstätte andererseits (Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008/2010) zwingt dazu, die Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen einer vergleichbaren Verbindlichkeit zu unterwerfen. Hierfür spricht auch, dass in den alten Abkommen die Regelungen über die Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus einerseits und rechtlich selbständigen Tochtergesellschaften und Betriebsstätten andererseits einheitlich normiert waren.2 Im Hinblick darauf entwickeln die für verbundene Unternehmen geltenden bilateralen Gewinnkorrekturklauseln eine Schutzfunktion zugunsten verbundener Unternehmen. Die Reichweite dieser Schutzfunktion wird durch den Wortlaut der jeweiligen Gewinnkorrekturklausel bestimmt. Danach darf bei gesellschaftsrechtlich miteinander verbundenen Unternehmen die Gewinnkorrektur nur nach Maßgabe des Fremdvergleichs erfolgen. Über diese Schrankenwirkung hinaus haben die bilateralen Gewinnkorrekturklauseln keine Bedeutung.
19.294
Aus der Schrankenwirkung folgt,3 dass verdeckte Gewinnausschüttungen, die innerstaatlich angenommen werden, weil es an einer klaren und von vornherein abgeschlossenen Vereinbarung darüber fehlt, ob und in welcher Höhe ein Entgelt von der Kapitalgesellschaft gezahlt werden soll,4 im Ergebnis folgenlos bleiben, weil die bilateralen Gewinnkorrekturklauseln auf diese (formalen) Gesichtspunkte nicht abstellen.5 Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des treaty overriding (Rz. 3.24 f.). § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG, in dem der Fremdvergleichsgrundsatz verankert ist, enthält zwar die Aussage „unbescha-
19.295
1 BMF v. 30.3.2016 – IV B 5 - S 1341/11/10004-07 – DOK 2016/0291611, BStBl. I 2016, 455; v. 23.2.1983 – IV C 5-S 1341-4/83, BStBl. I 1983, 218, Tz. 1.2.1.; v. 12.4.2005 – IV B 4 S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Tz. 6.1.1; Baranowski, Die Besteuerung von Auslandsbeziehungen, Rz. 478; Höppner, StBp. 1981, 56 ff.; Menck, DStZ/A 1972, 68 ff.; Debatin, DStZ/A 1971, 385 (388); Weber in FS Walter, 115 (133 f.). 2 Pöllath/Rädler, DB 1982, 517 ff., 561 (564). 3 Zu weiteren Fallgruppen Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 1 (6 f.). 4 BFH v. 23.5.1984 – I R 294/81, BStBl. II 1984, 673; v. 14.3.1990 – I R 6/89, BStBl. II 1990, 795; v. 5.10.1994 – I R 50/94, BStBl. II 1995, 549; v. 19.3.1997 – I R 75/96, BStBl. II 1997, 577; v. 23.10.1996 – I R 71/95, BStBl. II 1999, 35; zu diesem formellen Fremdvergleich Neumann in R/H/N, § 8 KStG Rz. 267 ff. 5 BFH v. 11.10.2012 – I R 75/11, BStBl. II 2013, 1046; v. 17.12.2014 – I R 23/13, BStBl. II 2016, 261; v. 24.6.2015 – I R 29/14, BStBl. II 2016, 258 (Nichtanwendungserlass BMF v. 30.3.2016 – IV B 5 - S 1341/11/10004-07 – DOK 2016/0291611, BStBl. I 2016, 455); Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 27; Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 188 ff.; Rasch, IWB 2012, 198; z.T. a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 128.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
det anderer Vorschriften“, hierdurch werden aber nicht entgegenstehende oder einschränkende Abkommensvorschriften überspielt.1 Dies deshalb nicht, weil aus der vorgenannten Klausel nicht hinreichend deutlich wird, dass gerade der sich aus § 2 Abs. 1 AO ergebende zugunsten von Abkommensvorschriften geltende lex specialis-Grundsatz beseitigt werden soll. Vielmehr zeigt die Entstehungsgeschichte von § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG2 und das danach folgende Verständnis dieser Norm, dass es allein um das Konkurrenzverhältnis zu anderen innerstaatlichen Einkünftekorrekturnormen geht, wobei die Rechtsfolge des § 1 Abs. 1 AStG im Zweifel hinter den anderen in Betracht kommenden Einkünftekorrekturnormen zurücktritt (Rz. 21.137).3 Der so verstandene subsidiäre Charakter des § 1 Abs. 1 AStG hat von vorneherein nicht die Eignung zu einem treaty overriding.4 19.296
Die für Unternehmensgewinne maßgeblichen Gewinnkorrekturklauseln (Art. 9 OECD-MA) sind ggü. den abkommensrechtlichen Einkünftekorrekturklauseln für Zinsen (Art. 11 Abs. 6 OECD-MA) und Lizenzgebühren (Art. 12 Abs. 4 OECD-MA) lediglich subsidiär:5 Die Subsidiarität beschränkt sich allerdings auf jene Fälle, in denen überhöhte Zinsen oder Lizenzgebühren vereinbart sind. Die Berichtigung eines zu niedrigen Zinses oder einer zu niedrigen Lizenzgebühr ist dagegen nur über die für verbundene Unternehmen vorgesehene abkommensrechtliche Gegenberichtigung (Art. 9 Abs. 2 OECD-MA; hierzu Rz. 19.314 ff.) möglich.6
19.297
Die für Unternehmensgewinne maßgeblichen Gewinnkorrekturklauseln (Art. 9 OECD-MA) sind schließlich auch subsidiär ggü. den abkommensrechtlichen Gewinnzuordnungsregeln (Art. 7 Abs. 2, 3 OECD-MA 2008/2010) für Betriebsstätten, so dass die Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte, zwischen mehreren Betriebsstätten, zwischen Gesellschafter und Personengesellschaft7 und zwischen mehreren miteinander verbundenen Personengesellschaften aus ihrem Anwendungsbereich ausgeklammert ist.8 Soweit es um Personengesellschaften geht, entfaltet Art. 7 OECD-MA 2008 eine Schrankenwirkung gegenüber § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG, wonach Personengesellschaften für Zwecke der Einkünftekorrektur als eigenständige Steuerpflichtige fingiert wer-
1 Anders BMF v. 30.3.2016 – IV B 5 - S 1341/11/10004-07 – DOK 2016/0291611, BStBl. I 2016, 455. 2 Hierzu Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 383. 3 Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 383. 4 Anders BMF v. 30.3.2016 – IV B 5 - S 1341/11/10004 – DOK 2016/0291611, BStBl. I 2016, 455. 5 Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 7; Ditz in S/D, Art. 9 OECD-MA Rz. 10. 6 Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 7. 7 Soweit diese kein eigenständiges Steuersubjekt ist; Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 36; Kroppen in G/K/G, Art. OECD-MA Rz. 48 ff.; Ditz in S/D, Art. 9 OECD-MA Rz. 33; Ditz in W/R/S, Personengesellschaft im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 12.3, 12.33; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 23. 8 Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 36; Kroppen in G/K/G, Art. OECD-MA Rz. 48 ff.; Ditz in S/D, Art. 9 OECD-MA Rz. 33; Ditz in W/R/S2, Rz. 12.3, 12.33; Schliephake, Steuerliche Gewinnabgrenzung internationaler Personengesellschaften, 141 f.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 23 und Fischer-Zernin, RIW 1991, 493 (495) wollen dagegen Art. 9 OECD-MA auch auf miteinander verbundene Personengesellschaften anwenden.
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Schaumburg/Häck
L. Verteilung der Steuergüter
den.1 Ein Gleichlauf mit Abkommensrecht besteht nur in den Fällen, in denen deutsche Abkommen Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 nachgebildet sind und die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes im Rahmen des „Functionally Separate Entity Approach“ in Übereinstimmung mit § 1 Abs. 5 AStG mit der Folge gebieten, dass insoweit die für Kapitalgesellschaften maßgeblichen Regeln gelten (Rz. 21.123 ff.).2 b) Erstberichtigung Die Gewinnkorrekturklauseln der DBA räumen dem einen Vertragsstaat unter den dort genannten Bedingungen (Art. 9 Abs. 1 OECD-MA) die Ermächtigung ein, die Gewinne des in seinem Gebiet ansässigen Unternehmens zu erhöhen und entsprechend zu besteuern (Erstberichtigung). Da der betreffende Gewinnanteil bei dem verbundenen Unternehmen des anderen Vertragsstaates ebenfalls besteuert wird, tritt insoweit eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung (Rz. 15.3 f.) ein, die der andere Vertragsstaat durch eine entsprechende Gegenberichtigung auszugleichen hat (Art. 9 Abs. 2 OECD-MA).3
19.298
Die Erstberichtigung wird durch den Vertragsstaat veranlasst, in dem dasjenige verbundene Unternehmen ansässig ist, dessen Gewinn gemindert wurde. Die Gewinnerhöhung selbst erfolgt in den von den bilateralen Gewinnkorrekturklauseln gezogenen Grenzen ausschließlich nach den Regeln des nationalen Rechts.
19.299
Die bilateralen Gewinnkorrekturklauseln (Art. 9 Abs. 1 OECD-MA) erlauben eine Erstberichtigung, wenn
19.300
– die Unternehmen beider Vertragsstaaten verbundene Unternehmen sind, – diese Unternehmen in ihren kaufmännischen oder finanziellen Beziehungen an vereinbarte oder auferlegte Bedingungen gebunden sind, die abweichen von denen, die unabhängige Unternehmen miteinander vereinbaren würden (Fremdvergleich), – eines der beiden Unternehmen ohne diese Bedingungen höhere Gewinne erzielt hätte (Gewinnminderung).4 Um verbundene Unternehmen handelt es sich dann, wenn die Unternehmen der beiden Vertragsstaaten gesellschaftsrechtlich unmittelbar oder mittelbar miteinander verflochten sind, wenn also ein Unternehmen unmittelbar oder mittelbar an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital des anderen Unternehmens beteiligt ist (Art. 9 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA). Angesprochen sind damit in erster Linie Kapitalgesellschaften – nicht Personengesellschaften ohne eigene Steuerrechtsfähigkeit (Rz. 19.177 ff.) –, die in gerader Linie miteinander gesellschaftsrechtlich verflochten sind, also Mutter- und Tochtergesellschaften (unmittelbare Beteiligung) sowie Mutter- und Enkelgesellschaften 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG – „unbeschadet anderer Vorschriften“ – bewirkt auch hier kein treaty overriding (Rz. 19.295). 2 Ditz in W/R/S, Personengesellschaft im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 12.33. 3 In deutschen DBA zumeist nicht vorgesehen; hierzu die Abkommensübersicht bei Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 145, 181 ff. 4 Abzustellen ist auf die Steuerbilanz; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 71.
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19.301
Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
(mittelbare Beteiligung). Darüber hinaus zählen zu den verbundenen Unternehmen auch solche, die in der Seitenlinie gesellschaftsrechtlich miteinander verflochten sind, wenn also dieselben Personen unmittelbar oder mittelbar an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital beider Unternehmen beteiligt sind (Art. 9 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA). Erfasst werden damit insbesondere Schwestergesellschaften.1 19.302
Weitere Voraussetzung für die Erstberichtigung ist, dass die verbundenen Unternehmen ihren Beziehungen Bedingungen zugrunde legen, die einem Fremdvergleich2 nicht standhalten. Die bilateralen Gewinnkorrekturklauseln (Art. 9 Abs. 1 OECD-MA) stellen hierbei auf kaufmännische oder finanzielle Beziehungen ab. Damit werden alle Beziehungen sowohl auf obligatorischer als auch – soweit es um finanzielle Beziehungen geht – auf gesellschaftsrechtlicher Ebene erfasst,3 soweit diese nicht das Verbundensein der betreffenden Unternehmen erst begründen.4
19.303
Der Begriff der Bedingungen ist ebenfalls weit auszulegen, so dass jedweder nur denkbare Vertragsbestandteil einbezogen wird.5 Es muss sich dabei um vereinbarte oder auferlegte Bedingungen handeln. Zu den auferlegten Bedingungen gehören insbesondere solche, die etwa auf Konzernrichtlinien zurückzuführen sind. Damit wird zugleich deutlich, dass die gesellschaftsrechtliche Verflechtung, also die Beteiligung an der Geschäftsleitung, der Kontrolle oder dem Kapital der verbundenen Unternehmen ursächlich für die vereinbarten oder auferlegten Bedingungen sein muss.6
19.304
Unter dem Gesichtspunkt des Fremdvergleichs sind die vereinbarten oder auferlegten Bedingungen mit denen zu vergleichen, die unabhängige Unternehmen gegenseitig zugrunde legen würden.7 Der hiernach geforderte Ist-Soll-Vergleich8 ist entweder konkret, sofern für die betreffende Leistung zu einem bestimmten Zeitpunkt und auf einem bestimmten Markt ein Marktpreis feststellbar ist, oder aber hypothetisch, soweit es an einer konkreten Vergleichsmöglichkeit fehlt.9 Da
1 Ausführlich zu den einzelnen Fallgruppen Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 33 ff. 2 Vgl. hierzu die OECD-Verrechnungspreisrichtlinien 1995, die seit dem fortlaufend aktualisiert und ergänzt werden; hierzu im Überblick Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 29; Sieker in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 135 ff.; Ditz in S/D, Art. 9 OECD-MA Rz. 27 ff. 3 Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 48; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 62. 4 Vgl. BFH v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 63. 5 Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 50; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 66. 6 Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 40, 53. 7 Nach Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 67; Wassermeyer in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 123 (135), soll hierfür eine Beweiserhebung nicht unbedingt notwendig sein. 8 Hierzu im Einzelnen Baumhoff in F/W/K, Art. 9 DBA-Schweiz Rz. 51 ff. 9 Innerstaatlich normativ verankert in § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG.
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L. Verteilung der Steuergüter
sich der konkrete (tatsächliche) Fremdvergleich an tatsächlich feststellbaren Marktdaten orientiert, geht er dem hypothetischen Fremdvergleich vor.1 Wesentliche Voraussetzung des Fremdvergleichs ist die Vergleichbarkeit der Verhältnisse der betreffenden Geschäftsbeziehung der verbundenen Unternehmen einerseits und dem konkreten (tatsächlichen) oder hypothetischen Vergleichsobjekt andererseits.2 Hierfür reicht es aus, dass die Vergleichsobjekte in ihren wesentlichen Merkmalen annähernd gleich sind. In diesem Zusammenhang wird zwischen direkter und indirekter Vergleichbarkeit unterschieden.3 Während bei direkter Vergleichbarkeit die einzelnen Elemente ohne Korrekturen und Anpassungen in einen Vergleich einbezogen werden können, bedarf es bei indirekter Vergleichbarkeit stets einer Anpassung.
19.305
Die Vergleichsobjekte können dann für Zwecke des Fremdvergleichs herangezogen werden, wenn insbesondere folgende Merkmale übereinstimmen:4
19.306
– die Art, Ausgestaltung, Qualität und der Umfang der Lieferungen und sonstigen Leistungen; – die allgemeinen Marktverhältnisse, unter denen die Lieferungen und Leistungen erstellt, genutzt, verbraucht oder veräußert werden; – die Funktionen,5 die von den Unternehmenseinheiten tatsächlich wahrgenommen werden; – die Marktstufe, auf der Lieferungen und Leistungen ausgetauscht werden; – die vereinbarten Vertrags- und Lieferbedingungen; – die Fristigkeit der Liefer- und Leistungsbeziehungen; – die unternehmerischen Zielvorstellungen sowie die betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen von Produzenten und Abnehmer bzw. von Leistungserbringer und -empfänger. Der konkrete (tatsächliche) Fremdvergleich ist entweder als innerbetrieblicher oder als zwischenbetrieblicher Vergleich möglich. Der innerbetriebliche Vergleich kommt zur Anwendung, wenn das Unternehmen die gleiche Leistung unter vergleichbaren Bedingungen gleichermaßen an verbundene und fremde Unternehmen erbringt bzw. von diesen erhält. Ein zwischenbetrieblicher Vergleich erfolgt demgegenüber dann, wenn als Vergleichstatbestände Vereinbarungen herangezogen werden, die zwischen fremden dritten Unternehmen getroffen wurden.6 1 Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 60; vgl. § 1 Abs. 3 Satz 5 AStG. 2 Zu Einzelheiten Sieker in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 136, 185 ff. 3 So im Rahmen der sog. Preisvergleichsmethode; BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.2.2 Satz 3; v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.7; im Einzelnen hierzu Baumhoff/Liebchen in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 167; vgl. § 1 Abs. 3 Sätze 1 bis 3 AStG mit der Unterscheidung zwischen uneingeschränkt und eingeschränkt vergleichbaren Werten; hierzu Rz. 21.182 ff. 4 Zum folgenden Kriterienkatalog ausführlich Baumhoff /Liebchen in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 195; ähnlich der Katalog bei Sieker in Wassermeyer Art. 9 OECD-MA Rz. 191 ff.; Ditz in S/D, Art. 9 OECD-MA Rz. 50. 5 Zur Funktionsanalyse ausführlich Baumhoff/Liebchen in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 202 ff.; Borstell/Hülster in Vögele/Borstell/Engeler, Hdb. der Verrechnungspreise4, Rz. M 137 ff.; Sieker in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 193; vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG zum Begriff Funktionsanalyse und § 1 Abs. 1 FVerlV zum Begriff Funktion. 6 Hierzu im Einzelnen Baumhoff/Liebchen in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 310.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
19.308
Liegen die Voraussetzungen für einen konkreten (tatsächlichen) Fremdvergleich nicht vor, kommt subsidiär ein hypothetischer Fremdvergleich zur Anwendung, der allerdings eines konkretisierenden Maßstabs bedarf. In Anlehnung an die zur verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung wird die Sorgfalt eines doppelten ordentlichen Geschäftsleiters1 einer unabhängigen Gesellschaft zum Maßstab des hypothetischen Fremdvergleichs erhoben und damit immer dann zugrunde gelegt, wenn der konkrete (tatsächliche) Fremdvergleich versagt.2
19.309
In der internationalen Praxis haben sich für Zwecke der Konkretisierung des Fremdvergleichs als Standardmethoden die Preisvergleichs-, Wiederverkaufspreis- und die Kostenaufschlagsmethode herausgebildet.3 Diese Standardmethoden haben als transaktionsbezogene Methoden internationale Akzeptanz gefunden und werden daher entsprechend § 1 Abs. 3 Satz 1 AStG auch von der deutschen Finanzverwaltung bei der Angemessenheitsprüfung zugrunde gelegt.4 Wegen der Einzelheiten wird auf Rz. 21.189 ff. verwiesen.
19.310
Die Standardmethoden sind allerdings nicht die einzigen geeigneten Instrumente der Verrechnungspreisbestimmung. In der Praxis werden nicht selten die Standardmethoden miteinander kombiniert, um zusätzliche Elemente angereichert oder durch andere Methoden ersetzt. Daneben sind auch pauschale Abrechnungen, insbesondere bei verwaltungsbezogenen Dienstleistungen, durch Kostenumlagen gebräuchlich.5 In Übereinstimmung mit den bilateralen Gewinnkorrekturklauseln liegt den Standardmethoden als Konzeption allerdings eine einzelfallbezogene Gewinnkorrektur zugrunde. Hiernach sind Gegenstand des Fremdvergleichs nur die einzelnen oder allenfalls Gruppen gleichartiger Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen.6 Mit dieser Konzeption ist die in den USA7 entwickelte globale Gewinnvergleichsmethode,8 die davon ausgeht, dass die von vergleichbaren Unternehmen über einen mehrjährigen
1 Vgl. § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG; zu Einzelheiten Ditz in S/D, Art. 9 OECD-MA Rz. 58; Baumhoff/Liebchen in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 324 ff. 2 Baumhoff/Liebchen in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 324 ff.; Borstell in Vögele/Brostell/Engeler, Hdb. der Verrechnungspreise4, Rz. C 41 ff. 3 Hierzu im Überblick Ditz in S/D, Art. 9 OECD-MA Rz. 61 ff.; Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 661 ff.; Vögele/Witt/Braukmann/Vögele in Vögele/Borstell/Engler, Hdb. der Verrechnungspreise4, Rz. 6.1 ff. 4 BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.2.; v. 12.4.2005 – IV B 4 S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4, 10.3 Buchst. a. 5 Zu Einzelheiten Sieker in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 277; Ditz in S/D, Art. 9 OECD-MA Rz. 84; Baumhoff in W/B, Rz. 6.326 ff.; Piltz in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 62 ff.; akzeptiert durch die Finanzverwaltung; vgl. BMF v. 30.12.1999 – IV B 4 - S 1341 - 14/99, BStBl. I 1999, 1122 (Verwaltungsgrundsätze-Umlage). 6 Dies entspricht auch der im Rahmen der § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG (vGA) und § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG (verdeckte Einlage) sowie gem. § 1 AStG vorzunehmenden Angemessenheitsprüfung; vgl. etwa BFH v. 19.3.1975 – I R 137/73, BStBl. II 1975, 722; v. 12.3.1980 – I R 186/76, BStBl. II 1980, 531. 7 Hierzu die Einzelheiten bei Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 81 ff.; Sieker in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 257; Greinert in W/B, Rz. 5.136. 8 Comparable profits method (CPM).
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L. Verteilung der Steuergüter
Zeitraum erzielten Gewinne sich tendenziell entsprechen,1 nicht vereinbar.2 Dies gilt nicht für die übrigen gewinnorientierten Methoden,3 und zwar nicht für die von der OECD4 und von der Finanzverwaltung5 nur bei besserer Eignung akzeptierte transaktionsbezogene Gewinnaufteilungsmethode,6 die von einer Aufteilung des Gewinns aus einer Transaktion zwischen den beteiligten Parteien ausgeht7 und die transaktionsbezogene Nettomargenmethode,8 die auf den Vergleich von Nettorenditen aus vergleichbaren Transaktionen abstellt.9 Wegen Einzelheiten wird auf Rz. 21.189 ff. verwiesen. Die bilateralen Gewinnkorrekturklauseln gestatten eine Gewinnberichtigung nur dann, wenn die aufgrund der Einflussnahme vereinbarten oder auferlegten Bedingungen bei einem der beiden verbundenen Unternehmen eine Gewinnminderung bewirken. Die Erstberichtigung ist dabei stets auf eine Gewinnerhöhung gerichtet. Von einer Gewinnminderung kann dann keine Rede sein, wenn die verbundenen Unternehmen sich gegenseitig Vorteile gewähren und diese Vorund Nachteile sich ausgleichen. Dieser Vorteilsausgleich,10 bei dem vorteilhafte und nachteilige Geschäfte zu saldieren sind, ist nur zwischen verbundenen Unternehmen des einen und des anderen Staates zulässig.11 Die Beschränkung des Vorteilsausgleichs auf die Verhältnisse nur der in beiden Vertragsstaaten ansässigen verbundenen Unternehmen entspricht der Wertung der bilateralen Gewinnkorrekturklauseln, die auch darauf gerichtet sind, für die gerechte Zuordnung des Steuergutes zu einem Vertragsstaat oder die gerechte Verteilung des Steuergutes zwischen beiden Vertragsstaaten zu sorgen.
19.311
Der Vorteilsausgleich im Rahmen der bilateralen Gewinnkorrekturklauseln ist nicht nur unter solch engen Voraussetzungen zulässig wie der im Zusammenhang mit verdeckten Gewinnausschüttungen und verdeckten Einlagen.12 Insbesondere
19.312
1 Zur Kritik Sieker in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 260. 2 Sieker in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 260 f.; Ditz in S/D, Art. 9 OECD-MA Rz. 82; die Finanzverwaltung akzeptiert die CPM grundsätzlich nicht; vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570 (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren), Rz. 3.4.10.3d; kritisch hierzu Eigelshoven/Nientimp, DB 2005, 1184 (1186); vgl. auch Rz. 21.196. 3 Die Kritik richtet sich hier aber gegen die Gefahr der Sollbesteuerung; Sieker in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 260; Becker, Intertax 1995, 256 ff.; Werra, IStR 1994, 483 ff. 4 OECD-RL 2010 Rz. 2.4 ff.; 2.56 ff. 5 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.10.3 Buchst. b, c. 6 Profit split method. 7 Zu Einzelheiten dieser Methode Sieker in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 262 ff.; Ditz in S/D, Art. 9 OECD-MA Rz. 81; Greinert in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 841 ff. 8 Transactional net margin method (TNMM). 9 Zu Einzelheiten dieser Methode Sieker in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 268 ff.; Ditz in S/D, Art. 9 OECD-MA Rz. 77; Greinert in F/W/B/S, § 1 AStG 791 ff. 10 Zu Einzelheiten Rz. 21.173 ff.; dort auch zur Abgrenzung zur sog. Palettenbetrachtung. 11 Vgl. BFH v. 1.8.1984 – I R 99/80, BStBl. II 1985, 18; OECD-RL 2010 Rz. 3.13; Schöne, FR 1989, 543 ff.; dagegen generell für einen Vorteilsausgleich im Konzern Baumhoff/Liebchen in W/B, 3.169 ff.; Borstell in Vögele/Borstell/Engler, Hdb. der Verrechnungspreise4, Rz. C 97 ff.; einschränkend Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 356. 12 So aber BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.3; modifizierend Eigelshoven in V/L5, Art. 9 OECD-MA Rz. 111, 123; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 355; zu Einzelheiten Rz. 21.141; 21.174 ff.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
ist es nicht erforderlich, den Vorteilsausgleich im Vorhinein zu vereinbaren,1 weil Art. 9 OECD-MA auf diesen formalen Aspekt ohnehin nicht abstellt.2 Geboten ist vielmehr ein erweiterter Vorteilsausgleich,3 der allein dem den bilateralen Korrekturnormen zugrunde liegenden Prinzip der internationalen Verteilungsgerechtigkeit entspricht.4 Ein eingeengter Vorteilsausgleich, wie er von der deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage entwickelt worden ist,5 ginge entgegen dem sich aus den bilateralen Gewinnkorrekturklauseln ergebenden Gebot der Vermeidung auch der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung einseitig zu Lasten des betroffenen Unternehmensverbundes, zumal die meisten deutschen DBA eine Gegenberichtigung6 nicht kennen und die Gegenberichtigung zudem nicht verpflichtend ist. 19.313
Ergibt sich auch nach Berücksichtigung eines Vorteilsausgleichs eine Gewinnminderung, so dürfen nach den bilateralen Gewinnkorrekturklauseln die nicht erzielten Gewinne den Gewinnen des betroffenen Unternehmens zugerechnet und entsprechend besteuert werden. Nur innerhalb des hierdurch vorgegebenen Rahmens ist eine Gewinnkorrektur auf der Grundlage des jeweiligen innerstaatlichen Rechts zulässig.7 c) Gegenberichtigung
19.314
Die Erstberichtigung (Art. 9 Abs. 1 OECD-MA) ist darauf gerichtet, die für Zwecke der bilateralen Besteuerungszuordnung erforderliche Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen sicherzustellen und damit für eine gerechte Verteilung des Steuergutes zwischen beiden Vertragsstaaten zu sorgen. Diese im Interesse der beiden Vertragsstaaten mögliche Gewinnkorrektur ginge zu Lasten der in beiden Vertragsstaaten ansässigen verbundenen Unternehmen, wenn mit der Erstberichtigung in dem einen Vertragsstaat nicht eine korrespondierende Berichtigung in dem anderen Vertragsstaat erfolgte.
19.315
Da die Erstberichtigung stets auf eine Gewinnerhöhung abzielt, muss die Gegenberichtigung bei dem im anderen Vertragsstaat ansässigen verbundenen Unter1 BFH v. 11.10.2012 – I R 75/11, BStBl. II 2013, 1046. 2 Ditz in S/D, Art. 9 OECD-MA Rz. 120; Baumhoff/Liebchen in W/B, Rz. 3.1676; Borstell in Vögele/Borstell/Engler, Hdb. der Verrechnungspreise4, Rz. C 126 ff. 3 Ditz in S/D, Art. 9 OECD-MA Rz. 120; vgl. Rz. 21.174 ff. 4 Ein derart erweiterter Vorteilsausgleich ist auch international durchaus üblich; vgl. die Hinweise bei Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 111 zur Rechtslage in den USA und in Australien. 5 BFH v. 8.6.1977 – I R 95/75, BStBl. II 1977, 704; v. 7.12.1988 – I R 25/82, BStBl. II 1989, 248; v. 28.2.1990 – I R 83/87, BStBl. II 1990, 649; v. 30.7.1997 – I R 65/96, BStBl. II 1998, 402; noch strenger die frühere Rechtsprechung, die einen Vorteilsausgleich nur dann zuließ, wenn die Beteiligten eindeutige Abmachungen getroffen hatten, die die Vor- und Nachteile als jeweilige Gegenleistungen erkennbar machten, und wenn außerdem ein zeitlicher Zusammenhang bestand, der Leistung und Gegenleistung miteinander verband; so BFH v. 22.4.1964 – I 62/61 U, BStBl. III 1964, 370; v. 4.5.1965 – I 130/62 U, BStBl. III 1965, 598; v. 21.12.1972 – I R 70/70, BStBl. II 1973, 449; ferner Rz. 21.141. 6 Nachweise bei Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 145. 7 So etwa nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG (verdeckte Gewinnausschüttung), § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG (verdeckte Einlage) und § 1 AStG (Berichtigung von Einkünften); zu Einzelheiten Rz. 21.136 ff.
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L. Verteilung der Steuergüter
nehmen eine entsprechende Gewinnminderung bewirken, wenn nicht eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung entstehen soll. Die Gegenberichtigung (Art. 9 Abs. 2 OECD-MA)1 soll eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung vermeiden und entfaltet damit eine Schutzwirkung zugunsten der in beiden Vertragsstaaten ansässigen verbundenen Unternehmen vor einseitigen Gewinnkorrekturen durch den einen oder anderen Vertragsstaat.2 Im Hinblick darauf ist die Reichweite dieser Gegenberichtigung begrenzt. Sie erfasst nur jene Fälle der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung, in denen diese eine unmittelbare Folge der Erstberichtigung ist. Entsteht die wirtschaftliche Doppelbesteuerung dagegen etwa durch Qualifikationskonflikte oder durch unterschiedliche nationale Einkünfteermittlungsvorschriften, ist eine Gegenberichtigung ausgeschlossen.3
19.316
Die Erstberichtigung bildet den Maßstab für den Umfang der Gegenberichtigung, wenn die Erstberichtigung bei dem verbundenen Unternehmen in dem anderen Vertragsstaat zu einer Besteuerung geführt hat und der Berichtigungsbetrag nach den Grundsätzen des Fremdvergleichs unter Berücksichtigung eines Vorteilsausgleichs ermittelt worden ist.4 Insofern ist die Gegenberichtigung nur auf die Vermeidung der effektiven (wirtschaftlichen) Doppelbesteuerung gerichtet.5
19.317
Während die Erstberichtigung durch den einen Vertragsstaat ohne weiteres möglich ist, ergibt sich für den anderen Staat daraus nicht automatisch eine Anpassungsverpflichtung im Zuge einer Gegenberichtigung.6 Die Gegenberichtigung setzt vielmehr voraus, dass zwischen beiden Vertragsstaaten Einigkeit sowohl über die Qualifikation des Leistungsentgelts als auch über dessen angemessene Höhe besteht.7 Erforderlichenfalls erfolgt die Einigung im Wege von Konsultationen (Art. 9 Abs. 2 Satz 2 OECD-MA) oder im Rahmen eines Verständigungsverfahrens (Art. 9 Abs. 2 Satz 2 i.V. mit Art. 25 OECD-MA).
19.318
Da die bilateralen Gewinnkorrekturklauseln eine Erstberichtigung, und damit eine Gewinnerhöhung, durch den einen Vertragsstaat ohne Rücksicht auf eine
19.319
1 In der deutschen Abkommenspraxis immer noch die Ausnahme; Nachweise bei Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 145. 2 Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 159; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 366 Ditz in S/D, Art. 9 OECD-MA Rz. 124. 3 Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 161; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 373; Ditz in S/D, Art. 9 OECD-MA Rz. 127; Lahodny-Karner in Gassner/ Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 91 (97). 4 Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 163; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 357; Ditz in S/D, Art. 9 OECD-MA Rz. 127. 5 Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 163; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 385; Lahodny-Karner in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 91 (113). 6 Zur fehlenden Verbindlichkeit der Gegenberichtigung Popkes, Internationale Prüfung der Angemessenheit steuerlicher Verrechnungspreise, 199 ff. 7 Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 164b; Rasch in G/K/G, Art. 9 OECD-MA Rz. 219, 224; Lahodny-Karner, in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 91 (111, 115); OECD-MK zu Art. 9 Rz. 5; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 380; Ditz in S/D, Art. 9 OECD-MA Rz. 128; Becker in Haase3, Art. 9 OECD-MA Rz. 70.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
Gegenberichtigung (Gewinnminderung) durch den anderen Vertragsstaat zulassen, verbleibt es in der internationalen Besteuerungspraxis zumeist bei der Erstberichtigung. Die Gründe hierfür liegen einmal darin, dass in vielen DBA Gegenberichtigungen nicht vorgesehen sind,1 eine Verpflichtung zu Konsultationen und Verständigungsverfahren nicht besteht und letztlich, soweit derartige Konsultationen und Verständigungsverfahren durchgeführt werden, ein Einigungszwang der beteiligten Vertragsstaaten nicht vorgesehen ist. 19.320
Damit gehen die bilateralen Gewinnkorrekturklauseln durchweg zu Lasten der in beiden Vertragsstaaten ansässigen verbundenen Unternehmen mit der Folge, dass insbesondere international operierende Konzerne ohne wirksamen Schutz einer auch nicht durch Advanced Pricing Agreements (APA) (Rz. 19.104 ff., 21.244 ff.) vermeidbaren wirtschaftlichen Doppelbesteuerung ausgesetzt sind. Ein wirksamer Schutz kann daher nur durch in DBA verankerte Schiedsklauseln (Rz. 19.110 ff.) erreicht werden. Die (wirtschaftliche) Doppelbesteuerung kann sodann weiterhin vermieden werden durch die EU-Schiedsverfahrenskonvention (Rz. 19.113 ff.; 3.79 ff.), die als erste Stufe ein Verständigungsverfahren und als zweite Stufe ein Schlichtungsverfahren vorsieht.
19.321
Erzielen beide Vertragsstaaten Einigkeit darüber, dass die Erstberichtigung zu Recht erfolgt ist, besteht die Verpflichtung zur Gegenberichtigung. Kommen beide Vertragsstaaten übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die Erstberichtigung nicht oder nur zum Teil gerechtfertigt war, so erfolgt eine Korrektur der Erstberichtigung und ggf. eine entsprechende Gegenberichtigung.2
19.322
Das korrespondierende Gefüge von Erstberichtigung einerseits und Gegenberichtigung andererseits kann zwar eine wirtschaftliche Doppelbesteuerung vermeiden, sie führt damit aber noch nicht zu einer abschließenden zutreffenden Besteuerung. Erfolgt etwa in Deutschland eine Erstberichtigung durch Annahme verdeckter Gewinnausschüttungen (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG), weil eine hier ansässige Tochtergesellschaft an eine ausländische Muttergesellschaft überhöhte Verrechnungspreise bezahlt hat, so führt die Gegenberichtigung lediglich zu einer Minderung des Einkommens bei dieser Muttergesellschaft, eine steuerliche Erfassung der tatsächlich zugeflossenen Dividenden wird aber erst durch eine sog. Sekundärberichtigung sichergestellt, die in den bilateralen Gewinnkorrekturklauseln selbst nicht vorgesehen ist.3 Diese Sekundärberichtigungen sind daher allein nach Maßgabe des jeweiligen innerstaatlichen Rechts vorzunehmen.4
19.323
Erst- und Gegenberichtigungen sind nur unter den verfahrensmäßigen Voraussetzungen des jeweiligen nationalen Rechts möglich. Als Rechtsgrundlagen für die Gegenberichtigung kommen daher, soweit die betreffenden Steuerbescheide be1 So enthalten nur wenige deutsche DBA eine dem Art. 9 OECD-MA entsprechende Regelung, hierzu die Übersicht bei Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 145. 2 Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 175; Lahodny-Karner in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 91 (115). 3 Hierzu Becker in Haase3, Art. 9 OECD-MA Rz. 75 f. 4 Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 178.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 82; Ditz in S/D, Art. 9 OECD-MA Rz. 131; ausführlich hierzu Rasch in Kroppen, HdB Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. IV Rz. 264 ff., 268.
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L. Verteilung der Steuergüter
reits bestandskräftig geworden sind, insbesondere § 175a AO1 und im Übrigen die §§ 172 ff. AO, die Billigkeitsvorschriften der Abgabenordnung (§§ 163, 227 AO) sowie § 34c Abs. 5 EStG in Betracht.2
IV. Dividendeneinkünfte Literatur Kommentare zu Art. 10 OECD-MA; Bay, Dividenden, Steuern und Steuerreformen, Wiesbaden 1990; Binder, Die Besteuerung der Dividenden und Zinsen nach deutschem Internationalen Steuerrecht, Diss. Göttingen 1967; Burmester, Überlegungen zur Auflösung von Schweizer Zwischengesellschaften, RIW 1987, 298; Debatin, Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen als Gegenstand verfehlter Rechnungshofsrüge, DStZ 1989, 421; Depping, Die Anrechnung fiktiver Steuern gemäß Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Türkei, DStZ 1995, 294; Englisch, Dividendenbesteuerung, Köln 2005; Häck, Abkommensrechtliche Zuordnung von Beteiligungen zu Betriebstätten nach BFH, OECD und Finanzverwaltung, ISR 2015, 113; Hamacher, Begriff und Identifizierung des Beneficial Owners im Zusammenhang mit den US-Quellensteuerregelungen ab 1.1.2001, IStR 2002, 227, 259; Intemann, Ausschüttungen aus dem steuerlichen Einlagekonto nicht nach § 8b Abs. 1 KStG steuerbefreit, NWB 2010, 2295; Jann, Die abkommensrechtlichen Schachtelbegünstigungen, in Gassner/Lang/Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, Wien 1995, 99; Kaeser, Der mehrgliedrige Dividendenbegriff im Musterabkommen und der Deutschen Verhandlungsgrundlage, in Mellinghoff/Lüdicke/Rödder (Hrsg.), Nationale und internationale Unternehmensbesteuerung in der Rechtsordnung, Festschrift für Dietmar Gosch, 2016, 187; Krabbe, Qualifikationskonflikte bei atypischen stillen Gesellschaften, IStR 1999, 591; Krabbe; Steuerliche Behandlung von Gewinnanteilen aus atypischen stillen Beteiligungen nach den DBA, IStR 2000, 23; Krause, Die Quantifizierung der Steuerbelastung von Beteiligungen an ausländischen Gesellschaften beim inländischen Anteilseigner, Diss. Berlin 1976; Lang, M., Hybride Finanzierung im Internationalen Steuerrecht, Wien 1991; Piltz, Liquidation ausländischer Kapitalgesellschaften in den Doppelbesteuerungsabkommen, DStR 1989, 133; Piltz, Hybride Finanzierungen in Doppelbesteuerungsabkommen, in Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung im Internationalen Steuerrecht, Köln 1995, 125; Schmidt, Die atypisch stille Gesellschaft im deutschen Internationalen Steuerrecht – wie begründet ist die herrschende Meinung?, IStR 1996, 213; Schulz-Trieglaff, Steuerfreie Dividenden und Betriebsstättenvorbehalt, IStR 2015, 717; Svoboda, Vorteile der fiktiven Anrechnung nach dem DBA ÖsterreichThailand, SWI 1998, 475; Vogel, Die Besteuerung von Auslandseinkünften, DStJG 8 (1985), 3; Wagner, Steuersparmodell „MADEIRA“, StBp. 1993, 108; Weber, Ist eine steuerliche Umqualifizierung der Erträge aus Fremdfinanzierung in verdeckte Gewinnausschüttungen gegenüber Doppelbesteuerungsabkommen wirksam?, Inst.FuSt. (Brief 204), Bonn 1989; Weidmann, Anrechnung und Abzug fiktiver Steuerbeträge, Die Bank 1989, 539; Widmann, Zurechnungsänderungen und Umqualifikationen durch das nationale Recht in ihrem Verhältnis zum DBA-Recht, DStJG 8 (1985), 235; Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, Hamburg 1991.
1. Allgemeines Bei Dividendeneinkünften bestehen die Schrankenwirkungen der DBA darin, dass die Besteuerung im Wohnsitzstaat aufrechterhalten und diejenige im Quellenstaat der Höhe nach begrenzt wird (Art. 10 OECD-MA). Diese Steuerteilung 1 Für den Fall einer Verständigungsvereinbarung; vgl. hierzu Rz. 19.102 f. 2 Eigelshoven in V/L6, Art. 9 OECD-MA Rz. 173; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 397 ff.; Ditz in S/D, Art. 9 OECD-MA Rz. 130.
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zwischen Quellenstaat einerseits und Wohnsitzstaat andererseits, die sich in der internationalen Abkommenspraxis allgemein durchgesetzt hat, versteht sich als ein Kompromiss zwischen den gegensätzlichen Interessen der Kapitalgläubigerund der Kapitalschuldnerländer.1 Obwohl unter nutzentheoretischen Aspekten dem Quellenstaat ein vorrangiger Zugriff auf die Dividendeneinkünfte deshalb gebührt, weil er am Investitionsort durch die Erbringung öffentlicher Leistungen die Erzielung von Dividendeneinkünften überhaupt erst ermöglicht,2 ist die Quellensteuerbefugnis in der deutschen Abkommenspraxis auf 0 %, 5 %, 10 % oder 15 % begrenzt,3 wobei ggf. im EU-Bereich eine völlige Freistellung nach Maßgabe der Mutter-Tochter-Richtlinie,4 in Betracht kommt. Der Wohnsitzstaat des Dividendenempfängers rechnet die Steuer des Quellenstaates an oder gewährt Steuerbefreiung. Um im Falle der Steueranrechnung zu vermeiden, dass etwaige für Zwecke der Investitionsförderung gewährte Steuervorteile des Quellenstaates im Wohnsitzstaat kompensiert werden und damit nicht dem Steuerpflichtigen, sondern dem Wohnsitzstaat zugute kommen, hat sich in den zwischen den europäischen Staaten und den Entwicklungsländern abgeschlossenen DBA eine Anrechnung fiktiver Steuern5 durchgesetzt.6 In der internationalen Abkommenspraxis finden sich durchweg Sonderregelungen für Schachteldividenden, für die die Quellensteuersätze auf höchstens 5 % gegenüber 15 % für alle Dividenden festgesetzt sind (Art. 10 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA).7 In der deutschen Abkommenspraxis wird die für die Besteuerung im Quellenstaat geltende Sonderregelung (Art. 10 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA) dadurch ergänzt, dass im Wohnsitzstaat des Dividendenempfängers, jedenfalls in Deutschland, die Schachteldividenden abkommensrechtlich von der Steuer freigestellt werden. Durch dieses internationale Schachtelprivileg,8 das durch die Freistellung nach nationalem Recht9 in Deutschland nur geringe10 Bedeutung hat, wird eine weitgehende Annäherung der steuerlichen Belastung von Betriebsstättengewinnen 1 Lohbeck/Tischbirek in V/L6, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 3. 2 Zur Opfertheorie und Nutzentheorie als Maßstab der Verteilungsgerechtigkeit grundlegend Vogel, DStJG 8 (1985), 3 (23 ff.). Zuber, Anknüpfungsmerkmale und Reichweite der internationalen Besteuerung, 107 ff. 3 Vgl. die Abkommensübersicht bei Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 67. 4 RL 2011/96/EU des Rates v. 30.11.2011 über das gemeinsame Steuersystem der Mutterund Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten, Abl. 2011 Nr. L 345, 8; zuletzt geändert durch RL 2014/86/EU des Rates v. 8.7.2014, Abl. 2014 Nr. L 219, 40; vgl. § 43b EStG; hierzu Rz. 3.70 ff. 5 Tax sparing credit/tax matching credit; hierzu im Einzelnen Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA, Rz. 109; Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 191 ff.; ferner Tumpel in Gassner/Lang/Lechner, Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, 61 ff.; Weidmann, Die Bank 1989, 539 ff.; Wagner, StBp. 1993, 108 ff.; Depping, DStZ 1995, 294 ff.; Svoboda, SWI 1998, 475 ff. 6 Lohbeck/Tischbirek in V/L6, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 4. 7 Zur Aufhebung der Quellensteuerbefugnis für Schachteldividenden in der EU vgl. Rz. 3.70 ff. 8 Vgl. die Abkommensübersicht bei Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 16. 9 § 8b Abs. 1, 5 KStG, §§ 7 Satz 4, 8 Nr. 5, 9 Nr. 7 GewStG; vgl. allerdings das in § 8b Abs. 1 Satz 2 bis 4 KStG verankerte materielle Korrespondenzprinzip; hierzu Rz. 18.149 ff. 10 S. aber zur verbleibenden Bedeutung des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 70.
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(Rz. 19.230 ff.) einerseits und Schachteldividenden andererseits aus Gründen der Wettbewerbsneutralität sichergestellt.1 Die abkommensrechtliche Sonderbehandlung von Schachteldividenden dient dem Ziel, direkte Auslandsinvestitionen zu erleichtern und darüber hinaus die internationale wirtschaftliche Mehrfachbesteuerung von Dividenden zu reduzieren.2 Demgegenüber bleibt die internationale Mehrfachbesteuerung für Streubesitzdividenden aufrechterhalten, soweit sich nicht aus dem jeweiligen nationalen Recht weitergehende Steuerbefreiungen oder Steuervergünstigungen ergeben.3 Die abkommensrechtliche Behandlung der Dividenden geht konzeptionell von der Doppelbelastung ausgeschütteter Gewinne durch Körperschaftsteuer einerseits und Einkommensteuer andererseits aus.4 Ein abkommensrechtliches Instrumentarium, das auf die Einbeziehung der Körperschaftsteuerbelastung in die Steuerteilung zwischen Wohnsitzstaat und Quellenstaat ausgerichtet ist, gibt es allgemein nicht. Im Hinblick darauf wird die Körperschaftsteuer, obwohl sie wirtschaftlich eine Vorbelastung der Dividende darstellt, in die Quellensteuerbegrenzung für Dividenden nicht mit einbezogen.
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Die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen Quellenstaat und Wohnsitzstaat beurteilt sich auch dann nach den für Dividenden geltenden besonderen Verteilungsnormen der DBA, wenn die Dividenden etwa von einem Unternehmen oder einem Selbständigen5 bezogen werden. Die besonderen für Dividenden geltenden Verteilungsnormen greifen allerdings dann nicht ein, wenn die betreffenden Beteiligungen tatsächlich zu einer Betriebsstätte des Unternehmens im Quellenstaat6 bzw. dort zu einer festen Einrichtung des Selbständigen gehören (Art. 10 Abs. 4 OECD-MA).7 Dieser Betriebsstättenvorbehalt eröffnet dem Quellenstaat die Möglichkeit, von der Bruttobesteuerung der Dividenden mit festen Quellensteuerhöchstsätzen auf eine Nettobesteuerung ohne Steuersatzbegrenzung überzuwechseln.8
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Da Betriebsstätten von Unternehmen jedweder Art unterhalten werden können, gilt der Betriebsstättenvorbehalt nicht nur für Unternehmen, deren Einkünfte den für Unternehmensgewinne geltenden Verteilungsnormen unterliegen, sondern auch für Unternehmen mit Einkünften aus internationaler Schifffahrt, Luft-
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1 Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 11; Jann in Gassner/Lang/Lechner, Die Methoden zu Vermeidung der Doppelbesteuerung, 99 (102). 2 Jann in Gassner/Lang/Lechner, Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, 99 (102). 3 In Deutschland: § 8b Abs. 1, 5 KStG; § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG, §§ 7 Satz 4, 8 Nr. 5, 9 Nr. 7 GewStG. 4 Vgl. Art. 10 Abs. 2 Satz 3 OECD-MA. 5 Art. 14 OECD-MA ist seit dem 15.11.2006 gestrichen, zahlreiche deutsche DBA enthalten jedoch noch eine dem Art. 14 OECD-MA a.F. vergleichbare Verteilungsnorm. 6 Ist die ausschüttende Gesellschaft dagegen im Wohnsitzstaat oder in einem Drittstaat ansässig, greift der Betriebsstättenvorbehalt nicht ein. 7 Der Betriebsstättenvorbehalt gilt auch in Fällen älterer Abkommen, in denen die feste Einrichtung von selbständig Tätigen nicht ausdrücklich erwähnt ist; FinMin. Niedersachsen v. 11.7.1995, IStR 1995, 397. 8 Görl in V/L6, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 32; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 172; Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 174.
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fahrt oder Binnenschifffahrt1 und für Personengesellschaften, in deren Rahmen eine gewerbliche Tätigkeit oder eine selbständige Arbeit ausgeübt wird.2 Der Betriebsstättenvorbehalt betrifft nur Dividenden, die aus dem Betriebsstättenstaat selbst stammen. Dividenden aus Drittstaaten dagegen unterliegen nicht dem Betriebsstättenvorbehalt.3 Sie sind andere Einkünfte (Art. 21 OECD-MA),4 die nur im Wohnsitzstaat versteuert werden dürfen, es sei denn, die Beteiligungen gehören tatsächlich5 zu einem Betriebsstättenvermögen.6 19.328
Der Betriebsstättenvorbehalt greift nur dann ein, wenn die Beteiligungen, für die die Dividenden gezahlt werden, tatsächlich zu dieser Betriebsstätte im Quellenstaat gehören.7 Damit wird der sog. Attraktivkraft der Betriebsstätte,8 aufgrund deren sämtliche Einkünfte des Unternehmens aus Quellen innerhalb des Betriebsstättenstaates diesem zur Besteuerung zu überlassen sind, eine Absage erteilt.9 Das bedeutet, dass die den Dividenden zugrunde liegenden Beteiligungen der Betriebsstätte in dem Sinne dienen müssen, dass sie in einem funktionalen Zusammenhang zu der in der Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit stehen.10 Für die Zuordnung kann daher nicht ohne weiteres auf die jeweiligen steuerrechtlichen Zuordnungsregeln des nationalen Rechts zurückgegriffen werden (Rz. 19.264). 2. Dividendenbegriff
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Die Reichweite der für Dividenden geltenden besonderen Verteilungsnormen der DBA ist unmittelbar verknüpft mit dem Dividendenbegriff, der in der internationalen Abkommenspraxis eine eigenständige Regelung erfahren hat (Art. 10 Abs. 3 OECD-MA). Der dort verwendete Dividendenbegriff ist für den Quellenstaat und den Wohnsitzstaat gleichermaßen verbindlich, und zwar auch inso-
1 Görl in V/L6, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 33. 2 BFH v. 29.1.1964 – I 153/61 S, BStBl. III 1964, 165; Görl in V/L6 Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 38. 3 Görl in V/L6, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 36; Schönfeld in S/D, Art. 10 OECD-MA Rz. 196; Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 168. 4 Vgl. BFH v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510. 5 Der in Art. 21 Abs. 2 OECD-MA verankerte Betriebsstättenvorbehalt greift ebenfalls nur ein, wenn die den Einkünften zugrunde liegenden Vermögenswerte tatsächlich dem Betriebsstättenvermögen zuzuordnen sind. 6 Hierzu Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 162 ff.; Schönfeld in S/D, Art. 10 OECD-MA Rz. 201 ff. 7 BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 27.2.1991 – I R 96/89, BFH/NV 1992, 385; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; v. 14.7.1993 – I R 71/92, BStBl. II 1994, 91; v. 31.5.1995 – I R 74/93, BStBl. II 1995, 683; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 23.10.1996 – I R 10/96, BStBl. II 1997, 313; v. 17.12.1997 – I R 34/97, BStBl. II 1998, 296; v. 29.11.2000 – I R 87/99, BStBl. II 2002, 655; v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771; Görl in V/L6, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 40 ff.; Schönfeld in S/D, Art. 10 OECD-MA Rz. 302 ff.; Hruschka, IStR 2016, 437 ff.; Häck, ISR 2015, 113 ff.; Schulz-Trieglaff, IStR 2015, 717 (718 f.). 8 Hierzu Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 42. 9 Art. 10 Rz. 31 OECD-MK. 10 Zu Einzelheiten Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 162 ff.; Schönfeld in S/D, Art. 10 OECD-MA Rz. 302 ff.; Häck, ISR 2015, 113 ff.
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weit, als durch Verweisung das entsprechende innerstaatliche Recht des Quellenstaates zum Abkommensrecht erhoben wird.1 Die die Dividenden betreffenden Regelungen in den DBA enthalten durchweg keine Legaldefinition. Welche Einkünfte zu den Dividenden zählen, wird vielmehr durch eine dreigliedrige Umschreibung konkretisiert (Art. 10 Abs. 3 OECD-MA).2 Zu den Dividenden gehören danach Einkünfte aus
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– Aktien, Genussaktien oder Genussscheinen, Kuxen, Gründeranteilen, – anderen Rechten, ausgenommen Forderungen mit Gewinnbeteiligung, und – sonstigen Gesellschaftsanteilen, soweit die Einkünfte nach dem Recht des Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind. Was unter Einkünften3 zu verstehen ist, regelt die abkommensrechtliche Dividendendefinition lediglich für die dritte Fallgruppe, wonach für die Begriffsklärung von Einkünften aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen“ auf das Recht des Quellenstaates verwiesen wird. Diese Verweisung auf das Recht des Quellenstaates erfasst nur die Einkünftequalifikation selbst und diese auch nur insoweit, als sie sich auf „sonstige Gesellschaftsanteile“ bezieht. Es ist indessen kein Grund erkennbar, warum für Einkünfte etwa aus Aktien (erste Fallgruppe) die Auslegung nach Abkommensrecht oder hilfsweise nach dem Recht des Wohnsitzstaates (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA) und für Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen“ die Auslegung nach dem Recht des Quellenstaates maßgeblich sein soll. Entsprechend der den DBA immanenten Regelungshomogenität läge es zwar nahe im Zweifel für alle Dividendeneinkünfte die Einkünftequalifikation auch für den Wohnsitzstaat einheitlich nach dem Recht des Quellenstaates vorzunehmen.4 Denn es macht wenig Sinn, für Einkünfte etwa aus Aktien (erste Fallgruppe) die Auslegung nach Abkommensrecht oder hilfsweise nach dem Recht des Wohnsitzstaates (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA) und für Einkünfte aus „sonstigen Gesellschaftsanteilen“ die Auslegung nach dem Recht des Quellenstaates als verbindlich anzusehen. Indes lässt sich eine solche umfassende Qualifikationsverkettung aus der formalen Regelungssystematik des Art. 10 Abs. 3
1 BFH v. 6.6.2012 – I R 6/11, 8/11, BStBl. II 2013, 111; v. 12.6.2013 – I R 109-111/10, BStBl. II 2013, 1024; Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 184; Wassermeyer in Kaeser/Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 108; Häck in F/W/K, Art. 10 DBA-Schweiz Rz. 81. 2 Zu Abweichungen in der deutschen Abkommenspraxis Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 225 ff. 3 Im Hinblick auf die in Art. 10 Abs. 2 OECD-MA vorgesehene Bruttobesteuerung im Quellenstaat sind nach der Terminologie des deutschen Steuerrechts Einnahmen gemeint; BFH v. 29.5.1996 – I R 167/94, DB 1996, 1549;Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 113; Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 44, 186. 4 Schönfeld in S/D, Art. 10 OECD-MA Rz. 116; Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 186; OECD-MK zu Art. 10 Abs. 3 OECD-MA, Ziff. 28; im Ergebnis ebenso Burmester, RIW 1987, 298 (301); Debatin, DStZ 1989, 421 (422).
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
OECD-MA letztlich nur für die dritte, nicht aber für die ersten beiden Fallgruppen entnehmen.1 19.332
Zu den Dividenden aller drei Fallgruppen zählen Einkünfte lediglich aus Gesellschaftsanteilen.2 In Abgrenzung zu den ausschließlich Zinsen betreffenden Verteilungsnormen der DBA3 und gegenüber Mitunternehmerschaften, deren Erträge zu den Unternehmensgewinnen (Art. 7 OECD-MA) zählen, sind Dividenden damit nur solche Einkünfte, die aufgrund der Beteiligung am Vermögen und am Liquidationserlös einer juristischen Person4 dem Empfänger zufließen.5
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Die Einkünfte aus einer Beteiligung als typisch stiller Gesellschafter6 sind abkommensrechtlich grundsätzlich keine Dividenden, sondern Zinsen, weil diese keine Beteiligung am Liquidationserlös vermittelt.7 Abweichend hiervon sind jedoch in der deutschen Abkommenspraxis die Einkünfte aus der Beteiligung als typisch stiller Gesellschafter zumeist ausdrücklich in die abkommensrechtliche Dividendendefinition mit einbezogen worden.8 Die Qualifikation als (fiktive) Dividende bedeutet aber noch nicht, dass hierfür die abkommensrechtlichen Sonderbestimmungen für Schachteldividenden eingreifen, und zwar auch dann nicht, wenn daneben eine Schachtelbeteiligung besteht.9
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Einkünfte aus der Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter zählen dagegen als Einkünfte aus einer Mitunternehmerschaft grundsätzlich zu den Unternehmensgewinnen, und zwar selbst dann, wenn abkommensrechtlich die Einkünfte als stiller Gesellschafter ohne jede Differenzierung zu den Dividenden gezählt werden: Erfasst werden stets nur die Einkünfte als typisch stiller Gesellschafter, 1 BFH v. 6.6.2012 – I R 6/11, 8/11, BStBl. II 2013, 111; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 109; Gradel/Kleinhans in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 57 f.; Grützner in G/K/G, Art. 10 OECD-MA Rz. 154; Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 100; Häck in F/W/K, Art. 10 DBA-Schweiz Rz. 81, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 106; Kaeser in FS Gosch, 187 (189 ff.); Piltz, DStR 1989, 133 (135). 2 Dies ergibt sich aus dem dritten Teilstück der Dividenden-Definition des Art. 10 Abs. 3 OECD-MA, wonach Einkünfte aus „sonstigen“ Gesellschaftsanteilen erfasst werden, vgl. Häck in F/W/K, Art. 10 DBA-Schweiz Rz. 87. In den neueren deutschen Abkommen fehlt jedoch diese Einschränkung auf „Gesellschaftsanteile“ (s. Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 228). 3 Art. 11 OECD-MA. 4 Gesellschaften im Sinne der DBA sind gem. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA nur juristische Personen oder Rechtsträger, die für die Besteuerung wie juristische Personen behandelt werden. 5 Schönfeld in S/D, Art. 10 OECD-MA Rz. 129; Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 188; Häck in F/W/K, Art. 10 DBA-Schweiz Rz. 87. 6 Zu Abgrenzungsfragen zwischen typisch und atypisch stiller Gesellschaft von Beckerath in Kirchhof15, § 20 EStG Rz. 75 ff. 7 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793; Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 165 f., 208; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 143; Gradel/Kleinhans in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 75; Schönfeld in S/D, Art. 10 OECD-MA Rz. 183; Piltz in Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung im internationalen Steuerrecht, 125 (138 ff.). 8 Abkommensübersicht bei Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 204, 231. Zum DBA-Schweiz s. Häck in F/W/K, Art. 10 DBA-Schweiz Rz. 104. 9 BFH v. 4.6.2008 – I R 62/06, BStBl. II 2008, 793; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1.3; zur Kritik Gradel/ Kleinhans in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 75.
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die zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG gehören.1 Ebenso wenig gehören auch Einkünfte aus partiarischen Darlehen,2 Gewinnobligationen,3 Wandelschuldverschreibungen4 und Investment-Zertifikaten,5 die lediglich eine Gläubigerstellung und keine Beteiligung an einer Gesellschaft vermitteln, zu den Dividenden.6 Im Gegensatz zum OECD-MA beziehen allerdings einige deutsche DBA derartige Einkünfte in den Dividendenbegriff mit ein.7
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Die für Dividenden geltenden Verteilungsnormen der DBA gehen konzeptionell davon aus, dass dem Quellenstaat neben der Besteuerung der Unternehmensgewinne der ausschüttenden Gesellschaft (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA) auch eine der Höhe nach begrenzte Quellenbesteuerung für die den Gesellschaftern zufließenden Dividenden zustehen soll. Deshalb ist stets Voraussetzung, dass die ausschüttende Gesellschaft als juristische Person oder wie eine juristische Person selbständiges Steuersubjekt ist.8 Im Hinblick darauf können auch Zahlungen von Personengesellschaften Dividenden nur dann sein, wenn die Personengesellschaft in dem Staat, in dem der Ort ihrer tatsächlichen Geschäftsleitung (Quellenstaat) liegt, steuerlich als selbständiges Steuersubjekt behandelt wird, und zwar unabhängig davon, ob diese steuerliche Behandlung aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften oder aber aufgrund einer Option erfolgt.9 Der Wohnsitzstaat ist jedoch an die Qualifikation des Quellenstaates nicht gebunden (keine Qualifikationsverkettung), wenn er die ausländische Personengesellschaft nicht
19.336
1 BFH v. 21.7.1999 – I R 110/98, BStBl. II 1999, 812; Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 231; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 143; Schönfeld in S/D, Art. 10 OECD-MA Rz. 184; Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 161 ff.; Grützner in G/K/G, Art. 10 OECD-MA Rz. 209 ff.; Schmidt, IStR 1996, 213 (219); Krabbe, IStR 1999, 591 f.; Krabbe; IStR 2000, 23 f.; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1.2; a.A. Piltz in Piltz/ Schaumburg (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung im Internationalen Steuerrecht, 125 (142). 2 Es handelt sich hierbei um eine Kreditgewährung, bei der als Zins ein Anteil am Gewinn vereinbart ist; zu Einzelheiten Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 146; zu einigen Besonderheiten deutscher DBA mit Einbeziehung in die Dividendendefinition Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 234. 3 Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 171, 235; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 145. 4 Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 121; OECD-MK zu Art. 10 OECD-MA, Ziff. 24. 5 Es ist nicht nur auf die Ausschüttungen aus dem Investmentvermögen (§ 1 Abs. 3 Satz 1 InvStG), sondern auch auf vom Investmentvermögen erzielte ausgeschüttete Erträge (§ 1 Abs. 3 Satz 2 InvStG) und ausschüttungsgleiche Erträge (§ 1 Abs. 3 Satz 3 InvStG) des Sondervermögens abzustellen, so dass insoweit Dividenden gegeben sein können; zu Einzelheiten Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 211; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 147. 6 Zu weiteren Einzelheiten Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 1145 ff. 7 Zu Einzelheiten Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 171, 234 f. 8 Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 190. 9 BFH v. 20.9.1989 – II R 96/86, BStBl. II 1990, 206; Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 190; OECD-MK zu Art. 10 Abs. 3 OECD-MA, Ziff. 27.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
als „Gesellschaft“ im Abkommenssinne qualifiziert oder die Zahlung als Entnahme behandelt.1 19.337
Als Einkünfte aus Gesellschaftsanteilen werden im ersten Teilstück der Dividendendefinition Einkünfte aus Aktien, Genussaktien oder Genussscheinen, Kuxen und Gründeranteilen genannt. Diesen Gesellschaftsanteilen sind als Typenmerkmale die Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös der Gesellschaft gemeinsam. Darüber hinausgehende Verwaltungsrechte brauchen mit diesem Gesellschaftsanteil nicht verbunden zu sein, so dass auch Einkünfte aus stimmrechtslosen Vorzugsaktien2 sowie Dividendenscheinen, soweit die Inhaber zugleich Aktionäre sind, Dividenden im Sinne der abkommensrechtlichen Verteilungsnormen sind.3 Den Aktien gleichgestellt sind schließlich auch (verbriefte) Genussrechte und Genussscheine, soweit sie eine Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös vermitteln,4 sowie Kuxen und Gründeranteile.
19.338
Während das zweite Teilstück der Dividendendefinition Einkünfte aus verbrieften Gesellschaftsanteilen erfasst,5 bezieht sich das dritte Teilstück auf Einkünfte aus sonstigen Gesellschaftsanteilen, die nach dem Recht des Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist (Quellenstaat), den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind. Hierunter fallen vor allem nicht verbriefte Anteilsrechte an selbständig steuerpflichtigen juristischen Personen, wie etwa GmbH-Geschäftsanteile und Anteile an Genossenschaften sowie an Personengesellschaften, die wie juristische Personen besteuert werden.6 Die Abkommen enthalten insoweit eine dynamische Verweisung auf das Recht des Quellenstaates mit der Folge, dass das jeweils geltende Recht desselben zum Abkommensrecht erhoben wird.7
19.339
In der dritten Fallgruppe ist von der Verweisung auf das Recht des Quellenstaates im Gegensatz zum zweiten Teilstück der Dividendendefinition nicht die Abgrenzungsfrage ausgenommen, ob die Einkünfte aus Gesellschaftsanteilen (Dividenden) oder etwa aus Forderungen (Zinsen) stammen. Deshalb schlägt die Umqua1 Vgl. BFH v. 25.5.2011 – I R 95/10, BStBl. II 2014, 760; Schönfeld in S/D, Art. 10 OECD-MA Rz. 32 ff. 2 Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 192; hierzu zählen auch Partizipationsscheine schweizerischen Rechts, soweit sie eine Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös gewähren; vgl. BFH v. 24.3.1992 – VIII R 51/89, BStBl. II 1992, 941. 3 Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 192; Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 122. 4 Entsprechend § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG; zu Einzelheiten Tischbirek in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 194 f.; 205 ff.; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 125 f.; Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 125; Piltz in Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung im Internationalen Steuerrecht, 125 (132 ff.). 5 So in Abgrenzung zum dritten Teilstück der Dividendendefinition; hierzu BFH v. 12.6. 2013 – I R 109-111/10, BStBl. II 2013, 1024; Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 198; OECD-MK zu Art. 10 Abs. 3 OECD-MA, Ziff. 24. S. aber zur Bedeutung im DBA-Schweiz Häck in F/W/K, Art. 10 DBA-Schweiz Rz. 97. 6 Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 198. 7 BFH v. 13.12.1989 – I R 39/87, BStBl. II 1990, 379 (381); Häck in F/W/K, Art. 10 DBASchweiz Rz. 99; Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 199; Lang, M., Hybride Finanzierungen im Internationalen Steuerrecht, 85 ff.; Widmann, DStJG 8 (1985), 235 (250).
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L. Verteilung der Steuergüter
lifizierung von Vergütungen für sog. verdecktes Nennkapital in den Fällen der Gesellschafterfremdfinanzierung von Zinsen in verdeckte Gewinnausschüttungen (Dividenden) nach dem jeweiligen Recht des Quellenstaates1 auf Abkommensebene grundsätzlich durch.2 Voraussetzung ist allerdings, dass die derart unqualifizierten Einkünfte als solche aus Gesellschaftsanteilen stammend angesehen werden können. Allerdings enthalten neuere deutsche DBA3 eine Verweisung auf innerstaatliches Recht ohne die vorgenannte Einschränkung, so dass Umqualifizierungen von Einnahmen aus Gesellschafterfremdfinanzierung (Zinsen) in (verdeckte) Gewinnausschüttungen (Dividenden) ohne weiteres auch auf Abkommensebene mit der Folge wirksam werden, dass der Quellenstaat berechtigt ist, eine Quellensteuer auf Dividenden zu erheben.
19.340
Die Verweisung auf das Recht des Quellenstaates4 führt in Deutschland als Quellenstaat dazu, dass die unter § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a EStG fallenden Bezüge, Einnahmen und Leistungen den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind.5 Dies betrifft verdeckte Gewinnausschüttungen,6 Vorabund Nachtragsausschüttungen,7 Sachdividenden,8 Ausgleichszahlungen an außenstehende Minderheitsgesellschafter (Dividendengarantie),9 Dividendenkompensationszahlungen,10 die Auskehrung von Gratis-, Bonus- oder Treueaktien11 sowie Ausschüttungen, ausschüttungsgleiche Erträge und Zwischengewinne in Zusammenhang mit unter das InvStG fallenden Investmentanteilen.12
19.341
Bezüge aus Kapitalerhöhungen, Kapitalherabsetzungen, Einlagenrückzahlungen und Liquidationen sind aus deutscher Sicht als Quellenstaat nur dann abkommensrechtlich Dividenden, wenn sie als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu qualifizieren sind, andernfalls handelt es sich ggf. um Veräußerungsgewinne.13
19.342
Im Einzelnen:14 Bezüge (z.B. Bezugsrechte, Freianteile) bei Kapitalerhöhungen aus Einlagen15 gehören nicht zu den Einkünften aus Kapitalvermögen16 und sind demgemäß abkommensrechtlich auch mit Wirkung für den ausländischen Wohnsitzstaat keine Dividenden. Gleiches gilt im Ergebnis bei einer Kapital-
19.343
1 In Deutschland § 8a KStG in der bis 2007 geltenden Fassung. 2 Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 141; OECD-MK zu Art. 10 OECD-MA, Ziff. 15 Buchst. d; 25; differenzierend Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 201. 3 Abkommensübersicht bei Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 204. 4 Zu Einzelheiten Rz. 19.331. 5 Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 208. 6 OECD-MK zu Art. 10 Abs. 3 OECD-MA, Ziff. 28. 7 Hierzu Dötsch/Werner in D/P/M, § 20 EStG Rz. 43. 8 Vgl. BMF v. 25.10.2004 – IV C 3 - S 2256 - 238/04, BStBl. I 2004, 1034, Tz. 34; auch Freianteile als Ersatz von Bardividende; BFH v. 14.2.2006 – VIII R 49/03, BStBl. II 2006, 520. 9 Hierzu Dötsch/Werner in D/P/M, § 20 EStG Rz. 57. 10 § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG; hierzu Intemann in H/H/R, § 20 EStG Rz. 110 ff. 11 OECD-MK zu Art. 10 Abs. 3 OECD-MA, Ziff. 28. 12 Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 213 f., 230. 13 Vgl. §§ 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchst. a; 17 Abs. 4 EStG. 14 Aus der Sicht von Deutschland als Quellenstaat. 15 §§ 182 ff. AktG; 55 ff. GmbHG. 16 Gosch in Kirchhof15, § 17 EStG Rz. 17, 52.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
erhöhung aus Gesellschaftsmitteln, soweit offene Rücklagen handelsrechtlich wirksam in Nennkapital umgewandelt werden.1 Obwohl es sich hierbei um eine sog. Doppelmaßnahme – Ausschüttung und Wiedereinlage – handelt,2 ist sie durch § 1 KapErhStG aus dem Einkünftekatalog des § 2 Abs. 1 EStG ausgenommen.3 Bezüge aus Kapitalherabsetzungen4 gehören nur dann zu den Einkünften aus Kapitalvermögen, wenn die Ausschüttung unter § 28 Abs. 2 Satz 2, 4 KStG fällt (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG).5 Das bedeutet, dass lediglich die Ausschüttung von Nennkapital, das durch Umwandlung von Gewinnrücklagen entstanden ist, zu Kapitaleinkünften und insoweit auch zu Dividenden i.S. von Art. 10 Abs. 3 OECD-MA6 führt. Demgegenüber sind § 20 EStG und Art. 10 Abs. 3 OECD-MA nicht erfüllt, wenn das herabgesetzte Kapital aus Einlagen stammt.7 19.344
Bezüge gehören insoweit nicht zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen, als sie aus Ausschüttungen stammen, für die das steuerliche Einlagekonto (§ 27 KStG)8 als verwendet gilt (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Ob das steuerliche Einlagekonto als verwendet gilt, ergibt sich grundsätzlich aus einer Differenzrechnung (§ 27 Abs. 1 Satz 3 KStG), wonach im Ergebnis eine Verwendung hieraus erst dann erfolgt, wenn die übrigen Rücklagen keinen Positivbestand mehr ausweisen. Darüber hinaus ist eine Verwendung des steuerlichen Einlagekontos ohne die vorgenannte Verwendungsreihenfolge möglich, wenn es sich um bestimmte Einlagenrückzahlungen9 handelt, etwa bei Rückzahlung von Nennkapital im Anschluss an eine vorangegangene Kapitalerhöhung aus Rücklagen.10 Die Rückzahlung von Gesellschafterrücklagen wird damit im Ergebnis steuerlich der Rückzahlung von Nennkapital, etwa im Wege der Kapitalherabsetzung, gleichgestellt, so dass zugleich auch abkommensrechtlich keine Dividende gegeben ist. Gehören die Anteile zu einem steuerlichen Betriebsvermögen, sind die Be1 §§ 207 ff. AktG; §§ 57c bis 57o GmbHG. 2 BFH v. 17.9.1957 – I 165/54 S, BStBl. III 1957, 401; v. 1.1.1958 – VI 13/57 U, BStBl. III 1958, 390; v. 5.4.1978 – I R 164/75, BStBl. II 1978, 414; v. 27.3.1979 – VIII R 147/76, BStBl. II 1979, 560. 3 Entsprechendes gilt auch für eine Kapitalerhöhung aus dem Jahresergebnis, wenn diese zuvor der Rücklage zugeführt wurden; Broer in Blümich, § 1 KapErhStG Rz. 9; FinMin NRW v. 4.7.1996, DB 1996, 1445. 4 §§ 222 ff. AktG; §§ 58 ff. GmbHG. 5 Intemann in H/H/R, § 20 EStG Rz. 120, 129; von Beckerath in Kirchhof15, § 20 EStG Rz. 59; zu Kapitalherabsetzungen ausländischer Kapitalgesellschaften vgl. § 7 Abs. 2 KapErhStG; hierzu Broer in Blümich, § 7 KapErhStG Rz. 32. 6 Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 218; Gaffron in Haase2, Art. 10 OECD-MA Rz. 135; Grützner in G/K/G, Art. 10 OECD-MA Rz. 162. 7 § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 EStG; Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 203, 218; zur Kapitalherabsetzung ausländischer Kapitalgesellschaften Intemann in H/H/R, § 20 EStG Rz. 128; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 131; vgl. auch BFH v. 28.10.2009 – I R 116/08, BStBl. II 2011, 898. 8 Das steuerliche Einlagekonto erfasst nicht auf das Nennkapital geleistete Einlagen sowie diesen gleichgestellte Beträge. 9 Bei Aktiengesellschaften vor Liquidation unzulässig (§§ 57; 58 Abs. 5 AktG); bei GmbHs dagegen zulässig, soweit das Stammkapital nicht angegriffen wird (§ 30 GmbHG). 10 Zu den Fallgruppen mit Direktzugriff auf das steuerliche Einlagekonto Dötsch/Werner in D/P/M, § 20 EStG Rz. 89.
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L. Verteilung der Steuergüter
züge aus dem steuerlichen Einlagekonto zunächst mit dem Buchwert der Anteile zu verrechnen, so dass der übersteigende Teil der Bezüge gewinnerhöhende Betriebseinnahmen sind, die der Art nach allerdings keine Einkünfte aus Kapitalvermögen und somit abkommensrechtlich auch keine Dividenden sind.1 Bezüge aus Liquidationen2 sind nur dann Einkünfte aus Kapitalvermögen, wenn Nennkapital, soweit der Sonderausweis gem. § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG zu mindern ist (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG i.V. mit § 28 Abs. 2 Satz 2, 4 KStG) und im Übrigen nichts aus dem steuerlichen Einlagekonto (§ 27 KStG) ausgekehrt wird (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 2 i.V. mit Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG).3 In den vorgenannten Fällen handelt es sich abkommensrechtlich um Dividenden.4
19.345
3. Besteuerung im Quellenstaat Kernstück der die Dividenden betreffenden Verteilungsnormen der DBA ist die Umgrenzung der Besteuerungsbefugnis des Quellenstaates. Nach einheitlicher Abkommenspraxis darf der Quellenstaat, also der Staat, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, die Dividenden einer der Höhe nach begrenzten Steuer unterwerfen. Eine weitergehende Umgrenzung enthalten die Verteilungsnormen nicht, so dass die Steuer im Quellenstaat entweder im Wege des Abzugs bei der ausschüttenden Gesellschaft oder im Rahmen einer Veranlagung des Dividendenempfängers erhoben werden kann.5 In Art. 10 Abs. 2 OECD-MA sind die Quellensteuersätze für Schachteldividenden auf 5 % und für Streubesitzdividenden auf 15 % der Bruttobeträge begrenzt.6
19.346
Die Begrenzung der Quellensteuersätze gilt nur für den Fall, dass der Dividendenempfänger zugleich auch der im anderen Vertragsstaat (Wohnsitzstaat) ansässige7 Nutzungsberechtigte ist.8 Hierdurch soll vermieden werden,9 dass nichtabkommensberechtigte Personen (zur Abkommensberechtigung Rz. 19.169 ff.) sich abkommensberechtigter Personen bedienen, um Abkommensvorteile in Anspruch zu nehmen (sog. Treaty-Shopping; hierzu Rz. 19.127). Nach den maßgeblichen Verteilungsnormen der DBA (Art. 10 Abs. 2 OECD-MA) unterbleibt eine Quel-
19.347
1 BFH v. 14.10.1992 – I R 1/91, BStBl. II 1993, 189; v. 7.11.1990 – I R 68/88, BStBl. II 1991, 177; v. 20.4.1999 – VIII R 38/96, BStBl. II 1999, 647; Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 218; Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 140; vgl. auch BFH v. 28.10.2009 – I R 116/08, BStBl. II 2011, 898; Intemann, NWB 2010, 2295 (2298); BMF v. 28.4.2003 – IV A 2 - S 2750a - 7/03, BStBl. I 2003, 292, Tz. 6. 2 §§ 262 ff.; 271 AktG; 60 ff.; 72 GmbHG. 3 Dötsch/Werner in D/P/M, § 20 EStG Rz. 172 ff.; Intemann in H/H/R, § 20 EStG Rz. 124 f.; von Beckerath in Kirchhof15, § 20 EStG Rz. 58. 4 Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 218; Grützner in G/K/G, Art. 10 OECD-MA Rz. 161 f. 5 Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 36. 6 Zur deutschen Abkommenspraxis Übersicht bei Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 67. 7 Bei Ansässigkeit im Quellenstaat oder in einem Drittstaat entfällt die Quellensteuerbegrenzung; zu einzelnen Fallgruppen Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 73. 8 Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 42 f.; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 68. 9 Die Regelung entspricht dem § 20 Abs. 5 EStG.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
lensteuerreduktion in allen Fällen, in denen Nutzungsberechtigte und formale Zahlungsempfänger personenverschieden sind. Ist allerdings die Zahlung an den formalberechtigten Zahlungsempfänger zugleich als Zahlung an den Nutzungsberechtigten anzusehen, wie etwa im Falle der Zahlung an einen Treuhänder, so liegt keine Personendivergenz vor mit der Folge, dass eine entsprechende Quellensteuerreduktion eintritt, wenn der Nutzungsberechtigte in dem anderen Vertragsstaat ansässig ist.1 19.348
Die vorstehende auf Vermeidung eines Treaty-Shopping ausgerichtete Beneficiary-Klausel2 ist in den jüngeren deutschen DBA durchweg enthalten.3
19.349
Darüber hinaus sind in wenigen deutschen DBA auch Subject-to-Tax-Klauseln4 verankert, nach denen die Quellensteuerreduktion bspw. davon abhängig ist, dass die betreffenden Dividenden in den Wohnsitzstaat überwiesen werden und dort tatsächlich einer Besteuerung unterliegen.5 Im Übrigen wird die abkommensrechtliche Quellensteuerbegrenzung im Grundsatz unabhängig davon gewährt wird, ob und in welchem Maße die ausschüttende Gesellschaft und der Dividendenempfänger der Besteuerung unterliegen. Deshalb können Steuervergünstigungen eintreten, die aus der Sicht des einen oder anderen Vertragsstaates für ungerechtfertigt gehalten werden. Einige deutsche DBA enthalten daher Sonderregelungen, die diesem Umstand dadurch Rechnung tragen, dass unter bestimmten Voraussetzungen eine Quellensteuerbegrenzung entfällt.6
19.350
Die in den Abkommen vorgesehene spezielle Quellensteuerbegrenzung für Schachteldividenden (Art. 10 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA) auf grundsätzlich 5 %7 ist davon abhängig, dass der nutzungsberechtigte Dividendenempfänger eine selbständig steuerpflichtige Gesellschaft (Art. 3 Abs. 1b OECD-MA; Kapitalgesellschaft) ist, die über mindestens 25 %8 des Kapitals der ausschüttenden Gesellschaft unmittelbar verfügt. Diese besondere Quellensteuerreduktion dient zusammen mit der Gewährung der Steuerbefreiung für diese Dividenden (internationales Schachtelprivileg) im Wohnsitzstaat der Vermeidung der wirtschaftlichen Doppelbesteuerung (Rz. 15.3), und zwar unter dem Gesichtspunkt der Vermeidung der Mehrfachbelastung von Konzerndividenden. Die spezielle Reduktion der Quellensteuersätze für Schachteldividenden hängt nicht davon ab, dass die Schachtelbeteiligung für eine bestimmte Mindestzeit bestanden hat. Ab-
1 Tischbirek in V/L6, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 20. 2 Hierzu Rz. 19.139; ausführlich auch Schönfeld in S/D, Art. 10 OECD-MA Rz. 72 ff.; Hamacher, IStR 2002, 227 ff., 259 ff. 3 Hierzu Tischbirek in V/L6, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 26. 4 Zu Einzelheiten Rz. 19.141. 5 Remittance-Base-Prinzip; vgl. Dürrschmidt in V/L6, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 19e. 6 Hierzu die Abkommensübersicht bei Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 67. 7 In den deutschen Abkommen gelten unterschiedliche Sätze, hierzu die Abkommensübersicht bei Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 67; innerhalb der EU gem. Mutter/Tochter-Richtlinie bzw. gem. § 43b EStG keine Quellensteuer; vgl. hierzu Rz. 3.70 ff. 8 In deutschen DBA z.T. auf 15 oder 10 % abgesenkt; vgl. die Abkommensübersicht bei Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 67.
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L. Verteilung der Steuergüter
zustellen ist vielmehr auf den Zeitpunkt der Entstehung der Quellensteuerschuld nach Maßgabe des Steuerrechts des Quellenstaates.1 Die Mindestbeteiligungsquote muss allerdings grundsätzlich im unmittelbaren Verhältnis zwischen der ausschüttenden und der empfangenden Gesellschaft bestehen. Bloß mittelbare Beteiligungen reichen nicht aus.2 Das Unmittelbarkeitserfordernis ist aus deutscher Sicht auch dann nicht erfüllt, wenn die Anteile an der ausschüttenden Gesellschaft im Vermögen einer Personengesellschaft gehalten werden, an der ihrerseits die Muttergesellschaft beteiligt ist.3 Diese Restriktion hat im Hinblick auf § 8b Abs. 6 KStG, der eine Freistellung der Dividende gem. § 8b Abs. 1, 5 KStG auch bei einer über eine Personengesellschaft gehaltenen Beteiligung vermittelt, in der Praxis keine nennenswerte Bedeutung.4
19.351
Für Schachteldividenden enthalten die deutschen DBA darüber hinaus sog. Suspensionsklauseln, nach denen zugunsten von Deutschland die abkommensrechtlich für Schachteldividenden vorgesehene Quellensteuerreduzierung suspendiert bleibt, solange der Satz der deutschen Körperschaftsteuer für ausgeschüttete Gewinne niedriger ist als der für nicht ausgeschüttete Gewinne und der Unterschied zwischen diesen beiden Sätzen 20 %-Punkte5 oder mehr beträgt. Da es derzeit keinen gespaltenen Körperschaftsteuertarif gibt (§ 23 Abs. 1 KStG), spielen die abkommensrechtlich verankerten Suspensionsklauseln aus deutscher Sicht keine Rolle.
19.352
4. Verbot extraterritorialer Besteuerung In der internationalen Abkommenspraxis wird die Besteuerung ausgeschütteter oder nicht ausgeschütteter Gewinne einer nicht ansässigen Gesellschaft untersagt (Art. 10 Abs. 5 OECD-MA). Dieses Verbot extraterritorialer Besteuerung nimmt dem betreffenden Vertragsstaat die Möglichkeit, über die durch andere 1 OECD-MK zu Art. 10 OECD-MA, Ziff. 16; Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 78; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 93. 2 Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 92; das Erfordernis der Unmittelbarkeit wird allerdings nicht in allen deutschen DBA verlangt; hierzu die Abkommensübersicht bei Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 90. 3 Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 92; Gaffron in Haase3, Art. 10 OECD-MA Rz. 80; zu vergleichbaren Fallgestaltungen BFH v. 4.4.1974 – III R 168/72, BStBl. II 1974, 598; v. 4.4.1974 – I R 73/72, BStBl. II 1974, 645; v. 8.5.1985 – I R 108/81, BStBl. II 1985, 523; v. 15.6.1988 – II R 224/84, BStBl. II 1988, 761; anders dagegen zu § 9 Nr. 7 GewStG BFH v. 17.5.2000 – I R 31/99, BStBl. II 2001, 685; a.A. Tischbirek/ Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 74, Schönfeld in S/D, Art. 10 OECD-MA Rz. 96; Gradel/Kleinhans in S/K/K, Art. 10 OECD-MA Rz. 42; Grützner in G/K/G, Art. 10 OECD-MA Rz. 104 f.; Lemaitre/Lüdemann in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 5.47 f. unter Hinweis auf das entsprechende Revisionsprotokoll v. 12.3.2002 zum DBA-Schweiz (Art. VI Protokoll Nr. 1b zu Art. 10 Abs. 3; Gesetz v. 8.2.2003, BStBl. I 2003, 165, hierzu Häck in F/W/K, Art. 10 DBA-Schweiz Rz. 67). 4 Zu diesem Aspekt Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 121 f.; zum Verhältnis zwischen § 8b Abs. 1, 5 KStG zu den abkommensrechtlichen Schachtelprivilegien vgl. Rz. 18.145. 5 In einigen Abkommen wird auf eine Satzdifferenz von 15 Prozentpunkten abgestellt; vgl. die Abkommensübersicht bei Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 67, 101 f., 114 f.
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19.353
Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
Verteilungsnormen (z.B. Art. 7 Abs. 1 OECD-MA: Besteuerung von Betriebsstättengewinnen) eingeräumte Besteuerungsbefugnis hinaus Gewinne zu besteuern, die nicht ansässige Gesellschaften auf seinem Gebiet erwirtschaftet haben.1 So darf etwa der betreffende Vertragsstaat grundsätzlich keine von der nicht ansässigen Gesellschaft an in Drittstaaten ansässige Personen gezahlte Dividenden besteuern. Vom Verbot der extraterritorialen Besteuerung wird ausdrücklich ausgenommen die Besteuerung von Dividenden, die die nicht ansässige Gesellschaft an eine in dem betreffenden Vertragsstaat ansässige Person zahlt, oder, soweit der Gesellschafter in diesem Vertragsstaat nicht ansässig ist, die Besteuerung von Dividenden aus Beteiligungen, die tatsächlich zu einer in dem betreffenden Vertragsstaat (Quellenstaat) belegenen Betriebsstätte des Gesellschafters gehören (Art. 10 Abs. 5 OECD-MA). Schließlich darf der Vertragsstaat, in dem die Gesellschaft nicht ansässig ist, die Gewinne der Gesellschaft nicht einer Steuer für nicht ausgeschüttete Gewinne unterwerfen (Art. 10 Abs. 5 OECD-MA). 19.354
Dieses Besteuerungsverbot erstreckt sich nur auf die Gesellschaft selbst, nicht aber auf deren Gesellschafter. Die Hinzurechnungsbesteuerung nach Maßgabe der §§ 7 bis 14 AStG wird durch das abkommensrechtliche Verbot der extraterritorialen Besteuerung daher nicht gehindert.2
19.355
In den deutschen DBA ist das in der internationalen Abkommenspraxis übliche Verbot der extraterritorialen Besteuerung durchweg verankert.3 Einige deutsche DBA4 enthalten allerdings Vorbehalte zugunsten einer Quellensteuer auf Betriebsstättengewinne.5
V. Zinseinkünfte Literatur Kommentare zu Art. 11 OECD-MA; Baumann, Internationale Kapitalerträge zwischen verbundenen Gesellschaften im Steuerrecht, Diss. Sankt Gallen 1979; Bogenschütz, Ertragsteuerliche Besonderheiten von Derivaten, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), FS für Harald Schaumburg, 2009, 209; Gaddum in Gaddum/Hofmann u.a., Zinsen im Internationalen Steuerrecht, München 1985, 1; Haun, Hybride Finanzierungsinstrumente im deutschen und US-amerikanischen Steuerrecht, Frankfurt/M. 1996; Hoffmann, Besteuerung bei internationaler Finanzierung und Kapitalverlagerung deutscher Unternehmen, Göttingen 1980; Kessler/Eicker/Obser, Die Schweiz und das Europäische Steuerrecht, IStR 2005, 658; Körner, Der Zinsartikel in der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen, ISR 2013, 165; Krause, Geldanlagen im Ausland, in Krause/Schaumburg/Wassermeyer, Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten, Bonn 1996, 147; Lang, M., Hybride Finanzierungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1991; Aigner, Kapitalanlagefonds im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2001; Nieß, Der Einfluss der 1 Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 245. 2 BFH v. 9.11.1983 – I R 120/79, BStBl. II 1984, 468; v. 29.8.1984 – I R 68/81, BStBl. II 1985, 120; v. 12.7.1989 – I R 46/85, BStBl. II 1990, 113; ferner Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 255; Kaeser/Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 188; Wassermeyer in F/W/B/S, Vor §§ 7–14 AStG Rz. 103. 3 Zur Abkommensübersicht Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 267. 4 Hierzu die Übersicht bei Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 270. 5 Branch profits tax.
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L. Verteilung der Steuergüter internationalen Besteuerung auf die Finanzierung ausländischer Grundeinheiten deutscher multinationaler Unternehmen, Bergisch Gladbach/Köln 1989; Piltz/Schaumburg, Internationale Unternehmensfinanzierung, Köln 2006; Piltz/Schaumburg, Unternehmensfinanzierung im Internationalen Steuerrecht, Köln 1995, 125; Sieker, Die Bestimmung der Quelle von Zinseinnahmen, IStR 1993, 413; Teneler, Die Finanzierung der ausländischen Tochtergesellschaften industrieller Unternehmen, Diss. Erlangen – Nürnberg 1976; Zielke, Gesellschafter-Fremdfinanzierung und Doppelbesteuerung in der Europäischen Union, RIW 2006, 600.
1. Allgemeines Ebenso wie bei den Dividendeneinkünften führen auch bei den Zinseinkünften1 die Schrankenwirkungen der DBA zu einer Steuerteilung zwischen dem Wohnsitzstaat, dessen Besteuerungsbefugnis uneingeschränkt aufrechterhalten wird, und dem Quellenstaat, dessen Besteuerung der Höhe nach begrenzt wird (Art. 11 Abs. 1 und 2 OECD-MA). Diese in der internationalen Abkommenspraxis allgemein übliche Steuerteilung versteht sich als ein Kompromiss zwischen den gegensätzlichen Interessen der Kapitalgläubiger- und der Kapitalschuldnerländer.2 Da diesem Interessengegensatz zwischen Industriestaaten nur geringe Bedeutung zukommt, ist in deren DBA durchweg eine Besteuerungsbefugnis des Quellenstaates nicht vorgesehen.3 Aus diesem Grunde sehen auch die von Deutschland mit anderen Industriestaaten geschlossenen DBA regelmäßig eine Quellensteuerbefreiung vor.4 Soweit die DBA eine Quellensteuerbefugnis einräumen, wird die Doppelbesteuerung dadurch vermieden, dass der Wohnsitzstaat des Zinsempfängers die Steuer des Quellenstaates anrechnet.
19.356
Zwischen verbundenen in der EU ansässigen Unternehmen bestimmt zudem die Zins- und Lizenz-Richtlinie5 eine Quellensteuerbefreiung auf Zinszahlungen, um grenzüberschreitende Finanzbeziehungen insbesondere zwischen Konzernunternehmen innerhalb der EU gegenüber solchen innerhalb eines Mitgliedsstaates gleichzustellen (Rz. 3.74 ff.). Die Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie (Rz. 3.74 ff.) ist durch § 50g EStG umgesetzt worden, hat aber wegen der zumeist schon abkommensrechtlich vorgegebenen Freistellung keine besondere Bedeutung.6 Schließlich enthielt die zum 31.12.2015 aufgehobene Zinsrichtlinie
19.357
1 Nach der Terminologie des deutschen Steuerrechts sind Zinseinnahmen vor Abzug der ihnen zuzuordnenden Betriebsausgaben oder Werbungskosten angesprochen; BFH v. 29.5.1996 – I R 15/94, BStBl. II 1997, 57 (60, 63); Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 11 OECD-MA Rz. 72. 2 Lohbeck/Tischbirek in V/L6, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 1.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 11 OECD-MA Rz. 3; Gaddum in Gaddum/Hofmann u.a., Zinsen im Internationalen Steuerrecht, 1 (10). 3 Hierzu die Abkommensübersicht bei Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 11 OECD-MA Rz. 22. 4 So auch Art. 11 Abs. 1 DE-VG, vgl. ausf. hierzu Körner, ISR 2013, 165 ff. 5 RL 2003/49/EG v. 3.6.2003, ABl. EU 2003, Nr. L 157/49 v. 26.6.2003, zuletzt geändert durch RL 2006/98/EG v. 20.11.2006, ABl. EU 2006, Nr. L 363, 19 v. 20.12.2006. 6 Gemäß § 50g Abs. 6 EStG gilt die Freistellungsregelung auch im Verhältnis zur Schweiz; hierzu Gosch in Kirchhof15, § 50g EStG Rz. 21; Häck in F/W/K, Art. 11 DBA-Schweiz Rz. 17.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
(Rz. 3.77 f.),1 die die Zinsbesteuerung natürlicher Personen in der EU betrifft, Regelungen über einen zwischenstaatlichen Informationsaustausch. Für einen Übergangszeitraum waren in Österreich, Belgien und Luxemburg im Hinblick auf deren Bankgeheimnis anstelle des Informationsaustausches Quellensteuern auf Zinsen zeitlich gestaffelt zwischen 15 % und 35 % einzubehalten und hiervon 75 % an die jeweiligen Wohnsitzstaaten abzuliefern.2 Soweit es um das grenzüberschreitende Informationssystem geht, ist die Zinsrichtlinie auf der Grundlage des § 45e EStG durch die Zinsinformationsverordnung (ZIV) in deutsches Recht umgesetzt worden.3 Schließlich ergeben sich auch aus dem zwischen der EU und der Schweiz abgeschlossenen Zinsbesteuerungsabkommen4 Besonderheiten dahingehend, dass die Schweiz für Zinszahlungen an in der EU ansässige natürliche Personen zeitlich gestaffelt eine Quellensteuer zwischen 15 % und 35 % erhebt und 75 % entsprechend an den jeweiligen Wohnsitzstaat abführt. Anstelle der Quellensteuererhebung ist optional auch eine Offenlegung der Zinserträge vorgesehen.5 19.358
Die für Zinsen geltenden Verteilungsnormen (Art. 11 OECD-MA) gehen den für Unternehmensgewinne geltenden Verteilungsnormen (Art. 7 OECD-MA) grundsätzlich vor (Art. 7 Abs. 7 OECD-MA). Das gilt auch für Zinseinnahmen, die im Rahmen der Einkünfte aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Arbeit6 bezogen werden.7 Die für Zinsen maßgeblichen besonderen Verteilungsnormen treten ggü. den allgemeinen Verteilungsnormen (Art. 7 und früher Art. 14 OECD-MA) allerdings dann zurück, wenn der Zinsgläubiger in dem Staat, aus dem die Zinsen stammen,8 eine Betriebsstätte bzw. eine feste Einrichtung unterhält und die Zinsen zu deren Einkünften gehören.9 Dieser Betriebsstättenvorbehalt kommt allerdings nur dann zur Entfaltung, wenn die den Zinsen zugrunde liegenden Forderungen tatsächlich10 zu dieser im Quellenstaat belegenen Betriebsstätte oder festen Einrichtung gehören (Art. 11 Abs. 4 OECD-MA). Eine
1 RL 2003/48/EG v. 3.6.2003, ABl. EU 2003, Nr. L 157/38 v. 26.6.2003, zuletzt geändert durch RL 2006/98/EG v. 20.11.2006, ABl. EU 2006, Nr. L 363/19 v. 20.12.2006, aufgehoben durch RL 2015/2060 EU, ABl. 301 v. 18.11.2015, 1. 2 Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 11 OECD-MA Rz. 8. 3 Hierzu Knaupp in Kirchhof15, § 45e EStG Rz. 1 ff.; die ZIV ist inzwischen aufgehoben (BStBl. I 2016, 725); ferner Rz. 3.77 f. 4 ABl. EG Nr. L 385/30 v. 29.12.2004; Neuregelung vorgesehen ab 1.1.2017. 5 Zu Einzelheiten Kessler/Eicker/Obser, IStR 2005, 658 ff. 6 Art. 14 OECD-MA a.F., der zwar nicht mehr im OECD-MA, aber in einigen deutschen DBA noch enthalten ist. 7 Eine dem Art. 7 OECD-MA entsprechende Bestimmung fehlt zwar in dem früher geltenden Art. 14 OECD-MA, wegen der engen Verwandtschaft beider Verteilungsnormen gilt der Vorrang des Art. 11 OECD-MA aber auch hier; Görl in V/L6, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 31. 8 Hierzu im Einzelnen Sieker, IStR 1993, 413 (415 ff.). 9 Sog. Betriebsstättenvorbehalt; Art. 11 Abs. 4 OECD-MA. 10 BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 27.2.1991 – I R 96/89, BFH/NV 1992, 385; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; v. 31.5.1995 – I R 74/93, BStBl. II 1995, 683; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 23.10.1996 – I R 10/96, IStR 1997, 271; v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771; Häck in F/W/K, Art. 11 DBA-Schweiz Rz. 86; Körner in S/D, Art. 11 OECD-MA Rz. 86 f.; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 11 OECD-MA Rz. 109; Wenz/Linn in Haase3, Art. 11 OECD-MA Rz. 120.
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L. Verteilung der Steuergüter
Attraktivkraft der Betriebsstätte gibt es nicht.1 Im Hinblick darauf sind etwa Zinsen für an eine Personengesellschaft hingegebene Gesellschafterdarlehen regelmäßig2 dem Art. 11 OECD-MA auch für den Fall zuzuordnen, dass es sich hierbei aus deutscher Sicht um Sondervergütungen gem. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG handeln sollte.3 Die Reichweite des Art. 11 OECD-MA ist begrenzt. Der Regelung dieser speziellen Verteilungsnorm sind nämlich Zinsen nur insoweit unterworfen, als sie der Höhe nach angemessen sind (Art. 11 Abs. 6 OECD-MA). Für den überhöhten Teil des gezahlten Zinsbetrages gelten die Schrankenwirkungen dieser speziellen Verteilungsnorm nicht. Als Folge ergibt sich, dass die Vertragsstaaten vorbehaltlich anderer Abkommensbestimmungen in der Besteuerung des Mehrbetrages nach Maßgabe ihres nationalen Rechts frei sind.4
19.359
Dies führt dazu, dass die den angemessenen Zins übersteigenden Beträge in aller Regel abkommensrechtlich entweder als Dividenden (Art. 10 OECD-MA) oder aber als Unternehmensgewinne (Art. 7 OECD-MA) bzw. als Einkünfte aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Tätigkeit5 zu qualifizieren sind.6
19.360
2. Zinsbegriff Die für Zinsen geltenden besonderen Verteilungsnormen der DBA enthalten eine abschließende Zinsdefinition (Art. 11 Abs. 3 OECD-MA), die erst in Abgrenzung zur abkommensrechtlichen Dividendendefinition ihre eigentliche Kontur gewinnt. Während Dividenden Einkünfte aus Kapitalüberlassung sind, bei der der Überlassende ein besonderes Unternehmerrisiko trägt (Rz. 19.332), sind Zinsen nur Entgelte für die Überlassung von Kapital zur Nutzung.7 Hierzu zählen insbesondere Einkünfte aus Forderungen,8 auch wenn die Forderungen dinglich gesichert oder mit einer Beteiligung am Gewinn des Schuldners ausgestattet sind, sowie Einkünfte aus öffentlichen Anleihen und aus Obligationen.
1 Hierzu Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 42. 2 Abweichend in einigen deutschen Abkommen stets als Unternehmensgewinne qualifiziert; hierzu die Abkommensübersicht bei Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 61 sowie unilateral § 50d Abs. 10 EStG; hierzu Rz. 19.237, 21.120 f. 3 BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 31.5.1995 – I R 74/93, BStBl. II 1995, 683; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 23.10.1996 – I R 10/96, IStR 1997, 271; v. 16.10.2002 – I R 17/01, BStBl. II 2003, 631; v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl II 2009, 356; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 11 OECD-MA Rz. 95, 109; Wenz/Linn in Haase3, Art. 11 OECD-MA Rz. 120 ff. 4 Art. 11 Abs. 6 Satz 2 OECD-MA, der insoweit eine besondere Ausprägung des Art. 3 Abs. 2 OECD-MA ist; hierzu Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 11 OECD-MA Rz. 141. 5 Art. 14 OECD-MA, der zwar nicht mehr im OECD-MA, aber noch in den meisten deutschen DBA enthalten ist. 6 Zu möglichen Qualifikationskonflikten Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 11 OECD-MA Rz. 130; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 11 OECD-MA Rz. 148. 7 Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 11 OECD-MA Rz. 56; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 10 OECD-MA Rz. 73 ff.; Häck in F/W/K, Art. 11 DBA-Schweiz Rz. 42. 8 Zum Begriff der Forderung im abkommensrechtlichen Sinne ausführlich Lang, M., Hybride Finanzierungen im Internationalen Steuerrecht, 94 ff.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
19.362
Nach Maßgabe dieser Abgrenzungskriterien zählen zu den Zinsen im Wesentlichen1 Bezüge aus Spareinlagen, und zwar nicht nur fortlaufend gutgeschriebene Zinsen, sondern auch etwaige Auf- und Abzinsungsbeträge,2 öffentliche Schuldverschreibungen, Industrieobligationen und Optionsanleihen,3 wobei Erträge aus Gewinnobligationen und Wandelschuldverschreibungen in den deutschen DBA mitunter als Dividenden behandelt werden,4 ferner Bezüge aus Zerobonds,5 Optionsscheinen, insbesondere aus sog. Capped Warrants und Range Warrants6 und Investment-Zertifikaten.7 Abweichend von Art. 11 Abs. 3 Satz 2 OECD-MA werden in den deutschen DBA schließlich auch Verzugszinsen und sonstige Zuschläge für verspätete Zahlung zu den Zinsen gerechnet.8 Zu den Zinsen gehören grundsätzlich auch Bezüge aus einer typisch stillen Gesellschaft9 ebenso wie Zinsen und Erträge aus partiarischen Darlehen.10
19.363
Zu den als Zinsen zu qualifizierenden Einkünften aus hybriden Finanzierungen gehören ferner die Bezüge aus Genussrechten, soweit diese nicht zugleich eine Beteiligung am Gewinn und am Liquidationserlös vermitteln.11 Zu den Zinsen zählen auch die Entgelte, die Gesellschafter für die Überlassung von Darlehen an Kapitalgesellschaften erhalten, an denen sie beteiligt sind.12 Das gilt nicht, wenn die Gesellschafter-Fremdfinanzierung nach dem jeweiligen Recht des Quellenstaates als verdecktes Nennkapital gewertet wird.13
1 Vgl. hierzu auch das ABC bei Wenz/Linn in Haase3, Art. 11 OECD-MA Rz. 90. 2 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 11 OECD-MA Rz. 84. 3 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 11 OECD-MA Rz. 85 ff.; zu Differenzierungen insb. Geurts in S/K/K, Art. 11 OECD-MA Rz. 63 ff. 4 Abkommensübersicht zu Gewinnobligationen bei Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 204; zu Wandelschuldverschreibungen Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 11 OECD-MA Rz. 85. 5 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 11 OECD-MA Rz. 86; Wenz/Linn in Haase3, Art. 11 OECD-MA Rz. 90; Geurts in S/K/K, Art. 11 OECD-MA Rz. 56; vgl. auch BFH v. 13.10. 1987 – VIII R 156/84, BStBl. II 1988, 252. 6 Geurts in S/K/K, Art. 11 OECD-MA Rz. 66 f. 7 Soweit im Investmentvermögen Zinsen angefallen sind; hierzu Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 11 OECD-MA Rz. 90, 90a. 8 Hierzu die Abkommensübersicht bei Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 11 OECD-MA Rz. 61, 82. 9 Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 11 OECD-MA Rz. 63a; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 11 OECD-MA Rz. 88; in nicht wenigen deutschen DBA als Dividende eingestuft; vgl. hierzu die Abkommensübersicht bei Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 204; Einkünfte aus atypisch stiller Beteiligung sind demgegenüber den Unternehmensgewinnen (Art. 7 OECD-MA) zuzuordnen; BFH v. 21.7.1999 – I R 110/98, BStBl. II 1999, 812; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1.1, vgl. ferner Rz. 19.333. 10 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 11 OECD-MA Rz. 89; in einigen deutschen Abkommen als Dividende qualifiziert; hierzu die Übersicht bei Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 204, 234. 11 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 11 OECD-MA Rz. 87; Grützner in G/K/G, Art. 11 OECD-MA OECD-MA Rz. 79/4 ff.; Geurts in S/K/K, Art. 11 OECD-MA Rz. 73. 12 Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 11 OECD-MA Rz. 65. 13 Zu den thin capitalisation rules Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 11 OECD-MA Rz. 67c; Lang, M., Hybride Finanzierungen im Internationalen Steuerrecht, 155 ff.; Zielke, RIW 2006, 600 ff.
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L. Verteilung der Steuergüter
Hypothekenzinsen zählen grundsätzlich ebenfalls zu den Zinsen im abkommensrechtlichen Sinne. In der deutschen Abkommenspraxis werden die Zinsen aus grundpfandrechtlich gesicherten Forderungen ausnahmsweise allerdings den Einkünften aus unbeweglichem Vermögen (Art. 6 OECD-MA) zugerechnet1 mit der Folge, dass die Besteuerungsbefugnis in aller Regel ausschließlich beim Belegenheitsstaat liegt.
19.364
3. Besteuerung im Quellenstaat In der internationalen Abkommenspraxis können Zinsen ebenso wie Dividenden sowohl im Wohnsitzstaat als auch im Quellenstaat besteuert werden. Die Besteuerung im Quellenstaat ist allerdings dahingehend eingeschränkt, dass dort lediglich eine der Höhe nach begrenzte Steuer erhoben werden darf.2 In der deutschen Abkommenspraxis ist die Besteuerungsbefugnis dem Quellenstaat überwiegend genommen.3 Für Deutschland als Quellenstaat hat diese Einschränkung der Besteuerungsbefugnis allerdings keine sehr große Bedeutung, weil Zinsen, soweit sie nicht z.B. aus dinglich gesicherten Forderungen stammen, im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht grundsätzlich ohnehin nicht der Besteuerung unterliegen.4 Soweit in der deutschen Abkommenspraxis keine Quellensteuerbefreiung vorgesehen ist, enthalten die deutschen Abkommen neben dem Regelsteuersatz von 10 % auch solche von 5 %, 15 % sowie 20 % und 25 %; in einigen Abkommen fehlt jegliche Begrenzung.5
19.365
Zinsen aus partiarischen Darlehen sowie Einkünfte aus typisch stillen Beteiligungen unterliegen, soweit sie als Zinsen zu qualifizieren sind (Rz. 19.333), in den neueren deutschen DBA keiner Quellensteuerbegrenzung, wenn sie im Quellenstaat bei der Ermittlung des Einkommens des Schuldners steuerlich abziehbar sind.6
19.366
Die maßgeblichen Verteilungsnormen (Art. 11 OECD-MA) gelten nicht für Zinsen, die aus dem Wohnsitzstaat des Zinsgläubigers oder aus einem Drittstaat stammen. Deshalb greift die Quellensteuerumgrenzung nur dann ein, wenn die Zinsen aus dem Vertragsstaat (Quellenstaat) stammen, in dem der Zinsschuldner ansässig ist, oder wenn, unabhängig von der Ansässigkeit des Zinsschuldners, die Zinsen für Schulden von einer Betriebsstätte oder festen Einrichtung in dem Vertragsstaat (Quellenstaat) getragen werden (Art. 11 Abs. 5 OECD-MA). Die Befugnis auch des Betriebsstättenstaates, die zu Lasten der Betriebsstätte gezahlten Zinsen zu besteuern, bedeutet einen Ausgleich dafür, dass diese Zinsen das Betriebsstättenergebnis und damit das Steuergut in diesem Staat gemindert haben.7 Diese Quellendefinition gilt jedoch nur dann, wenn die Betriebsstätte in dem jeweils anderen Vertragsstaat belegen ist. Fallen dagegen die Zinsen in einer in ei-
19.367
1 Übersicht bei Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 11 OECD-MA Rz. 81, 83. 2 Nach Art. 11 Abs. 2 OECD-MA darf die Steuer 10 % des Bruttobetrages (Einnahmen) nicht übersteigen. 3 Abkommensübersicht bei Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 11 OECD-MA Rz. 48. 4 § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. c EStG; vgl. hierzu Rz. 6.245. 5 Abkommensübersicht bei Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 11 OECD-MA Rz. 48. 6 Hierzu die Übersicht bei Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 11 OECD-MA Rz. 48, 51. 7 Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 11 OECD-MA Rz. 104.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
nem Drittstaat belegenen Betriebsstätte an, so erfasst die Quellensteuerumgrenzung nur den Vertragsstaat, in dem der Zinsschuldner ansässig ist. In diesem Dreiecksfall kann es zu einer nicht vermeidbaren Doppelbesteuerung kommen, wenn auch der Betriebsstättenstaat eine Quellensteuer erhebt.1 19.368
Die Quellensteuerreduzierung (Art. 11 Abs. 2 OECD-MA) steht abkommensrechtlich unter dem Vorbehalt, dass der Zinsgläubiger zugleich auch der Nutzungsberechtigte2 ist (Art. 11 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA). Es handelt sich hierbei um eine abkommensspezifische Missbrauchsvorschrift, die vermeiden will, dass durch Einschaltung von Mittelspersonen die Quellensteuerreduktion erschlichen wird.3
VI. Lizenzgebühren Literatur Kommentare zu Art. 12 OECD-MA; Borstell/Wehnert, Lizenzzahlungen im Konzern, IStR 2001, 127; Busse, Internationaler Technologietransfer und Steuerrecht, Frankfurt/Bern/Las Vegas 1978; DIHT, Hohe Hürden für Lizenzen, Bonn 1975; Greinert, Besonderheiten bei der Dokumentation internationaler Verrechnungspreise im Fall der Übertragung und Nutzungsüberlassung immaterieller Wirtschaftsgüter, RIW 2006, 449; Hahn, Auslegungsund Praxisprobleme der Zins-/Lizenz-Richtlinie: Bezugnahme auf das OECD-Musterabkommen und die Autonomie des Gemeinschaftsrechts, EWS 2008, 273; Kuebart, Verrechnungspreise im internationalen Lizenzgeschäft, Bielefeld 1995; May, Ertragsberechnung von Technologietransfer bei Vorliegen eines Doppelbesteuerungsabkommens, BadenBaden 1994, 183; Morgenthaler, Die Lizenzgebühren im System des internationalen Einkommensteuerrechts, Heidelberg 1992, Sauer, Leasing, in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1994, 177; Tumpel, Software, in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1994, 157; Uhlmann, Die Behandlung der Lizenzvergütungen im internen und im internationalen Steuerrecht der Schweiz, Diss. Zürich 1964; Voelcker, Einbringung von Lizenzen in ausländische Tochtergesellschaften bei entgegenstehendem ausländischen Recht, Diss. Hamburg 1982.
1. Allgemeines 19.369
In der internationalen Abkommenspraxis wird grundsätzlich dem Wohnsitzstaat des Lizenzgebers die ausschließliche Besteuerungsbefugnis für Lizenzgebühren zugewiesen (Art. 12 Abs. 1 OECD-MA). Dieser vollständige Steuerverzicht des Quellenstaates zugunsten einer uneingeschränkten Besteuerung in dem Staat, in dem der Lizenzgeber ansässig ist, versteht sich als Ausgleich dafür, dass die vorangegangenen Entwicklungs- und Forschungskosten steuerlich zu Lasten dieses Staates gegangen sind.4 Dem entspricht im Ergebnis auch die durch § 50g 1 Hierzu im Einzelnen Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 11 OECD-MA Rz. 135 ff.; Wenz/Linn in Haase3, Art. 11 OECD-MA Rz. 139 ff. 2 Zum Begriff Körner in S/D, Art. 11 OECD-MA Rz. 50; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 11 OECD-MA Rz. 57 f. 3 Tischbirek in V/L6, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 12; Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 11 OECD-MA Rz. 36; zum Treaty-Shopping Rz. 19.127. 4 Bozza-Bodden in S/D, Art. 12 OECD-MA Rz. 3; Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 12 OECD-MA Rz. 8.
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EStG umgesetzte Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie (Rz. 3.74 ff.),1 wonach zwischen verbundenen in der EU ansässigen Unternehmen gezahlte Lizenzgebühren im Quellenstaat nicht besteuert werden dürfen.2 Demgegenüber geht insbesondere das Interesse der Entwicklungsländer dahin, durch Erhebung einer Quellensteuer am Steueraufkommen zu partizipieren. In der deutschen Abkommenspraxis wird dem durchweg dadurch Rechnung getragen, dass Entwicklungsländern eine der Höhe nach begrenzte Quellensteuer3 zugestanden wird.4 In diesen Fällen wird die Doppelbesteuerung in Deutschland durch Anrechnung der ausländischen Quellensteuer vermieden, was allerdings bei einer auf Bruttobasis erhobenen Quellensteuer und entsprechend niedriger Umsatzrendite nicht selten zu erheblichen Anrechnungsüberhängen führt (Rz. 18.112). Die für Lizenzgebühren geltenden Verteilungsnormen (Art. 12 OECD-MA) gehen den Verteilungsnormen für Unternehmensgewinne (Art. 7 OECD-MA) grundsätzlich vor (Art. 7 Abs. 7 OECD-MA).5 Das gilt auch für Lizenzgebühren, die im Rahmen der Einkünfte aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Arbeit6 bezogen werden.7 Aufgrund des Betriebsstättenvorbehalts8 zählen die Lizenzgebühren aber dann wiederum zu den Unternehmensgewinnen, wenn der Lizenzgeber in dem Staat, aus dem die Lizenzgebühren stammen, eine Betriebsstätte unterhält und die Lizenzgebühren dieser Betriebsstätte zuzurechnen sind (Betriebsstättenvorbehalt). Dies setzt voraus, dass das zugrunde liegende Stammrecht (Patent, Know-how, Marken usw.) tatsächlich zur Betriebsstätte gehört.9 Hierfür reicht es nicht aus, dass das zugrunde liegende Stammrecht bzw. Wirtschaftsgut, für das die Lizenzgebühren gezahlt werden, das Betriebsstättenvermögen verstärkt; erforderlich ist vielmehr ein funktionaler Zusammenhang mit der Tätigkeit der Betriebsstätte.10 Im Hinblick darauf können die für notwendiges und gewillkürtes Betriebsvermögen geltenden Grundsätze des deutschen Steuerrechts11 nicht ohne weiteres übernommen werden. Ebenso wenig gehört 1 RL 2003/49/EG v. 3.6.2003, ABl. EU 2003, Nr. L 157/49 v. 26.6.2003, zuletzt geändert durch RL 2006/98/EG v. 20.11.2006, ABl. EU 2006, Nr. L 363, 19 v. 20.12.2006. 2 Zu Praxisproblemen Hahn, EWS 2008, 273 ff. 3 Zumeist 10 % und 15 %. 4 Abkommensübersicht bei Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 12 OECD-MA Rz. 29. 5 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 12 OECD-MA Rz. 8; Häck in F/W/K, Art. 12 DBASchweiz Rz. 6. 6 Vormals Art. 14 OECD-MA. 7 Eine dem Art. 7 Abs. 7 OECD-MA entsprechende Bestimmung fehlt zwar im vormaligen Art. 14 OECD-MA, wegen der engen Verwandtschaft beider Verteilungsnormen gilt der Vorrang des Art. 12 OECD-MA aber auch hier; Görl in V/L6, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 31; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 12 OECD-MA Rz. 10. 8 Art. 12 Abs. 3 OECD-MA. 9 BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 27.2.1991 – I R 96/89, BFH/NV 1992, 385; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; v. 31.5.1995 – I R 74/93, BStBl. II 1995, 683; modifizierend BFH v. 29.11.2000 – I R 87/99, BStBl. II 2002, 655; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 12 OECD-MA Rz. 102 f.; Bozza-Bodden in S/D, Art. 12 OECD-MA Rz. 127 f.; Häck in F/W/K, Art. 12 DBA-Schweiz Rz. 61; von Pannwitz in Haase3, Art. 12 OECD-MA Rz. 148. 10 BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 12 OECD-MA Rz. 103. 11 Heinicke in Schmidt35, § 4 EStG Rz. 104 f.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
Sonderbetriebsvermögen1 abkommensrechtlich ohne weiteres zum Betriebsstättenvermögen: Zwar ist jede Betriebsstätte der Personengesellschaft (Mitunternehmerschaft) zugleich auch eine Betriebsstätte des Unternehmens eines jeden Gesellschafters (Rz. 19.243), die nach den Grundsätzen des § 15 EStG gebotene Zuordnung zum Sonderbetriebsvermögen beruht aber auf rechtlichen Erwägungen, die für den Betriebsstättenvorbehalt in Art. 12 Abs. 3 OECD-MA ohne Bedeutung sind. Damit gehört Sonderbetriebsvermögen allenfalls in Ausnahmefällen tatsächlich zum Betriebsstättenvermögen der Personengesellschaft (Rz. 19.392). Entsprechendes gilt in Orientierung an den früher geltenden Art. 14 OECD-MA für die feste Einrichtung eines Selbständigen, der Einkünfte aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Arbeit bezieht. 19.371
Der Vorrang der für Lizenzgebühren geltenden Verteilungsnormen gilt nur insoweit, als die Lizenzgebühren der Höhe nach angemessen2 sind (Art. 12 Abs. 4 OECD-MA). Dieser Angemessenheitsvorbehalt gilt allerdings nur für den Fall besonderer Beziehungen zwischen dem Schuldner der Lizenzgebühren und dem Nutzungsberechtigten oder zwischen jedem der Beiden und einem Dritten.3 Angesprochen sind damit insbesondere Lizenzzahlungen im grenzüberschreitenden Konzernverbund. Für den überhöhten Teil der Lizenzgebühren gelten die Schrankenwirkungen des Art. 12 OECD-MA nicht. Als Folge ergibt sich, dass überhöhte Lizenzbeträge abkommensrechtlich entweder als Dividenden (Art. 10 OECDMA) oder als Unternehmensgewinne (Art. 7 OECD-MA) bzw. als Einkünfte aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Tätigkeit4 zu qualifizieren sind.5 2. Lizenzbegriff
19.372
Die für Lizenzgebühren geltenden besonderen Verteilungsnormen der DBA enthalten eine abschließende Definition des Begriffs Lizenzgebühr.6 Ein Rückgriff auf innerstaatliches Recht ist daher ausgeschlossen.7 Der abkommensrechtliche Begriff der Lizenzgebühr ist sehr weit und umfasst alle Vergütungen, die als Gegenleistung gezahlt werden für die Benutzung oder das Recht auf Benutzung von Urheberrechten, Patenten, gewerblichen Schutzrechten und Erfahrungen. Zu den Vergütungen zählen nicht nur laufende, periodisch wiederkehrende Zahlungen, 1 Hierzu Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 506 ff. 2 Zur Angemessenheit von Lizenzgebühren im Einzelnen Greinert in Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 6.571 ff.; Portner in Schaumburg (Hrsg.), Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 78 ff.; Kleineidam in Schaumburg (Hrsg.), Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 103 ff.; Greinert, RIW 2006, 449. 3 Für Zwecke der Auslegung kann hier auf § 1 Abs. 2 AStG und § 50g Abs. 2 Nr. 2 EStG zurückgegriffen werden; hierzu Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 12 OECD-MA Rz. 125; von Pannwitz in Haase3, Art. 12 OECD-MA Rz. 164. 4 Früher Art. 14 OECD-MA. 5 Grützner in G/K/G, Art. 12 OECD-MA Rz. 125. 6 Art. 12 Abs. 2 OECD-MA. 7 Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 12 OECD-MA Rz. 42; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 12 OECD-MA Rz. 55; Bozza-Bodden in S/D, Art. 12 OECD-MA Rz. 79; Häck in F/W/K, Art. 12 DBA-Schweiz Rz. 32; Grützner in G/K/G, Art. 12 OECD-MA Rz. 46; Käbisch/Strunk in S/K/K, Art. 12 OECD-MA Rz. 42.
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sondern auch einmalige Zahlungen.1 Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, auf welcher Bemessungsgrundlage die Lizenzgebühren berechnet werden. So sind neben Umsatzlizenzgebühren auch gewinnabhängige Lizenzgebühren sowie Stücklizenzgebühren durchaus üblich. Zu diesen Vergütungen gehören nicht nur vereinbarte Nutzungsentgelte, sondern auch jede Art von Schadensersatz, etwa wegen Rechtsverletzungen.2 Die im Zusammenhang mit Schutzrechten, Erfahrungen usw. bezogenen Entgelte sind nur dann Lizenzgebühren, wenn sie für deren Benutzung oder für das Recht auf deren Benutzung gezahlt werden. Entgelte für die Veräußerung dieser Lizenzgegenstände sind grundsätzlich keine Lizenzgebühren.3 Ob eine zeitlich begrenzte Nutzung oder eine Veräußerung eines Rechtes oder eines Vermögenswertes gegeben ist, beurteilt sich letztlich nach den vertraglichen Vereinbarungen. Im Hinblick darauf kann auch die Überlassung von Know-how zeitlich begrenzt erfolgen, obwohl das überlassene Erfahrungswissen dem Lizenznehmer nicht mehr genommen werden kann.4 Wird aufgrund eines Vertrages ein Entgelt sowohl für die Veräußerung als auch für die Nutzung von Lizenzgegenständen gezahlt, so hat eine entsprechende Aufteilung zu erfolgen, soweit das eine oder andere Leistungselement nicht lediglich eine untergeordnete Nebenleistung darstellt.5 Ist dagegen eine Lizenzvergütung im Kaufpreis etwa für eine Ware nur einkalkuliert, ohne dass hierfür eine gesonderte Zahlung erfolgt, so liegt ebenfalls keine Lizenzgebühr im abkommensrechtlichen Sinne vor. Von der Überlassung insbesondere von Erfahrungswissen ist die Beratung zu unterscheiden. Das Beratungshonorar fällt nicht unter die Lizenzgebühr im abkommensrechtlichen Sinne, da der Berater seine Erfahrungen nicht mitteilt, sondern selbst verwendet.6 Daher zählen auch Entgelte für technische Dienstleistungen grundsätzlich nicht zu den Lizenzgebühren im abkommensrechtlichen Sinne.7 Bei gemischten Verträgen bedarf es stets einer Aufteilung der Entgelte, so etwa bei Franchiseverträgen, bei denen die Entgelte für eine Markenlizenz abzugrenzen sind von den Entgelten für Beratungsleistungen und Finanzierungen.8
1 Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 12 OECD-MA Rz. 44; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 12 OECD-MA Rz. 55; Häck in F/W/K, Art. 12 DBA-Schweiz Rz. 34; Bozza-Bodden in S/D, Art. 12 OECD-MA Rz. 81; zur Abgrenzung zu Veräußerungsgewinnen Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 12 OECD-MA Rz. 11. 2 Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 12 OECD-MA Rz. 48; Häck in F/W/K, Art. 12 DBASchweiz Rz. 35. 3 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 12 OECD-MA Rz. 87; zu den Ausnahmen in der deutschen Abkommenspraxis Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 12 OECD-MA Rz. 82. 4 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 12 OECD-MA Rz. 87; Häck in F/W/K, Art. 12 DBASchweiz Rz. 38; Käbisch/Strunk in S/K/K, Art. 12 OECD-MA Rz. 48; a.A. BFH v. 4.3.1970 – I R 140/66, BStBl. II 1970, 428; wonach eine zeitlich begrenzte Nutzung ausgeschlossen sei. 5 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 12 OECD-MA Rz. 90; Häck in F/W/K, Art. 12 DBASchweiz Rz. 36. 6 Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 12 OECD-MA Rz. 58; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 12 OECD-MA Rz. 89; Bozza-Bodden in S/D, Art. 12 OECD-MA Rz. 118. 7 Zu Ausnahmen in der deutschen Abkommenspraxis Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 12 OECD-MA Rz. 83. 8 OECD-MK zu Art. 12 Abs. 2 OECD-MA, Rz. 11.6.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
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Im Einzelnen werden vom Lizenzbegriff folgende Lizenzgegenstände erfasst: Urheberrechte1 an literarischen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Werken, zu denen auch die Computer-Software gehört,2 Marken, Muster und Modelle,3 zu denen das Recht gehört, den als Marke geschützten Konzernnamen zu führen, soweit diesem ein eigenständiger Wert zukommt,4 nicht aber das Recht etwa als Vertriebsgesellschaft erworbene Waren mit einer Marke zu vertreiben,5 ferner Patente, Pläne, geheime Formeln oder Verfahren6 sowie Know-how,7 zu dem nicht nur technisches, sondern auch kaufmännisches Erfahrungswissen gehört.
19.375
Vom Lizenzbegriff des Art. 12 Abs. 2 OECD-MA werden Entgelte für die Überlassung gewerblicher, kaufmännischer oder wissenschaftlicher Ausrüstungen nicht erfasst mit der Folge, dass insbesondere Leasinggebühren nicht als Lizenzgebühren zu qualifizieren sind. Diese Ausgrenzung8 beruht auf der Erwägung, dass eine Quellensteuer auf (Brutto-) Leasinggebühren im Hinblick auf die schmalen Gewinnspannen im Leasinggeschäft zu einer Überbesteuerung führt.9 Obwohl Leasinggebühren, zu denen insbesondere auch die Entgelte für die zeitlich begrenzte Überlassung von Schiffen, Flugzeugen, Containern und Krananlagen gehören, hiernach den Unternehmensgewinnen (Art. 7 OECD-MA) zuzurechnen sind, werden sie in der den OECD-MA 1963 und 1977 folgenden deutschen Abkommenspraxis durchweg (noch) als Lizenzgebühren qualifiziert.10 3. Besteuerung im Wohnsitzstaat und Quellenstaat
19.376
Während in der internationalen Abkommenspraxis die Befugnis zur Besteuerung von Lizenzgebühren11 ausschließlich dem Wohnsitzstaat zusteht, wird in den deutschen DBA abweichend hiervon nicht selten dem Quellenstaat eine der Höhe nach begrenzte Quellensteuer auf Bruttobasis zugestanden.12 Unter die 1 Zu Einzelheiten Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 12 OECD-MA Rz. 61 ff.; Pöllath/ Lohbeck in V/L6, Art. 12 OECD-MA Rz. 61; Bozza-Bodden in S/D, Art. 12 OECD-MA Rz. 97 ff.; Häck in F/W/K, Art. 12 DBA-Schweiz Rz. 43. 2 Zu Einzelheiten Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 12 OECD-MA Rz. 63 f.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 12 OECD-MA Rz. 63 ff.; von Pannwitz in Haase3, Art. 12 OECD-MA Rz. 91 ff.; Tumpel in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 157 ff. 3 Zu Einzelheiten Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 12 OECD-MA Rz. 68 ff.; BozzaBodden in S/D, Art. 12 OECD-MA Rz. 110 ff. 4 BFH v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140; Borstell/Wehnert, IStR 2001, 127 ff. 5 BFH v. 27.7.1988 – I R 130/84, BStBl. II 1989, 101; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 12 OECD-MA Rz. 68. 6 Zu Einzelheiten Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 12 OECD-MA Rz. 74 ff. 7 Zu Einzelheiten Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 12 OECD-MA Rz. 81. 8 Durch das OECD-MA 1992; nach den OECD-MA 1963 und 1977 gehörten die Leasinggebühren noch zu den Lizenzgebühren. 9 Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 12 OECD-MA Rz. 54; Sauer in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, 177 (191 f.); das Argument der Überbesteuerung trifft allerdings für alle Fälle der Quellenbesteuerung auf Bruttobasis zu. 10 Hierzu die Abkommensübersicht bei Pöllath in V/L6, Art. 12 OECD-MA Rz. 79. Zu Art. 12 DBA-Schweiz Häck in F/W/K, Art. 12 DBA-Schweiz Rz. 50. 11 Im Sinne von Einnahmen; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 12 OECD-MA Rz. 56. 12 Abkommensübersicht bei Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 12 OECD-MA Rz. 79.
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Schrankenwirkungen des DBAs fallen aber nur diejenigen Lizenzgebühren, die aus dem jeweils anderen Vertragsstaat stammen. Lizenzgebühren aus Drittstaaten unterliegen nicht den Lizenzartikeln, sondern den für andere Einkünfte geltenden Verteilungsnormen der DBA.1 Die Lizenzartikel der DBA enthalten zwar keine Regelung darüber, woher die Lizenzgebühren stammen müssen; in Analogie zu den entsprechenden Regelungen der Zinsartikel (Art. 11 Abs. 5 OECDMA) ist hierbei jedoch grundsätzlich auf die Ansässigkeit des Schuldners der Lizenzgebühren abzustellen.2 Die Abkommensschranken entfalten sich schließlich nur dann, wenn der Empfänger der Lizenzgebühren in dem jeweils anderen Vertragsstaat ansässig ist. Hierbei ist auf den Nutzungsberechtigten (Rz. 19.139) abzustellen. Auf diese Weise soll die missbräuchliche Inanspruchnahme von Abkommensvergünstigungen durch an sich nicht abkommensberechtigte Personen vermieden werden (zum Treaty-Shopping Rz. 19.127). Soweit in deutschen DBA Deutschland als Quellenstaat eine Quellensteuerbefugnis zusteht,3 wird die Quellensteuer gem. § 50a Abs. 2 Satz 2 EStG vom Bruttobetrag ohne Berücksichtigung etwa an ausländische Lizenzgeber in bestimmter Höhe4 erstatteter Fahrt- und Übernachtungskosten erhoben.5 Soweit gem. § 13b Abs. 1, 2 UStG der inländische Leistungsempfänger die Mehrwertsteuer schuldet,6 ist diese nicht Bestandteil der Bemessungsgrundlage.7 Soweit Deutschland als Quellenstaat abkommensrechtlich keine Quellensteuer erheben darf, wird die Freistellung entweder im Erstattungsverfahren (§ 50d Abs. 1 EStG), im Freistellungsverfahren (§ 50d Abs. 2 EStG) oder im Kontrollmeldeverfahren (§ 50d Abs. 5 EStG) umgesetzt (Rz. 6.304 ff.).
VII. Veräußerungsgewinne Literatur Kommentare zu Art. 13 OECD-MA; Brons, Nationale und internationale Besteuerung der Seeschifffahrt, Bielefeld 1990; Fischer (Hrsg.), Internationaler Unternehmenskauf und -zusammenschluss im Steuerrecht, Köln 1992; Kessler/Arnold, Immobilieninvestitionen über Kapitalgesellschaften, IWB 2014, 60; Piltz, Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen unter den Doppelbesteuerungsabkommen (OECD-Musterabkommen und DBA-Schweiz), IStR 1996, 457; Plewka/Beck, Qualifikation als Immobiliengesellschaft nach dem Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2007, 125.
1 Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 12 OECD-MA Rz. 22; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 12 OECD-MA Rz. 28. 2 Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 12 OECD-MA Rz. 20b; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 12 OECD-MA Rz. 28; Häck in F/W/K, Art. 12 DBA-Schweiz Rz. 25. 3 Abkommensübersicht bei Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 12 OECD-MA Rz. 29. 4 Pauschbeträge gem. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 5 EStG. 5 Vgl. BFH v. 30.5.1990 – I R 6/88, BStBl. II 1991, 235; Grützner in G/K/G, Art. 12 OECD-MA Rz. 33. 6 Reverse Charge-Verfahren. 7 BMF v. 25.11.2010 – IV C 3 - S 2303/09/10002 – DOK 2010/0861549, BStBl. I 2010, 1350, Tz. 45.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
1. Allgemeines 19.378
In der internationalen Abkommenspraxis ist im Grundsatz derjenige Vertragsstaat berechtigt, Veräußerungsgewinne zu besteuern, der vor der Veräußerung die aus dem veräußerten Vermögenswert fließenden Erträge besteuern durfte.1
19.379
Was unter Veräußerungsgewinnen zu verstehen ist, regeln die DBA zumeist nicht. Aus diesem Grunde entscheidet, soweit keine Auslegung aus dem Abkommenszusammenhang möglich ist, letztlich das jeweilige nationale Recht (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA), was hierzu zu rechnen ist.2 Aus deutscher Sicht zählen zu den Veräußerungsgewinnen3 insbesondere Gewinne4 aus Verkaufs- und Tauschgeschäften, aus der Einbringung von Vermögenswerten in eine Gesellschaft, aus einer Betriebsaufgabe, aus der Entnahme von Betriebsvermögen sowie aus Umwandlung, ferner aus einer Liquidation oder Kapitalherabsetzung, soweit diese nicht dem Regelungsbereich der Dividendenartikel unterliegt (Rz. 19.343 ff.).
19.380
Wie das Entgelt für die Veräußerung letztlich ausgestaltet ist, spielt keine Rolle. Daher beurteilt sich die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen gegen Rente nicht etwa nach den für andere Einkünfte, sondern nach den für Veräußerungsgewinne geltenden Verteilungsnormen.5 2. Gewinne aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens
19.381
Für Gewinne aus der Veräußerung unbeweglichen Vermögens gilt das Belegenheitsprinzip, so dass die Besteuerungsbefugnis des Staates, in dem das unbewegliche Vermögen belegen ist, keinen abkommensrechtlichen Schrankenwirkungen unterliegt.6 Im Wohnsitzstaat wird die Doppelbesteuerung entweder durch Steuerfreistellung oder durch Steueranrechnung vermieden. In der deutschen Abkommenspraxis steht dabei die Steuerfreistellung im Vordergrund.7
19.382
Das Belegenheitsprinzip gilt grundsätzlich auch für die Gewinne aus der Veräußerung von unbeweglichem Betriebsvermögen und von Vermögen, das zu ei1 Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 2; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 1; Schütte in Haase3, Art. 13 OECD-MA Rz. 3; Meretzki in F/W/K, Art. 13 DBA-Schweiz Rz. 12. 2 Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 3, 20; Gradel/Kleinhaus in S/K/K, Art. 13 OECD-MA Rz. 3; dagegen von einem eigenständigen Abkommensbegriff ausgehend Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 3; Meretzki in F/W/K, Art. 13 DBA-Schweiz Rz. 58; einschränkend ebenfalls Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 15. 3 Zu Einzelheiten Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 10 ff.; Meretzki in F/W/K, Art. 13 DBA-Schweiz Rz. 59 ff.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 26 ff.; Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 17 ff. 4 Erfasst werden sowohl positive als auch negative Einkünfte nach Berücksichtigung von Betriebsausgaben oder Werbungskosten; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 Rz. 46, 86; Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 22. 5 Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 36; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 36; Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 24. 6 Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 47; Lieber in S/D, Art. 13 OECD-MA Rz. 23. 7 Abkommensübersicht bei Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 16.
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ner festen Einrichtung1 gehört,2 und zwar unabhängig davon, ob es sich um Anlage- oder Umlaufvermögen handelt.3 Für die Veräußerung von Anteilen an Immobiliengesellschaften gilt auf Grund der Sonderregelung in Art. 13 Abs. 4 OECD-MA ebenfalls das Belegenheitsprinzip (Rz. 19.396 ff.). Eine Abweichung vom Belegenheitsprinzip zugunsten des Betriebsstättenprinzips ist in der deutschen Abkommenspraxis die seltene Ausnahme.4 Das Belegenheitsprinzip gilt nur dann, wenn das unbewegliche Vermögen im anderen Vertragsstaat – und nicht in Drittstaaten – belegen ist. Für in Drittstaaten belegenes unbewegliches Vermögen verbleibt es bei der Besteuerungsbefugnis des Wohnsitzstaates (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA), sofern nicht ein mit dem Drittstaat bestehendes DBA diesem die Besteuerungsbefugnis zuteilt.
19.383
In der internationalen Abkommenspraxis wird der Begriff des unbeweglichen Vermögens in den für die Einkünfte und für die Veräußerungsgewinne geltenden Verteilungsnormen gleichermaßen definiert. Das bedeutet, dass insoweit auf das Recht des Belegenheitsstaates abzustellen ist.5
19.384
3. Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Betriebsvermögens Für Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Betriebsvermögens einer Betriebsstätte und beweglichen Vermögens, das zu einer festen Einrichtung im Sinne des vormaligen Art. 14 OECD-MA gehört,6 gilt das Betriebsstättenprinzip, so dass der Vertragsstaat der Betriebsstätte oder der festen Einrichtung zur Besteuerung befugt ist, ohne den Schrankenwirkungen des Abkommens zu unterliegen (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA). Befindet sich das im anderen Staat belegene bewegliche Betriebsvermögen dagegen in einer in einem Drittstaat oder im Wohnsitzstaat belegenen Betriebsstätte, kommt nicht Art. 13 Abs. 2 OECD-MA, sondern Art. 13 Abs. 5 OECD-MA zur Anwendung, so dass nur der Wohnsitzstaat steuerberechtigt bleibt.7 Soweit Art. 13 Abs. 2 OECD-MA eingreift, wird im Wohnsitzstaat die Doppelbesteuerung entweder durch Freistellung oder durch Steueranrechnung vermieden. In der deutschen Abkommenspraxis gilt durchweg die Steuerfreistellung.8 Da die DBA selbst keine Definition des beweglichen Vermögens enthalten, lässt sich dieser Begriff nur in Abgrenzung zum Begriff des unbeweglichen Vermögens erschließen.9 Danach zählen zum beweg1 Seit 2000 im OECD-MA nicht mehr enthalten. 2 Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 48. 3 BFH v. 23.3.1972 – I R 128/70, BStBl. II 1972, 948; Schütte in Haase3, Art. 13 OECD-MA Rz. 25; Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 37. 4 DBA-Schweden; vgl. Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 61. 5 Art. 13 Abs. 1 i.V. mit Art. 6 Abs. 2 OECD-MA; Einzelheiten zum Begriff des unbeweglichen Vermögens Rz. 19.224. 6 In Abgrenzung zu Art. 7 Abs. 1 OECD-MA wird nur die Veräußerung von Anlagevermögen erfasst; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 2; Meretzki in F/W/K, Art. 13 DBA-Schweiz Rz. 28; Lieber in S/D, Art. 13 OECD-MA Rz. 47; wird die Betriebsstätte insgesamt veräußert, hat eine entsprechende Aufteilung zu erfolgen; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 78; Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 91. 7 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 83. 8 Abkommensübersicht bei Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 16. 9 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 77.
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19.385
Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
lichen Vermögen alle materiellen und immateriellen Vermögenswerte, die nicht unbewegliches Vermögen darstellen,1 insbesondere also Forderungen, Lizenzrechte, Patentrechte,2 Wertpapiere, Firmenwert und Beteiligungen an Kapitalgesellschaften.3 19.386
Als dem Art. 13 Abs. 2 OECD-MA zuzuordnende Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften sind grundsätzlich auch Gewinne zu qualifizieren, die aufgrund von Umwandlungen von Kapitalgesellschaften entstehen.4 Da mangels einer eigenständigen Abkommensdefinition sich letztlich nach nationalem Recht des jeweiligen Vertragsstaates beurteilt, was unter Veräußerungsgewinn zu verstehen ist,5 kommt es für die Besteuerung des Gesellschafters allein darauf an, ob die vorgenannten gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen nach dem Steuerrecht des Betriebsstättenstaates zu einer gewinnrealisierenden Veräußerung führen oder nicht. Erforderlich ist aber stets eine Vermögensübertragung, so dass etwa die bloße Fiktion des § 9 UmwStG im Falle des Formwechsels einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft nicht auf das Abkommensrecht durchschlägt.6 Die steuerliche Behandlung im (anderen) Ansässigkeitsstaat der Kapitalgesellschaft ist ohne Bedeutung. Aus der Sicht Deutschlands als Betriebsstättenstaat7 entstehen bei der Umwandlung unbeschränkt steuerpflichtiger Kapitalgesellschaften keine steuerpflichtigen Veräußerungsgewinne, wenn hierfür die entsprechenden Voraussetzungen des Umwandlungssteuergesetzes oder des § 8b Abs. 2 KStG (Rz. 18.174; 20.26 ff.) gegeben sind.
19.387
Für die Umstrukturierung ausländischer Kapitalgesellschaften8 gelten dagegen aus der Sicht Deutschlands als Betriebsstättenstaat9 folgende Rechtsgrundsätze: Entspricht die Umstrukturierung einer Verschmelzung, Spaltung oder Vermögensübertragung deutschen Rechts,10 erfolgt eine Besteuerung stiller Reserven im Zuge eines Anteilstauschs oder wie bei einer Liquidation einer ausländischen Kapitalgesellschaft.11 Der Tauschgewinn ist ebenso wie der Liquidati1 Schütte in Haase3, Art. 13 OECD-MA Rz. 42; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 77. 2 Soweit die Veräußerung der Rechte (ausnahmsweise) nicht unter die Lizenzartikel fällt; Pöllath/Lohbeck in V/L6, Art. 12 OECD-MA Rz. 82. 3 Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 78; Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 60; Schütte in Haase3, Art. 13 OECD-MA Rz. 42. 4 Hierzu Wassermeyer in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 ff. 5 Art. 3 Abs. 2 OECD-MA. 6 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 Rz. 30; a.A. Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, 255. 7 Entsprechendes gilt aus der Sicht als Wohnsitzstaat bei der Anwendung des Art. 13 Abs. 5 OECD-MA. 8 Zum ausländischen Umwandlungssteuerrecht Grotherr in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Internationales Umwandlungssteuerrecht, 152 ff. 9 Inländische Muttergesellschaft mit Tochtergesellschaft im Ausland; entsprechend bei Anwendung des Art. 13 Abs. 5 OECD-MA: inländische Anteilseigner mit Beteiligungen an ausländischer Kapitalgesellschaft. 10 §§ 2 ff., 123 ff., 174 ff. UmwG. 11 BFH v. 22.2.1989 – I R 11/85, BStBl. II 1989, 794; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 22.
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Schaumburg/Häck
L. Verteilung der Steuergüter
onsgewinn abkommensrechtlich Veräußerungsgewinn,1 es sei denn, es handelt sich nach dem Recht des Ansässigkeitsstaates der ausländischen Kapitalgesellschaft (Quellenstaat) um Dividenden (Rz. 19.331 ff.). Stellt sich die Umstrukturierung der ausländischen Kapitalgesellschaft aus deutscher Sicht als Formwechsel (§§ 190 ff. UmwG) dar, ist bereits mangels Vermögensübertragung abkommensrechtlich ein Veräußerungsgewinn nicht gegeben (Rz. 20.180). Soweit ein rechtsformüberschreitender Formwechsel (vgl. § 9 UmwStG) zu einer Gewinnrealisierung führt, sind andere Einkünfte (Art. 21 OECD-MA) gegeben.2 Beteiligungen an Personengesellschaften sind nach deutschem Steuerrecht keine selbständigen Wirtschaftsgüter,3 so dass hiernach nicht auf die Veräußerung der Beteiligung an der Personengesellschaft selbst, sondern auf die Veräußerung der tatsächlich zum Vermögen gehörenden Wirtschaftsgüter abzustellen ist. Abkommensrechtlich ist dagegen die Veräußerung von Anteilen an Personengesellschaften stets die Veräußerung einer Betriebsstätte, auf die Art. 13 Abs. 2 OECD-MA Anwendung findet,4 soweit nicht auch unbewegliches Vermögen mitveräußert wird.5 Diese abweichende Beurteilung beruht darauf, dass abkommensrechtlich die Beteiligung an einer Personengesellschaft wie eine vom Gesellschafter betriebene Betriebsstätte anzusehen6 ist.
19.388
Aus der Sicht Deutschlands als Betriebsstättenstaat entstehen bei der Umwandlung von inländischen Personengesellschaften keine steuerpflichtigen Veräußerungsgewinne, wenn hierfür die entsprechenden Voraussetzungen des Umwandlungssteuergesetzes, des steuerneutralen Betriebsvermögenstransfers7 oder der Realteilung8 gegeben sind. Die Umstrukturierung ausländischer Personengesellschaften9 führt abkommensrechtlich zu Veräußerungsgewinnen,10 es sei denn, es handelt sich aus deutscher Sicht um einen Formwechsel in eine Personengesellschaft anderer Rechtsform (Rz. 20.180).
19.389
1 Zum DBA-Österreich BFH v. 22.2.1989 – I R 11/85, BStBl. II 1989, 794; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 30, 73. 2 Hierzu Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 30; Wassermeyer in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (124). 3 BFH v. 19.2.1981 – IV R 41/78, BStBl. II 1981, 730. 4 BFH v. 18.5.1983 – I R 5/82, BStBl. II 1983, 771; v. 17.10.2007 – I R 96/06, BStBl. II 2008, 953; Meretzki in F/W/K, Art. 13 DBA-Schweiz Rz. 95; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 79; Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 60. 5 Insoweit greift Art. 13 Abs. 1 OECD-MA ein; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 79; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 3.2. 6 BFH v. 29.1.1964 – I 153/61 S, BStBl. III 1964, 165; v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663; v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211; v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 18.12.2002 – I R 92/01, BFH/NV 2003, 964. 7 § 6 Abs. 5 EStG; hierzu Kulosa in Schmidt35, § 6 EStG Rz. 681 ff.; Fischer in Kirchhof15, § 6 § 6 EStG Rz. 211 ff. 8 § 16 Abs. 3 Sätze 2–4 EStG; hierzu Wacker in Schmidt35, § 16 EStG Rz. 530 ff.; Reiß in Kirchhof15, § 16 EStG Rz. 235 ff. 9 Zum ausländischen Umwandlungssteuerrecht Grotherr in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Internationales Umwandlungssteuerrecht, 152 ff. 10 BFH v. 17.10.2007 – I R 96/06, BStBl. II 2008, 953; Wassermeyer in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (120).
Schaumburg/Häck
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
19.390
Das Betriebsstättenprinzip gilt nur für bewegliches Betriebsvermögen. Es muss sich also um Vermögenswerte handeln, die einer Betriebsstätte (Art. 5 OECDMA) oder einer festen Einrichtung1 zuzurechnen sind.2 Welche Vermögensteile der Betriebsstätte zuzurechnen sind, wird zwar nicht unmittelbar in Art. 13 Abs. 2 OECD-MA geregelt, ergibt sich aber aus dem Abkommenszusammenhang, und zwar insbesondere aus den zu Art. 7 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 OECD-MA geltenden Grundsätzen (Rz. 19.264) sowie aus den abkommensrechtlichen Regelungen über den Betriebsstättenvorbehalt, die in den für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren maßgeblichen Verteilungsnormen enthalten sind (Art. 10 Abs. 4; 11 Abs. 4; 12 Abs. 3 OECD-MA).
19.391
Diese Regelungen stellen darauf ab, ob die Vermögensteile, aus denen die Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren stammen, tatsächlich zur Betriebsstätte gehören. Die „tatsächliche Zugehörigkeit“ von Vermögensteilen zum Betriebsstättenvermögen kann zumeist in den Fällen bejaht werden, in denen aus der Sicht des deutschen Steuerrechts unabhängig von gewerblicher Prägung3 und Fiktionen4 die Voraussetzungen für die Qualifikation als Betriebsvermögen gegeben sind.5
19.392
Zum Betriebsstättenvermögen gehören abkommensrechtlich indessen nicht ohne weiteres solche Wirtschaftsgüter, die aus der Sicht des deutschen Steuerrechts Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters einer Personengesellschaft sind. Diese nach den Grundsätzen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gebotene Zuordnung zum Sonderbetriebsvermögen beruht auf rechtlichen Erwägungen und steht im untrennbaren Zusammenhang mit der Behandlung der aus den betreffenden Wirtschaftsgütern stammenden Erträge als gewerbliche Einnahmen im Rahmen der Personengesellschaft. Abkommensrechtlich kommt es auf diese Zuordnung zum Sonderbetriebsvermögen nicht an.6 Abzustellen ist vielmehr stets auf die tatsächliche Zugehörigkeit.7 Tatsächlich gehören diese im Eigentum des jeweiligen Gesellschafters stehenden Wirtschaftsgüter nur dann zum Vermögen der Personengesellschaft und sind damit Betriebsstättenvermögen, wenn die Vermögenswerte in einem funktionalen Zusammenhang zu einer in der Betriebsstätte (Personengesellschaft) ausgeübten Tätigkeit stehen und sich die Erträge dieser Vermögenswerte bei funktionaler Betrachtungsweise als Nebenerträge der zu den Erträgen aus der nach der Verkehrsauffassung in der Hauptsache ausgeübten Unternehmenstätigkeit darstellen.8 Im Hinblick darauf wird jedenfalls 1 Vormals Art. 14 Abs. 1 OECD-MA. 2 Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 80; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 81. 3 Die gewerbliche Prägung (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) schlägt nicht auf das Abkommensrecht durch; vgl. BFH v. 19.5.2010 – I R 81/09, BStBl. II 2014, 754; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.3.1. 4 Z.B. § 5 Abs. 2, 3 UmwStG. 5 BFH v. 19.5.2010 – I R 81/09, BStBl. II 2014, 754. 6 Gegen BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414. 7 Vgl. BFH v. 10.8.2006 – II R 59/05, BStBl II 2009, 758; v. 20.12.2006 – I B 47/05, BStBl II 2009, 766. 8 Vgl. BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 31.5.1995 – I R 74/93, BStBl. II 1995, 683; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 23.10.1996 – I R 10/96, BStBl. II 1997, 313; v. 21.7.1999 – I R 110/98, BStBl. II 1999, 812; v. 29.11.2000 – I R 84/99, HFR 2001, 1053; v. 7.8.2002 – I R 10/01, BStBl. II 2002, 848; v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV
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L. Verteilung der Steuergüter
gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen1 überhaupt nicht2 und notwendiges Sonderbetriebsvermögen II3 nur ganz ausnahmsweise4 abkommensrechtlich Betriebsvermögen der Betriebsstätte (Personengesellschaft) sein.5 Da Art. 13 Abs. 2 OECD-MA schließlich insbesondere mit den abkommensrechtlichen Normen korrespondiert, die einen Betriebsstättenvorbehalt vorsehen,6 wird damit der erkennbaren Wertung der DBA entsprochen, wonach das Recht zur Versteuerung des Veräußerungsgewinns dem Staat zustehen soll, der berechtigt ist, sowohl den Vermögenswert als auch die Einkünfte daraus zu besteuern.7 In einigen deutschen DBA wird bewegliches Vermögen einer festen Einrichtung nicht vom Betriebsstättenprinzip erfasst. Damit erfolgt die Besteuerung nach den in den für Veräußerungsgewinne geltenden Verteilungsnormen verankerten Auffangklauseln (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA) im Wohnsitzstaat.8
19.393
4. Gewinne aus der Veräußerung von Schiffen und Luftfahrzeugen Für die Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen, die im internationalen Verkehr betrieben werden, sowie von Schiffen, die der Binnenschifffahrt dienen, und von beweglichem Vermögen, das dem Betrieb dieser Schiffe und Luftfahrzeuge dient,9 ist ausschließlich der Vertragsstaat zuständig, in dem der Ort der Geschäftsleitung liegt (Art. 13 Abs. 3 OECD-MA). Da nur der Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens besteuern darf, hat der Wohnsitzstaat die Veräußerungsgewinne freizustellen. Die ausschließliche Besteuerung im Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung erfolgt auch dann, wenn die Luftfahrzeuge oder Seeschiffe einer im anderen Vertragsstaat vorhandenen Betriebsstätte zuzurechnen sind. Das Betriebsstättenprinzip wird insoweit verdrängt. Der Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens ist darüber hinaus auch für die Besteuerung der Gewinne aus der Veräußerung des den Schiffen und Luftfahrzeugen dienenden beweglichen Vermögens zuständig. Für unbewegliches Vermögen verbleibt es demgegenüber beim Belegenheitsprinzip (Art. 13 Abs. 1 OECD-MA).
1 2 3 4 5 6 7
8 9
2004, 771; Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 81; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 77a; a.A. BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414 zum DBA-Schweiz, wonach nicht auf eine „tatsächliche“ Zugehörigkeit abgestellt wird. Zum Begriff Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 506 ff. Piltz, IStR 1996, 457 (460). Zum Begriff Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 517. Komplementär-GmbH einer deutschen GmbH & Co. KG; BFH v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937. Piltz, IStR 1996, 457 (460). Art. 10 Abs. 4; 11 Abs. 4 und 12 Abs. 3 OECD-MA gelten nur für den Fall, dass die Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren aus dem Betriebsstättenstaat selbst stammen. OECD-MK zu Art. 13 OECD-MA, Ziff. 4; Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 2; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 77a; dieser Zusammenhang wird vom BFH v. 13.2.2008 – I R 63/06, BStBl. II 2009, 414 für nicht relevant gehalten; zur Begründung hierfür Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 82. Abkommensübersicht bei Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 90, 91. Zu den Begriffen Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 107.
Schaumburg/Häck
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
19.395
Während in einigen deutschen DBA die Besteuerungsbefugnis für Gewinne aus Schiffen und Luftfahrzeugen dem Staat zugewiesen ist, in dem sich der Sitz des Unternehmens befindet,1 fehlt in anderen Abkommen eine Sonderregelung für Schiffe und Luftfahrzeuge, so dass für die Besteuerungsbefugnis durchweg das Betriebsstättenprinzip und ggf. das Wohnsitzprinzip zur Anwendung kommt.2 Schließlich gibt es Abkommen, die in ein deutsches Register eingetragene Schiffe als unbewegliches Vermögen behandeln mit der Folge, dass für die diesbezüglichen Veräußerungsgewinne das Belegenheitsprinzip gilt.3 5. Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Immobiliengesellschaften
19.396
Art. 13 Abs. 4 OECD-MA enthält für Gewinne aus der Veräußerung von Immobiliengesellschaften eine Sonderregelung. In Abweichung von Art. 13 Abs. 5 OECD-MA, wonach Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen nur im Wohnsitzstaat besteuert werden dürfen, sind Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Immobiliengesellschaften auch der Besteuerung im Belegenheitsstaat zugewiesen. Damit soll im Ergebnis dem Belegenheitsstaat nicht dadurch die Besteuerung genommen werden, dass die bei ihm belegenen Grundstücke von einer zwischengeschalteten Kapitalgesellschaft gehalten werden.4
19.397
Das vorgenannte modifizierte Belegenheitsprinzip greift nur dann ein, wenn die immobilienhaltende Gesellschaft5 nach Verkehrswerten6 mehr als 50 % ihres gesamten Gesellschaftsvermögens in Grundstücken oder übrigem unbeweglichen Vermögen hält. Entsprechend der Zielsetzung der Sonderregelung ist hierbei nur auf das Aktivvermögen, also ohne Berücksichtigung von Verbindlichkeiten abzustellen.7 Unerheblich ist auch, ob das unbewegliche Vermögen von der Immobiliengesellschaft unmittelbar oder aber nur mittelbar gehalten wird. Schließlich kommt es auch nicht auf die Höhe der Beteiligung an der Immobiliengesellschaft an.8
19.398
Die Sonderregelung für Immobiliengesellschaften ist in beinahe sämtlichen neueren deutschen DBA enthalten.9 Die Doppelbesteuerung wird in den älteren deutschen DBA durch Deutschland als Wohnsitzstaat durch Anrechnung vermieden.10 1 Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 107. 2 Nachweise bei Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 112, Art. 8 Rz. 46; ferner Brons, Nationale und internationale Besteuerung der Seeschifffahrt, 254. 3 Abkommensübersicht bei Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 113. 4 Rz. 28.3 zu Art. 13 MK. 5 Es muss sich um einen selbständigen Rechtsträger (juristische Person) i.S. von § 3 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA handeln; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 123c; Schütte in Haase3, Art. 13 OECD-MA Rz. 75; Lieber in S/D, Art. 13 OECD-MA Rz. 82. 6 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 123d; Gradel/Kleinhaus in S/K/K, Art. 13 OECD-MA Rz. 37; Schütte in Haase3, Art. 13 OECD-MA Rz. 81. 7 OECD-MK zu Art. 13 Abs. 4 OECD-MA, Rz. 28.4l; zu Einzelheiten Plewka/Beck, IStR 2007, 125 ff. 8 Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 138. 9 Hierzu die Abkommensübersicht bei Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 149. Zu Art. 13 Abs. 4 DE-VG Kessler/Arnold, IWB 2014, 60 (64 ff.). 10 Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 174.
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L. Verteilung der Steuergüter
6. Gewinne aus der Veräußerung von übrigem Vermögen Die für Veräußerungsgewinne geltenden Verteilungsnormen enthalten eine Auffangklausel, nach der für die Gewinne aus der Veräußerung von im Übrigen nicht genanntem Vermögen das Wohnsitzprinzip gilt.1 Hierzu zählen im Wesentlichen Gewinne aus der Veräußerung beweglichen Privatvermögens.2 Schließlich werden von dieser Auffangklausel auch Gewinne aus der Veräußerung von im Wohnsitzstaat und in Drittstaaten belegenem Vermögen erfasst.3 Bei der Besteuerung von Drittlandsvermögen im Wohnsitzstaat verbleibt es aber nur dann, wenn ein zwischen dem Wohnsitzstaat und dem Drittstaat bestehendes DBA die Besteuerungsbefugnis nicht dem Drittstaat zuweist.4
19.399
In der Abkommenspraxis spielt die Auffangklausel eine besondere Rolle für Gewinne aus der Veräußerung von privat gehaltenen Anteilen an Kapitalgesellschaften. Zu diesen Veräußerungsgewinnen zählen auch Gewinne auf Grund von Verschmelzung, Anteilstausch, Spaltung, Liquidation und Kapitalherabsetzung von Kapitalgesellschaften, soweit es sich insoweit nicht um Dividenden handelt.5
19.400
In der deutschen Abkommenspraxis gibt es Besonderheiten, die dem Besteuerungsinteresse von Deutschland Rechnung tragen. So wird in einigen Abkommen im Falle des Wegzuges für den früheren Wohnsitzstaat die Besteuerungsbefugnis für Gewinne aus der Veräußerung von Grundvermögen und wesentlichen Beteiligungen an einer Kapitalgesellschaft aufrechterhalten, wenn der veräußernde Wegzügler während eines Zeitraums von fünf oder zehn Jahren bzw. unmittelbar vor dem Wohnsitzwechsel dort ansässig war.6 Schließlich weisen einige deutsche DBA im Falle des Wegzugs dem neuen Wohnsitzstaat die Besteuerungsbefugnis nur für den nach dem Wegzug aus Deutschland entstandenen Wertzuwachs zu.7 Diesen Regelungen ist gemeinsam, dass sie abkommensrechtliche Schrankenwirkungen ggü. der deutschen Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG; hierzu Rz. 6.407 ff.) beseitigen.
19.401
Einige deutsche DBA enthalten schließlich Sonderregelungen für die Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen. Danach können derartige Veräußerungsgewinne auch in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem die Gesellschaft ihren Sitz hat.8 In diesen Fällen wird die Doppelbesteuerung durchweg durch Steueranrechnung im Wohnsitzstaat vermieden.
19.402
Soweit die für Veräußerungsgewinne geltenden Verteilungsnormen keine Auffangklauseln (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA) enthalten, werden die Veräußerungs-
19.403
1 Art. 13 Abs. 5 OECD-MA; vollständige Verteilungsnorm. 2 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 134; Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 141. 3 Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 220; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 132 f. 4 Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 220. 5 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 135a; Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 149; ferner Rz. 19.342. 6 Abkommensübersicht bei Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 311. 7 Abkommensübersicht bei Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 317. 8 Abkommensübersicht bei Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 225.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
gewinne als „andere Einkünfte“ durch Art. 21 OECD-MA erfasst, so dass die Besteuerungsbefugnis dem Wohnsitzstaat zusteht. Fehlt eine derartige abkommensrechtliche Auffangnorm, bleibt die Besteuerungsbefugnis auch des Quellenstaates aufrechterhalten.1
VIII. Einkünfte aus selbständiger Arbeit Literatur Kommentare zu Art. 14 OECD-MA a.F.; Görl, Die freien Berufe im Internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, München 1983; Grossmann, Die Besteuerung des Künstlers und Sportlers im internationalen Verhältnis, Bern/Stuttgart/Wien 1992; Krabbe, Abgrenzung der Besteuerungsrechte bei international tätigen Sozietäten, FR 1995, 692; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, Herne/Berlin 1991; Rademacher-Gottwald, Besteuerungsprobleme der grenzüberschreitenden Sozietäten von Rechtsanwälten, Steuerberatern und Wirtschaftsprüfer, Herne/Berlin 2001; Reimer, Der Ort des Unterlassens, München 2004; Schauhoff/Cordewener/Schlotter, Besteuerung ausländischer Künstler und Sportler in der EU, München 2008; Schaumburg, Freiberufliche Beratung im Ausland, in Krause/Schaumburg/Wassermeyer, Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten, Bonn 1996, 115; Schmidt/Spensberger, Anwendung des Art. 14 OECD-Musterabkommen bei ausländischen Einkünften inländischer Kapitalgesellschaften, IStR 2002, 480; Schick, Die freien Berufe im Steuerrecht, Köln 1973; Urtz, Die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede zwischen der Betriebsstätte nach Art. 5 OECD-Musterabkommen und der festen Einrichtung nach Art. 14 OECD-Musterabkommen und die Konsequenzen für die abkommensrechtliche Behandlung grenzüberschreitend tätiger Freiberufler-Sozietäten in Gassner/ Lang/Lechner, Die Betriebsstätte im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 1998, 157.
1. Allgemeines 19.404
Die für die Einkünfte aus selbständiger Arbeit maßgebliche Verteilungsnorm des Art. 14 OECD-MA ist zwar seit dem OECD-MA 2000 suspendiert, weil sich deren Regelungskreis nicht wesentlich von dem des Art. 7 OECD-MA unterscheidet, da aber die meisten deutschen DBA eine dem Art. 14 OECD-MA vergleichbare Verteilungsnorm enthalten, hat die nachfolgende Darstellung weiterhin Bedeutung.
19.405
In der internationalen Abkommenspraxis sind die Einkünfte aus freiem Beruf und aus sonstiger selbständiger Arbeit grundsätzlich allein dem Wohnsitzstaat zur Besteuerung zugewiesen.2 Der Staat, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, darf als Quellenstaat nur dann besteuern, wenn für die Tätigkeit dort gewöhnlich bzw. regelmäßig eine feste Einrichtung zur Verfügung steht. In diesem Fall wird die Doppelbesteuerung im Wohnsitzstaat entweder durch Freistellung oder durch Steueranrechnung vermieden. In der deutschen Abkommenspraxis steht die Freistellung unter Progressionsvorbehalt im Vordergrund. Die für selbständige Arbeit geltenden Verteilungsnormen haben damit die gleiche Verteilungsstruktur wie die für Unternehmensgewinne.3 1 Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 225 f. mit Abkommensübersicht. 2 Art. 14 Abs. 1 OECD-MA a.F. 3 OECD-MK zu Art. 14 OECD-MA a.F., Ziff. 3.
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L. Verteilung der Steuergüter
In Abweichung vom Wohnsitzprinzip legen einige deutsche DBA bei den Einkünften aus freiem Beruf oder aus sonstiger selbständiger Arbeit das Arbeitsortsprinzip zugrunde. Danach entfällt die Besteuerung im Staat der Arbeitsausübung nur dann, wenn die Tätigkeit dort eine bestimmte Zeit – zumeist 183 Tage – nicht überschreitet.1
19.406
Im Hinblick auf diese abkommensrechtlichen Anknüpfungspunkte läuft die beschränkte Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 3 EStG in Abkommensfällen dann leer, wenn sie an die Verwertung der selbständigen Arbeit anknüpft (Rz. 6.230).
19.407
Für Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen sowie für die Einkünfte als Künstler und Sportler sind in der internationalen Abkommenspraxis besondere Verteilungsnormen vorgesehen (Art. 16, 17 OECD-MA), die stets vorrangig sind.2 Soweit schließlich die Einkünfte aus freiem Beruf durch Verwertung von Rechten und ähnlichen Vermögenswerten erzielt und dementsprechend Lizenzgebühren bezogen werden, greifen die für Lizenzgebühren geltenden Verteilungsnormen (Art. 12 OECD-MA) ein,3 es sei denn, die Lizenzgebühren sind einer festen Einrichtung im Quellenstaat zuzuordnen (Art. 12 Abs. 3 OECD-MA). Entsprechendes gilt für Dividenden (Art. 10 Abs. 4 OECD-MA) und Zinsen (Art. 11 Abs. 4 OECD-MA).
19.408
Die für Einkünfte aus selbständiger Arbeit geltenden Verteilungsnormen entfalten im Grundsatz ihre Schutzwirkung zwar auch gegenüber juristischen Personen,4 sie haben für diese aber deshalb keine Bedeutung, weil die maßgeblichen Besteuerungsmerkmale nur von natürlichen Personen5 erfüllt werden können.6 Davon abgesehen, wird in einigen deutschen DBA der diesbezügliche Anwendungsbereich ausdrücklich auf natürliche Personen beschränkt.7
19.409
2. Einordnung der Einkünfte Dem Art. 14 OECD-MA a.F. unterfallen sowohl Einkünfte aus freiem Beruf als auch solche aus sonstiger selbständiger Tätigkeit. Die Abkommen definieren zwar nicht den Begriff des freien Berufs, sie enthalten aber einen nicht erschöp1 Abkommensübersicht bei Hemmelrath in V/L6, Art. 14 OECD-MA Rz. 37, 40 ff., 51. 2 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 14 OECD-MA Rz. 44; Tcherveniachki in S/D, Art. 14 a.F. OECD-MA Rz. 18, 19; Erhard in F/W/K, Art. 14 DBA-Schweiz Rz. 16 f. 3 Eine dem Art. 7 Abs. 7 OECD-MA entsprechende Bestimmung fehlt zwar in Art. 14 OECD-MA a.F., aus den Art. 10 Abs. 4; 11 Abs. 4 und 12 Abs. 3 OECD-MA ist aber im Hinblick auf die enge Verwandtschaft der beiden eingangs genannten Verteilungsnormen zu folgern, dass der Vorrang der Art. 10, 11 und 12 OECD-MA auch gegenüber Art. 14 OECD-MA gilt; Hemmelrath in V/L6, Art. 14 OECD-MA Rz. 7; Tcherveniachki in S/D, Art. 14 a.F. OECD-MA Rz. 15. 4 Hemmelrath in V/L6, Art. 14 OECD-MA Rz. 11. 5 Auch durch den Zusammenschluss natürlicher Personen, z.B. Sozietäten. 6 BFH v. 20.6.1984 – I R 283/81, BStBl. II 1984, 828; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 14 OECD-MA Rz. 20; Erhard in F/W/K, Art. 14 DBA-Schweiz Rz. 34; Tcherveniachki in S/D, Art. 14 a.F. OECD-MA Rz. 27; Schmidt/Spensberger, IStR 2002, 480 ff.; a.A. Hemmelrath in V/L6, Art. 14 OECD-MA Rz. 13; Wilke in G/K/G, Art. 14 OECD-MA Rz. 16; Strunk-zur Heide in S/K/K, Art. 14 OECD-MA Rz. 32; Görl, Die freien Berufe im Internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, 77. 7 Abkommensübersicht bei Hemmelrath in V/L6, Art. 14 OECD-MA Rz. 47.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
fenden Katalog typisch freiberuflicher Tätigkeiten (Art. 14 Abs. 2 OECD-MA a.F.). Genannt werden dort die selbständig ausgeübte wissenschaftliche, literarische, künstlerische, erzieherische und unterrichtende Tätigkeit sowie die selbständige Tätigkeit der Ärzte, Rechtsanwälte, Ingenieure, Architekten, Zahnärzte und Buchsachverständigen. Soweit sich aus dem Zusammenhang nichts anderes ergibt, kann für Zwecke der Auslegung innerstaatliches Recht herangezogen werden (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA),1 so dass aus deutscher Sicht insbesondere die zu § 18 EStG ergangene umfangreiche Rechtsprechung Bedeutung hat.2 19.411
Für die Einkünfte aus sonstiger selbständiger Tätigkeit enthalten die Abkommen weder eine Definition noch eine Aufzählung typischer Tätigkeiten. Deshalb kann auch hier, soweit sich aus dem Zusammenhang nichts anderes ergibt, für die Auslegung auf innerstaatliches Recht zurückgegriffen werden (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA). Aus deutscher Sicht kommen damit vor allem die unter § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu subsumierenden Tätigkeiten in Betracht, also insbesondere die Tätigkeiten von Testamentsvollstreckern und Vermögensverwaltern,3 soweit abkommensrechtlich hierfür nicht besondere Verteilungsnormen eingreifen.4 3. Besteuerung im Quellenstaat
19.412
Dem Staat, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, steht als Quellenstaat ein Besteuerungsrecht grundsätzlich nur dann zu, wenn für die Ausübung der Tätigkeit dort gewöhnlich bzw. regelmäßig eine feste Einrichtung zur Verfügung steht. Insoweit treffen die DBA für die Verteilung der Steuergüter zwischen Wohnsitzstaat und Quellenstaat im Rahmen der Einkünfte aus selbständiger Arbeit die gleiche Wertentscheidung wie bei den Einkünften aus unternehmerischer Tätigkeit: Die selbständige Arbeit und die unternehmerische Tätigkeit sollen erst dann von einem ausländischen Staat zum Anknüpfungspunkt für eine Besteuerung gemacht werden, wenn sie zu einer intensiven geschäftlichen Bindung an diesen Staat geführt haben. Diese Wertentscheidung artikuliert sich damit bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit und unternehmerischer Tätigkeit gleichermaßen in dem international geltenden Betriebsstättenprinzip. Die feste Einrichtung ist daher die Betriebsstätte des freien Berufs.5 1 Hemmelrath in V/L6, Art. 14 OECD-MA Rz. 60; Wilke in G/K/G, Art. 14 OECD-MA Rz. 20; Schaumburg in Krause/Schaumburg/Wassermeyer, Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten, 113 (116); mit Einschränkungen im Ergebnis ebenso Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 14 OECD-MA Rz. 13, 17. 2 Hierzu die ABCs der Einkünfte aus selbständiger Arbeit bei Wacker in Schmidt35, § 18 EStG Rz. 155 sowie das ABC der Freiberufler bei Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 14 OECD-MA Rz. 135. 3 Hierzu im Einzelnen Wacker in Schmidt35, § 18 EStG Rz. 141; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 14 OECD-MA Rz. 26. 4 Wie etwa für die Einkünfte aus der Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied (Art. 16 OECDMA). 5 RFH v. 31.10.1940, RStBl. 1941, 19; BFH v. 22.3.1966 – I 65/63, BStBl. III 1966, 463; v. 12.10.1978 – I R 69/75, BStBl. II 1979, 64; v. 3.2.1988 – I R 369/83, BStBl. II 1988, 486; v. 2.12.1992 – I R 77/91, HFR 1993, 295; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 14 OECD-MA Rz. 66; Erhard in F/W/K, Art. 14 DBA-Schweiz Rz. 76.
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L. Verteilung der Steuergüter
Soweit in der deutschen Abkommenspraxis darüber hinaus auch das Tätigkeitsortsprinzip verwirklicht wird,1 hat der Staat, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, die Besteuerungsbefugnis nur dann, wenn die Tätigkeitsdauer dort eine Mindestzeit überschreitet. Hierbei gilt zumeist die 183-Tage-Klausel.
19.413
Voraussetzung für die Besteuerung im Quellenstaat ist, dass die selbständige Tätigkeit dort ausgeübt und hierfür eine feste Einrichtung in dem Sinne unterhalten wird, dass die ausgeübte selbständige Arbeit aufgrund Sachzusammenhangs der festen Einrichtung zuzurechnen ist.2
19.414
Für die Ausübung der Tätigkeit wird darauf abgestellt, wo gearbeitet wird, nicht aber darauf, wo die Arbeit verwertet wird.3 Die Arbeit wird dort ausgeübt, wo sich der Betreffende4 bei Ausübung seiner selbständigen Tätigkeit körperlich aufhält.5 Abzustellen ist hierbei darauf, wo die Haupttätigkeit ausgeübt wird. So ist die Haupttätigkeit bei bildenden Künstlern und Schriftstellern dort, wo die eigentliche schöpferische Leistung erbracht wird,6 bei Erfindern dort, wo die Erfinderidee planmäßig verwirklicht wird und die Rechte aus der Erfindung geltend gemacht werden,7 und bei beratenden Tätigkeiten dort, wo sich diese unmittelbar vollzieht.8 Erzielt der selbständig Tätige Einkünfte dadurch, dass er sich für eine Tätigkeit zur Verfügung hält, so wird die selbständige Tätigkeit dort ausgeübt, wo sich der Leistende tatsächlich aufhält.9 Wird für ein Unterlassen bezahlt, so ist darauf abzustellen, wo die zu unterlassende Handlung vorgenommen worden
19.415
1 Abkommensübersicht bei Hemmelrath in V/L6, Art. 14 OECD-MA Rz. 37. 2 Hemmelrath in V/L6, Art. 14 OECD-MA Rz. 34; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 14 OECD-MA Rz. 92. 3 BFH v. 14.1.1982 – IV R 168/78, BStBl. II 1982, 345; Hemmelrath in V/L6, Art. 14 OECD-MA Rz. 17; Wilke in G/K/G, Art. 14 OECD-MA Rz. 36; Tcherveniachki in S/D, Art. 14 a.F. OECD-MA Rz. 39. 4 Bei freiberuflichen Sozietäten mit internationalen Büros sind die dem Quellenstaat zur Besteuerung zugewiesenen Einkünfte allen Sozien nach Maßgabe ihrer Beteiligung zuzurechnen (a.A. BFH v. 25.11.2015 – I R 50/14, DStR 2016, 954); so das „Zurechnungsprinzip“ im Gegensatz zum „Ausübungsprinzip“, wonach die vorbezeichneten Einkünfte nur den im Ausland tätigen Sozien zuzurechnen sind; vgl. hierzu die Kontroverse von Loukota einerseits und Portner andererseits, IStR 1996, 391 f.; für das Zurechnungsprinzip z.B. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 14 OECD-MA Rz. 50; Tcherveniachki in S/D, Art. 14 a.F. OECD-MA Rz. 65; Krabbe, FR 1995, 692 ff.; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 6.1; für das Ausübungsprinzip z.B. BFH v. 25.11.2015 – I R 50/14, DStR 2016, 954; Hemmelrath in V/L6, Art. 14 OECD-MA Rz. 30 ff. 5 RFH v. 29.1.1935, RStBl. 1935, 759; BFH v. 2.5.1969 – I R 176/66, BStBl. II 1969, 579; v. 28.2.1973 – I R 145/70, BStBl. II 1973, 660; v. 12.11.1986 – I R 268/83, BStBl. II 1987, 372; v. 11.4.1990 – I R 75/88, BFHE 160, 513; v. 5.11.1992 – I R 41/92, BStBl. II 1993, 407; Hemmelrath in V/L6, Art. 14 OECD-MA Rz. 17 ff. 6 BFH v. 28.2.1973 – I R 145/70, BStBl. II 1973, 660; v. 15.2.1990 – IV R 13/89, BStBl. II 1990, 621; zu weiteren Einzelheiten Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugverfahrens, 90 ff. 7 BFH v. 13.10.1976 – I R 261/70, BStBl. II 1977, 76; v. 11.4.1990 – I R 82/86, BFH/NV 1991, 143. 8 BFH v. 22.3.1966 – I 65/63, BStBl. III 1966, 463. 9 BFH v. 2.5.1969 – I R 176/66, BStBl. II 1969, 579; v. 9.9.1970 – I R 19/69, BStBl. II 1970, 867; Hemmelrath in V/L6, Art. 14 OECD-MA Rz. 17.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
wäre.1 Wäre die Handlung an jedem beliebigen Ort, also nicht nur innerhalb des Staatsgebietes des jeweiligen Vertragsstaates, vollzogen worden, wird hilfsweise auf den Aufenthaltsort des Verpflichteten abgestellt.2 19.416
Für die Tätigkeit im Quellenstaat muss, soweit nicht ausnahmsweise nur das Arbeitsortsprinzip gilt, zudem eine feste Einrichtung zur Verfügung stehen. Dieser Begriff ist in den DBA nicht definiert. Da aber Betriebsstätte und feste Geschäftseinrichtung gleichermaßen die Funktion haben, das Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates von dem des Quellenstaates abzugrenzen, kann für Zwecke der Begriffserklärung im Zweifel auf die abkommensrechtlichen Betriebsstättendefinitionen (Art. 5 OECD-MA) zurückgegriffen werden.3
19.417
Im Unterschied zur Betriebsstätte muss die feste Einrichtung dem selbständig Tätigen für seine Tätigkeit gewöhnlich zur Verfügung stehen. „Gewöhnlich“ steht die Einrichtung zur Verfügung, wenn sie nur ausnahmsweise der Verfügung des Steuerpflichtigen entzogen ist.4 Die feste Einrichtung muss nur regelmäßig, nicht aber ständig benutzt werden.5 Erforderlich ist, dass die feste Geschäftseinrichtung unter der Verfügungsgewalt des selbständig Tätigen derart steht, dass er über diese entweder rechtlich oder tatsächlich verfügen kann.6
19.418
Sind die für eine feste Einrichtung erforderlichen Merkmale erfüllt, darf der Quellenstaat die Einkünfte aus selbständiger Arbeit nur insoweit besteuern, als sie dieser festen Einrichtung zuzurechnen sind. Da die feste Einrichtung die gleiche Abgrenzungsfunktion hat wie die Betriebsstätte, gelten hier die für Betriebsstätteneinkünfte maßgeblichen Zuordnungsregeln (zu den einzelnen Methoden Rz. 19.264).
1 BFH v. 9.9.1970 – I R 19/69, BStBl. II 1970, 867; zu Einzelheiten Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugverfahrens, 93 ff. 2 BFH v. 9.9.1970 – I R 19/69, BStBl. II 1970, 867. 3 BFH v. 22.3.1966 – I 65/63, BStBl. III 1966, 463; v. 3.2.1988 – I R 369/83, BStBl. II 1988, 486; v. 2.12.1992 – I R 77/91, HFR 1993, 295; Hemmelrath in V/L6, Art. 14 OECD-MA Rz. 22 ff.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 14 OECD-MA Rz. 66; Tcherveniachki in S/D, Art. 14 OECD-MA a.F. Rz. 44 ff.; Wilke in G/K/G, Art. 14 OECD-MA Rz. 45; Erhard in F/W/K, Art. 14 DBA-Schweiz Rz. 76 mit Beispielen in Rz. 77, 78. 4 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 14 OECD-MA Rz. 75. 5 Die dort ausgeübte Tätigkeit muss in Anlehnung an Art. 5 Abs. 3 OECD-MA (Bauausführung) auf mindestens 6 Monate angelegt sein, wobei je nach DBA auch 12 oder 18 Monate in Betracht kommen können; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 14 OECD-MA Rz. 70, vgl. BFH v. 19.5.1993 – I R 80/92, BStBl. II 1993, 655; v. 28.6.2006 – I R 92/05, BStBl. II 2007, 100. 6 BFH v. 30.1.1974 – I R 87/72, BStBl. II 1974, 327; v. 3.2.1988 – I R 369/83, BStBl. II 1988, 486; vgl. im Übrigen die Rspr. zur Verfügungsmacht über Betriebsstätten Rz. 19.243; Hemmelrath in V/L6, Art. 14 OECD-MA Rz. 27; Wilke in G/K/G, Art. 14 OECD-MA Rz. 47; Schaumburg in Krause/Schaumburg/Wassermeyer, Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten, 114 (119); das Erfordernis einer Verfügungsgewalt dagegen verneinend Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 14 OECD-MA Rz. 74.
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Schaumburg/Häck
L. Verteilung der Steuergüter
IX. Einkünfte aus unselbständiger Arbeit Literatur Kommentare zu Art. 15 OECD-MA; Becht/Heithausen, Update des BMF zur grenzüberschreitenden Arbeitnehmerbesteuerung nach den DBA, ISR 2015, 201; Bellstedt, Geschäftsführer und Vorstände im Internationalen Steuerrecht, Köln 1996; von Bornhaupt, Lohnsteuerrechtliche Fragen bei Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland und vom Ausland ins Inland, BB 1985, Beilage 16, 10; Coulombe, Besteuerung von Zahlungen an Nichtansässige für selbständige Arbeit, CDFI LXVII b (1982), 63; Gassner/Lang/Lechner/ Schuck/Staringer, Arbeitnehmer im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2003; Görl, Die freien Berufe im Internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, München 1983; Gretter, Die grenzüberschreitende Verlagerung von Humankapital zur Nutzung bilanzierter Werte im Inland, Konstanz 1993; Hellwig, Die bezahlte Untätigkeit im Internationalen Steuerrecht, DStZ A 1978, 83; Jann, Die 183-Tage-Regel, in Gassner/ Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1994, 195; Kempermann, Anmerkungen zum neuen BMF-Schreiben zum Arbeitslohn nach den DBA, FR 2015, 122; Lechner, Arbeitskraftüberlassung, in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1994, 221; Niermann, Grenzüberschreitende Mitarbeiterentsendung, Herne/Berlin 2008; Pinetz/Zeiler, Der „wirtschaftliche“ Arbeitgeberbegriff nach Art. 15 Abs. 2 OECD-MA, SWI 2014, 18; Portner, Irrungen und Wirrungen beim Auslandseinsatz von Arbeitnehmern, IStR 2014, 435; Reimer, Der Ort des Unterlassens, München 2004; Roche, Neue Überlegungen und neue BFH-Rechtsprechung zur 183-Tage-Klausel, IStR 1997, 203; Schieber, Steuerfragen bei Personalentsendungen ins Ausland, Herne 1990; Siefert, Die Besteuerung bei der Entsendung von Arbeitskräften in das Ausland, Frankfurt 1985; Thiel, Besteuerung von Arbeitslohn bei Auslandstätigkeit, Herne/Berlin 1971; Wassermeyer, Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland, in Krause/Schaumburg/Wassermeyer, Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten, Bonn 1996, 89; Wick, Arbeitnehmerentsendungen zwischen Deutschland und den Niederlanden, Hamburg 2008; Ziesecke/Riehle/Muscheites, BMF-Schreiben vom 12.11.2014 zur steuerlichen Behandlung von Arbeitslohn nach dem DBA, DStR 2015 (Teil I) u. (Teil II), 969 und 1029; Zimmermann, Vorübergehende Beschäftigung von Arbeitnehmern im Ausland, Herne/Berlin 1975; Zwick, Einkommensbesteuerung von Grenzgängern, Herne 1986.
1. Allgemeines Die DBA enthalten für die Einkünfte aus unselbständiger Arbeit durchweg eigenständige Verteilungsnormen.1 Im Ausgangspunkt wird hierbei die Besteuerung allein dem Wohnsitzstaat zugewiesen. Einige deutsche DBA stellen das Wohnsitzprinzip allerdings unter den Vorbehalt, dass auch der Arbeitgeber im Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers ansässig ist.2 Das im Grundsatz geltende Wohnsitzprinzip wird durch das Arbeitsortsprinzip abgelöst, wenn der Arbeitnehmer die Arbeit im Staat des Arbeitsortes ausübt und sich dort innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten an mehr als 183 Tagen aufgehalten hat oder wenn die Vergütungen von einem Arbeitgeber, für einen Arbeitgeber oder von einer Betriebsstätte oder festen Einrichtung im Staat des Arbeitsortes gezahlt worden sind. Unter diesen Voraussetzungen darf der Staat des Tätigkeitsortes als Quellenstaat die 1 Die Auslegung der maßgeblichen DBA-Vorschriften durch die deutsche Finanzverwaltung wird regelmäßig in einem umfangreichen BMF-Schreiben niedergelegt, vgl. zuletzt BMF v. 12.11.2014 – IV B 2 - S 1300/08/10027 – DOK 2014/0971694, BStBl. I 2014, 1467, hierzu Kempermann, FR 2015, 122 ff.; Ziesecke/Riehle/Muscheites, DStR 2015, 969 ff. und 1029 ff.; Becht/Heithausen, ISR 2015, 201 ff. 2 Abkommensübersicht bei Prokisch in Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 77.
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19.419
Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
Arbeitseinkünfte ohne weiteres besteuern. Der Wohnsitzstaat hat in diesem Fall die Doppelbesteuerung entweder durch Freistellung oder Anrechnung zu vermeiden, wobei in Fällen der Freistellung nicht selten Subject-to-Tax-Klauseln1 oder § 50d Abs. 8 EStG eingreifen (Rz. 19.522 f.). 19.420
Neben dem Wohnsitz- und Arbeitsortsprinzip ist in der internationalen Abkommenspraxis für Einkünfte aus unselbständiger Arbeit, die an Bord von Seeschiffen und Luftfahrzeugen ausgeübt wird, das Besteuerungsrecht auch dem Staat zugewiesen, in dem sich der Ort der Geschäftsleitung des Unternehmens befindet.
19.421
Die für die Einkünfte aus unselbständiger Arbeit geltenden Verteilungsnormen haben eine begrenzte Reichweite, weil die DBA durchweg Sonderregelungen für Aufsichtsratsvergütungen (Art. 16 OECD-MA), Einkünfte aus künstlerischer Tätigkeit (Art. 17 OECD-MA), Ruhegehälter (Art. 18 OECD-MA), Bezüge aus öffentlichem Dienst (Art. 19 OECD-MA) und mitunter auch für Vergütungen an Professoren und Studenten2 vorsehen. Schließlich enthalten einige deutsche DBA Sonderregelungen auch für Grenzgänger.3 Diese Sonderregelungen gehen den für die Einkünfte aus unselbständiger Arbeit geltenden Verteilungsnormen stets vor.4 2. Einordnung der Einkünfte
19.422
Den Einkünften aus unselbständiger Arbeit unterliegen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen.5 Da die DBA hierfür keine Definitionen vorsehen, ist letztlich, soweit die Auslegung im Abkommenszusammenhang nichts anderes erfordert (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA), das innerstaatliche Recht des Staates maßgeblich, um dessen Besteuerung es sich handelt.6 Aus deutscher Sicht führt dies zu einer Orientierung an § 19 EStG.7 Im Hinblick darauf unterliegen Organe von juristischen Personen mit ihren Einkünften im Grundsatz ebenso dem Anwendungsbereich des Art. 15 OECD-MA wie übrige leitende Angestellte.8 Dies gilt im Ergebnis auch für geschäftsführende Gesellschafter von Personengesellschaften.9 Die Maßgeblichkeit des § 19 EStG führt dazu, dass auch Sachbezüge 1 Vgl. hierzu die Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 89; im Übrigen Rz. 19.141. 2 So in einigen deutschen DBA; hierzu die Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 161 ff. 3 Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 143. 4 Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 7; Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 1; Bourseaux/Levedag in S/D, Art. 15 OECD-MA Rz. 8. 5 Gemeint sind die Einnahmen ohne Berücksichtigung von Werbungskosten; Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 54. 6 Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 16a; Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 54; Reinhold in G/K/G, Art. 15 OECD-MA Rz. 87; Bourseaux/Levedag in S/D, Art. 15 OECD-MA Rz. 70. 7 BFH v. 18.7.1973, BStBl. II 1973, 757; v. 2.9.2009 – I R 90/08, BStBl. II 2010, 394; Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 54; Reinhold in G/K/G, Art. 15 OECD-MA Rz. 87. 8 Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 Rz. 65a, 66. 9 § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG hat insoweit abkommensrechtlich keine Bedeutung (Ausnahme: Art. 7 Abs. 7 S. 2 DBA-Schweiz); Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 30.
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Schaumburg/Häck
L. Verteilung der Steuergüter
erfasst werden.1 Hierzu gehört auch die verbilligte Überlassung von Aktien und Aktienoptionen (stock options). Aus der Sicht des deutschen Steuerrechts erfolgt ein Zufluss und somit eine Besteuerung der Aktienoptionen grundsätzlich erst zum Zeitpunkt der Ausübung,2 es sei denn, die Aktienoptionen werden vor der Ausübung bspw. durch Übertragung auf einen Dritten verwertet.3 Für den in der Praxis wichtigsten Fall der nicht handelbaren Optionen ermittelt sich der maßgebliche geldwerte Vorteil aus der Differenz zwischen dem Kurswert bei tatsächlicher Ausübung und dem vom Arbeitnehmer gezahlten Ausübungspreis. Dieser als ähnliche Vergütung zu qualifizierende geldwerte Vorteil gilt bei Einräumung der Option im Zweifel für eine in der Zukunft zu erbringende Tätigkeit gewährt, so dass ggf. für Zwecke der Anwendung von Art. 15 OECD-MA in Orientierung an In- und Auslandstätigkeiten eine Aufteilung über den Zeitraum zwischen Einräumung der Option und deren Ausübung4 zu erfolgen hat.5 Da in anderen Ländern z.T. abweichende Besteuerungsgrundsätze gelten,6 kann es zu Doppelbesteuerungen oder doppelten Nichtbesteuerungen kommen.7 Für die Einordnung der Vergütungen als Einkünfte aus unselbständiger Arbeit ist es ohne Bedeutung, wann und wo sie gezahlt werden; entscheidend ist die sachliche Zuordnung, so dass es für die Anwendung der Verteilungsnorm allein darauf ankommt, ob die Vergütung dem Arbeitnehmer für den Zeitraum seiner Auslandstätigkeit gezahlt wird.8 Ggf. hat eine Aufteilung der Vergütungen (z.B. Boni und Tantiemen)9 zu erfolgen.10 Das gilt auch in den Fällen, in denen (ausnahmsweise) etwa einem Arbeitnehmer anlässlich seines vorzeitigen Ausscheidens aus dem Anstellungsverhältnis eine Abfindung für vergangene Erdienungszeiträume (z.B. für entgangene Urlaubsansprüche) gezahlt wird.11 Regelmäßig 1 Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 16. 2 BFH v. 10.3.1972 – VI R 278/69, BStBl. II 1972, 596; v. 23.7.1999 – VI B 116/99, BStBl. II 1999, 684; v. 24.1.2001 – I R 100/98, BStBl. II 2001, 509; BMF v. 12.11.2014 – IV B 2 S 1300/08/10027 – DOK 2014/0971694, BStBl. I 2014, 1467, Tz. 195. 3 BFH v. 18.9.2012 – VI R 90/10, BStBl. II 2013, 289; BMF v. 12.11.2014 – IV B 2 S 1300/08/10027 – DOK 2014/0971694, BStBl. I 2014, 1467, Tz. 197. 4 A.A. Tz. 12.7 und 12.9 OECD-MK zu Art. 15 OECD-MA; BMF v. 12.11.2014 – IV B 2 S 1300/08/10027 – DOK 2014/0971694, BStBl. I 2014, 1467, Tz. 203: Erdienungszeitraum zw. Einräumung der Option und deren erstmaliger Ausübbarkeit. Krit. auch Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 56c. 5 BMF v. 12.11.2014 – IV B 2 - S 1300/08/10027 – DOK 2014/0971694, BStBl. I 2014, 1467, Tz. 204; Kempermann in F/W/K, Art. 15 DBA-Schweiz Rz. 12. 6 Hierzu der Überblick bei Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 21h ff. 7 Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 21; Schmidt in Haase3, Art. 15 Rz. 72. 8 BFH v. 27.1.1972 – I R 37/70, BStBl. II 1972, 459; v. 18.7.1973 – I R 52/69, BStBl. II 1973, 757; v. 5.2.1992 – I R 158/90, BStBl. II 1992, 660; Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 23; Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 77. 9 Schmidt in Haase3, Art. 15 OECD-MA Rz. 52 ff.; BMF v. 12.11.2014 – IV B 2 S 1300/08/10027 – DOK 2014/0971694, BStBl. I 2014, 1467, Tz. 175. 10 Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 23. 11 Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 79; Kempermann in F/W/K, Art. 15 DBA-Schweiz Rz. 9; BMF v. 12.11.2014 – IV B 2 - S 1300/08/10027 – DOK 2014/0971694, BStBl. I 2014, 1467, Tz. 180; gem. § 50d Abs. 12 EStG i.d.F. des AHRL-ÄndUmsG wird die Abfindung als zusätzliches Entgelt für früher geleistete Tätigkeit fingiert (gegen BFH v. 10.6.2015 – I R 79/13, BStBl. II 2016, 326).
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
dient die Abfindung jedoch tatsächlich als Ausgleich für die mit der Auflösung des Dienstverhältnisses verbundenden Nachteile. Insoweit ist allein der Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers zur Besteuerung befugt.1 3. Besteuerung im Staat des Tätigkeitsortes 19.424
Die DBA gehen von der Regel aus, dass Einkünfte aus unselbständiger Arbeit ausschließlich im Wohnsitzstaat zu besteuern sind. Abweichend von diesem Wohnsitzprinzip wird allerdings die Besteuerung vorrangig dem Staat des Tätigkeitsortes zugewiesen, wenn – die unselbständige Tätigkeit im anderen Vertragsstaat ausgeübt wird und – sich der Arbeitnehmer im Staat des Tätigkeitsortes während eines Zeitraums von 12 Monaten, der im betreffenden Steuerjahr beginnt oder endet, insgesamt mehr als 183 Tage aufhält oder – die Vergütungen von oder für einen im Staat des Tätigkeitsortes ansässigen Arbeitgeber gezahlt werden oder – die Vergütungen von einer Betriebsstätte oder einer festen Einrichtung getragen werden, die der Arbeitgeber im Staat des Tätigkeitsortes unterhält.
19.425
Der Arbeitnehmer übt dort seine Tätigkeit aus, wo er sich tatsächlich persönlich aufhält, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der persönliche Aufenthalt für die Ausübung der Tätigkeit erforderlich ist oder nicht.2 Da es nicht darauf ankommt, wo die Tätigkeit des Arbeitnehmers verwertet wird,3 spielt die beschränkte Einkommensteuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG, soweit sie an die Verwertung nichtselbständiger Arbeit (§ 19 EStG) im Inland anknüpft, in Abkommensfällen keine Rolle.
19.426
Für geistig tätige Arbeitnehmer gelten zwar die gleichen Grundsätze, die Lokalisierung bereitet in der Praxis aber erhebliche Schwierigkeiten, weil sich geistige Tätigkeiten nach außen hin nicht immer erkennbar artikulieren.4
19.427
Obwohl die geschäftsführende Tätigkeit der Organe von Kapitalgesellschaften sich nicht darin erschöpft, Entscheidungen zu treffen und bekannt zu geben, son1 BFH v. 18.7.1973 – I R 52/69, BStBl. II 1973, 757; v. 24.2.1988 – I R 143/84, BStBl. II 1988, 819; v. 10.7.1996 – I R 83/95, BStBl. II 1997, 341; v. 2.9.2009 – I R 90/08, BStBl. II 2010, 394; v. 2.9.2009 – I R 111/08, BStBl. II 2010, 387; v. 24.7.2013 – I R 8/13, BStBl. II 2014, 929; v. 10.6.2015 – I R 79/13, BStBl. II 2016, 326; BMF v. 12.11.2014 – IV B 2 S 1300/08/10027 – DOK 2014/0971694, BStBl. I 2014, 1467, Tz. 178; Wassermeyer/ Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 79; Bourseaux/Levedag in S/D, Art. 15 OECD-MA Rz. 72; im letzten Fall für eine Anwendung von Art. 21 OECD-MA; Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 17c; anders nunmehr (ab 2017) aufgrund der entgegenstehenden Fiktion des § 50d Abs. 12 EStG i.d.F. des AHRL-ÄndUmsG. 2 Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 31; Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 72; Vogelgesang in G/K/G, Art. 15 OECD-MA Rz. 106; von Bornhaupt, BB 1985, Beilage 16, 10 (10); anders dagegen BFH v. 26.5.1971 – I R 27/70, BStBl. II 1971, 804; v. 20.10.1982 – I R 104/79, BStBl. II 1983, 402, wonach darauf abgestellt wird, ob die Ausübung der Arbeit in dem anderen Staat erforderlich ist. 3 BFH v. 20.10.1982 – I R 104/79, BStBl. II 1983, 402. 4 Zu Einzelheiten Kempermann in F/W/K, Art. 15 DBA-Schweiz Rz. 41; Reinhold in G/K/G, Art. 15 OECD-MA Rz. 114 f.
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L. Verteilung der Steuergüter
dern vor allem in der Durchsetzung der erteilten Weisungen am Ort des Unternehmens besteht, gelten keine Besonderheiten: Organe von Kapitalgesellschaften üben ihre Tätigkeit grundsätzlich an dem Ort aus, an dem sie sich persönlich aufhalten.1 Wird die Tätigkeit in beiden Vertragsstaaten ausgeübt, ist die Vergütung nach Maßgabe der Zeitanteile der Arbeitsausübung aufzuteilen.2 Erschöpft sich die Ausübung der Arbeit in einem Sich-zur-Verfügung-Halten, so liegt der Ort der Ausübung der Tätigkeit in dem Staat, in dem sich der Arbeitnehmer tatsächlich aufhält.3 Besteht die Ausübung der Arbeit in der Einhaltung eines Konkurrenz- bzw. Wettbewerbsverbots, so ist darauf abzustellen, wo die zu unterlassende Handlung vorgenommen worden wäre.4 Wäre dies an jedem beliebigen Ort der Fall gewesen, kommt es darauf an, wo sich der Arbeitnehmer während der Laufzeit des Konkurrenz- oder Wettbewerbsverbots tatsächlich aufhält.5 Unerheblich ist dagegen grundsätzlich der frühere Arbeitsort.6
19.428
Die Besteuerung im Staat des Tätigkeitsortes ist weiterhin davon abhängig, dass sich der Arbeitnehmer dort insgesamt nicht länger als 183 Tage innerhalb eines Zeitraums von 12 Monaten, der während des betreffenden Steuerjahres beginnt oder endet, aufhält.7 Auf die Dauer der Tätigkeit selbst kommt es hierbei nicht an, es reicht vielmehr aus, dass während der vorgenannten Aufenthaltsdauer im Staat des Tätigkeitsortes überhaupt eine Tätigkeit ausgeübt wird.8 Beginn oder Ende des Zwölfmonatszeitraums müssen im Steuerjahr oder im Kalenderjahr liegen. Weichen die Steuerjahre im Wohnsitzstaat einerseits und im Tätigkeitsstaat
19.429
1 BFH v. 5.10.1994 – I R 67/93, BStBl. II 1995, 95; v. 2.5.1997 – I B 117/96, BFH/NV 1998, 18; BMF v. 12.11.2014 – IV B 2 - S 1300/08/10027 – DOK 2014/0971694, BStBl. I 2014, 1467, Tz. 259; Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 32; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 65a; Reinhold in G/K/G, Art. 15 OECD-MA Rz. 111, 113. 2 Dementsprechend geeignete Aufzeichnungen sind zu führen (Stundenprotokolle, Terminkalender, Reisekostenabrechnungen); ggf. kommt eine Schätzung der Zeitanteile in Betracht. 3 BFH v. 2.5.1969 – I R 176/66, BStBl. II 1969, 579; v. 9.9.1970 – I R 19/69, BStBl. II 1970, 867; Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 35; Kempermann in F/W/K, Art. 15 DBASchweiz Rz. 43; Bourseaux/Levedag in S/D, Art. 15 OECD-MA Rz. 72; BMF v. 14.9.2006 – IV B 6 - S 1300 - 367/06, BStBl. I 2006, 532, Tz. 120. 4 BFH v. 9.9.1970 – I R 19/69, BStBl. II 1970, 867; Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 64; Reimer, Der Ort des Unterlassens, 253 ff.; 410 ff.; a.A. Bourseaux/Levedag in S/D, Art. 15 OECD-MA Rz. 88; Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 35 f. und BMF v. 12.11.2014 – IV B 2 - S 1300/08/10027 – DOK 2014/0971694, BStBl. I 2014, 1467, Tz. 268 f., wonach es stets auf den tatsächlichen Aufenthaltsort ankommen soll. 5 BFH v. 9.9.1970 – I R 19/69, BStBl. II 1970, 867; Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 64; Kempermann in F/W/K, Art. 15 DBA-Schweiz Rz. 43. 6 Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 36; Reinhold in G/K/G, Art. 15 OECD-MA Rz. 119; Hellwig, DStZ A 1978, 83 (83); von Bornhaupt, BB 1985, Beilage 16, 10 (11); anders dagegen BFH v. 9.11.1977 – I R 254/75, BStBl. II 1978, 195 für den Fall, dass sich das Konkurrenz- und Wettbewerbsverbot als Nebenpflicht einer früheren Arbeitsleistung darstellt; ebenso Kempermann in F/W/K, Art. 15 DBA-Schweiz Rz. 43. 7 Diese Regelung ist nur in den jüngeren deutschen DBA enthalten; hierzu die Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 82; in den älteren Abkommen vor 1992 wird hinsichtlich der 183 Tage auf das Steuerjahr abgestellt. 8 BFH v. 12.4.1978 – I R 100/75, BStBl. II 1978, 425; Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 94; BMF v. 12.11.2014 – IV B 2 - S 1300/08/10027 – DOK 2014/0971694, BStBl. I 2014, 1467, Tz. 59.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
andererseits voneinander ab,1 so ist auf das Steuerjahr des Tätigkeitsstaates abzustellen.2 19.430
Da die DBA im Einzelnen nicht bestimmen, was unter einem Aufenthalt zu verstehen ist, kann auf das jeweilige nationale Recht zurückgegriffen werden, soweit sich aus dem Abkommenszusammenhang nichts anderes ergibt (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA). Aus deutscher Sicht können daher die für § 9 AO geltenden Auslegungskriterien nicht ohne weiteres herangezogen werden.3
19.431
So kommt es für die Berechnung der 183-Tage-Frist nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer im Tätigkeitsstaat regelmäßig übernachtet,4 so dass auch kurzfristige Tagesaufenthalte mit erfasst werden.5 Im Hinblick darauf sind bei der Berechnung der Aufenthaltsdauer übliche Arbeitsunterbrechungen wie Heimfahrten an Wochenenden und Feiertagen sowie Urlaub, krankheitsbedingte Ausfalltage und ferner An- und Abreisetage zur ausländischen Arbeitsstätte mit einzubeziehen, soweit die entsprechenden Zeitaufenthalte auf den Tätigkeitsstaat entfallen.6
19.432
Soweit sich die 183-Tage-Klausel in der älteren deutschen Abkommenspraxis7 auf das jeweilige Steuerjahr bezieht, entfällt eine Besteuerungsbefugnis im Tätigkeitsstaat selbst dann, wenn sich der Arbeitnehmer dort zwar insgesamt an mehr als 183 Tagen, aber etwa verteilt auf zwei Steuerjahre, aufgehalten hat. Das führt dazu, dass eine in verschiedene Jahre hineinreichende Tätigkeit nicht im Staat des Arbeitsortes besteuert werden kann, wenn in jedem einzelnen Steuerjahr, isoliert betrachtet, der Aufenthalt des Arbeitnehmers 183 Tage nicht überschreitet.8
19.433
Die Abkommensregelungen verlangen nicht, dass der Aufenthalt im Tätigkeitsstaat zusammenhängend sein muss, so dass mehrere kürzere Aufenthalte, soweit sie in einen Zwölfmonatszeitraum fallen, für Zwecke der 183-Tage-Klausel zusammenzurechnen sind.9 Hierbei sind alle denkbaren Zwölfmonatszeiträume 1 Hierzu die Übersichten bei Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 84 und Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 98. 2 Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 97; BMF v. 12.11.2014 – IV B 2 - S 1300/08/10027 – DOK 2014/0971694, BStBl. I 2014, 1467, Tz. 79. 3 BFH v. 10.7.1996 – I R 4/96, BStBl. II 1997, 15 unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung (BFH v. 25.5.1988 – I R 225/82, BStBl. II 1988, 944; v. 10.5.1989 – I R 50/85, BStBl. II 1989, 755; v. 18.7.1990 – I R 109/88, DB 1990, 2570); Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 94. 4 Anders die Auslegung zu § 9 Satz 2 AO; hierzu Rz. 6.23. 5 BFH v. 10.7.1996 – I R 4/96, BStBl. II 1997, 15; Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 94; Reinhold in G/K/G, Art. 15 OECD-MA Rz. 129; Bourseaux/ Levedag in S/D, Art. 15 OECD-MA Rz. 94; Kamphaus/Büscher in S/K/K, Art. 15 OECD-MA Rz. 134 f.; Roche, IStR 1997, 203 ff. 6 Zu Einzelheiten BMF v. 12.11.2014 – IV B 2 - S 1300/08/10027 – DOK 2014/0971694, BStBl. I 2014, 1467, Tz. 60; Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 99 ff. 7 Hierzu die Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 69. 8 Nicht zuletzt wegen der vorstehenden Probleme rechtfertigte sich die Neufassung des OECD-MA 1992, wonach auf einen im Steuerjahr beginnenden oder endenden 12-Monats-Zeitraum abgestellt wird; hierzu Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 95. 9 Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 47; Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 94; Reinhold in G/K/G, Art. 15 OECD-MA Rz. 150; Kempermann in F/W/K, Art. 15 DBA-Schweiz Rz. 450.
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L. Verteilung der Steuergüter
in Betracht zu ziehen, auch wenn sie sich zum Teil überschneiden.1 Das gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer im Tätigkeitsstaat für mehrere Arbeitgeber gearbeitet hat.2 Unabhängig von der 183-Tage-Klausel fällt dem Tätigkeitsstaat die Besteuerungsbefugnis stets dann zu, wenn die Vergütung von einem oder für einen im Tätigkeitsstaat ansässigen Arbeitgeber gezahlt wird. Da der Arbeitgeberbegriff in den Abkommen nicht definiert ist, kann für die Auslegung auf innerstaatliches Recht zurückgegriffen werden (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA), soweit eine Auslegung aus dem Sinn- und Vorschriftenzusammenhang heraus nicht möglich ist.3
19.434
Den für die Einkünfte aus unselbständiger Arbeit geltenden Verteilungsnormen kann entnommen werden,4 dass Betriebsstätten und feste Einrichtungen nicht Arbeitgeber sein können.5 Den für Einkünfte aus unselbständiger Arbeit geltenden Verteilungsnormen lässt sich dagegen nicht entnehmen, dass Arbeitgeber stets auch Personen im abkommensrechtlichen Sinne6 sein müssten, so dass auch Personengesellschaften Arbeitgeber sein können.7
19.435
Arbeitgeber ist nach allgemeinen Grundsätzen, die international weitgehend übereinstimmen,8 derjenige, dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung schuldet, unter dessen Leitung er tätig wird und dessen Weisungen er zu folgen hat.9 Arbeitgeber kann darüber hinaus aber auch jede natürliche oder juristische Person sein, die die Vergütung für die ihr gegenüber geleistete nichtselbständige Tätigkeit wirtschaftlich trägt (wirtschaftlicher Arbeitgeber).10 Dies ist bei Leiharbeitsverhältnissen in aller Regel der Leihnehmer, wenn der Arbeitnehmer in dessen
19.436
1 BMF v. 12.11.2014 – IV B 2 - S 1300/08/10027 – DOK 2014/0971694, BStBl. I 2014, 1467, Tz. 75. 2 Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 47. 3 Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 49 f.; Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 114; Kempermann in F/W/K, Art. 15 DBA-Schweiz Rz. 56; Wassermeyer in Krause/Schaumburg/Wassermeyer, Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten, 89 (94 f.). 4 Konkret aus Art. 15 Abs. 2 Buchst. a bis c OECD-MA. 5 BFH v. 21.8.1985 – I R 63/80, BStBl. II 1986, 4; v. 29.1.1986 – I R 109/85, BStBl. II 1986, 442, 513; BMF v. 12.11.2014 – IV B 2 - S 1300/08/10027 – DOK 2014/0971694, BStBl. I 2014, 1467, Tz. 93; Kempermann in F/W/K, Art. 15 DBA-Schweiz Rz. 64; Bourseaux/Levedag in S/D, Art. 15 OECD-MA Rz. 97; Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 53; Wassermeyer in Krause/Schaumburg/Wassermeyer, Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten, 89 (95). 6 Art. 3 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA, also grundsätzlich nur natürliche Personen und Kapitalgesellschaften. 7 BMF v. 12.11.2014 – IV B 2 - S 1300/08/10027 – DOK 2014/0971694, BStBl. I 2014, 1467, Tz. 92; Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 52; Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 114a; Kempermann in F/W/K, Art. 15 DBA-Schweiz Rz. 61; Bourseaux/Levedag in S/D, Art. 15 OECD-MA Rz. 97. 8 Hierzu Coulombe, CDFI LXVII b (1982), 63 ff. 9 Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 49g; Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 114; Kempermann in F/W/K, Art. 15 DBA-Schweiz Rz. 56; Portner, IStR 2014, 43 (436). 10 BFH v. 21.10.1999 – I R 36/95, BStBl. II 2000, 238; v. 23.2.2005 – I R 46/03, BStBl. II 2005, 547; BMF v. 12.11.2014 – IV B 2 - S 1300/08/10027 – DOK 2014/0971694, BStBl. I 2014, 1467, Tz. 98; hierzu Portner, IStR 2014, 435 ff.; Pinetz/Zeiler, SWI 2014, 18 ff.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
Betrieb eingegliedert ist.1 Entsprechendes gilt in Fällen der Arbeitnehmerentsendung zwischen international verbundenen Unternehmen2 mit der Maßgabe, dass dasjenige Unternehmen als Arbeitgeber gilt, das die Lohnaufwendungen getragen hat oder nach Fremdvergleichsgrundsätzen3 hätte tragen müssen.4 Ob ein derartiger Arbeitgeber im Tätigkeitsstaat ansässig ist, beurteilt sich allein nach Abkommensrecht, so dass entscheidend ist, ob der betreffende Arbeitgeber im Tätigkeitsstaat unbeschränkt steuerpflichtig ist (Art. 4 Abs. 1 OECD-MA). Soweit Personengesellschaften als solche nicht der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen, sind sie dort als ansässig anzusehen, an dem sie den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung haben.5 19.437
Da der Tätigkeitsstaat die Besteuerungsbefugnis erhalten soll, wenn der Arbeitslohn zu Lasten seines Steueraufkommens gezahlt wird, ist das Erfordernis der Zahlung von einem oder für einen im Tätigkeitsstaat ansässigen Arbeitgeber im Sinne eines wirtschaftlichen Arbeitgebers (Rz. 19.436) dann erfüllt, wenn der Arbeitslohn wirtschaftlich von ihm getragen wird,6 insbesondere die Vergütungen unmittelbar von ihm gezahlt oder ihm etwa als gesonderte Umlage weiterberechnet werden.7
19.438
Die vorstehenden Grundsätze gelten entsprechend für jene Fälle, in denen der Arbeitslohn von einer im Tätigkeitsstaat belegenen Betriebsstätte oder festen Einrichtung eines im Wohnsitzstaat des Arbeitnehmers ansässigen Arbeitgebers getragen wurde (Art. 15 Abs. 2 Buchst. c OECD-MA). Auch hier wird dem Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht zugewiesen, weil die Arbeitslöhne zu Lasten seines Steueraufkommens gehen.8 Demzufolge kommt es darauf an, ob die Löhne des der Betriebsstätte oder festen Einrichtung funktional zuzuordnenden Personals9 bei der Ermittlung des Gewinns der Betriebsstätte oder der festen Einrichtung als Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind.10 1 OECD-MK zu Art. 15 OECD-MA Rz. 8; zu Einzelheiten Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 54, 92 ff. 2 BMF v. 12.11.2014 – IV B 2 - S 1300/08/10027 – DOK 2014/0971694, BStBl. I 2014, 1467, Tz. 98 ff. 3 Vgl. BMF v. 9.11.2001 – IV B 4 - S 1341 - 20/01, BStBl. I 2001, 796 (Verwaltungsgrundsätze-Arbeitnehmerentsendung). 4 Schmidt in Haase3, Art. 15 OECD-MA Rz. 162; BMF v. 12.11.2014 – IV B 2 S 1300/08/10027 – DOK 2014/0971694, BStBl. I 2014, 1467, Tz. 98. 5 So die ausdrücklichen Regelungen in einigen deutschen Abkommen (Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 69, 87 f.), im Übrigen aufgrund sinngemäßer Anwendung der für Kapitalgesellschaften geltenden Ansässigkeitsregeln; Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 114a; Kempermann in F/W/K, Art. 15 DBA-Schweiz Rz. 63; BMF v. 12.11.2014 – IV B 2 - S 1300/08/10027 – DOK 2014/0971694, BStBl. I 2014, 1467, Tz. 92. 6 BFH v. 21.8.1985 – I R 63/80, BStBl. II 1986, 4; v. 29.1.1986 – I R 109/85, BStBl. II 1986, 442; v. 23.2.2005 – I R 46/03, BStBl. II 2005, 547; Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 116. 7 Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 116. 8 Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 63. 9 BFH v. 24.2.1988 – I R 143/84, BStBl. II 1988, 819. 10 BFH v. 24.2.1988 – I R 143/84, BStBl. II 1988, 819; Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 130 ff.; Kamphaus/Bücher in S/K/K, Art. 15 OECD-MA Rz. 198; Reinhold in G/K/G, Art. 15 OECD-MA Rz. 220; BMF v. 12.11.2014 – IV B 2 S 1300/08/10027 – DOK 2014/0971694, BStBl. I 2014, 1467, Tz. 151.
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L. Verteilung der Steuergüter
4. Besteuerung im Staat des Ortes der Geschäftsleitung Abweichend vom Wohnsitz- und Arbeitsortsprinzip sind Vergütungen für unselbständige Arbeit, die an Bord eines Seeschiffes oder Luftfahrzeuges, das im internationalen Verkehr betrieben wird, oder an Bord eines Schiffes, das der Binnenschifffahrt dient, ausgeübt wird, vorrangig dem Staat als Quellenstaat zur Besteuerung zugewiesen, in dem sich der Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung des Unternehmens1 befindet (Art. 15 Abs. 3 OECD-MA). Die Besteuerungsbefugnis für den Wohnsitzstaat bleibt zwar aufrechterhalten, dieser hat aber die Doppelbesteuerung entweder durch Anrechnung oder durch Freistellung zu vermeiden.2 Diese Anknüpfung an den Ort der Geschäftsleitung findet ihre Parallele bei der Besteuerung von Unternehmensgewinnen aus Seeschiffen, Luftfahrzeugen und Binnenschifffahrt (Art. 8 OECD-MA). Hier wie dort wird dem Umstand Rechnung getragen, dass eine Lokalisierung im Sinne eines Tätigkeitsortes nur sehr schwer möglich ist. Im Hinblick darauf tritt bei den Unternehmensgewinnen das Betriebsstättenprinzip und bei den Einkünften aus unselbständiger Arbeit das Arbeitsortsprinzip zurück.3 Im Übrigen wird durch die Zuweisung der Besteuerungsbefugnis für den auf Seeschiffen, Luftfahrzeugen und Binnenschiffen verdienten Arbeitslohn an den Staat, in dem sich der Ort der Geschäftsleitung der betreffenden Unternehmen befindet, berücksichtigt, dass zu Lasten des Steueraufkommens dieses Staates die vorbezeichneten Löhne als Betriebsausgaben abgesetzt werden können.4
19.439
Vereinzelt fehlt in deutschen DBA eine entsprechende spezielle Verteilungsnorm,5 so dass es insoweit beim Wohnsitz- und Arbeitsortsprinzip verbleibt. In diesen Fällen führt die Bestimmung des Tätigkeitsortes von Besatzungen, etwa von Seeschiffen oder Luftfahrzeugen im internationalen Verkehr, zu erheblichen Schwierigkeiten,6 so dass sich die deutsche Finanzverwaltung mit Vereinfachungsregelungen behilft.7
19.440
In der deutschen Abkommenspraxis wird die Doppelbesteuerung im Wohnsitzstaat durchweg durch Steuerfreistellung vermieden. Das gilt im Grundsatz auch dann, wenn im Staat des Ortes der Geschäftsleitung des Unternehmens keine Steuer erhoben wird.8 In einigen deutschen DBA sind allerdings Subject-toTax-Klauseln (Rz. 19.141) vorgesehen, so dass dem jeweiligen Wohnsitzstaat die Besteuerung trotz grundsätzlicher Freistellung hilfsweise zufällt.9 Entsprechendes gilt nach Maßgabe des § 50d Abs. 8 EStG (Rz. 19.523 f.).
19.441
1 Arbeitnehmerverleiher sind nicht Unternehmen in diesem Sinne; BFH v. 10.11.1993 – I R 53/91, BStBl. II 1994, 218. 2 Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 102. 3 Zum lex-specialis-Charakter des Art. 15 Abs. 3 OECD-MA Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 181. 4 Hierzu Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 196; BFH v. 8.2. 1995 – I R 42/94, HFR 1995, 451. 5 Hierzu die Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 115. 6 Hierzu beispielhaft BFH v. 5.10.1977 – I R 250/75, BStBl. II 1978, 50. 7 BMF v. 12.11.2014 – IV B 2 - S 1300/08/10027 – DOK 2014/0971694, BStBl. I 2014, 1467, Tz. 295 ff. 8 Insoweit erfolgt eine Vermeidung der virtuellen Doppelbesteuerung; hierzu im Einzelnen Rz. 15.8. 9 Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 117 f.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
19.442
Die Besteuerungsbefugnis für den Staat, in dem sich der Ort der Geschäftsleitung des Schiff- und Luftfahrtunternehmens befindet, gilt nur für Vergütungen für eine im Dienste dieses Unternehmens1 ausgeübte unselbständige Arbeit an Bord eines Seeschiffes, Binnenschiffes oder Luftfahrzeugs, so dass von der Reichweite dieser Verteilungsnorm lediglich Löhne für Besatzungsmitglieder2 erfasst werden.3 5. Besteuerung im Wohnsitzstaat
19.443
Soweit die Besteuerung der Arbeitslöhne dem Staat des Arbeitsortes oder dem Staat des Ortes der tatsächlichen Geschäftsleitung zugewiesen ist, bleibt die Besteuerungsbefugnis im Wohnsitzstaat aufrechterhalten.4 In diesen Fällen hat der Wohnsitzstaat allerdings die Doppelbesteuerung entweder durch Freistellung – dies ist in der deutschen Abkommenspraxis die Regel5 – oder durch Anrechnung zu vermeiden.
19.444
Die ausschließliche Besteuerungsbefugnis steht dem Wohnsitzstaat nur dann zu, wenn eine Besteuerung im Staat des Arbeitsortes oder der tatsächlichen Geschäftsleitung abkommensrechtlich ausgeschlossen ist.
19.445
In der deutschen Abkommenspraxis sind für Grenzgänger6 Sonderregelungen vorgesehen, die die Besteuerung der Einkünfte aus unselbständiger Arbeit dieses Personenkreises ausschließlich dem Wohnsitzstaat zuweisen.7 Diese Sonderregelung wirkt konstitutiv, weil die Anwesenheit auch von täglich in den Wohn-
1 Teleologische Reduktion im Hinblick darauf, dass die Besteuerung im Staat der Geschäftsleitung als Äquivalent des zu Lasten seines Steueraufkommens gehenden Betriebsausgabenabzugs zu sehen ist; vgl. BFH v. 8.2.1995 – I R 42/94, BStBl. II 1995, 405; Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 196; Reinhold in G/K/G, Art. 15 OECD-MA Rz. 264; z.T. abweichend Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 110c. 2 Pilot, Kapitän, Steward, Matrose, Küchenpersonal und Küchenberater (BFH v. 8.2.1995 – I R 42/94, BStBl. II 1995, 405); Lotsen gehören nicht dazu, weil diese nicht Arbeitnehmer des Schifffahrtunternehmens sind; hierzu Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 196. 3 Zu Einzelheiten Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 107; Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 188. 4 Es sei denn, die Besteuerungsbefugnis ist ausnahmsweise dem Staat des Arbeitsortes oder der tatsächlichen Geschäftsleitung ausschließlich zugewiesen; hierzu die Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 74. 5 Für den Wohnsitzstaat schlägt die Fiktion des Arbeitsorts gem. Art. 15 Abs. 3 OECD-MA grds. auf den Methodenartikel durch (Kempermann in F/W/K. Art. 15 DBA-Schweiz Rz. 98; Häck in F/W/K, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 142; Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 102; a.A. BFH v. 2.10.2006 – I R 81/04, BStBl. II 2010, 778; v. 11.11.2009 – I R 83/08, BStBl. II 2010, 781; v. 10.1.2012 – I R 36/11, BFH/NV 2012, 1138; BMF v. 12.11.2014 – IV B 2 - S 1300/08/10027 – DOK 2014/0971694, BStBl. I 2014, 1467, Tz. 302; Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 181). 6 Hierzu ausführlich Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 128 ff.; Bourseaux/Levedag in S/D, Art. 15 OECD-MA Rz. 119; Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Art. 15 OECD-MA Rz. 160 ff.; Kempermann in F/W/K, Art. 15a DBA-Schweiz Rz. 1 ff.; Zwick, Einkommensbesteuerung von Grenzgängern. 7 Hierzu die Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 143.
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L. Verteilung der Steuergüter
sitzstaat zurückkehrenden Grenzgängern1 im Tätigkeitsstaat zu einem Aufenthalt im Sinne der 183-Tage-Klausel führt (Rz. 19.431). Die Grenzgängerregelungen der DBA verfolgen das Ziel, die Grenzgänger vor den Nachteilen der beschränkten Steuerpflicht im Tätigkeitsstaat einerseits und der unbeschränkten Steuerpflicht im Wohnsitzstaat andererseits zu schützen. So wird zwar die individuelle Leistungsfähigkeit im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht im Wohnsitzstaat berücksichtigt, sie käme dort aber nicht zur Geltung, wenn Grenzgänger neben ihren allein im Tätigkeitsstaat zu versteuernden Einkünften aus unselbständiger Arbeit keine weiteren Einkünfte erzielten. Die im Tätigkeitsstaat erzielten Einkünfte aus unselbständiger Arbeit unterlägen dort dagegen der beschränkten Steuerpflicht, ohne dass hierbei die individuelle Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden könnte, wenn es hierfür nicht besondere Vorschriften gäbe.2 Die ausschließliche Besteuerung im Wohnsitzstaat aufgrund der besonderen Grenzgängerregelungen dient daher in besonderem Maße dem steuerlichen Interesse der Grenzgänger.
19.446
Eine ausschließliche Besteuerung im Wohnsitzstaat ist in einigen deutschen DBA auch für Gastprofessoren und Studentenpraktikanten vorgesehen.3 Die die Gastprofessoren betreffenden Sonderregelungen stellen die Vergütungen für eine Lehrtätigkeit, die während eines vorübergehenden Zeitraums von höchstens zwei Jahren gezahlt werden, im Gastland, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird, von der Besteuerung frei.4
19.447
Die Besteuerungsbefugnis behält ausschließlich der Wohnsitzstaat, aus dem der Gastprofessor stammt. Das setzt voraus, dass der Gastprofessor in seinem bisherigen Wohnsitzstaat im abkommensrechtlichen Sinne ansässig bleibt. Gibt er den Wohnsitz in seinem ursprünglichen Wohnsitzstaat auf, so entfällt die Sonderregelung grundsätzlich.5 Einige deutsche DBA gewähren allerdings die Steuerbefreiung im Gastland ohne Rücksicht darauf, ob der Gastprofessor seine Ansässigkeit im ursprünglichen Wohnsitzstaat beibehält.6 Im Hinblick darauf kann es zu einer doppelten Nichtbesteuerung in beiden Staaten kommen.
19.448
Die Steuerfreistellung im Gastland erfolgt im Allgemeinen nur dann, wenn die Lehrtätigkeit an Universitäten, Colleges, Schulen und anderen Lehranstalten7 nur als vorübergehende Tätigkeit angelegt ist und die Aufenthaltsdauer einen Zeitraum von zwei Jahren8 nicht übersteigt. Ist die Verweildauer für eine längere Zeit geplant, so erfolgt von vornherein eine Besteuerung nach den allgemeinen Grundsätzen, so dass das Gastland die Besteuerungsbefugnis entweder aufgrund
19.449
1 Zum Merkmal der „regelmäßigen Rückkehr“ nach Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz BFH v. 27.8.2008 – I R 10/07, BStBl. II 2009, 1; v. 27.8.2008 – I R 64/07, BStBl. II 2009, 97. 2 So in Deutschland: §§ 1 Abs. 3; 1a EStG; zu Einzelheiten Rz. 6.40 ff. 3 Hierzu die Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 162. 4 Ausführlich Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 161 ff. 5 Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 170. 6 Hierzu die Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L6 Art. 15 OECD-MA Rz. 173, 182. 7 In einigen deutschen DBA ist auch die Forschungstätigkeit einbezogen; hierzu die Übersicht bei Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 162. 8 Es kommt auf die Dauer der Lehrtätigkeit nicht an; BFH v. 13.3.1985 – I R 86/80, BStBl. II 1985, 500; Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 175; vgl. im Übrigen die Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 162.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
des Arbeitsorts- oder des Wohnsitzprinzips erhält.1 Erstreckt sich die Lehrtätigkeit entgegen der ursprünglichen Absicht über mehr als zwei Jahre, so entfällt die Steuerbefreiung im Gastland rückwirkend.2
X. Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen Literatur Kommentare zu Art. 16 OECD-MA; Beiser, Verwaltungsratsvergütungen i.S. des Art. 16 DBA Österreich-Schweiz, SWI 2000, 199; Toifl, Die Besteuerung von Geschäftsführern, Vorständen und Aufsichtsräten in: Gassner/Lang, Besteuerung und Bilanzierung international tätiger Unternehmen, Wien 1998, 381.
19.450
In der internationalen Abkommenspraxis sind besondere Verteilungsnormen für Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen üblich (Art. 16 OECD-MA). Diese Verteilungsnormen weisen die Besteuerungsbefugnis vorrangig dem Sitzstaat als Quellenstaat zu. Die Vermeidung der Doppelbesteuerung wird im Wohnsitzstaat entweder durch Freistellung oder Anrechnung bewirkt.3 Die Besteuerungsbefugnis im Sitzstaat unterliegt grundsätzlich keinen Schrankenwirkungen.
19.451
Die für Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen geltenden Verteilungsnormen gehen den für die Einkünfte aus selbständiger und unselbständiger Arbeit geltenden Verteilungsnormen vor.4
19.452
Nur solche Vergütungen unterliegen der Besteuerung im Sitzstaat, die für die Überwachung der Geschäftsführung einer im anderen Vertragsstaat ansässigen Gesellschaft5 gezahlt werden.6 Werden die Vergütungen – abgrenzbar7 – auch für andere als für überwachende Tätigkeiten gezahlt, ist eine entsprechende Aufteilung des Entgelts vorzunehmen.8 Da insbesondere im ausländischen Recht eine Abgrenzung zwischen Geschäftsführung einerseits und Überwachung derselben andererseits nicht immer vorgenommen wird (Boardsystem), erstrecken 1 Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 175. 2 BFH v. 22.7.1987 – I R 224/83, BStBl. II 1987, 842; BMF v. 10.1.1994 – IV C 5 - S 1300 196/93, BStBl. I 1994, 14, Nr. 2; Prokisch in V/L6, Art. 15 OECD-MA Rz. 176. 3 Prokisch in V/L6, Art. 16 OECD-MA Rz. 3; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 16 OECD-MA Rz. 1. 4 Prokisch in V/L6, Art. 16 OECD-MA Rz. 4; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 16 OECD-MA Rz. 2; Kempermann in F/W/K, Art. 16 DBA-Schweiz Rz. 5; Tcherveniachki in S/D, Art. 16 OECD-MA Rz. 8. 5 Nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA lediglich Kapitalgesellschaften und andere Gesellschaften, die unmittelbar selbst der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen; Personengesellschaften (Mitunternehmerschaften) aus Sicht des Anwenderstaates Deutschland nicht erfasst; vgl. Prokisch in V/L6, Art. 16 OECD-MA Rz. 16; Kempermann in F/W/K, Art. 16 DBA-Schweiz Rz. 14. 6 Prokisch in V/L6, Art. 16 OECD-MA Rz. 12. 7 BFH v. 23.2.2005 – I R 46/03, BStBl. II 2005, 547; v. 27.4.2000 – I B 114/99, BFH/NV 2001, 6. 8 Prokisch in V/L6, Art. 16 OECD-MA Rz. 14 f.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 16 OECD-MA Rz. 12; Kempermann in F/W/K, Art. 16 DBA-Schweiz Rz. 20; vgl. BFH v. 5.10.1994 – I R 67/93, BStBl. II 1995, 95; v. 5.3.2008 – I R 54, 55/07, I R 54/07, I R 55/07, BFH/NV 2008, 1487 zu allerdings unterschiedlichen Abkommensfassungen.
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L. Verteilung der Steuergüter
einige deutsche DBA die für Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen geltenden Verteilungsnormen auch auf Vergütungen, die für Geschäftsführungstätigkeiten gezahlt werden.1 Gibt es derartige Sonderregelungen nicht, ist es zwecks Vermeidung von Qualifikationskonflikten sachgerecht, auf das Gesellschaftsrecht des jeweiligen Sitzstaates der Gesellschaft abzustellen.2
XI. Einkünfte von Künstlern und Sportlern Literatur Kommentare zu Art. 17 OECD-MA; Ebling in Ebling/Schulze, Kunstrecht, 2. Aufl., München 2012; Görl, Die freien Berufe im Internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, München 1983; Grossmann, Die Besteuerung des Künstlers und Sportlers im internationalen Verhältnis, Bern/Stuttgart/Wien 1992; Hahn-Joecks, Zur Problematik der Besteuerung ausländischer Künstler und Sportler, Baden-Baden 1999; Loydolt, Der Künstlerdurchgriff im DBA-Recht, SWI 1996, 545; Maßbaum, Die beschränkte Steuerpflicht der Künstler und Berufssportler unter Berücksichtigung des Steuerabzugsverfahrens, Herne/Berlin 1991; Mody, Problembereiche der Besteuerung beschränkt steuerpflichtiger Künstler und Sportler, in FS für Fischer, Berlin 1999, 769; Mody, Die deutsche Besteuerung international tätiger Künstler und Sportler, Baden-Baden 1994; Pöllath, Künstler und Sportler in der beschränkten Steuerpflicht, in Haarmann (Hrsg.), Die beschränkte Steuerpflicht, Köln 1993, 54; Rief, Künstler und Sportler, in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1994, 237; Schauhoff/Cordewener/Schlotter, Besteuerung ausländischer Künstler und Sportler in der EU, München 2008; Steiner, Steuerrecht im Sport, Stuttgart 2009.
Die DBA enthalten für die Einkünfte3 von Künstlern und Sportlern eigenständige Verteilungsnormen, die unabhängig davon eingreifen, ob die Künstler oder Sportler selbständig oder unselbständig tätig sind (Art. 17 OECD-MA). Aufgrund dieser Verteilungsnormen wird die Besteuerungsbefugnis vorrangig dem Tätigkeitsstaat als Quellenstaat zugewiesen. Die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Anrechnung oder Freistellung obliegt dem Wohnsitzstaat. Soweit eine Freistellung vorgesehen ist, erfolgt diese grundsätzlich ohne Rücksicht auf die tatsächliche Besteuerung.
19.453
In einigen deutschen DBA sind Sonderregeln für den Kulturaustausch vorgesehen, wonach die Besteuerung der Einkünfte der Künstler und Sportler beim Wohnsitzstaat verbleibt, wenn diese im Rahmen eines von den Vertragsstaaten gebilligten offiziellen Kulturaustausches auftreten4 oder der Auftritt der ausländischen Künstler oder Sportler aus öffentlichen Mitteln subventioniert wird.5
19.454
Die für Einkünfte von Künstlern und Sportlern geltenden Verteilungsnormen (Art. 17 OECD-MA) gehen den für die Einkünfte aus selbständiger und unselbständiger Arbeit geltenden Verteilungsnormen vor (Art. 17 Abs. 1 OECD-MA). In einigen deutschen DBA beschränkt sich dieses Spezialitätsverhältnis aller-
19.455
1 Hierzu die Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L6, Art. 16 OECD-MA Rz. 19. 2 A.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 16 OECD-MA Rz. 15. 3 Einkünfte im Sinne von Einnahmen; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 17 OECD-MA Rz. 35. 4 Abkommensübersicht bei Stockmann in V/L6, Art. 17 OECD-MA Rz. 92 ff. 5 Abkommensübersicht bei Stockmann in V/L6, Art. 17 OECD-MA Rz. 94.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
dings auf Einkünfte selbständig tätiger Künstler und Berufssportler.1 Darüber hinaus treten auch die für Unternehmensgewinne geltenden Verteilungsnormen zurück (Art. 7 Abs. 7 OECD-MA), so dass die Einkünfte etwa von Berufssportlern ebenfalls den für Künstler und Sportler geltenden Verteilungsnormen unterliegen.2 Die Anwendung dieser Spezialregelung führt dazu, dass die vorbezeichneten Einkünfte der vorrangigen Besteuerung im Tätigkeitsstaat auch dann unterliegen, wenn keine Betriebsstätte (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA) oder ständige Einrichtung (Art. 14 Abs. 1 OECD-MA a.F.) vorliegt oder die 183-Tage-Klausel (Art. 15 Abs. 2 OECD-MA) nicht eingreift. Die Besteuerung wird dem Tätigkeitsstaat zugewiesen, wenn dort Künstler oder Sportler ihre Tätigkeit persönlich ausüben. Da die betreffenden Verteilungsnormen auf die persönlich ausgeübte Tätigkeit abstellen, kommen nur natürliche Personen als Künstler und Sportler in Betracht, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sie einzeln oder gesellschaftsrechtlich verbunden als Mitglieder von Orchestern, Chören, Theater oder Sportmannschaften3 auftreten.4 19.456
Die Begriffe Künstler5 und Sportler6 sind zwar in den DBA nicht unmittelbar definiert, die betreffenden Verteilungsnormen enthalten aber durchweg eine beispielhafte Aufzählung verschiedener Arten von Künstlern, aus denen insgesamt geschlossen werden kann, dass nur Künstler gemeint sind, die im Tätigkeitsstaat ein Werk vortragen oder aufführen oder aber bei dem Vortrag oder der Aufführung eines Werkes künstlerisch mitwirken.7 Zum Kreis dieser vortragenden oder aufführenden Künstler gehören entsprechend der Aufzählung in den DBA Bühnen-, Film-, Rundfunk- und Fernsehkünstler sowie Musiker8 und darüber hinaus auch Artisten und sonstige Unterhaltungskünstler.9 Die Einkünfte von schaffenden Künstlern, insbesondere von Malern, Bildhauern, Schriftstellern und Komponisten fallen daher nicht unter die für Künstler und Sportler geltenden Verteilungsnormen der DBA. Die vorgenannten Abgrenzungskriterien gelten auch für Sportler, die Wettkämpfe vor einem Publikum veranstalten.10
1 Abkommensübersicht bei Stockmann in V/L6, Art. 17 OECD-MA Rz. 74; FinMin. Niedersachsen v. 16.5.1995, DStR 1995, 937. 2 Stv. Schlotter in S/D, Art. 17 OECD-MA Rz. 7. 3 Nicht aber Sportvereine; Maßbaum in G/K/G, Art. 17 OECD-MA Rz. 71. 4 OECD-MK zu Art. 17 OECD-MA Ziff. 8; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 17 OECD-MA Rz. 55 ff.; Maßbaum in G/K/G, Art. 17 OECD-MA Rz. 126. 5 Zum Begriff im Einzelnen Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 17 OECD-MA Rz. 21 ff.; Schlotter in S/D, Art. 17 OECD-MA Rz. 19 ff.; Kempermann in F/W/K, Art. 17 DBASchweiz Rz. 11; Mody in S/K/K, Art. 17 OECD-MA Rz. 13 ff. 6 Zum Begriff im Einzelnen Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 17 OECD-MA Rz. 26 ff.; Schlotter in S/D, Art. 17 OECD-MA Rz. 35; Kempermann in F/W/K, Art. 17 DBASchweiz Rz. 14; Mody in S/K/K, Art. 17 OECD-MA Rz. 20 ff. 7 BFH v. 8.4.1997 – I R 51/96, BStBl. II 1997, 679; Stockmann in V/L6, Art. 17 OECD-MA Rz. 22, 41; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 17 OECD-MA Rz. 36; Kempermann in F/W/K, Art. 17 DBA-Schweiz Rz. 10; Foddanu in Haase3, Art. 17 OECD-MA Rz. 26, 28, 31. 8 Zu weiteren Einzelheiten Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 17 OECD-MA Rz. 23, 24; Kempermann in F/W/K, Art. 17 DBA-Schweiz Rz. 10. 9 Stockmann in V/L6, Art. 17 OECD-MA Rz. 22. 10 Stockmann in V/L6, Art. 17 OECD-MA Rz. 31.
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L. Verteilung der Steuergüter
Die meisten deutschen DBA beziehen in die für Künstler und Sportler geltenden Verteilungsnormen allerdings nur berufsmäßige1 Künstler und Sportler ein,2 so dass Einkünfte aus einer bloß gelegentlichen künstlerischen oder sportlichen Tätigkeit in der deutschen Abkommenspraxis zumeist unter die allgemeinen Verteilungsnormen fallen (Art. 7, 14 a.F., 15 OECD-MA). Die Verwertung künstlerischer oder sportlicher Tätigkeit scheidet als Anknüpfungspunkt für die Besteuerung abkommensrechtlich grundsätzlich aus.3 Soweit demgegenüber nach nationalem Recht, etwa gem. § 49 Abs. 1 Nr. 3 und 4 EStG, die beschränkte Steuerpflicht auch an die Verwertung künstlerischer oder sportlicher Tätigkeit anknüpft, unterliegt diese den Schrankenwirkungen der DBA. Einkünfte, insbesondere aus der Verwertung künstlerischer Tätigkeit, werden als Unternehmensgewinne oder Lizenzgebühren regelmäßig den dafür vorgesehenen speziellen Verteilungsnormen der DBA (Art. 7, 12 OECD-MA) unterliegen, so dass insoweit uneingeschränkt das Wohnsitzprinzip eingreift.4 Wird sowohl für die künstlerische Tätigkeit selbst als auch für deren Verwertung gezahlt,5 kommt eine entsprechende Aufteilung des Entgelts in Betracht.6 Vergütungen, die Künstler oder Sportler von Sponsoren erhalten, unterliegen den für Künstler und Sportler geltenden speziellen Verteilungsnormen nur dann, wenn diese für bestimmte Tätigkeiten, z.B. eine Veranstaltung, gezahlt werden.7 Zu diesen unter Art. 17 Abs. 1 OECD-MA fallenden auftrittsbezogenen Entgelten zählen insbesondere Werbevergütungen, die für bestimmte Auftritte gezahlt werden,8 sowie Vergütungen, die für das Tragen eines Logos auf der Bekleidung eines Sportlers oder für die Benutzung bestimmter Sportgeräte während eines Wettkampfes gezahlt werden.9 Gegebenenfalls hat auch hier eine Aufteilung der Entgelte zu erfolgen.10 Im Übrigen handelt es sich bei den Werbevergütungen um Einkünfte, 1 Im Sinne der Ausübung einer nachhaltigen Tätigkeit; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 17 OECD-MA Rz. 32. 2 Abkommensübersicht bei Stockmann in V/L6, Art. 17 OECD-MA Rz. 64, 72. 3 BFH v. 22.10.1986 – I R 261/82, BStBl. II 1987, 171; Stockmann in V/L6, Art. 17 OECD-MA Rz. 43; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 17 OECD-MA Rz. 36a; Maßbaum in G/K/G, Art. 17 OECD-MA Rz. 110; s. aber Art. 16 Abs. 3 DE-VG, krit. hierzu Schwenke in Wassermeyer, Art. 17 OECD-MA Rz. 82. 4 In einigen neuen deutschen DBA wird allerdings auch die Verwertung von Art. 17 OECD-MA erfasst; vgl. hierzu die Abkommensübersicht bei Stockmann in V/L6, Art. 17 OECD-MA Rz. 80 ff. 5 Z.B. für Tonträgeraufnahmen bei Live-Konzerten. 6 Hierzu im Einzelnen BMF v. 25.11.2010 – IV C 3 - S 2303/09/10002 – DOK 2010/0861549, BStBl. I 2010, 1350, Tz. 87; Stockmann in V/L6, Art. 17 OECD-MA Rz. 43; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 17 OECD-MA Rz. 36c; Maßbaum in G/K/G, Art. 17 OECD-MA Rz. 138; Schlotter in S/D, Art. 17 OECD-MA Rz. 9 ff.; Kempermann in F/W/K, Art. 17 DBA-Schweiz Rz. 7 ff. 7 Stockmann in V/L6, Art. 17 OECD-MA Rz. 53 f. 8 BMF v. 25.11.2010 – IV C 3 - S 2303/09/10002 – DOK 2010/0861549, BStBl. I 2010, 1350, Tz. 82; Stockmann in V/L6, Art. 17 OECD-MA Rz. 9; Schlotter in S/D, Art. 17 OECD-MA Rz. 47; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 17 OECD-MA Rz. 41. 9 Schlotter in S/D, Art. 17 OECD-MA Rz. 47; Stockmann in V/L6, Art. 17 OECD-MA Rz. 9; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 17 OECD-MA Rz. 41; Hahn-Joecks, Zur Problematik der Besteuerung ausländischer Künstler und Sportler, 84 ff.; Mody in S/K/K, Art. 17 OECD-MA Rz. 25; Mody in FS Fischer, 769 (780); a.A. Maßbaum in G/K/G, Art. 17 OECD-MA Rz. 151. 10 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 17 OECD-MA Rz. 42.
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19.457
Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
die unter den Anwendungsbereich der allgemeinen Verteilungsnormen (Art. 7, 14 a.F., 15 OECD-MA) fallen. 19.458
Um eine Steuerumgehung zu verhindern, enthalten die für Künstler und Sportler geltenden Verteilungsnormen durchweg Sondervorschriften für Künstler- und Sportlerverleihgesellschaften.1 Hiernach hat der Tätigkeitsstaat auch dann die Besteuerungsbefugnis, wenn die Einkünfte aus einer von einem Künstler oder Sportler persönlich ausgeübten Tätigkeit nicht dem Künstler oder Sportler selbst, sondern einer anderen Person zufließen, soweit diese Person in einem der beiden Vertragsstaaten ansässig ist.2 Ohne diese Sonderregelung verbliebe es insbesondere für die in der Praxis nicht selten anzutreffenden Künstlerverleihgesellschaften bei der Besteuerungsbefugnis des Sitzstaates dieser Gesellschaft (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA), weil im Tätigkeitsstaat in aller Regel keine Betriebsstätte (Art. 7 Abs. 1 i.V. mit Art. 5 OECD-MA) begründet wird. Von Art. 17 Abs. 2 OECD-MA werden auch Managementgesellschaften3 sowie ausländische Dachverbände und Sportorganisationen erfasst, die Einkommen für den Auftritt eines Künstlers, Sportlers oder einer entsprechenden Gruppe von Künstlern oder Sportlern beziehen.4 Entsprechendes gilt auch für Ensembles, Gruppen und Orchester, soweit diese als juristische Personen organisiert sind,5 womit im Ergebnis die Gewinne der Gesellschaft besteuert werden.6 Die vorstehenden für Künstler- und Sportlerverleihgesellschaften geltenden besonderen Verteilungsregeln finden ihre Parallele in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG (Rz. 6.191).
XII. Ruhegehälter Literatur Kommentare zu Art. 18 OECD-MA; Beckers, Internationale Probleme bei der Besteuerung von deferred Compensation, Baden-Baden 2007; Bieri, Die Besteuerung der Renten- und Kapitalabfindungen, Diss. Sankt Gallen 1970; Burgstaller, Mitarbeiter-Stock-Options im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2006; Deutschmann, Vergütungshalber gewährte Aktienoptionen im deutschen und US-amerikanischen Steuerrecht, Baden-Baden 2000; Ebel, Lohnsteuerliche Gestaltungen durch Deferred Compensation (Arbeitnehmerfinanzierte betriebliche Altersversorgung), FR 2000, 241; Firlinger, Arbeitnehmerbeiträge und Pensionseinrichtungen, in Gassner/Lang/Lechner, Aktuelle Entwicklungen im Internationalen Steuerrecht, Wien 1994, 263; Fischer, Betriebspensionen im Internationalen Steuerrecht, Köln 2001; Gassner/Konezny, Leistungen von Pensionskassen im DBA-Recht in Gassner/Lang/Lechner/Schuch/Staringer, Arbeitnehmer im Recht der DBA, Wien 2003; Ismer, Ruhegehälter nach Art. 18 OECD-MA: Grundlagen und aktuelle Entwicklungen, 1 Art. 17 Abs. 2 OECD-MA; zur deutschen Abkommenspraxis im Einzelnen Stockmann in V/L6, Art. 17 OECD-MA Rz. 135; vgl. Rz. 19.142. 2 Stockmann in V/L6, Art. 17 OECD-MA Rz. 115; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 17 OECD-MA Rz. 63; Schlotter in S/D, Art. 17 OECD-MA Rz. 69; Maßbaum in G/K/G, Art. 17 OECD-MA Rz. 242 f.; a.A. Grossmann, Die Besteuerung des Künstlers und Sportlers im internationalen Verhältnis, 170 ff. 3 OECD-MK zu Art. 17 OECD-MA Ziff. 11a. 4 Die von den Managementgesellschaften an die Künstler und Sportler gezahlten Vergütungen unterliegen bereits gem. Art. 17 Abs. 1 OECD-MA der Besteuerung im Tätigkeitsstaat. 5 OECD-MK zu Art. 17 OECD-MA Ziff. 11b. 6 Loydolt, SWI 1996, 545 (547).
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L. Verteilung der Steuergüter IStR 2011, 577; Mössner, International-steuerrechtliche Fragen bei Gehaltsumwandlungen, CDFI, LXXXVb (2000); Musil, Die Besteuerung der Renten mobiler Arbeitnehmer, FR 2014, 45; Portner, Versorgungsleistungen im Abkommensrecht, IStR 2015, 633; Reimer, Ort des Unterlassens, München 2004; Rochow, Alterseinkünfte im internationalen Kontext unter Berücksichtigung der deutschen DBA-Politik, ISR 2013, 181; Steinhäuser, Internationale Aspekte der Besteuerung von Arbeitnehmerabfindungen, Baden-Baden 2003; Toifl, Pensionen im DBA-Recht in Gassner/Lang/Lechner/Schuch/Staringer, Arbeitnehmer im Recht der DBA, Wien 2003.
Für Ruhegehälter1 wird in der internationalen Abkommenspraxis aufgrund besonderer Verteilungsnormen (Art. 18 OECD-MA) allgemein das Wohnsitzprinzip statuiert, und zwar ohne Rücksicht darauf, in welchem Staat die frühere unselbständige Tätigkeit ausgeübt wurde.2 Abweichend hiervon3 sehen einige deutsche DBA eine Steuerbefreiung im Wohnsitzstaat vor4 oder räumen dem früheren Tätigkeitsstaat als Quellenstaat eine uneingeschränkte Besteuerungsbefugnis oder eine Quellensteuerbefugnis ein.5
19.459
Die für Ruhegehälter geltenden Verteilungsnormen erfassen ausdrücklich nur private Ruhegehälter, nicht aber Ruhegehälter aus dem öffentlichen Dienst.6 Der Rechtsgrund für die privaten Ruhegehälter muss unmittelbar in einem beendeten Arbeitsverhältnis liegen, und diese müssen in erster Linie der Versorgung des Empfängers dienen.7 Im Hinblick darauf zählen zu den Ruhegehältern und ähnlichen Vergütungen Witwen- und Waisenpensionen8 und Zahlungen aus Pensionskassen,9, nicht aber Sozialversicherungsrenten,10 Überbrückungsgelder11 sowie Veräußerungsrenten.12
19.460
Zu den Ruhegehältern zählen grundsätzlich nicht Zahlungen aus einem früheren Arbeitsverhältnis, insbesondere keine Abfindungen, die einem Arbeitnehmer für
19.461
1 Im Sinne von Einnahmen; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 18 OECD-MA Rz. 16. 2 Das Wohnsitzprinzip ist im Hinblick auf die sog. nachgelagerte Besteuerung von Alterseinkünften in Deutschland problematisch; hierzu Hick in S/D, Art. 18 OECD-MA Rz. 5 ff.; Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 153 ff.; Musil, FR 2014, 45 (48). 3 Zur jüngeren deutschen Abkommenspraxis s. Portner, IStR 2015, 633 (639); Ismer, IStR 2011, 577 (582 f.). 4 Abkommensübersicht bei Ismer in V/L6, Art. 18 OECD-MA Rz. 80, 85. 5 Abkommensübersicht bei Ismer in V/L6, Art. 18 OECD-MA Rz. 80, 86, 93. So auch Art. 17 Abs. 2 DE-VG für Leistungen aufgrund des Sozialversicherungsrechts eines Vertragsstaats, vgl. hierzu Rochow, ISR 181 (183 ff.). 6 Diese werden von Art. 19 Abs. 2 OECD-MA erfasst. 7 BFH v. 27.1.1972 – I R 37/70, BStBl. II 1972, 459; v. 12.10.1978 – I R 69/75, BStBl. II 1979, 64; Ismer in V/L6, Art. 18 OECD-MA Rz. 15; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 18 OECD-MA Rz. 17; a.A. Ebel, FR 2000, 241 ff. 8 Ismer in V/L6, Art. 18 OECD-MA Rz. 17. 9 Ismer in V/L6, Art. 18 OECD-MA Rz. 18; modifizierend Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 18 OECD-MA Rz. 16a, 23; Gassner/Konezny in Gassner/Lang/Lechner/Schuch/ Staringer, Arbeitnehmer im Recht der DBA, 320 ff. 10 Jedenfalls für die bis zum Jahre 2005 abgeschlossenen DBA. Hierzu ausf. Ismer in V/L6, Art. 18 OECD-MA Rz. 29 b; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 18 OECD-MA Rz. 18; Hick in S/D, Art. 18 OECD-MA Rz. 80; s. nun aber Art. 17 Abs. 2 DE-VG. 11 Haase in Haase3, Art. 18 OECD-MA Rz. 16; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 18 OECD-MA Rz. 25: Anwendung von Art. 15 OECD-MA. 12 Ismer in V/L6, Art. 18 OECD-MA Rz. 33; Hick in S/D, Art. 18 OECD-MA Rz. 21: Anwendung von Art. 13 OECD-MA.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
sein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis oder für die Einhaltung eines Wettbewerbsverbots gewährt werden.1 Derartige Zahlungen unterliegen den für unselbständige Arbeit geltenden Verteilungsnormen.
XIII. Einkünfte aus dem öffentlichen Dienst Literatur Kommentare zu Art. 19 OECD-MA; Lang, M., Gehälter nach Art. 19 Abs. 2 OECD-MA, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 879; Müller, Regelungen nach dem Kassenstaatsprinzip in Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 1993, 318; Raschauer, Vergütungen für Dienste in Ausübung öffentlicher Funktionen, SWI 1993, 79; Rodi, Das Kassenstaatsprinzip im nationalen und internationalen Steuerrecht, RIW 1992, 484.
19.462
Vergütungen2 für im öffentlichen Dienst geleistete Arbeit unterliegen in der internationalen Abkommenspraxis allgemein dem Kassenstaatsprinzip, so dass allein der Staat zur Besteuerung befugt ist, der die Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen zahlt.3 Die Kehrseite dieses ausschließlichen Kassenstaatsprinzips ist die grundsätzliche Freistellung der Bezüge aus dem öffentlichen Dienst im Wohnsitzstaat, sofern dieser nicht mit dem Kassenstaat identisch ist. In Abweichung von diesem Kassenstaatsprinzip (Art. 19 Abs. 1 Buchst. a OECD-MA) gilt das ausschließliche Wohnsitzprinzip, wenn die Dienste im Wohnsitzstaat geleistet werden, die betreffende Person dort ansässig ist und sie die Staatsangehörigkeit dieses Staates besitzt oder sie aus anderen Gründen als zur Arbeitsausübung in diesem Staat ansässig geworden ist (Art. 19 Abs. 1 Buchst. b OECD-MA).
19.463
Die für die Bezüge aus dem öffentlichen Dienst geltenden Verteilungsnormen erfassen auch Ruhegehälter (Art. 19 Abs. 2 OECD-MA) und gehen den für private Ruhegehälter geltenden Verteilungsnormen als spezielleres Recht vor (Art. 18 OECD-MA). Die Reichweite der erfassten Einkünfte ist allerdings begrenzt. Erfasst werden nämlich nicht die Einkünfte der Diplomaten und Konsulatsbeamten, für die die Art. 37 WÜD bzw. Art. 49 und 71 WÜK4 fiskalische Immunität, also eine Freistellung der Einkünfte im Empfangsstaat, vorsehen.5 Erfasst werden schließlich auch nicht Vergütungen und Ruhegehälter, die im Rahmen der gewerblichen Tätigkeit eines Vertragsstaates oder einer seiner Gebietskörperschaften gezahlt werden (Art. 19 Abs. 3 OECD-MA). Angesprochen sind damit Betriebe gewerblicher Art der öffentlichen Hand, insbesondere staatliche und kommunale Eigenbetriebe, und zwar unabhängig davon, ob sie mit Gewinn oder nur 1 BFH v. 27.1.1972 – I R 37/70, BStBl. II 1972, 459; v. 18.7.1973 – I R 52/69, BStBl. II 1973, 757; v. 9.11.1977 – I R 254/75, BStBl. II 1978, 195; Haase in Haase3, Art. 18 OECD-MA Rz. 16. 2 Im Sinne von Einnahmen. 3 Art. 19 OECD-MA; zur Rechtfertigung für den Vorrang des Quellenstaates Dürrschmidt in V/L6, Art. 19 OECD-MA Rz. 6; Haase in Haase3, Art. 19 OECD-MA Rz. 2; Rodi, RIW 1992, 484 (487); kritisch dagegen Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 19 OECD-MA Rz. 1; Wessel in S/K/K, Art. 19 OECD-MA Rz. 4. 4 WÜD und WÜK gehen den DBA vor; Art. 28 OECD-MA; zum WÜD und WÜK im Einzelnen Rz. 6.39. 5 Kritisch hierzu Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 19 OECD-MA Rz. 1.
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L. Verteilung der Steuergüter
kostendeckend arbeiten.1 In diesen Fällen finden die für Einkünfte aus unselbständiger Arbeit (Art. 15 OECD-MA), Aufsichtsrats- und Verwaltungsratsvergütungen (Art. 16 OECD-MA), Einkünfte von Künstlern und Sportlern (Art. 17 OECD-MA) sowie Ruhegehälter (Art. 18 OECD-MA) geltenden Verteilungsnormen Anwendung. Abweichend hiervon beschränken die meisten deutschen DBA die vorgenannte Ausnahme vom Kassenstaatsprinzip nur auf Eigenbetriebe der öffentlichen Hand, die mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben werden.2
19.464
Die Besteuerungsbefugnis des Kassenstaates setzt voraus, dass die Vergütungen gezahlt werden für Dienste, die ggü. dem Kassenstaat selbst oder seinen Gebietskörperschaften erbracht werden. Diese müssen Schuldner des Lohns oder des Gehalts sein. Es reicht daher grundsätzlich nicht aus, wenn der Kassenstaat nur die Zahlung für einen anderen Auftraggeber ausführt.3 Abweichend hiervon enthält § 50d Abs. 7 EStG eine verbindliche Auslegung dahingehend, dass das Besteuerungsrecht des Kassenstaates auch dann erhalten bleibt, wenn die Zahlungen aus öffentlichen Mitteln stammen, unabhängig davon, ob das betreffende Dienstverhältnis zum Kassenträger oder zu einer anderen Person4 besteht.5 In einigen deutschen DBA wird das Kassenstaatsprinzip über die Gebietskörperschaften hinaus allgemein auf juristische Personen des öffentlichen Rechts6 erstreckt.7
19.465
XIV. Einkünfte von Studenten Literatur Kommentare zu Art. 20 OECD-MA; Bauer, Studenten, Gastlehrer und Gastprofessoren im DBA-Recht in Gassner/Lang/Lechner/Schuch/Staringer, Arbeitnehmer im Recht der Dop1 Dürrschmidt in V/L6, Art. 19 OECD-MA Rz. 84; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 19 OECD-MA Rz. 168; Kempermann in F/W/K, Art. 19 DBA-Schweiz Rz. 28 ff. 2 Abkommensübersicht bei Dürrschmidt in V/L6, Art. 19 OECD-MA Rz. 90, 91; zu weiteren Besonderheiten Rodi, RIW 1992, 484 (487 f.). 3 BFH v. 2.3.1988 – I R 96/84, BStBl. II 1988, 768; v. 31.7.1991 – I R 47/90, HFR 1992, 168; v. 4.12.1991 – I R 38/91, BStBl. II 1992, 548; v. 13.8.1997 – I R 65/95, BStBl. II 1998, 21; v. 23.9.1998 – I B 53/98, BFH/NV 1999, 458; zu Einzelheiten Dürrschmidt in V/L6, Art. 19 OECD-MA Rz. 28; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 19 OECD-MA Rz. 41; Rodi, RIW 1992, 484 (488 ff.). 4 Z.B. Auslandsschulen, Goethe-Institut. 5 Treaty overriding; hierzu Jochum/Lampert in S/D, Art. 19 OECD-MA Rz. 33; Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 34. 6 Abkommensübersicht bei Dürrschmidt in V/L6, Art. 19 OECD-MA Rz. 36, 37; das Kassenstaatsprinzip gilt grundsätzlich nicht für bei der Deutsche Post AG und der Deutsche Bahn AG beschäftigte Bundesbeamte, vgl. BFH v. 17.12.1997 – I R 60-61/97, BStBl. II 1999, 13; Vfg. OFD Frankfurt v. 23.8.1999, RIW 1999, 808; anders dagegen die Regelungen in einigen deutschen DBA; hierzu die Abkommensübersicht bei Dürrschmidt in V/L6, Art. 19 OECD-MA Rz. 36, 40, 40a. 7 Zu weiteren Besonderheiten deutscher DBA Dürrschmidt in V/L6, Art. 19 OECD-MA Rz. 37 ff.; vgl. ferner Art. 18 Abs. 5 DE-VG, wonach das Kassenstaatsprinzip bei Vorliegen entsprechender Vereinbarungen zwischen den zuständigen Behörden auf Vergütungen des Goethe-Instituts, des DAAD sowie der Außenhandelskammer erschwert wird; die normative Umsetzung soll durch Rechtsverordnung auf Grundlage der Ermächtigung in § 2 Abs. 3 Nr. 2 AO i.d.F. des AHRL-ÄndUmsG erfolgen.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) pelbesteuerungsabkommen, Wien 2003, 225; Flick/Flick-Pistorius, Zur Frage des steuerlichen (Studenten-)Wohnsitzes, DStR 1989, 623; Hauser, Students, Researchers and Lectures in Trial Cases in Lang, Triangular Cases, Wien 2004, 395; Ismer, Bildungsaufwand im Steuerrecht, Köln 2006; Strasser, Die Verteilung der Besteuerungsrechte nach den Doppelbesteuerungsabkommen bei Einkünften von Studenten (Art. 20 OECD-MA) in Gassner/ Lang/Schuch, Die Verteilung der Besteuerungsrechte zwischen Ansässigkeits- und Quellenstaat im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2005, 407; Zehetner, Gastprofessoren, Gastlehrer, Studenten und Auszubildende nach dem neuen DBA Österreich-Deutschland in Gassner/Lang/Lechner, Das neue Doppelbesteuerungsabkommen Österreich-Deutschland, Wien 1999, 185.
19.466
Die internationale Abkommenspraxis enthält für Zahlungen, die Studenten, Praktikanten oder Lehrlinge für ihren Unterhalt, ihr Studium oder ihre Ausbildung erhalten, Sonderregelungen (Art. 20 OECD-MA). Diese sehen vor, dass die Zahlungen im Aufenthaltsstaat (Gastland) freigestellt werden, wenn die Zahlungen aus Quellen außerhalb des Gastlandes stammen. Diese Sonderregelungen unterscheiden sich von den übrigen abkommensrechtlichen Verteilungsnormen insbesondere dadurch, dass durch sie das Besteuerungsrecht nicht zwischen Quellenstaat und Wohnsitzstaat aufgeteilt oder einem von ihnen zugewiesen wird.1 Sie beschränkt sich vielmehr darauf, die Freistellung im Gastland anzuordnen, ohne Rücksicht darauf, ob der Student in diesem Staat seinen Wohnsitz begründet2 oder nicht.
19.467
Um überhaupt die Schrankenwirkungen der DBA für sich in Anspruch nehmen zu können, müssen die betreffenden Studenten usw. grundsätzlich in einem der beiden Vertragsstaaten, deren Abkommen zur Anwendung kommen soll, ansässig sein (Art. 1 OECD-MA). Dieser Grundsatz, wonach die Ansässigkeit entweder im Herkunftsland oder im Gastland gegeben sein muss, erfährt durch Art. 20 OECD-MA allerdings eine Ausnahme: Ein in keinem der beiden Staaten ansässiger Student usw. kann die Steuerbefreiung im Gastland beanspruchen, wenn er unmittelbar vor Aufnahme seines dortigen Studiums im Herkunftsland ansässig war.3
19.468
Der Sinn und Zweck der für Ausbildungsvergütungen geltenden Verteilungsnormen geht dahin, den Ausbildungsaustausch zwischen den Staaten zu fördern.4 Es soll verhindert werden, dass Unterhalts- und Ausbildungsbeihilfen durch eine Besteuerung im Gastland geschmälert werden. Aus deutscher Sicht unterliegen nämlich derartige Zahlungen aus dem Ausland als sonstige Einkünfte (§ 22 Nr. 1 Satz 2 EStG) grundsätzlich der Einkommensteuer, soweit der Empfänger unbeschränkt steuerpflichtig ist.
19.469
Der Begriff des Studenten, Praktikanten oder Lehrlings ist in den Abkommen zwar nicht definiert, eine am Sinn und Zweck des Art. 20 OECD-MA orientierte Auslegung aus dem Sinnzusammenhang (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA) gebietet es aber, den begünstigten Personenkreis weit zu fassen und auf Schüler und Volon1 Reichold in V/L6, Art. 20 OECD-MA Rz. 3; Jochum/Lampert in S/D, Art. 20 OECD-MA Rz. 3; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 20 OECD-MA Rz. 43. 2 Zum steuerlichen Wohnsitz von Studenten Flick/Flick-Pistorius, DStR 1989, 623 ff. 3 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 20 OECD-MA Rz. 39; Jochum/Lampert in S/D, Art. 20 OECD-MA Rz. 24 ff.; Kolb in G/K/G, Art. 20 OECD-MA Rz. 28. 4 Reichold in V/L6, Art. 20 OECD-MA Rz. 3; Jochum/Lampert in S/D, Art. 20 OECD-MA Rz. 2.
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L. Verteilung der Steuergüter
täre auszudehnen.1 Die deutschen Abkommen sind allerdings mitunter enger gefasst und betreffen zum Teil nur Studenten.2 Voraussetzung für die Freistellung im Gastland ist in allen Fällen grundsätzlich, dass sich die begünstigten Personen im Gastland für Zwecke des Studiums aufhalten. Es reicht aus, dass die Ausbildung der Hauptzweck des Aufenthaltes ist.3 Im Hinblick darauf entfällt die abkommensrechtliche Steuerbefreiung auch nicht dadurch rückwirkend, dass sich der Student nach Abschluss seiner Ausbildung noch einige Zeit im Gastland aufhält, um etwa Geld für seine Rückreise in das Herkunftsland zu verdienen.4
19.470
Da der Aufenthalt im Gastland für Zwecke der Ausbildung nur auf vorübergehende Dauer angelegt ist, gilt die abkommensrechtliche Steuerbefreiung auch nur für diejenigen Ausbildungs- und Unterhaltsbeihilfen, die für die Zeit der Ausbildung geleistet werden.5 Deshalb sehen einige deutsche DBA von vornherein eine zeitliche Begrenzung der Steuerbefreiung vor.6 Darüber hinaus begrenzen einige deutsche DBA die Steuerbefreiung mitunter auch der Höhe nach.7
19.471
Die Steuerbefreiung wird im Gastland nur für diejenigen Unterhalts- und Ausbildungsbeihilfen gewährt, die aus Quellen außerhalb des Gastlandes stammen. Viele deutsche DBA enthalten hier allerdings großzügigere Regelungen insofern, als für einen begrenzten Zeitraum – zumeist für drei Jahre – auch Vergütungen für eine im Gastland ausgeübte unselbständige Arbeit freigestellt werden, soweit sie dazu dienen, Ausbildungs- und Unterhaltsbeihilfen zu ergänzen.8
19.472
XV. Andere Einkünfte Literatur Kommentare zu Art. 21 OECD-MA; Zeitlhofer, Other Income – Art. 21 OECD-MC in Aigner/Loukota, Source vs. Residence in International Tax Law, Wien 2005, 281.
Die DBA enthalten zumeist Auffangklauseln (Art. 21 OECD-MA) zugunsten des Wohnsitzstaates für diejenigen Einkünfte,9 die von den speziellen Verteilungs1 Reichold in V/L6, Art. 20 OECD-MA Rz. 6; Jochum/Lampert in S/D, Art. 20 OECD-MA Rz. 20; Stoffersen in S/K/K, Art. 20 OECD-MA Rz. 9; Kolb in G/K/G, Art. 20 Rz. 12; Bauer in Gassner/Lang/Lechner/Schuch/Staringer, Arbeitslohn im Recht der DBA, 225 (231). 2 Abkommensübersicht bei Reichold in V/L6, Art. 20 OECD-MA Rz. 23. 3 Jochum/Lampert in S/D, Art. 20 OECD-MA Rz. 26; Reichold in V/L6, Art. 20 OECD-MA Rz. 11; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 20 OECD-MA Rz. 36; Zehetner in Gassner/ Lang/Lechner, Das neue DBA Österreich-Deutschland, 185 (204). 4 FinMin. NW v. 8.2.1965, WPg. 1965, 189; FinMin. NW v. 17.11.1966, AWD 1966, 486. 5 Reichold in V/L6, Art. 20 OECD-MA Rz. 18; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 20 OECD-MA Rz. 20. 6 Abkommensübersicht bei Reichold in V/L6, Art. 20 OECD-MA Rz. 28. 7 In Fällen der staatlichen und privaten Entwicklungshilfe; vgl. hierzu die Abkommensübersicht bei Reichold in V/L6, Art. 20 OECD-MA Rz. 22, 31. 8 Abkommensübersicht bei Reichold in V/L6, Art. 20 OECD-MA Rz. 28, 33. 9 Da nur der Wohnsitzstaat besteuern darf, bleibt es letztlich seinem nationalen Recht überlassen, die Besteuerung an die Einnahmen oder aber an die Einkünfte nach Berücksichtigung von Betriebsausgaben oder Werbungskosten anzuknüpfen; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 21 OECD-MA Rz. 16.
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19.473
Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
normen (Art. 6 bis 20 OECD-MA) nicht erfasst werden.1 Hierunter fallen im Wesentlichen Einkünfte aus dem Quellenstaat, soweit sie ihrer Art nach nicht den speziellen Verteilungsnormen zuzuordnen sind,2 Einkünfte aus Drittstaaten sowie Einkünfte aus dem Wohnsitzstaat.3 Die Reichweite der Auffangklauseln ist begrenzt, da von ihnen nur jene Einkünfte erfasst werden, die auch nach Ausschöpfung aller Auslegungsmöglichkeiten nicht unter die speziellen Verteilungsnormen subsumiert werden können.4 19.474
Zu den Einkünften, die von den speziellen Verteilungsnormen nicht erfasst werden, gehören etwa Schadensersatzleistungen, soweit sie dem nichtbetrieblichen Bereich zuzuordnen sind,5 Abgeordnetenbezüge,6 der zu einer Gewinnrealisierung führende rechtsformüberschreitende Formwechsel7 sowie private wiederkehrende Bezüge.8 Die eigentliche Bedeutung der abkommensrechtlichen Auffangklauseln liegt in der Erfassung von Drittstaateneinkünften.9 Zu diesen Einkünften gehören auch jene, die ihrer Art nach zwar unter die speziellen Verteilungsnormen fallen, dort aber deshalb nicht erfasst werden, weil sich diese Verteilungsnormen entweder nur auf Einkünfte aus dem Quellenstaat oder aus dem Wohnsitzstaat beziehen.10 Die Zuweisung der Drittstaateneinkünfte zum Wohnsitzstaat gilt nur für das jeweilige bilaterale Verhältnis, so dass die Besteuerungsbefugnis des Wohnsitzstaates jeweils unter dem Vorbehalt eines etwaigen mit dem Drittstaat abgeschlossenen DBAs steht.11 In derartigen Dreieckskonstellationen kann es zwar zu einer doppelten Nichtbesteuerung kommen, wenn der Drittstaat tatsächlich nicht besteuert, eine Doppelbesteuerung ist aber ausgeschlossen, weil der Steuerpflichtige insbesondere in Fällen der Doppelansässigkeit sich stets auf das für ihn günstigste Abkommen berufen kann.12 1 Einige deutsche DBA enthalten keine Auffangklauseln; hierzu die Abkommensübersicht bei Rust in V/L6, Art. 21 OECD-MA Rz. 26, 27. 2 Hierzu die Übersicht bei Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 21 OECD-MA Rz. 21 ff.; Tcherveniachki in S/D, Art. 21 OECD-MA Rz. 26 ff. 3 Rust in V/L6, Art. 21 OECD-MA Rz. 4; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 21 OECD-MA Rz. 1; Schütte in Haase3, Art. 21 OECD-MA Rz. 16; Kempermann in F/W/K, Art. 21 DBA-Schweiz Rz. 11. 4 Rust in V/L6, Art. 21 OECD-MA Rz. 11; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 21 OECD-MA Rz. 17; Tcherveniachki in S/D, Art. 21 OECD-MA Rz. 22. 5 Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 21 OECD-MA Rz. 22; Schütte in Haase3, Art. 21 OECD-MA Rz. 23; Fischer-Zernin in G/K/G, Art. 21 OECD-MA Rz. 17. 6 Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 21 OECD-MA Rz. 23; Tcherveniachki in S/D, Art. 21 OECD-MA Rz. 28. 7 Schütte in Haase3, Art. 21 OECD-MA Rz. 24; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 21 OECD-MA Rz. 30; Wassermeyer in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (124); vgl. hierzu Rz. 19.387. 8 Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 21 OECD-MA Rz. 33. 9 Rust in V/L6, Art. 21 OECD-MA Rz. 15 f.; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 21 OECD-MA Rz. 51; Tcherveniachki in S/D, Art. 21 OECD-MA Rz. 57 ff. 10 Rust in V/L6, Art. 21 OECD-MA Rz. 15; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 21 OECD-MA Rz. 51; Kempermann in F/W/K, Art. 21 DBA-Schweiz Rz. 14. 11 Rust in V/L6, Art. 21 OECD-MA Rz. 19; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 21 OECD-MA Rz. 54. 12 Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer Art. 21 OECD-MA Rz. 54; Rust in V/L6, Art. 21 OECD-MA Rz. 19; Joos in S/K/K, Art. 21 OECD-MA Rz. 49; Tcherveniachki in S/D, Art. 21 OECD-MA Rz. 65; Schütte in Haase3, Art. 21 OECD-MA Rz. 40.
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Werden schließlich aus dem Wohnsitzstaat stammende Einkünfte von den speziellen Verteilungsnormen deshalb nicht erfasst, weil diese nur die Besteuerung im Quellenstaat regeln, greift Art. 21 Abs. 1 OECD-MA ebenfalls ein.1 Angesprochen sind hierbei insbesondere Fälle der Doppelansässigkeit.2
19.475
Die subsidiäre Zuweisung der Besteuerungsbefugnis nur zum Wohnsitzstaat aufgrund der abkommensrechtlichen Auffangklausel3 erfolgt grundsätzlich ohne Rücksicht darauf, ob die gezahlten Einkünfte angemessen sind4 und im Wohnsitzstaat tatsächlich versteuert werden. In der deutschen Abkommenspraxis sind Subject-to-Tax-Klauseln im Rahmen der Auffangklausel die Ausnahme.5
19.476
In der internationalen Abkommenspraxis wird häufig geregelt, dass das in den abkommensrechtlichen Auffangklauseln verankerte Wohnsitzprinzip nicht für Einkünfte gilt, die einer im anderen Vertragsstaat belegenen Betriebsstätte oder festen Einrichtung zuzuordnen sind (Art. 21 Abs. 2 OECD-MA). Erfasst werden hierdurch nur solche Einkünfte, die für Rechte und Vermögenswerte gezahlt werden, die tatsächlich zu der Betriebsstätte oder festen Einrichtung gehören. Das setzt voraus, dass die Rechte und Vermögenswerte in einem funktionalen Zusammenhang zu der in der Betriebsstätte oder festen Einrichtung ausgeübten Tätigkeit in dem Sinne stehen, dass die für sie geleisteten Zahlungen jedenfalls als Nebenerträge der im Übrigen aufgrund der Haupttätigkeit der Betriebsstätte erwirtschafteten Erträge erscheinen.6 Diese Grundsätze gelten auch für Personengesellschaften, soweit sie den Gesellschaftern über deren Beteiligung eine Betriebsstätte vermitteln (Rz. 19.388), mit der Folge, dass insbesondere Sonderbetriebsvermögen7 nur ausnahmsweise der Betriebsstätte zuzuordnen ist.8 Dieser Betriebsstättenvorbehalt führt zur Anwendung der für die Einkünfte aus Unternehmen und selbständiger Arbeit geltenden Verteilungsnormen (Art. 7 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 a.F. OECD-MA). In den Fällen, in denen die abkommensrechtlichen Auffangklauseln keinen Betriebsstättenvorbehalt enthalten,9 ergeben sich für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren keine Änderungen, soweit diese tatsächlich zu einem Unternehmen gehören.10 Bei den Einkünften aus
19.477
1 Das sind mit Ausnahme von Art. 20 OECD-MA alle Verteilungsnormen; zu weiteren Einzelheiten Rust in V/L6, Art. 21 OECD-MA Rz. 16. 2 Hierzu das Beispiel bei Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 21 OECD-MA Rz. 55. 3 Es handelt sich um eine vollständige Verteilungsnorm, hierzu Rz. 19.212. 4 Anders allerdings der durch die Teilrevision des OECD-MA in 1995 eingeführte Vorschlag eines Art. 21 Abs. 3, wonach die Einkünfte im anderen Vertragsstaat nicht freigestellt werden, soweit sie unangemessen sind; diese Angemessenheitsklausel hat in der deutschen Abkommenspraxis allerdings keine Bedeutung; vgl. hierzu OECD-MK zu Art. 21 OECD-MA Rz. 7 ff. 5 Abkommensübersicht bei Rust in V/L6, Art. 21 OECD-MA Rz. 26, 28. 6 BFH v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 21 OECD-MA Rz. 82, dort auch zur Bedeutung des Art. 21 OECD-MA nach Einführung des AOA; weitere Einzelheiten Rz. 19.391 ff. 7 Zu Sonderbetriebsvermögen I und II; vgl. Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 506 ff. 8 Das gilt in besonderem Maße für gewillkürtes Sonderbetriebsvermögen und Sonderbetriebsvermögen II; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 21 OECD-MA Rz. 82. 9 Hierzu die Abkommensübersicht bei Rust in V/L6, Art. 21 OECD-MA Rz. 55. 10 Rust in V/L6, Art. 21 OECD-MA Rz. 56; Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, Art. 21 OECD-MA Rz. 86.
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unbeweglichem Vermögen ergeben sich ebenfalls keine Änderungen, weil sich der in Art. 21 Abs. 2 OECD-MA verankerte Betriebsstättenvorbehalt ohnehin nicht auf diese Einkünfte erstreckt.
XVI. Vermögen Literatur Kommentare zu Art. 22 OECD-MA; Herzig, Bewertung von Auslandsbeteiligungen, Köln 1992; Jacobs, Die vermögensteuerliche Behandlung der Anlagenerrichtung im Ausland, StBp. 1981, 168; Neuheuser, Die Bewertung von Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften für Zwecke der Besteuerung, Baden-Baden 1995.
1. Allgemeines 19.478
Soweit die DBA sich auch auf die Vermögensteuer- und Gewerbekapitalsteuer sowie auf die Grundsteuer beziehen,1 enthalten sie durchweg eigenständige nur die Besteuerung des Vermögens betreffende Verteilungsnormen (Art. 22 OECD-MA).
19.479
Die Steuern vom Vermögen bedeuten in der internationalen Besteuerungspraxis überwiegend eine Ergänzung der Besteuerung der Einkünfte. Dies gilt auch für die bis einschließlich 1996 erhobene deutsche Vermögensteuer, die als eine Sollertragsteuer die im Vermögen liegende potentielle Ertragskraft und somit die darin liegende potentielle Leistungsfähigkeit erfassen wollte.2 Deshalb wird in der internationalen Abkommenspraxis die Befugnis für die Besteuerung bestimmter Vermögensteile grundsätzlich nur dem Staat zugewiesen, der auch das Besteuerungsrecht für die betreffenden Einkünfte aus diesen Vermögensteilen hat.3
19.480
Wegen der weitgehenden Parallelität der Verteilungsnormen für Ertragsteuern einerseits und Vermögensteuer andererseits, verzichten einige deutsche DBA auf eigene nur für die Vermögensteuer geltende Verteilungsnormen.4
19.481
Da zahlreiche Staaten eine Vermögensteuer/Gewerbekapitalsteuer nicht kennen und auch Deutschland eine Vermögensteuer und zudem eine Gewerbekapitalsteuer5 derzeit nicht erhebt, wirken die betreffenden Verteilungsnormen der deutschen DBA sich derzeit kaum aus.6 Art. 22 OECD-MA erlangt aber dann wieder Bedeutung, sobald einer der Vertragsstaaten in Zukunft eine Vermögenssteuer/Gewerbekapitalsteuer erhebt. Einer Änderung der DBA bedürfte es hierfür nicht.7 1 Bei einigen deutschen DBA ist das nicht der Fall; hierzu die Abkommensübersicht bei Stockmann in V/L6, Art. 22 OECD-MA Rz. 17. 2 Zu den verschiedenen Begründungsversuchen zur Vermögensteuer Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 916 ff. 3 OECD-MK zu Art. 22 OECD-MA, Ziff. 2. 4 Abkommensübersicht bei Stockmann in V/L6, Art. 22 OECD-MA Rz. 17, 19. 5 Abgeschafft durch das Gesetz zur Fortsetzung der Unternehmenssteuerreform mit Wirkung ab 1.1.1998. 6 Für die Grundsteuer stellt sich das Doppelbesteuerungsproblem ohnehin nur dann, wenn diese nicht nur im Belegenheitsstaat erhoben wird; hierzu Mai in Haase3, Art. 2 OECD-MA Rz. 23. 7 Stockmann in V/L6, Art. 22 OECD-MA Rz. 18.
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2. Belegenheitsprinzip Entsprechend den für die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen geltenden Verteilungsnormen (Art. 6 OECD-MA) gilt auch für die Vermögen- und Gewerbekapitalsteuer sowie die Grundsteuer das Belegenheitsprinzip (Art. 22 Abs. 1 OECD-MA). Danach besteuert der Belegenheitsstaat als Quellenstaat das unbewegliche Vermögen,1 ohne den abkommensrechtlichen Schrankenwirkungen unterworfen zu sein. Der Wohnsitzstaat hat die Doppelbesteuerung entweder durch Steueranrechnung oder durch Steuerfreistellung zu vermeiden.
19.482
Die für die Besteuerung des im anderen Vertragsstaat belegenen unbeweglichen Vermögens geltenden Verteilungsnormen (Art. 22 Abs. 1 OECD-MA) enthalten keine Regelungen darüber, was unter unbeweglichem Vermögen zu verstehen ist. Stattdessen verweisen sie auf die für die Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen geltenden Verteilungsnormen (Art. 6 OECD-MA), die zumeist eine entsprechende Definition enthalten.2 Da die Verteilungsnormen auch keine Regelungen über die Wertberechnung und über den Schuldenabzug enthalten und den Abkommen auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Auslegung zu entnehmen sind, kommt das innerstaatliche Recht des Anwenderstaates3 insoweit zur Anwendung.4 Aus deutscher Sicht greifen daher – für frühere Jahre – die Bewertungsregeln des Bewertungsgesetzes ein. Durch die Anwendung des jeweiligen nationalen Rechts kann es zu nicht vermeidbaren steuerlichen Mehr- oder Minderbelastungen kommen. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die unterschiedlichen Feststellungszeitpunkte für die Bewertung des Vermögens.5
19.483
3. Betriebsstättenprinzip Bewegliches Vermögen, das Betriebsvermögen einer Betriebsstätte im anderen Vertragsstaat ist oder das zu einer festen Einrichtung gehört, unterliegt vorrangig der Besteuerungsbefugnis des Betriebsstättenstaates als Quellenstaat. Es ist Aufgabe des Wohnsitzstaates, die Doppelbesteuerung entweder durch Steuerfreistellung6 oder durch Steueranrechnung zu vermeiden. Dieses Betriebsstättenprinzip (Art. 22 Abs. 2 OECD-MA) entspricht den für Unternehmensgewinne (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA) und Einkünfte aus selbständiger Arbeit (Art. 14 Abs. 1 OECD-MA a.F.) geltenden Verteilungsnormen. In einigen deutschen DBA gilt dieses Betriebsstättenprinzip allerdings nicht auch für feste Einrichtungen eines Selbständigen.7 In diesen Fällen kommt daher das Wohnsitzprinzip, das in den 1 Gemeint ist das unbewegliche Vermögen nach Berücksichtigung zuzuordnender Schulden; Stockmann in V/L6, Art. 22 OECD-MA Rz. 34; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 22 OECD-MA Rz. 21. 2 Art. 6 Abs. 2 OECD-MA; hierzu der Überblick bei Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 6 OECD-MA Rz. 30 ff.; Art. 22 OECD-MA Rz. 23. 3 Nach den deutschen DBA ist das im Hinblick auf die zumeist verwirklichte Freistellungsmethode in der Regel der Belegenheitsstaat. 4 Art. 3 Abs. 2 OECD-MA; vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 22 OECD-MA Rz. 32. 5 Hierzu weitere Einzelheiten bei Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 22 OECD-MA Rz. 33; Stockmann in V/L6, Art. 22 OECD-MA Rz. 11; von Pannwitz in Haase3, Art. 22 OECD-MA Rz. 17; Kempermann in F/W/K, Art. 22 DBA-Schweiz Rz. 28. 6 Das ist in der deutschen Abkommenspraxis die Regel. 7 Abkommensübersicht bei Stockmann in V/L6, Art. 22 OECD-MA Rz. 50.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
Auffangklauseln der für das Vermögen geltenden Verteilungsnormen verankert ist, zur Anwendung (Art. 22 Abs. 4 OECD-MA). 19.485
Unter das Betriebsstättenprinzip fällt nur das bewegliche Vermögen, so dass unbewegliches Vermögen ohne Rücksicht darauf, ob es einer Betriebsstätte zuzuordnen ist oder nicht, stets vom Belegenheitsprinzip (Art. 22 Abs. 1 OECD-MA) erfasst wird. Das Betriebsstättenprinzip greift nur dann ein, wenn das bewegliche Vermögen Betriebsvermögen einer Betriebsstätte, einer festen Einrichtung oder einer Personengesellschaft1 ist. Es muss sich also um Vermögenswerte handeln, die einer Betriebsstätte oder einer festen Einrichtung zuzuordnen sind. Welche Vermögensteile der Betriebsstätte zuzurechnen sind, wird zwar nicht unmittelbar in Art. 22 OECD-MA geregelt, ergibt sich aber aus dem Abkommenszusammenhang, und zwar insbesondere aus den abkommensrechtlichen Regelungen über den Betriebsstättenvorbehalt, die in den für Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren maßgeblichen Verteilungsnormen enthalten sind (Art. 10 Abs. 4; 11 Abs. 4; 12 Abs. 3 OECD-MA). Diese Regelungen stellen darauf ab, ob die Vermögensteile, aus denen die Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren stammen, tatsächlich zur Betriebsstätte gehören. Die „tatsächliche Zugehörigkeit“ von Vermögensteilen zum Betriebsstättenvermögen kann hiernach in den Fällen bejaht werden, in denen das bewegliche Vermögen in einem funktionalen Zusammenhang mit dem für die Ausübung der Haupttätigkeit der Betriebsstätte erforderlichen Vermögen steht.2 Dieser Grundsatz gilt auch für Personengesellschaften, soweit sie den Gesellschaftern über deren Beteiligung eine Betriebsstätte vermitteln (Rz. 19.388).
19.486
Von Bedeutung ist die Abgrenzung des Vermögens zwischen Betriebsstätte und Stammhaus. Es gelten die gleichen Grundsätze wie bei der entsprechenden Einkünftezuordnung,3 so dass der Betriebsstätte bzw. der festen Einrichtung stets das Vermögen zuzuordnen ist, das sie als selbständiges Unternehmen hätte.4
19.487
Hiernach sind etwa körperliche Wirtschaftsgüter der Betriebsstätte dann zuzuordnen, wenn sie der wirtschaftlichen Tätigkeit der Betriebsstätte dienen, das heißt, wenn ein selbständiger Gewerbebetrieb am gleichen Ort und unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen diese Wirtschaftsgüter benötigen würde.5
19.488
Dienen körperliche Wirtschaftsgüter mehreren Betriebsteilen, etwa der Betriebsstätte und dem Stammhaus, so kommt gegebenenfalls, entsprechend den Grund-
1 Sofern der Anteil an der Personengesellschaft dem Gesellschafter auch eine Beteiligung an einer Betriebsstätte oder festen Einrichtung vermittelt; hierzu im Einzelnen Rz. 19.388. 2 Vgl. BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 22 OECD-MA Rz. 44; Tcherveniachki in S/D, Art. 22 OECD-MA Rz. 44 ff.; von Pannwitz in Haase3, Art. 22 OECD-MA Rz. 23. 3 Stockmann in V/L6, Art. 22 OECD-MA Rz. 37; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 22 OECD-MA Rz. 47 ff.; Einzelheiten unter Rz. 19.264 ff. 4 Auch hier gilt das dealing at arm’s length-Prinzip; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 22 OECD-MA Rz. 47 ff.; Wessel in S/K/K, Art. 22 OECD-MA Rz. 24; von Pannwitz in Haase3, Art. 22 OECD-MA Rz. 24. 5 BFH v. 21.1.1972 – III R 57/71, BStBl. II 1972, 374; Stockmann in V/L6, Art. 22 OECD-MA Rz. 37; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 22 OECD-MA Rz. 47.
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sätzen der Gewinnaufteilung,1 eine Aufteilung der Vermögenswerte in Betracht.2 Für die Zurechnung von immateriellen Wirtschaftsgütern, insbesondere von Rechten,3 ist ebenfalls darauf abzustellen, ob das Wirtschaftsgut einer Betriebsstätte bzw. einer festen Einrichtung tatsächlich dient.4 Dienen sie mehreren Betriebsteilen, kommt für die Zuordnung die direkte oder indirekte Methode zur Anwendung, wobei auch hier die direkte Methode im Vordergrund steht.5 Da aus deutscher Sicht stets auf das Nettovermögen (Reinvermögen) abzustellen ist (§§ 95; 103 BewG), sind Verbindlichkeiten und Rückstellungen ebenfalls zuzuordnen. Soweit eine eindeutige Zuordnung nicht möglich ist, orientiert sich bei Anwendung der indirekten Methode der Aufteilungsschlüssel an dem Verhältnis der Aktiva der Betriebsstätte zu den Gesamtaktiva des Unternehmens6 sowie an dem für alle Betriebsteile einheitlichen Verhältnis zwischen Eigen- und Fremdkapital.7 4. Besteuerung am Ort der Geschäftsleitung Seeschiffe und Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr und Schiffe, die der Binnenschifffahrt dienen, sowie das dem Betrieb dieser Schiffe und Luftfahrzeuge dienende bewegliche Vermögen darf ausschließlich im Staat der tatsächlichen Geschäftsleitung des betreffenden Unternehmens besteuert werden (Art. 22 Abs. 3 OECD-MA). Damit ist für die Vermögensbesteuerung der gleiche Staat zuständig wie für die Ertragsbesteuerung (Art. 8 Abs. 1 OECD-MA). Abweichend von der vorstehenden Grundregel weisen einige deutsche DBA die Besteuerung von Schiffen und Luftfahrzeugen sowie des ihnen dienenden beweglichen Vermögens dem Wohnsitzstaat zu.8
19.489
5. Wohnsitzprinzip Die für Vermögen geltenden Verteilungsnormen enthalten eine Auffangklausel, wonach nicht anderweitig zugewiesenes Vermögen ausschließlich im Wohnsitzstaat besteuert werden darf (Art. 22 Abs. 4 OECD-MA). Dem Wohnsitzprinzip unterliegen damit im Wesentlichen das Drittstaatenvermögen, soweit ein mit dem Drittstaat bestehendes DBA nicht eine anderweitige Zuordnung vornimmt,9 1 Aufgrund der direkten oder indirekten Methode oder aufgrund einer Mischung beider Methoden; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 22 OECD-MA Rz. 47; hierzu im Einzelnen Rz. 19.270 ff.; 21.37 f. 2 Stockmann in V/L6, Art. 22 OECD-MA Rz. 41, 43; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 22 OECD-MA Rz. 47 f. 3 Sie zählen zum beweglichen Vermögen Stockmann in V/L6, Art. 22 OECD-MA Rz. 34. 4 RFH v. 19.2.1935, RStBl. 1936, 590; Stockmann in V/L6, Art. 22 OECD-MA Rz. 41; Kempermann in F/W/K, Art. 22 DBA-Schweiz Rz. 46; Tcherveniachki in S/D, Art. 22 OECD-MA Rz. 47 5 Stockmann in V/L6, Art. 22 OECD-MA Rz. 41; zur direkten und indirekten Methode Rz. 19.270; 21.37 f. 6 Jacobs, StBp. 1981, 168 (169). 7 BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1966, 24; Stockmann in V/L6, Art. 22 OECD-MA Rz. 43; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 22 OECD-MA Rz. 47 ff. 8 Abkommensübersicht bei Stockmann in V/L6, Art. 22 OECD-MA Rz. 74; zu weiteren Besonderheiten deutscher Abkommen Stockmann in V/L6, Art. 22 OECD-MA Rz. 75 ff. 9 Stockmann in V/L6, Art. 22 OECD-MA Rz. 90; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 22 OECD-MA Rz. 98.
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sowie Privatvermögen.1 Hierzu gehören insbesondere Kapitalforderungen, Anteile an Kapitalgesellschaften, Patente, Urheberrechte sowie Kunstgegenstände.2 19.491
Da sich die Auffangklauseln in der Regelung über die Zuordnung der Besteuerung erschöpfen, ist im Übrigen auf das nationale Recht des Wohnsitzstaates zurückzugreifen (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA). Das gilt insbesondere für die Vermögensermittlung.3
19.492
Verlegt eine in einem Vertragsstaat ansässige Person ihren Wohnsitz in den anderen Vertragsstaat, kann es zu steuerlichen Mehr- oder Minderbelastungen kommen, wenn in dem einen Vertragsstaat das Stichtagsprinzip und in dem anderen Vertragsstaat das Pro-rata-temporis-Prinzip4 eingreift. Aus deutscher Sicht sind die vorstehenden Probleme einstweilen ohne Bedeutung.
XVII. Nachlässe und Erbschaften Literatur Kommentare zum ErbSt-MA und zum ErbStG; Arlt, Internationale Erbschaft- und Schenkungsteuerplanung, Herne/Berlin 2001; Crezelius, Erbschaftsteuerrechtliche Konsequenzen der Wohnsitzverlegung in das Ausland, in Crezelius/Seewald/Spiegelberger/Wassermeyer, Unternehmenssicherung, Bonn 1996, 99; Dautzenberg/Brüggemann, EG-Vertrag und deutsche Erbschaftsteuer, BB 1997, 123; Flick/Piltz, Der Internationale Erbfall, 2. Aufl. München 2007; Fraberger, Nationale und internationale Unternehmensnachfolge; Steuergestaltung beim Schenken und Vererben, Wien 2001; Höninger, Internationale Doppelbesteuerung im Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht – Kollisionsbegründende und -auflösende Normen der ErbStG, Frankfurt/M. 2003; Hueck, Internationale Erbschaftsteuerprobleme bei der Vererbung von Anteilen an Personengesellschaften, München 1993; Lang, M., Erbschaftsteuern und Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 2002; Lausbrock, Nachlass und Erbschaft in den USA, München 1986; Piltz, Schenken und Vererben über die Grenzen, in Höppner/Piltz/Wassermeyer, Die Besteuerung nach dem Wegzug ins Ausland, Bonn 1997, 83; Stein, Die Behandlung deutsch-irischer Erbfälle, Köln 1998; Wassermeyer, Die Vermeidung der Doppelbesteuerung im Europäischen Binnenmarkt, DStJG 19 (1996), 151; Wassermeyer, W., Das US-amerikanische Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht, Köln 1996; Watrin, Erbschaftsteuerplanung internationaler Familienunternehmen, Düsseldorf 1997; Wilde, Das kanadische Erbschaftsteuerrecht, Köln 1997; Zschau, Erbschaftsteuersysteme in Großbritannien, Frankreich und Deutschland, Lohmar/Köln 2000; Zuppinger in Höhn (Hrsg.), Handbuch des Internationalen Steuerrechts der Schweiz, 2. Aufl. Bern/Stuttgart/Wien 1993, 403.
1. Allgemeines 19.493
DBA erstrecken sich im Allgemeinen lediglich auf die Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (Rz. 19.189 f.). Dementsprechend gelten die abkommensrechtlichen Verteilungsnormen dieser Abkommen auch nur für Einkünfte und Vermögen. Für Erbschaftsteuern werden zumeist eigenständige Abkommen ge-
1 2 3 4
Aus deutscher Sicht wegen der Nichterhebung der Vermögensteuer ohne Bedeutung. Hierzu die Aufstellung bei Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 22 OECD-MA Rz. 97. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 22 OECD-MA Rz. 104, 32 f. Stockmann in V/L6, Art. 22 OECD-MA Rz. 95.
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schlossen.1 Derzeit gibt es nur wenige deutsche Erbschaftsteuerabkommen.2 Es handelt sich hierbei zum Teil um ältere Abkommen, die stark voneinander abweichen. Damit hat Deutschland dem im früheren Art. 293 EG verankerten Gebot, DBA auch auf dem Gebiet der Erbschaftsteuern abzuschließen,3 bislang nur teilweise entsprochen. Auch wenn der inzwischen nicht mehr geltende Art. 293 EG keine unmittelbare Wirkung erzeugt hat,4 erwächst dennoch die Verpflichtung, in allen Fällen, in denen DBA auf dem Gebiete der Erbschaftsteuern nicht bestehen und § 21 ErbStG die Doppelbesteuerung nur sehr unvollkommen vermeidet (Rz. 18.244 f.), die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 227 AO) sicherzustellen.5
19.494
Die OECD-MA zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der Nachlässe und Erbschaften von 1966 und 1982 haben weder in der deutschen noch in der internationalen Abkommenspraxis größere Bedeutung erlangt. Diese Musterabkommen entsprechen in ihrem Aufbau dem OECD-MA 1977. Es enthält daher neben den Grundregelungen über den persönlichen, räumlichen und sachlichen Geltungsbereich Verteilungsnormen und Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung.
19.495
Im Rahmen des persönlichen Geltungsbereichs der Erbschaftsteuerabkommen wird allein auf den Erblasser/Schenker abgestellt (Art. 1 ErbSt-MA). Abkommensberechtigt ist hiernach der Erblasser/Schenker dann, wenn er im Zeitpunkt seines Todes bzw. zum Zeitpunkt der Schenkung seinen Wohnsitz in einem der beiden Vertragsstaaten hatte. Die Erbschaftsteuerabkommen finden daher keine Anwendung, wenn der Erblasser/Schenker seinen letzten Wohnsitz nur in einem dritten Staat hatte.6 Für die Anwendung der Erbschaftsteuerabkommen ist es ferner ohne Bedeutung, wo die Erben oder Beschenkten ihren Wohnsitz haben.7 Schließlich orientiert sich die Abkommensberechtigung grundsätzlich nicht an der Staatsangehörigkeit des Erblassers.8
19.496
Während sich zum räumlichen Geltungsbereich der Erbschaftsteuerabkommen im Vergleich zu den für die Steuern vom Einkommen und Vermögen geltenden
19.497
1 Anders dagegen die „großen“ Abkommen mit Schweden und Dänemark, die für die Steuern vom Einkommen und Vermögen sowie für die Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer gleichermaßen gelten. 2 Mit Griechenland (1910), Schweden (1994), Schweiz (1978), den USA (2000), Dänemark (1995) und Frankreich (2009). 3 Zu dieser Verpflichtung Wassermeyer, DStJG 19 (1996), 151 ff.; ausführlich Dautzenberg/ Brüggemann, BB 1997, 123 ff. 4 EuGH v. 12.5.1998 – Rs. C-336/96 – Gilly, Slg. 1998, I-2793 ff.; v. 12.2.2009 – Rs. C-67/08 – Block, ECLI:EU:C:2009:92 = BFH/NV 2009, 433. 5 Vgl. Rz. 18.244, 18.256. 6 Jülicher in Wassermeyer, Art. 1 ErbSt-MA Rz. 45. 7 Demgegenüber wird nach dem jeweiligen nationalen Recht die unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht auch an die Ansässigkeit des Erwerbers angeknüpft; hierzu Jülicher in Wassermeyer, Art. 1 ErbSt-MA Rz. 13. 8 Anders dagegen im Rahmen der erweiterten unbeschränkten Erbschaftsteuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ErbStG); hierzu Rz. 8.22 ff.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
Abkommen keine Besonderheiten ergeben (Rz. 19.184), gilt für den sachlichen Geltungsbereich Folgendes: 19.498
Die Erbschaftsteuerabkommen bestimmen, dass unter den sachlichen Anwendungsbereich alle Nachlass- und Erbschaftsteuern sowie Schenkungsteuern fallen, die für Rechnung eines der beiden Vertragsstaaten oder seiner Gebietskörperschaften erhoben werden (Art. 2 Abs. 1 ErbSt-MA). Erfasst werden damit Erbnachlasssteuern, die das Nachlassvermögen als solches besteuern, Erbanfallsteuern, die den Vermögenserwerb des Erwerbers belasten, Abgaben die auf den Vermögensübergang erhoben werden1 sowie Schenkungsteuern. Aus deutscher Sicht fallen darunter die Erbschaft- und Schenkungsteuer.2
19.499
Ebenso wie die für die Steuern vom Einkommen und Vermögen geltenden DBA gehen auch die Erbschaftsteuerabkommen grundsätzlich vom Nettoprinzip aus, so dass nur der Nettonachlass der Besteuerung unterworfen werden darf. Die Erbschaftsteuerabkommen enthalten insoweit eine klarstellende Regelung (Art. 8 ErbSt-MA), aufgrund deren der Schuldenabzug als Individualabzug (Art. 8 Abs. 1, 2 ErbSt-MA) zugelassen wird.3 Soweit nach nationalem Recht über die abkommensrechtlichen Vorschriften hinaus ein weitergehender Schuldenabzug zugelassen wird, erfährt dieser durch Abkommensrecht keine Einschränkung.4 Insoweit unterscheiden sich die Erbschaftsteuerabkommen ebenfalls nicht von den für die Steuern vom Einkommen und Vermögen geltenden DBA; sie ziehen lediglich die äußeren Grenzen der Besteuerung durch beide Vertragsstaaten. Daher wirken die Abkommensschranken auch dann, wenn die Erbschaftsteuerabkommen einen höheren Schuldenabzug als nach nationalem Recht zulassen. Im Hinblick auf das auch für die Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer geltende Nettoprinzip bedeutet eine ggü. dem innerstaatlichen Recht bestehende abkommensrechtliche Erweiterung des Schuldenabzugs in Wahrheit eine Einschränkung der nationalen Besteuerungskompetenz.5
19.500
Die deutschen Erbschaftsteuerabkommen erfassen nur ausnahmsweise die Schenkungsteuer mit den in § 7 ErbStG genannten Tatbeständen. Damit wird insoweit die Doppelbesteuerung bei Schenkungen unter Lebenden (§ 7 ErbStG) nur partiell vermieden.6 2. Besteuerung im Belegenheitsstaat
19.501
Ebenso wie bei den für Steuern vom Einkommen und Vermögen geltenden DBA verwirklichen auch die Erbschaftsteuerabkommen das Belegenheitsprinzip da1 So in die DBA mit den USA, Schweden und Dänemark. 2 Hierzu gehört auch die Ersatzerbschaftsteuer (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG) sowie Ersatzbesteuerungstatbestände (z.B. § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG); zu Einzelheiten Jülicher in Wassermeyer, Art. 2 ErbSt-MA Rz. 5; Art. 4 ErbSt-MA Rz. 10. 3 Zu Einzelheiten Jülicher in Wassermeyer, Art. 8 ErbSt-MA Rz. 1, 21 ff. 4 Jülicher in T/G/J, § 2 ErbStG Rz. 173. 5 Die Einzelheiten sind umstritten; hierzu die Übersicht bei Jülicher in Wassermeyer, Art. 8 ErbSt-MA Rz. 28 f. 6 DBA mit den USA, Schweden, Frankreich und Dänemark; zu Besonderheiten bei Schenkungen von Geschäftsbetrieben nach dem Erbschaftsteuerabkommen Schweiz vgl. die Verständigungsregelung mit der Schweiz, BMF v. 7.4.1988 – IV C 6 - S 1301 Schz - 25/88, juris und v. 7.2.1990 – IV C 6 - S 1301 - Schz – 103/89, DB 1988, 938.
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L. Verteilung der Steuergüter
durch, dass in den Nachlass fallendes oder geschenktes unbewegliches Vermögen vorrangig dem Belegenheitsstaat zur Besteuerung zugewiesen ist (Art. 5 ErbStMA). Im Wohnsitzstaat des Erblassers/Schenkers wird die Doppelbesteuerung entweder durch Freistellung oder durch Anrechnung vermieden.1 Die Zuweisung der Besteuerungskompetenz zum Belegenheitsstaat erfolgt unabhängig davon, ob dort überhaupt eine Nachlass- oder Erbschaftsteuer/Schenkungsteuer erhoben wird. Damit wird im Grundsatz die virtuelle Doppelbesteuerung vermieden,2 sofern der Wohnsitzstaat des Erblassers/Schenkers Steuerfreistellung gewährt.3
19.502
Da die Erbschaftsteuerabkommen keine eigenständigen Regelungen über die Bewertung des Nachlassvermögens bzw. des zugewendeten Vermögens enthalten, greift insoweit innerstaatliches Recht ein, so dass aus deutscher Sicht z.B. im Ausland belegenes unbewegliches Nachlassvermögen gem. § 12 Abs. 7 ErbStG i.V. mit §§ 31, 9 BewG mit dem gemeinen Wert, zu bewerten ist, wobei die für inländisches unbewegliches Nachlassvermögen (Grundvermögen) geltenden Bewertungsmethoden (§ 182 BewG) entsprechend zur Anwendung kommen können.4
19.503
Die für unbewegliches Vermögen geltenden Verteilungsnormen der Erbschaftsteuerabkommen enthalten auch keine eigenständige Definition des Begriffs „unbewegliches Vermögen“. Sie verweisen vielmehr insoweit auf das Recht des Belegenheitsstaates, wodurch die dortigen Begriffsdefinitionen zum Vertragsinhalt erhoben werden.
19.504
3. Besteuerung im Betriebsstättenstaat Bewegliches Betriebsvermögen einer Betriebsstätte wird in den Erbschaftsteuerabkommen grundsätzlich der Besteuerung durch den (anderen) Betriebsstättenstaat zugewiesen (Art. 6 Abs. 1 ErbSt-MA). Entsprechendes gilt für bewegliches Vermögen, das zu einer der Ausübung eines freien Berufs oder einer sonstigen selbständigen Tätigkeit dienenden festen Einrichtung gehört (Art. 6 Abs. 1 ErbStMA). Während die Besteuerung im Betriebsstättenstaat keinen Schrankenwirkungen unterworfen ist, erfolgt die Vermeidung der Doppelbesteuerung im Wohnsitzstaat entweder durch Steuerfreistellung5 oder durch Steueranrechnung.6
19.505
Das Betriebsstättenprinzip gilt nicht nur für das zum Nachlass gehörende Vermögen einer Betriebsstätte oder festen Einrichtung, sondern auch für das einer Personengesellschaft zuzuordnende bewegliche Nachlassvermögen, sofern die
19.506
1 Das Erbschaftsteuerabkommen-Schweiz vermeidet die Doppelbesteuerung teils durch Steueranrechnung, teils durch Freistellung (Art. 10 DBA-Schweiz [Erb]). 2 Jülicher in Wassermeyer, Art. 1 ErbSt-MA Rz. 12. 3 Der Progressionsvorbehalt gem. § 19 Abs. 2 ErbStG gilt uneingeschränkt; hierzu Meincke16, § 19 ErbStG Rz. 7 f. 4 Gebel in T/G/J, § 12 ErbStG Rz. 939. 5 Art. 23A OECD-MA; ggf. greift der Progressionsvorbehalt gem. § 19 Abs. 2 ErbStG ein. 6 Art. 23B OECD-MA, gem. Art. 10 DBA-Schweiz (Erb) kommen beide Methoden zur Anwendung.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
Beteiligung an dieser Personengesellschaft dem Erblasser die Beteiligung an einer Betriebsstätte oder an einer festen Einrichtung vermittelt hat.1 19.507
Die für bewegliches Betriebsstättenvermögen geltenden Verteilungsnormen der Erbschaftsteuerabkommen entsprechen in ihrer Struktur zwar den für Unternehmensgewinne geltenden Verteilungsnormen der Ertragsteuer- und Vermögensteuerabkommen (Art. 7 ErbSt-MA), ihre Reichweite geht aber über diese hinaus, weil die Erbschaftsteuerabkommen keine besonderen Verteilungsnormen für Anteile an Kapitalgesellschaften, Forderungen und Lizenzrechte kennen.
19.508
Da es keine das Betriebsvermögen betreffende abkommensrechtliche Begriffsdefinition und keine Bewertungsvorschriften gibt, findet insoweit grundsätzlich nationales Recht Anwendung.2
19.509
Seeschiffe und Luftfahrzeuge im internationalen Verkehr und der Binnenschifffahrt dienende Schiffe sowie entsprechendes zugehöriges bewegliches Vermögen werden mangels einer mit Art. 8 ErbSt-MA vergleichbaren Regelung ebenfalls dem Betriebsstättenstaat zur Besteuerung zugewiesen, ohne dort abkommensrechtlichen Schrankenwirkungen unterworfen zu sein. Die Zuordnung zu einer im anderen Vertragsstaat belegenen Betriebsstätte würde allerdings nur dann in Betracht kommen, wenn von dort der Einsatz der Schiffe oder Luftfahrzeuge erfolgt.3 Anderenfalls greift über Art. 7 OEDC-MA das Wohnsitzprinzip ein. 4. Besteuerung im Wohnsitzstaat
19.510
Ebenso wie die für die Steuern vom Einkommen und Vermögen geltenden DBA enthalten auch die Erbschaftsteuerabkommen Auffangklauseln, die darauf gerichtet sind, Lücken in der Vermeidung der Doppelbesteuerung auszuschließen. Für das nicht unter die besonderen Verteilungsnormen fallende Vermögen gilt danach das Wohnsitzprinzip, das sich darin artikuliert, dass der Wohnsitzstaat des Erblassers/Schenkers die ausschließliche Besteuerungskompetenz erhält (Art. 7 ErbSt-MA).4 Unter die Auffangklausel fallen im Wesentlichen im Wohnsitzstaat und im Drittstaat belegenes Vermögen sowie Vermögen, das der Art nach nicht unter die übrigen Verteilungsnormen der Erbschaftsteuerabkommen fällt. Mit der letzten Fallgruppe wird insbesondere bewegliches Privatvermögen des Erblassers erfasst.5
19.511
Ob der Erblasser/Schenker zum Zeitpunkt seines Todes einen Wohnsitz in einem der beiden Vertragsstaaten hatte, bestimmt sich auch abkommensrechtlich nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht der Vertragsstaaten (Art. 4 Abs. 1 ErbStMA). Entsprechend den für die Steuern vom Einkommen und vom Vermögen gel1 Die Geltung dieses Betriebsstättenprinzips auch für Personengesellschaften wird in Art. 6 Abs. 9 DBA-Schweiz (Erb) ausdrücklich festgestellt; zu Einzelheiten Gersch in F/W/K, Art. 6 DBA-Schweiz (Erb) Rz. 33 ff. 2 In Deutschland § 12 Abs. 7 ErbStG i.V. mit § 31 Abs. 1 BewG, wobei das vereinfachte Ertragswertverfahren (§§ 199 ff. BewG) zur Anwendung kommen kann; Gebel in T/G/J, § 12 ErbStG Rz. 940. 3 Jülicher in Wassermeyer, Art. 6 ErbSt-MA Rz. 10. 4 Art. 7 OECD-MA. 5 Zu Einzelheiten Jülicher in Wassermeyer, Art. 7 ErbSt-MA Rz. 8 ff.
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M. Vermeidung der Doppelbesteuerung
tenden DBA enthalten auch die Erbschaftsteuerabkommen eine Kollisionsregelung für den Fall, dass nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht der Erblasser/Schenker in beiden Vertragsstaaten seinen Wohnsitz hatte (Art. 4 Abs. 2 ErbSt-MA). Daher ist abgestuft auf die ständige Wohnstätte, den Mittelpunkt der Lebensinteressen, den gewöhnlichen Aufenthalt sowie auf die Staatsangehörigkeit abzustellen.
M. Vermeidung der Doppelbesteuerung Literatur Kommentare zu Art. 23 A/B OECD-MA; Ackermann/Höft, Die steuerliche Berücksichtigung grenzüberschreitender Verluste – das endgültige Finale der finalen Verluste?, EuZW 2016, 258; Becker/Loose, Zur Anrechnung ausländischer Quellensteuern auf die Gewerbesteuer, IStR 2012, 57; von Brocke, Lidl Belgium und die praktischen Folgen, DStR 2008, 2201; Bühler, Prinzipien des Internationalen Steuerrechts, Amsterdam 1964, 193; Cordewener/Schnitger, Europarechtliche Vorgaben für die Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung im Wege der Anrechnungsmethode, StuW 2006, 50; de Weerth, Berücksichtigung von Währungsverlusten auf das Dotationskapital einer EU-Auslandsbetriebsstätte im Inland, IStR 2008, 226; Depping, Die Anrechnung fiktiver Steuern gemäß Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Türkei, DStZ 1995, 294; Ditz/Bärsch/Quilitzsch, Betriebsstätteneinkünfte und Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen nach der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen, ISR 2013, 156; Ditz/Liebchen, Zur Anwendung des Betriebsstättenvorbehaltes im Ansässigkeitsstaat – Der BFH rückt mit Urteil vom 24.8.2011 die Verhältnisse wieder gerade, IStR 2012, 449; Ditz/Plansky, Aktuelle Entwicklungen bei der Berücksichtigung ausländischer Betriebsstättenverluste, DB 2009, 1669; Ditz/Schönfeld, Abzug von umrechnungsbedingten Währungsverlusten, DB 2008, 1458; Eglmaier, Nochmals: Keine Anrechnung ausländischer Quellensteuer auf die deutsche GewSt – Duplik zu Kessler/Dietrich in diesem Heft S. 953, IStR 2011, 955; Eglmaier, Erwiderung zu Kessler/Dietrich (IStR 2011, 108): Anrechnung ausländischer Quellensteuer auf die deutsche GewSt, IStR 2011, 951; Eisendle, Grenzüberschreitende Verlustverrechnung im Jahre 11 nach Marks & Spencer – Status quo der EuGHRechtsprechung zur Berücksichtigung von Auslandsverlusten kraft Unionsrecht, ISR 2016, 37; Englisch, Berücksichtigung eines Verlustes einer im Ausland belegenen Betriebsstätte, IStR 2008, 404; Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, Bern/ Stuttgart 1974, 81; Frotscher M., Anrechnung ausländischer Steuern auf die Gewerbesteuer, in Lüdicke/Mössner/Hummel (Hrsg.), Das Steuerrecht der Unternehmen, Festschrift für Gerrit Frotscher, 2013, 115; Frotscher, Zur Zulässigkeit des „Treaty Override“, in Spindler/ Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 678; Gebhardt/Reppel, Die neuen Subject-to-tax-Klauseln in deutschen DBA - Praxisfälle und Zweifelsfragen im Kontext des BMF-Schreibens vom 20.6.2013, IStR 2013, 760; Gosch, Seminar D „Judges’ Seminar“: Abkommensrecht vor Gericht – Stichworte zu zehn gängigen Streitpunkten, IStR 2014, 698; Gosch, Über Streu- und Schachtelbesitz, in Kessler/Förster/ Watrin (Hrsg.), Unternehmensbesteuerung, FS für Herzig, München 2010, 63; Gosch, Über das Treaty Overriding, IStR 2008, 413; Grotherr, Zum Anwendungsbereich der unilateralen Rückfallklausel gemäß § 50d Abs. 9 EStG, IStR 2007, 265; Haarmann, Die Anrechnung ausländischer Steuern vom Einkommen auf die deutsche Gewerbesteuer, in Mellinghoff/ Lüdicke/Rödder (Hrsg.), Nationale und internationale Unternehmensbesteuerung in der Rechtsordnung, Festschrift für Dietmar Gosch, 2016, 123; Hageböke, Zum Konkurrenzverhältnis von DBA-Schachtelprivileg und § 8b KStG, IStR 2009, 473; Hellwig, Die wundersame Verlustvermehrung im Internationalen Steuerrecht, DB 1989, 1364; Heurung/Seidel, Anrechnung ausländischer Steuern auf Gewerbesteuer und Solidaritätszuschlag?, IWB 2009, F.3, Gr. 5, 75; Hey, Finale Verluste im nationalen und europäischen Recht, in Mellinghoff/Lüdicke/Rödder (Hrsg.), Nationale und internationale Unternehmensbesteuerung in der Rechtsordnung, Festschrift für Dietmar Gosch, 2016, 161; Höhn, Handbuch des In-
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) ternationalen Steuerrechts, 2. Aufl. Bern/Stuttgart/Wien 1993, 112; Höhn/David, Doppelbesteuerungsrecht, Bern/Stuttgart 1973, 93 ff.; Holthaus, Systemwechsel in der Abkommenspolitik – tatsächliche Besteuerung im Quellenstaat Voraussetzung für Freistellungen nach den neuen DBA, IStR 2012, 537; Holthaus, Die Änderung der Freistellungspraxis im StÄndG 2003 beim ausländischen Arbeitslohn in § 50d EStG – Auswirkungen einer globalen Rückfallklausel in allen Anwendungsfällen der DBA, IStR 2004, 16; Hruschka, Offene Fragen beim Rücktransport von Währungsverlusten, IStR 2008, 499; Jankowiak, Doppelte Nichtbesteuerung, Bayreuth 2009; Gassner/Lang/Lechner (Hrsg.), Die Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, Wien 1995; Juch, Unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbelastung, CDFI LXVIb (1981), 81; Kahler, Die Freistellungsmethode in deutschen Doppelbesteuerungsabkommen und ihre Vereinbarkeit mit dem EG-Vertrag, Frankfurt/M. 2007; Kaminski, Aktivitätsvorbehalte und ihre Bedeutung für die DBA-Anwendung, StuW 2007, 275; Kessler, Über die Anrechnung ausländischer Steuern, in Lüdicke/Mössner/Hummel (Hrsg.), Das Steuerrecht der Unternehmen, Festschrift für Gerrit Frotscher, 2013, 317; Kessler/Dietrich, Von schlafenden Hunden – zugleich Erwiderung zu Eglmaier in diesem Heft S. 951, IStR 2011, 953; Kessler/Dietrich, Den Worten sollten Taten folgen: die Umsetzung eines Doppelbesteuerungsabkommens, IStR 2011, 108; Kleineidam, Die abkommensrechtliche Behandlung von Erträgen aus Beteiligungen im ausländischen Betriebsstättenvermögen oder: Ist der Betriebsstättenvorbehalt gerechtfertigt?, IStR 2004, 2; Kluge, Betriebsstättenvorbehalt und Methodenartikel – ein Beitrag zur autonomen Abkommensauslegung, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 663; Knechtle, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, Basel/Stuttgart 1976; Knipping, Das BMF-Schreiben zum BFH-Folgeurteil in der Rechtssache Lidl Belgium, IStR 2010, 49; Köhler, Steuersystematische Analyse der Aktivitätsvorbehalte in deutschen DBA als Basis internationaler Steuergestaltungsüberlegungen, in Grotherr (Hrsg.), Handbuch der internationalen Steuerplanung, 2011, 1815; Korn, Steuerliche (Nicht-)Berücksichtigung von Währungsergebnissen bei grenzüberschreitenden Veräußerungsgeschäften, IStR 2007, 890; Krabbe, Betriebsausgaben im Zusammenhang mit ausländischen Schachtelbeteiligungen, DB 1994, 242; Krabbe, Verlustberücksichtigung bei Auslandseinkünften, DStJG (1985), 79; Lamprecht, Betriebsstättenverluste, Verlustvortragsrecht und Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse nach dem Urteil des EuGH in der Rs. KR Wannsee, IStR 2008, 766; Lang, M., Ist der Betriebsstättenvorbehalt bloß im Quellenstaat anwendbar?, SWI 2003, 319; Läufer, Aktivitätsklauseln in deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, 2014; Locher, Einführung in das Internationale Steuerrecht der Schweiz, Bern 1996, 465; Lorenz, Die Suspendierung von § 8b Abs. 5 KStG durch EG- und DBA-Günstigerprüfung, IStR 2009, 437; Lüdicke, Subject-to-tax-Klauseln nach den DBA, IStR 2013, 721; Lüdicke, Maßgeblichkeit ausländischer Besteuerung für Nichtbesteuerung und Verlustberücksichtigung im Inland, in Lüdicke/Mössner/Hummel (Hrsg.), Das Steuerrecht der Unternehmen, Festschrift für Gerrit Frotscher, 2013, 403; Lüdicke, Doppelansässigkeit, Ansässigkeitswechsel und Progressionsvorbehalt, in FS für Fischer, Berlin 1999, 731; Lüdicke, Ungleichbehandlung durch den Progressionsvorbehalt bei zeitweiliger unbeschränkter Steuerpflicht, IStR 1999, 470; Malinski, Währungsschwankungen und Doppelbesteuerung, Herne/Berlin 1992; Meretzki, Die (Nicht-)Besteuerung von Einkünften als zentrales Tatbestandsmerkmal abkommensrechtlicher Subejct-to-tax Klauseln, ISR 2014, 42; Moebus, Schachtelbeteiligung bei der Körperschaftsteuer, Vermögensteuer und Gewerbesteuer in nationaler und internationaler Sicht, Herne/Berlin 1979; Mössner, Die Neuregelung der temporären Steuerpflicht durch die Jahressteuergesetze 1996 und 1997, IStR 1997, 225; Philipp, Befreiungssystem mit Progressionsvorbehalt und Anrechnungsverfahren, Probleme des zwischenstaatlichen Steuerrechts, Wien 1997; Piltz, Währungsschwankungen und die Methoden zur Vermeidung der Internationalen Doppelbesteuerung, Inst.FuSt. (Brief 125), Bonn 1988, 30; Ritter, Steuerfreiheit ausländischer Schachteldividenden, BB 1994, 509; Rosenthal, Die steuerliche Beurteilung von Auslandssachveralten im Spannungsfeld zwischen Abkommensrecht und Europarecht, IStR 2007, 610; Schaumburg, Internationale Minderbesteuerung, in Lüdicke/Mössner/Hummel (Hrsg.), Das Steuerrecht der Unternehmen, Festschrift für Gerrit Frotscher, 2013, 503; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht,
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M. Vermeidung der Doppelbesteuerung in FS für Tipke, Köln 1995, 125; Schmidt, Freistellungsmethode auf dem Rückzug, in Achatz (Hrsg.), Internationales Steuerrecht, DStJG Band 36 (2013), 87; Schnitger, Seminar I: Länder und Gemeindesteuern und internationale Besteuerung, IStR 2013, 616; Schnitger, EuGH in der Rs. Timac Agro zu finalen ausländischen Betriebsstätten-verlusten – War es das bei der Freistellungsmethode?, IStR 2016, 72; Schön, Besteuerung im Binnenmarkt – die Rechtsprechung des EuGH zu den direkten Steuern, IStR 2004, 289; Schönfeld, Welche praktischen Probleme löst das BMF-Schreiben zu Subject-to-Tax-Klauseln und welche nicht? – dargestellt anhand von Fallbeispielen, IStR 2013, 757; Schönfeld/Häck, Der Methodenartikel in der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen, ISR 2013, 168; Schulz-Trieglaff, Neues zur grenzüberschreitenden Verlustverrechnung: Nachversteuerung verstößt nicht gegen die Niederlassungsfreiheit, StuB 2009, 260; Seer, Grenzen der Zulässigkeit eines treaty overridings am Beispiel der Switch-over-Klausel des § 20 AStG, IStR 1997, 481, 520; Spitaler, Das Doppelbesteuerungsproblem bei den direkten Steuern, Amsterdam 1936 (Neudruck Köln 1967), 328; Sträuli, Progressive Steuern im Doppelbesteuerungsrecht, Zürich 1973; Strunk/Kaminski, Aktuelle Entwicklungen bei der Besteuerung von ausländischen Betriebsstätten und Personengesellschaften in Abkommensfällen, IStR 2003, 181; Vogel, Besteuerung fiktiver Einkünfte, in FS für Friauf, Heidelberg 1996, 825; Vogel/Wassermeyer u.a., Freistellung im Internationalen Steuerrecht – rechtlich und rechtspolitisch, München 1995; Wagner, Steuersparmodell „MADEIRA“, StBp. 1993, 108; Wagner, Steueroptimierung durch Steueranrechnung, StBp. 1996, 298; Wassermeyer in Lüdicke (Hrsg.) Besteuerungspraxis bei grenzüberschreitender Tätigkeit, Köln 2003, 207; Wassermeyer in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Veräußerungsgewinne im Internationalen Steuerrecht, Köln 2004, 81; Wassermeyer, Der Wirrwarr mit den Aktivitätsklauseln im deutschen Abkommensrecht, IStR 2000, 65; Weidmann, Anrechnung und Abzug fiktiver Steuerbeträge, Die Bank 1989, 539; Wlecke, Währungsumrechnung und Gewinnbesteuerung bei international tätigen deutschen Unternehmen, Düsseldorf 1989; Wolff, Auslegungsfragen zu DBA-Regelungen über Unternehmensgewinne, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 647; Zieher, Zurechnung von Währungserfolgen aus der Umrechnung einer ausländischen Betriebsstättenrechnungslegung, IStR 2009, 261.
I. Allgemeines Neben den Verteilungsnormen gehören die Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung zum Regelungskern der DBA. Die Wirkungen dieser Vermeidungsnormen (Art. 23A und Art. 23B OECD-MA) sind ausschließlich gegen den Wohnsitzstaat gerichtet. Nur er wird durch Vermeidungsnormen verpflichtet, die Doppelbesteuerung entweder durch Steuerfreistellung oder durch Steueranrechnung zu vermeiden.1 Insoweit haben die Vermeidungsnormen den Charakter von Steuerbefreiungs- oder Steuerermäßigungsnormen, die allerdings dann ohne Wirkung bleiben, wenn die betreffenden Einkünfte im Wohnsitzstaat ohnehin nicht steuerbar oder steuerfrei sind.2 Gegen den Quellenstaat gerichtete Wirkungen können sich demgegenüber nur aus den Verteilungsnormen ergeben, und zwar durch
1 Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 4; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 1; Grotherr in G/K/G, Art. 23A/23B OECD-MA Rz. 19; Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 1; Häck in F/W/K, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 13; Dorn in Haase2, Art. 23A OECD-MA Rz. 3; Knechtle, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, 80. 2 BFH v. 22.2.2006 – I R 30/05, BFH/NV 2006, 1659; v. 14.1.2009 – I R 47/08, BFH/NV 2009, 854; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 1, 52; Gosch in Herzig, 63 (86).
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19.512
Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
Steuerfreistellung1 oder durch eine der Höhe nach begrenzte Quellensteuer.2 Soweit aufgrund der abkommensrechtlichen Verteilungsnormen eine Freistellung im Quellenstaat3 oder im Wohnsitzstaat4 angeordnet wird, ist die Vermeidung der Doppelbesteuerung bereits auf der Stufe der Verteilungsnormen sichergestellt. Insoweit haben die Vermeidungsnormen (Art. 23A und Art. 23B OECDMA) lediglich deklaratorischen Charakter.5 Dem vorstehenden Zweistufensystem entsprechen durchweg auch die deutschen DBA: Für bestimmte Einkünfte wird auf der ersten Stufe die Doppelbesteuerung im Rahmen der Verteilungsnormen durch den Quellenstaat oder den Wohnsitzstaat vermieden; im Übrigen erfolgt die Vermeidung der Doppelbesteuerung erst auf der zweiten Stufe im Rahmen der Vermeidungsnormen durch den Wohnsitzstaat. 19.513
Während auf unilateraler Ebene die Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von Methodenpluralität beherrscht werden und neben dem Steuerabzug, der Steuerermäßigung und der Steuerpauschalierung die Steueranrechnung und die Steuerfreistellung in Betracht kommen (Rz. 17.16 ff.), gibt es auf bilateraler Ebene lediglich die Steuerfreistellung und die Steueranrechnung (Art. 23A und Art. 23B OECD-MA).
19.514
Die deutsche Abkommenspraxis ist von der Tendenz geprägt, den Kreis der Einkunfts- und Vermögensarten, für die die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung erfolgt, auszuweiten.6 Dies hat sowohl fiskalische als auch systematische Gründe. Die Steueranrechnung entspricht nämlich dem im deutschen Steuerrecht verankerten Welteinkommensprinzip und zugleich dem Grundsatz der Kapitalexportneutralität dadurch, dass die ausländischen Einkünfte auf das zumeist höhere deutsche Steuerniveau hochgeschleust werden. Die Steueranrechnung verwirklicht damit den Grundsatz der ungeteilten steuerlichen Leistungsfähigkeit (Rz. 17.17 ff.).
19.515
Soweit in der deutschen Abkommenspraxis die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch Steuerfreistellung vorgesehen ist, wird sie häufig nur unter bestimmten Voraussetzungen gewährt. Hierzu gehören bi- und unilaterale Aktivitätsvorbehalte sowie bi- und unilaterale Subject-to-Tax-Klauseln, die eine doppelte Nichtbesteuerung oder Minderbesteuerung vermeiden wollen (Rz. 19.141). Ein Aktivitätsvorbehalt gilt durchweg für die Freistellung von Betriebsstättenein1 2 3 4
Etwa für Lizenzgebühren gem. Art. 12 Abs. 1 OECD-MA. Etwa bei Dividenden und Zinsen gem. Art. 10 Abs. 2 und Art. 11 Abs. 2 OECD-MA. Etwa bei Lizenzgebühren gem. Art. 12 Abs. 1 OECD-MA. Etwa für Gewinne aus Seeschifffahrt, Binnenschifffahrt und Luftfahrt gem. Art. 8 Abs. 1 OECD-MA (Staat, in dem sich der Ort der Geschäftsleitung befindet); ferner: gem. Art. 13 Abs. 3; 22 Abs. 3 und 19 OECD-MA. 5 Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 4, 34; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 5; Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 1; Häck in F/W/K, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 12 f.; Dorn in Haase2, Art. 23A OECD-MA Rz. 5; Höhn, Handbuch des Internationalen Steuerrechts2, 109; Knechtle, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, 78 f. 6 Hierzu Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 20; Grotherr in G/K/G, Art. 23A/23B OECD-MA Rz. 14; zu den Vor- und Nachteilen beider Methoden Schmidt, DStJG 36 (2013), 87 (88 ff.); Knechtle, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, 83 ff.; Escher, Die Methoden zur Ausschaltung der Doppelbesteuerung, 116 ff.; Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 65 ff.
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M. Vermeidung der Doppelbesteuerung
künften und Schachteldividenden. Stammen die Einnahmen der Betriebsstätte oder der Tochtergesellschaft nicht aus aktiven Tätigkeiten, so wird die Steuerfreistellung versagt, so dass nur eine Steueranrechnung verbleibt.1 Die in der deutschen Abkommenspraxis verbreiteten und mitunter recht unterschiedlich ausgestalteten2 Aktivitätsklauseln3 sind darauf gerichtet, die Steuerfreistellung nur für im anderen Staat tatsächlich im Wettbewerb stehende Unternehmen zu gewähren. Sie dienen damit auch dem Ziel, die missbräuchliche Inanspruchnahme von Abkommensvergünstigungen zu verhindern.4 Die abkommensrechtlichen Aktivitätsklauseln sind teils enger, teils weiter als die Regelung des § 8 Abs. 1 AStG.5 Da die in beiden Aktivitätskatalogen aufgeführten Tätigkeiten gewisse Parallelen aufweisen, können die zu § 8 Abs. 1 AStG entwickelten Auslegungsgrundsätze, insbesondere die sog. funktionale Betrachtungsweise (Rz. 13.79), auch für Abkommenszwecke angewendet werden.6 Die abkommensrechtlichen Aktivitätsklauseln setzen voraus, dass die Einnahmen der Betriebsstätte oder Tochtergesellschaft ausschließlich oder fast ausschließlich aus den dort näher bezeichneten Tätigkeiten stammen. Auch hier kann insoweit auf die zu § 8 AStG entwickelte 90 %-Grenze zurückgegriffen werden.7
19.516
In den DBA werden Steuerfreistellung und Steueranrechnung nicht stets in bilateraler Gegenseitigkeit verankert. So haben sich etwa die kontinentaleuropäischen Abkommenspartner in den Abkommen mit Deutschland überwiegend für die Freistellungsmethode und die angelsächsischen Abkommenspartner überwiegend für die Anrechnungsmethode entschieden, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob Deutschland seinerseits die Freistellungsmethode oder die Anrechnungsmethode gewählt hat.8
19.517
Darüber hinaus weichen die Vertragsstaaten nicht selten auch einseitig von der auf Abkommensebene festgelegten Steuerfreistellung ab (treaty overriding (Rz. 3.24 f.). So gewährt etwa der in § 20 Abs. 2 AStG enthaltene unilaterale Ak-
19.518
1 Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 74; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 156 ff.; Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 84 ff. Zu den Aktivitätsklauseln im Methodenartikel des DBA-Schweiz s. ausf. Häck in F/W/K, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 63 ff. u. 116 ff. 2 Zu den Unterschieden: Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 74 ff.; Schmidt/Blöchle in S/K/K, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 122 ff.; Köhler in Grotherr, Hdb. der internationalen Steuerplanung3, 1815 ff.; Wassermeyer, IStR 2000, 65 ff.; Kaminski, StuW 2007, 275 ff. 3 Abkommensübersicht bei Wassermeyer in Wassermeyer, Anlage hinter Art. 23B OECDMA. Ausf. zu den Aktivitätsklauseln in den deutschen DBA Läufer, Aktivitätsklauseln in deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, 2014. 4 Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 77. 5 Zu Einzelheiten Wassermeyer in Wassermeyer Art. 23A OECD-MA Rz. 156 f., Grotherr in G/K/G, Art. 23A/23B OECD-MA Rz. 66 ff.; Schmidt/Blöchle in S/K/K, Art. 23 OECD-MA Rz. 119; Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 84 ff. 6 Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 71; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 54, 156; Schmidt/Blöchle in S/K/K, Art. 23 OECD-MA Rz. 124; Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 90; Häck in F/W/K, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 77. 7 BFH v. 30.8.1995 – I R 77/94, BStBl. II 1996, 122; Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 74; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 156. 8 Vgl. hierzu die Abkommensübersicht bei Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 16.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
tivitätsvorbehalt für Betriebsstättengewinne aus passivem Erwerb an Stelle der durch Abkommen vorgesehenen Steuerfreistellung „nur“ die Steueranrechnung, ohne hierzu abkommensrechtlich legitimiert zu sein.1 19.519
Sonderregelungen enthalten auch § 50d Abs. 8, 9 EStG, wonach speziell bei den Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit und generell bei (negativen) Qualifikations- und Zurechnungskonflikten und ausländischen Besteuerungslücken die Freistellungsmethode auf die Vermeidung der effektiven Doppelbesteuerung reduziert bzw. durch die Anrechnungsmethode ersetzt wird (Rz. 19.522 ff.).2
19.520
Da die Vermeidungsnormen der Erbschaftsteuerabkommen in ihrer Grundstruktur denjenigen der Einkommen- und Vermögensteuerabkommen entsprechen, gelten für diese die gleichen Grundsätze.
II. Steuerfreistellung 1. Grundsätze 19.521
Die abkommensrechtlichen Vermeidungsnormen (Art. 23A OECD-MA) setzen für eine Steuerfreistellung im Wohnsitzstaat voraus, dass aufgrund der Verteilungsnormen Einkünfte und Vermögen im Quellenstaat besteuert werden können (Art. 23A Abs. 1 OECD-MA). Ist dem Wohnsitzstaat die Besteuerungsbefugnis bereits auf der ersten Stufe aufgrund der Verteilungsnormen genommen, so wirkt die Steuerfreistellung durch die Vermeidungsnormen auf der zweiten Stufe lediglich deklaratorisch.3
19.522
Die Steuerfreistellung nach Maßgabe der Vermeidungsnormen erfolgte nach früherer deutscher Abkommenspolitik grundsätzlich ohne Rücksicht darauf, ob die betreffenden Einkünfte und das betreffende Vermögen im Quellenstaat tatsächlich besteuert und dort Steuern gezahlt werden.4 Damit war die Freistellungsmethode traditionell auf die Vermeidung der virtuellen Doppelbesteuerung ausgerichtet. Zunehmend wird in deutschen DBA zur Vermeidung von Keinmalbesteuerungen5 auf Abkommensebene die Steuerfreistellung im Wohnsitzstaat
1 Der Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode ist zwar im Grundsatz europarechtlich unbedenklich (EuGH v. 6.12.2007 – Rs. C-298/05 – Columbus Container, Slg. 2007, I-10451), aber dennoch unzulässig, wenn in der ausländischen Betriebsstätte eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt wird (Schlussurteil BFH v. 21.10. 2009 – I R 114/08, BStBl. II 2010, 774); ferner Rz. 19.544. 2 Vgl. auch die in § 2 Abs. 3 AO an das BMF gerichtete Ermächtigung, durch Rechtsverordnung unter bestimmten Voraussetzungen in Abkommensfällen von der Freistellung zur Steueranrechnung überzuwechseln (AHRL-ÄndUmsG). 3 Hierzu Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 4, 34; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 5; Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 1; Häck in F/W/K, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 12 f.; Dorn in Haase2, Art. 23A OECD-MA Rz. 5; Höhn, Handbuch des Internationalen Steuerrechts2, 109; Knechtle, Grundfragen des Internationalen Steuerrechts, 78 f. 4 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 46; Grotherr in G/K/G, Art. 23A/23B OECD-MA Rz. 69; Häck in F/W/K, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 59; vgl. auch Rz. 15.8. 5 Zurecht krit. zu diesem generellen Abkommensziel Gosch, IStR 2014, 698 (701).
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M. Vermeidung der Doppelbesteuerung
davon abhängig gemacht, dass im Quellenstaat tatsächlich besteuert wird.1 Angesprochen hierdurch sind Subject-to-Tax-Klauseln,2 Rückfallklauseln3 sowie die in Art. 23A Abs. 4 OECD-MA enthaltene Klausel, aufgrund derer der Wohnsitzstaat trotz genereller Freistellung besteuern darf, wenn der Quellenstaat wegen abweichender Abkommensauslegung oder Sachverhaltsinterpretation nicht besteuert.4 Die (partielle) Abkehr vom Grundsatz der Vermeidung einer virtuellen Doppelbesteuerung zeigt sich auch deutlich in Art. 22 Abs. 1 Buchst. d und e DE-VG.5 Neben diesen bilateralen Klauseln ist schließlich die für Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit geltende unilaterale Subject-to-Tax-Klausel des § 50d Abs. 8 EStG von Bedeutung. Eine Steuerfreistellung wird hiernach für unbeschränkt Steuerpflichtige6 nur gewährt, wenn nachgewiesen wird, dass der Staat, dem abkommensrechtlich die Besteuerung zusteht, auf dieses Besteuerungsrecht verzichtet hat oder dass die in diesem Staat auf die Einkünfte festgesetzten Steuern entrichtet wurden. Der Besteuerungsverzicht des Quellenstaates kann entweder abstrakt in der Nichterhebung mangels Steuerbarkeit oder konkret durch Erlass von Steuern bestehen.7 Dementsprechend hat der Nachweis durch Vorlage von einschlägigen Gesetzes- oder Verwaltungsregelungen oder von Verwaltungsakten zu erfolgen.8 Im Übrigen muss die Festsetzung und Entrichtung der Steuern nachgewiesen werden9, was in aller Regel die Vorlage des betreffenden Steuerbescheides und des Zahlungsbeleges erfordert.10 Aus Vereinfachungsgründen wird auf entsprechende Nachweise verzichtet, wenn der hierdurch betroffene Arbeitslohn insgesamt 10.000,– Euro im Veranlagungszeitraum nicht überschreitet.11 Die Steuerfreistellung hat entsprechend der abkommensrechtlichen Terminologie (Art. 23A Abs. 1 OECD-MA) im Wohnsitzstaat dadurch zu erfolgen, dass die betreffenden Einkünfte bzw. Vermögensteile von der Besteuerung auszunehmen sind. Aus deutscher Sicht bedeutet das, dass die in Betracht kommenden
1 Vgl. Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 73 ff.; s. auch Art. 22 Abs. 1 Buchst. e, Doppelbuchst. bb DE-VG; Holthaus, IStR 2012, 537 ff. Hierzu die Übersicht über die mit Vermeidungsnormen verknüpften Subject-to-Tax-Klauseln bei Dürrschmidt in V/L6, Vor Art. 6–22 Rz. 20d. 2 Hierzu Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 46; Lüdicke in FS Frotscher, 403 (414 ff.); Schaumburg in FS Frotscher, 503 (508 ff.); Meretzki, ISR 2014, 42 ff.; Schönfeld, IStR 2013, 757 ff.; Gerhardt/Reppel, IStR 2013, 760; Holthaus, IStR 2012, 537; Lüdicke, IStR 2013, 721. 3 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 161 ff. 4 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 146 ff., zum Begriff vorstehender und vergleichbarer Klauseln Dürrschmidt in V/L6, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 20 f. 5 Ausf. Schönfeld/Ditz/Häck in S/D, Anh. 4 Rz. 137 ff.; Schönfeld/Häck, ISR 2013, 168 ff.; Ditz/Bärsch/Quilitzsch, ISR 2013, 156 (160 ff.).; 6 Nur gem. § 1 Abs. 1, 2 EStG, nicht aber gem. § 1 Abs. 3 EStG; hierzu Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 35; Doppelansässigkeit spielt keine Rolle (BFH v. 25.5.2016 – I B 139/11, BFH/NV 2016, 1453). 7 BMF v. 21.7.2005 – IV B 1 - S 2411 - 2/05, BStBl. I 2005, 821, Tz. 2.2. 8 Vgl. BFH v. 28.6.2007 – I R 54,55/07, BFH/NV 2008, 1487. 9 FG Köln v. 16.6.2016 – 13 K 3649/13 (rkr.), EFG 2016, 1711 = ISR 2017, 42 m. Anm. Holthaus. 10 BMF v. 21.7.2005 – IV B 1 - S 2411 - 2/05, BStBl. I 2005, 821, Tz. 2.1.2. 11 BMF v. 21.7.2005 – IV B 1 - S 2411 - 2/05, BStBl. I 2005, 821, Tz. 4.2.
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19.523
Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
Einkünfte freizustellen sind. Dieses Freistellungsgebot hat im Ergebnis den Charakter einer sachlichen Steuerbefreiung.1 19.524
Die Sonderregelung des § 50d Abs. 8 EStG als ein gegen DBA wirkendes treaty overriding (Rz. 3.24 f.) führt zu einer Abkehr von der abkommensrechtlich auf die Vermeidung der virtuellen Doppelbesteuerung gerichteten Freistellungsmethode (Rz. 15.8). Die Vermeidung einer doppelten Nichtbesteuerung (Rz. 19.132) mag zwar einen derartigen Systembruch rechtfertigen, er stört aber die den DBA zugrunde liegende Verteilungsgerechtigkeit, mit der allein eine bilaterale Subject-to-Tax-Klausel vereinbar wäre. Davon abgesehen vermag sich § 50d Abs. 8 EStG wegen seiner einseitig belastenden Wirkung nur für Arbeitnehmer auch nicht ggü. dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) zu legitimieren.2 Es mag zwar darum gegangen sein, Piloten, Berufskraftfahrern und Seeleuten eine bei entsprechender Gestaltung mögliche „Nullbesteuerung“ zu versagen,3 es ist aber nicht gerechtfertigt, in vergleichbaren anderen Fällen, eine auf die Vermeidung der virtuellen Doppelbesteuerung gerichtete Steuerfreistellung aufrecht zu erhalten.
19.525
Die nicht nur für bestimmte Einkünfte geltende Switch-over-Klausel4 des § 50d Abs. 9 EStG ist gegen eine Nicht- oder Minderbesteuerung im anderen Vertragsstaat gerichtet,5 und zwar für Fälle (negativ) von Qualifikations- und Zurechnungskonflikten (§ 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG) und von Besteuerungslücken im Rahmen beschränkter Steuerpflicht im anderen Vertragsstaat (§ 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG).
19.526
Soweit es um die durch Qualifikations- und Zurechnungskonflikte (Rz. 19.82) ausgelöste Nicht- oder Minderbesteuerung geht, muss diese ihre Ursache in der Abkommensanwendung haben, so dass etwa innerstaatliche Vollzugsdefizite unbeachtlich sind.6 Insoweit handelt es sich aber nur um eine beschränkt wirkende Subject-to-Tax-Klausel, die zudem nur die Fälle erfasst, in denen die abkommensrechtliche Freistellung auf Art. 23A OECD-MA beruht.7
19.527
Ergibt sich die Nichtbesteuerung also auf Grund vollständiger Verteilungsnormen (Rz. 19.212), greift, § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG nicht ein, weil der durch diese Vorschrift angeordnete Wechsel von der Freistellung zur Anrechnung ausschließlich im Regelungsbereich der Vermeidensnorm des Art. 23A OECD-MA angesiedelt ist.8 Neben dem Hauptanwendungsfall der aus deutscher Sicht unberechtigten Nichtbesteuerung im anderen Vertragsstaat, wird auch die dortige (un1 BFH v. 14.3.1989 – I R 20/87, BStBl. II 1989, 649; v. 1.10.1992 – I B 42/92, I B 43/92, IStR 1992, 103; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 51. 2 Jankowiak, Doppelte Nichtbesteuerung, 220 ff.; Holthaus, IStR 2004, 16 ff.; a.A. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, FR 2016, 405; BFH v. 29.6.2016 – I R 66/09, IStR 2016, 981. 3 Vgl. die Hinweise bei Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 35. 4 Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode. 5 Treaty overriding; zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit s. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, FR 2016, 405; vgl. auch Rz. 3.24 f. 6 Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 41; Schönfeld in F/W/B/S, § 50d Abs. 9 EStG Rz. 71. 7 Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 41; Rosenthal, IStR 2007, 610 (612). 8 Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 41; Rosenthal, IStR 2007, 610 (612); a.A. Schönfeld in F/W/B/S, § 50d EStG Rz. 55; Hahn-Joecks in K/S/M, § 50d EStG Rz. K 8; Grotherr, IStR 2007, 265 (265).
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M. Vermeidung der Doppelbesteuerung
berechtigte) Minderbesteuerung erfasst, womit im Wesentlichen die reduzierte Quellenbesteuerung auf Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren (Art. 10 bis 12 OECD-MA) angesprochen ist.1 § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG betrifft schließlich Besteuerungslücken im anderen Vertragsstaat im Rahmen der dortigen beschränkten Steuerpflicht. Angesprochen sind damit jene Fälle, in denen dort eigentlich der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegende Einkünfte bei beschränkter Steuerpflicht nicht erfasst werden.
19.528
Der Wechsel von der abkommensrechtlich vorgesehenen Freistellungs- zur Anrechnungsmethode ist nicht nur ein verfassungsrechtlich zweifelhaftes treaty overriding,2 sondern bedeutet auch einen Verstoß gegen das Gebot der Folgerichtigkeit und Wertungskonsequenz (Rz. 4.7), weil gerade dem deutschen Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht die divergierende Erfassungsbreite der Einkünfte als – freilich verfehlte – gesetzgeberische Konzeption zugrunde liegt. So enthält § 49 Abs. 1 EStG einen nicht vollständigen numerus clausus inländischer Einkünfte (Rz. 6.124 f.) und damit Besteuerungslücken, die in vergleichbaren ausländischen Fällen als nicht gerechtfertigt durch eine inländische kompensatorische Besteuerung geschlossen werden soll. Damit widerspricht die Regelung in § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 2 EStG den eigenen gesetzgeberischen Wertungen, so dass im Ergebnis auch die autonomen Belastungsentscheidungen anderer Staaten konterkariert werden.3
19.529
Diese ausländische Besteuerungslücken ausfüllende Switch-over-Klausel gilt allerdings nicht für Dividenden, soweit diese auf Ebene der ausschüttenden ausländischen Gesellschaft bereits mit Körperschaftsteuer belastet ist (§ 50d Abs. 9 Satz 2 EStG).4
19.530
2. Einkünfte und Vermögen Soweit die abkommensrechtlichen Vermeidungsnormen anordnen, Einkünfte und Vermögen von der Besteuerung im Wohnsitzstaat auszunehmen, ohne im Einzelnen zu definieren, was unter Einkünften und Vermögen zu verstehen ist, gilt innerstaatliches Recht, sofern sich aus dem Abkommenszusammenhang der Begriff der Einkünfte und des Vermögens nicht erschließen lässt (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA). Aus dem Abkommenszusammenhang ergibt sich, dass der in den Vermeidungsnormen verwendete Einkünftebegriff im Ausgangspunkt mit den in den Verteilungsnormen verwendeten Einkünftebegriffen deckungsgleich ist.5 1 Schönfeld in F/W/B/S, § 50d EStG, Rz. 91. 2 A.A. BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, FR 2016, 405; ausf. Rz. 3.24 f. 3 In diesem Sinne auch BFH v. 20.5.2015 – I R 69/14, BFH/NV 2015, 1395; ebenso Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 41; dagegen ab 2017 § 50d Abs. 9 Sätze 1 u. 4 EStG (AHRLÄndUmsG), wonach der „Rückfall“ des Besteuerungsrechts auch bei teilweiser Nichtbesteuerung im anderen Staat erfolgt. 4 Diese Regelung zielt insbesondere auf typisch stille Beteiligungen ab; hierzu Schönfeld in F/W/B/S, § 50d Abs. 9 Rz. 131 ff. 5 BFH v. 27.1.1982 – I R 5/78, HFR 1982, 301; Görl in V/L6, Vor Art. 10–12 OECD-MA Rz. 32; Art. 23 OECD-MA Rz. 180 f.; Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 28; Häck in F/W/K, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 55; Dorn in Haase3, Art. 23A OECD-MA Rz. 11.
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19.531
Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
Andernfalls verfehlten die Vermeidungsnormen ihr eigentliches teleologisches Ziel, auf einer zweiten Stufe durch dem Wohnsitzstaat obliegende Maßnahmen die Doppelbesteuerung zu vermeiden. Dieser Gleichklang in der Auslegung gilt auch in den Fällen, in denen etwa für Dividenden, Zinsen und/oder Lizenzgebühren aufgrund der abkommensrechtlichen Rückverweisungsklauseln (Art. 10 Abs. 4; 11 Abs. 4; 12 Abs. 3 i.V. mit Art. 7 Abs. 7 OECD-MA) nicht die entsprechenden speziellen, sondern die für Unternehmensgewinne (Art. 7 OECD-MA) maßgeblichen Verteilungsnomen Geltung haben. Gehören also abkommensrechtlich Dividenden, Zinsen und/oder Lizenzgebühren zu den ausländischen Betriebsstätteneinkünften (Rz. 19.326 ff., 19.358, 19.370), schlägt diese für die Verteilungsnormen maßgebliche Zuordnung auch auf die Vermeidungsnormen durch,1 so dass vorbehaltlich etwaiger Aktivitätsklauseln (Rz. 19.138) der Wohnsitzstaat grundsätzlich die Betriebsstättenfreistellung (Rz. 19.543 f.) zu gewähren hat. Im Übrigen gilt: Die Vermeidungsnormen enthalten einen dualen Einkünftebegriff. Er ist im Sinne eines Nettobetrages zu verstehen, soweit die Art. 6, 7, 8, 13, 14 a.F. und 17 OECD-MA angesprochen sind, und er ist ein Bruttobetrag für die Anwendung bezüglich der Art. 10 bis 12, 15, 16, 18, 19 und 20 OECDMA.2 Hierdurch wird zugleich die Reichweite des § 3c Abs. 1 EStG geprägt, so dass im Ergebnis Ausgaben im Zusammenhang mit gem. Art. 23A OECD-MA steuerfreigestellten Nettoeinkünften unter keinen Umständen und Ausgaben im Zusammenhang mit von der Besteuerung auszunehmenden Bruttoeinnahmen nur dann nicht abzugsfähig sind, wenn sie in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit diesen stehen.3 Im Übrigen bestimmt sich die Höhe der von der Besteuerung auszunehmenden Brutto- oder Nettobeträge nach dem Recht des Wohnsitzstaates, weil die DBA hierzu keine teleologische Orientierung bieten.4 Die vorstehenden Grundsätze gelten für die Freistellung von Vermögen entsprechend.5 19.532
Aus deutscher Sicht zählen zu den Einkünften nicht nur positive Einkünfte, sondern, soweit abkommensrechtlich Nettobeträge erfasst werden, auch Verluste.6 1 BFH v. 24.8.2011 – I R 46/11, BStBl. II 2014, 764; Niehaves in Haase3, Art. 7 OECD-MA Rz. 34 f.; Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 29; Häck in F/W/K, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 68; Wolff in FS Wassermeyer, 647 ff.; Strunk/Kaminski, IStR 2003, 181 ff.; M. Lang, SWI 2003, 319; Kleineidam, IStR 2004, 2 ff.; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 158, Art. 23A OECD-MA Rz. 52; Wassermeyer in Lüdicke (Hrsg.) Besteuerungspraxis bei grenzüberschreitender Tätigkeit, Köln 2003, 207 (210 f.); Wassermeyer in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Veräußerungsgewinne im Internationalen Steuerrecht, 81 ff.; Kluge in FS Wassermeyer, 663 ff.; offen gelassen von BFH v. 7.8.2002 – I R 10/01, BStBl. II 2002, 848. 2 BFH v. 29.5.1996 – I R 15/94, BStBl. II 1997, 57 (60, 63); zu Einzelheiten Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 21. 3 BFH v. 29.5.1996 – I R 15/94, BStBl. II 1997, 57 (60, 63); Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 21 ff. 4 BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 21. 5 Hierzu Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 66 ff., 72 f. 6 BFH v. 11.3.1970 – I B 50/68, I B 3/69, BStBl. II 1970, 569; v. 12.1.1983 – I R 90/79, BStBl. II 1983, 382; v. 8.3.1989 – X R 181/87, BStBl. II 1989, 541; v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136; v. 26.3.1991 – IX R 162/85, BStBl. II 1991, 704; v. 29.11.2006 – I R 45/05, BStBl. II 2007, 398; v. 29.1.2008 – I R 85/06, BStBl. II 2008, 671; v. 11.3.2008 – I R 116/04, BFH/NV 2008, 1161; v. 17.7.2008 – I R 84/04, BStBl. II 2009, 630; v. 3.2.2010 – I R 23/09,
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Schaumburg/Häck
M. Vermeidung der Doppelbesteuerung
Soweit die Vermeidungsnormen anordnen, Einkünfte seien von der Besteuerung auszunehmen, folgt hieraus abkommensrechtlich aber nicht ohne weiteres eine Nichtberücksichtigung von Verlusten.1 Ob diese berücksichtigt werden, ist vielmehr Sache des jeweiligen nationalen Rechts.2 Das deutsche Steuerrecht enthält zwar diesbezüglich kein ausdrückliches Verlustberücksichtigungsverbot, den früheren Regelungen in § 2 AIG und § 2a Abs. 3 EStG lässt sich aber entnehmen, dass der Gesetzgeber von der Konzeption ausgeht, dass der Freistellung von positiven Einkünften die Nichtberücksichtigung von Verlusten entspricht (sog. Symmetriethese).3 Im Hinblick darauf bleiben ausländische negative Einkünfte,4 abgesehen von einem etwaigen negativen Progressionsvorbehalt, im Inland grundsätzlich unberücksichtigt.5 Dies gilt angesichts der jüngsten Rechtsprechung des EuGH6 – anders als bisher7 – (wohl) auch für die Fälle ausländischer Verluste in Freistellungsbetriebsstätten, wenn diese in dem anderen Staat unter keinen Umständen berücksichtigt werden können, also endgültig sind (sog. finale Verluste).8 Die vorstehenden Grundsätze gelten sinngemäß auch für die Berücksichtigung von Fremdwährungsverlusten. Diese sind der ausländischen Einkunftsquelle zuzuordnen, so dass sie bei Anwendung der Freistellungsmethode im Inland grund-
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BStBl. II 2010, 599; v. 9.6.2010 – I R 107/09, DStR 2010, 1733; v. 5.2.2014 – I R 48/11, BFH/NV 2014, 963; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 22. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 57; Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 28; vgl. auch ÖVwGH v. 25.9.2001, IStR 2001, 754. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 57; Kluge, Das Internationale Steuerrecht4, 323. So zuletzt noch BFH v. 11.3.2008 – I R 116/04, BFH/NV 2008, 1161; v. 3.2.2010 – I R 23/09, DStR 2010, 918; v. 26.2.2014 – I R 56/12, BStBl. II 2014, 703; vgl. auch Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 57. Hierzu sollen auch negative Einkünfte aus vergeblich vorweggenommenen Aufwendungen zählen, s. BFH v. 26.2.2014 – I R 56/12, BStBl. II 2014, 703. Ständige Rechtsprechung: RFH v. 26.5.1935, RStBl. 1935, 1358; BFH v. 11.3.1970 – I B 50/68, I B 3/69, I B 50/68, I B 3/69, BStBl. II 1970, 569; v. 23.3.1972 – I R 128/70, BStBl. II 1972, 948; v. 28.3.1973 – I R 59/71, BStBl. II 1973, 531; v. 20.7.1973 – VI R 198/69, BStBl. II 1973, 732; v. 25.2.1976 – I R 150/73, BStBl. II 1976, 454; v. 12.1.1983 – I R 90/79, BStBl. II 1983, 382; v. 28.4.1983 – IV R 122/79, BStBl. II 1983, 566; v. 9.8.1989 – I B 118/88, BStBl. II 1990, 175; v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136; v. 26.3.1991 – IX R 162/85, BStBl. II 1991, 704; v. 6.10.1993 – I R 32/93, BStBl. II 1994, 113; v. 18.1.2001 – I R 70/00, DB 2001, 2696; v. 29.11.2006 – I R 45/05, BStBl. II 2007, 398; v. 29.1.2008 – I R 85/06, BStBl. II 2008, 671; v. 11.3.2008 – I R 116/04, BFH/NV 2008, 1161; v. 17.7.2008 – I R 84/04, BStBl. II 2009, 630; v. 3.2.2010 – I R 23/09, BStBl. II 2010, 599; v. 9.6.2010 – I R 107/09, DStR 2010, 1733; v. 5.2.2014 – I R 48/11, BFH/NV 2014, 963; v. 26.2.2014 – I R 56/12, BStBl. II 2014, 703. EuGH v. 17.12.2015 – Rs. C-388/14 – Timac Agro Deutschland, ECLI:EU:C:2015:829 = ISR 2016, 14. EuGH v. 15.5.2008 – Rs. C-414/06 – Lidl Belgium, Slg. 2008, I-3617; BFH v. 9.6.2010 – I R 107/09, IStR 2010, 663; v. 5.2.2014 – I R 48/11, IStR 2014, 377; hierzu ausf. stv. Gosch in Kirchhof15, § 2a EStG Rz. 5 ff.; Hey in FS Gosch, 161 (167 ff.). Vgl. zur Einordnung der Entscheidung des EuGH in der Rs. Timac Agro Deutschland Schnitger, IStR 2016, 72 ff.; Eisendle, ISR 2016, 37 (38 f., 42 f.); Benecke/Staats, IStR 2016, 74 (80 f.); Schiefer, IStR 2016, 74 (80); Patzner/Nagler, GmbHR 2016, 170 (177); Ackermann/Höft, EuZW 2016, 258 ff.; Schlücke, FR 2016, 126 (131); Mitschke, FR 2016, 126 (132).
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
sätzlich unberücksichtigt bleiben.1 Europarechtlich geboten war hingegen bislang die Berücksichtigung von umrechnungsbedingten Währungsverlusten aus der grenzüberschreitenden Rückführung des Dotationskapitals einer EU/EWRBetriebsstätte auf das inländische Stammhaus2 sowie aus Teilrückführungen von Dotationskapital und von laufend (realisierten) Währungsverlusten.3 Die jüngere Rechtsprechung des EuGH4 akzeptiert nun (wohl) eine Nichtberücksichtigung auch dieser Währungsverluste, wenn korrespondierende Währungsgewinne ebenfalls der ausländischen Betriebsstätte zugerechnet und steuerfrei gestellt würden.5 19.533
Während die Nichtberücksichtigung von Verlusten etwa aus ausländischen Betriebsstätten im Bereich der Gewerbesteuer6 mit dem dort geltenden Territorialitätsprinzip (Rz. 9.1) vereinbar ist,7 führt die Nichtberücksichtigung von Verlusten bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer zu einer Störung des Welteinkommensprinzips und gegebenenfalls zu einer Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips. Dies wird insbesondere dann deutlich, wenn infolge dieses Verlustausgleichsverbots im Inland Einkünfte zu versteuern sind, die in ihrer Gesamtheit überhaupt nicht angefallen sind. In diesen Fällen führt die Nichtberücksichtigung von ausländischen Verlusten zu einer Besteuerung fiktiver Einkünfte.8 Die Nichtberücksichtigung ausländischer Verluste, die letztlich auf der Auslegung des in den abkommensrechtlichen Vermeidungsnormen verwendeten Einkünftebegriffs nach Maßgabe des deutschen Steuerrechts9 und zudem auf der Befürchtung einer doppelten Verlustberücksichtigung in beiden Vertragsstaaten10 beruht, führt zu einer Übermaßbesteuerung, wenn die Gesamtsteuerbelastung hierdurch höher ist als bei Anwendung der Anrechnungsmethode.11 Das Höchstmaß der an der Leistungsfähigkeit orientierten Besteuerung wird nämlich 1 BFH v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; v. 18.9.1996 – I R 69/95, BFH/NV 1997, 408; v. 16.12.2008 – I B 44/08, BFH/NV 2009, 940; v. 2.12.2015 – I R 13/14, DStR 2016, 853; Gosch in Kirchhof15, § 2a EStG Rz. 18a; Wassermeyer in W/A/D, BetriebsstättenHandbuch, Rz. 6.9; a.A. Ditz in S/D, Art. 7 (2008), OECD-MA Rz. 183; Ditz/Schönfeld, DB 2008, 1458 (1460 f.). 2 EuGH v. 28.2.2008 – Rs. C-293/06 – Deutsche Shell, Slg. 2008, I-1129. 3 De Weerth, IStR 2008, 226 f.; Ditz/Plansky, DB 2009, 1669 (1670) (für Teilrückführungen); Zieher, IStR 2009, 261 ff.; a.A. Hruschka, IStR 2008, 499 ff. (für lfd. Betriebsstättenverluste); zu weiteren Einzelheiten Lüdicke/Braunagel in Lüdicke/Kempf/Brink, Verluste im Steuerrecht, 177 (182 ff.). 4 EuGH v. 10.6.2015 – Rs. C-686/13 – X AB, ECLI:EU:C:2015:375 = ISR 2015, 328 mit Anm. Eiling/Oppel = IStR 2015, 557. 5 Vgl. BFH v. 2.12.2015 – I R 13/14, GmbHR 2016, 557; hierzu Gosch in Kirchhof15, § 2a EStG Rz. 18a; Märtens, jurisPR-SteuerR 21/2016 Anm. 5. 6 BFH v. 21.4.1971 – I R 200/67, BStBl. II 1971, 743; v. 10.7.1974 – I R 248/71, BStBl. II 1974, 752. 7 Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 54; für eine Verlustberücksichtigung auch bei der Gewerbesteuer Schön, IStR 2004, 289 (294). 8 Vogel in FS Friauf, 825 (830). 9 Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 55 ff.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 57; Krabbe, DStJG (1985), 79 (82). 10 So der Hinweis von Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 57. 11 Schaumburg in FS Tipke, 125 (151).
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Schaumburg/Häck
M. Vermeidung der Doppelbesteuerung
durch das Welteinkommensprinzip (Rz. 6.53 ff.) unter Einbeziehung der Steueranrechnung gesetzt. Von dieser gesetzgeberischen Grundentscheidung darf zu Ungunsten des Steuerpflichtigen nicht abgewichen werden mit der Folge, dass ausländische Verluste in gleicher Weise wie inländische Verluste steuerlich zu berücksichtigen sind. Hiervon darf nur abgewichen werden, um eine doppelte Berücksichtigung von Verlusten zu vermeiden. Diese Gleichstellung mit inländischen Verlusten gebieten auch die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten. Im Hinblick darauf ist de lege ferenda eine Erweiterung des § 2a Abs. 3 EStG auf alle Fälle der abkommensrechtlichen Freistellung1 oder aber eine Option zur Steueranrechnung2 geboten. Im Übrigen kommt in Ausrichtung an das auch bei Anwendung von DBA maßgebliche Leistungsfähigkeitsprinzip ein Erlass aus Billigkeitsgründen (§§ 163, 227 AO) in Betracht. 3. Progressionsvorbehalt Die abkommensrechtliche Steuerbefreiung der Einkünfte hat auch Auswirkungen auf den Progressionsvorbehalt. Der Progressionsvorbehalt führt dazu, dass die nach einem DBA steuerbefreiten ausländischen Einkünfte bei der Ermittlung des Steuersatzeinkommens als steuerpflichtig zu behandeln sind.3 Das gilt unabhängig davon, ob die Steuerbefreiung bereits unmittelbar durch eine Verteilungsnorm oder erst durch Art. 23A OECD-MA als Vermeidungsnorm angeordnet wird.4
19.534
Soweit abkommensrechtliche Vermeidungsnormen die Steuerfreistellung gänzlich nicht unter Progressionsvorbehalt stellen, dürfen die entsprechenden ausländischen Einkünfte gleichwohl zwecks Anwendung eines höheren Steuersatzes in das im Inland zu versteuernde Einkommen einbezogen werden, weil die Steuerbefreiung sich nur auf die Einkünfte oder das Einkommen, nicht aber auf das Steuersatzeinkommen bezieht, aufgrund dessen ausschließlich die nicht steuerbefreiten Einkünfte höher belastet werden.5 Im Hinblick darauf ist ein nach na-
19.535
1 Vgl. auch Lüdicke/Braunagel in Lüdicke/Kempf/Brink, Verluste im Steuerrecht, 177 (180). 2 Vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 59. 3 Vgl. BFH v. 30.5.1990 – I R 179/86, BStBl. II 1990, 906; v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136; v. 13.11.1991 – I R 3/91, BStBl. II 1992, 345; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 121. 4 Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23 A/B OECD-MA Rz. 46; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 122; OECD-MK zu Art. 23A OECD-MA Rz. 55. Dies gilt jedoch nicht für Methodenartikel in deutschen DBA, die auf Art. 23A OECD-MA 1963 beruhen, bspw. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 DBA-Schweiz (vgl. Häck in F/W/K, Art. 24 DBASchweiz Rz. 38, 143). Der BFH (stv. BFH v. 14.7.2010 – X R 37/08, BStBl. II 2011, 628) hält die abkommensrechtlichen Regelungen aber ohnehin für rein deklaratorischer Natur (hiergegen Häck in F/W/K, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 38). 5 Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 226; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 122; anders noch BVerfG v. 10.3.1971 – 2 BvL 3/68, BStBl. II 1973, 431; BFH v. 12.1.1983 – I R 90/79, BStBl. II 1983, 382; v. 20.10.1982 – I R 104/79, BStBl. II 1983, 402.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
tionalem Recht vorgesehener Progressionsvorbehalt1 auch dann wirksam, wenn dieser abkommensrechtlich nicht vorgesehen ist.2 19.536
Der abkommensrechtliche Progressionsvorbehalt hat nur eine begrenzte Reichweite: Er gilt nur für die Einkommensteuer und somit zugleich auch für die Kirchensteuer und den Solidaritätszuschlag.3 Im Falle einer Organschaft kommt er ebenfalls zur Anwendung, soweit die abkommensrechtlich freigestellten Einkünfte der Organgesellschaft aufgrund eines Gewinnabführungsvertrages letztlich bei einer natürlichen Person steuerlich zu erfassen sind.4 Ihm unterliegen dagegen nicht solche freigestellten Einkommensteile und Vermögenswerte, die im Wohnsitzstaat ohnehin nicht steuerbar sind.5 Er gilt ferner nicht in den Fällen, in denen Einkünfte nicht nur abkommensrechtlich, sondern zugleich auch nach nationalem Recht steuerbefreit sind.6 Schließlich wird der Progressionsvorbehalt für bestimmte abkommensrechtlich freigestellte Einkünfte aus EU-/EWR-Staaten suspendiert (§ 32b Abs. 1 Satz 2 EStG). Dagegen kommt der Progressionsvorbehalt gem. § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG auch dann in Betracht, wenn Deutschland Quellenstaat ist. Dass insoweit abkommensrechtlich der Progressionsvorbehalt nur bei Freistellung durch den Ansässigkeitsstaat vorgesehen ist, spielt nach Auffassung des BFH keine Rolle.7
19.537
Der abkommensrechtliche Progressionsvorbehalt sieht die Einbeziehung der Einkünfte und Vermögenswerte in die Bemessungsgrundlage für Zwecke der Steuerfestsetzung vor. Aus deutscher Sicht8 gehören zu den Einkünften auch negative Einkünfte (Verluste), soweit abkommensrechtlich Nettobeträge erfasst werden (Rz. 19.531). Hieraus folgt, dass die Einbeziehung ausländischer Verluste, die sich im Rahmen freigestellter Einkunftsarten ergeben, für die übrigen inländischen positiven Einkünfte zu einem ermäßigten Steuersatz führt. Dieser nega1 § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG; hierzu Heinicke in Schmidt35, § 32b EStG Rz. 34. 2 BFH v. 14.7.2010 – X R 37/08, BStBl. II 2011, 628; v. 19.12.2001 – I R 63/00, BStBl. II 2003, 302; v. 15.5.2002 – I R 40/01, BStBl. II 2002, 660; v. 19.11.2003 – I R 19/03, BStBl. II 2004, 549; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 122; anders noch BVerfG v. 10.3.1971 – 2 BvL 3/68, BStBl. II 1973, 431; BFH v. 12.1.1983 – I R 90/79, BStBl. II 1983, 382; v. 20.10.1982 – I R 104/79, BStBl. II 1983, 402; dieser Streit hat wenig praktische Bedeutung, weil alle deutschen DBA einen Progressionsvorbehalt vorsehen; vgl. hierzu die Abkommensübersicht bei Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 227. 3 Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 237; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 125; zur Erbschaftsteuer vgl. den Progressionsvorbehalt gem. § 19 Abs. 2 ErbStG. 4 § 32b Abs. 1a EStG. 5 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 122. 6 Z.B. im Falle der Steuerbefreiung gem. § 3 Nr. 6 EStG; BFH v. 22.1.1997 – I R 152/94, BStBl. II 1997, 358; v. 15.12.1999 – I R 80/98, BFH/NV 2000, 832; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 122. 7 BFH v. 14.7.2010 – X R 37/08, BStBl. II 2011, 628; v. 19.12.2001 – I R 63/00, BStBl. II 2003, 302; v. 15.5.2002 – I R 40/01, BStBl. II 2002, 660; v. 19.11.2003 – I R 19/03, BStBl. II 2004, 549; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 122; Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 226; OECD-MK zu Art. 23A Rz. 56; a.A. Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 14. 8 Die Auslegung nach nationalem Recht ist mangels Abkommensdefinition und mangels Auslegung aus dem Abkommenszusammenhang gem. Art. 3 Abs. 2 OECD-MA geboten; vgl. BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57.
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Schaumburg/Häck
M. Vermeidung der Doppelbesteuerung
tive Progressionsvorbehalt kann zu einer Absenkung des Steuersatzes bis auf Null führen.1 Darüber hinaus ist eine Berücksichtigung im Rahmen eines Verlustrück- oder -vortrags nicht möglich.2 Soweit lediglich Einnahmen im Sinne von Bruttobeträgen von der Reichweite der abkommensrechtlichen Freistellungsmethode erfasst werden (Rz. 19.531), ist ein negativer Progressionsvorbehalt denklogisch von vorneherein ausgeschlossen.3 Da der negative Progressionsvorbehalt weder abkommensrechtlich noch gem. § 32b EStG davon abhängig ist, ob die entsprechenden Verluste im Quellenstaat steuerliche Berücksichtigung finden oder nicht, kann es im Ergebnis zu einer doppelten Verlustverrechnung dadurch kommen, dass die ausländischen Verluste im Quellenstaat im Rahmen eines Verlustrück- oder -vortrages und im Wohnsitzstaat im Rahmen eines negativen Progressionsvorbehaltes berücksichtigt werden.4
19.538
Auf dem Gebiet der Einkommensteuer, für die der Progressionsvorbehalt besondere Bedeutung hat,5 wird die Reichweite des negativen Progressionsvorbehaltes allerdings durch § 2a Abs. 1 und 2 EStG eingeschränkt. § 2a Abs. 1 und 2 EStG begründet für bestimmte ausländische Verluste ein partielles Verlustausgleichsverbot mit positiven inländischen Einkünften. Soweit die Verluste danach nicht ausgeglichen werden dürfen, mindern sie die positiven ausländischen Einkünfte jeweils derselben Art, die der Steuerpflichtige in den folgenden Veranlagungszeiträumen aus demselben Staat erzielt. Gesetzestechnisch führt die Anwendung des § 2a Abs. 1 und 2 EStG dazu, dass die dort näher bezeichneten ausländischen Verluste bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens (§ 2 Abs. 5 EStG) unberücksichtigt bleiben. Da das zu versteuernde Einkommen aber nicht nur Steuerbemessungsgrundlage, sondern auch Bemessungsgrundlage für die Höhe des Steuersatzes (Steuersatz-Einkommen) ist, wirkt sich § 2a Abs. 1 und 2 EStG auch auf § 32b EStG aus, der ebenfalls auf das Steuersatzeinkommen abstellt. Dies hat zur Folge, dass § 2a Abs. 1 und 2 EStG für die dort näher bezeichneten ausländischen Verluste den negativen Progressionsvorbehalt (§ 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG) ausschließt.6 Diese Einschränkung gilt auch für den abkommensrechtlichen Progressionsvorbehalt,7 da dieser im Kern lediglich darauf abzielt, für die nach einem DBA steuerbefreiten ausländischen Einkünfte partiell die deutsche Steuerpflicht dahingehend aufrechtzuerhalten, dass diese Einkünfte bei
19.539
1 BFH v. 25.5.1970 – I R 109/68, BStBl. II 1970, 660; Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 215; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 124. 2 Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 216. 3 Es gibt keine negativen Einnahmen. 4 Kritisch hierzu Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 217; Hellwig, DB 1989, 1364 f. 5 Körperschaft- und Gewerbesteuer haben demgegenüber keine progressiv ausgestalteten Steuersätze; der für die Erbschaftsteuer gem. § 19 Abs. 2 ErbStG vorgesehene Progressionsvorbehalt wird durch DBA nicht eingeschränkt; hierzu Jülicher in T/G/J, § 19 ErbStG Rz. 18. 6 BFH v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136; v. 12.12.1990 – I R 176/87, BFH/NV 1991, 820; v. 12.12.1990 – I R 127/88, BFH/NV 1992, 104; v. 13.5.1993 – IV R 69/92, BFH/NV 1994, 100; v. 13.11.2002 – I R 13/02, BStBl. II 2003, 795; v. 31.3.2004 – I R 71/03, BStBl. II 2004. 742. 7 BFH v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136; v. 13.5.1993 – IV R 69/92, BFH/NV 1994, 100; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 122.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
der Ermittlung des Steuersatzeinkommens als steuerpflichtig zu behandeln sind.1 Die Einbeziehung ausländischer Einkünfte in die Ermittlung des Steuersatzeinkommens beruht somit auf deutschem Einkommensteuerrecht, das der Gesetzgeber insoweit, ohne abkommensrechtlichen Schrankenwirkungen zu unterliegen, jederzeit ändern kann.2 Die vorstehenden Grundsätze gelten im Kern nur für negative Einkünfte aus Drittstaaten, da sich hierauf im Wesentlichen der Anwendungsbereich des § 2a Abs. 1, 2 EStG beschränkt (Rz. 6.69 ff.). Um jedoch auch für negative Einkünfte aus dem EU-/EWR-Bereich den (negativen) Progressionsvorbehalt auszuschließen, enthält § 32b Abs. 1 Satz 2 EStG einen entsprechenden Ausnahmekatalog.3 19.540
Neben § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG sieht auch § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG bei zeitweise unbeschränkter Steuerpflicht und § 2 Abs. 5 AStG bei erweitert beschränkter Steuerpflicht einen Progressionsvorbehalt vor. Dieser Progressionsvorbehalt betrifft Deutschland als Quellenstaat, für den abkommensrechtlich ein Progressionsvorbehalt zwar nicht vorgesehen, aber nach Auffassung des BFH auch nicht untersagt ist. Im Hinblick darauf ist der in § 32b Abs. 1 Nr. 2 EStG4 und § 2 Abs. 5 AStG vorgesehene Progressionsvorbehalt rechtspraktisch wirksam.5 4. Aufwandsabzug
19.541
Soweit aufgrund der abkommensrechtlichen Steuerfreistellung Einkünfte als Nettobeträge6 von der inländischen Besteuerung ausgenommen sind, folgt hieraus ohne weiteres ein Abzugsverbot weitergehender Aufwendungen im Inland. Welche Aufwendungen von der Reichweite der abkommensrechtlichen Freistellung der (Netto-)Einkünfte erfasst werden, ergibt sich indessen nicht stets unmittelbar aus den DBA, so dass insoweit in Anlehnung an § 3c Abs. 1 EStG nur solche Aufwendungen in das Abzugsverbot einzubeziehen sind, die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den entsprechenden Einnahmen stehen.7 Werden dagegen Einkünfte als Bruttobeträge8 von der inländischen Besteuerung 1 BFH v. 30.5.1990 – I R 179/86, BStBl. II 1990, 906; v. 17.10.1990 – I R 182/87, BStBl. II 1991, 136. 2 BFH v. 19.12.2001 – I R 63/00, BStBl. II 2003, 302; Gosch in Kirchhof15, § 2a EStG Rz. 48. 3 Die Suspendierung des (negativen) Progressionsvorbehaltes dient der Eingrenzung der fiskalischen Auswirkungen der durch den EuGH v. 29.3.2007 – Rs. C-347/04 – Rewe Zentralfinanz, Slg. 2007, I-2647 veranlassten Änderung des § 2a EStG; hierzu Rz. 6.77. 4 Zu den verfassungsrechtlichen Problemen dieser Vorschrift Lüdicke in FS Fischer, 731 (745 ff.); Lüdicke IStR 1999, 470 (471); Mössner, IStR 1997, 225 (228); die Verfassungsmäßigkeit wurde aber bejaht vom BFH v. 19.12.2001 – I R 63/00, BStBl. II 2003, 302; v. 15.5.2002 – I R 40/01, BStBl. II 2002, 660; v. 19.11.2003 – I R 19/03, BStBl. II 2004, 549. 5 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 122; BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1/2004, 3, Tz. 2.0.2.1. 6 So bei den Einkünften i.S. der Art. 6, 7, 8, 13, 14 a.F. und 17 OECD-MA; hierzu Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 21; ferner Rz. 19.531. 7 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 21; Krabbe, DB 1994, 242 ff.; Krabbe, in Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung im Internationalen Steuerrecht, 12 ff.; Ritter, BB 1994, 509 ff.; BMF v. 20.1.1997 – IV C 5 - S 1300 - 176/96, BStBl. I 1997, 99 = DStR 1997, 115. 8 So bei den Einkünften i.S. der Art. 10, 11, 12, 15, 16, 18, 19 und 20 OECD-MA; hierzu Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 21; ferner Rz. 19.531.
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M. Vermeidung der Doppelbesteuerung
ausgenommen, unterliegen in direkter Anwendung des § 3c Abs. 1 EStG nur die in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit den (steuerfreien) Einnahmen angefallenen Betriebsausgaben und Werbungskosten einem inländischen Abzugsverbot.1 Hieraus folgt: Fallen keine steuerfreien Einnahmen an, können, soweit die Voraussetzungen im Übrigen gegeben sind, Betriebsausgaben und Werbungskosten abgezogen werden.2 Indessen gelten für den wichtigsten Fall des Abzugs von Zinsen für Schulden, die zum Erwerb einer Beteiligung an einer ausländischen Kapitalgesellschaft aufgenommen worden sind, im Zusammenhang mit dem Teileinkünfteverfahren § 3c Abs. 2 EStG und im Übrigen im Rahmen der Abgeltungsteuer § 32d EStG sowie für den Bereich der Körperschaftsteuer die Sonderregelung des § 8b Abs. 5 KStG, wonach 5 % der Bruttodividende als nichtabzugsfähige Betriebsausgaben fingiert werden (Rz. 18.166 ff.). Eine vergleichbare Sonderregelung enthält § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG für steuerfreie Gewinne aus der Veräußerung von Kapitalanteilen. Darüber hinaus enthält § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG ein erweitertes Abzugsverbot für Teilwertabschreibungen,3 obwohl die Anwendung der Freistellungsmethode auf Veräußerungsgewinne eine steuerwirksame Teilwertabschreibung beim laufenden Gewinn im Grundsatz nicht ausschließt.4 Unberücksichtigt bleiben grundsätzlich auch Währungsverluste, und zwar auch dann, wenn sie, was die Regel ist, auch im anderen Vertragsstaat steuerlich ohne Wirkung bleiben.5
19.542
5. Betriebsstättenfreistellung In der deutschen Abkommenspraxis wird die Doppelbesteuerung von Betriebsstättengewinnen grundsätzlich durch Steuerfreistellung vermieden.6 Die Steuerfreistellung steht dabei unter Progressionsvorbehalt, der sich allerdings nur für die Einkommensteuer auswirkt (Rz. 19.536). In die Reichweite der Betriebsstättenfreistellung fallen auch Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren, soweit die zugrunde liegenden Stammrechte tatsächlich der Betriebsstätte im Betriebsstättenstaat zuzuordnen sind (Rz. 19.326 ff., 19.358, 19.370). Insoweit besteht ein Gleichlauf zwischen den Verteilungsnormen einerseits und Art. 23A OECD-MA als Vermeidungsnorm andererseits (Rz. 19.531).
19.543
Die Betriebsstättenfreistellung steht allerdings nicht selten unter Aktivitätsvorbehalt. Das bedeutet, dass die Steuerfreistellung nur dann gewährt wird, wenn die
19.544
1 BFH v. 21.4.1971 – I R 200/67, BStBl. II 1971, 694; v. 29.1.1986 – I R 22/85, BStBl. II 1986, 479; v. 29.5.1996 – I R 15/94, BStBl. II 1997, 57 (60, 63); v. 7.11.2001 – I R 3/01, BStBl. II 2002, 865; v. 20.3.2002 – I R 63/99, BStBl. II 2003, 50. 2 BFH v. 21.4.1971 – I R 200/67, BStBl. II 1971, 694; v. 29.1.1986 – I R 22/85, BStBl. II 1986, 479; v. 29.5.1996 – I R 15/94, BStBl. II 1997, 57 (60, 63); v. 26.3.2002 – VI R 26/00, BStBl. II 2002, 823; v. 26.3.2002 – VI R 45/00, BStBl. II 2002, 827; v. 4.11.2003 – VI R 28/03, BFH/NV 2004, 928; v. 13.10.2003 – VI R 71/02, BStBl. II 2004, 890; v. 25.6.2009 – IX R 42/08, BFH/NV 2009, 1696; v. 14.7.2009 – IX R 8/09, BFH/NV 2010, 399. 3 Ferner Gewinnminderungen im Zusammenhang mit Darlehensforderungen und aus der Inanspruchnahme von Sicherheiten gem. § 8b Abs. 3 Satz 4–7 KStG. 4 Hierzu Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 28. 5 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 29; dort auch zur fehlenden Berücksichtigung von Währungsgewinnen; s. auch Rz. 19.532. 6 Hierzu die Abkommensübersicht bei Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 16.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
Einkünfte aus aktiven Tätigkeiten der Betriebsstätte stammen. Ist das nicht der Fall, wird anstelle der Steuerfreistellung abkommensrechtlich lediglich die Steueranrechnung gewährt. Die im Abkommensrecht verankerten diesbezüglichen Aktivitätsklauseln enthalten entweder einen eigenständigen Aktivitätskatalog oder verweisen auf den Katalog des § 8 Abs. 1 AStG.1 Neben diesen bilateralen Aktivitätsklauseln hat auch die unilaterale Aktivitätsklausel des § 20 Abs. 2 AStG besondere Bedeutung: Werden in einer ausländischen Betriebsstätte niedrig besteuerte Einkünfte aus passivem Erwerb2 erzielt, so wird die Doppelbesteuerung nicht durch die abkommensrechtlich eigentlich vorgesehene Steuerfreistellung, sondern durch Steueranrechnung vermieden.3 Dieser Wechsel von der Freistellungs- zur Anrechnungsmethode ist zwar europarechtlich im Grundsatz nicht zu beanstanden,4 wegen der Bezugnahme auf die §§ 7 ff. AStG ist es aber im Hinblick auf die Grundfreiheiten (Rz. 4.21 ff.) geboten, auch § 8 Abs. 2 AStG (Rz. 13.140 ff.) anzuwenden.5 § 20 Abs. 2 AStG wird somit suspendiert, wenn in der ausländischen Betriebsstätte eine tatsächliche wirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt wird.6 Weitere Einschränkungen der Betriebsstättenfreistellung ergeben sich durch bilaterale und unilaterale Subject-to-Tax-Klauseln (Rz. 19.141). 6. Internationales Schachtelprivileg 19.545
Neben der Freistellung von Betriebsstätteneinkünften (Art. 7 Abs. 1 OECD-MA) und Einkünften aus unbeweglichem Vermögen (Art. 6 Abs. 1 OECD-MA) ist in der Abkommenspraxis das für Dividenden geltende internationale Schachtelprivileg ein weiterer Anwendungsfall der Steuerfreistellung im Wohnsitzstaat.7 Fast alle deutschen DBA gewähren ein derartiges internationales Schachtelprivileg.8 Das internationale Schachtelprivileg, das für die Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer gilt, dient der Vermeidung einer steuerlichen Mehrfachbelastung bei einem internationalen mehrstufigen Konzernaufbau. Eine körperschaftsteuerliche Mehrfachbelastung entsteht dadurch, dass der Gewinn grenzüberschreitend sowohl auf der Stufe der Muttergesellschaft und nach Ausschüttung sodann auf der Stufe der Tochtergesellschaft der Körperschaftsteuer unterworfen wird.
19.546
Diese Mehrfachbelastung wird allerdings bereits nach nationalem Recht gem. § 8b Abs. 1 KStG (Körperschaftsteuer) und gem. § 9 Nr. 7 GewStG (Gewerbesteuer)9 1 Vgl. hierzu den Überblick über die verschiedenen Aktivitätsklauseln (sieben Grundtypen) bei Wassermeyer/Schwenke in Wassermeyer, Anl. zu Art. 23A/B OECD-MA. 2 § 8 Abs. 1 und 3 AStG; hierzu Rz. 13.76 ff., 13.153 ff. 3 Vgl. hierzu Rz. 19.518. 4 EuGH v. 6.12.2007 – Rs. C-298/05 – Columbus Container, Slg. 2007, I-10451. 5 BFH v. 21.10.2009 – I R 114/08, IStR 2010, 149; vgl. auch Rz. 19.153. 6 Werden in der ausländischen Betriebsstätte passive Einkünfte i.S. von § 8 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a AStG erzielt, findet § 20 Abs. 2 AStG ohnehin keine Anwendung, vgl. § 20 Abs. 2 Satz 2 AStG. 7 Hierzu Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 67 ff.; Schäfer in Vogel/Wassermeyer u.a., Freistellung im Internationalen Steuerrecht, 29 ff. 8 Abkommensübersicht bei Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 90. 9 § 9 Nr. 7 GewStG gewährt (unter ggü. § 8b Abs. 1 KStG engeren Voraussetzungen) ein als Kürzung ausgestaltetes Schachtelprivileg, das im Gegensatz zum abkommensrechtlichen Schachtelprivileg auch für natürliche Personen und Personengesellschaften zur Anwendung kommt (Rz. 18.221).
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M. Vermeidung der Doppelbesteuerung
verhindert. Im Hinblick darauf hat das abkommensrechtlich verankerte internationale Schachtelprivileg nur insoweit Bedeutung, als dieses weiter reicht als die Steuerbefreiung gem. § 8b Abs. 1 KStG bzw. § 9 Nr. 7 GewStG (Rz. 18.144). Das ist etwa in den Fällen gegeben, in denen von der Reichweite des Dividendenbegriffs auch Einnahmen aus stiller Beteiligung erfasst werden (Rz. 19.333).1 Da sich die abkommensrechtliche Freistellung auf die Einnahmen bezieht, spielt die 5 %-Klausel des § 8b Abs. 5 KStG (sog. Schachtelstrafe) für die Frage, ob das internationale Schachtelprivileg über § 8b Abs. 1 KStG hinausreicht, keine Rolle.2 Soweit also das internationale Schachtelprivileg mit der Steuerbefreiung gem. § 8b Abs. 1 StG deckungsgleich ist, kommt im Ergebnis nicht § 3c Abs. 1 EStG, sondern § 8b Abs. 5 KStG zur Anwendung.3 Das in den abkommensrechtlichen Vermeidungsnormen verankerte internationale Schachtelprivileg korrespondiert regelmäßig mit einer Reduktion der Quellensteuer auf Schachteldividenden.4 In diesen Fällen verbleibt somit eine Mehrfachbelastung allenfalls in Höhe des ermäßigten Quellensteuersatzes. Das internationale Schachtelprivileg setzt abkommensrechtlich zumeist eine Beteiligung der Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft i.H. von 10, 15, 20 oder 25 % voraus.5
19.547
Für die Berechnung der Mindestbeteiligung wird entweder auf Anteile am Kapital oder auf stimmberechtigte Anteile,6 die eine unmittelbare Beteiligung7 an der Kapitalgesellschaft vermitteln, abgestellt. Eine Mindestbesitzdauer wird nicht verlangt. Das bedeutet, dass die Mindestbeteiligungsquote zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld nach dem Recht des jeweiligen Quellenstaates erfüllt sein muss.8
19.548
Obwohl das internationale Schachtelprivileg nach dem Wortlaut der einschlägigen abkommensrechtlichen Vermeidungsnormen nur für Ausschüttungen an Kapitalgesellschaften in Betracht kommt, wird es seitens der Finanzverwaltung allen unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften, Personenvereinigungen
19.549
1 Zur i.Ü. verbleibenden Bedeutung des abkommensrechtlichen Schachtelprivilegs vgl. stv. Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 70; Häck in F/W/K, Art. 24 DBASchweiz Rz. 49, 101. 2 BFH v. 29.8.2012 – I R 7/12, BStBl. II 2013, 89. 3 BFH v. 29.8.2012 – I R 7/12, BStBl. II 2013, 89; FG Saarland v. 24.3.2015 – 1 K 1162/13, EFG 2015, 1850 (Revision beim BFH unter Az.: I R 29/15); Frotscher in Frotscher/Drüen, § 8b KStG Rz. 85a; Gosch in FS Herzig, 63 (86 f.); a.A. Hageböke, IStR 2009, 473 ff.; Lorenz, IStR 2009, 437 (444). Zum Ganzen ausf. Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 71; Häck in F/W/K, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 102. 4 Art. 10 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA (5 % statt 15 %); keine Quellensteuer bei Ausschüttungen an EU-Muttergesellschaften gem. § 43 EStG. 5 Abkommensübersicht bei Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 90. 6 Abkommensübersicht bei Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 96. 7 Auch eine Beteiligung über eine zwischengeschaltete in- oder ausländische Personengesellschaft ist schädlich; vgl. Rz. 19.350 f.; anders gem. § 8b Abs. 6 KStG und gem. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 Buchst. b DBA-Schweiz (hierzu Häck in F/W/K, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 115). 8 BFH v. 8.7.1998 – I R 57/97, BStBl. II 1998, 672; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 55; Häck in F/W/K, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 114.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
und Vermögensmassen im Sinne des Körperschaftsteuergesetzes gewährt.1 Ausgeschlossen ist die Freistellung von Dividenden allerdings in den Fällen, in denen die Dividenden letztlich natürlichen Personen zuzurechnen sind (§ 50d Abs. 11 EStG).2 19.550
In der deutschen Vertragspraxis greift das internationale Schachtelprivileg grundsätzlich ohne Rücksicht darauf ein, ob die Gewinne der ausländischen Tochtergesellschaft oder die diesbezüglichen Ausschüttungen im Quellenstaat einer Besteuerung unterliegen.3 Einschränkungen ergeben sich aufgrund von Aktivitätsvorbehalten, die die meisten neueren deutschen DBA enthalten.4 Werden die Voraussetzungen des jeweiligen Aktivitätsvorbehaltes nicht erfüllt, unterliegen die Dividenden uneingeschränkt der deutschen Körperschaftsteuer, soweit nicht die nicht unter Aktivitätsvorbehalt gestellte Steuerfreistellung gem. § 8b Abs. 1 KStG eingreift.5 Ist ausnahmsweise die Körperschaftsteuerpflicht der Dividende gegeben, kann die im anderen Vertragsstaat erhobene Quellensteuer angerechnet (Art. 23A Abs. 2 OECD-MA) oder aber vom Gesamtbetrag der Einkünfte der deutschen Muttergesellschaft abgezogen werden (§ 34c Abs. 2 EStG, § 26 Abs. 6 KStG).
19.551
Werden die aufgrund des internationalen Schachtelprivilegs freigestellten Schachteldividenden im Rahmen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft (§§ 14 ff. KStG) von der Organgesellschaft dem vorgeschalteten Organträger zugerechnet, so kann dieser gem. § 15 Satz 2 KStG im Rahmen der anzuwendenden sog. Bruttomethode diese Steuerbefreiung im Ergebnis nur in Anspruch nehmen, wenn ihm bei unmittelbarer Beteiligung an der ausschüttenden ausländischen Kapitalgesellschaft diese selbst zustände.6 Ist Organträgerin eine Personengesellschaft, kann daher das internationale Schachtelprivileg nur insoweit beansprucht werden, als Körperschaften beteiligt sind.
III. Steueranrechnung 1. Grundsätze 19.552
Neben der Steuerfreistellung sehen die abkommensrechtlichen Vermeidungsnormen als weitere Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die Steueranrechnung vor (Art. 23A Abs. 2 und Art. 23B Abs. 1 OECD-MA). Ebenso wie 1 Hierzu Grotherr in G/K/G, Art. 23A/23B OECD-MA Rz. 85; Ausnahme: Stiftungen, deren Zuwendungen bei den Destinatären nicht der Besteuerung unterliegen; vgl. BMF v. 12.5.1989 – IV C 5 - S 1300 - 186/89, RIW 1989, 501; Vfg. OFD Frankfurt v. 1.11.1994, DB 1994, 2591. 2 Nichtanwendungsgesetz mit Wirkung ab VZ 2012 gegen BFH v. 19.5.2010 – I R 62/09, BFH/NV 2010, 1919, wonach die Freistellung für Dividenden auch einer KGaA mit einer PersG als persönlich haftende Gesellschafterin zusteht. 3 Vermeidung der virtuellen Doppelbesteuerung. Zur Anwendung des DBA-Schachtelprivilegs bei Bestehen einer Subject-to-Tax-Klausel vgl. Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-Rz. 80. 4 Abkommensübersicht bei Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 90. 5 Für Gewerbesteuerzwecke macht § 9 Nr. 7 GewStG zumindest partiell die Steuerbefreiung von aktiven Tätigkeiten abhängig. 6 Zu Einzelheiten Neumann in Gosch3, § 15 KStG Rz. 30 ff.
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M. Vermeidung der Doppelbesteuerung
die Steuerfreistellung ist auch die Steueranrechnung nur vom Wohnsitzstaat vorzunehmen. In der internationalen Abkommenspraxis ist die Steueranrechnung originär vorgesehen insbesondere für Dividenden, Zinsen und Lizenzen.1 Darüber hinaus ist die Steueranrechnung die subsidiäre Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung in den Fällen, in denen die Voraussetzungen der an sich vorgesehenen Freistellungsmethode nicht erfüllt sind. Ein derartiger Methodenwechsel ist vorgesehen bei Nichterfüllung von Aktivitätsklauseln2 für Betriebsstätteneinkünfte (Rz. 19.544) und Schachteldividenden (Rz. 19.550), bei Rückfallklauseln (Subject-to-Tax-Klauseln),3 in denen die Steuerfreistellung in dem einen Staat unter den Vorbehalt der tatsächlichen Besteuerung in dem anderen Staat gestellt werden, bei bilateralen und unilateralen Switch-over-Klauseln,4 insbesondere in Fällen der Minder- oder Nichtbesteuerung durch Qualifikationsoder Zurechnungskonflikte und durch Abkommensmissbrauch (Rz. 19.140) und nach Maßgabe des Art. 23A Abs. 4 OECD-MA zwecks Vermeidung einer doppelten Nichtversteuerung bei Meinungsverschiedenheiten der Vertragsstaaten über die Anwendung des Abkommens.5 Die bilaterale Steueranrechnung geht zwar der in § 34c EStG und § 26 KStG verankerten unilateralen Steueranrechnung vor (§ 34c Abs. 6 Satz 1 EStG, § 26 Abs. 1 Satz 1 KStG), die Anrechnungsvorschriften des innerstaatlichen Rechts bleiben aber anwendbar, soweit abkommensrechtlich die Doppelbesteuerung nicht beseitigt wird6 oder aber nicht alle Steuern des anderen Staates einbezogen sind.7 In diesen Fällen eröffnet sich die Möglichkeit der Steueranrechnung gem. § 34c Abs. 1 EStG oder aber alternativ des Steuerabzuges gem. § 34c Abs. 2 EStG.8 Anstelle der bilateralen Steueranrechnung kann zudem stets die unilaterale Abzugsmethode (§ 34c Abs. 2 EStG) angewendet werden.9 Da schließlich die DBA die technischen Einzelheiten der Steueranrechnung nicht selbst regeln, gelten diesbezüglich ebenfalls die Regeln des nationalen Rechts.10
1 Hierzu die Übersicht bei Grotherr in G/K/G, Art. 23A/23B OECD-MA Rz. 217. 2 Hierzu Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 84 ff.; ferner Rz. 19.138. 3 Hierzu Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 73 ff.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 156 ff.; ferner Rz. 19.141. 4 Hierzu die Abkommensübersicht bei Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 136; unilateral: § 20 Abs. 2 AStG; § 50d Abs. 9 EStG. 5 Die Steueranrechnung als Rechtsfolge ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus Art. 23A Abs. 4 OECD-MA, aber aus einer analogen Anwendung des Art. 23A Abs. 2 OECD-MA; hierzu Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 143. 6 Das gilt nicht, wenn im anderen Staat lediglich bestimmte Fristen für eine Steuerermäßigung nicht eingehalten wurden; BFH v. 15.3.1995 – I R 98/94, BStBl. II 1995, 580. 7 So etwa die von den Gliedstaaten erhobenen Einkommensteuern. 8 § 34c Abs. 6 Satz 3 EStG; § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG. 9 § 34c Abs. 6 Satz 2 EStG, § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG; das gilt nicht bei Anrechnung fiktiver Steuern. 10 Vgl. § 34c Abs. 6 Satz 2 EStG, § 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KStG; umfassend zum Verhältnis zu § 34c EStG Grotherr in G/K/G, Art. 23A/23B OECD-MA Rz. 206 ff.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
2. Anrechenbare Steuern 19.553
Anrechenbar sind nur jene Steuern, die als Steuern vom Einkommen und vom Vermögen unter die DBA fallen. Aus deutscher Sicht gehören hierzu die Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer.1
19.554
Obwohl abkommensrechtlich das Anrechnungsgebot auch die Gewerbesteuer erfasst,2 werden in der Anrechnungspraxis tatsächlich ausländische Steuern nicht auf die Gewerbesteuer angerechnet. Für diese Anrechnung enthält das Gewerbesteuergesetz auch keine entsprechenden Regelungen. Angesichts der Höhe der Einkommen- und Körperschaftsteuer mag die Anrechnung ausländischer Steuern auf die deutsche Gewerbesteuer in der Vergangenheit keine große Bedeutung erlangt haben, angesichts der insbesondere derzeit bestehenden Körperschaftsteuerbelastung sind Anrechnungsüberhänge nicht selten. In diesen Fällen ist eine Anrechnung auch auf die deutsche Gewerbesteuer geboten, weil nur so dem teleologischen Ziel der DBA – Vermeidung der Doppelbesteuerung – entsprochen werden kann. Da das Gewerbesteuergesetz keine spezifischen Anrechnungsregeln enthält, ist § 34c EStG, § 26 KStG analog anzuwenden.3 Zuständig für die Entscheidung über die Anrechnung auf die Gewerbesteuer ist das (Betriebsstätten-)Finanzamt im Rahmen des Gewerbesteuermessbescheids, nicht die den Gewerbesteuerbescheid erlassende Gemeinde.4 Entsprechend ist die materiellrechtliche Frage der Anrechnung auf die Gewerbesteuer im finanzgerichtlichen Verfahren zu klären.5
19.555
Anrechenbar sind diese Steuern allerdings nur, soweit sie auf Einkünfte erhoben werden, die nach den abkommensrechtlichen Verteilungsnormen im Quellenstaat besteuert werden können, wobei die Anrechnungsverpflichtung des Wohnsitzstaates nicht über die Steuerbefugnis des Quellenstaates hinausgeht.6 1 Hierzu die Übersicht bei Grotherr in G/K/G, Art. 23A/23B OECD-MA Rz. 217. 2 Für die Gewerbesteuer sehen die DBA teilweise ausdrückliche eine Ausnahme vor (bspw. Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 DBA-Schweiz). 3 Für eine Anrechnung auf die Gewerbesteuer im Falle von Anrechnungsüberhängen Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 138; Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 111; M. Frotscher in FS Frotscher, 115 (121 ff.); Kessler in FS Frotscher, 317 (329 f.); Haarmann in FS Gosch, 123 ff.; Becker/Loose, IStR 2012, 57 (58); Kessler/Dietrich, IStR 2011, 108 ff., 953 ff.; Lechner, SWI 1991, 68 (71 ff.); Heurung/Seidel, IWB 2009, Gr. 5, F. 3, 687 ff.; tendenziell auch FG Nds. v. 16.7.2015 – 6 K 196/13, EFG 2015, 220; a.A. Eglmaier, IStR 2011, 951 ff., 955 ff.; tw. a.A. Lüdicke in F/W/B/S, § 34c EStG Rz. 172; zweifelnd Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 104; Schnitger, IStR 2013, 616 (628). 4 BVerwG v. 12.8.2014 – 9 B 23/14, HFR 2014, 1871; a.A. FG Nds. v. 16.7.2015 – 6 K 196/13, EFG 2015, 220. 5 BVerwG v. 12.8.2014 – 9 B 23/14, HFR 2014, 1871; a.A. FG Nds. v. 16.7.2015 – 6 K 196/13, EFG 2015, 220. 6 Anrechnung also nur bis zur Höhe etwa der gem. Art. 10 Abs. 2 Satz 1; 11 Abs. 2 Satz 1 OECD-MA vorgesehenen Quellensteuern; BFH v. 15.3.1995 – I R 98/94, BStBl. II 1995, 580; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23B OECD-MA Rz. 42; in Konfliktfällen ist ein Verständigungsverfahren geboten; für besondere abkommensrechtliche Quellenregeln, um sicherzustellen, dass die Anrechnung nicht daran scheitert, dass die Einkünfte nach den ergänzend heranzuziehenden innerstaatlichen Anrechungsvorschriften des Ansässigkeitsstaates als nicht aus dem anderen Vertragsstaat stammend angesehen werden, Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 102 ff.
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M. Vermeidung der Doppelbesteuerung
Da die Begriffe Einkünfte und Vermögen abkommensrechtlich nicht definiert sind, gilt insoweit das jeweilige nationale Recht des Wohnsitzstaates, soweit sich aus dem Abkommenszusammenhang nichts anderes ergibt (Art. 3 Abs. 2 OECD-MA). Das ist hier der Fall: Die für die Steueranrechnung maßgeblichen Vermeidungsnormen der DBA knüpfen hinsichtlich der Begriffe Einkünfte und Vermögen an die abkommensrechtlichen Verteilungsnormen an,1 so dass diese teils Nettobeträge (Art. 6, 7, 8, 13, 14 a.F. und 17 OECD-MA) und teils Bruttobeträge (Art. 10 bis 12, 15, 16, 18, 19 und 20 OECD-MA) sind.2 Dieser duale Einkünfte- und Vermögensbegriff hat allerdings eine begrenzte Reichweite, weil der Wohnsitzstaat nach Maßgabe seines innerstaatlichen Rechts entweder die Einkünfte im Sinne von Netto- oder Bruttoerträgen versteuern darf.3 Da in Deutschland grundsätzlich das Nettoprinzip (Rz. 6.69) gilt, kann aufgrund der auch für die bilaterale Steueranrechnung geltenden Höchstbetragsberechnung eine Doppelbesteuerung dann nicht vermieden werden, wenn die auf Bruttobasis erhobene ausländische Steuer die inländische Steuer übersteigt (Rz. 18.108).
19.556
Anrechnungsberechtigt ist zwar grundsätzlich der Schuldner der ausländischen Steuer, wegen der unterschiedlichen Steuersysteme wird indessen auf eine strenge Subjektsidentität in der internationalen Abkommenspraxis verzichtet (zur Subjektsidentität Rz. 15.4).
19.557
Die abkommensrechtlichen Vermeidungsnormen sehen lediglich eine beschränkte Anrechnung vor, so dass die anrechenbare ausländische Steuer auf die Höhe der entsprechenden anteiligen Inlandssteuer begrenzt ist (Art. 23A Abs. 2 Satz 2 und Art. 23B Abs. 1 Satz 2 OECD-MA). Hiernach berechnet sich der für die Steuern vom Einkommen maßgebliche Höchstbetrag nach der folgenden Formel:4
19.558
Hochstbetrag ¼ ¨
Steuer des Wohnsitzstaates vor Anrechnung Einkunfte im Quellenstaat ¨ Einkommen nach dem Recht des Wohnsitzstaates
Da diese Höchstbetragsformel die Spezifikation des deutschen Steuerrechts unberücksichtigt lässt, ist ergänzend § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG5 heranzuziehen, so dass im Ergebnis auf die dort verankerte Höchstbetragsformel (Rz. 18.104 ff.) abzustellen ist.6 Die Steuer des Wohnsitzstaates vor Anrechnung ist ausschließlich nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts des Wohnsitzstaates zu berechnen, wobei ausländische Einkünfte einzubeziehen sind, soweit das inländische Recht dies vorsieht. Im Hinblick darauf bleiben bei der Ermittlung der Einkünfte aus dem Quellenstaat in Anwendung des § 34c Abs. 1 Satz 3 EStG die nach dortigem Recht nicht besteuerten Einkünfte außer Betracht (Rz. 18.104). Die Einkünfte im Quellenstaat sind ihrer Höhe nach ebenfalls nach Maßgabe des innerstaatlichen Steu1 Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 127; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23B OECD-MA Rz. 17; zu den Gründen hierzu Rz. 19.531. 2 BFH v. 29.5.1996 – I R 15/94, BStBl. II 1997, 57 (60, 63); zu Einzelheiten Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23B OECD-MA Rz. 17. 3 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23B OECD-MA Rz. 17. 4 Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 124. 5 § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG wurde neugefasst durch G. v. 22.12.2014, BGBl. I 2014, 2417. 6 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 107.
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
errechts des Wohnsitzstaates zu ermitteln1 und sodann dem Welteinkommen (Summe der Einkünfte) gegenüberzustellen. In Übereinstimmung mit dem Abkommensrecht gilt hierbei aus deutscher Sicht das Nettoeinkommen bzw. Nettovermögen,2 wobei für Zwecke der Höchstbetragsberechnung bei den ausländischen Einkünften in Anlehnung an § 34c Abs. 1 Satz 4 EStG diejenigen Kosten berücksichtigungsfähig sind, die mit den Einkünften zugrunde liegenden Einnahmen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen (Rz. 18.62 ff.). 19.560
Der Ansatz des Nettoeinkommens (Summe der Einkünfte) für Zwecke der Höchstbetragsberechnung ist nur dann plausibel, wenn im Quellenstaat die Steuer ebenfalls auf Nettobasis erhoben wird. Indessen ist das Nettoprinzip insbesondere bei der Besteuerung von Steuerausländern nicht durchgängig verwirklicht. So werden in der internationalen Besteuerungspraxis Quellensteuern insbesondere von Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren auf Bruttobasis erhoben.3 Dieser Systembruch ergibt sich nicht nur aus dem jeweiligen nationalen Recht, sondern auch aus den DBA selbst, weil diese dem Quellenstaat einerseits eine Besteuerung auf Bruttobasis zugestehen (Art. 10 Abs. 2 und Art. 11 Abs. 2 OECD-MA), für die Anrechnung im Wohnsitzstaat andererseits dagegen einen auf Nettobasis errechneten Höchstbetrag vorsehen. In diesen Fällen kann die Doppelbesteuerung nicht in vollem Umfange vermieden werden.
19.561
Im Rahmen der Höchstbetragsberechnung wird, soweit die Wohnsitzstaaten einen progressiven Steuertarif anwenden, der Durchschnittssteuersatz zugrunde gelegt. Dies wird damit gerechtfertigt, dass die in- und ausländischen Teile des Welteinkommens bzw. Weltvermögens gleichermaßen mit Steuer belastet sind.4 In einigen deutschen DBA ist daher die Anwendung des Durchschnittssteuersatzes bei der Höchstbetragsberechnung ausdrücklich vorgesehen.5
19.562
Für die Berechnung des Höchstbetrages nach Abkommensrecht wird im Wohnsitzstaat insgesamt6 auf die Höhe der Einkünfte im jeweiligen Quellenstaat abgestellt.7 Diese per country limitation ist zwar für die bilaterale Vermeidung der Doppelbesteuerung konsequent, hierdurch ist aber dem Wohnsitzstaat nicht die Möglichkeit genommen, bei der Höchstbetragsberechnung nach nationalem Recht die overall limitation anzuwenden (Rz. 18.107).
19.563
Die Höchstbetragsberechnung bezieht sich zwar auf alle in den Verteilungsnormen genannten Einkunftsarten, für die das Anrechnungsverfahren vorgesehen
1 BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23B OECD-MA Rz. 17, 18. 2 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23B OECD-MA Rz. 17. 3 In Deutschland ergibt sich dies aus der in § 50 Abs. 2 Satz 1 EStG verankerten Abgeltungswirkung; zur Verfassungsmäßigkeit der Bruttobesteuerung im Einzelnen Rz. 6.131 ff. 4 BFH v. 7.12.1962 – VI 83/61 S, BStBl. III 1963, 123. 5 Abkommensübersicht bei Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 171. 6 Nicht getrennt nach Einkunftsarten im Sinne einer limitation per item of income. 7 Die anrechnungsfähigen Steuern der jeweils gleichen Art werden zusammengefasst; BFH v. 20.12.1995 – I R 57/94, BStBl. II 1996, 261; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 103; Grotherr in G/K/G, Art. 23A/23B OECD-MA Rz. 245.
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M. Vermeidung der Doppelbesteuerung
ist,1 sie ist aber für jede unter das betreffende Abkommen fallende Steuer gesondert zu berechnen.2 Der Höchstbetrag stellt die Obergrenze dar, bis zu der die ausländische Steuer angerechnet werden kann. Die ausländische Steuer ist hierbei in die Währung des Wohnsitzstaates umzurechnen, wobei der Wechselkurs am Tag der Steuerzahlung zugrunde zu legen ist.3 Es ist nicht erforderlich, dass die anrechenbare Steuer des Quellenstaates für den gleichen Zeitraum festgesetzt und gezahlt worden ist wie die entsprechende Steuer im Wohnsitzstaat. Die abkommensrechtlichen Vermeidungsnormen schreiben eine Zeitraumidentität in diesem Sinne nicht vor. Weichen etwa Steuerperiode, also der Zeitraum, für den die Steuer erhoben wird, und Bemessungsperiode, also der Zeitraum, der für die Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage maßgebend ist, im Quellenstaat voneinander ab, so ist diejenige Steuer des Quellenstaates anzurechnen, die für das Jahr erhoben wird, das dem Veranlagungszeitraum im Wohnsitzstaat entspricht.4 Ein Abstellen auf die mehr oder weniger zufällig identische Steuerperiode würde dagegen bei abweichender Bemessungsperiode eine Doppelbesteuerung schon im Ansatz nicht vermeiden können. Die Anrechnung liefe ins Leere, wenn der Steuer im Quellenstaat im betreffenden Veranlagungszeitraum nicht entsprechende Einkünfte im Wohnsitzstaat gegenüberständen.
19.564
Übersteigt die Steuer im Quellenstaat die entsprechende Steuer des Wohnsitzstaates, so entstehen Anrechnungsüberhänge, für die nach den abkommensrechtlichen Vermeidungsnormen keine weitere Berücksichtigung vorgesehen ist. Dies schließt indessen nicht aus, dass derartige Anrechnungsüberhänge im Rahmen eines Anrechnungsvor- oder -rücktrags (carry forward, carry back) steuerlich zur Geltung gebracht werden können.5 Nach deutschem Steuerrecht können derartige Anrechnungsüberhänge unmittelbar steuerlich allerdings nicht berücksichtigt werden.6 Gemäß § 34c Abs. 2 EStG besteht lediglich die Möglichkeit, auf die Steueranrechnung insgesamt zu verzichten und stattdessen die ausländische Steuer von der Bemessungsgrundlage abzuziehen (Rz. 18.113 ff.).
19.565
1 Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 146. 2 Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 146. 3 Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 140; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 98; Piltz, Währungsschwankungen und die Methoden zur Vermeidung der Internationalen Doppelbesteuerung, Inst.FuSt. (Brief 125), 30 ff.; hierzu kritisch Wlecke, Währungsumrechnung und Gewinnbesteuerung bei international tätigen deutschen Unternehmen, 399 f.; Malinski, Währungsschwankungen und Doppelbesteuerung, 121 ff. 4 BFH v. 31.7.1991 – I R 51/89, BStBl. II 1991, 922; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 23A OECD-MA Rz. 113; Grotherr in G/K/G, Art. 23A/23B OECD-MA Rz. 252. 5 So in wichtigen ausländischen Staaten, hierzu im Einzelnen Juch, CDFI LXVIb (1981), 81 (101). 6 Aus europarechtlichen Gründen ist eine Berücksichtigung indessen geboten; vgl. Schönfeld in F/W/B/S, Vor § 34c EStG Rz. 34; Lüdicke, Überlegungen zur deutschen DBA-Politik, 108; Cordewener/Schnitger, StuW 2006, 50 (74 ff.).
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Kap. 19 Bilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA)
3. Anrechnung fiktiver Steuern 19.566
Die Anrechnungsmethode hat den wesentlichen Nachteil, dass etwaige für Zwecke der Investitionsförderung gewährte Steuervorteile des Quellenstaates im Rahmen der Anrechnung im Wohnsitzstaat kompensiert werden. Damit kommen derartige Steuervergünstigungen des Quellenstaates prinzipiell nicht dem Steuerpflichtigen, sondern dem Fiskus des Wohnsitzstaates zugute. Um die Steueranreize des Quellenstaates aufrechtzuerhalten, wird in der internationalen Abkommenspraxis die Anrechnung fiktiver Steuern gewährt.1 Die Anrechnung fiktiver Steuern ist insbesondere in Abkommen mit Entwicklungsländern vorgesehen. Dies gilt auch für die deutsche Abkommenspraxis.2 Die Anrechnung erfolgt hierbei entweder in Höhe derjenigen Steuer, die sich nach dem Recht des Quellenstaates ohne Sonderermäßigung ergeben hätte (tax sparing credit)3 oder aber unabhängig von der Sonderermäßigung in Höhe eines bestimmten Betrages (matching credit).4 Nicht selten wird der matching credit in Höhe der Steuer des Wohnsitzstaates gewährt, so dass die Steueranrechnung insoweit letztlich die Wirkung einer Steuerfreistellung erlangt.5
19.567
In den Fällen, in denen keine inländischen Steuern gezahlt werden, geht die Anrechnung fiktiver Steuern ins Leere. Der hierfür auch in Abkommensfällen an sich vorgesehene alternative Steuerabzug gem. § 34c Abs. 2 EStG bleibt allerdings versagt (§ 34c Abs. 6 Satz 2 Halbs. 2 EStG), so dass im Ergebnis nur die tatsächlich gezahlte Auslandssteuer abgezogen werden darf.6
Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 192. Abkommensübersicht bei Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 191. Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 194. Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 195; Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECDRz. 109; zu Einzelheiten Tumpel in Gassner/Lang/Lechner, Methoden zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, 61 ff.; Weidmann, Die Bank 1989, 539 ff.; Wagner, StBp. 1993, 108 ff.; Wagner, StBp. 1996, 298 (299 ff.); Depping, DStZ 1995, 294 ff. 5 Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 196. 6 Grotherr in G/K/G, Art. 23A/23B OECD-MA Rz. 262/7.
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4. Teil Übergreifende Themen Kapitel 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht A. Grundlagen . . . . . . . . . . . . I. Internationales Umwandlungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . II. Internationales Umwandlungssteuerrecht . . . . . . . . . . . . . 1. Begriffsbildung und Normengefüge . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Dogmatische Grundlagen . . . . a) Steuerliche Gewinnrealisierung . . . . . . . . . . . . . . . b) Steuerrechtliche Legitimation des Realisationsprinzips . . . c) Steuerliche Durchbrechungen des Realisationsprinzips . . . d) Europarechtliche Restriktionen . . . . . . . . . . . . . . . . B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . II. Verschmelzung . . . . . . . . . . 1. Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich des UmwStG . . . . . . . . . . . . b) Auswirkungen bei der übertragenden Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . c) Auswirkungen bei der übernehmenden Personengesellschaft und ihren Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich des UmwStG . . . . . . . . . . . . b) Auswirkungen bei der übertragenden Kapitalgesellschaft c) Auswirkungen bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . d) Auswirkungen bei den Gesellschaftern . . . . . . . .
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20.1 20.1
20.4
20.4 20.11 20.11 20.17
20.18 20.23
20.26 20.26 20.29 20.29 20.29 20.30
20.35
20.46 20.46 20.47 20.51
3. Verschmelzung von Personengesellschaften auf Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich des UmwStG . . . . . . . . . . . . b) Steuerfolgen für unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . c) Steuerfolgen für beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . . . d) Besteuerung bei späterer Veräußerung der erhaltenen Anteile . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verschmelzung von Personengesellschaften auf Personengesellschaften . . . . . . . . . . . III. Spaltung . . . . . . . . . . . . . . IV. Formwechsel . . . . . . . . . . . C. Grenzüberschreitende Umwandlungen . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . II. Verschmelzung . . . . . . . . . . 1. Verschmelzung unter Beteiligung von Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . a) Anwendungsbereich des UmwG und des UmwStG . . . . . . . . . . . . b) Hinausverschmelzung auf EU-/EWR-Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Ebene der übertragenden Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . bb) Ebene der übernehmenden EU-EWRKapitalgesellschaft . . . . cc) Ebene der Gesellschafter
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20.56 20.56
20.58
20.60
20.63
20.67 20.71 20.74 20.75 20.75 20.78 20.78 20.80 20.80 20.82 20.82
20.87 20.89
20.52
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
III. IV. 1. 2.
3. V. 1.
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c) Hereinverschmelzung von EU-EWR-Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . 20.94 aa) Ebene der übertragenden EU-/EWR-Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . 20.94 bb) Ebene der übernehmenden Kapitalgesellschaft . 20.97 cc) Ebene der Gesellschafter . . . . . . . . . . . . . . 20.99 Spaltung . . . . . . . . . . . . . . 20.100 (Grenzüberschreitender) Formwechsel . . . . . . . . . . . . . . . 20.101 Allgemeines . . . . . . . . . . . . 20.101 Grenzüberschreitender Formwechsel von Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20.104 a) Wegzug („Hinausformwechsel“) . . . . . . . . . . . . 20.105 b) Zuzug („Hereinformwechsel“) . . . . . . . . . . . . 20.108 Grenzüberschreitender Formwechsel von Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . 20.110 Einbringungen durch Einzelrechtsnachfolge . . . . . . . . . . 20.113 Einbringung in Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . 20.113 a) Einbringung von Sachgesamtheiten . . . . . . . . . . 20.113 aa) Einbringung in inländische Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . 20.115 bb) Einbringung in ausländische Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . 20.119 cc) Besteuerung bei späterer Veräußerung der erhaltenen Anteile . . . . . . . . 20.125 b) Anteilstausch . . . . . . . . . 20.126 aa) Steuerfolgen auf Ebene unbeschränkt steuerpflichtiger Anteilseigner . . . . . . . . . . . . . . 20.128 bb) Steuerfolgen auf Ebene beschränkt steuerpflichtiger Anteilseigner . . . . 20.130 cc) Besteuerung bei späterer Veräußerung der erhaltenen Anteile . . . . . . . . 20.132
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2. Einbringung in Personengesellschaften . . . . . . . . . . . 20.133 D. Ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug . . . . . . . . . 20.139 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . 20.139 1. Anwendungsbereich des UmwStG . . . . . . . . . . . . . . 20.139 2. Notwendige Vergleichbarkeit ausländischer Umwandlungsvorgänge . . . . . . . . . . . . . . 20.144 II. Verschmelzung . . . . . . . . . . 20.148 1. Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . 20.148 a) Verschmelzung von EU-/ EWR-Kapitalgesellschaften . 20.148 b) Verschmelzung von Drittstaaten-Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . 20.151 2. Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . 20.154 a) EU-/EWR-Verschmelzungen (§ 11 UmwStG) . . . . . . . . 20.155 b) Drittstaatenverschmelzungen (§ 12 Abs. 2 UmwStG) . . . . . . . . . . . . 20.157 aa) Ebene der übertragenden Kapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . . 20.158 bb) Ebene der übernehmenden Kapitalgesellschaft . 20.159 cc) Ebene der Gesellschafter 20.160 3. Verschmelzung von Personengesellschaften auf Kapitalgesellschaften . . . . . . . . . . . . 20.161 a) Verschmelzung auf EU-/ EWR-Kapitalgesellschaften . 20.162 b) Verschmelzung auf Drittstaatenkapitalgesellschaft . . . . . . . . . . . 20.170 4. Verschmelzung von Personengesellschaften auf Personengesellschaften . . . . . . . . . . . 20.174 III. Spaltung . . . . . . . . . . . . . . 20.176 IV. Formwechsel . . . . . . . . . . . 20.179
A. Grundlagen
A. Grundlagen Literatur Kommentare zum UmwG/UmwStG; Benz/Böhmer, Das BMF-Schreiben zu § 50i Abs. 2 EStG, DStR 2016, 145; Beutel/Rehberg, National Grid Indus – Schlusspunkt der Diskussion oder Quell neuer Kontroverse zur Entstrickungsbesteuerung, IStR 2012, 94; Böhmer/Wegener, Zum Verhältnis der Verstrickung zu sonstigen Vorschriften des nationalen Rechts, Ubg 2015, 69; Bungert/de Raet, Grenzüberschreitender Formwechsel in der EU, DB 2014, 761; Burwitz, EuGH im Sinne Verder LabTec: Steuerenstrickung bei Überführung von Wirtschaftsgütern europarechtskonform, NZG 2015, 949; Dobratz, Grundfreiheiten und „Exit“-Besteuerung, ISR 2014, 198; Dötsch/Pung, SEStEG: Die Änderungen des UmwStG, DB 2006, 2704; Dörfler/Adrian/Oblau, Europäisierung des deutschen Steuerrechts durch das SEStEG, RIW 2007, 266; Dürrschmidt, Grenzüberschreitende Unternehmensumstrukturierungen im nationalen und europäischen Steuerrecht, StuW 2010, 137; Faller/Schröder, EuGH: Entstrickungsgewinnbesteuerung verfassungskonform, DStZ 2015, 890; Gosch, Rechtsmäßigkeit der Enstrickungsbesteuerung nach § 20 UmwStG 1995, IWB 2014, 183; Hahn, Überlegungen zum Urteil des EuGH in der Rechtssache National Grid Indus, BB 2012, 681; Heckschen, Grenzüberschreitender Formwechsel, ZIP 2015, 2049; Hermanns, Die grenzüberschreitende Sitzverlegung in der notariellen Praxis, MittBayNot 2016, 297; Hruschka/Hellmann, Bewertungswahlrechte bei grenzüberschreitenden Umwandlungen, DStR 2010, 1961; Hushahn, Grenzüberschreitende Formwechsel im EU/EWR-Raum – die identitätswahrende statutenwechselnde Verlegung des Satzungssitzes in der notariellen Praxis, RNotZ 2014, 137; Kahle/Beinert, Zur Diskussion um die Europarechtswidrigkeit der Entstrickungstatbestände nach Verder LabTec, FR 2015, 585; Kleba, Die grenzüberschreitende Spaltung von Kapitalgesellschaften aus deutscher Sicht, RNotZ 2016, 273; Köhler, BMF-Schreiben zu § 50i Abs. 2 EStG als unbillige Billigkeitslösung? – Der Gesetzgeber bleibt gefordert, ISR 2016, 73; Körner, Europarechtliches Verbot der Sofortbesteuerung stiller Reserven beim Transfer ins EU-Ausland, IStR 2012, 1; Körner, Ent- und Verstrickung, IStR 2009, 741; Kraft/Poley, Zweifelsfragen bei der Hereinverschmelzung von Kapital- auf Personengesellschaften – eine Fallstudien-gestützte Analyse, FR 2014, 1; Kudert/Kahlenberg/Mroz, Umfassende Verschärfung von § 50i EStG im Rahmen des „Kroatiengesetzes“, ISR 2014, 257; Lemaitre/Schönherr, Die Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften durch Verschmelzung und Formwechsel nach der Neufassung des UmwStG durch das SEStEG, GmbHR 2007, 173; Liekenbrock, Entschärfung von § 50i EStG durch das Anti-BEPS-Gesetz, DStR 2016, 2609; Linn, Das EuGH-Urteil in der Rs. DMC und der Vorlagebeschluss des FG Düsseldorf – Ende der Diskussion um die Wegzugssteuer?, IStR 2014, 136; van Lishaut/Hannig, Zwangsrealisation nach § 50i Abs. 2 EStG wird durch BMF-Schreiben v. 21.12.2015 entschärft, FR 2016, 50; Lohmar, Aktuelle Fragen umwandlungssteuerlicher Enstrickung, FR 2013, 591; Lüdicke, Die Bedeutung des § 8b Abs. 2 KStG in der Rechtssache DMC, IStR 2014, 537; Mitschke, Nochmals: Das EuGH-Urteil in der RS. DMC – Ende der Diskussionen um die Wegzugsteuer?, IStR 2014, 214; Mitschke, Das EuGH-Urteil „National Grid Indus“ vom 29.11.2011 – Eine Bestandsaufnahme und eine Bewertung aus Sicht der Finanzverwaltung, DStR 2012, 629; Nentwig, Verlegung des Satzungssitzes einer deutschen GmbH ins europäische Ausland – dargestellt am Beispiel Luxemburg, GWR 2015, 447; Pezzer, Bilanzierungsprinzipen als sachgerechte Maßstäbe der Besteuerung, DStJG 14 (1991), 3; Pöllath/Fischer, Der Zuzug einer europäischen Immobilien-Kapitalgesellschaft nach Deutschland – Recht, Steuern, Bilanzen, IStR 2015, 778; Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Köln 2013; Rautenstrauch/Seitz, National Grid Indus: Europarechtliche Implikationen für den Wegzug und die internationale Umwandlung von Gesellschaften, Ubg 2012, 14; Schaumburg, Der Wegzug von Unternehmen, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 411; Schaumburg, Die Entstrickungsklauseln im Umwandlungssteuerrecht, in Kessler/Förster/Watrin (Hrsg.), Unternehmensbesteuerung, FS für Herzig, München 2010, 711; Schaumburg, Grundsätze grenzüberschreitender Gewinnermittlung, in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Steuerfolgen von Produktion und Vertrieb im Ausland, Köln 2000, 1; Schaumburg, Die neue
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht Dogmatik der internationalen Steuerentstrickung, StBJb 2008/2009, 193; Schaumburg/ Piltz (Hrsg.), Internationales Umwandlungssteuerrecht, Köln 1996; Schiefer, Entstrickungsbesteuerung vor SEStEG verstößt nicht gegen Europarecht, NWB 2015, 2289; Schön, Zur Aufdeckung stiller Reserven in Einbringungsfällen – Rs. DMC, C-164/12, JbFfSt 2014/15, 25; Schön, Das System der gesellschaftsrechtlichen Niederlassungsfreiheit nach VALE, ZGR 2013, 333; Schön/Schindler, Zur Besteuerung der grenzüberschreitenden Sitzverlegung einer Europäischen Aktiengesellschaft, IStR 2004, 571; Sistermann, Der neue Umwandlungssteuererlass – Umwandlungen mit Auslandsbezug, in Lüdicke (Hrsg.), Praxis und Zukunft des deutschen Internationalen Steuerrechts, Forum der Internationalen Besteuerung, Bd. 40, 2012, 161; Stöber, Die Gründung einer Holding-SE, AG 2013, 110; Stöber, Grenzüberschreitende Umwandlungen und ihre Besteuerung im Lichte der Niederlassungsfreiheit, ZIP 2012, 1273; Schwenke, Europarechtliche Vorgaben und deren Umsetzung durch das SEStEG, DStZ 2007, 235; Sydow, Neues bei der Exit-Tax: EuGH erklärt Fünftelungsregelung zur Besteuerung stiller Reserven und Bankgarantien für unionsrechtskonform, DB 2014, 265; Thömmes, Zur Unionsrechtsverträglichkeit der Besteuerung stiller Reserven in Einbringungsfällen unter fünfjähriger Zahlungsstreckung, StuB 2014, 288; Viebrock/Hagemann, Verschmelzungen mit grenzüberschreitendem Bezug, FR 2009, 737; Wachter, Grenzüberschreitender Herein-Formwechsel in die deutsche GmbH, GmbHR 2016, 738; Wassermeyer, Entstrickungsbesteuerung und EU-Recht, EuZW 2012, 921; Wassermeyer, Steuerliche Konsequenzen aus dem EuGH-Urteil Hughes des Lasteyrie du Saillant, GmbHR 2004, 613; Wicke, Zulässigkeit des grenzüberschreitenden Formwechsels, DStR 2012, 1756; M. Winter/Marx/De Decker, Von Paris nach Charlottenburg – zur Praxis grenzüberschreitender Formwechsel, DStR 2016, 1997.
I. Internationales Umwandlungsrecht 20.1
Unternehmerische Aktivität entfaltet sich in einem sich stetig verändernden wirtschaftlichen und rechtlichen Umfeld. Im Laufe der Entwicklung eines Unternehmens können insbesondere organisatorische, betriebswirtschaftliche, gesellschaftsrechtliche, arbeitsrechtliche oder steuerrechtliche Gründe eine Veränderung der Unternehmensstruktur oder ggf. einen Rechtsformwechsel notwendig machen.1 Die möglichen internationalen Bezüge derartiger Umstrukturierungsmaßnahmen sind vielfältig.2 Das Umwandlungsrecht als Teildisziplin des Gesellschaftsrechts3 stellt das rechtliche Instrumentarium für die Änderung der Struktur oder der Rechtsform eines Unternehmens bereit. Die vom UmwG erfassten Umwandlungen (Umwandlungen i.e.S.)4 zeichnen sich dadurch aus, 1 Ausf. Limmer in Limmer, Handbuch der Unternehmensumwandlung5, Teil 1 Kap. 2 Rz. 253. 2 Umzuwandelnde Gesellschaften mit Sitz im Inland können ausländische Gesellschafter haben, über im Ausland belegenes Betriebsvermögen verfügen oder an ausländischen Gesellschaften beteiligt sein. Umzuwandelnde Gesellschaften im Ausland können inländische Gesellschafter haben, über im Inland belegenes Betriebsvermögen verfügen oder an inländischen Gesellschaften beteiligt sein. Schließlich können Umwandlungsvorhaben auf grenzüberschreitende Vermögensübertragungen oder Rechtsformänderungen gerichtet sein. 3 Vgl. K. Schmidt, Gesellschaftsrecht4, § 12 I.1.a. 4 Der Begriff der „Umwandlung“ wird terminologisch zwar regelmäßig auf die vom UmwG erfassten Umstrukturierungen (Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung, Formwechsel) beschränkt (vgl. J. Semler/Stengel, UmwG3, Einleitung A Rz. 2.). Im Hinblick auf die weiter gefasste Terminologie des Umwandlungssteuerrechts soll hier indes von einem weiten Umwandlungsbegriff ausgegangen werden, vgl. auch Henkel in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 10.2.
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A. Grundlagen
dass sie gänzlich ohne Vermögensübertragung auskommen (Formwechsel) bzw. für die Übertragung von Aktiva und Passiva die (vollständige oder partielle) Gesamtrechtsnachfolge angeordnet wird (Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung). Umstrukturierungsmaßnahmen außerhalb des Anwendungsbereichs des UmwG sind grds. nach allgemeinen Übertragungsvorschriften zulässig (Umwandlungen i.w.S.), bedürfen aber regelmäßig des Rechtsübergangs in Einzelakten.1 Zu den Umwandlungen i.w.S. zählen v.a. Umstrukturierungen durch Einbringungsvorgänge (Einzelübertragungen, Kapitalerhöhung von Kapitalgesellschaften unter Einbringung von Mitgliedschaftsrechten, Wirtschaftsgütern und Sachgesamtheiten; Anteilstausch etc.).2 Die internationale Dimension des Umwandlungsrechts ist beschränkt. Während Umwandlungen i.w.S. grds. unabhängig von ihrem internationalen Bezug möglich sind3, ist der internationale Anwendungsbereich des UmwG begrenzt. Umwandlungen nach dem UmwG (Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung4, Formwechsel) finden grundsätzlich nur auf Rechtsträger mit statutarischem Sitz im Inland Anwendung (§ 1 Abs. 1 UmwG).5 Eine kodifizierte Ausnahme vom Erfordernis des inländischen Satzungssitzes besteht lediglich unter den Voraussetzungen6 der §§ 122a ff. UmwG7 für die grenzüberschreitende (Herein- und Hinaus-)Verschmelzung deutscher Kapitalgesellschaften mit anderen EU-/EWR-Raum-Kapitalgesellschaften.8 Insoweit besteht jedoch im Hinblick auf die einschlägige EuGH-Rechtsprechung9 weitgehend Einigkeit darüber, 1 2 3 4 5 6
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Vgl. J. Semler/Stengel, UmwG3, Einleitung A Rz. 82 ff. Vgl. Heckschen in W/M, § 1 UmwG Rz. 394. Zum grenzüberschreitenden Anteilstausch Heckschen in W/M, § 1 UmwG Rz. 322. Die Vermögensübertragung i.S.v. § 174 UmwG wird im Folgenden nicht weiter berücksichtigt. Vgl. Drygala in Lutter5, § 1 UmwG Rz. 4; Kallmeyer in Kallmeyer5, § 1 UmwG Rz. 3. Die Kapitalgesellschaften müssen (i) nach dem Recht eines EU-/EWR-Staates gegründet sein, (ii) Satzungssitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung in einem EU-/EWRStaat haben und (iii) mindestens eine der beteiligten Gesellschaft dem Recht eines anderen EU-/EWR-Staates unterliegen (§ 122a Abs. 1, § 122b Abs. 1 UmwG). Die §§ 122a ff. UmwG wurden eingefügt durch das Zweite Gesetz zur Änderung des UmwG v. 19.4.2007 (BGBl. I 2007, 542) im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH in Sachen Sevic Systems (EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-411/03, Slg. 2005, I-10805) sowie die Richtlinie 2005/56/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 26.10.2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten, ABl. EU L 310 vom 25.11.2005, 1 (Verschmelzungsrichtlinie). Zum umwandlungsrechtlichen Verfahren ausf. M. Winter in R/H/vL2, Anhang 1 Rz. 278 ff.; Limmer in Limmer, Handbuch der Unternehmensumwandlung5, Teil 6 Kap. 3 Rz. 36 ff. Ausf. zur Entwicklung Limmer in Limmer, Handbuch der Unternehmensumwandlung5, Teil 6 Kap. 2 Rz. 4 ff.; Schön, ZGR 2013, 333. Die Entscheidungen Centros (EuGH v. 9.3. 1999 – Rs. C-212/97, Slg. 1999, I-1459), Überseering (EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00, Slg. 2002, I-9919) und Inspire Art (EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01, Slg. 2003, I-10155) betrafen die Anforderungen an die grenzüberschreitende Anerkennung von Gesellschaften. In Sevic Systems (EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-411/03, Slg. 2005, I-10805) wurde der grenzüberschreitenden Verschmelzung der Weg bereitet. Die Entscheidungen Daily Mail (EuGH v. 27.9.1988 – Rs. C-81/87, Slg. 1988, 5483 ff.) und Cartesio (EuGH v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06, Slg. 2008, I-9641 ff.) sowie jüngst VALE (EuGH v. 12.7.2012 – Rs. C-378/10, ECLI:EU:C:2012:440 = EuZW 2012, 621) setzten sich mit der Behandlung zu- bzw. wegziehender Gesellschaften im Gründungsstaat auseinander.
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
dass die Niederlassungsfreiheit im Grundsatz gebietet, auch andere grenzüberschreitende Umwandlungen im EU-/EWR-Raum zuzulassen, bspw. die grenzüberschreitende Verschmelzung unter Beteiligung von Personengesellschaften1 oder grenzüberschreitende Spaltungen (Auf- und Abspaltung, Ausgliederung)2. In der Rechtspraxis sind derartige Umwandlungen derzeit aber aufgrund der verbleibenden Unsicherheiten in rechtstechnischen Details3 (noch nicht) zu beobachten, gesellschaftsrechtlich zulässige4 Ersatzkonstruktionen5 zur Erzielung wirtschaftlich vergleichbarer Ergebnisse werden mangels Steuerneutralität in der Rechtspraxis nur selten gewählt. Anders stellt sich hingegen im Anschluss an die EuGH-Entscheidungen Cartesio6 und VALE7 die Situation für den bereits registerrechtlich durchführbaren8 und zunehmend vollzogenen „grenzüberschreitenden Formwechsel“ dar.9 Gemeint ist hiermit die identitätswahrende, d.h. ohne Auflösung und Neugründung der Gesellschaft und ohne Gesamt- oder Einzelrechtsnachfolge auskommende, statutenwechselnde10 Sitzverlegung11 einer Ge1 Marsch-Barner in Kallmeyer5, § 122a UmwG Rz. 6; Gsell in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 2.64 ff. m.w.N. 2 Stv. Drygala in Lutter5, § 1 UmG Rz. 20; Heckschen in Beck’sches Notar-Handbuch6, D.IV. Rz. 183; Gsell in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 2.99 ff. u. 2.106 ff. m.w.N.; Kleba, RNotZ 2016, 273 ff.; Bungert/de Raet, DB 2014, 761 (765). 3 Vgl. Bayer in Lutter5, § 122a UmwG Rz. 13. 4 Stengel in Haritz/Menner3, Einf. A UmwStG Rz. 9; Limmer in Limmer, Handbuch der Unternehmensumwandlung5, Teil 6 Kap. 2 Rz. 21 m.w.N. 5 Hierzu Rödder in R/H/vL2, Einführung UmwStG Rz. 39. 6 EuGH v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 – Cartesio, Slg. 2008, I-9641 ff.. 7 EuGH v. 12.7.2012 – C-378/10 – VALE, ECLI:EU:C:2012:440 = EuZW 2012, 621. 8 Vgl. OLG Nürnberg v. 19.6.2013 – 12 W 520/13, GmbHR 2014, 96; KG Berlin v. 21.3. 2016 – 22 W 64/15, GmbHR 2016, 765 (hierzu M. Winter/Marx/De Decker, DStR 2016, 1997 ff.); Checkliste des Handelsregisters Charlottenburg zur Umsetzung eines grenzüberschreitenden Formwechsel bei Melchior, GmbHR 2014, R 305 ff. 9 Zu Einzelheiten stv. M. Winter in R/H/vL2, Anh. 1 Rz. 358 ff.; Kalss/Klampfl in Dauses, EU-Wirtschaftsrecht, E.III. Rz. 126; Wachter, GmbHR 2016, 738 ff.; Hermanns, MittBayNot 2016, 297 ff.; Heckschen, ZIP 2015, 2049; Hushahn, RNotZ 2014, 137; Schön, ZGR 2013, 333; Wicke, DStR 2012, 1756. 10 In Abgrenzung zur nicht identitätswahrend möglichen statuswahrenden Satzungssitzverlegung (Bsp.: deutsche GmbH beabsichtigt die Verlegung ihres Satzungssitz nach Österreich unter Beibehalt der Rechtsform als deutsche GmbH), vgl. stv. Gsell in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 2.57; Heckschen, ZIP 2015, 2049. 11 Gemeint ist nicht die isolierte Verlegung ausschließlich des Verwaltungssitzes, sondern die des statutarischen Sitzes. Die (isolierte) Verlegung des Verwaltungssitzes wird nachfolgend nicht gesondert behandelt (s. dazu schon Rz. 7.45 ff.). Bei einem „Zuzug“ (allein) des Verwaltungssitzes einer Gesellschaft aus einem der Gründungstheorie folgenden EU-/EWR-Staat nach Deutschland gebietet die Niederlassungsfreiheit nach den EuGHEntscheidungen Überseering (EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00, Slg. 2002, I-9919) und Inspire Art (EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01, Slg. 2003, I-10155), dass Deutschland die Gesellschaft in der Rechtsform anerkennt, in der sie gegründet wurde (vgl. BGH v. 14.3. 2005 – II R 5/03, GmbHR 2005, 630). Bei einem „Wegzug“ (allein) des Verwaltungssitzes aus Deutschland ins Ausland gestatten § 4a GmbHG, § 5 AktG heute nach h.M. die Verwaltungssitzverlegung ohne Auflösung der Gesellschaft (vgl. stv. Fastrich in Baumbach/ Hueck20, § 4a GmbHG Rz. 11 m.w.N.). Dies gilt nach richtiger Ansicht auch bei einem Wegzug in Drittstaaten unabhängig von der Anerkennung der Gesellschaft durch den Zuzugsstaat (vgl. Gsell in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 2.56 m.w.N.). Bei einem „Zuzug“ des Verwaltungssitzes aus einem Drittstaat wen-
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A. Grundlagen
sellschaft eines Mitgliedstaats unter Wechsel ihrer Rechtsform in die (kongruente1) Rechtsform nach dem Gesellschaftsstatut eines anderen Mitgliedstaats (bspw. deutsche GmbH in luxemburgische S.à.r.l.2).3 Dies gilt für Kapital- wie Personengesellschaften4 sowie den grenzüberschreitenden Herein- wie Hinausformwechsel gleichermaßen.5 Der Zuzugsstaat kann insoweit aber verlangen, dass die jeweiligen nationalen Vorschriften sowohl für die Gründung der Gesellschaft als auch für den Formwechsel als solche eingehalten werden.6 In verschiedenen EU-Staaten bestehen bereits spezielle Regelungen für grenzüberschreitende Formwechsel.7 Solche fehlen zwar derzeit in Deutschland, zumindest der grenzüberschreitende Formwechsel von Kapitalgesellschaften ist zwischenzeitlich aber registerrechtlich durchführbar8 und in der Praxis erprobt.9 Bestehende Gesellschaften in der Rechtsform der Societas Europaea (SE), bei der sich Hauptverwaltungs- und Satzungssitz stets im gleichen Mitgliedsstaat befinden müssen (Art. 7 SE-VO)10, können grds. wie eine deutsche AG an Umwandlungen nach Maßgabe des UmwG teilnehmen.11 Besondere positivrechtliche Regelungen mit grenzüberschreitendem Bezug bestehen aber für die Gründung einer SE sowie deren Sitzverlegung: So sind zur Gründung einer SE grenzüber-
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det die h.M. (vorbehaltlich staatsvertraglicher Regelungen wie bspw. mit den USA) grds. die Sitztheorie an mit der Folge, dass bspw. eine schweizerische AG mit Verwaltungssitz in Deutschland hier als rechtsfähige Personengesellschaft zu behandeln ist (vgl. BGH v. 27.10.2008 – II ZR 158/06, GmbHR 2009, 138 [„Trabrennbahn“]). Zum Ganzen Gsell in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 2.31 ff. Lässt der Zuzugsstaat auch den rechtsforminkongruenten Formwechsel (von einer Kapital- in eine Personengesellschaft et vice versa) zu, muss ein solcher auch grenzüberschreitend zugelassen werden. Dazu Nentwig, GWR 2015, 447. Vgl. Kalss/Klampfl in Dauses, EU-Wirtschaftsrecht, E.III. Rz. 126; Hushahn, RNotZ 2014, 137 (138). Die Entscheidung des EuGH in der Rs. VALE (EuGH v. 12.7.2012 – Rs. C-378/10 – VALE, ECLI:EU:C:2012:440 = EuZW 2012, 621) betraf eine sitzverlegende Kapitalgesellschaft. Gleiches gilt aber auch für den grenzüberschreitenden Formwechsel von Personengesellschaften, vgl. Oberster Gerichtshof Wien v. 10.4.2014 – 6 Ob 224/13d, juris, Volltext abrufbar auf der Website des OGH unter http://www.ogh.gv.at/de/entscheidungen/wei tere/sitzverlegung-einer-personengesellschaft-von. Vgl. zu Detailfragen Heckschen, ZIP 2015, 2049 (2051 ff.); Hushahn, RNotZ 2014, 137 ff. Vgl. EuGH v. 12.7.2012 – Rs. C-378/10 – VALE, ECLI:EU:C:2012:440 = EuZW 2012, 621. Kennt das Recht des Zuzugsstaats den (inländischen) Formwechsel nicht, braucht es entsprechend auch keinen grenzüberschreitenden Formwechsel anzuerkennen. Bspw. Belgien, Spanien, Portugal, Italien, Luxemburg und Frankreich, vgl. Gesell in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 2.123 m.w.N. Vgl. OLG Nürnberg v. 19.6.2013 – 12 W 520/13, GmbHR 2014, 96; Checkliste des Handelsregisters Charlottenburg zur Umsetzung eines grenzüberschreitenden Formwechsel bei Melchior, GmbHR 2014, R 305 ff. Vgl. bspw. die Fallbeschreibung bei Pöllath/Fischer, IStR 2015, 778 ff. Ein Verstoß wird jedoch nicht mit der Aberkennung der Rechtsfähigkeit sanktioniert, sondern kann – wenn die SE das Auseinanderfallen des Verwaltungs- und Satzungssitzes nicht beseitigt – zur (Zwangs-)Liquidation führen, vgl. Art. 64 SE-VO. Vgl. stv. M. Winter in R/H/vL2, Anh. 1 Rz. 19. Im Falle des Formwechsels ist Art. 66 SE-VO zu beachten.
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20.3
Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
schreitende Verschmelzungen von Aktiengesellschaften auf Basis der SE-VO1 möglich (Art. 2 Abs. 1 SE-VO), indem – bei Verschmelzung zur Aufnahme – die aufnehmende Gesellschaft bei der Verschmelzung die Rechtsform der SE annimmt (Art. 17 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a, Satz 2 SE-VO, Art. 3 Abs. 1 VRL) bzw. – bei Verschmelzung zur Neugründung – die neue Gesellschaft eine SE ist (Art. 17 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b, Satz 3 SE-VO, Art. 4 Abs. 1 VRL).2 Eine Besonderheit besteht u.a. darin, dass bei der Gründung durch Verschmelzung zur Aufnahme die Sitznahme der SE von der Verschmelzungsrichtung abgekoppelt werden kann, so dass bspw. die Verschmelzung einer deutschen AG auf eine liechtensteinische AG zu einer SE mit Sitz in Deutschland möglich ist.3 Bei der Verschmelzung zur Neugründung ist der Sitz der neuen SE frei wählbar4, kann also auch in einem anderen EU-/EWR-Staat jenseits der Sitzstaaten der Gründerinnen liegen.5 Hingegen kann anlässlich einer Gründung durch Formwechsel einer deutschen AG in eine SE (Art. 2 Abs. 4 SE-VO) deren Sitz nicht in einen anderen Mitgliedstaat verlegt werden (Art. 37 Abs. 3 SE-VO). Die Gründung einer Holding-SE (Art. 2 Abs. 2 SE-VO) ist regelmäßig mit einem grenzüberschreitenden Anteilstausch verbunden.6 Für die SE ist zudem ihre grenzüberschreitende, identitätswahrende Sitzverlegung in einen anderen EU-/EWR-Staat positiv geregelt (Art. 8 SE-VO). Vorausgesetzt ist insoweit aber stets, dass neben dem Satzungs- auch der Verwaltungssitz mitverlegt wird (Art. 7 SE-VO).7
II. Internationales Umwandlungssteuerrecht 1. Begriffsbildung und Normengefüge 20.4
Zum Internationalen Umwandlungssteuerrecht zählen alle Normen des Umwandlungssteuerrechts, die auslandsbezogene Sachverhalte erfassen.8 Diese auslandsbezogenen Sachverhalte im Zusammenhang mit Umwandlungen9 betreffen:10 – inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug, also Umwandlungen inländischer Gesellschaften mit ausländischen Gesellschaftern und/oder mit Auslandsvermögen,
1 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 v. 8.10.2001 über den Status der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. EG Nr. L 294 v. 10.11.2001. 2 Vgl. Bayer in Lutter/Hommelhoff/Teichmann2, Art. 17 SE-VO Rz. 1 ff. 3 Vgl. M. Winter in R/H/vL2, Anh. 1 Rz. 315. 4 Wobei auch hier erforderlich ist, dass die SE dort ihre Hauptverwaltung hat, Art. 7 SEVO. 5 Vgl. M. Winter in R/H/vL2, Anh. 1 Rz. 315. 6 Vgl. M. Winter in R/H/vL2, Anh. 1 Rz. 328; ausf. Stöber, AG 2013, 110 ff. 7 Zu Einzelheiten der Sitzverlegung Ringe in Lutter/Hommelhoff/Teichmann2, Art. 8 SE-VO Rz. 16 ff. 8 Zum parallelen Begriff des Internationalen Steuerrechts Rz. 1.1 ff. 9 Hier nachfolgend verstanden als Oberbegriff für Umwandlungen i.e.S. und Umwandlungen i.w.S. (s. Rz. 20.1). 10 Hierzu der Überblick bei Schaumburg in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 1 ff.; s. auch Prinz in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 1.8.
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A. Grundlagen
– grenzüberschreitende Umwandlungen, hier insbesondere Hinaus- und Hereinverschmelzungen, grenzüberschreitende Formwechsel und Einbringungen, – ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug, also Umwandlungen ausländischer Gesellschaften mit inländischen Gesellschaftern und/oder mit Inlandsvermögen. Die Normen, die auslandsbezogene Sachverhalte erfassen, sind solche, die der Quelle nach entweder nationales oder internationales Recht sind. Entsprechend ihrer Zielsetzung sind sie, soweit sie der Vermeidung der Doppelbesteuerung dienen, dem Doppelbesteuerungsrecht und im Übrigen dem Außensteuerrecht zuzuordnen (Rz. 1.4). Die dem Außensteuerrecht zuzuordnenden Normen des Internationalen Umwandlungssteuerrechts werden überwiegend von der Reichweite des UmwStG erfasst.1 Die Vorschriften des UmwStG behandeln ausschließlich die steuerlichen Folgen von Umwandlungen (§§ 3 bis 19 UmwStG) und Einbringungen (§§ 20 bis 25 UmwStG) für die Körperschaft-, Einkommen- und Gewerbesteuer.2 Während der außensteuerrechtliche Bezug des § 1 UmwStG in den dort genannten sachlichen3 und persönlichen4 Voraussetzungen für die Anwendung des UmwStG besteht, konzentriert er sich in den §§ 2 bis 25 UmwStG vor allem auf die umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsregelungen5, die darauf gerichtet sind, eine inländische Besteuerung sicherzustellen.6 Die außensteuerrechtlichen Normen des UmwStG beruhen weitgehend auf der Fusionsrichtlinie7, die durch das SEStEG8 mit Wirkung ab 2007 in nationales Recht umgesetzt wurden. Sie sind letztlich aber auch eine Reaktion auf verschiedene Entscheidungen des EuGH,9 auf Grund deren die bisherige Binnenorientierung des Umwand1 Daneben z.B. noch in § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG geregelt; hierzu Rz. 13.136 ff. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.01. 3 Vgl. § 1 Abs. 1, Abs. 3 UmwStG. Gemeint ist die Art der Umwandlung, d.h. v.a. Verschmelzungen, Spaltungen, Formwechsel, Einbringungen. 4 Vgl. § 1 Abs. 2, Abs. 4 UmwStG. Gemeint sind die Anforderungen an die an der Umwandlungsmaßnahme beteiligten Rechtsträger bzw. ggf. deren Anteilseigner. 5 § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2; § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG; § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG; § 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UmwStG; § 24 Abs. 2 Satz 2 a.E. UmwStG. 6 Vgl. hierzu den Überblick bei Schaumburg in FS Herzig, 711 ff. 7 Konsolidierte Neufassung („Kodifizierung“): Richtlinie 2009/133/EG des Rates v. 19.10. 2009 über das gemeinsame Steuersystem für Fusionen, Spaltungen, Abspaltungen, die Einbringung von Unternehmensteilen und den Austausch von Anteilen, die Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten betreffen, sowie für die Verlegung des Sitzes einer Europäischen Gesellschaft oder einer Europäischen Genossenschaft von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat, ABl. Nr. L 310 v. 25.11.2009, 34; hierzu Rz. 3.66 ff. Ausf. zur Fusionsrichtlinie Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 17.1 ff.; Sedemund in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 3.34 ff. 8 SEStEG v. 7.12.2006, BGBl. I 2006, 2782, berichtigt BGBl. I 2007, 68. 9 EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97 – Centros, Slg. 1999, I-1459; v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00 – Überseering, Slg. 2002, I-9919; v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01 – Inspire Art, Slg. 2003, I-10155; v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 – de Lasteyrie du Saillant, Slg. 2004, I-2409; v. 21.11. 2002 – Rs. C-436/00 – X und Y, Slg. 2002, I-10829; v. 7.9.2006 – Rs. C-479/04 – N, Slg. 2006, I-7409; vgl. auch v. 13.12.2005 – Rs. C-411/03 – Sevic Systems, Slg. 2005, I-10805.
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20.5
Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
lungssteuerrechts nicht mehr aufrechterhalten bleiben konnte.1 Hierdurch hat der Anwendungsbereich des UmwStG eine weitgehende Europäisierung2, darüber hinaus jedoch nur eine geringe Internationalisierung3 erfahren: 20.6
Der Anwendungsbereich des UmwStG erfasst sachlich grds. die grenzüberschreitende und ausländische Verschmelzung, die Spaltung von Körperschaften, Personenhandelsgesellschaften oder Partnerschaftsgesellschaften, den Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft und umgekehrt, die Ausgliederung von Vermögensteilen, die Einbringung von Betriebsvermögen in eine Kapitalgesellschaft, eine Genossenschaft oder Personengesellschaft sowie den Anteilstausch (§ 1 Abs. 1 und 3 UmwStG). Die vorgenannten Umwandlungen sind allerdings persönlich weitgehend auf in EU- und EWR-Staaten ansässige Rechtsträger beschränkt (§ 1 Abs. 2 und 4 UmwStG). Bei Drittstaatenumwandlungen gilt daher das UmwStG grundsätzlich nicht.4 Drittstaatenumwandlungen zwischen Personengesellschaften werden aber von dem global ausgestalteten § 24 UmwStG erfasst.5 Eine entsprechende Anwendung des § 13 UmwStG ist bei Drittstaatenverschmelzungen zwischen Kapitalgesellschaften vorgesehen (§ 12 Abs. 2 Satz 2 KStG).
20.7
Bedeutsam ist im außensteuerrechtlichen Kontext schließlich auch § 12 Abs. 2 KStG, der im Falle einer Drittstaatenverschmelzung zwischen Kapitalgesellschaften, in deren Rahmen einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnende Wirtschaftsgüter auf einen anderen beschränkt körperschaftsteuerpflichtigen Rechtsträger übergehen, Steuerneutralität gewährt, soweit das deutsche Besteuerungsrecht nicht beschränkt wird. Darüber hinaus ist in § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG geregelt, dass ausländische Umwandlungsgewinne für Zwecke der Hinzurechnungsbesteuerung zu den Einkünften aus aktiver Tätigkeit zählen (Rz. 13.136 ff.).
20.8
Zu den außensteuerrechtlichen Normen des Internationalen Umwandlungssteuerrechts lässt sich auch § 50i Abs. 2 EStG zählen. Nach seiner bisherigen Fas1 Das gilt für die einseitige Ausrichtung an die inzwischen für den EU-/EWR-Bereich aufgegebene Sitztheorie (Rz. 7.47 f.) ebenso wie für die mittlerweile geänderte Entstrickungskonzeption (Rz. 6.381). 2 Vgl. Rödder in R/H/vL2, Einführung UmwStG Rz. 94 ff.; Schmitt in S/H/S7, § 1 Rz. 2; Dörfler/Adrian/Oblau, RIW 2007, 266 (269). 3 Dem ursprünglichen Referentenentwurf lag noch das Konzept der Internationalisierung bzw. Globalisierung des Umwandlungssteuerrechts zugrunde. Dass der Gesetzgeber mit dem SEStEG nicht über die bloße Umsetzung der Fusionsrichtlinie hinausgegangen ist und damit den Schritt von der Europäisierung zur Internationalisierung des Umwandlungssteuerrechts nicht vollzogen hat, beruht letztlich darauf, dass derzeit für grenzüberschreitende Verschmelzungen und Spaltungen durchgehende gesellschaftsrechtliche Voraussetzungen fehlen (s. Rz. 20.2). Die hiermit verbundenen Mobilitätsschranken sind insbesondere für international operierende Konzerne nachteilig, weil deren Strukturaufbau sich weitgehend an den Vorgaben des deutschen Gesellschafts- und Steuerrechts orientieren muss, ohne hierbei der Globalisierung der Geschäftstätigkeit Rechnung tragen zu können. Im Hinblick darauf bleibt das europäisierte deutsche Umwandlungssteuerrecht weit hinter den Erfordernissen der Praxis zurück, zumal steuerneutrale Umwandlungen nur ermöglicht werden, soweit umwandlungsbedingt kein Ausschluss oder keine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts erfolgt (s. hierzu Rz. 20.14). 4 Widmann in W/M, § 1 UmwStG Rz. 56 ff.; Hörtnagl in S/H/S6, § 1 UmwStG Rz. 4. 5 Hier gelten die persönlichen Voraussetzungen i.S.v. § 1 Abs. 3 Satz 1 UmwStG ausdrücklich nicht, vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 UmwStG.
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A. Grundlagen
sung1 waren gemäß § 50i Abs. 2 Satz 1 EStG im Rahmen von Umwandlungen und Einbringungen i.S.v. § 1 UmwStG Sachgesamtheiten, die Wirtschaftsgüter und Anteile i.S. des § 50i Abs. 1 EStG2 enthielten, abweichend von den Bestimmungen des UmwStG stets mit dem gemeinen Wert anzusetzen.3 Zu den Wirtschaftsgütern und Anteilen i.S. des § 50i Abs. 1 EStG zählten Wirtschaftsgüter des Betriebsvermögens oder Anteile i.S. des § 17 EStG, die vor dem 29.6.2013 in das Betriebsvermögen einer Personengesellschaft i.S.v. § 15 Abs. 3 EStG übertragen oder überführt worden sind, und wenn eine Besteuerung der stillen Reserven im Zeitpunkt der Übertragung oder Überführung unterblieben ist (s. Rz. 6.391). Der gemessen an seinem Zweck weit überschießende Wortlaut der Norm4 hätte zwar auch im Wege teleologisch reduzierter Auslegung auf Umwandlungsfälle beschränkt werden können, durch die das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt wird.5 Die Finanzverwaltung ließ hingegen die Fortführung der Buchwerte allein aus Gründen sachlicher Billigkeit zu, wenn das deutsche Besteuerungsrecht durch den Vorgang weder ausgeschlossen noch beschränkt wurde.6 Durch die am 1.1.2017 in Kraft getretene Neuregelung des § 50i Abs. 2 EStG7 wird der Anwendungsbereich des § 50i Abs. 2 EStG rückwirkend8 und die bisherige Regelung suspendierend auf Einbringungen (§ 20 UmwStG) der von § 50i Abs. 1 EStG erfassten Wirtschaftsgüter beschränkt und zudem vorausgesetzt, dass das deutsche Besteuerungsrecht an den Gewinnen aus der Veräußerung der erhaltenen oder i.S.v. § 22 Abs. 7 UmwStG mitverstrickten Anteile ausgeschlossen oder beschränkt wird.9 Ein vollständiger Verlust ist bei im Ausland ansässigen Gesellschaftern in DBA-Fällen regelmäßig zu bejahen, da – abgesehen von Sonderregelungen (z.B. Art. 13 Abs. 4 OECD-MA) – zumeist nur der Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters die Veräußerungsgewinne besteuern darf. Zu beachten ist aber, dass gleichzeitig mit der Neufassung des § 50i Abs. 2 EStG auch § 50i Abs. 1 EStG tatbestandlich auf Fälle verengt wurde, in denen hinsichtlich der von § 50i Abs. 1 EStG angesprochenen Wirtschaftsgüter vor 1 § 50i Abs. 2 EStG wurde in seiner ursprünglichen Fassung eingeführt durch das „Gesetz zur Anpassung des nationalen Steuerrechts an den Beitritt Kroatiens zur EU und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ v. 25.7.2014, BGBl. I 2014, 1266 ff. 2 § 50i Abs. 1 EStG eingeführt durch das „Gesetz zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften“ v. 26.6.2013, BGBl. I 2013, 1809 ff. Zu den Hintergründen Liekenbrock in F/W/B/S, § 50i EStG Rz. 1 ff. und Rz. 13.136 ff. 3 Zu den erfassten Umwandlungskonstellationen vgl. ausf. Liekenbrock in F/W/B/S, § 50i EStG Rz. 149 ff. 4 Siehe bspw. zur umstrittenen Frage, ob § 50i Abs. 2 UmwStG in seiner bisherigen Fassung auch in „reinen“ Inlandsfällen Anwendung fand, Gosch in Kirchhof15, § 50i EStG Rz. 28; Liekenbrock in F/W/B/S, § 50i EStG Rz. 140. 5 Vgl. Kudert/Kahlenberg/Mroz, ISR 2014, 257 (263). 6 Vgl. BMF v. 21.12.2015 – IV B 5 - S 1300/14/10007 – DOK2015/1035715, BStBl. I 2016, 7. Hierzu ausf. van Lishaut/Hannig, FR 2016, 50 ff.; Benz/Böhmer, DStR 2016, 145 ff.; Köhler, ISR 2016, 73 ff. Das BMF-Schreiben v. 21.12.2015 ist im Hinblick auf die rückwirkende Neuregelung des § 50i Abs. 2 EStG mittlerweile aufgehoben worden (BMF v. 5.1. 2017 – IV B 5 - S 1300/14/10007 – DOK 2016/1189929, BStBl. I 2017, 140). 7 Neu geregelt durch „Gesetz zur Umsetzung der Änderungen der EU-Amtshilferichtlinie und von weiteren Maßnahmen gegen Gewinnkürzungen und -verlagerungen“ v. 20.12. 2016, BGBl. I 2016, 3000. 8 § 52 Abs. 48 Satz 4 EStG n.F. 9 Ausf. zur Neuregelung Liekenbrock, DStR 2016, 2609 ff.
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dem 1.1.2017 – die Anwendung von § 50i Abs. 1 EStG hinweggedacht – eine Entstrickung stattgefunden hat.1 Insoweit wird der Anwendungsbereich des § 50i Abs. 2 EStG zusätzlich begrenzt. 20.9
Der Wegzug von Kapitalgesellschaften über die Grenze wird vom UmwStG nicht erfasst, insoweit können § 12 Abs. 1 KStG (Wegzug von Kapitalgesellschaften im EU-/EWR-Raum) bzw. § 12 Abs. 3 KStG (Wegzug von Kapitalgesellschaften in Drittstaaten) als außensteuerrechtliche Normen zur Anwendung kommen (s. Rz. 20.101 ff.).
20.10
Soweit die betreffenden Normen des Internationalen Umwandlungssteuerrechts zum Doppelbesteuerungsrecht gehören, sind hier insbesondere die unilateralen und bilateralen Normen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung angesprochen, wobei auf unilateraler Ebene die auf eine Steuerbefreiung der Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften gerichtete Vorschrift des § 8b Abs. 2 KStG und im Übrigen die für eine Anrechnung ausländischer Steuern maßgeblichen Normen des § 34c EStG und § 26 KStG im Vordergrund stehen. Auf bilateraler Ebene geht es insbesondere um die für Unternehmensgewinne (Art. 7 OECD-MA), Dividenden (Art. 10 OECD-MA) und Veräußerungsgewinne (Art. 13 OECD-MA) maßgeblichen Verteilungsnormen der DBA, die im Einzugsbereich des Internationalen Umwandlungssteuerrechts in besonderem Maße durch Qualifikationsprobleme geprägt sind.2 2. Dogmatische Grundlagen a) Steuerliche Gewinnrealisierung
20.11
Natürliche Personen, Personengesellschaften3 sowie Kapitalgesellschaften4 haben ihre Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sobald sie aufgrund gesetzlicher Vorschriften zur Buchführung verpflichtet sind, durch Betriebsvermögensvergleich gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG (Gewinn) zu ermitteln. Hierbei haben sie gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG die handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung zu beachten, zu denen in materieller Hinsicht das Realisationsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 letzter Halbsatz HGB) zählt.
20.12
Dieses Realisationsprinzip, das eine Konkretisierung des Vorsichtsprinzips5 ist, bedeutet, dass eine Gewinnrealisierung nicht schon bei bloßer Wertsteigerung, sondern erst dann eintritt, wenn eine Außentransaktion erfolgt, wenn also der Unternehmer eine Lieferung oder sonstige Leistung gegenüber Dritten erbringt. Der vorstehende Grundsatz gilt nicht nur für Einzeltransaktionen, also etwa für die Veräußerung einzelner zu einem steuerlichen Betriebsvermögen gehörender Wirtschaftsgüter, sondern auch für Gesamttransaktionen, etwa für die Veräußerung von Unternehmen, Betrieben oder Teilbetrieben. Dieses Realisationsprinzip ist aber nicht mehr als ein Grundsatz mit wichtigen steuerspezifischen Ausnah1 Dazu Liekenbrock, DStR 2016, 2609 (2610). 2 Hierzu Wassermeyer in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 ff. 3 Als eigenständige Gewinnerzielungssubjekte. 4 In den folgenden Ausführungen stellvertretend für Körperschaften. 5 Ableitung aus § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB.
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men. Hierzu gehören insbesondere jene Normen, die auf die vollständige steuerliche Erfassung stiller Reserven gerichtet sind. Sie ermöglichen auch ohne Transaktion eine steuerliche Abrechnung der stillen Reserven zu dem Zeitpunkt, zu dem Wirtschaftsgüter, Betriebe oder Teilbetriebe aus der steuerlich relevanten Erwerbssphäre ausscheiden. Eine derartige ultima ratio-Besteuerung1 verwirklichen insbesondere – Entnahme (§§ 4 Abs. 1 Satz 2; 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG), – fiktive Entnahme (§§ 4 Abs. 1 Satz 3; 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG; § 12 Abs. 1 KStG), – Betriebsaufgabe (§§ 14; 14a Abs. 3; 16 Abs. 3; 18 Abs. 3 EStG), – fiktive Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3a; 18 Abs. 3 EStG), – fiktive Veräußerung (§ 12 Abs. 1 KStG), – Verlegung der Geschäftsleitung/Sitz ins Ausland (§ 12 Abs. 3 KStG), – Wechsel zur Steuerbefreiung (§ 13 Abs. 6 KStG), – Wegzug (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwG a.F.;2 § 6 AStG; § 17 Abs. 5 EStG). Steuerspezifische Modifikationen des Realisierungsprinzips enthalten jene Vorschriften, die, obwohl ein Gewinnrealisierungstatbestand gegeben ist, auf eine steuerliche Erfassung der stillen Reserven verzichten. Es geht hierbei um Transaktionen, bei denen die Besteuerung der stillen Reserven durch eine Buchwertverknüpfung sichergestellt ist. Die dem Prinzip der Buchwertverknüpfung3 folgenden Normen betreffen
20.13
– Übertragung stiller Reserven bei Veräußerung bestimmter Anlagegüter (§ 6b EStG) – Rücklage für Ersatzbeschaffung (R 6.6 EStR) – unentgeltliche Übertragungen (§ 6 Abs. 3 EStG), – Betriebsvermögenstransfers (§ 6 Abs. 5; § 16 Abs. 3 Satz 2 EStG) und – Umwandlungen (UmwStG). Die (steuerneutrale) Umwandlung ohne Gewinnrealisierung steht durchweg unter Entstrickungsvorbehalt, so dass die Buchwertverknüpfung nur dann möglich ist, wenn die Besteuerung der transferierten stillen Reserven weiterhin uneingeschränkt gewährleistet bleibt. Diese Entstrickungsklauseln bewirken im Ergebnis eine Rückführung auf das grundlegende Prinzip der steuerlichen Gewinnrealisierung.4 Zu diesen Normen zählen die § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2; § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG; § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG; § 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UmwStG; § 24 Abs. 2 Satz 2 a.E. UmwStG.
20.14
Auf der Grundlage der im Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz normierten Entstrickungskonzeption (§ 4 Abs. 1 Satz 3 EStG; § 12 Abs. 1 KStG; Rz. 6.381 ff. und Rz. 7.43 und 7.46 ff.), wonach der Ausschluss oder die Beschränkung des deut-
20.15
1 Hierzu Schaumburg in Schaumburg/Piltz, Steuerfolgen von Produktion und Vertrieb im Ausland, 1 (2 ff.); Schaumburg, StbJb 2008/2009, 193 (198 ff.). 2 Gemäß § 27 Abs. 3 Nr. 3 Satz 1 UmwStG ist diese für einbringungsgeborene Anteile gültige Regelung auch nach Inkrafttreten des SEStEG weiterhin anzuwenden. 3 Vgl. Hennrichs in Tipke/Lang22, § 9 Rz. 405. 4 Schaumburg, StbJb 2008/2009, 193 (199 f.); Schaumburg in FS Herzig, 711 (715 f.).
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schen Besteuerungsrechts betr. den Gewinn aus der Veräußerung oder der Nutzung eines Wirtschaftsguts als Entnahme bzw. Veräußerung desselben fingiert wird, steht im Umwandlungssteuergesetz die Buchwertverknüpfung für das im Rahmen der Umwandlung übertragene Vermögen ebenfalls unter Entstrickungsvorbehalt.1 Geht im Rahmen der Umwandlung das deutsche Besteuerungsrecht an den bisher in Deutschland steuerverhafteten Gewinnen aus der Veräußerung von Betriebsvermögen oder Anteilen zum steuerlichen Übertragungsstichtag verloren, erfolgt grds. eine Gewinnrealisierung nach dem Grundsatz der Sofortbesteuerung. Das gilt ausnahmsweise dann nicht, wenn eine Besteuerung nach Art. 8 oder Art. 10 FRL unzulässig wäre. Angesprochen sind hierbei insbesondere die Hinausverschmelzung sowie die grenzüberschreitende Anteilseinbringung innerhalb der EU, die steuerneutral zu erfolgen hat, obwohl deutsches Besteuerungsrecht verloren geht bzw. eingeschränkt wird. In diesen Fällen wird eine spätere Gewinnrealisierung so besteuert, als ob die Verschmelzung oder die Einbringung nicht erfolgt wäre.2 20.16
Im Falle der Hereinverschmelzung oder vergleichbarer Vorgänge enthält das Umwandlungssteuergesetz keine der Entstrickung entsprechenden Verstrickungsregelungen. Insbesondere gibt es keine Vorschrift, die den § 4 Abs. 1 Satz 8 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG entsprechen würde, wonach bei Begründung des deutschen Besteuerungsrechts die betreffenden Wirtschaftsgüter mit ihrem gemeinen Wert anzusetzen sind. Dennoch sind § 4 Abs. 1 Satz 8 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG – nicht nur in Fällen des § 20 UmwStG3 – aus systematischen Gründen entsprechend anzuwenden, so dass insoweit auch bei einem (ansonsten einheitlichen) Buchwertansatz partiell der gemeine Wert (aber erst auf Ebene der übernehmenden Gesellschaft) anzusetzen ist.4 b) Steuerrechtliche Legitimation des Realisationsprinzips
20.17
Das über § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG für das Steuerrecht rezipierte Realisationsprinzip beruht zwar auf dem handelsrechtlichen Normensystem der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, es erfährt aber auch eine spezifisch steuerrechtliche Legitimation durch das Fundamentalprinzip der Besteuerung nach der Leistungs1 § 3 Abs. 2 Nr. 2; § 11 Abs. 2 Nr. 2; § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3; § 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UmwStG; § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG. 2 § 13 Abs. 2 Nr. 2; § 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 UmwStG. 3 Insoweit hatte bereits der Gesetzgeber ausdrücklich eine Anwendung von § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 i.V.m § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG befürwortet, vgl. BT-Drucks. 16/2710, 43. 4 So im Ergebnis (aber tw. den gemeinen Wert bereits in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Gesellschaft berücksichtigend) Widmann in W/M, § 3 UmwStG Rz. 65.1; Bron in Kraft/Edelmann/Bron, § 3 UmwStG Rz. 244; Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.311; Jäschke/Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 6.121 („vertretbar“); Henkel in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 10.61; Prinz/Hütig in Beck’sches Handbuch der GmbH5, § 19 Rz. 60; Böhmer/Wegener, Ubg 2015, 69 (73); Kraft/Poley, FR 2014, 1 (3); Schell, IStR 2011, 704 (710); Körner, IStR 2009, 741 (749); Viebrock/Hagemann, FR 2009, 737 (744); a.A. Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 43; Pung in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 12; Birkemeier in R/H/vL2, § 3 UmwStG Rz. 106; van Lishaut in R/H/vL2, § 4 UmwStG Rz. 30; Weigert in Kraft/Edelmann/Bron, § 4 UmwStG Rz. 31; Bonhardt in Haritz/Menner4, § 4 UmwStG Rz. 89; Hruschka/Hellmann, DStR 2010, 1961 (1964); Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 173 (175).
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fähigkeit sowie durch das Übermaßverbot. Hiernach ist eine Besteuerung nicht realisierter Wertzuwächse grundsätzlich nicht gerechtfertigt: Steuerliche Leistungsfähigkeit setzt stets Liquidität für die Steuerzahlung voraus,1 und das Übermaßverbot2 gebietet eine vorsichtige Besteuerung, d.h. eine Besteuerung nur des liquiden Einkommens.3 Für den steuerlichen Betriebsvermögensvergleich ergibt sich hieraus, dass nur fundiertes Vermögen, also nur im Bestand gefestigtes Vermögen, einbezogen wird. Die Gefahr falscher Bewertung nicht realisierten Vermögenszuwachses wird hierdurch vermieden.4 Das Realisationsprinzip harmoniert ebenso wie das Imparitätsprinzip im Übrigen auch mit dem Markteinkommenskonzept, wonach grundsätzlich nur das erwirtschaftete, am Markt realisierte Einkommen der Besteuerung zugeführt wird.5 Im Ergebnis wird damit eine Besteuerung frei von Substanzsteuereffekten gewährleistet. c) Steuerliche Durchbrechungen des Realisationsprinzips Eine Besteuerung trotz Gewinnrealisierung unterbleibt dann, wenn ausnahmsweise kein am Markt erwirtschaftetes Einkommen erzielt wird. In diesen Fällen wird das Realisationsprinzip in Ausrichtung an dem Leistungsfähigkeitsprinzip und dem Übermaßverbot zurückgenommen. Steuertechnisch geschieht dies dadurch, dass entweder eine Gewinnrealisierung durch das Gebot der Buchwertfortführung vermieden wird (Steueraufschub) oder aber an eine erfolgte Gewinnrealisierung keine Steuerfolgen geknüpft werden (Steuerverzicht). Im Hinblick darauf sind etwa der steuerneutrale Betriebsvermögenstransfer sowie der steuerneutrale Transfer anderer Wirtschaftsgüter nach dem UmwStG, § 6b EStG (Übertragung stiller Reserven bei der Veräußerung bestimmter Anlagegüter) sowie nach R 6.6 EStR 2008 (Rücklage für Ersatzbeschaffung) gerechtfertigt: Diese Vermögensübergänge sind nicht auf Gewinnerzielung gerichtet, sondern dienen der Erhaltung der Erwerbsgrundlagen, so dass kein Markteinkommen erzielt wird.
20.18
Die gleiche Teleologie liegt auch den Regelungen in den §§ 6 Abs. 5; 16 Abs. 3 Satz 2 EStG zugrunde, wonach insbesondere der Betriebsvermögenstransfer zwischen Personengesellschaft und Gesellschaftern unter bestimmten Voraussetzungen zu Buchwerten, also ohne Gewinnrealisation, zu erfolgen hat.
20.19
Soweit schließlich § 6 Abs. 3 EStG für den unentgeltlichen Betriebsvermögenstransfer eine Gewinnrealisierung ausschließt, obwohl hierdurch eine intersubjektive Übertragung stiller Reserven erfolgt, geht es darum, Zuwendungsvorgänge aus dem durch Außentransaktionen geprägten Markteinkommen auszugrenzen. Diese in § 6 Abs. 3 EStG verankerte Buchwertfortführung ist unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten gerechtfertigt.
20.20
Gerechtfertigt ist auch die Steuerbefreiung gem. § 8b Abs. 2 KStG, wonach Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an in- und ausländischen Kapitalgesell-
20.21
1 Hey in Tipke/Lang22, § 3 Rz. 64. 2 Das Übermaßverbot ergibt sich als übergreifende Leitregel aus dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten, insbesondere aus Art. 12 Abs. 1; Art. 14 Abs. 1 GG; hierzu Hey in Tipke/Lang22, § 3 Rz. 180 ff. 3 Hennrichs in Tipke/Lang22, § 9 Rz. 403. 4 Zu Einzelheiten Pezzer, DStJG 14 (1991), 3 ff., 22 ff. 5 Zu Einzelheiten Hey in Tipke/Lang22, § 3 Rz. 36; Pezzer, DStJG 14 (1991), 3 ff., 22 ff.
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
schaften grundsätzlich von deutscher Körperschaftsteuer freigestellt werden. § 8b Abs. 2 KStG dient nämlich der Vermeidung der Doppel- und Mehrfachbesteuerung, womit zugleich dem Leistungsfähigkeitsprinzip entsprochen wird. 20.22
Dem am Leistungsfähigkeitsprinzip und am Übermaßverbot ausgerichteten Realisationsprinzip, wonach nicht realisierte Wertzuwächse nicht erfasst werden, sind allerdings in den Fällen Grenzen gesetzt, in denen eine Besteuerung später nicht mehr möglich ist. Hier ist vorbehaltlich europarechtlicher Restriktionen ein steuerlicher Zugriff auf stille Reserven auch ohne transaktionsbedingte Gewinnrealisierung gerechtfertigt. Eine Nichtbesteuerung wäre jedenfalls mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip unvereinbar. Eine derartige ultima ratio-Besteuerung erfolgt demgemäß insbesondere bei den unter Rz. 20.12 aufgeführten Fällen. Hierbei ist normativ sichergestellt, dass die stillen Reserven im letzten noch möglichen Zeitpunkt für steuerliche Zwecke abgerechnet werden (Steuerentstrickung). Zu den Normen, die eine Besteuerung stiller Reserven ohne transaktionsbedingte Gewinnrealisierung aus Gründen des Wechsels des Besteuerungsregimes vorsehen, gehören auch § 4 Abs. 4 und § 7 UmwStG, wonach bei Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften die offenen Gewinnrücklagen und ein etwaiger Übernahmegewinn ausdrücklich der Besteuerung unterworfen wird: Hier erfolgt ein Wechsel von der Zwei-Ebenen- zur Ein-Ebenen-Besteuerung.1 Demgegenüber geht es im außensteuerlichen Kontext um den Wechsel in der Steuerhoheit. Die auf die Abrechnung der stillen Reserven im Sinne einer ultima ratio-Besteuerung gerichteten Normen erfassen den Wechsel des Steuersubjekts und von Wirtschaftsgütern in eine andere Steuerhoheit. d) Europarechtliche Restriktionen
20.23
Eine auf Absicherung des inländischen Steueraufkommens ausgerichtete ultima ratio-Besteuerung ist europarechtlichen Schranken ausgesetzt. Der EuGH hat sich in seinen Entscheidungen zum Wegzug natürlicher Personen2, der Verlegung des Sitzes einer Gesellschaft3, der Verlagerung von Wirtschaftsgütern in einen anderen Mitgliedstaat4 sowie Umwandlungsmaßnahmen5 mit der unionsrecht1 Van Lishaut in R/H/vL2, § 4 UmwStG Rz. 74. 2 EuGH v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 – Hughes de Lasteyrie du Saillant, Slg. 2004, I-2409; v. 7.9. 2006 – Rs. C-470/04 – N, Slg. 2006, I-7409; v. 12.7.2012 – Rs. C-269/09 – Kommission/ Spanien, ECLI:EU:C:2012:439. 3 EuGH v. 29.11.2011 – Rs. C-371/10 – National Grid Indus, Slg 2011, I-12273 = ECLI:EU:C:2011:785; v. 6.9.2012 – Rs. C-38/10 – Kommission/Portugal, ECLI:EU:C:2012:521 = ISR 2012, 60 m. Anm. Müller; v. 31.1.2013 – Rs. C-301/11 – Kommission/Niederlande, ECLI:EU:C:2013:47 = ISR 2013, 225 m. Anm. Müller; v. 25.4.2013 – Rs. C-64/11 – Kommission/Spanien, ECLI:EU:C:2013:264 = ISR 2013, 225 m. Anm. Müller. 4 EuGH v. 6.9.2012 – Rs. C-38/10 – Kommission/Portugal, ECLI:EU:C:2012:521 = ISR 2012, 60 m. Anm. Müller; v. 31.1.2013 – Rs. C-301/11 – Kommission/Niederlande, ECLI:EU:C:2013:47 = ISR 2013, 225; v. 25.4.2013 – Rs. C-64/11 – Kommission/Spanien, ECLI:EU:C:2013:264 = ISR 2013, 225; v. 18.7.2013 – Rs. C-261/11 – Kommission/Dänemark, ECLI:EU:C:2013:480 = ISR 2013, 311 m. Anm. Müller; v. 21.5.2015 – Rs. C-657/13 – Verder LabTec, ECLI:EU:C:2015:331 = ISR 2015, 259 m. Anm. Müller = IStR 2015, 440. 5 EuGH v. 23.1.2014 – Rs. C-164/12 – DMC, ECLI:EU:C:2014:20 = ISR 2014, 101 m. Anm. Zwirner = IStR 2014, 106.
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A. Grundlagen
lichen Zulässigkeit einer derartigen „Exit“-Besteuerung beschäftigt.1 Die Entstrickungsbesteuerung führt zu einer Beschränkung der Grundfreiheiten (i.d.R. der Niederlassungsfreiheit2, Art. 49 AEUV)3, da die vorzeitige steuerliche Abrechnung der stillen Reserven aufgrund des Verlustes des Besteuerungsrechts im Inlandsfall nicht zu beobachten ist.4 Zur Beantwortung der Frage einer möglichen Rechtfertigung der Beschränkung (dazu Rz. 4.18 ff.)5 zieht der EuGH insoweit seit Ende 2005 den (ungeschriebenen) Rechtfertigungsgrund der „Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten“ als potentiell legitimes Ziel heran.6 Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung unterscheidet er zwischen der Festsetzung und der Einziehung der Steuer.7 Während die unmittelbare Festsetzung einer Steuer anlässlich des Ausscheidens aus der Steuerverstrickung gerechtfertigt ist8, ist die sofortige Einziehung der Steuer unverhältnismäßig.9 Ging der EuGH ursprünglich10 davon aus, dass die Steuer bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Realisation der Wertzuwächse zinslos und ohne Sicherheitsleistung zu stunden sei, hält er – jedenfalls für den betrieblichen Bereich11 – nach einer
1 Ausf. zur Entwicklung der EuGH-Rechtsprechung Kahle/Beinert, FR 2015, 585; Dobratz, ISR 2014, 198. 2 EuGH v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 – Hughes de Lasteyrie du Saillant, Slg. 2004, I-2409; v. 7.9.2006 – Rs. C-470/04 – N, Slg. 2006, I-7409; v. 29.11.2011 – Rs. C-371/10 – National Grid Indus, ECLI:EU:C:2011:785 = Slg. 2011, I-12273; v. 21.5.2015 – Rs. C-657/13 – Verder LabTec, ECLI:EU:C:2015:331 = ISR 2015, 259 m. Anm. Müller = IStR 2015, 440. Hingegen hat der EuGH in der Entscheidung DMC auf die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 Abs. 1 AEUV) abgestellt (krit. Musil, ISR 2014, 470 (471)). 3 Ausf. Dürrschmidt, StuW 2010, 137 (145 ff.). 4 Vgl. Dobratz, ISR 2014, 198 (200). 5 S. auch ausf. Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 7.199 ff. 6 Entwickelt wurde der Rechtfertigungsgrund durch den EuGH in der Entscheidung Marks & Spencer (EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-446/03 – Marks & Spencer, Slg. 2005, I-10837 Rz. 45). 7 EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus, Slg 2011, I-12273; v. 23.1.2014 – Rs. C-164/12 – DMC, ECLI:EU:C:2014:20 = ISR 2014, 136 m. Anm. Müller = IStR 2014, 106. 8 EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus, Slg 2011, I-12273; v. 23.1.2014 – Rs. C-164/12 – DMC, ECLI:EU:C:2014:20 = ISR 2014, 136 m. Anm. Müller = IStR 2014, 106; Schumacher in Lutter5, Einl. II Rz. 8. 9 EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus, ECLI:EU:C:2011:785 = Slg 2011, I-12273. 10 EuGH v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 – Hughes de Lasteyrie du Saillant, Slg. 2004, I-2409; v. 7.9.2006 – Rs. C-470/04 – N, Slg. 2006, I-7409; hierzu Schön, JbFSt 2004/2005, 31 (80 f.); Wassermeyer, GmbHR 2004, 613 (615); Schaumburg in FS Wassermeyer, 411 (423 f.). Vgl. auch EuGH v. 29.11.2011 – Rs. C-371/10 – National Grid Indus, ECLI:EU:C:2011:785 = Slg 2011, I-12273; v. 6.9.2012 – Rs. C-38/10 – Kommission/Portugal, ECLI:EU:C:2012:521 = ISR 2012, 60 m. Anm. Müller; v. 25.4.2013 – Rs. C-64/11 – Kommission/Spanien, ECLI:EU:C:2013:264 = ISR 2013, 225 m. Anm. Müller. 11 Insoweit ist noch nicht abschließend geklärt, ob (richtigerweise) die speziell zum Wegzug natürlicher Personen aufgestellten Grundsätze in den Rechtssachen Hughes de Lasteyrie du Saillant und N weiterhin Gültigkeit beanspruchen können (vgl. Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 7.231; Rautenstrauch/Seitz, Ubg 2012, 14 (25); s. auch Sydow (Diskussionsbeitrag), JbFfSt 2014/2015, 35; Mitschke, IStR 2012, 629), oder diese durch die neuere EuGH-Rechtsprechung in den Rs. DMC und VerderLabTec überholt sind (so Dobratz, ISR 2014, 198 (200)).
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
ersten Modifikation1 durch Zulassung einer Verzinsung2 der gestundeten Steuer bis zu deren Entrichtung und der Möglichkeit der Forderung einer Sicherheitsleistung3 nunmehr4 eine ratierliche Einziehung der festgesetzten Steuer über fünf Jahre für verhältnismäßig.5 Insoweit hat der EuGH insbesondere die gestreckte Zahlungsmethode des § 4g EStG bzw. § 36 Abs. 5 EStG im Kern6 unionsrechtlich abgesegnet.7 Die Rechtspraxis hatte hingegen bis zur Entscheidung in der Rs. DMC im Anschluss an die früheren Judikate auch für die umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsregelungen8 eher erwartet9, dass unionsrechtlich in sämtlichen grundfreiheitlich relevanten Entstrickungskonstellationen eine Einziehung der Steuer vor der tatsächlichen Realisation der Wertzuwächse unzulässig ist.10 20.24
Die umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsregelungen genügen jedoch auch vor dem Hintergrund der jüngeren EuGH-Rechsprechung nicht den unionsrechtlichen Anforderungen. Das UmwStG ist im Rahmen seiner Europäisierung nicht der europarechtlich (mindestens) gebotenen11 (ratierlich abschmelzenden) Stundungslösung, sondern dem Konzept der Sofortbesteuerung gefolgt, soweit umwandlungsbedingt deutsches Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt wird.12 Insbesondere sieht das UmwStG an keiner Stelle eine direkte 1 EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus, ECLI:EU:C:2011:785 = Slg 2011, I-12273. Hierzu Rautenstrauch/Seitz, Ubg 2012, 14. 2 Zurecht krit. Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 7.238; Wassermeyer, EuZW 2012, 921. 3 EuGH v. 29.11.2011 – C-371/10 – National Grid Indus, ECLI:EU:C:2011:785. Die Forderung einer Sicherheitsleistung ist aber nur bei einem erhöhten Nichteinbringungsrisiko verhältnismäßig, vgl. EuGH v. 23.1.2014 – Rs. C-164/12 – DMC, ECLI:EU:C:2014:20 = ISR 2014, 136 m. Anm. Müller = IStR 2014, 106. 4 EuGH v. 23.1.2014 – Rs. C-164/12 – DMC, ECLI:EU:C:2014:20 = ISR 2014, 136 m. Anm. Müller = IStR 2014, 106; v. 21.5.2015 – Rs. C-657/13 – Verder LabTec, ECLI:EU:C:2015:331 = ISR 2015, 259 m. Anm. Müller = IStR 2015, 440. 5 Zur Entwicklung der EuGH-Rechtsprechung Englisch in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 7.231; Kahle/Beinert, FR 2015, 585 ff.; Schön, JbFSt 2014/2015, 25 ff. 6 Zu verbleibenden europarechtlichen Friktionen Faller/Schröder, DStZ 2015, 890 (894 f.). 7 Schön, JbFfSt 2014/2015, 25 (33); Gosch, IWB 2014, 183 (187 f.). 8 S. Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 50.73; Sedemund in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 3.164; Sistermann in Lüdicke, Praxis und Zukunft des des deutschen Internationalen Steuerrechts, 2012, 161 (167 f.). 9 Vgl. Thömmes, StuB 2014, 288: „überraschend“; Burwitz, NZG 2015, 949 (950): „ernüchternd“; s. auch Gosch, IWB 2014, 183 (188): „unerwartet“. 10 Vgl. stv. Beutel/Rehberg, IStR 2012, 94; Körner, IStR 2012, 1; Stöber, ZIP 2012, 1273 (1279 f.); a.A. Lohmar, FR 2013, 591 (598); Mitschke, IStR 2012, 6 (8); Musil, FR 2012, 32 (33); Schwenke, DStZ 2007, 235 ff. 11 A.A. Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 17.48. 12 Vgl. hierzu die entsprechenden Entstrickungsklauseln in § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG (Verschmelzung von Kapital- auf Personengesellschaften), §§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG (Verschmelzung von Kapitalgesellschaften),. § 15 Abs. 1 Satz 2 i.V. mit §§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2; 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG (Auf- und Abspaltung von Kapitalgesellschaften auf andere Kapitalgesellschaften), § 16 Satz 1 i.V. mit § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG (Auf- und Abspaltung von Kapital- auf Personengesellschaften), § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG (Verschmelzung von Personen- auf Kapitalgesellschaften, Betriebseinbringung), § 21 Abs. 2 Satz 2 UmwStG (Anteilseinbrin-
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B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug
oder entsprechende Anwendung der gestreckten Zahlungsmethode i.S.v. § 4g EStG bzw. § 36 Abs. 5 EStG oder sonstige Stundungsregelungen vor.1 Im Hinblick darauf ist die Gesamtkonzeption der umwandlungsteuerrechtlichen Entstrickungsregelungen weiterhin der europarechtlichen Verwerfung durch den EuGH ausgesetzt.2 Zudem ist im Hinblick auf die Entscheidung in der Rs. DMC, in der der EuGH im Zusammenhang mit einer Umwandlungsmaßnahme – wenn auch eher überraschend3 – die Kapitalverkehrsfreiheit bemüht, die in verschiedenen Vorschriften des UmwStG vorgesehene abweichende Behandlung von Dritsstaaten-Sachverhalten (vgl. bspw. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nrn. 1 u. 2 Buchst. b i.V.m Abs. 3 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, § 20 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 UmwStG) nicht mehr haltbar.4 Die Akzeptanz einer über fünf Jahre gestreckten Entstrickungsbesteuerung durch den EuGH überzeugt nicht.5 Eine objektbezogene Abwägung nach Art der übertragenen Wirtschaftsgüter findet nicht statt.6 Der EuGH verweist zudem apodiktisch und nicht frei von Widersprüchen7 allein auf ein „mit der Zeit steigendes Risiko der Nichteinbringung“ der Steuer, obwohl die Gefahr einer Nichteinbringung der Steuer auch durch Stellung einer Sicherheitsleistung als milderes Mittel befriedigt werden könnte.8 Mit dem „Geist“ eines Binnenmarkts ohne Steuergrenzen hat die EuGH-Rechtsprechung nur wenig gemein.9
B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug Literatur Kommentare zum UmwG/UmwStG; Beinert/Benecke, Internationale Aspekte der Umstrukturierung von Unternehmen, FR 2010, 1009, 1120; Benecke/Schnitger, Neuregelungen des UmwStG und der Entstrickungsnormen durch das SEStEG, IStR 2006, 765; Benecke/Staats, Zum Konkurrenzverhältnis der Mutter-Tochter-Richtlinie zur Fusions-Richtlinie – Klärung durch das EuGH-Urteil „Punch Graphix“, ISR 2013, 15; Bergmann, Neues
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7 8 9
gung), § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG (Verschmelzung von Personengesellschaften, Betriebseinbringung); vgl. hierzu Schaumburg in FS Herzig, 719 ff. Vgl. Kahle/Beinert, FR 2015, 585 (587). Zum Anpassungsbedarf Sydow, DB 2014, 265 (270). Für eine analoge Anwendung der §§ 4g, 36 Abs. 5 EStG – entgegen § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG vgl. Hahn, BB 2012, 681 (687); a.A. Lohmar, FR 2013, 591 (596). Vgl. Gosch, IWB 2014, 183 (187); Sydow, DB 2014, 265 (267). Vgl. Schön, JbFfSt 2014/15, 25 (32); Gosch, IWB 2014, 183 (187); Lüdicke, IStR 2014, 537 (540); Patzner/Nagler, GmbHR 2014, 216 (218); tendenziell auch Sydow, DB 2014, 265 (267, 270). Vgl. zur Kritik Gosch in Kirchhof15, § 36 EStG Rz. 30; Thömmes, StuB 2014, 288 (291); Linn, IStR 2014, 136 (139). Dem EuGH zustimmend hingegen Dobratz, ISR 2014, 198 (204); Musil, FR 2014, 470 (471); Mitschke, IStR 2015, 443. Schiefer, NWB 2015, 2289 (2292). Bei genauerem Besehen lassen sich aber in der Rechtsprechung des EuGH vereinzelte Anhaltspunkte dafür ausmachen, dass die ratierliche Stundung nur in Fällen abnutzbarer Wirtschaftsgüter verhältnismäßig ist, vgl. Kahle/Beinert, FR 2015, 585 (587) m.w.N. S. Thömmes, StuB 2014, 288 (291); Faller/Schröder, DStZ 2015, 890 (893). Stv. Schön, JbFfSt 2014/2015, 25 (33). Zutr. Schön, JbFfSt 2014/2015, 25 (34, 39); Gosch (Diskussionsbeitrag), JbFfSt 2014/2015, 40.
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20.25
Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht zum Downstream-Merger, GmbHR 2016, 1191; Bodden, Verschmelzung und Formwechsel von Kapitalgesellschaften auf gewerbliche Personengesellschaften nach dem SEStEG (§§ 3–10 UmwStG), FR 2007, 66; Damas, Einführung in das neue Umwandlungssteuerrecht, DStZ 2007, 129; Dörr/Loose/Motz, Verschmelzungen nach dem neuen Umwandlungssteuererlass, NWB 2012, 566; Dötsch/Pung, SEStEG: Die Änderungen des UmwStG, DB 2006, 2704; FGS/BDI (Hrsg.), Der Umwandlungsteuer-Erlass 2011, 64; Förster, Ausländische Anteilseigner bei der Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Personenunternehmen, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 629; Förster/Felchner, Umwandlung von Kapitalgesellschaft in Personenunternehmen nach dem Referentenentwurf zum SEStEG, DB 2006, 1072; Förster/ Wendland, Einbringung von Unternehmensteilen in Kapitalgesellschaften, BB 2007, 631; Gebhardt/Reppel, Die neuen Subject-to-tax-Klauseln in deutschen DBA – Praxisfälle und Zweifelsfragen im Kontext des BMF-Schreibens vom 20.6.2013, IStR 2013, 760; Goebel/ Ungemach/Stefaner/Steevensz/Thomas/Fluck, Grenzüberschreitende Unternehmensumwandlungen im Verhältnis zu Österreich, den Niederlanden und Frankreich – Darstellung anhand eines praxisrelevanten Falls, DStZ 2014, 82; Göbel/Ungemach, Entstrickungsfallen des UmwStG bei internationalen Umwandlungen, in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung, Herne 2011, 427 ff.; Gsödl/Wuttke, Ertragsteuerliche Neutralität der (grenzüberschreitenden) Abwärtverschmelzung bei Kapitalgesellschaften, DStR 2016, 2326; Heinemann, Verschmelzung von Kapitalgesellschaften nach dem UmwSt-Erlass 2011, GmbHR 2012, 133; Henkel, Internationale Umwandlungen, in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Rz. 10.1 ff.; Hruschka, Umwandlung Kapital- auf Personengesellschaften (§ 3 ff. UmwStG), DStR-Beihefter 2/2012, 4; Hruschka, Umwandlungen mit Auslandsberührung, StuB 2011, 540; Hruschka/ Hellmann, Bewertungswahlrechte bei grenzüberschreitenden Umwandlungen, DStR 2010, 1961; Hruschka/Schicketanz, Vom Verbot der virtuellen Doppelbesteuerung zur Vermeidung weißer Einkünfte, ISR 2015, 164; Klingberg/Nitzschke, Grenzüberschreitende Umwandlungen am Beispiel grenzüberschreitender Verschmelzungen, Ubg 2011, 451; Klingberg/van Lishaut, Ausländische Umwandlungen im deutschen Steuerrecht, FR 1999, 1209; Köhler/Käshammer, Umwandlung von Kapitalgesellschaften mit ausländischen Anteilseignern in Personengesellschaften nach dem UmwSt-Erlass 2011, GmbHR 2012, 301; Lemaitre/Schönherr, Die Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften durch Verschmelzung und Formwechsel nach der Neufassung des UmwStG durch das SEStEG, GmbHR 2007, 173; Lüdicke, Subject-to-tax-Klauseln nach den DBA – Bemerkungen zum BMF-Schreiben vom 20.6.2013, IStR 2013, 721; Mayer, Umwandlung inländischer Kapitalgesellschaften mit Auslandsbezug auf Personengesellschaften, PIStB 2009, 336; Mouldi/Loose, Greift eine Switch-over-Klausel bei Einbringung der US-Betriebsstätte einer deutschen Kapitalgesellschaft in eine US-Corporation?, IStR 2012, 829; Mutscher, Anwendungsbereich der fiktiven Steueranrechnung im UmwStG, IStR 2010, 820; Pohl, Ausgewählte internationale Aspekte des neuen Umwandlungsteuererlasses, IWB 2012, 177; Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Köln 2013; Pung, Besteuerung von Einbringungsgewinnen bei Sperrfristverstößen nach dem UmwSt-Erlass 2011, GmbHR 2012, 158; Rasche, Steuerliche Risiken bei der Abwärtsverschmelzung („down-stream merger“), GmbHR 2010, 1188; Rödder/Schumacher, Das SEStEG – Überblick über die endgültige Fassung und die Änderungen gegenüber dem Regierungsentwurf, DStR 2007, 369; Rödder/Schumacher, Das kommende SEStEG Teil II: Das geplante neue Umwandlungssteuergesetz, DStR 2006, 1525; Rogall, Wesentliche Aspekte des neuen Umwandlungssteuererlasses, NZG 2011, 810; Schaumburg, Steuerliche Restriktionen bei internationalen Umwandlungen, GmbHR 2010, 1341; Schaumburg, Die Entstrickungsklauseln im Umwandlungssteuerrecht, in Kessler/Förster/Watrin (Hrsg.), Unternehmensbesteuerung, FS für Herzig, München 2010, 711; Schaumburg, Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug, GmbHR 1996, 414; Schaumburg, Verschmelzung von Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften nach neuem Umwandlungssteuerrecht, FR 1995, 211; Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Internationales Umwandlungssteuerrecht, Köln 1996; Schell, Internationale Bezüge bei Verschmelzungen zwischen Körperschaften, FR 2012, 101; Schell, Internationale Bezüge bei Verschmelzungen von Körperschaften auf Personengesellschaf-
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B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug ten – Eine Analyse steuerlicher Fragestellungen im Lichte des neuen Entwurfs zum Umwandlungssteuererlass, IStR 2011, 704; Schmitt/Schloßmacher, Downstream-Merger mit ausländischen Anteilseignern, DStR 2010, 673; Schmitt/Schloßmacher, Umwandlungssteuererlass UmwStE 2011, 2012; Schneider/Ruoff/Sistermann, Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 2012; Schönfeld, Welche praktischen Probleme löst das BMF-Schreiben zu Subject-to-Tax-Klauseln und welche nicht? – dargestellt anhand von Fallbeispielen, IStR 2013, 757; Schönfeld, Ausgewählte internationale Aspekte des neuen Umwandlungssteuererlasses, IStR 2011, 497; Schönfeld/Häck, Der Methodenartikel in der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen, ISR 2013, 168; Sistermann, Der neue Umwandlungssteuererlass – Umwandlungen mit Auslandsbezug, in Lüdicke (Hrsg.), Praxis und Zukunft des deutschen Internationalen Steuerrechts, Forum der Internationalen Besteuerung, Bd. 40, 2012, 161; Stimpel, Umwandlung von Kapital- in Personengesellschaften nach dem UmwStErlass 2011, GmbHR 2012, 123; Tommaso, Ausgewählte Einzelfragen zur Verschmelzung auf Körperschaften, SteuK 2012, 87; Werra/Teiche, Das SEStBeglG aus der Sicht international tätiger Unternehmen, DB 2006, 1455; Viebrock/Hagemann, Verschmelzungen mit grenzüberschreitendem Bezug, FR 2009, 737; Wassermeyer/Richter/Schnittker (Hrsg.), Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2. Aufl. Köln 2015; Widmann, Auswirkungen der beschränkten Steuerpflicht und der Doppelbesteuerungsabkommen bei Umwandlungen, in Gocke/Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 579.
I. Allgemeines Für den sachlichen Anwendungsbereich unterscheidet das UmwStG zwischen Umwandlungen (Zweiter bis Fünfter Teil des UmwStG, §§ 3 bis 19 UmwStG) und Einbringungen (Sechster bis Achter Teil des UmwStG, §§ 20 bis 25 UmwStG).1 Zu den „Umwandlungen“ im Sinne des UmwStG zählen nur die enumerativ in § 1 Abs. 1 UmwStG aufgezählten Umwandlungsmaßnahmen nach dem UmwG oder vergleichbare ausländische Vorgänge. Dies sind (i) die Verschmelzung (§ 2 UmwG) von Körperschaften auf Körperschaften, Personengesellschaften oder eine natürliche Person, (ii) die Auf-und Abspaltung (§ 123 Abs. 1 und Abs. 2 UmwG)2 von Körperschaften auf Körperschaften oder Personengesellschaften, (iii) der Formwechsel (§ 190 Abs. 1 UmwG) einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft sowie die Vermögensübertragung (§ 174 UmwG) von Körperschaften auf Körperschaften. Zu den „Einbringungen“ zählen die in § 1 Abs. 3 UmwStG genannten Einbringungsvorgänge, die sich handelsrechtlich teilweise nach dem UmwG richten, und vergleichbare ausländische Vorgänge. Hierzu zählen (i) die Verschmelzung (§ 2 UmwG), die Auf- und Abspaltung (§ 123 Abs. 1 und Abs. 2 UmwG) von Personenhandelsgesellschaften und Partnerschaftsgesellschaften auf Kapitalgesellschaften oder Genossenschaften oder auf eine Personengesellschaft, (ii) die Ausgliederung von Vermögensteilen (§ 123 Abs. 3 UmwG) auf eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft oder auf 1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.02. Die Gesetzesbegründung zum SEStEG spricht insoweit vom „Umwandlungsteil (Zweiter bis Fünfter Teil)“, vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung v. 25.9.2006, BT-Drucks. 16/2710, 34. 2 Die als Spaltungsart vom UmwG erfasste Ausgliederung (§ 123 Abs. 3 UmwG) wird durch § 1 Abs. 1 Satz 2 UmwStG von den „Umwandlungen“ ausgenommen. Sie ist Umwandlung steuerrechtlich als „Einbringung“ gemäß §§ 20 ff. UmwStG zu behandeln, vgl. stv. Brinkmann in Schneider/Ruoff/Sistermann, Umwandlungsteuer-Erlass 2011, Rz. 1.14.
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
eine Personengesellschaft, (iii) der Formwechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft (§ 190 Abs. 1 UmwG), (iv) die Einbringung von Betriebsvermögen durch Einzelrechtsnachfolge in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft oder in eine Personengesellschaft und (v) die Einbringung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft in eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft (Anteilstausch). Die sachliche Anwendung des UmwStG setzt weitere voraus, dass Umwandlungen und Einbringungen nach den Vorschriften des UmwG oder bei vergleichbaren ausländischen Vorgängen zivilrechtlich zulässig und wirksam sind (sog. Maßgeblichkeit des Gesellschaftsrechts).1 Hierbei soll regelmäßig von der registerrechtlichen Entscheidung auszugehen sein, es sei denn, die registerrechtliche Entscheidung erfolgte trotz rechtlich gravierender Mängel.2 20.27
Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug unterfallen ganz überwiegend dem sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich des UmwStG3, wobei eine normative Differenzierung zwischen in- und ausländischem Betriebsstättenvermögen der an der Umwandlung beteiligten Rechtsträger sowie zwischen unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtigen Rechtsträgern und Gesellschaftern von an den Umwandlungen beteiligten Kapital- und Personengesellschaften durchweg nicht erfolgt. Eine Ausnahme besteht nur hinsichtlich der vom Sechsten und Achten Teil des UmwStG erfassten Einbringungen von Sachgesamtheiten4 in eine Kapitalgesellschaft (§ 20 UmwStG) bzw. dem Formwechsel einer Personen- in eine Kapitalgesellschaft (§ 25 i.V.m. §§ 20 bis 23 UmwStG).5 Insoweit ist der persönliche Anwendungsbereich des UmwStG nur eröffnet, wenn (i) der Einbringende die spezifischen (Ansässigkeits-)Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 UmwStG erfüllt (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a UmwStG) oder (ii) bei einem in einem Drittstaat ansässigen Einbringenden das Besteuerungsrecht Deutschlands hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG). Für den Anteilstausch (§ 21 UmwStG) mit einer deutschen Kapitalgesellschaft als übernehmendem Rechtsträger gelten diese Einschränkungen für den Einbringenden hingegen nicht.6
20.28
Bei inländischen Umwandlungen i.e.S. und i.w.S. mit Auslandsbezug geht es im Wesentlichen um folgende Fallgruppen:
1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.02. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.06 u. 01.23. Krit. Brinkmann in Schneider/Ruoff/Sistermann, Umwandlungsteuer-Erlass 2011, Rz. 1.6. 3 Vgl. Schumacher in Lutter5, Einl. II Rz. 25. 4 Betrieb, Teilbetrieb oder Mitunternehmeranteil. 5 Ausf. zu den erfassten Umwandlungsvorgängen, vgl. Graw in R/H/vL2, § 1 UmwStG Rz. 190 ff. 6 § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwStG bezieht sich nicht auf § 1 Abs. 3 Nr. 5 UmwStG. Von der Anwendbarkeit des UmwStG zu trennen ist die Frage, ob der Anteilstausch bei einem in einem Drittstaat Ansässigen zu Buchwerten erfolgen kann, vgl. § 21 Abs. 2 Satz 2 ff. UmwStG, dazu Rz. 20.127 f.
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B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug
– die Verschmelzung (§§ 3 ff. UmwStG) oder Spaltung (§ 16 UmwStG) von Kapitalgesellschaften mit beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern und/oder ausländischen Betriebsstätten auf Personengesellschaften; – die Verschmelzung (§§ 11 ff. UmwStG) oder Spaltung (§ 15 UmwStG) von Kapitalgesellschaften mit beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern und/oder ausländischen Betriebsstätten auf andere Kapitalgesellschaften; – die Verschmelzung (Einbringung) von Personengesellschaften (Sachgesamtheiten1) mit beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern und/oder ausländischen Betriebsstätten auf (in) Kapitalgesellschaften (§ 20 UmwStG)2; – die Verschmelzung (Einbringung) von Personengesellschaften (Sachgesamtheiten) mit beschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern und/oder ausländischen Betriebsstätten auf (in) Personengesellschaften (§ 24 UmwStG);3 – der Formwechsel von Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften (§ 9 UmwStG) und von Personen- in Kapitalgesellschaften (§ 25 UmwStG).
II. Verschmelzung 1. Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften a) Anwendungsbereich des UmwStG Nach deutschem Umwandlungsrecht kann eine inländische Kapitalgesellschaft4 auf eine inländische Personengesellschaft5 verschmolzen6 werden (§ 2 UmwG), auch wenn an den beteiligten Gesellschaften im Ausland ansässige Gesellschafter beteiligt sind oder die übertragende Kapitalgesellschaft im Ausland belegenes Vermögen hält. Sämtliches Vermögen geht durch die Verschmelzung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende Personengesellschaft über, soweit deutsches Zivilrecht maßgeblich ist. Das UmwStG ist sachlich (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwStG i.V.m. § 2 UmwG) und persönlich anwendbar (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 UmwStG). Der Auslandsbezug besteht regelmäßig darin, dass die übertragende Kapitalgesellschaft ausländisches Betriebs(stätten)vermögen hält und/oder an 1 Betrieb, Teilbetrieb, Mitunternehmeranteil. 2 Nachfolgend wird stv. für Einbringungen i.S.v. § 20 UmwStG nur die Verschmelzung von Personen- auf Kapitalgesellschaften behandelt. Die Ausführungen gelten für die weiteren Einbringungsfälle – cum grano salis – entsprechend. 3 Nachfolgend wird stv. für Einbringungen i.S.v. § 24 UmwStG nur die Verschmelzung von Personen- auf Personengesellschaften behandelt. Die Ausführungen gelten für die weiteren Einbringungsfälle – cum grano salis – entsprechend. 4 Grundsatz: Sitz im Inland (§ 1 Abs. 1 UmwStG i.V. m. § 1 Abs. 1 UmwG); vgl. Förster in FS Schaumburg, 629 (630); wegen der Erweiterung auf vergleichbare ausländische Vorgänge und in Orientierung an die EuGH-Entscheidungen Centros (EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97, Slg. 1999, I-1459), Überseering (EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00, Slg. 2002, I-9919), Inspire Art (EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01, Slg. 2003, I-10155) und Sevic Systems (EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-411/03, Slg. 2005, I-10805) werden aber auch nach ausländischem Recht errichtete Kapitalgesellschaften erfasst, vgl. Rödder in R/H/vL2, Einf. UmwStG Rz. 31 ff. 5 Grundsatz: Sitz im Inland (§ 1 Abs. 1 UmwStG i.V. mit § 1 Abs. 1 UmwG). 6 Im Folgenden wird nur die Verschmelzung von Kapital- und Personengesellschaften behandelt.
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
ihr im Ausland ansässige Gesellschafter beteiligt sind. Auf Ebene der übertragenden Kapitalgesellschaft (Rz. 20.30 ff.), der übernehmenden Personengesellschaft (Rz. 20.35 ff.) und den Anteilseignern (Rz. 20.38 ff.) ergeben sich speziell auf Grund des Auslandsbezugs folgende steuerliche Rechtswirkungen nach Maßgabe der §§ 3 ff. UmwStG: b) Auswirkungen bei der übertragenden Kapitalgesellschaft 20.30
Die übertragende Kapitalgesellschaft hat die im Zuge der Verschmelzung übergehenden Wirtschaftsgüter in ihrer steuerlichen Schlussbilanz grds. mit dem gemeinen Wert anzusetzen (§ 3 Abs. 1 Satz 1 UmwStG), wodurch die in den Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven aufzudecken wären und ein Übertragungsgewinn (zur Besteuerung des Übertragungsgewinns s. Rz. 20.34) entstünde. Abweichend hiervon kann die übertragende Kapitalgesellschaft gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 UmwStG die Buchwertfortführung wählen, soweit zum steuerlichen Übertragungsstichtag – die übergehenden Wirtschaftsgüter Betriebsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft werden und sichergestellt ist, dass sie später der Besteuerung mit in- oder ausländischer1 Einkommen- oder Körperschaftsteuer unterliegen (Nr. 1), und – ein bisher bestehendes2 deutsches Besteuerungsrecht3 hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgütern bei den Gesellschaftern der übernehmenden Personengesellschaft nicht beschränkt oder ausgeschlossen wird (Nr. 2) und – eine Gegenleistung nicht gewährt wird oder nur in Gesellschaftsrechten besteht (Nr. 3)4. Die Voraussetzungen des Betriebsvermögensvorbehalts5 werden regelmäßig ebenso erfüllt sein wie die Sicherstellung der Besteuerung mit Einkommen1 Die Besteuerung mit einer der deutschen Steuer vergleichbaren ausländischen Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer ist ausreichend, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 03.17; s. auch Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 86; Schmitt in S/H/S7, § 3 UmwStG Rz. 79; Birkemeier in R/H/vL2, § 3 UmwStG Rz. 95; Brinkhaus/Grabbe in H/M4, § 3 UmwStG Rz. 116; a.A. Widmann in W/M, § 3 UmwStG Rz. R 63.25. Dies kann bspw. relevant werden, wenn es sich um übergehendes ausländisches Betriebsvermögen handelt und an der übertragenden Kapitalgesellschaft ausländische Anteilseigner beteiligt sind (vgl. Henkel in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 10.63). 2 Soweit ein entsprechendes deutsches Besteuerungsrecht bereits vor der Verschmelzung nicht bestand, kann es auch nicht „schädlich“ durch die Verschmelzung ausgeschlossen werden, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 03.19. 3 Das deutsche Besteuerungsrecht bezieht sich nur auf die Einkommen- oder Körperschaftsteuer, hingegen nicht auf die Gewerbesteuer (vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 03.18). Der Wegfall einer bisher bestehenden Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 ff. AStG) ist ebenfalls unschädlich, vgl. stv. Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 173 (175). 4 Dieses Erfordernis wird hier mangels spezifischen Auslandsbezugs nicht weiter betrachtet. 5 Der Betriebsvermögensvorbehalt unterscheidet nicht zwischen in- und ausländischem Betriebsvermögen und stellt auch nicht darauf ab, ob ein DBA eingreift.
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B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug
oder Körperschaftsteuer. Im Vordergrund steht daher die gesellschafterbezogen1 zu beantwortende Frage, ob und inwieweit das deutsche Besteuerungsrecht an den Gewinnen aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgütern durch die Verschmelzung ausgeschlossen oder beschränkt wird. Im Rahmen des § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG gilt Folgendes: Geht im Zuge der Verschmelzung inländisches Betriebsstättenvermögen über, bleibt das bisherige deutsche Besteuerungsrecht regelmäßig erhalten, selbst wenn an der übernehmenden Personengesellschaft ausländische Gesellschafter beteiligt sind.2 Ist der ausländische Anteilseigner in einem Nicht-DBA-Staat ansässig, kann eine spätere Veräußerungsgewinnbesteuerung uneingeschränkt im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht erfolgen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Gleiches gilt, wenn der Anteilseigner in einem DBA-Staat ansässig ist und Deutschland nach dem einschlägigen DBA weiterhin die Gewinne aus der Veräußerung der Wirtschaftsgüter besteuern kann, bspw. weil es sich um im Inland belegenes unbewegliches Vermögen handelt (vgl. Art. 13 Abs. 1 OECD-MA, dazu Rz. 19.381) oder die übernommenen Wirtschaftsgüter einer durch die Personengesellschaft vermittelten Betriebsstätte (Art. 5 OECD-MA) abkommensrechtlich zuzurechnen sind (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA, sog. Betriebsstättenvorbehalt, dazu Rz. 19.385) ann aber dadurch verloren gehen, dass die übernehmende Personengesellschaft abkommensrechtlich keine Betriebsstätte i.S.v. Art. 5 OECD-MA vermittelt (bspw. rein vermögensverwaltend tätige GmbH & Co. KG i.S.v. § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) oder die Voraussetzungen des Betriebsstättenvorbehalts nicht erfüllt sind.3 Kommt es im Anschluss an die Verschmelzung zu einem Wechsel der Zuordnung eines Wirtschaftsguts von einer inländischen zu einer ausländischen Betriebsstätte, erfolgt diese regelmäßig nicht am insoweit maßgeblichen steuerlichen Übertragungsstichtag, so dass § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG der Buchwertfortführung nicht entgegensteht, es aber zur anschließenden Entstrickung nach allgemeinen Grundsätzen (§ 4 Abs. 1 Satz 3, § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG) kommt.4
20.31
In den Fällen, in denen im Zuge der Verschmelzung ausländisches Betriebsstättenvermögen5 der übertragenden Kapitalgesellschaft auf die übernehmende Per-
20.32
1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 03.10 u. 03.16. 2 Vgl. Goebel/Ungemach/Stefaner/Steevensz/Thomas/Fluck, DStZ 2014, 82 (83). 3 Stv. Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 11. 4 S. insoweit zur Unterscheidung zwischen (umwandlungsbedingter) „rechtlicher“ und (umwandlungsnachfolgender) „tatsächlicher“ (passiver) Entstrickung Rödder in R/H/vL2, § 11 UmwStG Rz. 126; Schmitt in S/H/S7, § 11 UmwStG Rz. 116; Jäschke/ Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 6.179; Beinert/ Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.105 u. 8.254 ff.; Hruschka, DStR-Beihefter 2/2012, 4 (6); Hruschka, StuB 2011, 540 (542 f.); Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1014); Hruschka/Hellmann, DStR 2010, 1961 (1963); Pohl, IWB 2012, 177 (180); a.A. Schießl in W/M, § 11 UmwstG Rz. 50.3., wonach ein „unmittelbarer Zusammenhang“ mit der Umwandlung genüge, bspw. sich im Rückwirkungszeitraum die Zuordnung von Wirtschaftsgütern verändere. 5 Es spielt hierbei grundsätzlich keine Rolle, ob die zum ausländischen Betriebsstättenvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter im Inland oder im Ausland belegen sind.
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
sonengesellschaft übergeht,1 tritt hinsichtlich des ausländischen Betriebsstättenvermögens im Grundsatz keine steuerliche Änderung ein, soweit unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind.2 Die in dem übergehenden ausländischen Betriebsstättenvermögen ruhenden stillen Reserven sind nämlich im Ausland bei beschränkter Steuerpflicht im Rahmen des dortigen Inlandseinkommens und im Inland bei unbeschränkter Steuerpflicht unverändert im Rahmen der Besteuerung des Welteinkommens dem Steuerzugriff ausgesetzt.3 In Abkommensfällen unterliegen dabei die in dem ausländischen Betriebsstättenvermögen ruhenden stillen Reserven im Ausland der Besteuerung und sind aufgrund des in den deutschen DBA verankerten Betriebsstättenprinzips (Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA) regelmäßig von de deutschen Steuer freigestellt (Freistellungsbetriebsstätte).4 Insoweit besteht bereits vor der Verschmelzung kein deutsches Besteuerungsrecht an den Veräußerungsgewinnen, welches durch die Verschmelzung ausgeschlossen werden könnte.5 Wird abkommensrechtlich oder etwa nach Maßgabe des § 20 Abs. 2 AStG (Rz. 19.544) oder des § 50d Abs. 9 EStG (Rz. 19.525 ff.) die Doppelbesteuerung durch Anrechnung ausländischer Steuern vermieden (§ 34c Abs. 1 EStG; § 26 Abs. 1 KStG) (Anrechnungsbetriebsstätte), tritt ebenfalls keine Änderung hinsichtlich des Besteuerungsrechts ein.6 Soweit beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind, ergeben sich wesentliche Änderungen, weil sowohl die laufenden Gewinne als auch die Gewinne aus der Veräußerung des ausländischen Betriebsstättenvermögen nach der Verschmelzung auf die Personengesellschaft als ausländische Betriebsstättengewinne nicht mehr der beschränkten Steuerpflicht im Inland unterliegen.7 Eine Buchwertfortführung scheidet aber nur in den Fällen aus, in denen keine DBA eingreifen, und in Abkommensfällen, soweit die Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung vermieden wird.8 Für die Beurteilung des deutschen Besteuerungsrechts kommt es insoweit allein auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des
1 Erkennt das ausländische Recht den Vermögensübergang des ausländischen Betriebsstättenvermögens per Gesamtrechtsnachfolge nicht an, findet § 3 UmwStG dennoch Anwendung, wenn nach dem maßgeblichen ausländischen Privatrecht eine Übertragung durch Einzelrechtsnachfolge in zeitlichem und sachlichem Zusammenhang erfolgt, vgl. Schmitt in S/H/S6, § 3 UmwStG Rz. 93. 2 Gesellschafterbezogene Prüfung, wobei auf die Gesellschafter der übernehmenden Personengesellschaft auch dann abzustellen ist, wenn sie nicht an der übertragenden Kapitalgesellschaft beteiligt waren; Brinkhaus/Grabbe in H/M4, § 3 UmwStG Rz. 117. 3 Birkemeier in R/H/vL2, § 3 UmwStG Rz. 104. 4 Zur Freistellungsmethode im Einzelnen Rz. 19.521 ff. 5 Später anfallende Veräußerungsgewinne sind steuerfrei; hierzu Birkemeier in R/H/vL2, § 3 UmwStG Rz. 104. 6 Vgl. Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 12. 7 Vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG; BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663; Göbel/Ungemach in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 427 (437); Schaumburg, GmbHR 1996, 414 (416). 8 Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 103; Birkemeier in R/H/vL2, § 3 UmwStGRz. 104; Widmann in W/M, § 3 UmwStG Rz. R 63.27; Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 13; Henkel in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 10.68; Goebel/Ungemach/Stefaner/Steevensz/Thomas/Fluck, DStZ 2014, 82 (84).
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B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug
(rückbezogenen1) steuerlichen Übertragungsstichtags an,2 da bereits ab diesem Zeitpunkt Veräußerungsgewinne beim übernehmenden Rechtsträger ermittelt werden.3 Der die Entstrickung auslösende Wechsel von unbeschränkter zu beschränkter Steuerpflicht wirkt insoweit auf den steuerlichen Übertragungsstichtag als Anwendungsfall der sog. rechtlichen (passiven) Entstrickung zurück.4 Greifen dagegen DBA ein, auf Grund derer die Doppelbesteuerung durch Freistellung der ausländischen Betriebsstätteneinkünfte vermieden wird, bestand bereits bisher kein deutsche Besteuerungsrecht, so dass das Bewertungswahlrecht (§ 3 Abs. 1 UmwStG) ausgeübt werden kann.5 Rechtsfolgenseitig kann das Bewertungswahlrecht ggf. nur für einzelne Gesellschafter oder einzelne Wirtschaftsgüter erfüllt sein. Die betroffenen Wirtschaftsgüter sind dann (ggf. anteilig) in der steuerlichen Schlussbilanz zwingend mit ihren gemeinen Werten anzusetzen. Soweit die Voraussetzungen i.S.v. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 UmwStG in Bezug auf andere Gesellschafter oder Wirtschaftsgüter gegeben sind, bleibt der Buchwertansatz auf Antrag möglich.6 Soweit die Buchwertfortführung gewählt werden kann, ist nach dem Gesetzeswortlaut das Wahlrecht „einheitlich“ auszuüben (sog. Einheitlichkeitsgrundsatz), d.h. die Wirtschaftsgüter sind in der steuerlichen Schlussbilanz sämtlich mit ihren Buchwerten anzusetzen.7
20.33
Soweit bei der übertragenden Kapitalgesellschaft durch den Ansatz von Wirtschaftsgütern zum gemeinen Wert ein Übertragungsgewinn entsteht, ist dieser
20.34
1 Die steuerliche Rückwirkung i.S.v. § 2 Abs. 1 und 2 UmwStG gilt nicht, soweit dadurch Einkünfte aufgrund abweichender Regelungen zur Rückbeziehung in einem ausländischen Staat der Besteuerung entzogen werden (§ 2 Abs. 3 UmwStG), bspw. wenn der ausländische Staat die im Inland zum steuerlichen Übertragungsstichtag entstrickten Einkünfte erst ab einem späteren Zeitpunkt besteuert, vgl. Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 13. 2 Stv. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 03.18; Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 13; Jäschke/ Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 6.179; Beinert/ Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.105 u. 8.254 ff.; Hruschka, DStR-Beihefter 2/2012, 4 (6); Hruschka, StuB 2011, 540 (542 f.); Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1014); Hruschka/Hellmann, DStR 2010, 1961 (1963); Pohl, IWB 2012, 177 (180); Schaumburg, GmbHR 2010, 1341 (1343 f.) m.w.N.; a.A. Schießl in W/M, § 11 UmwstG Rz. 50.3. 3 Vgl. Schmitt in S/H/S7, § 3 UmwStG Rz. 88. 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 03.20 i.V.m. Beispiel in Tz. 03.19; van Lishaut in R/H/vL2, § 2 UmwStG Rz. 109, 110. 5 Der verschmelzungsbedingte Wegfall des Progressionsvorbehaltes ist keine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts gem. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG; Schmitt in S/H/S7, § 3 UmwStG Rz. 86. 6 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 03.13; Maier in Schneider/Ruoff/Sistermann, Umwandlungssteuer-Erlass 2011, H. 3.35; Goebel/Ungemach/Stefaner/Steevensz/Thomas/Fluck, DStZ 2014, 82 (84); Stimpel, GmbHR 2012, 123 (125). 7 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 03.28; Goebel/Ungemach/Stefaner/Steevensz/Thomas/Fluck, DStZ 2014, 82 (84).
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
grds. im Inland körperschaftsteuer- und gewerbesteuerpflichtig.1 Geht im Zuge der Umwandlung im Ausland belegenes Vermögen über, ist zu unterscheiden: Greift kein DBA, kann die ausländische Steuer grds. auf eine auf den Übertragungsgewinn anfallende deutsche Körperschaftsteuer2 angerechnet werden (§ 26 KStG). In Abkommensfällen stellt sich ggf. zunächst die Frage, ob der Übertragungsgewinn abkommensrechtlich den Unternehmensgewinnen (Art. 7 OECD-MA)3, den Veräußerungsgewinnen (Art. 13 Abs. 2 oder Abs. 5 OECDMA)4 oder den sonstigen Einkünften (Art. 21 OECD-MA) unterfällt, da hiervon abhängen kann, ob nach dem DBA die Anrechnungs- oder Freistellungsmethode anzuwenden ist.5 Sieht das DBA zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen (ausnahmsweise) generell6 oder speziell7 die Anrechnungsmethode vor, kommt eine Besteuerung in Deutschland zum Tragen, jedoch unter Anrechnung etwaiger ausländischer Steuern (§ 34c Abs. 1 EStG, § 26 KStG). Schließt das DBA eine Anrechnung auf die Gewerbesteuer nicht ausdrücklich aus, muss Deutschland auch eine Anrechnung der ausländischen Steuern auf die Gewerbesteuer zulassen (s. Rz. 19.554). Regelmäßig gehen zwar die deutschen DBA nicht nur für unbewegliches Auslandsvermögen8, sondern auch für ausländische Betriebsstättengewinne von der Freistellungsmethode aus (s. 19.521). Insbesondere die jüngere deutsche Abkommenspolitik schränkt jedoch die grundsätzliche Steuerfreistellung ausländischer Betriebsstättengewinne (hier: Einbringungsgewinn) im Wege abkommensrechtlicher Aktivitätsvorbehalte (s. Rz. 19.515)9 oder Subjectto-Tax-Klauseln (s. Rz. 19.522)10 ein.11 Enthält das einschlägige DBA eine Aktivitätsklausel, so ist Deutschland berechtigt, auf den Übertragungsgewinn anstatt der Freistellungsmethode die Anrechnungsmethode anzuwenden,12 wenn in 1 Gewerbesteuerrechtlich ist jedoch eine Kürzung um den nicht auf eine inländische Betriebsstätte entfallenden Gewerbeertrag vorzunehmen (§ 9 Nr. 3 GewStG). 2 Mangels Anrechnungsvorschriften aber nicht auf die Gewerbesteuer. 3 Wassermeyer in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (122); Viebrock/Hagemann, FR 2009, 737 (738); Klingberg/van Lishaut, FR 1999, 1222. 4 Vgl. Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 17; Gradel/Kleinhans in S/K/K, Art. 13 OECD-MA Rz. 7; Lieber in S/D, Art. 13 OECD-MA Rz. 36; Meretzki in F/W/K, Art. 13 DBA-Schweiz Rz. 76; Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.27; Jäschke/Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerecht, Rz. 6.20. 5 Die Beurteilung kann im Einzelfall für die Anwendbarkeit einer sog. Aktivitätsklausel oder einer Anrechnung etwaiger ausländischer Steuern von Bedeutung sein, vgl. Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.27; Jäschke/ Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerecht, Rz. 6.20 mit Fussnote 1. 6 Bspw. Art. 22 Abs. 1 DBA-VAE. 7 Im Regelfall wird die Anrechnungsmethode nur für bestimmte Einkünfte vereinbart, vgl. Rz. 19.552. 8 Insoweit kann regelmäßig offenbleiben, ob die Umwandlung abkommensrechtlich eine Veräußerung darstellt, da die Rechtsfolgen von Art. 6 Abs. 1 bzw. Art. 13 Abs. 1 OECD-MA i.V.m. Art. 23 Abs. 1 OECD-MA aus Sicht des Ansässigkeitsstaat grds. übereinstimmen. 9 Ausf. allg. Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 84 ff. 10 Ausf. allg. Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 73 ff. 11 Zu deren Anwendung im Bereich von Umwandlungen ausf. Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.59 ff. 12 Mit der Folge der uneingeschränkten Besteuerung, da der ausländische Staat die Umwandlung zum Buchwert zulässt.
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Schaumburg/Häck
B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug
der ausländischen Betriebsstätte vor der Einbringung keine „aktive“ Tätigkeit i.S. der Aktivitätsklausel ausgeübt wurde.1 Jenseits dessen stellt sich die Frage, ob bei Steuerfreiheit der Umwandlung im ausländischen Staat die abkommensrechtliche Freistellung des Übertragungsgewinns mangels „tatsächlicher Besteuerung“ im anderen Vertragsstaat durch eine Subject-to-Tax-Klausel suspendiert werden kann.2 Bezieht man zutreffend die (voraussichtliche) spätere Besteuerung der stillen Reserven im ausländischen Staat im Fall der tatsächlichen Veräußerung in die Betrachtung mit ein,3 finden die abkommensrechtlichen Subject-to-Tax-Klauseln auch bei Umwandlungen zu Buchwerten keine Anwendung.4 Dies dürfte auch den Erwägungen in dem zur Anwendung von Subject-to-Tax-Klauseln veröffentlichten BMF-Schreiben v. 20.6.20135 entsprechen.6 Hingegen hat der BFH zu den (wenigen) sog. Quellenregeln7 im Zusammenhang mit einem Formwechsel unter Buchwertfortführung den Rückfall des Besteuerungsrechts an Deutschland bejaht.8 Ungeachtet der abkommensrechtlichen Regelungen können im Einzelfall auch die innerstaatlichen Vorbehaltsklauseln (§ 50d Abs. 9 Nr. 1 bzw. Nr. 2 EStG, § 20 Abs. 2 AStG) zum Tragen kommen. Die Sondervorschrift des § 3 Abs. 3 UmwStG (fiktive Anrechnung ausländischer Steuern in EU-Fällen9) kommt bei reinen Inlandsverschmelzungen an sich nicht in Betracht, da durch den Bezug auf Art. 10 FRL eine grenzüberschreitende Verschmelzung vorausgesetzt wird.10 Sinn und Zweck der Norm sprechen aber für eine Erstreckung auch auf reine Inlandsumwandlungen.11
1 Vgl. Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.59; Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.126. 2 Hierzu Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.59; Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.132 ff.; Hruschka/Schicketanz, ISR 2015, 164 ff. 3 Vgl. Schönfeld, IStR 2013, 757 (759); Gebhardt/Reppel, IStR 2013, 760 (763 f.); Schönfeld/Häck, ISR 2013, 168 (174); Mouldi/Loose, IStR 2012, 829 (833 f.). 4 A.A. Hruschka/Schicketanz, ISR 2015, 164 (166 ff.) unter Hinweis auf die unterschiedlichen Steuerpflichtigen und eine fehlende Doppelbesteuerung im abkommensrechtlichen Sinne. 5 BMF v. 20.6.2013 – IV B 2 - S 1300/09/10006 – DOK 2013/0539717, BStBl. I 2013, 980. 6 Insoweit lassen sich Buchwerteinbringungen als (unschädliche) „temporäre“ oder „permanente Differenz“ einstufen, vgl. BMF v. 20.6.2013 – IV B 2 - S 1300/09/10006 – DOK 2013/0539717, BStBl. I 2013, 980, Tz. 2.3; Gebhardt/Reppel, IStR 2013, 760 (763 f.); Lüdicke, IStR 2013, 721 (728). 7 Diese sehen vor, dass Einkünfte (nur dann) aus dem anderen Vertragsstaat „stammen“, wenn sie dort (effektiv) besteuert wurden, hierzu ausf. Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 75. 8 BFH v. 17.10.2007 – I R 96/06, BStBl. II 2008, 953 zu Prot. Nr. 16 Buchst. d zum DBA-Italien. 9 § 3 Abs. 3 UmwStG greift nur, wenn überhaupt ein Übertragungsgewinn entsteht und eine Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung (nicht Steuerfreistellung) vermieden worden wäre (bspw. Protokoll Nr. 8 zu Art. 24 DBA-Portugal), vgl. Birkemeier in R/H/vL2, § 3 UmwStG Rz. 159. 10 Vgl. stv. Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 12; Widmann in W/M, § 3 UmwStG Rz. R 564.3; Mutscher, IStR 2010, 820 (823 f.). 11 Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.99.
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
c) Auswirkungen bei der übernehmenden Personengesellschaft und ihren Gesellschaftern 20.35
Die übernehmende Personengesellschaft hat zum steuerlichen Übertragungsstichtag die auf sie übergegangenen Wirtschaftsgüter und sonstige Bilanzansätze1 grds. mit den in der steuerlichen Schlussbilanz i.S.v. § 3 UmwStG der übertragenden Körperschaft enthaltenen Werten in ihre steuerliche Gesamthandsbilanz zu übernehmen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 UmwStG, sog. Wertverknüpfung2). Die übernehmende Personengesellschaft tritt grds. in die steuerliche Rechtsstellung der übertragenden Gesellschaft ein (§ 4 Abs. 2 Satz 1, Satz 3, Abs. 3 UmwStG), verrechenbare Verluste und verbleibende Verlustvorträge etc. gehen jedoch unter (§ 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG).
20.36
In Fällen, in denen im Hinblick auf die Beteiligung ausländischer Anteilseigner in der Schlussbilanz der übertragenden Kapitalgesellschaft wegen der Einschränkung des deutschen Besteuerungsrechts trotz der Buchwertfortführung stille Reserven jedenfalls teilweise aufzudecken sind, will die Finanzverwaltung den Aufstockungsbetrag durch Bildung von negativen Ergänzungsbilanzen (für die inländischen Gesellschafter) bzw. positiven Ergänzungsbilanzen (für die ausländischen Gesellschafter) „verursachungsgerecht“ und in der Konsequenz einer gesellschafterbezogenen Betrachtungsweise den ausländischen Gesellschaftern zuordnen.3 Der Gesetzeswortlaut gibt für die Bildung von Ergänzungsbilanzen jedoch nichts her,4 hiernach hat vielmehr eine anteilige Zuordnung zu den Gesellschaftern zu erfolgen.5 In der Konsequenz der Verwaltungsauffassung müssten jedenfalls die aufgedeckten stillen Reserven auch bei der Ermittlung des Übernahmeergebnisses6 und im Rahmen der Besteuerung der (durch die aufgedeckten stillen Reserven erhöhten) offenen Gewinnrücklagen nach § 7 UmwStG dem ausländischen Anteilseigner zugerechnet werden.7
20.37
War die Personengesellschaft an der übertragenden Kapitalgesellschaft beteiligt, hat sie den Buchwert der Beteiligung um etwaige steuerwirksame Abschreibun1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 04.01. 2 Die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz gilt hier nicht; vgl. Bohnhardt in H/M4, § 4 UmwStG Rz. 52. 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 04.24 mit Beispiel; zust. Jäschke/Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 6.94. 4 Vgl. Schmitt in S/H/S7, § 4 UmwStG Rz. 24; van Lishaut in R/H/vL2, § 4 UmwStG Rz. 80; Pung in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 13a; Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 17; Kutt/Carstens in FGS/BDI (Hrsg.), Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 177, 178; Schell, IStR 2011, 704, (707 f.); Blaas/Sommer in Schneider/Ruoff/Sistermann, Umwandlungssteuer-Erlass 2011, Rz. H 4.66; Mayer, PISTB 2009, 336 (345 f.). 5 Vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 13a; Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 17. 6 Vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 78; Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451 (459). 7 Van Lishaut in R/H/vL2, § 4 UmwStG Rz. 80; Schell, IStR 2011, 704 (707 f.); Sistermann in Lüdicke, Praxis und Zukunft des des deutschen Internationalen Steuerrechts, 2012, 161 (173); Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451 (459); a.A. Jäschke/Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 6.91.
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B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug
gen u.a. zu korrigieren (§ 4 Abs. 1 Satz 2 UmwStG; Höchstgrenze: gemeiner Wert). Ein hieraus resultierender sog. Beteiligungskorrekturgewinn ist voll steuerpflichtig (§ 4 Abs. 1 Satz 3 UmwStG i.V.m. § 8b Abs. 2 Sätze 3 und 4 KStG bzw. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a Sätze 2 und 3 EStG). Gleiches gilt gemäß § 5 Abs. 3 UmwStG für Anteile, an denen zwar nicht die übernehmende Personengesellschaft beteiligt ist, die sich aber in einem steuerlichen Betriebsvermögen des Anteilseigners befunden haben. Durch die Gesamtrechtsnachfolge erlöschen die zwischen der übertragenden Kapitalgesellschaft und der übernehmenden Personengesellschaft etwaig bestehenden Forderungen und Verbindlichkeiten durch Konfusion. Ein hierdurch entstehender Übernahmefolgegewinn oder -verlust (§ 6 UmwStG) ist abkommensrechtlich nicht als Veräußerung (Art. 13 OECD-MA), sondern als (laufender) Unternehmensgewinn (Art. 7 OECD-MA) zu qualifizieren.1 Für den Anteilseigner hat die Verschmelzung folgende Konsequenzen: Aus Sicht des deutschen Ertragssteuerrechts entfällt durch die Verschmelzung einer inländischen Kapitalgesellschaft auf eine inländische Personengesellschaft eine Besteuerungsebene. Hierdurch ginge die Möglichkeit der Besteuerung der offenen Gewinnrücklagen der übertragenden Kapitalgesellschaft bei Ausschüttung verloren. Zudem sind die stillen Reserven in den Anteilen an der Kapitalgesellschaft mit denen in den übergehenden Wirtschaftsgütern zusammenzufassen. Nach der Konzeption des UmwStG i.d.F. des SEStEG wird hierzu für den Anteilseigner ein Übernahmeergebnis ermittelt, welches de facto in einen „Dividendenteil“ (steuerbilanzielle Gewinnrücklagen) und einen „Veräußerungsteil“ aufgeteilt ist.2 Der Dividendenteil wird durch die offenen Gewinnrücklagen der übertragenden Kapitalgesellschaft abgebildet (§ 7 UmwStG, s. Rz. 20.39). Hiernach werden den Anteilseignern die offenen Rücklagen der Gesellschaft als Einnahmen aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zugerechnet. Der Veräußerungsteil ergibt sich aus dem verbleibenden Teil des Übernahmeergebnisses der zweiten Stufe (s. Rz. 20.41). Er umfasst im Wesentlichen das Nennkapital, die Kapitalrücklagen und in dem hier interessierenden Zusammenhang die außerbilanziellen Hinzurechnungen gem. § 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG. Die Besteuerung des Veräußerungsteils richtet sich nach § 4 Abs. 7 UmwStG, wonach dieser Teil des Übernahmeergebnisses als Veräußerungsgewinn qualifiziert wird, so dass entweder § 8b Abs. 2 KStG für juristische Personen oder aber § 3 Nr. 40 Buchst. a EStG für natürliche Personen eingreift.
20.38
Die verschmelzungsbedingte Besteuerung der offenen Rücklagen gemäß § 7 UmwStG3 als „fiktive Totalausschüttung“ auf Gesellschafterebene dient auch dem Ziel, die Quellensteuerberechtigung gegenüber beschränkt steuerpflichti-
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1 Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.31; Wassermeyer in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (120). 2 Vgl. Rödder/Schumacher, DStR 2007, 369 (372). 3 Als „offene Rücklagen“ i.S.v. § 7 UmwStG ist dem Anteilseigner der Teil des in der Steuerbilanz ausgewiesenen Eigenkapitals abzüglich des Bestands des steuerlichen Einlagekontos i.S.v. § 27 KStG, der sich nach Anwendung der (fiktiven) Nennkapitalherabsetzung des § 29 Abs. 1 KStG ergibt, in dem Verhältnis der Anteile zum Nennkapital der übertragenden Kapitalgesellschaft als Kapitalerträge i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zuzurechnen.
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
gen Anteilseignern in den Fällen aufrechtzuerhalten, in denen DBA eingreifen. In Abkommensfällen liegt nämlich die Steuerberechtigung für ein Übernahmeergebnis im Grundsatz nur beim Ansässigkeitsstaat (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA), während für Dividenden dem Quellenstaat jedenfalls eine Quellensteuerberechtigung zukommt (Art. 10 OECD-MA). Im Hinblick auf die Sicherung des Quellensteuerrechts erfasst daher § 7 UmwStG nicht nur Anteilseigner, für die ein Übernahmeergebnis zu ermitteln ist, sondern auch Anteilseigner, die ihre nicht unter § 17 EStG fallenden Anteile im Privatvermögen halten.1 20.40
Die Besteuerung der Bezüge i.S.v. § 7 UmwStG betrifft sowohl unbeschränkt als auch beschränkt steuerpflichtige Anteilseigner.2 Voraussetzung für eine inländische Besteuerung des ausländischen Anteilseigners mit den über § 7 UmwStG fingierten Kapitalerträgen i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist zunächst, dass diese tatbestandlich unter den Einkünftekatalog des § 49 Abs. 1 EStG fallen. Bei ausländischen Anteilseignern, für die kein Übernahmeergebnis zu ermitteln ist3, soll sich eine beschränkte Steuerpflicht aus § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG ergeben,4 obwohl die übertragende Kapitalgesellschaft mangels Leistungsverpflichtung richtigerweise nicht als „Schuldner“ der Kapitalerträge qualifiziert.5 Bei ausländischen Anteilseigner, für die ein Übernahmeergebnis zu ermitteln ist (s. Rz. 20.41), werden die Bezüge gem. § 7 UmwStG von der Reichweite des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG erfasst, mithin auch in Fällen der Einlagenfiktion nach § 5 Abs. 2 UmwStG oder der Überführungsfiktion i.S.v. § 5 Abs. 3 UmwStG (sog. weites Verständnis der Einlagenfiktion).6 Die Bezüge i.S. des § 7 UmwStG unterliegen der Kapitalertragsteuerpflicht (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG):7 In den Fällen des § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG hat der Kapitalertragsteuerabzug grds. abgeltende Wirkung (§ 50 Abs. 2 Satz 1 EStG). In den Fällen des § 49 Abs. 1 1 Pung in D/P/M, § 7 UmwStG Rz. 3, 29; Rödder/Schumacher, DStR 2007, 369 (372). 2 Pung in D/P/M, § 7 UmwStG Rz. 6; Birkemeier in R/H/vL2, § 7 UmwStG Rz. 9; Börst in H/M4, § 7 UmwStG Rz. 31. 3 Kein Übernahmeergebnis ist für Anteilseigner zu ermitteln, deren Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft zum steuerlichen Übertragungsstichtag zum steuerlichen Privatvermögen gehören und nicht unter § 17 EStG fallen oder als alt-einbringungsgeborene Anteile i.S.v. § 21 UmwStG 1995 qualifizieren. Unberührt davon bleibt für diese Anteilseigner die Besteuerung der anteiligen offenen Rücklagen gemäß § 7 UmwStG (vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 04.25). 4 Widmann in W/M, § 7 UmwStG Rz. 100; Birkemeier in R/H/vL2, § 7 UmwStG Rz. 9; Schnitter in F/M, § 7 UmwStG Rz. 29, 32; iErg. auch Pung in D/P/M, § 7 UmwStG Rz. 20. 5 Zutr. Börst in H/M4, § 7 UmwStG Rz. 31; vgl. auch Pung in D/P/M, § 7 UmwStG Rz. 20; a.A. Köhler/Käshammer, GmbHR 2012, 301 (306). 6 Schmitt in S/H/S7, § 7 UmwStG Rz. 17; Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 5, Schnitter in F/M, § 7 UmwStG Rz. 29; a.A. Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1525 (1531); Förster/Felchner, DB 2006, 1072 (1079); Damas, DStZ 2007, 129 (132); Bodden, FR 2007, 66 (73), die in den Fällen des § 17 EStG davon ausgehen, dass die Bezüge i.S. des § 7 UmwStG stets nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG steuerpflichtig sind; a.A. ebenfalls Widmann in FS Wassermeyer, 579 (582), der eine Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG bejaht. 7 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 07.08; Birkemeier in R/H/vL2, § 7 UmwStG Rz. 25; Börst in H/M4, § 7 UmwStG Rz. 66; zu Zweifeln wegen fehlender aber gem. § 44 Abs. 1 Satz 1 EStG unterstellter Gläubigereigenschaft Pung in D/P/M, § 7 UmwStG Rz. 18.
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B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug
Nr. 2 Buchst. a EStG hat der Kapitalertragsteuerabzug keinen abgeltenden Charakter (§ 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 EStG).1 Die Kapitalerträge unterliegen bei natürlichen Personen als Anteilseigner dem Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d, § 3 Nr. 40 Satz 2 i.V.m. § 20 Abs. 8 EStG), für Körperschaften findet § 8b Abs. 1, Abs. 4, Abs. 5 KStG Anwendung,2 was ggü. der Besteuerung bei einer offenen Gewinnausschüttung vorteilhaft sein kann.3 Im Rahmen der Veranlagung ist neben der Anrechnung der Kapitalertragsteuer (§ 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG; § 31 Abs. 1 KStG) auch die Verrechnung eines nach § 4 Abs. 6 UmwStG abziehbaren Übernahmeverlustes mit den Bezügen i.S. des § 7 UmwStG möglich (§ 4 Abs. 5 Satz 2 UmwStG).4 Auf Abkommensebene sind die Bezüge gem. § 7 UmwStG als Dividenden i.S. von Art. 10 OECD-MA zu qualifizieren,5 so dass sich ausländische Anteilseigner auf die abkommensrechtlich vorgesehenen Quellensteuerreduktionen berufen können.6 Hingegen scheidet eine Quellensteuerreduktion auf Basis der MTR nach dem Wortlaut des § 43b Abs. 1 Satz 4 EStG aus.7 Im Einzelfall ist zu entscheiden, ob offene Rücklagen bei der übertragenden Kapitalgesellschaft – bspw. zur Vermeidung gewerbesteuerrechtlicher Nachteile8 – vor der Verschmelzung tatsächlich ausgeschüttet werden sollten. Auf Ebene der übernehmenden Personengesellschaft ist ein Übernahmeergebnis (Übernahmegewinn oder -verlust) zu ermitteln und gesondert und einheitlich (§§ 180 ff. AO) festzustellen, wenn die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft am steuerlichen Übertragungsstichtag zum (Sonder-)Betriebsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft gehören oder aufgrund der Einlagebzw. Überführungsfiktionen i.S.v. § 5 Abs. 2 UmwStG (Anteile i.S.v. § 17 EStG), § 5 Abs. 3 UmwStG (Anteile in einem [anderen] Betriebsvermögen des Anteilseigners) bzw. § 5 Abs. 4 UmwStG a.F. (alt-einbringungsgeborene Anteile i.S.v. § 21 Abs. 1 UmwStG a.F.) als dem Betriebsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft zugehörig gelten.9 Die Einlage- bzw. Überführungsfiktionen 1 Pung in D/P/M, § 7 UmwStG Rz. 24; Schmitt in S/H/S7, § 7 UmwStG Rz. 17; Köhler/Käshammer, GmbHR 2012, 301 (306); Schell, IStR 2011, 704 (707). 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 07.07. 3 Bei einer offenen, grenzüberschreitenden Gewinnausschüttung fände § 8b KStG keine Anwendung, vielmehr stünde eine etwaige (partielle) Steuerfreiheit unter dem Vorbehalt des § 50d Abs. 3 EStG, vgl. auch Schönfeld, IStR 2011, 497 (503). 4 Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 5e; Förster in FS Schaumburg, 629 (638); Förster/Felchner, DB 2006, 1072 (1079); Damas, DStZ 2007, 129 (132). 5 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 07.02; Köhler/Käshammer, GmbHR 2012, 301 (306); Förster/Felchner, DB 2006, 1072 (1079); Benecke/Schnitger, IStR 2006, 765 (773). 6 Pung in D/P/M, § 7 UmwStG Rz. 18. 7 Im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Punch Graphix (EuGH v. 18.10.2012 – Rs. C-371/11, ECLI:EU:C:2012:647 = IStR 2012, 886 ) dürfte § 43b Abs. 1 Satz 4 EStG in Umwandlungsfällen aber gegen die MTR verstoßen, vgl. Benecke/Staats, ISR 2013, 15 ff. 8 Vgl. etwa Köhler/Käshammer, GmbHR 2012, 301 (308). 9 Kein Übernahmeergebnis ist für Anteilseigner zu ermitteln, deren Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft zum steuerlichen Übertragungsstichtag zum steuerlichen Privatvermögen gehören und nicht unter § 17 EStG fallen oder als alt-einbringungsgeborene Anteile i.S.v. § 21 UmwStG 1995 qualifizieren. Unberührt davon bleibt für diese Anteilseigner die Besteuerung der anteiligen offenen Rücklagen gemäß § 7 UmwStG (vgl. BMF v.
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
sind grds. unabhängig davon anwendbar, ob eine Veräußerung dieser Anteile bei dem Anteilseigner i.R.d. unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht zu erfassen bzw. ob ein deutsches Besteuerungsrecht aufgrund eines DBA ausgeschlossen ist.1 Insoweit ist auch für diese Sachverhalte ein Übernahmeergebnis i.S.v. § 4 Abs. 4 UmwStG zu ermitteln2, selbst wenn das Übernahmeergebnis ggf. nicht in Deutschland steuerpflichtig ist. 20.42
Der Übernahmegewinn bzw. Übernahmeverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Wert der übergegangenen Wirtschaftsgüter und dem Wert (ggf. nach Korrektur i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 2 UmwStG bzw. § 5 Abs. 3 Satz 1 UmwStG) der (untergehenden) Anteile an der übertragenden Körperschaft abzgl. der Umwandlungskosten (§ 4 Abs. 4 Satz 1 UmwStG, Übernahmeergebnis 1. Stufe). Wurde für die übergegangenen Wirtschaftsgüter (notwendig einheitlich) die Buchwertfortführung gewählt, erfolgt für Zwecke der Ermittlung des Übernahmeergebnisses3 hiervon abweichend insoweit ein Ansatz mit dem gemeinen Wert, als bisher kein deutsches Besteuerungsrecht für die Gewinne aus der Veräußerung der Wirtschaftsgüter bestand (§ 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG, sog. Zuschlag für neutrales Vermögen4). Angesprochen sind damit vor allem ausländische Grundstücke und Wirtschaftsgüter, die einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind, für deren Veräußerungsgewinne abkommensrechtlich die Freistellungsmethode eingreift.5 Durch den Ansatz mit dem gemeinen Wert erhöht sich der Übernahmegewinn bzw. mindert sich der Übernahmeverlust. Hierdurch wird bewirkt, dass die betreffenden stillen Reserven für Zwecke der deutschen Besteuerung sichergestellt werden. Ohne diese Höherbewertung auf der Stufe der übernehmenden Personengesellschaft würde, da von der Zweiebenen- zur Einebenenbesteuerung gewechselt wird, der steuerliche Zugriff auf die stillen Reserven entfallen, die bei einer Veräußerung der Anteile an der einbringenden Kapitalgesellschaft, also vor der Verschmelzung, auf Gesellschafterebene steuerlich erfasst werden.6
20.43
Das Übernahmeergebnis der ersten Stufe (s. Rz. 20.42) ist um die Bezüge gem. § 7 UmwStG (s. Rz. 20.39 f.) zu kürzen (§ 4 Abs. 5 Satz 2 UmwStG, Übernahmeergebnis 2. Stufe7), woraus sich die Bemessungsgrundlage für die Besteuerung
1 2 3 4 5 6
7
11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 04.25). Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 05.07 u. 05.09; Pung in D/P/M, § 5 UmwStG Rz. 26 u. 40; Benecke/Schnitger, IStR 2006, 765 (772); Bodden, FR 2007, 66 (73). Vgl. Jäschke/Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 6.78. Unberührt bleibt die Möglichkeit der übertragenden Gesellschaft, diese Wirtschaftsgüter gemäß § 3 UmwStG in der steuerlichen Schlussbilanz mit dem Buchwert oder einem Zwischenwert anzusetzen. Vgl. Regierungsbegründung des SEStEG v. 12.7.2006, BT-Drucks. 16/2710, 38. Art. 13 Abs. 1 und 2 OECD-MA; zu Einzelheiten van Lishaut in R/H/vL2, § 4 UmwStG Rz. 93; Bohnhardt in H/M4, § 4 UmwStG Rz. 241; Schmitt in S/H/S7, § 4 UmwStG Rz. 111 ff. Zur Schließung dieser in der Vergangenheit bestehenden Besteuerungslücke van Lishaut in R/H/vL2, § 4 UmwStG Rz. 93; Schell, IStR 2011, 704 (705); zu europarechtlichen Zweifeln wegen der mit der Höherbewertung verbundenen Sofortbesteuerung der stillen Reserven vgl. Förster/Felchner, DB 2006, 1072 (1077 f.); Werra/Teiche, DB 2006, 1455 (1459); Dötsch/Pung, DB 2006, 2704 (2711). Zu Einzelheiten Bohnhardt in H/M4, § 4 UmwStG Rz. 235.
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B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug
auf der Gesellschafterebene ergibt. Durch die Kürzung des Übernahmeergebnisses um die Bezüge gem. § 7 UmwStG entsteht in praxi häufig ein Übernahmeverlust, der den besonderen Beschränkungen des § 4 Abs. 6 UmwStG unterliegt. Verbleibt – bspw. wegen der Aufstockung für Auslandsvermögen (§ 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG) – dennoch ein Übernahmegewinn, gelten gem. § 4 Abs. 7 UmwStG die für Veräußerungsgewinne allgemein geltenden Besteuerungsgrundsätze.1 Abkommensrechtlich unterfällt das Übernahmeergebnis den Veräußerungsgewinnen (Art. 13 OECD-MA).2 Spezifisch auslandsbezogene Steuerwirkungen können sich in folgenden Fällen ergeben: Für unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner ergeben sich auslandsbezogene Besonderheiten nur dann, wenn die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft funktional einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind, so dass abkommensrechtlich wegen Art. 13 Abs. 2 OECD-MA die Gewinne aus der Veräußerung abkommensrechtlich in Deutschland freigestellt sind.3
20.44
Für beschränkt steuerpflichtige Anteilseigner gelten die folgenden Besteuerungsgrundsätze: Der Veräußerungsteil des Übernahmeergebnisses unterfällt als inländische Einkünfte i.S. von § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG4 auch insoweit grds. der beschränkten Steuerpflicht im Inland, als die zu einem Betriebsvermögen gehörenden Anteile und Anteile i.S. des § 17 EStG als in das Betriebsvermögen der übernehmenden Personengesellschaft eingelegt gelten (§ 5 Abs. 2 und 3 UmwStG).5 Im Nicht-DBA-Fall kann der Übernahmegewinn in Deutschland uneingeschränkt besteuert werden. Im DBA-Fall ist regelmäßig vorausgesetzt, dass die Anteile funktional einem inländischen Betriebsstättenvermögen, also hier insbesondere der übernehmenden Personengesellschaft, zuzuordnen sind (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA). Dass die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft gem. § 5 Abs. 2 bzw. Abs. 3 UmwStG in die übernehmende Personengesellschaft als eingelegt bzw. überführt gelten, spielt abkommensrechtlich keine Rolle, die vorgenannten Fiktionen bleiben auf Abkommensebene ohne Wirkung.6 Sind die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft einem inländischen Betriebsstättenvermögen des Anteilseigners nicht funktional zuzuordnen, steht das Besteuerungsrecht in aller Regel dem ausländischen Ansässigkeitsstaat zu (Art. 13
20.45
1 Damit ist der Übernahmegewinn bei Kapitalgesellschaften grundsätzlich gem. § 8b Abs. 2 KStG unter Berücksichtigung des § 8b Abs. 3 Satz 1 KStG im Ergebnis i.H. von 95 % steuerfrei (§ 4 Abs. 7 Satz 1 UmwStG). Für natürliche Personen als Mitunternehmer der übernehmenden Personengesellschaft unterliegt der Übernahmegewinn dem Regelungsbereich des § 3 Nr. 40 EStG und des § 3c Abs. 2 EStG, so dass im Ergebnis der Übernahmegewinn i.H.v. 40 % steuerfrei gestellt ist. 2 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 136. 3 Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 19. 4 Erzielt der übernehmender Rechtsträger Einkünfte aus Land-und Forstwirtschaft oder aus selbständiger Arbeit, kann sich die beschränkte Steuerpflicht aus § 49 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 3 EStG ergeben. 5 Pung in D/P/M, § 5 UmwStG Rz. 33; Schmitt in S/H/S7, § 4 UmwStG Rz. 127; Schaumburg, GmbHR 1996, 414 (418); Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 173 (181). 6 Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 20; Köhler/Käshammer, GmbHR 2012, 301 (307); Schell, IStR 2011, 704 (705); Schaumburg, GmbHR 1996, 414 (418).
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Abs. 5 OECD-MA).1 Auf die funktionale Zurechnung kommt es aber dann nicht an, wenn nach dem einschlägigen DBA das Besteuerungsrecht nicht (nur) dem Ansässigkeitsstaat des Anteilseigners, sondern (auch) dem Sitzstaat der Kapitalgesellschaft zugewiesen wird2 oder im Einzelfall eine Immobiliengesellschaftsklausel zum Tragen kommt (Art. 13 Abs. 4 OECD-MA). 2. Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Kapitalgesellschaften a) Anwendungsbereich des UmwStG 20.46
Nach deutschem Umwandlungsrecht kann eine inländische Kapitalgesellschaft3 auf eine andere inländische Kapitalgesellschaft verschmolzen werden (§ 2 UmwG), auch wenn an den beteiligten Gesellschaften im Ausland ansässige Gesellschafter beteiligt sind oder die übertragende Kapitalgesellschaft im Ausland belegenes Vermögen hält. Sämtliches Vermögen geht durch die Verschmelzung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende Kapitalgesellschaft über, soweit deutsches Zivilrecht maßgeblich ist. Das UmwStG ist sachlich (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UmwStG i.V.m. § 2 UmwG) und persönlich anwendbar (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 UmwStG). Der Auslandsbezug besteht regelmäßig darin, dass die übertragende Kapitalgesellschaft ausländisches Betriebs(stätten)vermögen hält und/oder an ihr im Ausland ansässige Gesellschafter beteiligt sind. Auf Ebene der übertragenden Kapitalgesellschaft (Rz. 20.47 ff.), der übernehmenden Kapitalgesellschaft (Rz. 20.51) und den Anteilseignern (Rz. 20.52 ff.) ergeben sich speziell auf Grund des Auslandsbezugs folgende steuerliche Rechtswirkungen nach Maßgabe der §§ 11 ff. UmwStG: b) Auswirkungen bei der übertragenden Kapitalgesellschaft
20.47
Die übertragende Kapitalgesellschaft hat die im Zuge der Verschmelzung übergehenden Wirtschaftsgüter in ihrer steuerlichen Schlussbilanz4 grds. mit dem gemeinen Wert anzusetzen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 UmwStG), wodurch die in den Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven aufzudecken wären und ein Übertragungsgewinn (zur Besteuerung des Übertragungsgewinns s. Rz. 20.34) entstünde. 1 In diesem Fall wird das Übernahmeergebnis entsprechend nicht in die einheitliche und gesonderte Gewinnfeststellung der aufnehmenden Personengesellschaft einbezogen, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 05.07 u. Rz. 04.23. 2 Bspw., wenn eine Sitzstaatsklausel (bspw. Art. 13 Abs. 3 DBA-Tschechien) greift. 3 Grundsatz: Sitz im Inland (§ 1 Abs. 1 UmwStG i.V. mit § 1 Abs. 1 UmwG); vgl. Förster in FS Schaumburg, 629 (630); wegen der Erweiterung auf vergleichbare ausländische Vorgänge und in Orientierung an die EuGH-Entscheidungen Centros (EuGH v. 9.3.1999 – Rs. C-212/97, Slg. 1999, I-1459), Überseering (EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00, Slg. 2002, I-9919), Inspire Art (EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01, Slg. 2003, I-10155) und Sevic Systems (EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-411/03, Slg. 2005, I-10805) werden aber auch nach ausländischem Recht errichtete Kapitalgesellschaften erfasst; vgl. Rödder in R/H/vL2, Einf. UmwStG Rz. 31 ff. 4 Zum Erfordernis, auch (sämtliche) ausländischen Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schussbilanz zu erfassen krit. Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.91 ff.
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B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug
Abweichend hiervon kann die übertragende Kapitalgesellschaft gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG die Buchwertfortführung wählen, soweit zum steuerlichen Übertragungsstichtag1 – sichergestellt ist, dass die übergehenden Wirtschaftsgüter später der Besteuerung mit in- oder ausländischer2 Körperschaftsteuer unterliegen (Nr. 1), und – ein bisher bestehendes3 deutsches Besteuerungsrecht4 hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgütern bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft nicht beschränkt oder ausgeschlossen wird (Nr. 2) und – eine Gegenleistung nicht gewährt wird oder nur in Gesellschaftsrechten besteht (Nr. 3).5 Bei Inlandsverschmelzungen von Kapitalgesellschaften ist eine verschmelzungsbedingte Einschränkung des deutschen Besteuerungsrechts6 an den Erträgen aus den übertragenen Wirtschaftsgütern eher selten zu beobachten.7 Im Rahmen des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG gilt Folgendes: Geht verschmelzungsbedingt inländisches Betriebsstättenvermögen über, bleibt die Besteuerung der stillen Reserven im Rahmen der Besteuerung des Welteinkommens (§ 8 Abs. 1 KStG) bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft ohne abkommensrechtliche Einschränkungen auch zukünftig gewährleistet, soweit es auch bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft inländisches Betriebsstättenvermögen bleibt.8 Ob unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind, spielt hierbei keine Rolle. Geht im Zuge der Verschmelzung ausländisches Betriebsstättenvermögen über,9 das in Ländern belegen ist, mit denen keine DBA bestehen, bleiben die in dem übergehenden Vermögen ruhenden stillen Reserven im Rahmen der Besteuerung des Welteinkommens der übernehmenden Kapitalgesellschaft zukünftig ebenfalls der deutschen Körper1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 11.05. 2 Die Besteuerung mit einer der deutschen Steuer vergleichbaren ausländischen Körperschaftsteuer ist ausreichend, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 11.07, 03.17. Dies kann bspw. relevant werden, wenn es sich um übergehendes ausländisches Betriebsvermögen handelt und an der übertragenden Kapitalgesellschaft ausländische Anteilseigner beteiligt sind (vgl. Henkel in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 10.63). 3 Soweit ein entsprechendes deutsches Besteuerungsrecht bereits vor der Verschmelzung nicht bestand, kann es auch nicht „schädlich“ durch die Verschmelzung ausgeschlossen werden, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 11.09, 03.19; Rödder in R/H/vL2, § 11 UmwStG Rz. 116a. 4 Das deutsche Besteuerungsrecht bezieht sich nur auf die Körperschaftsteuer, hingegen nicht auf die Gewerbesteuer (vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 11.09, 03.18). 5 Dieses Erfordernis wird hier mangels spezifischen Auslandsbezugs nicht weiter betrachtet. 6 Hierzu Rödder in R/H/vL2, § 11 UmwStG Rz. 115 ff.; Bärwaldt in H/M4, § 11 UmwStG Rz. 47 ff.; Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 50.8 ff.; Schaumburg in FS Herzig, 711 (721 ff.). 7 Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 21. 8 Rödder in R/H/vL2, § 11 UmwStG Rz. 125. 9 Ohne Rücksicht darauf, wo die einzelnen Wirtschaftsgüter belegen sind.
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
schaftsteuer ausgesetzt. Dass nach der Verschmelzung die übernehmende Kapitalgesellschaft ggf. höhere ausländische Betriebsstättensteuern zur Anrechnung bringen kann, spielt keine Rolle. Handelt es sich um ausländisches Betriebsstättenvermögen, dessen Gewinne der Besteuerung nach Maßgabe des in Betracht kommenden DBAs ausschließlich dem Betriebsstättenstaat zustehen (Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA; hierzu Rz. 19.385 ff.), greift die Entstrickungsklausel ebenfalls nicht ein,1 weil in diesem Fall das übergehende Vermögen bereits bei der übertragenden Kapitalgesellschaft nicht der deutschen Besteuerung unterlag. Denn sichergestellt werden kann nur, was nicht bereits dem deutschen Steuerzugriff entzogen ist.2 Ist abkommensrechtlich zwecks Vermeidung der Doppelbesteuerung die Anrechnungsmethode vorgesehen, wird verschmelzungsbedingt das deutsche Besteuerungsrecht grds. nicht verändert und somit auch nicht beschränkt.3 Trotz abkommensrechtlicher Freistellung kann allerdings eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts i.S.v. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG dadurch erfolgen, dass verschmelzungsbedingt die Anwendung der bilateralen Switch-over-Klauseln des § 20 Abs. 2 AStG (Rz. 19.544) oder des § 50d Abs. 9 EStG (Rz. 19.525 ff.) entfällt.4 20.49
Besonderheiten ergeben sich bei Anwendung des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG im Falle einer Abwärtsverschmelzung mit im Ausland ansässigen Anteilseignern, bei dem die inländische Muttergesellschaft auf ihre inländische Tochtergesellschaft verschmolzen wird und die (in- wie ausländischen) Anteilseigner der Muttergesellschaft als Gegenleistung für ihre untergehenden Anteile an der Muttergesellschaft deren Anteile an der Tochtergesellschaft erhalten. In diesem Fall erfolgt der Erwerb der Anteile an der Tochtergesellschaft durch die Anteilseigner der Muttergesellschaft unmittelbar (Direkterwerb, vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 3 UmwG), d.h. nicht im Wege eines Durchgangserwerbs (eigener) Anteile bei der Tochtergesellschaft.5 Hieraus folgt, dass die Anteile an der Tochtergesellschaft nicht zu den auf die Übernehmerin „übertragenen Wirtschaftsgütern“ i.S.v. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG gehören können6 und es entsprechend auch nicht auf ein deutsches Besteuerungsrecht an diesen Anteilen ankommen kann.7 Nach Ansicht der Fi1 Rödder in R/H/vL2, § 11 UmwStG Rz. 126; Schaumburg, FR 1995, 211 (219). 2 Rödder in R/H/vL2, § 11 UmwStG Rz. 119; Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481 (1486). 3 Dötsch in D/P/M, § 11 UmwStG Rz. 83; Schaumburg, GmbHR 1996, 414. 4 Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 50.7. 5 BFH v. 28.10.2009 – I R 4/09, BStBl. II 2011, 315; BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 11.18; Schmitt in S/H/S7, § 11 UmwStG Rz. 124. 6 Stv. FG Düsseldorf v. 22.4.2016 – 6 K 1947/14 K, G, EFG 2016, 951 (Revision beim BFH, Az.: I R 31/16); Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.56 m.w.N.; a.A. Dötsch in D/P/M, § 11 Rz. 91; Heinemann, GmbHR 2012, 133 (139); Rasche, GmbHR 2010, 1188. 7 Vgl. FG Düsseldorf v. 22.4.2016 – 6 K 1947/14 K, G, EFG 2016, 951 (Revision beim BFH, Az.: I R 31/16); FG Rheinland-Pfalz v. 12.4.2016 – 1 K 1001/14, EFG 2016, 1392 (Revision beim BFH, Az.: I R 35/16); Schmitt in S/H/S7, § 11 UmwStG Rz. 124 f.; Rödder in R/H/vL2, § 11 UmwStG Rz. 133; Rödder/Schmidt-Fehrenbacher in FGS/BDI (Hrsg.), Der Umwandlungssteuererlass 2011, 249; Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 22; Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.56; Henkel in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 10.108; Bergmann, GmbHR 2016, 1191 (1192 ff.); Gsödl/Wuttke, DStR 2016, 2326
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B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug
nanzverwaltung1 soll hingegen eine Aufdeckung der in den Anteilen an der übernehmenden Tochtergesellschaft enthaltenen stillen Reserven nur vermieden werden können, wenn das deutsche Besteuerungsrecht an diesen Anteilen nicht beschränkt oder ausgeschlossen wird, wobei auf den die Anteile übernehmenden Anteilseigner der Muttergesellschaft abzustellen sein soll.2 Da in DBA-Fällen regelmäßig nur dem Ansässigkeitsstaat des ausländischen Anteilseigners das Besteuerungsrecht an den Gewinnen aus der Veräußerung der übernommenen Anteile zusteht (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA)3, ergäbe sich insoweit ein steuerpflichtiger Übertragungsgewinn auf Ebene der Muttergesellschaft.4 Soweit (ausnahmsweise) der Buchwertansatz wegen des Verlusts oder der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts an den Gewinnen aus der Veräußerung der übegehenden Wirtschaftsgüter ganz oder partiell nicht ausgeübt werden kann, ergeben sich gegenüber den Rechtsfolgen bei der Inlandsverschmelzung einer Kapital- auf eine Personengesellschaft keine Besonderheiten (dazu ausf. Rz. 20.34).
20.50
c) Auswirkungen bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft Auf Ebene der übernehmenden Kapitalgesellschaft ergeben sich grundsätzlich keine international-steuerrechtlichen Besonderheiten. Die übernehmende Kapitalgesellschaft übernimmt insbesondere die auf sie übergegangenen Wirtschaftsgüter mit den in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenen Kapitalgesellschaft enthaltenen Werten (§ 12 Abs. 1 Satz 1 KStG). Soweit bei einer an der übertragenden Kapitalgesellschaft beteiligten übernehmenden Kapitalgesellschaft ein Übernahmegewinn der Besteuerung insoweit zuzuführen ist, als die tatsächlichen Anschaffungskosten der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft den Buchwert derselben bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft übersteigen (§ 12 Abs. 2 Satz 1 und 2 UmwStG), ergeben sich ebenfalls keine Besonderheiten: Der Übernahmegewinn abzgl. der Umwandlungskosten bleibt steuerlich außer Ansatz, wobei grds. § 8b Abs. 2 KStG zur Anwendung kommt (§ 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG),5 so dass wegen § 8b Abs. 3 KStG im Ergebnis nur 95 % des Übernahmegewinns nach Abzug der Umwandlungskosten steuerfrei gestellt sind.
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(2330); Schell, FR 2012, 101 (102); Rogall, NZG 2011, 810 (813); Dörr/Loose/Motz, NWB 2012, 566 (581); Beinert in Beinert/Benecke, FR 2010, 1120 (1126); Schmitt/Schloßmacher, DStR 2010, 673. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 11.19; Heinemann, GmbHR 2012, 133 (139); Benecke in Benecke/Beinert, FR 2010, 1120 (1126 f.); s. auch Sistermann in Lüdicke, Praxis und Zukunft des des deutschen Internationalen Steuerrechts, 2012, 161 (170); Rasche, GmbHR 2010, 1188. Beispiel bei Tommasso, SteuK 2012, 87 (88 f.). Vgl. den Beispielsfall bei Schell, FR 2012, 101 (101 f.). Der Übertragungsgewinn ist grds. gemäß § 8b Abs. 2, Abs. 3 KStG im Ergebnis zu 95% steuerfrei gestellt. Zu weiteren Folgefragen und Gestaltungsüberlegungen s. Beinert/ Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.62 ff. Die Anwendung von § 8b Abs. 2 KStG setzt natürlich eine Beteiligung der übernehmenden an der übertragenden Kapitalgesellschaft voraus; hierzu Rödder in R/H/vL2, § 12 UmwStG Rz. 85.
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20.51
Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
d) Auswirkungen bei den Gesellschaftern 20.52
Der für die Besteuerung auf Gesellschafterebene (mit Ausnahme von Kleingesellschaftern1 und in Fällen der Aufwärtsverschmelzung, s. Rz. 20.51) maßgebliche § 13 UmwStG fingiert, dass die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft zum gemeinen Wert veräußert und die an ihre Stelle tretenden Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft als mit diesem Wert angeschafft gelten (§ 13 Abs. 1 UmwStG). Ein hieraus resultierender Gewinn des Anteilseigners unterliegt in Deutschland grds. einer Besteuerung wie bei einer tatsächlichen Veräußerung der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft.2 Kann Deutschland den Gewinn nicht besteuern, etwa weil ein einschlägiges DBA für die hier relevanten Veräußerungsgewinne (Art. 13 OECD-MA)3 den deutschen Besteuerungsanspruch bzgl. der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft ausschließt4, bleibt die Verschmelzung insoweit für den Anteilseigner in Deutschland grds. ohne Auswirkungen, eines Antrags auf Fortführung der Anschaffungskosten bzw. Buchwerte bedarf es nicht.5
20.53
Waren hingegen die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft in Deutschland steuerverhaftet, kann eine Besteuerung in Deutschland in dem hier interessierenden Zusammenhang (Inlandsverschmelzung) auf Antrag durch Fortführung der Anschaffungskosten bzw. Buchwerte an den untergehenden Anteilen vermieden werden, wenn das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft verschmelzungsbedingt nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist hier – anders als bei § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG (s. Rz. 20.47) – der Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister.6 Das Wahlrecht kann von jedem Anteilseigner individuell ausgeübt werden und besteht unabhängig von den Wertansätzen für die übergehenden Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Kapitalgesellschaft, mithin selbst dann, wenn dort Wirtschaftsgüter aufgrund der Entstrickungsklausel i.S.v. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG mit dem gemeinen Wert anzusetzen sind.7 Da bei Inlandsver1 § 13 UmwStG findet nach Verwaltungsauffassung nur Anwendung auf Anteile im Betriebsvermögen, Anteile i.S.v. § 17 EStG und alt-einbringungsgeborene Anteile i.S.v. § 21 Abs. 1 UmwStG a.F., vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 13.011; weitergehend Rödder/Schmidt-Fehrenbacher, FGS/BDI (Hrsg.), Der Umwandlungssteuererlass 2011, 262. Bei Anteilseignern, deren Anteile unter § 20 Abs. 2 EStG fallen (zur Subsidiarität vgl. § 20 Abs. 8 EStG), richten sich die steuerlichen Folgen der Verschmelzung nicht nach § 13 UmwStG, sondern nach § 20 Abs. 4a Satz 1 ff. EStG. Dort wird unter ähnlichen Voraussetzungen eine (zwingende, nicht antragsgebundene) Buchwertfortführung angeordnet (zu Einzelheiten s. stv. Trossen in R/H/vL2, Anh. 11 Rz. 76 ff.). 2 Im Einzelnen hierzu stv. Neumann in R/H/vL2, § 13 UmwStG Rz. 21. 3 Abkommensrechtlich unterfällt eine aus § 13 Abs. 1 UmwStG resultierende Gewinnbesteuerung den Veräußerungsgewinnen i.S.v. Art. 13 OECD-MA, vgl. Rz. 19.387. 4 Bspw. bei im Privatvermögen gehaltenen Anteilen eines beschränkt Steuerpflichtigen wg. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA. 5 Neumann in R/H/vL2, § 13 UmwStG Rz. 32; Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 25. 6 Schmitt in S/H/S7, § 13 UmwStG Rz. 36. 7 Schmitt in S/H/S7, § 13 UmwStG Rz. 32.
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B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug
schmelzungen das deutsche Besteuerungsrecht regelmäßig uneingeschränkt erhalten bleibt, lässt sich die Steuerneutralität auf Gesellschafterebene in den meisten Fällen herstellen. Das gilt für Anteile im in- und ausländischen Betriebs-1 bzw. Privatvermögen und für beschränkt und unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter gleichermaßen:2 Gehören die Anteile (unverändert) zu einem inländischen Betriebsstättenvermögen, ist die Besteuerung der entsprechenden Veräußerungsgewinne sowohl bei unbeschränkter Steuerpflicht im Rahmen der Besteuerung des Welteinkommens (§ 2 Abs. 1 EStG) als auch bei beschränkter Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG gewährleistet, ohne dass abkommensrechtlich für Deutschland verschmelzungsbedingt die Besteuerung entfiele oder eingeschränkt würde.3
20.54
Gehören die Anteile (unverändert) zu einem ausländischen Betriebsstättenvermögen, bleibt die deutsche Besteuerung ungeschmälert erhalten, wenn die Gesellschafter unbeschränkt steuerpflichtig sind und ein DBA nicht eingreift. Ist das Betriebsstättenvermögen dagegen in einem Staat belegen, mit dem Deutschland ein DBA abgeschlossen hat, dürfen die Gewinne aus der Veräußerung von Betriebsstättenvermögen im Falle der Anwendung der Freistellungsmethode4 grds. nur vom Betriebsstättenstaat besteuert werden. Durch den verschmelzungsbedingten Vermögensübergang ergibt sich insoweit aber keine Änderung.5 Das gilt auch für den Fall, dass abkommensrechtlich die Anrechnungsmethode eingreift; denn auch hier ist die Rechtslage vor und nach der Verschmelzung unverändert. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn verschmelzungsbedingt die Zuordnung der Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft zu einem in- oder ausländischen Betriebsstättenvermögen gelöst wird und ein Zuordnungswechsel zum Privatvermögen oder von einem inländischen Betriebsstätten- zu einem ausländischen Betriebsstättenvermögen oder von dort zu einem anderen ausländischen Betriebsstättenvermögen erfolgt, soweit letzterenfalls hiermit etwa ein Wechsel von der Anrechnungs- zur Freistellungsmethode verbunden ist. Soweit beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind, bleiben die Besteuerungsfolgen für etwaige Gewinne aus der Veräußerung der zum ausländischen Betriebsstättenvermögen gehörenden Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft regelmäßig unverändert.6 Damit geht auch insoweit durch die Verschmelzung der deutschen Besteuerung kein Besteuerungsgut verloren. Handelt es sich um Beteiligungen im steuerlichen Privatvermögen ist zunächst zu überprüfen, ob das deutsche Besteuerungsrecht im Rahmen der unbeschränkten bzw. beschränkten Steuerpflicht auch dann an den Gewinnen aus der Veräußerung der Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft fortbesteht, 1 Im Sinne von Betriebsstättenvermögen. 2 Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 23 f.; Schaumburg, GmbHR 1996, 414 (421). 3 Betriebsstättenprinzip: Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA; hierzu Rz. 19.230, 19.385 ff. 4 Vgl. die Abkommensübersicht bei Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 16. 5 Wegen der fehlenden steuerlichen Bedeutung in Deutschland ist trotz Wertansatzwahlrechts der Ansatz mit dem gemeinen Wert geboten; vgl. hierzu Schießl in W/M, § 13 UmwStG Rz. 15.51. 6 Das gilt in Fällen mit und ohne DBA gleichermaßen.
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20.55
Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
wenn gegenüber den untergehenden Anteilen an der übernehmenden Kapitalgesellschaft keine qualifizierte Beteiligungshöhe mehr gegeben ist: Gehören die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft zum Privatvermögen eines unbeschränkt Steuerpflichtigen und sind hierfür die Voraussetzungen i.S. von § 17 EStG erfüllt bzw. handelt es sich um einbringungsgeborene Anteile i.S. von § 21 UmwStG a.F.,1 gelten bei entsprechendem Antrag nach § 13 Abs. 2 Satz 1 und 3 UmwStG diese Anteile im Privatvermögen als zu den Anschaffungskosten veräußert und die an ihre Stelle tretenden Anteile als zu diesem Wert erworben. Die künftige Besteuerung bleibt dadurch erhalten, dass die Qualifikation dieser Anteile auf die erworbenen Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft ohne Rücksicht auf die Beteiligungshöhe übergeht (§ 13 Abs. 2 Satz 2 UmwStG).2 Diese Qualifikationsverkettung3 gilt ohne weiteres für unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter. Sind beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt, gilt Folgendes: Greift kein DBA ein, unterliegen die Gewinne aus der Veräußerung von Beteiligungen i.S. von § 17 EStG der beschränkten Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG, und zwar ohne Rücksicht auf eine etwaige verschmelzungstypische Absenkung der Beteiligungsquote an der übernehmenden Kapitalgesellschaft (§ 13 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). Soweit DBA zur Anwendung kommen, ist vorrangig danach zu fragen, ob Deutschland vor der Verschmelzung ein Besteuerungsrecht an den Gewinnen aus der Veräußerung der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft hatte, andernfalls (bspw. bei Anwendung einer Art. 13 Abs. 5 OECD-MA entsprechenden Regelung) ist ein Buchwertantrag ohne Bedeutung (s. Rz. 20.52). Ist Deutschland durch das einschlägige DBA ein Besteuerungsrecht vorbehalten4, besteht dieses regelmäßig auch an den erhaltenen Anteilen an der übernehmenden Kapitalgesellschaft. Ausnahmsweise kommt aber auch ein Verlust des deutschen Besteuerungsrechts in Betracht, wenn bspw. ein bisher durch eine Immobiliengesellschaftsklausel (Art. 13 Abs. 4 OECD-MA) gesichertes Besteuerungsrecht bei den Anteilen an der Übernehmerin nicht mehr besteht, weil die Übernehmerin vermögensmäßig nicht mehr als Immobiliengesellschaft im jeweiligen Abkommenssinne qualifiziert.5 3. Verschmelzung von Personengesellschaften auf Kapitalgesellschaften a) Anwendungsbereich des UmwStG 20.56
Für die Verschmelzung von Personengesellschaften auf Kapitalgesellschaften enthält das UmwStG keine eigenständige Regelung. Sie wird sachlich (§ 1 Abs. 3 1 Vgl. § 27 Abs. 3 Nr. 3 UmwStG. 2 Insoweit tritt methodisch zunächst fiktiv die Surrogation gem. § 13 Abs. 2 Satz 2 UmwStG ein, anschließend sind die Voraussetzungen i.S.v. § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG zu untersuchen, vgl. Schießl in W/M, § 13 UmwStG Rz. 178; Schmitt in S/H/S7, § 13 UmwStG Rz. 36. 3 Zur Infizierungs- oder Fußstapfentheorie Dötsch/Werner in D/P/M, § 13 UmwStG Rz. 55. 4 Bspw. aufgrund einer Immobiliengesellschaftsklausel (Art. 13 Abs. 4 OECD-MA) oder einer sog. Sitzstaatsklausel, vgl. die Abkommensübersichten bei Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 149 und 225. 5 Vgl. Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.80.
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B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug
Nr. 1 UmwStG) erfasst als Einbringung (Sacheinlage) des Betriebs1 an der Personengesellschaft in die Kapitalgesellschaft gemäß § 20 UmwStG.2 Bei Verschmelzungen von inländischen Personengesellschaften auf inländische Kapitalgesellschaften ist der persönliche Anwendungsbereich des § 20 UmwStG nur dann nicht eröffnet, wenn (i) die Mitunternehmer der übertragenden Personengesellschaft (vereinfacht) in Drittstaaten ansässig sind (vgl. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 und 2 UmwstG) und (ii) in diesem Fall daneben auch das deutsche Besteuerungsrecht an den Gewinnen aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile ausgeschlossen oder beschränkt ist (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG). Die unter den Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG mögliche steuerneutrale Verschmelzung von Personengesellschaften auf Kapitalgesellschaften3 hängt u.a. davon ab, dass ein bisher bestehendes4 deutsches Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung des übergehenden Betriebsvermögens bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG). Ob die übertragende Personengesellschaft ihren Sitz im Inland oder im Ausland hat, ob deren Gesellschafter unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig sind, spielt für das der übernehmenden Kapitalgesellschaft für das eingebrachte Betriebsvermögen gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG eingeräumte Bewertungswahlrecht keine Rolle. Schließlich hängt das Bewertungswahlrecht auch nicht davon ab, ob für die im Zuge der Einbringung erhaltenen Anteile ein deutsches Besteuerungsrecht besteht.5 Für diesen Fall kann allerdings von vornherein die Anwendbarkeit des § 20 UmwStG durch § 1 Abs. 4 UmwStG ausgeschlossen sein (s. Rz. 20.56). Die auf den Zeitpunkt der Sacheinlage6 bezogene Entstrickungsklausel wird unter außensteuerrechtlichen Aspekten für Zwecke der rückwirkenden Besteuerung des Einbringungsgewinns I (§ 22 Abs. 1 Satz 3 UmwStG) durch die in § 22 Abs. 1 Satz 5 u. Satz 6 Nr. 6 UmwStG geregelten Entstrickungsklauseln ergänzt. Zu der hier allein bedeutsamen Inlandsverschmelzung die folgenden Einzelheiten:
20.57
b) Steuerfolgen für unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter Soweit unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind, ergeben sich im Regelfall keine Besonderheiten, weil unabhängig davon, ob ein DBA eingreift 1 So bspw. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 20.05 Satz 2. 2 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.44. 3 Bei Verschmelzung der Personengesellschaft sind deren Mitunternehmer Einbringende, vgl. stv. Herlinghaus in R/H/vL2, § 20 UmwStG Rz. 34 m.w.N. 4 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 20.19 i.V.m. 03.19. 5 Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 229. 6 Im Falle der Rückbeziehung ist auf den steuerlichen Übertragungsstichtag (Einbringungszeitpunkt) abzustellen, so dass die Sicherstellung der deutschen Besteuerung nur für stille Reserven zu beachten ist, die zu diesem Zeitpunkt der inländischen Besteuerung unterliegen; vgl. stv. Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 311; Schmitt in S/H/S7, § 20 UmwStG Rz. 346.
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20.58
Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
oder nicht, sich der Anwendungsbereich des § 20 UmwStG für diesen Personenkreis ohne weiteres eröffnet (§ 1 Abs. 4 UmwStG) und durch die Verschmelzung der Personengesellschaft auf die unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft das Besteuerungsrecht Deutschlands für die Gewinne aus der Veräußerung der übergehenden Wirtschaftsgüter nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Das gilt für in- und ausländisches Betriebsstättenvermögen gleichermaßen,1 so dass insoweit der Buchwertansatz gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG und damit eine Steuerneutralität möglich ist. Die Verschmelzung bewirkt im Übrigen grundsätzlich eine Verdoppelung der stillen Reserven, weil nunmehr diese sowohl auf Gesellschaftsebene als auch auf Gesellschafterebene zukünftig der Besteuerung ausgesetzt sind.2 Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die im Zuge der Verschmelzung gewährten Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft zu einem ausländischen Betriebsstättenvermögen gehören und hierdurch die Gewinne aus der Veräußerung dieser Anteile abkommensrechtlich3 der deutschen Besteuerung entzogen sind. 20.59
Wird das Wahlrecht nicht ausgeübt, so dass die übergehenden Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert anzusetzen sind (§ 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG), ergeben sich Besteuerungsfolgen hinsichtlich des im Ausland belegenen übergehenden Vermögens unter den folgenden Gesichtspunkten: Greift kein DBA, kann die ausländische Steuer grds. auf eine auf den Einbringungsgewinn anfallende deutsche Einkommen- oder Körperschaftsteuer4 angerechnet werden (§ 34c EStG, § 26 KStG). In Abkommensfällen stellt sich ggf. zunächst die Frage, ob der Einbringungsgewinn abkommensrechtlich den Unternehmensgewinnen (Art. 7 OECD-MA)5, den Veräußerungsgewinnen (Art. 13 Abs. 2 oder Abs. 5 OECDMA)6 oder den sonstigen Einkünften (Art. 21 OECD-MA) unterfällt, da hiervon abhängen kann, ob nach dem DBA die Anrechnungs- oder die Freistellungsmethode anzuwenden ist.7 Sieht das DBA zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen (ausnahmsweise) generell8 oder speziell9 die Anrechnungsmethode vor, kommt eine Besteuerung in Deutschland zum Tragen, jedoch unter Anrechnung etwaiger ausländischer Steuern (§ 34c Abs. 1 EStG, § 26 KStG). Schließt das DBA eine Anrechnung auf die Gewerbesteuer nicht ausdrücklich aus, muss Deutsch1 2 3 4 5 6
7
8 9
Hierzu Herlinghaus in R/H/vL2, § 20 UmwStG Rz. 168. Patt in D/P/M, Vor §§ 20–23 UmwStG Rz. 29. Betriebsstättenprinzip: Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA; vgl. Rz. 19.230, 19.385 ff. Mangels Anrechnungsvorschriften aber nicht auf die Gewerbesteuer. Wassermeyer in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (122); Viebrock/Hagemann, FR 2009, 737 (738); Klingberg/van Lishaut, FR 1999, 1222. Vgl. Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 17; Gradel/Kleinhans in S/K/K, Art. 13 OECD-MA Rz. 7; Lieber in S/D, Art. 13 OECD-MA Rz. 36; Meretzki in F/W/K, Art. 13 DBA-Schweiz Rz. 76; Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.27; Jäschke/Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerecht, Rz. 6.20. Die Beurteilung kann im Einzelfall für die Anwendbarkeit einer sog. Aktivitätsklausel oder einer Anrechnung etwaiger ausländischer Steuern von Bedeutung sein, vgl. Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.27; Jäschke/ Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerecht, Rz. 6.20 mit Fussnote 1. Bspw. Art. 22 Abs. 1 DBA-VAE. Im Regelfall wird die Anrechnungsmethode nur für bestimmte Einkünfte vereinbart, vgl. Rz. 19.552.
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B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug
land auch eine Anrechnung der ausländischen Steuern auf die Gewerbesteuer zulassen (s. Rz. 19.554). Regelmäßig gehen zwar die deutschen DBA nicht nur für unbewegliches Auslandsvermögen1, sondern auch für ausländische Betriebsstättengewinne von der Freistellungsmethode aus (s. Rz. 19.521 ff.). Insbesondere die jüngere deutsche Abkommenspolitik schränkt jedoch die grundsätzliche Steuerfreistellung ausländischer Betriebsstättengewinne (hier: Einbringungsgewinn) im Wege abkommensrechtlicher Aktivitätsvorbehalte (s. Rz. 19.515)2 oder Subject-to-Tax-Klauseln (s. Rz. 19.522)3 ein.4 Enthält das einschlägige DBA eine Aktivitätsklausel, so ist Deutschland berechtigt, auf den Einbringungsgewinn anstatt der Freistellungsmethode die Anrechnungsmethode anzuwenden,5 wenn in der ausländischen Betriebsstätte vor der Einbringung keine „aktive“ Tätigkeit i.S. der Aktivitätsklausel ausgeübt wurde.6 Jenseits dessen stellt sich die Frage, ob bei Steuerfreiheit der Umwandlung im ausländischen Staat die abkommensrechtliche Freistellung des Übertragungsgewinns mangels „tatsächlicher Besteuerung“ im anderen Vertragsstaat durch eine Subject-to-Tax-Klausel suspendiert werden kann.7 Bezieht man zutreffend die (voraussichtliche) spätere Besteuerung der stillen Reserven im ausländischen Staat im Fall der tatsächlichen Veräußerung in die Betrachtung mit ein,8 finden die abkommensrechtlichen sSubject-to-Tax-Klauseln auch bei Umwandlungen zu Buchwerten keine Anwendung.9 Dies dürfte auch den Erwägungen in dem zur Anwendung von Subject-to-Tax-Klauseln veröffentlichten BMF-Schreiben v. 20.6.201310 entsprechen.11 Hingegen hat der BFH zu den (wenigen) sog. Quellenregeln12 im Zusam1 Insoweit kann regelmäßig offenbleiben, ob die Umwandlung abkommensrechtlich eine Veräußerung darstellt, da die Rechtsfolgen von Art. 6 Abs. 1 bzw. Art. 13 Abs. 1 OECD-MA i.V. mit Art. 23 Abs. 1 OECD-MA aus Sicht des Ansässigkeitsstaat grds. übereinstimmen. 2 Ausf. allg. Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 84 ff. 3 Ausf. allg. Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 73 ff. 4 Zu deren Anwendung im Bereich von Umwandlungen ausf. Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.59 ff. 5 Mit der Folge der uneingeschränkten Besteuerung, da der ausländische Staat die Umwandlung zum Buchwert zulässt. 6 Vgl. Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.59; Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.126. 7 Hierzu Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.59; Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.132 ff.; Hruschka/Schicketanz, ISR 2015, 164 ff. 8 Vgl. Schönfeld, IStR 2013, 757 (759); Gebhardt/Reppel, IStR 2013, 760 (763 f.); Schönfeld/Häck, ISR 2013, 168 (174); Mouldi/Loose, IStR 2012, 829 (833 f.). 9 A.A. Hruschka/Schicketanz, ISR 2015, 164 (166 ff.) unter Hinweis auf die unterschiedlichen Steuerpflichtigen und eine fehlende Doppelbesteuerung im abkommensrechtlichen Sinne. 10 BMF v. 20.6.2013 – IV B 2 - S 1300/09/10006 – DOK 2013/0539717, BStBl. I 2013, 980. 11 Insoweit lassen sich Buchwerteinbringungen als (unschädliche) „temporäre“ oder „permanente Differenz“ einstufen, vgl. BMF v. 20.6.2013 – IV B 2 - S 1300/09/10006 – DOK 2013/0539717, BStBl. I 2013, 980, Tz. 2.3; Gebhardt/Reppel, IStR 2013, 760 (763 f.); Lüdicke, IStR 2013, 721 (728). 12 Diese sehen vor, dass Einkünfte (nur dann) aus dem anderen Vertragsstaat „stammen“, wenn sie dort (effektiv) besteuert wurden, hierzu ausf. Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 75.
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
menhang mit einem Formwechsel unter Buchwertfortführung den Rückfall des Besteuerungsrechts an Deutschland bejaht.1 Ungeachtet der abkommensrechtlichen Regelungen können im Einzelfall auch die innerstaatlichen Vorbehaltsklauseln (§ 50d Abs. 9 Nr. 1 bzw. Nr. 2 EStG, § 20 Abs. 2 AStG) zum Tragen kommen. c) Steuerfolgen für beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter 20.60
Der persönliche Anwendungsbereich ist bei EU-/EWR-Ansässigkeit des beschränkt steuerpflichtigen Gesellschafters i.S.v. § 1 Abs. 2 UmwStG stets eröffnet (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a UmwStG),2 bei in Drittstaaten ansässigen Gesellschaftern hingegen nur, wenn das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile der inländischen Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG). Letzteres ist nur dann gegeben, wenn kein DBA besteht3 oder im DBA-Fall ein entsprechendes deutsches Besteuerungsrecht abkommensrechtlich (ausnahmsweise) Deutschland vorbehalten worden ist.4 Andernfalls werden die in Deutschland steuerverhaften stillen Reserven in dem übergehenden Betriebsvermögen auch dann steuerpflichtig aufgedeckt, wenn Deutschland an dem eingebrachten Betriebsvermögen ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht verbleibt.
20.61
Ist der persönliche Anwendungsbereich bei beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern eröffnet, ist für das eingebrachte Betriebs(stätten)vermögen die Buchwertfortführung regelmäßig möglich, da das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens bei der übernehmenden inländischen Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG) unabhängig davon, ob ein DBA eingreift oder nicht.5 Wird (einheitlich) der Buchwertansatz gewählt und geht verschmelzungsbedingt Betriebsvermögen über, welches weder vor noch nach der Besteuerung im Inland steuerverhaftet ist (sog. neutrales Vermögen), wird dieses zwar auf Ebene der übernehmenden Kapitalgesellschaft zu Buchwerten übernommen, für den Anteilseigner erhöhen sich die Anschaffungskosten an den erhaltenen Anteilen hingegen um den gemeinen Wert des eingebrachten neutralen Vermögens (§ 20 Abs. 3 Satz 2 UmwStG).6 1 BFH v. 17.10.2007 – I R 96/06, BStBl. II 2008, 953 zu Prot. Nr. 16 Buchst. d zum DBA-Italien. 2 Bei beteiligten ausländischen Personengesellschaften ist erforderlich, dass diese Sitz und Ort der Geschäftsleitung im EU-/EWR-Bereich haben und an der ausländischen Personengesellschaft Personen beteiligt sind, die im EU-/EWR-Bereich ansässig sind (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a UmwStG). 3 Die Gewinne aus der Veräußerung der im Zuge der Verschmelzung erhaltenen Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft unterliegen gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG der beschränkten Steuerpflicht. 4 Bspw. aufgrund einer Immobiliengesellschaftsklausel (Art. 13 Abs. 4 OECD-MA) oder einer sog. Sitzstaatsklausel, vgl. die Abkommensübersichten bei Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 149 und 225. 5 §§ 1 Abs. 2 Nr. 1; 8 Abs. 1 KStG i.V. mit § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG; Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA. 6 Vgl. ausf. Herlinghaus in R/H/vL2, § 20 UmwStG Rz. 195 ff.
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Schaumburg/Häck
B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug
Für das bisher nicht in Deutschland steuerverhaftete (ausländische) Betriebs(stätten)vermögen kommt es verschmelzungsbedingt ggf. zur erstmaligen Begründung des deutschen Besteuerungsrechts im Wege einer passiven (rechtlichen) Verstrickung1, wenn bspw. durch die Verschmelzung eine ausländische Anrechnungsbetriebsstätte auf die inländische Kapitalgesellschaft übergeht.2 Für diesen Fall der verschmelzungsbedingten Steuerverstrickung enthält § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG zwar keine ausdrückliche Regelung. Insoweit kommt aber – dem gesetzgeberischen Willen entsprechend3 – auf der Ebene der übernehmenden Kapitalgesellschaft über § 8 Abs. 1 KStG die allgemeine Verstrickungsregelung des § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG zur Anwendung.4 Damit wird der gemeine Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG) für den Ansatz dieser übergehenden Wirtschaftsgüter zwingend.5 Hieran ändert auch der Umstand, dass das in § 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG verankerte Wahlrecht nur einheitlich ausgeübt werden kann, nichts, da der Wertansatz insoweit zwingend und somit dem Bewertungswahlrecht von vornherein nicht zugänglich ist.6 Für den Anteilseigner erhöhen sich die Anschaffungskosten an den erhaltenen Anteilen auch hier um den gemeinen Wert des eingebrachten (neuverstrickten) Vermögens.7 Ein etwa durch den Ansatz des neutralen oder neuverstrickten Vermögens mit dem gemeinen Wert ausgelöster Übertragungsgewinn (Einbringungsgewinn) wird außerhalb der Reichweite der beschränkten Steuerpflicht erzielt, so dass insoweit eine deutsche Besteuerung ausscheidet.8 Wird dagegen in den übrigen Fällen der beschränkten Steuerpflicht das Wahlrecht im Sinne des Buchwertansatzes nicht ausgeübt, unterliegt ein hierdurch ausgelöster Übertragungsgewinn (Einbringungsgewinn; § 20 Abs. 3 und 4 UmwStG) gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG der Besteuerung, ohne dass diese durch ein DBA (Art. 7 Abs. 1, 13 Abs. 2 OECD-MA) eingeschränkt wird.
1 Zur Abgrenzung zwischen passiver (rechtlicher) und aktiver (tatsächlicher) Ent- und Verstrickung s. Rz. 20.16 und 20.83. 2 Insoweit unterliegt das ausländische Betriebsvermögen künftig erstmals auf Ebene der übernehmenden Kapitalgesellschaft der inländischen Besteuerung. 3 Vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum SEStEG, BT-Drucks. 16/2719, 43 4 Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 228; Schmitt in S/H/S7, § 20 UmwStG Rz. 280, 297, 304, 325; Sterner in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 7.110; Kahle/Vogel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 12.136; Henkel in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 10.231; Förster/ Wendland, BB 2007, 631 (634); Damas, DStZ 2007, 129 (137); Ley, FR 2007, 109 (112); a.A. Herlinghaus in R/H/vL2, § 20 UmwStG Rz. 167. 5 Hingegen ist bei der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften umstritten, ob bei passiven (rechtlichen) Verstrickungen eine Verstrickung nach den allgemeinen Regelungen erfolgt, s. Rz. 20.16. Für Wirtschaftsgüter, die durch eine nach dem steuerlichen Übertragungsstichtag sich vollziehende aktive (tatsächliche) Verstrickung in die deutsche Steuerverhaftung hineinwachsen, ergibt sich die Verstrickung unproblematisch nach allgemeinen Verstrickungsgrundsätzen (§ 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG). 6 Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 228; a.A. Herlinghaus in R/H/vL2, § 20 UmwStG Rz. 167. 7 Vgl. Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 228; Henkel in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 10.231; Schmitt/Schloßmacher, UmwStE 2011, 267. 8 Vgl. BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663.
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20.62
Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
d) Besteuerung bei späterer Veräußerung der erhaltenen Anteile 20.63
Die im Zuge der Verschmelzung erhaltenen Anteile unterliegen auf Gesellschafterebene in Zukunft nach allgemeinen Grundsätzen der unbeschränkten bzw. beschränkten Steuerpflicht unter Berücksichtigung von DBA. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf Gewinne aus der Veräußerung der Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft. Die für die Berechnung eines etwaigen Veräußerungsgewinns maßgeblichen Anschaffungskosten dieser Anteile ergeben sich aus § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG; danach bildet der Wert, mit dem die übernehmende Gesellschaft das im Zuge der Verschmelzung übergehende Vermögen ansetzt, die Anschaffungskosten der als Gegenleistung gewährten Anteile ab. Dadurch wird sichergestellt, dass die im Zuge der Verschmelzung erworbenen Anteile der Höhe nach dieselben stillen Reserven enthalten wie sie in dem übergehenden Vermögen der einbringenden Personengesellschaft enthalten waren.1 Diese Verdoppelung der stillen Reserven ist allerdings dann nicht gerechtfertigt, wenn das übergehende Vermögen vor und nach der Verschmelzung dem deutschen Besteuerungsrecht nicht ausgesetzt ist (sog. neutrales Vermögen). In diesem Fall sind die Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile um den gemeinen Wert dieser dem deutschen Besteuerungsrecht nicht unterworfenen Wirtschaftsgüter zu erhöhen (§ 20 Abs. 3 Satz 2 UmwStG). Angesprochen hierdurch sind insbesondere Wirtschaftsgüter, die einem ausländischen Betriebsstättenvermögen funktional zuzuordnen sind und abkommensrechtlich Deutschland bei Anwendung der Freistellungsmethode die Gewinne aus der Veräußerung dieser Wirtschaftsgüter steuerfrei stellt.2 Diese Sonderregelung hat Auswirkungen für die Veräußerung der verschmelzungsbedingt erhaltenen Anteile zu einem späteren Zeitpunkt. Darüber hinaus erhöhen sich für den Anteilseigner die Anschaffungskosten an den erhaltenen Anteilen auch insoweit, als im Anschluss an die Verschmelzung ein deutsches Besteuerungsrecht an den Gewinnen aus der Veräußerung der übergehenden Wirtschaftsgüter erstmals begründet wird und das neuverstrickte Vermögen auf Ebene der übernehmenden Gesellschaft zum gemeinen Wert anzusetzen ist.3
20.64
Werden die im Zuge der Verschmelzung erhaltenen Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft zu einem späteren Zeitpunkt veräußert, kommt es unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 UmwStG zu einer rückwirkenden Besteuerung des Übertragungsgewinns (Einbringungsgewinn I). Diese rückwirkende Besteuerung, die nur eingreift, wenn die Einbringung (Sacheinlage) unter dem gemeinen Wert erfolgt ist, gilt für unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Anteilseigner gleichermaßen.4 Ohne Bedeutung ist im Grundsatz auch, ob der Gewinn aus der Veräußerung der Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft überhaupt der Besteuerung unterliegt.5 Etwas anderes gilt in den Fällen, in denen im Zuge der Verschmelzung bisher in Deutschland steuerverhaftete Ka1 Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 293. 2 Vgl. Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 29. 3 Vgl. Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 228; Henkel in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 10.231; Schmitt/Schloßmacher, UmwStE 2011, 267. 4 Patt in D/P/M, § 22 UmwStG Rz. 20; Stangl in R/H/vL2, § 22 UmwStG Rz. 73. 5 Patt in D/P/M, § 22 UmwStG Rz. 20; Stangl in R/H/vL2, § 22 UmwStG Rz. 26; Schmitt in S/H/S7, § 22 UmwStG Rz. 22.
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B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug
pitalgesellschaftsanteile auf die übernehmende Kapitalgesellschaft übergehen und die hierfür erhaltenen Anteile an derselben nicht mehr in Deutschland steuerverstrickt sind (§ 22 Abs. 1 Satz 5 Halbs. 2 UmwStG). Für diesen Fall des Ausschlusses bzw. der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts an den erhaltenen Anteilen kommt es zu einer rückwirkenden Besteuerung des Einbringungsgewinns I.1 Betroffen ist hierdurch insbesondere der Fall, dass ein beschränkt steuerpflichtiger EU-Bürger mit entsprechendem Abkommensschutz an der einbringenden Personengesellschaft beteiligt ist und im Zuge der Verschmelzung Kapitalgesellschaftsanteile auf die übernehmende Kapitalgesellschaft übergehen, deren Anteile abkommensrechtlich (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA) der deutschen Veräußerungsgewinnbesteuerung entzogen sind. Ohne die vorgenannte Regelung2 könnten die erhaltenen Anteile, soweit sie auf die miteingebrachten Anteile entfallen, unmittelbar nach der Verschmelzung ohne deutsche Besteuerung veräußert werden. In allen Fällen ist eine rückwirkende Besteuerung nur innerhalb der in § 22 Abs. 1 UmwStG geregelten siebenjährigen Sperrfrist möglich. Nach Ablauf dieser Sperrfrist entfällt jedwede rückwirkende Besteuerung. In dem hier interessierenden Zusammenhang erfolgt innerhalb der vorbezeichneten siebenjährigen Sperrfrist eine rückwirkende Besteuerung des Übertragungsgewinns (Einbringungsgewinn I) auch, wenn die persönlichen Anwendungsvoraussetzungen des § 1 Abs. 4 UmwStG für die Gesellschafter der einbringenden Personengesellschaft zum Fortfall kommen (§ 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 1. Fall UmwStG). Dieser Ersatzrealisationstatbestand hat insbesondere dann Bedeutung, wenn die Gesellschafter der einbringenden Personengesellschaft ihre Ansässigkeit von einem EU-/EWRStaat in einen Drittstaat durch Wegzug verlegen und hierdurch das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der erhaltenen Anteile ausgeschlossen oder beschränkt wird.3 Neben der rückwirkenden Besteuerung des Übertragungsgewinns (Einbringungsgewinn I) erfolgt im Falle des Wegzugs hinsichtlich der erhaltenen Anteile bei natürlichen Personen zusätzlich auch eine Wegzugsbesteuerung gem. § 6 AStG.4 § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 2. Fall betrifft nicht den Wegzug der übernehmenden Gesellschaft, in die das Betriebsvermögen gemäß § 20 UmwStG eingebracht wurde5, sondern stellt auf die Gesellschaft ab, auf die – im Anschluss an eine Ketteneinbringung – die erhaltenen Anteile an der übernehmenden Gesellschaft eingebracht wurden. Insoweit erfüllt deren Wegzug innerhalb des EU-/EWR-Raums keinen Ersatzrealisationstatbestand. Die gesetzgeberische Wertung des § 22 Abs. 1 Satz 6 Nr. 6 UmwStG beantwortet auch die zu verneinende Frage, ob die bei einem Wegzug des Einbringenden ggf. gemäß § 6
1 Zu weiteren Einzelheiten Stangl in R/H/vL2, § 22 UmwStG Rz. 100; Schmitt in S/H/S7, § 22 UmwStG Rz. 69 ff. 2 Insoweit handelt es sich um eine Missbrauchsklausel; so Patt in D/P/M, § 22 UmwStG Rz. 53. 3 Stangl in R/H/vL2, § 22 UmwStG Rz. 129. 4 Bilitewski in H/M4, § 22 UmwStG Rz. 169. 5 Dieser Fall ist nicht als schädlicher Ersatzrealisationstatbestand geregelt, vgl. Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 31.
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20.65
Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
AStG oder § 12 Abs. 1 KStG ausgelösten fiktiven Veräußerungen eine schädliche Veräußerung i.S.v. § 22 Abs. 1 UmwStG begründen.1 20.66
Gehen verschmelzungsbedingt Kapitalgesellschaftsanteile auf die übernehmende Kapitalgesellschaft unter dem gemeinen Wert über, ist (auch) § 22 Abs. 2 UmwStG anzuwenden. Das bedeutet, dass bei einer Veräußerung der übergehenden Kapitalgesellschaftsanteile durch die übernehmende Kapitalgesellschaft innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist die rückwirkende Besteuerung des Übertragungsgewinns (Einbringungsgewinn II) ausgelöst wird. Eine Ersatzrealisation erfolgt auch dann, wenn die übernehmende Kapitalgesellschaft die EU-/EWR-Ansässigkeitsvoraussetzung z.B. durch Verlegen des Orts der Geschäftsleitung in einen Drittstaat verliert (§ 22 Abs. 2 Satz 6 Alt. 2 UmwStG).2 Zu einer rückwirkenden Besteuerung des Übertragungsgewinns (Einbringungsgewinn II) kommt es allerdings nicht, wenn vor der Veräußerung der übergehenden Kapitalanteile durch die übernehmende Kapitalgesellschaft die Gesellschafter der übertragenen Personengesellschaft der Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) unterlegen sind und soweit die hieraus resultierende Steuer nicht gestundet ist (§ 22 Abs. 2 Satz 5 Alt. 2 UmwStG). Greift auf Gesellschafterebene die Wegzugsbesteuerung nach der Veräußerung der im Zuge der Verschmelzung übergehenden Anteile durch die übernehmende Kapitalgesellschaft ein, so sind im Rahmen der Wegzugsbesteuerung (§ 6 AStG) in Höhe des Übertragungsgewinns (Einbringungsgewinn II) nachträgliche Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile zu berücksichtigen (§ 22 Abs. 2 Satz 4 UmwStG). 4. Verschmelzung von Personengesellschaften auf Personengesellschaften
20.67
Die Verschmelzung von Personengesellschaften auf Personengesellschaften, die handelsrechtlich in den §§ 39 ff. UmwG eine eigenständige Regelung erfahren hat, fällt unter den Regelungsbereich des § 24 UmwStG, so dass unter den dort genannten Voraussetzungen im Wege der Einbringung ein steuerneutraler Betriebsvermögenstransfer möglich ist.3 In persönlicher Hinsicht ergeben sich – anders als etwa bei § 20 UmwStG (s. Rz. 20.56) – keine Einschränkungen (§ 1 Abs. 4 Satz 2 UmwStG), so dass an der Verschmelzung auch Rechtsträger teilnehmen können, die nicht in EU-/EWR-Staaten ansässig sind.4 Im Übrigen differenziert § 24 UmwStG weder zwischen inländischem und ausländischem Betriebsvermögen noch zwischen beschränkter und unbeschränkter Steuerpflicht der Gesellschafter. 1 Zutr. Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 31; Stangl in R/H/vL2, § 22 UmwStG Rz. 41; Bilitewski in H/M4, § 22 UmwStG Rz. 32; Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 362; a.A. Patt in D/P/M, § 22 UmwStG Rz. 28; Pung, GmbHR 2012, 158 (161). 2 Der Wegzug in einen EU-/EWR-Staat ist dagegen unschädlich; § 12 Abs. 1 KStG greift insoweit nicht ein; vgl. Stangl in R/H/vL2, § 22 UmwStG Rz. 41. 3 Zur Regelungsdivergenz zwischen §§ 39 ff. UmwG, wonach die übertragende Personengesellschaft als Einbringende gilt, und § 24 UmwStG, nach dem die Gesellschafter der übertragenden Personengesellschaft als Einbringende gelten, Rasche in R/H/vL2, § 24 UmwStG Rz. 55. 4 Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 36; Prinz in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 9.17.
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Schaumburg/Häck
B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug
Die nach § 24 UmwStG mögliche steuerneutrale Einbringung qualifizierten Vermögens1 steht allerdings unter Entstrickungsvorbehalt: Gemäß § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG kann das übernommene Vermögen nur dann unter dem gemeinen Wert angesetzt werden, wenn ein zuvor bestehendes2 deutsches Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des übergehenden Vermögens3 nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird.4 Diese Entstrickungsklausel hat bei Inlandsverschmelzungen grundsätzlich keine Bedeutung:5
20.68
Geht im Rahmen der Verschmelzung inländisches Betriebsstättenvermögen über, so ergeben sich keine Besonderheiten, weil ohne Rücksicht darauf, ob ein DBA eingreift oder nicht, sowohl für unbeschränkt als auch für beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter die Besteuerung der in dem übergehenden Vermögen gebundenen stillen Reserven uneingeschränkt erhalten bleibt. Bei unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern ist die Besteuerung der stillen Reserven im Rahmen der Besteuerung des Welteinkommens (§ 2 Abs. 1 EStG) und bei beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern die Besteuerung gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ohne abkommensrechtliche Schrankenwirkungen6 gewährleistet.7 Eine Ausnahme ergibt sich allenfalls bei einem verschmelzungsbedingten Zuordnungswechsel übergehender Wirtschaftsgüter von einem inländischen auf ein ausländisches Betriebsstättenvermögen, das der deutschen Besteuerung entzogen ist oder aber zu einer Anrechnung ausländischer Steuern zwingt. Insoweit kommt es aber für eine Relevanz im Rahmen der Enstrickungsklausel des § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG – ebenso wie im Rahmen der § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG – darauf an, ob sich der Zuordnungswechsel nach den tatsächlichen Verhältnissen zum steuerlichen Übertragungsstichtag vollzieht8, andernfalls richtet sich die Entstrickung nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG bzw. § 12 Abs. 1 KStG.
20.69
1 Betrieb, Teilbetrieb, Mitunternehmeranteil, Bruchteil eines Mitunternehmeranteils und 100%ige Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft; vgl. hierzu Patt in D/P/M, § 24 UmwStG Rz. 87; eine 100%ige Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft nicht als steuerneutralen Einbringungsgegenstand qualifizierend BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; ferner Rasche in R/H/vL2, § 24 UmwStG Rz. 42; vgl. dagegen BMF v. 11.11. 2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 24.02; BMF v. 20.5.2009 – IV C 6 - S 2134/07/10005, BStBl. I 2009, 671; Patt in D/P/M, § 24 UmwStG Rz. 95. 2 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 24.03 i.V.m. 20.19, 03.19; Schmitt in S/H/S7, § 24 UmwStG Rz. 210. 3 Auch im Rahmen des § 24 Abs. 3 Satz 2 UmwStG geht es nur um ein Besteuerungsrecht an den Veräußerungsgewinnen, auch wenn dies § 24 Abs. 3 Satz 2 UmwStG – anders als § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG – nicht explizit zum Ausdruck bringt, vgl. Schmitt in S/H/S7, § 24 Rz. 210. 4 Abzustellen ist auf die beteiligten Mitunternehmer; auf die Gewerbesteuer der übernehmenden Personengesellschaft selbst kommt es nicht an; hierzu Rasche in R/H/vL2, § 24 UmwStG Rz. 83. 5 Vgl. auch Prinz in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 9.10; Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 38. 6 Betriebsstättenprinzip: Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA; bei der Einbringung unbeweglichen Vermögens gelten vorrangig Art. 6; 13 Abs. 1 OECD-MA; vgl. Rz. 19.383. 7 Hierzu Rasche in R/H/vL2, § 24 UmwStG Rz. 83. 8 Vgl. Schmitt in S/H/S7, § 24 UmwStG Rz. 216.
Schaumburg/Häck
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
20.70
Wird im Zuge der Verschmelzung ausländisches Betriebsstättenvermögen übertragen, wird das deutsche Besteuerungsrecht verschmelzungsbedingt ebenfalls weder ausgeschlossen noch beschränkt: Soweit unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind und keine DBA eingreifen, bleibt die Besteuerung im Rahmen des Welteinkommens auch nach verschmelzungsbedingtem Vermögensübergang uneingeschränkt erhalten. Greift ein DBA ein, ist das deutsche Besteuerungsrecht durch das abkommensrechtlich verankerte Betriebsstättenprinzip (Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA; vgl. Rz. 19.385 ff.) im Falle der Anwendung der Freistellungsmethode sowohl vor als auch nach Verschmelzung ausgeschlossen.1 Soweit abkommensrechtlich die Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung vermieden wird, tritt durch die Verschmelzung ebenfalls keine Veränderung ein. Im Ergebnis gilt dies auch, soweit beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind: Die Besteuerung der im ausländischen Betriebsstättenvermögen ruhenden stillen Reserven liegt außerhalb der Reichweite der beschränkten Steuerpflicht.2 Im Hinblick darauf wird es in der Praxis in aller Regel beim Ansatz mit dem gemeinen Wert verbleiben (§ 24 Abs. 2 Satz 1 UmwStG).
III. Spaltung 20.71
Das UmwStG erfasst die Spaltung von Körperschaften und Personengesellschaften, die nach Maßgabe des UmwG aufgrund partieller Gesamtrechtsnachfolge möglich ist. Ausdrücklich geregelt sind indessen lediglich die Auf- und Abspaltung von Körperschaften3 auf andere Körperschaften (§ 15 UmwStG) und Personengesellschaften (§ 16 UmwStG). Alle anderen im UmwG normierten Fälle der Spaltung haben im UmwStG keine besondere Regelung erfahren. Daher sind etwa die Auf- und Abspaltung von Personengesellschaften sowie die Ausgliederung aus Körperschaften auf Personengesellschaften im UmwStG als Einbringungsvorgänge konzipiert, so dass insoweit entweder §§ 20; 21 UmwStG oder § 24 UmwStG zur Anwendung kommen.4 Zwar ist die Auf- und Abspaltung von Kapitalgesellschaften in den §§ 15; 16 UmwStG gesondert geregelt, beide Vorschriften beschränken sich aber im Wesentlichen darauf, die für die Verschmelzung maßgeblichen Vorschriften für entsprechend anwendbar zu erklären und darüber hinaus spaltungsspezifische Besonderheiten zu regeln.
20.72
Steuerrechtlich ist etwa die Auf- und Abspaltung von Kapitalgesellschaften als bloße Umkehrung der Verschmelzung zu verstehen.5 Wie bei einer Verschmelzung treten daher die spaltungsbedingten Steuerfolgen beim übertragenden und übernehmenden Rechtsträger sowie auf Gesellschafterebene ein. Im Hinblick auf diese parallelen Rechtsstrukturen ergeben sich im außensteuerlichen Kontext zwischen Verschmelzung einerseits und Spaltung andererseits keine wesent-
1 Wassermeyer in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (120). 2 Vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG; BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663; Schaumburg, GmbHR 1996, 414 (424). 3 Die folgenden Ausführungen beziehen sich nur auf Kapitalgesellschaften. 4 Schumacher in R/H/vL2, § 15 UmwStG Rz. 1, § 16 UmwStG Rz. 1. 5 Schumacher in R/H/vL2, § 15 UmwStG Rz. 4; Asmus in H/M4, § 15 UmwStG Rz. 3.
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Schaumburg/Häck
B. Inländische Umwandlungen mit Auslandsbezug
lichen1 Unterschiede: Für die Auf- und Abspaltung von Kapitalgesellschaften auf Kapitalgesellschaften und auf Personengesellschaften gelten die für die Verschmelzung maßgeblichen Vorschriften und damit auch die dort genannten Entstrickungsklauseln, also insbesondere § 15 Abs. 1 Satz 1 UmwStG i.V. mit §§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2; 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG sowie § 16 Satz 1 UmwStG i.V. mit §§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2; 4 Abs. 4 Satz 2; 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG. Für die Spaltung von Personengesellschaften sind die Einbringungsvorschriften des UmwStG (§§ 20; 21; 24 UmwStG) verbindlich, die zugleich auch für die Verschmelzung von Personengesellschaften auf Kapital- oder Personengesellschaften anwendbar sind. Damit greifen auch hier die gleichen Entstrickungsklauseln ein2 wie bei den entsprechenden Verschmelzungen. Das bedeutet im Ergebnis, dass bei Inlandsspaltungen die Steuerneutralität gewährleistet ist, soweit das deutsche Besteuerungsrecht an den Gewinnen aus der Veräußerung der im Zuge der Spaltung übergehenden Wirtschaftsgütern nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird.3 Soweit keine Entstrickungsklauseln normiert sind, kommen im Übrigen auch hier die für die Verschmelzung maßgeblichen Grundsätze entsprechend zur Anwendung. Für die vorgenannten Fälle der Spaltung ergeben sich allerdings Beschränkungen im persönlichen Anwendungsbereich (§ 1 Abs. 4 UmwStG). Hieraus folgt, dass nicht in der EU/EWR ansässige Rechtsträger nur dann von der Reichweite der §§ 15; 16 UmwStG erfasst werden, wenn spaltungsbedingt das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG). Diese Einschränkung gilt nicht für die Auf- und Abspaltung von Personengesellschaften und für die Ausgliederung auf Personengesellschaften (§ 1 Abs. 4 Satz 2 UmwStG). Greifen DBA ein, gelten die für die Verschmelzung maßgeblichen Qualifikationsregeln ebenfalls entsprechend: Etwaige Übertragungsgewinne4 unterliegen z.B. bei Kapitalgesellschaften dem Art. 13 Abs. 1 OECD-MA, soweit unbewegliches Vermögen betroffen ist, und dem Art. 13 Abs. 2 OECD-MA, soweit sie bewegliches Betriebsstättenvermögen betreffen.5 Dementsprechend liegt das Besteuerungsrecht beim Belegenheits- oder Betriebsstättenstaat (Rz. 19.381 ff., 19.385 ff.). Bei Personengesellschaften sind die gleichen Regeln anzuwenden (Art. 13 Abs. 1, 2 OECD-MA). Soweit ein Übernahmegewinn entsteht,6 handelt es sich regelmäßig um Veräußerungsgewinne gem. Art. 13 Abs. 2 OECD-MA, 1 Für die bei Aufspaltungen und Abspaltungen zu beachtenden Teilbetriebsvoraussetzungen stellt sich bei rein inländischen Vorgängen die Frage, ob auch insoweit der Teilbetriebsbegriff der FRL Anwendung findet, vgl. Henkel in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 10.150 m.w.N. 2 §§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3; 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UmwStG. 3 Bei § 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UmwStG wird allerdings darauf abgestellt, dass das deutsche Besteuerungsrecht am Gewinn aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. 4 § 16 Satz 1 UmwStG; § 15 Abs. 1 Satz 1; 3 UmwStG; § 20 Abs. 4 UmwStG; § 21 Abs. 3 UmwStG. 5 Wassermeyer in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (125 f.); Rz. 19.387. 6 Bei der Auf- und Abspaltung von Kapital- auf Kapitalgesellschaften aufgrund von § 15 Abs. 1 Satz 1 i.V. mit § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG.
Schaumburg/Häck
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20.73
Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
für die dem jeweiligen Betriebsstättenstaat das Besteuerungsrecht zusteht. Entsprechendes gilt für den spaltungsbedingten Anteilstausch auf Gesellschafterebene, für den entweder Art. 13 Abs. 5 OECD-MA (Privatvermögen) oder Art. 13 Abs. 2 OECD-MA (Betriebsvermögen) in Betracht kommt.1
IV. Formwechsel 20.74
Der den §§ 190 ff. UmwG zugrunde liegenden Konzeption des identitätswahrenden Formwechsels wird durch das UmwStG eine Absage insoweit erteilt, als für sog. heterogene2 Formwechsel, also für Formwechsel von Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften und von Personengesellschaften in Kapitalgesellschaften ein Vermögensübergang unterstellt wird.3 Im Hinblick darauf verweisen die §§ 9; 25 UmwStG in den vorgenannten Fällen des Formwechsels auf die für die Verschmelzung geltenden Vorschriften des UmwStG. Im außensteuerlichen Kontext gibt es daher im Grundsatz keine Unterschiede zwischen Verschmelzung einerseits und Formwechsel andererseits. Das gilt allerdings abkommensrechtlich in den Fällen nicht, in denen aufgrund der in § 9 UmwStG verankerten Verweisung auf die Verschmelzungsvorschriften auf Gesellschaftsebene ein Übernahmegewinn4 und auf Gesellschafterebene ein verschmelzungsbedingter Anteilstausch (§ 13 UmwStG) anzunehmen ist: Nach den Regeln des UmwStG wird zwar bei rechtsformübergreifendem (heterogenem) Formwechsel ein Vermögensübergang (§ 9 UmwStG) fingiert, diese Fiktion schlägt aber nicht auf Abkommensebene durch, so dass insoweit nicht der an eine Veräußerung anknüpfende Art. 13 OECD-MA, sondern Art. 21 Abs. 1 OECD-MA (andere Einkünfte) und ausnahmsweise Art. 7 OECD-MA5 eingreifen.6 Hieraus folgt, dass in aller Regel das ausschließliche Besteuerungsrecht beim Wohnsitzstaat liegt.
C. Grenzüberschreitende Umwandlungen Literatur Kommentare zum UmwG/UmwStG; Bauschatz in Lüdicke/Mellinghoff/Rödder (Hrsg.), Festschrift für Dietmar Gosch, München 2016, Steuerliches Einlagekonto und grenzüberschreitende Verschmelzung, 23 ff.; Becker-Pennrich, Die Sofortversteuerung nach § 21 Abs. 2 Satz 2 UmwStG beim grenzüberschreitenden Anteilstausch, IStR 2007, 684; Beinert/ 1 Wassermeyer in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (126); Rz. 19.387. 2 Bei einem homogenen Formwechsel (Personengesellschaft in Personengesellschaft, Kapitalgesellschaft in Kapitalgesellschaft) kommt es ertragsteuerrechtlich bereits zu keinem gewinnrealisierenden Vermögensübergang. 3 Stv. Birkemeier in R/H/vL2, § 9 UmwStG Rz. 2. 4 § 4 UmwStG (Personengesellschaften); § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG (Kapitalgesellschaften). 5 Wenn die Anteile etwa an der untergehenden Kapitalgesellschaft schon vor dem Formwechsel tatsächlich zu einem Betriebsstättenvermögen des Gesellschafters gehört haben. 6 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 13 OECD-MA Rz. 24; Wassermeyer in Schaumburg/ Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (124); hierzu auch Rz. 19.474.
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C. Grenzüberschreitende Umwandlungen Benecke, Internationale Aspekte der Umstrukturierung von Unternehmen, FR 2010, 1009, 1120; Beiser, Grenzüberschreitende Einbringung zwischen Österreich und Deutschland, DB 2009, 645; Benecke, Anwendungsbereich des UmwStG und Rückwirkung nach dem UmwSt-Erlass 2011, GmbHR 2012, 113; Benz/Rosenberg, Einbringungen von Unternehmensteilen in eine Kapitalgesellschaft und Anteilstausch (§§ 20-23 UmwStG), DB-Beilage 1/2012, 38; Blumenberg, Steuerfragen im Zusammenhang mit der Sitzverlegung der Europäischen Gesellschaft, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 559; Böhmer/Wegener, Zum Verhältnis der Verstrickung zu sonstigen Vorschriften des nationalen Rechts, Ubg 2015, 69; Brähler/Heerdt, Steuerneutralität bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen unter Beteiligung hybrider Gesellschaften, StuW 2007, 260; Brähler/Blankemeyer, Steuerneutralität bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungen zwischen Deutschland und EU-/EWR-Staaten – dargestellt am Beispiel Österreichs, RIW 2012, 288; Breuninger, Die „Zentralfunktion des Stammhauses“ bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 587; von Brocke/ Goebel/Ungemach/von Cossel, Zur steuerlichen Rückwirkung bei grenzüberschreitenden Umwandlungsvorgängen, DStZ 2011, 684; Bungert/de Raet, Grenzüberschreitender Formwechsel in der EU, DB 2014, 761; von Busekist, Umwandlung einer GmbH in eine im Inland ansässige EU-Kapitalgesellschaft am Beispiel der englischen Ltd., GmbHR 2004, 650; Damas, Einführung in das neue Umwandlungssteuerrecht, DStZ 2007, 129; Ditz, Betriebsstättengewinnabgrenzung nach dem „Authorised OECD Approach“ – Eine kritische Analyse, ISR 2012, 48; Ege/Klett, Praxisfragen der grenzüberschreitenden Mobilität von Gesellschaften, DStR 2012, 2442; Ettinger/Königer, Steuerliche Rückwirkung bei grenzüberschreitenden Umstrukturierungsvorgängen, GmbHR 2009, 590; FGS/BDI (Hrsg.), Der Umwandlungsteuer-Erlass 2011, 64; Förster in Lüdicke/Schnitger/Spengel (Hrsg.), Festschrift für Dieter Endres, München 2016, Ertragsteuerliche Konsequenzen von OutboundEinbringungen in Kapitalgesellschaften, 113; Förster/Wendland, Einbringung von Unternehmensteilen in Kapitalgesellschaften, BB 2007, 631; Frotscher, Gedanken zur Zentralfunktion der Geschäftsleitungs-Betriebsstätte, in Strunk/Wassermeyer/Kaminski (Hrsg.), Unternehmensteuerrecht und Internationales Steuerrecht, GS für Krüger, Bonn/Berlin 2006, 95; Fuhrmann, Grenzüberschreitender Anteilstausch innerhalb der EU, DStZ 2007, 111; Gebhardt/Reppel, Die neuen Subject-to-tax-Klauseln in deutschen DBA – Praxisfälle und Zweifelsfragen im Kontext des BMF-Schreibens vom 20.6.2013, IStR 2013, 760; Girlich/Philipp, Entstrickungsaspekte bei der Hinausverschmelzung von Kapitalgesellschaften, Ubg 2012, 150; Göbel/Ungemach, Entstrickungsfallen des UmwStG bei internationalen Umwandlungen, in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung, Herne 2011, 427 ff.; Goebel/Ungemach/Stefaner/Steevensz/Thomas/Fluck, Die grenzüberschreitende Verschmelzung einer deutschen Kapitalgesellschaft, PiStB 2014, 49; Günes, Grenzüberschreitende Verschmelzungen unter Beteiligung von Kapitalgesellschaften aus Drittstaaten, IStR 2013, 213; Häck, Abkommensrechtliche Zuordnung von Beteiligungen zu Betriebsstätten nach BFH, OECD und Finanzverwaltung, ISR 2015, 113; Hahn, Grenzüberschreitender Formwechsel und grenzüberschreitende Sitzverlegung („VALE“), jurisPRSteuerR 39/2012 Anm. 6; Heckschen, Grenzüberschreitender Formwechsel, ZIP 2015, 2049; Heerdt, Steuersubjektqualifikationskonflikte bei Einbringung in eine Kapitalgesellschaft, IStR 2012, 866; Henkel, Internationale Umwandlungen, in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Rz. 10.1 ff.; Herbort/Schwenke, „Kapitalertragsteuerfalle“ beim grenzüberschreitenden Upstream-Merger?, IStR 2016, 567; Hruschka, Umwandlung Kapital- auf Personengesellschaften (§ 3 ff. UmwStG), DStRBeihefter 2/2012, 4; Hruschka/Hellmann, Bewertungswahlrechte bei grenzüberschreitenden Umwandlungen, DStR 2010, 1961; Hruschka/Schicketanz, Vom Verbot der virtuellen Doppelbesteuerung zur Vermeidung weißer Einkünfte, ISR 2015, 164; Hushahn, Grenzüberschreitender Formwechsel im EU/EWR-Raum – die identitätswahrende statutenwechselnde Verlegung des Satzungssitzes in der notariellen Praxis –, RNotZ 2014, 137; Kahle/ Cortez, Zuzug von Kapitalgesellschaften im Ertragsteuerrecht, FR 2014, 673; Kahle/Eichholz, Ausgewählte Aspekte der Bildung und Auflösung eines Ausgleichspostens nach § 4g EStG, FR 2015, 7; Kahle/Vogel, Fiktive Steueranrechnung in Umwandlungsfällen,
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht ISR 2013, 234; Kahlenberg/Mair/Strauch, Der grenzüberschreitende Anteilstausch, StuB 2013, 698; Klingberg/van Lishaut, Ausländische Umwandlungen im deutschen Steuerrecht, FR 1999, 1209; Klingberg/Nitzschke, Grenzüberschreitende Umwandlungen am Beispiel grenzüberschreitender Verschmelzungen, Ubg 2011, 451; Köhler, Der Wegzug von Unternehmen und Unternehmensteilen in der EU, in Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 813; Köhler, Grenzüberschreitende Outbound-Verschmelzung und Sitzverlegung vor dem Hintergrund der jüngsten BFH-Rechtsprechung, IStR 2010, 337; Körner, Ent- und Verstrickung, IStR 2009, 741; Kraft/ Dombrowski, Die praktische Umsetzung des „Authorized OECD Approach“ vor dem Hintergrund der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung, FR 2014, 1105; Kraft/Poley, Zweifelsfragen bei der Hereinverschmelzung von Kapital- auf Personengesellschaften – eine Fallstudien-gestützte Analyse, FR 2014, 1; Kraft/Poley, Steuerliche Problembereiche im Kontext der Hinausverschmelzung von Kapital- auf Personengesellschaften, FR 2013, 1113; Kraft/Poley, Fallstudie zur grenzüberschreitenden Hereinverschmelzung von Kapitalgesellschaften, SteuerStud 2013, 161; Kraft/Poley, Fallstudie zur grenzüberschreitenden Hinausverschmelzung von Kapitalgesellschaften, SteuerStud 2012, 542; Kredig, Das System der Besteuerung stiller Reserven bei Unternehmensumstrukturierungen, 2015; Kumpf/Roth, Grundsätze der Ergebniszuordnung nach den neuen Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätzen, DB 2000, 741; Lemaitre/Schönherr, Die Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften durch Verschmelzung und Formwechsel nach der Neufassung des UmwStG durch das SEStEG, GmbHR 2007, 173; Ley, Einbringungen nach §§ 20, 24 UmwStG in der Fassung des SEStEG, FR 2007, 109; Lüdicke, Subject-to-tax-Klauseln nach den DBA – Bemerkungen zum BMF-Schreiben vom 20. 6. 2013, IStR 2013, 721; Mayer, Anteilstausch über die Grenze, PiStB 2009, 186; Mouldi/Loose, Greift eine Switchover-Klausel bei Einbringung der US-Betriebsstätte einer deutschen Kapitalgesellschaft in eine US-Corporation?, IStR 2012, 829; Mutscher, Anwendungsbereich der fiktiven Steueranrechnung im UmwStG, IStR 2010, 820; Nentwig, Verlegung des Satzungssitzes einer deutschen GmbH ins europäische Ausland – dargestellt am Beispiel Luxemburg, GWR 2015, 447; Pohl, Ausgewählte internationale Aspekte des neuen Umwandlungsteuererlasses, IWB 2012, 177; Pöllath/Fischer, Der Zuzug einer europäischen Immobilien-Kapitalgesellschaft nach Deutschland – Recht, Steuern, Bilanzen, IStR 2015, 778; Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Köln 2013; Schaumburg, Steuerliche Restriktionen bei internationalen Umwandlungen, GmbHR 2010, 1341; Schaumburg, Grenzüberschreitende Umwandlungen, GmbHR 1996, 501, 585; Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Internationales Umwandlungssteuerrecht, Köln 1996; Schell, Internationale Bezüge bei Verschmelzungen zwischen Körperschaften, FR 2012, 101; Schell, Kapitalertragsteuerpflicht bei grenzüberschreitender Verschmelzung einer deutschen Kapitalgesellschaft auf eine EU/EWR-Kapitalgesellschaft?, IStR 2008, 397; Schießl, Erstmalige Feststellung eines steuerlichen Einlagekontos von ausländischen Körperschaften im Fall der Hereinverschmelzung, DStZ 2008, 852; Schmitt/Schloßmacher, Umwandlungssteuererlass UmwStE 2011, 2012; Schnittker/Benecke, Wegzug und Zuzug von Personengesellschaften, FR 2010, 565; Schön, Das System der gesellschaftsrechtlichen Niederlassungsfreiheit nach VALE, ZGR 2013, 333; Schönfeld/Häck, Der Methodenartikel in der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen, ISR 2013, 168; Schönhaus/Müller, Grenzüberschreitender Formwechsel aus gesellschafts- und steuerrechtlicher Sicht, IStR 2013, 174; Sistermann, Der neue Umwandlungssteuererlass – Umwandlungen mit Auslandsbezug, in Lüdicke (Hrsg.), Praxis und Zukunft des deutschen Internationalen Steuerrechts, Forum der Internationalen Besteuerung, Bd. 40, 2012, 161; Stadler/Jetter, Grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften und steuerliches Einlagekonto, IStR 2009, 336; Thömmes, Grenzüberschreitende Umwandlung von Gesellschaften, NWB 2012, 3018; Viebrock/Hagemann, Verschmelzung mit grenzüberschreitendem Bezug, FR 2009, 737; Wachter, Grenzüberschreitender Herein-Formwechsel in die deutsche GmbH, GmbHR 2016, 738; Wassermeyer/Richter/Schnittker (Hrsg.), Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2. Aufl. Köln 2015; Wassermeyer, Die abkommensrechtliche Aufteilung von Unternehmensgewinnen zwischen den beteiligten Vertragsstaaten, IStR 2012, 277; Wicke, Zulässigkeit des grenzüberschreitenden Formwechsels, DStR 2012, 1756; M.Winter/Marx/De
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C. Grenzüberschreitende Umwandlungen Decker, Von Paris nach Charlottenburg – zur Praxis grenzüberschreitender Formwechsel, DStR 2016, 1997.
I. Allgemeines Grenzüberschreitenden Umwandlungen im Wege der Gesamtechtsnachfolge sind derzeit nicht unerhebliche gesellschaftsrechtliche Grenzen gesetzt. Explizit geregelt sind nur die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Kapitalgesellschaften im EU-/EWR-Bereich gemäß §§ 122a ff. UmwG1 sowie zur Gründung einer SE2 gemäß Art. 17 Abs. 2 SE-VO (hierzu ausf. Rz. 20.2 f.). Grenzüberschreitende Spaltungen von EU-/EWR-Kapitalgesellschaften müssten zwar ebenso wie grenzüberschreitende Umwandlungen unter Beteiligung von Personengesellschaften im EU-/EWR-Raum unionsrechtlich zugelassen werden (s. Rz. 20.2), in der Rechtspraxis lassen sich derartige Umwandlungen angesichts verbleibender Rechtsrisiken derzeit aber (noch) nicht beobachten. Lediglich der identitätswahrende, ohne Vermögensübertragung einhergehende „grenzüberschreitende Formwechsel“ ist jedenfalls für Kapitalgesellschaften bereits praxiserprobt (s. Rz. 20.2). Grenzüberschreitende Umwandlungen mit Gesamtsrechtsnachfolge im Verhältnis zu Drittstaaten sind hingegen insgesamt nicht möglich. Grenzüberschreitende Umwandlungen im Wege der Einzelrechtsnachfolge (Einbringungen) vollziehen sich außerhalb des UmwG und sind unter Berücksichtigung der jeweils nach dem Internationalen Privatrecht maßgeblichen Rechtsvorschriften der beteiligten Staaten zulässig.
20.75
Im Unterschied zum Umwandlungsgesetz ist das Umwandlungssteuergesetz in Orientierung an die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten durch eine weitreichende Europäisierung geprägt, womit im Ergebnis eine an sich europarechtlich gebotene weitere Öffnung des Umwandlungsrechts durch das Steuerrecht antizipiert wird. Das Umwandlungssteuerrecht regelt somit die steuerlichen Rechtsfolgen nicht nur für die Verschmelzungen i.S.v. §§ 122a UmwG ff. bzw. Art. 17 Abs. 2 SE-VO, sondern auch von grenzüberschreitenden Umwandlungen mit Gesamtrechtsnachfolge, die zwar unionsrechtlich geboten, im Umwandlungsgesetz derzeit aber noch nicht konkret geregelt sind.3 Rechtspraktisch sind – mit Ausnahme des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwStG4 – die weitergehenden Regelungen des UmwStG, die ohne Einschränkung grenzüberschreitende Um-
20.76
1 §§ 122a ff. UmwG wurden eingefügt durch das Zweite Gesetz zur Änderung des UmwG v. 19.4.2007 (BGBl. I 2007, 542) im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH in Sachen Sevic Systems (EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-411/03, Slg. 2005, I-10805) sowie die Richtlinie 2005/56/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 26.10.2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten, ABl. EU L 310 vom 2511.2005, 1 (Verschmelzungsrichtlinie). 2 Für die SCE, die Europäische Genossenschaft (Societas Cooperativa Europaea), gilt Vergleichbares auf Basis des Art. 19 der Verordnung (EG) Nr. 1435/2003. Die SCE wird hier nicht weiter betrachtet. 3 Vgl. Schumacher in Lutter5, Einl. II Rz. 28. 4 Aber nur für die grenzüberschreitenden Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften i.S.v. §§ 122a UmwG und Art. 17 Abs. 2 SE-VO.
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
wandlungen i.e.S. im EU/EWR-Bereich erfassen1, derzeit aber aus den genannten (gesellschaftsrechtlichen) Gründen leerläufig.2 20.77
Grenzüberschreitende Umwandlungen im Wege der Einzelrechtsnachfolge (Einbringungen) durch Übertragung von betrieblichen Sachgesamtheiten3 in Kapitalund Personengesellschaften (§§ 20, 24 UmwStG) sowie im Wege des sog. Anteilstauschss (§ 21 UmwStG) fallen in den sachlichen Anwendungsbereich des UmwStG (§ 1 Abs. 3 Nr. 4, Nr. 5 UmwStG). Der persönliche Anwendungsbereich ist bei Einbringungen von Sachgesamtheiten in Personengesellschaften (§ 24 UmwStG) unbeschränkt (§ 1 Abs. 4 Satz 2 UmwStG). Bei grenzüberschreitenden Einbringungen von Sachgesamtheiten in Kapitalgesellschaften (§ 20 UmwStG) ist hingegen erforderlich, dass (i) die übernehmende Kapitalgesellschaft eine EU-/EWR-Gesellschaft i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG ist (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG) und zudem (ii) entweder der Einbringende den EU-/EWR-Bezug i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 2 UmwStG vorweisen kann (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a UmwStG) oder das Besteuerungsrecht Deutschlands an den Gewinnen aus der Veräußerung der im Zuge der Einbringung erhaltenen Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG). Beim Anteilstausch bedarf es nur bei der übernehmenden Gesellschaft des EU-/EWR-Bezugs, der Einbringende kann auch in einem Drittstaat ansässig sein.4
II. Verschmelzung 1. Verschmelzung unter Beteiligung von Personengesellschaften 20.78
Die grenzüberschreitende Hinausverschmelzung bzw. Hereinverschmelzung unter Beteiligung von Personengesellschaften5 wird rechtstechnisch bisher nicht von der Reichweite des UmwG erfasst (s. Rz. 20.2), da dieses grundsätzlich nur auf Rechtsträger mit statutarischem Sitz im Inland Anwendung findet (§ 1 Abs. 1 UmwG) und eine kodifizierte Ausnahme vom Erfordernis des inländischen Satzungssitzes lediglich in §§ 122a ff. UmwG für die grenzüberschreitende (Hereinund Hinaus-)Verschmelzung deutscher Kapitalgesellschaften mit bestimmten anderen EU-/EWR-Raum-Kapitalgesellschaften geregelt ist.6 Insoweit besteht
1 Insbesondere Umwandlungen von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwStG, Verschmelzungen von Personengesellschaften auf Kapital- oder Personengesellschaften i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 1 UmwStG, die Ausgliederung von Vermögensteilen i.S.v. § 1 Abs. 3 Nr. 2 UmwStG. 2 Schumacher in Lutter5, Einl. II Rz. 28. 3 Betrieb, Teilbetrieb, Mitunternehmeranteil. 4 § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwStG bezieht sich nicht auf § 1 Abs. 3 Nr. 5 UmwStG. Von der Anwendbarkeit des UmwStG zu trennen ist die Frage, ob der Anteilstausch bei einem in einem Drittstaat Ansässigen zu Buchwerten erfolgen kann, vgl. § 21 Abs. 2 Satz 2 ff. UmwStG. 5 Angesprochen sind grenzüberschreitende Verschmelzungen von Kapital- auf Personengesellschaften et vice versa sowie zwischen Personengesellschaften. 6 Hierzu ausf. M. Winter in R/H/vL2, Anhang 1 Rz. 278 ff.
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C. Grenzüberschreitende Umwandlungen
zwar im Hinblick auf die einschlägige EuGH-Rechtsprechung1 weitgehend Einigkeit darüber, dass die Niederlassungsfreiheit im Grundsatz gebietet, auch andere grenzüberschreitende Umwandlungen im EU-/EWR-Raum zuzulassen, bspw. die grenzüberschreitende Verschmelzung unter Beteiligung von Personengesellschaften.2 In der Rechtspraxis sind derartige Umwandlungen derzeit aber aufgrund der verbleibenden Unsicherheiten in rechtstechnischen Details3 (noch nicht) zu beobachten.4 Gegenüber dem UmwG ist das UmwStG insoweit schon einen Schritt weiter, als der Anwendungsbereich für entsprechende grenzüberschreitende Verschmelzungen im EU-/EWR-Raum grds. eröffnet wäre. Sobald die rechtspraktischen Hürden beseitigt sind, steht daher ein umwandlungssteuerrechtliches Regelungskonzept schon bereit.5 Für grenzüberschreitende Verschmelzungen von oder auf in Drittstaaten ansässige Personengesellschaften ist nicht abschließend geklärt, ob sich die beteiligten Rechtsträger insoweit auf die EU-Grundfreiheiten (Kapitalverkehrsfreiheit) berufen können.6 Die in der Rechtspraxis bisher einsetzbaren Ersatzkonstruktionen7 zur Erzielung wirtschaftlich vergleichbarer Ergebnisse lassen sich häufig nicht steuerneutral umsetzen.8 Im Hinblick auf einen nun rechtspraktisch durchführbaren grenzüberschreitenden Formwechsel (s. Rz. 20.02) kann heute im EU-/EWR-Raum aber das gleiche Ergebnis auch durch einen (i) grenzüberschreitenden Formwechsel der umzuwandelnden Kapital- bzw. Personengesellschaft in den Sitzstaat der aufnehmenden Personengesellschaft9 mit (ii) anschließender reiner Inlands- oder 1 Ausf. zur Entwicklung Limmer in Limmer, Handbuch der Unternehmensumwandlung5, Teil 6 Kap. 2 Rz. 4 ff.; Schön, ZGR 2013, 333. Die Entscheidungen Centros (EuGH v. 9.3. 1999 – Rs. C-212/97, Slg. 1999, I-1459), Überseering (EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00, Slg. 2002, I-9919) und Inspire Art (EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01, Slg. 2003, I-10155) betrafen die Anforderungen an die grenzüberschreitende Anerkennung von Gesellschaften. In Sevic Systems (EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-411/03, Slg. 2005, I-10805) wurde der grenzüberschreitenden Verschmelzung der Weg bereitet. Die Entscheidungen Daily Mail (EuGH v. 27.9.1988 – 81/87, Slg. 1988, 5483 ff.) und Cartesio (EuGH v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06, Slg. 2008, I-9641 ff.) sowie jüngst VALE (EuGH v. 12.7.2012 – Rs. C-378/10, ECLI:EU:C:2012:440 = EuZW 2012, 621) setzten sich mit der Behandlung zu- bzw. wegziehender Gesellschaften im Gründungsstaat auseinander. 2 Stv. Marsch-Barner in Kallmeyer5, § 122a UmwG Rz. 6; Gsell in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 2.64 ff. m.w.N. 3 Vgl. Bayer in Lutter5, § 122a UmwG Rz. 13. 4 Vgl. Schumacher in Lutter5, Einl. II Rz. 28, 81. 5 Aufgrund der derzeit (noch) nicht gegebenen Praxisrelevanz soll hier nicht weiter auf entsprechende grenzüberschreitende Verschmelzungen eingegangen werden. Vgl. hierzu ausf. Kredig, Das System der Besteuerung stiller Reserven bei Unternehmensumstrukturierungen, 2015; Kraft/Poley, FR 2014, 1 ff.; Kraft/Poley, FR 2013, 1113 ff. Zu Konstellationen mit doppelansässigen Kapitalgesellschaften s. Jäschke/Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 6.168 ff. und 6.193 ff. 6 Verneinend Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.144; Günes, IStR 2013, 213. 7 Vgl. Rödder in R/H/vL2, Einführung UmwStG Rz. 39; von Busekist, GmbHR 2004, 650 (653 ff.) sowie die Vorauflage Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 17.75 ff. und 17.131 ff. 8 Vgl. das Beispiel bei Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.145 ff. 9 Siehe zu den Voraussetzungen eines steuerneutralen grenzüberschreitenden Formwechsels Rz. 20.101 ff.
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
Auslandsverschmelzung herbeigeführt werden.1 Im Übrigen sind ggf. ähnliche Ergebnisse durch Einzelrechtsübertragungen erreichbar. So können bspw. sämtliche Mitunternehmeranteile an der Personengesellschaft nach §§ 20 ff. UmwStG grenzüberschreitend in die aufnehmende Kapitalgesellschaft mit anschließender Anwachsung des Personengesellschaftsvermögens eingebracht werden.2 Ensprechend kann – im Anwendungsbereich des § 24 UmwStG – bei Personengesellschaften als übernehmenden Rechtsträger verfahren werden.3 2. Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Kapitalgesellschaften a) Anwendungsbereich des UmwG und des UmwStG 20.80
Die grenzüberschreitende Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Kapitalgesellschaften ist umwandlungsrechtlich nur in den Fällen des §§ 122a ff. UmwG4 vorgesehen. Danach ist eine grenzüberschreitende Verschmelzung möglich5, wenn die beteiligten Kapitalgesellschaften (i) nach dem Recht eines EU-/ EWR-Staates gegründet worden sind, (ii) Satzungssitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung in einem EU-/EWR-Staat haben und (iii) mindestens eine der beteiligten Gesellschaften dem Recht eines anderen EU-/EWR-Staates unterliegen (§ 122a Abs. 1, § 122b Abs. 1 UmwG). Darüber hinaus sind zur Gründung einer SE6 grenzüberschreitende Verschmelzungen von Aktiengesellschaften auf Basis der SE-VO7 möglich (Art. 2 Abs. 1 SE-VO), indem – bei Verschmelzung zur Aufnahme – die aufnehmende Gesellschaft bei der Verschmelzung die Rechtsform der SE annimmt (Art. 17 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a, Satz 2 SE-VO, Art. 3 Abs. 1 VRL) bzw. – bei Verschmelzung zur Neugründung – die neue Gesellschaft eine SE ist (Art. 17 Abs. 2 Satz 1 Buchst. b, Satz 3 SE-VO, Art. 4 Abs. 1 VRL).8 So1 Vgl. zur Variante mit einer wegziehenden SE Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 45. 2 S. auch Sterner in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 7.143. 3 Hierzu Prinz in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 9.9 und Rz. 9.20 ff.; Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.163. 4 §§ 122a ff. UmwG wurden eingefügt durch das Zweite Gesetz zur Änderung des UmwG v. 19.4.2007 (BGBl. I 2007, 542) im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH in Sachen Sevic Systems (EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-411/03, Slg. 2005, I-10805) sowie die Richtlinie 2005/56/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 26.10.2005 über die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften aus verschiedenen Mitgliedstaaten, ABl. EU L 310 vom 2511.2005, 1 (Verschmelzungsrichtlinie). 5 Zum umwandlungsrechtlichen Verfahren ausf. M. Winter in R/H/vL2, Anhang 1 Rz. 278 ff.; Limmer in Limmer, Handbuch der Unternehmensumwandlung5, Teil 6 Kap. 3 Rz. 36 ff. 6 Für die SCE, die Europäische Genossenschaft (Societas Cooperativa Europaea), gilt Vergleichbares auf Basis des Art. 19 der Verordnung (EG) Nr. 1435/2003. Die SCE wird hier nicht weiter betrachtet. 7 Verordnung (EG) Nr. 2157/2001 v. 8.10.2001 über den Status der Europäischen Gesellschaft (SE), ABl. EG Nr. L 294 v. 10.11.2001. 8 Eine Besonderheit besteht u.a. darin, dass bei der Gründung durch Verschmelzung zur Aufnahme die Sitznahme der SE von der Verschmelzungsrichtung abgekoppelt werden kann, so dass bspw. die Verschmelzung einer deutschen AG auf eine liechtensteinische AG zu einer SE mit Sitz in Deutschland möglich ist. Bei der Verschmelzung zur Neugründung ist der Sitz der neuen SE frei wählbar, kann also auch in einem anderen EU-/EWR-
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C. Grenzüberschreitende Umwandlungen
weit eine Hinaus- oder Hereinverschmelzung nach Maßgabe der §§ 122a ff. UmwG oder Art. 17 SE-VO rechtstechnisch nicht zulässig ist, etwa bei der Hinaus- oder Hereinverschmelzung auf bzw. von in Drittstaaten ansässige Kapitalgesellschaften1, können vergleichbare Ergebnisse nur durch auf Einzelrechtsnachfolge beruhenden (mehraktigen) Ersatzkonstruktionen erreicht werden,2 die aber regelmäßig nicht steuerneutral durchführbar sind und denen daher in der Rechtspraxis eine eher untergeordnete Bedeutung zukommt.3 Soweit die Hinausverschmelzung4 oder Hereinverschmelzung5 vom Regelungsbereich der §§ 122a ff. UmwG oder Art. 17 SE-VO erfasst wird, ist der sachliche Anwendungsbereich des UmwStG (§§ 11 ff. UmwStG) eröffnet (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Da bei der Hinaus- und Hereinverschmelzung nach Maßgabe der §§ 122a ff. UmwG in aller Regel die in § 3 Abs. 1 Nr. 2 UmwG genannten Kapitalgesellschaften deutschen Rechts übertragende oder übernehmende Rechtsträger sind, finden die Vorschriften des Umwandlungsgesetzes, soweit sich aus den §§ 122a ff. UmwG nichts anderes ergibt, insgesamt Anwendung (§ 122a Abs. 2 UmwG). Einer Vergleichbarkeitsprüfung (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwStG) bedarf es daher insoweit nicht mehr.6 Gleiches gilt für die grenzüberschreitende Verschmelzung zur Gründung einer SE (Art. 17 SE-VO), bei der nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwStG eine Vergleichbarkeitsprüfung entbehrlich ist.7 Der persönliche Anwendungsbereich des Umwandlungssteuergesetzes ist nur eröffnet, wenn sowohl übertragender als auch übernehmender Rechtsträger nach dem Recht eines EU- oder EWR-Staates gegründete Gesellschaften i.S. des Art. 54 AEUV oder Art. 34 EWR-Abkommens sind8 und deren Sitz und Ort
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Staat jenseits der Sitzstaaten der Gründerinnen liegen. Zum Ganzen stv. M. Winter in R/H/vL2, Anh. 1 Rz. 315. Nicht abschließend geklärt ist, ob sich die beteiligten Rechtsträger insoweit auf die EUGrundfreiheiten (Kapitalverkehrsfreiheit) berufen können, verneinend Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.144; Günes, IStR 2013, 213. Hierzu auch Simon/Rubner in KK-UmwG, Vor §§ 122a ff. UmwG Rz. 101 ff. Zu derartigen Ersatzkonstruktionen die Vorauflage Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 17.99 ff. sowie Schaumburg in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Internationales Umwandlungssteuerrecht, 1 (7 f.); Herzig/Förster, DB 1994, 1 (3 f.); Schaumburg, GmbHR 1996, 501 (507), 585 ff. Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in Deutschland auf Kapitalgesellschaft mit Sitz in einem anderen EU-/EWR-Staat. Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft mit Sitz in einem anderen EU-/EWR-Staat auf Kapitalgesellschaft mit Sitz Deutschland. Ausf. Graw in R/H/vL2, § 1 UmwStG Rz. 46 f. m.w.N; Hörtnagl in S/H/S6, § 1 UmwStG Rz. 27; Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.288; Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451 (452); a.A. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.21.; Benecke, GmbHR 2012, 113 (114), wonach es sich nicht um eine Verschmelzung i.S.v. § 2 UmwG handeln soll, aber grundsätzlich ein „vergleichbarer ausländischer Vorgang“ anzunehmen sei. In der Beratungspraxis ist daher aus Vorsichtsgründen die Vergleichsprüfung vorzunehmen, stv. Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 56. Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.42. Für die SE und die SCE wird die Gründung in einem EU-Staat fingiert (§ 1 Abs. 2 Satz 2 UmwStG).
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
der Geschäftsleitung sich in einem EU-/EWR-Staat befinden (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Dies bedeutet im Vergleich zu § 122a Abs. 1 UmwG eine Einschränkung, weil das Umwandlungsgesetz insoweit nur auf den Satzungssitz und nicht auch auf den Ort der Geschäftsleitung abstellt.1 Kapitalgesellschaften mit Satzungssitz in einem EU-/EWR-Staat und Ort der Geschäftsleitung in einem Drittstaat werden somit zwar von den §§ 122a ff. UmwG, nicht aber von den §§ 11 ff. UmwStG erfasst.2 Für die an der grenzüberschreitenden Verschmelzung beteiligte ausländische Gesellschaft bedarf es schließlich noch eines Rechtstypenvergleichs zur Bestimmung, ob sie nach dem Gesamtbild mit einer deutschen Kapitalgesellschaft vergleichbar ist.3 Ist für die Hinaus- bzw. Hereinverschmelzung das UmwStG sachlich und persönlich anwendbar, so ergeben sich die Besteuerungsfolgen aus den §§ 11 ff. UmwStG: b) Hinausverschmelzung auf EU-/EWR-Kapitalgesellschaften aa) Ebene der übertragenden Kapitalgesellschaft 20.82
Die übertragende Kapitalgesellschaft hat die im Zuge der Verschmelzung übergehenden Wirtschaftsgüter in ihrer steuerlichen Schlussbilanz4 grds. mit dem gemeinen Wert anzusetzen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 UmwStG), wodurch die in den Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven aufzudecken wären und ein Übertragungsgewinn (zur Besteuerung des Übertragungsgewinns s. Rz. 20.85) entstünde. Abweichend hiervon kann die übertragende Kapitalgesellschaft gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 UmwStG die Buchwertfortführung wählen, soweit zum steuerlichen Übertragungsstichtag5 – sichergestellt ist, dass die übergehenden Wirtschaftsgüter später der Besteuerung mit in- oder ausländischer6 Körperschaftsteuer unterliegen (Nr. 1), und 1 Vgl. Bayer in Lutter5, § 122a UmwG Rz. 23; Marsch-Barner in Kallmeyer5, § 122a UmwG Rz. 2. 2 Hierzu Rödder in R/H/vL2, § 11 UmwStG Rz. 44. Zu berücksichtigen ist dabei, dass nach Ansicht der Finanzverwaltung jedenfalls bei einer Verschmelzung zur Aufnahme die persönlichen Voraussetzungen grds. spätestens zum steuerlichen Übertragungsstichtag vorliegen müssen (BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.52; a.A. hinsichtlich des doppelten Inlandsbezugs zutr. Rödder in R/H/vL2, § 11 UmwStG Rz. 47; Sieker/Schänzle/Kaeser in FGS/BDI (Hrsg.), Der Umwandlungssteuer-Erlass 2011, 79). 3 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.27; Zum Rechtstypenvergleich BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263; BMF v. 19.3.2004 – IV B 4 - S 1301 USA - 22/04, BStBl. I 2004, 411. 4 Zum Erfordernis, auch (sämtliche) ausländischen Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schussbilanz zu erfassen krit. Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.91 ff. 5 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 11.05. 6 Die Besteuerung mit einer der deutschen Steuer vergleichbaren ausländischen Körperschaftsteuer ist ausreichend, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 11.07, 03.17. Dies kann bspw. relevant werden, wenn es sich um übergehendes ausländisches Betriebsvermögen handelt und an der übertragenden Kapitalgesellschaft ausländische Anteilseigner beteiligt sind (vgl. Henkel in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 10.63).
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C. Grenzüberschreitende Umwandlungen
– ein bisher bestehendes1 deutsches Besteuerungsrecht2 hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft nicht beschränkt oder ausgeschlossen wird (Nr. 2) und – eine Gegenleistung nicht gewährt wird oder nur in Gesellschaftsrechten besteht (Nr. 3).3 Hinsichtlich der bei der Hinausverschmelzung im Vordergrund stehenden Frage der Beschränkung bzw. des Ausschlusses des deutschen Besteuerungsrechts an den Veräußerungsgewinnen sind die folgenden Fallgruppen zu unterscheiden: Geht verschmelzungsbedingt inländisches Betriebsstättenvermögen über, bleibt die Besteuerung der stillen Reserven im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht der übernehmenden ausländischen Kapitalgesellschaft grds. gewährleistet (§ 8 Abs. 1 KStG i.V. mit § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Dies gilt unabhängig davon, ob mit dem Ansässigkeitsstaat der aufnehmenden Kapitalgesellschaft ein DBA besteht.4 Gleiches gilt grds. auch für inländisches Grundvermögen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG, Art. 13 Abs. 1 OECD-MA).5 Kommt es abkommensrechtlich im Zusammenhang mit der Umwandlung zu einer das deutsche Besteuerungsrecht beschränkenden oder ausschließenden (tatsächlich) veränderten Betriebsstättenzuordnung einzelner Wirtschaftsgüter der inländischen Betriebsstätte zur ausländischen (Geschäftsleitungs)Betriebsstätte der übernehmenden Kapitalgesellschaft (Zuordnungswechsel)6, ist zu beachten, dass es für Zwecke 1 Soweit ein entsprechendes deutsches Besteuerungsrecht bereits vor der Verschmelzung nicht bestand, kann es auch nicht „schädlich“ durch die Verschmelzung ausgeschlossen werden, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 11.09, 03.19; Rödder in R/H/vL2, § 11 UmwStG Rz. 116a. 2 Das deutsche Besteuerungsrecht bezieht sich nur auf die Körperschaftsteuer, hingegen nicht auf die Gewerbesteuer (vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 11.09, 03.18). 3 Dieses Erfordernis wird hier mangels spezifischen Auslandsbezugs nicht weiter betrachtet. 4 Im DBA-Fall gilt grds. das Betriebsstättenprinzip, Art. 7, Art. 13 Abs. 2 OECD-MA. 5 Vgl. Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 59. 6 Die Zuordnung von Wirtschaftsgütern erfolgt nach herkömmlichem Verständnis der Finanzverwaltung zwischen „Stammhaus“ und „Betriebsstätte“, wobei die „Zentralfunktion des Stammhauses“ zu beachten ist (vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 03.20 unter Verweis auf BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.4, zuletzt geändert durch BMF v. 25.8.2009 – IV B 5 - S 1341/07/10004 – DOK 2009/0421117, BStBl. I 2009, 888 unter 2.4.). Zur Zentralfunktion des Stammhauses auch BFH v. 30.8.1995 – I R 112/94, BStBl. II 1996, 563; v. 7.8.2002 – I R 10/01, BStBl. II 2002, 848; v. 17.12.2003 – I R 47/02, BFH/NV 2004, 771. Kritisch bzw. ablehnend hierzu Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.254 ff. m.w.N.; Breuninger in FS Schaumburg, 587 ff.; Frotscher in GS Krüger, 95 ff.; Kumpf/Roth, DB 2000, 741 (746). Im Hinblick auf die Umsetzung des AOA in § 1 Abs. 5 AStG, der eine Zuordnung von Wirtschaftsgütern anhand der „(Personal-)Funktionen“ vorsieht, dürfte der These von der „Zentralfunktion des Stammhauses“ die Grundlage entzogen sein (vgl. Kraft/Dombrowski, FR 2014, 1105 (1109); Ditz, ISR 2012, 48 (53); Kraft/Poley, FR 2014, 1 (5); Kraft/ Poley, FR 2013, 1113 (1119 f.); Wassermeyer, IStR 2012, 277; a.A. mglw. Stadler/Bindl/ Korff in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 13.39). Die Zuordnungsentscheidung wird künftig daher verstärkt anhand der Regelungen der BsGaV v.
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
der umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsklauseln (hier: § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG) insoweit allein auf die tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt des (ggf. rückbezogenen1) steuerlichen Übertragungsstichtag ankommt,2 da bereits ab diesem Zeitpunkt Veräußerungsgewinne beim übernehmenden Rechtsträger ermittelt werden.3 Besteht aus tatsächlichen Gründen zum steuerlichen Übertragungsstichtag noch ein deutsches Besteuerungsrecht und wird dieses erst später beschränkt oder ausgeschlossen4, steht § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG einer Buchwertfortführung in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Kapitalgesellschaft nicht entgegen.5 Vielmehr finden dann im Zeitpunkt der dem steuerlichen Übertragungsstichtag nachfolgenden Beschränkung bzw. dem nachfolgenden Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts die allgemeinen Entstrickungsvorschriften (§ 12 Abs. 1 KStG) auf Ebene des übernehmenden Rechtsträgers Anwendung.6 Angesprochen sind hiervon v.a. Fälle mit steuerlicher Rückbeziehung der Umwandlung, in denen die tatsächliche Zuordnung von Wirtschaftsgütern ggf. bis zum zivilrechtlich wirksamen Vollzug der Umwandlung häufig unverändert bleibt, mithin der „schädliche“ tatsächliche Zuordnungswechsel erst nach dem steuerlichen Übertragungs-
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13.10.2014 (BGBl. I 2014, 1603) und einem erläuternden BMF-Schreiben vorgenommen werden. Die steuerliche Rückwirkung i.S.v. § 2 Abs. 1 und 2 UmwStG gilt nicht, soweit dadurch Einkünfte aufgrund abweichender Regelungen zur Rückbeziehung in einem ausländischen Staat der Besteuerung entzogen werden (§ 2 Abs. 3 UmwStG), bspw. wenn der ausländische Staat die im Inland zum steuerlichen Übertragungsstichtag entstrickten Einkünfte erst ab einem späteren Zeitpunkt besteuert, vgl. Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 13. Zu Einzelheiten des § 2 Abs. 3 UmwStG s. Ettinger/ Königer, GmbHR 2009, 590 ff.; von Brocke/Goebel/Ungemach/von Cossel, DStZ 2011, 684 ff. Stv. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 03.18; Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 13; Jäschke/ Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 6.179; Beinert/ Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.105 u. 8.254 ff.; Hruschka, DStR-Beihefter 2/2012, 4 (6); Hruschka, StuB 2011, 540 (542 f.); Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1014); Hruschka/Hellmann, DStR 2010, 1961 (1963); Pohl, IWB 2012, 177 (180); Schaumburg, GmbHR 2010, 1341 (1343 f.) m.w.N.; a.A. Schießl in W/M, § 11 UmwstG Rz. 50.3. Vgl. Schmitt in S/H/S7, § 3 UmwStG Rz. 88. Bspw., weil ein übergehendes Wirtschaftsgut zum steuerlichen Übertragungsstichtag noch einer deutschen Betriebsstätte zuzurechnen war, die erst später (bspw. bei zivilrechtlichem Vollzug der Verschmelzung) aufgelöst wird. S. insoweit zur Unterscheidung zwischen (umwandlungsbedingter) „rechtlicher“ und (umwandlungsnachfolgender) „tatsächlicher“ (passiver) Entstrickung Rödder in R/H/vL2, § 11 UmwStG Rz. 126; Schmitt in S/H/S7, § 11 UmwStG Rz. 116; Jäschke/ Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 6.179; Beinert/ Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.105 u. 8.254 ff.; Hruschka, DStR-Beihefter 2/2012, 4 (6); Hruschka, StuB 2011, 540 (542 f.); Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1014); Hruschka/Hellmann, DStR 2010, 1961 (1963); Pohl, IWB 2012, 177 (180); a.A. Schießl in W/M, § 11 UmwstG Rz. 50.3, wonach ein „unmittelbarer Zusammenhang“ mit der Umwandlung genüge, bspw. sich im Rückwirkungszeitraum die Zuordnung von Wirtschaftsgütern verändere. Stv. Schmitt in S/H/S7, § 11 UmwStG Rz. 116; Rödder in R/H/vL2, § 11 UmwStG Rz. 126; Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.105 u. 8.254 ff.; Brähler/Blankemeyer, RIW 2012, 288 (293).
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C. Grenzüberschreitende Umwandlungen
stichtag erfolgt.1 Sollte (ausnahmsweise) im konkreten Fall bereits zum steuerlichen Übertragungsstichtag ein (tatsächlicher) Zuordnungswechsel in Betracht kommen, kann im Rahmen der umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsklauseln die Beschränkung oder der Verlust des deutschen Besteuerungsrechts mangels Rechtsträgeridentität nicht auf das durch das JStG 2010 eingefügte2 Regelbeispiel in § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG bzw. § 12 Abs. 1 Satz 2 KStG gestützt werden.3 Insoweit bestehen die Zweifel an der Wirkkraft der umwandlungssteuerrechtlichen Entstrickungsklauseln4 angesichts der Aufgabe der Theorie der finalen Entnahme durch den BFH5 fort.6 Geht im Zuge der Verschmelzung ausländisches Betriebsstättenvermögen über, das in Ländern belegen ist, mit denen keine DBA bestehen, werden die in den übergehenden Vermögen ruhenden stillen Reserven der deutschen Besteuerung entzogen, so dass insoweit die übergehenden Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert anzusetzen sind und demzufolge ein Übertragungsgewinn ausgelöst wird.7 Handelt es sich um ausländisches Betriebsstättenvermögen, dessen Gewinne der Besteuerung nach Maßgabe des in Betracht kommenden DBA ausschließlich dem Betriebsstättenstaat zustehen (Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECDMA), greift die Entstrickungsklausel grundsätzlich nicht ein, so dass insoweit Steuerneutralität gewährleistet werden kann, da in diesem Fall das übergehende Vermögen bereits bei der übertragenden Kapitalgesellschaft nicht der deutschen Besteuerung unterlag. Das gilt allerdings dann nicht, wenn die abkommensrechtliche Freistellung durch die treaty-overriding-Klauseln des § 20 Abs. 2 AStG bzw. des § 50d Abs. 9 EStG bislang verdrängt wurde.8 Durch die Verschmelzung geht in diesem Fall das deutsche Besteuerungsrecht verloren. Soweit abkommensrechtlich vor der Hinausverschmelzung für die ausländischen Betriebsstättengewinne auf Abkommensebene die Doppelbesteuerung durch Steueranrechnung vermieden wurde, entfällt verschmelzungsbedingt ebenfalls das deutsche Besteuerungsrecht, so dass die übergehenden Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert anzusetzen sind.9 Für die Beurteilung des deutschen Besteuerungsrechts 1 Vgl. die Beispiele bei Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.283 ff.; Schell, FR 2012, 101 (106). 2 Jahressteuergesetz vom 8.12.2010, BGBl. I 2010, 1768. 3 Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.249; Kutt/Carstens in FGS/BDI, UmwSt-Erlass 2011, 2012, 145; Girlich/Philipp, Ubg 2012, 150 (157, dort in Fn. 101); Klingberg/Nietschke, Ubg 2011, 451 (453); Köhler, IStR 2010, 337 (343); Beinert in Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1012); a.A. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Rz. 03.18; Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 50.53; Pohl, IWB 2012, 177 (181); Benecke in Beinert/Benecke, FR 2010, 1009 (1012). 4 Stv. Köhler, IStR 2010, 337 (343). 5 BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; v. 28.10.2009 – I R 99/08, BFH/NV 2010, 346; v. 28.10.2009 – I R 28/08, BFH/NV 2010, 432. 6 Vgl. Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.249 ff. m.w.N. 7 Beispiele bei Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.277; Kraft/Poley, SteuerStud 2012, 542 ff. 8 Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 60. 9 Hierzu Rödder in R/H/vL2, § 11 UmwStG Rz. 127; Beispiele bei Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.277, 8.279; Schell, FR 2012, 101 (107).
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
kommt es insoweit ebenfalls allein auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt des (rückbezogenen) steuerlichen Übertragungsstichtag an, da bereits ab diesem Zeitpunkt Veräußerungsgewinne beim übernehmenden Rechtsträger ermittelt werden (s. Rz. 20.83). Der die Entstrickung von ausländischem Betriebsstättenvermögen auslösende Wechsel von unbeschränkter zur beschränkter Steuerpflicht im Zusammenhang mit einer sog. Anrechnungsbetriebsstätte wirkt insoweit auf den steuerlichen Übertragungsstichtag als Anwendungsfall der sog. rechtlichen (passiven) Entstrickung zurück.1 20.85
Soweit bei der übertragenden Kapitalgesellschaft durch den Ansatz von Wirtschaftsgütern zum gemeinen Wert ein Übertragungsgewinn entsteht, ist dieser grds. im Inland körperschaftsteuer- und gewerbesteuerpflichtig.2 Besteuerungsfolgen hinsichtlich des im Ausland belegenen übergehenden Vermögens ergeben sich unter den folgenden Gesichtspunkten: Greift kein DBA, kann die ausländische Steuer grds. auf eine auf den Einbringungsgewinn anfallende deutsche Einkommen- oder Körperschaftsteuer3 angerechnet werden (§ 34c EStG, § 26 KStG). In Abkommensfällen stellt sich ggf. zunächst die Frage, ob der Einbringungsgewinn abkommensrechtlich den Unternehmensgewinnen (Art. 7 OECD-MA)4, den Veräußerungsgewinnen (Art. 13 Abs. 2 oder Abs. 5 OECD-MA)5 oder den sonstigen Einkünften (Art. 21 OECD-MA) unterfällt, da hiervon abhängen kann, ob nach dem DBA die Anrechnungs- oder die Freistellungsmethode anzuwenden ist.6 Sieht das DBA zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen (ausnahmsweise) generell7 oder speziell8 die Anrechnungsmethode vor, kommt eine Besteuerung in Deutschland zum Tragen, jedoch unter Anrechnung etwaiger ausländischer Steuern (§ 34c Abs. 1 EStG, § 26 KStG). Schließt das DBA eine Anrechnung auf die Gewerbesteuer nicht ausdrücklich aus, muss Deutschland auch eine Anrechnung der ausländischen Steuern auf die Gewerbesteuer zulassen (s. Rz. 19.554). Regelmäßig gehen zwar die deutschen DBA nicht nur für unbewegliches Aus-
1 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 03.20 i.V.m. Beispiel in Tz. 03.19; van Lishaut in R/H/vL2, § 2 UmwStG Rz. 109, 110. 2 Gewerbesteuerrechtlich ist jedoch eine Kürzung um den nicht auf eine inländische Betriebsstätte entfallenden Gewerbeertrag vorzunehmen (§ 9 Nr. 3 GewStG). 3 Mangels Anrechnungsvorschriften aber nicht auf die Gewerbesteuer. 4 Wassermeyer in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (122); Viebrock/Hagemann, FR 2009, 737 (738); Klingberg/van Lishaut, FR 1999, 1222. 5 Vgl. Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 17; Gradel/Kleinhans in S/K/K, Art. 13 OECD-MA Rz. 7; Lieber in S/D, Art. 13 OECD-MA Rz. 36; Meretzki in F/W/K, Art. 13 DBA-Schweiz Rz. 76; Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.27; Jäschke/Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerecht, Rz. 6.20. 6 Die Beurteilung kann im Einzelfall für die Anwendbarkeit einer sog. Aktivitätsklausel oder einer Anrechnung etwaiger ausländischer Steuern von Bedeutung sein, vgl. Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.27; Jäschke/ Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerecht, Rz. 6.20 mit Fn. 1. 7 Bspw. Art. 22 Abs. 1 DBA-VAE. 8 Im Regelfall wird die Anrechnungsmethode nur für bestimmte Einkünfte vereinbart, vgl. Rz. 19.552.
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landsvermögen1, sondern auch für ausländische Betriebsstättengewinne von der Freistellungsmethode aus (s. Rz. 19.521 ff.). Insbesondere die jüngere deutsche Abkommenspolitik schränkt jedoch die grundsätzliche Steuerfreistellung ausländischer Betriebsstättengewinne (hier: Einbringungsgewinn) im Wege abkommensrechtlicher Aktivitätsvorbehalte (s. Rz. 19.515)2 oder Subject-to-Tax-Klauseln (s. Rz. 19.522)3 ein.4 Enthält das einschlägige DBA eine Aktivitätsklausel, so ist Deutschland berechtigt, auf den Einbringungsgewinn anstatt der Freistellungsmethode die Anrechnungsmethode anzuwenden,5 wenn in der ausländischen Betriebsstätte vor der Einbringung keine „aktive“ Tätigkeit i.S. der Aktivitätsklausel ausgeübt wurde.6 Jenseits dessen stellt sich die Frage, ob bei Steuerfreiheit der Umwandlung im ausländischen Staat die abkommensrechtliche Freistellung des Übertragungsgewinns mangels „tatsächlicher Besteuerung“ im anderen Vertragsstaat durch eine Subject-to-Tax-Klausel suspendiert werden kann.7 Bezieht man zutreffend die (voraussichtliche) spätere Besteuerung der stillen Reserven im ausländischen Staat im Fall der tatsächlichen Veräußerung in die Betrachtung mit ein,8 finden die abkommensrechtlichen Subject-to-TaxKlauseln auch bei Umwandlungen zu Buchwerten keine Anwendung.9 Dies dürfte auch den Erwägungen in dem zur Anwendung von Subject-to-Tax-Klauseln veröffentlichten BMF-Schreiben v. 20.6.201310 entsprechen.11 Hingegen hat der BFH zu den (wenigen) sog. Quellenregeln12 im Zusammenhang mit einem Formwechsel unter Buchwertfortführung den Rückfall des Besteuerungsrechts
1 Insoweit kann regelmäßig offenbleiben, ob die Umwandlung abkommensrechtlich eine Veräußerung darstellt, da die Rechtsfolgen von Art. 6 Abs. 1 bzw. Art. 13 Abs. 1 OECD-MA i.V. mit Art. 23 Abs. 1 OECD-MA aus Sicht des Ansässigkeitsstaat grds. übereinstimmen. 2 Ausf. allg. Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 84 ff. 3 Ausf. allg. Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 73 ff. 4 Zu deren Anwendung im Bereich von Umwandlungen ausf. Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.59 ff. 5 Mit der Folge der uneingeschränkten Besteuerung, da der ausländische Staat die Umwandlung zum Buchwert zulässt. 6 Vgl. Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.59; Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.126. 7 Hierzu Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.59; Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.132 ff.; Hruschka/Schicketanz, ISR 2015, 164 ff. 8 Vgl. Schönfeld, IStR 2013, 757 (759); Gebhardt/Reppel, IStR 2013, 760 (763 f.); Schönfeld/Häck, ISR 2013, 168 (174); Mouldi/Loose, IStR 2012, 829 (833 f.). 9 A.A. Hruschka/Schicketanz, ISR 2015, 164 (166 ff.) unter Hinweis auf die unterschiedlichen Steuerpflichtigen und eine fehlende Doppelbesteuerung im abkommensrechtlichen Sinne. 10 BMF v. 20.6.2013 – IV B 2 - S 1300/09/10006 – DOK 2013/0539717, BStBl. I 2013, 980. 11 Insoweit lassen sich Buchwerteinbringungen als (unschädliche) „temporäre“ oder „permanente Differenz“ einstufen, vgl. BMF v. 20.6.2013 – IV B 2 - S 1300/09/10006 – DOK 2013/0539717, BStBl. I 2013, 980, Tz. 2.3; Gebhardt/Reppel, IStR 2013, 760 (763 f.); Lüdicke, IStR 2013, 721 (728). 12 Diese sehen vor, dass Einkünfte (nur dann) aus dem anderen Vertragsstaat „stammen“, wenn sie dort (effektiv) besteuert wurden, hierzu ausf. Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B Rz. 75.
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an Deutschland bejaht.1 Ungeachtet der abkommensrechtlichen Regelungen können im Einzelfall auch die innerstaatlichen Vorbehaltsklauseln (§ 50d Abs. 9 Nr. 1 bzw. Nr. 2 EStG, § 20 Abs. 2 AStG) zum Tragen kommen. 20.86
Die Sofortbesteuerung des Übertragungsgewinns aus Gründen der Entstrickung ist europarechtlich unzulässig, sondern muss zumindest über fünf Jahre gestreckt werden können (s. Rz. 20.24). Geht die Hinausverschmelzung mit einer Besteuerung von stillen Reserven einher, die auf eine in einem anderen EU-Mitgliedstaat belegene Anrechnungsbetriebsstätte entfällt, ist die (fiktive) ausländische Steuer in Übereinstimmung mit Art. 10 FRL anzurechnen, die bei einer Veräußerung zum gemeinen Wert erhoben worden wäre (§ 11 Abs. 3 i.V.m. § 3 Abs. 3 UmwStG).2 bb) Ebene der übernehmenden EU-EWR-Kapitalgesellschaft
20.87
Im Zuge der Hinausverschmelzung hat die übernehmende Kapitalgesellschaft die auf sie übergegangenen Wirtschaftsgüter mit den in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Kapitalgesellschaft enthaltenen Werten zu übernehmen (§ 12 Abs. 1 Satz 1 UmwStG). Durch diese steuerliche Wertverknüpfung wird die spätere Besteuerung der in den übergegangenen Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven bei der übernehmenden ausländischen Kapitalgesellschaft sichergestellt. Diese Wertverknüpfung hat allerdings nur innerhalb der Reichweite der steuerlichen Bilanzierungsvorschriften Bedeutung, so dass hierdurch lediglich die Bilanzansätze des inländischen Betriebsstättenvermögens der übernehmenden ausländischen Kapitalgesellschaft betroffen sind.
20.88
Bei einer Aufwärts(hinaus)verschmelzung ergibt sich ein in Deutschland beschränkt steuerpflichtiger Übernahmegewinn (§ 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG) auf Ebene der übernehmenden EU-/EWR-Kapitalgesellschaft nur, wenn kein DBA besteht oder abkommensrechtlich Deutschland ein Besteuerungsrecht an den Gewinnen aus der Veräußerung der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft vorbehalten war.3 Dieser Übernahmegewinn ist bei Anwendung des § 8b KStG im Ergebnis i.H. von 95 % steuerfrei (§ 12 Abs. 2 Satz 1 und 2 UmwStG). Hingegen findet die für andere Fälle konzipierte Ausschüttungsfiktion des § 12 Abs. 5 UmwStG bei der grenzüberschreitenden Aufwärtsverschmelzung auf eine im Ausland steuerpflichtige EU-/EWR-Kapitalgesellschaft keine Anwendung.4 1 BFH v. 17.10.2007 – I R 96/06, BStBl. II 2008, 953 zu Prot. Nr. 16 Buchst. d zum DBA-Italien. 2 Bspw. im Verhältnis zu Zypern, Art. 22 Abs. 1 i.V.m. Art. 13 Abs. 3 DBA-Zypern, (Bsp. bei Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.279) oder – bei fehlenden aktiven Tätigkeiten – bspw. Portugal, Prot. Nr. 8 zu Art. 24 DBA-Portugal, (Bsp. bei Schell, FR 2012, 101 (104)). Einzelheiten zur fiktiven Steueranrechnung Kahle/Vogel, ISR 2013, 234 ff.; Mutscher, IStR 2010, 820 ff. 3 Bspw. bei funktionaler Zurechnung der Anteile zu einer inländischen Betriebsstätte (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA) oder in Anwendung einer Immobiliengesellschaftsklausel (Art. 13 Abs. 4 OECD-MA) bzw. Sitzstaatsklausel (bspw. Art. 13 Abs. 3 DBA-Tschechien). 4 Dötsch in D/P/M, § 12 UmwStG Rz. 86; Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 50.62.2; Schmitt in S/H/S7, § 12 UmwStG Rz. 102; Wisniewski in H/M4, § 12 UmwStG Rz. 113; Herfort/Viebrock in H/H, § 12 UmwStG Rz. 280; Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 63; Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen
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C. Grenzüberschreitende Umwandlungen
cc) Ebene der Gesellschafter Die steuerlichen Rechtsfolgen der Hinausverschmelzung auf Gesellschafterebene werden (mit Ausnahme von Kleingesellschaftern1 und den Fällen der Aufwärtsverschmelzung, s. Rz. 20.88) durch § 13 UmwStG geregelt, wonach grds. die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft als zum gemeinen Wert veräußert und die an ihre Stelle tretenden Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft als mit diesem Wert angeschafft gelten (§ 13 Abs. 1 UmwStG). Ein hieraus resultierender Gewinn des Anteilseigners unterliegt in Deutschland grds. einer Besteuerung wie bei einer tatsächlichen Veräußerung der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft.2 Kann Deutschland den Gewinn nicht besteuern, weil ein einschlägiges DBA für die hier relevanten Veräußerungsgewinne den deutschen Besteuerungsanspruch bzgl. der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft ausschließt (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA)3, bleibt die Verschmelzung insoweit für den Anteilseigner in Deutschland grds. ohne Auswirkungen, eines Antrags auf Fortführung der Anschaffungskosten bzw. Buchwerte bedarf es nicht.4
20.89
Waren hingegen die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft in Deutschland steuerverhaftet, kann eine Besteuerung in Deutschland auf Antrag durch Fortführung der Anschaffungskosten bzw. Buchwerte an den untergehenden Anteile vermieden werden, wenn das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft verschmelzungsbedingt nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG, dazu Rz. 20.91 f.) oder auf die Verschmelzung Art. 8 FRL anzuwenden ist (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG, dazu Rz. 20.93). Das Wahlrecht kann von jedem Anteilseigner individuell ausgeübt werden und besteht unabhängig von den Wertansätzen für die übergehenden Wirtschaftsgüter in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Kapitalgesellschaft, mithin selbst dann, wenn dort Wirtschaftsgüter aufgrund der Entstrickungsklausel i.S.v. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG mit dem gemeinen Wert anzusetzen sind bzw.
20.90
1
2 3 4
Steuerrecht, Rz. 8.293; Herbort/Schwenke, IStR 2016, 567 ff.; Schell, IStR 2008, 397; a.A. Hruschka, Aktuelle Praxisfälle im internationalen Unternehmenssteuerrecht, IStR-Tagung 2015, Tagungsunterlage, 15. Siehe insoweit aber den Vorschlag des Bundesrates v. 23.9.2016 zu einer entsprechenden Ausweitung des § 12 Abs. 5 UmwStG, BR-Drucks. 406/16, 43. § 13 UmwStG findet nach Verwaltungsauffassung nur Anwendung auf Anteile im Betriebsvermögen, Anteile i.S.v. § 17 EStG und alt-einbringungsgeborene Anteile i.S.v. § 21 Abs. 1 UmwStG a.F., vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 13.011; weitergehend Rödder/Schmidt-Fehrenbacher, FGS/BDI (Hrsg.), Der Umwandlungssteuererlass 2011, 262. Auf Anteilseigner, deren Anteile unter § 20 Abs. 2 EStG fallen (zur Subsidiarität vgl. § 20 Abs. 8 EStG), richten sich die steuerlichen Folgen der Verschmelzung nicht nach § 13 UmwStG, sondern nach § 20 Abs. 4a Satz 1 ff. EStG. Dort wird unter ähnlichen Voraussetzungen eine (zwingende, nicht antragsgebundene) Buchwertfortführung angeordnet (zu Einzelheiten s. stv. Trossen in R/H/vL2, Anh. 11 Rz. 76 ff.). Im Einzelnen hierzu stv. Neumann in R/H/vL2, § 13 UmwStG Rz. 21. Abkommensrechtlich unterfällt eine aus § 13 Abs. 1 UmwStG resultierende Gewinnbesteuerung den Veräußerungsgewinnen i.S.v. Art. 13 OECD-MA, vgl. Rz. 19.387. Neumann in R/H/vL2, § 13 UmwStG Rz. 32; Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 25.
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angesetzt werden.1 Das gilt für Anteile im in- und ausländischen Betriebsvermögen2 und für beschränkt und unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter gleichermaßen. Bei der Beurteilung des deutschen Besteuerungsrechts gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 UmwStG ist maßgeblicher Zeitpunkt – anders als bei § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG (s. Rz. 20.82) – i.d.R. der Zeitpunkt der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister.3 Folgende Konstellationen sind zu unterscheiden: 20.91
Gehören die Anteile zu einem inländischen Betriebsstättenvermögen, ist die Besteuerung der entsprechenden Veräußerungsgewinne grds. sowohl bei unbeschränkter Steuerpflicht im Rahmen der Besteuerung des Welteinkommens (§ 2 Abs. 1 EStG) als auch bei beschränkter Steuerpflicht gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG gewährleistet, ohne dass abkommensrechtlich das deutsche Besteuerungsrecht entfiele oder eingeschränkt würde.4 Voraussetzung ist indessen, dass die Anteile dem inländischen Betriebsstättenvermögen zuzuordnen sind und im Falle der Anwendung von DBA diese in einem funktionalen Zusammenhang mit der in der inländischen Betriebsstätte ausgeübten Tätigkeit stehen.5 Wird verschmelzungsbedingt dieser Funktionszusammenhang aufgelöst, entfällt das Wertansatzwahlrecht, es sei denn, Art. 8 FRL wäre anzuwenden.6 Gehören die Anteile zu einem ausländischen Betriebsstättenvermögen, bleibt ein deutsches Besteuerungsrecht erhalten, wenn die Gesellschafter unbeschränkt steuerpflichtig sind und ein DBA nicht eingreift. Ist das Betriebsstättenvermögen dagegen in einem Staat belegen, mit dem Deutschland ein DBA abgeschlossen hat, dürfen die Gewinne aus der Veräußerung von Betriebsstättenvermögen im Falle der Anwendung der Freistellungsmethode7 nur vom Betriebsstättenstaat besteuert werden. Durch den Vermögensübergang ergibt sich insoweit keine Änderung. Hieraus eröffnet sich zwar das Wertansatzwahlrecht gem. § 13 Abs. 2 Satz 1 UmwStG, es wird aber in aller Regel der Ansatz mit dem gemeinen Wert geboten sein, da in Deutschland insoweit die steuerliche Relevanz fehlt. Im Zuge der Verschmelzung ergibt sich auch keine Änderung für den Fall, dass abkommensrechtlich die Anrechnungsmethode eingreift; denn auch hier ist die Rechtslage vor und nach der Verschmelzung unverändert. Soweit beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind, unterliegen etwaige Gewinne aus der Veräußerung der zum ausländischen Betriebsstättenvermögen gehörenden Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft nicht der beschränkten Steuerpflicht.8 In Abkommensfällen geht insoweit durch die Verschmelzung der deutschen Besteuerung kein Steuergut verloren.9
1 2 3 4 5 6 7 8 9
Schmitt in S/H/S7, § 13 UmwStG Rz. 32. I.S. von Betriebsstättenvermögen. Vgl. Schmitt in S/H/S7, § 13 UmwStG Rz. 36. Betriebsstättenprinzip: Art. 7 Abs. 1, 13 Abs. 2 OECD-MA; Rz. 19.230, 19.385 ff. Vgl. ausf. Häck, ISR 2015, 113 ff. und Rz. 19.390 ff. Hierzu Schießl in W/M, § 13 UmwStG Rz. 15.64 ff. Vgl. hierzu die Abkommensübersicht bei Ismer in V/L6, Art. 23 OECD-MA Rz. 16. Vgl. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG; BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663. Wegen der fehlenden steuerlichen Bedeutung in Deutschland ist trotz Wertansatzwahlrechts der Ansatz mit dem gemeinen Wert geboten.
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C. Grenzüberschreitende Umwandlungen
Gehören die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft zum Privatvermögen eines unbeschränkt Steuerpflichtigen und sind hierfür die Voraussetzungen i.S. von § 17 EStG erfüllt, oder handelt es sich um einbringungsgeborene Anteile i.S. von 21 UmwStG a.F., kann von dem Wertansatzwahlrecht regelmäßig Gebrauch gemacht werden (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Das gilt im Grundsatz unabhängig davon, ob ein DBA eingreift oder nicht, da abkommensrechtlich in aller Regel das alleinige Besteuerungsrecht bei Deutschland als Wohnsitzstaat liegt.1 Ausnahmsweise kommt aber auch ein Verlust des deutschen Besteuerungsrechts in Betracht, wenn bspw. nach der Verschmelzung das DBA im Veräußerungsfall eine Anrechnungsverpflichtung Deutschlands vorsieht.2 Sind dagegen beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt, gilt Folgendes: Greift kein DBA ein, geht das bisher bestehende deutsche Besteuerungsrecht i.S.v. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG verloren.3 Greift ein DBA ein, wird verschmelzungsbedingt das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Gewinne aus der Veräußerung der Anteile regelmäßig weder entzogen noch beschränkt, weil abkommensrechtlich bereits vor der Hinausverschmelzung nicht Deutschland, sondern allein der ausländische Wohnsitzstaat das Besteuerungsrecht innehatte (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA).4 Etwas anderes gilt aber auch hier, wenn bspw. vor der Verschmelzung im Veräußerungsfall Deutschland abkommensrechtlich die Besteuerung zugestanden hätte.5
20.92
Findet § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG keine Anwendung, da verschmelzungsbedingt das (alleinige) Besteuerungsrecht Deutschlands entfällt, bleibt das Wertansatzwahlrecht gleichwohl erhalten, wenn Deutschland auf die Verschmelzung Art. 8 FRL6 anzuwenden und den dort vorgesehenen Besteuerungsaufschub zu gewähren hat (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 1UmwStG). Der Anwendungsbereich von Art. 8 FRL erstreckt sich aber nur auf Verschmelzungen auf in einem anderen EU-Staat (nicht: EWR-Staat7) ansässige Gesellschaften. Als Ausgleich für diesen Besteuerungsaufschub sieht Art. 8 Abs. 6 FRL (dem § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 UmwStG entspricht) vor, dass Deutschland nicht daran gehindert ist, den Gewinn aus einer späteren (tatsächlichen) Veräußerung der erworbenen Anteile in gleicher Weise zu besteuern wie den Gewinn aus einer Veräußerung der vor dem Erwerb vorhandenen Anteile. Der Wortlaut von Art. 8 Abs. 6 FRL und
20.93
1 Art. 13 Abs. 5 OECD-MA; vgl. zur Abkommensübersicht Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 225. 2 Bspw. aufgrund einer Immobiliengesellschaftsklausel (Art. 13 Abs. 4 OECD-MA) oder einer sog. Sitzstaatsklausel, vgl. die Abkommensübersichten bei Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 149 und 225. 3 Stv. Goebel/Ungemach in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 427 (443). 4 Zur Abkommensübersicht vgl. Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 225. 5 Bspw. aufgrund einer Immobiliengesellschaftsklausel (Art. 13 Abs. 4 OECD-MA) oder einer sog. Sitzstaatsklausel, vgl. die Abkommensübersichten bei Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 149 und 225. 6 Gemäß Art. 8 Abs. 1 FRL darauf die „Zuteilung von Anteilen am Gesellschaftskapital der übernehmenden oder erwerbenden Gesellschaft an einen Gesellschafter der einbringenden oder erworbenen Gesellschaft gegen Anteile an deren Gesellschaftskapital aufgrund einer Fusion, einer Spaltung oder des Austauschs von Anteilen […] für sich allein keine Besteuerung des Veräußerungsgewinns dieses Gesellschafters auslösen“. 7 Vgl. Neumann in R/H/vL2, § 13 Rz. 41; Klingberg in Blümich, § 13 UmwStG 2006 Rz. 37.
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des § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG deutet zwar darauf hin, dass Deutschland insoweit sämtliche bis zum tatsächlichen Veräußerungszeitpunkt in den Anteilen entstandenen stillen Reserven ohne Anrechnung ausländischer Steuern hiernach besteuern kann.1 Nach Sinn und Zweck der Regelung ist es hingegen sachgerecht, nur die bis zum Zeitpunkt der Verschmelzung unter deutscher Steuerhoheit entstandenen stillen Reserven dem deutschen Steuerzugriff zu unterstellen2 oder zumindest eine anteilige Anrechnung der (auf die „neuen“ stillen Reserven entfallenden) ausländischen Steuer zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen zuzulassen. Die Nachversteuerung erfolgt bei einem in Deutschland ansässigen Steuerpflichtigen im Rahmen seiner unbeschränkten Steuerpflicht, aber ungeachtet einer etwaigen Beschränkung durch ein (an sich anwendbares) DBA (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 UmwStG).3 War der Anteilseigner zum Zeitpunkt der Veräußerung nicht in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig und findet § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG keine Anwendung, wird die Nachversteuerung über § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. bb EStG (i.V.m. § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2UmwStG) in die beschränkte Steuerpflicht einbezogen, obwohl im Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung weder der veräußernde Gesellschafter noch die Gesellschaft, an der die veräußerten Anteile bestehen, in Deutschland ansässig sind.4 Dies gilt für beschränkt Steuerpflichtige in einem DBA-Staat wie Nicht-DBA-Staat gleichermaßen.5 c) Hereinverschmelzung von EU-EWR-Kapitalgesellschaften aa) Ebene der übertragenden EU-/EWR-Kapitalgesellschaft 20.94
In den Fällen, in denen die Hereinverschmelzung nach Maßgabe der §§ 122a ff. UmwG oder Art. 17 SE-VO rechtstechnisch möglich ist und zugleich in den Anwendungsbereich des UmwStG (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG) fällt (s. Rz. 20.80), werden bei der übertragenden ausländischen Kapitalgesellschaft im Rahmen ihrer beschränkten Körperschaftsteuerpflicht folgende Rechtsfolgen ausgelöst:
20.95
Geht inländisches Betriebsstättenvermögen über, wird hierdurch deutsches Besteuerungsrecht grds. weder ausgeschlossen noch beschränkt (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG), so dass in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden aus1 So Dötsch/Werner in D/P/M, § 13 UmwStG Rz. 52; Neumann in R/H/vL2, § 13 UmwStG Rz. 42; Klingberg in Blümich, § 13 UmwStG 2006 Rz. 37. 2 Zutr. Schroer in H/M4, § 13 Rz. 48; Sedemund in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 3.78. Wertminderungen nach der Umwandlung brauchen europarechtlich wohl nicht beachtet werden, vgl. Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 17.62; Sedemund in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 3.78. 3 Bei einer Hinausverschmelzung auf eine tschechische s.r.o. also ohne Beachtung der an sich gegebenen Anrechnungsverpflichtung gemäß Art. 23 Abs. 1 Buchst. b i.V.m. Art. 13 Abs. 3 DBA-Tschechien. 4 Dötsch/Werner in D/P/M, § 13 UmwStG Rz. 44. 5 S. aber Neumann in R/H/vL2, § 13 Rz. 44, wonach bei einem beschränkt Steuerpflichtigen, der in einem Nicht-DBA-Staat ansässig ist, das deutsche Besteuerungsrecht i.S.v. § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG wegen § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. bb EStG nicht beschränkt werde.
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C. Grenzüberschreitende Umwandlungen
ländischen Kapitalgesellschaft für deutsch-steuerliche Zwecke der Buchwert angesetzt werden kann.1 Geht verschmelzungsbedingt ausländisches Betriebsstättenvermögen der übertragenden ausländischen Kapitalgesellschaft auf die übernehmende inländische Kapitalgesellschaft über, wird hierdurch – bei Nichtbestehen eines DBA bzw. soweit das DBA die Anrechnungsmethode für das übergehende (Betriebsstätten-)Vermögen vorsieht – das deutsche Besteuerungsrecht erstmals begründet. Soweit die Buchwertfortführung gewählt werden soll, ist nach dem Gesetzeswortlaut das Wahlrecht „einheitlich“ auszuüben (sog. Einheitlichkeitsgrundsatz), d.h. die Wirtschaftsgüter sind in der steuerlichen Schlussbilanz2 sämtlich mit ihren Buchwerten anzusetzen.3 Für Wirtschaftsgüter, die bislang im Inland nicht steuerverstrickt waren, ist danach grds. der Buchwert auch dann anzusetzen, wenn insoweit nach der Verschmelzung weiterhin keine Steuerverhaftung im Inland besteht (sog. neutrales Vermögen)4 oder es mit der Verschmelzung zu einer Steuerverstrickung im Inland (neuverstricktes Vermögen) kommt. Für neuverstricktes Vermögen begründet der Buchwertansatz das Risiko einer Doppelbesteuerung, wenn die Entstrickung im ausländischen Staat zu einer Besteuerung führt und im späteren (tatsächlichen) Verkaufsfall Deutschland den Buchwert zur Ermittlung des Veräußerungsgewinns zugrunde legt.5 Soweit hinsichtlich des neuverstrickten Vermögens im Zusammenhang mit Umwandlungen daher ein Ansatz zum gemeinen Wert befürwortet wird,6 ist dem grds. zuzustimmen, jedoch vollzieht sich die Aufstockung rechtstechnisch nicht bereits in der
1 Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 50.40. 2 Die ausländische übertragende Gesellschaft muss nach Verwaltungsauffassung eine nach deutschen steuerlichen Grundsätzen zu erstellende steuerliche Schlussbilanz aufstellen, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 11.02 i.V.m. 03.01. 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 11.12 i.V.m. 03.28. 4 Bspw. in DBA-Fällen bzgl. des im Ausland belegenen unbeweglichen Vermögens oder Wirtschaftsgüter einer ausländischen Freistellungsbetriebsstätte. Beispiel bei Goebel/ Ungemach/Stefaner/Steevensz/Thomas/Fluck, DStZ 2014, 82 (83, 84). 5 Vgl. Sistermann in Lüdicke, Praxis und Zukunft des des deutschen Internationalen Steuerrechts, 2012, 161 (177). 6 Widmann in W/M, § 3 UmwStG Rz. 65.1; Bron in Kraft/Edelmann/Bron, § 3 UmwStG Rz. 244; Herfort/Viebrock in H/H, § 12 UmwstG Rz. 66; Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 70; Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.311; Jäschke/Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 6.121 („vertretbar“); Henkel in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 10.61; Prinz/Hütig in Beck’sches Handbuch der GmbH5, § 19 Rz. 60; Sistermann in Lüdicke, Praxis und Zukunft des des deutschen Internationalen Steuerrechts, 2012, 161 (177 f.); Böhmer/Wegener, Ubg 2015, 69 (73); Kraft/Poley, FR 2014, 1 (3); Körner, IStR 2009, 741 (749); Viebrock/Hagemann, FR 2009, 737 (744); a.A. Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 43; Pung in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 12; Birkemeier in R/H/vL2, § 3 UmwStG Rz. 106; van Lishaut in R/H/vL2, § 4 UmwStG Rz. 30; Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 50.43; Weigert in Kraft/Edelmann/Bron, § 4 UmwStG Rz. 31; Bonhardt in H/M4, § 4 UmwStG Rz. 89; Hruschka/Hellmann, DStR 2010, 1961 (1964); Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 173 (175).
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20.96
Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
Schlussbilanz des übertragendenen Rechtsträgers, sondern erst auf Ebene des übernehmenden Rechtsträgers (s. Rz. 20.97).1 bb) Ebene der übernehmenden Kapitalgesellschaft 20.97
Die übernehmende Kapitalgesellschaft übernimmt die auf sie übergegangenen Wirtschaftsgüter mit den in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenen Kapitalgesellschaft enthaltenen Werten (§ 12 Abs. 1 Satz 1 KStG). Dies gilt auch für das in der steuerlichen Schlussbilanz zu Buchwerten angesetzte Vermögen, an dem Deutschland erstmals nach der Verschmelzung ein Besteuerungsrecht erhält (sog. neuverstricktes Vermögen). Insoweit kommt es aber (eine logische Sekunde) nach der Verschmelzung auf Ebene der übernehmenden Gesellschaft gemäß § 4 Abs. 1 Satz 8, § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG zu einer (steuerneutralen) Aufstockung des neuverstrickten Vermögens auf den gemeinen Wert (außerhalb des Übernahmeergebnisses).2 Hierdurch werden für die Fälle sog. passiver (rechtlicher) Verstrickungen sachwidrige Ergebnisse3 vermieden, die sich in praxi andernfalls nur durch eine gewinnrealisierende Vorabübertragung lösen lassen.4 Zudem wird auch die Korrespondenz hergestellt zu den Fällen aktiver (tatsächlicher) Verstrickung, die zwar auch durch die Umwandlung ausgelöst werden, aber regelmäßig tatsächlich erst nach dem maßgeblichen steuerlichen Übertragungsstichtag eintreten (bspw. aktiv veränderte Zuordnung von Wirtschaftsgütern). Hier kommt es (unstreitig) zu einer (steuerneutralen) Verstrickung zum gemeinen Wert nach allgemeinen Regeln (§ 4 Abs. 1 Satz 8, § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG) auf Ebene der übernehmenden Gesellschaft.5
20.98
Soweit bei der an der übertragenden ausländischen Kapitalgesellschaft beteiligten übernehmenden inländischen Kapitalgesellschaft (Aufwärtsverschmelzung) ein Übernahmegewinn darauf zurückzuführen ist, dass die tatsächlichen Anschaffungskosten der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft den Buchwert derselben bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft übersteigen (§ 12 Abs. 2 Satz 1 und 2 UmwStG), ergeben sich keine Besonderheiten: Der Übernahmegewinn abzgl. der Umwandlungskosten bleibt steuerlich außer Ansatz, wobei § 8b Abs. 2 KStG zur Anwendung kommt, so dass im Widerspruch zu Art. 7 FRL6 1 Str., zum Streitstand Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.309. 2 Herforth/Viebrock in H/H, § 12 UmwStG Rz. 66; Schaden/Polatzky in Lutter/Bayer5, Holding-Handbuch, Rz. 16.133; Kraft/Poley, SteuerStud 2013, 161 (164); Klingberg/ Nitzschke, Ubg 2011, 451 (456); Viebrock/Hagemann, FR 2009, 737 (741). S. entsprechend bei Verschmelzungen von Kapital- auf Personengesellschaften Schmitt in S/H/S7, § 4 UmwStG Rz. 27; Widmann in W/M, § 3 Rz. 65.1; Sistermann in Lüdicke, Praxis und Zukunft des des deutschen Internationalen Steuerrechts, 2012, 161 (177 f.); Kraft/Poley, FR 2014, 1 (3). 3 Vgl. Rödder in R/H/vL2, § 11 UmwStG Rz. 159; Kutt/Carstens in FGS/BDI, Der Umwandlungsteuererlass 2011, S. 142. 4 Vgl. Rödder in R/H/vL2, § 11 UmwStG Rz. 159; van Lishaut in R/H/vL2, § 4 UmwStG Rz. 30; Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.311; Hruschka, StuB 2011, 540 (543); Hruschka/Hellmann, DStR 2010, 1961 (1965). 5 Stv. Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 70. 6 Vgl. Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 69; Rödder in R/H/vL2, § 12 UmwStG Rz. 87; a.A. Dötsch in D/P/M, § 12 UmwStG Rz. 60; Fehling in Schaumburg/ Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 17.97.
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C. Grenzüberschreitende Umwandlungen
im Ergebnis nur 95 % des Übernahmegewinns steuerfrei gestellt sind. Eine etwaige ausländische Steuer kann nicht angerechnet werden.1 Bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft ist der zum Zeitpunkt der Vermögensübertragung gegebene Bestand der nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen der übertragenden Kapitalgesellschaft dem steuerlichen Einlagekonto hinzuzurechnen (§ 29 Abs. 2 Satz 1, Abs. 6 KStG).2 cc) Ebene der Gesellschafter Die steuerlichen Rechtsfolgen der Hereinverschmelzung auf Gesellschafterebene werden (mit Ausnahme von Kleingesellschaftern3 und den Fällen der Aufwärtsverschmelzung, s. Rz. 20.98) durch § 13 UmwStG geregelt, wonach grds. die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft zum gemeinen Wert veräußert und die an ihre Stelle tretenden Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft als mit diesem Wert angeschafft gelten (§ 13 Abs. 1 UmwStG). Ein hieraus resultierender Gewinn des Anteilseigners unterliegt in Deutschland grds. einer Besteuerung wie bei einer tatsächlichen Veräußerung der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft, wenn die Anteile an der übertragenden Gesellschaft in Deutschland steuerverhaftet waren und eine Fortführung der Anschaffungskosten bzw. Buchwerte nicht möglich ist. Insoweit ist zu unterscheiden: Im Fall der Hereinverschmelzung bleibt bei in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern das Besteuerungsrecht Deutschlands entweder unverändert4 oder es wird ausnahmsweise verstärkt durch Wegfall einer abkommensrechtlichen Anrechnungsverpflichtung,5 so dass die Steuerneutralität auf Antrag gemäß § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG gewährleistet werden kann. Bei beschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern waren die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft in Deutschland bislang regelmäßig nicht steuerverhaftet6, so dass das deutsche Besteuerungsrecht erstmals begründet wird, wenn 1 Schell, FR 2012, 101 (108). 2 Zu Einzelheiten Bauschatz in FS Gosch, 23 ff.; Stadler/Jetter, IStR 2009, 336 ff.; Schießl, FR 2008, 852 ff. 3 § 13 UmwStG findet nach Verwaltungsauffassung nur Anwendung auf Anteile im Betriebsvermögen, Anteile i.S.v. § 17 EStG und alt-einbringungsgeborene Anteile i.S.v. § 21 Abs. 1 UmwStG a.F., vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 13.011; weitergehend Rödder/Schmidt-Fehrenbacher, FGS/BDI (Hrsg.), Der Umwandlungssteuererlass 2011, 262. Auf Anteilseigner, deren Anteile unter § 20 Abs. 2 EStG fallen (zur Subsidiarität vgl. § 20 Abs. 8 EStG), richten sich die steuerlichen Folgen der Verschmelzung nicht nach § 13 UmwStG, sondern nach § 20 Abs. 4a Satz 1 ff. EStG. Dort wird unter ähnlichen Voraussetzungen eine (zwingende, nicht antragsgebundene) Buchwertfortführung angeordnet (zu Einzelheiten s. stv. Trossen in R/H/vL2, Anh. 11 Rz. 76 ff.). 4 Wenn das einschlägige DBA eine Regelung entsprechend Art. 13 Abs. 5 OECD-MA vorsah. 5 Bspw. in DBA, in denen dem Sitzsstaat aufgrund einer Immobiliengesellschaftsklausel (Art. 13 Abs. 4 OECD-MA) oder einer sog. Sitzstaatsklausel (vgl. die Abkommensübersichten bei Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 149 und 225) ein Besteuerungsrecht an den Veräußerungsgewinnen vorbehalten wird und Deutschland sich zur Anrechnung der ausländischen Steuer verpflichtet hat. 6 Ausnahme bei Zugehörigkeit zu einer inländischen Betriebsstätte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG und abkommensrechtlicher Zurechnung (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA).
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20.99
Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
der Anteilseigner in einem Nicht-DBA-Staat ansässig ist oder nach dem maßgeblichen DBA Deutschland abkommensrechtlich ein Besteuerungsrecht erstmals vorbehalten wird.1 In diesem Fall ist eine Fortführung der Anschaffungskosten bzw. der Buchwerte nicht möglich und nicht sinnvoll, so dass die Anteile entweder nach Tauschgrundsätzen2 oder nach Einlagegrundsätzen gemäß § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2, § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5a EStG im Inland zum gemeinen Wert anzusetzen sind.3
III. Spaltung 20.100
Die grenzüberschreitende Hinaus- oder Hereinspaltung unter Beteiligung von Kapital- oder Personengesellschaften wird rechtstechnisch bisher nicht von der Reichweite des UmwG erfasst (s. Rz. 20.2), da dieses grundsätzlich nur auf Rechtsträger mit statutarischem Sitz im Inland Anwendung findet (§ 1 Abs. 1 UmwG) und eine kodifizierte Ausnahme vom Erfordernis des inländischen Satzungssitzes lediglich in §§ 122a ff. UmwG für die grenzüberschreitende (Herein- und Hinaus-)Verschmelzung deutscher Kapitalgesellschaften mit bestimmten anderen EU-/EWR-Raum-Kapitalgesellschaften besteht. Insoweit herrscht zwar im Hinblick auf die einschlägige EuGH-Rechtsprechung4 weitgehend Einigkeit darüber, dass die Niederlassungsfreiheit im Grundsatz gebietet, auch andere grenzüberschreitende Umwandlungen im EU-/EWR-Raum zuzulassen, bspw. auch grenzüberschreitende Spaltungen (Auf- und Abspaltung, Ausgliederung).5 In der Rechtspraxis sind derartige Umwandlungen derzeit aber aufgrund der verbleibenden Unsicherheiten in rechtstechnischen Details6 (noch nicht) zu beobachten.7 Gegen1 Bspw. aufgrund einer Immobiliengesellschaftsklausel (Art. 13 Abs. 4 OECD-MA) oder einer sog. Sitzstaatsklausel (vgl. die Abkommensübersichten bei Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 149 und 225). 2 Soweit man auf Ebene des Anteilseigners einen gewinnrealisierenden (aber in Deutschland nicht steuerpflichtigen) Anteilstausch annimmt, vgl. Neumann in R/H/vL2, § 13 UmwStG Rz. 38 (Fn. 1). 3 Vgl. Neumann in R/H/vL2, § 13 UmwStG Rz. 38; Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.321; Hecht/Hagemann in H/H, § 13 UmwStG Rz. 14. 4 Ausf. zur Entwicklung Limmer in Limmer, Handbuch der Unternehmensumwandlung5, Teil 6 Kap. 2 Rz. 4 ff.; Schön, ZGR 2013, 333. Die Entscheidungen Centros (EuGH v. 9.3. 1999 – Rs. C-212/97, Slg. 1999, I-1459), Überseering (EuGH v. 5.11.2002 – Rs. C-208/00, Slg. 2002, I-9919) und Inspire Art (EuGH v. 30.9.2003 – Rs. C-167/01, Slg. 2003, I-10155) betrafen die Anforderungen an die grenzüberschreitende Anerkennung von Gesellschaften. In Sevic Systems (EuGH v. 13.12.2005 – Rs. C-411/03, Slg. 2005, I-10805) wurde der grenzüberschreitenden Verschmelzung der Weg bereitet. Die Entscheidungen Daily Mail (EuGH v. 27.9.1988 – 81/87, Slg. 1988, 5483 ff.) und Cartesio (EuGH v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06, Slg. 2008, I-9641 ff.) sowie jüngst VALE (EuGH v. 12.7.2012 – Rs. C-378/10, ECLI:EU:C:2012:440 = EuZW 2012, 621) setzten sich mit der Behandlung zu- bzw. wegziehender Gesellschaften im Gründungsstaat auseinander. 5 Stv. Drygala un Lutter5, § 1 UmwG Rz. 20; Heckschen in Beck’sches Notar-Handbuch6, D.IV. Rz. 183; Gsell in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 2.99 ff. u. 2.106 ff. m.w.N.; Kleba, RNotZ 2016, 273 ff.; Bungert/de Raet, DB 2014, 761 (765). 6 Vgl. Bayer in Lutter5, § 122a UmwG Rz. 13. 7 Vgl. Schumacher in Lutter5, Einl. II Rz. 28; Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.302.
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C. Grenzüberschreitende Umwandlungen
über dem UmwG ist das UmwStG insoweit schon einen Schritt weiter, als der Anwendungsbereich für entsprechende grenzüberschreitende Spaltungen im EU-/ EWR-Raum grds. eröffnet wäre.1 Sobald die rechtspraktischen Hürden beseitigt sind, steht daher ein umwandlungssteuerrechtliches Regelungskonzept schon bereit.2 Die in der Rechtspraxis bisher vorhandenen Ersatzkonstruktionen3 zur Erzielung wirtschaftlich vergleichbarer Ergebnisse ließen sich häufig nicht steuerneutral umsetzen. Im Hinblick auf einen nun möglichen und rechtspraktisch umsetzbaren grenzüberschreitenden Formwechsel (s. Rz. 20.3) sollte heute aber das gleiche Ergebnis auch durch einen (i) grenzüberschreitenden Formwechsel der umzuwandelnden Kapital- bzw. Personengesellschaft in den Sitzstaat der aufnehmenden Kapital- oder Personengesellschaft4 mit (ii) anschließender reiner Inlands- oder Auslandsspaltung herbeigeführt werden können.5
IV. (Grenzüberschreitender) Formwechsel 1. Allgemeines Im Gegensatz zur inländischen Verschmelzung und Spaltung erfolgt im Zuge eines inländischen Formwechsels zivilrechtlich keine Vermögensübertragung, sondern lediglich ein Wechsel der Rechtsform, bei dem der Vermögensträger identisch bleibt.6 Ein derart identitätswahrender Formwechsel ist nach den Vorgaben des UmwG an sich auf Rechtsträger beschränkt, die nach deutschem Recht errichtet sind (§ 1 Abs. 1 Nr. 4 UmwG). Das gilt gleichermaßen für den formwechselnden Rechtsträger und den Rechtsträger neuer Rechtsform (§ 191 UmwG). Auf der Grundlage der für den Formwechsel kodifizierten Regelungen des UmwG wäre mithin ein grenzüberschreitender Formwechsel ausgeschlossen.7 Spätestens im Anschluss an die EuGH-Entscheidungen in den Rechts-
1 Stv. Kredig, Das System der Besteuerung stiller Reserven bei Unternehmensumstrukturierungen, 257. 2 Aufgrund der derzeit (noch) nicht gegebenen Praxisrelevanz soll hier nicht weiter auf entsprechende grenzüberschreitende Spaltungen eingegangen werden. Vgl. hierzu näher Kredig, Das System der Besteuerung stiller Reserven bei Unternehmensumstrukturierungen, 2015, 257. 3 Vgl. Rödder in R/H/vL2, Einführung UmwStG Rz. 39; Herzig in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Internationales Umwandlungssteuerrecht, 127 (141); von Busekist, GmbHR 2004, 650 (653 ff.) sowie die Vorauflage Schaumburg, Internationales Steuerrecht3, Rz. 17.147. 4 Siehe zu den Voraussetzungen eines steuerneutralen grenzüberschreitenden Formwechsels Rz. 20.101 ff. 5 Oder es wird zunächst die Spaltung durchgeführt und der übernehmende Rechtsträger verlegt seinen Sitz über die Grenze oder wird grenzüberschreitend verschmolzen, vgl. Prinz/Hüthig in Beck’sches Handbuch der GmbH5, § 19 Rz. 80; Gesell in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 2.101. 6 Hierzu Decker in Lutter5, Vor § 190 UmwG Rz. 2. 7 Das gilt auch für den Formwechsel einer Aktiengesellschaft zur Gründung eine SE (Art. 2 Abs. 4 SE-VO), die formwechselbedingt ihren Sitz nicht in einen anderen Mitgliedstaat verlegen darf (Art. 37 Abs. 3 SE-VO). Zu diesem Sitzverlegungsverbot J. Schmidt in Lutter/Hommelhoff/Teichmann2, SE-Kommentar, Art. 37 SE-VO Rz. 10.
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20.101
Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
sachen Cartesio1 und VALE2 steht jedoch fest, dass ein grenzüberschreitender Formwechsel jedenfalls im EU-/EWR-Raum unionsrechtlich zuzulassen ist.3 Gemeint ist hiermit die identitätswahrende, d.h. ohne Auflösung und Neugründung der Gesellschaft und ohne Gesamt- oder Einzelrechtsnachfolge auskommende, statutenwechselnde4 Sitzverlegung einer Gesellschaft eines Mitgliedstaats unter Wechsel ihrer Rechtsform in die Rechtsform nach dem Gesellschaftsstatut eines anderen Mitgliedstaats (bspw. deutsche GmbH in luxemburgische S.à.r.l.5).6 Dies gilt für Kapital- wie Personengesellschaften7 sowie den grenzüberschreitenden Herein- wie Hinausformwechsel grds. gleichermaßen.8 Der Zuzugsstaat kann insoweit aber verlangen, dass die jeweiligen nationalen Vorschriften sowohl für die Gründung der Gesellschaft als auch für den Formwechsel als solche eingehalten werden.9 In verschiedenen EU-Staaten bestehen bereits spezielle Regelungen für grenzüberschreitende Formwechsel.10 Solche fehlen zwar derzeit in Deutschland, zumindest der grenzüberschreitende Formwechsel von Kapitalgesellschaften ist zwischenzeitlich aber registerrechtlich durchführbar11 und in der Praxis erprobt.12 Identitätswahrende grenzüberschreitende Formwechsel aus oder in Staaten außerhalb des EU-/EWR-Raums (Drittstaaten) sind hingegen nach derzeitiger Rechtslage nicht möglich.13 20.102
Rechtssicher, da ausdrücklich kodifiziert, ist daneben eine grenzüberschreitende, identitätswahrende Sitzverlegung einer SE in einen anderen EU-/EWR-Staat (Art. 8 SE-VO). Vorausgesetzt ist insoweit aber stets, dass neben dem Satzungs1 EuGH v. 16.12.2008 – Rs. C-210/06 – Cartesio, Slg. 2008, I-9641 ff. 2 EuGH v. 12.7.2012 – Rs. C-378/10 – VALE, ECLI:EU:C:2012:440 = EuZW 2012, 621. 3 Zu Einzelheiten stv. M. Winter in R/H/vL2, Anh. 1 Rz. 358 ff.; Kalss/Klampfl in Dauses, EU-Wirtschaftsrecht, E.III. Rz. 126; Heckschen, ZIP 2015, 2049; Hushahn, RNotZ 2014, 137; Schön, ZGR 2013, 333; Wicke, DStR 2012, 1756. 4 In Abgrenzung zur nicht identitätswahrend möglichen statuswahrenden Satzungssitzverlegung (Bsp.: deutsche GmbH beabsichtigt die Verlegung ihres Satzungssitz nach Österreich unter Beibehalt der Rechtsform als deutsche GmbH), vgl. stv. Gsell in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 2.57; Heckschen, ZIP 2015, 2049. 5 Dazu Nentwig, GWR 2015, 447. 6 Vgl. Kalss/Klampfl in Dauses, EU-Wirtschaftsrecht, E.III. Rz. 126; Hushahn, RNotZ 2014, 137 (138). 7 Die Entscheidung des EuGH in der Rs. VALE betraf eine sitzverlegende Kapitalgesellschaft. Gleiches gilt aber auch für den gerenzüberschreitenden Formwechsel von Personengesellschaften, vgl. Oberster Gerichtshof Wien v. 10.4.2014 – 6 Ob 224/13d, juris, Volltext abrufbar auf der Website des OGH unter http://www.ogh.gv.at/de/entscheidun gen/weitere/sitzverlegung-einer-personengesellschaft-von. 8 Vgl. zu Detailfragen Heckschen, ZIP 2015, 2049 (2051 ff.); Hushahn, RNotZ 2014, 137 ff. 9 Vgl. EuGH v. 12.7.2012 – Rs. C-378/10 – VALE, ECLI:EU:C:2012:440 = EuZW 2012, 621. Kennt das Recht des Zuzugsstaats den (inländischen) Formwechsel nicht, braucht es entsprechend auch keinen grenzüberschreitenden Formwechsel anzuerkennen. 10 Bspw. Belgien, Spanien, Portugal, Italien, Luxemburg und Frankreich, vgl. Gesell in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 2.123 m.w.N. 11 Vgl. OLG Nürnberg v. 19.6.2013 – 12 W 520/13, GmbHR 2014, 96; KG Berlin v. 21.3. 2016 – 22 W 64/15, GmbHR 2016, 765 (hierzu M. Winter/Marx/De Decker, DStR 2016, 1997 ff.); Checkliste des Handelsregisters Charlottenburg zur Umsetzung eines grenzüberschreitenden Formwechsel bei Melchior, GmbHR 2014, R 305 ff. 12 Vgl. bspw. die Fallbeschreibung bei Pöllath/Fischer, IStR 2015, 778 ff. 13 Vgl. Gesell in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 2.118 ff. und 2.124 ff.
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C. Grenzüberschreitende Umwandlungen
auch der Verwaltungssitz mitverlegt wird (Art. 7 SE-VO). Da sich der Rechtsrahmen für die SE zumindest subsidiär nach den Rechtsvorschriften des jeweiligen Ansässigkeitsstaats richtet (Art. 9 SE-VO), geht auch die Sitzverlegung der SE mit einem (teilweisen) Statutenwechsel einher,1 so dass es sich auch insoweit zumindest partiell ebenfalls um einen grenzüberschreitenden Formwechsel handelt,2 selbst wenn die Rechtsform als solche erhalten bleibt. Vom grenzüberschreitenden Formwechsel zu unterscheiden ist die (isolierte) Verlegung des Verwaltungssitzes von Kapitalgesellschaften und Personengesellschaften. Im Zusammenhang mit der Verlegung des Verwaltungssitzes von Personengesellschaften (zum Wegzug und Zuzug des Verwaltungssitzes von Kapitalgesellschaften s. ausf. Rz. 7.45 ff. und 7.62 ff.) ist, soweit sie nicht im Zusammenhang mit einem (identitätswahrenden) grenzüberschreitenden Formwechsel erfolgt, für die steuerliche Beurteilung die gesellschaftsrechtliche Vorfrage entscheidend, ob hiermit die Auflösung und Neugründung der Personengesellschaft einschließlich Vermögensübertragung verbunden ist3 oder die Sitzverlegung gesellschaftsrechtlich identitätswahrend erfolgt.4 Ist mit der Verwaltungssitzverlegung bereits gesellschaftsrechtlich die Auflösung und Neugründung der Personengesellschaft unter Übertragung des Vermögens verbunden, führt dies steuerrechtlich grundsätzlich zu einer gewinnrealisierenden Betriebsveräußerung (§ 16 Abs. 1 EStG) oder Betriebsaufgabe (§ 16 Abs. 3 EStG). Da die übertragende Sitzverlegung aber als (fiktive) Einlage der Mitunternehmeranteile an der „wegziehenden“ Personengesellschaft in die neue (ausländische) Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten und Anwachsung der wegziehenden Gesellschaft auf die ausländische Personengesellschaft angesehen werden kann, bestehen gegenüber einer Anwendung des § 24 UmwStG keine Bedenken.5 Insoweit lässt sich bei einem Wegzug die Steuerneutralität aber nur herbeiführen, wenn das deutsche Besteuerungsrecht an den Gewinnen aus der Veräußerung des Betriebsvermögens nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). Ist mit dem Wegzug bspw. ein Wechsel in der Zuordnung von Wirtschaftsgütern von einer inländischen zu einer ausländischen Betriebsstätte verbunden, kommt es jedenfalls insoweit zu einer zwingenden Gewinnrealisierung. Lässt sich hingegen auch nach dem Wegzug Betriebsvermögen einer deutschen Betriebsstätte zuordnen, kann die Buchwertfortführung gewählt werden. Insoweit besteht aber das praktische Problem, dass ggf. die steuerlichen Auswirkungen der Sitzverlegung gar nicht erst erkannt und der erforderliche Antrag auf Buchwertfortführung nicht gestellt wird.
1 Stv. Ringe in Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SE-Kommentar2, Art. 8 SE-VO Rz. 8. 2 Vgl. Ringe in Lutter/Hommelhoff/Teichmann, SE-Kommentar2, Art. 8 SE-VO Rz. 90: „subsidiäres Formwechselmodell“. 3 So wohl die h.M. s. stv. Gesell in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 2.47 m.w.N. 4 So bspw. Schnittker/Pitzal in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 10.8 ff., 10.58 ff., 10.74 ff., 10.82 ff., 10.96 ff., 10.117 ff., 10.134 ff., 10.147 ff. Jedoch erfolgt auch hiernach eine Auflösung, wenn der Wegzug des Verwaltungssitzes in einen Drittstaat erfolgt, der die Sitztheorie zugrunde legt. 5 Vgl. Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.192.
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20.103
Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
2. Grenzüberschreitender Formwechsel von Kapitalgesellschaften 20.104
Für die steuerrechtliche Behandlung des rechtsformkongruenten1 grenzüberschreitenden Formwechsels von Kapitalgesellschaften fehlen ausdrückliche steuerrechtliche Regelungen. Für Zwecke der Grunderwerbsteuer ist der grenzüberschreitende Formwechsel unbeachtlich, da der Rechtsträger als solcher nicht wechselt.2 Insoweit kann der grenzüberschreitende Formwechsel einer grenzüberschreitenden Verschmelzung vorzuziehen sein. Ertragsteuerrechtlich ist zwischen Wegzug („Hinausformwechsel“) und Zuzug („Hereinformwechsel“) zu unterscheiden: a) Wegzug („Hinausformwechsel“)
20.105
Der grenzüberschreitende Formwechsel von Kapitalgesellschaften vollzieht sich auf Ebene der wegziehenden Gesellschaft – ebenso wie der rein nationale Formwechsel – steuerrechtlich identitätswahrend3 ohne Auflösung der Gesellschaft. Eine (analoge) Anwendung der für die (grenzüberschreitende) Verschmelzung maßgeblichen Vorschriften der §§ 11 ff. UmwStG kommt nicht in Betracht,4 da diese eine Vermögensübertragung im Wege der Gesamtrechtsnachfolge voraussetzen, die im Zuge des identitätswahrenden grenzüberschreitenden Formwechsels wie auch bei der Sitzverlegung der SE nicht zu beobachten ist. Zudem fehlt es an einer Regelungslücke, da insoweit die allgemeine Entstrickungsvorschrift des § 12 Abs. 1 KStG Anwendung finden kann.5 Gleiches gilt für die Sitzverlegung der SE.6 Das bedeutet, dass eine Steuerneutralität des Wegzugs nur gewährleistet ist, soweit hierdurch das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung oder der Nutzung der Wirtschaftsgüter der Kapitalgesellschaft weder ausgeschlossen noch beschränkt wird (§ 12 Abs. 1 KStG). Das deutsche Besteuerungsrecht wird dann nicht tangiert, wenn ein DBA nicht besteht und die Wirtschaftsgüter einer im Inland zurückbleibenden Betriebsstätte zuzuordnen sind (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Wegzugsbedingt erfolgt ein Wegfall oder eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts, soweit Wirt1 Zu den Steuerfolgen bei rechtsforminkongruentem grenzüberschreitendem Formwechsel vgl. Schönhaus/Müller, IStR 2013, 174 (177 f., 179); Ege/Klett, DStR 2012, 2442 (2448). Insoweit sind steuerrechtlich die umwandlungssteuerrechtlichen Vorschriften zur Verschmelzung (Formwechsel von Kapital- in Personengesellschaft, § 9 i.V.m. §§ 3 ff. UmwStG) bzw. zur Einbringung (Formwechsel von Personen- in Kapitalgesellschaft, § 25 i.V.m. §§ 20 ff. UmwStG) maßgeblich. 2 Stv. Pöllath/Fischer, IStR 2015, 778 (780). 3 Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 46. 4 A.A. Schießl in W/M Rz. § 11 UmwStG Rz. 50.71.1. Eine Behandlung als Verschmelzung würde insbesondere dazu führen, dass bestehende Verlustvorträge etc. untergehen würden (12 Abs. 4 i.V.m. § 4 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). Hingegen bleiben beim identitätswahrenden Wegzug Verlustvorträge grds. für deutsche Steuerzwecke erhalten, vgl. Köhler in FS Schaumburg, 813 (818). 5 Vgl. Schumacher in Lutter5, Einl. II Rz. 13; Schaden/Polatzky in Lutter/Bayer5, HoldingHandbuch, Rz. 16.88; Schönhaus/Müller, IStR 2013, 174 (178); Thömmes, NWB 2012, 3018 (3020); Ege/Klett, DStR 2012, 2442 (2448); Hahn, jurisPR-SteuerR 39/2012 Anm. 6 unter C.II.1 bis 3. 6 Schön in Lutter/Hommelhoff/Teichmann2, SE-Kommentar, D. Die SE im Steuerrecht, Rz. 53; Blumenberg in FS Schaumburg, 559 (569).
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C. Grenzüberschreitende Umwandlungen
schaftsgüter nach dem Wegzug der ausländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte im (neuen) Sitzstaat der weggezogenen Kapitalgesellschaft zuzuordnen sind. Schließlich entfällt das deutsche Besteuerungsrecht durch den Wechsel in die beschränkte Steuerpflicht der wegziehenden Kapitalgesellschaft auch in den Fällen, in denen Wirtschaftsgüter ausländischen Betriebsstätten zuzuordnen sind, für die bislang eine deutsche Besteuerung ohne abkommensrechtliche Schrankenwirkungen1 gegeben war. In den vorgenannten Fällen ist somit eine Gewinnrealisierung nicht vermeidbar2, wobei die „gestreckte Sofortversteuerung“ i.S.v. § 4g EStG unionsrechtswidrig keine Anwendung findet,3 da die Vorschrift eine unbeschränkte Steuerpflicht der wegziehenden Kapitalgesellschaft erfordert.4 Bei unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern, die die Anteile an der wegziehenden Kapitalgesellschaft in einem inländischen Betriebsvermögen halten, kommt es zu einer wegzugsbesdingten Gewinnrealisierung, soweit wegzugsbedingt das deutsche Besteuerungsrecht wegfällt oder beschränkt wird (§ 12 Abs. 1 KStG; § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG). Das ist bei unbeschränkter Steuerpflicht der Gesellschafter nur ausnahmsweise der Fall, weil die Gewinne aus der Veräußerung der Anteile an der wegziehenden Kapitalgesellschaft im Grundsatz unverändert der deutschen Besteuerung unterliegen, ohne dass dem abkommensrechtliche Schranken gegenüberstehen.5 Eine wegzugsbedingte Gewinnrealisierung auf Gesellschafterebene unterbleibt aber dann, wenn eine SE/SCE wegzieht (§ 12 Abs. 1 Halbs. 2 KStG; § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG).6 Im Falle einer späteren Veräußerung dieser Anteile darf der Veräußerungsgewinn aber ungeachtet der Bestimmungen eines DBA in der gleichen Art und Weise besteuert werden, wie die Veräußerung der Anteile an der SE zu besteuern gewesen wäre, wenn keine Sitzverlegung stattgefunden hätte (§ 12 Abs. 1 Halbs. 2 KStG; § 15 Abs. 1a EStG). Gehören die Anteile zum Privatvermögen des unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafters, erfolgt zwar grds. eine Versteuerung fiktiver Veräußerungsgewinne, soweit das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile an der wegziehenden Kapitalgesellschaft aus1 Also in Fällen ohne DBA oder bei Anwendung der Anrechnungsmethode nach DBA, § 20 Abs. 2 AStG bzw. § 50d Abs. 9 EStG. 2 Eine wegzugsbedingte Gewinnrealisierung unterbleibt jedoch, soweit Anteile der weggezogenen Kapitalgesellschaft an einer SE nunmehr dem ausländischen Betriebsstättenvermögen der weggezogenen Kapitalgesellschaft zuzuordnen sind: Das gilt allerdings mit der Maßgabe, dass im Falle einer späteren Veräußerung dieser Anteile durch die ausländische Kapitalgesellschaft eine Versteuerung so zu erfolgen hat, als wäre das deutsche Besteuerungsrecht uneingeschränkt erhalten geblieben (§ 12 Abs. 1 Halbs. 2 KStG i.V. mit §§ 4 Abs. 1 Satz 4; 15 Abs. 1a EStG). 3 Str., hierzu Kahle/Eichholz, FR 2015, 7 (7 f.). 4 Schön in Lutter/Hommelhoff/Teichmann2, SE-Kommentar, D. Die SE im Steuerrecht, Rz. 97; Oellerich in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.86. 5 Vgl. Art. 13 Abs. 5 OECD-MA; Ausnahmen bestehen in Fällen einer Immobiliengesellschaftsklausel (Art. 13 Abs. 4 OECD-MA) oder einer sog. Sitzstaatsklausel (z.B. Art. 23 Abs. 1 Buchst. b i.V. mit Art. 13 Abs. 3 DBA-Tschechien), vgl. die Abkommensübersichten bei Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 149 und 225. 6 Die Sonderregelungen sind notwendig, da eine sofortige Besteuerung der stillen Reserven anlässlich des Wegzugs zu einem Verstoß gg. Art. 10d FRL führen würde, vgl. Blumenberg in FS Schaumburg, 559 (568).
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
geschlossen oder beschränkt wird (§ 17 Abs. 5 Satz 1 EStG). Jedoch unterbleibt eine wegzugsbedingte Gewinnrealisierung hier nicht nur in den Fällen der Sitzverlegung einer SE, sondern auch bei anderen Kapitalgesellschaften, die ihren (statutarischen) Sitz in einen anderen EU-/EWR-Staat verlegen (§ 17 Abs. 5 Satz 2 EStG). Dies gilt auch hier mit der Maßgabe, dass im Falle einer späteren Veräußerung dieser Anteile die deutsche Besteuerung ungeachtet abkommensrechtlicher Regelungen gewährleistet ist (§ 17 Abs. 5 Satz 3, 4 EStG). 20.107
Bei beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern setzt eine wegzugsbedingte Gewinnrealisierung in Deutschland voraus, das Deutschland bisher ein Besteuerungsrecht an den Veräußerungsgewinnen im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht zustand (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst a bzw. Buchst. e EStG). Dies ist nur der Fall, wenn kein DBA besteht oder in Abkommensfällen (ausnahmsweise) Deutschland ein Besteuerungsrecht an den Veräußerungsgewinnen vorbehalten ist.1 Geht das Besteuerungsrecht verloren, weil die Gewinne aus einer tatsächlichen Veräußerung nach dem Wegzug nicht mehr im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht erfasst2 oder aufgrund eines DBA nicht mehr besteuert werden können,3 gilt Folgendes: Bei Anteilen in einem inländischen Betriebsstättenvermögen wird eine sofortige Gewinnrealisierung nur im Fall des Wegzugs einer SE bis zur tatsächlichen Veräußerung hinausgeschoben (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG). Bei im Privatvermögen gehaltenen Anteilen unterbleibt eine wegzugsbedingte Gewinnrealisierung nicht nur in den Fällen der Sitzverlegung einer SE, sondern auch bei anderen Kapitalgesellschaften, die ihren (statutarischen) Sitz in einen anderen EU-/EWR-Staat verlegen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG i.V.m. § 17 Abs. 5 Satz 2 EStG). Die beschränkte Steuerpflicht im Inland bei (späterer) tatsächlicher Veräußerung wird durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. ee EStG begründet. b) Zuzug („Hereinformwechsel“)
20.108
Der grenzüberschreitende Hereinformwechsel einer Kapitalgesellschaft bzw. der Zuzug einer SE (Art. 8 SE-VO) führt auf Ebene der zuziehenden Gesellschaft zu einer erstmaligen Begründung der unbeschränkten Steuerpflicht in Deutschland (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG). Der Wechsel von der beschränkten Steuerpflicht zur unbeschränkten Steuerpflicht vollzieht sich identitätswahrend, so dass die zuziehende Gesellschaft als Körperschaftsteuersubjekt fortbesteht. Auf der Ebene der zuziehenden Kapitalgesellschaft erfolgt eine Verstrickung, soweit zuzugsbedingt Wirtschaftsgüter erstmals von der Reichweite der deutschen Steuerpflicht erfasst werden (§ 8 Abs. 1 KStG i.V. mit § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG).4 In diesem Fall erfolgt der Ansatz der verstrickten Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert 1 Wenn die Anteile einer inländischen Betriebsstätte abkommensrechtlich zuzurechnen sind (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA) oder eine Immobiliengesellschaftsklausel (Art. 13 Abs. 4 OECD-MA) bzw. eine sog. Sitzstaatsklausel zur Anwendung gelangt, vgl. die Abkommensübersichten bei Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 149 und 225. 2 Weil die Anteile nicht in einem inländischen Betriebsstättenvermögen gehalten werden. 3 Weil die Anteile zwar in einem inländischen Betriebsstättenvermögen gehalten werden, aber die Anteile nach dem einschlägigen DBA nicht dieser Betriebsstätte tatsächlich funktional zuzurechnen sind (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA). 4 Pöllath/Fischer, IStR 2015, 778 (780); Schönhaus/Müller, IStR 2013, 174 (179).
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C. Grenzüberschreitende Umwandlungen
(§ 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG). Eine derartige Verstrickung unterbleibt in den Fällen, in denen die Wirtschaftsgüter bereits vor dem Zuzug einem inländischen Betriebsstättenvermögen zuzuordnen waren. Entsprechendes gilt auch für Wirtschaftsgüter des ausländischen Betriebsstättenvermögens, das abkommensrechtlich auch nach dem Zuzug dem deutschen Steuerzugriff entzogen bleibt. Mit dem Wechsel von der beschränkten Steuerpflicht in die unbeschränkte Steuerpflicht ist zudem erstmals das steuerliche Einlagekonto i.S.v. § 27 KStG zu führen (§ 27 Abs. 2 Satz 3 KStG). Für die Gesellschafter der zuziehenden Kapitalgesellschaft ergeben sich bei einem Zuzug einer ausländischen Kapitalgesellschaft ins Inland folgende steuerrechtlichen Auswirkungen: Für unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner ergeben sich grds. keine steuerlichen Auswirkungen, da das bisher bereits bestehende deutschen Besteuerungsrecht an den Veräußerungsgewinnen (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA) unverändert fortbesteht oder durch Wegfall einer Anrechnungsverpflichtung1 verstärkt wird. Eine bloße Verstärkung des deutschen Besteuerungsrechts bleibt im Inland steuerlich jedoch unberücksichtigt. Bei nicht unbeschränkt steuerpflichtigen Anteilseignern ist zu unterscheiden: Waren die Anteile bisher einer inländischen Betriebsstätte (im Abkommensfall: auch abkommensrechtlich, Art. 13 Abs. 2 OECD-MA) zuzurechnen, bleibt das deutsche Besteuerungsrecht im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht unverändert bestehen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Zu einer steuerwirksamen Verstrickung der in einem inländischen Betriebsvermögen gehalten Anteilen zum gemeinen Wert (§ 4 Abs. 1 Satz 8 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG) aufgrund einer erstmaligen Begründung des deutschen Besteuerungsrechts kann es in seltenen Ausnahmefällen kommen.2 Waren die Anteile vor dem Zuzug der Kapitalgesellschaft dem steuerrechtlichen Privatvermögen des ausländischen Anteilseigners zuzurechnen, bestand bisher mangels inländischen Anknüpfungspunkts keine beschränkte Steuerpflicht für etwaige Veräußerungsgewinne. Durch den Zuzug werden die im steuerlichen Privatvermögen gehaltenen Anteile in Deutschland im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e Doppelbuchst. aa EStG) aber erstmals steuerverstrickt, wenn mit dem Wegzugsstaat kein DBA besteht oder das einschlägige DBA ausnahmsweise dem Sitzstaat der Gesellschaft ein Besteuerungsrecht zuweist.3 Sachgerecht wäre in diesem Fall, dass Deutschland bei einer späteren Veräußerung als Anschaffungskosten der Anteile den gemeinen Wert im Zeitpunkt des Zuzugs der Gesellschaft berücksichtigt. Eine vergleichbare Verstrickungsklausel findet sich jedoch für im steuerlichen Privatvermögen gehaltene Anteile nur in § 17 Abs. 2 Satz 3 EStG für 1 Wenn nach dem DBA mit dem Wegzugsstaat eine Immobiliengesellschaftsklausel (Art. 13 Abs. 4 OECD-MA) bzw. eine sog. Sitzstaatsklausel einschlägig war, vgl. die Abkommensübersichten bei Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 149 und 225. 2 Bspw., wenn nach dem einschlägigen DBA die Anteile dem inländischen Betriebsstättenvermögen nicht funktional i.S.v. Art. 13 Abs. 2 OECD-MA zuzurechnen sind und nach dem Zuzug eine Sitzstaat- oder Immobiliengesellschaftsklausel (Abkommensübersichten bei Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 149 und 225) ein deutsches Besteuerungsrecht erstmals begründet. 3 Bei Anwendung einer Immobiliengesellschaftsklausel (Art. 13 Abs. 4 OECD-MA) bzw. eine sog. Sitzstaatsklausel, vgl. die Abkommensübersichten bei Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 149 und 225.
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
Fälle des tatsächlichen Zuzugs des Gesellschafters, wenn der ausländische Staat den Wegzug bei ihm besteuert. Eine analoge Anwendung erscheint hier jedenfalls dann geboten, wenn der Wegzugsstaat den Wegzug der Gesellschaft auf Ebene des Anteilseigners unter Entstrickungsgesichtspunkten steuerpflichtig stellt.1 Im Übrigen muss ein Ansatz zum gemeinen Wert der Anteile unterbleiben, weil eine entsprechende normative Regelung hierfür nicht vorgesehen ist.2 In der Praxis lässt sich die Gefahr einer Doppelbesteuerung im tatsächlichen Veräußerungfall ggf. durch eine vor dem Wegzug durchzuführende (im ausländischen Staat steuerneutrale) Maßnahme verhindern, die aus deutsch-steuerlicher Sicht als steuerliche Veräußerung der Anteile (zum gemeinen Wert) anzusehen ist. 3. Grenzüberschreitender Formwechsel von Personengesellschaften 20.110
Der grenzüberschreitende Hinaus- oder Hereinformwechsel von Personengesellschaften3 führt im Grundsatz zu keinen unmittelbaren steuerrechtlichen Folgen,4 wenn sich aus der Sicht des deutschen Steuerrechts keine Änderung der Subjektsqualifikation ergibt. Personengesellschaften sind in den einzelnen Staaten zumeist einer dualen Subjektsqualifikation unterworfen: Sie werden entweder als eigenständige Steuersubjekte qualifiziert oder aber, wie etwa in Deutschland, für Zwecke der Ertragsteuern nach Maßgabe der Mitunternehmerkonzeption (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) behandelt.5 Hiernach sind Personengesellschaften nicht mit uneingeschränkter Steuerrechtssubjektivität ausgestattet: Nicht die Personengesellschaft, sondern die an ihr beteiligten Gesellschafter unterliegen der Einkommen-/Körperschaftsteuer. Personengesellschaften sind indessen insoweit beschränkt steuerrechtsfähig, als sie selbst mit den von ihnen geführten Gewerbebetrieben Gewinn erzielen mit der Folge, dass sie insoweit selbständige Gewinnerzielungs- und Gewinnermittlungssubjekte sind.6 Im Hinblick auf diese nur beschränkt gegebene Steuerrechtssubjektivität von Personengesellschaften fehlt es an einer dem § 12 Abs. 1 und 3 KStG vergleichbaren Entstrickungsvorschrift auf Gesellschaftsebene für den Wegzug von Personengesellschaften. Da die Personengesellschaft als solche nicht der Einkommen- oder Körperschaftsteuer unterliegt, ist eine Schlussbesteuerung auf Gesellschaftsebene bei Wegzug auch entbehrlich.7 Entsprechendes gilt für den Zuzug auslän1 Vgl. auch Binnewies in Ziemons/Binnewies, Handbuch Aktiengesellschaft, 2. Abschn. Rz. 86. 2 A.A. Kahle/Cortez, FR 2014, 673 (687). 3 Hierzu Prinz in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 9.29 ff.; Schnittker/Pitzal in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 10.8 ff.; 10.96 ff., Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.191. 4 Im Fall des grenzüberschreitenden Formwechsels von Personengesellschaften kommt es insbesondere zu keiner Betriebsaufgabe, vgl. Schnittker/Pitzal in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 10.103; Prinz in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 9.31. 5 Vgl. hierzu den Überblick der Anlage zum BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258. 6 Hierzu Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 164. 7 Vgl. Prinz in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 9.31. Eine gewerbesteuerliche Entstrickungsregelung gibt es nicht.
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C. Grenzüberschreitende Umwandlungen
discher Personengesellschaften. In allen Fällen bleiben die Gesellschafter als die für die Einkommen- und Körperschaftsteuer maßgeblichen Steuersubjekte identisch: Ihre unbeschränkte oder beschränkte Steuerpflicht ändert sich durch die grenzüberschreitende Sitzverlegung der Personengesellschaft nicht. An der identitätswahrenden Sitzverlegung ändert sich auch nichts dadurch, dass in dem jeweils anderen Staat eine vom deutschen Steuerrecht abweichende Subjektsqualifikation erfolgt. Wird etwa bei Wegzug einer deutschen Personengesellschaft diese in dem anderen Staat als eigenständiges Steuersubjekt behandelt, so verbleibt es dennoch für Zwecke der deutschen Besteuerung allein bei der Qualifikation als Mitunternehmerschaft (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG),1 wenn hiernach die nach Wegzug dem ausländischen Recht unterworfene Personengesellschaft in ihren grundlegenden Strukturmerkmalen einer deutschen Personengesellschaft2 entspricht. Wird dagegen nach Wegzug die Gesellschaft aus der Sicht des deutschen Steuerrechts (ausnahmsweise) als Körperschaft qualifiziert3, erfolgt ein Wechsel im Steuersubjekt und damit zugleich auf Gesellschafterebene ein „Tausch“ von Mitunternehmeranteilen gegen Anteile z.B. an einer ausländischen Kapitalgesellschaft.4 Es spricht jedoch nichts dagegen, diese Konstellation umwandlungssteuerrechtlich nach Verschmelzungsgrundsätzen zu behandeln (§ 25 i.V.m. §§ 20 ff. UmwStG).
20.111
Durch die mit dem grenzüberschreitenden Formwechsel einhergehende Verlegung der Geschäftsleitung einer Personengesellschaft in das Ausland ergibt sich insoweit eine mittelbare steuerliche Folge, als durch eine inländische Geschäftsleitung in aller Regel auch eine Betriebsstätte begründet wird, so dass sich nunmehr wegzugsbedingt auch ein ausländischer Anknüpfungspunkt für die Besteuerung ergibt. Soweit hierdurch etwa ein Zuordnungswechsel von Wirtschaftsgütern von dem inländischen zum ausländischen Betriebsstättenvermögen erfolgt, ergibt sich eine Gewinnrealisierung, soweit hierdurch deutsches Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§§ 4 Abs. 1 Satz 3 und 4; 6 Abs. 1 Nr. 4 Halbs. 2 EStG).5 Beim Hereinformwechsel in das Inland kann sich eine entsprechende steuerliche Folge dadurch ergeben, dass Wirtschaftsgüter des ausländischen Betriebsstättenvermögens nunmehr dem Vermögen der inländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte zuzuordnen sind. Dieser Zuordnungswechsel führt zu einer Verstrickung, so dass die betreffenden Wirtschaftsgüter nunmehr mit dem gemeinen Wert anzusetzen sind (§§ 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2; 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG).6
20.112
1 Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 169. 2 Zu diesem Typenvergleich BFH v. 3.2.1988 – I R 134/84, BStBl. II 1988, 588; v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 17.12.1997 – I R 34/97, BStBl. II 1998, 296. 3 Bspw., weil die nach dem Recht des Zuzugsstaats vorzunehmenden gesellschaftsvertraglichen Anpassungen zu einer steuerrechtlichen Umqualifizierung der Gesellschaft aus deutsch-steuerlicher Sicht führen. 4 Schaumburg, GmbHR 1996, 585 (594). 5 Vgl. Schnittker/Pitzal in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 10.103; Prinz in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 9.31. 6 Vgl. Schnittker/Pitzal in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 10.157.
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
V. Einbringungen durch Einzelrechtsnachfolge 1. Einbringung in Kapitalgesellschaften a) Einbringung von Sachgesamtheiten 20.113
Die grenzüberschreitende Einbringung von Sachgesamtheiten (Betrieb, Teilbetrieb bzw. Mitunternehmeranteil) in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung neuer Anteile an der übernehmenden Gesellschaft führt aus Sicht des Einbringenden1 und der übernehmenden Gesellschaft grds. zu einem Veräußerungsbzw. Anschaffungsvorgang.2 Soweit das durch die Sachgesamtheit verkörperte Betriebsvermögen der inländischen Steuerverhaftung im Rahmen der unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht unter Berücksichtigung von DBA unterliegt, hat der Einbringende die in den Anteilen vorhandenen stillen Reserven in Deutschland nach allgemeinen Grundsätzen zu versteuern, es sei denn, die Einbringung unterfällt dem Anwendungsbereich des UmwStG und insbesondere den Voraussetzungen für eine steuerneutrale Einbringung gemäß § 20 Abs. 2, Abs. 3 UmwStG.3 Die Einbringung von betrieblichen Sachgesamtheiten in Kapitalgesellschaften fällt sachlich in den Anwendungsbereich des UmwStG (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 i.V.m. § 20 UmwStG). Der persönliche Anwendungsbereich des § 20 UmwStG ist eröffnet, wenn die übernehmende Gesellschaft die besonderen EU-/EWR-Voraussetzungen i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG erfüllt (vgl. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG) und der Einbringende4 entweder im EU-/EWRRaum ansässig ist oder das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b UmwStG).5
20.114
Die unter den weiteren Voraussetzungen des § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG mögliche steuerneutrale Einbringung von Sachgesamtheiten in Kapitalgesellschaften gegen Gewährung neuer Anteile6 hängt u.a. davon ab, dass ein bisher bestehendes7 deutsches Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus 1 Zur Frage des Einbringenden bei Übertragungen durch Personengesellschaften s. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 20.03. 2 Vgl. Herlinghaus in R/H/vL2, § 20 UmwStG Rz. 3. 3 § 20 UmwstG, und nicht § 21 UmwStG, ist sachlich auch dann einschlägig, wenn Kapitalgesellschaftsanteile als Bestandteil einer Sachgesamtheit übertragen werden, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 21.01. 4 Bei Personengesellschaften: Deren Gesellschafter, vgl. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Doppelbuchst. aa UmwStG. 5 Zu Einzelheiten Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 11 ff. 6 Die Gewährung neuer Anteile ist nicht nur im Rahmen einer Sachgründung (§ 5 Abs. 4 GmbHG, § 27 AktG, § 7a GenG) bzw. bei einer Kapitalerhöhung durch Sacheinlage (§ 56 GmbHG, §§ 183, 192 ff., 202 AktG) gegeben, sondern auch bei einer Bargründung bzw. Barkapitalerhöhung, wenn die eingebrachten Anteile als Sachagio mitübertragen werden (vgl. BFH v. 7.4.2010 – I R 55/09, BStBl. II 2010, 1094; BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. E 20.09, Tz. 01.44). 7 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 20.19 i.V.m. 03.19.
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C. Grenzüberschreitende Umwandlungen
der Veräußerung des übergehenden Betriebsvermögens bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG).1 In diesem Fall kann die übernehmende Kapitalgesellschaft auf Antrag die übergehenden Wirtschaftsgüter für deutsch-steuerliche Zwecke2 zum Buchwert ansetzen und hiermit über die gemäß § 20 Abs. 3 Satz 1 UmwStG angeordnete Wertverknüpfung die Steuerneutralität der Einbringung für den Einbringenden gewährleisten. Im Einzelnen ergeben sich bei der grenzüberschreitenden Einbringung von Sachgesamtheiten in eine inländische Kapitalgesellschaft (Rz. 20.115 ff.) bzw. eine ausländische Kapitalgesellschaft (Rz. 20.119 ff.) folgende steuerrechtlichen Auswirkungen: aa) Einbringung in inländische Kapitalgesellschaft Der grenzüberschreitende Bezug bei Einbringung einer Sachgesamtheit im Wege der Einzelrechtsnachfolge in eine inländische Kapitalgesellschaft gegen Gewährung neuer Anteile ergibt sich daraus, dass entweder ausländisches Betriebsvermögen eingebracht wird und/oder der Einbringende im Ausland ansässig ist:
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Soweit unbeschränkt Steuerpflichtige ausländisches Betriebsstättenvermögen einbringen, ergeben sich im Regelfall keine Besonderheiten, weil unabhängig davon, ob ein DBA eingreift oder nicht, sich der Anwendungsbereich des § 20 UmwStG für diesen Personenkreis ohne weiteres eröffnet (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a UmwStG) und durch die Einbringung der Sachgesamtheit in die unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft das Besteuerungsrecht Deutschlands für die Gewinne aus der Veräußerung der übergehenden Wirtschaftsgüter nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird, so dass insoweit der Buchwertansatz gem. § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG und damit eine Steuerneutralität möglich ist. Die Einbringung bewirkt im Übrigen grundsätzlich eine Verdoppelung der stillen Reserven, weil nunmehr diese sowohl auf Gesellschaftsebene als auch auf Gesellschafterebene zukünftig der Besteuerung ausgesetzt sind.3 Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn die im Zuge der Einbringung gewährten Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft zu einem ausländischen Betriebsstättenvermögen gehören und hierdurch die Gewinne aus der Veräußerung dieser Anteile abkommensrechtlich4 der deutschen Besteuerung entzogen sind. Erfolgt die Einbringung der Sachgesamtheit durch beschränkt Steuerpflichtige, so ist wie folgt zu differenzieren: Der persönliche Anwendungsbereich ist bei EU-/ 1 Das Bewertungswahlrecht hängt nicht davon ab, ob für die im Zuge der Einbringung erhaltenen Anteile ein deutsches Besteuerungsrecht besteht, vgl. Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 229. Ein solches spielt für nicht im EU-/EWR-Raum ansässige Einbringende im Rahmen des persönlichen Anwendungsbereichs eine Rolle (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG). 2 Der ggf. höhere steuerrechtliche Ansatz für Zwecke des ausländischen Steuerrechts spielt für die Buchwertfortführung im Inland keine Rolle, vgl. Fuhrmann, DStZ 2007, 111 (113). Die Definition des Buchwerts i.S.v. § 1 Abs. 5 Nr. 4 UmwStG knüpft ausschließlich an eine (fiktive) inländische Steuerbilanz an, vgl. Graw in R/H/vL2, § 1 UmwStG Rz. 300. 3 Patt in D/P/M, Vor §§ 20–23 UmwStG Rz. 24. 4 Betriebsstättenprinzip: Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA; vgl. Rz. 19.230, 19.385 ff.
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20.116
Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
EWR-Ansässigkeit des Einbringenden i.S.v. § 1 Abs. 2 UmwStG stets eröffnet (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a UmwStG),1 bei in Drittstaaten ansässigen Einbringenden hingegen nur, wenn das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile der inländischen Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG). Letzteres ist nur dann gegeben, wenn kein DBA besteht2 oder im DBA-Fall ein entsprechendes deutsches Besteuerungsrecht abkommensrechtlich (ausnahmsweise) Deutschland vorbehalten worden ist.3 Andernfalls werden die in Deutschland steuerverhafteten stillen Reserven in dem eingebrachten Betriebsvermögen auch dann steuerpflichtig aufgedeckt, wenn Deutschland an dem eingebrachten Betriebsvermögen ein uneingeschränktes Besteuerungsrecht verbleibt. 20.117
Ist der persönliche Anwendungsbereich bei Einbringung durch beschränkt Steuerpflichtige eröffnet, ist für das eingebrachte Betriebs(stätten)vermögen die Buchwertfortführung möglich, da das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens bei der übernehmenden inländischen Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG) unabhängig davon, ob ein DBA eingreift oder nicht.4 Wird (einheitlich) der Buchwertansatz gewählt und geht einbringungsbedingt Betriebsvermögen über, welches weder vor noch nach der Besteuerung im Inland steuerverhaftet ist (sog. neutrales Vermögen), wird dieses zwar auf Ebene der übernehmenden Kapitalgesellschaft zu Buchwerten übernommen, für den Anteilseigner erhöhen sich die Anschaffungskosten an den erhaltenen Anteilen hingegen um den gemeinen Wert des eingebrachten neutralen Vermögens (§ 20 Abs. 3 Satz 2 UmwStG).5 Für das bisher nicht in Deutschland steuerverhaftete (ausländische) Betriebs(stätten)vermögen kommt es einbringungsbedingt ggf. zur erstmaligen Begründung des deutschen Besteuerungsrechts im Wege einer passiven (rechtlichen) Verstrickung6, wenn bspw. durch die Einbringung eine ausländische Anrechnungsbetriebsstätte auf die inländische Kapitalgesellschaft übergeht.7 Für diesen Fall der einbringungsbedingten Steuerverstrickung enthält § 20 Abs. 2 Satz 2 UmwStG zwar 1 Bei einbringenden ausländischen Personengesellschaften ist erforderlich, dass diese Sitz und Ort der Geschäftsleitung im EU-/EWR-Bereich haben und an der ausländischen Personengesellschaft Personen beteiligt sind, die im EU-/EWR-Bereich ansässig sind (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a UmwStG). 2 Die Gewinne aus der Veräußerung der im Zuge der Einbringung erhaltenen Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft unterliegen gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e EStG der beschränkten Steuerpflicht. 3 Wenn die Anteile einer inländischen Betriebsstätte abkommensrechtlich zuzurechnen sind (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA) oder eine Immobiliengesellschaftsklausel (Art. 13 Abs. 4 OECD-MA) bzw. eine sog. Sitzstaatsklausel zur Anwendung gelangt, vgl. die Abkommensübersichten bei Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 149 und 225. 4 § 8 Abs. 1 KStG i.V. mit § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG; Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECDMA. 5 Vgl. ausf. Herlinghaus in R/H/vL2, § 20 UmwStG Rz. 195 ff. 6 Zur Abgrenzung zwischen passiver (rechtlicher) und aktiver (tatsächlicher) Ent- und Vertstrickung s. Rz. 20.31. 7 Insoweit unterliegt das ausländische Betriebsvermögen künftig erstmals auf Ebene der übernehmenden Kapitalgesellschaft der inländischen Besteuerung.
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C. Grenzüberschreitende Umwandlungen
keine ausdrückliche Regelung. Insoweit kommt aber – dem gesetzgeberischen Willen entsprechend1 – auf der Ebene der übernehmenden Kapitalgesellschaft über § 8 Abs. 1 KStG die allgemeine Verstrickungsregelung des § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG zur Anwendung.2 Damit wird der gemeine Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG) für den Ansatz dieser übergehenden Wirtschaftsgüter zwingend. Hieran ändert auch der Umstand, dass das in § 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG verankerte Wahlrecht nur einheitlich ausgeübt werden kann, nichts, da der Wertansatz insoweit zwingend und somit dem Bewertungswahlrecht von vornherein nicht zugänglich ist.3 Für den Anteilseigner erhöhen sich die Anschaffungskosten an den erhaltenen Anteilen auch hier (erst recht) um den gemeinen Wert des eingebrachten (neuverstrickten) Vermögens.4 Ein etwa durch den Ansatz des neutralen oder neuverstrickten Vermögens mit dem gemeinen Wert ausgelöster Einbringungsgewinn wird außerhalb der Reichweite der beschränkten Steuerpflicht erzielt, so dass insoweit eine deutsche Besteuerung ausscheidet.5 Wird dagegen in den übrigen Fällen der beschränkten Steuerpflicht das Wahlrecht im Sinne des Buchwertansatzes nicht ausgeübt, unterliegt ein hierdurch ausgelöster Übertragungsgewinn (Einbringungsgewinn; § 20 Abs. 3 und 4 UmwStG) gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG der Besteuerung, ohne dass diese durch ein DBA (Art. 7 Abs. 1, 13 Abs. 2 OECD-MA) eingeschränkt wird.
20.118
bb) Einbringung in ausländische Kapitalgesellschaft Im Zuge der Einbringung von Sachgesamtheiten in ausländische Kapitalgesellschaften gegen Gewährung neuer6 Anteile werden steuerliche Folgen im Inland regelmäßig nur dann ausgelöst, wenn die Einbringung entweder durch unbeschränkt Steuerpflichtige erfolgt oder inländisches Betriebsstättenvermögen übergeht: Der persönliche Anwendungsbereich des § 20 UmwStG ist nicht eröffnet und eine Steuerneutralität für deutsch-steuerliche Zwecke von vornherein ausgeschlossen, wenn die Einbringung nicht in eine Kapitalgesellschaft mit dem erforderlichen EU-/EWR-Bezug i.S.v. § 1 Abs. 2 UmwStG, sondern in eine in einem 1 Vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum SEStEG, BT-Drucks. 16/2719, 43. 2 Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 228; Schmitt in S/H/S7, § 20 UmwStG Rz. 280, 297, 304, 325; Sterner in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 7.110; Kahle/Vogel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 12.136; Henkel in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 10.231; Förster/ Wendland, BB 2007, 631 (634); Damas, DStZ 2007, 129 (137); Ley, FR 2007, 109 (112); a.A. Herlinghaus in R/H/vL2, § 20 UmwStG Rz. 167. 3 Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 228; a.A. Herlinghaus in R/H/vL2, § 20 UmwStG Rz. 167. 4 Vgl. Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 228; Henkel in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 10.231; Schmitt/Schloßmacher, UmwStE 2011, 267. 5 Vgl. BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663. 6 Im Hinblick auf die Vorgaben der FRL ist bei grenzüberschreitenden Einbringungen in EU-/EWR-Kapitalgesellschaften auch die Ausgabe eigener Anteile der übernehmenden Gesellschaft ausreichend, vgl. Schmitt in S/H/S7, § 20 UmwStG Rz. 205; Henkel in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 10.202.
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
Drittstaat ansässige Kapitalgesellschaft erfolgt (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Regelmäßig ist der persönliche Anwendungsbereich auch dann nicht eröffnet, wenn die Einbringung durch einen in einem Drittstaat ansässigen Einbringenden vorgenommen wird, da ein deutsches Besteuerungsrecht an den erhaltenen Anteilen an der EU-/EWR-Kapitalgesellschaft mangels beschränkter Steuerpflicht im Inland – abgesehen von wenigen Ausnahmen1 – ausgeschlossen ist (vgl. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwStG). Ist der persönliche Anwendungsbereich eröffnet, hängt die Steuerneutralität für das in Deutschland steuerverhaftete Betriebsvermögen wiederum davon ab, ob das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens bei der übernehmenden EU-/EWR-Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG). Hierzu gilt Folgendes: 20.120
Geht im Zuge der Einbringung inländisches Betriebsstättenvermögen über, bleibt das bisherige deutsche Besteuerungsrecht regelmäßig erhalten. Ist die übernehmende EU-/EWR-Kapitalgesellschaft in einem Nicht-DBA-Staat ansässig, kann eine spätere Veräußerungsgewinnbesteuerung uneingeschränkt im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht erfolgen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Gleiches gilt, wenn die übernehmende Kapitalgesellschaft in einem DBA-Staat ansässig ist und Deutschland nach dem einschlägigen DBA weiterhin die Gewinne aus der Veräußerung der Wirtschaftsgüter besteuern kann, bspw. weil es sich um im Inland belegenes unbewegliches Vermögen handelt (vgl. Art. 13 Abs. 1 OECD-MA) oder die übernommenen Wirtschaftsgüter einer inländischen Betriebsstätte (Art. 5 OECD-MA) abkommensrechtlich zuzurechnen sind (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA, sog. Betriebsstättenvorbehalt). Ein möglicher Wechsel in der (abkommensrechtlichen) Zuordnung von Wirtschaftsgütern aus der inländischen Betriebsstätte in eine ausländische Betriebsstätte ist tatsächlicher Natur und vollzieht sich regelmäßig erst im Anschluss an den für Zwecke des § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG maßgeblichen Einbringungszeitpunkt.2 Insoweit bleibt die Buchwertfortführung gemäß § 20 Abs. 2 UmwStG möglich, es kommt aber im Zeitpunkt des tatsächlichen Zuordnungswechsels zu einer Enstrickung nach allgemeinen Grundsätzen auf Ebene der übernehmenden Kapitalgesellschaft (§ 12 Abs. 1 KStG).
20.121
In den Fällen, in denen im Zuge der Einbringung ausländisches Betriebsstättenvermögen3 übergeht, tritt eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts grds. nur bei unbeschränkt steuerpflichtigen Einbringenden ein, wenn vor der Einbringung ein deutsches Besteuerungsrecht gegeben war, weil entweder kein DBA bestand oder das einschlägige DBA für Veräußerungsgewinne die Anrechnungsmethode vorsah.4 1 Ausnahme: Die Anteile sind einer inländischen Betriebsstätte zuzurechnen (§ 49 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG. In diesem Fall ist der persönliche Anwendungsbereich auch für in Drittstaaten ansässige Einbringende erfüllt, wenn kein DBA besteht oder im DBAFall Deutschland das Besteuerungsrecht an den Veräußerungsgewinnen ausnahmsweise vorbehalten ist. 2 Vgl. auch Förster in FS Endres, 113 (117). 3 Es spielt hierbei grundsätzlich keine Rolle, ob die zum ausländischen Betriebsstättenvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter im Inland oder im Ausland belegen sind. 4 Vgl. auch Henkel in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 10.204.
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C. Grenzüberschreitende Umwandlungen
Wird das Wahlrecht nicht ausgeübt, so dass die übergehenden Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert anzusetzen sind (§ 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG), ergeben sich Besteuerungsfolgen hinsichtlich des im Ausland belegenen übergehenden Vermögens unter den folgenden Gesichtspunkten: Greift kein DBA, kann die ausländische Steuer grds. auf eine auf den Einbringungsgewinn anfallende deutsche Einkommen- oder Körperschaftsteuer1 angerechnet werden (§ 34c EStG, § 26 KStG). In Abkommensfällen stellt sich ggf. zunächst die Frage, ob der Einbringungsgewinn abkommensrechtlich den Unternehmensgewinnen (Art. 7 OECD-MA)2, den Veräußerungsgewinnen (Art. 13 Abs. 2 oder Abs. 5 OECDMA)3 oder den sonstigen Einkünften (Art. 21 OECD-MA) unterfällt, da hiervon abhängen kann, ob nach dem DBA die Anrechnungs- oder Freistellungsmethode anzuwenden ist.4 Sieht das DBA zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen (ausnahmsweise) generell5 oder speziell6 die Anrechnungsmethode vor, kommt eine Besteuerung in Deutschland zum Tragen, jedoch unter Anrechnung etwaiger ausländischer Steuern (§ 34c Abs. 1 EStG, § 26 KStG). Schließt das DBA eine Anrechnung auf die Gewerbesteuer nicht ausdrücklich aus, muss Deutschland auch eine Anrechnung der ausländischen Steuern die Gewerbesteuer zulassen (s. Rz. 19.554). Regelmäßig gehen zwar die deutschen DBA nicht nur für unbewegliches Auslandsvermögen7, sondern auch für ausländische Betriebsstättengewinne von der Freistellungsmethode aus. (s. Rz. 19.521 ff.) Insbesondere die jüngere deutsche Abkommenspolitik schränkt jedoch die grundsätzliche Steuerfreistellung ausländischer Betriebsstättengewinne (hier: Einbringungsgewinn) im Wege abkommensrechtlicher Aktivitätsvorbehalte (s. Rz. 19.515)8 oder Subjectto-Tax-Klauseln (s. Rz. 19.522)9 ein.10 Enthält das einschlägige DBA eine Aktivitätsklausel, so ist Deutschland berechtigt, auf den Einbringungsgewinn anstatt der Freistellungsmethode die Anrechnungsmethode anzuwenden,11 wenn in 1 Mangels Anrechnungsvorschriften aber nicht auf die Gewerbesteuer. 2 Wassermeyer in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (122); Viebrock/Hagemann, FR 2009, 737 (738); Klingberg/van Lishaut, FR 1999, 1222. 3 Vgl. Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 17; Gradel/Kleinhans in S/K/K, Art. 13 OECD-MA Rz. 7; Lieber in S/D, Art. 13 OECD-MA Rz. 36; Meretzki in F/W/K, Art. 13 DBA-Schweiz Rz. 76; Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.27; Jäschke/Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerecht, Rz. 6.20. 4 Die Beurteilung kann im Einzelfall für die Anwendbarkeit einer sog. Aktivitätsklausel oder einer Anrechnung etwaiger ausländischer Steuern von Bedeutung sein, vgl. Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.27; Jäschke/ Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerecht, Rz. 6.20 mit Fn. 1. 5 Bspw. Art. 22 Abs. 1 DBA-VAE. 6 Im Regelfall wird die Anrechnungsmethode nur für bestimmte Einkünfte vereinbart, vgl. Rz. 19.552. 7 Insoweit kann regelmäßig offenbleiben, ob die Umwandlung abkommensrechtlich eine Veräußerung darstellt, da die Rechtsfolgen von Art. 6 Abs. 1 bzw. Art. 13 Abs. 1 OECD-MA i.V. mit Art. 23 Abs. 1 OECD-MA aus Sicht des Ansässigkeitsstaats grds. übereinstimmen. 8 Ausf. allg. Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 84 ff. 9 Ausf. allg. Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 73 ff. 10 Zu deren Anwendung im Bereich von Umwandlungen ausf. Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.59 ff. 11 Mit der Folge der uneingeschränkten Besteuerung, da der ausländische Staat die Umwandlung zum Buchwert zulässt.
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20.122
Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
der ausländischen Betriebsstätte vor der Einbringung keine „aktive“ Tätigkeit i.S. der Aktivitätsklausel ausgeübt wurde.1 Jenseits dessen stellt sich die Frage, ob bei Steuerfreiheit der Umwandlung im ausländischen Staat die abkommensrechtliche Freistellung des Übertragungsgewinns mangels „tatsächlicher Besteuerung“ im anderen Vertragsstaat durch eine Subject-to-Tax-Klausel suspendiert werden kann.2 Bezieht man zutreffend die (voraussichtliche) spätere Besteuerung der stillen Reserven im ausländischen Staat im Fall der tatsächlichen Veräußerung in die Betrachtung mit ein,3 finden die abkommensrechtlichen Subject-to-Tax-Klauseln auch bei Umwandlungen zu Buchwerten keine Anwendung.4 Dies dürfte auch den Erwägungen in dem zur Anwendung von Subject-to-Tax-Klauseln veröffentlichten BMF-Schreiben v. 20.6.20135 entsprechen.6 Hingegen hat der BFH zu den (wenigen) sog. Quellenregeln7 im Zusammenhang mit einem Formwechsel unter Buchwertfortführung den Rückfall des Besteuerungsrechts an Deutschland bejaht.8 Innerstaatliche Vorbehaltsklauseln (§ 50d Abs. 9 Nr. 19 bzw. Nr. 210 EStG, § 20 Abs. 2 AStG11) kommen regelmäßig nicht zum Tragen.12 20.123
Für den unbeschränkt steuerpflichtigen Einbringenden kann es vorteilhaft sein, auf eine Buchwertfortführung für deutsch-steuerliche Zwecke zu verzichten, die Einbringung von ausländischem Betriebsstättenvermögen nach ausländischem Steuerrecht aber zu Buchwerten steuerneutral durchzuführen.13 Im Idealfall 1 Vgl. Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.59; Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.126. 2 Hierzu Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.59; Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.132 ff.; Hruschka/Schicketanz, ISR 2015, 164 ff. 3 Vgl. Schönfeld, IStR 2013, 757 (759); Gebhardt/Reppel, IStR 2013, 760 (763 f.); Schönfeld/Häck, ISR 2013, 168 (174); Mouldi/Loose, IStR 2012, 829 (833 f.). 4 A.A. Hruschka/Schicketanz, ISR 2015, 164 (166 ff.) unter Hinweis auf die unterschiedlichen Steuerpflichtigen und eine fehlende Doppelbesteuerung im abkommensrechtlichen Sinne. 5 BMF v. 20.6.2013 – IV B 2 - S 1300/09/10006 – DOK 2013/0539717, BStBl. I 2013, 980. 6 Insoweit lassen sich Buchwerteinbringungen als (unschädliche) „temporäre“ oder „permanente Differenz“ einstufen, vgl. BMF v. 20.6.2013 – IV B 2 - S 1300/09/10006 – DOK 2013/0539717, BStBl. I 2013, 980, Tz. 2.3; Gebhardt/Reppel, IStR 2013, 760 (763 f.); Lüdicke, IStR 2013, 721 (728). 7 Diese sehen vor, dass Einkünfte (nur dann) aus dem anderen Vertragsstaat „stammen“, wenn sie dort (effektiv) besteuert wurden, hierzu ausf. Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B Rz. 75. 8 BFH v. 17.10.2007 – I R 96/06, BStBl. II 2008, 953 zu Prot. Nr. 16 Buchst. d zum DBA-Italien. 9 Die Nichtbesteuerung im ausländischen Staat beruht nicht auf einem abkommensrechtlichen Qualifikationskonflikt, sondern dem ausländischen innerstaatlichen Steuerrecht. 10 Die Steuerfreistellung beruht grds. nicht darauf, dass der Steuerpflichtige im ausländischen Staat nur beschränkt steuerpflichtig ist. 11 Es handelt sich um einen „aktiven“ Umwandlungsgewinn i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG, da die Umwandlung zu Buchwerten hätte erfolgen können. 12 Ausf. Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.122 ff. 13 Beispiel bei Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.116 ff.
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C. Grenzüberschreitende Umwandlungen
bleibt der sich durch den Ansatz der gemeinen Werte in Deutschland ergebende Einbringungsgewinn nach dem einschlägigen DBA (auch) im Inland steuerfrei (Art. 23 Abs. 1 i.V.m. Art. 13 Abs. 2 OECD-MA), während nach der Umwandlung nur noch Deutschland abkommensrechtlich das Besteuerungsrecht an den Gewinnen aus der Veräußerung der Kapitalgesellschaftsanteile zusteht (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). Die stillen Reserven in dem übertragenen Betriebsvermögen bleiben zwar auf Ebene der ausländischen Kapitalgesellschaft grds. steuerverhaftet, der Einbringende kann bei einem anschließenden Verkauf der Kapitalgesellschaftsanteile den Vermögenszuwachs aber ggf. steuerfrei realisieren.1 Geht die Einbringung mit einer Besteuerung von stillen Reserven einher, die auf eine in einem anderen EU-Mitgliedstaat belegene Anrechnungsbetriebsstätte entfällt, ist bei Buchwertfortführung im ausländischen Staat die (fiktive) ausländische Steuer unter den Voraussetzungen des Art. 10 FRL anzurechnen, die bei einer Veräußerung zum gemeinen Wert erhoben worden wäre (§ 20 Abs. 7 i.V.m. § 3 Abs. 3 UmwStG).2 Zudem sieht § 20 Abs. 8 UmwStG für praktisch eher seltene Fälle die Anrechnung einer fiktiven ausländischen Steuer vor, wenn Mitunternehmeranteile an einer sog. hybriden EU-Gesellschaft in eine EU-Kapitalgesellschaft eingebracht werden und Deutschland das Besteuerungsrecht an einer (nachgeschaltenen) Anrechnungsbetriebsstätte verliert.3
20.124
cc) Besteuerung bei späterer Veräußerung der erhaltenen Anteile Die im Zuge der Einbringung erhaltenen Anteile unterliegen auf Gesellschafterebene in Zukunft nach allgemeinen Grundsätzen der unbeschränkten bzw. beschränkten Steuerpflicht unter Berücksichtigung von DBA. Unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 bzw. Abs 2 UmwStG kommt es zu einer rückwirkenden Besteuerung des Einbringungsgewinns I bzw. II, wenn die erhaltenen Anteile innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist veräußert werden oder ein der Veräußerung steuerlich gleichgestellter Vorgang verwirklicht wird (ausf. Rz. 20.64 ff.).4 Für einen beschränkt Steuerpflichtigen kann die in Deutschland zu Buchwerten erfolgende Einbringung von inländischem Betriebsvermögen in eine in- oder ausländische Kapitalgesellschaft in Abkommensfällen vorteilhaft sein, wenn Deutschland an den Gewinnen aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile ab1 Dies gilt natürlich nur, soweit nicht (i) zwischenzeitlich neue stille Reserven entstanden sind, (ii) das ausländische Steuerrecht eine dem § 22 Abs. 1 UmwStG entsprechende rückwirkende Besteuerung eines Einbringungsgewinns nicht kennt und (iii) der ausländische Staat auch nicht im Wege eines Treaty Override die Gewinne aus der späteren Veräußerung der Kapitalgesellschaftsanteile der Besteuerung unterwirft. 2 Vgl. hierzu BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 20.36. Bspw. im Verhältnis zu Zypern, Art. 22 Abs. 1 i.V.m. Art. 13 Abs. 3 DBA-Zypern, (Bsp. bei Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.279) oder – bei fehlenden aktiven Tätigkeiten – bspw. Portugal, Prot. Nr. 8 zu Art. 24 DBA-Portugal (Bsp. bei Schell, FR 2012, 101 (104)). Einzelheiten zur fiktiven Steueranrechnung Kahle/Vogel, ISR 2013, 234 ff.; Mutscher, IStR 2010, 820 ff. 3 Vgl. mit Beispielen BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 20.37; Kahle/Vogel, ISR 2013, 234 (239); Heerdt, IStR 2012, 866 (870); Brähler/Heerdt, StuW 2007, 260. 4 Zum Verstoß der Besteuerung eines Einbringungsgewinns unabhängig von einer Missbrauchsprüfung gegen die FRL s. Förster in FS Endres, 113 (115) m.w.N.
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20.125
Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
kommensrechtlich kein Besteuerungsrecht hat (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA)1 und der Ansässigkeitsstaat des Einbringenden für steuerrechtliche Zwecke von einer gewinnrealisierenden Einbringung, die aber bei Anwendung eines abkommensrechtlichen Betriebsstättenvorbehalts nicht steuerpflichtig ist, ausgeht, so dass er für die erhaltenen Anteile den gemeinen Wert zum Einbringungszeitpunkt als steuerrechtliche Anschaffungskosten berücksichtigt.2 Nach Ablauf der siebenjährigen Sperrfrist i.S.v. § 22 Abs. 1 bzw. Abs. 2 UmwStG kann der Anteilseigner bei einem Verkauf der erhaltenen Anteile die bis zur Einbringung in dem eingebrachten inländischen Betriebsvermögen entstandenden stillen Reserven steuerfrei vereinnahmen. b) Anteilstausch 20.126
Die grenzüberschreitende Übertragung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in eine andere Kapitalgesellschaft gegen Gewährung neuer Anteile an der übernehmenden Gesellschaft3 führt aus Sicht des Einbringenden und der übernehmenden Gesellschaft grds. zu einem Veräußerung- bzw. Anschaffungsvorgang.4 Soweit die Anteile der inländischen Steuerverhaftung im Rahmen der unbeschränkten oder beschränkten Steuerpflicht unter Berücksichtigung von DBA unterliegen, hat der Einbringende die in den Anteilen vorhandenen stillen Reserven in Deutschland nach allgemeinen Grundsätzen zu versteuern, es sei denn, er kann gemäß § 21 Abs. 2 UmwStG5 die Anschaffungskosten bzw. Buchwerte für die übertragenenen Anteile fortführen. Der Anteilstausch fällt sachlich in den Anwendungsbereich des UmwStG (§ 1 Abs. 3 Nr. 5 i.V.m. § 21 UmwStG).6 § 21 UmwStG erfasst zwar grds. auch den grenzüberschreitenden Austausch von Kapitalgesellschaftsanteilen durch Gesamtrechtsnachfolge im Wege der Ausgliederung.7 Rechtspraktisch ist diese grenzüberschreitend derzeit aber (noch) nicht 1 Das Bewertungswahlrecht des § 20 Abs. 2 UmwStG hängt nicht davon ab, ob für die im Zuge der Einbringung erhaltenen Anteile ein deutsches Besteuerungsrecht besteht, vgl. Patt in D/P/M, § 20 UmwStG Rz. 229. Ein solches spielt nur für nicht im EU-/EWRRaum ansässige Einbringende im Rahmen des persönlichen Anwendungsbereichs eine Rolle (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG). 2 Der Ansässigkeitsstaat des Einbringenden ist weder aus abkommensrechtlichen noch unionsrechtlichen Gründen gezwungen, als Anschaffungskosten den Wert anzusetzen, mit dem das Betriebsvermögen in Deutschland auf Ebene der übernehmenden Gesellschaft angesetzt wird, a.A. wohl Beiser, DB 2009, 645 ff. 3 Bspw. zur Etablierung in- oder ausländischer Zwischenholdings, vgl. Schaden/Polatzky in Lutter, Holding-Handbuch5, Rz. 16.38 ff., 16.50 ff. 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 21.07. 5 Nicht § 21 UmwStG, sondern § 20 UmwstG ist hingegen sachlich einschlägig, wenn die Kapitalgesellschaftsanteile als Bestandteil einer Sachgesamtheit übertragen werden, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 21.01. 6 Für in den Anteilstausch involvierte ausländische (zu übertragende oder übernehmende) Gesellschaften ist nach dem Typenvergleich zu entscheiden, ob für deutsch-steuerrechtliche Zwecke von einer Kapitalgesellschaft auszugehen ist, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 21.05. 7 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.46.
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C. Grenzüberschreitende Umwandlungen
durchführbar (s. Rz. 20.2), so dass der Anteilstausch im Wege der Einzelrechtsübertragung hier im Vordergrund steht. Der persönliche Anwendungsbereich des § 21 UmwStG ist eröffnet, wenn die übernehmende Gesellschaft die besonderen EU-/EWR-Voraussetzungen i.S.v. § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG erfüllt (vgl. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Hingegen können sowohl der Einbringende1 als auch die Gesellschaft, an der die zu übertragenen Anteile bestehen (erworbene Gesellschaft), in einem Drittstaat ansässig sein.2 Voraussetzung der Steuerneutraltität des Anteilstauschs auf Ebene des Einbringenden3 ist zunächst, dass es sich um eine Übertragung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in eine andere Kapitalgesellschaft gegen Gewährung neuer Anteile4 an der übernehmenden Gesellschaft handelt und die übernehmende Gesellschaft nach der Einbringung aufgrund ihrer Beteiligung einschließlich der eingebrachten Anteile nachweisbar unmittelbar die Mehrheit der Stimmrechte an der erworbenen Gesellschaft hat (sog. qualifizierter Anteilstausch, § 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG). Setzt die übernehmende Gesellschaft die erhaltenen Anteile mit dem Buchwert an, gilt dieser für den Einbringenden grds. als Veräußerungspreis der eingebrachten Anteile und als Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile an der übernehmenden Gesellschaft (§ 21 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Hiervon abweichend gilt für den Einbringenden jedoch der gemeine Wert der eingebrachten Anteile als Veräußerungspreis und als Anschaffungskosten der erhaltenen Anteile, wenn nach der Einbringung das Besteuerungsrecht Deutschlands hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der eingebrachten Anteile5 oder der erhaltenen Anteile ausgeschlossen oder beschränkt ist (§ 21 Abs. 2 Satz 2 UmwStG).6 In diesem Fall kann der Einbringende die Steuerneutralität wiederum auf Antrag herstellen, wenn (i) nach der Einbringung das Besteuerungsrecht Deutschlands an den Gewinnen aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile uneingeschränkt besteht (§ 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UmwStG)7 oder (ii) der
1 § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UmwStG bezieht sich nicht auf § 1 Abs. 3 Nr. 5 UmwStG. Von der Anwendbarkeit des UmwStG zu trennen ist die Frage, ob der Anteilstausch bei einem in einem Drittstaat Ansässigen zu Buchwerten erfolgen kann, vgl. § 21 Abs. 2 Satz 2 ff. UmwStG. 2 Vgl. stv. Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.328. 3 Für sog. Kleingesellschafter i.S.v. § 20 Abs. 2 EStG gilt hingegen nicht § 21 Abs. 2 UmwStG, sondern abschließend § 20 Abs. 4a EStG, wonach die Steuerneutralität unter ähnlichen Voraussetzungen möglich ist. 4 Die Gewährung neuer Anteile ist nicht nur im Rahmen einer Sachgründung (§ 5 Abs. 4 GmbHG, § 27 AktG, § 7a GenG) bzw. bei einer Kapitalerhöhung durch Sacheinlage (§ 56 GmbHG, §§ 183, 192 ff., 202 AktG) gegeben, sondern auch bei einer Bargründung bzw. Barkapitalerhöhung, wenn die eingebrachten Anteile als Sachagio mitübertragen werden (vgl. BFH v. 7.4.2010 – I R 55/09, BStBl. II 2010, 1094; BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. E 20.09, Tz. 01.44). 5 Vorausgesetzt ist insoweit, dass ein solches Besteuerungsrecht vor der Einbringung bestand, vgl. stv. Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.342. 6 Ausf. Becker-Pennrich, IStR 2007, 684 ff. 7 Dies ist systemgerecht, da die bisherigen stillen Reserven in den eingebrachten Anteilen nun an den erhaltenen Anteilen fortbestehen, vgl. Mayer, PIStB 2009, 186 (192).
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
Gewinn aus dem Anteilstausch unter den Voraussetzungen des Art. 8 FRL1 nicht (sofort) besteuert werden darf, wobei insoweit die Besteuerung nur bis zu einer späteren tatsächlichen Veräußerung der erhaltenen Anteile hinausgeschoben wird (§ 21 Abs. 3 Satz 3 Nr. 2 UmwStG). Vor diesem Hintergrund ergeben sich je nach Ansässigkeit des Einbringenden und der übernehmenden Kapitalgesellschaft folgende Konsequenzen: aa) Steuerfolgen auf Ebene unbeschränkt steuerpflichtiger Anteilseigner 20.128
Bringt ein unbeschränkt Steuerpflichtiger Anteile an einer ausländischen Kapitalgesellschaft in eine inländische Kapitalgesellschaft im Wege des qualifizierten Anteilstausches ein, steht dem Buchwertansatz § 21 Abs. 2 Satz 2 UmwStG nicht entgegen, da das Besteuerungsrecht an den eingebrachten und den erhaltenen Anteilen nach der Einbringung uneingeschränkt besteht bzw. bzgl. der eingebrachten Anteile sich auch im DBA-Fall nicht verändert.
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Bringt ein unbeschränkt Steuerpflichtiger Anteile an einer inländischen oder ausländischen Kapitalgesellschaft in eine EU-/EWR-Kapitalgesellschaft ein, kann die übernehmende Gesellschaft für deutsch-steuerliche Zwecke die Anteile auf Antrag mit den Buchwerten übernehmen (§ 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG), ohne dass es auf den Ansatz für Zwecke des ausländischen Steuerrechts ankäme.2 Aus Sicht des Einbringenden wird die (automatische) Wertverknüpfung i.S.v. § 21 Abs. 2 Satz 1 UmwStG zwar regelmäßig gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2 UmwStG suspendiert, da jedenfalls die eingebrachten Anteile nach der Einbringung mangels inländischem Anknüpfungspunkt nicht mehr in Deutschland steuerverhaftet sind (bei Einbringung der Anteile an ausländischer Gesellschaft) bzw. das einschlägige DBA3 ein deutsches Besteuerungsrecht ausschließt (bei Einbringung der Anteile an inländischer Gesellschaft).4 Regelmäßig kann der Einbringende in diesem Fall aber die Buchwertfortführung durch Antrag gemäß § 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UmwStG wählen, da das deutsche Besteuerungsrecht an den Gewinnen aus der Veräußerung der erhaltenen Anteilen auch nicht durch ein einschlägiges DBA ausgeschlossen oder beschränkt wird (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). Etwas anderes gilt aber, wenn nach dem zwischen Deutschland und dem Ansässigkeitsstaat der übernehmenden Gesellschaft vereinbarten DBA Deutschland im Fall der Veräußerung der erhaltenen Anteile zur Anrechnung ausländischer Steu1 Einschränkende Voraussetzung ist hier u.a., dass die übernehmende Kapitalgesellschaft sowie die zu übertragende Kapitalgesellschaft in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten ansässig sein müssen (Art. 2 Buchst. d i.V.m. Art. 1 Buchst. a FRL), vgl. Rabback in R/H/vL2, § 21 UmwStG Rz. 116a. Weiter dürfen bare Zuzahlungen 10 % des Nennwerts bzw. des rechnerischen Werts der ausgegebenen Anteile an der ausländischen Zwischenholding nicht übersteigen (Art. 2 Buchst. d FRL). 2 Fuhrmann, DStZ 2007, 111 (113).Vgl. die Definition des Buchwerts i.S.v. § 1 Abs. 5 Nr. 4 UmwStG, die an eine (fiktive) inländische Steuerbilanz anknüpft, vgl. Graw in R/H/vL2, § 1 UmwStG Rz. 300. 3 Art. 13 Abs. 5 OECD-MA. Ausnahmen bestehen in Fällen einer Immobiliengesellschaftsklausel (Art. 13 Abs. 4 OECD-MA) oder einer sog. Sitzstaatsklausel, vgl. die Abkommensübersichten bei Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 149 und 225. 4 Vgl. Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.353.
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C. Grenzüberschreitende Umwandlungen
ern verpflichtet ist.1 In diesem Fall kann der unbeschränkt Steuerpflichtige die Sofortbesteuerung eines Veräußerungsgewinns auf Antrag gemäß § 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 UmwStG nur unter den (einschränkenden) Voraussetzungen des Art. 8 FRL2 vermeiden. Übt er das Wahlrecht aus, besteuert Deutschland den Gewinn aus einer späteren tatsächlichen Veräußerung der erhaltenen Anteile ungeachtet der Bestimmungen eines DBA in der gleichen Art und Weise, wie die Veräußerung der Anteile an der erworbenen Gesellschaft zu besteuern gewesen wäre.3 bb) Steuerfolgen auf Ebene beschränkt steuerpflichtiger Anteilseigner Bringt ein beschränkt Steuerpflichtiger Anteile an einer ausländischen Kapitalgesellschaft in eine inländische Kapitalgesellschaft im Wege des qualifizierten Anteilstausches ein, werden die Anteile an der eingebrachten Kapitalgesellschaft in Deutschland erstmals steuerverstrickt.4 Insoweit ist ein Ansatz der eingebrachten Anteile zum Buchwert auf Ebene der übernehmenden Kapitalgesellschaft zwar weiterhin möglich (§ 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG),5 es kommt aber eine logische Sekunde später zwingend zu einer (steuerneutralen) Verstrickung der erhaltenen Anteile zum gemeinen Wert (§ 4 Abs. 1 Satz 8 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG). Für den Einbringenden spielt der Wertansatz insoweit keine Rolle, als ein Veräußerungsgewinn aus der Einbringung in Deutschland idR nicht steuerpflichtig ist. Eine Fortführung der Buchwerte wäre – soweit nach § 21 Abs. 2 UmwStG möglich – für ihn auch nicht sinnvoll, da er hierdurch stille Reserven in Deutschland steuerverstrickt, die er ggf. schon in seinem Ansässigkeitsstaat bei der Einbringung versteuert hat.
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Bringt ein beschränkt Steuerpflichtiger Anteile an einer inländischen Kapitalgesellschaft in eine EU-/EWR-Kapitalgesellschaft ein, kann die übernehmende Gesellschaft für deutsch-steuerliche Zwecke die Anteile auf Antrag mit den Buch-
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1 Bspw. aufgrund einer Immobiliengesellschaftsklausel (Art. 13 Abs. 4 OECD-MA) oder einer sog. Sitzstaatsklausel, vgl. die Abkommensübersichten bei Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 149 und 225. 2 Einschränkende Voraussetzung ist hier u.a., dass die übernehmende Kapitalgesellschaft sowie die zu übertragende Kapitalgesellschaft in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten (nicht: EWR)ansässig sein müssen (Art. 2 Buchst. d i.V.m. Art. 1 Buchst. a FRL), vgl. Rabback in R/H/vL2, § 21 UmwStG Rz. 116a. Weiter dürfen bare Zuzahlungen 10 % des Nennwerts bzw. des rechnerischen Werts der ausgegebenen Anteile an der ausländischen Zwischenholding nicht übersteigen (Art. 2 Buchst. d FRL). 3 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 21.15 (Beispiel 2). Zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen ist es aber sachgerecht, das Besteuerungsrecht Deutschlands auf den bis zur Einbringung entstandenden Wertzuwachs zu beschränken bzw. für den überschießenden Teil eine hierauf etwaig entfallende ausländische Steuer anzurechnen, vgl. hierzu Benz/Rosenberg, DB-Beilage 1/2012, 38 (46). 4 Dies gilt selbst dann, wenn Deutschland bei einer tatsächlichen Veräußerung nach dem einschlägigen DBA die ausländischen Steuern anrechnen müsste. Denn auch insoweit wurde das deutsche Besteuerungsrecht erstmalig begründet i.S.v. § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG, wenn auch unter der (beschränkenden) Anrechnungsverpflichtung. 5 A.A. (zwingender Ansatz zum gemeinen Wert): Vgl. Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.335; Kahlenberg/Mair/Strauch, StuB 2013, 698 (700); Brähler/Blankemeyer, RIW 2012, 288 (293).
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werten übernehmen (§ 21 Abs. 1 Satz 2 UmwStG), ohne dass es auf den Ansatz für Zwecke des ausländischen Steuerrechts ankäme.1 Aus Sicht des Einbringenden wird die (automatische) Wertverknüpfung i.S.v. § 21 Abs. 2 Satz 1 UmwStG regelmäßig gemäß § 21 Abs. 2 Satz 2 UmwStG suspendiert, da die erhaltenen Anteile nach der Einbringung mangels inländischem Anknüpfungspunkt nicht mehr in Deutschland steuerverhaftet sind.2 Soweit vor der Einbringung schon kein deutsches Besteuerungsrecht an den Gewinnen aus der Veräußerung der eingebrachten Anteile bestand,3 macht ein Antrag i.S.v. § 21 Abs. 2 Satz 3 UmwStG für den Steuerpflichtigen grds. keinen Sinn. Da ein deutsches Besteuerungsrecht an den Gewinnen aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile nach der Einbringung nur selten bestehen wird,4 kann der beschränkt Steuerpflichtige die Sofortbesteuerung eines Veräußerungsgewinns ohnehin nur auf Antrag5 gemäß § 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 UmwStG unter den (einschränkenden) Voraussetzungen des Art. 8 FRL6 vermeiden. Übt er das Wahlrecht aus, besteuert Deutschland den Gewinn aus einer späteren tatsächlichen Veräußerung der erhaltenen Anteile ungeachtet der Bestimmungen eines DBA in der gleichen Art und Weise, wie die Veräußerung der Anteile an der erworbenen Gesellschaft zu besteuern gewesen wäre.7 Bei späterer tatsächlicher Veräußerung begründet § 49 Abs. 1 Buchst. e Doppelbuchst. bb EStG für die Nachversteuerung eine entsprechende beschränkte Steuerpflicht. cc) Besteuerung bei späterer Veräußerung der erhaltenen Anteile 20.132
Die im Zuge der Einbringung erhaltenen Anteile unterliegen auf Gesellschafterebene in Zukunft nach allgemeinen Grundsätzen der unbeschränkten bzw. beschränkten Steuerpflicht unter Berücksichtigung von DBA. Unter den Voraussetzungen des § 22 Abs 2 UmwStG kommt es zu einer rückwirkenden Besteuerung des Einbringungsgewinns II, wenn die erhaltenen Anteile innerhalb der sieben1 Vgl. die Definition des Buchwerts i.S.v. § 1 Abs. 5 Nr. 4 UmwStG, die an eine (fiktive) inländische Steuerbilanz anknüpft, vgl. Graw in R/H/vL2, § 1 UmwStG Rz. 300. 2 Art. 13 Abs. 5 OECD-MA. Ausnahmen bestehen in Fällen einer Immobiliengesellschaftsklausel (Art. 13 Abs. 4 OECD-MA) oder einer sog. Sitzstaatsklausel, vgl. die Abkommensübersichten bei Reimer in V/L6, Art. 13 OECD-MA Rz. 149 und 225. 3 Im DBA-Fall i.d.R. aufgrund der Art. 13 Abs. 5 OECD-MA entsprechenden Klauseln. 4 Vorausgesetzt wäre, dass die Anteile in einem deutschen Betriebsstättenvermögen gehalten werden (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) und im DBA-Fall die Anteile der Betriebsstätte auch abkommensrechtlich zuzurechnen sind (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA, dazu Rz. 19.390 ff.). 5 Der Antrag kann richtigerweise ohne Abgabe einer Steuererklärung im Inland gestellt werden, vgl. Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.347; ggf. empfiehlt es sich aber eine Nullerklärung abzugeben, vgl. Behrens in H/M4, § 21 UmwStG Rz. 303. 6 Einschränkende Voraussetzung ist hier u.a., dass die übernehmende Kapitalgesellschaft sowie die zu übertragende Kapitalgesellschaft in verschiedenen EU-Mitgliedstaaten (nicht: EWR) ansässig sein müssen (Art. 2 Buchst. d i.V.m. Art. 1 Buchst. a FRL), vgl. Rabback in R/H/vL2, § 21 UmwStG Rz. 116a. Weiter dürfen bare Zuzahlungen 10% des Nennwerts bzw. des rechnerischen Werts der ausgegebenen Anteile an der ausländischen Zwischenholding nicht übersteigen (Art. 2 Buchst. d FRL). 7 Vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 21.15 (Beispiel 2).
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C. Grenzüberschreitende Umwandlungen
jährigen Sperrfrist veräußert werden oder ein der Veräußerung steuerlich gleichgestellter Vorgang verwirklicht wird (ausf. Rz. 20.64 ff.). 2. Einbringung in Personengesellschaften Die Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs, Mitunternehmeranteils oder einer im Betriebsvermögen gehaltenen 100%igen Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft1 in eine Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten fällt unter § 24 UmwStG: Als übernehmende Personengesellschaften2 kommen sowohl inländische als auch ausländische Rechtsträger im EU-/EWR-Bereich oder in Drittstaaten in Betracht.3 Es kommt auch nicht darauf an, dass die ausländische Personengesellschaft eine inländische Betriebsstätte unterhält,4 so dass bspw. auch die Einbringung der Mitunternehmeranteile an einer Drittstaatenpersonengesellschaft (mit ausländischer DBA-Anrechnungsbetriebsstätte) durch einen unbeschränkt Steuerpflichtigen in eine andere Drittstaatenpersonengesellschaft § 24 UmwStG unterfällt. Voraussetzung ist nur, dass die nach ausländischem Recht errichtete Personengesellschaft aus deutscher Sicht als Mitunternehmerschaft i.S. von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu qualifizieren ist.5 Im Wege der erweiterten Anwachsung6 lässt sich über die Einbringung sämtlicher Mitunternehmeranteile in eine ausländische Personengesellschaft mit anschließender (steuerneutraler) Anwachsung im Ergebnis auch eine grenzüberschreitende „verschmelzungsgleiche“ Zusammenführung von Personengesellschaften herbeiführen.7
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Die Steuerneutralität setzt u.a. voraus, dass ein bisher bestehendes deutsches Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung8 des eingebrachten Betriebsvermögens nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 24 Abs. 2
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1 Eine 100%ige Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft nicht als steuerneutralen Einbringungsgegenstand qualifizierend BFH v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; ferner Rasche in R/H/vL2, § 24 UmwStG Rz. 42; vgl. dagegen BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 24.02; v. 20.5.2009 – IV C 6 - S 2134/07/10005, BStBl. I 2009, 671; Patt in D/P/M, § 24 UmwStG Rz. 95 2 Im Sinne von Mitunternehmerschaften. 3 Das Erfordernis des EU-/EWR-Bezugs der übernehmenden Gesellschaft gemäß § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG gilt im Anwendungsbereich des § 24 UmwStG nicht (§ 1 Abs. 4 Satz 2 UmwStG). 4 Vgl. Schmitt in S/H/S7, § 24 UmwStG Rz. 117; Fuhrmann in W/M, § 24 UmwStG Rz. 235; a.A. mglw. Patt in D/P/M, § 24 UmwStG Rz. 99. 5 Vgl. BFH v. 3.2.1988 – I R 134/84, BStBl. II 1988, 588; Patt in D/P/M, § 24 UmwStG Rz. 17. 6 Die sog. erweiterte Anwachsung fällt in den Anwendungsbereich des § 24 UmwStG; stv. Schmitt in S/H/S7, § 24 UmwStG Rz. 56; Rasche in R/H/vL2, § 24 UmwStG Rz. 59; a.A. Patt in D/P/M, § 24 UmwStG Rz. 14. 7 Vgl. Prinz in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 9.25; Benecke/ Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.159 (mit Beispielsfall). 8 Nach dem offenen Wortlaut ist fraglich, ob sich das zu beurteilende Besteuerungsrecht nur auf Veräußerungsgewinne beziehen muss. Dies ist jedoch im Ergebnis zu bejahen, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 – S 1978-b/08/10001 – DOK2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 24.03 i.V.m. Tz. 20.19; Schmitt in S/H/S7, § 24 UmwStG Rz. 210; Fuhrmann in W/M, § 24 UmwStG Rz. 751.
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Satz 2 UmwStG).1 Insoweit ist insbesondere von Bedeutung, ob inländisches oder ausländisches Betriebsstättenvermögen eingebracht wird, unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige Personen beteiligt sind und ob ggf. DBA Anwendung finden. 20.135
Wird seitens des Einbringenden2 inländisches Betriebsstättenvermögen in eine ausländische Personengesellschaft eingebracht, geht hierdurch der deutsche Besteuerungszugriff grundsätzlich weder verloren noch wird er beschränkt, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob ein DBA Anwendung findet oder nicht:3 Greift kein DBA ein, bleiben die in dem inländischen Betriebsstättenvermögen ruhenden stillen Reserven regelmäßig in der inländischen Besteuerung verhaftet, wobei es keine Rolle spielt, ob der Einbringende unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig ist: Denn die Besteuerung der im inländischen Betriebsstättenvermögen ruhenden stillen Reserven ist entweder im Rahmen der Besteuerung des Welteinkommens bei unbeschränkter Steuerpflicht oder aber gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG bei beschränkter Steuerpflicht gesichert. Kommt ein DBA zur Anwendung, bleibt die deutsche Besteuerung sowohl bei unbeschränkter Steuerpflicht der Gesellschafter der ausländischen Personengesellschaft4 als auch bei beschränkter Steuerpflicht der Gesellschafter5 durch das abkommensrechtlich verankerte Betriebsstättenprinzip (Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA) erhalten.6 Soweit unbewegliches Vermögen eingebracht wird, gilt vorrangig Art. 13 Abs. 1 OECD-MA, so dass (unverändert) der Belegenheitsstaat das Besteuerungsrecht hat.
20.136
Soweit es im Zuge (nach) der Einbringung (ausnahmsweise)7 zu einer geänderten Zuordnung von Einzelwirtschaftsgütern (v.a. Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, immaterielle Wirtschaftsgüter) etwa von der inländischen Betriebsstätte zur ausländischen Personengesellschaft kommt, werden die Voraussetzungen einer fiktiven Entnahme zum gemeinen Wert (§§ 4 Abs. 1 Satz 3; 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG) erfüllt, weil hierdurch regelmäßig das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Soweit in den vorgenannten Fällen die ausländische Personengesellschaft den Ort der Geschäftsleitung in einem anderen EU-Staat hat, kommt für in Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens realisierte stille Reserven eine gestreckte Besteuerung durch Bildung eines Ausgleichsposten in Betracht (§ 4g EStG).8 1 Hinsichtlich des deutschen Besteuerungsrechts wird nur auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer (nicht Gewerbesteuer) abgestellt, hierzu stv. Patt in D/P/M, § 24 UmwStG Rz. 128. 2 Zur Person des Einbringenden i.S.v. § 24 UmwStG vgl. ausf. Rasche in R/H/vL2, § 24 UmwStG Rz. 54 ff. 3 Vgl. auch Prinz in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 9.23. 4 Die Beteiligung an der ausländischen Personengesellschaft vermittelt dem unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter eine zurechenbare Beteiligung an dem inländischen Betriebsstättenvermögen; hierzu Rz. 19.177 ff. 5 Grundsätzlich sind nur die Gesellschafter, nicht aber die Personengesellschaft abkommensberechtigt; hierzu Rz. 19.177 ff. 6 Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.164 ff.; Wassermeyer in Schaumburg/Piltz (Hrsg.), Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (120); Schaumburg, GmbHR 1996, 501 (503), 585 ff. 7 Vgl. Breuninger in FS Schaumburg, 587 (599 ff.); Frotscher in GS Krüger, 95 ff.; Kumpf/ Roth, DB 2000, 741 (746). 8 Zur unionsrechtlichen Zulässigkeit der „gestreckten Sofortbesteuerung“ s. Rz. 20.23.
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D. Ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug
Geht im Zuge der Einbringung ausländisches Betriebsstättenvermögen auf die ausländische Personengesellschaft über, greift die Entstrickungsklausel des § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG regelmäßig nicht ein, da ein deutsches Besteuerungsrecht vorher nicht bestand bzw. auch nicht durch die Einbringung ausgeschlossen wird.1
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Die vorgenannten Grundsätze gelten spiegelbildlich bei der Einbringung von inoder ausländischem Betriebsstättenvermögen durch unbeschränkt oder beschränkt Steuerpflichtige in eine inländische Personengesellschaft. Auch insoweit ist eine Beschränkung oder ein Ausschluss des deutschen Besteuerungsrechts an den Veräußerungsgewinnen regelmäßig nicht zu beobachten.2
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D. Ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug Literatur Kommentare zum UmwG/UmwStG und zu § 12 Abs. 2 KStG; Becker/Kamphaus/Loose, Nochmals: Greift das Korrespondenzprinzip bei Drittstaatsverschmelzungen? – Zugleich Duplik auf Sejdija/Trinks, IStR 2013, 869; Becker/Kamphaus/Loose, Greift das Korrespondenzprinzip bei Drittstaatenverschmelzungen?, IStR 2013, 328; Becker/Loose, Zur Steuerpflicht von Drittstaatenverschmelzungen nach geänderter Auffassung der Finanzverwaltung, BB 2015, 1435; Becker/Loose, Besteuerung ausländischer Abspaltungen beim inländischen Anteilseigner, IStR 2010, 383; Beinert/Benecke, Internationale Aspekte der Umstrukturierung von Unternehmen, FR 2010, 1009, 1120; Benecke, Anwendungsbereich des UmwStG und Rückwirkung nach dem UmwSt-Erlass 2011, GmbHR 2012, 113; Benecke/Schnitger, Neuregelungen des UmwStG und der Entstrickungsnormen durch das SEStEG, IStR 2006, 765; Binnewies, vGA mit Auslandsbezug, GmbH-StB 2015, 40; Blöchle/ Weggenmann, Formwechsel und Verschmelzung im Ausland nach §§ 3 ff. UmwStG i.d.F. des SEStEG, IStR 2008, 87; Blumenberg/Kring, Anmerkungen zu KStR-E 2015, DB 2015, 1435; Bogenschütz, Umwandlung von Kapital- in Personengesellschaften, Ubg 2011, 393; Brähler/Heerdt, Steuerneutralität bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen unter Beteiligung hybrider Gesellschaften, StuW 2007, 260; Curdt/Hölscher, Verschmelzungen zwischen Drittstaaten-Körperschaften, DB 2014, 1579; Dötsch/Pung, SEStEG: Die Änderungen des KStG, DB 2006, 2648; Dötsch/Pung, SEStEG: Die Änderungen des UmwStG, DB 2006, 2704; FGS/BDI (Hrsg.), Der Umwandlungsteuer-Erlass 2011, 64; Förster/Felchner, Umwandlung von Kapitalgesellschaft in Personenunternehmen nach dem Referentenentwurf zum SEStEG, DB 2006, 1072; Geberth/Bartelt, Entwurf der KStR 2015: Besteuerung von Drittlandsverschmelzungen auf Gesellschafterebene, GmbHR 2015, R235; Gebhardt/ Reppel, Die neuen Subject-to-tax-Klauseln in deutschen DBA – Praxisfälle und Zweifelsfragen im Kontext des BMF-Schreibens vom 20.6.2013, IStR 2013, 760; Grundke/Feuerstein/ Holle, Der eigentlich klare Verweis in § 12 Abs. 2 S. 2 KStG i.V.m. § 13 UmwStG: Drittstaatenverschmelzungen nach dem Entwurf der KStR 2015, DStR 2015, 1653; Haisch, Umwandlungen, Abgeltungsteuer und Teileinkünfteverfahren, Ubg 2009, 96; Hecht, Auslandsverschmelzungen unter Beteiligung steuerverstrickten inländischen Vermögens und Anteile, in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung, 3. Aufl. Herne 2011, 405 ff.; Henkel, Internationale Umwandlungen, in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl. 2012, Rz. 10.1 ff.; Hruschka, Drittstaatenumwandlung mit Folgen, IStR 2012, 844; Hruschka, Umwandlungen mit Auslandsberührung, StuB 2011, 540; Hruschka/Hellmann, Bewertungswahlrechte bei grenzüberschreitenden Umwandlungen, DStR 2010, 1961; Hruschka/Schicketanz, Vom Verbot der virtuellen Doppelbesteue1 Prinz in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 9.23. 2 S. Prinz in Prinz, Umwandlungen im Internastionalen Steuerrecht, Rz. 9.28.
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht rung zur Vermeidung weißer Einkünfte, ISR 2015, 164; Käbisch/Bunzeck, Grenzüberschreitende Umstrukturierungen nach dem Erlassentwurf zum UmwStG vom 2.5.2011, IWB 2011, 392; Kahle/Vogel, Fiktive Steueranrechnung in Umwandlungsfällen, ISR 2013, 234; Klepsch, Zur steuerlichen Behandlung von Drittstaatenverschmelzungen von Körperschaften, IStR 2016, 15; Klingberg/von Lishaut, Ausländische Umwandlungen im deutschen Steuerrecht, FR 1999, 1209; Klingberg/Nitzschke, Grenzüberschreitende Umwandlungen am Beispiel grenzüberschreitender Verschmelzungen, Ubg 2011, 451; Kopec/Wellmann, Formwechsel einer polnischen Kapital- in eine Personengesellschaft aus Sicht deutscher Investoren – eine gesellschafts- und steuerrechtliche Analyse, IStR 2016, 65; Kraft/Poley, Zweifelsfragen bei der Hereinverschmelzung von Kapital- auf Personengesellschaften – eine Fallstudien-gestützte Analyse, FR 2014, 1; Lemaitre/Schönherr, Die Umwandlung von Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften durch Verschmelzung und Formwechsel nach der Neufassung des UmwStG durch das SEStEG, GmbHR 2007, 173; Lüdicke, Subject-to-tax-Klauseln nach den DBA – Bemerkungen zum BMF-Schreiben vom 20.6.2013, IStR 2013, 721; Mayer, Umwandlung ausländischer Kapitalgesellschaften mit Inlandsbezug in Personengesellschaften, PiStB 2009, 248; Mouldi/Loose, Greift eine Switch-over-Klausel bei Einbringung der US-Betriebsstätte einer deutschen Kapitalgesellschaft in eine US-Corporation?, IStR 2012, 829; Mutscher, Anwendungsbereich der fiktiven Steueranrechnung im UmwStG, IStR 2010, 820; Pohl, Nochmal: Drittstaatenverschmelzungen und § 12 Abs. 2 KStG, DStR 2016, 2837; Pohl, Drittstaatenverschmelzungen und § 12 Abs. 2 KStG – Beendigung der Diskussion durch die KStR 2015?, DStR 2016, 2498; Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Köln 2013; Pyszka/Jüngling, Steuerfalle: Umwandlung von EU-Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften, GmbHR 2012, 327; Rödder/Schumacher, Das kommende SEStEG Teil II: Das geplante neue Umwandlungssteuergesetz, DStR 2006, 1525; Ronge/Perroulaz, Umwandlungen in der Schweiz und ihre steuerlichen Folgen in Deutschland nach dem SEStEG, IStR 2007, 422; Schaumburg, Die Entstrickungsklauseln im Umwandlungssteuerrecht, in Kessler/Förster/ Watrin (Hrsg.), Unternehmensbesteuerung, FS für Herzig, München 2010, 711; Schaumburg, Ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug, GmbHR 1996, 668; Schaumburg/ Piltz (Hrsg.), Internationales Umwandlungssteuerrecht, Köln 1996; Schell, Internationale Bezüge bei Verschmelzungen zwischen Körperschaften, FR 2012, 101; Schneider/Ruoff/Sistermann, Umwandlungsteuer-Erlass 2011, Köln 2012; Schnitger/Rometzki, Ausländische Umwandlungen und ihre Folgen bei inländischen Anteilseignern FR 2006, 845; Schönfeld, Welche praktischen Probleme löst das BMF-Schreiben zu Subject-to-Tax-Klauseln und welche nicht? – dargestellt anhand von Fallbeispielen, IStR 2013, 757; Schönfeld/Häck, Der Methodenartikel in der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen, ISR 2013, 168; Schumacher in Lüdicke/Schnitger/Spengel (Hrsg.), Festschrift für Dieter Endres, München 2016, Die steuerliche Behandlung der Verschmelzung und Spaltung von Kapitalgesellschaften in Drittstaaten beim inländischen Gesellschafter, 401; Sejdija/ Trinks, Zur steuerlichen Behandlung von Drittlandsverschmelzungen auf Anteilseignerebene – Replik auf Becker/Kamphaus/Loose, IStR 2013, 328, IStR 2013, 866; Sistermann, Der neue Umwandlungssteuererlass – Umwandlungen mit Auslandsbezug, in Lüdicke (Hrsg.), Praxis und Zukunft des deutschen Internationalen Steuerrechts, Forum der Internationalen Besteuerung, Bd. 40, 2012, 161; Viebrock/Hagemann, Verschmelzungen mit grenzüberschreitendem Bezug, FR 2009, 737; Wassermeyer/Richter/Schnittker (Hrsg.), Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2. Aufl. Köln 2015.
I. Allgemeines 1. Anwendungsbereich des UmwStG 20.139
Rechtstechnisch vollzieht sich die Umwandlung ausländischer Rechtsträger allein nach Maßgabe des für den Sitz des ausländischen Rechtsträgers maßgeblichen Rechts. Deutsches Zivilrecht kann allerdings dann maßgeblich sein, wenn sich die Wirksamkeit der (Mit-)Übertragung von in Deutschland belege1080
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D. Ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug
nem Vermögen nach deutschem Recht richtet. Die steuerlichen Folgen beurteilen sich primär nach den Regeln des Staates, in dem der ausländische Rechtsträger ansässig ist. Da viele ausländische Steuerrechtsordnungen durchweg mit dem deutschen UmwStG vergleichbare Regeln enthalten, sind auch dort zumeist steuerneutrale Umwandlungen möglich.1 Derartige ausländische Umwandlungen wirken indessen auch auf das inländische Steuerrecht ein. Hiermit sind diejenigen Fälle angesprochen, in denen entweder im Zuge der ausländischen Umwandlung inländisches Betriebsstättenvermögen übergeht oder an den ausländischen Rechtsträgern unbeschränkt steuerpflichtige Personen beteiligt sind. Ausländische Umwandlungen, die der Verschmelzung, der Aufspaltung, der Abspaltung bzw. dem Formwechsel von Kapitalgesellschaften nach dem UmwG vergleichbar sind (s. Rz. 20.144 ff.), fallen sachlich in den Anwendungsbereich des 2. bis 4. Teils des UmwStG (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 UmwStG). Der persönliche Anwendungsbereich ist insoweit aber nur bei spezifischem EU-/ EWR-Bezug gegeben, d.h. wenn die beteiligten Rechtsträger nach den Rechtsvorschriften eines EU-/EWR-Staates gegründet worden sind und deren Sitz und Ort der Geschäftsleitung sich innerhalb des Hoheitsgebietes eines dieser Staaten befindet (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG).
20.140
Ist die ausländische Umwandlung mit einer der in § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis Nr. 3 UmwStG genannten inländischen Umwandlungsvorgänge vergleichbar, handelt es sich um eine Einbringung von Betriebsvermögen durch Einzelrechtsnachfolge von einem ausländischen Rechtsträger in eine ausländische Kapital- oder Personengesellschaft oder einen Anteilstausch, und es findet der 6. bis 8. Teil des UmwStG sachlich Anwendung (§ 1 Abs. 3 UmwStG). Hinsichtlich des persönlichen Anwendungsbereichs der in § 1 Abs. 3 UmwStG angesprochenen Vorgänge ist insoweit zu unterscheiden: Umwandlungen auf bzw. Einbringungen in Kapitalgesellschaften (§§ 20, 25 UmwStG) erfordern sowohl auf Seiten des umzuwandelnden Rechtsträgers bzw. des Einbringenden sowie des übernehmenden Rechtsträgers grds. einen spezifischen EU-/EWR-Bezug (§ 1 Abs. 4 Satz 1 UmwStG).2 Eine Beteiligung von in Drittstaaten ansässigen übertragenden Rechtsträgern bzw. Einbringenden ist aber möglich, wenn das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG).
20.141
Für den Anteilstausch (§ 21 UmwStG) ist insoweit lediglich erforderlich, dass der übernehmende Rechtsträger die EU-/EWR-spezifischen Anforderungen des § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG erfüllt. Umwandlungen auf bzw. Einbringungen in Personengesellschaften gemäß § 24 UmwStG sind hingegen global möglich (§ 1 Abs. 4 Satz 2 UmwStG).
20.142
Außerhalb des Anwendungsbereichs des Umwandlungssteuergesetzes werden in § 12 Abs. 2 KStG ausländische Verschmelzungsvorgänge zwischen Kapitalgesellschaften auch in Drittstaaten erfasst, soweit diese denjenigen i.S. des § 2 UmwG entsprechen. § 12 Abs. 2 KStG kommt allerdings nur zur Anwendung, wenn der
20.143
1 Vgl. die Länderübersicht bei W/M, Anhang 3. 2 Ausnahme: Fälle des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b UmwStG.
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
Vorgang nicht schon vom Umwandlungssteuergesetz erfasst wird (§ 1 Abs. 2 UmwStG). Die Rechtsfolgen für die Gesellschafter der übertragenden Kapitalgesellschaft ergeben sich hierbei aus § 13 UmwStG (§ 12 Abs. 2 Satz 2 KStG). Für Spaltungen von in Drittstaaten ansässigen Rechtsträgern gibt es indessen keine Sonderregelungen, so dass hier aus steuerrechtlicher Sicht die allgemeinen Grundsätze der Gewinnrealisierung zur Anwendung kommen. Schließlich kommt für die Verschmelzung ausländischer Kapitalgesellschaften (ggf. auch für den EU-/EWR-Bereich) die Anwendung der §§ 7 ff. AStG1 in Betracht. 2. Notwendige Vergleichbarkeit ausländischer Umwandlungsvorgänge 20.144
Die in § 1 Abs. 1 und 3 UmwStG angesprochene Vergleichbarkeit der ausländischen Umwandlungsvorgänge wird nur in den Fällen gefordert, in denen die vom Umwandlungssteuergesetz erfassten nationalen Vorgänge eine Akzessorietät zum Umwandlungsgesetz aufweisen.2 Hieraus folgt, dass etwa die Betriebseinbringung in eine Kapitalgesellschaft und in eine Personengesellschaft sowie der Anteilstausch (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 und 5 UmwStG) in den Vergleichbarkeitstest nicht einzubeziehen sind. Soweit vom Gesetz die Vergleichbarkeit gefordert wird, ist notwendig, dass (i) der ausländische Umwandlungsvorgang zivilrechtlich wirksam vollzogen wird, (ii) die beteiligten Rechtsträger den entsprechenden Rechtsträgern deutschen Rechts entsprechen (Umwandlungsfähigkeit der beteiligten Rechtsträger), und schließlich, dass (iii) der Umwandlungsvorgang als solcher die wesentlichen Strukturmerkmale und ggf. sonstigen Vergleichskriterien einer inländischen Umwandlungsart erfüllt.3 Der Vergleichbarkeitsprüfung unterliegt insoweit der jeweils ausländische Umwandlungsvorgang in seiner ganz konkreten rechtlichen Ausgestaltung und nicht das abstrakte ausländische Umwandlungsrecht als solches.4 Es ist danach zu fragen, ob der nach ausländischem Umwandlungsrecht abgewickelte konkrete Vorgang ungeachtet des Sitzerfordernisses in § 1 Abs. 1 UmwG auch nach den Regelungen des UmwG wirksam abgewickelt werden könnte.5 Hierzu folgende Einzelheiten:6
20.145
Die zivilrechtliche Wirksamkeit des ausländischen Umwandlungsvorgangs beurteilt sich ausschließlich nach Maßgabe des ausländischen Rechts. Insoweit muss der ausländische Vorgang nach dem jeweiligen Personalstatut der an der Umwandlung beteiligten Rechtsträger gesellschaftsrechtlich wirksam bzw. überhaupt zulässig sein.7 Einer gesonderten Prüfung des ausländischen Rechts 1 Soweit es sich nicht um aktive Einkünfte (§ 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG) handelt; vgl. Rz. 13.136 ff. 2 Vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2; § 1 Abs. 3 Nr. 1 bis 3 UmwStG. 3 Hierzu ausf. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.20 ff.; Benecke, GmbHR 2012, 113 (116). 4 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.25. 5 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.25. 6 Ausf. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.20 ff.; Möhlenbrock in D/P/M, § 1 UmwStG Rz. 86 ff.; Benecke, GmbHR 2012, 113 (116 ff.). 7 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.23.
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D. Ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug
bedarf es an sich nicht, wenn der ausländische Umwandlungsvorgang durch die ausländischen Registerbehörden im ausländischen Handelsregister eingetragen wird. Die Finanzverwaltung verneint eine Bindung an die Entscheidungen der ausländischen Behörden bzw. Gerichte aber für den Fall, dass die Umwandlung mit „gravierenden Mängeln“ behaftet ist,1 wobei offen bleibt, wann von derartigen Mängeln auszugehen sein soll.2 Soweit das ausländische Umwandlungsgesetz die Umwandlung von Kapital- und Personengesellschaften regelt, ist erforderlich, dass die an den ausländischen Umwandlungsvorgängen beteiligten Rechtsträger einer Kapital- oder Personengesellschaft deutschen Rechts entsprechen. Hierfür ist ein Typenvergleich erforderlich, in dessen Rahmen es weniger auf ein (generell-abstraktes) gesetzliches Leitbild der ausländischen Gesellschaft ankommen kann,3 sondern vielmehr (individuell-konkret) auf die spezifischen Umstände und die ggf. per Gesellschaftsvertrag getroffenen Vereinbarungen abzustellen ist.4 Im Hinblick auf die weitgehend parallelen Strukturmerkmale von Kapitalgesellschaften innerhalb des EU-/EWR-Bereichs ergeben sich jedenfalls insoweit keine Qualifikationsprobleme.5
20.146
Zu den Strukturmerkmalen (übertragender) Umwandlungen zählt insbesondere, dass der Vermögensübergang entsprechend den Regelungen des Umwandlungsgesetzes im Wege der (vollständigen oder partiellen) Gesamtrechtsnachfolge erfolgt (Übertragung uno actu) und zwar unter Auflösung ohne Abwicklung (bzw. ohne Auflösung) des übertragenden Rechtsträgers.6 Soweit indessen EU-/EWRStaaten eine Umwandlung rechtstechnisch auch durch Einzelrechtsnachfolge ermöglichen, ist entsprechend dem dem Umwandlungssteuergesetz zugrunde liegenden Europäisierungskonzept eine Vergleichbarkeit zu bejahen, wenn im Übrigen alle durch das Umwandlungsgesetz vorgegebenen Merkmale erfüllt sind.7
20.147
1 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.23. zurecht krit. Sieker/Schänzle/Kaeser in FGS/BDI (Hrsg.), Der Umwandlungsteuer-Erlass 2011, 56 f.; Jäschke/Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 6.107. 2 Vgl. Benecke, GmbHR 2012, 113 (117): „Mangel der Umwandlung [muss] derart gravierend sein, dass diese als nichtig anzusehen ist“. 3 Zutr. Benecke, GmbHR 2012, 113 (118). Nach BMF v. 11.11.2011 (IV C 2 S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.27) soll hingegen das gesetzliche Leitbild nur dann nicht maßgeblich sein, wenn ein solches „aufgrund umfassender Dispositionsmöglichkeiten“ im ausländischen Recht nicht abgeleitet werden kann. 4 Zu den maßgeblichen Kriterien BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263; BMF v. 19.3.2004 – I IV B 4-S 1301 USA-22/04, BStBl. I 2004, 411. 5 So per se bei Gesellschaften i.S. der Richtlinie 90/4365/EWG; vgl. Anlage 2 zu § 43b EStG. 6 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.29 ff.; Benecke, GmbHR 2012, 113 (118 f.). 7 Für die Annahme einer Vergleichbarkeit bei Einzelübertragungen mit wirtschaftlich gleichem Ergebnis (teilweise mit der Einschränkung auf Fälle, in denen der ausländische Staat nur die Einzelrechtsnachfolge kennt): Widmann in W/M, § 1 UmwStG Rz. 18 ff.; Rödder in R/H/vL2, § 11 UmwstG Rz. 21; Graw in R/H/vL2, § 1 UmwStG Rz. 87c; Haritz in H/M4, § 1 UmwstG Rz. 18; Sieker/Schänzle/Kaeser in FGS/BDI (Hrsg.), Der Umwandlungsteuer-Erlass 2011, 64; Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1525 (1526). A.A. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314,
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
Für die Vergleichbarkeit ausländischer Formwechsel reicht es ebenfalls aus, dass entsprechend dem deutschen Recht ein Rechtsträger seine Rechtsform ändert, ohne dass es dadurch zu dessen Auflösung oder zur Gründung eines neuen Rechtsträgers kommt.1 Soweit im Zuge eines Formwechsels nach Maßgabe des ausländischen Rechts neue Gesellschafter beitreten, ist das für die Vergleichbarkeit unschädlich.2 Handelt es sich um Umwandlungsvorgänge, die dem 2. bis 5. Teil des Umwandlungssteuergesetzes unterfallen, ist eine umwandlungsbedingte Gewährung von Anteilen oder Mitgliedschaften an dem übernehmenden neuen Rechtsträger im Hinblick auf die §§ 54, 68 UmwG für die Vergleichbarkeit ebenso wenig Voraussetzung,3 wie die Einhaltung der vom UmwG vorgegebenen verfahrensrechtlichen Erfordernisse4, die Dauer der gesellschaftsrechtlichen Rückbeziehungsmöglichkeit5 oder die Eintragung des Umwandlungsvorgangs in ein öffentliches Register.6 Ein Vergleichbarkeitstest ist schließlich nicht bei Verschmelzungen im Zusammenhang mit einer SE oder SCE erforderlich (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwStG).7
II. Verschmelzung 1. Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften a) Verschmelzung von EU-/EWR-Kapitalgesellschaften 20.148
Ausländische Verschmelzungen von Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften unterliegen nur dann sachlich und persönlich dem UmwStG, wenn die Verschmelzung der Verschmelzung einer inländischen Kapital- auf eine Personengesellschaft vergleichbar ist (dazu Rz. 20.29)8 und die beteiligten Rechtsträ-
1 2 3 4 5 6
7 8
Tz. 01.31, 01.34; Möhlenbrock in D/P/M, § 1 UmwStG Rz. 96; Dötsch/Pung, DB 2006, 2704 ff.; Benecke/Schnitger, IStR 2006, 765 (769). BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.39. Widmann in W/M, § 1 UmwStG Rz. 102; a.A. Möhlenbrock in D/P/M, § 1 UmwStG Rz. 111. Vgl. auch BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.32. Anders im Anwendungsbereich des 6. bis 8. Teils des UmwStG. Enger Möhlenbrock in D/P/M, § 1 UmwStG Rz. 109. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.41. A.A. Patt in D/P/M, § 25 UmwStG Rz. 9; Jäschke/Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 6.104. Zur Höhe etwaiger Zuzahlungen als sonstiges Vergleichskriterium s. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 – S 1978-b/08/10001 – DOK2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.40; Benecke, GmbHR 2012, 113 (120). BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.42. Speziell zur Vergleichbarkeit bei einer sog. errichtenden Umwandlung nach österreichischem Recht BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.39; Benecke, GmbHR 2012, 113 (120 f.) (Verschmelzung); Jäschke/Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 6.103 (Formwechsel); Blöchle/Weggenmann, IStR 2008, 87 ff. (Verschmelzung und Formwechsel). Zum Formwechsel einer polnischen Kapitalgesellschaft Kopec/Wellmann, IStR 2016, 69 ff.
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D. Ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug
ger den von § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG vorausgesetzten spezifischen EU-/ EWR-Bezug aufweisen. Unter diesen Voraussetzungen kommen die §§ 3 ff. UmwStG zur Anwendung (§ 1 Abs. 2 UmwStG), so dass auf Ebene der übertragenden Kapitalgesellschaft1 eine Gewinnrealisierung beim inländischen Betriebsstättenvermögen2 und somit ein Übertragungsgewinn (§ 3 UmwStG) vermieden werden kann, wenn das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übergegangenen Wirtschaftsgüter bei den Gesellschaftern der übernehmenden ausländischen Personengesellschaft verschmelzungsbedingt nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 3 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 UmwStG).3 Ein solches bleibt bei in Deutschland belegenem inländischen Betriebsstättenvermögen unabhängig davon, ob DBA eingreifen oder nicht, in aller Regel erhalten.4 Die übertragende Kapitalgesellschaft hat eine steuerliche Schlussbilanz i.S.v. § 3 Abs. 1 UmwStG zu erstellen, wenn eine solche für deutsche Besteuerungszwecke benötigt wird.5 Dies ist im vorliegenden Zusammenhang stets der Fall, wenn an der übernehmenden Personengesellschaft ein in Deutschland steuerpflichtiger Mitunternehmer beteiligt ist.6 Eine steuerliche Rückbeziehung ist – vorbehaltlich des § 2 Abs. 3 UmwStG – im Rahmen des § 2 Abs. 1 und 2 UmwStG möglich.
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Aus Sicht der übernehmenden Personengesellschaft bzw. den in Deutschland steuerpflichtigen Gesellschaftern ergeben sich folgende Besonderheiten: Die übernehmende Personengesellschaft hat die auf sie übergegangenen Wirtschaftsgüter mit den in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Körperschaft enthaltenen Werten zu übernehmen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 UmwStG). Eine Besteuerung des Übernahmeergebnisses (§ 4 Abs. 4, § 7 UmwStG) in Deutschland erfolgt nur, wenn (i) die Anteile zu einem inländischen Betriebsvermögen gehören, eine wesentliche Beteiligung i.S.v. § 17 EStG verkörpern oder es sich um alt-einbringungsgeborene Anteile handelt und (ii) Deutschland im DBA-Fall abkommensrechtlich ein Besteuerungsrecht vorbehalten ist. Insoweit sind dem inländischen Gesellschafter einerseits entsprechend seiner Beteiligungsquote Kapitalerträge im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zuzurechnen, soweit die umzuwandelnde Kapitalgesellschaft über offene Rücklagen i.S.v. § 7 Satz 1 UmwStG verfügt. Qualifiziert der ausländische Staat die fiktive Totalausschüttung als Dividende
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1 S. zur Frage, wann diese eine steuerliche Schlussbilanz i.S.v. § 3 UmwStG abzugeben hat Jäschke/Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 6.113 ff. 2 Bzgl. des ausländischen Betriebsstättenvermögens bestand bereits vor der Verschmelzung kein deutsches Besteuerungsrecht an den Veräußerungsgewinnen vgl. Schmitt in S/H/S7, § 3 UmwStG Rz. 101; Pyszka/Jüngling, GmbHR 2012, 327; Förster/Felchner, DB 2006, 1072 (1080); Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 173 (183). 3 Beispiel bei Mayer, PIStB 2009, 248 ff. 4 Vgl. Jäschke/Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 6.112 ff.; Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.94; Hecht in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 405 (412). 5 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 03.02. 6 BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 03.02.
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
(Art. 10 OECD-MA), ist Deutschland im DBA-Fall abkommensrechtlich hieran regelmäßig gebunden,1 so dass eine ausländische Quellensteuer in Abhängigkeit vom DBA (partiell) anzurechnen ist.2 Weiter ist für den inländischen Gesellschafter ein Übernahmegewinn oder Übernahmeverlust zu ermitteln (§ 4 Abs. 4, § 5 UmwStG). Insoweit qualifiziert das Übernahmeergebnis abkommensrechtlich als Veräußerung (Art. 13 OECD-MA), für das Deutschland regelmäßig das Besteuerungsrecht zusteht.3 Hierbei sind – ungeachtet eines Buchwertansatzes in der steuerlichen Schlussbilanz der übertragenden Gesellschaft (§ 3 Abs. 1 UmwStG) – für die Ermittlung des Übernahmeergebnisses die Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert anzusetzen, soweit an ihnen kein deutsches Besteuerungsrecht an den Veräußerungsgewinnen bisher bestand (§ 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG, sog. Zuschlag für neutrales Vermögen4). Dies gilt nach dem Gesetzeswortlaut auch für das im Wege passiver (rechtlicher) Verstrickung sog. neuverstricktes Vermögen,5 obwohl insoweit nach der Verschmelzung ein deutsches Besteuerungsrecht an den stillen Reserven in diesen Wirtschaftsgütern besteht.6 Insoweit kann es für den inländischen Gesellschafter zu einer Doppelbesteuerung im Fall der späteren Veräußerung kommen, soweit das Übernahmeergebnis auf stille Reserven in Wirtschaftsgütern zurückzuführen ist, die nach der Verschmelzung in Deutschland erstmalig steuerverstrickt sind.7 Hält man diese gesetzliche Folge für zwingend8, lassen sich sachwidrige Ergebnisse nur durch (im Ausland ggf. steuerpflichtige) gewinnrealisierende Vorabübertragungen vermeiden.9 Eine drohende Doppelbesteuerung ließe sich vermeiden, indem im Wege der teleologischen Reduktion § 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG auf die neuverstrickten Wirtschaftsgüter nicht angewendet wird.10 Dies hätte zwar für den Steuerpflichtigen den Vorteil, dass er die hierin verhafteten stillen Reserven erst im tatsächlichen Veräußerungsfall versteuern muss.11 Dies führt allerdings regelmäßig zu einem höheren Steuersatz, so dass es bei einer unzutreffenden Besteuerung verbliebe.12 Vor diesem Hintergrund ist es vorzugswürdig – entsprechend der 1 Zur insoweit abkommensrechtlich gegebenen partiellen Qualifikationsverkettung Häck in F/W/K, Art. 24 DBA-Schweiz Rz. 19. 2 Vgl. Hecht in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 405 (415). 3 Hecht in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung3, 405 (417). 4 Vgl. Regierungsbegründung des SEStEG v. 12.7.2006, BT-Drucks. 16/2710, 38. 5 Bspw. bei Übertragung einer ausländischen Anrechnungsbetriebsstätte. 6 Krit. insoweit Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 60. 7 Vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 60; Bogenschütz, Ubg 2011, 393 (404). 8 Vgl. bspw. Möhlenbrock/Pung in D/P/M, § 3 UmwStG Rz. 43; Birkemeier in R/H/vL2, § 3 UmwStG Rz. 106; van Lishaut in R/H/vL2, § 4 UmwStG Rz. 30; Weigert in Kraft/ Edelmann/Bron, § 4 UmwStG Rz. 31; Bonhardt in H/M4, § 4 UmwStG Rz. 89; Hruschka/Hellmann, DStR 2010, 1961 (1964); Lemaitre/Schönherr, GmbHR 2007, 173 (175). 9 Vgl. Rödder in R/H/vL2, § 11 UmwStG Rz. 159; van Lishaut in R/H/vL2, § 4 UmwStG Rz. 30; Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.311; Hruschka, StuB 2011, 540 (543); Hruschka/Hellmann, DStR 2010, 1961 (1965). 10 Vgl. Pung/Werner in D/P/M, § 4 UmwStG Rz. 60; Bogenschütz, Ubg 2011, 393 (404). 11 Und nicht über ein gemäß § 4 Abs. 4 Satz 2 UmwStG erhöhtes Übernahmeergebnis. 12 Bei einer Besteuerung über das Übernahmeergebnis erfolgte eine tarifgünstigere Besteuerung der stillen Reserven nach dem Teileinkünfteverfahren bzw. § 8b Abs. 2, Abs. 3 KStG, vgl. Sistermann in Lüdicke, Praxis und Zukunft des des deutschen Internationalen Steuerrechts, 2012, 161 (175 f.).
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D. Ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug
Rechtslage bei der Verschmelzung von Kapitalgesellschaften (s. Rz. 20.97) – eine logische Sekunde nach der Verschmelzung auf Ebene der übernehmenden Personengesellschaft1 gemäß § 4 Abs. 1 Satz 8; § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG eine (steuerneutrale) Aufstockung des neuverstrickten Vermögens zum gemeinen Wert zuzulassen. b) Verschmelzung von Drittstaaten-Kapitalgesellschaften Die Verschmelzung von in Drittstaaten ansässigen Kapitalgesellschaften auf ausländische Personengesellschaften erfolgt außerhalb der Reichweite des deutschen Umwandlungsrechts, d.h. die die Anwendung der § 3 ff. UmwStG ist ausgeschlossen.2 Insoweit führt die Verschmelzung auf Ebene der übertragenden Kapitalgesellschaft (soweit in Deutschland steuerverhaftetes Vermögen betroffen ist) bzw. deren Anteilseigner (soweit die Anteile in Deutschland steuerverhaftet sind) nach allgemeinen Gewinnrealisierungsgrundsätzen zu einer Besteuerung im Inland, soweit nicht spezielle Vorschriften eine Steuerneutralität zulassen:
20.151
Auf Ebene der übertragenden Kapitalgesellschaft führt die Verschmelzung grundsätzlich zu einer Realisierung der stillen Reserven aufgrund eines tausch- oder liquidationsähnlichen Vorgangs.3 § 12 Abs. 2 KStG ist nicht einschlägig, da hier nur Drittstaatenverschmelzungen zwischen Kapitalgesellschaften angesprochen sind.4 § 12 Abs. 1 KStG findet zwar auch auf beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften5 sowie den Rechtsträgerwechsel im Wege der Verschmelzung6 Anwendung, so dass § 12 Abs. 1 KStG – isoliert betrachtet – auch eine Steuerneutralität auf Ebene der übertragenden Drittstaatenkapitalgesellschaft gewährleisten könnte, wenn das deutsche Besteuerungsrecht an den Gewinnen der bisher im Inland steuerverhafteten Wirtschaftsgütern nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Im Umkehrschluss zu § 12 Abs. 2 Satz 1 KStG ergibt sich aber die – nicht sachgerechte – gesetzgeberische Wertung, dass nur Drittstaatenverschmelzungen zwischen Kapitalgesellschaften steuerneutral durchführbar sein sollen.7 Insoweit führt die Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft in eine
20.152
1 Für eine Berücksichtigung der Verstrickung auf Ebene der übernehmenden Gesellschaft Schmitt in S/H/S7, § 4 UmwStG Rz. 27; Widmann in W/M, § 3 UmwstG Rz. 65.1; Jäschke/Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 6.121; Sistermann in Lüdicke, Praxis und Zukunft des des deutschen Internationalen Steuerrechts, 2012, 161 (176); Kraft/Poley, FR 2014, 1 (3); Klingberg/Nitzschke, Ubg 2011, 451 (456). Str., zum Streitstand Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.309. 2 Stv. Henkel in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 10.95. 3 Vgl. Rödder in R/H/vL2, Einführung UmwStG Rz. 125; Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.8 ff.; Schnitger/Rometzki, FR 2006, 845 (847 ff.); Ronge/Perroulaz, IStR 2007, 422 (429). Nach Verwaltungsauffassung soll es sich stets um eine Veräußerung handelt, vgl. BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 00.02; Jäschke/Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 6.158. 4 Ritzer in R/H/vL2, Anh. 6 Rz. 96. 5 Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 300. 6 Von Freeden in R/H/N, § 12 KStG Rz. 62; Dötsch/Pung, DB 2006, 2648 (2650); a.A. Frotscher in F/M, § 12 KStG Rz. 17, 18a; Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.231. 7 Henkel in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 10.95.
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
Personengesellschaft in Drittstaaten zu einer Gewinnrealisierung hinsichtlich des im Inland steuerverhafteten Vermögens, auch wenn das deutsche Besteuerungsrecht an den Veräußerungsgewinnen insoweit unverändert fortbesteht. 20.153
Die Verschmelzung der ausländischen Kapitalgesellschaft auf die ausländische Personengesellschaft führt auf Gesellschafterebene zu einem Anteilstausch, der bei unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern zu einer Besteuerung führt, wenn die Anteile an der ausländischen Kapitalgesellschaft z.B. zu einem Betriebsvermögen gehören oder aber Beteiligungen i.S. von § 17 EStG betroffen sind.1 Werden die Anteile an der untergehenden ausländischen Kapitalgesellschaft von einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft gehalten, so kann für die durch den Anteilstausch bewirkte Gewinnrealisierung die Steuerbefreiung gem. § 8b Abs. 2, 3 KStG unter den dort näher genannten Voraussetzungen in Anspruch genommen werden.2 Sind beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter an der ausländischen Kapitalgesellschaft beteiligt, unterliegen deren Veräußerungsgewinne grundsätzlich nicht der deutschen Besteuerung.3 2. Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Kapitalgesellschaften
20.154
Rechtstechnisch vollzieht sich die Verschmelzung ausländischer Kapitalgesellschaften auf ausländische Kapitalgesellschaften allein nach ausländischem Recht. Soweit indessen unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind oder aber verschmelzungsbedingt inländisches Betriebsstättenvermögen übergeht, können steuerrechtliche Folgen im Inland ausgelöst werden. Hierbei ist zwischen EU-/EWR-Verschmelzungen (Rz. 20.155 ff.) und Drittstaatenverschmelzungen (Rz. 20.157 ff.) zu differenzieren. a) EU-/EWR-Verschmelzungen (§ 11 UmwStG)
20.155
Die Verschmelzung von Kapitalgesellschaften auf Kapitalgesellschaften innerhalb von EU-/EWR-Staaten beurteilt sich aus der Sicht des deutschen Steuerrechts für die übertragende Kapitalgesellschaft nach § 11 UmwStG, so dass hierfür die für entsprechende inländische Verschmelzungen maßgeblichen Besteuerungsgrundsätze uneingeschränkt Geltung haben.4 Das bedeutet, dass die Steuerneutralität der ausländischen Verschmelzung für die übertragende Kapitalgesellschaft im Inland erreicht werden kann, wenn das deutsche Besteuerungs1 Nach Rechtsprechung und Verwaltungsauffassung soll die Verschmelzung auf Anteilseigerebene hingegen als Auflösung ohne Abwicklung behandelt werden (vgl. zu § 17 Abs. 4 EStG BFH v. 22.2.1989 – I R 11/85, BStBl. II 1989, 794; BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 00.04). Für einen tauschähnlichen Vorgang wie hier Jäschke/Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 6.158 f. 2 Unter § 8b Abs. 2 KStG fällt nicht nur die Veräußerung, sondern auch der Tausch von Anteilen an ausländischen Kapitalgesellschaften; vgl. Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 183. 3 Keine beschränkte Steuerpflicht (§ 49 EStG), es sei denn, die Anteile werden in einem inländischen Betriebsstättenvermögen gehalten (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). 4 Zu Einzelheiten Schießl in W/M, § 11 UmwStG Rz. 50.34 ff.; Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.151.
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D. Ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug
recht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG).1 Da dies in aller Regel der Fall ist,2 kann die Steuerneutralität im Inland sichergestellt werden, wobei bei der übernehmenden ausländischen Kapitalgesellschaft ein Übernahmegewinn hinsichtlich des inländischen Betriebsstättenvermögens außer Ansatz bleibt (§ 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG). Auf Ebene inländischer Gesellschafter (Ausnahme: sog. Kleingesellschaftern3) wird über § 13 UmwStG unmittelbar die Möglichkeit eröffnet, auf Antrag die Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft mit dem Buchwert der Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft anzusetzen. Voraussetzung der Steuerneutralität auf Anteilseignerebene ist grds., dass das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft verschmelzungsbedingt nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Das ist regelmäßig gewährleistet, weil hierdurch weder die Reichweite der unbeschränkten noch der beschränkten Steuerpflicht der Gesellschafter verändert wird und zudem in Fällen, in denen DBA eingreifen, auch abkommensrechtlich (Art. 7 Abs. 1; Art. 13 Abs. 2 und 5 OECD-MA) keine Änderungen eingreifen. Etwas anderes kann sich in Abkommensfällen ergeben, wenn die Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft bislang über eine dem Art. 13 Abs. 5 OECD-MA entsprechende Klausel im Inland uneingeschränkt steuerverhaftet waren, die übernehmende Kapitalgesellschaft aber als Immobiliengesellschaft (vgl. Art. 13 Abs. 4 OECD-MA) qualifiziert oder bei einer (ausländischen) grenzüberschreitenden Verschmelzung in dem DBA mit dem Sitzstaat der übernehmenden Kapitalgesellschaft eine Sitzstaatsklausel enthalten ist,4 die Deutschland nach dem einschlägigen Methodenartikel im Veräußerungsfall zur Anrechnung ausländischer Steuern verpflichtet. Bei Verschmelzungen zwischen zwei in verschiedenen EUMitgliedstaaten ansässigen Kapitalgesellschaften i.S.v. § 1 Abs. 2 Nr. 1 UmwStG kann der im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Anteilseigner in diesen Fällen aber gem. § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG i.V.m. Art. 8 FRL die Besteuerung bis zu einer tatsächlichen Veräußerung der Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft hinausschieben.5
20.156
b) Drittstaatenverschmelzungen (§ 12 Abs. 2 UmwStG) Die Verschmelzung von ausländischen Kapitalgesellschaften in Drittstaaten auf ausländische Kapitalgesellschaften erfolgt außerhalb des Anwendungsbereichs des deutschen Umwandlungssteuerrechts, d.h. die unmittelbare Anwendung der § 11 ff. UmwStG ist ausgeschlossen.6 Gemäß § 12 Abs. 2 KStG kann insoweit aber auf Ebene der übertragenden Kapitalgesellschaft (soweit in Deutschland 1 Zu dieser Entstrickungsklausel Schaumburg in FS Herzig, 711 (721 ff.). 2 Zu Ausnahmefällen vgl. Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.190. 3 Auf diese findet § 20 Abs. 4a EStG Anwendung. 4 Bspw. Art. 13 Abs. 3 DBA-Tschechien. 5 Beispiel bei Schell, FR 2012, 101 (103). 6 Stv. Henkel in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 10.113.
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20.157
Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
steuerverhaftetes Vermögen betroffen ist) bzw. deren Anteilseigner (soweit die Anteile in Deutschland steuerverhaftet sind) Steuerneutralität erzielt werden: aa) Ebene der übertragenden Kapitalgesellschaft 20.158
Geht inländisches Betriebsstättenvermögen über, unterbleibt gem. § 12 Abs. 2 Satz 1 KStG unter den dort näher genannten Voraussetzungen auf Ebene der übertragenden Kapitalgesellschaft eine verschmelzungsbedingte Gewinnrealisierung, so dass insoweit eine Steuerneutralität gewährleistet ist. Zu den in dem hier interessierenden Zusammenhang bedeutsamen Voraussetzungen gehört, dass die Verschmelzung in ein und demselben Drittstaat („desselben ausländischen Staates“) erfolgen muss (§ 12 Abs. 2 Satz 1 KStG). Voraussetzung ist ferner, dass die ausländische Verschmelzung einer Verschmelzung i.S. des § 2 UmwG vergleichbar ist (§ 12 Abs. 2 Satz 1 KStG). Hier gelten die für § 1 Abs. 1 UmwStG maßgeblichen Grundsätze entsprechend (Rz. 20.144 ff.).1 § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KStG verlangt schließlich, dass das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der übertragenen Wirtschaftsgüter bei der übernehmenden Kapitalgesellschaft nicht beschränkt wird. Eine solche Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts ist bei einem verschmelzungsbedingten Übergang von inländischem Betriebsstättenvermögen stets zu verneinen, weil auch nach der Verschmelzung die Reichweite der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht (§ 8 Abs. 1 KStG i.V. mit § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) unverändert bleibt und darüber hinaus im Falle der Anwendung von DBA auch abkommensrechtlich2 keine Änderungen eintreten.3 Auf Gesellschaftsebene ergibt sich als Rechtsfolge, dass die übergehenden Wirtschaftsgüter mit dem Buchwert anzusetzen sind, ohne dass hierfür ein Wahlrecht eingeräumt wird. Betroffen sind nur diejenigen Wirtschaftsgüter, die wegen ihrer Zugehörigkeit zum inländischen Betriebsstättenvermögen unverändert steuerverhaftet bleiben.4 bb) Ebene der übernehmenden Kapitalgesellschaft
20.159
§ 12 Abs. 2 Satz 1 KStG regelt nur die Rechtsfolgen auf Ebene der übertragenden Kapitalgesellschaft. Im Hinblick darauf gelten für die übernehmende ausländische Kapitalgesellschaft die allgemeinen Besteuerungsgrundsätze. Sind etwa die Anteile an der übertragenden ausländischen Kapitalgesellschaft dem inländischen Betriebsstättenvermögen der übernehmenden ausländischen Kapitalgesellschaft zuzuordnen, führt dies aus deutscher Sicht als Tausch der zum Buchwert übergehenden Wirtschaftsgüter der übertragenden Kapitalgesellschaft gegen die untergehenden Anteile an der übertragenden Kapitalgesellschaft zu qualifizierenden Verschmelzung zur Anwendung des § 8b Abs. 2, 3 KStG.5
1 Zu weiteren Einzelheiten Ritzer in R/H/vL2, Anh. 6 UmwStG Rz. 21 f. 2 Betriebsstättenprinzip: Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA; vgl. Rz. 19.385 ff. 3 § 12 Abs. 2 Satz 1 KStG setzt die Verschmelzung in ein und demselben ausländischen Drittstaat voraus. 4 Ritzer in R/H/vL2, Anh. 6 UmwStG Rz. 46. 5 Ritzer in R/H/vL2, Anh. 6 UmwStG Rz. 46.
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D. Ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug
cc) Ebene der Gesellschafter Auf Ebene inländischer Gesellschafter (Ausnahme: sog. Kleingesellschafter1) wird die Steuerneutralität der Verschmelzung durch eine entsprechende Anwendung von § 13 Abs. 2 Nr. 1 UmwStG ermöglicht. § 12 Abs. 2 Satz 2 KStG setzt hierzu einen „Vorgang im Sinne des Satzes 1“ voraus, wodurch auf die von § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG erfassten (dem innerstaatlichen Recht vergleichbaren) Verschmelzungen Bezug genommen wird. Für die Anwendung von § 12 Abs. 2 Satz 2 UmwStG ist hingegen – anders als für § 12 Abs. 2 Satz 1 UmwStG – nicht erforderlich, dass die übertragende Kapitalgesellschaft im Inland beschränkt steuerpflichtig ist2 oder die übertragende und übernehmende Kapitalgesellschaft ihren Sitz in demselben Staat haben.3 Erforderlich für die Anwendung von § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG ist, dass das Besteuerungsrecht Deutschlands an den Gewinnen aus der Veräußerung der Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Dies wird regelmäßig der Fall sein.4 § 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UmwStG findet hingegen keine Anwendung, da bei Drittstaatenverschmelzungen Art. 8 FRL nicht einschlägig ist.5
20.160
3. Verschmelzung von Personengesellschaften auf Kapitalgesellschaften Die Verschmelzung ausländischer Personengesellschaften auf ausländische Kapitalgesellschaften vollzieht sich ausschließlich nach dem maßgeblichen ausländischen Recht. Steuerliche Folgen werden hierdurch im Inland nur dann ausgelöst, wenn entweder unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter an den aus1 Auf diese findet § 20 Abs. 4a EStG Anwendung. 2 Bericht des Finanzausschusses, BT-Drucks. 16/3369, 8; Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 413; Frotscher in F/M, § 12 KStG Rz. 148b; Holland in EY, § 12 KStG Rz. 55; Neumann in R/H/vL2, § 13 UmwStG Rz. 6a; von Freeden in R/H/N, § 12 KStG Rz. 109; Ritzer in R/H/vL2, Anhang 6 Rz. 48; Klepsch, IStR 2016, 15 (18); Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 88; Schumacher in FS Endres, 401 (403); Grundke/Feuerstein/Holle, DStR 2015, 1653; Geberth/Bartelt, GmbHR 2015, R235; Becker/Loose, BB 2015, 1435 ff.; Blumenberg/Kring, DB 2015, 1435; Curdt/Hölscher, DB 2014, 1579 ff.; Becker/Kamphaus/Loose, IStR 2013, 869 (870); Becker/Kamphaus/Loose, IStR 2013, 328 (330); a.A. Sejdija/Trinks, IStR 2013, 328 ff.; Hruschka, IStR 2012, 844 (845). Der Entwurf zu R 12 KStR-E 2015 sah noch ein entsprechendes Erfordernis vor, während sich in der endgültigen Fassung hierzu keine Aussage mehr findet (vgl. BR-Drucks. 76/16, 32). Insoweit hat die Finanzverwaltung ihre restriktive Sichtweise erkennbar aufgegeben (vgl. Benecke/Staats in D/P/M, § 12 KStG Rz. 413; s. aber Pohl, DStR 2016, 2498 ff.). Der Hinweis, diese Rechtsauffassung der Finanzverwaltung lasse sich Tz. 13.04 des Umwandlungsteuererlasses (BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 13.04) entnehmen, ist aufgrund deren Änderung durch BMF v. 10.11.2016 – IV C 2 - S 2761/0-01, DStR 2016, 2710, überholt; Pohl, DStR 2016, 2837. 3 Vgl. Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.208; Ritzer in R/H/vL2, Anhang 6 Rz. 48; Klepsch, IStR 2016, 15 (18); Pohl, DStR 2016, 2837 (2838). Erfasst sind zudem Verschmelzungen zwischen einer Drittstaatenund einer EU-/EWR-Kapitalgesellschaft, vgl. Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.208; Haisch, Ubg 2009, 96 (100); a.A. Hruschka, IStR 2012, 844 (846). 4 Vgl. zu Einzelheiten von Freeden in R/H/N, § 12 KStG Rz. 114. 5 Ritzer in R/H/vL2, Anh. 6 UmwStG Rz. 51.
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20.161
Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
ländischen Rechtsträgern beteiligt sind1 oder aber im Zuge der Verschmelzung inländisches Betriebsstättenvermögen übergeht. a) Verschmelzung auf EU-/EWR-Kapitalgesellschaften 20.162
Der Anwendungsbereich des § 20 UmwStG wird nur dann eröffnet, wenn die übernehmende Kapitalgesellschaft eine EU-/EWR-Gesellschaft ist (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UmwStG). Für die Anwendung des § 20 UmwStG ist darüber hinaus aber auch erforderlich, dass die übertragende ausländische Personengesellschaft Sitz und Ort der Geschäftsleitung im EU-/EWR-Bereich hat und die an der ausländischen Personengesellschaft beteiligten Gesellschafter dort ebenfalls ansässig sind (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a UmwStG) oder aber das deutsches Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung der erhaltenen Anteile an der übernehmenden ausländischen Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt ist (§ 1 Abs. 4 Nr. 2 Buchst. b UmwStG). Sind an der übertragenden Personengesellschaft in Drittstaaten ansässige Gesellschafter beteiligt, ist der persönliche Anwendungsbereich daher nur eröffnet, wenn die erhaltenen Anteile an der übernehmenden Kapitalgesellschaft einer inländischen Betriebsstätte zuzurechnen sind (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) und in Abkommensfällen dieser Betriebsstätte auch abkommensrechtlich zuzurechnen sind (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA).
20.163
Soweit § 20 UmwStG zur Anwendung kommt, gelten hierfür uneingeschränkt die für entsprechende inländische Verschmelzungen und grenzüberschreitende Einbringungen maßgeblichen Besteuerungsgrundsätze (Rz. 20.56 ff. und Rz. 20.113 ff.). Die Steuerneutralität der ausländischen Verschmelzung im Inland kann im Ausgangspunkt erreicht werden, wenn das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich der Besteuerung des Gewinns aus der Veräußerung des eingebrachten Betriebsvermögens bei der übernehmenden ausländischen Kapitalgesellschaft nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG).
20.164
Geht im Zuge der Verschmelzung inländisches Betriebsstättenvermögen über, bleibt das bisherige deutsche Besteuerungsrecht regelmäßig erhalten. Ist die übernehmende EU-/EWR-Kapitalgesellschaft in einem Nicht-DBA-Staat ansässig, kann eine spätere Veräußerungsgewinnbesteuerung uneingeschränkt im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht erfolgen (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG). Gleiches gilt, wenn die übernehmende Kapitalgesellschaft in einem DBA-Staat ansässig ist und Deutschland nach dem einschlägigen DBA weiterhin die Gewinne aus der Veräußerung der Wirtschaftsgüter besteuern kann, bspw. weil es sich um im Inland belegenes unbewegliches Vermögen handelt (vgl. Art. 13 Abs. 1 OECD-MA,) oder die übernommenen Wirtschaftsgüter einer inländischen Betriebsstätte (Art. 5 OECD-MA) abkommensrechtlich zuzurechnen sind (Art. 13 Abs. 2 OECD-MA, sog. Betriebsstättenvorbehalt). Ein möglicher Wechsel in der (abkommensrechtlichen) Zuordnung von Wirtschaftsgütern aus der inländischen Betriebsstätte in eine ausländische Betriebsstätte ist tatsächlicher 1 Entsprechendes gilt für beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter, deren Anteile zu einem inländischen Betriebsstättenvermögen gehören (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG).
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Schaumburg/Häck
D. Ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug
Natur und vollzieht sich regelmäßig erst im Anschluss an den für Zwecke des § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 UmwStG maßgeblichen Einbringungszeitpunkt. Insoweit bleibt die Buchwertfortführung gemäß § 20 Abs. 2 UmwStG möglich, es kommt aber im Zeitpunkt des tatsächlichen Zuordnungswechsels zu einer Enstrickung nach allgemeinen Grundsätzen auf Ebene der übernehmenden Kapitalgesellschaft (§ 12 Abs. 1 KStG). In den Fällen, in denen im Zuge der Verschmelzung ausländisches Betriebsstättenvermögen1 übergeht, tritt eine Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts grds. nur bei unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern ein, wenn vor der Verschmelzung ein deutsches Besteuerungsrecht gegeben war, weil entweder kein DBA bestand oder das einschlägige DBA für Veräußerungsgewinne die Anrechnungsmethode vorsah.2
20.165
Wird das Wahlrecht nicht ausgeübt, so dass die übergehenden Wirtschaftsgüter mit dem gemeinen Wert anzusetzen sind (§ 20 Abs. 2 Satz 1 UmwStG), ergeben sich Besteuerungsfolgen hinsichtlich des im Ausland belegenen übergehenden Vermögens unter den folgenden Gesichtspunkten: Greift kein DBA, kann die ausländische Steuer grds. auf eine auf den Einbringungsgewinn anfallende deutsche Einkommen- oder Körperschaftsteuer3 angerechnet werden (§ 34c EStG, § 26 KStG). In Abkommensfällen stellt sich ggf. zunächst die Frage, ob der Einbringungsgewinn abkommensrechtlich den Unternehmensgewinnen (Art. 7 OECD-MA)4, den Veräußerungsgewinnen (Art. 13 Abs. 2 oder Abs. 5 OECDMA)5 oder den sonstigen Einkünften (Art. 21 OECD-MA) unterfällt, da hiervon abhängen kann, ob nach dem DBA die Anrechnungs- oder Freistellungsmethode anzuwenden ist.6 Sieht das DBA zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen (ausnahmsweise) generell7 oder speziell8 die Anrechnungsmethode vor, kommt eine Besteuerung in Deutschland zum Tragen, jedoch unter Anrechnung etwaiger ausländischer Steuern (§ 34c Abs. 1 EStG, § 26 KStG). Schließt das DBA eine Anrechnung auf die Gewerbesteuer nicht ausdrücklich aus, muss Deutschland auch eine Anrechnung der ausländischen Steuern auf die Gewerbesteuer zulassen (s. Rz. 19.554). Regelmäßig gehen zwar die deutschen DBA nicht nur für unbeweg-
20.166
1 Es spielt hierbei grundsätzlich keine Rolle, ob die zum ausländischen Betriebsstättenvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter im Inland oder im Ausland belegen sind. 2 Vgl. auch Henkel in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 10.204. 3 Mangels Anrechnungsvorschriften aber nicht auf die Gewerbesteuer. 4 Wassermeyer in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (122); Viebrock/Hagemann, FR 2009, 737 (738); Klingberg/van Lishaut, FR 1999, 1222. 5 Vgl. Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 17; Gradel/Kleinhans in S/K/K, Art. 13 OECD-MA Rz. 7; Lieber in S/D, Art. 13 OECD-MA Rz. 36; Meretzki in F/W/K, Art. 13 DBA-Schweiz Rz. 76; Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.27; Jäschke/Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerecht, Rz. 6.20. 6 Die Beurteilung kann im Einzelfall für die Anwendbarkeit einer sog. Aktivitätsklausel oder einer Anrechnung etwaiger ausländischer Steuern von Bedeutung sein, vgl. Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.27; Jäschke/ Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerecht, Rz. 6.20 mit Fn. 1. 7 Bspw. Art. 22 Abs. 1 DBA-VAE. 8 Im Regelfall wird die Anrechnungsmethode nur für bestimmte Einkünfte vereinbart, vgl. Rz. 19.552.
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
liches Auslandsvermögen1, sondern auch für ausländische Betriebsstättengewinne von der Freistellungsmethode aus (s. Rz. 19.521 ff.). Insbesondere die jüngere deutsche Abkommenspolitik schränkt jedoch die grundsätzliche Steuerfreistellung ausländischer Betriebsstättengewinne (hier: Einbringungsgewinn) im Wege abkommensrechtlicher Aktivitätsvorbehalte (s. Rz. 19.515)2 oder Subjectto-Tax-Klauseln (s. Rz. 19.522)3 ein.4 Enthält das einschlägige DBA eine Aktivitätsklausel, so ist Deutschland berechtigt, auf den Einbringungsgewinn anstatt der Freistellungsmethode die Anrechnungsmethode anzuwenden,5 wenn in der ausländischen Betriebsstätte vor der Einbringung keine „aktive“ Tätigkeit i.S. der Aktivitätsklausel ausgeübt wurde.6 Jenseits dessen stellt sich die Frage, ob bei Steuerfreiheit der Umwandlung im ausländischen Staat die abkommensrechtliche Freistellung des Übertragungsgewinns mangels „tatsächlicher Besteuerung“ im anderen Vertragsstaat durch eine Subject-to-Tax-Klausel suspendiert werden kann.7 Bezieht man zutreffend die (voraussichtliche) spätere Besteuerung der stillen Reserven im ausländischen Staat im Fall der tatsächlichen Veräußerung in die Betrachtung mit ein,8 finden die abkommensrechtlichen Subject-to-Tax-Klauseln auch bei Umwandlungen zu Buchwerten keine Anwendung.9 Dies dürfte auch den Erwägungen in dem zur Anwendung von Subject-to-Tax-Klauseln veröffentlichten BMF-Schreiben v. 20.6.201310 entsprechen.11 Hingegen hat der BFH zu den (wenigen) sog. Quellenregeln12 im Zusammenhang mit einem Formwechsel unter Buchwertfortführung den Rückfall des
1 Insoweit kann regelmäßig offenbleiben, ob die Umwandlung abkommensrechtlich eine Veräußerung darstellt, da die Rechtsfolgen von Art. 6 Abs. 1 bzw. Art. 13 Abs. 1 OECD-MA i.V. mit Art. 23 Abs. 1 OECD-MA aus Sicht des Ansässigkeitsstaats grds. übereinstimmen. 2 Ausf. allg. Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 84 ff. 3 Ausf. allg. Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 73 ff. 4 Zu deren Anwendung im Bereich von Umwandlungen ausf. Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.59 ff. 5 Mit der Folge der uneingeschränkten Besteuerung, da der ausländische Staat die Umwandlung zum Buchwert zulässt. 6 Vgl. Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.59; Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.126. 7 Hierzu Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.59; Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.132 ff.; Hruschka/Schicketanz, ISR 2015, 164 ff. 8 Vgl. Schönfeld, IStR 2013, 757 (759); Gebhardt/Reppel, IStR 2013, 760 (763 f.); Schönfeld/Häck, ISR 2013, 168 (174); Mouldi/Loose, IStR 2012, 829 (833 f.). 9 A.A. Hruschka/Schicketanz, ISR 2015, 164 (166 ff.) unter Hinweis auf die unterschiedlichen Steuerpflichtigen und eine fehlende Doppelbesteuerung im abkommensrechtlichen Sinne. 10 BMF v. 20.6.2013 – IV B 2 - S 1300/09/10006 – DOK 2013/0539717, BStBl. I 2013, 980. 11 Insoweit lassen sich Buchwerteinbringungen als (unschädliche) „temporäre“ oder „permanente Differenz“ einstufen, vgl. BMF v. 20.6.2013 – IV B 2 - S 1300/09/10006 – DOK 2013/0539717, BStBl. I 2013, 980, Tz. 2.3; Gebhardt/Reppel, IStR 2013, 760 (763 f.); Lüdicke, IStR 2013, 721 (728). 12 Diese sehen vor, dass Einkünfte (nur dann) aus dem anderen Vertragsstaat „stammen“, wenn sie dort (effektiv) besteuert wurden, hierzu ausf. Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B Rz. 75.
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D. Ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug
Besteuerungsrechts an Deutschland bejaht.1 Hingegen kommen die innerstaatlichen Vorbehaltsklauseln (§ 50d Abs. 9 Nr. 12 bzw. Nr. 23 EStG, § 20 Abs. 2 AStG4) regelmäßig nicht zum Tragen.5 Für den unbeschränkt steuerpflichtigen Einbringenden kann es vorteilhaft sein, auf eine Buchwertfortführung für deutsch-steuerliche Zwecke zu verzichten, die Verschmelzung unter Übertragung von ausländischem Betriebsstättenvermögen nach ausländischem Steuerrecht aber zu Buchwerten steuerneutral durchzuführen.6 Im Idealfall bleibt der sich durch den Ansatz der gemeinen Werte in Deutschland ergebende Einbringungsgewinn nach dem einschlägigen DBA (auch) im Inland steuerfrei (Art. 23 Abs. 1 i.V.m. Art. 13 Abs. 2 OECD-MA), während nach der Umwandlung nur noch Deutschland abkommensrechtlich das Besteuerungsrecht an den Gewinnen aus der Veräußerung der Kapitalgesellschaftsanteile zusteht (Art. 13 Abs. 5 OECD-MA). Die stillen Reserven in dem übertragenen Betriebsvermögen bleiben zwar auf Ebene der ausländischen Kapitalgesellschaft grds. steuerverhaftet, der Einbringende kann bei einem anschließenden Verkauf der Kapitalgesellschaftsanteile den Vermögenszuwachs aber ggf. steuerfrei realisieren.7
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Geht die Einbringung mit einer Besteuerung von stillen Reserven einher, die auf eine in einem anderen EU-/EWR-Mitgliedstaat belegene Anrechnungsbetriebsstätte entfällt, ist bei Buchwertfortführung im ausländischen Staat die (fiktive) ausländische Steuer unter den Voraussetzungen des Art. 10 FRL anzurechnen, die bei einer Veräußerung zum gemeinen Wert erhoben worden wäre (§ 20 Abs. 7 i.V.m. § 3 Abs. 3 UmwStG).8 Zudem sieht § 20 Abs. 8 UmwStG für praktisch eher seltene Fälle die Anrechnung einer fiktiven ausländischen Steuer vor, wenn Mitunternehmeranteile an einer sog. hybriden EU-Gesellschaft in eine EU-
20.168
1 BFH v. 17.10.2007 – I R 96/06, BStBl. II 2008, 953 zu Prot. Nr. 16 Buchst. d zum DBA-Italien. 2 Die Nichtbesteuerung im ausländischen Staat beruht nicht auf einem abkommensrechtlichen Qualifikationskonflikt, sondern dem ausländischen innerstaatlichen Steuerrecht. 3 Die Steuerfreistellung beruht grds. nicht darauf, dass der Steuerpflichtige im ausländischen Staat nur beschränkt steuerpflichtig ist. 4 Es handelt sich um einen „aktiven“ Umwandlungsgewinn i.S.v. § 8 Abs. 1 Nr. 10 AStG, da die Umwandlung zu Buchwerten hätte erfolgen können. 5 Ausf. Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.122 ff. 6 Beispiel bei Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.116 ff. 7 Dies gilt natürlich nur, soweit nicht (i) zwischenzeitlich neue stille Reserven entstanden sind, (ii) das ausländische Steuerrecht eine dem § 22 Abs. 1 UmwStG entsprechende rückwirkende Besteuerung eines Einbringungsgewinns nicht kennt und (iii) der ausländische Staat auch nicht im Wege eines Treaty Override die Gewinne aus der späteren Veräußerung der Kapitalgesellschaftsanteile der Besteuerung unterwirft. 8 Vgl. hierzu BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 20.36. Bspw. im Verhältnis zu Zypern, Art. 22 Abs. 1 i.V.m. Art. 13 Abs. 3 DBA-Zypern, (Bsp. bei Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.279) oder – bei fehlenden aktiven Tätigkeiten – bspw. Portugal, Prot. Nr. 8 zu Art. 24 DBA-Portugal, (Bsp. bei Schell, FR 2012, 101 (104)). Einzelheiten zur fiktiven Steueranrechnung Kahle/Vogel, ISR 2013, 234 ff.; Mutscher, IStR 2010, 820 ff.
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
Kapitalgesellschaft eingebracht werden und Deutschland das Besteuerungsrecht an einer (nachgeschaltenen) Anrechnungsbetriebsstätte verliert.1 20.169
Die im Zuge der Einbringung erhaltenen Anteile unterliegen auf Gesellschafterebene in Zukunft nach allgemeinen Grundsätzen der unbeschränkten bzw. beschränkten Steuerpflicht unter Berücksichtigung von DBA. Unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 bzw. Abs. 2 UmwStG kommt es zu einer rückwirkenden Besteuerung des Einbringungsgewinns I bzw. II, wenn die erhaltenen Anteile innerhalb der siebenjährigen Sperrfrist veräußert werden oder ein der Veräußerung steuerlich gleichgestellter Vorgang verwirklicht wird (ausf. Rz. 20.125 ff.). b) Verschmelzung auf Drittstaatenkapitalgesellschaft
20.170
Sind die vorgenannten Voraussetzungen nicht erfüllt, sind insbesondere die übertragende ausländische Personengesellschaft und die übernehmende ausländische Kapitalgesellschaft in Drittstaaten ansässig, bleibt die Anwendung des § 20 UmwStG versagt.
20.171
Der verschmelzungsbedingte Übergang inländischen Betriebsstättenvermögens der ausländischen Personengesellschaft auf die ausländische Kapitalgesellschaft führt zu einer Gewinnrealisierung der in dem übergehenden inländischen Betriebsstättenvermögen ruhenden stillen Reserven, die bei den Gesellschaftern der unbeschränkten2 oder beschränkten Steuerpflicht (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG) ohne abkommensrechtliche Schrankenwirkungen3 unterliegt. Entsprechend der nach deutschem Steuerrecht maßgeblichen Qualifikation der ausländischen Verschmelzung als Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten handelt es sich um einen Tausch, der nach allgemeinen Grundsätzen einer Veräußerung gleichsteht4 und somit als Betriebsveräußerung dem Regelungsbereich des § 16 EStG unterliegt.
20.172
Geht ausländisches Betriebsstättenvermögen im Zuge der Verschmelzung auf die ausländische Kapitalgesellschaft in einem Drittstaat über, so führt die hierdurch bewirkte Realisation der in dem übergehenden ausländischen Betriebsstättenvermögen ruhenden stillen Reserven bei unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern zu einem Veräußerungsgewinn, der nach den Regeln des § 16 EStG zu besteuern ist, sofern nicht das deutsche Besteuerungsrecht durch ein DBA ausgeschlossen wird. Im Einzelnen ergeben sich folgende steuerliche Auswirkungen: Greift kein DBA, kann die ausländische Steuer grds. auf eine auf den Einbringungsgewinn anfallende deutsche Einkommen- oder Körperschaftsteuer5 angerechnet werden (§ 34c EStG, § 26 KStG). In Abkommensfällen stellt sich ggf. zunächst die Frage, ob der Einbringungsgewinn abkommensrechtlich den Unter-
1 Vgl. mit Beispielen BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 20.37; Kahle/Vogel, ISR 2013, 234 (239); Brähler/Heerdt, StuW 2007, 260. 2 Besteuerung im Rahmen des Welteinkommens. 3 Es gilt stets das Betriebsstättenprinzip: Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA; vgl. Rz. 19.230, 19.385 ff. 4 Hierzu Patt in D/P/M, Vor §§ 20–23 UmwStG Rz. 45 ff. 5 Mangels Anrechnungsvorschriften aber nicht auf die Gewerbesteuer.
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D. Ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug
nehmensgewinnen (Art. 7 OECD-MA)1, den Veräußerungsgewinnen (Art. 13 Abs. 2 oder Abs. 5 OECD-MA)2 oder den sonstigen Einkünften (Art. 21 OECDMA) unterfällt, da hiervon abhängen kann, ob nach dem DBA die Anrechnungsoder Freistellungsmethode anzuwenden ist.3 Sieht das DBA zur Vermeidung von Doppelbesteuerungen (ausnahmsweise) generell4 oder speziell5 die Anrechnungsmethode vor, kommt eine Besteuerung in Deutschland zum Tragen, jedoch unter Anrechnung etwaiger ausländischer Steuern (§ 34c Abs. 1 EStG, § 26 KStG). Schließt das DBA eine Anrechnung auf die Gewerbesteuer nicht ausdrücklich aus, muss Deutschland auch eine Anrechnung der ausländischen Steuern die Gewerbesteuer zulassen (s. Rz. 19.554). Regelmäßig gehen zwar die deutschen DBA nicht nur für unbewegliches Auslandsvermögen6, sondern auch für ausländische Betriebsstättengewinne von der Freistellungsmethode aus (s. Rz. 19.521). Insbesondere die jüngere deutsche Abkommenspolitik schränkt jedoch die grundsätzliche Steuerfreistellung ausländischer Betriebsstättengewinne (hier: Einbringungsgewinn) im Wege abkommensrechtlicher Aktivitätsvorbehalte (s. Rz. 19.515)7 oder Subject-to-Tax-Klauseln (s. Rz. 19.522)8 ein.9 Enthält das einschlägige DBA eine Aktivitätsklausel, so ist Deutschland berechtigt, auf den Einbringungsgewinn anstatt der Freistellungsmethode die Anrechnungsmethode anzuwenden,10 wenn in der ausländischen Betriebsstätte vor der Einbringung keine „aktive“ Tätigkeit i.S. der Aktivitätsklausel ausgeübt wurde.11 Jenseits dessen stellt sich die Frage, ob bei Steuerfreiheit der Umwandlung im ausländischen (Belegenheits-)Staat die abkommensrechtliche Freistellung des Einbringungsgewinns mangels „tatsächlicher Besteuerung“ im anderen Vertrags-
1 Wassermeyer in Schaumburg/Piltz, Internationales Umwandlungssteuerrecht, 118 (122); Viebrock/Hagemann, FR 2009, 737 (738); Klingberg/van Lishaut, FR 1999, 1222. 2 Vgl. Gosch in G/K/G, Art. 13 OECD-MA Rz. 17; Gradel/Kleinhans in S/K/K, Art. 13 OECD-MA Rz. 7; Lieber in S/D, Art. 13 OECD-MA Rz. 36; Meretzki in F/W/K, Art. 13 DBA-Schweiz Rz. 76; Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.27; Jäschke/Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerecht, Rz. 6.20. 3 Die Beurteilung kann im Einzelfall für die Anwendbarkeit einer sog. Aktivitätsklausel oder einer Anrechnung etwaiger ausländischer Steuern von Bedeutung sein, vgl. Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.27; Jäschke/ Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerecht, Rz. 6.20 mit Fn. 1. 4 Bspw. Art. 22 Abs. 1 DBA-VAE. 5 Im Regelfall wird die Anrechnungsmethode nur für bestimmte Einkünfte vereinbart, vgl. Rz. 19.552. 6 Insoweit kann regelmäßig offenbleiben, ob die Umwandlung abkommensrechtlich eine Veräußerung darstellt, da die Rechtsfolgen von Art. 6 Abs. 1 bzw. Art. 13 Abs. 1 OECD-MA i.V. mit Art. 23 Abs. 1 OECD-MA aus Sicht des Ansässigkeitsstaat grds. übereinstimmen. 7 Ausf. allg. Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 84 ff. 8 Ausf. allg. Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B OECD-MA Rz. 73 ff. 9 Zu deren Anwendung im Bereich von Umwandlungen ausf. Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.59 ff. 10 Mit der Folge der uneingeschränkten Besteuerung, da der ausländische Staat die Umwandlung zum Buchwert zulässt. 11 Vgl. Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.59; Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.126.
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
staat durch eine Subject-to-Tax-Klausel suspendiert werden kann.1 Bezieht man zutreffend die (voraussichtliche) spätere Besteuerung der stillen Reserven im ausländischen Staat im Fall der tatsächlichen Veräußerung in die Betrachtung mit ein,2 finden die abkommensrechtlichen Subject-to-Tax-Klauseln auch bei Umwandlungen zu Buchwerten keine Anwendung.3 Dies dürfte auch den Erwägungen in dem zur Anwendung von Subject-to-Tax-Klauseln veröffentlichten BMFSchreiben v. 20.6.20134 entsprechen.5 Hingegen hat der BFH zu den (wenigen) sog. Quellenregeln6 im Zusammenhang mit einem Formwechsel unter Buchwertfortführung den Rückfall des Besteuerungsrechts an Deutschland bejaht.7 Ungeachtet der abkommensrechtlichen Regelungen können im Einzelfall auch die innerstaatlichen Vorbehaltsklauseln (§ 50d Abs. 9 Nr. 1 bzw. Nr. 2 EStG, § 20 Abs. 2 AStG) zum Tragen kommen. 20.173
Soweit nicht in Deutschland ansässige Gesellschafter beteiligt sind, ist die Verschmelzung insgesamt nicht der deutschen Besteuerung unterworfen, und zwar selbst für den Fall nicht, dass die Anteile an der ausländischen Personengesellschaft zu einem inländischen Betriebsstättenvermögen des beschränkt steuerpflichtigen Gesellschafters gehören.8 4. Verschmelzung von Personengesellschaften auf Personengesellschaften
20.174
Die Verschmelzung zwischen ausländischen Personengesellschaften richtet sich ausschließlich nach den Regeln des maßgeblichen ausländischen Umwandlungsrechts. Die Verschmelzung fällt sachlich in den Anwendungsbereich des UmwStG, wenn sie der Verschmelzung von inländischen Personengesellschaften vergleichbar ist (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 UmwStG).9 Die Steuerfolgen richten sich nach § 24 UmwStG, so dass besondere persönliche Voraussetzungen – v.a. ein spezifischer EU-/EWR-Bezug – nicht zu erfüllen sind (§ 1 Abs. 4 Satz 2 UmwStG).10 Auswirkungen auf die deutsche Besteuerung hat der verschmel1 Hierzu Heurung/Engel in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 5.59; Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.132 ff.; Hruschka/Schicketanz, ISR 2015, 164 ff. 2 Vgl. Schönfeld, IStR 2013, 757 (759); Gebhardt/Reppel, IStR 2013, 760 (763 f.); Schönfeld/Häck, ISR 2013, 168 (174); Mouldi/Loose, IStR 2012, 829 (833 f.). 3 A.A. Hruschka/Schicketanz, ISR 2015, 164 (166 ff.) unter Hinweis auf die unterschiedlichen Steuerpflichtigen und eine fehlende Doppelbesteuerung im abkommensrechtlichen Sinne. 4 BMF v. 20.6.2013 – IV B 2 - S 1300/09/10006 – DOK 2013/0539717, BStBl. I 2013, 980. 5 Insoweit lassen sich Buchwerteinbringungen als (unschädliche) „temporäre“ oder „permanente Differenz“ einstufen, vgl. BMF v. 20.6.2013 – IV B 2 - S 1300/09/10006 – DOK 2013/0539717, BStBl. I 2013, 980, Tz. 2.3; Gebhardt/Reppel, IStR 2013, 760 (763 f.); Lüdicke, IStR 2013, 721 (728). 6 Diese sehen vor, dass Einkünfte (nur dann) aus dem anderen Vertragsstaat „stammen“, wenn sie dort (effektiv) besteuert wurden, hierzu ausf. Schönfeld/Häck in S/D, Art. 23A/B Rz. 75. 7 BFH v. 17.10.2007 – I R 96/06, BStBl. II 2008, 953 zu Prot. Nr. 16 Buchst. d zum DBA-Italien. 8 BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663. 9 Zu den Vergleichskriterien s. ausf. Rz. 20.144 ff. 10 Hierzu Patt in D/P/M, § 24 UmwStG Rz. 17.
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D. Ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug
zungsbedingte Vermögensübergang nur dann, wenn unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind oder im Zuge der Verschmelzung inländisches Betriebsstättenvermögen übergeht. Der verschmelzungsbedingte Transfer inländischen Betriebsstättenvermögens zwischen zwei ausländischen Personengesellschaften führt bei Buchwertfortführung gem. § 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG antragsgemäß zu keiner steuerwirksamen Gewinnrealisierung, soweit das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des übergehenden Betriebsvermögens nicht ausgeschlossen oder beschränkt wird (§ 24 Abs. 2 Satz 2 UmwStG). Das gilt unabhängig davon, ob an der übertragenden ausländischen Personengesellschaft unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind oder ein DBA eingreift oder nicht.1 Geht im Zuge der Verschmelzung ausländisches Betriebsstättenvermögen über, so wird das deutsche Besteuerungsrecht in aller Regel ebenfalls nicht ausgeschlossen oder beschränkt: Sind unbeschränkt steuerpflichtige Gesellschafter an der übertragenden ausländischen Personengesellschaft beteiligt und greift ein DBA nicht ein, bleibt das deutsche Besteuerungsrecht uneingeschränkt erhalten. In allen anderen Fällen werden die in dem übergehenden Betriebsstättenvermögen ruhenden stillen Reserven von deutscher Besteuerung im Grundsatz nicht erfasst: Bei unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern in Abkommensfällen deshalb nicht, weil nach dem abkommensrechtlichen Betriebsstättenprinzip (Art. 7 Abs. 1; Art. 13 Abs. 2 OECD-MA) die Besteuerung ausschließlich dem ausländischen Betriebsstättenstaat zugewiesen ist, und bei beschränkter Steuerpflicht nicht, weil die entsprechenden Betriebsstättengewinne keine inländischen Einkünfte gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG2 sind.
20.175
III. Spaltung Die Spaltung ausländischer Rechtsträger erfolgt ausschließlich nach Maßgabe des ausländischen Rechts. Steuerliche Auswirkungen in Deutschland ergeben sich, soweit an der Spaltung unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter (soweit deren Anteile einem inländischen Betriebsstättenvermögen zuzurechnen sind) beteiligt sind und soweit spaltungsbedingt inländisches Betriebsstättenvermögen übergeht.3
20.176
Umwandlungssteuerrechtlich wird die Auf- und Abspaltung von Kapitalgesellschaften auf Kapital- oder Personengesellschaft grds. als Teilverschmelzung behandelt4, so dass im Anwendungsbereich des UmwStG die spaltungsbedingten Steuerfolgen beim übertragenden und übernehmenden Rechtsträger sowie auf Gesellschafterebene denen bei einer Verschmelzung (dazu Rz. 20.148 ff.) im Wesentlichen entsprechen. Ist der sachliche und persönliche Anwendungsbereich des UmwStG eröffnet, gelten die für die Verschmelzung maßgeblichen Vorschriften und damit auch die dort genannten Entstrickungsklauseln, also insbesondere
20.177
1 Vgl. auch Prinz in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 9.10. In Abkommensfällen greift das Betriebsstättenprinzip (Art. 7 Abs. 1; 13 Abs. 2 OECD-MA) ein. 2 BFH v. 24.2.1988 – I R 95/84, BStBl. II 1988, 663. 3 Ausf. Becker/Loose, IStR 2010, 383 ff. 4 Schumacher in R/H/vL2, § 15 UmwStG Rz. 4; Asmus in H/M4, § 15 UmwStG Rz. 3.
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
§ 15 Abs. 1 Satz 1 UmwStG i.V. mit §§ 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2; 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG sowie § 16 Satz 1 UmwStG i.V. mit §§ 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2; 4 Abs. 4 Satz 2; 13 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UmwStG. Für die Spaltung von Personengesellschaften sind im sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich des UmwStG (§ 1 Abs. 3 und Abs. 4 UmwStG) die Einbringungsvorschriften des UmwStG (§§ 20; 21; 24 UmwStG) verbindlich, die zugleich auch für die Verschmelzung von Personengesellschaften auf Kapital- oder Personengesellschaften anwendbar sind. Damit greifen auch hier die gleichen Entstrickungsklauseln ein1 wie bei den entsprechenden Verschmelzungen. 20.178
Für die Abspaltung aus einer Drittstaaten-Kapitalgesellschaft, auf die weder das UmwStG noch § 12 Abs. 2 KStG Anwendung finden,2 ist auf Folgendes hinzuweisen: Im Grundsatz führt die Abspaltung von inländischem Betriebsstättenvermögen auf Ebene der übertragenden Drittstaaten-Kapitalgesellschaft zur steuerpflichtigen Realisierung der stillen Reserven im Inland steuerverhafteter Wirtschaftsgüter,3 auch wenn ein deutsches Besteuerungsrecht an den Veräußerungsgewinnen nach der Abspaltung fortbesteht. Auf Anteilseigenerebene hängt die steuerliche Behandlung davon ab, auf welchen Rechtsgrund sich die Gewinnrealisierung gründet.4 Bei Annahme einer Sachausschüttung5 könnte diese bei Buchwertfortführung im Ausland unter Hinweis auf das materielle Korrespondenzprinzip (§ 3 Nr. 40 Buchst. d Satz 2 EStG, § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG)6 bei Buchwertfortführung auf Ebene der übertragenden Körperschaft für den inländischen Gesellschafter voll steuerpflichtig sein,7 während bei zutreffender Annahme einer Veräußerung (Tausch, tauschähnlicher Vorgang)8 die steuergünstige Veräußerungsgewinnbesteuerung (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a und c EStG; § 8b Abs. 2, Abs. 3 KStG) zum Tragen kommt.9 Zu keiner Gewinnrealisierung auf Anteilseignerebene kommt es hingegen, soweit die inländischen Gesellschafter der 1 §§ 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3; 21 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 UmwStG. 2 Ritzer in R/H/vL2, Anh. 6 Rz. 63. 3 Vgl. Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 92; Ronge/Perroulaz, IStR 2007, 422 (426). 4 Ausf. dazu Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.113 und Rz. 8.211; Becker/Loose, IStR 2010, 383 ff. 5 Vgl. Klingberg in Blümich, § 15 UmwStG 2006 Rz. 131; Hruschka, IStR 2012, 844 (845); Becker/Loose, IStR 2010, 383 ff. Dem Vernehmen nach will die Finanzverwaltung trotz der grundsätzlichen Wertung von Umwandlungen als Veräußerungen (BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 00.03) die Abspaltung als Sachausschüttung einstufen (vgl. Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 92; Binnewies, GmbH-StB 2015, 40 (42)). 6 Das materielle Korrespondenzprinzip gilt seit dem VZ 2014 für offene und verdeckte Gewinnausschüttungen. 7 Vgl. Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 92; Beinert/Scheifele in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 8.216; Benecke/Beinert, FR 2010, 1120 (1129 f.); Becker/Kamphaus/Loose, IStR 2013, 328 (332 f.); Becker/Loose, IStR 2010, 383 (386). Richtigerweise sind die Voraussetzungen des Korrespondenzprinzips jedenfalls aus teleologischen Gründen erfüllt, vgl. Schumacher in FS Endres, 401 (406 f.). 8 Stv. Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 92; Schumacher in FS Endres, 401 (405 ff.); Ritzer in R/H/vL2, Anh. 6 Rz. 63, 65; Henkel in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 10.159; Schaumburg, GmbHR 1996, 668 (669). 9 Vgl. Ritzer in R/H/vL2, Anh. 6 Rz. 68; Käbisch/Bunzeck, IWB 2011, 392 (397).
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D. Ausländische Umwandlungen mit Inlandsbezug
übertragenden Kapitalgesellschaft nicht an der aufnehmenden Kapitalgesellschaft beteiligt werden (sog. nichtverhältniswahrende Abspaltung zu Null).1 In diesem Fall fehlt es bei diesen an einem Realisierungsvorgang (steuerrechtliches Nullum).2
IV. Formwechsel Der Formwechsel ausländischer Rechtsträger ist allein dem ausländischen Recht unterworfen. Nach deutschem Steuerrecht zu besteuernde Einkünfte entstehen allenfalls dann, wenn an den beteiligten ausländischen Rechtsträgern unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter beteiligt sind, soweit letztere ihre Gesellschaftsanteile in einem inländischen Betriebsstättenvermögen halten. Darüber hinaus entstehen der deutschen Besteuerung unterliegende Einkünfte, soweit die formwechselnden ausländischen Rechtsträger inländisches Betriebsstättenvermögen haben.
20.179
Ist der Formwechsel ausländischer Rechtsträger nach den durch das ausländische Recht vorgegebenen Rechtsstrukturen identitätswahrend in dem Sinne, dass kein Vermögen übergeht, so unterbleibt auf Gesellschaftsebene eine Gewinnrealisierung und auf Gesellschafterebene ein Anteilstausch, sofern der Formwechsel nicht rechtsformüberschreitend erfolgt.3 Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist daher der Formwechsel innerhalb von Kapitalgesellschaften und innerhalb von Personengesellschaften ertragsteuerlich ohne Bedeutung.
20.180
Ist dagegen der Formwechsel rechtsformüberschreitend ausgestaltet, etwa beim Formwechsel von Kapitalgesellschaften in Personengesellschaften und umgekehrt, gilt Folgendes:4 Die für den rechtsformüberschreitenden Formwechsel anwendbaren Vorschriften der §§ 9; 25 UmwStG gelten nur, wenn der umzuwandelnde Rechtsträger eine nach den Rechtsvorschriften eines EU-/EWR-Staates gegründete Gesellschaft mit Sitz und Geschäftsleitung im EU-/EWR-Bereich ist (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1; Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, UmwStG), beim Formwechsel von Personengesellschaften in Kapitalgesellschaften die besonderen Voraussetzungen auf Gesellschafterebene erfüllt sind (§ 1 Abs. 4 Nr. 2 UmwStG) und zudem der ausländische mit dem inländischen Formwechsel vergleichbar ist (vgl. § 25 Satz 1 UmwStG).5 Für Zwecke der Besteuerung wird hiernach in Abwei-
20.181
1 Dies jedenfalls dann, wenn – wie bei einer inländischen Abspaltung zu Null – die Anteile der (ganz oder teilweise) ausscheidenden Gesellschafter den verbliebenenen Gesellschaftern ohne Übertragungsakt zugewiesen werden (§§ 126 Abs. 1 Nr. 10, 131 Abs. 1 Nr. 3 UmwG). S. dazu gesellschaftsrechtlich OLG München v. 10.7.2013 – 31 Wx 131/13, NZG 2013, 951. 2 Zutr. Schumacher in R/H/vL2, § 15 UmwstG Rz. 43; Beutel in Schneider/Ruoff/Sistermann, Umwandlungsteuer-Erlass 2011, Rz. 15.81, Rz. 15.82; a.A. wohl BMF v. 11.11. 2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 15.43. 3 Hierzu Ritzer in R/H/vL2, Anh. 6 UmwStG Rz. 104. 4 Vgl. Schumacher in Lutter5, Anh. 2 nach § 122l UmwG Rz. 93. 5 Zu § 9 UmwStG: Möhlenbrock in D/P/M, § 9 UmwStG Rz. 7; zu § 25 UmwStG Patt in D/P/M, § 25 UmwStG Rz. 11. Die Vergleichbarkeit ist nach Verwaltungsauffassung nur sichergestellt, wenn nach dem ausländischen Recht mit dem Formwechsel keine Auflösung der Gesellschaft ohne Abwicklung verbunden ist, weshalb bspw. die „errichtende
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Kap. 20 Internationales Umwandlungssteuerrecht
chung von der nach ausländischem Handelsrecht etwa als identitätswahrend konzipierten Regelung ein Vermögensübergang fingiert. Diese Fiktion ist systembedingt: Während das von Kapitalgesellschaften erwirtschaftete Einkommen auf Gesellschaftsebene der Körperschaftsteuer und nach Ausschüttung auf Gesellschafterebene der Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer unterliegt, ist der von Personengesellschaften erzielte Gewinn oder Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten nur der Besteuerung auf Gesellschafterebene ausgesetzt. Indessen führt nicht nur ein Formwechsel nach Maßgabe des UmwG zu einem steuerlichen Systemwechsel, Gleiches gilt auch bei einem Formwechsel ausländischer Rechtsträger nach Maßgabe des ausländischen Umwandlungsrechts. Hieraus folgt, dass der Formwechsel ausländischer Kapitalgesellschaften in ausländische Personengesellschaften und von ausländischen Personengesellschaften in ausländische Kapitalgesellschaften aus der Sicht des deutschen Steuerrechts als Umwandlung mit Vermögensübertragung zu qualifizieren ist.1 Im Hinblick darauf gelten insoweit die für die Verschmelzung der entsprechenden ausländischen Rechtsträger geltenden Vorschriften entsprechend, so dass für den Formwechsel einer ausländischen Kapitalgesellschaft in eine ausländische Personengesellschaft im EU-/EWR-Bereich über § 9 UmwStG im Wesentlichen für den Übertragungsgewinn § 3 UmwStG und für den Übernahmegewinn § 4 UmwStG und für den Formwechsel einer ausländischen Personengesellschaft in eine ausländische Kapitalgesellschaft über § 25 UmwStG die §§ 20 bis 23 UmwStG anwendbar sind.2 20.182
Handelt es sich demgegenüber um einen Formwechsel in Drittstaaten, greifen die allgemeinen steuerlichen Grundsätze ein, so dass insoweit sowohl auf Gesellschafts- als auch auf Gesellschafterebene von einer gewinnrealisierenden Übertragung auszugehen ist.3
Umwandlung“ nach österreichischem Recht aus deutscher Sicht einer Verschmelzung gleichgestellt wird (BMF v. 11.11.2011 – IV C 2 - S 1978-b/08/10001 – DOK 2011/0903665, BStBl. I 2011, 1314, Tz. 01.39; zu den Gegenargumenten Jäschke/Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 6.103). 1 Ritzer in R/H/vL2, Anh. 6 UmwStG Rz. 103; Birkemeier in R/H/vL2, § 9 UmwStG Rz. 16; Schaumburg, GmbHR 1996, 668 (671). 2 Vgl. hierzu die Beispielfälle bei Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 15.86 ff. und 15.109 ff. 3 Jäschke/Staats in Prinz, Umwandlungen im Internationalen Steuerrecht, Rz. 160; s. aber zur Anwendung von § 12 Abs. 1 KStG beim Formwechsel ausländischer Kapital- in Personengesellschaften Benecke/Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 13.103.
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Kapitel 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung A. Grundlagen . . . . . . . . . . . . B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten . . . . . . . . . . I. Allgemeine Hinweise . . . . . . 1. Übersicht über das Regelungsgefüge . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Buchführungspflichten . . . . . 3. Hilfs- und Nebenrechnung . . . II. Duale Einkünftezuordnung . . . 1. Anwendungsbereiche . . . . . . 2. Erwirtschaftungsprinzip . . . . . a) Methoden . . . . . . . . . . . . b) Ausnahme: Gewinnrealisation bei Innentransaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . c) Aufwands- und Ertragszuordnung . . . . . . . . . . . . . aa) Überlassung von Finanzmitteln . . . . . . . . . . . bb) Überlassung von Wirtschaftsgütern zur Nutzung . . . . . . . . . . . . . cc) Erbringung von Dienstleistungen . . . . . . . . . dd) Kosten der Geschäftsführung . . . . . . . . . . . ee) Überführung von Anlagevermögen . . . . . . . . . . ff) Warenlieferungen . . . . . 3. Entgeltsprinzip . . . . . . . . . . a) Rechtsgrundlagen . . . . . . . b) Zweistufige Vorgehensweise c) Zuordnungsregelungen im Überblick . . . . . . . . . . . . aa) Zuordnung von Personalfunktionen . . . . . . . . . bb) Zuordnung von Vermögenswerten . . . . . . . (1) Zuordnung materieller Wirtschaftsgüter . . . . . (2) Zuordnung immaterieller Wirtschaftsgüter . . . . . (3) Zuordnung von Beteiligungen, Finanzanlagen u.ä. Vermögenswerten . .
_ __ _ _ _ _ ___ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _
21.1
21.16 21.16
21.16 21.25 21.31 21.35 21.35 21.37 21.37 21.40
21.46
21.46
21.53 21.56
21.57
21.59 21.64 21.66 21.66 21.68 21.72 21.72 21.74
21.74
21.78 21.80
_ __ _ _ __ _ _ _ _ _ _ __ _ _ _ __ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _
(4) Zuordnung von sonstigen Vermögenswerten . . . . 21.82 cc) Zuordnung von Chancen und Risiken . . . . . . . . 21.83 dd) Dotationskapital . . . . . 21.86 d) Anzunehmende schuldrechtliche Beziehung . . . . . . . . 21.92 4. Zeitliche Zuordnung . . . . . . . 21.95 5. Sonderfälle . . . . . . . . . . . . . 21.100 a) Vertreterbetriebsstätte . . . . 21.100 b) Geschäftsleitungsbetriebsstätte . . . . . . . . . . . . . . 21.105 c) Bau- und Montagebetriebsstätten . . . . . . . . . . . . . . 21.110 C. Einkünftezuordnung bei Personengesellschaften . I. Grundlagen . . . . . . . . II. Einkunftsartenzuordnung III. Einkünftezuordnung . . . 1. Grundsätze . . . . . . . . 2. Einkünftekorrektur . . . .
. . . . . .
. . . . . .
D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften . . . . . I. Allgemeine Hinweise . . . . II. Korrekturregeln . . . . . . . . 1. Verdeckte Gewinnausschüttung . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verdeckte Einlage . . . . . . 3. Berichtigung von Einkünften (§ 1 AStG) . . . . . . . . . III. Korrekturmaßstäbe . . . . . . 1. Allgemeine Hinweise . . . . 2. Ermittlung angemessener Verrechnungspreise . . . . . 3. Verrechnungspreismethoden 4. Anwendungsbereiche . . . . a) Überblick . . . . . . . . . . b) Funktionsverlagerungen . c) Warenlieferungen . . . . . d) Dienstleistungen . . . . . e) Finanzierungsleistungen . f) Forschungsleistungen . . . 5. Vorwegauskünfte (Vorabverständigungsverfahren) . . . .
. . . . . .
. 21.114 . 21.114 . 21.117 . 21.122 . 21.122 . 21.123
. . 21.136 . . 21.136 . . 21.138 . . 21.138 . . 21.151 . . 21.159 . . 21.180 . . 21.180 . . . . . . . . .
. 21.182 . 21.189 . 21.197 . 21.197 . 21.198 . 21.203 . 21.212 . 21.229 . 21.237
. . 21.244
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
A. Grundlagen Literatur Amann, Zur Systematik der Ermittlung ausländischer Einkünfte, DB 1997, 796; Debatin, Doppelbesteuerungsabkommen und innerstaatliches Recht, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 1; Merkenich, Die unterschiedlichen Arten der Einkünfteermittlung im deutschen Einkommensteuerrecht, Berlin 1982; Raupach, Die Frage der Zurechnung im Steuerrecht als Problem der Tatbestandsverwirklichung, in FS für Beisse, Düsseldorf 1997, 403; Ruppe, Möglichkeiten und Grenzen der Übertragung von Einkunftsquellen als Problem der Zurechnung, DStJG 1 (1979), 7 ff.; Schaumburg, Das Nettoprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Tipke/Seer/Hey/Englisch (Hrsg.), Gestaltung der Steuerrechtsordnung, FS für Lang, Köln 2010, 1099; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS für Tipke, Köln 1995, 125; Tipke, Die dualistische Einkünfteermittlung nach dem EStG, FS für Paulick, Köln 1973, 391; Tipke, Übertragung von Einkunftsquellen, StuW 1977, 293 ff.; Zimmermann, Das Problem der Gerechtigkeit in der Einkommensbesteuerung, dargestellt und untersucht an den Beispielen der Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus nichtselbständiger Arbeit, Frankfurt/M. 1978.
21.1
Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer ist das zu versteuernde Einkommen (§ 2 Abs. 5 EStG), das als disponibles Einkommen Maßstab objektiver und subjektiver Leistungsfähigkeit ist.1 Die objektive Leistungsfähigkeit artikuliert sich in der Summe der Einkünfte (§ 2 Abs. 1 bis 3 EStG), die im Rahmen unbeschränkter Steuerpflicht die weltweiten Einkünfte (Welteinkommen) erfasst. Im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht wird dagegen das Territorialitätsprinzip und damit die objektive Leistungsfähigkeit lediglich partiell verwirklicht (Rz. 6.126 ff.). Obwohl auch für beschränkt Steuerpflichtige das zu versteuernde Einkommen Bemessungsgrundlage ist, handelt es sich hierbei tatsächlich aber nicht um durchgehend disponibles Einkommen, weil die die subjektive Leistungsfähigkeit berücksichtigenden privaten Abzüge aufgrund der für beschränkt Steuerpflichtige geltenden Sondervorschrift des § 50 Abs. 1 EStG weitgehend unberücksichtigt bleiben.2 Mit diesem dualistischen Konzept korrespondiert das objektive3 und subjektive (private)4 Nettoprinzip, wonach Erwerbsaufwendungen5 und Verluste ebenso Berücksichtigung finden wie unvermeidbare Privatausgaben.6 Dieses Nettoprinzip gilt im Grundsatz für die unbeschränkte und beschränkte Steuerpflicht gleichermaßen.7 Indessen enthält das Einkommensteu1 Zusammenfassend Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 619 ff.; Hey in Tipke/ Lang22, § 3 Rz. 72 ff., § 8 Rz. 42 f. sowie G. Kirchhof in H/H/R, Einf. ESt. Rz. 230 ff. m.w.N.; zum Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht Schaumburg in FS Tipke, 125 ff. 2 Ausnahme fiktive unbeschränkte Einkommensteuerpflicht (§§ 1 Abs. 3, 1a EStG) ; vgl. Rz. 6.129 ff. 3 Zum objektiven Nettoprinzip im Überblick: Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 763 ff.; G. Kirchhof in H/H/R, Einf. EStG Rz. 295 ff.; Musil in H/H/R, § 2 EStG Rz. 503 ff. 4 Zum subjektiven Nettoprinzip im Überblick: Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 784 ff.; Söhn in K/S/M, § 10 EStG Rz. A 17; G. Kirchhof in H/H/R, Einf. ESt. Rz. 280 ff. 5 Betriebsausgaben/Werbungskosten (§§ 4 Abs. 4; 9 EStG). 6 Zusammenfassend Hey in Tipke/Lang22, § 8 Rz. 42 f. sowie G. Kirchhof in H/H/R, Einf. ESt. Rz. 230 ff. 7 Speziell zum subjektiven und objektiven Nettoprinzip im Internationalen Steuerrecht Schaumburg in FS Lang, 1099 ff.
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Schaumburg
A. Grundlagen
ergesetz zahlreiche Durchbrechungen,1 die im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht eine ungleich größere Reichweite haben (Rz. 6.132 ff.). Da das Einkommensteuergesetz das Einkommensteuerobjekt auf sieben Einkunftsarten begrenzt (§ 2 Abs. 1 Satz 1 EStG), die in Gewinneinkünfte (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG) und Überschusseinkünfte (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG) dualistisch gespalten sind,2 bedarf es stets einer Abgrenzung der Einkunftsarten gegeneinander. Das Erfordernis der Zuordnung von Einkünften zu einer bestimmten Einkunftsart gilt sowohl für die unbeschränkte als auch für die beschränkte Steuerpflicht. So ist die Einkunftsartenzuordnung (Rz. 6.104 ff.) bedeutsam für die Qualifikation als ausländische (§ 34d EStG) und inländische (§ 49 Abs. 1 EStG) Einkünfte. Das Internationale Steuerrecht erfordert damit ebenfalls eine Einkunftsartenabgrenzung (Einkünftequalifikation).
21.2
Die Einkünfteermittlung folgt dem Konzept der dualistisch gespaltenen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 EStG),3 so dass die Gewinneinkünfte (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG) entweder durch Betriebsvermögensvergleich (§§ 4 Abs. 1 und 5 Abs. 1 EStG) oder durch Einnahme-Überschussrechnung (§ 4 Abs. 3 EStG) und die Überschusseinkünfte durch den Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten (§§ 8, 9 und 9a EStG) zu ermitteln sind. Der Dualismus der Einkünfteermittlung gilt unterschiedslos bei unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht, wobei allerdings die sich aus § 50 Abs. 1 EStG ergebenden Modifikationen zu berücksichtigen sind. Die Einkünfteermittlungsvorschriften gelten ferner ohne Rücksicht darauf, wo und wann die betreffenden Einkünfte erzielt werden. Hieraus folgt, dass sowohl ausländische Einkünfte für die deutsche unbeschränkte Steuerpflicht als auch inländische Einkünfte für Zwecke der beschränkten Steuerpflicht nach Maßgabe der deutschen Einkünfteermittlungsvorschriften zu ermitteln sind.4 Soweit es um Gewinneinkünfte geht, gilt hierfür im Rahmen des Betriebsvermögensvergleichs eine zweistufige Gewinnermittlung, wonach der auf der ersten Stufe ermittelte Unterschiedsbetrag um Hinzurechnungen und Kürzungen auf der zweiten Stufe korrigiert wird. Hierzu das folgende Ermittlungsschema:5
21.3
1 Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, Rechtssystematische Grundlagen steuerlicher Leistungsfähigkeit, 71 ff.; eine Aufzählung der Durchbrechungen findet sich bei Musil in H/H/R, § 2 EStG Rz. 503. 2 Zum Dualismus der Einkunftsarten Musil in H/H/R, § 2 EStG Rz. 520 ff. 3 Zu Einzelheiten der dualistischen Einkünfteermittlung Musil in H/H/R, § 2 EStG Rz. 520 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 765 ff.; Hey in Tipke/Lang22, § 9 Rz. 181 ff.; zu verfassungsrechtlichen Aspekten im Überblick Musil in H/H/R, § 2 EStG Rz. 528; zu Einzelheiten insbesondere Merkenich, Die unterschiedlichen Arten der Einkünfteermittlung im deutschen Einkommensteuerrecht; Zimmermann, Das Problem der Gerechtigkeit in der Einkommensbesteuerung, dargestellt und untersucht an den Beispielen der Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb und aus nichtselbständiger Arbeit; Tipke in FS Paulick, 391 ff. 4 BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 22.5.1991 – I R 32/90, BStBl. II 1992, 94; v. 1.10.1992 – I B 42/92, I B 43/92, I B 42/92, I B 43/92, BFH/NV 1993, 156; Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.6; Amann, DB 1997, 796 (796); zu europarechtlichen Problemen Schönfeld in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 11.8. 5 Vgl. R 2 Abs. 1 EStR und R 7 Abs. 1 KStR.
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung Verkürztes Schema der zweistufigen Gewinnermittlung
–
1. Stufe Betriebsvermögen (= Eigenkapital) am Schluss des Wirtschaftsjahres Betriebsvermögen (= Eigenkapital) am Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres
=
Unterschiedsbetrag (Gewinn/Verlust 1. Stufe)
+ – + – + + +/– +/–
2. Stufe Unterschiedsbetrag (= Gewinn/Verlust 1. Stufe) Entnahmen Einlagen verdeckte Gewinnausschüttungen verdeckte Einlagen Korrekturbetrag nach § 1 AStG nicht abziehbare Betriebsausgaben weitere Hinzurechnungen und Kürzungen i.S. der R 7.1 Abs. 1 Satz 2 KStR 2015 Gegenberichtigungen
=
Gewinn i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG (Gewinn/Verlust 2. Stufe)
Von besonderer Bedeutung sind im internationalen Kontext die auf der zweiten Gewinnermittlungsstufe angesiedelten Einkünftekorrekturen, die insoweit zugleich auch der Einkünftezuordnung dienen. 21.4
Die Ermittlung des zu versteuernden Einkommens macht auch eine zeitliche Zuordnung sowie eine persönliche Zurechnung der Einkünfte erforderlich (Rz. 6.101 ff.).1 Die allgemeinen Regeln für diese subjektive Einkünftezuordnung ergeben sich unmittelbar aus § 2 Abs. 1 EStG, wonach die Einkünfte regelmäßig dem Steuerpflichtigen persönlich zuzurechnen sind, der sie erzielt. Den konkreten Tatbestand der Einkunftserzielung erfüllt, wer etwa die Einkünfte aufgrund seiner Betätigung oder seines Vermögenseinsatzes unter Beteiligung am wirtschaftlichen Verkehr erwirtschaftet.2 Auch diese subjektive Einkünftezuordnung gilt im Rahmen der unbeschränkten und beschränkten Steuerpflicht gleichermaßen, also ohne Rücksicht darauf, ob die Einkünfte im Inland oder im Ausland erzielt werden.
21.5
Das Internationale Steuerrecht verlangt schließlich innerhalb einer jeden Einkunftsart eine Abgrenzung zwischen ausländischen/inländischen Einkünften von den übrigen Einkünften. Die Zuordnung zu ausländischen Einkünften ist für unbeschränkt steuerpflichtige Personen im Hinblick auf Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (z.B. §§ 34c und 34d EStG) erforderlich. Demgegenüber knüpft die beschränkte Steuerpflicht nur an inländische Einkünfte (§ 49 Abs. 1 EStG) an. Diese internationale Einkünftezuordnung (Einkünfteabgrenzung) erfolgt entweder bei ein und demselben Steuerpflichtigen – etwa bei der Ausgrenzung von Betriebsstättengewinnen aus dem Gesamtgewinn des Stammhauses für Zwecke des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG sowie für Zwecke der Steuerentstrickung und Steuerverstrickung gem. § 4 Abs. 1 Sätze 3, 4 und 8
1 Zu Einzelheiten Musil in H/H/R, § 2 EStG Rz. 100 ff.; zur zeitlichen Zuordnung vgl. auch Rz. 21.95 ff. 2 Hierzu Kirchhof in K/S/M, § 2 EStG Rz. A 77 ff.; Musil in H/H/R, § 2 EStG Rz. 100 ff.; Hey in Tipke/Lang22, § 8 Rz. 150 ff.; Tipke, StuW 1977, 293 ff.; Ruppe, DStJG 1 (1979), 7 ff.; Raupach in FS Beisse, 403 (408 ff.).
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A. Grundlagen
EStG – oder aber bei verschiedenen Steuerpflichtigen, so z.B. bei verbundenen Unternehmen wegen Anwendung des § 1 AStG. Die Einkünfteabgrenzung bei ein und demselben Steuersubjekt, etwa zwischen inländischem Stammhaus und ausländischer Betriebsstätte, und zwischen verschiedenen Steuersubjekten bedingt nicht selten eine Einkünftekorrektur. Zu den Einkünftekorrekturnormen gehören bei der Einkünftezuordnung von Betriebsstätten (Rz. 21.16 ff.) insbesondere §§ 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4, 4g EStG (§ 12 Abs. 1 KStG); §§ 16 Abs. 3, 36 Abs. 5 EStG; § 1 Abs. 5 AStG, soweit es um eine Einkünfteerhöhung geht, und § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG (§ 8 Abs. 1 KStG), wenn die Korrektur einkünftemindernd erfolgt. Bei der Einkünftezuordnung von Personengesellschaften (Rz. 21.134 ff.) kommen §§ 4 Abs. 1 Satz 2, Abs. 1 Sätze 3 und 4; 4g EStG (§ 12 Abs. 1 KStG), §§ 16 Abs. 3, 36 Abs. 5 EStG, §§ 1 Abs. 1 Satz 2, Abs. 5 AStG für den Fall der Einkünfteerhöhung und § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG bei Einkünfteminderung in Betracht. Bei der Einkünftezuordnung von Kapitalgesellschaften stehen als einkünfteerhöhende Einkünftekorrekturnomen §§ 8 Abs. 3 Satz 2, Abs. 3 Satz 3; 12 Abs. 1 KStG und § 1 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 AStG im Vordergrund und § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG und § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG, wenn es um eine Einkünfteminderung geht.
21.6
Die vorstehenden Einkünftekorrekturnomen stehen, soweit sie sich nicht gegenseitig ausschließen,1 hinsichtlich ihrer Rechtsfolgen in Konkurrenz zueinander. Eine gesetzliche Regelung des Konkurrenzverhältnisses enthält lediglich § 1 Abs. 1 Sätze 1 und 4 AStG. Das bedeutet im Grundsatz, dass zwar die verschiedenen Rechtsfolgen nebeneinander, aber nur einmal im Sinne eines Entweder/ Oder angesetzt werden dürfen. Eine Ausnahme hiervon enthält § 1 Abs. 1 Satz 4 AStG, wonach die Rechtsfolge von § 1 AStG dann neben den Rechtsfolgen anderer Einkünftekorrekturnomen anwendbar ist, wenn diese zu einer weitergehenden Berichtigung führt (Rz. 21.157).
21.7
Einkunftsartenzuordnung, Einkünfteermittlung und subjektive Einkünftezuordnung des Einkommensteuerrechts finden ihre Parallele auch in DBA. Dort geht es vor allem um die Zuordnung der Einkünfte zu den einzelnen Verteilungsnormen. Während hierfür die DBA weitgehend eigenständige Regelungen vorsehen, wird für Zwecke der subjektiven Einkünftezuordnung und der Einkünfteermittlung durchweg auf das jeweilige innerstaatliche Recht verwiesen.2 Soweit es um die Einkünftekorrektur geht, ist Art. 9 OECD-MA, der gegenüber den nationalen Einkünftekorrekturnomen Schrankenwirkung entfaltet,3 von besonderer Bedeutung (Rz. 19.293 ff.).
21.8
1 Etwa verdeckte Gewinnausschüttung (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) und verdeckte Einlage (§ 8 Abs. 3 Satz 3 KStG). 2 Hierzu Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 49; Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 55 ff.; Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 104; Debatin, DStR 1992, Beihefter zu Heft 23, 1 (4 f.); Lang, SWI 1998, 216; Kinzl, IStR 2007, 561. 3 BFH v. 17.12.2014 – I R 23/13, BStBl. II 2016, 261; v. 24.6.2015 – I R 29/14, BStBl. II 2016, 258; Nichtanwendungserlass: BMF v. 30.3.2016 – IV B 5 - S 1341/11/10004-07 – DOK 2016/0291611, BStBl. I 2016, 455.
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
21.9
Die vorstehenden Grundsätze gelten uneingeschränkt für natürliche Personen und darüber hinaus mit Modifikationen auch für Mitunternehmerschaften, die zwar keine Steuersubjekte i.S.v. § 1 Abs. 1 EStG und § 1 Abs. 1 KStG, dafür aber Subjekte der Einkünfteerzielung sind.1 Sie erfüllen somit selbst die erforderlichen Merkmale des Steuertatbestandes, wobei auf einer nachgelagerten Stufe sodann die Zurechnung auf die beteiligten Mitunternehmer (Gesellschafter) erfolgt.
21.10
Wegen der gesetzestechnischen Verknüpfung (§ 8 Abs. 1 KStG) und dem im Übrigen durchaus vergleichbaren Regelungsgefüge, kommen die für natürliche Personen geltenden Zuordnungsregeln und die Regeln der Einkünfteermittlung bei der Körperschaftsteuer ebenfalls im Grundsatz zur Anwendung, wobei allerdings Besonderheiten zu berücksichtigen sind. Zu ihnen gehört etwa die in § 8 Abs. 2 KStG verankerte Regelung, wonach insbesondere unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften stets Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen, so dass insoweit die für die Einkommensteuer typische dualistische Einkünfteermittlung nicht gilt.2 Aus dieser Gewerblichkeitsfiktion folgt u.a., dass Kapitalgesellschaften keine außerbetriebliche Sphäre haben, so dass von ihnen der Entnahmetatbestand nicht erfüllt werden kann.3
21.11
Im Hinblick darauf, dass bei der Gewerbesteuer der nach den Regeln des EStG/ KStG ermittelte Gewinn in den Gewerbeertrag eingeht (§ 7 Satz 1 GewStG), sind die oben genannten Zuordnungsregeln (Rz. 21.4 ff.) und die für die Einkünfteermittlung maßgeblichen Regeln (Rz. 21.3) auch insoweit zur Anwendung zu bringen. Besonderheiten ergeben sich allerdings aus dem Objektsteuercharakter der Gewerbesteuer (Rz. 9.1), aufgrund dessen z.B. nur die aus einem bestehenden und auch betriebenen Gewerbetrieb stammenden Erträge erfasst werden,4 die um Hinzurechnungen (§ 8 GewStG) und Kürzungen (§ 9 GewStG) erhöht bzw. vermindert werden.
21.12
Im Unterschied zu den Ertragsteuern ist bei der Umsatzsteuer (Rz. 10.1 ff.) eine Korrektur der Bemessungsgrundlage (Entgelt) wegen Unangemessenheit des vereinbarten Entgelts (§ 10 Abs. 1 UStG) nicht vorgesehen. Es kommt im Grundsatz nur auf das tatsächlich entrichtete Entgelt an, so dass ohne Bedeutung ist, ob dieses dem Fremdvergleichsgrundsatz (Rz. 21.181) entspricht.5 Eine Korrektur ist allerdings in Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage (§ 10 1 BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (761); v. 12.10.1989 – IV R 5/86, BStBl. II 1990, 168. 2 Anders bei beschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften; hierzu Schallmoser in H/H/R, § 8 KStG Rz. 34. 3 BFH v. 22.1.1997 – I R 64/96, BStBl. II 1998, 548; v. 7.11.2001 – I R 14/01, BStBl. II 2002, 861; v. 22.8.2007 – I R 32/06, BStBl. II 2007, 961; v. 16.1.2014 – I R 21/12, BStBl. II 2014, 531; anders dagegen für beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften BFH v. 7.11. 2001 – I R 14/01, BStBl. II 2002, 861, Tz. 23, zu weiteren Besonderheiten im Überblick Desens in H/H/R, Einf. KSt Rz. 80. 4 Roser in L/S, § 7 GewStG Rz. 297 ff. 5 Stadie3, § 10 UStG Rz. 7, 10; Puls in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 11.48; Vögele/Raab in V/B/E, Verrechnungspreise4, Rz. 390; Heber, MwStR 2015, 372 (373); vgl. auch EuGH v. 20.1.2005 – Rs. C-412/03 – Scandic, Slg. 2005, I-743, Tz. 22; v. 9.6.2011 – Rs. C-285/10 – Campsa Estaciones de Servicio, Slg. 2011, I-5029, Tz. 25; BFH v. 6.5.2010 – V R 15/09, BStBl. II 2011, 142.
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A. Grundlagen
Abs. 5 UStG) möglich, wenn etwa Lieferungen einer Kapitalgesellschaft an ihre Gesellschafter zu einem Entgelt erfolgen, das unter dem Einkaufspreis, den Selbstkosten bzw. entstandenen Kosten liegt (§ 10 Abs. 4 UStG). In diesem Fall wird das tatsächliche Entgelt korrigiert, wobei diese Sonderregelung darauf gerichtet ist, Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung zu vermeiden.1 Davon kann freilich keine Rede sein, wenn das marktübliche Entgelt die Mindestbemessungsgrundlage unterschreitet, so dass insoweit eine Korrektur unterbleibt. Da die vereinbarten Verrechnungspreise zwischen international miteinander verbundenen Unternehmen in aller Regel über der Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 4 u. 5 UStG angesiedelt sein werden, bei Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers die Mindestbemessungsgrundlage nicht eingreift2 und bei grenzüberschreitenden Leistungsbeziehungen zumeist entweder Nichtsteuerbarkeit oder Steuerbefreiung gegeben ist (Rz. 10.80 ff.), wird eine Entgeltkorrektur in der Praxis die Ausnahme sein.3 Eine Korrektur unterbleibt schließlich auch unter dem Gesichtspunkt der Änderung der Bemessungsgrundlage (§ 17 UStG). In Folge einer Einkünftekorrektur für Zwecke des Ertragssteuerrechts wird weder der Tatbestand des § 17 Abs. 2 UStG noch der des § 17 Abs. 1 UStG erfüllt sein,4 es sei denn die Vertragsparteien vereinbaren nachträglich eine entsprechende Preisanpassung. Im Anwendungsbereich der Einfuhrumsatzsteuer (Rz. 10.63 ff.) spielt eine etwa für Zwecke des Ertragsteuerrechts vorzunehmende Einkünftekorrektur grundsätzlich ebenfalls keine Rolle, weil gem. § 11 Abs. 1 UStG die Bemessungsgrundlage sich am Zollwert orientiert. Der Zollwert eingeführter Waren entspricht hierbei dem Transaktionswert, also dem tatsächlich gezahlten oder noch zu zahlenden Preis (Art. 29 ZK/Art. 62 UZK).5 Wenn allerdings Käufer und Verkäufer miteinander verbunden6 sind, bedarf es der Überprüfung, ob der Transaktionswert anerkannt werden kann (Art. 29 Abs. 1 Buchst. d ZK/Art. 62 Abs. 1 Buchst. d UZK), was zu verneinen ist, wenn die Verbundenheit den Preis beeinflusst hat (Art. 29 Abs. 2 Buchst. a ZK/Art. 62 Abs. 2 Buchst. a UZK).7 In diesem Fall bemisst sich der Zollwert nach Fremdvergleichsgrundsätzen, also nach einem Vergleichszollwert (Art. 30 ZK/Art. 63 UZK).8 Dies gilt allerdings dann nicht, wenn der Käufer die Einfuhrumsatzsteuer vollen Umfangs als Vorsteuer
1 EuGH v. 29.5.1997 – Rs. C-63/96 – Skripale, Slg. 1997, I-2847; v. 26.4.2012 – Rs. C-621/10 u. C-129/11 – Balkan and Sea Properties, ECLI:EU:C:2012:248, Tz. 46 = UR 2012, 435; BFH v. 24.1.2008 – V R 39/06, BStBl. II 2009, 786; v. 7.10.2010 – V R 4/10, BFH/NV 2010, 930; v. 5.6.2014 – XI R 44/12, BStBl. II 2016, 187, Tz. 28 = UR 2014, 700. 2 EuGH v. 26.4.2012 – Rs. C-621/10 u. C-129/11 – Balkan and Sea Properties, ECLI:EU:C:2012:248 = UR 2012, 435 zu Art. 80 MwStSystRL; zur Kritik an dieser Entscheidung Stadie3, § 10 UStG Rz. 124. 3 Hierzu Puls in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 11.50. 4 Heber, MwStR 2015, 372 (375). 5 Hiernach bemisst sich die weitaus überwiegende Anzahl der Einfuhrfälle; nach Rinnert in Witte6, Art. 29 ZK Rz. 1 sind es ca. 80 %. 6 Zum Begriff „Verbundenheit“ siehe Art. 143 ZK-DVO. 7 Bloße Vermutungen reichen nicht aus; Rinnert in Witte6, Art. 29 ZK Rz. 80. 8 Vgl. zu den einzelnen Methoden im Überblick Rinnert in Witte6, Art. 30 ZK Rz. 5 ff.
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21.13
Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
(§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG) abziehen kann.1 Kann der Zollwert auch hiernach nicht ermittelt werden, ist auf innerhalb der EU verfügbares Datenmaterial zurückzugreifen (Art. 33 ZK/ Art. 63 UZK),2 was ggf. in eine Schätzung einmünden kann.3 21.14
Bei der Grunderwerbsteuer ist Bemessungsgrundlage im Regelfall der Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG). Bei der in der Praxis häufigsten Fallvariante, dem Kauf, ist der Kaufpreis maßgeblich (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG), wobei es ebenso wie bei der Umsatzsteuer im Grundsatz nicht darauf ankommt, ob der Kaufpreis angemessen ist.4 Das gilt auch für Grundstückskaufverträge zwischen (international) miteinander verbundenen Unternehmen.5 Daher ist der Kaufpreis auch in den Fällen anzusetzen, in denen dieser hinter dem gemeinen Wert des Grundstücks zurückbleibt.6 Im Unterschied zur Umsatzsteuer (§ 10 Abs. 4 u. 5 UStG), enthält das GrEStG keine Mindestbemessungsgrundlage.7 Eine spätere Kaufpreisanpassung kann, soweit es sich um eine Kaufpreisminderung handelt, nur auf Grundlage des § 16 Abs. 3 GrEStG berücksichtigt werden.
21.15
Im Blickpunkt der folgenden Ausführungen stehen ertragsteuerliche Aspekte der Einkunftsartenzuordnung und der subjektiven Einkünftezuordnung. Beide Aspekte werden übergreifend als Einkünftezuordnung bezeichnet.
B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten Literatur Kommentare zu § 1 Abs. 4–6 AStG und Art. 7 OECD-MA (2010); Andresen, Regulations Provide Further Guidance on the Application of the Authorized OECD Approch to the Attribution of Profit to Permanent Estabilishments, ITPJ 2015, 77; Andresen/Busch, Betriebsstätten-Einkünfteabgrenzung: steuerliche Untiefen bei der Transformierung des Authorised OECD Approaches in nationales Recht, Ubg 2012, 451; Baldamus, Neues zur Betriebsstättengewinnermittlung, ifst-schrift 480 (2012); Barig, Abgrenzung der Betriebsstätteneinkünfte nach dem AOA, IWB 2013, 801; Becker, Funktionsnutzen oder Erwirtschaftungsgrundsatz, DB 1990, 392; Beiser, Die grenzüberschreitende Finanzierung von Betriebsstätten aus der Sicht des Arm’s-length-Prinzips, IStR 1992, 7; Bendlinger, „Dealing at arm’s length“ bei temporären DBA-Betriebsstätten, SWI 1997, 104; Bendlinger, Die ertragsteuerliche Ergebnisaufteilung zwischen inländischem Stammhaus und ausländischer Be-
1 In Orientierung an EuGH v. 26.4.2012 – Rs. C-621/10 u. C-129/11 – Balkan and Sea Properties, ECLI:EU:C:2012:248 = UR 2012, 435 zu Art. 80 MwStSystRL; so im Ergebnis (ausführlich) Heber, MwStR 2015, 372 (376 ff.) 2 Zu dieser sog. Schlussmethode Rinnert in Witte6, Art. 31 ZK Rz. 3 ff. 3 Rinnert in Witte6, Art. 31 ZK Rz. 8; Krüger in Dorsch, Art. 31 ZK Rz. 8. 4 BFH v. 2.3.2011 – II R 23/10, BStBl. II 2011, 932 Rz. 18 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung; Loose in Boruttau18, § 9 GrEStG Rz. 208; Pahlke5, § 9 GrEStG Rz. 77. 5 BFH v. 26.10.1977 – II R 115/69, BStBl. II 1978, 201; v. 6.12.1989 – II R 95/86, BStBl. II 1990, 186; v. 26.2.2003 – II B 54/02, BStBl. II 2003, 483; v. 2.3.2011 – II R 23/10, BStBl. II 2011, 932, Tz. 18. 6 BFH v. 6.12.1989 – II R 95/86, BStBl. II 1990, 186; v. 26.2.2003 – II B 54/02, BStBl. II 2003, 483; anders bei einem Kaufpreis in symbolischer Höhe; vgl. Loose in Boruttau18, § 9 GrEStG Rz. 209. 7 Das gilt auch für § 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GrEStG; hierzu BFH v. 2.3.2011 – II R 23/10, BStBl. II 2011, 932 Rz. 19.
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B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten triebsstätte – Besonderheiten bei internationalen Anlagenerrichtungen, in Lang/Jirousek (Hrsg.), Praxis des Internationalen Steuerrechts, FS für Loukota, Wien 2005, 69; Bendlinger, Gewinnermittlung und Gewinnabgrenzung bei Auslandsbetriebsstätten im Steuerrecht, in: Renner/Schlager/Schwarz (Hrsg.), Praxis der steuerlichen Gewinnermittlung, GS Köglberger Wien 2008, 495; Bendlinger/Remberg/Kuckhoff, Betriebsstättenbesteuerung im Großanlagenbau, IStR 2002, 40; Benecke/Schnitger, Neuregelungen des UmwStG und der Entstrickungsnormen durch das SEStEG, IStR 2006, 765; Berner, Betriebsstättenbesteuerung nach dem AOA, Tübingen 2016; Breuninger, Die „Zentralfunktion des Stammhauses“ bei grenzüberschreitenden Verschmelzungen, in Spindler/Tipke/Rödder, Steuerzentrierte Rechtsberatung, FS für Schaumburg, Köln 2009, 587; Brülisauer, Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte im internationalen Steuerrecht der Schweiz, Bern 2006; Buchner, Die Ansicht der OECD zur Zurechnung von Kapital und Zinsaufwendungen zu einer Betriebsstätte: Vergleichende Gegenüberstellung vor und nach Inkrafttreten des AOA und steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten, IStR 2013, 288; Burmester, Probleme der Gewinn- und Verlustrealisierung, Baden-Baden 1986; Busch, Der Entwurf der Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung, DB 2016, 910; Busch, Fiktive Transaktionen im Authorised OECD Approach, BB 2012, 2281; Dahnke, Betriebsstättenbesteuerung: Zuordnung von Generalunkosten des ausländischen Stammhauses gegenüber der inländischen Betriebsstätte, IStR 1996, 475; de Weerth, Berücksichtigung von Währungsverlusten auf das Dotationskapital einer EU-Auslandsbetriebsstätte im Inland, IStR 2008, 226; Debatin, Das Betriebsstättenprinzip der deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, DB 1989, 1692, 1739; Delarber, Steuerliche Einflüsse auf die grenzüberschreitende Betriebsstättenbesteuerung, Berlin 2015; Ditz, Betriebsstättengewinnabgrenzung nach § 1 AStG n.F. und der BsGaV, in: Raupach/Pohl/Ditz/Engel/Keller/Klein/Salzmann (Hrsg.), Praxis des Internationalen Steuerrechts 2014, Herne 2015, 98; Ditz, Betriebsstättengewinnabgrenzung nach dem „Authorised OECD Approach“ – Eine kritische Analyse, ISR 2012, 48; Ditz, Der „Authorised OECD Approach“ wird Wirklichkeit, ISR 2013, 261; Ditz, Die Grenzen des Fremdvergleichs – Zugleich Plädoyer für ein Festhalten am Fremdvergleichsgrundsatz, FR 2015, 115; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, Berlin 2004; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten und nationale Gewinnermittlungsvorschriften im Lichte aktueller Entwicklungen bei der OECD, IStR 2005, 37; Ditz, Umsetzung des „Authorised OECD Approach“ in Deutsches Steuerrecht, in Lüdicke (Hrsg.), Vermeidung der Doppelbesteuerung und ihre Grenzen, Köln 2013, 109; Ditz/Bärsch/Quilitzsch, Betriebsstätteneinkünfte und Gewinnabgrenzung zwischen verbundenen Unternehmen nach der deutschen Verhandlungsgrundlage für Doppelbesteuerungsabkommen, ISR 2013, 154; Ditz/Luckhaupt, Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung – Neues Gewinnermittlungsrecht für Betriebsstätten, ISR 2015, 1; Ditz/Schönfeld, Abzug von umrechnungsbedingten Währungsverlusten, DB 2008, 458; Ditz/Tcherveniachki, Nutzungsüberlassung immaterieller Wirtschaftsgüter an ausländische Betriebsstätten – Betriebsprüfungsfall zu § 12 Abs. 1 KStG, Ubg 2012, 101; Endres, Die Vertreterbetriebsstätte im Konzern, IStR 1996, 1; Feuerbaum, Internationale Besteuerung des Industrieanlagenbaus, 2. Aufl., Herne/Berlin 1983; Förster/Naumann/Rosenberg, Generalthema II des IFA-Kongresses 2006 in Amsterdam: Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, IStR 2005, 617; Froitzheim, Funktionsweise und Wirkung der AOA-Gewinnabgrenzung, Ubg 2015, 354; Froitzheim, Steuerliche Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte und deren Auswirkung auf die Gewinnabgrenzung, Köln 2015; Frotscher, Zur Vereinbarkeit der „Betriebsstättenbedingung“ bei Sitzverlegung und grenzüberschreitender Umwandlung mit den Grundfreiheiten, IStR 2006, 65; Gassner/Lang/Lechner, Die Betriebsstätte im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Wien 1998; Gebhardt, Ist § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG-E i.d.F. des JStG 2013 ein Treaty Override?, BB 2012, 2353; Girlich/Müller, Betriebsstätte und Authorised OECD Approach, ISR 2015, 169; Girlich/Philipp, Nachträgliche Betriebsstätteneinkünfte in Outbound-Fällen, DB 2015, 459; Görl, Die Vertreterbetriebsstätte der Doppelbesteuerungsabkommen – ein Geburtsfehler des Art. 5 OECDMusterabkommen, in Strunk/Wassermeyer/Kaminski (Hrsg.), Unternehmensteuerrecht und Internationales Steuerrecht, GS für Krüger, Bonn/Berlin 2006, 113; Gosch, Die Zeit im Abkommensrecht, FG Wassermeyer, München 2015, 209; Gosch, Über die Zeit im Ab-
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung kommensrecht, IStR 2015, 709; Göttsche/Stangl, Der Betriebsstättenerlass des BMF vom 24.12.1999 – Anmerkungen und Zweifelsfragen, DStR 2000, 498; Greier/Friedrich, Die Hilfs- und Nebenrechnung i.S.d. Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung, DB 2016, 1773; Gretler, Die grenzüberschreitende Verlagerung von Humankapital zur Nutzung bilanzierter Werte im Inland, Konstanz 1993; Häck, Abkommensrechtliche Zuordnung von Beteiligungen zu Betriebsstätten nach BFH, OECD und Finanzverwaltung, ISR 2015, 113; Hagemann, Betriebsstättenbesteuerung: Zuordnung von Wirtschaftsgütern, PIStB 2014, 111; Hagemann, Die Zuordnung vor- und nachgelagerter Einkünfte zu Betriebsstätten im Abkommensrecht, DB 2016, 1217; Haiß, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten im Internationalen Steuerrecht, Neuwied/Kriftel 2000; Haiß, Steuerliche Abgrenzungsfragen bei der Begründung einer Betriebsstätte im Ausland in Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung, Herne 2011, 31; Hangarter, Erweiterte Mitwirkungspflicht bei Auslandsbeziehungen und schweizerischer Geheimnisschutz, RIW/AWD 1982, 176; Hansen, Die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Frankfurt am Main 2015; Hemmelrath, Die Ermittlung des Betriebsstättengewinns im Internationalen Steuerrecht, München 1982; Hemmelrath/Kepper, Die Bedeutung des „Authorised OECD Approach“ für die deutsche Abkommenspraxis, IStR 2013, 37; Herzig, Perspektiven der Ermittlung, Abgrenzung und Übermittlung des steuerlichen Gewinns, DB 2012, 1; Heyd, Internationale Gewinnabgrenzung bei der Geschäftstätigkeit und Betriebsstättenstrukturen, Berlin 2014; Höreth/Zimmermann, Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf Betriebsstätten nach § 1 Abs. 5 AStG – Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung – BsGaV, DStZ 2014, 743; Hruschka, Offene Fragen beim Rücktransport von Währungsverlusten, IStR 2008, 499; Jakobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 8. Aufl. München 2016; Kahle, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten nach dem Authorised OECD Approach, in: Lüdicke/Mössner/ Hummel (Hrsg.), Das Steuerrecht der Unternehmen, FS Frotscher, Freiburg/München 2013, 287; Kahle/Mödinger, Betriebsstättenbesteuerung: Zur Anwendung und Umsetzung des Authorised OECD Approach, DStZ 2012, 802; Kaminski, Steuerliche Konsequenzen und deren Beurteilung bei der Verlagerung eines inländischen unternehmerischen Engagements in das Ausland, Bielefeld 1996; Kemka, Gewinnreduzierung bei der Überführung von Wirtschaftsgütern zwischen Stammhaus und Betriebsstätte, Frankfurt 1995; Kleineidam, Gewinnermittlung bei Auslandsbetriebsstätten, IStR 1993, 349; 395; Kleineidam, Rechnungslegung bei Auslandsbeziehungen nach Handels- und Steuerrecht, Freiburg 1992; Kofler/van Thiel, The „Authorised OECD Approach“ and EU Tax Law, ET 2011, 327; Kraft/Dombrowski, Die Folgen der Einführung des AOA für den Steuerpflichtigen, IWB 2015, 87; Kraft/Dombrowski, Die praktische Umsetzung des „Authorized OECD Approach“ vor dem Hintergrund der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung, FR 2014, 1105; Kramer, Gewinnabgrenzung und Gewinnermittlung bei Verbringung von Wirtschaftsgütern zwischen Betriebsstätten im Internationalen Steuerrecht, StuW 1991, 151; Kroppen, Aufteilungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte auf Basis von Personalfunktionen?, DB 2014, 2134; Kroppen, Betriebsstättengewinnermittlung, IStR 2005, 74; Kroppen, Der „Authorised OECD Approach“ zur Gewinnaufteilung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte, in: Kessler/Förster/Watrin (Hrsg.), Unternehmensbesteuerung; FS Herzig, München 2010, 1071; Kuckhoff/Schreiber; Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung aus Sicht der Betriebsprüfung, IStR 1999, 321; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, Köln 1982; Kumpf, Ergebnis- und Vermögenszuordnung bei Betriebsstätten, StbJb. 1988/89, 399; Kumpf/Roth, Einzelfragen der Ergebniszuordnung nach den neuen Betriebsstätten-Verwaltungsgrundsätzen, DB 2000, 787; Kußmaul/Delarber/Müller, Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung-Entwurf – Ein allgemeiner Überblick, IStR 2014, 466; Kußmaul/Ruiner, Zur Umsetzung des OECD functionally separate entity approach in nationales Recht, BB 2012, 2025; Kußmaul/Ruiner/Delarber, Leistungsbeziehungen in internationalen Einheitsunternehmen mit Blick auf die Änderung des Art. 7 OECD-MA und die geplante Änderung des § 1 AStG, Ubg 2012, 837; Löwenstein/Looks/Heinsen, Betriebsstättenbesteuerung, 2. Aufl. München 2011; Loukota, Ständige Vertretungen als DBA-Betriebsstätten, SWI 1996, 101; Lüdicke, Aktuelle Besteuerungsfragen bei inländischen Betriebsstätten ausländischer Unternehmen – unter besonderer Berücksichtigung von Banken
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B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten und Versicherungen, DStJG 8 (1995), 35; Malinski, Währungsschwankungen und Doppelbesteuerung, Herne/Berlin 1992; May, Ertragsbesteuerung von Technologietransfer bei Vorliegen eines Doppelbesteuerungsabkommens, Baden-Baden 1994; Melhem/Dombrowski, Die unbestimmten Grenzen der Selbstständigkeitsfiktion des AOA, IStR 2015, 912; Mersmann, Die Ertragsbesteuerung inländischer Betriebsstätten und Tochtergesellschaften ausländischer Kapitalgesellschaften, Heidelberg 1966; Münch, Vergebliche Akquisitionskosten im Inland in Bezug auf erhoffte Aufträge im Ausland, StBp. 1995, 54; Mutscher, Die Kapitalstruktur von Betriebsstätten im Internationalen Steuerrecht, Berlin/Bielefeld/München 1997; Naumann, Sollen Betriebsstätten wie Tochtergesellschaften besteuert werden?, DStJG 36 (2013), 253; Neumann, Das Verhältnis von § 1 Abs. 5 AStG zu den deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, IStR 2013, 573; Nientimp/Ludwig, Der Entwurf einer Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung, IWB 2013, 638; Nientimp/Ludwig/Stein, Die finale Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV), IWB 2014, 815; Nientimp/ Schwarz/Stein, Einkünfteermittlung nach dem AOA: Plädoyer für eine einheitliche Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes, IStR 2016,. 487; Nowotny, Betriebsstättengewinnermittlung, Wien 2004; Oesch, Ausländische Betriebsstätten und Tochtergesellschaften, Bern/Stuttgart 1987; Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, Köln 2001; Rasch/Chwalek, Sperrwirkung von DBA gegenüber nationalen Einkünftekorrekturen, IWB 2015, 377; Rehfeld/Goldner, Gewinnabgrenzung zwischen Stammhaus und Betriebsstäte, IWB 2013, 548; Remberg, Steuerliche Sonderprobleme des internationalen Anlagenbaus, in Schaumburg, Internationale Joint Ventures, Stuttgart 1999, 431; Richter/Heyd, Neujustierung der Betriebsstätten-Gewinnabgrenzung durch die Implementierung des Authorised OECD Approach, Ubg 2013, 418; Roeder/Friedrich, Regelungsmängel der Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung, BB 2015, 1053; Roth, Die Gewinnabgrenzung bei der grenzüberschreitenden Überführung von Wirtschaftsgütern in eine Betriebsstätte unter steuerplanerischen Gesichtspunkten in: Grotherr, Handbuch der internationalen Steuerplanung, 3. Aufl. Herne 2011, 75; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS für Tipke, Köln 1995, 125; Schaumburg, Der Wegzug von Unternehmen in Gocke/ Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, FS für Wassermeyer, München 2005, 411; Schaumburg, Gewerbliche Tätigkeiten im Ausland, in Krause/Schaumburg/Wassermeyer, Besteuerung grenzüberschreitender Aktivitäten, Bonn 1996, 27; Schaumburg, Grenzüberschreitende Einkünftekorrektur bei Betriebsstätten, ISR 2013, 197; Schaumburg, Spezielle Gewinnrealisierungsprobleme im außensteuerlichen Kontext, DStJG 4 (1985), 247; Schaumburg, Zurechnung von Wirtschaftsgütern im nationalen und im Abkommensrecht, in Lüdicke (Hrsg.), Zurechnung von Wirtschaftsgütern im Internationalen Steuerrecht, Köln, 2000, 53; Schaus/Persch, Branchenspezifische Regelungen im Entwurf der BsGaV, IWB 2013, 789; Schieber, Die Besteuerung von Auslandsbetriebsstätten, Köln 1979; Schnitger, Änderungen des § 1 AStG und Umsetzung des AOA durch das JStG 2013, IStR 2012, 633; Schnorberger/Dust, Gründungsaufwand bei ausländischen Betriebsstätten: Alles neu macht der … AOA, BB 2015, 608; Schnorberger/Sassmann/Shekhovtsova, Betriebsstättengewinnermittlung nach dem OECD-Ansatz: Der Grundfall der Vertriebsbetriebsstätte, IStR 2014, 81; Schön, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, in: Lüdicke (Hrsg.), Besteuerung von Unternehmen im Wandel – Internationale Umwandlungen, Funktionsverlagerung, Betriebsstätten, Köln 2007, 71; Schröder, Ertragsteuerliche Behandlung von Aufwendungen für gescheiterte Auslandsinvestitionen, StBp. 1988, 218; Schwenke, Ist das Veranlassungsprinzip bei Auslandsbetriebsstätten grenzenlos?, FS Gosch, München 2016, 377; Sieker, Betriebsstättengewinn und Fremdvergleichsgrundsatz, DB 1996, 110; Sieker, Ist einer Vertreterbetriebsstätte ein Gewinn zuzurechnen?, BB 1996, 981; Statzkowski, Das Prinzip der Gewinnverwirklichung durch Steuerentstrickung im deutschen Steuerrecht – de lege lata und de lege ferenda, Diss. Berlin 1986; Storck, Ausländische Betriebsstätten im Ertrag- und Vermögensteuerrecht, Frankfurt/Deventer 1980; Strothenke/Holtrichter, Zuordnungsregeln im Entwurf einer Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV), StuB 2013, 730; Telkamp, Betriebsstätte oder Tochtergesellschaft im Ausland?, Wiesbaden 1973; Uhrmann, Die Rechtsnatur der Währungsergebnisse und ihre Zuordnung, DB 1990, 2037; Vögele/Borstell/Engler, Ver-
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung rechnungspreise, 4. Aufl. München 2015; Wassermeyer, Das Besteuerungsrecht für nachträgliche Einkünfte im internationalen Steuerrecht, IStR 2010, 461; Wassermeyer, Dealing at arm’s Length bei der Betriebsstättengewinnermittlung, in: Lang/Jirousek (Hrsg.), Praxis des Internationalen Steuerrechts, FS Loukota, Wien 2005, 651; Wassermeyer, Die abkommensrechtliche Aufteilung von Unternehmensgewinnen zwischen den beteiligten Vertragsstaaten, IStR 2012, 277; Wassermeyer, Die neuere BFH-Rechtsprechung zu Verstößen gegen ein Wettbewerbsverbot durch den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH, DStR 1997, 681; Wassermeyer, Verliert Deutschland im Fall der Überführung von Wirtschaftsgütern in eine ausländische Betriebsstätte das Besteuerungsrecht?, DB 2006, 1176; Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten-Handbuch, Köln 2006; Weber, Gewinnermittlung und Besteuerung deutscher Unternehmen mit ausländischen Betriebsstätten, InstFuSt (Brief 250), Bonn 1985; Weber/Werra, „Auf den Spuren eines unbekannten Wesens“, Zum Stand der Diskussion über die Betriebsstättenbesteuerung, in FS für Ritter, Köln 1997, 285; Wellmann, Die Gewinnallokation der Betriebsstätte nach AOA, FG Wassermeyer, München 2015, 235; Werra/Teiche, Das SEStBeglG aus der Sicht international tätiger Unternehmen, DB 2006, 1455; Wlecke, Währungsumrechnung und Gewinnbesteuerung bei international tätigen deutschen Unternehmen, Düsseldorf 1989; Zehr, Einkünftezurechnung im internationalen Einheitsunternehmen, Lohmar/Köln 2008; Ziehr, Zurechnung von Währungserfolgen aus der Umrechnung einer ausländischen Betriebsstättenrechnungslegung, IStR 2009, 261.
I. Allgemeine Hinweise 1. Übersicht über das Regelungsgefüge 21.16
Das Erfordernis internationaler Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten besteht – allerdings mit unterschiedlichem Funktionsgehalt – sowohl auf der Ebene des innerstaatlichen Rechts als auch auf der des Abkommensrechts. Entsprechendes gilt für die internationale Vermögenszuordnung, die nach gleichen Kriterien erfolgt.1
21.17
Im innerstaatlichen Recht sind Betriebsstätteneinkünfte für Zwecke der Einkommen- und Körperschaftsteuer Anknüpfungsmerkmale einerseits für die beschränkte Steuerpflicht2 und andererseits für unilaterale Maßnahmen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung3 sowie für die Verlustausgleichsbeschränkungen gem. § 2a Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 EStG, für die Entstrickung und Verstrickung gem. § 4 Abs. 1 Sätze 3, 4 und 8; § 16 Abs. 3a EStG (§ 12 Abs. 1 KStG) und für die grenzüberschreitende Einkünftekorrektur (§ 1 Abs. 5 AStG).
21.18
Darüber hinaus verlangt auch das Gewerbesteuergesetz die Ermittlung von Betriebsstätteneinkünften: Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb der Gewerbesteuer, soweit er im Inland betrieben wird.
1 Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.36 ff.; zur Parallelität der Zuordnungsregeln Schaumburg in Lüdicke, Zuordnung von Wirtschaftsgütern im Internationalen Steuerrecht, 53 ff. 2 §§ 1 Abs. 4; 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG; §§ 2 Nr. 1; 8 Abs. 1 KStG i.V. m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG (Einkünfte einer inländischen Betriebsstätte). 3 §§ 34c; 34d Nr. 2 Buchst. a EStG; § 26 Abs. 1 und 2 KStG (Einkünfte einer ausländischen Betriebsstätte).
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B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten
Der auf eine Auslandsbetriebsstätte entfallende Gewinn ist damit nicht der Gewerbesteuer ausgesetzt (Kürzung gem. § 9 Nr. 3 GewStG).1 Im Abkommensrecht dagegen sind Betriebsstätteneinkünfte Kriterium für das Besteuerungsrecht des einen oder anderen Vertragsstaates (Art. 7 OECD-MA; zum Betriebsstättenprinzip Rz. 19.239 f.). Auf beiden Ebenen geht es zwar gleichermaßen darum, der Betriebsstätte diejenigen Einkünfte zuzuordnen, die sie im Rahmen des Gesamtunternehmens erwirtschaftet hat, die hierfür maßgeblichen Regeln sind aber unterschiedlich. Die Einkünftezuordnung bezieht sich insoweit also stets nur auf verschiedene Unternehmensteile ein und desselben Steuerpflichtigen.2
21.19
Im innerstaatlichen Recht orientiert sich die Einkünftezuordnung im Grundsatz am Veranlassungsprinzip (Rz. 6.103, 21.35).3 Das gilt im Rahmen der unbeschränkten und der beschränkten Steuerpflicht gleichermaßen. Während bei unbeschränkter Steuerpflicht die Einkünftezuordnung zur inländischen Betriebsstätte lediglich Bedeutung für die Zerlegung des einheitlichen Gewerbesteuermessbetrages (§ 28 GewStG) hat, entscheidet die Zuordnung zu einer ausländischen Betriebsstätte darüber, ob und ggf. in welchem Umfang ausländische Steuern angerechnet oder abgezogen werden können (§§ 34c Abs. 1–3, 34d Nr. 2 Buchst. a EStG, § 26 KStG; Rz. 18.72 ff.).4
21.20
Bei beschränkter Steuerpflicht ist die inländische Betriebsstätte ein wichtiger Anknüpfungspunkt für die Besteuerung (Rz. 6.136 ff.). Der Wortlaut des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG, wonach inländische Einkünfte vorliegen, wenn für den Gewerbebetrieb im Inland eine Betriebsstätte unterhalten wird, bietet Orientierungsmaßstäbe für die Auslegung im Sinne einer Einkünftezuordnung nur im Zusammenwirken mit der in § 50 Abs. 1 Satz 1 EStG getroffenen Regelung, aufgrund deren Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) oder Werbungskosten (§ 9 EStG) nur insoweit abgezogen werden können, als sie mit inländischen Einkünften im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Da ein unmittelbarer Zusammenhang nicht verlangt wird,5 gilt insoweit das allgemein für Betriebsausgaben und Wer-
21.21
1 Anders § 7 Satz 8 GewStG (AHRL-ÄndUmsG), wonach (fiktive) Zwischeneinkünfte einer ausländischen Betriebsstätte ab 2017 der Gewerbesteuer unterliegen (§ 36 Abs. 2a GewStG). 2 Gem. BEPS-Aktionspunkt 7 wird eine Ausweitung des Betriebsstättenbegriffs mit entsprechender Auswirkung auf die Betriebsstättengewinnabgrenzung vorgeschlagen (Rz. 5.31); vgl. hierzu van der Ham/Retzer, IStR 2016, 749. 3 Vgl. Musil in H/H/R, § 2 EStG Rz. 137; Hey in T/L22, § 8 Rz. 213 ff.; speziell zum internationalen Kontext: BFH v. 29.1.1964 – I 153/61 S, BStBl. III 1964, 165; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 104; Neubauer, JbFSt. 1976/77, 312 (314); Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1740), der insoweit von einem Erwirtschaftungsprinzip spricht, das hier im Sinne des Veranlassungsprinzips zu verstehen ist; ähnlich Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 3.15, 3.19, mit einem Überblick über den Meinungsstand in Rz. 3.10; Brüninghaus in V/B/E, Verrechnungspreise4, Rz. L 69. 4 Hierzu Rz. 18.49 ff. 5 Ein ausschließlicher Zusammenhang (Ausland) wird ebenfalls nicht verlangt, so dass ggf. eine anteilige Zurechnung zu in- und ausländischen Einnahmen in Betracht kommt, hierzu Herkenroth/Striegel in H/H/R § 50 EStG Rz. 38.
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
bungskosten gültige Veranlassungsprinzip.1 Dieses Veranlassungsprinzip artikuliert sich konkret in § 34d Nr. 2 Buchst. a EStG: Danach sind Einkünfte aus Gewerbebetrieb solche, die durch eine in einem ausländischen Staat belegene Betriebsstätte erzielt werden. Dieses Veranlassungsprinzip wird in Bezug auf die internationale Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten objektiviert durch das dealing at arm’s length-Prinzip, das somit auch im innerstaatlichen Steuerrecht Anwendung findet.2 21.22
Das Veranlassungsprinzip knüpft an das Unternehmen als Einheit mit der Folge an, dass bloße Innentransaktionen etwa zwischen Stammhaus und ausländischer Betriebsstätte im Grundsatz nicht Gegenstand einer Einkünftezuordnung sind. Grenzüberschreitend sind im Ertragssteuerrecht allerdings Ausnahmen vorgesehen, und zwar aufgrund der Regelungen über die Entstrickung (Rz. 6.381 ff.) und Verstrickung (Rz. 6.401 f.). Darüber hinaus enthält auch § 1 AStG eine Sonderregelung, wonach für Zwecke der grenzüberschreitenden Einkünftekorrektur etwa zwischen Stammhaus und Betriebsstätte Außentransaktionen fingiert werden (Rz. 21.66 ff.). Diese Selbständigkeitsfiktion beruht auf § 1 Abs. 5 Satz 2 AStG, wonach im Ergebnis die Einkünfte des Einheitsunternehmens zwischen Betriebsstätte und Stammhaus nach denselben Grundsätzen zu verteilen sind wie zwischen Tochter- und Muttergesellschaft (Entgeltsprinzip). Dieses Konzept des „Authorised OECD Approach“ (AOA) suspendiert das Veranlassungsprinzip (Erwirtschaftungsprinzip). Die AOA-Regeln haben indessen eine begrenzte Reichweite: Sie gelten nur im Rahmen der Einkünftekorrektur (§ 1 Abs. 5 AStG),3 ferner nur für (fingierte) Geschäftsbeziehungen (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG) zum Ausland und nur dann, wenn die Einkünftekorrektur zu einer Einkünfteerhöhung führt (Rz. 21.67).4
21.23
Das Abkommensrecht enthält ebenfalls eine entsprechende AOA-Regelung (Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010), so dass auch insoweit für Zwecke der Gewinnabgrenzung die Betriebsstätte als selbständiges Unternehmen fingiert wird (Rz. 19.271 ff.). Innerhalb der hierdurch gesetzten Schrankenwirkungen5 1 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; vgl. auch v. 17.11.1999 – I R 7/99, BStBl. II 2000, 605; v. 19.12.2007 – I R 66/06, BStBl. II 2008, 510; v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; v. 28.10.2009 – I R 28/08, BFH/NV 2010, 432; Herkenroth/Striegel in H/H/R, § 50 EStG Rz. 40; Loschelder in Schmidt35, § 50 EStG Rz. 7; Gosch in Kirchhof15, § 50 EStG Rz. 4. 2 BFH v. 9.11.1988 – I R 335/83, BStBl. II 1989, 510; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 1.23; Kumpf in H/H/R, § 49 EStG Rz. 241; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 106; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 245. 3 Dagegen als Einkünfteermittlungsvorschrift qualifizierend Berner, Betriebsstättenbesteuerung nach dem AOA, 63 ff.; Nientimp/Schwarz/Stein, IStR 2016, 487. 4 Kaeser in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA (2010) Rz. 700 f.; Kahle/Kindich in H/K/G/R, § 1 Abs. 5–6 AStG Rz. 109; Brüninghaus in V/B/E, Verrechnungspreise4, Rz. L 78; Ditz in Raupach/Pohl/Ditz/Klein/Reimer/Spierts, Praxis des Internationalen Steuerrechts 2013, 28 f.; Ditz, ISR 2013, 261 (266 f.); Neumann-Tomm, IStR 2015, 907; Gosch in FG Wassermeyer, 209 (220); Schwenke in FS Gosch, 377 (385); Schaumburg, ISR 2013, 198 (198); Schnitger, IStR 2012, 633 (634 f.); Wassermeyer, IStR 2012, 277 (278 ff.); Baldamus, IStR 2012, 319. 5 BFH v. 17.12.2014 – I R 23/13, BStBl. II 2016, 261; v. 24.6.2015 – I R 29/14, BStBl. II 2016, 258; Nichtanwendungserlass: BMF v. 30.3.2016 – IV B 5 - S 1341/11/10004-07 – DOK 2016/0291611, BStBl. I 2016, 455.
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B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten
(Rz. 19.293 ff.) kommt § 1 Abs. 5 Satz 2 AStG zur Anwendung. Da indessen nur wenige deutsche DBA dem Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 entsprechende Regelungen enthalten,1 wird die Reichweite in Abkommensfällen zusätzlich eingeschränkt. Diese Schrankenwirkung erfährt allerdings im Wege eines treaty overriding2 eine Durchbrechung: Der betroffene Steuerpflichtige muss (kumulativ) geltend machen, dass das an sich zur Anwendung kommende DBA den AOA-Regelungen widerspricht, der andere Vertragsstaat sein Besteuerungsrecht entsprechend ausübt und es deshalb zu einer Doppelbesteuerung kommen würde (§ 1 Abs. 5 Satz 8 AStG).3 In den Fällen, in denen auf Abkommensebene die AOA-Regeln (noch) nicht zur Anwendung kommen, gilt (unverändert) das Veranlassungsprinzip. Danach können im Betriebsstättenstaat die Gewinne besteuert werden „nur insoweit, als sie dieser Betriebsstätte zugerechnet werden können“. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2008 enthält sodann in Ausformung des vorgenannten Grundsatzes die sog. dealing at arm’s length-Klausel (Drittvergleich). Hiernach sind der Betriebsstätte die Gewinne zuzuordnen, die sie hätte erzielen können, wenn sie eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen als selbständiges Unternehmen ausgeübt hätte und im Verkehr mit dem Unternehmen, dessen Betriebsstätte sie ist, völlig unabhängig gewesen wäre.
21.24
2. Buchführungspflichten Von der Einkünftezuordnung ist die Einkünfteermittlung zu unterscheiden.4 Im Rahmen unbeschränkter Steuerpflicht ist sie der für unilaterale und bilaterale Zwecke erforderlichen Einkünftezuordnung ausländischer Betriebsstätten vorgelagert,5 soweit überhaupt Einkünfte der Betriebsstätte dem Grunde nach zuzuordnen sind.6 Bei beschränkter Steuerpflicht erfolgen dagegen Einkünfteermittlung und Einkünftezuordnung in einem Schritt.7 Da abkommensrechtlich die Einkünfteermittlung selbst grundsätzlich dem innerstaatlichen Recht vorbehalten ist,8 sind die diesbezüglichen Regeln dem jeweils nationalen Recht zu entnehmen. Das gilt auch für die Frage ob und in welchem Umfang Buchführungs1 Z.B. DBA-NL, DBA-FL, DBA-Lux, DBA-UK, DBA-Irl, DBA-USA. 2 Treaty overriding ist für verfassungsgemäß gehalten worden vom BVerfG v. 15.2.2015 – 2 BvL 1/12, DStR 2016, 359 zu § 50d Abs. 8 EStG; vgl. Rz. 3.24 f. 3 Zur Kritik an dieser Regelung, die den Untersuchungsgrundsatz (§ 88 AO) verletzt (ein DBA ist stets von Amts wegen zu berücksichtigen!), Schnitger, IStR 2012, 633 (641); Hemmelrath/Kepper, IStR 2013, 37 (41). 4 Hierzu Kahle/Kindlich in H/K/G/R, § 1 Abs. 5–6 AStG Rz. 9; Barig, IWB 2013, 806. 5 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 184; Ditz in S/D, Art. 7 OECD-MA (2008) Rz. 35; vgl. hierzu auch Kahle/Kindich in H/K/G/R, § 1 Abs. 5–6 AStG Rz. 10; Buciek in Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 43 (53); Mutscher, Die Kapitalstruktur von Betriebsstätten im internationalen Steuerrecht, 9 ff. 6 Kahle/Kindich in H/K/G/R, § 1 Abs. 5–6 AStG Rz. 9; Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1695). 7 Vgl. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, Berlin 2004, 51. 8 BFH v. 9.11.1988 – I R 335/83, BStBl. II 1989, 510; v. 22.5.1991 – I R 32/90, BStBl. II 1992, 94; v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; OECD-MK zu Art. 7 OECD-MA, Ziff. 28; Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 21; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 151; Ditz in S/D, Art. 7 OECD-MA (2008) Rz. 35.
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21.25
Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
pflichten zu erfüllen sind. Inländische Unternehmen, gleich ob Einzelkaufleute, Personengesellschaften oder Kapitalgesellschaften, haben ihre Einkünfte (Gewinn) gem. §§ 238 bis 245, 264 ff., 264 a–c, 290 ff. HGB, §§ 120 Abs. 1 und 161 Abs. 2 HGB, §§ 91, 270, 286 AktG, § 41 GmbHG, § 33 GenG, § 141 AO zu ermitteln, und zwar auch für ihre ausländischen Unternehmensteile, also auch für ausländische Betriebsstätten.1 Diese Buchführungsvorschriften sind auch für inländische Zweigniederlassungen ausländischer Unternehmen verbindlich.2 Die Buchführungspflicht aufgrund außersteuerlicher Vorschriften3 ist gem. § 140 AO auch für Zwecke der Besteuerung zu erfüllen. Soweit beschränkt steuerpflichtige Personen in Deutschland Betriebsstätten (§ 12 AO) unterhalten, die nicht zugleich Zweigniederlassungen (§§ 13d–13g HGB) sind, ergibt sich die Buchführungspflicht aus § 141 AO4 mit der Maßgabe, dass sich diese nur auf die im Inland (be-)steuerbaren Einkünfte bezieht.5 Werden die Einkünfte lediglich als gewerblich fingiert, entfällt dagegen eine Buchführungspflicht gem. § 141 AO.6 21.26
Im Gegensatz zum deutschen Handelsrecht verlangt § 146 Abs. 2 Satz 1 AO, dass Bücher und Aufzeichnungen ausländischer Betriebsstätten im Inland geführt werden müssen.7 Das gilt nur insoweit, als ausländisches Recht nicht die Führung von Büchern und Aufzeichnungen im Ausland vorschreibt (§ 146 Abs. 2 Satz 2 AO). Im Ausland geführte und aufbewahrte Bücher und Aufzeichnungen müssen auf Verlangen der inländischen Finanzbehörde zur Einsicht und Prüfung vorgelegt werden. Diese Vorlagepflicht besteht allerdings nicht, wenn ausländisches Recht die Vorlage der Bücher in Deutschland verbietet.8 Soweit Bücher und Aufzeichnungen im Ausland geführt werden, müssen die Ergebnisse der dortigen Buchführung in die Buchführung des inländischen Stammhauses übernommen werden. Das bedeutet, dass die Salden der einzelnen Posten der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung unter Eliminierung innerbetrieblicher Ge-
1 Darüber hinaus können sich gegebenenfalls Buchführungsvorschriften auch aus ausländischen Rechtnormen ergeben. 2 Drüen in T/K, § 140 AO Rz. 11, Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 12.2. 3 Zu ihnen gehören auch ausländische Rechtsnormen; Drüen in T/K, § 140 AO Rz. 7; Mathiak in K/S/M, § 5 EStG Rz. A 219; Drüen, ISR 2014, 265; R 4.1 Abs. 4 Satz 2 EStR; AEAO zu § 140 Satz 4; offengelassen von BFH v. 14.9.1994 – I R 116/93, BStBl. II 1995, 238 u. v. 25.6.2014 – I R 24/13, BStBl. II 2015, 141; a.A. Görke in H/H/Sp, § 140 AO Rz. 11; Märtens in B/G, § 140 AO Rz. 10. 4 BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 9.8.1989 – I B 118/88, BStBl. II 1990, 175. 5 BFH v. 17.12.1997 – I R 95/96, BStBl. II 1998, 260. 6 Vgl. BFH v. 15.10.2015 – I B 93/15, BFH/NV 2016, 138. 7 Ausnahme gem. § 146 Abs. 2a AO für den EU-Bereich; zu Einzelheiten Drüen in T/K, § 146 AO Rz. 40 ff. 8 Drüen in T/K, § 146 AO Rz. 34; aus Art. 273 des Schweizerischen Strafgesetzbuches und Art. 4 des Liechtensteinischen Staatsschutzgesetzes leitet die Rechtsprechung ein Vorlageverweigerungsrecht nicht ab (BFH v. 16.4.1980 – I R 75/78, BStBl. II 1981, 492; v. 16.4.1986 – I R 32/84, BStBl. II 1986, 736; hierzu kritisch Hangarter, RIW/AWD 1982, 176 ff.); zu Erleichterungen gem. § 148 AO Vfg. der OFD Düsseldorf v. 2.9.1997, DB 1997, 1896; vgl. ferner die Übersicht bei Drüen in T/K, § 148 AO Rz. 22.
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B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten
winne nach Anpassung an die Gewinnermittlungsvorschriften des deutschen Steuerrechts Bestandteil der Buchführung des Stammhauses selbst werden.1 Werden die Bücher ausländischer Betriebsstätten in Fremdwährung geführt, sind die ausländischen Betriebsstättenergebnisse in Euro umzurechnen.2 Dieses Umrechnungsgebot ergibt sich aus § 244 HGB, § 5 Abs. 1 EStG, wonach der Bilanzausweis stets in Euro zu erfolgen hat.3 Da die Währungsumrechnung letztlich dem Ziel dient, eine Übereinstimmung mit den maßgeblichen deutschen Gewinnermittlungsgrundsätzen zu gewährleisten, ist im Grundsatz die Umrechnung eines jeden einzelnen Geschäftsvorfalls erforderlich.4 Andernfalls käme es zu einem Verstoß gegen das Prinzip der Einzelbewertung sowie gegen das Anschaffungskosten- und das Imparitätsprinzip.5 Hieraus folgt, dass etwa in fremder Währung beglichene Anschaffungs- oder Herstellungskosten zum Kurs des Anschaffungstages6 und zum Teilwert zu bewertende Vermögensgegenstände mit dem Kurs zum Bilanzstichtag7 umzurechnen sind. Hierbei bevorzugt die Rechtsprechung8 das Zeitbezugsverfahren, wonach Anschaffungs- und Herstellungskosten sowie die aus ihnen abzuleitenden Abschreibungen zu den historischen Kursen des Anschaffungs- oder Herstellungstages und die Teilwerte sowie liquide Mittel zu Kursen am Bilanzstichtag umzurechnen sind.9 Im Grundsatz wird aber eine derartige (modifizierte) Einzelumrechnung nicht selten an praktischen Problemen scheitern. Deshalb ist auch eine saldierende Erfolgsumrechnung zulässig, so dass auf das Stichtagskursverfahren zurückgegriffen werden kann, wenn keine erheblichen Schwankungen zwischen den Währungen gegeben sind, die sich kurzfristig nicht ausgleichen.10 Ergeben sich nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze Währungsgewinne oder -verluste, so stehen diese 1 Hierzu im Einzelnen Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 209; Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 139; Strunk in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 4.40; IDW, DB 1988, 309 (311). 2 BFH v. 19.1.1978 – IV R 61/73, BStBl. II 1978, 295; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 218. 3 BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; v. 18.9.1996 – I R 69/95, BFH/NV 1997, 408; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 220; Piltz, Währungsschwankungen und die Methoden zur Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung, Inst.FuSt. (Brief 125), 13. 4 BFH v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 228. 5 BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128. 6 BFH v. 16.12.1977 – III R 92/75, BStBl. II 1978, 233; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 223. 7 BFH v. 25.8.1983 – IV R 218/80, BStBl. II 1984, 33; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 224. 8 BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 9.8.1989 – I B 118/88, BStBl. II 1990, 175; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128. 9 Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 821; Wlecke, Währungsumrechnung und Gewinnbesteuerung bei international tätigen deutschen Unternehmen, 384 f. 10 BFH v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 229; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 6.7; zur Währungsumrechnung ferner Baranowski, Besteuerung von Auslandsbeziehungen2, Rz. 374 ff.; Piltz, Währungsschwankung und die Methoden zur Vermeidung der internationalen Doppelbesteuerung, Inst.FuSt. (Brief 125), Malinski, Währungsschwankungen und Doppelbesteuerung, Herne/Berlin 1992;
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21.27
Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den Betriebsstätteneinkünften, so dass sie im Falle der abkommensrechtlich verankerten Freistellungsmethode (Rz. 17.22 ff.) beim inländischen Stammhaus im Grundsatz keine Berücksichtigung finden können.1 Das gilt auch für monetäre Wertveränderungen, die sich etwa bei der Umrechnung von zurückgeführtem Dotationskapital realisieren.2 Das gilt allerdings nicht für den EU-/EWR-Bereich, weil anderenfalls ein Verstoß gegen die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten gegeben wäre. Hieraus folgt, dass etwa umrechnungsbedingte Währungsverluste aus der grenzüberschreitenden Rückführung des Dotationskapitals einer EU-/EWR-Betriebsstätte im Inland zu berücksichtigen sind.3 Entsprechendes hat für Teilrückführungen von Dotationskapital und laufenden (realisierten) Währungsverlusten zu gelten, weil diese naturgemäß im Betriebsstättenstaat nicht entstehen können.4 21.28
Soweit die den Betriebsstätteneinkünften zuzuordnenden Währungsverluste nicht im Betriebsstättenstaat berücksichtigt werden, weil sie dort nicht in Erscheinung treten,5 ergibt sich aus der der Freistellung der Betriebsstätteneinkünfte folgenden Nichtberücksichtigung von Währungsverlusten im Ergebnis eine Doppelbesteuerung, falls nicht aus europarechtlichen Gründen diese Währungsverluste im Ansässigkeitsstaat steuerlich erfasst werden.6 Diese Doppelbesteuerung ist eine Folge der auf die Vermeidung der virtuellen Doppelbesteuerung gerichteten Freistellungsmethode (Rz. 15.8). Eine an der Leistungsfähigkeit orientierte Besteuerung gebietet indessen die Vermeidung der Doppelbesteuerung (Rz. 17.9) mit der Folge, dass die Finanzverwaltung in derartigen Fällen zwecks Vermeidung einer Überbesteuerung Währungsverluste aus Billigkeitsgründen (§§ 163, 227 AO) steuerlich zu berücksichtigen hat.7
1
2 3 4 5 6 7
Malinski in Piltz/Schaumburg (Hrsg.), Unternehmensfinanzierung im Internationalen Steuerrecht, 88 ff. BFH v. 16.2.1996 – I R 46/95, BStBl. II 1996, 588; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; v. 18.9.1996 – I R 69/95, BFH/NV 1997, 408; v. 16.12.2008 – I B 44/08, BFH/NV 2009, 940; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 232; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 6.9; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 823 ff.; a.A. Haiß, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten im internationalen Steuerrecht, Neuwied/Kriftel 2000, 362; Ditz/Schönfeld, DB 2008, 1548 (1460 f.). BFH v. 19.5.1993 – I R 60/92, BStBl. II 1993, 714; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076. EuGH v. 28.2.2008 – Rs. C-293/06 – Deutsche Shell, Slg. 2008, I-1129; einschränkend nunmehr EuGH v. 10.6.2015 – Rs. C-686/13 – X, ECLI:EU:C:2015:375; vgl. auch BFH v. 2.12.2015 – I R 13/14, BFH/NV 2016, 961. De Weerth, IStR 2008, 226 f. (für Teilrückführungen); Ziehr, IStR 2009, 261 ff.; a.A. Hruschka, IStR 2008, 499 ff. (für lfd. Betriebsstättenverluste). Hieraus wird eine Berücksichtigung beim inländischen Stammhaus abgeleitet; so Haiß, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten im internationalen Steuerrecht, Neuwied/Kriftel 2000, 351; Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 249. Sie fallen in ein steuerliches „Niemandsland“; hierzu Uhrmann, DB 1990, 2037 (2040); entsprechendes gilt für Währungsgewinne, die in keinem der beiden Vertragsstaaten besteuert werden. Von einer unvermeidbaren Doppelbesteuerung dagegen ausgehend BFH v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128.
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B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten
Soweit für inländische Betriebsstätten ausländischer Steuerpflichtiger handelsrechtlich die Verpflichtung besteht, Bücher zu führen, erstreckt sich diese Pflicht nicht automatisch auch auf die Führung und Aufbewahrung der Bücher im Inland. Diese Verpflichtung ergibt sich allerdings steuerrechtlich aus § 146 Abs. 2 Satz 1 AO, wobei die Aufbewahrung der elektronischen Buchführung im EU-/ EWR-Ausland bewilligt werden kann (§ 146 Abs. 2a AO).1 Von dieser inländischen Buchführungs- und Aufbewahrungspflicht können im Übrigen Erleichterungen gewährt werden (§ 148 AO),2 so dass die Buchführung auch unter Einsatz von Datenverarbeitung im Ausland erledigt werden kann.3
21.29
Besteht nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze für unbeschränkt und/oder beschränkt steuerpflichtige Personen Buchführungspflicht oder werden Bücher freiwillig geführt, so sind die Einkünfte aus- und inländischer Betriebsstätten durch Betriebsvermögensvergleich,4 also durch Vergleich des der jeweiligen Betriebsstätte zuzurechnenden Vermögens,5 sonst durch Einnahme-Überschussrechnung zu ermitteln. Soweit der Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt wird, gilt die zweistufige Gewinnermittlung (Rz. 21.3).
21.30
3. Hilfs- und Nebenrechnung Für Zwecke der Einkünftekorrektur nach den AOA-Regeln (§ 1 Abs. 5 AStG; Rz. 21.66 ff.) sind für in- und ausländische Betriebsstätten zu Beginn eines Wirtschaftsjahres Hilfs- und Nebenrechnungen zu erstellen, die während des Wirtschaftsjahres fortzuschreiben und zum Ende des Wirtschaftsjahres abzuschließen sind (§ 3 Abs. 1 Satz 1 BsGaV).6 Es handelt sich hierbei um eine steuerliche Sonderregelung mit beschränkter Reichweite, die nur der Einkünftekorrektur, nicht aber allgemein der Einkünfteermittlung der in- oder ausländischen Betriebsstätte dient.7 In der Hilfs- und Nebenrechnung sind die der Betriebsstätte zuzuordnenden Vermögenswerte, ihr Dotationskapital und die übrigen Passivposten sowie die fiktiven Betriebseinnahmen und fiktiven Betriebsausgaben zu erfassen.8
21.31
Die Hilfs- und Nebenrechnung ist spätestens zum Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung zu erstellen (§ 3 Abs. 1 Satz 3 BsGaV) und im Rahmen einer spä-
21.32
1 Falls der vom Finanzamt verlangten Rückverlagerung nicht (rechtzeitig) nachgekommen wird, kann ein Verzögerungsgeld festgesetzt werden (§ 146 Abs. 2b AO). 2 Hierzu im Überblick Drüen in T/K, § 148 AO Rz. 22; Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 12.10; IdW, DB 1988, 309 (311); vgl. auch Vfg. der OFD Düsseldorf v. 2.9.1997, DB 1997, 1896. 3 Drüen in T/K, § 146 AO Rz. 31; zu Einzelheiten Andresen in W/A/D, BetriebsstättenHandbuch, Rz. 12.10. 4 Im Falle beschränkter Steuerpflicht: §§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a; 5 Abs. 1 EStG; § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. §§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a; 5 Abs. 1 EStG; zu Einzelheiten Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 240 ff.; Schmidt, P.-J. in FS Beisse, 461 ff. 5 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; IdW, WPg 1987, 648. 6 Hierzu im Überblick Greier/Friedrich, DB 2016, 1773. 7 Vgl. Kahle/Kindich in H/K/G/R, § 1 Abs. 5-6 AStG Rz. 109, 198; Hofacker in Haase3, § 1 AStG Rz. 390; Kußmaul/Delarber/Müller, IStR 2014, 473; a.A. BMF v. 22.12.2016 – IV B 5 - S 1341/12/10001-03 – DOK 2016/1066571, BStBl. I 2017, 182 – Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung (VWG BsGa) Tz. 51. 8 Hierzu zählen auch fiktive Veräußerungsgewinne und -verluste (VWG BsGa Tz. 60).
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
teren Außenprüfung als für Betriebsstätten maßgebliche Verrechnungspreisdokumentation (Rz. 22.24 ff.) vorzulegen (§ 3 Abs. 3 BsGaV). Geschieht dies nicht, können Schätzungen vorgenommen und Zuschläge erhoben werden (§ 162 Abs. 3 u. 4 AO).1 21.33
Bei Begründung einer in- oder ausländischen Betriebsstätte ist zu diesem Zeitpunkt eine (erste) Hilfs- und Nebenrechnung zu erstellen (§ 3 Abs. 4 Satz 1 BsGaV). Das gilt auch dann, wenn sich erst nachträglich herausstellt, dass eine Betriebsstätte begründet wurde. In diesem Fall sind die Aufzeichnungen nachträglich zu erstellen, wobei ggf. auch eine Schätzung (§ 162 AO) in Betracht kommt.2 Die Betriebsstättenbegründung hat zur Folge, dass in die (erste) Hilfsund Nebenrechnung diejenigen Vermögenswerte und Passivposten aufzunehmen sind, die nach AOA-Regeln nunmehr der Betriebsstätte zuzuordnen sind. Dies führt bei einem inländischen Stammhaus im Verhältnis zu ihrer ausländischen Betriebsstätte ggf. zu einer Gewinnrealisierung (Rz. 21.113 ff.).3
21.34
Bei Beendigung einer in- oder ausländischen Betriebsstätte ist die Hilfs- und Nebenrechnung zu diesem Zeitpunkt abzuschließen (§ 3 Abs. 4 Satz 2 BsGaV) mit der Folge der fiktiven Veräußerung der bislang der Betriebsstätte zuzuordnenden Vermögenswerte und Passivposten (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 BsGaV).4
II. Duale Einkünftezuordnung 1. Anwendungsbereiche 21.35
Die für Betriebsstätten maßgebliche Einkünftezuordnung ist durch eine duale Struktur geprägt. Das gilt im innerstaatlichen Recht und im Abkommensrecht gleichermaßen. Im Grundsatz orientiert sich die internationale Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten nach dem Veranlassungsprinzip,5 das sich mit Blick auf die Ertragszuordnung im Erwirtschaftungsprinzip konkretisiert.6 Die auf dieser Grundlage vorzunehmende Einkünftezuordnung geht von einer eingeschränkten Selbstständigkeit der Betriebsstätte aus, so dass bloße Innentransaktionen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte steuerlich unbeachtlich bleiben (Rz. 21.39). Demgegenüber geht das so genannte Entgeltsprinzip von einer uneingeschränkten Selbstständigkeit der Betriebsstätte aus mit der Folge, dass Innentransaktionen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte für Zwecke der Einkünftezuordnung wie zwischen fremden unabhängigen Unternehmen abzurechnen sind.
21.36
Das Entgeltsprinzip ist im nationalen Recht in § 1 Abs. 5 AStG und im Abkommensrecht in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA (2010) verankert. Die Reichweite dieses Entgeltsprinzips ist indessen sowohl im nationalen Recht als auch auf Abkommensebene (einstweilen) eingeschränkt. § 1 Abs. 5 AStG ist nämlich als Einkünf1 2 3 4 5
VWG BsGa, Tz. 62. VWG BsGa, Tz. 63. Vgl. Kahle/Kindich in H/K/G/R, § 1 Abs. 5–6 AStG Rz. 213. VWG BsGa, Tz. 68. BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 1.25; Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1740). 6 Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1740).
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B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten
tekorrekturnorm ausgeprägt, die nur zu Ungunsten des Steuerpflichtigen wirkt und darüber hinaus nur zur Anwendung kommt, soweit die betreffenden DBA die AOA-Regelungen umgesetzt haben (vgl. § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG; Rz. 21.31, 21.66 ff.). Die Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV) geht indessen konzeptionell davon aus, dass § 1 Abs. 5 AStG auch auf Ebene der Einkünfteermittlung anzuwenden ist,1 wonach die zu erstellende Hilfs- und Nebenrechnung (Rz. 21.31 ff.) das „Ergebnis der Betriebsstätte“ beinhalte. Eine derart weitgehende Regelung ist durch die Ermächtigungsgrundlage des § 1 Abs. 6 AStG nicht gedeckt,2 so dass die Rechtsverordnung auf ihren Kernbereich – Einkünftekorrektur – zu reduzieren ist. Im Hinblick darauf bleiben die Regeln über die Einkünfteermittlung von Betriebsstätten nach Maßgabe des allgemein gültigen Veranlassungsprinzips grundsätzlich unangetastet.3 2. Erwirtschaftungsprinzip a) Methoden Für die Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten bedient sich die internationale Praxis der direkten und indirekten Methode. Bei der direkten Methode werden die Einkünfte der Betriebsstätte regelmäßig aufgrund einer eigenständigen Betriebsstättenbuchführung oder, soweit eine derartige Buchführung nicht vorliegt, im Schätzungswege so zugeordnet, wie sie sich aufgrund einer eigenen Buchführung ergeben hätten.4 Die direkte Methode orientiert sich an der insbesondere durch das bislang geltende Abkommensrecht (OECD-MA bis einschließlich 2008) vorgegebenen eingeschränkten Selbständigkeitsfiktion (Rz. 19.267 ff.)5 der Betriebsstätte (Art. 7 Abs. 2 OECD-MA) und baut auf der (eingeschränkten) fiktiven Trennung zwischen Betriebsstätte einerseits und Stammhaus andererseits auf. Demgegenüber geht die indirekte Methode von den gesamten Einkünften des ganzen Unternehmens aus, um diese dann nach Maßgabe bestimmter Schlüssel – etwa nach Umsatz, Lohnsumme, Materialaufwendungen oder Prämieneinnahmen –6 auf Stammhaus und Betriebsstätte aufzuteilen (Art. 7 Abs. 4 OECDMA). Die indirekte Methode ist zwar abkommensrechtlich zulässig, sie geht 1 Vgl. § 3 Abs. 1 Satz 2 BsGaV; ebenso Berner, Betriebsstättenbesteuerung nach dem AOA, 63 ff.; Nientimp/Schwarz/Stein, IStR 2016, 487. 2 Kußmaul/Delarber/Müller, IStR 2014, 473; vgl. ferner Berner, Betriebsstättenbesteuerung nach dem AOA, 63 ff.; Nientimp/Schwarz/Stein, IStR 2016, 487; Frotscher, Internationales Steuerrecht4, Rz. 502; Pohl in Blümich, § 1 AStG Rz. 211; Schnitger, IStR 2012, 634; Ditz, ISR 2013, 267. 3 Kaeser in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA (2010) Rz. 700 f.; Kahle/Kindich in H/K/G/R, § 1 Abs. 5-6 AStG Rz. 110; Hofacker in Haase3, § 1 AStG Rz. 390; Wassermeyer, IStR 2012, 277; Gosch in FG Wassermeyer, 209 (216); Gosch, IStR 2015, 709 (713); Schwenke in FS Gosch, 377 (385). 4 Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 101 f.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 188; Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 133. 5 Gem. Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 gilt die uneingeschränkte Selbständigkeitsfiktion; vgl. (Rz. 19.271 ff.). 6 Hierzu im Einzelnen Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 104 ff.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 190; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 116 ff.; Feuerbaum, Internationale Besteuerung des Industrieanlagenbaus2, 100 ff.; Schieber, Die Besteuerung von Auslandsbetriebsstätten, 87 ff.
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21.37
Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
allerdings insoweit ins Leere, als für den grenzüberschreitenden Betriebsvermögenstransfer zwischen inländischem Stammhaus und ausländischer Betriebsstätte nach nationalem Recht für Zwecke der ultima-ratio-Besteuerung stiller Reserven eine Entstrickungsentnahme (§ 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG; vgl. Rz. 21.40 ff.) eingreift. 21.38
Obwohl bei der direkten Methode das Trennungsprinzip und bei der indirekten Methode das Einheitsprinzip im Vordergrund steht, stellen beide Methoden keine Gegensätze dar: Sie zielen auf die Ausklammerung der auf die Betriebsstätte entfallenden Einkünfte aus den Gesamteinkünften des Unternehmens ab und sind gleichermaßen mit dem dealing at arm’s length-Prinzip vereinbar (Art. 7 Abs. 4 OECD-MA).1 Dass dennoch in der internationalen Praxis die direkte Methode im Vordergrund steht,2 hat seinen Grund zum einen in den nationalen, mit der indirekten Methode nicht zu vereinbarenden Entstrickungsklauseln (z.B. § 4 Abs. 1 Sätze 3 u. 4 EStG) sowie in der leichteren Überprüfbarkeit der direkten Einkünftezuordnung und zum anderen in den Schwierigkeiten, einen angemessenen Schlüssel für Zwecke der indirekten Einkünftezuordnung zu finden.3 In der Praxis werden allerdings nicht selten Elemente beider Methoden miteinander kombiniert.4
21.39
Die für die direkte Methode maßgebliche abkommensrechtliche (eingeschränkte) Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte hat nur Bedeutung für die Einkünftezuordnung, nicht aber für die Einkünfteermittlung.5 Das Trennungsprinzip führt insoweit also nicht dazu, dass Innentransaktionen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte zu einer Gewinnrealisierung führen. Da zwischen Betriebsstätte und Stammhaus keine schuldrechtlichen Beziehungen bestehen können, sind dennoch abgeschlossene „Verträge“ In-sich-Geschäfte und deshalb steuerrechtlich unbeachtlich,6 soweit das jeweilige nationale Recht nicht ausdrücklich eine Gewinnrealisierung auch bei bloßen Innentransaktionen vorschreibt. 1 Seit dem OECD-MA 2010 ist die indirekte Methode nicht mehr vorgesehen. 2 Zum Vorrang der direkten Methode OECD-MK 2008 zu Art. 7 OECD-MA, Ziff. 24; aus der deutschen Rechtsprechung BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1966, 24; v. 28.3. 1985 – IV R 80/82, BStBl. II 1985, 405; v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785; v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63; v. 12.1.1994 – II R 95/89, BFH/NV 1994, 690; v. 18.9.1996 – I R 59/95, IStR 1997, 145; v. 20.3.2002 – II R 84/99, BFH/NV 2002, 1017; aus der Literatur: Roth in H/H/R § 49 EStG Rz. 252; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 189; Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 133; Storck, Ausländische Betriebsstätten im Ertrag- und Vermögensteuerrecht, 363 ff. 3 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 190; zu den Vor- und Nachteilen beider Methoden Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 111 ff.; Schieber, Die Besteuerung von Auslandsbetriebsstätten, 32 ff.; Debatin, DB 1989, 1692 (1696 f.), 1739 ff. 4 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 189, 191; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 113, 116 ff.; Schieber, Die Besteuerung von Auslandsbetriebsstätten, 87. 5 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 185; Ditz, IStR 2005, 37 (40 ff.). 6 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; OECD-MK zu Art. 7 OECD-MA, Ziff. 12.1; Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 89 ff.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 185; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 1.23; Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.163; Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 ff.; Kleineidam, IStR 1993, 349 ff.; 395
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B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten
b) Ausnahme: Gewinnrealisation bei Innentransaktionen Zu den Regelungen, die (ausnahmsweise) eine Gewinnrealisation auch bei bloßen Innentransaktionen vorsehen, gehören u.a. §§ 4 Abs. 1 Sätze 3 u. 4, 16 Abs. 3a EStG, § 12 Abs. 1 KStG.1 Diese Entstrickungsregelungen enthalten eine Ausnahme von dem geltenden Grundsatz, dass bloße Innentransaktionen keine Gewinnrealisierung auslösen. Die Entstrickungsregelungen sind darauf gerichtet, unter dem Gesichtspunkt einer ultima ratio-Besteuerung stille Reserven für Zwecke der Besteuerung in den Fällen abzurechnen, in denen das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt wird (Rz. 6.381 ff.). Angesprochen sind hierdurch insbesondere die subjektbezogene und die objektbezogene Steuerentstrickung. Darüber hinaus werden aber auch Fälle erfasst, in denen etwa durch Abschluss von DBA das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt wird. Von besonderer Bedeutung ist die Entstrickungsentnahme (§ 4 Abs. 1 Sätze 3 u. 4 EStG), die mit dem gemeinen Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG) anzusetzen ist (Rz. 6.386). Sie gilt für unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtige gleichermaßen. Soweit Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens wegen des Ausschlusses oder der Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts – Überführung auf eine ausländische „Freistellungs- oder Anrechnungs“-Betriebsstätte –zum gemeinen Wert als entnommen gelten, können unbeschränkt Steuerpflichtige gem. § 4g EStG in Höhe der Gewinnrealisierung einen steuerlichen Ausgleichsposten bilden, der im Wirtschaftsjahr der Bildung und in den vier folgenden Wirtschaftsjahren zu jeweils einem Fünftel Gewinn erhöhend aufzulösen ist. Diese gestreckte Besteuerung, die nicht im Verhältnis zu EWR-Staaten anzuwenden ist,2 gilt nicht für beschränkt steuerpflichtige Personen3 und auch nicht für Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens.4
21.40
Die Konzeption einer auf Sofortversteuerung ausgerichteten Ultima-Ratio-Besteuerung ist auf Grundlage der neuen EuGH-Rechtsprechung5 mit der europarechtlich verbürgten Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV) und Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) unvereinbar. Das gilt auch in den Fällen der überführungsbedingten Sofortversteuerung (Rz. 6.389). Aufgrund der europarechtlichen Vorgaben der älteren Hughes-des-Lasteyrie-du-Saillant-Entscheidung des EuGH6 und im Übrigen auch des systemtragenden Prinzips der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit7
21.41
1 2 3 4 5 6 7
(396); Ditz, IStR 2005, 37 (40 ff.); für eine uneingeschränkte Selbständigkeit dagegen immer schon z.B. Kroppen in G/K/G Art. 7 OECD-MA Rz. 107 ff.; Burmester, Probleme der Gewinn- und Verlustrealisierung, 204; Becker, DB 1989, 10 ff.; Beiser, IStR 1992, 7 ff.; Sieker, DB 1996, 110 (112); nunmehr geregelt in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA 2010 und § 1 Abs. 5 AStG. Ebenso § 1 Abs. 5 AStG im Anwendungsbereich des Entgeltsprinzips; vgl. Rz. 21.66 ff. Diese Beschränkung ist mit den auch im EWR-Raum geltenden Grundfreiheiten (EFTAGerichtshof v. 3.10.2012 – Rs. E-15/11, IStR 2013, 195) unvereinbar; Crezelius in Kirchhof15, § 4g EStG Rz. 4. Hierzu Holzhäuser in K/S/M, § 4g EStG Rz. A21. Hierzu Kindert/Kahlenberg, DB 2015, 1379. EuGH v. 23.1.2014 – Rs. C-164/12 – DMC, ECLI:EU:C:2014:20; v. 21.5.2015 – Rs. C-657/13 – Verder LabTec, ECLI:EU:C:2015:331. EuGH v. 11.3.2004 – Rs. C-9/02 – de Lasteyrie du Saillant, Slg. 2004, I-2409. Hierzu Schaumburg in FS Tipke, 125 ff.
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
verbietet sich zwar eine derartige Sofortversteuerung,1 der EuGH hat aber ebensolche gebilligt, soweit eine über fünf oder zehn Jahre gestaffelte Erhebung der Steuer auf die stillen Reserven vorgesehen ist.2 21.42
Eine Ausnahme von der überführungsbedingten Sofortversteuerung enthält § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG für den Wegzug einer europäischen Gesellschaft (SE) oder einer europäischen Genossenschaft (SCE), wenn die Anteile an der SE oder SCE wegzugsbedingt aus einer inländischen Betriebsstätte ausscheiden. Eine Besteuerung greift in diesen Fällen erst dann ein, wenn es nachfolgend zu einer tatsächlichen Veräußerung kommt oder ein veräußerungsgleicher Vorgang ausgelöst wird (§ 15 Abs. 1a EStG). Diese Regelung gilt für unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Personen gleichermaßen.
21.43
§ 15 Abs. 1a EStG enthält ein treaty overriding,3 das bezweckt, eine deutsche ultima ratio-Besteuerung sicherzustellen. Dieses treaty overriding ist zwar im Grundsatz rechtlich zulässig (Rz. 3.24 f.), führt aber zu einer Doppelbesteuerung, weil der nachträglichen deutschen Besteuerung auch jene stille Reserven unterworfen werden, die nach dem Wegzug der SE oder SCE im Ausland entstanden sind.4 Dies widerspricht darüber hinaus auch der im Übrigen im EStG angelegten Konzeption, wonach beim Zuzug einer SE oder SCE eine Einlage zum gemeinen Wert anzunehmen ist (§§ 4 Abs. 1 Satz 8, 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG).
21.44
Da § 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG (§ 12 Abs. 1 KStG) darauf abstellt, ob das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung eines Wirtschaftsgutes ausgeschlossen oder beschränkt wird, bleibt der grenzüberschreitende (Dienst-)Leistungsverkehr außerhalb der Reichweite der Entstrickungsentnahme, so dass etwa das Stammhaus der Betriebsstätte mit steuerlicher Wirkung keine Zinsen, Lizenzen und Provisionen in Rechnung stellen kann.5 Der Betriebsstätte kann hierfür lediglich ein beim Stammhaus tatsächlich entstandener Außenaufwand zugeordnet werden. Bloße Innentransaktionen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte sind insoweit also nicht entgeltsfähig.6 1 Schaumburg in FS Wassermeyer, 411 (432 f.); weitere Nachweise in Rz. 6.389. 2 Vgl. EuGH v. 23.1.2014 – Rs. C164/12 – DMC, ECLI:EU:C:2014:20; v. 21.5.2015 – Rs. C-657/13 – Verder LabTec, ECLI:EU:C:2015:331. 3 Musil in H/H/R, § 4 EStG Rz. 237; Stapperfend in H/H/R, § 15 EStG Rz. 979; Bode in Kirchhof15, § 4 EStG Rz. 109. 4 Zur Kritik an dieser überschießenden Regelung Stapperfend in H/H/R, § 15 EStG Rz. 972; Reiß in Kirchhof15, § 15 EStG Rz. 160; Frotscher, IStR 2006, 65 (68); Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481 (1486). 5 Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 119; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 1.18; Andresen, DB 2012, 879; Kahle/Franke, IStR 2009, 410. 6 BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1966, 24; v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; OECD-MK zu Art. 7 OECD-MA 2008, Ziff. 12.1; Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 89 ff.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 185; Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1739 f.); Kleineidam, IStR 1993, 349 ff.; 395 (396); Bendlinger, SWI 1997, 104 (106 f.); Ditz, IStR 2005, 37 (40 ff.); Wassermeyer, DB 2006, 1176 ff.; demgegenüber folgen dem Entgeltsprinzip bereits vor Inkrafttreten des § 1 Abs. 5 AStG Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 95 ff.; Burmester, Probleme der Gewinn- und Verlustrealisierung, 204; Becker, DB 1989, 10 ff.; Becker, DB 1990, 392 ff.; Sieker, DB 1996, 110 (112); Kroppen, IStR 2005, 74 ff.; Kroppen in FS Herzig, 1071 (1085 ff.).
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B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten
Die in § 4 Abs. 1 Sätze 3 u. 4 EStG verankerte Entstrickungsentnahme erfasst allerdings auch den Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts hinsichtlich des Gewinns aus der Nutzung eines Wirtschaftsgutes. Angesprochen sind damit insbesondere diejenigen Fälle, in denen etwa das inländische Stammhaus der ausländischen Betriebsstätte materielle und immaterielle Wirtschaftsgüter zur Nutzung überlässt, ohne dass dadurch eine Zuordnung dieser Wirtschaftsgüter zum ausländischen Betriebsstättenvermögen und damit ein grenzüberschreitender Betriebsvermögenstransfer erfolgt. Soweit hierfür der gemeine Wert anzusetzen ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG), bezieht sich dieser auf den Nutzungswert und nicht etwa auf das betreffende Wirtschaftsgut selbst.1
21.45
c) Aufwands- und Ertragszuordnung aa) Überlassung von Finanzmitteln Als unselbständiger Unternehmensteil partizipiert auch die Betriebsstätte an der Kapitalausstattung des Gesamtunternehmens. Unter dem Gesichtspunkt der direkten Einkünfte- und Vermögenszuordnung ist der Betriebsstätte ein entsprechender Teil des Eigenkapitals des Gesamtunternehmens zuzuordnen. In diesem Dotationskapital artikuliert sich die für die direkte Einkünfte- und Vermögenszuordnung maßgebliche (eingeschränkte) Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte. Die Zurverfügungstellung von Dotationskapital ist nämlich nichts anderes als die Zuordnung von Eigenkapital zur Betriebsstätte mit der Folge, dass für diese Innentransaktion keine Zinsen zulasten der Betriebsstätte verrechnet werden können.2
21.46
Vom Verbot der Zinsverrechnung wird lediglich für den Bereich des Geld- und Kreditgewerbes eine Ausnahme gemacht,3 da das Kreditgeschäft zum gewöhnlichen Geschäftsgegenstand gehört und daher die Verzinsung regelmäßig einem Außenaufwand des Stammhauses entspricht.
21.47
Die Zuordnung von Kapital zur Betriebsstätte schließt auch Fremdkapital ein, soweit die Fremdkapitalaufnahme durch die Tätigkeit der Betriebsstätte veranlasst
21.48
1 Bode in Kirchhof15, § 4 EStG Rz. 108; Musil in H/H/R, § 4 EStG Rz. 217; Wied in Blümich, § 4 EStG Rz. 488; Rödder/Schumacher, DStR 2006, 1481 (1485); anders Werra/Teiche, DB 2006, 1456 (1457 f.); Förster, DB 2007, 72 (75 f.). 2 BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1966, 24; v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785; v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63; v. 9.11.1999 – II R 107/97, BFH/NV 2000, 688; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 281; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 7.16; Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 116; Storck, Ausländische Betriebsstätten im Ertrag- und Vermögensteuerrecht, 323; Ritter, JbFSt. 1976/77, 288 (302 ff.); Debatin, DStZ 1987, 211 (213); Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1740); a.A. Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 186; Becker, DB 1989, 10 (12 ff.); Becker, DB 1990, 392 (393). 3 OECD-MK zu Art. 7 OECD-MA, Ziff. 19; BFH v. 9.11.1999 – II R 107/97, BFH/NV 2000, 688; Bähr, Gewinnermittlung ausländischer Zweigbetriebe, 121 f.; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 147; Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1741); BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.1.4.
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
ist. Die für diese Fremdkapitalausstattung seitens des Unternehmens gezahlten Zinsen sind als Außenaufwand der Betriebsstätte zuzuordnen.1 21.49
Das außerhalb des Anwendungsbereiches des § 1 Abs. 5 AStG für die Aufwandszuordnung maßgebliche Veranlassungsprinzip2 ist unscharf und vermag keinen unmittelbaren Aufschluss darüber zu geben, in welchem Maße eine Betriebsstätte mit Dotationskapital auszustatten ist. Deshalb hat es in der Besteuerungspraxis nicht an Versuchen gefehlt, konkretisierende Regelungen über die Eigenkapitalausstattung von Betriebsstätten zu entwickeln.3
21.50
So wird die Ansicht vertreten, das der Betriebsstätte gewidmete Dotationskapital müsse der Eigenkapitalquote des Gesamtunternehmens entsprechen.4 Diese Kapitalspiegeltheorie stellt auf die Kapitalstruktur des Gesamtunternehmens ab, womit sie im Wesentlichen der indirekten Methode entspricht.5 Sie ist zwar in der Praxis leicht umzusetzen, ihre Schwäche liegt aber darin, dass die Bedingungen für die Kapitalausstattungen einzelner Unternehmensteile bei international operierenden Unternehmen in Wirklichkeit nicht gleich sind. Deshalb stößt die Kapitalspiegeltheorie durchweg auf Ablehnung.6
21.51
Das in der Besteuerungspraxis für Betriebsstätten international tätiger Versicherungsunternehmen und Kreditinstitute verbreitete Konzept des festen Dotationskapitals7 orientiert sich dagegen an den konkreten Kapitalausstattungsbedürfnissen der Betriebsstätte und entspricht damit der direkten Methode. Schwierigkeiten bereitet allerdings die Festlegung des Eigenkapitalbedarfs. Dieses soll bei Bank1 BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1966 24; v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785; v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; v. 12.1.1994 – II R 95/89, BFH/NV 1994, 690; v. 20.3.2002 – II R 84/99, BFH/NV 2002, 1017; Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 117; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 274 ff.; Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch Rz. 2.106; 2.108 ff. mit Differenzierung nach Fallgruppen; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 143 ff.; Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1741). 2 BFH v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785; v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1992, 63; v. 29.3.2000 – I R 15/99, BFH/NV 2000, 1283; v. 20.3.2002 – II R 84/99, BFH/NV 2002, 1017; zu Einzelheiten Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.37 ff. 3 Vgl. hierzu den Überblick bei Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 280 ff.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 291; Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.114 ff.; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 143 ff.; ferner IDW, WPg. 1996, 365 ff. 4 FG Freiburg v. 30.5.1962, EFG 1963, 28; vgl. auch BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.5.1; so nunmehr auch die im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 5 AStG maßgebliche Kapitalaufteilungsmethode (§ 12 Abs. 1 BsGaV); vgl. Rz. 21.86 ff. 5 Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1741). 6 BFH v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785; v. 1.4.1987 – II R 186/80, BStBl. II 1987, 550; v. 12.1.1994 – II R 95/89, BFH/NV 1994, 690; v. 20.3.2002 – II R 84/99, BFH/NV 2002, 1017; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 292; Ditz in S/D, Art. 7 OECD-MA (2008) Rz. 138; Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.122. 7 Zu Versicherungsunternehmen: BFH v. 18.9.1996 – I R 59/95, IStR 1997, 145; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.2.2 (Orientierung an aufsichtsrechtlicher Mindestkapitalausstattung); zu Kreditinstituten: BMF v. 29.9.2004 – IV B 4 - S 1300 - 296/04, BStBl. I 2004, 917; hierzu der Überblick bei Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.70 ff., 10.149 ff.
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B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten
betriebsstätten, entweder den von der Betriebsstätte übernommenen Funktionen und Risiken1 oder der Branchenüblichkeit2 entsprechend, angemessen sein, wobei eine bestimmte Mindestkapitalausstattung verlangt wird.3 Dem Veranlassungsprinzip entspricht es indessen eher, das Zuordnungsproblem von der Fremdkapitalseite her zu lösen und darauf abzustellen, ob die Tätigkeit der Betriebsstätte eine Kreditaufnahme erforderlich macht.4 Hierbei steht in Orientierung an dem Grundsatz der Finanzierungsfreiheit5 die unternehmerische Entscheidung im Vordergrund,6 die allerdings nicht willkürlich sein darf.7 Soweit gesetzliche oder aufsichtsrechtliche Regeln über Mindesteigenkapitalausstattungen bestehen, sind diese für die Festlegung des Dotationskapitals maßgeblich.8
21.52
bb) Überlassung von Wirtschaftsgütern zur Nutzung Das Ausstattungsbedürfnis von Betriebsstätten verlangt insbesondere bei grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen9 in aller Regel auch die Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern durch das Stammhaus. Im Vordergrund stehen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens. Werden sie der Betriebsstätte auf Dauer zur Nutzung überlassen, so stellen sie auch Dotationskapital dar, so dass der Nutzungsvorteil der Betriebsstätte ohne weiteres zusteht. Diese Wirtschaftsgüter gehören somit zum Betriebsstättenvermögen und sind dem Stammhaus nicht mehr zuzuordnen.10 Hierbei kann grundsätzlich auf die unternehmerische Ent1 BMF v. 29.9.2004 – IV B 4 - S 1300 - 296/04, BStBl. I 2004, 917, Tz. 2.1.2 (funktions- und risikobezogene Kapitalaufteilungsmethode); vgl. im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 5 AStG nunmehr § 13 Abs. 3 BsGaV und speziell für Bankbetriebsstätten § 21 Abs. 3 BsGaV und für Versicherungsbetriebsstätten § 16 Abs. 3 Satz 1 BsGaV. 2 BFH v. 21.1.1972 – III R 57/71, BStBl. II 1972, 374; BMF v. 29.9.2004 – IV B 4 - S 1300 296/04, BStBl. I 2004, 917, Tz. 2.1.1 (äußerer Fremdvergleich unter Berücksichtigung vergleichbarer Marktchancen und -risiken). 3 BMF v. 29.9.2004 – IV B 4 - S 1300 - 296/04, BStBl. I 2004, 917, Tz. 2.1.3 (Mindestkapitalausstattungsmethode). 4 Im Sinne einer funktionsbezogenen Festlegung des Dotationskapitals auch Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 281; Baranowski, Besteuerung von Auslandsbeziehungen2, Rz. 276; gegen das Merkmal der Erforderlichkeit BFH v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63. 5 BFH v. 8.12.1997 – GrS 1-2/95, GrS 1/95, GrS 2/95, BStBl. II 1998, 193; v. 20.3.2002 – II R 84/99, BFH/NV 2002, 1017. 6 BFH v. 25.6.1986 – II R 213/83, BStBl. II 1986, 785; v. 1.4.1987 – II R 186/80, BStBl. II 1987, 550; v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63; v. 12.1.1994 – II R 95/89, BFH/NV 1994, 690; Hemmelrath in V/L6 Art. 7 OECD-MA; Andresen in W/A/D, BetriebsstättenHandbuch, Rz. 2.116; Hemmelrath, Die Ermittlung des Betriebsstättengewinns im Internationalen Steuerrecht, 196 ff.; Kumpf, StbJb. 1988/89, 399 (421); IdW, WPg. 1987, 652; Becker, DB 1989, 10 (10); Beiser, IStR 1992, 7 (10 f.); einschränkend Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1741). 7 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 291. 8 Hierzu der Überblick bei Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 1070 ff. und 10.116 ff. zu Bankbetriebsstätten und Betriebsstätten von Versicherungsunternehmen; vgl. im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 5 AStG nunmehr §§ 21 Abs. 3, 26 Abs. 3 Satz 1 BsGaV. 9 Zum Begriff § 1 FVerlV; zu Einzelheiten Ditz/Greinert in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 1205. 10 Zur Übertragung von Wirtschaftsgütern Rz. 21.59 ff.; vgl. im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 5 AStG entsprechend § 5 Abs. 1 BsGaV.
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
scheidung abgestellt werden, so dass der Bilanzierung der Vermögenswerte in der Betriebsstättenbilanz eine Indizwirkung zukommt.1 Die Zuordnung der auf Dauer zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter zu einer ausländischen Betriebsstätte oder zu einem ausländischen Stammhaus löst eine Entstrickungsentnahme gem. § 4 Abs. 1 Sätze 3 u. 4 EStG zum gemeinen Wert des Wirtschaftsgutes selbst aus (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG). Im Falle der dauerhaften Nutzungsüberlassung von Wirtschaftsgütern – also bei deren Überführung – von einer ausländischen Betriebsstätte auf ein inländisches Stammhaus oder von einem ausländischen Stammhaus auf eine inländische Betriebsstätte erfolgt eine Steuerverstrickung (Einlage) zum gemeinen Wert (§§ 4 Abs. 1 Satz 8; 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG). Bei einer nur vorübergehenden2 oder nur teilweisen3 Nutzungsüberlassung verbleibt es demgegenüber bei der Zuordnung zum Stammhaus.4 Hierbei kommt es in den vorgenannten Fällen allerdings zu einer Entstrickungsentnahme zum gemeinen Wert der Nutzung (§§ 4 Abs. 1 Satz 3; 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG). Werden Wirtschaftsgüter seitens einer ausländischen Betriebsstätte dem inländischen Stammhaus oder vom ausländischen Stammhaus einer inländischen Betriebsstätte vorübergehend zur Nutzung überlassen, unterbleibt eine Steuerverstrickung, da § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG hierfür keine Regelung vorsieht.5 21.54
Da die Nutzungsüberlassung entsprechend dem Erwirtschaftungsprinzip eine bloße Innentransaktion ist, kann ein hierfür seitens des Stammhauses verlangtes Entgelt steuerlich nicht berücksichtigt werden. In Betracht kommt daher allein eine Aufwandszuordnung,6 in deren Rahmen nur der Außenaufwand des Unternehmens ausgeglichen werden kann. Dies gilt für die Nutzungsüberlassung von materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern gleichermaßen. Aus diesem Grunde finden auch Lizenzzahlungen der Betriebsstätte an das Stammhaus für überlassene Patente, Know-how und Warenzeichen steuerlich grundsätzlich keine Berücksichtigung.7 1 BFH v. 1.4.1987 – II R 186/80, BStBl. II 1987, 550; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 278; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 3.29; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 156. 2 Zeitgrenze 1 Jahr; vgl. Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.47. 3 Bei überwiegender Nutzung durch die Betriebsstätte erfolgt eine Zuordnung zu dieser Betriebsstätte. 4 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 278; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 3.31; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 261. 5 Zu dieser gesetzgeberischen Unausgewogenheit Musil in H/H/R, § 4 EStG Rz. 322. 6 RFH v. 26.10.1937, RStBl. 1938, 46; BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1966, 24; v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; Ditz in S/D, Art. 7 OECD-MA (2008), Rz. 150; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 3.32; Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1741). 7 RFH v. 26.10.1937, RStBl. 1938, 46; BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1966, 24; v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; OECD-MK zu Art. 7 OECD-MA, Ziff. 17.4; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 278; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 3.32, Bähr, Gewinnermittlung ausländischer Zweigbetriebe, 126; Storck, Ausländische Betriebsstätten im Ertrag- und Vermögensteuerrecht, 317 ff.; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 137; Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1742); dagegen für eine marktgerechte Berechnung von Nutzungsentgelten nach Maßgabe des Funktionsnutzens (Entgeltsprinzip) Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 167 ff.; Becker, DB 1989, 10 (14); Becker, DB 1990, 392 (394); Sieker, DB 1996, 110 (113).
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B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten
Eine Zuordnung von Außenaufwand,1 also insbesondere von Fremdlizenzaufwand nach Maßgabe der Inanspruchnahme seitens der Betriebsstätte,2 kommt auch dann in Betracht, wenn die vorübergehende oder auf Dauer angelegte Nutzungsüberlassung eine Entstrickungsentnahme zum gemeinen Wert (§§ 4 Abs. 1 Sätze 3 u. 4; 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG) ausgelöst hat. In die Aufwandszuordnung einbezogen werden auch die beim Stammhaus selbst entstandenen Forschungs- und Entwicklungskosten, soweit die diesbezüglichen immateriellen Wirtschaftsgüter, etwa Patente, Know-how und Marken, der Betriebsstätte ganz oder teilweise zur Nutzung überlassen werden.3 Diese Aufwandszuordnung hat insbesondere Bedeutung für den Aufwand zentraler Forschungs- und Entwicklungseinrichtungen international operierender Unternehmen. Die entsprechenden Forschungs- und Entwicklungskosten werden beim Stammhaus in aller Regel aber zeitlich weit vor der diesbezüglichen Nutzung durch die Betriebsstätte entstanden sein. Da für die Aufwandszuordnung zeitliche Aspekte grundsätzlich keine Rolle spielen (Rz. 21.95 ff.), sind die Forschungs- und Entwicklungskosten der Betriebsstätte anteilig dem Jahr zuzuordnen, in dem die Betriebsstätte die Patente und das Know-how nutzt.4
21.55
cc) Erbringung von Dienstleistungen Stammhaus und Betriebsstätten können zwar gegenseitig Leistungen erbringen, diese sind aber nicht mit steuerlicher Wirkung Gegenstand schuldrechtlicher Beziehungen. Es handelt sich auch insoweit nur um Innentransaktionen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte, für die außerhalb des Anwendungsbereiches des § 1 Abs. 5 AStG das Entgeltsprinzip nicht gilt.5 Für erbrachte Dienstleistungen können daher grundsätzlich mit steuerlicher Wirkung keine Marktentgelte berechnet werden. In Betracht kommt lediglich eine Aufwandszuordnung ohne Gewinnaufschlag.6 Etwas anderes gilt in jenen Fällen, in denen die Erbringung von Dienstleistungen Gegenstand der eigentlichen Unternehmenstätigkeit ist,7 weil insoweit der Betriebsstätte ein am Markt erbrachter Außenumsatz zugerechnet werden kann.8 1 Ohne Gewinnaufschlag. 2 Storck, Ausländische Betriebsstätten im Ertrag- und Vermögensteuerrecht, 317; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 138. 3 Zu weiteren Einzelheiten Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4.44 ff. 4 Zu diesem Problemkreis im Einzelnen Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 138 f.; Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1742). 5 RFH v. 26.10.1937, RStBl. 1938, 46; BFH v. 27.7.1965 – I 110/63 S, BStBl. III 1966, 24; v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 287; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 3.7; Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1739 f.); demgegenüber folgen dem Entgeltsprinzip Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 172 ff.; Becker, DB 1989, 10 ff.; Becker, DB 1990, 392 ff.; Sieker, DB 1996, 110 (113). 6 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 3.7; anders im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 5 AStG. 7 RFH v. 29.10.1935, RStBl. 1935, 1516; für Finanzgeschäfte von Banken: OECD-MK zum OECD-MA, Art. 7 Ziff. 17.6, 19; Hemmelrath V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 129; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 288; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 3.6 Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 139 f.; Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1741). 8 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 287.
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
Hier ist jedem Betriebsteil nach Maßgabe der Veranlassung ein Teil des Erlöses zuzuordnen, wobei aus Vereinfachungsgründen bei der Aufwandszuordnung ein Gewinnaufschlag berücksichtigt werden kann. Darüber hinaus wird ebenfalls aus Vereinfachungsgründen die Verrechnung von speziellen Dienstleistungen, etwa von sog. Kontroll- und Koordinierungsstellen,1 die gegenüber anderen Unternehmensteilen des Gesamtunternehmens erbracht werden, unter Berücksichtigung eines Gewinnaufschlages steuerlich berücksichtigt.2 Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass dieser speziellen Dienstleistung ein abgrenzbarer Teil des Außenumsatzes zugerechnet werden kann.3 Erbringt daher das Stammhaus ggü. der Betriebsstätte Leistungen auf dem Gebiet der Steuerberatung, der Rechtsberatung sowie des Revisionsund Prüfungswesens, so hat eine entsprechende Aufwandszuordnung ohne Gewinnaufschlag zu erfolgen.4 Dies gilt auch für Regie- und Kontrollkosten.5 Im Rahmen der Aufwandszuordnung können auch die Gemeinkosten berücksichtigt werden.6 dd) Kosten der Geschäftsführung 21.57
Aufgrund des außerhalb des Anwendungsbereichs des § 1 Abs. 5 AStG für die Aufwandszuordnung maßgeblichen Veranlassungsprinzips sind der Betriebsstätte seitens des Stammhauses stets jene Aufwendungen zuzuordnen, denen entweder spezielle oder allgemeine Leistungen des Stammhauses oder anderer Betriebsstätten zugrunde liegen, die der Betriebsstätte zugute kommen.7
21.58
Von der betriebsstättenbezogenen Aufwandszuordnung werden auch Aufwendungen für die allgemeine Geschäftsführung, den Aufsichtsrat und für die Abhaltung von Gesellschafterversammlungen erfasst.8 Voraussetzung ist indessen stets ein Veranlassungszusammenhang,9 der bei den vorgenannten Aufwendungen regelmäßig gegeben sein wird. Da eine direkte Zuordnung der Kosten nur selten möglich ist, ist die Aufwandszuordnung nach Maßgabe eines Aufteilungsschlüssels vorzunehmen, wobei je nach Sachbereich eine Orientierung an den hierfür maßgeblichen statistischen Größen10 in Betracht kommt.11 Ein Gewinnaufschlag ist ausgeschlossen.12 1 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 288; Becker, DB 1984, 1847 ff. 2 Es handelt sich hier um eine auf Vereinfachung ausgerichtete Saldierung von zuzuordnendem Aufwand und Ertrag; vgl. OECD-MK zu Art. 7 OECD-MA, Ziff. 17.6.; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 287; Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 174. 3 Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 129; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 287. 4 Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 129; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 288. 5 Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 129. 6 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140. 7 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 284. 8 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 284; Dahnke, IStR 1996, 475 ff. 9 Art. 7 Abs. 3 OECD-MA; OECD-MK zu Art. 7 OECD-MA, Ziff. 21. 10 Produktionseinheiten im Produktionsbereich; Außenumsätze im Vertriebsbereich; Personalkosten im allgemeinen Verwaltungsbereich. 11 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 284. 12 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; OECD-MK zu Art. 7 OECD-MA, Ziff. 21; Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 29; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7
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B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten
ee) Überführung von Anlagevermögen Da im Verhältnis zwischen Stammhaus und Betriebsstätte etwa im Rahmen einer Funktionsverlagerung1 außerhalb des Anwendungsbereiches des § 1 Abs. 5 AStG schuldrechtliche Beziehungen nicht möglich sind, kann das Stammhaus auch für die Überführung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens auf die Betriebsstätte mit steuerlicher Wirkung keinen Preis berechnen. Dies gebietet auch nicht das dealing at arm’s length-Prinzip.2 Die grenzüberschreitende Überführung von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens vom Stammhaus auf eine Betriebsstätte löst allerdings eine Steuerentstrickung aus (§ 4 Abs. 1 Sätze 3 u. 4 EStG, § 12 Abs. 1 KStG; zu Einzelheiten Rz. 6.381 ff.; 21.40 ff.).
21.59
Für den grenzüberschreitenden Betriebsvermögenstransfer enthalten § 4 Abs. 1 Sätze 3 u. 4 EStG und § 12 Abs. 1 KStG eine Steuerentstrickung mit der Maßgabe, dass in den Fällen, in denen überführungsbedingt das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt wird, eine Entnahme (§ 4 Abs. 1 Sätze 3 u. 4 EStG) oder eine Veräußerung (§ 12 Abs. 1 KStG) fingiert wird.3 In beiden Fällen erfolgt also eine Gewinnrealisierung in Höhe der Differenz zwischen dem Buchwert und dem gemeinen Wert (§§ 4 Abs. 1 Sätze 3 u. 4; 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Abs. 2 EStG; § 12 Abs. 1 KStG).4 Diese konzeptionell angelegte, überführungsbedingte Sofortversteuerung wird allerdings dadurch abgemildert, dass bei Überführung eines Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens in einen anderen EU-Mitgliedstaat auf Antrag ein steuerlicher Ausgleichsposten gebildet werden kann (§ 4g EStG).5 Dieser steuerliche Ausgleichsposten ist im Jahr der Bildung sowie in den folgenden vier Wirtschaftsjahren zu jeweils einem Fünftel gewinnerhöhend aufzulösen (§ 4g Abs. 2 Satz 1 EStG).6 Diese gestreckte Besteuerung (§ 4g EStG) gilt allerdings nicht für beschränkt steuerpflichtige natürliche und juristische Personen7 und zudem nicht im Verhältnis zu EWR-Staaten.8 Der EuGH hat eine derartige über mehrere Jahre gestreckte Besteuerung im Grundsatz als gerechtfertigt angesehen.9
21.60
Die durch § 4g EStG verankerte gestreckte Besteuerung ändert nichts daran, dass der Gesetzgeber konzeptionell von einer überführungsbedingten Sofortversteuerung ausgeht. Eine derartige Sofortversteuerung verstößt nach neuer Rechtspre-
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1 2 3 4 5 6 7 8 9
OECD-MA Rz. 284; a.A. im Sinne des Entgeltsprinzips z.B. Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 222 ff.; ferner im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 5 AStG; vgl. Rz. 21.94. Ausführlich hierzu Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 4 ff. Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 (1742 f.); Debatin, BB 1990, 826 (828); anders im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 5 AStG (vgl. Rz. 21.66 ff.). Für die Überführung sämtlicher Wirtschaftsgüter kommt § 16 Abs. 3a EStG in Betracht. Bei Anwendung von § 16 Abs. 3a EStG richtet sich der mit dem gemeinen Wert nach § 16 Abs. 3 Satz 7 EStG. Im Falle der Gesamtüberführung (§ 16 Abs. 3a EStG) kommt entsprechend § 36 Abs. 5 EStG zur Anwendung. Gem. § 12 Abs. 1 KStG kommt § 4g EStG auch für Kapitalgesellschaften und darüber hinaus im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 5 AStG auch für fingierte Lieferungen (§ 1 Abs. 5 Satz 6 AStG) zur Anwendung; vgl. Rz. 21.67. Zu den insoweit bestehenden europarechtlichen Zweifeln Kolbe in H/H/R, § 4g EStG Rz. 6; Crezelius in Kirchhof15, § 4g EStG Rz. 9. Das ist mit den auch dort geltenden Grundfreiheiten unvereinbar; hierzu Crezelius in Kirchhof15, § 4g EStG Rz. 4. EuGH v. 23.1.2014 – Rs. C-164/12 – DMC, ECLI:EU:C:2014:20, Tz. 64 (5 Jahre); v. 21.5. 2015 – Rs. C-657/13 – Verder LabTec, ECLI:EU:C:2015:331, Tz. 52 (10 Jahre).
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
chung1 nicht gegen die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten (Rz. 6.389). Das gilt auch in den Fällen, in denen das betreffende überführte Wirtschaftsgut in der ausländischen Betriebsstätte über den in § 4g Abs. 2 EStG geregelten FünfJahreszeitraum hinaus zur Erzielung von Einnahmen eingesetzt wird. Insoweit kann allerdings auch aus Vereinfachungsgründen nicht unterstellt werden, dass die dem Stammhaus anteilig zuzuordnenden Einnahmen, die durch den Einsatz des überführten Wirtschaftsguts in der ausländischen Betriebsstätte erzielt werden, der Höhe nach den auf die Dauer der Nutzung des Wirtschaftsguts verteilten stillen Reserven entsprechen.2 Darüber hinaus ist auch die gestreckte Besteuerung nicht sachgerecht, wenn das auf die ausländische Betriebsstätte überführte Wirtschaftsgut dort etwa aufgrund höherer Gewalt untergeht: In diesem Fall wird im Ergebnis ein Gewinn versteuert, der tatsächlich nicht entstanden ist.3 21.62
Die Steuerentstrickung (§ 4 Abs. 1 Sätze 3 u. 4 EStG; § 12 Abs. 1 KStG) gilt nicht nur für die Überführung vom inländischen Stammhaus auf eine ausländische Betriebsstätte, sondern für jeden grenzüberschreitenden Transfer von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens4 zwischen einzelnen Unternehmensteilen. Im Hinblick darauf ist auch die Überführung eines Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens etwa von einer inländischen Betriebsstätte auf ein ausländisches Stammhaus oder auf eine andere ausländische Betriebsstätte oder von einer ausländischen Betriebsstätte auf eine andere ausländische Betriebsstätte ein gewinnrealisierender Vorgang, wenn überführungsbedingt das deutsche Besteuerungsrecht ausgeschlossen oder beschränkt wird (Rz. 6.385 ff.).
21.63
Werden Wirtschaftsgüter von einer ausländischen Betriebsstätte auf ein inländisches Stammhaus oder von einem ausländischen Stammhaus auf eine inländische Betriebsstätte überführt (Steuerverstrickung), fingiert § 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG eine Einlage zum gemeinen Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG), wenn hierdurch das deutsche Besteuerungsrecht hinsichtlich des Gewinns aus der Veräußerung der überführten Wirtschaftsgüter begründet wird (Rz. 6.402 ff.). Entsprechendes gilt für Zwecke der Körperschaftsteuer.5 Diese Steuerverstrickung zum gemeinen Wert erfolgt unabhängig davon, ob und gegebenenfalls zu welchem Wert im anderen Staat eine Steuerentstrickung angenommen wurde.6 ff) Warenlieferungen
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Grenzüberschreitende Warenlieferungen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte sind lediglich Innentransaktionen, die nur dann zu einer Gewinnrealisie1 EuGH v. 23.1.2014 – Rs. C-164/12 – DMC, ECLI:EU:C:2014:20; v. 21.5.2015 – Rs. C-657/13 – Verder LabTec, ECLI:EU:C:2015:331. 2 Hierzu Wassermeyer in Pilz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 25 (37). 3 Hierzu Wassermeyer in Pilz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 25 (38); Schaumburg in FS Wassermeyer, 411 (433); Wassermeyer, DB 2006, 1176 ff. 4 Hierzu gehören auch immaterielle Wirtschaftsgüter. 5 § 12 Abs. 1 KStG enthält zwar keine ausdrückliche Regelung, §§ 4 Abs. 1 Satz 8, 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG kommen aber über § 8 Abs. 1 KStG zur Anwendung; vgl. R 32 Abs. 1 Nr. 1 KStR. 6 Dötsch/Pung, DB 2006, 2648 (2651).
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B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten
rung führen können, wenn dies besonders normiert ist. § 4 Abs. 1 Sätze 3 u. 4 EStG enthält eine derartige Regelung.1 Hiernach ist eine Entstrickungsentnahme zum gemeinen Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG) gegeben, wenn Wirtschaftsgüter überführungsbedingt hinsichtlich der Gewinne aus deren Veräußerung oder Nutzung den Ausschluss oder die Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts bewirken.2 Angesprochen sind damit insbesondere die Fälle, in denen Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens (Waren) von einem inländischen Stammhaus auf eine ausländische Betriebsstätte, von einer inländischen Betriebsstätte auf ein ausländisches Stammhaus oder von einer inländischen Betriebsstätte auf eine ausländische Betriebsstätte ein und desselben Stammhauses überführt werden. Entsprechendes gilt für Zwecke der Körperschaftsteuer (§ 12 Abs. 1 KStG). Eine gestreckte Besteuerung (§ 4g EStG) ist für Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens (Waren) nicht vorgesehen, so dass stets eine überführungsbedingte Sofortversteuerung eingreift.3 Werden Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens (Waren) von einer ausländischen Betriebsstätte auf ein inländisches Stammhaus, von einem ausländischen Stammhaus auf eine inländische Betriebsstätte oder von einer ausländischen Betriebsstätte auf eine inländische Betriebsstätte ein und desselben Stammhauses überführt, handelt es sich um eine Steuerverstrickung, die als Einlage zum gemeinen Wert zu berücksichtigen ist (§§ 4 Abs. 1 Satz 8; 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG).
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3. Entgeltsprinzip a) Rechtsgrundlagen Für Zwecke der Einkünftezuordnung geht das Entgeltsprinzip von der uneingeschränkten Selbständigkeit von Betriebsstätten aus. Demzufolge erfolgt die Einkünftezuordnung zwischen der Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen (Stammhaus) nach den gleichen Grundsätzen wie zwischen nahestehenden Personen mit der Folge, dass auch bloße Innentransaktionen mit einbezogen werden. Dieses Entgeltsprinzip hatte vor Inkrafttreten des § 1 Abs. 5 AStG keine Rechtsgrundlage im nationalen Recht.4 Diese bietet nunmehr § 1 Abs. 5 AStG, der erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden ist, die nach dem 31. Dezember 2012 beginnen (§ 21 Abs. 2 Satz 3 AStG). Auf Abkommensebene ist das Entgeltsprinzip in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA in der Fassung ab 2010 verankert. Hiernach sind der Betriebsstätte jene Gewinne zuzurechnen „die sie hätte erzielen können, insbesondere im Verkehr mit anderen Teilen des Unternehmens, dessen Betriebs1 Ferner im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 5 AStG; vgl. Rz. 21.74. 2 Zum Ausschluss und zur Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts im Einzelnen Rz. 6.381 ff. 3 Zu europarechtlichen Zweifeln Kolbe in H/H/R, § 4g EStG Rz. 6; Crezelius in Kirchhof9, § 4g EStG Rz. 9. 4 BFH v. 20.7.1988 – I R 49/84, BStBl. II 1989, 140; v. 16.2.1996 – I R 43/95, BStBl. II 1997, 128; vgl. auch Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 1.23; Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 2.163; Debatin, DB 1989, 1692 ff., 1739 ff.; Kleineidam, IStR 1993, 349 ff., 395 (396); Ditz, IStR 2005, 37 (40 ff.); dagegen wurde das Entgeltsprinzip immer schon vertreten z.B. von Kroppen in G/K/G Art. 7 OECD-MA Rz. 107 ff.; Burmester, Probleme der Gewinn- und Verlustrealisierung, 204; Becker, DB 1989, 10 ff.; Baiser, IStR 1992, 7 ff.; Sieker, DB 1996, 110 (112).
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
stätte sie ist, wenn sie als selbstständiges und unabhängiges Unternehmen eine gleiche oder ähnliche Geschäftstätigkeit unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen ausgeübt hätte“. Dieser „Functionally Separate Entity“-Approach beruht auf dem OECD-Betriebsstättenbericht 2010,1 der ihn zur maßgeblichen Methode der Einkünftezuordnung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte benannt hat (sog. Authorised OECD Approach – AOA). Diese im OECD-MA 2010 enthaltene AOA-Regelung ist allerdings bislang nur in einigen deutschen DBA umgesetzt worden,2 so dass im Verhältnis zu den übrigen DBA wegen der von ihnen ausgehenden Schrankenwirkung3 (Rz. 19.293 ff.) § 1 Abs. 5 AStG grundsätzlich keine Anwendung findet. Diese Schrankenwirkung wird allerdings durch § 1 Abs. 5 Satz 8 AStG modifiziert.4 Hiernach wird die Schrankenwirkung unter den Vorbehalt gestellt, dass der Steuerpflichtige sich auf die abweichende abkommensrechtliche Regelung beruft und nachweist, dass der andere Staat sein Besteuerungsrecht entsprechend dem betreffenden DBA ausübt und deshalb die Anwendung der AOA-Regelung von § 1 Abs. 5 AStG zu einer Doppelbesteuerung führen würde. 21.67
Eine weitere Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 1 Abs. 5 AStG ergibt sich aus dem Umstand, dass es sich hierbei (nur) um eine Einkünftekorrekturnorm handelt (Rz. 21.6), die im Rahmen der zweistufigen Gewinnermittlung (Rz. 21.3) erst auf der zweiten Stufe nach dem maßgeblichen Betriebsvermögensvergleich gewinnerhöhend ansetzt. Da auf der ersten Stufe bei bloßen Innentransaktionen keine Einkünfte anzusetzen sind, ginge § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG als Einkünftekorrektur eigentlich ins Leere.5 Indessen kommt eine Einkünftekorrektur auch dann in Betracht, wenn auf der ersten Stufe (fremdvergleichswidrig) gar keine Einkünfte berücksichtigt worden sind.6 Im Ergebnis enthält § 1 Abs. 5 Satz 1 AStG insoweit auch eine Einkünftefiktion,7 die nur zu Ungunsten des Steuerpflichtigen wirkt (§ 1 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 AStG).8 Darüber hinaus beschränkt sich die Einkünftekorrektur auf grenzüberschreitende Geschäftsvorfälle (anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen) zwischen einem inländischen Unternehmen und seiner ausländischen Betriebsstätte und zwischen der inländischen Betriebsstätte und dem ausländischen Unternehmen (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Abs. 5 Satz 1 AStG). Schließlich gehen andere Einkünftekorrekturnormen, insbesondere die Entstrickungsvorschriften (§§ 4 Abs. 1 Sätze 3 u. 4, 1 Part I, Textziffer 8; hierzu im Überblick Brüninghaus in V/B/E, Verrechnungspreise4, Rz. L 66 f. 2 Z.B. DBA-NL, DBA-FL, DBA-Lux, DBA-KK, DBA-Irl, DBA-USA. 3 BFH v. 17.12.2014 – I R 23/13, BStBl. II 2016, 261; v. 24.6.2015 – I R 29/14, BStBl. II 2016, 258; Nichtanwendungserlass: BMF v. 30.3.2016 – IV B 5 - S 1341/11/10004-07 – DOK 2016/0291611, BStBl. I 2016, 455. 4 Insoweit ist ein Treaty Overriding (Rz. 3.24 f.) gegeben; Kahle/Kindich in H/K/G/R, § 1 Abs. 5–6 AStG Rz. 129; Grotherr/Endert in FS Frotscher, 169; Kahle, DStZ 2012, 698. 5 So allerdings die Ansicht von Schnitger, IStR 2012, 633 (640); Schnitger, Die Entstrickung im Steuerrecht, IFSt-Schrift Nr. 487 (2013), 34. 6 Berner, Betriebsstättenbesteuerung nach dem AOA, 82 f.; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Tz. 5.3.3 (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren). 7 Schaumburg, ISR 2013, 197 (198). 8 Kaeser in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA (2010) Rz. 707; Kahle/Kindich in H/K/G/R, § 1 Abs. 5–6 AStG Rz. 109; Hofacker in Haase3, § 1 AStG Rz. 390; Wassermeyer, IStR 2012, 277 (278); Schnitger, IStR 2012, 633 (634 f.); Schaumburg, ISR 2013, 197 (198).
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B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten
16 Abs. 3a EStG, § 12 Abs. 1 KStG) im Grundsatz vor (§ 1 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 AStG). In dem somit verbleibenden Anwendungsbereich führen die in § 1 Abs. 4, 5 AStG verankerten AOA-Regelungen zu einer Besteuerung von nach allgemeinen Grundsätzen noch nicht realisierten Gewinnen und damit zu einer zeitlich vorgezogenen Besteuerung. Eine derartige Besteuerung fiktiver Einkünfte ist weder verfassungsrechtlich noch europarechtlich gerechtfertigt.1 Soweit es um die Besteuerung fiktiver Lieferungen geht, erweist sich die Steuerstreckung (§ 1 Abs. 5 Satz 6 AStG i.V.m. § 4g EStG) als unzureichend. Die über fünf Jahre gestreckte Besteuerung stiller Reserven hat zwar der EuGH als gerechtfertigt angesehen,2 der maßgebliche § 4g EStG ist aber nicht im Verhältnis zu EWR-Staaten anzuwenden,3 gilt nicht für beschränkt steuerpflichtige Personen4 und auch nicht für Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens.5 Eine entsprechende gestreckte Besteuerung ist schließlich für fiktive Dienstleistungen nicht vorgesehen, so dass insoweit ein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip (Art. 3 Abs. 1 GG; vgl. Rz. 4.10) und insbesondere gegen die europarechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit (Art. 49 AEUV; vgl. Rz. 4.25 ff.) gegeben ist.6 Für den Bereich fiktiver Dienstleistungen ist die zeitliche Entkoppelung von steuerlicher Belastung und nachfolgendem Zuwachs von Leistungsfähigkeit7 besonders gravierend, wenn nicht feststellbar ist, wann überhaupt diese Dienstleistungen in Außenumsätze einmünden.8 b) Zweistufige Vorgehensweise Im Gefolge der (uneingeschränkten) Selbstständigkeitsfiktion der Betriebsstätte sind weitere Fiktionen erforderlich, um überhaupt das Entgeltsprinzip zur Anwendung bringen zu können. Hierfür ist eine Funktions- und Risikoanalyse der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte als Teil der Geschäftstätigkeit des Unternehmens durchzuführen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BsGaV). Danach ist für die Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte eine Vergleichbarkeitsanalyse vorzunehmen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 BsGaV), um für die Geschäftsvorfälle der Betriebsstätte mit nahestehenden Personen und mit dem Stammhaus – anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen gem. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG – Verrechnungspreise zu bestimmen, die dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 BsGaV). Diese zweistufige Vorgehensweise erfordert in einem ersten Schritt – die Feststellung, welche Funktionen durch das Personal der Betriebsstätte bzw. des übrigen Unternehmens ausgeübt werden (§ 1 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 AStG, § 1 Abs. 2 Nr. 1 BsGaV), 1 Zu Einzelheiten Schaumburg, ISR 2013, 197 (199 f.). 2 EuGH v. 23.1.2014 – Rs. C-164/12 – DMC, ECLI:EU:C:2014:20, Tz. 64 (5 Jahre); v. 21.5. 2015 – Rs. C-657/13 – Verder LabTec, ECLI:EU:C:2015:331, Tz. 52 (10 Jahre). 3 Diese Beschränkung ist mit den auch im EWR-Raum geltenden Grundfreiheiten unvereinbar; Crezelius in Kirchhof15, § 4g EStG Rz. 4. 4 Hierzu Holzhäuser in K/S/M, § 4g EStG Rz. A 21. 5 Hierzu Kindert/Kahlenberg, DB 2015, 1379. 6 Zu Einzelheiten Schaumburg, ISR 2013, 197 (199 ff.). 7 Zum Zeitbezug des Leistungsfähigkeitsprinzips Schaumburg/Schaumburg, StuW 2013, 61 (62 ff.). 8 Kaeser in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA (2010) Rz. 694.
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
– die Zuordnung von Vermögenswerten, die für die Ausübung der maßgeblichen Personalfunktionen benötigt werden (§ 1 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 AStG, § 1 Abs. 2 Nr. 2 BsGaV), – die Zuordnung von Chancen und Risiken, die sich aufgrund der maßgeblichen Personalfunktionen und der zugeordneten Vermögenswerte der Betriebsstätte ergeben (§ 1 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 AStG, § 1 Abs. 2 Nr. 2 BsGaV) sowie – ausgehend von den zugeordneten Vermögenswerten und den zugeordneten Chancen und Risiken die Zuordnung eines angemessenen Dotationskapitals (§ 1 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 AStG, § 1 Abs. 2 Nr. 3 BsGaV). 21.69
Auf der Grundlage dieser in einem ersten Schritt vorzunehmenden Zuordnungen sind sodann in einem zweiten Schritt die Art der (fingierten) Geschäftsbeziehungen zwischen der Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen (anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen) und die hierfür maßgeblichen Verrechnungspreise zu bestimmen (§ 1 Abs. 5 Satz 4 AStG, § 1 Abs. 2 Nr. 5, 6 BsGaV).
21.70
Im Rahmen der gesetzlich vorgegebenen zweistufigen Vorgehensweise, die der Ausgestaltung der Betriebsstätte als „eigenständiges und unabhängiges Unternehmen“ dient (§ 1 Abs. 5 Satz 3 AStG), hat die Zuordnung von Personalfunktionen (Geschäftstätigkeiten) eine maßgebliche Bedeutung für die Zuordnung von Vermögenswerten (§ 5 ff. BsGaV), Chancen und Risiken (§ 11 BsGaV) und schließlich auch von Geschäftsvorfällen (§ 9 BsGaV). Eine Zuordnung unterbleibt allerdings, wenn die Ausübung der Personalfunktionen – im üblichen Geschäftsbetrieb im Verhältnis zu den Personalfunktionen, die in anderen Betriebsstätten des Unternehmens ausgeübt werden, nicht die größte Bedeutung für den jeweiligen Zuordnungsgegenstand haben (§ 1 Abs. 5 Satz 1 BsGaV), – lediglich unterstützenden Charakter haben (§ 2 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BsGaV) und – ausschließlich die allgemeine Geschäftspolitik des Unternehmens betrifft (§ 2 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BsGaV).
21.71
Das bedeutet z.B., dass für Betriebsstätten, für die der Einsatz von Personal nicht erforderlich ist, etwa bei Pipelines und Servern, die Zuordnungsregel versagt und somit das Entgeltsprinzip insgesamt nicht zur Anwendung kommt. Daher ermöglicht die im § 1 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 AStG verankerte Öffnungsklausel sodann den Rückgriff auf das Erwirtschaftungsprinzip (Rz. 21.37). Dem gegenüber wird in den Fällen, in denen etwa Tochterkapitalgesellschaften als Vertreterbetriebsstätten (Rz. 21.100 ff.) fungieren und hierbei Personalfunktionen nicht durch Personal des vertretenen Unternehmens ausgeübt werden, das Personal des ständigen Vertreters als eigene Personalfunktion des Vertretenen behandelt (§ 39 Abs. 2 BsGaV). Durch diese (weitere) Fiktion wird es überhaupt nur möglich, das Entgeltsprinzip zur Anwendung zu bringen.1 Eine besondere Zuordnungsregelung gilt auch für Bau- und Montagebetriebsstätten (Rz. 21.110 ff.), aufgrund deren etwa materielle Wirtschaftsgüter nur dann zugeordnet werden können, wenn in den Bau- und Montagebetriebsstätten Personalfunktionen ausgeübt werden, die im Zusammenhang mit der Anschaffung, der Herstellung, der Veräußerung oder der Verwertung des materiellen Wirtschaftsgutes stehen (§ 31 1 Vgl. hierzu VWG BsGa, Tz. 420.
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B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten
Abs. 1 BsGaV). Anderenfalls kommt die Anwendung der Öffnungsklausel (§ 1 Abs. 5 Satz 2 AStG) in Betracht.1 c) Zuordnungsregelungen im Überblick aa) Zuordnung von Personalfunktionen Maßgeblich ist, in welcher Betriebsstätte die Personalfunktion ausgeübt wird, wobei die Dauer der Ausübung grundsätzlich ohne Bedeutung ist (§ 4 Abs. 1 BsGaV). Trotz des örtlichen Bezugs zur Betriebsstätte unterbleibt die Zuordnung der Personalfunktion, wenn diese keinen sachlichen Bezug zur Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte aufweist und dort an weniger als 30 Tagen innerhalb eines Wirtschaftsjahres ausgeübt wird (§ 4 Abs. 1 Satz 2 BsGaV). Ist der örtliche Bezug zur Betriebsstätte etwa bei Reisetätigkeit oder nur kurzfristiger Tätigkeit in einer Betriebsstätte nicht eindeutig, ist die Personalfunktion der Betriebsstätte zuzuordnen, zu der der sachlich engste Bezug besteht (§ 4 Abs. 2 BsGaV).2 Ist auch auf dieser Grundlage die Zuordnung der Personalfunktion nicht eindeutig möglich, besteht für das Unternehmen ein Beurteilungsspielraum für die Zuordnung, wobei allerdings eine Orientierung an den sachlichen und örtlichen Bezug erforderlich ist (§ 4 Abs. 3 BsGaV). Die entsprechende Zuordnung der Personalfunktion muss spätestens mit Erstellung der Hilfs- und Nebenrechnung nachvollziehbar erfolgt sein (§ 3 Abs. 2 BsGaV) und anhand von Aufzeichnungen (§ 90 Abs. 3 Satz 4 AO) begründet werden (§ 3 Abs. 3 BsGaV).
21.72
Als unmittelbare Folge der Zuordnung der Personalfunktionen zu einer Betriebsstätte sind dieser neben dem Personalaufwand auch die hiermit verbundenen Erträge zuzuordnen. Als mittelbare Folge sind Vermögenswerte zuzuordnen (§ 2 Abs. 5 Satz 1 BsGaV), denen wiederum entsprechende Aufwendungen und Erträge folgen. Zu diesen Vermögenswerten gehören materielle Wirtschaftsgüter (§ 5 BsGaV), immaterielle Wirtschaftsgüter (§ 6 BsGaV), Beteiligungen, Finanzanlagen und ähnliche. Vermögenswerte (§ 7 BsGaV) sowie sonstige Vermögenswerte (§ 8 BsGaV).
21.73
bb) Zuordnung von Vermögenswerten (1) Zuordnung materieller Wirtschaftsgüter Entsprechend der maßgeblichen Personalfunktionen sind materielle Wirtschaftsgüter der Betriebsstätte zuzuordnen, in der sie genutzt werden (§ 5 Abs. 1 Satz 1 BsGaV). Aufgrund dieser Zuordnung sind die entsprechenden materiellen Wirtschaftsgüter in der Hilfs- und Nebenrechnung der Betriebsstätte auszuweisen (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 BsGaV). Handelt es sich um materielle Wirtschaftsgüter, die bislang dem Stammhaus oder einer anderen Betriebsstätte zuzuordnen waren, führt der Zuordnungswechsel auf Grundlage der Selbstständigkeitsfiktion der Betriebsstätte zu einem fiktiven Veräußerungsgewinn, so dass sämtliche stillen Reserven zu realisieren sind (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 BsGaV). Die hiermit verbundene Ge1 Kahle/Kindich in H/K/G/R, § 1 Abs. 5–6 AStG Rz. 118; Froitzheim, Ubg 2015, 357. 2 Zur Kritik an dieser unklaren Regelung Schnorberger/Sassmann/Shekhovtsova, IStR 2014, 83; Roeder/Friederich, BB 2015, 1056.
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
winnrealisierung erfolgt unabhängig davon, ob durch den Zuordnungswechsel deutsches Besteuerungsrecht verloren geht oder eingeschränkt wird. Insoweit gehen die auf Grundlage des Entgeltsprinzips gebotenen Steuerfolgen des Zuordnungswechsel von materiellen Wirtschaftsgütern über diejenigen Steuerfolgen der fiktiven Entnahme (§ 4 Abs. 1 Satz 3 u. 4 EStG) oder der fiktiven Veräußerung (§ 12 Abs. 1 KStG) hinaus.1 21.75
Wechselt die Nutzung nur vorübergehend zu einer anderen Betriebsstätte, führt dies zu einer fiktiven Nutzungsüberlassung (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a BsGaV) mit der Folge, dass eine Gewinnrealisierung insoweit unterbleibt. Entsprechendes gilt beim häufigen Nutzungswechsel, weil in diesem Fall die Zuordnung sich danach richtet, wo das materielle Wirtschaftsgut überwiegend genutzt wird (§ 5 Abs. 1 Satz 3 BsGaV). Soweit die übrigen Betriebsstätten ein derartiges Wirtschaftsgut nutzen, sind dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechende fiktive Nutzungsentgelte anzusetzen (§ 16 Abs. 2 BsGaV).
21.76
Die Zuordnung materieller Wirtschaftsgüter zu der Betriebsstätte, in der sie genutzt werden, unterbleibt allerdings in den Fällen, in denen andere Personalfunktionen von der Bedeutung her überwiegen. Angesprochen sind damit insbesondere Wirtschaftsgüter, die von Betriebsstätten genutzt werden, denen bloß die Funktion als Lohnfertiger zukommt.2 Unbewegliches Vermögen, in dem die Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte ausgeübt wird, ist dagegen stets dieser Betriebsstätte zuzuordnen (§ 5 Abs. 2 Satz 3 BsGaV). Diese Regelung korrespondiert auf Abkommensebene mit dem in Art. 6 OECD-MA verankerten Belegenheitsprinzip (Rz. 19.220).
21.77
Bei Zweifelsfällen der Zuordnung eines materiellen Wirtschaftsguts steht dem Unternehmen ein Beurteilungsspielraum für die Zuordnung zu (§ 5 Abs. 4 BsGaV). In Betracht kommt auch eine anteilige Zuordnung zu verschiedenen Betriebsstätten. Anderenfalls kann es wegen der Zuordnungsdivergenzen international zu Doppel- oder Minderbesteuerungen kommen.3 (2) Zuordnung immaterieller Wirtschaftsgüter
21.78
Im Unterschied zu materiellen Wirtschaftsgütern für deren Zuordnung auf die Nutzung derselben abgestellt wird, ist für die Zuordnung von immateriellen Wirtschaftsgütern (immaterielle Werte) deren Schaffung/Herstellung oder deren Erwerb/Anschaffung die maßgebliche Personalfunktion (§ 6 Abs. 1 Satz 1 BsGaV). Bei den immateriellen Wirtschaftsgütern geht es insbesondere um Patente, Marken, Know-how, Geschäftswert, Kundenstamm, und zwar unabhängig davon, ob die betreffenden Werte bilanziert sind oder nicht.4 Zur Schaffung eines 1 Soweit sich die Entstrickungsregelungen mit § 1 Abs. 5 AStG überschneiden, ist § 1 Abs. 5 AStG schon wegen des in Bezug genommenen § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG – „unbeschadet anderer Vorschriften“ – nur subsidiär anzuwenden; Schnitger, IStR 2012, 633 (638); Baldamus, IStR 2012, 317 (319); Schaumburg, ISR 2013, 197 (198). 2 Vgl. VWG BsGa, Tz. 79. 3 Kahle/Kindich in H/K/G/R, § 1 Abs. 5–6 AStG Rz. 241; Hagemann/Kahlenberg, PIStB 2015, 163; eine anteilige Zuordnung hält auch die OECD für möglich; vgl. OECD Betriebsstättenbericht 2010, Teil I, Rz. 197; vgl. ferner Ditz, ISR 2012, 50. 4 Kahle/Kindich in H/K/G/R, § 1 Abs. 5–6 AStG Rz. 242.
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B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten
immateriellen Wirtschaftsguts (immateriellen Werts) gehören vor allem die eigentlichen Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten und darüber hinaus alle damit in Verbindung stehenden Managementaufgaben.1 Zum Erwerb gehört nicht nur der eigentliche Erwerbsvorgang, sondern auch die Entscheidung über die Verwendung des erworbenen immateriellen Wirtschaftsguts (immateriellen Werts).2 Werden die maßgeblichen Personalfunktionen gleichzeitig von mehreren Personen ausgeübt, erfolgt die Zuordnung der geschaffenen oder erworbenen immateriellen Wirtschaftsgüter (immateriellen Werte) zu derjenigen Betriebsstätte, die die betreffende Personalfunktion mit der größten Bedeutung ausübt (§ 6 Abs. 1 Satz 2 BsGaV). Werden immaterielle Wirtschaftsgüter (immaterielle Werte) zunächst derjenigen Betriebsstätte zugeordnet, die für die Schaffung bzw. Erwerb verantwortlich war, und danach von einer anderen Betriebsstätte genutzt, verwaltet oder weiterentwickelt, kommt es zu einem Zuordnungswechsel, wenn bei Veranlagungszeitraum übergreifender Betrachtung den vorgenannten Umständen in qualitativer Hinsicht eine überwiegende Bedeutung zukommt (§ 6 Abs. 2 BsGaV). Die Folge eines derartigen Zuordnungswechsels ist die fiktive Veräußerung und die damit verbundene Gewinnrealisierung (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 BsGaV). Werden die immateriellen Wirtschaftsgüter (immateriellen Werte) gleichzeitig von verschiedenen Betriebsstätten genutzt, verwertet oder verwaltet, erfolgt die Zuordnung zu derjenigen Betriebsstätte, in der die betreffende Personalfunktion mit der größten Bedeutung ausgeübt wird (§ 6 Abs. 3 BsGaV). In Zweifelsfällen ist eine anteilige Zuordnung möglich (§ 6 Abs. 4 Satz 2 BsGaV).
21.79
(3) Zuordnung von Beteiligungen, Finanzanlagen u.ä. Vermögenswerten Für die Zuordnung wird in erster Linie auf die Nutzung als maßgebliche Personalfunktion abgestellt (§ 7 Abs. 1 Satz 1 BsGaV). Maßgeblich hierfür ist der funktionale Zusammenhang mit der Geschäftstätigkeit der betreffenden Betriebsstätte (§ 7 Abs. 1 Satz 2 BsGaV), so dass etwa Beteiligungen an Vertriebstochtergesellschaften derjenigen Betriebsstätte zuzuordnen sind, die die entsprechenden Produkte herstellt.3 Stehen die Beteiligungen usw. im funktionalen Zusammenhang zur Geschäftstätigkeit mehrerer Betriebsstätten, erfolgt die Zuordnung zu derjenigen Betriebsstätte, zu der der überwiegende funktionale Zusammenhang besteht (§ 7 Abs. 1 Satz 3 BsGaV). Hiervon abweichend ist indessen eine anderweitige Zuordnung geboten, wenn die Anschaffung, die Verwaltung, die Risikosteuerung oder die Veräußerung der Beteiligungen usw. im Vordergrund stehen. Das ist insbesondere im Verhältnis zu Betriebsstätten der Fall, die lediglich die Funktion eines Lohnfertigers ausüben (§ 7 Abs. 2 BsGaV).
21.80
Kommen für die anderweitige Zuordnung mehrere Betriebsstätten in Betracht, wird die Funktionenkonkurrenz zugunsten derjenigen Betriebsstätte entschieden, in der die andere Personalfunktion mit der größten Bedeutung ausgeübt wird (§ 7 Abs. 3 BsGaV). In Zweifelsfällen, insbesondere bei einem gleichwerti-
21.81
1 Vgl. VWG BsGa, Tz. 85. 2 VWG BsGa, Tz. 86. 3 VWG BsGa, Tz. 102.
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
gen funktionalen Zusammenhang, besteht für das Unternehmen ein Beurteilungsspielraum (§ 7 Abs. 4 BsGaV), in dessen Rahmen durchaus als ultima ratio eine Zuordnung zum Stammhaus in Betracht kommt (§ 7 Abs. 4 BsGaV).1 (4) Zuordnung von sonstigen Vermögenswerten 21.82
Die Zuordnung sonstiger Vermögenswerte beurteilt sich danach, welche Betriebsstätte die Vermögenswerte geschaffen oder erworben hat (§ 8 Abs. 1 Satz 1 BsGaV). Es handelt sich hierbei um eine Auffangregelung, die insbesondere Vermögenswerte des Umlaufvermögens, etwa Forderungen aus Lieferungen und Leistungen erfasst.2 Wird die Personalfunktion, durch deren Ausübung ein sonstiger Vermögenswert geschaffen oder erworben worden ist, gleichzeitig in mehreren verschiedenen Betriebsstätten ausgeübt, erfolgt die Zuordnung zu derjenigen Betriebsstätte, deren Personalfunktion die größte Bedeutung für den Vermögenswert hat (§ 8 Abs. 1 Satz 2 BsGaV). Eine abweichende Zuordnung etwa in Orientierung an die Nutzung, Verwaltung, Risikosteuerung oder Veräußerung der sonstigen Vermögenswerte, kommt nur in Betracht, wenn diese Personalfunktionen eindeutig gegenüber der auf Schaffung oder Erwerb gerichteten Personalfunktionen überwiegt (§ 8 Abs. 2 Satz 1 BsGaV). Werden solche anderen Personalfunktionen gleichzeitig in verschiedenen Betriebsstätten des Unternehmens ausgeübt, so wird auf diejenige Betriebsstätte abgestellt, deren andere Personalfunktion die größte Bedeutung für die sonstigen Vermögenswerte hat (§ 8 Abs. 3 BsGaV). In Zweifelsfällen steht dem Unternehmen für die Zuordnung ein Beurteilungsspielraum zu (§ 8 Abs. 4 BsGaV). Diese Zuordnung ist spätestens mit Erstellung der Hilfs- und Nebenrechnung (Rz. 21.31 ff.) nachvollziehbar darzustellen und anhand eindeutiger Aufzeichnungen nach § 90 Abs. 2 AO zu begründen (§ 3 Abs. 3 BsGaV). Anderenfalls ist eine Schätzung nach § 162 AO geboten.3 cc) Zuordnung von Chancen und Risiken
21.83
Die im Rahmen der zweistufigen Vorgehensweise in einem ersten Schritt erforderliche Zuordnung von Chancen und Risiken, die die Betriebsstätte aufgrund der ausgeübten Funktionen und zugeordneten Vermögenswerte (§ 1 Abs. 5 Satz 3 Nr. 3 AStG) übernimmt, hat in den §§ 9–11 BsGaV konkretisierende Regelungen erfahren. Wegen der Anknüpfung an die „ausgeübten Funktionen“ sind der Betriebsstätte auf der Grundlage ihrer Personalfunktionen auch Geschäftsvorfälle (§ 9 BsGaV) des Unternehmens mit unabhängigen Dritten und mit nahestehenden Personen (§ 1 Abs. 2 AStG) zuzuordnen (§ 1 Abs. 2 Nr. 5 BsGaV). Im Hinblick darauf ist die Zuordnung von Geschäftsvorfällen vorgreiflich. Hierbei kommt es in erster Linie auf die Ausübung der Personalfunktion an, die dafür maßgeblich 1 Berner, Betriebsstättenbesteuerung nach dem AOA, 70; im Übrigen hat die Zentralfunktion des Stammhauses in dem hier interessierenden Zusammenhang keine Bedeutung mehr; vgl. Wassermeyer, IStR 2012, 277 (280); Baldamus, IStR 2012, 317 (319); Ditz, ISR 2012, 48 (53). 2 Kahle/Kindich in H/K/G/R, § 1 Abs. 5–6 AStG Rz. 266; Endres/Oestreicher/van der Ham, PIStB 2014, 281. 3 Vgl. VWG BsGa, Tz. 110.
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B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten
ist, dass das Unternehmen den betreffenden Geschäftsvorfall abgeschlossen und die damit verbundenen Risiken übernommen hat (§ 9 Abs. 1 Satz 1 BsGaV). Werden die betreffenden Personalfunktionen gleichzeitig in mehreren Betriebsstätten ausgeübt, wird auf die Personalfunktion derjenigen Betriebsstätte mit der größten Bedeutung für den Geschäftsvorfall abgestellt (§ 9 Abs. 1 Satz 2 BsGaV). Darüber hinaus kommt wie in den anderen Zuordnungsregelungen auch eine abweichende Zuordnung in Betracht (§ 9 Abs. 2, 3 BsGaV), wobei in Zweifelsfällen dem Unternehmen ein Beurteilungsspielraum für die Zuordnung des Geschäftsvorfalls eingeräumt wird (§ 9 Abs. 4 BsGaV).1 Auf der Grundlage dieser Zuordnung von Geschäftsvorfällen ist sodann auch eine Zuordnung von Chancen und Risiken, die gleichermaßen aus zuzuordnenden Vermögenswerten und Geschäftsvorfällen resultieren, möglich (§ 10 Abs. 1 BsGaV). Hiernach folgt die Zuordnung von Chancen und Risiken den allgemeinen Zuordnungsregeln (§§ 5–10 BsGaV). Abzustellen ist somit auf das fiktive Eigentum an einem Vermögenswert bzw. der Zuordnung eines Geschäftsvorfalls aufgrund einer fiktiven Geschäftsbeziehung. Konkret: Ist ein materielles Wirtschaftsgut, etwa eine Maschine, wegen ihrer ausschließlichen Nutzung der Betriebsstätte zuzuordnen (§ 5 Abs. 1 BsGaV) folgt hieraus automatisch auch die Zuordnung des Risikos der Beschädigung oder Zerstörung der Maschine (§ 10 Abs. 1 BsGaV). § 10 Abs. 2 Satz 1 BsGaV erweitert die Zuordnung von Chancen und Risiken in den Fällen, in denen ein unmittelbarer Zusammenhang mit einem zuzuordnenden Vermögenswert oder einem Geschäftsvorfall fehlt: Abzustellen ist auf die unternehmerische Geschäftstätigkeit, so dass etwa die Beschädigung oder der Untergang einer Maschine während der vorübergehenden Nutzung in einer Betriebsstätte dieser anzulasten ist, obwohl die Maschine einer anderen Betriebsstätte zuzuordnen ist.2 Darüber hinaus ist eine abweichende Zuordnung auch von Geschäftsvorfällen möglich (§ 10 Abs. 3, 4 BsGaV) sowie eine Zuordnung in Zweifelsfällen, bei denen dem Unternehmen ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist (§ 10 Abs. 5 BsGaV).3
21.84
Ein Fall der Zuordnung von Chancen und Risiken trifft auch die in § 11 BsGaV enthaltene Regelung über die Zuordnung von Sicherungsgeschäften. Hiernach richtet sich im Grundsatz die Zuordnung eines konkreten Sicherungsgeschäftes nach der Zuordnung des zu sichernden Zuordnungsgegenstandes (§ 11 Abs. 1 BsGaV). Insoweit besteht ein Gleichlauf zwischen der Zuordnung gem. § 10 Abs. 1 BsGaV und § 11 Abs. 1 BsGaV. Bei einem mittelbaren Sicherungszusammenhang, bei dem eine konkrete Zuordnung des Sicherungsgeschäfts zu bestimmten Betriebsstätten nicht ohne weiteres möglich ist, ist eine anteilige Zuordnung der Sicherungsgeschäfte (ausnahmsweise) anteilig zulässig (§ 11 Abs. 2 Satz 3 BsGaV). Der anteiligen Zuordnung kann hierbei ein Aufteilungsschlüssel zugrunde gelegt werden (§ 11 Abs. 2 Satz 4 BsGaV). Im Übrigen kommt unter be-
21.85
1 Erfassung in der Hilfs- und Nebenrechnung gem. § 3 Abs. 3 BsGaV und die Begründung hierfür ist gem. § 90 Abs. 3 AO erforderlich. 2 Vgl. zu den Beispielen VWG BsGa, Tz. 116 f. 3 Auch hier ist eine Dokumentation spätestens mit Erstellung der Hilfs- und Nebenrechnung (§ 3 Abs. 3 BsGaV) und eine Begründung anhand eindeutiger Aufzeichnungen nach § 90 Abs. 3 AO erforderlich.
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
stimmten Voraussetzungen auch eine abweichende Zuordnung von Sicherungsgeschäften in Betracht (§ 11 Abs. 3 BsGaV). dd) Dotationskapital 21.86
Das für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes gesetzlich verankerte zweistufige Verfahren (§ 1 Abs. 5 Satz 3, 4 AStG) ist in einem ersten Schritt auch ein angemessenes Eigenkapital (Dotationskapital) zuzuordnen (§ 1 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 AStG). Erst hierdurch ist die Betriebsstätte wie ein „eigenständiges und unabhängiges Unternehmen“ ausgestattet, so dass auf dieser Grundlage in einem zweiten Schritt die Art der fiktiven (internen und externen) Geschäftsbeziehungen und die Verrechnungspreise hierfür bestimmt werden können (§ 1 Abs. 5 Satz 4 AStG).
21.87
Die für die Zuordnung von Dotationskapital maßgeblichen Regelungen sind in §§ 12, 13 BsGaV enthalten, wobei zwischen inländischen Betriebsstätten ausländischer Unternehmen (§ 12 BsGaV) und ausländischen Betriebsstätten inländischer Unternehmen (§ 13 BsGaV) unterschieden wird.1 Im Zusammenhang mit der Zuordnung von Dotationskapital steht die Zuordnung übriger Passivposten (§ 14 BsGaV) und in deren Gefolge die Zuordnung von Finanzaufwendungen (§ 15 BsGaV).
21.88
Das Dotationskapital inländischer Betriebsstätten bilanzierender ausländischer Unternehmen ist im Grundsatz jeweils zu Beginn eines Wirtschaftsjahres aufgrund der Kapitalaufteilungsmethode zu ermitteln (§ 12 Abs. 1 BsGaV). Hierbei wird auf den Anteil der Betriebsstätte an den Vermögenswerten sowie den Chancen und Risiken im Verhältnis zum übrigen Unternehmen abgestellt. Konkret: Das Dotationskapital wird dadurch ermittelt, dass die Kapitalquote (§ 12 Abs. 3 BsGaV) der Betriebsstätte auf das festzustellende Eigenkapital (§ 12 Abs. 2 BsGaV) des ausländischen Unternehmens angewandt wird. Die Höhe des Eigenkapitals des ausländischen Unternehmens ist hierbei nach deutschem Steuerrecht zu bestimmen (§ 12 Abs. 2 BsGaV), was bei abweichendem ausländischen Recht zu Zuordnungsdivergenzen und damit zu einer internationalen Doppelbzw. Minderbesteuerung führen kann.2 Es ist daher geboten, eine im Ausland steuerlich anerkannte Dotation der inländischen Betriebsstätte anzuerkennen.3 Schließlich ist es ohnehin übermäßig, von ausländischen Unternehmen für Zwecke der Betriebsstättenbesteuerung in Deutschland eine nach deutschem Steuerrecht zu erstellende Bilanz für das gesamte Unternehmen zu verlangen.4 Im Hinblick darauf kann aus Vereinfachungsgründen für die Zuordnung von Dotationskapital das eingezahlte Kapital zzgl. der Rücklagen und Gewinnvorträge und abzüglich der Verlustvorträge entsprechend der ausländischen Bilanz des Unternehmens zugrunde gelegt werden (§ 12 Abs. 2 Satz 2 BsGaV). Auf Grundlage der Höhe des Eigenkapitals des ausländischen Unternehmens ist die Kapitalquote der inländischen Betriebsstätte zu bestimmen (§ 12 Abs. 3 Satz 1 BsGaV), wobei 1 Zur Kritik an dieser aus fiskalischen Gründen vorgenommenen Differenzierung Rz. 21.91. 2 Vgl. hierzu Kraft/Dombrowski, Ubg 2015, 148. 3 Vgl. hierzu VWG BsGa, Tz. 130. 4 Zum Übermaßverbot allgemein Hey in T/L22, § 3 Rz. 180 ff.
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B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten
wiederum aus Vereinfachungsgründen auf die Buchwerte der Aktiva des ausländischen Unternehmens abgestellt werden kann (§ 12 Abs. 3 Satz 2 BsGaV).1 In den Fällen der Unterkapitalisierung des ausländischen Unternehmens führt die Kapitalaufteilungsmethode im Grundsatz auch zu einer entsprechenden Unterkapitalisierung der inländischen Betriebsstätte. Eine Korrektur zugunsten des deutschen Fiskus ist in einem derartigen Fall nur dann vorgesehen, wenn das unterkapitalisierte ausländische Unternehmen einer Unternehmensgruppe angehört, die einem Konzern im Sinne von § 18 AktG entspricht. Hier ist im Ergebnis auf das konsolidierte Eigenkapital der Unternehmensgruppe abzustellen (§ 12 Abs. 4 BsGaV). Darüber hinaus unterbleibt eine Zuordnung von Dotationskapital aufgrund der Kapitalaufteilungsmethode in dem Fall, dass das tatsächlich ausgewiesene Kapital in der inländischen Handelsbilanz der Betriebsstätte2 höher ist (§ 12 Abs. 5 BsGaV). Dass der inländischen Betriebsstätte zuzuordnende Dotationskapital ist zwar grundsätzlich zu Beginn eines Wirtschaftsjahres zu bestimmen (§ 12 Abs. 1 BsGaV), verändern sich aber unterjährig die Verhältnisse so, dass sie zu einer erheblichen Veränderung der Höhe des Dotationskapitals der inländischen Betriebsstätte führen, ist eine Anpassung innerhalb des Wirtschaftsjahres vorzunehmen (§ 12 Abs. 6 BsGaV).3
21.89
Im Unterschied zu inländischen Betriebsstätten ausländischer Unternehmen gilt für die Zuordnung von Dotationskapital ausländischer Betriebsstätten inländischer Unternehmen im Grundsatz die Mindestkapitalausstattungsmethode (§ 13 Abs. 1 BsGaV). Hiernach wird zu Beginn eines Wirtschaftsjahres Dotationskapital überhaupt nur zugeordnet, soweit das Unternehmen glaubhaft macht, dass diese Zuordnung aus betriebswirtschaftlichen Gründen für die Betriebsstätte erforderlich ist. Diese Zuordnungsregelung, die für Bank- und Versicherungsbetriebsstätten durch Sonderregelungen (§§ 20, 21, 25, 26 BsGaV) ergänzt werden, ist aus fiskalischen Gründen darauf gerichtet, der ausländischen Betriebsstätte ein möglichst niedriges Dotationskapital zuzuordnen.4 Das führt etwa dazu, dass ausländischen Dienstleistungsbetriebsstätten in aller Regel kein Dotationskapital zuzuordnen ist.5 Abweichend hiervon ist ein höheres Dotationskapital der ausländischen Betriebsstätte anzuerkennen, wenn hierdurch dem Fremdvergleichsgrundsatz besser entsprochen wird, wobei allerdings nicht derjenige Betrag überschritten werden darf, der sich aufgrund der Kapitalaufteilungsmethode ergibt (§ 13 Abs. 2 BsGaV). Das gilt ausnahmsweise nicht, wenn außersteuerliche ausländische Vorschriften ein erhöhtes Dotationskapital vorschreiben (§ 13 Abs. 3 BsGaV). Angesprochen sind hierdurch insbesondere die Regelungen des ausländischen Bankenaufsichtsrechts (§ 21 Abs. 3 BsGaV) und des ausländischen Versicherungsaufsichtsrechts (§ 26 Abs. 3 BsGaV). Absolute
21.90
1 Wegen der in § 12 Abs. 3 Satz 2 BsGaV verankerten Einschränkungsvorbehalte wird diese Vereinfachungsregelung allerdings keine große praktische Bedeutung erlangen; vgl. hierzu Kahle/Kindich in H/K/G/R, § 1 Abs. 5–6 AStG Rz. 318. 2 Etwa bei eingetragener Zweigniederlassung i.S.v. § 13d HGB; vgl. Rz. 21.25. 3 Nach VWG BsGa, Tz. 142 wird auf eine Abweichung von mehr als 50 % oder mindestens 2 Mio. Euro abgestellt. 4 Kahle/Kindich in H/K/G/R, § 1 Abs. 5–6 AStG Rz. 329; Höreth/Zimmermann, DStZ 2014, 749. 5 VWG BsGa, Tz. 144.
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
Obergrenze ist in allen Fällen allerdings das handelsrechtlich ausgewiesene Kapital der ausländischen Betriebsstätte (Art. 13 Abs. 4 BsGaV). 21.91
Die unterschiedlichen Zuordnungsregeln für in- und ausländische Betriebsstätten sind systematisch nicht gerechtfertigt und beruhen letztlich nur auf fiskalischen Überlegungen. Das führt dazu, dass ausländische Betriebsstätten bei Anwendung der Mindestkapitalausstattungsmethode für Zwecke der Einkünftezuordnung (fiktiv) unterkapitalisiert sind, so dass etwaige Zinsaufwendungen zu Lasten des ausländischen Steueraufkommens gehen.1 Diese Ungleichbehandlung ist weder mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) noch mit der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) vereinbar.2 Darüber hinaus führt die Mindestkapitalausstattungsmethode zu einer Doppelbesteuerung, falls andere Staaten entsprechend der deutschen Regelung die Kapitalaufteilungsmethode anwenden.3 d) Anzunehmende schuldrechtliche Beziehung
21.92
Auf der Grundlage der Zuordnung von Personalfunktionen (Rz. 21.72 f.), Vermögenswerten (Rz. 21.74 ff.), Chancen und Risiken (Rz. 21.83 ff.) und von Dotationskapital (Rz. 21.86 ff.) sind in einem zweiten Schritt die Art der Geschäftsbeziehungen zwischen dem Unternehmen und seiner Betriebsstätte und die Verrechnungspreise für diese Geschäftsbeziehungen zu bestimmen (§ 1 Abs. 5 Satz 4 AStG). Es handelt sich hierbei um eine Fiktion, weil schuldrechtliche Beziehungen zwischen einer Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen nicht möglich sind. Im Hinblick darauf werden die fiktiven Geschäftsbeziehungen gem. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG als anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen (Dealings) benannt. Die Fiktion hat allerdings eine beschränkte Reichweite, weil sie nur im Verhältnis zwischen Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen (Stammhaus) Anwendung findet (§ 1 Abs. 5 Satz 4 AStG, § 16 Abs. 1 BsGaV). Hieraus folgt, dass Geschäftsbeziehungen zwischen Betriebsstätten ein- und desselben Unternehmens sowie gegenüber verbundenen Unternehmen stets als solche gegenüber und vom übrigen Unternehmen zu qualifizieren sind. Das bedeutet etwa, dass „Veräußerungen“ von Wirtschaftsgütern von einer Betriebsstätte zu einer anderen Betriebsstätte ein- und desselben Unternehmens zunächst als von der fiktiv veräußernden Betriebsstätte an das übrige Unternehmen (Stammhaus) und sodann von diesem an die fiktiv erwerbende Betriebsstätte als übertragen gilt.4 Dieser „Umweg“ ist auch für fiktive Dienstleistungen und fiktive Nutzungsüberlassungen von Nöten, womit im Ergebnis eine unmittelbare Gewinnabgrenzung zwischen verschiedenen Betriebsstätten eines Unternehmens ausgeschlossen ist.5
1 Eine dem § 12 Abs. 4 BsGaV entsprechende Korrekturregelung ist für ausländische Betriebsstätten nicht vorgesehen. 2 Kahle/Kindich in H/K/G/R, § 1 Abs. 5–6 AStG Rz. 340; Kußmaul/Delarber/Müller, IStR 2014, 473; Strothenke/Holtrichter, StuB 2013, 734; Busch, DB 2014, 2493; Kraft/Dombrowski, FR 2014, 1112. 3 Hierzu Busch, DB 2014, 2493. 4 Vgl. VWG BsGa, Tz. 170. 5 Vgl. VWG BsGa, Tz. 170.
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B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten
Als anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG) kommen insbesondere fiktive Veräußerungen und Nutzungsüberlassungen sowie fiktive Dienstleistungen in Betracht (§ 16 Abs. 1 BsGaV). Erfasst werden hierdurch auch Vorgänge bei Gründung oder Schließung einer Betriebsstätte.1
21.93
Auch für die zwischen Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen (Stammhaus) fingierten Geschäftsbeziehungen sind sodann Verrechnungspreise anzusetzen, wie sie zwischen rechtlich selbstständigen Unternehmen maßgeblich sind (§ 1 Abs. 5 Satz 1 AStG). Damit gilt das gesamte für verbundene Unternehmen maßgebliche Verrechnungspreisregime (Rz. 21.159 ff.) auch im Verhältnis zu Betriebsstätten. Dies ist freilich nur ein Grundsatz, der in Fällen der in § 1 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 AStG verankerten Öffnungsklausel (Rz. 21.71) ebenso eine Ausnahme erfährt wie in den Fällen von Finanzierungsleistungen (§ 16 Abs. 3 BsGaV). Hiernach führt die Nutzung von finanziellen Mitteln des übrigen Unternehmens durch eine Betriebsstätte zu keiner anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung (fiktives Darlehen), weil die entsprechende Zuordnung zum Dotationskapital (§ 12 BsGaV) oder zu den übrigen Passivposten (§ 14 BsGaV) bereits im Vorfeld erfolgt.2 Im Hinblick darauf können für Bürgschaften, Garantien u.ä. Rechtsverhältnisse zwischen Betriebsstätte und übrigem Unternehmen schuldrechtliche Beziehungen nicht fingiert werden.3 Besonderheiten gelten allerdings für Bankbetriebsstätten (§ 19 Abs. 6 BsGaV) und für Finanzierungsbetriebsstätten (§ 17 BsGaV).
21.94
4. Zeitliche Zuordnung Das für die Einkünftezuordnung in- und ausländischer Betriebsstätten außerhalb des Anwendungsbereiches des § 1 Abs. 5 AStG maßgebliche Veranlassungsprinzip (Erwirtschaftungsprinzip) bewirkt, dass Aufwendungen vor Errichtung der Betriebsstätte stets der später tatsächlich errichteten Betriebsstätte zuzuordnen sind.4 Diese Zuordnung, für die zeitliche Aspekte grundsätzlich keine Rolle spielen,5 gilt gleichermaßen für in- und ausländische Betriebsstätten, sowohl für vor-
Kahle/Kindich in H/K/G/R, § 1 Abs. 5-6 AStG Rz. 361. Vgl. VWG BsGa, Tz. 173. Vgl. VWG BsGa, Tz. 176. BFH v. 20.7.1973 – VI R 198/69, BStBl. II 1973, 732; v. 28.4.1983 – IV R 122/79, BStBl. II 1983, 566;vgl. auch BFH v. 20.9.2006 – I R 59/05, BStBl. II 2007, 756; v. 17.7.2008 – I R 77/06, BStBl. II 2009, 464; Dürrschmidt in V/L6, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 8e; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 340; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 4117; Lüdicke in Lademann, § 49 EStG Rz. 360; Buciek in Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 74; Diehl, Zweigniederlassungen ausländischer Banken, Rechtsfragen und Besteuerung, 60; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 205 f.; Hagemann, DB 2016, 1217 (1221); Hagemann/Kahlenberg/Cloer, BB 2015, 2455 (2463); Göttsche/Stangl, DStR 2000, 498 (507); Lang, SWI 1999, 282; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.9.1; a.A. Ditz in S/D, Art. 7 OECD-MA (2008) Rz. 188; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 5.3, 5.8; Wassermeyer, IStR 2010, 461; Wassermeyer, IStR 2012, 224; Wassermeyer, IStR 2015, 37. 5 Anders dagegen nach BFH v. 17.4.1996 – I R 78/95, BStBl. II 1996, 571 für Überschusseinkünfte (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG), für die uneingeschränkt das Zu- und Abflussprinzip (§ 11 EStG) gelten soll.
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21.95
Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
bereitende Aufwendungen als auch für Vorauseinnahmen.1 In diesen Fällen werden die vorbereitenden Aufwendungen bzw. die Vorauseinnahmen zunächst dem Stammhaus und sodann bei Errichtung der Betriebsstätte dieser zugeordnet.2 Handelt es sich um aktivierungspflichtige Aufwendungen, die in ein oft später auf die ausländische Betriebsstätte übergehendes Wirtschaftsgut eingehen, ergeben sich beim Stammhaus zunächst keine Erfolgsauswirkungen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das betreffende Wirtschaftsgut zum Zeitpunkt der Überführung stille Reserven enthält und durch entsprechende Außentransaktionen ein Betriebsstättengewinn entsteht: Dieser Gewinn ist anteilig zum Zeitpunkt der Außentransaktion dem Stammhaus zuzuordnen, sobald er auf die Realisierung der stillen Reserven entfällt. Betreffen die aktivierungspflichtigen Aufwendungen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die nach Überführung bei der ausländischen Betriebsstätte eingesetzt werden, ist dem Stammhaus in Höhe der auf die stillen Reserven entfallenen AfA ein anteiliger Gewinn zuzurechnen. 21.96
Kommt es allerdings nicht zur Errichtung einer Betriebsstätte, verbleibt es bei der Zuordnung zum Stammhaus, weil es an einem anderweitigen Zuordnungssubjekt fehlt.3 Die bloße Absicht, (grenzüberschreitend) Betriebsstätteneinkünfte zu erzielen, reicht somit grundsätzlich4 nicht aus. Andernfalls käme es mangels internationaler Korrespondenz zu einer nicht vermeidbaren Doppelbesteuerung und zudem zu einer Störung der Verteilungsgerechtigkeit zwischen den Staaten (Rz. 19.33 ff.). Aus diesem Grunde sind vergebliche Aufwendungen beim inländischen Stammhaus selbst dann abzugsfähig, wenn die Betriebsstättengewinne aufgrund eines DBA nach dem Betriebsstättenprinzip (Rz. 19.239 f.) steuerfrei gewesen wären.5 Da es an einer ausländischen Betriebsstätte als Zuordnungssubjekt fehlt, unterliegen vergebliche Aufwendungen auch nicht den Verlustabzugsbeschränkungen des § 2a Abs. 1 Nr. 1 und 2; Abs. 2 EStG.
1 Dürrschmidt in V/L6, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 8; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 340; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 210; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 205 ff.; Diehl, Zweigniederlassungen ausländischer Banken, Rechtsfragen und Besteuerung, 60; Feuerbaum, Internationale Besteuerung des Industrieanlagenbaus2, 113 f.; Lang, SWI 1999, 282. 2 Ggf. durch Änderung bereits ergangener Steuerbescheide gem. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO; a.A. Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 5.7. 3 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 300; Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 191; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 216; Ditz in S/D, Art. 7 OECD-MA (2008) Rz. 185; Strunk in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen4, Rz. 4.128 f.; Hagemann, DB 2016, 1217 (1222); Schröder, StBp. 1988, 218 ff.; Bader/Klose, IStR 1996, 318; a.A. BFH v. 26.2.2014 – I R 56/12, BStBl. II 2014, 703; Gosch in Kirchhof15, § 49 EStG Rz. 107; Gosch, IStR 2015, 709 (713); BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.9.1. 4 Ausnahme bei ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (Beispiel: § 3c Abs. 2 Satz 7 EStG). 5 Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 300; Buciek in Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 74; Schröder, StBp. 1988, 218 ff.; Münch, StBp. 1995, 54 (55 f.), Bader/Klose, IStR 1996, 318 ff.; anders dagegen unter Berufung auf § 3c EStG BFH v. 28.4.1983 – IV R 122/79, BStBl. II 1983, 566; v. 12.12.1987 – IX R 104/83, BFH/NV 1989, 99; v. 17.12.1998 – I B 80/98, BStBl. II 1999, 293 und zuletzt BFH v. 26.2. 2014 – I R 56/12, BStBl. II 2014, 703; Ismer in V/L6, Art. 23 Rz. 115; Gosch, IStR 2015, 7099 (713); ferner BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.9.1.
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B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten
Die für vorbereitende Aufwendungen und Vorauseinnahmen maßgeblichen Zuordnungskriterien gelten auch für nachträgliche Aufwendungen und Einnahmen,1 so dass diese ebenfalls der Betriebsstätte zuzuordnen sind, wenn sie durch diese veranlasst sind. Dies gilt für das nationale Recht ebenso wie für das Abkommensrecht.2 Im Rahmen der beschränkten Steuerpflicht gilt für nachträgliche Aufwendungen und Einnahmen inländischer Betriebsstätten allerdings die Besonderheit, dass bei Aufgabe einer inländischen Betriebsstätte ggf. die Entstrickungsbesteuerung gem. § 4 Abs. 1 Sätze 3 u. 4 EStG und § 12 Abs. 1 KStG eingreift (Rz. 6.381 ff.).
21.97
Im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 5 AStG (Entgeltsprinzip) gilt Folgendes: Aufwendungen vor Errichtung der Betriebsstätte (Vorlaufkosten) sind zunächst dem übrigen Unternehmen (Stammhaus) zuzuordnen, weil eine anderweitige Zuordnung von Personalfunktionen (Rz. 21.72 f.) nicht möglich ist. Erst mit Begründung der in- oder ausländischen Betriebsstätte erfolgt die entsprechende Zuordnung, so dass insoweit ein Gleichlauf mit der außerhalb des Anwendungsbereichs des § 1 Abs. 5 AStG (Erwirtschaftungsprinzip) geltenden Rechtslage besteht (Rz. 21.95 ff.).3 Mit dieser Zuordnung ist sodann eine anzunehmende schuldrechtliche Beziehung gegeben. Kommt es nicht zur Errichtung der geplanten Betriebsstätte, ist eine Zuordnung ausgeschlossen.4 Auch insoweit ergibt sich keine Abweichung zur Rechtslage bei Geltung des Erwirtschaftungsprinzips, so dass vergebliche Aufwendungen selbst dann abzugsfähig sind, wenn die ausländischen Betriebsstättengewinne steuerfrei gewesen wären (Rz. 21.96).
21.98
Nachträgliche Aufwendungen und Einnahmen sind im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 5 AStG (Entgeltsprinzip) der nicht mehr vorhandenen Betriebsstätte mangels Zuordnung von Personalfunktionen (Rz. 21.72 f.) nicht berücksichtigungsfähig.5 Mit Beendigung der Betriebsstätte gelten allerdings alle noch vorhandenen Vermögenswerte und Passivposten als an das übrige Unternehmen (Stammhaus) veräußert, so dass der fiktive Veräußerungserlös in der Hilfs- und Nebenrechnung (Rz. 21.31 ff.) zu erfassen ist (§§ 3 Abs. 4 Satz 2, 16 Abs. 1 Nr. 1 BsGaV).6
21.99
1 RFH v. 9.3.1932, RStBl. 1932, 513; BFH v. 15.7.1964 – I 415/61 U, BStBl. III 1964, 551; v. 12.10.1978 – I R 69/75, BStBl. II 1979, 64; Dürrschmidt in V/L6, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 8e.; Buciek in F/W/K, Art. 7 DBA-Schweiz Rz. 209; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 341; Hidien in K/S/M, § 49 EStG Rz. D 4147 f.; Baranowski, Besteuerung von Auslandsbeziehungen2, Rz. 268; Kumpf, Besteuerung inländischer Betriebsstätten von Steuerausländern, 218; Hagemann, DB 2016, 1217 (1221); Kumpf/Roth, DB 2000, 787; a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 16; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 5.18, wonach stets eine Zuordnung zum Stammhaus erfolgt; nach BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.9.2 soll zum Ende des Wirtschaftsjahrs, in dem die Betriebsstätte aufgelöst wird, eine Liquidationsbilanz aufgestellt werden; alle nach diesem Stichtag anfallenden Betriebseinnahmen und -ausgaben sollen sodann dem Stammhaus zugeordnet werden. 2 Dürrschmidt in V/L6, Vor Art. 6–22 OECD-MA Rz. 8; Roth in H/H/R, § 49 EStG Rz. 341. 3 So im Ergebnis Gosch, IStR 2015, 709 (713); VWG BsGa, Tz. 66; a.A. Schnorberger/Dust, BB 2015, 608; Heinsen/Wendland, GmbHR 2014, 1033; Girlich/Philipp, DB 2015, 459; Ditz/Luckhaupt, ISR 2015, 1(9); Wassermeyer, IStR 2015, 37. 4 Schnorberger/Dust, BB 2015, 608; Heinsen/Wendland, GmbHR 2014, 1033; Girlich/Phillip, DB 2015, 459; Ditz/Luckhaupt, ISR 2015, 1 (9); Wassermeyer, IStR 2015, 37; a.A. Gosch, IStR 2015, 709 (713); VWG BsGa, Tz. 66. 5 Zu diesbezüglichen Zweifeln Hagemann, DB 2016, 1217 (1222 ff.). 6 Vgl. VWG BsGa, Tz. 67 f.
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
5. Sonderfälle a) Vertreterbetriebsstätte 21.100
Die für Betriebsstätten maßgeblichen durch das Veranlassungsprinzip außerhalb des Anwendungsbereichs von § 1 Abs. 5 AStG geprägten Grundsätze der Einkünftezuordnung gelten im Ausgangspunkt für ständige Vertreter (Art. 13 AO) und abhängige Vertreter (Art. 5 Abs. 5, 6 OECD-MA) gleichermaßen. Denn auch hier geht es auf unilateraler und bilateraler Ebene darum, dem Vertreter als personalem Anknüpfungspunkt diejenigen Einkünfte zuzuordnen, die gem. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG als inländische Einkünfte für Zwecke der beschränkten Steuerpflicht oder gem. §§ 34c; 34d EStG (§ 26 Abs. 1, 2 KStG) und Art. 7 Abs. 1, 2 OECD-MA als ausländische bzw. als Betriebsstätteneinkünfte für Zwecke der Vermeidung der Doppelbesteuerung zu qualifizieren sind (zur Betriebsstätte Rz. 6.163 ff.). Aus dieser parallelen Anknüpfung folgt, dass ebenso wie für Betriebsstätten auch für Vertreter sowohl auf unilateraler als auch auf bilateraler Ebene das dealing at arm’s length-Prinzip (Drittvergleich) uneingeschränkt zur Anwendung kommt. Damit sind dem Vertreter (Betriebsstätte) diejenigen Einkünfte zuzurechnen, die er hätte erzielen können, wenn er eine gleiche oder ähnliche Tätigkeit unter gleichen oder ähnlichen Bedingungen als selbständiges Unternehmen ausgeübt hätte und im Verkehr mit dem Unternehmen, dessen Vertreter er ist, völlig unabhängig gewesen wäre.1
21.101
Wird daher ein Vertreter tätig, der hierfür ein Entgelt erhält, wie es zwischen fremden Dritten üblich und angemessen ist, verbleiben keine darüber hinausgehenden Einkünfte, die dem Unternehmen (Geschäftsherrn) als in- oder ausländische (Betriebsstätten-)Einkünfte zugerechnet werden könnten.2 Im Hinblick darauf ist wie folgt zu differenzieren:3
21.102
1. Wird ein unabhängiger Vertreter, etwa ein selbständiger Handelsvertreter, Makler oder Kommissionär, tätig, der mit dem auftraggebenden Unternehmen (Geschäftsherrn) weder unmittelbar noch mittelbar verbunden und daher fremder Dritter ist, so sind dem Geschäftsherrn im Ergebnis insoweit keine Einkünfte zuzuordnen: Die Provision, die der Vertreter für den Absatz von Produkten und Dienstleistungen vom Vertretenen erhält, entspricht den aufgrund dieser Funktion zuzuordnenden Einnahmen; einem darüber hinausgehenden etwa noch verbleibenden Liefergewinn bleibt eine Zuordnung zur Vertreterbetriebsstätte versagt.4 Unter dem Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit 1 So die Regelung in Art. 7 Abs. 2 OECD-MA (2008), die entsprechend auch für § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG gilt; vgl. hierzu Rz. 6.176 ff. 2 So ausdrücklich Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 199 ff.; Ditz in S/D, Art. 7 OECD-MA (2008) Rz. 195 f.; Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.233; Ditz in Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen, Köln 2010, 163 (186), Runge in Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, Köln 2001, 131 (134); Görl in GS Krüger, 113 (121); Sieker, BB 1996, 981 (984 ff.); Loukota, SWI 1996, 101 (104 f.); Hey, RIW 1994, 889 (891); a.A. Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 309; Niehaves in Haase3, Art. 7 OECD-MA Rz. 133 ff.; Endres, IStR 1996, 1 (4); OECD-MK zu Art. 7 OECD-MA, Ziff. 26. 3 Vgl. Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.233 f. 4 Es handelt sich also um ein „Nullsummenspiel“; so Hey, RIW 1994, 889 (891); ausführlich hierzu Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.233.
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B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten
zwischen den Staaten (Rz. 19.33 f.) ist eine weitergehende Einkünftezuordnung auch nicht gerechtfertigt, denn durch die Vertreterprovision fällt ohnedies bereits die auf die Vertretertätigkeit zurückzuführende Wertschöpfung regelmäßig in die Besteuerungshoheit des Staates, in dem der Vertreter tätig ist.1 Dementsprechend werden derart tätige unabhängige Vertreter im Wege typisierender Vereinfachung sowohl auf unilateraler2 als auch auf bilateraler3 Ebene aus dem Kreis der für die Besteuerung maßgeblichen personalen Anknüpfungen ausgegrenzt. 2. Wird dagegen ein Vertreter tätig, der etwa als verbundenes Unternehmen (Tochtergesellschaft) für das vertretene Unternehmen auftritt,4 entsteht ebenfalls kein Gewinn bei der Vertreterbetriebsstätte und zwar auch dann nicht, wenn die gezahlte Vergütung nicht angemessen ist.5 Ist dagegen der Vertreter ein Angestellter des vertretenen Unternehmens (Geschäftsherrn), sind der Vertreterbetriebsstätte Einkünfte zuzuordnen, soweit die an den angestellten Vertreter gezahlte Provision hinter der an fremde dritte (unabhängige) Vertreter zu zahlenden Provision zurückbleibt.6 Da Vertreter lediglich Verträge abschließen oder vermitteln oder Aufträge einholen, ist eine Zuordnung von Wirtschaftsgütern des Stammhauses zu einer derartigen Vertreterbetriebsstätte in aller Regel ausgeschlossen.7 Dies gilt auch für Warenbestände, die nach allgemeinen Grundsätzen bilanziell nicht beim Handelsvertreter, sondern beim Prinzipal bzw. Kommittenten zu erfassen sind.8 Aus diesem Grunde unterbleibt bei Vertreterbetriebsstätten regelmäßig eine überführungsbedingte Gewinnrealisation von Umlaufvermögen, so dass eine Entstrickungsentnahme (§ 4 Abs. 1 Sätze 3 u. 4 EStG) nicht gegeben ist. Entsprechendes gilt für inländische Vertreterbetriebsstätten eines ausländischen Stammhauses. Hier scheidet eine überführungsbedingte Steuerverstrickung (§ 4 Abs. 1 Satz 8 EStG) vom Umlaufvermögen ebenfalls aus.
1 So der Hinweis von Loukota, SWI 1996, 101 (104 f.); zur beschränkten Steuerpflicht von im Inland tätigen Vertretern Rz. 6.176 ff. 2 R 49.1 Abs. 1 Sätze 2 u. 3 EStR; Einkünfte eines ausländischen Unternehmens werden insoweit nicht der beschränkten Steuerpflicht unterworfen, als es im Inland durch Kommissionäre oder Makler vertreten ist, die Geschäftsbeziehungen für das ausländische Unternehmen im Rahmen ihrer ordentlichen Geschäftstätigkeit unterhalten. Das Gleiche gilt bei der Vertretung durch Handelsvertreter, die weder eine allgemeine Vollmacht zu Vertragsverhandlungen und -abschlüssen besitzen, noch über ein Warenlager des ausländischen Unternehmens verfügen; zu dieser auf § 50 Abs. 7 EStG a.F. (ab 2009: § 50 Abs. 4 EStG) beruhenden Verwaltungsanweisung Rz. 6.179 f. 3 Art. 5 Abs. 6 OECD-MA: Eine Vertreterbetriebsstätte ist nicht gegeben, wenn die Tätigkeit des Unternehmens in dem anderen Vertragsstaat durch einen Makler, Kommissionär oder einen anderen unabhängigen Vertreter ausgeübt wird. 4 Zur Funktion von Tochtergesellschaften als Vertreter Rz. 21.102. 5 Eine etwa nach oben korrigierte Vergütung ist zugleich berücksichtigungsfähiger Aufwand bei der Vertreterbetriebsstätte; hierzu Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.234; Sieker, BB 1996, 951 (985). 6 Kroppen in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 200; Andresen in W/A/D, BetriebsstättenHandbuch, Rz. 10.235; Griemla, IStR 2005, 857 (858); Sieker, BB 1996, 981 (985 f.). 7 Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.220. 8 Andresen in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.220.
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21.103
Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
21.104
Die vorstehenden Grundsätze gelten auch im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 5 AStG (Entgeltsprinzip): Trotz Zurechnung von Personalfunktionen des Vertreters zur Vertreterbetriebsstätte des Vertretenen (§ 39 Abs. 2 BsGaV)1 kommt es in aller Regel zu keinem Ergebnis, das über das der Vertreterbetriebsstätte hinausgeht. Denn der für die Vertreterbetriebsstätte entstehende Ertrag ist vollständig der Vertreterbetriebsstätte zuzuordnen.2 Ein abzugrenzender Betriebsstättengewinn/-verlust kann allenfalls eintreten, wenn der Vertreter ein Arbeitnehmer ist oder die Vertreterbetriebsstätte Risiken verwaltet, die allein das vertretene Unternehmen zu tragen hat.3 b) Geschäftsleitungsbetriebsstätte
21.105
Neben dem eigentlichen Ort der Geschäftsleitung (§ 10 AO) eines Unternehmens, (Stammhaus), insbesondere einer Kapitalgesellschaft (Rz. 7.2 f.), werden nicht selten weitere Geschäftsleitungsfunktionen in anderen Ländern ausgeübt. Es handelt sich hierbei durchweg um Geschäftsleitungsbetriebsstätten, also Stätten der Geschäftsleitung (§ 12 Satz 2 Nr. 1 AO) oder Orte der Leitung (Art. 5 Abs. 2 Buchst. a OECD-MA). Derartige Geschäftsleitungsbetriebsstätten, zu denen auch das Stammhaus selbst zählt,4 haben insbesondere weltweit operierende, polyzentrische Unternehmen.5 In den vorgenannten Fällen werden in Geschäftsleitungsbetriebsstätten Geschäftsleitungsfunktionen, Managementaufgaben sowie Zentralfunktionen angesiedelt, die ggü. den übrigen Unternehmensteilen als Dienstleistungen erbracht werden. Da es sich hierbei um bloße Innentransaktionen handelt, erfolgt die Aufwands- und Ertragszuordnung außerhalb des Anwendungsbereiches des § 1 Abs. 5 AStG nach allgemeinen durch das Veranlassungsprinzip geprägten Grundsätzen.6
21.106
In aller Regel wird seitens der Geschäftsleitungsbetriebsstätte ggü. den anderen Unternehmensteilen ein Bündel verschiedener Leistungen erbracht, die keinen konkreten Außenumsätzen der anderen Unternehmensteile zugeordnet werden können.7 Zu diesem Leistungsbündel gehören zumeist Innenrevision, Controlling, Steuer- und Rechtsberatung, Marketing, Markenpflege, Verwaltung von Patent- und Urheberrechten sowie die Beteiligungsverwaltung. Die Zuordnung von Aufwendungen und Erträgen erfolgt hier in der Praxis durchweg nach der indirek-
1 Abweichend von § 2 Abs. 3 BsGaV wird gem. § 39 Abs. 2 BsGaV die Ausübung von Personalfunktionen durch das Personal des Vertreters als rechtlich eigenständiges Unternehmen dem vertretenen Unternehmen zugerechnet. Anderenfalls könnte dem vertretenen Unternehmen mangels Ausübung von Personalfunktionen durch eigenes Personal nichts zugeordnet werden (VWG BsGa, Tz. 420). 2 VWG BsGa, Tz. 421 („Null-Summen-Theorie“); vgl. auch Bendlinger, IStR 2016, 414. 3 Z.B. in Zusammenhang mit dem Betrieb eines Konsignationslagers; vgl. Looks in L/L/H, Betriebsstättenbesteuerung2, Rz. H 1053; Brüninghaus in V/B/E, Verrechnungspreise4, Rz. L 102 ff.; VWG BsGa, Tz. 422. 4 Kahle/Kindich in H/K/G/R, § 1 Abs. 5–6 AStG Rz. 403; Frotscher in GS Krüger, 97. 5 Hierzu Raupach, JbFSt 1994/1995, 419 ff.; Schaumburg/Schlossmacher in FS Peltzer, 389 ff. 6 Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.2. 7 Hierzu Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 313.
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B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten
ten Methode.1 Im Hinblick auf die Schwierigkeiten bei Anwendung der indirekten Methode wird in der Praxis nur eine Schätzung möglich sein, die bei Geschäftsleitungsbetriebsstätten, soweit es sich um Kontroll- und Koordinierungsstellen handelt, darauf hinausläuft, dass eine saldierende Gewinnzuordnung i.H. von 5 bis 10 % der Kosten akzeptiert wird.2 Soweit insbesondere Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens vom inländischen Stammhaus auf eine ausländische Geschäftsleitungsbetriebsstätte überführt werden, erfolgt eine Gewinnrealisierung gem. § 4 Abs. 1 Sätze 3, 4 EStG (Entstrickungsentnahme), soweit überführungsbedingt das deutsche Besteuerungsrecht wegfällt oder beschränkt wird (Rz. 6.381 ff.). Zu einer Überführung von materiellen und immateriellen Wirtschaftsgütern etwa vom inländischen Stammhaus auf eine ausländische Geschäftsleitungsbetriebsstätte wird es allerdings nur dann kommen, wenn es sich um Wirtschaftsgüter handelt, die einer von der Betriebsstätte ausgeübten Funktion dienen.3 Das wird aber nur ausnahmsweise der Fall sein, weil im Grundsatz alle Zentralfunktionen unverändert dem Stammhaus zuzuordnen sind.4 So sind etwa Marken nicht schon deshalb einer ausländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte zuzuordnen, weil sie dort verwaltet werden. Im Vordergrund steht hier vielmehr die Nutzung der Marken im Rahmen der Produktion und des Vertriebs, deren Steuerung im Zweifel beim Stammhaus liegt. Entsprechendes gilt auch für die Beteiligungen an in- und ausländischen Tochtergesellschaften: Auch wenn die Beteiligungsverwaltung in einer ausländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte ausgeübt wird, bleibt die Zuordnung zum Stammhaus erhalten, solange dort die Konzernsteuerung angesiedelt ist; anders allerdings, wenn die ausländische Geschäftsleitungsbetriebsstätte die Funktion einer geschäftsleitenden Holding wahrnimmt.5 Sollten nach den vorstehenden Grundsätzen entsprechende materielle und immaterielle Wirtschaftsgüter einer ausländischen Geschäftsleitungsbetriebsstätte zuzuordnen sein, kann für die hierdurch ausgelöste Gewinnrealisierung (§§ 4 Abs. 1 Sätze 3, 4; 6 Abs. 1 Nr. 4, Satz 1 Halbs. 2 EStG) die Milderungsregelung des § 4g EStG (gestreckte Besteuerung) in Anspruch genommen werden.
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In den Fällen, in denen im Inland eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte eines ausländischen Stammhauses angesiedelt ist, kommt überführungsbedingt eine Steuerverstrickung gem. § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG zum gemeinen Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG) in Betracht (Rz. 6.402).
21.108
1 Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.2, 10.5; zur direkten und indirekten Methode Rz. 21.37. 2 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.4.4; vgl. auch Sieker in Pilz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 85 (100); kritisch hierzu Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.2, 10.8. 3 BFH v. 29.7.1992 – II R 39/89, BStBl. II 1993, 63; BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 2.4; zum funktionalen Zusammenhang Hansen, Die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu Betriebsstätten im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, Frankfurt 2015, 141 ff.; Ehlermann/Petersen, IStR 2011, 749. 4 Kritisch zur „Zentralfunktion des Stammhauses“ z.B. Breuninger in FS Schaumburg, 587 ff. 5 BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.4.1; Wassermeyer in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.12.
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
21.109
Im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 5 AStG gelten für Geschäftsleitungsbetriebsstätten im Vergleich zu anderen Betriebsstätten keine Besonderheiten. So werden etwa immaterielle Wirtschaftsgüter (Patente, Marken, Know-how, Geschäftswert) entsprechend der maßgeblichen Personalfunktion – Schaffung oder Erwerb – und Beteiligungen sowie Finanzanlagen in Orientierung an deren Nutzung zugeordnet (§§ 6 Abs. 1 Satz 1, 7 Abs. 1 Satz 1 BsGaV). Eine vorrangige Zuordnung im Sinne der Zentralfunktion des Stammhauses (Geschäftsleitungsbetriebsstätte) ist hiernach ausgeschlossen,1 so dass auch in Zweifelsfällen ggf. eine Aufteilung (§ 6 Abs. 4 BsGaV) oder nach Maßgabe des überwiegenden funktionalen Zusammenhangs (§ 7 Abs. 1,4 BsGaV) in Betracht kommt. c) Bau- und Montagebetriebsstätten
21.110
Sowohl im nationalen Recht als auch im Abkommensrecht haben Bau- und Montagebetriebsstätten eine Sonderregelung (§ 12 Satz 2 Nr. 8 AO; Art. 5 Abs. 3 OECD-MA) dahingehend erfahren, dass sie Anknüpfungspunkte für die Besteuerung sind, obwohl in ihnen keine dauerhafte gewerbliche (unternehmerische) Tätigkeit ausgeübt wird.2 Erfasst werden insbesondere Hoch- und Tiefbautätigkeiten sowie der Anlagenbau.3 Zu den bauausführenden Montagen gehören indessen nicht nur die eigentlichen Kerntätigkeiten, sondern auch hiermit in unmittelbarem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehende Leistungen, zu denen auch die gesamte kaufmännische und technische Projektplanung sowie die Bauund Montageüberwachung4 zählen. Im Hinblick darauf sind Bauausführungen und Montagen nicht selten durch eine enge Leistungsverflechtung zwischen Stammhaus und Betriebsstätte gekennzeichnet,5 so dass die Einkünftezuordnung besondere Schwierigkeiten bereitet. Das gilt insbesondere für die in der Praxis bedeutsamen sog. Turnkey-Projekte, in denen ein Generalunternehmer als Auftragnehmer ein ganzes Leistungsbündel zu erbringen hat.6 Die im Bereich der Bauausführungen und Montagen zu erbringenden Leistungen werden gewöhnlich vom Stammhaus und von der (ausländischen) Bau- oder Montagebetriebsstätte erbracht.
21.111
Angesichts der für Bau- und Montagebetriebsstätten geltenden spezifischen Probleme erfolgt in der Praxis die Einkünftezuordnung außerhalb des Anwendungsbereiches des § 1 Abs. 5 AStG zumeist auf der Grundlage der indirekten Methode (Rz. 21.37). Soweit die direkte Methode, die eine eigene Betriebsstättenbuchführung voraussetzt, zur Anwendung kommt, wird zwar nicht selten eine veranlassungsgerechte und damit funktionsbezogene Aufwandszuordnung gelingen,7 1 Kahle/Kindich in H/K/G/R, § 1 Abs. 5–6 AStG Rz. 408; Kraft/Dombrowski, FR 2014, 1114; Schnitger, IStR 2012, 639; Baldamus, IStR 2012, 321. 2 Sog. temporäre Betriebsstätten; vgl. Ditz, Internationale Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten, 370. 3 Hierzu im Einzelnen Remberg in Schaumburg, Internationale Joint Ventures, 431 ff.; Remberg in Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 113 ff. 4 Hruschka in S/D, Art. 5 OECD-MA Rz. 95. 5 Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.182. 6 Löwenstein in L/L/H, Betriebsstättenbesteuerung2, Rz. H 1306 ff.; zum internationalen Anlagenbau vgl. Remberg in Piltz/Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 113 (114 f.). 7 Hierzu Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.187.
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B. Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten
eine direkte Zuordnung von Erträgen wird aber in aller Regel kaum möglich sein. Das gilt auch in den Fällen, in denen für bestimmte vom Stammhaus und der Bau- und Montagebetriebsstätte zu erbringende Leistungen gesonderte Preise vereinbart worden sind, weil nicht selten bei der Preisfindung ein kalkulatorischer Ausgleich zwischen einzelnen Preiselementen gegeben sein wird.1 Bei Anwendung der direkten Methode wird daher mitunter eine Mischlösung dahingehend angestrebt, dass für die der Bau- und Montagebetriebsstätte direkt zugeordneten Aufwendungen zwecks Ermittlung der Einkünfte die Kostenaufschlagsmethode zur Anwendung gebracht wird,2 wobei ein Gewinnaufschlag i.H. von 5 % bis 10 % üblich ist.3 Der so ermittelte auf die (ausländische) Bau- und Montagebetriebsstätte entfallende Standardgewinn führt dazu, dass der Restgewinn beim (inländischen) Stammhaus der Besteuerung unterliegt. Hierbei kann es sich indessen auch um einen Verlust handeln. Eine derart inkongruente Einkünftezuordnung wird durch Anwendung der indirekten Methode vermieden.4 Hierfür bedarf es der Ermittlung des Gesamtprojektgewinns (Auftragsergebnis), was in aller Regel über die vorhandene Kostenrechnung ermöglicht wird. Auf einer weiteren Stufe ist sodann ein am Veranlassungsprinzip orientierter Aufteilungsschlüssel festzulegen, wobei in der internationalen Praxis ein kostenorientierter Aufteilungsschlüssel vorherrscht und allgemein anerkannt ist.5 Darüber hinaus kommen auch Risiko- und Umsatzschlüssel6 oder eine Mischung verschiedener Aufteilungsschlüssel in Betracht. Die dem § 1 Abs. 5 AStG zugrunde liegende Selbständigkeitsfiktion der Betriebsstätte führt bei Bau- und Montagebetriebsstätten, die von vorneherein zeitlich begrenzt sind und im Regelfall keine fiktiven Geschäftsbeziehungen zu außenstehenden Dritten aufweisen, zu erheblichen Anwendungsproblemen. Im Hinblick darauf enthalten §§ 30–34 BsGaV einige Sonderregelungen. So wird abweichend von § 5 Abs. 1 Satz 1 BsGaV für die maßgebliche Personalfunktion nicht nur auf die Nutzung, sondern auch auf die Anschaffung, Herstellung, Veräußerung oder Verwertung materieller Wirtschaftsgüter abgestellt (§ 31 Abs. 1 Satz 1 BsGaV). Das bedeutet im Ergebnis, dass dem Stammhaus eine erweiterte Basis für die Einkünftezuordnung eingeräumt wird,7 zumal ihm im Regelfall der Bau- und Montagevertrag zugeordnet wird (§ 31 Abs. 4 BsGaV). Die Mitwirkung der Bau- und Montagebetriebsstätte wird sodann als fiktive Dienstleistung (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 BsGaV) gegenüber dem Stammhaus qualifiziert (§ 32 Abs. 1 Satz 1 BsGaV). Der Verrechnungspreis hierfür ist vor allem auf Grundlage der Kostenaufschlagsmethode (Rz. 21.90) zu bestimmen, soweit es sich um bloße Routinetätigkeiten handelt.8 Anderenfalls 1 2 3 4 5
Im Einzelnen Bendlinger, SWI 1997, 104 (110 f.); Bendlinger in FS Loukota, 69. BMF v. 24.12.1999 – IV B 4 - S 1300 - 111/99, BStBl. I 1999, 1076, Tz. 4.3.7 Abs. 3. Vgl. Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.190. Ditz in W/A/D, Betriebsstätten-Handbuch, Rz. 10.193. Remberg in Schaumburg, Internationale Joint Ventures, 454 ff.; Remberg in Piltz/ Schaumburg, Internationale Betriebsstättenbesteuerung, 113 (124); Löwenstein in L/H/H, Betriebsstättenbesteuerung2, Rz. H 1388 ff.; Ditz in W/A/D, BetriebsstättenHandbuch, Rz. 10.196; Bendlinger/Remberg/Kuckhoff, IStR 2002, 40 (44). 6 Vgl. Löwenstein in L/L/H, Betriebsstättenbesteuerung2, Rz. H 1400; Feuerbaum, Internationale Besteuerung des Industrieanlagenbaus2, 96 f. 7 Einschließlich Anschluss- bzw. Folgeauftrag; vgl. VWG BsGa, Tz. 352, 341 f. 8 Vgl. VWG BsGa, Tz. 355.
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21.112
Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
kommt die Gewinnaufteilungsmethode (Rz. 21.94) zur Anwendung (§ 33 Abs. 1 BsGaV), für die insbesondere ein an den Kosten der jeweils ausgeübten maßgeblichen Personalfunktionen orientierter Aufteilungsschlüssel maßgeblich ist (§ 33 Abs. 2 BsGaV).1 Das gilt auch in den Fällen, in denen mehrere Leistungsbündel Gegenstand der einheitlichen fiktiven Dienstleistung sind (§ 32 Abs. 2 BsGaV). 21.113
Im Außenverhältnis erbringt nur das Stammhaus die Bau- und Montageleistungen (Rz. 21.92), so dass alle zur Ausführung des Auftrages erbrachten Leistungen anderer Unternehmensteile als fiktive Lieferungen oder fiktive Dienstleistungen gegenüber dem Stammhaus gelten und gegenüber der Bau- und Montagebetriebsstätte als unentgeltlich beigestellt behandelt werden (§ 32 Abs. 4 BsGaV).
C. Einkünftezuordnung bei Personengesellschaften Literatur Vgl. Literaturübersicht zu B.; Boller/Eilighoff/Schmidt, § 50d Abs. 10 EStG i.d.F. des JStG 2009 – ein zahnloser Tiger?, IStR 2009, 109; Debatin, Inländische Beteiligungen an Mitunternehmerschaften im Ausland, BB 1978, 669; Debatin, Subjektiver Schutz unter Doppelbesteuerungsabkommen, BB 1989, Beilage 2, 1; Dörfler/Rautenstrauch/Adrian, Das Jahressteuergesetz 2009 – Ausgewählte Aspekte der Unternehmensbesteuerung, BB 2009, 580; Flick/Heinsen, Steuerliche Behandlung von Einkünften deutscher Gesellschafter aus der Beteiligung an einer US-Limited Liability Company – Anmerkungen zum BFH-Urteil vom 20.August 2008, I R 34/08, IStR 2008, 781; Friedrichs, Die Beendigung des Engagements in einer ausländischen Personengesellschaft, Bielefeld 1996; Frotscher, Treaty Override und § 50d Abs. 10 EStG, IStR 2009, 593; Frotscher, Abkommensrechtliche Behandlung von Lizenzzahlungen als Sondervergütungen nach Inkrafttreten des § 50d Abs. 10 EStG, IStR 2009, 866; Gröhs, Die Gewinnbesteuerung der Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht Österreichs, Wien 1986; Gündisch, Analoge Abkommensanwendung zur Überwindung von Qualifikationskonflikten, IStR 2005, 829; Gündisch, Personengesellschaften im DBA-Recht, München 2004; Günkel/Lieber, Auslegungsfragen im Zusammenhang mit § 50d Abs. 10 EStG i.d.F. des JStG 2009, Ubg. 2009, 301; Haas, Mitunternehmerschaften mit beschränkter Haftung – national und international –, Bielefeld 1978, 81 ff.; Hagemann/Kahlenberg, Verschärfung der Rechtsunsicherheiten bei internationalem Sonderbetriebsvermögen, IStR 2014, 233; Haiß, Gewinnabgrenzung bei Betriebsstätten im internationalen Steuerrecht, Berlin 2004; Hils, Neuregelung internationaler Sondervergütungen nach § 50d Abs. 10 EStG, DStR 2009, 888; Hock, Personengesellschaften mit internationalem Gesellschafterkreis, Wiesbaden 1994; Hruschka, Sondervergütungen und der AOA i.d.F. des AHiRLUmsG – Das Verhältnis von § 1 AStG zu § 50d Abs. 10 EStG, IStR 2013, 830; Jacob/Hagena, Die inländische gewerbliche Personengesellschaft: ansässige Person mit Abkommensschutz? IStR 2013, 485; Kahlenberg/Melkonyan, Novellierung des Regelwerks zur Besteuerung grenzüberschreitender Einkünfte aus dem Sonderbetriebsvermögensbereich, ISR 2013, 340; Knobbe-Keuk, Qualifikationskonflikte im Internationalen Steuerrecht der Personengesellschaften, RIW 1991, 306; Kofler/Moshammer, Zurechnungskonflikte bei Personengesellschaften, SWI 2013, 6; Krabbe, Abkommensrechtliche Behandlung von Sondervergütungen – Eine Replik, FR 2001, 129; Kudert/Kahlenberg, Die Neufassung des § 50d Abs. 10 EStG – Die Besteuerung grenzüberschreitender Mitunternehmerschaften geht in die nächste Runde, IStR 2013, 801; Kudert/Kahlenberg/Mroz, Inhalt und Stellenwert des neuen § 50i EStG, ISR 2013, 365; Lang, M., Ist der Betriebsstättenvorbehalt bloß im Quellenstaat anwendbar?, SWI 2003, 319; Lang, M., Qualifikationskonflikte bei Personengesellschaften, IStR 2000, 129; Lang, M., Steuerlich transparente Rechtsträger 1 Zu Einzelheiten VWG BsGa, Tz. 375 ff.
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C. Einkünftezuordnung bei Personengesellschaften und Abkommensberechtigung, IStR 2011, 1; Lethaus, Steuerliche Probleme der internationalen Personengesellschaft, Hamburg 1990; Liebchen, Beteiligungen an ausländischen Personengesellschaften: Steuerliche Gewinnermittlung und Einkunftsabgrenzung, Berlin 2008; Lohbeck/Wagner, § 50d Abs. 10 EStG – Uneingeschränktes Besteuerungsrecht für Sondervergütungen im Inbound-Fall?, DB 2009, 423; Lüdicke, Beteiligung an ausländischen intransparent besteuerten Personengesellschaften, IStR 2011, 91; Lüdicke, Neue Entwicklungen der Besteuerung von Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht, StbJb 1997/1998, 449; Machens, Ausländische Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht, Bern 2007; Mensching, Die Limited Liability Company (LLC) im Minenfeld zwischen deutschem, innerstaatlichen Steuerrecht und Abkommensrecht, IStR 2008, 687; Meretzki, Weshalb der neue § 50d Abs. 10 EStG sein Ziel verfehlt und neue Probleme schafft, IStR 2009, 217; Mitschke, Grenzüberschreitende Sondervergütungen bei PersGes und gewerblich geprägte PersGes im internationalen Steuerrecht nach dem AmtshilfeRL-UmsG – Zu § 50d Abs. 10 n.F. EStG und § 50i EStG, FR 2013, 694; Mitschke, Streitpunkt § 50d Abs. 10 EStG – ein Tiger mit scharfen Zähnen, DB 2010, 303; Müller, Grenzüberschreitende Sondervergütungen und Sonderbetriebsausgaben im Spannungsfeld des Abkommensrechts, BB 2009, 751; Ostendorf, Behandlung von Sondervergütungen der Mitunternehmer im Internationalen Steuerrecht, Berlin 1994; Piltz, Die Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht der Bundesrepublik Deutschland, Heidelberg 1981; Piltz, Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen unter den Doppelbesteuerungsabkommen (OECD-Musterabkommen und DBA-Schweiz), IStR 1996, 457; Pinkernell, Einkünftezurechnung bei Personengesellschaften, Berlin 2000; Pott, Die Kollision unterschiedlicher Formen der Gesellschaftsbesteuerung im Internationalen Steuerrecht, Köln 1982; Prinz, Der neue § 50i EStG: Grenzüberschreitende „Gepräge-KG“ zur Verhinderung einer Wegzugsbesteuerung, DB 2013, 1378; Pyszka/Bauer, Ausländische Personengesellschaften im Unternehmenssteuerrecht, Herne 2004; Riemenschneider, Abkommensberechtigung von Personengesellschaften und abkommensrechtliche Behandlung der Einkünfte aus Beteiligungen inländischer Gesellschafter an ausländischen Personengesellschaften, Frankfurt 1995; Schaumburg, Die Personengesellschaft im internationalen Steuerrecht, Stbg. 1999, 97, 156; Schliephake, Steuerliche Gewinnabgrenzung internationaler Personengesellschaften, Bielefeld 1990; Schmidt, Personengesellschaften im Abkommensrecht – Erlassentwurf und neue Rechtsprechung, StbJb 2008/2009, 169; Selent, Ausländische Personengesellschaften im Ertragund Vermögensteuerrecht, Gelsenkirchen 1982; Spengel/Schaden/Wehrße, Grenzüberschreitende Besteuerung von Personengesellschaften im OECD-MA – Problembereiche und Lösungsansätze, StuW 2012, 105; Strunk/Kaminski, Aktuelle Entwicklungen bei der Besteuerung von ausländischen Betriebsstätten und Personengesellschaften in Abkommensfällen, IStR 2003, 181; Urtz/Züger, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, Wien 2001; Wassermeyer, Die abkommensrechtliche Behandlung von Einkünften einer in einem Vertragsstaat ansässigen Personengesellschaft, IStR 2011, 85; Wassermeyer, Die Anwendung deutscher Doppelbesteuerungsabkommen auf ausländische Personengesellschaften, in: Wachter, Festschrift für Sebastian Spiegelberger – Vertragsgestaltung im Zivil und Steuerecht, 2009, 566; Wassermeyer, Sondervergütungen und Sonderbetriebsvermögen im Abkommensrecht, in Achatz/Ehrke-Rabel/Heinrich/Leitner/Taucher, Steuerrecht, Verfassungsrecht, Europarecht, FS für Ruppe, Wien 2007, 681; Wassermeyer, Die Anwendung der Doppelbesteuerungsabkommen auf Personengesellschaften, IStR 2007, 413; Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht, 2. Aufl. Köln 2015; Weggenmann, Einordnungskonflikte bei Personengesellschaften im Recht der deutschen Doppelbesteuerungsabkommen unter besonderer Berücksichtigung des OECD-Partnership-Reports 1999, Nürnberg 2002; Weggenmann/Rödl, Sonderregelungen für Personengesellschaften in deutschen Doppelbesteuerungsabkommen, in Kirchhof/ Nieskens (Hrsg.), FS für Reiß, Köln 2008, 697.
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
I. Grundlagen 21.114
Das Erfordernis internationaler Einkünfteabgrenzung besteht ebenfalls bei Personengesellschaften, und zwar sowohl auf der Ebene des innerstaatlichen Steuerrechts als auch auf der Ebene des Abkommensrechts. Personengesellschaften1 sind für Zwecke der Steuern vom Einkommen nach den Grundsätzen des deutschen Steuerrechts keine Steuersubjekte, so dass insoweit stets auf die Gesellschafter abzustellen ist. Sie sind indessen insoweit beschränkt steuerrechtsfähig, als sie selbst etwa mit den von ihnen geführten Gewerbebetrieben Gewinn erzielen mit der Folge, dass für steuerliche Zwecke die Personengesellschaft einerseits und ihre Gesellschafter andererseits wie Fremde zueinander in Rechtsbeziehungen treten und dementsprechend mit Gewinnrealisierung Leistungen austauschen können.2 Damit sind sie selbständige Gewinnerzielungs- und Gewinnermittlungssubjekte.3 Dieses im deutschen Steuerrecht verwirklichte Mitunternehmerkonzept4 gilt sowohl für nach deutschem als auch für nach ausländischem Recht errichtete Personengesellschaften,5 soweit diese nach dem maßgeblichen Typenvergleich6 aus deutscher Sicht7 als Personengesellschaften zu qualifizieren sind. Hierbei ist ohne Bedeutung, ob die Gesellschafter im Inland unbeschränkt, beschränkt oder überhaupt nicht steuerpflichtig sind.
21.115
Da Personengesellschaften für Zwecke der Steuern von Einkommen keine Steuersubjekte sind, werden deren Gewinne (Verluste) den Mitunternehmern anteilig originär als eigene Einkünfte zugerechnet (Transparenzprinzip8). Im Hinblick auf diese duale Struktur –selbständige Gewinnerzielungs- und Gewinnermittlungssubjekt einerseits und kein Steuerrechtssubjekt andererseits – ergibt sich eine zweistufige Einkünfteermittlung.9 Auf der ersten Stufe erfolgt eine Einkünftequalifikation im Sinne einer Einkunftsartenzuordnung, die auf Gesellschaftsebene stets einheitlich ist10 und zudem voraussetzt, dass überhaupt eine Einkünfteerzie1 Nachfolgend wird nur auf Personengesellschaften abgestellt, deren Gesellschafter Mitunternehmer i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG sind (Mitunternehmerschaften); vgl. hierzu Hennrichs in Tipke/Lang22, § 10 Rz. 25. 2 Zu Einzelheiten Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 160 ff. mit Nachweisen aus der Rspr. 3 BFH v. 2.9.1985 – IV B 51/85, BStBl. II 1986, 10; v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617; v. 11.4.2005 – GrS 2/02, BStBl. II 2005, 679; v. 23.3.2007 – IV R 72/02, BStBl. II 2008, 420; zur Dogmatik im Einzelnen Hennrichs in Tipke/Lang22, § 10 Rz. 10 ff.; Pinkernell, Einkünftezurechnung bei Personengesellschaften, 62 ff.; 81 ff.; 130 ff. 4 §§ 15 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3; 15a; 13 Abs. 5; 18 Abs. 4 EStG; hierzu im Einzelnen Hennrichs in Tipke/Lang22, § 10 Rz. 10. 5 Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 173. 6 Hierzu im Einzelnen Schnittker in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 3.5 ff. 7 Zu Qualifikationskonflikten Rz. 19.79 ff. 8 BFH v. 3.7.1995 – GrS 1/93, BStBl. II 1995, 617; Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 163; Reiß in Kirchhof15, § 15 EStG Rz. 162; Wassermeyer in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 2.5. 9 Vgl. hierzu Tiede in H/H/R, § 15 EStG Rz. 450 ff.; Reiß in Kirchhof15, § 15 EStG Rz. 227 ff.; Hennrichs in Tipke/Lang22, § 10 Rz. 20 ff. 10 Hennrichs in Tipke/Lang22, § 10 Rz. 21; Wassermeyer in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 2.5; zur Besonderheit bei sog. Zebragesellschaften BFH v. 30.10.2001 – IX R 80/98, BStBl. I 2003, 167 (172); v. 11.4.2005 – GrS 2/02,
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C. Einkünftezuordnung bei Personengesellschaften
lungsabsicht gegeben ist.1 Ist das der Fall, wird dem Gesellschafter ein entsprechender Gewinnanteil zugerechnet, wobei auch etwaige Ergänzungsbilanzen2 zu berücksichtigen sind. Auf der zweiten Stufe werden sodann zusätzlich Sondervergütungen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 Halbs. 1 EStG)3 und Sonderbetriebsvermögen4 erfasst. Erst danach kann festgestellt werden, ob auch auf Gesellschafterebene eine Einkünfteerzielungsabsicht gegeben ist5 und welcher Einkunftsart die Einkünfte zuzuordnen sind.6 Die vorstehenden Grundsätze haben gleichermaßen Bedeutung für in- und ausländische Personengesellschaften sowie für unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter.7 Soweit allerdings DBA eingreifen, gelten diese Grundsätze nicht (Rz. 19.237). Das bedeutet etwa, dass die Einkünfte von (gewerblich geprägten) Personengesellschaften durchaus unterschiedliche Einkunftsarten zuzuordnen sind (Rz. 19.237) und darüber hinaus Sonderbetriebsvermögen und Sondervergütungen abkommensrechtlich abweichend vom innerstaatlichen Recht behandelt werden, soweit nicht Treaty-overriding-Klauseln (z.B. § 50d Abs. 10 EStG) Anwendung finden (Rz. 21.120).
21.116
II. Einkunftsartenzuordnung Soweit die Gesellschafter einer in- oder ausländischen Personengesellschaft als Mitunternehmer nicht Land- und Forstwirte oder Freiberufler sind,8 erzielen sie nach innerstaatlichem (deutschem) Steuerrecht Einkünfte aus Gewerbebetrieb.9 Abkommensrechtlich ergeben sich keine Besonderheiten, weil zumeist durchweg die Qualifikation als Unternehmensgewinne (Art. 7 Abs. 1 OECDMA) in Betracht kommt (Rz. 19.263). Ist eine Personengesellschaft nur u.a. gewerblich tätig (gemischte Tätigkeiten), so gilt sie in vollem Umfang als Gewerbebetrieb (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG).10 Diese sog. Abfärberegelung findet auf Ab-
1
2 3 4 5 6 7 8 9 10
BStBl. II 2005, 679 (681); Hennrichs in Tipke/Lang22, § 10 Rz. 47; Reiß in Kirchhof15, § 15 EStG Rz. 393. Erforderlich sowohl auf Gesellschaftsebene als auch auf Gesellschafterebene; BFH v. 25.6.1984 – GrS 4/82, BStBl. II 1984, 751 (765 ff.); v. 2.7.2008 – IX B 46/08, BStBl. II 2008, 815; v. 9.3.2011 – IX R 50/10, BStBl. II 2011, 704; Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 182 f. Zu Ergänzungsbilanzen Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 460 ff.; Tiede in H/H/R, § 15 EStG Rz. 500 ff.; Reiß in Kirchhof15, § 15 EStG Rz. 243 ff. Zu Sondervergütungen vgl. Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 560 ff.; Tiede in H/H/R, § 15 EStG Rz. 526 ff.; Reiß in Kirchhof15, § 15 EStG Rz. 327 f. Zu den einzelnen Sonderbetriebsvermögensarten Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 506 ff. Prüfung auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene vgl. Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 182 f. Hennrichs in Tipke/Lang22, § 10 Rz. 40. Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 173; Ditz in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 12.25. §§ 13 Abs. 5; 18 Abs. 4 EStG verweisen auf § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Gewerbliche Mitunternehmerschaft (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1 EStG). Ausnahme bei äußerst geringem Anteil; so BFH v. 11.8.1999 – XI R 12/98, BStBl. II 2000, 229; v. 27.8.2014 – VIII R 6/12, BStBl. II 2015, 1002; zur sog. Abfärberegelung Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 185 ff.; Reiß in Kirchhof15, § 15 EStG Rz. 143; Hennrichs in Tipke/Lang22, § 10 Rz. 61 ff.
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21.117
Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
kommensebene keine Anwendung (Rz. 19.236 f.), so dass es sich abkommensrechtlich insoweit etwa um Zinsen (Art. 11 OECD-MA) oder Lizenzgebühren (Art. 12 OECD-MA) handelt (Rz. 19.237 f.).1 Ist keine land- und forstwirtschaftliche (§ 13 Abs. 5 EStG), freiberufliche (§ 18 Abs. 4 EStG) oder gewerbliche (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG) Mitunternehmerschaft gegeben ist, handelt es sich um eine vermögensverwaltend tätige Personengesellschaft, so dass die Gesellschafter entweder Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) oder Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) oder aber sonstige Einkünfte (§§ 22, 23 EStG) erzielen. Insoweit besteht ein weitgehender Gleichklang mit der abkommensrechtlichen Einkunftsartenzuordnung.2 Sind allerdings an solchen tatsächlich land- und forstwirtschaftlich, freiberuflich oder vermögensverwaltend tätigen Personengesellschaften ausschließlich eine oder mehrere Kapitalgesellschaften persönlich haftende Gesellschafter und sind nur diese oder Nichtgesellschafter zur Geschäftsführung befugt, gilt die Tätigkeit der in- oder ausländischen Personengesellschaft einheitlich als gewerblich,3 und zwar unabhängig davon, ob etwa die ausländische Kapitalgesellschaft ihrerseits gewerbliche Einkünfte erzielt (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG).4 Die gewerbliche Prägung hat allerdings eine begrenzte Reichweite: Auf Abkommensebene findet sich für diese Fiktion keine Rechtsgrundlage,5 so dass die für eine vermögensverwaltend tätige Personengesellschaft maßgebliche (unterschiedliche) Einkunftsartenzuordnung zur Anwendung kommt.6 Im Hinblick darauf, dass die Finanzverwaltung früher7 davon ausging, die gewerbliche Prägung (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG) schlage auf Abkommensebene durch, wurde insbesondere die steuerneutrale Einbringung privat gehaltener Kapitalanteile in inländische gewerblich geprägte Personengesellschaften (GmbH & Co. KG) zwecks Vermeidung einer Wezugsbesteuerung (§ 6 AStG; Rz. 6.406 ff.) allgemein akzeptiert. Nach der vorstehenden (neuen) Rechtslage steht Deutschland (nunmehr) aber im Zeitpunkt der tatsächlichen Veräußerung oder Entnahme der Kapitalanteile kein Besteuerungsrecht an den entsprechenden stillen Reserven zu. Diesen abkommensrechtlich bereits verlorenen Steueranspruch nachträglich zu sichern, ist Aufgabe des § 50i Abs. 1 EStG (Rz. 6.391 ff.). 21.118
Zu den gewerblichen Mitunternehmereinkünften zählen auch die Sondervergütungen, die die Gesellschaft an ihre Gesellschafter für Tätigkeiten, Darlehen 1 BFH v. 24.4.1997 – IV R 60/95, BStBl. II 1997, 567; Weggenmann in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 6.16; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1. 2 Zu Einzelheiten Lemaitre/Lüdemann in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 5.29. 3 Gewerblich geprägte Personengesellschaft (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG); hierzu im Einzelnen Reiß in Kirchhof15, § 15 EStG Rz. 135 ff.; Hennrichs in Tipke/Lang22, § 10 Rz. 65 ff. 4 BFH v. 14.3.2007 – XI R 15/05, BStBl. II 2007, 924; Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 216; Oenings in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 10.28; Wachter, FR 2007, 887; a.A. Lüdicke, DStR 2002, 672. 5 BFH v. 28.4.2010 – I R 89/09, BStBl. II 2014, 754; v. 4.5.2011 – II R 51/09, BFH/NV 2011, 1637; v. 9.12.2010 – I R 49/09, BStBl. II 2011, 482; v. 24.8.2011 – I R 46/10, BFH/NV 2011, 2165; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 2.2.1; ferner Rz. 19.237. 6 Zinsen (Art. 11 OECD-MA) oder Lizenzgebühren (Art. 12 OECD-MA). 7 BMF v. 16.4.2010 – IV B 2 - S 1300/09/10003 – DOK 2009/0716905, BStBl. I 2010, 354, Tz. 2.2.1.
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C. Einkünftezuordnung bei Personengesellschaften
und sonstige Überlassungen von Wirtschaftsgütern leistet.1 Diese Einkunftsartenzuordnung gilt nach innerstaatlichem Recht sowohl für inländische Gesellschafter ausländischer Personengesellschaften als auch für ausländische Gesellschafter inländischer Personengesellschaften.2 Auf Abkommensebene dagegen erzielen Personengesellschaften und ihre Gesellschafter insoweit neben Unternehmensgewinnen (Art. 7 OECD-MA) auch z.B. Einkünfte aus Dividenden (Art. 10 OECD-MA), Zinsen (Art. 11 OECD-MA) und Lizenzen (Art. 12 OECDMA).3 Über die Sondervergütungen hinaus zählen zu den gewerblichen Mitunternehmereinkünften auch Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben, also Erträge und Aufwendungen, die ihre Veranlassung in der Beteiligung an der Personengesellschaft haben. Es handelt sich dabei zumeist um Erträge und Aufwendungen im Zusammenhang mit Sonderbetriebsvermögen.4 Hierbei spielt es keine Rolle, ob es sich um eine in- oder ausländische Personengesellschaft handelt oder die Gesellschafter unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig sind. Abkommensrechtlich erzielen dem gegenüber die Gesellschafter mit ihren Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben neben Unternehmensgewinnen (Art. 7 OECD-MA), insbesondere Dividenden (Art. 10 OECD-MA) und Zinsen (Art. 11 OECD-MA).5 Im Übrigen ist die Einkunftsartenzuordnung unmittelbar mit der Subjektsqualifikation der Personengesellschaft6 verknüpft (Rz. 21.114 f.). Für die in der Praxis auf Abkommensebene wichtigste Einkunftsart der Unternehmensgewinne (Art. 7 OECD-MA)7 gilt hiernach:8 Bei übereinstimmender Qualifikation als selbständiges Steuersubjekt erzielt die Personengesellschaft als abkommensberechtigte Person (Art. 3 Abs. 1 Buchst. a und b OECD-MA)9 selbst Unternehmensgewinne, und deren Gesellschafter er1 § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG; hierzu ausführlich Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 560 ff.; Tiede in H/H/R, § 15 EStG Rz. 526 ff.; Reiß in Kirchhof15, § 15 EStG Rz. 309 ff.; Hennrichs in Tipke/Lang22, § 10 Rz. 139 ff. 2 BFH v. 29.1.1964 – I 153/61 S, BStBl. III 1964, 165; v. 7.2.1968 – I 103/65, BStBl. II 1968, 454; v. 18.5.1983 – I R 5/82, BStBl. II 1983, 771; v. 10.11.1983 – IV R 62/82, BStBl. II 1984, 605; v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990 57; v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 4.12.1991 – I R 140/90, BStBl. II 1992, 750; v. 26.2.1992 – I R 85/91, BStBl. II 1992, 937; Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 565. 3 Es greift allerdings §§ 50d Abs. 10 EStG ein; hierzu Rz. 21.120 f. 4 Tiede in H/H/R, § 15 EStG Rz. 520 ff.; Rosenberg in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 11.8; zu Sonderbetriebsvermögen I und Sonderbetriebsvermögen II im Überblick Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 506 ff.; Schneider in H/H/R, § 15 EStG Rz. 712 ff. 5 Es greift allerdings § 50d Abs. 10 EStG für Sondervergütungen ein; hierzu Rz. 21.120 f.; vgl. ferner die Korrespondenzklausel für Sonderbetriebsausgaben in § 4i EStG (AHRLÄndUmsG). 6 Zu den unterschiedlichen Lösungsansätzen Wassermeyer in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 4.6 ff. 7 Zu Sondervergütungen und Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben sogleich Rz. 21.120 f. 8 Vgl. hierzu auch den OECD-Partnership-Report in OECD, der allerdings einer durchgehenden Systematik entbehrt; vgl. zur Kritik Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 1 OECD-MA Rz. 27 ff.; Wassermeyer in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 2.24. 9 Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 26.
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
halten im Falle der Ausschüttung Dividenden (Art. 10 OECD-MA),1 die in deren Ansässigkeitsstaat steuerfrei zu stellen sind oder aber zur Anrechnung einbehaltener Quellensteuern führen. Wird dagegen die Personengesellschaft übereinstimmend als nichtselbständiges Steuersubjekt behandelt, so ist sie nicht abkommensberechtigt und erzielt daher nicht selbst Unternehmensgewinne, sondern ausschließlich deren Gesellschafter,2 so dass im Grundsatz zwecks Vermeidung der Doppelbesteuerung die Freistellungsmethode eingreift. Bei divergierender Qualifikation als selbständiges Steuersubjekt nur im Sitzstaat der Personengesellschaft bezieht die Personengesellschaft als abkommensberechtigte Person3 Unternehmensgewinne, und im Falle der Ausschüttung haben die Gesellschafter abkommensrechtlich Dividendeneinkünfte,4 die allerdings in dem anderen Vertragsstaat, in dem die Gesellschafter ansässig sind, etwa in Deutschland, als ausländische Betriebsstätteneinkünfte steuerfrei zu stellen sind5 und nach innerstaatlichem Steuerrecht nicht steuerbare Entnahmen darstellen, ohne dass die Möglichkeit besteht, etwa einbehaltene Quellensteuern anrechnen zu können.6 Die zulasten der ausländischen Gesellschaft gezahlten Steuern können allerdings nach Maßgabe von § 34c Abs. 1 bzw. Abs. 2 i.V.m. Abs. 2 i.V.m Abs. 6 EStG angerechnet oder abgezogen werden (Rz. 19.179).7 Wird dagegen die Personengesellschaft nur im Ansässigkeitsstaat der Gesellschafter als selbständiges Steuersubjekt anerkannt, wird sie in ihrem Sitzstaat nach Betriebsstättengesichtspunkten (Art. 7 OECD-MA) besteuert, und die Gesellschafter erzielen abkommensrechtlich andere Einkünfte (Art. 21 OECDMA),8 die etwa in Deutschland als Dividenden (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) zu behan-
1 Hierzu Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 190; Dremel in S/D, Art. 1 OECD-MA Rz. 43; Niehaves in Haase3, Art. 7 OECD-MA Rz. 109. 2 In diesem Fall ist der Anteil eines jeden Gesellschafters an der Personengesellschaft Unternehmen i.S.v. Art. 7 OECD-MA; BFH v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211; Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 37; Niehaves in Haase3, Art. 7 OECD-MA Rz. 102; Kroppen/Lieber in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 49. 3 Prokisch in V/L6, Art. 1 OECD-MA Rz. 31; Dremel in S/D, Art. 1 OECD-MA Rz. 59. 4 Tischbirek/Specker in V/L6, Art. 10 OECD-MA Rz. 190; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 123; Niehaves in Haase3, Art. 7 OECD-MA Rz. 111; Kroppen/Lieber in G/K/G, Art. 7 OECD-MA Rz. 48; Debatin, BB 1989, Beilage 2, 1 (8). 5 BFH v. 4.4.2007 – I R 110/05, BStBl. II 2007, 521; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 4.1.4.1. 6 BFH v. 20.9.1989 – II R 96/86, BStBl. II 1990, 206; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 123; Niehaves in Haase3, Art. 7 OECD-MA Rz. 111; Wassermeyer in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 4.32; BMF v. 26.9. 2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 4.1.4.1. 7 Wassermeyer in W/R/S, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2, Rz. 4.32; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 4.1.4.1. 8 BFH v. 20.8.2008 – I R 34/08, BStBl. II 2009, 263; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 123; Niehaves in Haase3, Art. 7 OECD-MA Rz. 112, Wassermeyer in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 4.33; BMF v. 26.9. 2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 4.1.4.2; für die Annahme von Betriebsstätteneinkünften dagegen Mensching, IStR 2008, 687 (689); Flick/Heinsen, IStR 2008, 781 (785); Lüdicke, StbJb 1997/1998, 449 (465).
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C. Einkünftezuordnung bei Personengesellschaften
deln sind, für die die §§ 3 Nr. 40; 32d EStG oder § 8b Abs. 1.4 KStG zur Anwendung kommen.1 Für Sondervergütungen2 enthält § 50d Abs. 10 EStG eine als treaty override3 wirkende Sonderregelung,4 wonach für Abkommenszwecke Unternehmensgewinne fingiert werden, soweit nicht schon abkommensrechtlich eine entsprechende Qualifikation ausdrücklich vorgesehen ist.5 Im Ergebnis soll hierdurch für grenzüberschreitende Sondervergütungen deutsches Besteuerungsrecht wie folgt sichergestellt werden:6 Sondervergütungen seitens einer inländischen Mitunternehmerschaft an einen im Ausland ansässigen Mitunternehmer sind als (fiktive) Unternehmensgewinne (Art. 7 OECD-MA) stets Deutschland als Quellenstaat der Besteuerung zugewiesen (sog. Inbound-Fall).7 Erhält dagegen ein in Deutschland ansässiger Mitunternehmer Sondervergütungen von einer ausländischen Mitunternehmerschaft, so können diese, falls sie im anderen Staat als freizustellende Betriebsstätteneinkünfte erfasst oder dort nur zu einem durch das betreffende DBA begrenzten Steuersatz unterworfen werden, zwecks Vermeidung einer doppelten Nichtbesteuerung (Rz. 19.9, 19.522 ff.) gem. § 50d Abs. 10 Satz 8, Abs. 9 Nr. 1 EStG in Deutschland der Besteuerung zugeführt werden (sog. Outbound-Fall).8
21.120
Über Sondervergütungen hinaus gilt die Umqualifikation in Unternehmensgewinne (Art. 7 OECD-MA), die sich auch auf die Gewerbesteuer auswirkt (§ 7 Satz 6 GewStG), auch für Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben, soweit sie durch Sonderbetriebsvermögen9 veranlasst sind (§ 50d Abs. 10
21.121
1 Wassermeyer in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 4.33; BMF v. 26.9.2014 – IV B 5 - S 1300/09/10003 – DOK 2014/0599097, BStBl. I 2014, 1258, Tz. 4.1.4.2. 2 Nach innerstaatlichem deutschen Steuerrecht greift stets § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ein; zu Einzelheiten Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 568 f.; Reiß in Kirchhof15, § 15 EStG Rz. 309. 3 Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 44b, 44c; Dörfler/Rautenstrauch/Adrian, BB 2009, 580 (584); Frotscher, IStR 2009, 593 (597), 866 (867); Günkel/Lieber, Ubg 2009, 301 (306); Hils, DStR 2009, 888 (892) alle mit Hinweis auf verfassungsrechtliche Zweifel insbesondere wegen fehlender formaler Kenntlichmachung (vgl. hierzu Rz. 3.24 f.); a.A. im Sinne einer bloßen Auslegungshilfe, die gem. Art. 3 Abs. 2 OECD-MA zulässig sei, Boller/Eilighoff/Schmidt, IStR 2009, 109 (111 f.); Mitschke, DB 2010, 303 (305); Korn, IStR 2009, 641 (643 ff.); Bericht Finanzausschuss zum JStG 2009, BT-Drucks. 16/11108, 29; das in § 50d Abs. 8 EStG enthaltene (vergleichbare) treaty override ist vom BVerfG für verfassungsgemäß gehalten worden (BVerfG v. 15.12.2015 – 2 BvL 1/12, DStR 2016, 359). 4 Gegen BFH v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356 gerichtetes Nichtanwendungsgesetz. 5 Vgl. die Abkommensübersicht bei Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 61. 6 Zur Rückwirkung vgl. BFH v. 11.12.2013 – I R 4/13, BStBl. I 2014, 791 Rz. 49 ff. (Vorlagebeschluss); Az. BVerfG: 2 BvL 15/14; zur Verfassungswidrigkeit rückwirkender Nichtanwendungsgesetze allgemein Drüen, StuW 2015, 210. 7 Zu Einzelheiten Rosenberg in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 11.45; eine etwaige Doppelbesteuerung wird durch Anrechnung der ausländischen Steuern vermieden (§ 50d Abs. 10 Satz 5 EStG); zur Kritik an dieser Regelung Gosch in Kirchhof15, § 50d EStG Rz. 48a. 8 Hierzu Rosenberg in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 11.72. 9 Betrifft Sonderbetriebsvermögen I und II; vgl. Rosenberg in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 11.47.
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
Satz 2 EStG). Angesprochen sind damit einerseits z.B. Aufwendungen für die Finanzierung des Beteiligungserwerbs – Darlehen als negatives Sonderbetriebsvermögen – und andererseits Gewinne aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern des Sonderbetriebsvermögens.1 Ob hierdurch deutsches Besteuerungsrecht erhalten bleibt, hängt im Wesentlichen davon ab, ob die Sondervergütungen oder Sonderbetriebseinnahmen/Sonderbetriebsausgaben einer inländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind. Für Sondervergütungen enthält hierzu § 50d Abs. 10 Satz 3 Halbs. 1 EStG eine das Abkommensrecht insoweit verdrängende Sonderregelung (treaty override), auf Grund deren die Zuordnung zu der Betriebsstätte erfolgt, die den entsprechenden Aufwand zu tragen hat.2 Für Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben gilt Entsprechendes (§ 50d Abs. 10 Satz 3 Halbs. 2 EStG).3 Für Sonderbetriebsausgaben enthält § 4i EStG schließlich ein Abzugsverbot, soweit diese in einem anderen Staat steuermindernd berücksichtigt werden.4
III. Einkünftezuordnung 1. Grundsätze 21.122
Aus deutscher Sicht hat bei Personengesellschaften die Einkünftezuordnung zum einen für Zwecke der Abgrenzung zwischen in- und ausländischen Einkünften5 und zum anderen für Zwecke der Abgrenzung der Einkünfte der Personengesellschaft einerseits und des Gesellschafters andererseits zu erfolgen. Entsprechend der Mitunternehmerkonzeption des deutschen Steuerrechts sind die im Rahmen der Mitunternehmerschaft erwirtschafteten Einkünfte stets Einkünfte der Gesellschafter (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Diese Mitunternehmerkonzeption,6 die darauf beruht, dass Personengesellschaften im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht keine Steuersubjekte sind, gilt für inländische und ausländische Personengesellschaften gleichermaßen. Soweit daher eine ausländische Personengesellschaft eine Betriebsstätte im Inland und eine inländische Personengesellschaft eine Betriebsstätte im Ausland unterhält, wird der Anteil des einzelnen Gesellschafters am Gewinn dieser Betriebsstätten so behandelt, als ob er seinerseits in dem jeweiligen Land selbst eine Betriebsstätte unterhielte.7 Die Gesellschafter haben daher jeweils inländische oder ausländische Betriebsstät1 § 50d Abs. 10 Satz 2 EStG suspendiert insoweit die speziellen für Veräußerungsgewinne geltenden Abkommensartikel (Art. 13 OECD-MA); vgl. hierzu Rosenberg in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 11.47 ff. 2 Zu Einzelheiten Rosenberg in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 11.50 ff. 3 Zur begrenzten Reichweite der „Vergütung“ i.S.d. Vorschrift Rosenberg in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 11.53 ff. m.w.N. 4 Diese Korrespondenzklausel gilt ab 2017 (Art. 19 Abs. 2 AHRL-ÄndUmsG). 5 Z.B. wegen §§ 49 Abs. 1 und 34c EStG. 6 Hierzu Wacker in Schmidt35, § 15 EStG Rz. 160 ff. 7 BFH v. 29.1.1964 – I 153/61 S, BStBl. III 1964, 165; v. 13.9.1989 – I R 117/87, BStBl. II 1990, 57; v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211; v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; v. 18.12.2002 – I R 92/01, BFH/NV 2003, 964; v. 16.10.2002 – I R 17/01, BStBl. II 2003, 631; v. 17.10.2007 – I R 5/06, BStBl. II 2009, 356; Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 37; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 68, 97.
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C. Einkünftezuordnung bei Personengesellschaften
teneinkünfte (§§ 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a; 34d Nr. 2 Buchst. a EStG). Diese Grundsätze gelten auch für das Abkommensrecht, sofern die Personengesellschaft selbst nicht abkommensberechtigt (Rz. 19.177 ff.) ist. In diesem Fall ist der Anteil des Gesellschafters am Unternehmen der Personengesellschaft im abkommensrechtlichen Sinne ein Unternehmen1 mit der Folge, dass nicht die Personengesellschaft selbst, sondern jeder einzelne Gesellschafter Unternehmensgewinne erzielt. Diese Unternehmensgewinne schließen folgerichtig auch die Anteile am Gewinn ausländischer Betriebsstätten mit ein, und zwar unabhängig davon, ob der Gesellschafter selbst an der Errichtung und Tätigkeit dieser Betriebsstätten beteiligt war oder ist.2 Im Hinblick darauf sind im Ausgangspunkt im Verhältnis Gesellschafter/Gesellschaft die für die Einkünftezuordnung bei Betriebsstätten geltenden Regeln (Rz. 21.16 ff.) maßgeblich. 2. Einkünftekorrektur Für Zwecke der Einkünftekorrektur wird die Personengesellschaft im Anwendungsbereich des § 1 AStG (auch) als selbständiges Steuersubjekt fingiert (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AStG), so dass insoweit (auch) die im Verhältnis zu Kapitalgesellschaften maßgeblichen Regeln des Fremdvergleichs zur Anwendung kommen.3 Damit ergibt sich grenzüberschreitend für Personengesellschaften eine duale Einkünftekorrektur: Anknüpfend daran, dass Personengesellschaften keine selbständigen Steuersubjekte sind, ist Adressat der Einkünftekorrektur nur der Gesellschafter. Im Hinblick darauf kommen für ihn als Korrekturnormen insbesondere in Betracht: Entnahmen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG), fiktive (Entstrickungs-) Entnahmen (§ 4 Abs. 1 Sätze 3 und 4 EStG), Einlagen (§ 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 1 EStG), fiktive (Verstrickungs-)Einlagen (§ 4 Abs. 1 Abs. 8 Halbs. 2 EStG) und § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG. Ausgehend von der Selbständigkeitsfiktion kommt für die Personengesellschaft als Einkünftekorrekturnorm allein § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG zur Anwendung. § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG und § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG stehen als Rechtsgrundlagen für eine Einkünftekorrektur selbständig nebeneinander.4 Das Konkurrenzverhältnis beider Vorschriften ist zwar nicht ausdrücklich geregelt, in Orientierung an § 1 Abs. 1 Satz 4 AStG ist aber von einer Meistbegünstigung im Sinne des Fiskus auszugehen.5
21.123
Auf Grundlage von § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG, also ohne Berücksichtigung der Selbständigkeitsfiktion des § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG, gehen die übrigen an die fehlende Steuersubjekteigenschaft der Personengesellschaft anknüpfenden Korrekturnor-
21.124
1 BFH v. 17.10.1990 – I R 16/89, BStBl. II 1991, 211; Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 37; Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 7 OECD-MA Rz. 63. 2 BFH v. 29.1.1964 – I 153/61 S, BStBl. III 1964, 165; v. 27.2.1991 – I R 15/89, BStBl. II 1991, 444; Hemmelrath in V/L6, Art. 7 OECD-MA Rz. 37; vgl. allerdings zu freiberuflichen Sozietäten anders BFH v. 25.11.2015 – I R 50/14, DStR 2016, 954; vgl. Rz. 19.415. 3 Ditz in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 12.20. 4 Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 121. 5 Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 121 geht dem gegenüber von einer gleichzeitigen Anwendung der beiden Vorschriften aus, wobei allerdings eine doppelte Einkünftekorrektur versagt bleiben soll.
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
men vor.1 Indessen regelt § 1 Abs. 1 Satz 4 AStG, dass im Ergebnis der Fremdvergleichsgrundsatz zur Anwendung kommt, wenn dessen Rechtsfolgen weiterreichen. Es handelt sich insoweit mithin um eine Meistbegünstigung zugunsten des Fiskus.2 Daraus folgt, dass in Fällen der Entnahme (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG) oder Einlage (§ 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 1 EStG) der in aller Regel höhere Fremdvergleichspreis anzusetzen ist.3 Damit ist der Fremdvergleich insgesamt der maßgebliche Korrekturmaßstab,4 der auch auf Abkommensebene (Art. 7 OECD-MA) Geltung hat (Rz. 19.265 ff.). 21.125
Die Einkünftekorrektur nach § 1 Abs. 1 AStG setzt eine Geschäftsbeziehung zum Ausland voraus. Erfasst werden damit insbesondere Sachverhalte zwischen der Personengesellschaft und ihren Gesellschaftern. Das gilt freilich nur dann, wenn ihnen keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung zugrunde liegt (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Buchst. b AStG). Im Hinblick darauf sind etwa Gesellschafterbeiträge, die die Gesellschafterstellung erst begründen, oder Gegenstand einer Gewinnverteilungsabrede sind, keine für § 1 Abs. 1 AStG relevanten Geschäftsbeziehungen.5
21.126
Über die zwischen Gesellschafter und Personengesellschaft mögliche Geschäftsbeziehung hinaus, sind für Zwecke der Einkünftekorrektur zudem solche zwischen der Personengesellschaft und nachgeschalteten Personen- und Kapitalgesellschaften relevant, wobei Personengesellschaften als Folge ihrer fingierten Selbständigkeit selbst nahestehende Person sein können (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 AStG). Im Anwendungsbereich des § 1 AStG gelten insoweit die für Kapitalgesellschaften maßgeblichen Grundsätze der Einkünftekorrektur (Rz. 21.136). Schließlich geht es auch um den in der Praxis wichtigen Fall der im Verhältnis von Personengesellschaft und ihrer Betriebsstätte fingierten Geschäftsbeziehung (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG). Hierfür gelten im Ergebnis die in § 1 Abs. 5 AStG umgesetzten AOA-Grundsätze (Rz. 21.66 ff.).
21.127
Im Zusammenhang mit der Einkünftekorrektur bei Personengesellschaften sind für die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen Gesellschaft und Gesellschafter6 (Außentransaktionen) u.a. folgende Fallgruppen von Bedeutung:
21.128
Entgeltliche Veräußerungsgeschäfte.7 Werden zum ausländischen Betriebsvermögen gehörende Wirtschaftsgüter vom Gesellschafter auf die inländische Personengesellschaft zu einem über dem Marktwert liegenden Preis (Überpreis) übertragen, ist der Mehrbetrag zwar im Ausgangspunkt als Entnahme (§ 4 Abs. 1
1 § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG „unbeschadet anderer Vorschriften“ ist somit subsidiär; Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 383; Ditz in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 12.31. 2 Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 384. 3 Zu dieser „Wertauffüllerfunktion“ des § 1 Abs. 1 Satz 4 AStG Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 385; ferner Rz. 21.137. 4 Boller/Kahle/Sinz/Mengers in H/K/G/R, § 1 Abs. 2–4 AStG Rz. 438; Ditz in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 12.32. 5 Ditz in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 12.22. 6 Die AOA-Grundsätze finden hierauf keine Anwendung (§ 1 Abs. 5 Satz 7 AStG). 7 Vgl. hierzu Ditz in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 12.3 f.; Brüninghaus in V/B/E, Verrechnungspreise4, Rz. L 203 f.
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C. Einkünftezuordnung bei Personengesellschaften
Satz 2 EStG) zu behandeln,1 statt des Teilwertes (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 1 EStG) ist in Anwendung der Wertauffüllerklausel (§ 1 Abs. 1 Satz 4 AStG) aber der höhere Fremdvergleichspreis anzusetzen. Werden dagegen die Wirtschaftsgüter zu einem unter dem Marktwert liegenden Preis (Unterpreis) übertragen, ist hinsichtlich des Minderbetrages eine Einlage (§ 4 Abs. 1 Satz 8 EStG) gegeben, die im Grundsatz mit dem Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG) anzusetzen ist. Da hierdurch im Inland keine Einkünfteminderung verbunden ist, bleibt die Wertauffüllerklausel (§ 1 Abs. 1 Satz 4 AStG) zwar unanwendbar, dafür ist aber insgesamt ein Ansatz zum gemeinen Wert geboten, wenn durch die Einlage deutsches Besteuerungsrecht begründet wird (§§ 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2, 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG). Veräußert die Personengesellschaft Wirtschaftsgüter aus ihrem inländischen Gesamthandsvermögen an den Gesellschafter in dessen ausländisches Betriebsvermögen zum Unterpreis, ist hinsichtlich des Minderpreises eine Entnahme (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG) gegeben, die im Grundsatz mit dem Teilwert anzusetzen ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 1 EStG). Indessen: Liegt ein Fall der Entstrickung vor (§ 4 Abs. 1 Sätze 3 u. 4 EStG), ist insgesamt der Ansatz mit dem gemeinen Wert geboten (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 1 EStG). Da die Personengesellschaft für Zwecke der Einkünftekorrektur als selbständiges Steuersubjekt fingiert wird (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AStG), ist der (höhere) Fremdvergleichspreis als Korrekturmaßstab heranzuziehen (Rz. 21.128). Werden dagegen die Wirtschaftsgüter zum Überpreis veräußert, handelt es sich insoweit um eine Einlage (§ 4 Abs. 1 Satz 8 EStG) seitens des Gesellschafters, die zum Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG) und im Falle der Verstrickung (§ 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG) mit dem gemeinen Wert anzusetzen ist. Im Hinblick darauf, dass mit der Überpreislieferung keine Einkünfteminderung verbunden ist, unterbleibt die Anwendung von § 1 Abs. 1 AStG.
21.129
Unentgeltliche Übertragung.2 Werden zum ausländischen Betriebsvermögen des Gesellschafters gehörende Wirtschaftsgüter unentgeltlich,3 d.h. ohne Übernahme von Verbindlichkeiten,4 auf die inländische Personengesellschaft übertragen, handelt es sich um eine Einlage (§ 4 Abs. 1 Satz 8 EStG), für deren Bewertung die Sonderregelung des § 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG eingreift,5 die auch für grenzüber-
21.130
1 Bei Anwendung der sog. modifizierten Trennungstheorie; vgl. zum Streitstand BFH v. 27.10.2015 – X R 28/12, DStR 2015, 2834 (Vorlage an den großen Senat des BFH; anhängig unter Az. GrS 1/16); Niehus/Wilke in H/H/R, § 6 EStG Rz. 1555; Kulosa in Schmidt35, § 6 EStG Rz. 697. 2 Vgl. hierzu Ditz in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 12.35 ff.; Brüninghaus in V/B/E, Verrechnungspreise4, Rz. L 206 ff. 3 Gutschrift auf einem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto oder auf Kapitalkonten, die keine Gesellschaftsrechte vermitteln und auch nicht als Darlehenskonten zu qualifizieren sind; Niehus/Wilke in H/H/R, § 6 EStG Rz. 1553; Kulosa in Schmidt35, § 6 EStG Rz. 695; vgl. hierzu auch BFH v. 29.7.2015 – IV 15/14, BStBl. II 2016, 593; v. 4.2. 2016 – IV R 46/12, BStBl. II 2016, 607; BMF v. 26.7.2016 – IV C 6 - S 2178/09/10001 – DOK 2016/0695791, BStBl. I 2016, 684. 4 Sog. Bruttobetrachtung; BFH v. 11.12.2001 – VIII R 58/98, BStBl. II 2002, 420; v. 19.9.2012 – IV R 11/12, BFH/NV 2012, 1880; BMF v. 8.12.2011 – IV C 6 - S 2241/10/10002 – DOK 2011/0973858, BStBl. I 2011, 1279, Tz. 15; Niehus/Wilke in H/H/R, § 6 EStG Rz. 1554. 5 BMF v. 8.12.2011– IV C 6 - S 2241/10/10002 – DOK 2011/0973858, BStBl. I 2011, 1279, Tz. 1, 8.
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
schreitende Vorgänge zur Anwendung kommt.1 Die hiermit verbundene Buchwertfortführung entfällt allerdings in den Fällen der Entstrickung (§ 6 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 EStG).2 Obwohl ein ausdrücklicher Verweis auf den Fall der Verstrickung3 fehlt, gilt Entsprechendes.4 Damit wird die Einlage (§ 4 Abs. 1 Satz 8 Halbs. 2 EStG) mit dem gemeinen Wert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG) angesetzt. § 1 Abs. 1 AStG scheidet von vorneherein mangels Einkünfteminderung aus. 21.131
Der Betriebsvermögenstransfer aus dem inländischen Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft auf das ausländische Betriebsvermögen des Gesellschafters führt zu einer mit dem gemeinen Wert anzusetzenden Entnahme (§§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1, 4 Abs. 1 Satz 4 EStG). Im Hinblick darauf, dass die Personengesellschaft im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 AStG als selbständiges Steuerrechtssubjekt fingiert wird (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AStG) und im Verhältnis zu ihren Gesellschaftern auch Geschäftsbeziehungen gegeben sind (§ 1 Abs. 4 AStG), ist letztlich der (höhere) Fremdvergleichspreis maßgeblich.
21.132
Übertragung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten.5 Die Überführung von zu einem ausländischen Betriebsvermögen des Gesellschafters gehörenden Wirtschaftsgütern auf die inländische Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten (§ 6 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 EStG) ist als Tausch bzw. als tauschähnlicher Vorgang zu qualifizieren, dessen Bewertung zum Buchwert vorzunehmen ist (§ 6 Abs. 6 Satz 4 EStG).6 Hiermit ist indessen eine Verstrickung verbunden, so dass in Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG der Ansatz zum gemeinen Wert geboten ist.7 Da die Übertragung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten keine Geschäftsbeziehung ist,8 greift § 1 Abs. 1 AStG nicht ein.9
21.133
Im Verhältnis von Personengesellschaft und ihrer Betriebsstätte (Innentransaktionen) sind unter dem Gesichtspunkt der Einkünftekorrektur u.a. folgende Fallgruppen zu unterscheiden:
21.134
Grenzüberschreitende Überführung von Wirtschaftsgütern. Werden dem inländischen Betriebsvermögen (Gesamthandsvermögen) einer inländischen Personengesellschaft zugehörige Wirtschaftsgüter auf ihre ausländische Betriebsstätte überführt, wird hierdurch deutsches Besteuerungsrecht hinsichtlich der Veräußerungsgewinne ausgeschlossen oder beschränkt (Entstrickung).10 In diesen Fällen ist eine fiktive Entnahme (§ 4 Abs. 1 Satz 3 u. 4 EStG) gegeben, die mit dem gemeinen Wert anzusetzen ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 Halbs. 2 EStG). Ob an der Personengesellschaft unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige Per1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Niehus/Wilke in H/H/R, § 6 EStG Rz. 1503; Kulosa in Schmidt35, § 6 EStG Rz. 691. Zur Entstrickung im Einzelnen Rz. 6.381 ff. Zur Verstrickung Rz. 6.402 ff. Niehus/Wilke in H/H/R, § 6 EStG Rz. 1537; Körner, IStR 2009, 741 (746). Vgl. hierzu Ditz in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 12.38; Brüninghaus in V/B/E, Verrechnungspreise4, Rz. L 209. BMF v. 8.12.2011– IV C 6 - S 2241/10/10002 – DOK 2011/0973858, BStBl. I 2011, 1279, Tz. 8. Niehus/Wilke in H/H/R, § EStG Rz. 1537; Körner, IStR 2009, 741 (746). Vgl. Boller/Kahle/Sinz/Menges in H/K/G/R, § 1 Abs. 2–4 AStG Rz. 438; Ditz in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 12.21. Ditz in W/R/S, Personengesellschaften im internationalen Steuerrecht2, Rz. 12.38. Zu Einzelheiten Rz. 6.385 ff.
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D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften
sonen beteiligt sind, spielt keine Rolle. Da die Personengesellschaft für Zwecke der Einkünftekorrektur im Anwendungsbereich des § 1 AStG als Steuersubjekt (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AStG) und im Verhältnis zu ausländischen Betriebsstätte im Ergebnis eine Leistungsbeziehung wie zu einem eigenständigen und unabhängigen Unternehmen (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, Abs. 5 AStG) fingiert wird, kommt auch ein Ansatz zum Fremdvergleichspreis in Betracht. Indessen: § 1 AStG ist im Verhältnis zu § 4 Abs. 1 Sätze 3 u. 4 EStG nur subsidiär anwendbar1 (Rz. 21.124), es sei denn der Ansatz mit dem Fremdvergleichspreis führt zu einer weitergehenden Einkünftekorrektur (§ 1 Abs. 1 Satz 4 AStG).2 Das ist in aller Regel nicht der Fall, weil der gemeine Wert als objektivierter Wert nicht hinter dem auf die konkrete Geschäftsbeziehung abstellenden Fremdvergleichspreis zurückbleibt.3 Für den umgekehrten Fall, also für den Betriebsvermögenstransfer der ausländischen Betriebsstätte auf die inländische Personengesellschaft, wird überführungsbedingt eine Verstrickung (Rz. 6.402) ausgelöst. Es handelt sich um eine fiktive Einlage (§ 4 Abs. 1 Satz 8 EStG), die mit dem gemeinen Wert anzusetzen ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG). Eine Einkünftekorrektur gem. § 1 AStG scheidet von vorneherein aus, weil diese zu einer Einkünfteminderung führen würde (Rz. 21.160). Grenzüberschreitende Leistungsbeziehungen. Soweit zwischen inländischer Personengesellschaft und ihrer ausländischen Betriebsstätte Dienstleistungen ausgetauscht werden, handelt es sich nach allgemeinen Grundsätzen um steuerlich unbeachtliche Innentransaktionen. Lediglich für Zwecke der Einkünftekorrektur wird im Anwendungsbereich des § 1 AStG eine Betriebsstätte wie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen behandelt (§ 1 Abs. 5 Satz 2 AStG) und zudem fingiert, dass Geschäftsvorfälle zwischen Stammhaus und Betriebsstätte schuldrechtliche Beziehungen sind (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG).4 Im Hinblick darauf ist Ausgangspunkt für die Einkünftekorrektur eine Risiko- und Funktionsanalyse (§ 1 Abs. 1 BsGaV), wobei in einem ersten Schritt der Betriebsstätte Vermögenswerte, Schulden, Chancen und Risiken sowie ein Dotationskapital und die Geschäftsvorfälle zuzuordnen sind (§ 1 Abs. 5 Satz 3 AStG i.V.m. §§ 5–15 BsGaV). Abzustellen ist hierbei auf die maßgeblichen Personalfunktionen (§ 1 Abs. 5 Satz 3 AStG i.V.m. § 1 Abs. 2 BsGaV).5 In einem zweiten Schritt sind sodann die Geschäftsvorfälle zu Fremdvergleichspreisen zu bewerten (§ 1 Abs. 5 Satz 4 AStG i.V.m. § 16 Abs. 2 BsGaV) und der Einkünftekorrektur zugrunde zu legen, soweit hierdurch eine Einkünfteerhöhung bewirkt wird.
D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften Literatur Kommentare zu § 8 KStG, § 1 AStG und Art. 9 OECD-MA; Amelung, (Erneute) Verrechnungspreisaspekte bei Sicherheitengestellung gegenüber ausländischen Finanzierungs1 Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 442; Hofacker in Haase3, § 1 AStG Rz. 40. 2 Wassermeyer in W/B, Rz. 2.24 f. verneint im Hinblick auf die Fiktion einer Entnahme von vorneherein schon die für die Anwendung von § 1 AStG erforderliche Geschäftsbeziehung. 3 Hierzu Wassermeyer in W/B, Rz. 1.24. 4 Zum Authorised OECD Approach (AOA) Rz. 21.66. 5 Hierzu Rz. 21.72 f.
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung gesellschaften?, IStR 2003, 250; Andresen, Konzernverrechnungspreise für multinationale Unternehmen, Hamburg 2000; Baranowski, Besteuerung von Auslandsbeziehungen, 2. Aufl. Herne/Berlin 1996; Bauer, Neuausrichtung der internationalen Einkunftsabgrenzung im Steuerrecht, Berlin 2004; Bauer, Verrechnungspreise für immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens: Die steuerliche Verrechnungspreisproblematik bei der Entwicklung und Verwertung von immateriellen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens in multinationalen verbundenen Unternehmen, Frankfurt a.M. 2000; Baumhoff, Die Bestimmung angemessener Verrechnungspreise bei der Existenz von Preisbandbreiten, in: Gocke/ Gosch/Lang (Hrsg.), Körperschaftsteuer, Internationales Steuerrecht, Doppelbesteuerung, Festschrift für Franz Wassermeyer, München 2005, 347; Baumhoff, Die steuerliche Bewertung von Transferpaketen bei grenzüberschreitenden Funktionsverlagerungen, in: Spindler/Tipke/Rödder (Hrsg.), Steuerzentrierte Rechtsberatung, Festschrift für Harald Schaumburg, Köln 2009, 541; Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, Köln 1986; Baumhoff/Bodenmüller, Die Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen in: Grotherr (Hrsg.), Handbuch der Internationalen Steuerplanung, 3. Aufl., Herne/Berlin 2011, 541; Baumhoff/Ditz/Greinert, Auswirkungen des Unternehmenssteuerreformgesetzes 2008 auf die Ermittlung internationaler Verrechnungspreise, DStR 2007, 1461; Baumhoff/Ditz/Greinert, Die Besteuerung von Funktionsverlagerung nach den Verwaltungsgrundsätzen Funktionsverlagerung vom 13.10.2010, Ubg 2011, 161; Baumhoff/Ditz/Greinert, Die Besteuerung von Funktionsverlagerungen nach den Änderungen des § 1 Abs. 3 AStG durch das EU-Umsetzungsgesetz, DStR 2010, 1309; Baumhoff/Greinert, Steuerliche Anerkennung internationaler Verrechnungspreise bei Nichteinhaltung formaler Anforderungen – Anmerkungen zum Urteil des FG Köln vom 22.8.2007, IStR 2008, 353; Baumhoff/ Liebchen in Mössner, Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 4. Aufl., Köln 2012, C 224; Baumhoff/Sieker, Ausgewählte Verrechnungspreisprobleme im Lichte des neuen OECD-Berichts, IStR 1995, 517; Bernhardt/van der Ham/Kluge, Die gesetzliche Preisanpassungsklausel im § 1 AStG – Bestimmung der Anpassungen der Höhe nach und weitere praktische Anwendungsprobleme, IStR 2008, 844; Beusch, Die Besteuerung der Konzerne als wirtschaftliche Einheit in internationaler Sicht – Ein Überblick –, in FS für Flume, Bd. II, Köln 1978, 21; Blumers, Funktionsverlagerung per Transferpaket, BB 2007, 1757; Böcker, Steuerliche Prüfung und Behandlung von Lizenzzahlungen an verbundene ausländische Unternehmen, StBp. 1991, 73; Boos, International Transfer Pricing, The Hague 2003; Borstell, Verrechnungspreispolitik bei konzerninternen Lieferungsbeziehungen, in: Grotherr (Hrsg.), Handbuch der internationalen Steuerplanung, 3. Aufl. Herne/Berlin 2011, 519; Borstell/Schäperclaus, Was ist eigentlich eine Funktion?, IStR 2008, 275; Brezing, Verrechnungsentgelte und Umlagen zwischen Kapitalgesellschaften und ihren Gesellschaftern im Steuerrecht, Köln 1975; Bruschke, Die verbindliche Auskunft nach § 89 Abs. 2 AO, DStZ 2007, 267; BStBK, Stellungnahme zum Entwurf der Verwaltungsgrundsätze zur Einkunftsabgrenzung bei international verbundenen Unternehmen, DStR 1981, Beihefter zu Heft 24; Cordes, Steuerliche Aufzeichnungspflichten bei internationalen Verrechnungspreisen, Düsseldorf 2009; Debatin, Außensteuerreformgesetz, DStZ A 1972, 265; Ditz, Fremdvergleichskonforme Ermittlung eines Umlageschlüssels bei Konzernumlagen, DB 2004, 1952; Ditz, § 1 AStG bei Teilwertabschreibungen auf Darlehen an ausländische Tochtergesellschaften, in: Baumhoff/Schönfeld (Hrsg.), Grenzüberschreitende Verlustverrechnung, Köln 2011, 65; Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften, 2. Aufl. Heidelberg 1990; Dörfler/Adrian, Anwendungsfragen und Wirkungen des Korrespondenzprinzips bei verdeckter Gewinnausschüttung und verdeckter Einlage, Ubg 2008, 373; Dörfler/Heurung/Adrian, Korrespondenzprinzip bei verdeckter Gewinnausschüttung und verdeckter Einlage, DStR 2007, 515; Dötsch/Pung, JStG 2007: Die Änderungen des KStG und des GewStG, DB 2007, 11; Ebenroth, Die verdeckten Vermögenszuwendungen im transnationalen Unternehmen, Bielefeld 1979; Eigelshoven/Nientimp, Funktionsverlagerungen und kein Ende – Die Änderungen bei der Besteuerung von Funktionsverlagerungen nach dem EU-Umsetzungsgesetz, Ubg 2010, 233; Eisele, Grenzüberschreitende Funktionsverlagerung, Berlin 2003; Engel, Konzerntransferpreise im internationalen Steuerrecht, Köln 1986; Englisch, Einige Schlussfolgerungen zur Grundfreiheitskompatibilität des § 1 AStG – zugleich Anmerkung zum Urteil des
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung des „dealing at arms length“-Prinzips, Frankfurt a.M. 1976; Kurzewitz, Wahl der geeigneten Verrechnungspreismethode zur Verringerung von Doppelbesteuerungsproblemen, Hamburg 2009; Lahodny-Karner, Konzernverrechnungspreise im nationalen und internationalen Steuerrecht unter besonderer Berücksichtigung der Kostenaufschlagsmethode: Schriften zum österreichischen Abgabenrecht, Wien 1988; Lang, Besteuerung verdeckter Gewinnausschüttungen bei verbundenen Unternehmen, FR 1984, 629; Lenz/Rautenstrauch, Die neue Öffnungsklausel bei der Funktionsverlagerung in § 1 Abs. 3 Satz 10 Hs. 2 AStG, DB 2010, 696; Lohschmidt, Ziele und Zielkonflikte bei der Festlegung von Verrechnungspreisen, Aachen 2005; Maenner, Soll- oder Habenzins bei Geldhingabe zwischen verbundenen Unternehmen?, StBp. 1987, 38; Maguire/Theisen, Verrechnungspreise bei Lizenzen und Dienstleistungen, München 1990; Neumann, Neuregelung für vGA und verdeckte Einlagen, GmbH-StB 2007, 112; Nientimp, Steuerliche Gewinnabgrenzung im internationalen Konzern, Lohmar 2003; Oestreicher, Internationale Verrechnungspreise, Berlin 2003; Oestreicher, Konzern-Gewinnabgrenzung: Gewinnabgrenzung, Gewinnermittlung, Gewinnaufteilung, München 2000; Peter/Spohn/Hogg, Preisanpassungsklauseln bei Funktionsverlagerungen nach deutschem sowie US-amerikanischem Steuerrecht, IStR 2008, 864; Piltz, Unternehmensteuerreform 2008, JbFSt 2007/2008, 99; Piltz/Schaumburg, Internationale Einkünfteabgrenzung, Köln 2003; Pohl, Ergänzung der Funktionsverlagerungsregelung durch das Gesetz zur Umsetzung steuerrechtlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerrechtlicher Vorschriften, IStR 2010, 357; Popkes, Internationale Prüfung der Angemessenheit steuerlicher Verrechnungspreise: Auswirkungen des OECD-Berichts in den einzelnen Ländern, Bielefeld 1989; Popp, Erfassung und Besteuerung von Leistungsbeziehungen zwischen international verbundenen Unternehmen Frankfurt a.M. 1987; Popp/ Theisen, Verrechnungspreisermittlung bei internationalen Konzernen, DB 1987, 1949; Portner, Zwischenstaatliche Gewinnabgrenzung – Profit Split in Sonderbereichen, IStR 1995, 356; Rädler, Stellungnahme zu dem Entwurf des OECD-Berichts über Verrechnungspreise, DB 1995, 110; Rasch, Konzernverrechnungspreise im nationalen, bilateralen und europäischen Steuerrecht, Köln 2001; Raupach, Verrechnungspreissysteme multinationaler Unternehmen in betriebswirtschaftlicher, gesellschafts- und steuerrechtlicher Sicht, Herne/Berlin 1999; Remmen, Konzernverrechnungspreise und Konzernumlagen im Aktien- und GmbH-Recht, Frankfurt a.M. 2002; Ritter, Steuerliche Prüfung internationaler Verrechnungspreise, BB 1983, 1677; Rödder, Perspektiven der Konzernbesteuerung, ZHR 171 (2007), 380; Roeder, Ökonomische Aspekte des hypothetischen Fremdvergleichs, Ubg 2008, 202; Runge, Quo vadis, internationaler Verrechnungspreis, cui bono, neuer OECD-Verrechnungspreisbericht?, IStR 1995, 505; Rupp, Die Ertragsbesteuerung nationaler Konzerne, Frankfurt/Bern/New York 1983, 212; Schaumburg, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Internationalen Steuerrecht, in Lang (Hrsg.), Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, FS für Tipke, Köln 1995, 125; Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, Köln 1994, Schaumburg, Anpassungsklausel, IStR 2009, 877; Schaumburg, Normative Defizite und internationale Verrechnungspreise, Der Konzern 2006, 495; Schaumburg/Piltz, Besteuerung von Funktionsverlagerungen – Neuausrichtung? Köln 2010; Schaumburg/Piltz, Steuerfolgen von Produktion und Vertrieb im Ausland, Köln 2000; Schein, Verrechnungspreismethoden für den datennetzgestützten Geschäftsverkehr zwischen verbundenen Kapitalgesellschaften, München 2005; Scheipers/ Linn, Einkünfteberichtigung nach § 1 Abs. 1 AStG bei Nutzungsüberlassungen im Konzern – Auswirkungen des EuGH-Urteils SGI, IStR 2010, 469; Schmelling, Verrechnungspreispolitik in internationalen Unternehmen, Münster 1972; Schnieder, Der „beherrschende Gesellschafter“ und Artikel 9 des OECD-Musterabkommens, IStR 1999, 65; Schnitger/Rometzki, Die Anwendung des Korrespondenzprinzips auf verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei grenzüberschreitenden Sachverhalten nach dem JStG 2007, BB 2008, 1648; Schnorberger, Das Problem unangemessener Verrechnungspreise im internationalen Konzern, Aachen 1998; Schöne, Zum Vorteilsausgleich im Rahmen des § 1 Abs. 1 AStG, FR 1989, 543; Schönfeld, Aktuelle Entwicklungen im Verhältnis von § 1 AStG und EU-Recht anhand von Fallbeispielen, IStR 2011, 219; Scholz, Die Fremdüblichkeit einer Preisanpassungsklausel nach dem Entwurf zu § 1 Abs. 3 AStG, IStR 2007, 521; Schreiber, Indizien zum Nachweis verdeckter Gewinnausschüttungen bei Dauergewinnlosigkeit der
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D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften inländischen Konzernvertriebsgesellschaft, IStR 1994, 315; Schreiber, Funktionsverlagerungen im Konzern – Neue Rechtsgrundlagen durch die Unternehmensteuerreform 2008, Ubg 2008, 433; Schröder, Grenzüberschreitender Liefer- und Leistungsverkehr zwischen verbundenen Unternehmen im Außensteuerrecht, StBp. 1981, 6; Schuch, Die neuen Verrechnungspreisrichtlinien der OECD, Wien 1996; Schuch, Verrechnungspreisgestaltung im Internationalen Steuerrecht, Wien 2001; Schwenke, Funktionsverlagerungen in Schaumburg/Piltz, Grenzüberschreitende Gesellschaftsstrukturen im Internationalen Steuerrecht, Köln 2010, 103; Selling, Global Trading, IStR 1998, 417; Sieker, Verluste als Nachweis für Gewinnverlagerungen?, BB 1993, 2424; Sieker, Profit split zur Abgrenzung der Einkünfte aus Global Trading, IStR 1994, 432; Sieker, Transfer Pricing Rules and Practice in Germany, Washington 2002; Strnad, Das Korrespondenzprinzip in § 8, § 8b KStG gemäß JStG 2007, GmbHR 2006, 1321; Strunk/Kaminski, Funktionsverlagerungen in und von ausländischen Betriebsstätten und Personengesellschaften: Überlegungen zur (Nicht-)Anwendbarkeit der Grundsätze zum sog. Transferpaket, DB 2008, 2501; Vögele, Prüfungsgrundsätze für Umlageverträge international verbundener Unternehmen, DB 2000, 297; Vögele/Borstell/Engler, Hdb. der Verrechnungspreise, 4. Aufl., München 2015; Wassermeyer, Veranlassung und Fremdvergleich, in Kirchhof/Jakob/Beermann (Hrsg.), Steuerrechtsprechung/Steuergesetz/Steuerreform, FS für Offerhaus, Köln 1999, 405; Wassermeyer, Überlegungen zum Anwendungsbereich des § 1 des Außensteuergesetzes, BB 1984, 1501; Wassermeyer, Einkünftekorrekturnormen im Steuersystem, IStR 2001, 633; Wassermeyer, Verdeckte Gewinnausschüttung – Bundesfinanzhof versus Finanzverwaltung, GmbHR 2002, 1; Wassermeyer, Der Ansatz verdeckter Gewinnausschüttungen innerhalb und außerhalb der Steuerbilanz, DB 2010, 1959; Wassermeyer, Der abkommensrechtliche Einkünftebegriff, IStR 2010, 324; Wassermeyer, Modernes Gesetzgebungsniveau am Beispiel des Entwurfs zu § 1 AStG, DB 2007, 535; Wassermeyer/Baumhoff, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Köln 2014; Weber, Technologietransfer im internationalen Konzern, Berlin 2003; Weber-Grellet, Die verdeckte Einlage, DB 1998, 1532; Wehner, Verrechnungspreise, Bonn 2003; Werra, Verrechnungspreise bei der Restrukturierung internationaler Unternehmensgruppen, IStR 2009, 81; Werra, Zweifelsfragen bei der Dokumentation von Verrechnungspreisen – zum Entwurf der Verwaltungsgrundsätze – Verfahren zur Einkunftsabgrenzung zwischen internationalen Unternehmen, IStR 2005, 19; Woerner, Verdeckte Gewinnausschüttungen, verdeckte Einlagen und § 1 des Außensteuergesetzes, BB 1983, 845; Zech, Verrechnungspreise und Funktionsverlagerungen, Baden-Baden 2009; Ziehr, Einkünftezurechnung im internationalen Einheitsunternehmen, Lohmar 2008.
I. Allgemeine Hinweise Während zwischen den Unternehmensteilen ein- und desselben Steuersubjekts eine Einkünftezuordnung lediglich bei grenzüberschreitenden Leistungstransfers erforderlich ist,1 ist die Einkünftezuordnung zwischen verschiedenen Steuersubjekten, insbesondere zwischen Kapitalgesellschaften, prinzipieller Natur: Das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung2 sowie die gesetzliche Ausprägung des Steuerobjekts (§ 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 2 Abs. 2 EStG) gebieten, dass Einkünfte demjenigen zuzuordnen sind, der den konkreten Tatbestand der Einkunftserzielung erfüllt.3 Aus dieser allgemeinen Zuordnungsregel folgt, dass jedes Steuersubjekt auch Bezugspunkt der Einkünfteermittlung ist (§ 8 Abs. 1 1 Nach innerstaatlichem Recht z.B. für Zwecke der Anwendung der §§ 49 Abs. 1 und 34c, 34d EStG; nach Abkommensrecht wegen Art. 7 Abs. 1 OECD-MA. 2 Hierzu Hey in Tipke/Lang22, § 3 Rz. 230 ff. 3 Hierzu Kirchhof in K/S/M, § 2 EStG Rz. A 77 ff.; Musil in H/H/R, § 2 EStG Rz. 100 ff.; Hey in Tipke/Lang22, § 9 Rz. 150 ff.
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
KStG i.V.m. §§ 4 Abs. 1; 5 Abs. 1 EStG). Hieraus folgt weiter, dass insbesondere bei Kapitalgesellschaften zwischen Gesellschafts- und Gesellschafterebene zu trennen ist. Dieses Trennungsprinzip1 gilt im Grundsatz auch für international operierende Konzerne,2 so dass für jede einzelne Konzerngesellschaft die Einkünfte gesondert zu ermitteln sind.3 Dass internationale Konzerne aus selbständigen Steuersubjekten bestehen, ändert nichts an dem Umstand, dass sie wirtschaftlich eine Einheit darstellen können. Aus diesem Grunde sind Geschäftsbeziehungen zwischen verbundenen Unternehmen durchweg nicht von zwischen fremden Dritten üblichen Interessengegensätzen geprägt. Im Hinblick darauf hat die allgemeine Zuordnungsregel (§ 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 2 Abs. 1 EStG) für miteinander verbundene Kapitalgesellschaften durch Sondervorschriften nicht nur eine Konkretisierung, sondern auch eine Erweiterung i.S. einer Einkünftekorrektur erfahren. Die für die Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften geltenden besonderen Normen sind zugleich stets auch Einkünftekorrekturnormen. Zu diesen insbesondere für Kapitalgesellschaften bedeutsamen besonderen Einkünftekorrekturnormen gehören vor allem § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG (verdeckte Gewinnausschüttung), § 8 Abs. 3 Sätze 3–6 KStG (verdeckte Einlage) und § 1 AStG (Berichtigung von Einkünften).4 Diese vorgenannten (unilateralen) Einkünftekorrekturnormen unterliegen bei Anwendung von DBA den Schrankenwirkungen der abkommensrechtlichen (bilateralen) Korrekturklauseln (Art. 9 OECD-MA)5, die selbst allerdings keine Self-executing-Wirkung6 haben. 21.137
Während sich die Regelungen betreffend verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen gegenseitig ausschließen, gilt im Verhältnis zu § 1 AStG bei Kapitalgesellschaften u.a. folgendes Konkurrenzverhältnis: Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen7 haben im Ausgangspunkt Vorrang vor der Einkünftekorrektur gem. § 1 AStG,8 diese ergänzt aber die übrigen Korrektur1 Vgl. BVerfG v. 12.10.2010 – 1 BvL 12/07, DStR 2010, 2393; v. 21.6.2006 – 2 BvL 2/99, DStR 2006, 1316; BFH v. 24.3.1987 – I B 117/86, BStBl. II 1987, 508; Desens in H/H/R, Einf. KSt Rz. 90; Hey in Tipke/Lang22, § 11 Rz. 1; Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 1.18; Böhmer StuW 2012, 33. 2 Schaumburg in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 1 (1). 3 Dem gegenüber geht das von der EU-Kommission vorgeschlagene Konzept für eine „Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage“ (GKKB) von einem Einheitsprinzip aus, wobei der so ermittelte Konzerngewinn anhand von Schüsselgrößen auf die einzelnen Grundgesellschaften aufgeteilt wird; zu Einzelheiten Fehling in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 18.1 ff. 4 § 1 AStG gilt zwar für alle Steuerpflichtigen und Personengesellschaften, betroffen sind in der Besteuerungspraxis in erster Linie aber Kapitalgesellschaften. 5 BFH v. 17.12.2014 – I R 23/13, BStBl. II 2016, 261; v. 24.6.2015 – I R 29/14, BStBl. II 2016, 258; Nichtanwendungserlass: BMF v. 30.3.2016 – IV B 5 - S 1341/11/10004-07 – DOK 2016/0291611, BStBl. I 2016, 455. 6 BFH v. 12.3.1980 – I R 186/76, BStBl. II 1980, 531; v. 21.1.1981 – I R 153/77, BStBl. II 1981, 517; vgl. Rz. 19.291. 7 Ebenso z.B. Entstrickung (§ 12 Abs. 1 KStG). 8 „… unbeschadet anderer Vorschriften …“ (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AStG); BFH v. 9.11.1988 – I R 335/93, BStBl. II 1989, 510; v. 17.2.1993 – I R 3/92; BStBl. II 1993, 457; Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 441 ff.; Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 187; Neumann in R/H/N, § 8 KStG Rz. 167; Nientimp in M/F, § 1 AStG Rz. 12; Kaminski in S/K/K, § 1 AStG
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normen, soweit deren Rechtswirkungen über die Rechtswirkungen der anderen Korrekturnormen hinausgehen (§ 1 Abs. 1 Satz 4 AStG). Diese „Wertauffüllerklausel“ bewirkt insoweit eine Umkehrung dahingehend, dass grenzüberschreitend für alle Einkünftekorrekturnormen einheitlich der Fremdvergleichspreis gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG zur Anwendung kommt, wenn die Tatbestandsmerkmale des § 1 AStG und der übrigen Korrekturnormen gleichermaßen erfüllt sind.1
II. Korrekturregeln 1. Verdeckte Gewinnausschüttung In- und ausländische Einkünfte, die Körperschaften erzielen und daher diesen auch zuzuordnen sind, ergeben das Einkommen (§ 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 2 Abs. 1 EStG). Die Verteilung dieses Einkommens führt zu keiner Minderung des Einkommens selbst (§ 8 Abs. 3 Satz 1 KStG) mit der Folge, dass auch verdeckte Gewinnausschüttungen einkommensneutral sind (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG).
21.138
Das der Körperschaftsteuer unterliegende Einkommen wird gem. § 8 Abs. 1 KStG nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und den ergänzenden Bestimmungen des Körperschaftsteuergesetzes ermittelt. Da unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften2 nur Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen (§ 8 Abs. 2 KStG), müssen diese Gewinneinkünfte, soweit Buchführungspflicht besteht, durch einen Vermögensvergleich gem. §§ 4 Abs. 1 Satz 1; 5 Abs. 1 EStG ermittelt werden. Entsprechendes gilt für beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften, soweit diese Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen.3 Dies bedeutet, dass auch die Vorschriften über Entnahmen und Einlagen anwendbar sind. Die Regelung über verdeckte Gewinnausschüttungen geht allerdings den Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes über die Entnahmen vor4 und gilt überdies auch in den Fällen, in denen Körperschaften Überschusseinkünfte i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG erzielen.5 Die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes über
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1
2 3 4 5
Rz. 13; Hofacker in Haase3, § 1 AStG Rz. 30 ff.; teils im Sinne einer Subsidiarität; im Ergebnis ebenso BMF v. 14.5.2004 – IV B 4 - S 1340 - 11/04, BStBl. I 2004, Sondernummer 1, 3, Tz. 1.1.2; v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Tz. 5.3.3; die bislang im Sinne einer Spezialität von § 1 AStG vertretene Gegenmeinung ist durch § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG überholt. Zu Einzelheiten Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 2.7 ff.; Vögele/Raab in V/B/E, Verrechnungspreise4, Kap. A Rz. 356; Schallmoser in H/H/R, § 8 KStG Rz. 78; Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 541 (547). Sowie Körperschaften i.S. von § 1 Abs. 1 Nr. 2 und 3 KStG. § 8 Abs. 2 KStG gilt nicht; zu Einzelheiten Schallmoser in H/H/R, § 8 KStG Rz. 34. BFH v. 13.9.1967 – I 99/64, BStBl. II 1968, 20; v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; Schallmoser in H/H/R, § 8 KStG Rz. 67; Neumann in R/H/N, § 8 KStG Rz. 153. BFH v. 21.12.1994 – I R 65/94, IStR 1995, 330 mit Anm. FW; BFH v. 7.11.2001 – I R 14/01, BStBl. II 2002, 861; Schallmoser in H/H/R, § 8 KStG Rz. 98; § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG ist daher nicht nur eine Gewinn-, sondern eine Einkünftekorrekturnorm.
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
Einlagen bleiben jedoch anwendbar,1 wobei die Rechtsfolgen der verdeckten Einlage in § 8 Abs. 3 Satz 3–6 KStG konkret geregelt sind. 21.140
Bei verdeckten Gewinnausschüttungen handelt es sich um Vermögensvorteile, die eine in- oder ausländische Kapitalgesellschaft2 ihren unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung zuwendet, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter sie einem Nichtgesellschafter unter sonst gleichen Umständen nicht zugewendet hätte.3 Oder anders: Eine verdeckte Gewinnausschüttung ist eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung),4 die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Einkommens (genauer: Unterschiedsbetrag gem. § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG5) auswirkt und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung steht.6 Ob die Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) erlitten hat, lässt sich in Orientierung am Fremdvergleich erst nach einer vergleichenden Bewertung von Vor- und Nachteilen eines oder mehrerer Geschäfte feststellen, die zwischen der Kapitalgesellschaft und ihrem Gesellschafter und/oder diesem nahestehenden Personen abgewickelt worden sind. Soweit es sich um ein einheitliches Geschäft, etwa um einen gegenseitigen Vertrag handelt, ist ein Ausgleich von Vor- und Nachteilen ohne weiteres geboten.7 Ist hiernach eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) nicht feststellbar, kommt es auf die weitere Frage der Ursächlichkeit des Gesellschaftsverhältnisses nicht mehr
1 BFH v. 28.2.1956 – I 92/54 U, BStBl. III 1956, 154; v. 30.4.1968 – I 161/65, BStBl. II 1968, 720; v. 3.2.1971 – I R 51/66, BStBl. II 1971, 408; v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; Schallmoser in H/H/R, § 8 KStG Rz. 67. 2 Eine ausländische Kapitalgesellschaft muss im Inland nicht steuerpflichtig sein; Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 200; Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 2.31. 3 So die alte Formel; z.B. BFH v. 24.9.1980 – I R 88/77, BStBl. II 1981, 108. 4 Nach Berücksichtigung eines Vorteilsausgleichs; BFH v. 22.4.1964 – I 62/61 U, BStBl. III 1964, 370; v. 4.5.1965 – I 130/62 U, BStBl. III 1965, 598; v. 21.12.1972 – I R 70/70, BStBl. II 1973, 449; v. 8.6.1977 – I R 95/75, BStBl. II 1977, 704; v. 20.8.1986 – I R 87/83, BStBl. II 1987, 75; v. 7.12.1988 – I R 25/82, BStBl. II 1989, 248; zu weiteren Einzelheiten Wilk in H/H/R, § 8 KStG Rz. 100; Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 260 ff.; zum Vorteilsausgleich Rz. 21.141. 5 BFH v. 5.6.2002 – I R 69/01, BStBl. II 2003, 329; hierzu Wilk in H/H/R, § 8 KStG Rz. 165; Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 247; Neumann in R/H/N, § 8 KStG Rz. 221. 6 So die neue Formel seit 1989; vgl. BFH v. 22.2.1989 – I R 44/85, BStBl. II 1989, 475; v. 22.2. 1989 – I R 9/85, BStBl. II 1989, 631; v. 14.3.1989 – I R 8/85, BStBl. II 1989, 633; v. 12.4.1989 – I R 142/85, I R 143/85, BStBl. II 1989, 636; v. 28.6.1989 – I R 89/85, BStBl. II 1989, 854; seitdem ständige Rechtsprechung; allerdings seit BFH v. 7.8.2002 – I R 2/02, BStBl. II 2004, 131 mit der Ergänzung, dass die Minderung des Unterschiedsbetrags objektiv geeignet sein muss, beim Gesellschafter einen sonstigen Bezug i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG auszulösen; vgl. auch BFH v. 22.8.2007 – I R 32/06, BStBl. II 2007, 961; v. 15.2.2012 – I R 19/11, BFH/NV 2012, 885; zu Einzelheiten Wilk in H/H/R, § 8 KStG Rz. 113; ferner Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 2.43 f. 7 BFH v. 16.11.1965 – I 302/61 S, BFHE 84, 268; v. 8.6.1977 – I R 95/75, BStBl. II 1977, 704; Wilk in H/H/R, § 8 KStG Rz. 115; Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 261; Neumann in R/H/N, § 8 KStG Rz. 214.
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D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften
an.1 Liegt dagegen ein vom Fremdvergleich abweichendes Verhalten vor, wird hierdurch die Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis indiziert (widerlegbare Vermutung).2 Handelt es sich um mehrere Geschäfte, so ist ein Ausgleich von Vor- und Nachteilen (Vorteilsausgleich) nur unter den folgenden Voraussetzungen möglich:3 – – – –
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Der Ausgleich muss auch zwischen Fremden denkbar sein.4 Die Geschäfte müssen in einem inneren Zusammenhang stehen.5 Die Vor- und Nachteile müssen quantifizierbar sein.6 Die Vorteilsverrechnung muss vereinbart gewesen sein7 oder zur Geschäftsgrundlage eines nachteiligen Geschäfts gehört haben.8
Verbleibt nach Maßgabe der vorbezeichneten Voraussetzungen ein Saldo zu Lasten oder zugunsten der Kapitalgesellschaft, so ist eine verdeckte Gewinnausschüttung oder ggf. eine verdeckte Einlage gegeben.9
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Eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis ist bei einem beherrschenden Gesellschafter auch dann anzunehmen, wenn es an einer klaren und von
21.143
1 BFH v. 23.6.1981 – VIII R 102/80, BStBl. II 1982, 245; Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften2, 115 f.; Lang, FR 1984, 629 (630). 2 BFH v. 19.3.1997 – I R 75/96, BStBl. II 1997, 577; v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; Neumann in R/H/N, § 8 KStG Rz. 226; Wassermeyer in FS Offerhaus, 405; Wassermeyer, DB 2001, 2465 (2466). 3 BFH v. 22.4.1964 – I 62/61 U, BStBl. III 1964, 370; v. 4.5.1965 – IV 322/64 U, BStBl. III 1965, 589; v. 21.12.1972 – I R 70/70, BStBl. II 1973, 449; v. 8.6.1977 – I R 95/75, BStBl. II 1977, 704; v. 20.8.1986 – I R 87/83, BStBl. II 1987 75; v. 7.12.1988 – I R 25/82, BStBl. II 1989, 248; zu weiteren Einzelheiten Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 3.161 ff.; Wilk in H/H/R, § 8 KStG Rz. 115. 4 BFH v. 8.6.1977 – I R 95/75, BStBl. II 1977, 704; Neumann in R/H/N, § 8 KStG Rz. 218. 5 BFH v. 8.6.1977 – I R 95/75, BStBl. II 1977, 704; v. 13.12.1995 – X R 261/93, BStBl. II 1996, 180; ein zeitlicher Zusammenhang ist nicht erforderlich; Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 265; Rengers in Blümich, § 8 KStG Rz. 288; a.A. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.3.3, wonach bei einem grenzüberschreitenden Vorteilsausgleich auf einen Dreijahreszeitraum abgestellt wird. 6 Daher stellen lediglich allgemeine Vorteile, die eine Konzernzugehörigkeit bietet, z.B. erhöhte Kreditwürdigkeit oder Überlassung des Konzernnamens, soweit dieser nicht zugleich Marke ist (BFH v. 9.8.2000 – I R 12/99, BStBl. II 2001, 140), als sog. Konzernrückhalt keine ausgleichsfähigen Vorteile dar. 7 Mit einem beherrschenden Gesellschafter muss der Vorteilsausgleich stets im Voraus klar und eindeutig vereinbart worden sein; so BFH v. 21.7.1976 – I R 223/74, BStBl. II 1976, 734; v. 8.6.1977 – I R 95/75, BStBl. II 1977, 704; v. 20.8.1986 – I R 87/83, BStBl. II 1987, 75; v. 7.12.1988 – I R 25/82, BStBl. II 1989, 248; v. 28.2.1990 – I R 83/87, BStBl. II 1990, 649; seit BVerfG v. 7.11.1995 – 2 BvR 802/90, BStBl. II 1996, 34 hat das Fehlen einer Vereinbarung lediglich Indizwirkung; vgl. BFH v. 29.10.1997 – I R 24/97, BStBl. II 1998, 573; dieser formale Gesichtspunkt hat in Abkommensfällen keine Bedeutung; BFH v. 11.10.2012 – I R 75/11, BFH/NV 2013, 324. 8 Ein Vorteilsausgleich im Konzern kommt daher nur in Ausnahmefällen in Betracht; vgl. Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 263; Lang in D/P/M, § 8 Abs. 3 KStG Teil C Rz. 91; zur Rechtslage auf Abkommensebene Rz. 19.311 ff. 9 Eine Saldierung von verdeckten Gewinnausschüttungen und verdeckten Einlagen ist nicht zulässig; BFH v. 12.12.1990 – I R 73/89, BStBl. II 1991, 593; v. 22.8.2007 – I R 32/06, BStBl. 2007, 961.
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
vornherein getroffenen Vereinbarung fehlt, ob und in welcher Höhe ein Entgelt von der Kapitalgesellschaft gezahlt werden soll.1 Damit wird auch diese Form der verdeckten Gewinnausschüttung als durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst angesehen.2 Da die abkommensrechtlichen Gewinnkorrekturklauseln (Art. 9 OECD-MA) auf diesen formalen Aspekt indessen nicht abstellen,3 entfalten diese insoweit eine Schrankenwirkung ggü. der Einkünftekorrektur gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG.4 Zur Gegenberichtigung in Abkommensfällen (Art. 9 Abs. 2 OECD-MA) vgl. Rz. 19.314. 21.144
Ob die Vermögensminderung oder die verhinderte Vermögensmehrung aktivierungsfähige Wirtschaftsgüter oder bloß Nutzungen oder Leistungen betreffen, spielt für die Qualifizierung als verdeckte Gewinnausschüttung keine Rolle.5 Mit der Vermögensminderung oder verhinderten Vermögensmehrung der Kapitalgesellschaft muss zwar kein (zeitgleicher) Zufluss eines entsprechenden Vermögensvorteils beim (beherrschenden) Gesellschafter korrespondieren,6 sie müssen aber objektiv geeignet sein, beim Gesellschafter (irgendwann) einen Bezug gem. § 20 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 EStG auszulösen.7 Entscheidend ist, dass die bei der Kapitalgesellschaft eintretende Vermögensminderung keine betriebliche Veranlassung hat, sondern auf der Gesellschafterstellung eines oder mehrerer Gesellschafter beruht. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) der Kapitalgesellschaft darauf abzielt, dem (beherrschenden) Gesellschafter oder einer ihm nahestehenden Person einen Vermögensvorteil „societatis causa“ zuzuwenden.8 Die vorstehenden Grundsätze gelten auch für verdeckte Gewinnausschüttungen über die Grenze.9 1 Es handelt sich insoweit nur um Indizwirkungen; vgl. BFH v. 11.2.1997 – I R 43/96, BFH/NV 1997, 806; v. 17.12.1997 – I R 70/97, BStBl. II 1998, 545; v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; v. 28.6.2002 – IX R 68/99, BStBl. II 2002, 699; für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten von BFH v. 27.7.2009 – I B 45/09, BFH/NV 2009, 2005. 2 BFH v. 29.7.1992 – I R 18/91, BStBl. II 1993, 139; v. 31.5.1995 – I R 64/94, BStBl. II 1996, 246; v. 17.12.1997 – I R 70/97, BStBl. II 1998, 545. 3 Sie differenzieren nicht zwischen beherrschenden und übrigen Gesellschaftern, und sie unterstellen auch nicht, dass mangels einer klaren und von vornherein getroffenen Vereinbarung eine Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis anzunehmen sei; hierzu Baumhoff/Greinert, IStR 2008, 353 ff. 4 BFH v. 11.10.2012 – I R 75/11, BFH/NV 2013, 324; Wilk in H/H/R, § 8 KStG Rz. 144; Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 3.168; Vögele/Fischer in V/B/E, Verrechnungspreise4, Kap. A Rz. 80; Schaumburg in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 1994, 1 (6); Baumhoff/Greinert, IStR 2008, 353 ff.; ferner BFH v. 17.12.2014 – I R 23/13, BStBl. II 2016, 261; v. 24.6.2015 – I R 29/14, BStBl. II 2016, 258; Nichtanwendungserlass: BMF v. 30.3.2016 – IV B 5 - S 1341/11/10004-07 – DOK 2016/0291611, BStBl. I 2016, 455. 5 BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; v. 14.3.1989 – I R 8/85, BStBl. II 1989, 633. 6 BFH v. 22.2.1989 – I R 9/85, BStBl. II 1989, 631. 7 BFH v. 7.8.2002 – I R 2/02, BStBl. II 2004, 131; v. 25.1.2005 – I R 8/04, BStBl. II 2006, 190; v. 22.8.2007 – I R 32/06, BStBl. II 2007, 691; v. 15.2.2012 – I R 19/11, BFH/NV 2012, 885; zur Vorteilsgeneigtheit Wilk in H/H/R, § 8 KStG Rz. 113; Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 2.43 f. 8 BFH v. 22.2.1989 – I R 9/85, BStBl. II 1989, 631. 9 Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 2.35.
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D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften
Mithin können auch (grenzüberschreitende) Vermögensverschiebungen zwischen Schwestergesellschaften zu einer verdeckten Gewinnausschüttung zugunsten der Muttergesellschaft führen. Bei einem derartigen Dreiecksverhältnis wird eine verdeckte Gewinnausschüttung der einen Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft und von dort eine verdeckte Einlage in die andere Schwestergesellschaft angenommen, soweit es sich um einlagefähige Wirtschaftsgüter handelt.1 Sind Gegenstand der verdeckten Gewinnausschüttung zwischen Schwestergesellschaften dagegen nicht aktivierungsfähige Wirtschaftsgüter, etwa Nutzungen und Leistungen, so ist zwar eine verdeckte Gewinnausschüttung der einen Schwestergesellschaft zugunsten der Muttergesellschaft gegeben, die Weitergabe des Nutzungsoder Leistungsvorteils an die andere Schwestergesellschaft führt aber nicht zu einer verdeckten Einlage.2 Die Weiterleitung dieses Vorteils ohne Anschaffungskosten führt zu einem Vorteilsverbrauch, der im Ergebnis wie eine Betriebsausgabe zu behandeln ist mit der Folge, dass sich auf diese Weise Ertrag und Aufwand in gleicher Höhe gegenüberstehen,3 es bei der Muttergesellschaft grundsätzlich also zu einer steuerlich wertgleichen Kompensation kommt.
21.145
In den vorgenannten Dreiecksfällen ist zwar die auf der verdeckten Gewinnausschüttung der einen Schwestergesellschaft zugunsten der Muttergesellschaft beruhende verdeckte Einlage der Muttergesellschaft in die andere Schwestergesellschaft bei derselben steuerneutral (§ 8 Abs. 3 Satz 3 KStG), das gilt aber nur dann, wenn die verdeckte Gewinnausschüttung der einen Schwestergesellschaft in die Muttergesellschaft bei der vorgenannten Schwestergesellschaft das Einkommen nicht mindert (§ 8 Abs. 3 Satz 5 KStG). Ist dagegen das Einkommen der Schwestergesellschaft durch die verdeckte Gewinnausschüttung gemindert worden, führt das in § 8 Abs. 3 Sätze 4–6 KStG statuierte Korrespondenzprinzip dazu, dass die verdeckte Einlage der Muttergesellschaft in die andere Schwestergesellschaft deren Einkommen erhöht (§ 8 Abs. 3 Satz 5 KStG), so dass dann auch eine einlagebedingte Erhöhung der Anschaffungskosten der Beteiligung bei der Muttergesellschaft unterbleibt (§ 8 Abs. 3 Satz 6 KStG).4 Von der Reichweite des in § 8 Abs. 3 Sätze 4–6 KStG statuierten Korrespondenzprinzips5 werden nicht nur
21.146
1 BFH v. 23.10.1968 – I 228/65, BStBl. II 1969, 243; v. 3.2.1971 – I R 51/66, BStBl. II 1971, 408; v. 11.6.1975 – II R 131/66, BStBl. II 1975, 831; v. 6.4.1977 – I R 183/75, BStBl. II 1977, 571; v. 18.7.1985 – IV R 135/82, BStBl. II 1985, 635; v. 23.10.1985 – I R 248/81, BStBl. II 1986, 178; v. 20.8.1986 – I R 150/82, BStBl. II 1987, 455; v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; v. 28.1.1992 – VIII R 207/85, BStBl. II 1992/605; v. 9.6.1997 – GrS 1/94, BStBl. II 1997, 307; v. 20.8.2008 – I R 19/07, BStBl. II 2011, 60; vgl. auch Roser in Gosch3, § 8 KStG Rz. 131, Stichwort „Dreiecksverhältnis“; Schallmoser/Eisgruber/Janetzko in H/H/R, § 8 Rz. 315; Neumann in R/H/N, § 8 KStG Rz. 346; Frotscher in Frotscher/Drüen, Anh. zu § 8 KStG Rz. 302, Stichwort „Dreiecksverhältnis“; Lang in D/P/M, § 8 Abs. 3 KStG, Rz. C 830. 2 BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; v. 4.12.2006 – GrS 1/05, BStBl. II 2007, 508. 3 Zu dieser „Ertrag/Aufwandslösung“ Roser in Gosch3, § 8 KStG Rz. 131, Stichwort „Dreiecksverhältnis“; Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften2, 159 ff. 4 Diese Rechtsfolge ist im Wege teleologischer Reduktion nur auf den Fall zu beschränken, in dem die verdeckte Einlage nicht steuerneutral erfolgt; hierzu Watermeyer in H/H/R, § 8 KStG Rz. 360. 5 Hierzu Watermeyer in H/H/R, § 8 KStG Rz. 341 ff.; Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 194a.
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
inländische Dreiecksverhältnisse unter Beteiligung von Körperschaftsteuersubjekten, sondern auch grenzüberschreitende Dreiecksverhältnisse mit Beteiligung von natürlichen Personen oder Personengesellschaften erfasst.1 Die Rechtsfolgen sind indessen insbesondere in den Fällen beschränkt, in denen die zu einer Einkommenserhöhung führende verdeckte Einlage (§ 8 Abs. 3 Satz 5 KStG) bei einer im Ausland ansässigen Schwestergesellschaft nicht der beschränkten deutschen Körperschaftsteuerpflicht (§§ 2 Nr. 1; 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1, 2 EStG) unterliegt oder aber abkommensrechtliche Schrankenwirkungen eingreifen. 21.147
Die Rechtsfolge der verdeckten Gewinnausschüttung2 besteht auf Gesellschaftsebene darin, dass diese das Einkommen nicht mindert (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG). Ist der von der Kapitalgesellschaft auf der ersten Gewinnermittlungsstufe3 ausgewiesene Unterschiedsbetrag i.S. des § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG infolge verdeckter Gewinnausschüttungen zu niedrig, erfolgt gem. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG außerhalb der Steuerbilanz4 auf der zweiten Gewinnermittlungsstufe5 eine Hinzurechnung,6 die Körperschaftsteuer auslöst, und zwar grundsätzlich ohne Rücksicht darauf, wann die verdeckte Gewinnausschüttung dem Gesellschafter zufließt.7 § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG erschöpft sich somit in der Funktion einer bloßen Einkünftekorrektur.8
21.148
Führt die Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) durch Minderung des Eigenkapitals9 tatsächlich zu einem Abfluss von Mitteln aus dem Vermögen der Gesellschaft, so ist die Kapitalertragsteuer einzubehalten, die bei zum Privatvermögen gehörenden Anteilen zu einer Abgeltungsteuer führt (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 20 Abs. 1 Nr. 1; 32d Abs. 1 EStG). Der Kapitalertrag1 Watermeyer in H/H/R, § 8 KStG Rz. 341; Grotherr, RIW 2006, 898 (899 ff.); Strnad, GmbHR 2006, 1321 (1322); zweifelnd Roser in Gosch3, § 8 KStG Rz. 124c. 2 Hierzu ausführlich Schallmoser in H/H/R, § 8 KStG Rz. 201 ff. 3 Zu den Gewinnermittlungsstufen vgl. Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 247; Schallmoser in H/H/R, § 8 Rz. 204. 4 BFH v. 29.6.1994 – I R 137/93, BStBl. II 2002, 366; v. 12.10.1995 – I R 27/95, BStBl. II 2002, 367; v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; v. 28.1.2004 – I R 21/03, BStBl. II 2005, 841; BMF v. 28.5.2002 – IV A 2 - S 2742 - 32/02, BStBl. I 2002, 603. 5 Schallmoser in H/H/R, § 8 Rz. 204; Neumann in R/H/N, § 8 KStG Rz. 315; Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 247; Wassermeyer, IStR 2001, 633 ff. 6 Die Bewertung erfolgt nach Fremdvergleichsgrundsätzen, was in der Regel zum Ansatz mit dem gemeinen Wert führt; BFH v. 27.11.1974 – I R 250/72, BStBl. II 1975, 306; v. 23.2.2005 – I R 70/04, BStBl. II 2005, 882; anders BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171: Fremdvergleichspreis; vgl. Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 383, 385; Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 2.15; Vögele/Fischer in V/B/E, Verrechnungspreise4, Rz. 92. 7 Vorteilsgeneigheit reicht aus; BFH v. 7.8.2002 – I R 2/02, BStBl. II 2004, 131; v. 25.1.2005 – I R 8/04, BStBl. II 2006, 190; v. 22.8.2007 – I R 32/06, BStBl. II 2007, 961; v. 15.2.2012 – I R 19/11, BFH/NV 2012, 885; zu Einzelheiten Wilk in H/H/R, § 8 KStG Rz. 113. 8 BFH v. 29.6.1994 – I R 137/93, BStBl. II 2002, 366; v. 21.12.1994 – I R 65/94, HFR 1995, 445; v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; BMF v. 28.5.2002 – IV A 2 - S 2742 32/02, BStBl. I 2002, 603; Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 395; Schallmoser in H/H/R, § 8 Rz. 202; zu steuerstrafrechtlichen Folgen einer grenzüberschreitenden verdeckten Gewinnausschüttung Schaumburg in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 15.130 ff. 9 BFH v. 20.8.1986 – I R 87/83, BStBl. II 1987, 75; v. 29.4.1987 – I R 176/83, BStBl. II 1987, 733; v. 31.10.1990 – I R 47/88, BStBl. II 1991, 255.
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D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften
steuerabzug hat hierbei im Grundsatz ohne Rücksicht darauf zu erfolgen, ob beim Empfänger im Übrigen das Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG) oder eine Steuerbefreiung (§ 8b Abs. 1, 5 KStG) eingreift (§ 43 Abs. 1 Satz 3 EStG).1 Als Rechtsfolge bewirkt die (zugeflossene) verdeckte Gewinnausschüttung bei einem unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschafter Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 und 2 EStG), sofern die Kapitalanteile Privatvermögen sind, oder Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sofern diese zu einem Betriebsvermögen gehören.2 Gehören sie zum Privatvermögen wird eine als Abgeltungsteuer wirkende Kapitalertragsteuer i.H. von 25 % erhoben (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 20 Abs. 1 Nr. 1; 32d EStG), wobei die Möglichkeit besteht, eine Veranlagung zum individuellen Steuersatz zu wählen, wenn eine solche tarifgünstiger ist. Gehören die Anteile zum Betriebsvermögen einer natürlichen Person, greift das Teileinkünfteverfahren ein, so dass 60 % der Bezüge steuerpflichtig sind (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG). Fließt die verdeckte Gewinnausschüttung einer Körperschaft zu, greift, soweit es sich nicht um Streubesitz handelt (§ 8b Abs. 4 KStG), die Steuerbefreiung gem. § 8b Abs. 1 KStG ein, wobei 5 % als nicht abziehbare Betriebsausgaben gelten (§ 8b Abs. 5 KStG).3 Ist der Gesellschafter beschränkt steuerpflichtig, gehören (zugeflossene) verdeckte Gewinnausschüttungen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen, soweit die Anteile nicht einem inländischen Betriebsstättenvermögen zuzuordnen sind.4
21.149
Die verdeckte Gewinnausschüttung unterliegt als Bezüge i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG dem Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d EStG) oder der Steuerfreistellung (§ 8b Abs. 1, 5 KStG) nur, soweit die verdeckte Gewinnausschüttung das Einkommen der leistenden Körperschaft nicht gemindert hat (§ 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. d Satz 2 EStG; § 8b Abs. 1 Satz 2 KStG). Das gilt für unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Gesellschafter gleichermaßen. Die Suspendierung der (partiellen) Steuerbefreiung des § 8b Abs. 1 KStG greift schließlich in den vorgenannten Fällen auch dann ein, wenn die verdeckte Gewinnausschüttung seitens einer ausländischen Kapitalgesellschaft erfolgt und diese abkommensrechtlich auf Grund des internationalen Schachtelprivilegs freizustellen ist (§ 8b Abs. 1 Satz 3 KStG).5
21.150
2. Verdeckte Einlage Das Einkommen von Kapitalgesellschaften ermittelt sich gem. § 8 Abs. 1 Satz 1 KStG nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes. Zu diesen Vorschrif1 Vom BFH v. 22.4.2009 – I R 53/07, BFH/NV 2009, 1543 im Ergebnis nicht beanstandet. 2 Die verdeckte Gewinnausschüttung schlägt somit über § 7 Satz 1 GewStG auf die Gewerbesteuer durch. 3 Vgl. zur Gewerbesteuer Rz. 18.221 ff. 4 §§ 2 Abs. 1; 49 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 5a; 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG; §§ 2 Nr. 1, 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 49 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 5a; 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG; Kapitalertragsteuerpflicht gem. § 43 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 EStG mit Abgeltungswirkung (§ 50 Abs. 5 Satz 1 EStG; § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG). 5 Zu dieser Korrespondenzklausel Rz. 18.149; zur Verfassungsmäßigkeit des treaty overriding Rz. 3.24 f.
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21.151
Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
ten zählen die §§ 4 Abs. 1 Sätze 1, 8; 5 EStG, die für Zwecke des Vermögensvergleichs den Abzug von Einlagen gebieten. Dementsprechend ordnet § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG an, dass verdeckte Einlagen das Einkommen der Körperschaft grundsätzlich nicht erhöhen. Eine verdeckte Einlage liegt dann vor, wenn ein Gesellschafter oder eine ihm nahestehende Person seiner Kapitalgesellschaft außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Einlagen (einlagefähige) Vermögensvorteile1 zuwendet und diese Zuwendung ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat.2 Ob die Zuwendung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, beurteilt sich auf Grund des Fremdvergleichs, also danach, ob ein Nichtgesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns, den Vermögensvorteil der Gesellschaft nicht gewährt hätte.3 21.152
Als Einlagen sind nur Wirtschaftsgüter geeignet, die das Vermögen der Kapitalgesellschaft vermehren, sei es durch den Ansatz oder die Erhöhung eines Aktivpostens, sei es durch den Wegfall oder die Verminderung eines Passivpostens.4 Dagegen führt die Überlassung von Wirtschaftsgütern oder von Kapital zur Nutzung ohne Entgelt oder gegen ein unangemessen niedriges Entgelt zu keiner unmittelbaren Vermögensmehrung.5 Die Vermögensmehrung ist nämlich nicht die Nutzungsüberlassung selbst, sondern allenfalls die Folge der Nutzung, wenn also die Kapitalgesellschaft durch Nutzung der überlassenen Wirtschaftsgüter oder des überlassenen Kapitals Erträge erzielt.6 Nutzungsüberlassungen, und zwar auch solche über die Grenze, können damit nicht Gegenstand einer verdeckten Einlage sein.7 Daher sind nur aktivierungsfähige Wirtschaftsgüter ein1 Nach Berücksichtigung eines Vorteilsausgleichs; zum Vorteilsausgleich vgl. Rz. 21.141 ff. 2 BFH v. 19.2.1970 – I R 24/67, BStBl. II 1970, 442; v. 9.3.1983 – I R 182/78, BStBl. II 1983, 744; v. 16.4.1991 – VIII R 100/87, BStBl. II 1992, 234; v. 9.6.1997 – GrS 1/94, BStBl. II 1998, 308; zu Einzelheiten Watermeyer in H/H/R, § 8 KStG Rz. 333 ff.; Roser in Gosch3, § 8 KStG Rz. 105; Gosch in Gosch3, § 8b KStG Rz. 285; Neumann in R/H/N, § 8 KStG Rz. 1274 ff.; Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 2.60 ff. 3 BFH v. 21.9.1989 – IV R 115/88, BStBl. II 1990, 86; v. 15.10.1997 – I R 80/96, BFH/NV 1998, 624; v. 14.7.2009 – X R 6/09, HFR 2010, 588; Watermeyer in H/H/R, § 8 KStG Rz. 333; Weber-Grellet, DB 1998, 1532 ff. 4 BFH v. 3.2.1971 – I R 51/66, BStBl. II 1971, 408; v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348. 5 BFH v. 25.10.1994 – VIII R 65/91, BStBl. II 1995, 312; v. 17.10.2001 – I R 97/00, BFH/NV 2002, 240; v. 4.12.2016 – GrS 1/05, BStBl. II 2007, 508; vgl. auch den Wortlaut in § 4 Abs. 1 Satz 8 EStG, wo im Klammerzusatz im Unterschied zum Klammerzusatz in § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG der Hinweis auf Nutzungen fehlt. 6 Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften2, 177. 7 So die ständige Rspr.: BFH v. 8.11.1960 – I 131/59 S, BStBl. III 1960, 513; v. 9.3.1962 – I 203/61 S, BStBl. III 1962, 338; v. 3.2.1971 – I R 51/66, BStBl. II 1971, 408; v. 16.11.1977 – I R 83/75, BStBl. II 1978, 386; v. 22.1.1980 – VIII R 74/77, BStBl. II 1980, 244; v. 28.1. 1981 – I R 10/77, BStBl. II 1981, 612; v. 19.5.1982 – I R 102/79, BStBl. II 1982, 631; v. 22.11.1983 – VIII R 37/79, BFHE 140, 63; v. 22.11.1983 – VIII R 133/82, BFHE 140, 69; v. 24.5.1984 – I R 166/78, BStBl. II 1984, 747; v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; v. 20.9.1990 – IV R 300/84, BStBl. II 1991, 82; v. 25.10.1994 – VIII R 65/91, BStBl. II 1995, 312; v. 17.10.2001 – I R 97/00, BFH/NV 2002, 240; v. 4.12.2006 – GrS 1/05, BStBl. II 2007, 508.
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lagefähig.1 Zu diesen aktivierungsfähigen Wirtschaftsgütern gehören im Grundsatz auch immaterielle Wirtschaftsgüter, die im Betrieb selbst geschaffen worden sind. Das Aktivierungsverbot des § 5 Abs. 1 und 2 EStG, § 248 Abs. 2 HGB wird hier durch das steuerliche Trennungsprinzip, wonach der Gesellschaftsbereich von dem Gesellschafterbereich steuerlich abzugrenzen ist, verdrängt.2 Obwohl Nutzungsrechte3 als selbständige Wirtschaftsgüter angesehen werden4 und damit grundsätzlich für eine Einlage i.S. von § 4 Abs. 1 Sätze 1 und 5 EStG geeignet sind,5 wird die Möglichkeit einer verdeckten Einlage derartiger Nutzungsrechte aus dem Privatvermögen zum Teilwert (§ 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG) deshalb verneint, weil anderenfalls eine Besteuerungslücke entstünde: Während die Kapitalgesellschaft das Nutzungsrecht erfolgswirksam abschreiben könnte, würde der einlegende (private) Gesellschafter mangels einer Gegenleistung der Kapitalgesellschaft keine Einkünfte erzielen.6
21.153
Die Rechtsfolgen der verdeckten Einlage bestehen auf Gesellschaftsebene darin, dass die durch den Ansatz oder die Erhöhung eines Aktivpostens oder durch den Wegfall oder die Verminderung eines Passivpostens eingetretene Vermögensmehrung bei der Ermittlung des steuerlichen Gewinns im Rahmen der zweistufigen Gewinnermittlung (Rz. 21.3) auf der zweiten Stufe außerbilanziell wieder abgezogen wird (§ 8 Abs. 3 Satz 3 KStG).7 Stattdessen wird einlagebedingt das steuerliche Einlagekonto (§ 27 KStG) erhöht.8 Diese steuerliche Behandlung gilt auch für grenzüberschreitende verdeckte Einlagen in eine inländische Kapitalgesellschaft.
21.154
Die außerbilanzielle Hinzurechnung der verdeckten Einlage auf der zweiten Gewinnermittlungsstufe führt im Ergebnis bei der empfangenen Kapitalgesellschaft zu einer Steuerneutralität. Dies gilt allerdings nicht, soweit die verdeckte Einlage
21.155
1 BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348. 2 BFH v. 20.8.1986 – I R 150/82, BStBl. II 1987, 455; v. 24.3.1987 – I R 202/83, BStBl. II 1987, 705; v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348. 3 Zu dinglichen und obligatorischen Nutzungsrechten, die eine gesicherte Rechtsposition gewähren, im Einzelnen Weber-Grellet in Schmidt35, § 5 EStG Rz. 176. 4 BFH v. 29.4.1965 – IV 403/62 U, BStBl. III 1965, 414; v. 2.3.1970 – GrS 1/69, BStBl. II 1970, 382; v. 28.8.1974 – I R 66/72, BStBl. II 1975, 56; v. 20.1.1983 – IV R 158/80, BStBl. II 1983, 413; v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; v. 4.12.2006 – GrS 1/05, BStBl. II 2007, 508. 5 BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften2, 181. 6 BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; v. 4.12.2006 – GrS 1/05, BStBl. II 2007, 508. 7 Bewertung der verdeckten Einlage erfolgt im Grundsatz gem. § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG zum Teilwert, in Fällen der verstrickungsbedingten Einlage (§ 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5a EStG) und der Einlage von Gesellschaftsanteilen i.S.v. § 17 EStG und § 20 EStG (§ 8 Abs. 1 KStG i.V.m. §§ 17 Abs. 1 Satz 2, 20 Abs. 4 EStG) zum gemeinen Wert sowie bei der Einlage von Wirtschaftsgütern, die innerhalb der letzten drei Jahre angeschafft oder hergestellt worden sind (§ 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG), zum Buchwert; zu Einzelheiten Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 335. 8 Bauschatz in Gosch3, § 27 KStG Rz. 33; Dötsch in D/P/M, § 27 KStG Rz. 35.
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beim leistenden Gesellschafter1 zu einer Minderung dessen Einkommens2 geführt hat (§ 8 Abs. 3 Satz 4 KStG). Mit dieser materiellen Korrespondenz sind insbesondere Fälle angesprochen, in denen die verdeckte Einlage auf Gesellschafterebene3 zum Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug geführt hat.4 Worauf dieser Umstand beruht, spielt keine Rolle.5 Das vorstehende Korrespondenzprinzip gilt auch grenzüberschreitend,6 wodurch allerdings insbesondere mit dem Abkommensrecht nicht zu vereinbarende kompensatorische Steuereffekte sowie Doppelbesteuerungen ausgelöst werden können.7 Diese Verwerfungen beruhen im Wesentlichen darauf, dass auf die Bemessungsgrundlage deutschen Rechts abgestellt, das Trennungsprinzip durchbrochen und Abkommensrecht unterlaufen wird. 21.156
In verfahrensrechtlicher Hinsicht wird die Korrespondenz durch § 32a Abs. 2 KStG sichergestellt, wonach eine auf Ebene des Gesellschafters hinsichtlich der Berücksichtigung einer verdeckten Einlage geänderte Steuerfestsetzung zu einer Folgeänderung des gegen die Kapitalgesellschaft ergangenen Körperschaftsteuerbescheides führt. Das gilt auch bei der Änderung ausländischer Steuerfestsetzungen auslandsansässiger Gesellschafter.8 Das in § 8 Abs. 3 Satz 4 KStG verankerte materielle Korrespondenzprinzip hat indessen eine beschränkte Reichweite, weil es nur die Einkommensermittlung der Körperschaft betrifft und die Qualifikation der Vermögenszuführung als verdeckte Einlage unberührt lässt. Hieraus folgt, dass eine verdeckte Einlage, auch wenn sie wegen § 8 Abs. 3 Satz 4 KStG einkommenserhöhend wirkt, im Rahmen des steuerlichen Einlagekontos (§ 27 KStG) als Zugang zu berücksichtigen ist.9
21.157
§ 8 Abs. 3 Sätze 5 und 6 KStG enthält eine für Dreiecksgestaltungen wesentliche Sonderregelung: Gewährt eine Schwestergesellschaft der anderen Schwestergesellschaft einen Vermögensvorteil, wird hierdurch insoweit eine verdeckte 1 Nahestehende Personen sind nicht erfasst, Watermeyer in H/H/R, § 8b KStG Rz. 341; für eine Analogie Rengers in Blümich, § 8 KStG Rz. 187; Dötsch/Pung, DB 2007, 11. 2 Der Minderung des Einkommens steht die verhinderte Vermögensmehrung gleich (BRDrucks. 622/06, 119; BT-Drucks. 16/2712, 70); ebenso Lang in D/P/M, § 8 Abs. 3 KStG, Teil B Rz. 153; Rengers in Blümich, § 8 KStG Rz. 186; Frotscher in F/D, § 8 KStG Rz. 244; Neumann in R/H/N, § 8 KStG Rz. 1494; Schulte in E/S3, § 8 KStG Rz. 382; Dötsch/Pung, DB 2007, 11 (14); a.A. Watermeyer in H/H/R, § 8 Rz. 341; Schnitger in S/F, § 8 KStG Rz. 282; Schnitger/Rometzki, BB 2008, 1648 ff.; Dörfler/Heurung/Adrian, DStR 2007, 515 (518); Strnad, GmbHR 2006, 1321 (1321). 3 Natürliche und juristische Personen werden gleichermaßen erfasst; Dötsch/Pung, DB 2007, 11 (14). 4 Watermeyer in H/H/R, § 8 KStG Rz. 341; Neumann in R/H/N, § 8 KStG Rz. 1494. 5 Neumann in R/H/N, § 8 KStG Rz. 1494; Strnad, GmbHR 2006, 1321 (1322). 6 Watermeyer in H/H/R, § 8 KStG Rz. 345; Neumann in R/H/N, § 8 KStG Rz. 1497; Grotherr, RIW 2006, 898 (902); zu steuerstrafrechtlichen Implikationen Schaumburg in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 15.134 ff. 7 Hierzu Schnitger/Rometzki, BB 2008, 1648 (1649); Dörfler/Adrian, Ubg 2008, 373 (377 ff.); Kempf, StbJb 2008/2009, 147 (150 ff.) jeweils mit Praxisfällen. 8 Watermeyer in H/H/R, § 8 KStG Rz. 345; Lang in D/P/M, § 8 Abs. 3 KStG, Teil B Rz. 153. 9 Watermeyer in H/H/R, § 8 KStG Rz. 345; Lang in D/P/M, § 8 Abs. 3 KStG, Teil B Rz. 158; Rengers in Blümich, § 8 KStG Rz. 1896; Dötsch/Pung, DB 2007, 11 (14); a.A. Frotscher in F/D, § 8 KStG Rz. 250; Schnitger in S/F, § 8b KStG Rz. 739; Schulte in E/S3, § 8 KStG Rz. 385; die nur den um die Steuer reduzierten Betrag ansetzen wollen.
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D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften
Gewinnausschüttung der einen Schwestergesellschaft an die gemeinsame Muttergesellschaft und von dort eine verdeckte Einlage in die andere Schwestergesellschaft ausgelöst.1 § 8 Abs. 3 Satz 5 KStG regelt im Wege der Rechtsfolgenverweisung (auf § 8 Abs. 3 Satz 4 KStG), dass bei der anderen Schwestergesellschaft die erhaltene verdeckte Einlage entgegen § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG deren Einkommen erhöht, sofern die verdeckte Gewinnausschüttung seitens der einen Schwestergesellschaft an die gemeinsame Muttergesellschaft bei der Schwestergesellschaft zu einer Einkommensminderung geführt hat. Oder anders: Die Steuerneutralität der verdeckten Einlage bei der empfangenden Schwestergesellschaft bleibt gewahrt, wenn die verdeckte Gewinnausschüttung der abgebenden Schwestergesellschaft dort das Einkommen nicht gemindert hat. Für den Fall, dass die verdeckte Einlage bei der empfangenden Schwestergesellschaft wegen der einkommensmindernden verdeckten Gewinnausschüttung der abgebenden Schwestergesellschaft zu einer Einkommenserhöhung führt (§ 8 Abs. 3 Satz 5 KStG), schreibt § 8 Abs. 3 Satz 6 KStG vor, dass auf Ebene der gemeinsamen Muttergesellschaft die verdeckte Einlage zu keiner Erhöhung der Anschaffungskosten der Beteiligung an der empfangenen Tochtergesellschaft führen darf.2 Die vorstehenden Regelungen gelten auch für grenzüberschreitende Dreiecksgestaltungen, was auch insoweit zu erheblichen steuerlichen Verwerfungen führt.3 Auf Gesellschafterebene führt die verdeckte Einlage als Rechtsfolge zu nachträglichen Anschaffungskosten auf die Beteiligung, und zwar grundsätzlich ohne Rücksicht darauf, ob die Anteile zu einem Betriebsvermögen gehören oder Beteiligungen i.S. von §§ 17; 20 Abs. 2 EStG darstellen.4 Der Gesellschafter kann daher die verdeckten Einlagen nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehen.5 Die gewinnerhöhende Aktivierung als nachträgliche Anschaffungskosten hat abgesehen von der in § 8 Abs. 3 Satz 6 KStG getroffenen Regelung allerdings im Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu unterbleiben, wenn der Wert der Beteiligung durch die verdeckte Einlage nicht erhöht wird.6 Die nachträglichen Anschaffungskosten sind gem. § 6 Abs. 6 Satz 2 EStG mit dem Teilwert und bei zum Privatvermögen gehörenden Anteilen mit dem gemeinen Wert anzusetzen, ohne dass es darauf ankommt, dass auf Gesellschaftsebene
1 BFH v. 28.1.1992 – VIII R 207/85, BStBl. II 1992, 605. 2 Zu der insoweit gebotenen teleologischen Reduktion Watermeyer in H/H/R, § 8 KStG Rz. 360; Roser in Gosch3, § 8 KStG Rz. 126a; Neumann in R/H/N, § 8 KStG Rz. 1512. 3 Hierzu Dörfler/Adrian, Ubg 2008, 373 (379). 4 BFH v. 28.1.1981 – I R 10/77, BStBl. II 1981, 612; v. 19.5.1982 – I R 102/79, BStBl. II 1982, 631; v. 24.5.1984 – I R 166/78, BStBl. II 1984, 747; v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; v. 16.4.1991 – VIII R 100/87, BStBl. II 1992, 234; v. 26.11.1993 – VI R 3/92, BStBl. II 1994, 242; v. 9.6.1997 – GrS 1/94, BStBl. II 1998, 307; v. 29.7.1997 – VIII R 57/94, BStBl. II 1998, 652; v. 16.5.2001 – I B 143/00, BStBl. II 2002, 436; v. 23.2.2005 – I R 44/04, BStBl. II 2005, 522; Gosch in Kirchhof15, § 17 EStG Rz. 93; Weber-Grellet in Schmidt35, § 17 EStG Rz. 164; § 5 Rz. 639. 5 BFH v. 15.9.1961 – VI 224/61 U, BStBl. III 1961, 547. 6 BFH v. 6.3.2003 – XI R 52/01, BStBl. II 2003, 658; Richter in H/H/R, § 6 EStG Rz. 803; zu den Besonderheiten bei nachträglichen Anschaffungskosten aus kapitalersetzenden Darlehen und Bürgschaften im Unterschied zu § 17 EStG, BFH v. 18.12.2001 – VIII R 27/00, BStBl. II 2002, 733; v. 20.4.2005 – X R 2/03, BStBl. II 2005, 694.
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
der Teilwert1 maßgeblich ist.2 Diese steuerliche Behandlung gilt auch für grenzüberschreitende verdeckte Einlagen in eine ausländische Tochtergesellschaft.3 3. Berichtigung von Einkünften (§ 1 AStG) 21.159
Bei grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen zwischen nahestehenden Personen, insbesondere verbundenen Kapitalgesellschaften, sieht § 1 AStG eine Einkünfteberichtigung vor, sofern die Einkünfte dadurch gemindert werden, dass Bedingungen, insbesondere Preise (Verrechnungspreise) zugrunde gelegt worden sind, die von denen abweichen, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten (Fremdvergleichsgrundsatz). In diesem Fall sind die Einkünfte unbeschadet anderer Vorschriften so anzusetzen, wie sie unter den zwischen unabhängigen Dritten vereinbarten Bedingungen angefallen wären. Damit normiert § 1 AStG eine Abweichung von der Regel, dass Einkünftetatbestände4 nur durch ein tatsächliches oder rechtliches, nicht aber durch ein vorgestelltes Geschehen verwirklicht werden können.5 § 1 AStG fingiert also Einkünfte,6 so dass im Ergebnis Soll-Einkommen der Besteuerung zugeführt wird.7 Diese Fiktion ist darauf gerichtet, Einkünfteverlagerungen in das Ausland zu verhindern.8
21.160
§ 1 AStG ist einseitig fiskalisch motiviert, weil er lediglich eine einkünfteerhöhende Berichtigung vorsieht. Diese Berichtigung greift z.B. bei Nutzungsüberlassungen – z.B. durch Hingabe zinsloser oder zinsverbilligter Darlehen – inländischer Muttergesellschaften an ausländische Tochtergesellschaften ein. Gewährt dagegen etwa eine ausländische Muttergesellschaft einer inländischen Tochtergesellschaft Nutzungsvorteile, ist eine einkünftemindernde Berichtigung nach deutschem Steuerrecht nicht vorgesehen.9 Im Hinblick darauf leistet § 1 AStG keinen wirksamen Beitrag zur Gerechtigkeit im Internationalen Steuerrecht.10 Wegen dieser Einseitigkeit ist § 1 AStG mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip (Rz. 4.10) unvereinbar. Darüber hinaus verstößt § 1 AStG auch gegen die europa1 Zum Ansatz mit dem Teilwert BFH v. 4.3.2009 – I R 32/08, BStBl. II 2012, 341. 2 BFH v. 15.10.1997 – I R 58/93, BStBl. II 1998, 305. 3 Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften2, 235. 4 § 38 AO; § 2 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. §§ 2 Abs. 1 Satz 3; 13–24 EStG. 5 BFH v. 8.11.1960 – I 131/59 S, BStBl. III 1969, 513; v. 9.3.1962 – I 203/61 S, BStBl. III 1962, 338; v. 3.2.1971 – I R 51/66, BStBl. II 1971, 408; v. 28.1.1981 – I R 10/77, BStBl. II 1981, 612; v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; zum Prinzip der Ist-Einkommensbesteuerung als Subprinzip des Leistungsfähigkeitsprinzips Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Band II2, 631 ff. 6 BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BStBl. II 1988, 348; v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875; aus dem umfangreichen (älteren) Schrifttum nur beispielhaft Salditt, StuW 1971, 107 ff. 7 Zur Besteuerung von Soll-Einkommen im Internationalen Steuerrecht Schaumburg in FS Tipke, 125 (139 ff.). 8 Zur Entstehungsgeschichte des § 1 AStG im Einzelnen Wassermeyer in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 76 ff. 9 Insofern ist das System der Einkünftekorrekturnormen im deutschen Steuerrecht unvollständig. 10 Hierzu Lehner in V/L6, Grundlagen Rz. 20 f.; Tipke, Steuergerechtigkeit, 120.
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D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften
rechtlich verbürgte Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 49 ff., 63 ff. AEUV), wenn die europarechtlich an sich zulässige1 Einkünftekorrektur über das hinausgeht, was zur Erreichung einer angemessenen Aufteilung der Besteuerungshoheiten, zur Verminderung von Steuerumgehungen und zur Bekämpfung missbräuchlicher Praktiken in einer Gesamtbetrachtung erforderlich ist.2 Maßstab für die Einkünfteberichtigung sind Bedingungen für Geschäftsbeziehungen, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder ähnlichen Verhältnissen vereinbart hätten (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AStG).3 Dies entspricht dem international allgemein anerkannten dealing at arm’s length-Prinzip. Andere Hochsteuerländer haben dem § 1 AStG vergleichbare Korrekturvorschriften.4 Trotz internationaler Akzeptanz des dealing at arm’s length-Prinzips ergeben sich in der Besteuerungspraxis der einzelnen Staaten dennoch so erhebliche Abweichungen bei der Einkünfteberichtigung, dass bei grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen zwischen international verbundenen Unternehmen eine Doppelbesteuerung nicht selten unvermeidbar ist.5
21.161
Dass es zu erheblichen Abweichungen bei der Einkünfteberichtigung mit der Folge einer Doppelbesteuerung kommt, beruht u.a. auch darauf, dass für die Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes gem. § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG davon auszugehen ist, „dass die voneinander unabhängigen Dritten alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehungen kennen und nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter handeln“. Diese Transparenzklausel, gilt für den tatsächlichen und hypothetischen Fremdvergleich gleichermaßen6 und ist nicht auf den Anwendungsbereich des § 1 AStG beschränkt. § 1 AStG ergänzt nämlich die übrigen Korrekturnormen, soweit deren Rechtswirkungen über die Rechtswirkungen der anderen Korrekturnormen hinausgehen (§ 1 Abs. 1 Satz 4 AStG; Rz. 21.137).
21.162
1 EuGH v. 21.1.2010 – Rs. C-311/08 – SGI, Slg. 2010, I-487 zu einer dem § 1 Abs. 1 AStG vergleichbaren belgischen Vorschrift; ferner BFH v. 25.6.2014 – I R 88/12, BFH/NV 2015, 57, der offengelassen hat, ob § 1 AStG vollen Umfangs dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entspricht; vgl. Vorlagebeschluss zum EuGH durch FG Rh.-Pf. v. 28.6.2016 – 1 K 1472/13, IStR 2016, 676 (beim EuGH anhängig als Rs. C-382/16 – Hornbach-Baumarkt). 2 Zu Einzelheiten Oellerich in Schaumburg/Englisch, Europäisches Steuerrecht, Rz. 8.125 ff.; Hofacker in Haase3, § 1 AStG Rz.425 ff.; Schönfeld in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 13.17 jeweils mit Hinweisen auf die vom BFH (v. 21.10.2009 – I R 114/08, BStBl. II 2010, 774) zur Hinzurechnungsbesteuerung für möglich gehaltene, hier aber zu verneinende geltungserhaltende Anwendung des § 1 AStG; vgl. ferner Glahe, IStR 2010, 870 (876); Scheipers/Linn, IStR 2010, 469 (472 ff.); Englisch, IStR 2010, 139 (141 f.). 3 Tatsächlicher und hypothetischer Fremdvergleich; obwohl die Formulierung „hätten“ nur auf einen hypothetischen Fremdvergleich hindeutet; hierzu Kaminski, RIW 2007, 594 (594). 4 Vgl. nur den Überblick bei Ernst & Young, Transfer Pricing, 2001 Global Survey sowie im International Tax Review 2008, Nr. 48. 5 Vgl. zur Schiedsverfahrenskonvention der EU und zu abkommensrechtlichen Schiedsverfahren Rz. 19.110 ff. 6 Baumhoff/Liebchen in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 352; Hofacker in Haase3, § 1 AStG Rz. 203; für eine restriktive Auslegung im Sinne einer Anwendbarkeit nur auf den hypothetischen Fremdvergleich Frischmuth, IStR 2007, 485 (486); Frischmuth in FS Schaumburg, 647 (656 ff.).
Schaumburg
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
21.163
Der Geschäftsverkehr zwischen fremden Dritten zeichnet sich allerdings in der Praxis regelmäßig nicht durch Transparenz aus.1 Eine vollständige Information und Markttransparenz gibt es in der Realität nicht.2 In den Fällen jedenfalls des tatsächlichen Fremdvergleichs ist daher die in § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG verankerte Transparenzklausel nicht sachgerecht.3 Sie verstößt auch gegen die abkommensrechtlichen Gewinnberichtigungsvorschriften, da Art. 9 OECD-MA das Gebot der Transparenz der Geschäftsbeziehungen nicht vorsieht.4 Insoweit handelt es sich um ein treaty overriding (Rz. 3.24 f.), das allerdings in § 1 Abs. 1 AStG nicht hinreichend zum Ausdruck kommt.5 Entsprechendes gilt auch bei Anwendung der Schiedsverfahrenskonvention (Rz. 19.114 ff.). Schließlich verstößt die vorgenannte Transparenzklausel auch gegen die europarechtlich verbürgten Grundfreiheiten, weil die hiermit verbundene weitergehende Einkünfteberichtigung6 nur grenzüberschreitend, nicht aber im Inland zur Anwendung kommt. Im Übrigen sind ohnehin Doppelbesteuerungen vorprogrammiert, weil die betreffenden ausländischen Staaten eine derartige Transparenzklausel nicht kennen.
21.164
Zu den Steuerpflichtigen, deren Einkünfte berichtigt werden können, zählen grundsätzlich nur Steuersubjekte, also unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtige Personen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AStG).7 Mitunternehmer sind daher mit ihren Gewinnanteilen einschließlich Sondervergütungen aus einer Personengesellschaft ebenfalls in den persönlichen Anwendungsbereich des § 1 AStG einbezogen.8 Darüber hinaus werden auch Personengesellschaften und Mitunternehmerschaften als Steuerpflichtige fingiert (§ 1 Abs. 1 Satz 2 AStG) mit der Folge, dass insoweit ein Konkurrenzverhältnis besteht (Rz. 21.123). Das bedeutet aber nicht, dass die Einkünftekorrektur sowohl gesellschafter- als auch gesellschaftsbezogen, also doppelt, vorzunehmen ist.9 Im Ergebnis ist daher die Rechtsgrundlage mit der größeren Reichweite maßgeblich.
21.165
Die Berichtigung betrifft lediglich Einkünfte aus Geschäftsbeziehungen, also einzelne oder mehrere zusammenhängende wirtschaftliche Vorgänge (Geschäftsvorfälle), denen keine gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen zugrunde liegen, 1 Vgl. Frischmuth in FS Schaumburg, 647 (656 ff.). 2 Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 3.155; Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmenssteuerreform 2008, 545 f.; Piltz, JbFSt 2007/2008, 99 (149 ff.). 3 Sie ist unter steuerstrafrechtlichen Gesichtspunkten irrelevant; Schaumburg in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 15.142 ff. 4 Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 275; Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 3.157; Kroppen in Kroppen, Hdb. Internationale Verrechnungspreise, FVerl Rz. 107; Borstell/Wehnert in V/B/E, Verrechnungspreise4, Kap. R Rz. 445; Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmenssteuerreform 2008, 546; Wassermeyer, DB 2007, 535 (536); Piltz, JbFSt 2007/2008, 99 ff. 5 Zu Einzelheiten Rz. 3.24. 6 Z.B. grenzüberschreitende Nutzungsüberlassungen der inländischen Mutter- an die ausländische Tochtergesellschaft; Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise internationale verbundener Unternehmen, Rz. 2.77. 7 Gewerbesteuerpflicht reicht nicht aus; Hofacker in Haase3, § 1 AStG Rz. 82. 8 BFH v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875; v. 17.12.1997 – I B 96/97, BStBl. II 1998, 321. 9 Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 2.80.
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D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften
und die entweder beim Steuerpflichtigen oder bei der nahestehenden Person Teil einer Tätigkeit sind, auf die die §§ 13, 15, 18 oder 21 EStG anzuwenden sind oder wären, wenn sich der Geschäftsverfall im Inland unter Beteiligung eines unbeschränkt Steuerpflichtigen und einer inländischen nahestehenden Person ereignet hätte (§ 1 Abs. 4 Nr. 1 AStG). Diese weite Fassung des Ausdrucks „Geschäftsbeziehung“1 führt allerdings nicht dazu, dass alles, was nicht aufgrund einer gesellschaftsvertraglichen Vereinbarung geleistet wird, einer Einkünftekorrektur gem. § 1 AStG ausgesetzt ist. Wegen der Beschränkung auf Geschäftsbeziehungen werden nämlich von vorneherein privat veranlasste Beziehungen sowie solche nicht erfasst, die nicht Gegenstand eines eigenständigen Leistungsverhältnisses zwischen Gesellschafter und Gesellschaft sind.2 Das bedeutet etwa, dass bei einer sog. Dreiecksbeziehung (Rz. 21.157), eine Einkünftekorrektur gem. § 1 AStG bei der Muttergesellschaft wegen grenzüberschreitender unüblicher Geschäftsbeziehungen zwischen ihrer Tochtergesellschaften ausgeschlossen ist.3 Im Kern geht es also um vertragliche (schuldrechtliche) Beziehungen. Die Geschäftsbeziehungen müssen zum Ausland unterhalten werden,4 so dass Geschäftsbeziehungen im Ausland und zum Inland nicht unter den Anwendungsbereich des § 1 AStG fallen.5 Entsprechend der Zielrichtung des § 1 AStG werden damit nur grenzüberschreitende Einkünfteverlagerungen vom Inland in das Ausland erfasst. Das bedeutet, dass aufgrund der Geschäftsbeziehung im Inland eine Einkünfteminderung und damit korrespondierend im Ausland eine Einkünfteerhöhung erfolgt.6 In welcher Weise sich die entsprechenden Vorgänge im In- und Ausland auswirken, ob sie hier oder dort überhaupt der Besteuerung unterliegen, spielt grundsätzlich keine Rolle. Etwas anderes gilt aber in den Fällen, in denen die ausländische Einkünfteerhöhung im Ergebnis im Inland steuerlich erfasst und hierdurch eine Doppelbesteuerung ausgelöst wird. Das ist insbesondere im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung (Rz. 13.172) und der Besteuerung von Streubesitzdividenden (Rz. 18.157) der Fall: Hier wird der aufgrund der Einkünfteverlagerung höhere Gewinn z.B. der ausländischen Tochtergesellschaft (Zwischengesellschaft) bei der inländischen Muttergesellschaft zusätzlich zur Einkünftekorrektur (§ 1 AStG) noch als Hinzurechnungsbetrag (§ 10 Abs. 2 AStG) oder als Streubesitzdividende (§ 8b Abs. 4 KStG) erfasst.7 1 Zur Kritik an dieser unklaren Definition Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 2.96. 2 Vgl. Wassermeyer/Leonhardt in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 2732; Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 2.91; Günkel/Lieber, IStR 2004, 229. 3 Vgl. Wassermeyer/Leonhardt in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 2732; Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 2.98. 4 Zu Einzelheiten Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 2.135 ff.; Vögele/Raab in V/B/E, Verrechnungspreise4, Kap. A Rz. 200 ff. 5 BFH v. 20.4.1988 – I R 41/82, BStBl. II 1988, 868; zu den hierdurch entstehenden „Korrekturlücken“ Ege in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 15 (25 ff.). 6 Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 2.134. 7 Die Doppelbesteuerung ist durch Billigkeitserlass zu beheben; vgl. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Tz. 8.3.2; ferner BFH v. 19.3.2002 – I R 4/01, BStBl. II 2002, 644.
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
21.167
Die Geschäftsbeziehungen müssen schließlich zwischen einem Steuerpflichtigen und einer ihm nahestehenden Person bestehen, die nicht notwendigerweise Steuersubjekteigenschaft haben muss.1 Beziehungen, durch die das Nahestehen einer Person zum Steuerpflichtigen erst begründet wird – etwa durch Beteiligung gem. § 1 Abs. 2 AStG, werden nicht erfasst.2
21.168
Da zu den nahestehenden Personen nur natürliche und juristische Personen sowie Personengesellschaften zählen, wird der innerbetriebliche Geschäftsverkehr zwischen Stammhaus und Betriebsstätte vom Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 AStG nicht unmittelbar erfasst.3 Hierfür gilt die Sonderregelung des § 1 Abs. 5 AStG (Rz. 21.66 ff.).
21.169
Eine Person im vorgenannten Sinne ist dann nahestehend, wenn zwischen ihr und dem unbeschränkt oder beschränkt Steuerpflichtigen ein Beherrschungsverhältnis (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AStG), eine Einflussmöglichkeit außerhalb der Geschäftsbeziehungen (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG) oder eine Interessenidentität (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG) besteht.4 Zu den ein Beherrschungsverhältnis ausfüllenden Beherrschungsmitteln zählt § 2 Abs. 1 Nr. 1 AStG die unmittelbare oder mittelbare gesellschaftsrechtliche Verflechtung – also Muttergesellschaften, Tochtergesellschaften und Schwestergesellschaften – durch eine unmittelbare wesentliche Beteiligung5 oder durch einen unmittelbaren oder mittelbaren beherrschenden Einfluss.
21.170
Als wesentliche Beteiligungen (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 AStG) kommen nur gesellschaftsrechtliche Beteiligungen in Betracht,6 die ein Vermögensrecht vermitteln.7 Als beteiligungsbezogenes Beherrschungsmittel scheiden daher auf obligatorischer Basis bestehende (typisch) stille Beteiligungen, Genussrechte, (eigenkapitalersetzende) Gesellschafterdarlehen sowie Wandlungs- und Optionsrechte aus.8 Die vom Gesetz für die wesentliche Beteiligung verlangte Mindestbeteiligung von 25 % stellt auf eine unmittelbare oder mittelbare Beteiligung ab. Hieraus folgt, dass eine Zusammenrechnung unmittelbarer und mittelbarer sowie von mehreren mittelbaren Beteiligungen nicht in Betracht kommt.9 1 Nahestehende Person kann also z.B. auch eine Personengesellschaft sein. 2 BFH v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875; Wassermeyer/Leonhardt in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 2746; Hofacker in Haase3, § 1 AStG Rz. 103. 3 Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 2.110. 4 Die Anknüpfungspunkte sind abschließend. 5 Mindestens 25 % – eigene Anteile bleiben außer Betracht; vgl. BFH v. 18.4.1989 – VIII R 329/84, BFH/NV 1990, 27; Wassermeyer/Leonhardt in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 515. 6 Beteiligungsfähig sind daher z.B. nicht Stiftungen und Vereine. 7 Auf Stimmrechte kommt es daher nicht an; BFH v. 10.4.2013 – I R 45/11, BStBl. II 2013, 771, Tz. 21; Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 2.113; Hofacker in Haase3, § 1 AStG Rz. 134; Vögele/Raab in V/B/E, Verrechnungspreise4, Kap. A Rz. 209. 8 Wassermeyer/Leonhardt in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 2732; Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 2.113; Vögele/Raab in V/B/E, Verrechnungspreise4, Rz. A 208; z.T. a.A. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Tz. 1.3.2.2 (Verwaltungsgrundsätze 1983). 9 Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 339; Hofacker in Haase3, § 1 AStG Rz. 141; Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 2.119; a.A. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.5.3; Pohl in Blümich, § 1 AStG Rz. 61.
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D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften
Das für das Beherrschungsverhältnis ebenfalls maßgebliche Kriterium des beherrschenden Einflusses (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 AStG) kann nur auf gesellschaftsrechtlicher Basis – etwa bei mit Mehrstimmrechten ausgestatteten nicht wesentlichen Beteiligungen oder auf Stimmrechten ohne vermögensmäßige Beteiligung – sowie auf Unternehmensverträgen (§§ 291 f. AktG) beruhen.1 Der für die vorgenannte und für die übrigen in § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG genannten Fallgruppen maßgebliche beherrschende Einfluss bezieht sich auf die Vereinbarung von Geschäftsbeziehungen und meint ein absolutes Abhängigkeitsverhältnis, das etwa bei mehr als 50 % der Stimmrechte bei nicht wesentlicher Beteiligung an der Gesellschaft gegeben ist.2 § 1 Abs. 2 Nr. 2 AStG erweitert das Nahestehen von Personen über die in § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG genannten Fälle der vertikalen Verflechtung auf Fallgruppen aus, in denen Dritte auf den Steuerpflichtigen und die andere Person Einfluss hat (horizontale Verflechtung).3 Damit werden im Ergebnis vor allem grenzüberschreitende Geschäftsbeziehungen zwischen Schwestergesellschaften einbezogen.4 § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG enthält schließlich die Fallvariante, wonach das Nahestehen gegenüber dem Steuerpflichtigen durch eine geschäftsfremde Einflussmöglichkeit begründet werden kann. Eine Einflussmöglichkeit außerhalb der konkreten („dieser“) Geschäftsbeziehung ist nur dann gegeben, wenn sie sich auf das konkrete Geschäft auswirken kann.5 Die Art des Einflusses ist ohne Bedeutung, sie kann rechtlicher, finanzieller, persönlicher, geschäftlicher oder verwandtschaftlicher Natur sein. Voraussetzung ist allerdings, dass die Einflussmöglichkeit der Sphäre des Steuerpflichtigen oder der Person zugerechnet werden kann. Daher sind bloß marktbedingte Machtstellungen, etwa auf Grund eines Monopols oder Oligopols unbeachtlich.6 Soweit in § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG auf die Interessenidentität abgestellt wird, muss sich diese auf die zur Berichtigung anstehenden Einkünfte beziehen.7 Dieses Interesse kann sowohl wirtschaftlicher als auch persönlicher Art sein.8
21.171
Über Art und Inhalt der grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen zu nahestehenden Personen hat der Steuerpflichtige gem. § 90 Abs. 3 AO Aufzeichnungen zu erstellen. Diese Dokumentationspflicht umfasst zum einen eine Sachverhaltsdokumentation, die den Konzernaufbau und die relevanten geschäftlichen Vorgänge sowie die betreffenden Verträge betrifft, und zum anderen eine Angemessenheitsdokumentation, die sich auf einen transaktionsbezogenen Fremdvergleich bezieht. Der Umfang dieser Dokumentationspflicht wird durch die GAufzV konkretisiert (Rz. 22.24 ff.).
21.172
1 Hierzu Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 2.122; eine bloß faktische Einflussnahme reicht nicht; a.A. BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Tz. 1.3.2.4 (Verwaltungsgrundsätze 1983). 2 Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 2.123; Hofacker in Haase3, § 1 AStG Rz. 146. 3 Hofacker in Haase3, § 1 AStG Rz. 149. 4 Hofacker in Haase3, § 1 AStG Rz. 149; Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 366. 5 Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 2.129. 6 So die im Hinblick auf die misslungene Regelung gebotene einschränkende Auslegung; Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 2.129; Vögele/Raab in V/B/E, Verrechnungspreise4, Rz. A 217. 7 BFH v. 19.1.1994 – I R 93/93, BStBl. II 1994, 725. 8 BFH v. 19.1.1994 – I R 93/93, BStBl. II 1994, 725.
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
21.173
Die Einkünftekorrektur setzt voraus, dass die dem dealing at arm’s length-Prinzip nicht entsprechenden Bedingungen zu einer Minderung der Einkünfte führen. Dies lässt sich erst nach Berücksichtigung eines Vorteilsausgleichs1 feststellen. Der Vorteilsausgleich betrifft nur den Ausgleich von Vor- und Nachteilen verschiedener Rechtsgeschäfte. Vor- und Nachteile eines einheitlichen Rechtsgeschäfts sind dagegen ohne weiteres ausgleichsfähig.2
21.174
Während im Zusammenhang mit verdeckten Gewinnausschüttungen und verdeckten Einlagen ein Vorteilsausgleich nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist (Rz. 21.141), ergeben sich derartige Zulässigkeitsschranken weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck des § 1 Abs. 1 AStG. Danach ist nicht Voraussetzung, dass die Vorteilsverrechnung vereinbart sein muss oder zur Geschäftsgrundlage des nachteiligen Geschäfts gehört.3 Eine derartige Kompensationsabsicht ist vor allem nicht aufgrund des Sinn und Zwecks des § 1 AStG geboten. Denn während Vor- und Nachteilszuwendungen im Rahmen von Geschäftsbeziehungen zwischen nahestehenden Personen durch verdeckte Gewinnausschüttungen einerseits und verdeckte Einlagen andererseits kompensatorische Wirkungen erzeugen können,4 ist die Einkünfteberichtigung gem. § 1 AStG lediglich einseitig zu Lasten des Steuerpflichtigen ausgerichtet (Rz. 21.160). Es entspricht daher dem Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (Rz. 4.10), Vor- und Nachteile von grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen für Zwecke der Einkünfteberichtigung gem. § 1 AStG schon dann auszugleichen, wenn dies auch zwischen fremden Dritten möglich wäre, wofür bereits ein (weiter) Veranlassungszusammenhang ausreicht, ohne dass hierfür zuvor getroffene Vereinbarungen erforderlich sind. Im Unterschied zu dem insbesondere im Rahmen der verdeckten Gewinnausschüttung geltenden Vorteilsausgleich, gilt somit im Rahmen des § 1 Abs. 1 AStG5 ein erweiterter Vorteilsausgleich.6 1 Das ist der Ausgleich zwischen den Ergebnissen aus vorteilhaften und nachteiligen Geschäften. 2 Sog. Palettenbetrachtung: Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 261 ff.; Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 3.173; Dahnke in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 141 f. 3 Anders die Finanzverwaltung (BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.3.1, 2.3.2) und h.M.; vgl. z.B. Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 3.165. 4 Etwa bei Vorteilszuwendungen zwischen Schwestergesellschaften im Dreiecksverhältnis; hierzu Rz. 21.145 f. 5 Ebenso wie für die bilaterale Gewinnkorrekturklausel; hierzu Rz. 19.311. 6 So Borstell in V/B/E, Verrechnungspreise4, Kap. C Rz. 99; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung8, 665 f.; Brezing in B/K/L/M/R, § 1 AStG Rz. 100 ff.; Baranowski, Besteuerung von Auslandsbeziehungen2, Rz. 738, 749; Kreile, BB 1972, 929 (930); Debatin, DStZ A 1972, 265 (268 f.); Hellwig, DStZ A 1973, 13 (17 f.); Woerner, BB 1983, 845 (847); Schaumburg in Schaumburg, Internationale Verrechnungspreise zwischen Kapitalgesellschaften, 1 (9 f.); einschränkend ebenfalls Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 250; Nientimp in M/F, § 1 AStG Rz. 206; a.A. z.B. Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 3.161; Döllerer, Verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen bei Kapitalgesellschaften2, 122; Schöne, FR 1989, 543 (546 f.); BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.3.1 (Verwaltungsgrundsätze 1983).
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D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften
Im Hinblick darauf hängt der Vorteilsausgleich nach § 1 AStG auch nicht davon ab,1 ob
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– über den Vorteilsausgleich im Voraus klare und eindeutige Vereinbarungen getroffen wurden,2 – zwischen den einzelnen Geschäften der Art nach ein unmittelbarer (innerer) Zusammenhang (z.B. Geschäftsgrundlage) besteht,3 – ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den vor- und nachteiligen Geschäften besteht4 und – ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter bei Abschluss der Geschäfte die Unausgewogenheit der Geschäfte in seine Vorstellung aufgenommen hatte.5 Nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 AStG ist ein Vorteilsausgleich lediglich bei gegenseitigen Geschäftsbeziehungen zulässig mit der Folge, dass ein Vorteilsausgleich im Konzern nicht ohne weiteres möglich ist.6 Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Vorteilsausgleich im Drittinteresse erfolgt, wenn ein Nachteil von einem verbundenen Unternehmen in Kauf genommen wird, um von einem anderen verbundenen Unternehmen einen Vorteil zu empfangen. In derartigen Fällen ist die Gegenseitigkeit hergestellt.7 1 Entgegen BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. II 1983, 218, Tz. 2.3.2 (Verwaltungsgrundsätze 1983) und anders als bei verdeckter Gewinnausschüttung; hierzu Rz. 21.141. 2 Aufgrund der von Art. 9 OECD-MA ausgehenden abkommensrechtlichen Sperrwirkung scheitert der Vorteilsausgleich nicht am Fehlen einer im Voraus getroffenen, klaren und eindeutigen Vereinbarung; vgl. BFH v. 11.10.2013 – I R 75/11, BFH/NV 2013, 324; Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 3.168; von verbundenen Unternehmen außerhalb eines Beherrschungsverhältnisses und für Leistungen zwischen Schwestergesellschaften sowie für langfristige und gleich bleibende Geschäftsbeziehungen kann dieses strenge Formerfordernis in der Praxis ohnehin nicht erfüllt werden. 3 Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 3.165; Brezing in B/K/L/M/R, § 1 AStG Rz. 103; Baumhoff, Verrechnungspreise für Dienstleistungen, 149 f.; DIHT, Internationale Verrechnungspreise – DIHT-Planspiel, 11 f.; ein innerer Zusammenhang wird schließlich auch nicht von den OECD-Leitlinien 2010 verlangt; vgl. Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 3.166. 4 Ein Ausgleichszeitraum von acht und mehr Jahren wird für angemessen erachtet z.B. vom DIHT, Internationale Verrechnungspreise – DIHT-Planspiel, 12; für fünf Jahre plädiert Kreile, BB 1972, 929 (930); dagegen den Ausgleich auf die drei folgenden Wirtschaftsjahre begrenzend BMF v. 23.2.1983 – IV C 5 - S 1341 - 4/83, BStBl. I 1983, 218, Tz. 2.3.3 (Verwaltungsgrundsätze 1983). 5 Brezing in B/K/L/M/R, § 1 AStG Rz. 104. 6 Einen Vorteilsausgleich generell nur bei Gegenseitigkeit zulassend: BFH v. 1.8.1984 – I R 99/80, BStBl. II 1985, 18; v. 22.8.2007 – I R 32/06, BStBl. II 2007, 961 (bei verdeckter Gewinnausschüttung); für das Abkommensrecht ebenso OECD-Leitlinien 2010, Tz. 3.13; dagegen einen Vorteilsausgleich im Konzern stets bejahend: Brezing in B/K/L/M/R, § 1 AStG Rz. 105; BStBK, DStR 1981, Beihefter zu Heft 24, zu Rz. 3.2.1; Schröder, StBp. 1981, 6 (14); Katterbe, DB 1983, 365 (366 f.); Schöne, FR 1989, 543 (546 f.). 7 Ähnlich Gosch in Gosch3, § 8 KStG Rz. 263; Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 3.169; Borstell in V/B/E, Verrechnungspreise4, Kap. C Rz. 139; zum Vorteilsausgleich in Abkommensfällen Rz. 19.311.
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21.176
Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
21.177
Die Rechtsfolge der Einkünfteberichtigung nach § 1 AStG besteht darin, dass der Berichtigungsbetrag den betreffenden Einkünften des Steuerpflichtigen hinzuzurechnen ist.1
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Weiter reichen die Rechtsfolgen des § 1 AStG nicht. Daher ist bei bilanzierungspflichtigen Steuerpflichtigen weder der Ansatz eines Wirtschaftsgutes, etwa einer fiktiven Zinsforderung bei unentgeltlicher Darlehensüberlassung, noch eine Hinzuaktivierung auf dem Beteiligungskonto, etwa bei einer Vorteilszuwendung an eine ausländische Tochtergesellschaft geboten.2 Die Einkünfteberichtiung erfolgt somit im Rahmen der zweistufigen Gewinnermittlung3 außerhalb der Steuerbilanz.4
21.179
Wird der zu einer Einkünftekorrektur führende Vermögensvorteil innerhalb eines Konzerns gewährt, etwa von einer inländischen Muttergesellschaft an eine ausländische Tochtergesellschaft, erfolgt eine Werterhöhung der Beteiligung. Ohne Ansatz eines vermögensmäßigen Korrekturpostens außerhalb der Steuerbilanz käme es im Falle einer späteren Ausgleichszahlung, einer Veräußerung der Beteiligung oder bei Liquidation der ausländischen Tochtergesellschaft oder aber bei einem Vermögensverfall bei derselben zu einer Doppelerfassung im Inland, so dass ein und dieselbe Zuwendung doppelt versteuert würde: Einmal über die Einkünfteberichtigung gem. § 1 AStG und ein zweites Mal über den Veräußerungs-/Liquidationsgewinn. Um eine derartige zeitverschobene Doppelbesteuerung zu vermeiden, sind Billigkeitsmaßnahmen (§§ 163, 227 AO) geboten,5 die die Finanzverwaltung6 wie folgt vorgesehen hat: In Höhe des Berichtigungsbetrages ist außerhalb der Steuerbilanz ein Zuschlag vorzunehmen, der im Falle der nachträglichen Ausgleichszahlung oder der Veräußerung/Liquidation der ausländischen Gesellschaft mit der Ausgleichszahlung oder dem Veräußerungs-/Liquidationserlös zu verrechnen ist. Bei einem Vermögensverfall der ausländischen Gesellschaft ist eine erfolgswirksame Teilwertabschreibung auf den außerbilanziellen Korrekturposten allerdings nicht möglich.7
1 In Betracht kommt eine Hinzurechnung insbesondere bei Gewinneinkünften i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1–3 EStG; so BFH v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875; v. 5.12.1990 – I R 94/88, BStBl. II 1991, 287. 2 So BFH v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875. 3 Hierzu Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 2.148 ff.; ferner Rz. 21.3. 4 BFH v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875; BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Tz. 5.3.3 (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren); zur verdeckten Gewinnausschüttung BFH v. 29.6.1994 – I R 137/93, BStBl. II 2002, 366; BMF v. 28.5.2002– IV A 2 - S 2742 - 32/02, BStBl. I 2002, 603 f. 5 BFH v. 30.5.1990 – I R 97/88, BStBl. II 1990, 875. 6 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Tz. 5.5.1 u. 5.5.2 (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren). 7 Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 2.164.
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D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften
III. Korrekturmaßstäbe 1. Allgemeine Hinweise Die Einkünftekorrektur richtet sich bei international verbundenen Kapitalgesellschaften innerhalb der von den DBA gesetzten Schranken nach den Regeln innerstaatlichen Rechts.1 Derartige Regeln enthalten § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG (verdeckte Gewinnausschüttung), § 8 Abs. 3 Sätze 3–6 KStG (verdeckte Einlage), und § 1 AStG (Berichtigung von Einkünften). Zum Tatbestand gehören bei verdeckter Gewinnausschüttung und verdeckter Einlage eine tatsächliche einkommenswirksame Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) und bei § 1 AStG (Berichtigung von Einkünften) eine Einkünfteminderung. Diese für die Einkünftekorrektur maßgeblichen besonderen Normen werden erst auf einer im Rahmen der Einkünfteermittlung2 nachgeordneten Stufe wirksam, auf der der vorläufig errechnete Einkünftebetrag korrigiert wird.3 Ihre Anwendbarkeit setzt einen Korrekturmaßstab voraus. Während die für die verdeckte Gewinnausschüttung und verdeckte Einlage geltenden Normen unmittelbar selbst keine ausdrücklichen Korrekturmaßstäbe enthalten, stellt § 1 Abs. 1 Satz 1 AStG darauf ab, ob die tatsächlich vereinbarten Bedingungen von denen abweichen, die voneinander unabhängige Dritte unter gleichen oder vergleichbaren Verhältnissen vereinbart hätten.4 Hiernach wird also das dealing at arm’s length-Prinzip zum Korrekturmaßstab erhoben. Bei diesem Fremdvergleich, der im Grundsatz dem Fremdvergleich der bilateralen Einkünfte-Korrekturklausel (Art. 9 OECDMA; Rz. 19.289 ff.) entspricht, kommt es darauf an, was andere unabhängige Unternehmen vereinbart hätten. Darüber hinaus stellt § 1 Abs. 1 Satz 3 AStG darauf ab, dass die voneinander unabhängigen Dritten alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehungen kennen (Transparenzklausel) und nach den Grundsätzen ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer handeln. Während die Transparenzklausel einer Parallele sowohl im Abkommensrecht (Art. 9 OECD-MA; Rz. 19.308) als auch im Übrigen nationalen Recht5 entbehrt, steht die Rechtsfigur des (doppelten) ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters6 zwar in Einklang mit dem Abkommensrecht7 und mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur verdeckten Gewinnausschüttung und verdeckten Einlage,8 hierüber gibt es aber keinen internationalen Konsens, so dass insoweit Verständigungsverfahren (Art. 25 OECD-MA) ausgelöst werden können.9 1 Zu den für die abkommensrechtlichen Korrekturklauseln maßgeblichen Grundsätzen Rz. 19.289 ff. 2 §§ 4 Abs. 1; 5 Abs. 1; § 4 Abs. 3; 8; 9 EStG. 3 Zur zweistufigen Gewinnermittlung bei zur Bilanzierung verpflichteten Steuerpflichtigen Wassermeyer in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 2.5; vgl. auch Rz. 21.3. 4 Sog. Ist-Soll-Vergleich. 5 § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG (verdeckte Gewinnausschüttung) und § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG (verdeckte Einlage). 6 Hierzu Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 3.143 ff. 7 Hierzu Wassermeyer in Wassermeyer, Art. 9 OECD-MA Rz. 126 f.; Ditz in Schönfeld/ Ditz, Art. 9 OECD-MA Rz. 60. 8 Ständige Rechtsprechung; seit BFH v. 17.5.1995 – I R 147/93, BStBl. II 1996, 204. 9 Vgl. Wassermeyer, DB 2007, 535 (536).
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
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Obwohl die in Betracht kommenden, in Konkurrenz zueinander stehenden Einkünftekorrekturnormen unterschiedliche Korrekturmaßstäbe1 regeln, führt die Anwendung des § 1 Abs. 1 Satz 4 AStG durchweg dazu, dass bei grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehungen der Fremdvergleichspreis der maßgebliche Korrekturmaßstab ist. Das bedeutet, dass eine Einkünftekorrektur stets dann zu erfolgen hat, wenn etwa der tatsächlich vereinbarte Preis (Verrechnungspreis) vom maßgeblichen Fremdvergleichspreis abweicht. Da es indessen nicht nur um Preise, sondern auch um andere Bedingungen geht, bilden Fremdvergleichswerte die maßgeblichen Orientierungspunkte für angemessene Verrechnungspreise. 2. Ermittlung angemessener Verrechnungspreise
21.182
Die Ableitung angemessener Verrechnungspreise aus den hierfür maßgeblichen Fremdvergleichswerten regelt § 1 Abs. 3 AStG. Hierbei wird unterschieden zwischen tatsächlichem und hypothetischem Fremdvergleich.2 Innerhalb des Anwendungsbereichs des tatsächlichen Fremdvergleichs ist darauf abzustellen, ob die in Betracht kommenden Fremdvergleichswerte uneingeschränkt oder nur eingeschränkt vergleichbar sind. Die vorgenannten Kriterien stehen in einem Drei-Stufen-Verhältnis, so dass der tatsächliche dem hypothetischen Fremdvergleich und im Rahmen des tatsächlichen Fremdvergleichs die uneingeschränkt vergleichbaren den nur beschränkt vergleichbaren Werten vorgehen.3 In Orientierung an dieses Drei-Stufen-Verhältnis entscheidet sich, welche Verrechnungspreismethode zur Anwendung kommt. Darüber hinaus wird hierdurch auch der Umfang einer etwaigen Verrechnungspreiskorrektur determiniert.
21.183
Sind im Rahmen des tatsächlichen Fremdvergleichs uneingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte verfügbar, ist für die Angemessenheit der Verrechnungspreise vorrangig auf die Preisvergleichsmethode, die Wiederverkaufspreismethode oder die Kostenaufschlagsmethode (Standardmethoden) abzustellen.4 Die Fremdvergleichswerte sind am Markt zu ermitteln, wobei die uneingeschränkte Vergleichbarkeit nach Vornahme sachgerechter Anpassungen5 im Hinblick auf die ausgeübten Funktionen, die eingesetzten Wirtschaftsgüter und die übernommenen Chancen und Risiken (Funktionsanalyse)6 hergestellt wer-
1 Zumeist Teilwert oder gemeiner Wert. 2 Tatsächlicher Fremdvergleich: § 1 Abs. 3 Sätze 1–4 AStG; hypothetischer Fremdvergleich: § 1 Abs. 3 Sätze 5–8 AStG. 3 Zu diesem Stufenverhältnis: Baumhoff/Liebchen in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 905; Vögele/ Raab in V/B/E, Verrechnungspreise4, Kap. A Rz. 223; Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 541 (543 f.). 4 Die Standardmethoden stehen gleichrangig nebeneinander, wobei diejenige zu wählen ist, „mit der der Fremdvergleichspreis im konkreten Einzelfall mit der größtmöglichen Wahrscheinlichkeit seiner Richtigkeit ermittelt werden kann“; so BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171. 5 Die Anpassungsrechnungen sind aufzuzeichnen (§ 4 Abs. 4 Buchst. d GAufzV). 6 Hierunter versteht man diejenigen Untersuchungsschritte, die der Ermittlung der von einem verbundenen Unternehmen ausgeübten Tätigkeiten übernommenen Zuständigkeiten und Kompetenzen dienen; zu Einzelheiten Puls in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 4.4.
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D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften
den kann (§ 1 Abs. 3 Satz 1 AStG).1 Eine uneingeschränkte Vergleichbarkeit liegt vor, wenn die Geschäftsbedingungen identisch sind oder Unterschiede bei den Geschäftsbedingungen keine wesentliche Auswirkung auf die Preisgestaltung haben oder Unterschiede in den Geschäftsbedingungen (z.B. unterschiedliche Zahlungsziele) durch hinreichend genaue Anpassungen beseitigt worden sind.2 Diese Voraussetzungen werden in der Praxis nur bei Geschäftsbeziehungen möglich sein, die homogene Güter oder standardisierte Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Unter den vorgenannten Voraussetzungen werden uneingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte nur im Rahmen bestimmter Bandbreiten (§ 1 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 AStG) feststellbar sein.3 Soweit der vereinbarte Verrechnungspreis sich innerhalb dieser Bandbreiten bewegt, ist dieser uneingeschränkt zu akzeptieren.4 Hieraus folgt im Grundsatz, dass für Zwecke der Korrektur stets der für den Steuerpflichtigen günstigste Wert innerhalb der Bandbreite angesetzt werden kann.5 In den Fällen, in denen die ermittelten Fremdvergleichswerte nur eingeschränkt vergleichbar sind, sind diese nach Vornahme sachgerechter Anpassungen – etwa hinsichtlich produktbezogener Differenzierungen und unterschiedlicher Lieferund Zahlungsbedingungen –6 einer geeigneten Verrechnungspreismethode zugrunde zu legen (§ 1 Abs. 3 Satz 2 AStG). Zu den geeigneten Verrechnungspreismethoden gehören in erster Linie die Standardmethoden.7 Neben den vorgenannten (transaktionsbezogenen) Standardmethoden (Preisvergleichsmethode, Wiederverkaufspreismethode und Kostenaufschlagsmethode) kommen als international allgemein anerkannte Methoden8 auch transaktionsbezogene Gewinnmethoden (geschäftsvorfallbezogene Nettomargenmethode)9 und ggf. die Gewinnaufteilungsmethode (geschäftsvorfallbezogene Gewinnaufteilungsmetho1 Vgl. zu den maßgeblichen Vergleichsbarkeitsanpassungen Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 3.112. 2 BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.7 Buchst. a (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren). 3 Zur Entstehung von Preisbandbreiten Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 5.168; Borstell in V/B/E, Verrechnungspreise4, Kap. C Rz. 25; Baumhoff in FS Wassermeyer, 347 (348 ff.). 4 Borstell in V/B/E, Verrechnungspreise4, Kap. C Rz. 25; Greinert in Rödder/Schaumburg, Unternehmensteuerreform 2008, 541 (549); Tz. 3.62 OECD-Leitlinien 2010; BMF v. 12.4. 2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.7 Buchst. a (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren); vorausgesetzt, die ermittelten Daten sind qualitativ zuverlässig. 5 Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 5.181; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1463); BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.7 Buchst. a (VerwaltungsgrundsätzeVerfahren). 6 Hierzu Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 3.117; Hülshorst/Mank in Kroppen, Hdb. Internationale Verrechnungspreise, OECD-Kap. II Rz. 5. 7 BFH v. 17.10.2001 – I R 103/00, BStBl. II 2004, 171; v. 6.4.2005 – I R 22/04, BFH/NV 2005, 1719. 8 Zu den nicht durchgängig akzeptierten Methoden gehört u.a. die globale Gewinnvergleichsmethode (Comparable-Profit-Method – CPM); zu Einzelheiten Greinert in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 5.136. 9 Transactional-Net-Margin-Method – TNMM; zu Einzelheiten Greinert in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 5.92.
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
de)1 in Betracht.2 Sind mehrere eingeschränkt vergleichbare Fremdvergleichswerte3 feststellbar, ist die sich ergebende Bandbreite einzuengen (§ 1 Abs. 3 Satz 3 AStG). Was darunter zu verstehen ist, lässt sich dem Gesetz nicht unmittelbar entnehmen. Angesprochen sind damit indessen statistisch anerkannte Verfahren, die darauf gerichtet sind, Extremwerte (Ausreißerwerte) bei der Ermittlung von Durchschnittswerten auszuschalten.4 Im Vordergrund hierbei steht die sog. Interquartil-Methode,5 bei der sowohl das untere als auch das obere Viertel der Werte der ermittelten Preisbandbreite unberücksichtigt bleibt. Im Ergebnis wird damit die am Markt ermittelte Bandbreite um 50 % pauschal eingeengt.6 Neben dieser Interquartil-Methode, die von der Finanzverwaltung als Regelverfahren angesehen wird,7 sind auch andere Verfahren zulässig, wenn sie geeignet sind, Ausreißerwerte auszuschließen.8 21.185
Liegen die tatsächlich vereinbarten Verrechnungspreise in den Fällen der uneingeschränkt und nur eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerte außerhalb der normalen bzw. eingeengten Bandbreite, hat eine Einkünftekorrektur zu erfolgen, wobei Maßstab der Median ist (§ 1 Abs. 3 Satz 4 AStG). Mit der Bezugnahme auf den Median wird ein statistischer Begriff angewendet. Der Median teilt eine Verteilung in zwei gleiche Hälften dergestalt, dass die Merkmalswerte in der einen Hälfte nicht größer und in der anderen Hälfte nicht kleiner sind.9
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Können auch keine eingeschränkt vergleichbaren Fremdvergleichswerte festgestellt werden, ist ein hypothetischer Fremdvergleich durchzuführen (§ 1 Abs. 3 Satz 5 AStG).10 Das bedeutet, dass ein am Markt zwischen ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleuten typischer Preisbildungsprozess simuliert werden
1 Profit-Split-Method – PSM; zu Einzelheiten Greinert in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 5.123 ff. 2 Ausführlich zu den einzelnen Verrechnungspreismethoden Baumhoff in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 661 ff.; Baumhoff in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 5.2 ff.; Vögele/Raab in V/B/E, Verrechnungspreise4, Kap. D Rz. 1 ff. 3 Gemeint sind Fremdvergleichspreise. 4 Hierzu Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 541 (551). 5 Interquartile-Range; Begründung des Regierungsentwurfs § 1 Abs. 3 Satz 3 AStG, BRDrucks. 220/07, 143 unter Hinweis auf BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.12.5 (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren). 6 Zur Kritik hieran Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 5.194; Baumhoff in FS Wassermeyer, 347 (362 ff.); Werra, IStR 2005, 19 (21); Finsterwalder, DStR 2005, 765 (769). 7 Vgl. BMF v. 12.4.2005 – IV B 4 - S 1341 - 1/05, BStBl. I 2005, 570, Tz. 3.4.20 Buchst. d (Verwaltungsgrundsätze-Verfahren); Schreiber in Kroppen, Hdb. Internationaler Verrechnungspreise, Verf. Rz. 3.4.12.5 Rz. 225. 8 Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 5.203. 9 Zu Einzelheiten Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 5.200 mit Kritik an dieser mehr als zweifelhaften Methode; Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 541 (551 f.). mit dem Hinweis, dass diese Methode eine ungerade Zahl von Merkmalswerten unterstellt; unter steuerstrafrechtlichen Gesichtspunkten ist der Median ohne Bedeutung; Schaumburg in Schaumburg/Peters, Internationales Steuerstrafrecht, Rz. 15.151. 10 Diese Pflicht obliegt dem Steuerpflichtigen.
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D. Einkünftezuordnung bei Kapitalgesellschaften
muss.1 Hierbei ist davon auszugehen, dass die auf der Anbieter- und Nachfrageseite gedachten ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter2 alle wesentlichen Umstände der Geschäftsbeziehungen kennen (§ 1 Abs. 3 Satz 5 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 2 AStG).3 Im Rahmen des vorgenannten simulierten Preisbildungsprozesses ist auf Grund einer Funktionsanalyse und innerbetrieblicher Planrechnungen der Mindestpreis des Leistenden und der Höchstpreis des Leistungsempfängers unter Berücksichtigung funktions- und risikoadäquater Kapitalisierungszinssätze zu ermitteln (§ 1 Abs. 3 Satz 6 AStG). Hierdurch entsteht ein Einigungsbereich, der letztlich von den jeweiligen Gewinnerwartungen (Gewinnpotentialen) bestimmt wird. § 1 Abs. 3 Satz 6 AStG unterstellt somit, dass die Preisobergrenze des Leistungsempfängers stets über der Preisuntergrenze des Leistenden liegt (Einigungsbereich). Liegt die Preisobergrenze des Leistungsempfängers dagegen unter der Preisuntergrenze des Leistenden kommt, jedenfalls nach den üblichen Gesetzmäßigkeiten des Marktes kein Geschäft zustande. In einem derartigen Fall versagt somit auch der hypothetische Fremdvergleich, ohne dass sich aus dem Gesetz ergibt, welcher Verrechnungspreis sodann angemessen sein soll.4 Das Gebot, auf Grund einer Funktionsanalyse und innerbetrieblicher Planrechnungen den Mindestpreis des Leistenden und den Höchstpreis des Leistungsempfängers unter Einbeziehung der jeweiligen Gewinnerwartungen (Gewinnpotentiale) zu ermitteln, läuft im Kern auf eine doppelte ertragswertorientierte Bewertung hinaus,5 die denen der Unternehmensbewertung entsprechen.6 Auf der Grundlage des so ermittelten Einigungsbereichs7 ist derjenige Verrechnungspreis angemessen, der innerhalb dieses Einigungsbereichs angesiedelt ist und der dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht, wo-
1 Baumhoff/Liebchen in F/W/B/S, § 1 AStG Rz. 1041 ff.; Hofacker in Haase3, § 1 AStG Rz. 255; Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 3.132; Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 541 (553). 2 Zum doppelten ordentlichen, gewissenhaften Geschäftsleiter: BFH v. 17.5.1995 – I R 147/93, BStBl. II 1996, 204; Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 3.143 ff.; Borstell in V/B/E, Verrechnungspreise4, Kap. C Rz. 81 ff. 3 Zur Kritik an dieser realitätsfernen Transparenzklausel, die zudem mit Art. 9 OECD-MA unvereinbar ist: Kaminski in S/K/K, § 1 AStG Rz. 269 f.; Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 5.208; Roeder, Ubg 2008, 202 (205); Piltz, JbFStR 2007/2008, 99 (149 ff.). 4 Zur Kritik Kahle in H/K/G/R, § 1 Abs. 2–5 AStG Rz. 131; Baumhoff/Ditz/Greinert, DStR 2007, 1461 (1464); Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2004, 541 (554). 5 Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 5.208; Schreiber, Ubg 2008, 433 (434 ff.). 6 Hierzu Greinert in Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform 2008, 541 (554 f.); Greinert, Ubg. 2010, 102 ff. 7 Zu den einzelnen Bestimmungsfaktoren des Einigungsbereichs Baumhoff/Liebchen in W/B, Verrechnungspreise international verbundener Unternehmen, Rz. 5.215 ff.
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Kap. 21 Grundsätze internationaler Einkünftezuordnung
bei im Zweifel der Mittelwert1 des Einigungsbereichs2 den angemessenen Verrechnungspreis abbildet (§ 1 Abs. 3 Satz 7 AStG).3 21.188
Weicht der tatsächlich vereinbarte Verrechnungspreis vom Mittelwert des Einigungsbereichs oder von dem Wert innerhalb des Einigungsbereichs ab, der dem Fremdvergleichsgrundsatz mit der höchsten Wahrscheinlichkeit entspricht, hat eine Einkünftekorrektur zu erfolgen. § 1 Abs. 3 Satz 8 AStG enthält indessen eine Erleichterung dahingehend, dass eine Einkünftekorrektur unterbleiben kann,4 wenn der zugrunde gelegte Einigungsbereich unzutreffend ermittelt wurde und der tatsächlich vereinbarte Verrechnungspreis einem Wert entspricht, der innerhalb des zutreffend ermittelten Einigungsbereichs liegt.5 Etwas anderes gilt in den Fällen, in denen wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter und Vorteile Gegenstand der Geschäftsbeziehungen sind. Hiernach gilt: Weicht die tatsächliche spätere Gewinnentwicklung erheblich von der Gewinnentwicklung ab, die der Verrechnungspreisbestimmung zugrunde lag, ist widerlegbar zu vermuten, dass zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses Unsicherheiten im Hinblick auf die Preisvereinbarung bestanden und unabhängige Dritte eine sachgerechte Anpassungsregelung vereinbart hätten (§ 1 Abs. 3 Satz 11 AStG). 3. Verrechnungspreismethoden
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In der Praxis haben sich für Zwecke der Konkretisierung des Fremdvergleichs Standardmethoden6 entwickelt, die unabhängig davon, welche Einkünftekorrekturnorm eingreift, angewendet werden. Zu diesen Standardmethoden gehören die Preisvergleichs-, Wiederverkaufspreis- und die Kostenaufschlagsmethode. Diese Standardmethoden haben internationale Akze