Interkulturelle Kompetenz im Umgang mit arabischen Geschäftspartnern: Ein Trainingsprogramm [1. Aufl.] 9783839406441

Fixierte und übergeneralisierte Meinungen gegenüber Vertretern der arabischen Kultur sind in der Praxis häufig unerkannt

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German Pages 210 Year 2015

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Table of contents :
Inhalt
Verzeichnis der Tabellen/Abbildungen
Vorwort
Einleitung
I. Interkulturelle Barrieren in der Zusammenarbeit zwischen deutschen und arabischen Partnern
1.1 Problemstellung: Stereotypen als Barrieren
1.2 Stereotype: Die wechselvolle Geschichte des Begriffes
1.2.1 Definitionen
1.2.2 Facetten von Stereotypen
1.2.3 Eine funktionale Konzeption von Stereotypen
1.3 Stereotypen über Araber
1.3.1 Ergebnisse der Re-Analyse: Stereotype über Araber
1.3.2 Stereotypen und Vorurteile gegenüber Muslimen und Arabern in der Literatur
1.3.3 Vergleich der empirisch gefundenen Stereotypen-Kategorien mit den Kategorien aus der Literatur
1.4 Fazit
II. Interkulturelle Kompetenz im Kontext von Stereotypen
2.1 Einführung
2.2 Interkulturelle Kompetenz (IK)
2.3 Einfluss von Stereotypen auf die IK
2.3.1 Welche theoretischen Ansätze zur interkulturellen Kompetenz inkorporieren Stereotype?
2.3.2 Gibt es empirische Studien, die die Auswirkungen von Stereotypen auf das Handeln nachweisen?
2.4 Ansätze und Bedingungen der Veränderung von Stereotypen
2.4.1 Soziale Kategorisierung und automatische Aktivierung
2.4.2 Abschließende Diskussion und Fazit
III. Veränderung von Stereotypen durch interkulturelles Training
3.1 Das interkulturelle Training
3.1.1 Typologisierung
3.1.2 Ziele interkultureller Trainings
3.2 Relevanz von Stereotypen in interkulturellen Trainings
3.3 Trainingsgrundlagen und -ziele
3.3.1 Wahrnehmung der Handlungseinengung
3.3.2 Strategien im Umgang mit der wahrgenommenen Handlungseinengung
3.3.3 Trainingsziele
3.4 Durchführung des Trainings
3.4.1 Trainingsablauf
3.4.2 Länderkonferenzplanspiel
3.4.3 Rollenspiele
3.4.3.1 Rollenspiel »Indirekte Kommunikation«
3.4.3.2 Rollenspiel »Korruption«
3.4.3.3 Rollenspiel »Unpünktlichkeit«
3.4.3.4 Rollenspiel »Persönliche Beziehungen«
3.4.3.5 Rollenspiel »Unzuverlässige Vertragspartner«
3.5 Zielgruppen und Evaluation des Trainings
3.5.1 Evaluierungsrahmen und -ablauf
3.5.2 Zusammenfassende Ergebnisse
3.5.3 Implikationen und Perspektiven
IV. Die arabisch-islamische Welt im Überblick
4.1 Einführung
4.2 Wer sind die Araber?
4.3 Pragmatische Gruppierung der arabischen Staaten
4.4 Die arabische Sprache
4.5 Die Religion
4.5.1 Die Quellen des Islam und Muhammad
4.5.2 Hauptrichtungen im Islam
4.5.3 Glaubensgrundsätze und Säulen des Islam
4.5.4 Die Heiligen Stätten und Institutionen
4.5.5 Ausbreitung und Besonderheiten des Islam
4.6 Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Alleinstellungsmerkmale von Ländern im arabisch-islamischen Kulturraum
4.6.1 Religion und Säkularität
4.6.2 Scharia und Rechtspraxis
4.6.3 Traditionelle Werte
4.6.4 Familien, Clans und Stämme
4.6.5 Arabische Identität, Gemeinsamkeiten und Alleinstellungsmerkmale
4.6.5.1 Der Nahostkonflikt als einigendes Element
4.6.5.2 Entwicklungsdefizite als Gemeinsamkeiten
4.6.5.3 Gemeinsamkeiten zwischen Subregionen
4.6.5.4 Alleinstellungsmerkmale
4.6.6 Missverständnisse und Korrekturversuche
4.7 Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen deutscher und arabischer Geschäftswelt
4.7.1 Wirtschaftliche Bedeutung der arabischen Länder
4.7.2 In der Geschäftswelt relevante Gemeinsamkeiten und Unterschiede
4.8 Begrüßungs- und Interaktionsrituale
Anhang
Anlage 1: Daten zu Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur der 22 arabischen Staaten
Anlage 2: Arabische Schlüsselbegriffe (Auszug)
Anlage 3: Gesprächsprotokolle von vier Interviews (Fallbeschreibungen)
Literaturliste
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Interkulturelle Kompetenz im Umgang mit arabischen Geschäftspartnern: Ein Trainingsprogramm [1. Aufl.]
 9783839406441

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Elias Jammal, Ulrike Schwegler Interkulturelle Kompetenz im Umgang mit arabischen Geschäftspartnern

Elias Jammal (Prof. Dr. phil.) lehrt an der Hochschule Heilbronn u.a. vergleichende Verhaltenswissenschaften und interkulturelle Studien mit dem regionalen Bezug auf den arabisch-islamischen Raum. Er leitet das Orient Institut für Interkulturelle Studien (OIS) und ist darüber hinaus als Berater und Trainer tätig. Ulrike Schwegler (M.A.) ist als wissenschaftliche Mitarbeiterin des Orient Instituts für Interkulturelle Studien (OIS) tätig und promoviert zum Thema Vertrauen in deutsch-indonesischen Kooperationen.

Elias Jammal, Ulrike Schwegler

Interkulturelle Kompetenz im Umgang mit arabischen Geschäftspartnern Ein Trainingsprogramm

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

© 2007 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Lektorat: Elias Jammal, Ulrike Schwegler Satz: Jörg Burkhard, Bielefeld Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-89942-644-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

Inhalt

Verzeichnis der Tabellen/Abbildungen................................................. 9 Vorwort .................................................................................................. 13 Einleitung............................................................................................... 15 I.

Interkulturelle Barrieren in der Zusammenarbeit zwischen deutschen und arabischen Partnern .......................... 25

1.1 Problemstellung: Stereotypen als Barrieren .................................... 25 1.2 Stereotype: Die wechselvolle Geschichte des Begriffes.................. 28 1.2.1 Definitionen ........................................................................... 28 1.2.2 Facetten von Stereotypen..................................................... 29 1.2.3 Eine funktionale Konzeption von Stereotypen ..................... 31 1.3 Stereotypen über Araber ................................................................. 36 1.3.1 Ergebnisse der Re-Analyse: Stereotype über Araber ........... 36 1.3.2 Stereotypen und Vorurteile gegenüber Muslimen und Arabern in der Literatur ......................................................... 48 1.3.3 Vergleich der empirisch gefundenen StereotypenKategorien mit den Kategorien aus der Literatur .................. 53 1.4 Fazit ................................................................................................ 55 II.

Interkulturelle Kompetenz im Kontext von Stereotypen............ 57

2.1 Einführung ....................................................................................... 57 2.2 Interkulturelle Kompetenz (IK) ......................................................... 58

2.3 Einfluss von Stereotypen auf die IK................................................. 63 2.3.1 Welche theoretischen Ansätze zur interkulturellen Kompetenz inkorporieren Stereotype? ................................. 64 2.3.2 Gibt es empirische Studien, die die Auswirkungen von Stereotypen auf das Handeln nachweisen? ......................... 67 2.4 Ansätze und Bedingungen der Veränderung von Stereotypen ....... 68 2.4.1 Soziale Kategorisierung und automatische Aktivierung ........ 69 2.4.2 Abschließende Diskussion und Fazit .................................... 71 III. Veränderung von Stereotypen durch interkulturelles Training................................................................ 75 3.1 Das interkulturelle Training ............................................................. 75 3.1.1 Typologisierung..................................................................... 75 3.1.2 Ziele interkultureller Trainings............................................... 77 3.2 Relevanz von Stereotypen in interkulturellen Trainings................... 78 3.3 Trainingsgrundlagen und -ziele ....................................................... 80 3.3.1 Wahrnehmung der Handlungseinengung ............................. 80 3.3.2 Strategien im Umgang mit der wahrgenommenen Handlungseinengung ............................................................ 81 3.3.3 Trainingsziele........................................................................ 84 3.4 Durchführung des Trainings ............................................................ 88 3.4.1 Trainingsablauf ..................................................................... 88 3.4.2 Länderkonferenzplanspiel.................................................... 91 3.4.3 Rollenspiele ......................................................................... 96 3.4.3.1 Rollenspiel »Indirekte Kommunikation« ............................. 99 3.4.3.2 Rollenspiel »Korruption« .................................................. 103 3.4.3.3 Rollenspiel »Unpünktlichkeit«........................................... 106 3.4.3.4 Rollenspiel »Persönliche Beziehungen« .......................... 111 3.4.3.5 Rollenspiel »Unzuverlässige Vertragspartner« ................ 116 3.5 Zielgruppen und Evaluation des Trainings .................................... 122 3.5.1 Evaluierungsrahmen und -ablauf ........................................ 122 3.5.2 Zusammenfassende Ergebnisse ........................................ 123 3.5.3 Implikationen und Perspektiven .......................................... 124 IV. Die arabisch-islamische Welt im Überblick .............................. 125 4.1 Einführung ..................................................................................... 125 4.2 Wer sind die Araber?..................................................................... 127 4.3 Pragmatische Gruppierung der arabischen Staaten ..................... 130 4.4 Die arabische Sprache .................................................................. 130

4.5 Die Religion ................................................................................... 132 4.5.1 Die Quellen des Islam und Muhammad .............................. 132 4.5.2 Hauptrichtungen im Islam ................................................... 134 4.5.3 Glaubensgrundsätze und Säulen des Islam ....................... 135 4.5.4 Die Heiligen Stätten und Institutionen................................. 136 4.5.5 Ausbreitung und Besonderheiten des Islam ....................... 137 4.6 Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Alleinstellungsmerkmale von Ländern im arabisch-islamischen Kulturraum......................... 138 4.6.1 Religion und Säkularität ...................................................... 138 4.6.2 Scharia und Rechtspraxis ................................................... 140 4.6.3 Traditionelle Werte.............................................................. 142 4.6.4 Familien, Clans und Stämme.............................................. 143 4.6.5 Arabische Identität, Gemeinsamkeiten und Alleinstellungsmerkmale .............................................. 144 4.6.5.1 Der Nahostkonflikt als einigendes Element ...................... 145 4.6.5.2 Entwicklungsdefizite als Gemeinsamkeiten...................... 146 4.6.5.3 Gemeinsamkeiten zwischen Subregionen ....................... 146 4.6.5.4 Alleinstellungsmerkmale................................................... 148 4.6.6 Missverständnisse und Korrekturversuche ......................... 149 4.7 Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen deutscher und arabischer Geschäftswelt ....................................................... 154 4.7.1 Wirtschaftliche Bedeutung der arabischen Länder ............. 154 4.7.2 In der Geschäftswelt relevante Gemeinsamkeiten und Unterschiede................................................................ 156 4.8 Begrüßungs- und Interaktionsrituale ............................................. 160 Anhang................................................................................................. 165 Anlage 1: Daten zu Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur der 22 arabischen Staaten ......................................... 165 Anlage 2: Arabische Schlüsselbegriffe (Auszug) .................................. 189 Anlage 3: Gesprächsprotokolle von vier Interviews (Fallbeschreibungen)........................................... 190 Literaturliste ........................................................................................ 193

Verzeichnis der Tabellen/ Abbildungen

Tabellen 1 Die häufigsten 10 Kategorien mit Unterkategorien............................ 37 2 Die in der Literatur häufigsten Stereotype gegenüber Arabern......... 50 3 Vergleich der empirisch ermittelten Kategorien mit den Kategorien aus der Literatur ................................................. 54 4 Typologie interkultureller Trainings (nach Fowler/Blohm, 2004) ....... 75 5 Trainingsablauf.................................................................................. 89 6 Die Rollenspiele ................................................................................ 97 7 Angaben zu den Trainingsteilnehmern (Auszug) ............................ 122 8 Die arabischen Länder laut UNO und arabischer Liga.................... 128 9 HDI-Rang der arabischen Staaten laut UNDP ................................ 147 Abbildungen 1 Landkarte mit den arabischen Staaten............................................ 131 2 Handel Deutschlands mit den 22 arabischen Staaten (Eigene Darstellung basierend auf GHORFA-Daten 2006)............. 155 3 Direktinvestitionen Deutschlands in 10 arabischen Staaten (Eigene Darstellung basierend auf Daten der Deutschen Bundesbank 2004) .......................................................................... 155 4 Handel zwischen Baden-Württemberg und vier arabischen Staaten (Eigene Darstellung basierend auf GHORFA-Daten, 2005) ............................................................. 156 5 Stadtbild aus Beirut/Libanon ........................................................... 157

Komm! Ins Offene, Freund! Zwar glänzt ein Weniges heute Nur herunter und eng schließet der Himmel uns ein. Weder die Berge sind noch aufgegangen des Waldes Gipfel nach Wunsch und leer ruht von Gesange die Luft. Trüb ists heut, es schlummern die Gäng und die Gassen Und fast will Mir es scheinen, es sei, als in der bleiernen Zeit. Dennoch gelinget der Wunsch, Rechtgläubige Zweifeln an Einer Stunde nicht und der Lust bleibe geweihet der Tag. Denn nicht wenig erfreut, was wir vom Himmel gewonnen, wenn ers weigert und doch gönnet den Kindern zuletzt. Nur dass solcher Reden und auch der Schritt’ und der Mühe Wert der Gewinn und ganz wahr das Ergötzliche sei. Darum hoff ich sogar, es werde, wenn das Gewünschte Wir beginnen und erst unsere Zunge gelöst, Und gefunden das Wort, und aufgegangen das Herz ist, Und von trunkener Stirn höher Besinnen entspringt, Mit der unsern zugleich des Himmels Blüte beginnen, Und dem offenen Blick offen der Leuchtende sein.

Friedrich Hölderlin, aus: Der Gang aufs Land. An Landauer

Vorw ort

Fast jeder kennt die Erfahrungen, die mit dem Erschließen neuer, bislang »fremder« Lebenswelten verbunden sind, aus alltäglichen Situationen wie denen eines Umzugs, der Ankunft auf einem bislang unbekannten Bahnhof oder dem erstmaligen Genuss bestimmter Speisen: Man sucht – mehr oder minder bewusst – nach annäherungsweise Bekanntem, nach Anhaltspunkten, die Orientierung zu geben vermögen, nach dem Stein, der im Fluss der einströmenden neuen Erfahrungen Halt und Vertrautheit verspricht. Die Art und Weise, wie dieser Suchprozess verläuft, entscheidet oft bereits über den Orientierungserfolg. Je stärker man dazu neigt nach dem Motto »Das ist doch wie…« 1:1-Entsprechungen zu bereits Bekanntem zu konstruieren, desto geringer ist die Bereitschaft und letztlich auch die Fähigkeit, das Fremde in seiner Andersheit und der Vielfalt seiner neuen Möglichkeiten zu entdecken. Man arbeitet, meist unter pragmatischem Vorzeichen oder auch schlicht aus Gründen des Selbstschutzes, mit starren, verfestigten (gr.: stereos) Vorstellungsmustern (gr.: typos), die zwar bestens geeignet scheinen, die Komplexität des Fremden auf ein handhabbares Maß zu reduzieren, die andererseits aber auch die Offenheit gegenüber potentiell Neuem verstellen. Allerdings – um im Bild zu bleiben: Schwimmen lernt man nur im Wasser, nicht aber mittels Trockenübungen auf einem (zweifellos Sicherheit und Schutz bietenden) »Stein«. Hat man sich einmal an die Bequemlichkeit gewöhnt, die mit stereotypengeleiteter Ordnung von Lebenswelten verbunden ist, resultiert leicht eine Dauerimmunität gegenüber allem, was nicht in bestehende Schemata »passt«: Es bleibt unverstanden oder wird aus dem eigenen Gesichtsfeld ausgegrenzt. Hieran ändert auch die Dauer der physischen Präsenz in »fremden« Lebenswelten nichts. Schlimmer noch sind die Konsequenzen, die dann resultieren, wenn solche stereotypen Bilder des Weltver-

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ständnisses ungeprüft (weil sie ja mit dem Siegel der Glaubhaftigkeit von Primärerfahrungen versehen sind) in die private und öffentliche Meinungsbildung »daheim« Eingang finden. Auf diese Weise werden »imaginierte Identitäten« des Fremden konstruiert, die aus der Innenperspektive dieses Fremden als ungerecht, haltlos, verletzend oder ignorant wahrgenommen werden können und ihrerseits dann deutliche Gegenreaktionen provozieren. Aus interkultureller Perspektive ist damit eine der denkbar ungünstigsten und problematischsten Voraussetzungen gegeben. An diesem Punkt setzen die Überlegungen der Studie von Elias Jammal und Ulrike Schwegler ein: Es geht um die Frage, wie kulturelle Vorbereitungstrainings für Entsendungskandidaten in ausgewählte arabische Länder konzipiert sein sollten, um die Bereitschaft zu wecken, »fremde« Lebenswelten differenziert wahrzunehmen und der Versuchung einer leichtfertigen Komplexitätsreduktion zu widerstehen. Wertvoll ist die Studie vor allem deshalb, weil sie ein solches Training auf der Grundlage umfangreicher empirischer Untersuchungen zum Stereotypengebrauch deutscher Entsandter in arabischen Ländern entwickelt. Damit ist gleichzeitig das Alleinstellungsmerkmal des (im übrigen aus Trainersicht sehr benutzerfreundlich konzipierten) Trainings charakterisiert: Es baut auf konkreten Entsandtenerfahrungen auf und realisiert dementsprechend bedarfsgerecht Wege der Vermittlung einer differenzierten Sichtweise spezifischer Merkmale lebensweltlicher Zusammenhänge in arabisch-islamischen Gesellschaften. Dies geschieht sowohl in kognitiver als auch in erfahrungsorientierter Hinsicht, so dass das Training mit dem Lernziel einer »nachhaltigen Differenziertheit« verknüpft werden kann. Die Bedeutung eines in dieser Weise wissenschaftlich fundierten Trainings zur Vorbereitung auf Tätigkeiten im arabisch-islamischen Raum kann vor dem Hintergrund der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Situation nicht genügend hervorgehoben werden. Aber auch diejenigen, die das Training nicht selbst anwenden, werden von der Lektüre des Bandes profitieren: durch eine nachhaltige Differenziertheit ihres Blicks auf »die« arabische Welt. Prof. Dr. Jürgen Bolten Interkulturelle Wirtschaftskommunikation Friedrich-Schiller-Universität Jena

Einleitung

Eine eingehende Beschäftigung mit interkulturellen Trainings für den arabischen Raum erscheint zum gegenwärtigen Zeitpunkt aus unterschiedlichen Gründen nicht nur angebracht, sondern notwendig. Jedoch sind Trainingsansätze zur Vorbereitung von deutschen Fach- und Führungskräften auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit ihren arabischen Geschäftspartnern extrem rar gesät, obschon der arabische Raum – wie im Folgenden gezeigt wird – eine besondere soziopolitische und wirtschaftliche Stellung einnimmt.

Zur soziopolitischen Bedeutung des arabischen Raumes Aus der Vielzahl von sozialpolitischen Themen seien nur zwei genannt: In den Medien hierzulande lässt sich eine zunehmende Polarisierung zwischen den zwei Konstrukten »Islam« und »Westen« beobachten, was sich im Zuge der Ereignisse vom 11. September 2001 besonders verschärft hat. Des Weiteren erregt gegenwärtig die Diskussion um die Integration von Muslimen in Europa besondere Aufmerksamkeit. Verschiedene Zerrbilder in den Medien erhitzen die Gemüter über beide Themen, was nicht zuletzt häufig zu einem Bild von Bedrohung zu verschmelzen scheint. Derartige Vorstellungen sind für die Arbeit von deutschen Fachund Führungskräften mit ihren arabischen Geschäftspartnern sicherlich nicht förderlich. Das in diesem Buch dargestellte Training bietet Hilfestellungen, derartige Zerrbilder zu entlarven und einen geeigneten Umgang damit zu schulen.

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Zur wirtschaftlichen Bedeutung des arabischen Raums Im Zuge gegenwärtiger Internationalisierungs- und Globalisierungsprozesse öffnen sich immer häufiger klein- und mittelständische Unternehmen den Chancen des internationalen, insbesondere aber denen des arabischen Marktes: »Das Potenzial des Wirtschaftraums südlich und östlich des Mittelmeers ist riesig, die deutsche Wirtschaft muss es nur entdecken«, erklärt der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages Ludwig G. Braun (Handelsblatt vom 14.06.05). Braun zufolge reduziert sich die Bedeutung des arabischen Raumes nicht auf die Tatsache, dass dort immense Öl- und Gasreserven zu finden sind. Mit über 300 Mio. Menschen, so Braun, stellen die arabischen Staaten einen schnell wachsenden Markt dar, mit einer großen Nachfrage an Bildung, Dienstleistungen, Konsum- und Investitionsgütern. Geradezu täglich gibt es in den Medien Berichte über Mammutprojekte (Tourismus, Infrastruktur etc.) in den Vereinigten Arabischen Emiraten, in Katar etc. Auf der arabischen Halbinsel entsteht zwischen den Staaten des Golf Cooperation Council (GCC) eine Währungsunion. Dass davon auch baden-württembergische Unternehmen1 profitieren, belegt die Statistik der IHK, wonach im Zeitraum von 2003 bis 2004 der Außenhandel in der Region Nah- und Mittelost-/Nordafrika in fast allen Ländern gestiegen ist. So sind die Vereinigten Arabischen Emirate mit einem Volumen von ca. 565 Mio. Euro im Jahre 2004 der wichtigste Importeur baden-württembergischer Produkte. Libyen verzeichnete in den Jahren 2003 bis 2004 mit einem Zuwachs von 52,69 % an Importen aus Baden-Württemberg die stärksten Zunahmen.

Ergebnisse bisheriger Forschungsarbeit In einem früheren Forschungsprojekt, das von November 2000 bis April 2002 an der Hochschule Heilbronn durchgeführt wurde und der Erstellung eines Leitfadens für mittelständische Unternehmen zur Verbesserung von Geschäftsbeziehungen in arabisch-islamischen Ländern diente (Jammal, 2003), stießen wir gleichsam zufällig auf zwei Tendenzen in den Interviews mit deutschen Fach- und Führungskräften, die als Auslandsentsandte ihrer Unternehmen in Ägypten, Jordanien und Marokko tätig waren: Zum einen stellten wir eine eher negative stereotype bzw. 1 Die besondere Hervorhebung von Unternehmen aus dem Bundesland Baden-Württemberg ist dadurch begründet, dass das Forschungsprojekt vom dortigen Ministerium für Wissenschaft und Kunst (MWK) gefördert wurde.

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übergeneralisierte Beschreibung von Menschen und Verhaltensweisen in den arabischen Ländern fest. Zum anderen war eine geringe Varianz in der Wahl möglicher Handlungsstrategien zu verzeichnen. Diese Feststellung führte dazu, dass wir alle 64 Interviews, die mit deutschen Fach- und Führungskräften zu ihren berufsbezogenen Erfahrungen in Jordanien, Ägypten und Marokko durchgeführt wurden, erneut auswerteten. Erfasst wurden hierbei sowohl die stereotypen Aussagen als auch die Handlungsstrategien der deutschen Manager. Um Missverständnisse zu vermeiden: Es ist nicht unser Anliegen, Stereotype im Sinne der Tradition der Stereotypenforschung zu untersuchen, sowenig es unsere Absicht ist, Stereotype in einem moralischen Verständnis zu behandeln. Das Ziel der vorgestellten Re-Analyse war hingegen, zentrale Problemfelder zu identifizieren, die im Zusammenhang mit Stereotypen entstehen, gefestigt und zementiert werden und zu Barrieren in der deutsch-arabischen Kooperation führen können. Die Erkenntnisse aus dieser Re-Analyse dienen nicht zuletzt als empirische Fundierung unseres kulturspezifischen Trainings, welches im dritten Kapitel dieser Arbeit vorgesellt wird.

Barrieren erfolgreicher Zusammenarbeit: S t e r e o t yp e u n d V o r u r t e i l e In der Praxis häufig unbeachtete Barrieren einer erfolgreichen Kooperation zwischen deutschen und arabischen Geschäftspartnern sind übergeneralisierte, starre, vorgefertigte und oftmals negative Vorbehalte gegenüber Vertretern der arabischen Kultur. Gemeint sind: Vorurteile und Stereotype. Zur Stolperfalle können Vorurteile und Stereotype werden, wenn unser Denken und Handeln – in der Regel unbewusst – durch diese vorgefertigten unzureichenden Denkmuster und Urteile gesteuert werden. Die Folge ist, dass alternative Interpretationen zur Handlungsweise des Partners in Überlegungen nicht miteinbezogen werden und eigene, alternative Reaktionen und Handlungsweisen nicht in Betracht gezogen werden. Mit anderen Worten: Stereotype und Vorurteile stellen eine konterproduktive Einengung der Wahrnehmungs-, Interpretations- und Handlungsspielräume der Akteure dar. Die hier thematisierten Stereotype sind nicht zu verwechseln mit »entlastender« Stereotypisierung, die nicht selten unter Auslandsentsandten in arabischen Ländern (und höchstwahrscheinlich nicht nur dort) zu beobachten ist und punktuell – meistens in angespannten Situationen – auftritt und wie ein Ventil für belastende Anpassungsarbeit wirkt. Wenn nachfolgend von Stereotypen gesprochen wird, dann sind die negativ beladenen und fest zementierten Stereotypisierungen gemeint, die das Berufs- und Privatleben der Auslandsent-

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sandten erschweren. Sie wirken ent-individualisierend (vgl. Tajfel, 1981) und verstellen die faktisch vorhandene Diversität (Hansen, 2003, S. 326). Erschwert wird das Fremdverstehen in der Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Arabern vor allem durch die in letzter Zeit immer stärker zu verzeichnende Bedrohungswahrnehmung, was durch kollektive Stereotype und Vorurteile verstärkt wird. Diese wiederum verengen die Wahrnehmung: Dem Anderen wird damit »… nicht nur die Breite seiner Individualität geraubt, sondern es werden ihm darüber hinaus Eigenschaften unterstellt, die [er] nicht besitzt« (Hansen, 2003, S. 339).

Z i e l u n d An s a t z Das Anliegen dieses Buches ist es, den Zusammenhang zwischen stereotypisierter Wahrnehmung respektive stereotypisierter Interpretation und der Handlungskompetenz in interkulturellen, speziell deutscharabischen Kooperationsbeziehungen herauszustellen und ein Training vorzustellen, das zur Erweiterung der Interpretations- und Handlungsspielräume der deutschen Akteure beiträgt. Wie bereits erwähnt wurde: Nicht die häufig in der Diskussion um Stereotype und Diskriminierung dominierende moralische Dimension leitet das Interesse, sondern vielmehr a) die Frage nach der Effektivität2 interkulturellen Handelns, die durch die Aktivierung und Anwendung von Stereotypen beeinträchtigt zu sein scheint und b) die Frage nach der Möglichkeit, durch spezifische Maßnahmen den Prozess der Modifikation von Stereotypen herbeizuführen. Dieses Anliegen ist der hermeneutischen Tradition verpflichtet, wie sie im letzten Jahrhundert vor allem von H.-G. Gadamer fortgeführt wurde3. Wierlacher (und in großen Teilen auch Bredella, 1992, zitiert in Hansen, 2003), der auf Gadamers Überlegungen beruhend das Fremdverstehen als Horizonterweiterung begreift (der Fremde als Ferment, vgl. Wierlacher, 1985, 2003), geht davon aus, dass gelungene interkulturelle Interaktionen dadurch gekennzeichnet sind, dass Veränderungen bei den Akteuren stattfinden. Diese Veränderungen werden als »Konstitution ei2 Der Begriff der Effektivität wird in Kapitel II näher erläutert. 3 Gadamer spricht in seiner dialogischen Hermeneutik allerdings nicht von Stereotypen, sondern von Vorurteilen. Bei ihm verweisen diese auf Urteile, die gleichsam vor den »eigentlichen Urteilen« gefällt werden. In seiner Hermeneutik findet – in Opposition zur Aufklärung – eine Rehabilitierung der Vorurteile statt. In ihnen offenbart sich unser geschichtliches Bewusstsein, das immer »… eine Vielzahl von Stimmen [ist], in denen die Vergangenheit widerklingt« (Gadamer, 1986, S. 289). Wir Menschen stehen »ständig in Überlieferung« (ebd.), was zu einer nicht zu entrinnenden Voreingenommenheit führt und es gilt, »… der eigenen Voreingenommenheit innezusein …« (Gadamer, 1986, S. 274).

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ner partiellen Gemeinsamkeit auf einer Sinnebene« beschrieben (Wierlacher, 2003, S. 216).4 Unser Ansatz basiert insofern auf ähnlichen Überlegungen, als wir uns ebenfalls von einer puren Effizienzorientierung bei der Definition dessen distanzieren, was gelungene interkulturelle Interaktion ist. Allerdings sehen wir, im Unterschied zu Wierlacher, nicht ein ausschließendes Entweder-Oder in der Bestimmung von interkultureller Kompetenz. Sie auch instrumentell zu verstehen, hat aus folgenden Gründen nichts grundlegend Falsches an sich: Zum einen kann in wirtschaftlich motivierten Interaktionen das Effizienzkriterium nicht einfach ausgeblendet werden. Zum anderen beinhaltet die Behauptung, eine gelungene interkulturelle Interaktion bestünde in einer Horizonterweiterung der Akteure, eine instrumentelle Betrachtungsweise von interkultureller Kompetenz. In unserem Ansatz bestimmen wir gelungene interkulturelle Interaktion zum einen anhand des Angebots an Optionen für Wahrnehmung, Interpretation und Handlung5, das den Akteuren zur Verfügung steht, und zum anderen anhand ihrer Fähigkeit, diese Optionen situationsadäquat für eine »erfolgreiche« Interaktion einzusetzen.6 Eine Erweiterung des Spielraumes der Optionen kann letztlich auch als eine »Horizonterweiterung« verstanden werden. Das Mehr an Optionen kann erst in der handlungspraktischen Umsetzung und im situativen Vollzug der Interaktion zwischen den Akteuren zum Gelingen der interkulturellen Interaktion beitragen.7

4 Die vorgestellte Betrachtungsweise widerspricht nicht einer relationalen interkulturellen Hermeneutik. Nach letzter Ansicht wird das Verstehen in interkulturellen Situationen nicht als eine Form voreingenommener Einverleibung des Anderen betrachtet (Lévinas, 1983). Die beiden Konstrukte, das »Eigene« und das »Fremde«, verlieren damit die Funktion als isolierte Einheiten. Sie stehen vielmehr in einem aufeinanderbezogenen relationalen Zusammenhang (Straub/Shimada, 1999). 5 Die Bezeichnung »Optionen für Wahrnehmung, Interpretation und Handlung« steht dem Begriff des »Handlungspotentials« bei Boesch sehr nahe (vgl. Boesch, 1991). 6 Bei Dahrendorf findet sich der Begriff der Wahlchancen, der beide Aspekte umfasst (vgl. Dahrendorf, 2003). 7 Jedenfalls theoretisch ist dabei nicht auszuschließen, dass die Erweiterung von Optionen durch einen Auslandsaufenthalt auch negative Folgen nach sich ziehen kann (vgl. Hansen, 2003, S. 330ff.). Wie die Evaluierungsergebnisse jedoch zeigen (vgl. Abschnitt 3.5), hat diese theoretisch mögliche Folge der Erweiterung von Wahrnehmungs-, Interpretations- und Handlungsspielräumen in unserem Zusammenhang (Training für den arabischen Raum) keine praktische Relevanz.

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Verwendet man für die Beschreibung dieses Zusammenhangs das Konstrukt »interkulturelle Kompetenz«, so kann unter diesem Begriff ein praktisches Wissen8 verstanden werden, das sich nicht nur durch Kognition (»knowing why«), sondern eben maßgeblich auch durch ein »knowing how« und »knowing when« gekennzeichnet ist, und mithin die Fähigkeit zur Anwendung des jeweils situativ Angemessenen einschließt. In der wissenschaftlichen Literatur wird der Erwerb interkultureller Kompetenz nicht selten als erklärtes Ziel interkultureller Trainings ausgewiesen, obschon ein Nachweis über deren Wirksamkeit nur unzureichend erbracht wurde.9 Genau das ist es, was ein Training – auch wenn es Monate dauern würde – nicht vollständig leisten kann. Es ist mit anderen Worten unrealistisch, von einem Training zu verlangen, es möge interkulturelle Kompetenz schlechthin vermitteln. Es kann u.E. »lediglich« einen Beitrag zur Erweiterung des Spielraumes an Optionen in einem bestimmten Interaktionskontext leisten, die den Akteuren zur Verfügung stehen und die adäquate bzw. situationsgerechte Anwendung dieser zur Wahl stehenden Optionen der Wahrnehmung, der Interpretation und des Handelns demonstrieren bzw. in interkulturelle Kompetenz einüben (siehe 3.3). Stets bezieht sich die erwähnte Erweiterung auf den deutsch-arabischen, wirtschaftlich motivierten Arbeitskontext (Kultur- und Kontextspezifität). Auf ein mögliches Missverständnis sei noch hingewiesen: Das Training soll nicht dazu dienen, Stereotype zu eliminieren, was ohnehin kaum möglich ist. Vielmehr soll es einen Beitrag dazu leisten, die Grenzen vorhandener Stereotype exemplarisch aufzuzeigen. So kommt es bei dem Thema »Korruption« darauf an, den Trainingsteilnehmern zu verdeutlichen, dass ihr Stereotyp »Araber sind korrupt« nicht ausreicht, um jede Situation zu erklären bzw. um darauf jeweils angemessen zu reagieren. Da gilt es z.B. die Bedeutung von Schenkungen in den einzelnen Ländern zu verdeutlichen. Damit wird eine differenziertere Betrachtung von arbeitsrelevanten Situationen ermöglicht und unterschiedliche Handlungsoptionen aufgezeigt.

Au f b a u d e s B u c h e s In diesem Buch finden sich die Ergebnisse eines zweijährigen Forschungsvorhabens, das zwischen 2002 und 2004 von der Forschungsstelle für Angewandte Kulturwissenschaften der Hochschule Heilbronn durchgeführt wurde. Dieses Vorhaben, welches vom Ministerium für Wis8 Vgl. Gadamer, 1991. 9 Vgl. Ehnert, 2004, S. 25-51; Mendenhall et al., 2004, S. 129-143.

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senschaft und Kunst in Baden-Württemberg gefördert wurde, hatte das erklärte Ziel, ein Trainingskonzept zu entwickeln und zu testen, das Stereotype deutscher Fach- und Führungskräfte gegenüber ihren arabischen Geschäftspartnern zu verändern hilft, die für die Zusammenarbeit insofern nachteilig sind, weil diese die Wahrnehmungs-, Interpretations- und Handlungsspielräume einengen. Das Training wurde für drei unterschiedliche Gruppen von durchschnittlich 12 Personen aus verschiedenen Unternehmen in Deutschland durchgeführt und jeweils projektextern evaluiert (siehe 3.5). Das erste Kapitel Interkulturelle Barrieren in der Zusammenarbeit zwischen deutschen und arabischen Partnern führt zunächst in den Begriff der »Stereotype« ein. Im Rekurs auf den Forschungsstand werden Theorien und Ansätze vorgestellt, die dem Projektkonzept zugrunde liegende Verständnis dieses Begriffes untermauern. Dieses lässt sich holzschnittartig wie folgt beschreiben: a) Stereotype lassen sich als Einengung der Wahrnehmungs-, Interpretations- und Handlungsspielräume bzw. als Fixierung auf bestimmte Muster bzw. Schemata und Skripte verstehen; b) diese Einengung bzw. Fixierung mag in eher standardisierten Arbeitssituationen nicht in gravierender Weise wirksam sein. Für die Zusammenarbeit zwischen deutschen und arabischen Partnern jedoch ist die Einengung bzw. Fixierung in nicht standardisierten, komplexen Situationen insofern abträglich, als sie alternative Wahrnehmungs-, Interpretations- und Handlungsspielräume nicht zulassen. Einige typische, bei deutschen Fach- und Führungskräften und in der Literatur vorherrschende Stereotypen, die zum einen durch eine ReAnalyse von 64 Interviews mit deutschen Fach- und Führungskräften (vgl. Jammal, 2003) und zum anderen in einer Literaturrecherche extrahiert wurden, werden am Ende des Kapitels vorgestellt. Im zweiten Kapitel Interkulturelle Kompetenz im Kontext von Stereotypen wird zum einen die These diskutiert, wonach die Einengung der Wahrnehmungs-, Interpretations- und Handlungsspielräume für die interkulturelle Handlungskompetenz abträglich ist. Diese These wird anhand des Forschungsstandes näher belegt. Zum anderen wird – ebenfalls anhand des Forschungsstandes – die These erläutert, wonach die Erweiterung der Wahrnehmungs-, Interpretations- und Handlungsspielräume zur Erhöhung der interkulturellen Kompetenz beiträgt. Das dritte Kapitel Das Training zur Veränderung von Stereotypen beschreibt das Konzept und die einzelnen Schritte des Trainings mit den Durchführungsplänen. Es enthält alle Anleitungen sowie die Rollenspiele, die im Training eingesetzt wurden. In diesem Kapitel wird demonstriert, wie eine bessere Nutzung der Wahloptionen für Wahrnehmung, Interpretation und Handeln durch das Training erzielt werden kann bzw. wie im

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Training interkulturelle Kompetenz eingeübt wird. Am Ende dieses Kapitels wird ganz knapp auf die Evaluation des Trainings eingegangen (siehe 3.5). Das vierte Kapitel Der arabisch-islamische Raum stellt eine Einführung in diesen Kulturraum dar, jedoch mit dem Anspruch, exemplarisch zu zeigen, wie der Stereotypisierung entgegengewirkt werden kann. Neben der Darstellung von Geographie, Sprache, Religion und Wirtschaft, die vor allem sozioökonomische und soziokulturelle Aspekte betont, werden verstärkt anhand von Beispielen aus der Geschäftswelt bzw. anhand von Beispielen aus den Interaktions- und Begrüßungsritualen intra- und interkulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede in und zwischen den einzelnen arabischen Ländern hervorgehoben. In dem Kapitel wird vor allem gezeigt, dass man von vier zusammenhängenden Einflussgrößen auf das Denken, Fühlen und Handeln im arabischen Raum ausgehen kann: a) Das Suchen nach genuin eigenen Wegen zur Bewältigung der Moderne, was nach Anerkennung verlangt und seit den siebziger Jahren in einigen Ländern (Libanon, Syrien, Ägypten) von einem Erstarken der Islamisten begleitet wird. Generell wird von einer Rückkehr der Religion gesprochen. In anderen Ländern hingegen (so z.B. in der MaghrebRegion) häufen sich reformistische Ansätze. Insgesamt lassen sich allerdings zwei Tendenzen identifizieren: Zum einen eine immer stärkere Ideologisierung und Instrumentalisierung der Religion und zum anderen die Verbreitung pragmatischer Bestrebungen, islamische Wege in die Moderne zu finden; b) das ständige Aushandeln und Weben von Beziehungsnetzen, was sicherlich auch in anderen, nicht arabischen Kulturen zu finden ist; c) die Omnipräsenz des Sakralen sowie d) der hohe Stellenwert von traditionellen Werten und Normen aus dem Bereich des Eros. Die ständige Anwesenheit des Sakralen im Alltag wird am Beispiel der Interaktionsrituale erläutert. Es wird jedoch stets unterstrichen, dass die Einflüsse der o.g. vier Faktoren letztendlich in der tagtäglichen Praxis der Menschen je nach Ort und Kontext variieren können.

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Danksagung Bedanken möchten wir uns bei Frau Dr. Claire O’Reilly und Herrn Dipl.Kfm. Maik Arnold für ihre konstruktive Kritik zum Buchmanuskript. Ferner gilt unser Dank Frau Dipl. Psych. Anette Ulrich, die von März 2003 bis Oktober 2004 als wissenschaftliche Mitarbeiterin das Projekt begleitete. Weite Teile in den Abschnitten 1.3.1 und 1.3.2 sind im Wesentlichen ihrer Feder entsprungen. Das Länderkonferenzplanspiel wurde von Frau Simone Ott unter der Anleitung von Frau Prof. Dr. Ute Clement (Universität Kassel) entwickelt. Frau Irmgard Sollinger entwickelte die Rollenspiele. Frau Semira SorayaKandan führte die Evaluierung durch. Zahlreiche Studierende (Internationale Betriebswirtschaft & Interkulturelle Studien, IBIS) wirkten als wissenschaftliche Hilfskräfte mit. Mit Dank erwähnt seien an dieser Stelle die IBIS-Studierenden Frau Rike Klotz, Frau Nadia Mahlke, Frau Karina Zwicker und Herr Maher Salame. Nicht zuletzt gebührt unser Dank dem Koordinator der angewandten Forschung an den baden-württembergischen Fachhochschulen Dr. Rolf Thum sowie dem Institut für Angewandte Forschung (IAF) der Hochschule Heilbronn. Heilbronn im November 2006, Elias Jammal und Ulrike Schwegler

I. Interkulturelle Barrieren in der Zusammenarbeit zw ischen deutschen und arabischen Partnern

1.1

P r o b l e m s t e l l u n g : S t e r e o t yp e n a l s B a r r i e r e n

Unsere Trainings beginnen für gewöhnlich mit der folgenden Aufgabenstellung: »Marokko: Denken Sie für einen Augenblick an Marokko und notieren Sie sich die Bilder und Assoziationen, die Ihnen dazu einfallen«. »Ägypten: Denken Sie für einige Augenblicke an Ägypten und notieren Sie sich die Bilder und Assoziationen, die Ihnen hierzu einfallen«. Auch wer noch nie in Marokko oder Ägypten war, kann in der Regel einige Assoziationen niederschreiben und vielleicht sogar Aussagen über »die Marokkaner« oder »die Ägypter« treffen. Ferner fragen wir zu Beginn unserer Trainings die Trainingsteilnehmer nach ihren Assoziationen zur »Zusammenarbeit mit Arabern«: Am häufigsten werden »Wüste«, »Kamele«, »Feilschen« etc. als Assoziationsbegriffe genannt. Es ist zu beobachten, dass auch Personen, die sich erst auf eine Zusammenarbeit mit arabischen Geschäftspartnern vorbereiten, und selbst noch wenige oder keine berufsbedingten Erfahrungen mit Arabern gesammelt haben – weder in Deutschland, noch in den arabischen Ländern – zur Beantwortung der oben gestellten Aufgabe beitragen können. Nicht zuletzt ermöglichen uns Medien, politische Diskussionen, individuell wie kollektiv geteilte Erzählungen, gesellschaftlich erzeugte Stimmungen u.v.m. schließlich, Bilder zu assoziieren oder sogar, uns eine »Meinung zu bilden« – eben auf der Grundlage von z.B. individuellen Erfahrungen und Erzählungen konkreter Anderer (z.B. Freunde, Bekannte) oder auch aufgrund institutionalisierter Anderer (z.B. Fernsehen, Radio, Zeitung). Diese Beispiele aus der Trainingspraxis zeigen bereits: Unsere Wahrnehmung bzw. unser Denken

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wird sowohl durch eigene als auch durch fremde Erfahrungen und Erzählungen Dritter geprägt und beeinflusst. Jedoch nehmen wir diese Beeinflussung nicht notwendigerweise bewusst wahr. Ferner bilden unsere Gedanken und Assoziationen immer wieder generalisierte Meinungen über spezifische Gruppen oder Kulturen ab, die wir häufig erst durch eine kritische Reflexion als solche erkennen. Innerhalb eines anderen Forschungsprojektes (vgl. Jammal, 2003) stießen wir, quasi zufällig, auf übergeneralisierte und vereinfachte, häufig auch negative Beschreibungen arabischer Kooperationspartner durch deutsche Auslandsentsandte. Diese Auslandsentsandten waren bereits seit längerer Zeit in einem arabischen Land tätig (fast ausschließlich länger als zwei Jahre) und verfügten somit über weit reichende »ErsteHand-Erfahrungen«, wodurch offensichtlich wurde: Gerade auch Erfahrungen, die auf »vis-à-vis«-Kontakten beruhen, schützen nicht vor (negativen) Vereinfachungen und Übergeneralisierungen. Diese vereinfachten Deskriptionen verweisen nicht selten auf eine stereotype Wahrnehmung und Interpretation von Wirklichkeitsbeschreibungen. Stereotype an sich können positiv wie auch negativ konnotiert sein. In jedem Falle aber, so soll hier behauptet werden, stellen sie eine übergeneralisierte, auf wenige Orientierungspunkte bezogene Einstellung oder Meinung über eine Person oder Gruppe dar, womit in den meisten Fällen teils bewusst, teils unbewusst eine Einschränkung der Varianz der Wahrnehmungsmöglichkeiten und Interpretationsspielräume einhergeht. Die Re-Analyse von 64 Interviews (vgl. Jammal, 2003) zeigt weiter, dass sich diese eingeengten Sicht- und Deutungsweisen bei den deutschen Auslandsentsandten (Fach- und Führungskräfte) auch auf die Wahl der Handlungsstrategien auswirkten. Daraus kann gefolgert werden, dass Stereotype, sofern sie auch die eigenen Handlungs- und Verhaltensweisen prädeterminieren, die interkulturelle Zusammenarbeit negativ beeinträchtigen. Obwohl dies sicherlich für alle Situationen gilt, ist eine Fixierung auf bestimmte, also bekannte Schemata der Wahrnehmung und Interpretation der Auslandsentsandten in deutsch-arabischen Interaktionen, vor allem in weniger routinierten Situationen, nachteilig. Stereotype stellen somit Barrieren effektiven Agierens in deutsch-arabischen Kooperationen dar. Davon unberührt bleibt allerdings, dass Stereotype auch wichtige Funktionen erfüllen. Sie verschaffen beispielsweise gerade auch in unbekannten Situationen eine rasche Orientierung und ermöglichen eine schnelle Zuordnung von (fremden) Personen und Sachverhalten (vgl. Thomas, 2000). So sei festgehalten, dass Stereotype gleichermaßen der Reduktion von Komplexität dienen, den Gruppenzusammenhalt fördern können und eine Aufrechterhaltung der eigenen Identität ermöglichen. Damit erfüllen sie wichtige

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Funktionen, die schnelles Handeln ermöglichen, bei gleichzeitiger möglicher Tendenz der kontraproduktiven Auswirkung auf das Denken und Handeln. An dieser Stelle wollen wir bereits darauf verweisen, dass Stereotype in der wissenschaftlichen Diskussion zwar vereinzelt als Barrieren der interkulturellen Kommunikation erkannt und als solche ausgewiesen werden, es liegen aber – nach unserem Kenntnisstand – nur wenige Arbeiten vor, die diese Thematik systematisch aufgreifen und mit der Diskussion um interkulturelle Handlungskompetenz verweben.1 Dieses erste Kapitel führt zunächst in den Begriff »Stereotype« ein. Im Rekurs auf den Forschungsstand werden Theorien und Ansätze vorgestellt. Diese untermauern das dem Projektkonzept zugrunde liegende Verständnis dieses Begriffes. Es lässt sich zusammenfassend wie folgt beschreiben: a) Stereotype stellen eine Einengung der Wahrnehmungs-, Interpretations- und Handlungsspielräume bzw. eine Fixierung auf bestimmte Schemata und Skripten dar; b) Diese Einengung bzw. Fixierung ist für die Zusammenarbeit zwischen deutschen und arabischen Partnern abträglich, insbesondere in weniger routinierten Situationen. Im Anschluss daran werden die empirisch gewonnen Stereotype vorgestellt. Mittels einer Re-Analyse von 64 Interviews mit deutschen Fachund Führungskräften (vgl. Jammal, 2003) wurden diese identifiziert und themenspezifischen Kategorien zugeordnet. Ein Vergleich der erhobenen Ergebnisse mit Stereotypen über Arabern, die in der Literatur oder Belletristik häufig vorkommen, gibt Aufschluss über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den empirisch gewonnenen und den literaturbasierten Stereotypen. Das Kapitel schließt mit einem kurzen Fazit. Grundsätzlich geht es uns bei den folgenden Ausführungen nicht um eine Wiedergabe der mittlerweile sehr umfangreichen wissenschaftlichen Bemühungen zur Konzeptualisierung des Stereotypenbegriffs, sondern um das Aufzeigen von bedeutsamen und gleichsam zentralen Problemfeldern für die anschließende Analyse deutsch-arabischer Kommunikation und der inhaltlichen und methodischen Ausgestaltung von Trainingsmaßnahmen für diese Zielgruppe.

1

Vgl. u.a. Bolten, 2001; Rösch, 2001; Nazarkiewicz, 2000, S. 179-206.

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1.2

S t e r e o t yp e – d i e w e c h s e l vo l l e G e s c h i c h t e des Begriffes

1.2.1 Definitionen Der Begriff des Stereotyps (griech. στερεόζ starr, unbeweglich und τύποζ Muster) stammt ursprünglich aus der Drucktechnik; er wurde von Lippmann im Jahre 1922 als »pictures in our head« eingeführt. Seit dieser Zeit unterlag die Begriffsbildung einer komplexen und wechselvollen Geschichte, die sich in der kaum überschaubaren Stereotypenforschung2 widerspiegelt. Fiske (1998, 2000) zufolge kann in der sozialpsychologischen Forschungstradition ein Trend, von eher motivationalen zu stärker kognitiv orientierten Erklärungsansätzen und schließlich bis hin zu modernen Konzepten nachgezeichnet werden, die eine Kombination aus den beiden erstgenannten Perspektiven darstellen. Frühere Definitionen des Begriffs Stereotyp zeigen deutlich negative und wertende Elemente, wie »inkorrekte Generalisierungen«, »Generalisierungen mit Rigiditätscharakter« etc.: »There was a general view that stereotypes were both evil and erroneous, and represented flawed thinking (or more correctly, lack of thinking)« (Worchel/Rothgerber, 1997, S. 73). Neuere Definitionen hingegen sind weitgehend wertneutral gehalten und bezeichnen Stereotype eher als Meinungen oder subjektive Wahrscheinlichkeitsurteile über Charakteristiken oder Eigenschaften spezifischer Gruppen (vgl. Ganter, 1997). Auch die Definition von Worchel/Rothgerber unterstreicht die neutrale und abstrakte Bedeutung von Stereotypen: »A stereotype is a collection of traits along with the meaning and position of centrality of each trait and a description of the target group along with an estimation of the degree of homogeneity within that group« (Worchel/Rothgerber, 1997, S. 76).3 Stereotype werden häufig im Zusammenhang mit Vorurteilen und Diskriminierung behandelt und erforscht: »Originally, the interest in stereotypes grew out of the suspected relationship between stereotypes, prejudice and discrimination« (Katz/Braly, 1933, 1935, zitiert in Worchel/Rothgerber, 1997). Auch wenn Zick (1999) betont, dass sich die Stereotypenforschung weitgehend unabhängig von der Vorurteilsforschung etabliert habe, konstatiert er doch, dass eine Differenzierung zwischen den beiden Forschungstraditionen nur bedingt möglich ist. Analog zur 2 3

Zumindest rückblickend hat sich die Stereotypenforschung interdisziplinär entwickelt (vgl. u.a. Heinemann, 1998). Zu einer möglichen Unterscheidung zwischen Typen von Stereotypen siehe Quasthoff in Lüsebrink, 2005, S. 90.

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Problematik der Differenzierung zwischen den beiden Forschungsrichtungen zeichnet sich auch eine kontroverse Konzeptualisierung der beiden Begriffe ab. Das Konzept des Stereotyps wurde lange Zeit als kognitiver Teil des Vorurteils aufgefasst. Diese Einteilung geht auf Katz/Braly (1933) zurück, die Stereotype als Sonderform der Einstellung bezeichnen und zwischen einem kognitiven (Stereotyp), einem affektiv-emotionalen (Vorurteil)4 und einem behavioralen Aspekt (Diskriminierung) unterscheiden. Ein Blick auf gegenwärtige Unterscheidungen zwischen Vorurteilen und Stereotypen zeigt, dass Vorurteile als Einstellungen bezeichnet werden, bei denen die Bewertung einer jeweiligen Gruppe und ihrer Mitglieder im Vordergrund stehen, Stereotype hingegen als Meinungen (beliefs) definiert werden, die sich auf die Zuschreibung von Charakteristika zu bestimmten Gruppen beziehen. Im Anschluss an eine Literaturdurchsicht schlägt Ganter vor, Stereotype zu definieren als »Meinungen bzw. Wahrscheinlichkeitsurteile über die Merkmale, Eigenschaften oder Attribute von Personen, die bestimmten Kategorien (oder Gruppen) zugeordnet werden, und zwar aufgrund dieser Zuordnung bzw. Kategorisierung« (Ganter, 1997, S. 6). Stereotype können in allen Bereichen des sozialen Lebens auftreten und sich sowohl auf die eigene Gruppe (Autostereotype), als auch auf Angehörige einer Fremdgruppe (Heterostereotype) beziehen. Als Heterostereotype haben sich ethnische und nationale Stereotype als besonders wirksam herausgestellt. Hahn/Hahn (2002) verweisen ferner auch auf professionelle, konfessionelle, sexistische, und Klassenstereotype, wobei ethnische und Nationalstereotype besondere Bedeutung erfahren. In den bisherigen Definitionen werden Stereotype weitgehend als statische Objektivierungen von sozialer Wirklichkeit beschrieben. Lebensweltliche Erfahrungen zeigen aber immer wieder, dass Stereotype aufgrund ihrer situativen und kontextuellen Einbettung in die erlebte Realität veränderlich sind.

1 . 2 . 2 F a c e t t e n v o n S t e r e o t yp e n Löschmann (1998, S. 14) identifiziert nach Überarbeitung unterschiedlicher Definitionen zu Stereotypen folgende Merkmalsbestimmungen, die gehäuft in der Literatur angeführt werden:

4

Ideengeschichtlich ist der Vorurteilsbegriff eng mit anderen Begriffen, wie a) Übereilung oder Überstürzung (Cicero), b) Autorität (römischrechtliche Tradition) und c) Erkenntnishinderung (F. Bacon) verknüpft (vgl. Ritter, 2001).

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1. 2. 3. 4. 5. 6.

(Über-)Generalisierungen, Kategorisierungen Bezogenheit auf Personengruppen, Gruppenattribuierungen Festgefahrene Schablonen, stabiler und starrer Charakter Meist negative, aber auch neutrale und positive Bewertungen Einheit von kognitivem und emotionalem Charakter Inkorrektheit, Rigidität und Irrationalität

Worchel/Rothgerber (1997) bezeichnen Stereotype als ein multidimensionales Konstrukt, das in Analogie zu Diamanten viele verschiedene Gesichter aufweist. Diese »Gesichter« bzw. Dimensionen sind: Inhalt, Kategorisierung, Gruppenhomogenität, Interpretation und Gewichtung. Mit Inhalt sind die Eigenschaften wie z.B. aggressiv, intelligent, dumm oder faul gemeint, mit denen eine Gruppe charakterisiert wird. Die Kategorisierung in Eigengruppe (In-group) und Fremdgruppe (Out-group) gilt als weitere Dimension. Im Anschluss an die Theorie der Sozialen Identität und Theorie der Sozialen Kategorisierung von Tajfel (1981) und Turner (1982) wird angenommen, dass Individuen ihre eigene Identität über die Zugehörigkeit zu einer Gruppe definieren. Der damit einhergehende Kategorisierungsprozess stellt einen für alle Beteiligten relevanten Prozess mit Wirkung auf das Selbstbild des Individuums dar. Die dritte Komponente wird durch die wahrgenommene Homogenität der Zielgruppe ausgedrückt. So bestätigen beispielsweise empirische Untersuchungen die Tendenz, dass Außengruppen homogener wahrgenommen werden als die eigene Gruppe. Die vierte Komponente ist die individuelle Interpretation der zugeschriebenen Charakteristik. Vertreter des Ansatzes der kognitiven Konsistenz verdeutlichen, dass zur Aufrechterhaltung von Konsistenz eher die Bedeutung einer Charaktereigenschaft manipuliert wird, als dass die Charaktereigenschaft verändert wird. Die fünfte Komponente des Konzepts von Worchel/Rothgerber ist die Salienz oder Gewichtung. Stereotypen können dahingehend unterschieden werden, inwiefern eine zugeschriebene Eigenschaft zu einer Gruppe entweder als zentrales oder als peripheres Merkmal dieser Gruppe betrachtet wird. Diese Komponenten haben Worchel/Rothgerber (1997) zufolge sowohl eine individuell-kognitive als auch eine kollektiv-soziale Basis. Die Rolle, die die individuellen respektive sozialen Aspekte spielen, variieren jedoch. Platziert man alle Dimensionen auf einem Kontinuum, mit dem einen Ende ›individueller Einfluss‹ und dem andern Ende ›sozialer Einfluss‹, so finden sich die Komponenten Interpretation und Gewichtung am individuellen Ende, Homogenität in der Mitte und Kategorisierung und Inhalt am sozialen Ende. Mit anderen Worten: Interpretation und Gewichtung sind stärker durch die individuelle Erfahrung und durch kognitive Prozesse geprägt, wohingegen Kategorisierung und Inhalte stärker durch

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den sozialen Einfluss beeinflusst werden. Homogenität wird in gleichem Maße durch individuelle und soziale Faktoren bestimmt. Eine weitere Kategorisierung von Stereotypen ist bei Schugk (2004) zu finden, der Stereotype in vier Dimensionen aufteilt: Richtung, Intensität, Richtigkeit und Inhalt. Die Richtung bezieht sich auf positive oder auf negative Aspekte des Stereotyps. Die Intensität ist unter anderem daran ablesbar, dass Aussagen mit Wörtern wie »sehr« oder »extrem« unterstrichen werden. Richtigkeit bezieht sich darauf, ob Stereotype der Wirklichkeit entsprechen, in welchem Maße oder eben gar nicht. Unter dem Stichwort »kernel of truth« wird kritisch diskutiert, ob nicht manche Stereotype doch zumindest ein Körnchen Wahrheit aufweisen. Triandis (1994) schlägt vor, Stereotype, die durch Forschungen als akkurat nachgewiesen wurden als »sociotype« zu bezeichnen. Wenn festgestellt wurde, dass 90 % einer bestimmten Gruppe eine gewisse Eigenschaft aufweisen, sei es besser, dieses »sociotype« zu benutzen, denn in 90 % der Fälle würde man damit richtig liegen. Inhalt bezieht sich auf die Themen, aus denen die Stereotypen entstehen. Im Falle von nationalen Stereotypen können die Inhalte der nationalen Stereotype die Vertreter unterschiedlicher Kulturen über das jeweils andere Land haben, durchaus variieren. In diesem Zusammenhang sei noch der Begriff »sophisticated stereotypes« erwähnt, den Osland und Bird (2000) dazu verwenden, um auf scheinbar wissenschaftlich begründete starre Kategorisierungen von Kulturen hinzuweisen, die als Kulturdimensionen bezeichnet werden. In der Hauptsache sind es die Dimensionen Hofstedes, die Osland und Bird im Auge haben (ebd.).

1 . 2 . 3 E i n e f u n k t i o n a l e K o n z e p t i o n vo n S t e r e o t yp e n Wie bereits diskutiert wurde, zeigen sich die obigen Definitions- und Konzeptualisierungsbemühungen, vor allem auch im Hinblick auf die historische Entwicklung, als eher diffus und vielfältig. Deshalb erscheint es hier als zweckmäßig, sich auf eine Konzeption von Stereotypen zu konzentrieren, die dem Forschungsvorhaben bzw. dem Training zugrunde liegt. Folgende vier Konzeptelemente sind dabei von zentraler Bedeutung: Erstens beeinflussen Stereotype die kognitiven Prozesse, also die soziale Wahrnehmung und die kognitiven Informationsverarbeitungsprozesse, zweitens sind Stereotype nicht zwingend bewusstseinspflichtig, drittens können Stereotype, je nach Hintergrundwissen und Erfahrungen, stark oder schwach emotional konnotiert sein und viertens kann angenommen werden, dass sich Prozesse des Stereotypisierens auch

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auf das Handeln auswirken. Diese vier Annahmen zu Stereotypen werden nachfolgend genauer ausgeführt:

Erstens: Stereotype beeinflussen die kognitiven Prozesse Fiske/Taylor (1984) verweisen im Zeichen der kognitiven Wende der Sozialpsychologie auf die Funktion von Stereotypen als Mechanismus zur Reduktion von Komplexität. Auf uns einfließende Informationen überwältigen und überfordern unser Denkvermögen häufig, wodurch Simplifizierungsstrategien entwickelt werden. Menschen werden nach Alter, Geschlecht, Hautfarbe etc. unterschieden und kategorisiert. In diesem Sinne können Stereotype als unausweichliches Produkt alltäglicher kognitiver Informationsverarbeitung betrachtet werden. Der Prozess der Kategorisierung ermöglicht ein rasches Erfassen von Personen und sozialen Sachverhalten. Bei diesem Kategorisierungsprozess werden die Differenzen zwischen den Kategorien vergrößert und innerhalb der Kategorien minimiert mit der Folge, dass kategorisierte Gruppen als homogen betrachtet werden und Kategorien bestätigende Informationen besser behalten und erinnert werden (vgl. Fiske, 2000). Ein zentraler Beitrag zur Stereotypenforschung im Rahmen der kognitiven Wende liegt also in der Erklärung und Herausstellung der Funktion und Spezifika menschlichen Denkens und der darin begründeten Generierung von Stereotypen. Man kann diesbezüglich auch von einem komplexen Verhältnis in dem Sinne ausgehen, dass Stereotype sowohl Resultat als auch Einflussfaktor verzerrter kognitiver Prozesse sein können (vgl. Hamilton u.a., 1993). Unter dem Begriff der »illusorischen Korrelation« wird fernerhin verdeutlicht, wie kognitive Prozesse die Bildung von Stereotypen erzeugen. Eine »illusorische Korrelation« wird von Hamilton u.a. definiert als »a judgement by a perceiver that two variables are associated with each other, even though they were not associated in the information on which the judgement was based« (Hamilton u.a., 1993, S. 44). Personen entwickeln korrelative Konzepte, bei denen Gruppenzugehörigkeit mit einem psychologischen Attribut in Verbindung gebracht werden. Dies kann an einem Beispiel verdeutlicht werden: Im positiven Falle kann eine freundliche Frau als kompetent, im negativen Falle ein fremd aussehender Mensch als vertrauensunwürdig kategorisiert werden. Stereotype resultieren nicht nur aus verzerrten Kognitionen, sondern führen auch zu verzerrter Informationsverarbeitung. Beispielsweise erzeugen Stereotype selektive Aufmerksamkeit und einseitige Interpretation. Informationen, Aussagen etc. werden in stereotypenbestätigender Weise wahrgenommen, was dazu führt, dass Personen jenseits objektiver oder wahrnehmbarer Informationen Dinge sehen und Informationen

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aufnehmen, die gar nicht existieren. Ferner wurde durch ein Experiment (vgl. Howard/Rothbart, 1980) bestätigt, dass auch die Gedächtnisleistungen durch Stereotype unter bestimmten Umständen beeinträchtigt werden. So werden positive Informationen der eigenen Gruppe und negatives Verhalten der Außengruppe besser im Gedächtnis behalten als negative Informationen über die eigene Gruppe bzw. positive Informationen über die Außen- oder Fremdgruppe. Zusätzlich konnte nachgewiesen werden, dass vergangene Geschehnisse zu einem aktuellen Zeitpunkt so interpretiert werden, dass sie mit dem bestehenden Stereotyp übereinstimmen. Grundsätzlich kann festgehalten werden, dass kognitive Prozesse in komplexer Weise die Formation von Stereotypen beeinflussen: bei der Entschlüsselung von Informationen, während des Evaluationsund Attributionsprozesses sowie während der Speicherung und Abrufung von Informationen. Nach Hewstone/Giles generieren Stereotype Erwartungen und Personen verhalten sich so, dass sie diese Stereotype bestätigt sehen möchten (Hewstone/Giles, 1986).

Zweitens: Stereotype sind nicht zwingend bewusstseinspflichtig Forschungen zu Prozessen des impliziten Stereotypisierens (Lepore/ Brown, 1997, Wittenbrink, Judd/Park, 1997) belegen, dass die vorbewusste Aktivierung (preconscious activation) von Stereotypen einen natürlichen Prozess der sozialen Wahrnehmung und Kategorisierung darstellt (Moskowitz, Salomon/Taylor, 2000). »In fact, the activation of automatic beliefs and attitudes has been described as an inescapable habit that occurs despite attempts to bypass or ignore it« (Dasgupta/Greenwald, 2001, S. 800). Diese vorbewusste Aktivierung von Stereotypen tritt sogar dann auf, wenn das Individuum auf explizite Weise nicht mit dem Stereotyp übereinstimmt (vgl. Moskowitz u.a. 2000). Da Stereotype nicht nur das Produkt individueller Prozessverarbeitung darstellen, sondern auch gesellschaftlich generiert werden, kann ihnen auch eine Gesellschaft stabilisierende Funktion zugesprochen werden; sie dienen damit der gesellschaftlichen Wirklichkeitskonstruktion (vgl. Imhof, 2002). Als Konstruktion spiegeln Stereotype jedoch nicht die objektive Realität wider, sondern sind Ausdruck einer »Naiven Theorie« (vgl. Yzerbyt, Leyens, Schadron, 1994), die dazu dient, die Welt zu erklären sowie Sinn und Zusammenhang herzustellen. Als Repräsentanten einer »Naiven Theorie« gehören Stereotype zu den Wissensbeständen, die in einer Gesellschaft kommuniziert und tradiert werden. Obwohl sie Bestandteile des individuellen Wissens darstellen, existieren sie auch immer in Verbindung mit dem Wissen, das kollektiv geteilt wird (Imhof, 2002); sie sind damit nicht zwingend bewusst-

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seinspflichtig. Dieses geteilte Wissen wird sowohl verbal kommuniziert als auch über Medien transportiert. Dabei spielen Fernsehsendungen und Zeitschriftenartikel eine nicht zu unterschätzende Rolle. Einschlägige Literatur bedient oftmals geradezu die stereotypen Erwartungen und schematischen Vorstellungen über eine bestimmte Kultur, Gruppe oder Vertreter bestimmter religiöser Richtungen, ohne dass dies im Einzelfall kritisch reflektiert würde. Dass dies im Falle von Arabern und insbesondere Muslimen seit dem 11. September 2001 in einer hohen Konzentration geschieht, ist evident.

Drittens: Emotionale Konnotation In der Sozialpsychologie wird zunehmend auf die Signifikanz von Emotionen bei der Bestimmung der evaluativen Orientierung hingewiesen, und dies gerade auch im Hinblick auf die Bewertung von Fremdgruppen (Spencer-Rodgers/NcGovern, 2002). Hahn/Hahn5 gehen sogar noch einen Schritt weiter und verweisen darauf, dass die emotionale Komponente eine der zentralen Merkmale von Stereotypen darstellt: »Stereotypen sind Verallgemeinerungen, bei denen die emotionale Komponente dominiert, sie sind emotional aufgeladen, ja diese emotionale Geladenheit stellt offensichtlich den wichtigsten Informationsgehalt dar. […] in den meisten Fällen [beruhen sie nicht, d.A.] auf persönlicher Erfahrung, sondern sie werden emotional vermittelt durch das soziale Milieu« (Hahn/ Hahn, 2002, S. 22). Unter den emotionalen Informationsgehalten bzw. Geladenheiten betonen Stephan/Stephan (2000) in ihrer »Integrated Threat Theory« die Bedeutung von Bedrohung als zentrales Element von Stereotypen. Wichtig dabei ist die Bedrohungswahrnehmung, und weniger die Frage nach der »Objektivität« der Bedrohung. Die Theorie von Stephan und Stephan wird in die Teilkomponenten »realistische Bedrohungen«, »symbolische Bedrohungen«, »Intergruppenangst« und »negative Stereotype« aufgefächert. Das Konzept Realistische Bedrohungen hat seinen Ursprung in der realistischen GruppenKonflikt-Theorie und beinhaltet realistische Bedrohung durch die Fremdgruppe. Symbolische Bedrohungen involvieren zunächst wahrgenommene Differenzen zur Außengruppe im Hinblick auf moralische Vorstellungen, Werte, Standards, Überzeugungen und Einstellungen. Diese symbolischen Bedrohungen entstehen dadurch, dass die In-group der Überzeugung ist, durch Symbole der Out-group sei ihr Wertesystem, das sie für 5

Hahn/Hahn, 2002, beziehen damit eine andere Position als Katz/Braly (1933), die die »emotionale Geladenheit allein dem Vorurteil zugesprochen haben«.

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das moralisch richtige hält, in Gefahr. Intergruppen-Angst wird ausgelöst, wenn in Interaktionen mit fremden Personen ein negativer Ausgang für die eigene Person befürchtet wird. Dieses negative Ergebnis kann sich darin ausdrücken, dass die Person fürchtet, in Verlegenheit gebracht oder abgelehnt zu werden. Negative Stereotypen: Eine zentrale Funktion von Stereotypen besteht darin, sich ein Bild von dem unbekannten Andern zu machen, um sein Verhalten antizipieren zu können und selbst entsprechend eigene Reaktionen zu aktivieren. Stereotypen erfüllen nach diesem Ansatz also die Funktion, Erwartungen über das potentielle Verhalten einer andern (fremden) Person zu generieren. Dies wird auch von Hamilton, Sherman/Ruvolo (1990) bestätigt, die zeigen, dass Stereotype als Erwartungsbasis hinsichtlich des Verhaltens stereotypisierter Gruppen dienen. Stephan und Stephan konkretisieren dies wie folgt: »To the extent that the expectations are negative, conflictual or unpleasant interactions are likely to be anticipated. The essence of threat is the fear of negative consequences, and that is exactly what negative stereotypes create« (Stephan/Stephan, 2000, S. 27).

Viertens: Manifestation von Stereotypen Auch wenn aufgrund von Forschungen eine eindeutige und lineare Beziehung von Einstellungen und Überzeugungen auf der einen und Verhalten auf der anderen Seite nicht nachgewiesen werden konnte (vgl. Fishbein/Ajzen, 1975) ist doch unumstritten, dass sich Einstellungen im Verhalten manifestieren können. So wurde beispielsweise mehrfach bestätigt, dass Stereotype zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung führen können (Jussim/Fleming, 1996). Man spricht von »sich selbst erfüllender Prophezeiungen« (self-fulfilling prophecy) wenn fehlerhafte Überzeugungen oder Erwartungen zur eigenen Erfüllung führen. Stereotype Einstellungen oder fehlerhafte Erwartungen beeinflussen somit nicht ausschließlich das eigene Verhalten, sondern können ebenso das Verhalten des Interaktionspartners bestimmen. Dies kann dazu führen, dass sich der stereotypisierte Interaktionspartner konform mit dem Stereotyp verhält, welches wiederum zu einer Bestätigung auf Seiten des Akteurs führt. Womit Stereotype sowohl das eigene Handlungsrepertoire beeinträchtigen als auch das des Interaktionspartners. So kann festgehalten werden, dass sich schematisierte, häufig kollektiv entstandene Bilder und Vorstellungen, also Stereotype, auf die Flexibilität der Handlungsmöglichkeiten auswirken.

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Zusammenfassend definieren wir Stereotypen als übergeneralisierte, auf wenige Orientierungspunkte bezogene soziale Einstellungen bzw. Meinungen6 über eine Gruppe, womit eine Einschränkung der Varianz der Wahrnehmungsmöglichkeiten und Interpretationsspielräume einhergeht. Da Einstellungen bzw. Meinungen sich auch im Verhalten manifestieren, können sich Stereotype auch auf die Wahl der Handlungsstrategien auswirken und Interaktionen beeinträchtigen. Mit anderen Worten: Stereotypen engen die Optionen der Wahrnehmung, Interpretation und des Handelns ein, die den Akteuren in der interkulturellen Interaktion zur Verfügung stehen. In Bezug auf Araber bzw. insbesondere Muslime ist die Gefahr einer negativ geladenen Einengung der Optionen in besonderem Maße gegeben.

1.3

S t e r e o t yp e ü b e r Ar a b e r 7

1.3.1 Ergebnisse der Re-Analyse: Stereotype über Araber Die Re-Analyse der Forschungsergebnisse (vgl. Jammal, 2003) dient dem Ziel, das wissenschaftliche Konstrukt »Stereotyp« zu erfassen und auf diese Weise mögliche theoretische Problemfelder deutsch-arabischer Kooperationen zu identifizieren. Es ist nicht das Anliegen gewesen, Stereotype und Vorurteile in der sozialpsychologischen Forschungstradition nachzuweisen. Es ging vielmehr darum, typische, kritische und häufig wiederkehrende Problemfelder in der deutsch-arabischen Zusammenarbeit der interviewten Fach- und Führungskräfte zu identifizieren. Darum genügte auch das Herauskristallisieren der Inhalte von Stereotypen. Das Messen des Ausmaßes und der Dimension des Konstruktes war für das Vorhaben irrelevant. Auch wird hier keineswegs behauptet, die erhobenen Stereotype seien für die Araber-Wahrnehmung der (ohnehin kaum bestimmbaren) Gruppe deutscher Fach- und Führungskräfte in irgendeiner Weise repräsentativ. Für die Auswertung und Kategorisierung wurde die Analysesoftware QSR N6 zur Verarbeitung von qualitativen Daten eingesetzt, welche uns einerseits bei der Strukturierung des Datenmaterials half und anderseits 6

7

In Übereinstimmung mit Ganter, 1997, der Stereotype als Meinungen oder Wahrscheinlichkeitsurteile bezeichnet, wählen wir eine »offene« Definition und betrachten Stereotype sowohl als Einstellungen als auch als Meinungen. Hier werden schon die Begriffe »Araber« bzw. »arabischer Kulturraum« verwendet, die allerdings erst im Kapitel IV genauer erläutert werden.

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eine methodisch geleitete Umsetzung der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (2002) ermöglichte. Auf diese Weise wurden die in den Interviews enthaltenen Daten sinnvoll und nachvollziehbar komprimiert. Die Auswertung erfolgte in zwei Durchgängen: Im ersten Durchgang der Auswertung wurden 70 heuristische Stereotypen ermittelt, die in der Datenbank der Auswertungssoftware mit einer entsprechenden Kennzeichnung übernommen wurden. Im zweiten Durchgang wurden die heuristischen Stereotype in Form eines hierarchischen Stereotypen-Kategoriensystems systematisiert, in dem inhaltlich gleichwertige Kategorien zusammengefasst und Überkategorien gebildet wurden. Das so entstandene Kategoriensystem umfasst 64 Stereotypen, die in 10 Hauptkategorien zusammengefasst wurden. Diese 10 Hauptkategorien und ihre Unterkategorien werden im Folgenden aufgelistet, wobei die fettgedruckten Begriffe die am häufigsten genannten Kategorien darstellen: Tabelle 1: Die häufigsten 10 Kategorien mit Unterkategorien 1. Religiosität • •

Fatalismus Fanatismus – Aggressionspotential – Absolutheitsanspruch – Intoleranz



• •

Heuchelei Vorwand – Regelverstoß – Unehrlich »Unaufgeklärt« Toleranz

• • • •

Das Leben genießen Familienorientiert Toleranz Beziehungsorientierung



Geschlechtertrennung, Zurückhaltung Kleidervorschriften



2. Lebenskunst • • • • •

Gelassenheit, Laisser-faire Bescheidenheit Freundlichkeit Blumige Sprache Den anderen respektieren

3. Stellung der Frau • • • •

nicht akzeptiert »Freiwild« frauenfeindlich Frauen brauchen Begleitung



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4. Denkweise • • • • •

unkonzentriert unselbstständig unlogisches Denken chaotisch, unsystematisch kindlich

• • • • •

traditionsverhaftet freundlich, aber unzuverlässig viel Gerede ohne Ergebnis umständlich Gefühlsmenschen

5. Vormoderne Gesellschaft • •

Autoritätshörig Titel und Position versessen



Dominanz der Religion behindert die Arbeit – verbindet die Menschen – ein »Muss« im Geschäftsleben –

6. Indirektheit, Unaufrichtigkeit • • • •

falsche Freundlichkeit • beschönigend intrigant • keine Fehler zugeben können

indirekt, zwischen den Zeilen lesen müssen unfaire Verhaltensweisen

7. Konfliktfähigkeit •

empfindlich schnell gekränkt/ überempfindlich – eitel –

• • •

konfliktscheu eigensinnig Selbstüberschätzung, Arroganz



Undurchschaubare Bürokratie



feilschen, das Beste rausholen wollen

• • • •

ohne Engagement, Initiative Schmutz, Unordnung egozentrisch materialistisch

8. Institutionen • •

Korruption, Vetternwirtschaft Wichtigkeit von persönlichen Beziehungen

9. Profitorientierung • •

»Basarmentalität« unzuverlässige Vertragspartner

10. Selbststeuerung •

• •

Unzuverlässigkeit – unpünktlich, anderes Zeitverständnis – unzuverlässig nicht leistungsorientiert kein Qualitätsbewusstsein, Schlamperei

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Die 13 Themen, die am häufigsten genannt wurden (die in der oberen Tabelle fett gedruckt sind), werden nachfolgend aufgelistet, im Einzelnen vorgestellt und anhand von aussagekräftigen Textbeispielen belegt: 1. Indirekte Kommunikation 2. Wichtigkeit von persönlichen Beziehungen 3. Korruption 4. Unzuverlässigkeit der Vertragspartner 5. Unpünktlichkeit 6. Kein Qualitätsbewusstsein (Schlamperei) 7. Überempfindlichkeit (schnell gekränkt) 8. Keine Systematik (chaotisch, unsystematisch) 9. Unfähigkeit, eigene Fehler zuzugeben (keine Fehler zugeben können) 10. Profitorientierung (feilschen, das Beste herausholen wollen) 11. Versessenheit auf Titel und Positionen 12. Familienorientierung 13. Unselbständigkeit

1. Kategorie: »Indirekte Kommunikation« Ablehnung, Kritik und Wünsche werden oft nur indirekt geäußert, der Auslandsentsandte müsse lernen, »zwischen den Zeilen zu lesen« und Sensibilität für subtile Zeichen zu entwickeln. Es gibt häufig »hidden agendas«, die nicht direkt angesprochen werden. Deutscher Direktheit wird gelegentlich mit Misstrauen begegnet, weil arabische Mitarbeiter etwas dahinter Stehendes, Unausgesprochenes vermuten könnten. Araber sagen sehr ungern »nein«. Dennoch muss man lernen, wenn man sie verstehen möchte, sich besonders bei sensiblen Themen ebenfalls indirekt auszudrücken, um das Gesicht des Gegenübers zu wahren.

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Textbeispiele zur Kategorie »Indirekte Kommunikation« •





»Der wichtigste Unterschied ist …, dass die jordanischen Partner weniger konkret werden als die Deutschen es gerne haben. Sie bleiben eher schwammig und nebulös, um hinterher einen größeren Verhaltensspielraum zu haben.« »Im Geschäftsleben findet man selten Leute, die sehr offen sind. Die versuchen immer, sehr lieb und nett zu sein. Das führt dann aber dazu, dass sie nicht immer die Wahrheit sagen können, weil es ihnen peinlich ist.« »Sie werden von einem Araber niemals hören, dass er ›nein‹ sagt, er wird lieber darum herumeiern. In Jordanien ist es ganz extrem, die Leute haben hier mehrere Gesichter.«

2. Kategorie: »Persönliche Beziehungen sind wichtig« Geschäfte werden auf der Basis persönlicher Beziehungen gemacht. »Wozu ein newcomer drei Tage braucht, das erledige ich in zwei Stunden. Ich rufe die richtigen Leute an, weil ich sie kenne«. Kontakte und Netzwerke von möglichst einflussreichen Bekannten und der Aufbau vertrauensvoller Geschäftsbeziehungen erhalten höchste Priorität und werden als das »A und O« des wirtschaftlichen Erfolgs angesehen. Dies kann wichtiger sein, als allein gute Arbeit zu leisten. Das persönliche Gespräch ist wichtiger als z.B. Kommunikation per E-Mail. Textbeispiele zur Kategorie »Persönliche Beziehungen sind wichtig« •



»Deutsche sind sach- und themenbezogen, Jordanier definieren das Geschäft darüber, wenn die persönliche Ebene hergestellt ist. Das ist ein ganz wichtiger Unterschied.« »Wenn man einmal einen guten Eindruck bei einem Ägypter gemacht hat, braucht man sich keine Sorgen zu machen, dass er einen beim nächsten Mal vergisst.«

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3. Kategorie: »Korruption« Hier geht es vor allem um folgende Themen: Einflussreiche Personen nehmen im Hintergrund Einfluss auf Entscheidungen und Abläufe, Personalentscheidungen werden häufig zugunsten von Verwandten beeinflusst. Z. B. ist Korruption ein häufiges Phänomen bei der Auftragsvergabe. Einige Interviewpartner äußern Verständnis, dass diese Dinge manchmal notwendig seien: Es gehe weniger um persönliche Bereicherung als darum, die Familie zu versorgen. Insgesamt werden Entscheidungen eher personenbezogen als sachbezogen getroffen, die Belange von einflussreichen oder nahe stehenden Personen stehen gegenüber – nach deutschen Maßstäben – »objektiven« Kriterien im Vordergrund. Textbeispiele zur Kategorie »Korruption« •







»Man ist hier schon in der Lage, qualitativ hochwertige Leistungen zu liefern, aber nur wenn es alle wollen – es hängt also auch vom Bakschisch ab.« »Es bleibt hier so, dass Beziehungen eine sehr mächtige Rolle spielen. In Regierungsstellen lassen die Leute ihre Beziehungen sehr stark spielen.« »Wenn es meinem Projekt dient, dann bin ich auch bereit, mich darauf einzulassen, dass Aufträge sehr häufig über persönliche Beziehungen laufen. Das widerstrebt mir zwar, aber ich muss mich darauf einlassen, um etwas zu erreichen.« »Es spielt halt auch eine sehr große Rolle, zu welcher Familie man gehört – die Zugehörigkeit erkennt man hier auch sehr schnell am Familiennamen. Beziehungen und Politik spielen eine viel größere Rolle als die Leistung.«

4. Kategorie: »Unzuverlässigkeit der Vertragspartner« In dieser Kategorie wird besonders häufig genannt, dass Vertragskonditionen oft nachverhandelt werden: »an festgesetzten Konditionen zu verhandeln, ist gang und gäbe, das gehört zum Alltag« (Zitat aus einem der Interviews). Daneben wird angegeben, dass Verträge häufig bezüglich des Zeitplans, zu erbringender Leistungen oder der Bezahlung nicht eingehalten werden, gelegentlich auch, dass man gezielt hinters Licht geführt werde. Aus diesem Grund gebe es viel Misstrauen unter Geschäfts-

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partnern in deutsch-arabischer Kommunikation, und man müsse sich immer absichern (z.B. »häppchenweise« zahlen). Textbeispiele zu der Kategorie »Unzuverlässigkeit der Vertragspartner« •

• •



»Man kann hier etwas per Handschlag abmachen oder einen Vertrag abschließen – das hindert die Leute nicht daran, nach zwei Wochen noch mal über die Konditionen verhandeln zu wollen. Die versuchen immer, nachzuverhandeln.« »Europäer sind einfach zuverlässiger als Ägypter.« »Der große Unterschied zwischen Jordaniern und Deutschen liegt in der Zuverlässigkeit, der Einhaltung von Terminen und Absprachen. Da wird ein schon mal abgemachter Vertrag noch einmal in Frage gestellt, nachgekartet.« »Beruflich gibt es häufig Enttäuschungen. Man glaubt, es ist was erledigt, und dann merkt man, dass gar nichts passiert ist. Und dann hört man die unglaublichsten Entschuldigungen.«

5. Kategorie: »Unpünktlichkeit« Hier wird kritisiert, dass Termine nicht eingehalten werden. Übereinstimmend wird berichtet, Unpünktlichkeit sei – in den Kategorien von deutschen Auslandsentsandten – extrem weit verbreitet, man könne sich nur wenige Termine für einen Tag vornehmen. Lieferfristen würden häufig nicht eingehalten und Mitarbeiter erledigten Arbeiten häufig nicht in der versprochenen Zeit, so dass man flexibler planen müsse. Textbeispiele zu der Kategorie »Unpünktlichkeit« •



»Die Verlässlichkeit ist hier wesentlich geringer – das reicht von der Unpünktlichkeit der Leute bei ausgemachten Terminen bis zur Ausführung der Arbeit, die in manchen Bereichen sehr mangelhaft ist.« »Ägypter kommen auch bei privaten Verabredungen meist etwa eine Stunde zu spät. Aber nicht einmal darauf kann man sich verlassen, einmal ist es eine halbe Stunde, einmal eine dreiviertel Stunde.«

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6. Kategorie: »Kein Qualitätsbewusstsein« Viele Interviewpartner nennen in diesem Zusammenhang mangelnde Qualität der Produkte und bei der Arbeitsausführung als ein weiteres großes Problem. Es wird damit die Auffassung vertreten, dass es kein Bewusstsein weder für Zeit noch für Qualität gäbe. Ausschlaggebend sei stattdessen der Preis einer Ware: »Bei uns ist Qualität ein Wert, hier stellt sie nicht unbedingt einen Wert dar«. Außerdem liege das Augenmerk von Mitarbeitern häufig mehr darauf, dass sie eine Anweisung erfüllen, als darauf, in welcher Qualität sie dies tun. Textbeispiele zu der Kategorie »Kein Qualitätsbewusstsein« •



»Ein Beispiel ist der IT-Bereich, wo wir sehr schlecht jemanden bekommen, der uns wirklich hilft anstatt noch mehr kaputtzumachen.« »Wir sind gerade umgezogen und der Umzug hat mich zwei Monate meines Lebens gekostet, weil ständig etwas kaputtgemacht wurde, Leitungen angebohrt, die Klimaanlage kaputtgemacht.«

7. Kategorie: »Überempfindlichkeit« Die persönliche Ehre ist sehr wichtig und wird sehr schnell von den arabischen Geschäftspartnern als verletzt angesehen. Kritik und Zweifel an der Kompetenz oder Redlichkeit können im Vergleich zu Deutschland sehr schnell persönlich genommen und als Beleidigung aufgefasst werden. Vor allem eine Bloßstellung vor anderen, schlimmer noch: vor Untergebenen, kommt einem totalen Gesichtsverlust gleich. Kritik muss unbedingt unter vier Augen (und möglichst indirekt) geäußert werden, »das schlimmste, was man hier machen kann, ist, jemanden in der Öffentlichkeit anzuschreien«.

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Textbeispiele zur Kategorie »Überempfindlichkeit« •





»Ich kann die Übersetzung einer Bedienungsanleitung nicht offen kontrollieren, also rückübersetzen lassen, weil der Übersetzer sonst beleidigt ist.« »Ich finde es schwierig, dass die Leute hier alles so persönlich nehmen und sich aufregen, weil sie oft Sachen in den falschen Hals bekommen und demotiviert sind – wegen Kleinigkeiten oft.« »Sobald es um das Arbeitsfeld einer Person geht, möchte er nicht von anderen negative Punkte zu seiner Arbeit hören.«

8. Kategorie: »Keine Systematik« In dieser Kategorie sind Beobachtungen zusammengefasst, die sich auf ein im Vergleich zu deutschen Standards weniger planvolles, systematisches Vorgehen der arabischen Mitarbeiter beziehen. Es wird häufig kritisiert, dass Arbeitsabläufe entweder nicht geregelt seien oder nicht eingehalten würden, dass unsystematisch gearbeitet und »der dritte Schritt vor dem ersten« getan werde. Die deutschen Auslandsentsandten vermissen ein methodisches, zielgerichtetes und geradliniges Vorgehen. Textbeispiele zur Kategorie »Keine Systematik« • • •

»Wir Europäer denken so geradlinig wie möglich, denn das ist die effektivste Art, was zu erreichen.« »Die Leute hier gehen Zickzack, wie beim Schachspielen.« »Das analytische Denken ist sicher nicht so entwickelt wie in Europa. Das ist sicher eine Frage der Schulbildung und der Erfahrung, woran hier wohl noch ein Mangel herrscht.«

9. Kategorie: »Unfähigkeit, eigene Fehler zugeben zu können« In diesem Zusammenhang wird gesagt, dass arabische Mitarbeiter in der Regel vermeiden, für einen Fehler die Verantwortung zu übernehmen, Ausflüchte und Ausreden gebrauchen und anderen die Schuld zuschieben. Jemandem einen Fehler vorzuhalten, bedeutet einen drohenden Gesichtsverlust und wird als Angriff verstanden. Sich abzeichnende Pro-

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bleme werden deshalb häufig ignoriert und der Vorgesetzte wird nicht darauf aufmerksam gemacht. Textbeispiele zur Kategorie »Unfähigkeit, eigene Fehler zugeben zu können« • • •

»Die Ägypter sind ja nie schuld, es gibt keinen Ägypter, der einen Fehler zugeben würde.« »Wenn jemand Mist gebaut hat, dann ist er nie Schuld, sondern immer jemand anders.« »Die verstehen gar nicht, dass man sie gar nicht angreifen möchte, sondern es ist immer diese Verteidigungshaltung da, auch wenn man etwas ganz sachlich besprechen will.«

10. Kategorie: »Profitorientierung« In Verhandlungen werde mit großer Ausdauer und Vehemenz um Preise gefeilscht, es werde immer wieder nachverhandelt, auch bei bereits niedrigen Preisen und qualitativ hochwertiger Ware werde mit Nachdruck ein weiterer Preisnachlass gefordert, was von den deutschen Auslandsentsandten oft als überzogen und unfair erlebt wird. Manche Gesprächspartner merken an, dass man eben nicht mit einem niedrigen Preis in Verhandlungen gehen dürfe und dem Gegenüber die Genugtuung eines Preisnachlasses bieten müsse. Textbeispiele zur Kategorie »Profitorientierung« • • •



»Es wird hier gefeilscht und gehandelt, wo immer man hinkommt.« »Gerade uns Ausländern gegenüber haben sie ganz andere Preise.« »Wenn ich mal einem Mitarbeiter eine Strafe aufbrumme, dann sind sich alle einig und sie kommen alle zu mir und sagen: ›Kann man die Strafe nicht wieder streichen oder wenigstens reduzieren, es ist ja schließlich das erste Mal usw.?« »Gefeilscht wird auch da, wo es eigentlich unverständlich ist. Es wird gefeilscht über Gehälter, Vergünstigungen, Dienstwagen.«

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11. Kategorie: »Versessenheit auf Titel und Positionen« Diese Kategorie bezieht sich auf die Wichtigkeit von Status und Prestige: Seniorität sei wichtiger als das Kriterium der Kompetenzen bei Beförderung und Besetzung von Positionen; ältere Mitarbeiter und solche, die bereits länger im Unternehmen sind, werden automatisch als fähiger angesehen; Titel, Statussymbole und die Wahrung sozialer Grenzen zwischen Mitarbeitern mit unterschiedlichem Status seien im Vergleich zu deutschen Gepflogenheiten sehr wichtig. Angst um die eigene Position und Neid und Misstrauen unter Kollegen seien weit verbreitet. Textbeispiele zur Kategorie »Versessenheit auf Titel und Positionen« • •

• •

»Wenn man Aufgaben verteilt, muss man schon darauf achten, an wen man sie verteilt. Das liegt am Statusdenken der Mitarbeiter, also ob jemand zwei oder zehn Jahre dabei ist.« »Das Statusdenken fängt schon bei Kleinigkeiten an. Wenn man ein Auto hat oder ein Telefon, dann bedeutet das Status. Oder wenn man einen Fahrer hat, dann trägt der Fahrer die Tasche ins Büro. Ein Ägypter muss das aber machen, weil es für ihn ein Statusverlust wäre, wenn er die Tasche selbst tragen würde.« »Es ist auch ganz klar, wer hier in der Firma den Kaffee kocht.« »Die Chefs haben auch das beste Telefon, auch wenn sie es gar nicht brauchen und der, der es bräuchte, keines hat.«

12. Kategorie: »Familienorientierung« In den in dieser Kategorie gesammelten Äußerungen wird der arabische Familienzusammenhalt einerseits bewundernd beschrieben und mit dem »kalten« Umgang in Deutschland verglichen, zum andern werden aber auch negative Auswirkungen wahrgenommen, z.B. dass sich Familien nach außen eher abschotten und es daher schwierig ist für Ausländer, Kontakt zu finden. Unlauteres Geschäftsgebaren zugunsten von Familienmitgliedern wird kritisiert, Kinderfreundlichkeit, gegenseitige Unterstützung und Absicherung werden bewundert. Der arabische Familienzusammenhalt wird als einerseits schön, andererseits einschränkend erlebt.

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Textbeispiele zur Kategorie »Familienorientierung« • • •



»Man ist hier außerdem wesentlich mehr auf die Familie orientiert.« »Der Vater ist das absolute Familienoberhaupt.« »Wenn der Onkel zu Besuch nach Hause kommt, dann versteckt der Ingenieur in hoher Position seine Zigarette, um Respekt zu zeigen.« »Hier gefällt mir sehr gut der familiäre Zusammenhalt, der ist viel besser als in Deutschland.«

13. Kategorie: »Unselbständigkeit« Hier wird vor allem kritisiert, dass Mitarbeiter sehr detailliert angeleitet und danach regelmäßig kontrolliert werden müssen, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen. Die Gesprächspartner vermissen das selbständige Erledigen einer Aufgabe, wie sie es von Deutschland gewohnt sind. Es wird geschildert, dass arabische Mitarbeiter selten in der Lage seien, Verantwortung für einen Arbeitsablauf zu übernehmen, theoretische Inhalte praktisch und kreativ umzusetzen und selbständig Entscheidungen zu treffen. Dies wird vor allem mit dem Schulsystem begründet, dessen Fokus auf Auswendiglernen und Gehorsam, nicht aber auf Transfer und Hinterfragen liege. Textbeispiele zur Kategorie »Unselbständigkeit« • • •



»In der Schule wird ja selbstständiges Denken auch nicht gelehrt.« »Die können ganze Bücher auswendig lernen, aber die Umsetzung läuft nicht.« »Ein Ingenieur, der frisch von der Uni kommt, der kann ihnen genau erklären, wie ein elektronischer Baustein vernetzt ist, aber wenn er vor einem Auto steht, kann er es nicht umsetzen.« »In Deutschland gibt man jemandem mit Erfahrung eine Aufgabe und lässt ihn arbeiten. Hier gibt man eine Guideline, welche Schritte zu erledigen sind. Mit der Zeit lernen die Leute dann, wie sie an die Aufgabe herangehen müssen.«

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Diese empirischen Belege werden im Folgenden mit Kontextinformationen aus der wissenschaftlichen Literatur zu Stereotypen und Vorurteilen angereichert (vgl. folgenden Abschnitt 1.3.2) und mit letztgenannten Erkenntnissen verglichen (vgl. dazu Abschnitt 1.3.3).

1.3.2 Stereotypen und Vorurteile gegenüber Muslimen und Arabern in der Literatur Das Interesse an Stereotypen gegenüber Muslimen und Arabern findet sich in einer Vielzahl von wissenschaftlichen Abhandlungen und repräsentiert ein breites Spektrum an theoretischen Ansätzen sowie Blickwinkeln auf dieses komplexe Thema: 1. Historische und sprachwissenschaftlich orientierte Literatur zieht frühe literarische Zeugnisse und Reiseliteratur heran, um die Entwicklung des Orientbildes, des Bildes der orientalischen Frau o.Ä. im »Westen«, besonders in Europa, zu untersuchen (vgl. u.a. Bohnen, 2000; Moser-Weithmann, 1999; Heß-Meining, 1999). 2. Kommunikationswissenschaftliche Literatur analysiert das Araberund Islambild in verschiedenen modernen Medien (Fernsehen, Film, Zeitungen, Zeitschriften, politische Karikaturen). Häufig gibt es einen historischen Auslöser für gesteigertes Interesse an dem Thema, z.B. nach dem Golfkrieg von 1991 oder nach dem 11. September 2001 (vgl. u.a. Bouchara, 2002; Dean/Popp, 1990; Zaharna, 1995). 3. Psychologische und pädagogische Stereotypen-Forschung untersucht meist experimentell die kognitiven Prozesse im Zusammenhang mit Stereotypenbildung und -verarbeitung. Araber sind gelegentlich (eher selten) eine der Gruppen, denen gegenüber die Stereotypen der Versuchspersonen erhoben werden. Dies geschieht jedoch meist nicht durch Erfragen von Stereotypen-Inhalten, was aus Gründen der sozialen Erwünschtheit auch problematisch wäre, sondern durch Vorgeben von Adjektiv-Paaren (semantischen Differentialen), die den entsprechenden Gruppen zugeordnet werden sollen. Die theoretische Grundlage für die Auswahl der Adjektive wird meist nicht expliziert, so dass diese Studien kaum Material für den Inhalt von Stereotypen und Vorurteilen hergeben. Zusätzlich werden die Probanden oft nach Ihrer Neigung zu sozialer Interaktion mit den entsprechenden Gruppen befragt (vgl. u.a. Lustig/Adelman, 1981; Binay, 2002; Nazarkiewicz, 2000). 4. Besondere Aufmerksamkeit hat dieser Zweig der Stereotypen-Forschung im Zusammenhang mit dem israelisch-palästinensischen Konflikt erfahren, so dass eine Vielzahl von Studien israelischer Wissenschaftler oder mit in Israel erhobenen Daten zu Stereotypen und

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Vorurteilen zwischen Israelis und Palästinensern geht. In den meisten Studien werden Stereotype und Vorurteile von jüdischen Israelis gegenüber israelischen Arabern erhoben, allerdings ebenso wie in der allgemeinen Stereotypenforschung häufig mit semantischen Differentialen und Lickert-Skalen zur Intention, mit der anderen Gruppe Kontakt zu haben (vgl. u.a. Flores, 2000; Hafez, 2002). Aus der Heterogenität der Ansätze in der Literatur ergibt sich eine Reihe von Problemen für deren Auswertung: 1. Die jeweils betrachteten Gruppen von Arabern sind z.T. sehr unterschiedlich, von der Betrachtung von Stereotypen von »Arabern« im Allgemeinen, z.B. in US-amerikanischen Fernsehserien, bis hin zu einzelnen Gruppen mit einer im Hinblick auf Stereotype und Vorurteile sehr speziellen Geschichte, z.B. Palästinenser. Hinzu kommt, dass dabei auch jeweils sehr unterschiedliche Ursprungsperspektiven (d.h. Gruppen, deren Stereotypen/Vorurteile gewählt werden) eingenommen werden, z.B. Amerikaner, Deutsche, Israelis. Es bleibt zunächst unklar, inwieweit Stereotype über verschiedene Gruppen von Arabern, von verschiedenen Referenzgruppen, vergleichbar sind und generalisiert werden können. Besonders im Falle sehr schwieriger politischer Konstellationen wie des israelisch-palästinensischen Konfliktes ist dies eher fraglich. Auf der anderen Seite hat jedoch auch und gerade die Berichterstattung über diesen Konflikt das Araberbild in der westlichen Welt entscheidend geprägt, so dass eine völlige Außerachtlassung ebenfalls nicht gerechtfertigt erscheint. Es spricht einiges dafür, Ergebnisse aus der amerikanischen Stereotypenforschung zumindest zu weiten Teilen auf Deutschland zu übertragen, da mehrere Autoren anmerken, dass die europäischen Stereotype und Vorurteile über die arabisch-islamische Welt in Amerika übernommen wurden und lediglich um einige spezifische Elemente erweitert wurden (Suleiman, 1989). 2. Eine Reihe von Publikationen unterscheidet nicht zwischen Arabern und Muslimen und vermengt Stereotypen/Vorurteile gegenüber Muslimen mit denen gegenüber Arabern. Dies deckt sich mit der gegenwärtigen Diskussion um die Verarbeitung der historischen Erfahrungen von Migranten in Deutschland. In dieser Debatte werden die muslimischen Migranten völlig unreflektiert mit der großen von in Deutschland lebenden Türken gleichgesetzt, die eben nicht Araber sind. 3. Eine Vielzahl von Publikationen, besonders aus den historischen, politikwissenschaftlichen sowie den sprach- und kommunikationswissenschaftlichen Disziplinen betrachten das Thema Stereotype/Vorurteile auf einer Makroebene. Das Augenmerk ist dabei vor allem auf

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Beziehungen zwischen Bevölkerungsgruppen und zwischen Nationen, oft unter Einbezug historischer Ereignisse und politischer Konflikte. Diese Betrachtungsweise richtet den Blick vor allem auf Stereotype und Vorurteile, die mit Konflikten und nicht-friedlichen Lebensäußerungen, wie z.B. terroristischen Bedrohungen, unhinterfragt gleichgesetzt werden und nur auf der Makroebene eine Behandlung erfahren. Diese Betrachtungen haben jedoch nur bedingt Einflüsse auf die Interaktionen zwischen Individuen, speziell in der Arbeitswelt. 4. Viele Studien, die Stereotype über Araber experimentell untersuchen, sind inhaltlich nur wenig ergiebig, weil – wohl aus Gründen politischer Korrektheit – die Inhalte von Stereotypen oft nicht expliziert, sondern eher allgemein umschrieben werden (vgl. Slone et al., 2000). 5. Eine Reihe von Autoren klassifizieren das Araber-Bild im Westen in drei zentrale Kategorien (vgl. Erickson/Al-Timimi [2001]): der »Terrorist«, der »Fanatiker«, der »reiche Ölscheich«. Karim kommt in seiner Literaturübersicht zu dem Schluss, dass vier Themen im Araber- und Islambild des Westens dominieren: »Violence, lust, greed, and barbarism« (Karim, 1997, S. 157). Die hier durchgeführte Literaturanalyse (Erickson/Al-Timimi, 2001; Feghali, 1997; Haque, 1995; Karim, 1997; Najjar, 2000; Nobles/Sciara, 2000; Nydell, 2002; Scarborough, 1998; Suleiman, 1989; Suleiman, 1973; Wigle Artz/Pollock, 1995) ergab folgende Kategorien von Stereotypen über Araber und Muslime, die immer wieder genannt wurden:8 Tabelle 2: Die in der Literatur häufigsten Stereotype gegenüber Arabern •

gewalttätig, grausam blutdürstig – grausam – gewalttätig – eine aggressive, expansive Eroberungspolitik betreibend, Krieg liebend – moralisch besonders verwerfliche Formen der Gewalt betreibend, z.B. Brudermord –

8

An dieser Stelle sei erwähnt, dass aus der Vielzahl und Vielfalt wissenschaftlicher Arbeiten zu Stereotypen über Araber nur eine geringe Anzahl an Studien ausgewählt wurde (vgl. Abschnitt 1.3.2). Damit wurden u.a. die zahlreichen Publikationen nach »9/11« außer Acht gelassen. Für eine Fortführung dieser speziellen Thematik sei auf die hierfür einschlägige Literatur verwiesen.

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untrustworthy verräterisch, hinterhältig, unehrlich – diebisch – schlau overly sensual – sex maniacs – (übermäßig) sinnlich, mainly motivated by lust – Männer heiraten viele Frauen, weiße Haremssklavinnen etc. oppressing women/inferior role of women – Frauen werden unterdrückt – Frauen haben keine Rechte, werden zu Verschleierung, genitaler Verstümmelung gezwungen und aus dem öffentlichen Leben verbannt – Frauen sind passiv und akzeptieren ihre niedrigere Position uncultured – wild, barbarisch, unzivilisiert, primitiv, »Kameltreiber« – ungebildet irrational – Fanatiker – abergläubisch – Rituale zu stark betonend Terroristen reiche Ölscheichs – ungeheuer reich – gierig – Luxus liebend trickreiche Händler – Teppichhändler – gerissen, unehrlich backward – unwissend, inkompetent emotional – impulsiv – rachsüchtig the enemy – Anti-Western, Antisemitisch – gefährlich – bedrohlich »noble savage« – einfach (positiv) – unabhängig – frei –









• •



• •





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mutig exotisch indulgent – schwach – träge fatalistisch Fundamentalisten gastfreundlich (v.a. Beduinen) stark inferior – der westlichen Kultur unterlegen unattraktiv – –



• • • • • •

Zwar tragen die Studien, die mit semantischen Differentialen arbeiten, wenig zur Beleuchtung der inhaltlichen Komplexität von StereotypenKategorien bei, weil darin Stereotype nicht direkt erhoben werden oder über Kriterien für die Auswahl der verwendeten Adjektive keine Auskunft geben. Dennoch sind diese Beiträge für unsere Thematik aufschlussreich, da häufig Adjektive verwendet werden, die zumindest mit einigen der o.g. Kategorien übereinstimmen, so z.B.: primitive-advanced, dependable-undependable, good-bad, stupid-wise, sociable-unsociable, cleandirty, harmful-useful (Eshel, 1999) oder clever-stupid, dilligent-lazy, kindcruel, frightening-not frightening, sociable-unsociable, generous-mean, trustworthy-untrustworthy, brave-cowardly, law abiding-not law abiding, clean-dirty (Slone et al., 2000). Vereinzelt finden sich in der Literatur Beschreibungen arabischer kultureller Praktiken zu bestimmten Themen, aus denen sich ebenfalls Informationen über daraus resultierende Stereotypen und Vorurteile entnehmen lassen. Für den Arbeitsbereich besonders relevant erscheint Meleis’ Schilderung der Anpassungsprobleme arabischer Studenten in den USA, aufgrund derer sie von amerikanischen Dozenten häufig als zu wenig unabhängig und »resourceful« wahrgenommen werden, sowie als zu passiv und nicht verantwortungsbereit. Außerdem werde ihre geringe Fähigkeit zur Analyse und kritischen Evaluation von wissenschaftlicher Literatur kritisiert (Meleis, 1982, S. 444). Speziell in Bezug auf den Islam merkt Hafez (2000) an, dass die gelebte Religion als Gegenbild und Antagonismus zu westlichen Idealen und Werten, wie Freiheit, Menschenrechten und Demokratie, angesehen wird. Es ist außerdem anzumerken, dass einige der oben genannten Stereotype im Zusammenhang mit dem Islam besonders stark und negativ gefärbt sind, so zum Beispiel Bilder, die mit der Unterdrückung der Frau zusammenhängen (siehe z.B. Amanuel, 1996). Ferner haben Stereotypen dazu beigetragen, dass expansive religiöse Ausbreitungsbewegun-

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gen der islamischen Religion als ausschließlich mit kriegerischen Mitteln (»mit Feuer und Schwert«) stattgefunden zu haben scheint, oder zumindest implizit diese Konnotation trägt. Auch das Stereotyp des Fatalismus und Bekämpfen von Neuerungen wird vor allem im Zusammenhang mit einem vorurteilsbehafteten Blick auf den Islam genannt (Tworuschka, 1998). Amanuel (1996) betont, dass Stereotype und Vorurteile, die im Hinblick auf den Islam stark negativ gefärbt sind, im Gegensatz dazu bei der Wahrnehmung des »Orient« als exotisch-anziehend oft auch eine positive Konnotation erfahren haben. So werde beispielsweise die Verschleierung der Frau entweder als Zeichen ihrer Unterdrückung oder auch als Zeichen von lebendiger Erotik gewertet. Einige Autoren ziehen den Schluss, dass das Bild der Araber und besonders des Islam im »Westen« als Gegenbild zur eigenen Identität konstruiert wird, und dass eine besondere Neigung besteht, negative Erscheinungen in arabischen und islamischen Ländern als Ergebnis der Kultur und Religion anzusehen, während dies im eigenen Kulturkreis nicht getan wird. Schulze etwa schreibt: »Ein Despot kann orientalisch sein, unsinnig scheint es aber, von einem westlichen oder einem okzidentalen Despoten zu sprechen« (Schulze, 1991, S. 252). Neumann merkt an: »Despotie geriet zur orientalischen Despotie, Fanatismus zum arabischen Fanatismus, Schicksalsgläubigkeit zur islamischen Schicksalsgläubigkeit« (Neumann, 1999, S. 27).

1.3.3 Vergleich der empirisch gefundenen StereotypenKategorien mit den Kategorien aus der Literatur Es ist zunächst erstaunlich, dass sich die beiden vorgenannten Gruppen von Stereotypen-Kategorien nur zu einem relativ geringen Teil überschneiden, und wie es zu sein scheint besonders dann, wenn man die am häufigsten genannten Stereotype betrachtet. Von den in der Literatur allzu häufig auftretenden Kategorien »gewalttätig, grausam«, »nicht vertrauenswürdig«, »übermäßig sinnlich« und »Unterdrückung der Frau« findet nur eine ihre Entsprechung zu den 13 umfangreichen empirischen Kategorien unserer empirischen Forschung, nämlich »Unzuverlässigkeit der Vertragspartner« und (in der Literatur) »nicht vertrauenswürdig: verräterisch, hinterhältig, unehrlich«. »Unterdrückung der Frau« ist zwar unter den empirischen Kategorien, die wir erhoben haben, vertreten, gehört jedoch nicht zu den umfangreicheren Kategorien. Hingegen finden sich im empirischen Material nur ganz wenige Äußerungen, die sich zur Kategorie »gewalttätig, grausam« in Bezug setzen lassen, und keine Äußerung, die der Kategorie »übermäßig sinnlich« entsprechen würde.

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Weitere Kategorien, die einander z.T. entsprechen, bei denen es sich jedoch nicht durchweg um umfangreiche, d.h. häufig genannten Kategorien handelt, sind die folgenden (umfangreiche Kategorien sind fettgedruckt): Tabelle 3: Vergleich der empirisch ermittelten Kategorien mit den Kategorien aus der Literatur

Empirisch

Literatur



Stellung der Frau



Unterdrückung der Frau



Nicht vertrauenswürdig: verräterisch, hinterhältig, unehrlich



trickreiche Teppichhändler: gerissen, unehrlich



»Denkweise«: unlogisches Denken »wildes Denken«: chaotisch, unsystematisch



irrational

»Denkweise«: Gefühlsmenschen



emotional: impulsiv

• •

Im Folgenden sollen einige Gründe diskutiert werden, die die Abweichungen zwischen den empirisch erhobenen Kategorien und denen der Literatursichtung erklären können und vor allem Auskunft darüber geben, warum es wenige Überlappungen gibt: Es fällt zunächst auf, dass die Stereotypen in der Literatur insgesamt sehr viel negativer sind und ein sehr viel gewalttätigeres und »unmenschlicheres« Bild von Arabern und Muslimen zeichnen, als die Stereotypen und Wahrnehmungen der Auslandsentsandten. Dies lässt sich wie folgt erklären: Erstens, ein Teil der Literatur über Stereotypen ist stark historisch orientiert und bezieht sich vor allem auf Bilder der arabisch-islamischen Welt, die ihren Ursprung in den Zeiten der Kreuzzüge und Reiseberichten aus viktorianischer Zeit haben. Zumindest ein Teil dieser Bilder mag, selbst wenn noch vorhanden, ihre Relevanz für die heutige Zeit verloren haben. An dieser Stelle wird deutlich, dass Stereotype historisch gewachsene Konstrukte darstellen, die darüber hinaus aber auch einen kontinuierlichen Wandel erfahren, wobei es zu Veränderungen in ihrer symbolischen Bedeutung bzw. Konnotation kommen kann.

BARRIEREN IN DER ZUSAMMENARBEIT | 55

Zweitens, die Stereotypen aus der Literatur haben ihre Wurzeln häufig in – historischen und aktuellen – Extremsituationen, von den Kreuzzügen bis zum Ölembargo, den Golfkriegen und dem 11. September 2001. Diese Bilder sind nicht nur häufig Teil von gezielter Propaganda, sondern sie entstehen auch aus massiv negativ gefärbten Inter-Gruppen-Konflikten. Daraus ergibt sich u.a. auch zwangsläufig ein Bild »von außen«, das auf sehr eingeschränkten Informationen beruht. Diese Stereotype lassen sich sofort als solche entlarven, sobald die Auslandsentsandten an ihrem Einsatzort ihre Erfahrungen machen. Drittens, die Situation der Auslandsentsandten ist eine völlig andere: Hier geht es in erster Linie um Kooperationen und um inter-individuelle (und nur in geringem Maße inter-gruppen-) Kommunikation.9 Die Expatriates bilden ihr Bild von Arabern und Muslimen anhand alltäglicher Situationen mit konkreten Individuen, nicht anhand negativer Ausnahmesituationen mit Gruppen. Sie haben außerdem Zugang zu Informationen über Alltag und zwischenmenschliches Verhalten in dem jeweiligen Land. Viertens, wie bereits erwähnt, liegt der Fokus der Expatriates auf Arbeitssituationen. Sie haben die Möglichkeit, nicht-arbeitsrelevanten Situationen, zumindest zum Teil, aus dem Weg zu gehen.

1.4

Fazit

Gerade Araber respektive die arabische Kultur sind nicht nur durch die Ereignisse der jüngsten Zeit, sondern bereits in geschichtlichen Abläufen zum Gegenstand spezifischer Stereotypisierungen gemacht worden. Diner (2005) spricht davon, dass von jeher die Religion und Kultur der Muslime im Allgemeinen und der Araber im Speziellen dem christlichen Abendland als »Gegenwelt« dienten. »Orient und Okzident waren sich allenfalls in Fremdheit vertraut. Sie waren sich jeweils ferne Nähe und nahe Ferne« (Diner, 2005, S.12). Gerade die konstruierte Gegenwelt, das beständige »Nebeneinander« erzeugt spezifische Bilder über die anderen. »Und diese Bilderwelt ließ den Orient, den Islam, die Araber in einem wenig günstigen Licht erscheinen. Wegen dieser Hypothek gilt es, zu den eingeschliffenen Bildern vom anderen Distanz zu halten« (Diner, 2005, S. 12). Stereotype als »eingeschliffene Bilder«, fixierte Einstellungen respektive Meinungen über »die Araber« beeinträchtigen die Kooperation in der Weise, dass Nuancen, Tendenzen und Spezifika an dem konkreten In9

Auf diese Unterscheidung hat als erster Tajfel aufmerksam gemacht (Tajfel, 1982, S. 240; Vgl. auch Hansen, 2003, S. 324f.).

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teraktionspartner häufig übersehen werden. Die vielfältige Varianz zwischen den Vertretern arabischer Kulturen wird nicht wahrgenommen, sondern, es wird das Beobachtete in die bereits vorhandene Schemata eigenkultureller Kategorien hineingepresst. Durch dieses »Schubladendenken« entgehen den Akteuren relevante Informationen. Unsere Forschung zeigt, dass auch »alte Hasen«, die bereits langjährige Erfahrungen in den arabischen Ländern gemacht haben, vor diesen fixierten Denkmustern nicht gefeit sind. Stereotype als Barrieren beeinträchtigen die Varianz der Wahrnehmungsmöglichkeiten, die Vielfalt der Interpretationsspielräume – und können auch die Wahl der Handlungsstrategien einschränken.

II. Interkulturelle Kompetenz im Kontext von Stereot yp en

2.1 Einführung Die Konzeption unseres Trainings basiert auf der Annahme, dass durch die Modifizierung von Stereotypen der Wahrnehmungs-, Interpretationsund Handlungsspielraum eines im interkulturellen Kontext agierenden Individuums erweitert wird und somit ein »mehr« an Optionen zur Verfügung steht. Modifizierung soll als Prozess verstanden werden, der durch spezifische Maßnahmen ausgelöst und unterstützt wird, wobei fixierte und eingeengte Wahrnehmungs-, Interpretations- und Handlungsweisen aufgebrochen werden mit dem Ziel der Befähigung zu einer polyvalenten und differenzierten Wahrnehmung, Interpretation und Handlung. Diese Fähigkeit, alternative Wahrnehmungs-, Interpretations- und Handlungsmöglichkeiten zu erkennen und anwenden zu können, wird vor allem in der Konfrontation mit wenig strukturierten oder unbekannten Situationen zum Tragen kommen. Ein »mehr« an Möglichkeiten, fremdkulturelles Handeln und Verhalten wahrnehmen und interpretieren zu können, sowie ein »mehr« an Möglichkeiten, adäquat auf das fremdkulturelle Handeln und Verhalten sowohl agieren als auch reagieren zu können, verstehen wir als Steigerung der interkulturellen Kompetenz, im Sinne einer Erweiterung respektive Öffnung des individuellen Interpretations- und Handlungsrepertoires. Letzteres schließt also die Nutzung bzw. Anwendung der Optionen ein. »Interkulturelle Kompetenz« kann als ein Konstrukt betrachtet werden, das mit den unterschiedlichsten Konnotationen bereits belegt wurde und derzeit zum Gegenstand hitziger Diskussionen geworden ist. Trotz vielfältiger Diskussionen ist eine Auseinandersetzung mit der Interrelation der Konstrukte »interkulturelle Kompetenz« und »Stereotype« eher selten

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anzutreffen. Bevor exemplarisch Ansätze und Modelle diskutiert werden, die explizit auf diese Beziehung eingehen, wird zunächst ein kurzer Überblick zum Stand der Forschung zur interkulturellen Kompetenz im Allgemeinen präsentiert – ohne dabei auf die verschiedenen Lesearten des Begriffes in aller Tiefe eingehen zu wollen. Der interessierte Leser sei jedoch an dieser Stelle schon auf die Literaturhinweise für das weiterführende Studium am Ende des Kapitels hingewiesen. Das Kapitel endet mit einer kritischen Auseinandersetzung der präsentierten Theorien und deren Bedeutung für unsere Forschung.

2.2 Interkulturelle Kompetenz (IK) Im Rahmen von Auslandsentsendungen sehen sich sowohl profitorientierte Unternehmen als auch non-profitorientierte Organisationen mit der Aufgabe konfrontiert, geeignetes Personal für einen Auslandsaufenthalt auszuwählen. Misserfolg im Auslandsgeschäft bzw. hohe Abbruchquoten1 (Stahl et al., 2004; Kühlmann, 2004) führte schließlich zu der Frage, ob spezielle Eigenschaften respektive Fähigkeiten und Fertigkeiten, wie zum Beispiel Ambiguitätstoleranz oder Flexibilität, eher zu einer effektiven Bewältigung der Tätigkeiten im Ausland befähigen. Gerade die Anfänge der wissenschaftlichen Forschung zur interkulturellen Kompetenz in den 1980er Jahren sind auf praktische Erwägungen zurückzuführen und können als Reaktionen auf den Bedarf angesehen werden, passendes Personal sowohl auszuwählen und anschließend kontextadäquat auf ihren Einsatz vorzubereiten. Im Rahmen dieser Diskussion wird interkulturelle Kompetenz gemeinhin als eine Schlüsselqualifikation (Thomas, 2003) für das grenzübergreifende Kooperieren angesehen. Auch in praktischen Handlungskontexten gilt interkulturelle Kompetenz letztlich allgemein als Prädiktor für den Erfolg im Auslandsgeschäft. Auch wenn weitgehend von einem Konsens hinsichtlich der Relevanz von interkultureller Kompetenz gesprochen werden kann, ist bislang keine Einigkeit darüber erzielt worden, was genau unter interkultureller Kompetenz zu verstehen sei und wie diese konzeptualisiert bzw. erfasst, gemessen und gefördert werden könne. Die Heterogenität in der Forschungslandschaft zu den spezifischen Merkmalen, Komponenten, Ansätzen und zugrunde liegenden Annahmen spiegelt sich auch in der heterogenen Begriffsbildung des Konstruktes wider: Aus der anglophonen Forschung sind die Bezeichnungen »intercultural competence« »cross1

Das ist unabhängig davon, ob es zutrifft oder nicht, was einige Studien über das Ausmaß des »vorzeitigen Abbruchs« suggerieren wollen (vgl. Mayrhofer, 2006).

INTERKULTURELLE KOMPETENZ IM KONTEXT VON STEREOTYPEN | 59

cultural effectivity«, »intercultural sensitivity« oder auch »intercultural communication competence« bekannt, die häufig synonym verwendet werden. Diese Möglichkeit der synonymen Anwendung bestätigt auch Hanningan (1990), der darauf verweist, dass »effectiveness«, »competence« und »success« synonym für die Situationen eingesetzt werden könne, in denen das Handeln eines Akteurs sowohl die eigenen als auch die fremden Bedürfnisse berücksichtigt und dazu führt, dass die eigenen und auch die Ziele des interkulturellen Interaktionspartners einbezogen und erreicht werden. Trotz der Heterogenität in der Konzeption und Begriffsbildung kann doch eine dominante Strömung innerhalb der Forschung zur interkulturellen Kompetenz identifiziert werden.2 Innerhalb dieser dominanten Strömung besteht die Annahme, dass interkulturelle Kompetenz – wie dies bei Hanningan (1990) bereits angedeutet wird, die Fähigkeit ist, mit Angehörigen einer andern Kultur, effektiv und angemessen kommunizieren und interagieren zu können (vgl. Müller/Gelbrich, 1999). Dabei fällt auf, dass • •

Effektivität sich hier in erster Linie auf die Fähigkeit bezieht, eigene Ziele erreichen zu können; Angemessenheit sich in der Fähigkeit zeigt, sowohl auf die Ziele des andern zu achten, als auch vorherrschende Umgangsformen zu beachten.

Die Kriterien der Effektivität und Angemessenheit sind zwar weit verbreitet, aber dennoch keine unumstrittenen Komponenten interkultureller Kompetenz. Gemeinsam ist den unterschiedlichen Fach- und Forschungsrichtungen die Ausrichtung auf die Optimierung interkultureller Interaktionssituationen. Wie diese gelungene Interaktion jedoch erreicht werden kann und welche Kriterien eine gelungene interkulturelle Interaktion auszeichnen, ist Gegenstand teils intensiver Auseinandersetzungen, auf die wir am Beispiel der Diskussion im deutschsprachigen Kontext kurz eingehen möchten. Im deutschsprachigen Kontext werden neben dem Begriff der »interkulturellen Kompetenz«, auch die Begriffe interkulturelle Handlungskompetenz (Thomas, 2003) und interkulturelle Kommunikationskompetenz (vgl. u.a. Rehbein, 1986) verwendet und kontrovers diskutiert. Eine führende Position in Deutschland bei der Diskussion um Definition, Konstruktion und Bedeutung interkultureller Kompetenz nimmt nicht zuletzt der Regensburger Emeritus Alexander Thomas ein. Thomas (2003) Kon2

Diese dominante Strömung wurde freilich gerade in den letzten fünf Jahren in Deutschland heftig kritisiert (vgl. Erwägen, Wissen, Ethik, 2003).

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zeptualisierung interkultureller Kompetenz basiert auf der Annahme relativ stabiler Kulturen3, wobei das Bewusstsein und die Akzeptanz der eigenen sowie das Verständnis und die Wertschätzung für die fremde Kultur wichtige Voraussetzungen für ein interkulturell kompetentes Handeln sind. Zentrale Bedeutung kann in Thomas’ Ansatz der interkulturellen Kompetenz dem Konstrukt »Orientierungssystem« zugesprochen werden. Kultur ist Thomas zufolge ein Orientierungssystem, das aus spezifischen Symbolen gebildet und in der jeweiligen Gesellschaft tradiert wird. Das Orientierungssystem »beeinflusst das Wahrnehmen, Denken, Werten und Handeln aller ihrer Mitglieder und definiert somit ihre Zugehörigkeit zur Gesellschaft. Kultur als Orientierungssystem strukturiert ein für die sich der Gesellschaft zugehörig fühlenden Individuen spezifisches Handlungsfeld und schafft damit die Voraussetzungen zur Entwicklung eigenständiger Formen der Umweltbewältigung« (Thomas, 1993, S. 380). Für die Ausbildung interkultureller Kompetenz ist es relevant, sich sowohl des eigenen Orientierungssystems bewusst zu werden, dieses zu reflektieren – und gleichzeitig sich der Andersartigkeit eines fremdkulturellen Orientierungssystems und dessen Wirkung auf einen interkulturellen Partner zu bedenken. Die Entwicklung interkultureller Kompetenz wird von Thomas (2003) als ein Prozess beschrieben, der sechs verschiedene Stadien einschließt: 1. 2. 3. 4. 5. 6.

Interkulturelle Wahrnehmung Interkulturelles Lernen Interkulturelle Wertschätzung Interkulturelles Verstehen Interkulturelle Sensibilität Interkulturelle Kompetenz

Zunächst bedarf es der Wahrnehmung kultureller Andersartigkeit und der Wahrnehmung der Bedeutung dieser Andersartigkeit für die Interaktion, sodann müssen Kenntnisse über das fremdkulturelle Orientierungssystem und über deren Handlungswirksamkeit gewonnen werden. Ferner ist es für den im interkulturellen Kontext Handelnden von zentraler Bedeutung, das fremdkulturelle Handeln zu würdigen. Das interkulturelle Verstehen eröffnet sich durch das Wissen um das eigenkulturelle Orientierungssystem und um die möglichen Konsequenzen des Zusammentref-

3

Dass diese Annahme äußerst problematisch ist, wurde bereits in vielen Arbeiten diskutiert (vgl. z.B. Hansen, 2003; Bolten, 2001; Jammal, 2003). Hansens Unterscheidung zwischen Kollektiven ist sehr instruktiv, wonach deren Kulturen jeweils durch die Stiftung von Normalität gekennzeichnet sind.

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fens des eigenen und fremdkulturellen Orientierungssystems. Zusätzlich sollte ein sensibles Reagieren auf den Partner und partielle Übernahmen kultureller Perspektiven erfolgen. Interkulturelle Kompetenz zeigt sich dann im kulturadäquaten Umgang mit kulturbedingten Unterschieden, das dazu führt, Missverständnisse zu vermeiden bzw. aufzuklären und Problemlösungen zu entwerfen, die von allen Beteiligten akzeptiert und effektiv genutzt werden können. Thomas (2003) definiert nun interkulturelle Kompetenz als die Fähigkeit, »kulturelle Bedingungen und Einflussfaktoren im Wahrnehmen, Urteilen, Empfinden und Handeln bei sich selbst und bei anderen Personen zu erfassen, zu respektieren, zu würdigen und produktiv zu nutzen im Sinne einer wechselseitigen Anpassung, von Toleranz gegenüber Inkompatibilität und einer Entwicklung hin zu synergieträchtigen Formen der Zusammenarbeit, des Zusammenlebens und handlungswirksamer Orientierungsmuster in Bezug auf Weltinterpretation und Weltgestaltung« (Thomas, 2003).4 Anhand dieses vorgestellten Ansatzes von Thomas (2003) und der Stellungnahmen durch zahlreiche Wissenschaftler, die in der Zeitschrift »Erwägen, Wissen, Ethik« (2003) erschienen sind, wird nachfolgend kurz auf ausgewählte kontroverse Punkte der heftig geführten Diskussion im Anschluss an die Veröffentlichung des dargestellten Konzeptes der interkulturellen Kompetenz von Thomas eingegangen. Die Diskussion verdeutlicht, dass sich die deutsche Forschungsgemeinschaft in vielen Punkten uneins ist. Auf diese Punkte ist bereits im Detail zum einen in der oben genannten Zeitschrift und zum anderen in der kritischen Reflexion durch Rathje (2006) eingegangen worden. Wir beschränken uns an dieser Stelle auf eine zentrale Frage, die den Diskussionen zugrunde liegt: Was kann mit interkultureller Kompetenz erreicht werden? Der Ansatz von Thomas (2003) zielt auf die Optimierung einer Interaktion im interkulturellen Kontext ab. Eine Person, die als interkulturell kompetent gilt, ist damit in der Lage, mit fremdkulturellen Partnern »gemeinsame Problemlösungen« zu entwickeln, so dass diese »produktiv genutzt werden können«. Diese Position von Thomas kann in Übereinstimmung mit dominanten Ansätzen der US-amerikanischen Forschung zur interkulturellen Kompetenz gesehen werden, wonach das Ziel interkultureller Kompetenz die Effektivität und eine optimale Zielerreichung ist. Gerade aber die Fokussierung auf den Aspekt der Effektivität hinsichtlich der interkulturellen Kompetenz wird von Vertretern verschie-

4

In Hansens Ansatz – siehe oben – spielt bei der Konzeptualisierung des Begriffes der interkulturellen Kompetenz die Normalitätserzeugung die zentrale Rolle. Durch interkulturelle Kompetenz kann es gelingen, Normalität zu erzeugen und somit Interkulturalität in Kulturalität zu transformieren (vgl. Hansen, 2003; Rathje, 2006).

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dener Fachrichtungen kritisch betrachtet. Straub hinterfragt hierbei, ob die Prädikate, die Thomas für die Charakterisierung der intrakulturellen Kommunikation bemüht, wie beispielsweise »störungsfrei« und »höchst effizient« als »angemessene (normative) Qualifizierungen einer gelingenden Praxis« angesehen werden können (Straub, 2003, S. 207). Er wendet ein, dass interkulturelle Kompetenz nicht nur in geschäftlichen, sondern auch in privaten oder freundschaftlichen bzw. bikulturellen Partnerschaften zum Tragen kommt. Verlässt man die Bühne des zweckrationalen und geschäftlichen Schauplatzes, wirkt das Kriterium der Effektivität als unzureichend bzw. wenig geeignet. »Diese Kriterien sind zwar unerlässlich, aber unvollständig, sobald man einen nicht zweckrationalistisch verengten Begriff menschlichen Handelns ins Spiel bringt« (Straub, 2003, S. 207). Ferner verweist Frindte (2003) darauf, dass Missverständnisse nicht nur durch mangelnde interkulturelle Kompetenz verursacht werden, sondern geradezu zum Zwecke der Macht und Kontrolle gezielt eingesetzt und genutzt werden. Auch wenn der Ansatz von Thomas als Interaktionistischer Ansatz bezeichnet werden kann, der sowohl individuelle als auch situative Faktoren integriert, lässt er doch die Interpretation zu, dass überwiegend dem Individuum der Erfolg oder Misserfolg einer interkulturellen Interaktionssequenz zugeschrieben werden muss und situative Variablen weniger relevant zu sein scheinen. Ansätze, die interkulturelle Kompetenz nicht als Mittel und Möglichkeit zur effektiven Zielerreichung sehen, sondern auf die Entwicklung der Persönlichkeit ausgerichtet sind, sehen in der interkulturellen Kompetenz die Chance, individuelle Entwicklungsprozesse zu initiieren (vgl. Rathje, 2006). Wierlacher (2003), ein Vertreter dieser Richtung, definiert interkulturelle Kompetenz als die Fähigkeit, persönliche Veränderungsprozesse bzw. Horizonterweiterungen zu durchlaufen. Resümierend sei erwähnt, dass die Forschung zur interkulturellen Kompetenz ursprünglich aus dem Bedarf heraus erfolgte, die »richtige« Person für einen Auslandsaufenthalt zu identifizieren, um die Entsendung von Fach- und Führungskräften zu optimieren und die Nachhaltigkeit eines Aufenthaltes zu garantieren. Dementsprechend verfolgen viele Forschungen zur interkulturellen Kompetenz das Ziel, Variablen zu identifizieren, die als Prädiktoren für ein erfolgreiches interkulturelles Handeln herangezogen werden können (Dinges/Baldwin, 1996). Ferner zeigen Ansätze, welchen Prozess interkulturell agierende Personen durchlaufen sollten, um als kompetent gelten zu können (Thomas, 2003). Diese aufgeführten Ansätze verfolgen implizit oder explizit das Ziel einer effektiven und zielorientierten Kommunikation. Kritik erfährt diese Konzeptualisierung beispielsweise durch die Forderung von Wierlacher (2003), interkulturelle Kompetenz sei zunächst die Möglichkeit persönliche Weiterent-

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wicklungen zu durchlaufen. Oder aber das Ziel der Effektivitätsorientierung wird als unvollständig betrachtet, da diese Definitionen überwiegend auf den Arbeits- und Geschäftskontext ausgerichtet sind und eine zweckrationale Orientierung zugrunde liegt (Straub, 2003). Anknüpfend an die oben geführte Diskussion plädieren wir für eine Synthese der konträren Ansätze und betrachten interkulturelle Kompetenz als eine Fähigkeit, die sowohl nach innen wirkt, also die eigene Persönlichkeit betrifft, als auch nach außen wirkt und die Qualität der interkulturellen Interaktion beeinflusst. Das Vermögen, alternative Interpretationen und Handlungsstrategien wählen zu können, sollte einen intrapersonalen Entwicklungsprozess initiieren. Zusätzlich sollte sich diese Kompetenz schließlich auch auf die interpersonale Kommunikation auswirken und den Akteur zur effektiven Interaktion in interkulturellen Begegnungen befähigen.5 Ferner ist festzustellen, dass zahlreiche Ansätze zur interkulturellen Kompetenz Eigenschaften oder Fähigkeiten thematisieren, über die eine Person verfügen sollte um als interkulturell kompetent zu gelten. In seltenen Fällen jedoch wird ausdrücklich auf die Barrieren interkulturell kompetenten Handelns verwiesen. Sie werden selten weder extra genannt, noch werden sie in der Weise aufgearbeitet, dass sie greifbar und dadurch veränderbar werden. Die Rede ist von Stereotypen.

2 . 3 E i n f l u s s v o n S t e r e o t yp e n a u f d i e I K Spencer-Rodgers/McGovern (2002) stellen fest, dass die Vorurteilsforschung die Rolle der interkulturellen Kommunikation allgemein – und spezifisch die Rolle der interkulturellen Kommunikation in Bezug auf die evaluative Orientierung von Individuen in interkulturellen Kontexten – weitgehend übersah bzw. noch immer ignoriert. Es liegt der Verdacht nahe, dass auch der Umkehrschluss gilt: Die Forschung zur interkulturellen Kommunikation respektive die Forschung zur interkulturellen Kompetenz nimmt nur in seltenen Fällen Bezug auf die Vorurteils- und Stereotypenforschung. Desgleichen ist die Beziehung zwischen interkulturellen Kommunikationsbarrieren und Intergruppen- Einstellungen noch relativ unerforscht (Gudykunst/Hammer, 1988). Entsprechend wird auch in der interkulturellen Kompetenzforschung der Einfluss von Vorurteilen und Stereotypen auf die Fähigkeit, interkulturell kompetent zu agieren, nur partiell berücksichtigt. Diese Feststellung verwundert jedenfalls in der 5

Die schwierige Frage, ob interkulturelle Kompetenz stets kontextabhängig oder kontextunabhängig sei, wird hier gänzlich ausgeblendet. Die Hypothese scheint nicht unplausibel zu sein, dass einige Elemente der IK kontextabhängig, andere hingegen eher kontextunabhängig sind.

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Hinsicht, da in unserer empirischen Forschung (siehe Kapitel eins) festzustellen war, dass Stereotype nicht nur die Interpretation des fremdkulturellen Verhaltens einschränken, sondern auch die eigene Handlungsfähigkeit beeinträchtigen. Das Ziel unseres Trainings ist es, genau diese Lücke zu schließen.

2.3.1 Welche theoretischen Ansätze zur interkulturellen Kompetenz inkorporieren Stereotype? Einige Hinweise auf einen Zusammenhang von Stereotypen und interkultureller Kompetenz lassen sich jedoch in einzelnen Ansätzen finden. So identifiziert beispielsweise Jandt (1995) Vorurteile und Stereotype6 als eine von sechs Barrieren interkultureller Kommunikation. Stereotype und Vorurteile behindern Jandt (1995) zufolge, die Kommunikation in zumindest dreifacher Weise: sie verführen dazu, allgemein kommunizierte und akzeptierte Überzeugungen als wahr zu betrachten, Generalisierungen vorzunehmen und sie führen zu negativen Attributionen. Im Folgenden werden beispielhaft die Ansätze und Modellbildungen von Wiseman, Hammer/Nishida (1989) und Chen/Starosta (2003), sowie Bolten (2001) zur interkulturellen Kompetenz vorgestellt, die sich auf Stereotype beziehen bzw. diese in ihre Konzeptualisierung zur interkulturellen Kompetenz inkorporieren. Basierend auf der Literatur zur effektiven interkulturellen Kommunikation resümieren Wiseman, Hammer/Nishida (1989), dass einerseits das Wissen über die Gastkultur und andererseits die Einstellung gegenüber der Gastkultur die Effektivität interkultureller Kommunikation entscheidend beeinflussen. Wissen über die Gastkultur: Die Autoren gehen davon aus, dass das Wissen über die Gastkultur dazu führt, dass der Gast (sojourner) das Verhalten in der Gastkultur isomorph interpretieren kann. Der Begriff der isomorphen Attribution geht auf Triandis (1977) zurück, der Attributionen und Interpretationen dann als isomorph bezeichnet, wenn eine Person in der Lage ist, das fremdkulturelle Verhalten aus der Perspektive des fremdkulturellen Partners heraus zu interpretieren. Mit anderen Worten, dass eine Person fähig ist, das fremdkulturelle Verhalten oder ein Ereignis so zu erklären, wie es auch ein Einheimischer tun würde. Einstellung gegenüber der Gastkultur: Einstellungen gegenüber einer fremden Kultur spielen eine entscheidende Rolle in der Hinsicht, wie positiv oder negativ die andere Kultur wahrgenommen wird. Ferner beeinflusst die Einstellung das mögliche Maß eines gegenseitigen Verstehens. 6

Häufig werden Stereotype gleich im »Doppelpack« mit Vorurteilen genannt, was darauf hinweist, dass eine exakte Trennung der beiden Konzepte entweder unmöglich oder unnötig zu sein scheint

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Wiseman u.a. (1989) konzipieren ihr Einstellungsmodell aus drei in Wechselbeziehung stehenden Komponenten, die der kognitiven, der affektiven und der konativen Dimension zugeordnet werden. Die kognitive Komponente bezieht sich darauf, wie ein Individuum eine andere Person wahrnimmt und besteht aus den Stereotypen, die dieses Individuum gegenüber der anderen Kultur und seinen Mitgliedern hat. In Anlehnung an den Überblicksartikel zur Stereotypenliteratur von Hewstone und Giles (1986) konstatieren Wiseman u.a. (1989) folgende Auswirkungen von Stereotypen: a) Stereotypisierungen beeinträchtigen den Informationsverarbeitungsprozess in der Weise, dass in Bezug auf die Eigengruppe (In-group) eher und mehr positive Informationen – hingegen über die Fremdgruppe (Out-group) tendenziell eher negative Informationen erinnert werden. b) Stereotype generieren Erwartungen, welche konform mit der Einstellung der Personen sind. Danach werden tendenziell eher Verhaltensweisen erinnert, die konform mit eigenen Stereotypen sind. c) Stereotype behindern kommunikative Alternativen und verursachen stereotypenkonformes Verhalten. Die affektive Dimension wird durch das Konstrukt »Ethnozentrismus« gebildet und umfasst die Gefühle des Mögens oder Nicht-Mögens, die auf eine andere Person gerichtet sind. Die konative Dimension bezieht sich auf die behaviorale Tendenz hinsichtlich einer anderen Person (Einstellungsobjekt) und reflektiert die Intention zur sozialen Distanz gegenüber dieser Person. Das Modell von Wiseman u.a. (1989) verdeutlicht zwar, wie Stereotypen eine effektive interkulturelle Kommunikation beeinflussen, jedoch geht aus dem Modell nicht hervor, auf welche Weise Stereotype verändert werden könnten. Eine Konzeptualisierung, die ähnlich der Modellbildung zur interkulturellen Kompetenz von Wiseman u.a. (1989) ebenfalls die Dimensionen Kognition, Affekt und Verhalten beinhaltet, liefern Chen/Starosta (2003). Diese drei Dimensionen werden jedoch anderen Komponenten zugeordnet. Die kognitive Dimension bei Chen u.a. (2003) wird als interkulturelles Bewusstsein bezeichnet und bezieht sich auf das Verständnis von kulturspezifischen Normen und Regeln oder Konventionen, die sowohl das Denken als auch das Verhalten beeinflussen. Interkulturelle Sensitivität gilt als die affektive Dimension und bezieht sich auf die Entwicklung der Bereitschaft, interkulturelle Unterschiede zu verstehen und zu würdigen. Interkulturelle Geschicklichkeit (adroitness), als die behaviorale Komponente, umfasst die Fähigkeiten, interkulturelle Interaktionen effektiv zu

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gestalten. Zentrale Bedeutung in der Konzeptualisierung von Chen u.a. (2003) erlangt die kognitive Komponente und damit das interkulturelle Bewusstsein. Interkulturelles Bewusstsein ist hiernach nicht einfach vorhanden oder nicht vorhanden, sondern entwickelt sich stufenweise. In Anlehnung an Adler (1987) formulieren Chen u.a. (2003) die drei Stufen interkulturellen Bewusstseins folgendermaßen: 1. Bewusstsein für oberflächliche Eigenschaften 2. Bewusstsein für signifikante und feine/tiefer liegende kulturelle Eigenschaften 3. Bewusstsein für das Gefühl, Kultur aus der Insiderperspektive her zu verstehen Auf der ersten Stufe interkulturellen Bewusstseins basiert die Wahrnehmung hauptsächlich auf Stereotypen. Informationen, die über Medien, Literatur und erste Eindrücke erworben werden, bestimmen das Wahrnehmen und führen häufig zu oberflächlicher und einseitiger Eindrucksbildung. Auf der zweiten Stufe interkulturellen Bewusstseins werden die Differenzen zwischen der eigenen und der fremden Kultur stärker wahrgenommen. Diese Wahrnehmung der Differenzen kann kritische Konfliktsituationen evozieren, welche Depression, Hilflosigkeit oder auch Angst und Ärger hervorrufen können. Auf der dritten Stufe interkulturellen Bewusstseins erlangt ein Akteur ein tieferes Verständnis über die fremde Kultur und ist in der Lage, dem fremdkulturellen Handeln Sinn und Anerkennung zuzusprechen. Der Schwerpunkt der Konzeption von interkultureller Kompetenz nach Chen u.a. (2003) liegt auf der kognitiven Dimension des Konstrukts, nämlich dem interkulturellen Bewusstsein. Stereotype bestimmen diesem Ansatz zufolge das interkulturelle Bewusstsein auf erster Stufe. Jedoch können Stereotype durch die Zunahme an Erfahrung und die Fähigkeit, diese Erfahrungen differenziert wahrzunehmen, verändert werden. Auch wenn aus Chen u.a. (2003) als Konzeption nicht klar ersichtlich wird, auf welche Weise sich die Stereotype verändern, wird doch der Erfahrung als Modifikationsmöglichkeit zentrale Bedeutung zugesprochen. Auch Bolten verweist darauf, dass in Situationen, die uns fremd sind, das stereotype und vorurteilsbehaftete Wahrnehmen unvermeidlich ist. Der Begriff »fremd«7 beinhaltet nach Bolten einerseits die Bedeutung

7

Die lateinische Entsprechung von »fremd« ist »peregrinus«. Peregrinus, der Fremde, entstammt dem Verb »peregrinor« und heißt »umherreisen«. Der Fremde ist also der Reisende. Auf die Partikel »fram« geht unser Begriff zurück, und das heißt auf die Bedeutung »entfernt«, wie im Gotischen »framathis«, erhalten im Englischen »from« (Lenzen, 1991, S. 148).

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»fern von« und andererseits »vorwärts« (Bolten, 2001, S. 57). Danach ist dann eine Situation oder eine Person fremd, wenn wir wenig über diese Situation bzw. Person wissen, und somit wenige Erfahrungen vorliegen. Ferner impliziert »fremd« im Sinne von »vorwärts«, dass Individuen dazu neigen, sich das Fremde bekannt zu machen. Während dieses Prozesses der Erkundung des Fremden greift ein Akteur zunächst einmal auf eigene und bekannte Schemata zurück, in die das Fremde inkorporiert wird.8 Auch wiederkehrende Begegnungen, solange sie nur oberflächlich sind, führen zu einer Erstarrung der eigenen Erwartungen an die fremdkulturelle Person sowie zu einer Fixierung der eigenen Wahrnehmung und des eigenen Handelns. Nach Bolten (2001) kann eine Person folglich dann als interkulturell kompetent bezeichnet werden, wenn sie bereit ist, in einem permanenten interkulturellen Lernprozess sich der eigenen Schemata bewusst zu werden und sich um eine Differenzierung der eigenen Schemata und Stereotypen bemüht.9 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Stereotype Formen der Wahrnehmung sind, die gebildet, aktiviert und eingesetzt werden, wenn noch wenig Informationen über den fremdkulturellen Partner bzw. wenige Erfahrungen mit dem fremdkulturellen Partner vorliegen (Chen u.a., 2001); oder wenn das Gefühl der Fremdheit die Interaktion bestimmt (Bolten, 2001). Ferner beeinträchtigen Stereotype den Informationsverarbeitungsprozess, generieren stereotypenkonforme Erwartungen und behindern Handlungsalternativen (Wiseman u.a., 1989).

2.3.2 Gibt es empirische Studien, die die Auswirkungen von Stereotypen auf das Handeln nachweisen? Guthrie (1975, zitiert nach Wiseman u.a., 1989) konnte nachweisen, dass inkorrektes Wissen über die Gastkultur sich negativ auf den Adaptionsprozess im Gastland auswirkt. Bei seiner Ausführung zu Immigration, Akkulturation und Adaption stellt Berry (1997) fest, dass sich Vorurteile und vor allem auch Diskriminierung negativ auf das Wohlbefinden auswirken. Zick/Six (1999) zitieren einen Projektbericht, wonach Wilkiewicz (1989) festgestellt hatte, dass Vorurteile die assimilativen Handlungstendenzen hemmen und darum als Barrieren verstanden werden können (S. 234). In einer eigenen Studie mit 442 Aussiedlern stellen Zick/Six (1999) fest, dass ein Zusammenhang zwischen der Akkulturationsorientierung der

8 9

Auf die Problematik der »Einverleibung des Fremden« wird hier nicht eingegangen. Dieser Ansatz erinnert an Kesselrings Rezeption von Piagets Entwicklungstheorie, in der die Begriffe der Assimilation und Akkomodation im Mittelpunkt stehen (vgl. Kesselring, 1988).

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Aussiedler und ihrer Beurteilungen über die Westdeutschen besteht. Entsprechend beurteilten die befragten Aussiedler mit einer Marginalisierungs- und mit einer Integrationsorientierung die Westdeutschen positiver als die Befragten mit Assimilations- und Separationsorientierung. Zusammenfassend beurteilen Zick/Six die Ergebnisse in der Weise, dass die Akkulturationsorientierungen die Stereotype gegenüber der Outgroup, also gegenüber den Deutschen beeinflussen, und damit dem Kontakt zur Zielgruppe besondere Relevanz zugesprochen werden kann. An dieser Stelle wird klar, dass empirische Studien zur Untersuchung von Stereotypen in interkulturellen Begegnungen noch sehr rar gesät sind. Die im Kapitel III vorgestellte Trainingskonzeption stellt dafür eine Möglichkeit dar, die Teilnehmer für Bedeutungen, Wirkkraft und Ursachen von Stereotypen auf empirisch begründeter Basis zu sensibilisieren und einen geeigneten Umgang mit diesen aufzuzeigen.

2 . 4 An s ä t z e u n d B e d i n g u n g e n f ü r d i e V e r ä n d e r u n g v o n S t e r e o t yp e n Die oben diskutierten Ansätze und Modelle identifizieren Stereotype als (a) Barrieren effektiven interkulturellen Handelns und verdeutlichen, dass (b) die Veränderung von Stereotypen erfahrungsabhängig ist und damit einem langwierigen und zeitintensiven Prozess unterliegen. Die Ansätze und Modelle zeigen jedoch nicht, auf welche Weise respektive durch welche Maßnahmen der Prozess der Modifizierung fixierter Wahrnehmungs-, Interpretations- und Handlungsmöglichkeiten unterstützt und beschleunigt werden kann. Entscheidendes Moment dieser skizzierten Möglichkeiten bzw. Chancen, Stereotype zu verändern, ist der Faktor Zeit. Jedoch, Personen, die berufsbedingt in den arabischen Ländern unterwegs sind, Manager, die zu Verhandlungen mit potentiellen Kooperationspartnern nach Saudi-Arabien fliegen, aber auch Fach- und Führungskräfte, die für einen längeren Aufenthalt in Ägypten tätig sind, verfügen in der Regel nicht über die zeitlichen Ressourcen, in einem intensiven Prozess Wahrnehmung und Interpretationen zu differenzieren und neu zu ordnen, da sie gewissen praktischen Handlungszwängen unterliegen. Ferner ermöglichen unsere Daten die Interpretation, dass Erfahrungen mit arabischen Partnern alleine noch keinen Garant für die Erweiterung eigener Denkschemata darstellen (vgl. Jammal, 2003). Diese Thematik verweist auf die Diskussionen um die Kontakthypothese. Die Annahme dabei ist, dass durch Begegnungen und Kontakt die Intergruppenbeziehung zwischen den verschiedenen Gruppen, die sich mit Vorurteilen und Stereotypen begegnen, verbessert werden könne. Doch

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zeigten bereits frühe empirische Befunde, dass sich ein initiierter Kontakt auch kontraproduktiv auswirken kann, und gerade zur Produktion von Stereotypen und Vorurteilen beiträgt (Allport, 1979; vgl. auch Stahl/ Kalchschmid, 2000). Dass bestimmte Bedingungen erfüllt sein müssen, damit sich der Kontakt zwischen Gruppen, die sich eigentlich nicht mögen, positiv auswirkt, verdeutlichte bereits Allport. Cook (1978, zitiert in Hewstone, 1996) listet spezifische Konditionen auf, die als Voraussetzung für einen positiven Ausgang einer Intergruppenbegegnung angesehen werden: gleicher Status, Diskonfirmation von Stereotypen, hohes Bekanntschaftspotential, Kooperation und egalitäre Normen. So zeigt sich, dass im Verlaufe der Forschung zur Kontakthypothese die negativen Erfahrungen mit ihr überwiegen, was von Rothbart und John wie folgt kommentiert wurde: »the contact hypothesis brings to mind T.H. Huxley’s remark about the tragedy that occurs when a lovely idea is assaulted by a gang of ugly facts« (Rothbart und John, 1993, zitiert in Hewstone, 1996, S. 328).

2.4.1 Soziale Kategorisierung und automatische Aktivierung Jedoch ist die Kontakthypothese nicht der einzige Versuch gewesen, Stereotype zu verändern. Frühe Interventionen zur Veränderung von Vorurteilen und Stereotypen basieren auf der Annahme, dass Vorurteile, Stereotype und Diskriminierung durch die soziale Kategorisierung verursacht werden. Konsequenterweise setzen Interventionen, die auf dieser Annahme beruhen, bei der Veränderung von Kategorien an, um Vorurteile und Stereotype zu modifizieren. Ziel ist es dabei nicht, die Kategorien zu eliminieren, sondern die Bedeutung existierender Kategorien zu verändern (vgl. Hewstone, 1996). Die theoretische Inspiration zu der Annahme liefern die Theorie zur Sozialen Identität (Tajfel, 1978) und die Theorie zur Selbst-Kategorisierung (Oakes, Haslam/Turner, 1994, Turner, 1987; Vgl. Hewstone, 1996). Diese Theorien betonen, dass Individuen zu unterschiedlichen sozialen Kategorien gehören und entsprechend unterschiedliche soziale Identitäten besitzen. Die Theorie zur SelbstKategorisierung unterstreicht, dass sich eine Person bzw. das Selbst auf verschiedenen Ebenen der Zugehörigkeit (z.B. Individuum, Mitglied eines Vereins, Mitglied einer Berufsgruppe, oder menschliches Wesen) wahrnehmen kann. Die eigene Zuordnung zu einer der Gruppen auf einem der spezifischen Ebenen bestimmt nun, wie eine Person sich Anderen gegenüber verhält. Damit bezieht sich die Theorie zur Selbst-Kategorisierung sowohl auf die Eigen- wie auch auf die Fremdstereotypisierung (vgl. Hewstone, 1996, S. 343).

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Im aktuellen Forschungsdiskurs wird den impliziten Stereotypen besondere Relevanz zugesprochen. Im Zentrum der Diskussionen stehen hierbei die automatische Aktivierung von Stereotypen und die Kontrollierbarkeit bzw. Veränderbarkeit von Stereotypen. In zahlreichen Experimenten konnte nachgewiesen werden, dass Stereotype automatisch aktiviert werden (vgl. Schaal, 1997). Beispielsweise zeigt Banaji/Greenwald (1994), dass die vorbewusste Aktivierung von Stereotypen als ein natürlicher Prozess der Wahrnehmung und Kategorisierung angesehen werden muss. Devine zeigt auf, dass selbst Personen Stereotype aktivieren, die auf explizite Weise bezeugen, dass sie nicht mit diesen Stereotypen übereinstimmen (Devine, 1989, zitiert in Moskowitz, 2000, S. 152). Weiterhin wurde die Möglichkeit getestet, durch Bewusstmachung eigener Stereotype den Prozess des Stereotypisierens aufzuhalten bzw. zu unterbrechen. Doch zeigen Experimente, dass die Bewusstmachung und Unterdrückung von Stereotypen sich kontraproduktiv auswirken. Ironischerweise löste in einer Versuchssituation die Unterdrückung erst recht stereotypische Gedanken aus (Galinsky/Moskowitz, 2000). Die Überlegungen und Experimente zum Thema der automatischen Aktivierung von Stereotypen evozieren die Frage, ob wir damit als Individuen dem Stereotypisierungsprozess »hilflos« ausgeliefert sind. Sind unbewusst und automatisch aktivierte Stereotype resistent gegen Veränderungen? Impliziert der Prozess der automatischen Aktivierung auch eine Unkontrollierbarkeit dieses Prozesses? Kann »automatisch« mit »unkontrollierbar« gleich gesetzt werden? Oder gibt es spezifische Bedingungen, die eine Modifikation zulassen? Kann durch Motivation, Interesse oder Überzeugung der Prozess der Stereotypisierung beeinflusst werden? Schaal (1997) verweist darauf, dass automatische Prozesse traditionell als Vorgänge definiert werden, die ohne Bewusstheit, ohne Intentionalität und ohne kognitive Kapazitäten effizient ablaufen. Den automatischen Prozessen wurden die kontrollierten Prozesse diametral gegenüber gestellt. So galten kontrollierte Prozesse als Abläufe, die bewusst, flexibel und intentional sind und ferner auch kognitive Kapazitäten beanspruchen (Schaal, 1997, S. 61). An dieser Auseinandersetzung mit dem traditionellen Begriff der Automatizität wird ersichtlich, dass – trotz automatischer Aktivierung von Stereotypen – eine Modifizierbarkeit denkbar ist. Weithin akzeptiert ist zwar die Annahme, dass Stereotype beim Wahrnehmen einer Person, die einer bestimmten Gruppe zugeordnet werden kann (Targetperson), automatisch aktiviert werden. Diese Erkenntnis impliziert jedoch noch nicht eine Unkontrollierbarkeit oder die Änderungsresistenz von Stereotypen (vgl. Schaal, 1997). So belegen beispielsweise aktuelle Forschungen die Beeinflussbarkeit und damit die »Störbarkeit« von automatischen Prozessen (Mosko-

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witz, Salomon/Tylor, 2000; Blair, Ma/Lenton, 2001; Galinsky/Moskowitz, 2000). Gegenstand der Forschungen sind die Bedingungen, unter denen automatische Aktivierungen von Stereotypen beeinflussbar sind. Forschungen, die sich auf die Kontrolle der Aktivierung von Stereotypen beziehen, werden von Moskowitz, Salomon/Tylor (2000, S. 152) in zwei Gruppen unterteilt: a) Forschungen, die darauf fokussieren, Stereotypen zu dem Zeitpunkt der Informationsverarbeitung (information processing), die der Aktivierung folgen, zu kontrollieren; b) Forschungen, die darauf abzielen, die Effekte der Aktivierung von Stereotypen zu minimieren und zwar durch Vermeidung oder Korrektur der Anwendung der Stereotypen. Des Weiteren sind Experimente zu nennen, welche versuchen, die Konditionen zu identifizieren, die die Aktivierung von Stereotypen minimieren bzw. reduzieren: • •



Orientierung an egalitären Zielen (Moskowitz u.a. 1999, 2000) Mentale Vorstellung (mental imagery) »Mental imagery is the conscious and intentional act of creating a mental representation of a person, object, or event by seeing it with the ›mind’s eye‹« (Blair, Ma/Lenton, 2001, S. 828). Perspektivenübernahme (Perspective Taking) (Galinsky/Moskowitz, 2000, S. 708).

»Taken together, even though stereotypes are activated automatically most of the time, individuals that are motivated to or well trained can overcome this automatic activation« (Sassenberg/Moskowitz, 2005, S. 507). Die Ausführungen von Sassenberg und Moskowitz (2005) verdeutlichen ebenfalls, dass spezifische Bedingungen gegeben sein müssen, damit Stereotype einer Modifikation unterworfen werden können. Diese Bedingungen liegen einerseits in der Bereitschaft (Motivation) des Individuums und zweitens in der Möglichkeit, an Maßnahmen teilnehmen zu können (z.B. Vorwissen, Training).

2.4.2 Abschließende Diskussion und Fazit Stereotypen kommt bei den Forschungsansätzen zur interkulturellen Kompetenz eine periphere Bedeutung zu. Basierend auf den beispielhaften Ausführungen zum Forschungsstand der interkulturellen Kompetenz können wir folgendes Fazit ziehen:

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a) Die meisten Forschungsarbeiten zur interkulturellen Kompetenz beziehen sich explizit weder auf das Auftreten noch auf das Verändern von Stereotypen. Ihnen kann jedoch zugeschrieben werden, dass sie auf implizite Weise Vorurteile und Stereotype doch mit berücksichtigen. So kann dem Prozess der Entwicklung zur interkulturellen Kompetenz nach Thomas (2003) unterstellt werden, dass die Förderung von interkultureller Wahrnehmung, Lernen, Wertschätzung, Verstehen, Sensibilität und Kompetenz zu einer Minimierung der Aktivierung von Stereotypen beiträgt. b) Die Ansätze zur interkulturellen Kompetenz, die (Vorurteile und) Stereotype explizit inkorporieren, betrachten (Vorurteile und) Stereotype als Barrieren, die mehr oder weniger auf »natürliche« Weise auftreten und nahezu unvermeidlich (Bolten, 2001) sind, solange der jeweilige Akteur noch über wenig Wissen über die fremde Kultur verfügt und das interkulturelle Bewusstsein sich noch auf der ersten Stufe des Entwicklungsprozesses befindet (Chen u.a. 2003). c) Wichtiges Anliegen der Forschung zur interkulturellen Kompetenz ist entweder die Identifikation relevanter Faktoren, die zur Steigerung der interkulturellen Kompetenz beitragen und damit als Prädiktor für den Erfolg im Auslandsgeschäft angesehen werden können respektive einen Prozess beschreiben, der zur Erlangung von interkultureller Kompetenz führt. Wir hingegen plädieren dafür, interkulturelle Kompetenz durch den Abbau von Barrieren und die Zunahme von Alternativen im Wahrnehmungs-, Interpretations- und Handlungsprozess, auszubauen. d) Die zitierten Ansätze gehen davon aus, dass eine Modifikation von Stereotypen denkbar und möglich ist, zusätzlich zeigen empirische Untersuchungen, dass sich Stereotype auch auf das Verhalten auswirken. Wir gehen nun davon aus, dass Stereotypen als Barrieren einer gezielten Modifikation unterworfen – und nicht dem »Schicksal« oder der zeitbestimmten Bedeutung allein überlassen werden sollten. Wir plädieren für die Möglichkeit, Vorurteile und Stereotype mittels spezifischer Maßnahmen zu verändern, die es einem Gast, einer Fach- und Führungskraft ermöglichen, sowohl seine Optionen der Wahrnehmung und der Interpretation zu mehren und damit sich weiter zu entwickeln als auch schnell und effektiv in einem fremdkulturellen Kontext handeln zu können. Die Forschungen zur Modifikation von Stereotypen beziehen sich erstens auf die Kontakthypothese, die aus Gründen der schwierigen Realisierbarkeit der Herstellung von spezifischen Bedingungen, die einen Erfolg garantieren würden, häufig nicht die gewünschten Ziele erbringt, und zweitens auf

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Experimente, die in Labors durchgeführt wurden. Diese Ergebnisse sind nur bedingt für unser Forschungsanliegen nutzbar zu machen, jedoch ermöglichen sie die Einsicht, dass Stereotype veränderbar sind, sofern eine Person dazu motiviert ist, einige Voraussetzungen erfüllt10 sowie die Chance eines Trainings erhält. Als Fazit formulieren wir: Stereotype stellen eine Barriere effektiven interkulturellen Kommunizierens und Handelns dar. Als Barrieren, so unsere Annahme, beeinträchtigen sie den Erfolg im Geschäft mit Arabern, und dies sowohl auf personaler als auch auf geschäftlicher Ebene. Um diesen Erfolg in der Interaktion mit arabischen Partnern herbeizuführen, genügt es nicht, ausschließlich die Fähigkeiten, die allgemein als Prädiktoren für erfolgreiches Interagieren gelten, zu fördern. Unsere Hypothese lautet: gezielte Maßnahmen zur Veränderung von Stereotypen sind Voraussetzung für ein gelingendes interkulturelles Interagieren im arabischen Kulturraum. Konsequenterweise führt unsere Argumentation zu der weiteren Annahme, dass die effektive Veränderung von Stereotypen zur Steigerung der interkulturellen Kompetenz führt.

10 Hierbei handelt es sich um die in der Erwachsenenbildung mehrfach diskutierten Voraussetzungen (vgl. z.B. Arnold et al., 1999; Tippelt, 2003).

III. Veränderung von Stereot yp en durch interkulturelles Tra ining

3.1 Das interkulturelle Training 3.1.1 Typologisierung Interkulturelle Trainings können nach Gudykunst, Guzley/Hammer (1996) je nach Schwerpunktsetzung in vier verschiedene Typen unterteilt werden. Maßgeblich sind zwei unterschiedliche Dimensionen, die sich zum einen auf die Trainingsmethoden und zum andern auf die Trainingsinhalte beziehen. In Bezug auf die Trainingsmethoden kann zwischen einer didaktischen und einer erfahrungsorientierten Vorgehensweise unterschieden werden. Bezüglich der Trainingsinhalte wird zwischen kulturspezifischen und kulturgenerellen Trainings unterschieden. Die Typologisierung kann durch eine Vier-Felder-Matrix dargestellt werden: Tabelle 4: Typologie interkultureller Trainings (nach Fowler/Blohm, 2004) Didaktisch

Erfahrungsorientiert

Kulturspezifisch

DidaktischKulturspezifisch

Erfahrungsorientiert – Kulturspezifisch

Kulturgenerell

DidaktischKulturgenerell

Erfahrungsorientiert – Kulturgenerell

Kulturspezifische Trainings befassen sich nach dieser Unterteilung mit einer bestimmten Kultur, wohingegen kulturgenerelle Trainings sich auf

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kulturelle Unterschiede im Allgemeinen beziehen. Methodisch unterscheiden sich didaktische von erfahrungsorientierten Trainings darin, dass vermehrt Instrumente eingesetzt werden, die stärker die kognitiven Fähigkeiten des Trainees beanspruchen, wie beispielsweise Vorträge, Diskussionen oder auch Assimilatoren. Erfahrungsorientierte Trainings hingegen ermöglichen durch Simulationen, Rollenspiele und Self-Assessments eine erfahrungsbasierte Auseinandersetzung mit einer andern spezifischen Kultur oder generell mit andern Kulturen. Eine Entscheidung für den Inhalt des Trainings – also ob nun kulturallgemein oder kulturspezifisch, ist natürlich abhängig vom Ziel des Trainings, ob eine Gruppe auf eine spezifische Kultur vorbereitet werden soll oder allgemein auf den Umgang mit fremdkulturellen Personen. Fowler/Blohm (2004) verweisen darauf, dass häufig nur eine einzelne Methodologie favorisiert würde – am effektivsten sei jedoch eine Kombination aus verschiedenen Methoden. Kritisch angemerkt sei an dieser Stelle, dass die Typologie aufgrund mangelnder Trennschärfe problematisch ist. Eine klare Trennlinie zwischen erfahrungsorientiert und didaktisch kann häufig nicht gezogen werden. So umfasst ein Sprachkurs beispielsweise sowohl »klassische« Vorträge als auch häufig Rollenspiele. Ferner ist auch eine Trennung zwischen kulturallgemein und kulturgenerell problematisch, insofern, dass beispielsweise ein Training, das auf den arabisch-islamischen Kulturraum vorbereitet, nicht eindeutig den Kategorien kulturspezifisches oder kulturallgemeines Training zugeordnet werden kann. Und schließlich ist es nicht unbedingt einsichtig, kognitive von emotionalen Lerneffekten zu trennen.1 Eine weitere Einteilung interkultureller Trainings kann nach dem Zeitpunkt der Durchführung vorgenommen werden. So unterscheidet O’Reilly (in O’Reilly/Arnold, 2005) beispielsweise zwischen • • • •

Vorbereitenden interkulturellen Trainings, Begleitenden interkulturellen Trainings, Interkulturellen Reintegrationstrainings und Reflexionstrainings, sowie Orientierungstrainings.

Auch wenn allen Trainings hohe Relevanz zugesprochen wird, weist O’Reilly/Arnold (2005) darauf hin, dass vorbereitende interkulturelle Trainings am häufigsten in wissenschaftlichen Publikationen zu finden sind.

1

Den Überlegungen von Schleiermacher folgend in Bezug auf die Verwebung zwischen Kognitivem und Emotionalem in Lernprozessen heißt es bei Heidegger: »Verstehen ist immer gestimmtes« (Heidegger, 1979, S. 142).

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3.1.2 Ziele interkultureller Trainings Die Ziele interkultureller Trainings können je nach Ansatz stark variieren und beispielsweise auf die Anpassung in einem fremdkulturellen Umfeld (vgl. Black/Mendenhall, 1990), das effektive Interagieren mit Mitgliedern anderer Kulturen (vgl. Gudykunst, Guzley/Hammer, 1996) oder die Förderung der interkulturellen Handlungskompetenz (Thomas/Hagemann, 1992, Kinast, 2003) fokussieren. Selbstverständlich sollten sich die generierten Ziele auch an dem Bedarf der Zielgruppe bzw. an den spezifischen Anforderungen und dem zukünftigen Arbeitsumfeld der Trainingsteilnehmer orientieren (vgl. Thomas, 1993). Verschiedenen Ansätzen ist jedoch in der Regel das übergeordnete Ziel gemein, eine Veränderung bei den Trainingsteilnehmern auf der kognitiven, affektiven und behavioralen Ebene herbeizuführen – wenn auch Veränderungen nicht immer auf allen drei Ebenen erzielt werden. Kognitive Ziele des Lernens umfassen den Erwerb von Wissen über eine fremde Kultur, welches sowohl Fakten als auch Kulturwissen meint und durch Videos, Vorträge, Diskussionen etc., vermittelt werden kann. Das erworbene Wissen ermöglicht dem Trainingsteilnehmer eine differenziertere Wahrnehmung, Klassifikation, Erklärung, Orientierung und Antizipation in der fremdkulturellen Umgebung (vgl. Gudykunst et al., 1996, Xue, 2003, Kinast, 1998, S. 306). Affektive Ziele des Lernens implizieren die Veränderung von Einstellungen, Interessen und Wertschätzungen. Ferner wird die Fähigkeit zum effektiven Umgang mit negativen Gefühlen, wie Angst oder Stress etc., aufgebaut (vgl. Gudykunst et al., 1996, Xue, 2003, Ehnert, 2004). Die behavioralen Ziele des Lernens beinhalten den Erwerb von Fähigkeiten, die den Trainingsteilnehmer dazu befähigen, flexibel und effektiv in einer neuen Situation zu handeln. Selten wird in der Literatur formuliert, welche Fähigkeiten dies im Konkreten sind. Die meisten Ausführungen beschränken sich auf die Fertigkeit, in der Interaktion mit Mitgliedern fremder Kulturen erfolgreich zu handeln. Xue (2003) differenziert jedoch zwischen drei Aspekten des Handelns: Präventives, reflexives und strategisches Handeln. Präventives Handeln impliziert das Vermeiden von Konflikten und Missverständnissen in interkulturellen Interaktionssituationen. Reflexives Handeln befähigt den Akteur, das eigene Handeln kritisch zu hinterfragen. Strategisches Handeln befähigt dazu, in neuen und unbekannten Situationen adäquate Handlungsstrategien zu entwickeln und eröffnet das angemessene Verhalten in Konfliktsituationen.

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3 . 2 R e l e v a n z v o n S t e r e o t yp e n i n interkulturellen Trainings Da Stereotypen eine kognitive, emotionale und/oder behaviorale Basis zugeordnet wird, sollten interkulturelle Trainings, die darauf ausgerichtet sind, Stereotype zu modifizieren, alle drei genannten Basen berücksichtigen. Eine umfangreiche Literaturdurchsicht zu interkulturellen Trainings (vgl. z.B. O’Reilly/Arnold, 2005) zeigt, dass die Veränderungen von Stereotypen bei der Konzeptualisierung und Umsetzung von interkulturellen Trainings in der Regel eher indirekt berücksichtigt werden. Diese indirekte Beachtung von Stereotypen in interkulturellen Trainings kann an dem Beispiel des Culture Assimilators deutlich gemacht werden. Der Culture Assimilator wurde in den 1960er Jahren in den USA entwickelt (vgl. u.a. Fiedler, Mitchell,/Triandis, 1971) und gilt als sehr populäres Instrument interkultureller Trainings (vgl. Kinast, 2003). Da er in schriftlicher Form vorliegt, kann er sowohl im Einzelstudium erarbeitet als auch in Gruppentrainings eingesetzt werden. Das Ziel des Culture Assimilators ist die Förderung der interkulturellen Kompetenz durch das Trainieren der Fähigkeit, fremdkulturelles Handeln und Verhalten adäquat zu interpretieren und zu attribuieren. Die Fähigkeit zur isomorphen Attribution (Triandis, 1977, 1994) wird mittels Fallbeispielen eingeübt. Anhand von kritischen Interaktionsituationen zwischen verschiedenkulturellen Interaktionspartnern bzw. zwischen Gast und Einheimischen können sich Trainingsteilnehmer zwischen unterschiedlichen vorgegebenen Erklärungsalternativen entscheiden, die stets auf divergierenden Deutungen der jeweils beschriebenen Situation beruhen. Die vorgegebenen Deutungen enthalten in der Regel Interpretationen des fremdkulturellen Verhaltens respektive Handelns. Mindestens eine der Interpretationen ist eine solche, die eine Person i.d.R. vornehmen würde, die in dieser Kultur aufgewachsen ist. Die übrigen Erklärungsmöglichkeiten beinhalten weniger angemessene Interpretationen, zumindest aus der Sicht von Mitgliedern der Gastkultur. Die nicht ganz adäquaten Interpretationen lassen sich durch geringes Wissen, Ethnozentrismus oder vorurteilsbeladene Einstellung vielfach erklären (vgl. Kinast, 2003). Der Trainingsteilnehmer lernt mit Hilfe des Culture Assimilators jedoch nicht nur die kulturadäquate Interpretation einer kritischen Situation kennen, sondern bekommt auch die kulturhistorischen Grundlagen vermittelt. Der Culture Assimilator ist damit ein Instrument, das zunächst auf Wissenserwerb – und damit auf Veränderungen auf der kognitiven Ebene – ausgerichtet ist. In Folge des Wissenszuwachses kann jedoch erwartet werden, dass sich das Gelernte auch auf emotionaler Ebene auswirken wird, und

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dass der Wissenszuwachs sich in einem kompetenten Handeln in einem fremdkulturellen Kontext niederschlagen wird. Für den deutschsprachigen Raum haben Thomas (2003) und die Forschergruppe um Thomas kulturspezifische Culture Assimilators entwickelt, die sowohl deutsche Fach- und Führungskräfte auf zahlreiche Kulturen vorbereiten – als auch anderskulturellen Managern (z.B. Chinesen) eine Vorbereitung für das Leben und Arbeiten in Deutschland bietet (für einen Überblick, siehe Kinast, 2003). Im Vergleich zu der amerikanischen Ausprägung des Culture Assimilator beziehen sich die deutschsprachigen Variationen, die von Thomas bzw. der Forschergruppe um Thomas entwickelt wurden, auf den Begriff des Kulturstandards (vgl. Thomas, 1993, 2003; Fink/Meierewert, 2001). Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass interkulturelle Trainings darauf ausgerichtet sind, das effektive und kompetente interkulturelle Handeln zu fördern. Je nach zugrunde liegender Annahme über Kultur und interkultureller Kompetenz können so differente Fertigkeiten und Fähigkeiten identifiziert und darauf hin gefördert werden. Nach unserem Erkenntnisstand liegen jedoch keine Trainingsansätze vor, die gezielt den Abbau von Barrieren thematisieren. Stereotype als Stolpersteine für eine effektive Kooperation werden bislang eher peripher behandelt, als dass sie gezielt durch Trainingsmaßnahmen »bearbeitet« werden. Daraus folgt, analog hierzu, dass uns keine Evaluationsergebnisse vorliegen, und damit auch keine Indikatoren für die Veränderung von Stereotypen aus der Forschung zum interkulturellen Training. Ferner drängt sich die Frage auf, ob im Zuge der zunehmenden Globalisierung noch von einem rudimentären Wissensstand der Fach- und Führungskräfte über andere Kulturkreise oder Kollektive ausgegangen werden kann. Massenmedien, Erfahrungsberichte von Reisenden oder Informationsplattformen des Internets beispielsweise, transportieren Informationen, die gerade in Bezug auf die arabischen Länder wiederholt emotional gefärbt sind. Vorgefertigte, nicht aus erster Hand stammende Erfahrungen und Eindrücke ermöglichen das Zustandekommen einer »eigenen« Meinung, die noch vor einem Erstkontakt gebildet und fixiert wird.2 In diesem Sinne erscheint es von besonderer Relevanz, Instrumente oder Maßnahmen zu entwickeln, die eine Veränderung von Stereotypen ermöglichen. Am Beispiel des Kulturkontaktes deutscher Fach- und Führungskräfte mit arabischen Geschäftspartnern soll exemplarisch ein interkulturelles Training entwickelt werden, das auf die Veränderung von Stereotypen abzielt.

2

Wie bereits erwähnt wurde, kommt dies dem Begriff des Vor-Urteils bei Gadamer nahe (vgl. Einleitung).

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3.3 Trainingsgrundlagen und -ziele 3.3.1 Wahrnehmung der Handlungseinengung Die empirisch erfassten Daten (vgl. Kapitel eins) enthalten eine Vielzahl von generalisierenden, eine weite Bandbreite von Themen abdeckenden Beschreibungen, die sehr unterschiedliches Textmaterial enthalten. Es liegt nahe, dass von den interviewten Auslandsentsandten vor allem solche Themen häufig genannt werden, die für ihre Arbeit besonders relevant sind und häufige Konfliktfelder betreffen. Die häufigen Konfliktfelder betreffen solche Themen, bei denen sich deutsche und arabische Verhaltensmuster in der Wahrnehmung der Auslandsentsandten besonders stark unterscheiden und vor allem den Auslandsentsandten aus ihrer bisherigen Erfahrung ein geringes Verhaltensrepertoire für den Umgang mit den jeweiligen Situationen zur Verfügung steht. Es wird somit angenommen, dass es sich bei diesen Themen um jeweils ähnliche Situationen handelt, in denen die Auslandsentsandten eine Handlungseinengung in arbeitsrelevanten Interaktionssituationen erfahren. Das heißt: Bei dem Thema »Institutionen« beispielsweise werden Situationen genannt, die durch »Nepotismus« und »Wichtigkeit von Vertrauen« in hohem Maße gekennzeichnet sind (siehe die Liste in Kapitel I) und in denen den Auslandsentsandten ein geringes Verhaltensrepertoire zur Verfügung steht. Handlungseinengung meint eben genau das: Geringes Verhaltensrepertoire in der Wahrnehmung der Betroffenen, wobei dies – explizit oder implizit – auf kulturelle Unterschiede zu den Einheimischen zurückgeführt wird. Ziele und gewohnte Verhaltensweisen der Auslandsentsandten, z.B. in Bezug auf Qualitätssicherung, scheinen ihnen nicht mehr angemessen zu sein und sie sehen die Ursache dafür in den Differenzen zu den Einheimischen bzw. zu deren Kultur. Beide Begriffe, Handlungseinengung und Handlungsfreiheit, sind somit konstruktivistisch gemeint: Von Handlungseinengung ist dann die Rede, wenn die Betroffenen ihr Verhaltensrepertoire (und in der Folge ihre Ziele) als eingeschränkt durch die kulturellen Differenzen wahrnehmen. Von Handlungsfreiheit ist dann die Rede, wenn die Betroffenen ihr Verhaltensrepertoire (und in der Folge ihre Ziele) als nicht eingeschränkt oder gar als erweitert durch die kulturellen Differenzen wahrnehmen. Um die Handlungseinengung in Bezug auf die in Kapitel I aufgeführten Kategorien und auf die noch zu nennenden Strategien der Auslandsentsandten im Umgang mit der wahrgenommenen Handlungseinengung (3.4.1.2) besser verstehen zu können, ist es hilfreich, auf die Unterscheidung Isaiah Berlins zwischen positiver und negativer Freiheit zurückzugreifen (Berlin, 1995). Im Falle der positiven Freiheit – Freiheit zu etwas –

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sind die Ziele, welche Gruppen verfolgen, grundsätzlich verhandelbar und Unterschiede zwischen der Eigen- und der Fremdgruppe werden nicht als grundsätzlich bedrohlich wahrgenommen. Konflikte – die auch heftig sein können – entstehen zwar durchaus, jedoch bewegen sie sich um graduelle Zielunterschiede und um unterschiedliche Mittel zur Zielerreichung. Die dabei wahrgenommene Einengung der Handlungsfreiheit durch die Fremdgruppe ist keine grundsätzliche. Negative Freiheit hingegen – Freiheit von etwas – ist dadurch gekennzeichnet, dass an bestimmten Zielen als Bedingungen der Möglichkeit für das eigene Handeln schlechthin festgehalten wird. Negative Freiheit definiert damit Ziele, ohne deren Bejahung wir keine Möglichkeit mehr sehen, andere für uns wesentliche Ziele zu erreichen. Die Ziele im Sinne negativer Freiheit stellen also unverrückbare Prinzipien dar, »die eingehalten werden müssen, damit der Handlungsspielraum aufrechterhalten werden kann« (Mummendey, 2003, S. 21).3 Nehmen also die Auslandsentsandten eine Einengung ihres Verhaltensrepertoires in Bezug auf Ziele im Sinne negativer Freiheit wahr, so ist davon auszugehen, dass sie negative Einstellungen zur Gastlandkultur entwickeln. Es ist zum einen festzuhalten, dass Konflikte sich je nach Stellenwert der zur Debatte stehenden Ziele für die Akteure in der Härte unterscheiden lassen. »Konflikte um unterschiedliche, sich einander widersprechende Ziele im Sinne negativer Freiheit werden vermutlich am deutlichsten und härtesten ausgetragen« (Mummendey, 2003, S. 25). Und zum anderen: Ein und dasselbe Ziel kann mal ein Ziel im Sinne positiver, ein anderes Mal ein Ziel im Sinne negativer Freiheit sein. Die Übergänge zwischen beiden Zielkategorien sind fließend.

3.3.2 Strategien im Umgang mit der wahrgenommenen Handlungseinengung Je nach Stellenwert der Ziele bzw. je nach wahrgenommener Handlungseinengung verfolgen die interviewten Auslandsentsandten unterschiedliche Strategien (vgl. Jammal, 2003; ähnliche Kategorisierung von Handlungsstrategien finden sich bei Berry, 2004 und Thomas, 1996): Vermeidung (aus dem Weg gehen), Konfrontation (demonstratives Entgegentreten mit dem Bestreben, eigene Verhaltensweisen, Überzeugungen etc. zur Geltung zu bringen), Adaption (Verhaltensanpassung an die

3

Negative Freiheit besteht nicht einfach in der Abwesenheit äußerer Hindernisse schlechthin, sondern in der Abwesenheit von Hindernissen für Handlungen, die man als bedeutsam bzw. wesentlich ansieht (vgl. Taylor, 1992, S. 129).

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Gastlandkultur) und Aushandlung (Prozesse der Kompromissfindung).4 Nachfolgend werden die vier Strategien mit Beispielen aus den Interviews belegt: •



• •

Beispiele für Konfrontation: Genaues Vorschreiben von Abläufen, schriftliche Anweisungen; konsequentes Anleiten bei der Arbeit; beharrlich auf Qualität bestehen. Beispiele für Vermeidung: Probleme nicht ansprechen; Diskussionen über Religion vermeiden; Durch Humor ausweichen, wenn Situationen zu eskalieren drohen. Beispiele für Adaption: Erwartungen an effizienten Geschäftsbetrieb zurückschrauben; Ansprüche an landesübliche Standards anpassen. Beispiele für Aushandlung: Kritik nicht ohne Anerkennung äußern; coachen der Mitarbeiter; Verständnis zeigen und persönlich unterstützen, aber, wenn nötig, aus Sachgründen ablehnen.

In den 64 Interviews ist erstens eine eindeutige Favorisierung der Adaptionsstrategie festzustellen, zuweilen gekoppelt mit einer Vermeidungsstrategie (Beispiele für die Vermeidungsstrategie: »Bei bestimmten Themen wie Israel oder Religion muss man vorsichtig sein, wenn man anderer Meinung ist. Deren Meinung ist so fix und fest, die kann man nicht ändern. Da gehe ich schon gar nicht mehr drauf ein«. Wer sich – soweit zur Erreichung der Geschäftsziele erforderlich – anpasst (Adaption), erweitert das Verhaltensrepertoire durch geschickte (und zum Teil kreative) Nachahmung des Verhaltens der Einheimischen und vermeidet schwierige Situationen, die eine konfrontative Strategie höchst wahrscheinlich mit sich bringen würde. Beispiele: »Nicht den deutschen Zeitmaßstab anlegen; Nicht zu viel in einen Tag packen; Mit Unzuverlässigkeit rechnen, einen Zeitpuffer einbauen (auch bei der Dauer von Gesprächen); sich an die Höflichkeitsregeln des Gastlands halten«. Auch eine Strategie des Aushandelns von Kompromissen ist vergleichsweise beschwerlich und findet sich seltener als die Adaptionsstrategie. Die Analyse der Aussagen zeigt zweitens bis zu einem gewissen Grade eine negative Beziehung zwischen Adaption und der Häufigkeit negativer Aussagen zur Gastlandkultur (ebd.). Konkret heißt das: Je adaptiver ein Auslandsentsandter ist, desto weniger negativ fällt die Beurteilung der Gastlandkultur aus, wobei die negative Beurteilung nicht gänz-

4

Diese Strategie kann zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Sie kann zwar u.U. dazu führen, dass beide Partner ihre Ziele vollständig erreichen (»win – win«); in der Regel aber läuft sie wohl auf einen Kompromiss hinaus (»win some – win some«). Zur Analyse der vier Handlungsstrategien, siehe Jammal, 2003.

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lich verschwindet. Die Tatsache, dass die Häufigkeit negativer Einstellungen zur Gastlandkultur mit der Häufigkeit adaptiver Verhaltensweisen – bis zu einem gewissen Grade – abnimmt, kann man dahingehend deuten, dass die Strategie der Adaption dazu verhilft, die Wahrnehmung zu verschieben: Da, wo man Mittel und Wege findet, mit anderen den eigenen Zielen, Prinzipien, Grundsätzen etc. (wie Pünktlichkeit, Logik, Offenheit) nachzugehen (vgl. dazu Kulturdefinition von Thomas, 1996, 2003 etc.), verliert die scheinbare Differenz zwischen dem Eigenen und Fremden an Bedrohung. Man kann diesen Befund, die Verringerung des Bedrohungspotenzials durch Differenzverschiebung – dahingehend deuten, dass eine Verschiebung von einer negativen hin zu einer positiven Freiheit (vgl. Berlin, 1995; Bargatzky, 1978, Simmel, 1908/22, Schütz, 1944/ 72) stattfindet. Im Umkehrschluss heißt das: deutsche Auslandsentsandte der Fachund Führungsebene, die keine Mittel und Wege finden, ihre Ziele zu verwirklichen, und das der Gastlandkultur zuschreiben, werden mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Einengung des eigenen Handlungsspielraums erfahren und stärker als andere eine negative Einstellung zur Gastlandkultur entwickeln. Je eingeengter der eigene Handlungsspielraum durch die Differenz zur anderen Kultur erfahren wird, desto mehr bewegt man sich in Richtung negativer Freiheit und desto wahrscheinlicher sind negative Einstellungen gegenüber den Einheimischen. Diese Erkenntnis aus der inhaltlichen Analyse der Interviews qualifiziert noch einmal die rechnerisch festgestellte hohe positive Korrelation zwischen der Konfrontationsstrategie (starke Handlungseinengung) und den negativen Einstellungen zur Gastlandkultur bzw. die hohe negative Korrelation der Aushandlungsstrategie (kaum Handlungseinengung) mit den negativen Einstellungen zur Gastlandkultur (vgl. Jammal, 2003). Auslandsentsandte sind in der Regel auf ihre einheimischen Partner angewiesen, um ihre Ziele zu erreichen, und folglich können sie nicht umhin, geeignete Handlungsstrategien zu verfolgen, um mit den wahrgenommenen Differenzen umzugehen. Dadurch wiederum besteht die Möglichkeit, dass die eigenen Prinzipien, Grundsätze etc., die einem zunächst als unverrückbar erscheinen, »aufgeweicht« werden. Nur wenige Auslandsentsandte nehmen diese Möglichkeit nicht in Anspruch. Zwar wählen manche eine Vermeidungsstrategie (entweder bei einem weiteren Aufenthalt oder indem sie den Auslandseinsatz abbrechen), bleiben aber wie in Fesseln befangen und sind in vielen Bereichen handlungsunfähig. Die Mehrheit jedoch wird – nolens volens – adaptiv, wendet (leider nur) selten eine Aushandlungsstrategie an, bleibt weitgehend handlungsfähig und erfährt dadurch eine partielle Veränderung der negativen Einstellungen zur Gastlandkultur.

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Will man somit zur Verringerung der Wahrscheinlichkeit negativer Einstellungen zur Gastlandkultur beitragen, so scheint ein probates Mittel darin zu bestehen, das Verhaltensrepertoire zu erweitern, d.h., Handlungsoptionen im Umgang mit den wahrgenommenen Differenzen – gemäß der Adaptions- bzw. der Aushandlungsstrategie – bereitzustellen, die zur Erreichung der gesetzten Geschäfts- und Privatziele geeignet sind (von negativer hin zu positiver Freiheit). Dadurch können manche Auslandsentsandte ihre für verloren geglaubte Handlungsfreiheit zurückgewinnen. Allerdings gilt: Die Adaption alleine ist weder Garant für das Verschwinden von negativen Einstellungen zur Gastlandkultur, noch zeugt diese Strategie davon, dass die einheimischen Partner auf gleicher Augenhöhe gesehen und behandelt werden. Erforderlich ist zweifelsohne eine häufigere Anwendung der Aushandlungsstrategie bzw. insgesamt eine häufigere situative Kombination der vier Strategien. Unser Training bietet nun die Möglichkeit zum Einüben und Austesten dieser vier Strategien durch Rollenspiele.5

3.3.3 Trainingsziele Das Metaziel des Trainings ist die Veränderung von Stereotypen gegenüber arabischen Geschäftspartnern durch die Erweiterung von Wahrnehmungs-, Interpretations- und Handlungsspielräumen. Um den Prozess der Veränderung zu verstehen, bedienen wir uns des Konzeptes der Bedeutungsperspektiven nach Mezirow (1981, 1991). Lernen6 wird nach 5

6

Die erzielten und hier knapp dargestellten Ergebnisse lassen sich nicht ohne weiteres verallgemeinern. Erstens liegt das an der begrenzten Zahl der interviewten Personen, wobei keine Daten über die Gesamtzahl deutscher Fach- und Führungskräfte im arabischen Raum vorliegen. Zweitens wurden Expatriates in den drei Ländern Ägypten, Jordanien und Marokko interviewt. Damit ist noch nicht entschieden, inwieweit die Ergebnisse sich auf die 18, von der UNO als arabisch bezeichneten Länder übertragen lassen. Ob nicht Expatriates in den so genannten Rentiergolfstaaten (Saudi Arabien, Kuwait, Oman etc.) völlig andere Problemlagen erleben als Expatriates in Ländern des Fruchtbaren Halbmondes (Libanon, Syrien etc.), ist schwer abzusehen. Zukünftige Forschung müsste zum einen umfangreichere Stichproben und zum anderen weitere arabische Länder (vor allem einige Rentierstaaten) umfassen. Vermutlich sind die heutigen Absolventen, die für einen Auslandseinsatz infrage kommen, offener, vor allem durch die Internationalisierung der Studiengänge an den deutschen Hochschulen sowie durch die Einführung von Veranstaltungen zur interkulturellen Kompetenz an vielen Fakultäten der Betriebswirtschaft. Die Ausführungen in diesem Abschnitt zum Begriff des Lernens sind sehr begrenzt. Lernen lässt sich als psychische Aktivität, genauer als einen Prozess verstehen, der zu relativ stabilen Veränderungen im Verhalten oder im Verhaltenspotential führt und auf Erfahrung aufbaut. Lernen ist nicht direkt zu beobachten. Es muss aus den Veränderungen des beobachtbaren Ver-

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Mezirow (1997) als ein Prozess verstanden, bei dem zunächst noch gewohnte Deutungsmuster an eine neue Situation herangeführt werden, diese dann ersetzt werden, was zu einer neuen Interpretation der Situation führt. Diese revidierten Interpretationen bieten nach Mezirow (1997) Orientierungshilfe für künftiges Handeln. Mezirow (1997) zufolge werden Bedeutungsperspektiven während der Sozialisation erworben und führen zu spezifischen Erwartungen, die der Gewohnheit entsprechen. Die Analyse unserer Interviews mit Fach- und Führungskräften, die zum Teil über langjährige Erfahrungen mit arabischen Kooperationspartnern verfügten, legen die Interpretation nahe, dass die eigenkulturell geprägten »Bedeutungsperspektiven« (Mezirow, 1997) nur ungenügend durch einen Interpretationsvorgang modifiziert und auf den arabischen Kontext angepasst wurden. Es kann nun davon ausgegangen werden, dass die Unfähigkeit zur Erweiterung der eigenkulturell geprägten Bedeutungsperspektiven zur verzerrten Wahrnehmung fremdkulturellen Handelns führt und die Aktivierung von Stereotypen begünstigt. Um im interkulturellen Kontext angemessen und kompetent interagieren zu können, bedarf es nun einer Veränderung dieser eigenkulturellen Bedeutungsperspektiven. Die Überlegungen zu den Bedingungen zur Veränderung von Stereotypen (siehe Abschnitt 3.3.1) verdeutlichen, dass auch implizite Stereotype, trotz automatischer Aktivierung veränderbar sind. Individuen, die dazu motiviert sind oder auch die Möglichkeit erhalten, trainiert zu werden, können in die Lage versetzt werden, eigene Stereotype zu verändern bzw. fixierte Interpretationen aufzubrechen. Im Folgenden werden die Ziele des Themen- und kulturspezifischen interkulturellen Trainings dargelegt. Im Anschluss daran werden die Inhalte und Methoden entfaltet und der Ablauf des Trainings vorgestellt. Den Prozess der Veränderung von Stereotypen durch die Modifikation von Bedeutungsperspektiven kann – wie bereits oben dargelegt wurde – als Prozess zur Steigerung der interkulturellen Kompetenz bezeichnet werden. Eine Diskussion darüber, ob und wie diese Ziele durch das Training erreicht werden konnten, erfolgt am Ende dieses Kapitels. Die Teilziele des Trainings beziehen sich auf die folgenden Aspekte: 1. Erweiterung des Länderwissens 2. Erweiterung des Kulturwissens haltens erschlossen werden (vgl. z.B. Mazur, 2004). Darüber hinaus lassen sich verschiedene interkulturelle Lern- und Entwicklungsmodelle anführen, wie z.B. das Entwicklungsmodell interkultureller Sensibilität (Bennett, 1993), interkulturelles Lernen als interkulturelle Anpassung (Grove/Torbiörn, 1985), kognitive Veränderung durch Kulturkontakt (Bender-Szymanski et al., 1995). Alle letztgenannten Modelle sind ausführlich erklärt in Weidemann, 2004.

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3. Erweiterung der Wahrnehmungs- und Interpretationsspielräume 4. Erweiterung der Handlungsspielräume (exemplarische Umsetzung) Diese vier Teilziele können den Lernzielen interkultureller Trainings, also Kognition, Affektion und Verhalten zugeordnet werden. Jedoch hat diese Zuordnung einen eher analytischen Charakter, da eine exakte Trennung in der Praxis problematisch ist. So bezieht sich beispielsweise die Erweiterung der Wahrnehmungs- und Interpretationsspielräume zunächst auf die kognitive Dimension, zugleich jedoch auch auf die affektive und behaviorale Dimension, da die Themen und Fragestellungen des Trainings sowohl didaktisch als auch erfahrungsorientiert aufgearbeitet werden und somit nicht nur zur kritischen Reflektion herausfordern, sondern auch die Emotionen berücksichtigen und das »Ausprobieren« ermöglichen. Ebenso wie die Kategorisierung von Trainingszielen folgt auch die Zuordnung der Methoden (didaktisch vs. erfahrungsorientiert) einem analytischen Anspruch. Die Grenzen zwischen Didaktik und Erfahrungsorientierung sind bei der vorliegenden Trainingskonzeption fließend (siehe auch oben, Kapitel III). Bevor jedoch auf die konkrete Trainingsumsetzung eingegangen wird, folgen zunächst Erläuterungen zu den Teilzielen.

Erweiterung des Länder- und Kulturwissens Wissen über die arabischen Kulturen und die unterschiedlichen arabischen Länder muss als Grundlage für ein effektives Handeln in der deutsch-arabischen Kooperation angesehen werden. Erst das Kulturwissen ermöglicht den Teilnehmern alternative Perspektiven und Haltungen im Wahrnehmen, Interpretieren und Handeln einzunehmen. »Kultur- und Länderwissen« kann daher als Voraussetzung zur Erweiterung der Wahrnehmungs-, Interpretations- und Handlungsalternativen angesehen werden. Jedoch sollte bei der Umsetzung dieses Trainingsteilziels darauf geachtet werden, dass gewünschtes Kulturwissen von ungewünschtem Stereotypisieren und Übergeneralisieren abzugrenzen ist.

Länderwissen Fundiertes Wissen über den arabisch-islamischen Raum beleuchtet nicht nur Gemeinsamkeiten, sondern auch wesentliche Unterschiede in und zwischen den einzelnen arabischen Ländern (vgl. Kapitel IV). Das geschieht im Sinne des Trainingskonzeptes, das darauf ausgerichtet ist, der starren Stereotypisierung entgegenzuwirken. Zur Vermittlung des Länderwissens wurden Kurzreferate sowie ein Konferenzplanspiel7 entwickelt. Das Konferenzplanspiel wurde deshalb eingeführt, da bei der 7

Das Länderkonferenzplanspiel wurde von Frau Simone Ott unter der Anleitung von Frau Prof. Dr. Ute Clement (Universität Kassel) entwickelt.

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Vermittlung von Länderwissen der selbständige Erwerb zusätzlichen, individuell relevanten Wissens und dessen Umsetzung im Arbeitsalltag im Vordergrund steht. Das hierzu entwickelte Konferenzplanspiel, bei dem vorgegebenes Länderwissen im Rahmen einer Gruppendiskussion zur Entscheidungsfindung in Bezug auf eine wirtschaftliche Fragestellung herangezogen werden soll, ermöglicht eine anwendungsorientierte Auseinandersetzung mit abstrakten Länderinformationen.

Kulturwissen Die Vermittlung von Kulturwissen ist im vorliegenden Ansatz auf empirisch gefundene, typische Problemsituationen im deutsch-arabischen Arbeitsalltag ausgerichtet. Dazu wurden Interviewdaten mit Auslandsentsandten in drei arabischen Ländern (Ägypten, Jordanien und Marokko) nach der Häufigkeit analysiert, mit der bestimmte typische kritische Situationen genannt wurden. Die am häufigsten genannten fünf Situationskategorien wurden als Grundlage für die Erarbeitung der im Training verwendeten Rollenspiele benutzt (vgl. Kapitel eins).8 Die weiteren, nächst häufigsten Kategorien werden im Training in einem Kurzvortrag eingeführt und sie werden zur Auswertung der Rollenspiele herangezogen. Auf diese Weise werden den Teilnehmern Kulturthemen vermittelt, die empirisch fundiert und für den Arbeitsalltag relevant sind. Das stellt ein Alleinstellungsmerkmal des hier vorgestellten Trainings dar.

Erweiterung der Wahrnehmungs-, Interpretationsund Handlungsspielräume Das Trainingsziel der Erweiterung sowohl der Wahrnehmungs- und Interpretationsspielräume als auch der Handlungsspielräume wird überwiegend durch den Einsatz von Rollenspielen verfolgt. Die Themen der Rollenspiele – wie bereits erwähnt – spiegeln die fünf Themen wider, die von den deutschen Auslandsentsandten am häufigsten genannt wurden (siehe Kapitel I). Damit enthalten die Rollenspiele kritische aber auch authentische und für die Trainingsteilnehmer relevante Situationen aus dem Geschäftsalltag. Durch die aktive Teilnahme an einem Rollenspiel erhalten die Trainingsteilnehmer die Möglichkeit, in »sicherer Umgebung« sowohl die bisher bevorzugte als auch neue Strategien »auszuprobieren«. Es geht dabei nicht darum, die einzelnen Strategien mit Hilfe der Kategorien »richtig« oder »falsch« zu bewerten, sondern um die Chance, spielerisch verschiedene Strategien auszutesten. Das Einnehmen verschiedener Strategien und Standpunkte soll den Trainingsteilnehmer sowohl zu einer flexiblen Wahrnehmung und flexiblen Interpretation als auch zu

8

Die Rollenspiele wurden von Frau Irmgard Sollinger entwickelt.

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einem flexibleren Handeln befähigen, welches in der Spielsituation geübt und später in realen Kontexten eingesetzt werden kann. Bei der Auswertung der Rollenspiele wird anhand der Teilnehmerreaktionen erarbeitet, dass (kulturell geprägte) automatisierte Interpretationsmuster in deutsch-arabischen kulturellen Überschneidungssituationen – allein aufgrund der vorherrschenden gruppenbezogenen Autostereotypen9 – in besonderem Maße (d.h. noch mehr als bei intrakultureller Kommunikation) überdacht werden müssen. Den Trainingsteilnehmern werden möglichst viele mögliche Einflussfaktoren an die Hand gegeben, die in einer interkulturellen Situation wirksam sein können und die bei der Situationsinterpretation einbezogen werden sollten. Auch hierauf wird im Verlauf des Trainings an passender Stelle immer wieder verwiesen. Das Modell von vier Handlungsalternativen in interkulturellen Situationen (Anpassung, Vermeidung, Konfrontation und Aushandlung) wird im Training eingeführt (siehe oben). Konzeptionell dient es dazu, exemplarisch zu demonstrieren, wie die erarbeiteten Optionen der Wahrnehmung, der Interpretation und des Handelns umgesetzt werden können. Im Training werden die vier Handlungsstrategien verwendet, um die Rollenspiele auszuwerten. Die Rollenanweisungen der Spieler in den für das Training erarbeiteten Rollenspielen verweisen auf die vier Strategien und geben Hinweise auf die mögliche Umsetzung. Die Spieler haben die Aufgabe, sich bei der Vorbereitung für eine Strategie – oder besser – für einen Strategiemix zu entscheiden. Bei der Auswertung der Rollenspiele werden die einzelnen Reaktionen der Spieler jeweils einer dieser vier Kategorien zugeordnet. Vor- und Nachteile der jeweiligen Wahl sowie mögliche alternative Strategien werden durchgesprochen. Zusätzlich wird in den Lehrgesprächen und Diskussionen an passender Stelle immer wieder auf die vier Handlungsstrategien verwiesen und die entsprechenden Optionen diskutiert.

3.4 Durchführung des Trainings 3.4.1 Trainingsablauf Nachfolgende Tabelle verdeutlicht den Trainingsablauf mit den Inhalten und Methoden, die zur Anwendung kommen.

9

Hansen, 2003, S. 322ff.

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Tabelle 5. Trainingsablauf Tag 1 Einstimmung

Arabische Musik

Begrüßung Vorstellung

Begrüßung der Teilnehmer (TN). Vorstellung der Trainer & Trainingsteilnehmer.

Assoziationen

Sammeln von Assoziationen zu »Arbeiten mit Arabern«. Sammeln von konkreten Erwartungen: »Das Seminar wäre erfolgreich, wenn…«.

Erwartungsabfrage Trainer-Lernziele

Organisation

Vorstellung der Trainer-Lernziele. Trainer-Lernziele werden zu TN-Lernzielen in Beziehung gesetzt. Überblick über Ablauf, Zeiten, Organisation etc.

Erfahrungsaustausch

Abfrage zu den Länderkenntnissen der TN.

Kurzvortrag: Der arabischislamische Raum

Der Islam in Geschichte und Gegenwart. Einteilung der verschiedenen Länder. Brennpunkte: zentrale soziale und politische Fragen und ihre Auswirkungen.

Kurzvortrag: Wirtschaftliche Beziehungen

Wirtschaftliche Beziehungen zwischen Deutschland bzw. Europa und den arabischen Ländern sowie ihre Bedeutung im Geschäftsleben.

Planspiel: Konferenzmethode

Einführung: Aufgabe erklären. Länder: Jordanien, Ägypten, Marokko. Themen: Obstplantage, Ferienanlage, Standortanalyse, Kreditfonds. Präsentation der Ergebnisse im Plenum.

Kurzvortrag: Erklärungen Kommunikation

Ebenen der interkulturellen Kommunikation in der arabisch-islamischen Welt. Bedeutung von Sprache und nonverbaler Kommunikation. Fokus auf Kommunikationssysteme mit Beispielen und Interpretationsmöglichkeiten. Typische Problemfelder in der deutscharabischen Geschäftskommunikation.

13 Kulturthemen Tagesabschluss

Tagesbewertung durch TN: Frage nach Konferenzmethode um »Smileys« und Kommentare bitten.

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Tag 2 Begrüßung Assoziationen

Assoziationen zu »Arbeiten mit Arabern« Teil II auf Zuruf, aufschreiben.

Einführung Rollenspiele

5 Themen einführen, auf 13 Themen verweisen, 4 Handlungsstrategien einführen, Beispiele.

Rollenspiel: Thema 1 Einführung

Definition und Zitate der Auslandsentsandten zeigen. Vorgehen beim Rollenspiel erläutern, Anweisungen für die Spieler erklären, Anweisungen Beobachter erklären: Interpretationen und Handlungsstrategien beobachten. Vorgehen bei Analyse des Rollenspiels einführen (Erweiterte Optionen bei Interpretationen und Handlungsstrategien).

Auswertung

a) Beobachtungen der Spieler, Beobachter und TN sammeln: Interpretationen der Situation/Handlungsstrategie. b) Trainerbeobachtungen

Rollenspiel: Thema 2

Rollenspiel nach Vorgabe (s.o.).

Auswertung

Nach Vorgaben (s.o.).

Rollenspiel: Thema 3

Rollenspiel nach Vorgabe (s.o.).

Zusammenfassung Rollenspiele

Zusammenfassung, was wurde gelernt? Zusammenfassung der 5 Kulturthemen Komplexität von Situationen und Interpretationen. Zusammenfassung Handlungsstrategien, Perspektivenwechsel etc.

Checkliste

Erstellen einer individuellen Checkliste: Zusammenstellung von Punkten, die der TN in Zukunft bei der Zusammenarbeit mit Arabern beachten will, bzw. für sich aus dem Seminar mitgenommen hat.

Seminarevaluation

Austeilung der Evaluationsbögen.

Reflexion

Erwartungen, Bewertung Tag I und Trainerziele noch mal durchgehen nach Fehlendem fragen.

Abschlussrunde

Zusammenfassung und Rückmeldungen.

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Als Beispiel für Trainingsinhalte bzw. -methoden, in denen alle drei Lernzieldimensionen (Kognition, Affekt und Verhalten) wirksam sind, wird nachfolgend auf das Länderkonferenzplanspiel sowie auf die Rollenspiele ausführlich eingegangen. Die Trainingsinhalte zum arabisch-islamischen Raum sind in Kapitel IV zusammengefasst.

3.4.2 Länderkonferenzplanspiel Das Ziel des Planspiels ist es, landesspezifische Kenntnisse über arabisch-islamische Staaten zu vermitteln und durch ausgewählte Diskussionsthemen das Problembewusstsein der Teilnehmer im Hinblick auf die Situation der jeweiligen Länder zu schärfen. In diesem Planspiel übernehmen die Teilnehmer die Rollen von verschiedenen Angehörigen der örtlichen Bevölkerung. Die Rollen sind an die einzelnen Diskussionsthemen angepasst, so dass bei jedem Themenblock die vorgestellte Gesprächsrunde neu zusammengesetzt wird. Durch die Änderung der Perspektive der Teilnehmer in den verschiedenen Diskussionen gewinnt die Vorstellung, die sich die einzelnen Teilnehmer von dem je bearbeiteten Land machen, an Komplexität und Differenziertheit. Allen Teilnehmern des Trainingsprogramms dienen die Länderstudien10 als Informationsmaterial, aus dem sie Argumente und Fakten für ihre Rolle schöpfen können. Bei Bedarf können die Informationen aus den Länderstudien auch durch »Experten-Interviews« der Trainingsleiter ergänzt werden. Die Rollen sind immer so aufgebaut, dass sie sich schwerpunktmäßig auf einzelne Aspekte der Länderstudie beziehen. Die Rollenanweisungen sind (bis auf den mit der Rolle verbundenen Blickwinkel) sehr vage gehalten, damit sich eine freie Diskussion, ohne festgeschriebene Verhaltensmuster, entfalten kann. Die einzelnen Diskussionsthemen bauen auf der Vorstellung auf, dass sich verschiedene Mitglieder der einheimischen Bevölkerung des Landes treffen, um miteinander eine bestimmte (privatwirtschaftliche) Problemstellung zu bearbeiten. Ausgehend von der Darstellung eines konkreten Falles sollen die Rollenvertreter in einer intensiven Diskussion, die die verschiedenen Perspektiven des Themas beinhaltet, zu einer Lösung kommen. Diese kann nur durch gemeinsame Überlegungen erzielt werden, obwohl die Teilnehmer von ihren unterschiedlichen Standpunkten aus argumentieren.

10 Die Länderstudien zu Ägypten, Jordanien und Marokko finden sich in Jammal, 2003. Zusätzlich dazu werden die 22 Datenblätter verwendet (siehe Anhang zum Kapitel IV).

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Das Planspiel enthält Karten mit den Diskussionsthemen, die von den Trainingsleitern präsentiert werden. Die Rollenanweisungen für die Mitspieler liegen ebenfalls auf Karten bei. Als Informationsmaterial dienen den Teilnehmern neben Auszügen aus einem Länderatlas und einer Anlage besonders die Länderstudien, die in bearbeiteter Form als Kopiervorlage bereitgestellt werden.

Diskussionsthemen 1. Gutachten: Die Weltbank hat angekündigt, neue Kreditfonds für interessierte Länder des arabischen Raums zu eröffnen, die zum Aufbau moderner elektronischer Industrie in diesen Staaten dienen sollen. Die Länder sollen die Kredite in Anspruch nehmen und damit Förderprogramme im eigenen Land unterstützen. Um über die Aufnahme des Kredites und die Entwicklung von Förderprogrammen zu entscheiden, holt die Regierung ein Gutachten ein. Es soll darüber Aufschluss geben, inwiefern die örtlichen (sozialen, ökonomischen, infrastrukturellen etc.) Voraussetzungen den Aufbau moderner Elektronikindustrie begünstigen. Darüber hinaus soll das Gutachten Einschätzungen über die Aussichten und möglichen Risiken des Förderprogramms aufzeigen. Als Gutachter fungieren Führungskräfte aus der Privatwirtschaft und ein Regierungsberater, die von unterschiedlichen Standpunkten aus den Aufbau der Elektronikindustrie beurteilen. Leider stehen Sie etwas unter Zeitdruck, so dass Sie sich lediglich aufgrund der beiliegenden Unterlagen einen Überblick verschaffen können. Erstellen Sie ein Kurzgutachten über den Aufbau einer modernen Elektroindustrie und erläutern Sie, welche Fördermaßnahmen dringend ergriffen werden müssen. 2. Standortanalyse: Ein Unternehmer will einen neuen Betrieb für die Herstellung von modernen Maschinenanlagen gründen. Zur Finanzierung des Projektes muss er einen Investitionspartner suchen und mit ihm eine Entscheidung über den zukünftigen Produktionsstandort treffen. Es findet ein Treffen zwischen dem Initiator der Gründung, dem Investitionspartner und einem Ingenieur statt, der als Arbeitnehmer in den neuen Betrieb eintreten will. Sie überlegen gemeinsam, ob sie die Firma im eigenen Land oder im Nachbarstaat errichten sollen, da in beiden Ländern familiäre und freundschaftliche Beziehungen des Initiators bestehen, die als Grundlage für die Firmengründung genutzt werden können. Zuerst wollen die Teilnehmer der Gesprächsrunde

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die wesentlichen Standortfaktoren in ihrem eigenen Land untersuchen. Von welchen Faktoren würden Sie die Entscheidung der Standortwahl abhängig machen? Diskutieren Sie die Voraussetzungen im Land für die in der Anlage aufgeführten Standortfaktoren und nehmen Sie ggf. den Auszug aus dem Atlas zu Hilfe. 3. SWOT-Analyse11: Mehrere wohlhabende Unternehmer planen, eine Ferienanlage zu bauen, die alle Ansprüche ausländischer Touristen erfüllen soll: Neben einer modernen Hotelanlage am Meer sollen auch die kulturellen Sehenswürdigkeiten des Landes für Ausflüge genutzt werden. Es wird überlegt, amerikanische Investoren an dem Projekt teilhaben zu lassen und dafür ein Joint Venture zu gründen. Die Unternehmer treffen sich zusammen mit dem Bürgermeister des Ortes, um über das Projekt der Ferienanlage zu diskutieren. Führen Sie gemeinsam eine SWOT-Analyse durch, in der Sie auf die (internen) Stärken und Schwächen der Unternehmung wie auch auf die (externen) Chancen und Risiken eingehen. In die Überlegungen sollen nicht nur ökonomische, sondern auch soziale und kulturelle Faktoren einbezogen werden. 4. Plantage: Ein Großteil der Ausfuhrgüter Ihres Landes sind Obstsorten wie Erdbeeren und Zitrusfrüchte, die vor und nach dem jeweiligen Saisonbeginn in den Ländern der EU nach Europa exportiert werden. Das Land ist abhängig vom Export in die europäische Wirtschaftszone und muss gegen die dortige Konkurrenz, gegen Zeit und Wetter kämpfen. Einheimische Plantagenbesitzer nutzen für die Anpflanzung der für den Export bestimmten Obstsorten gute Böden, die eigentlich für den Anbau von (Grund-) Nahrungsmitteln zur Selbstversorgung des Landes benötigt würden. Auf den Plantagen, die künstlich bewässert werden müssen, wird eine große Zahl an einheimischen Arbeitskräften beschäftigt. Sie arbeiten sieben Tage die Woche, zehn Monate im Jahr. Der Tageslohn der Arbeitskräfte liegt mit umgerechnet 2 _ knapp über dem gesetzlich fixierten Mindestlohn. Der Plantagenbesitzer möchte nicht mehr mit seinen Früchten in der Abhängigkeit des europäischen Marktes stehen. Er sucht nach Alternativen, seine Plantage und die Anbausorten zu ändern. Dabei denkt er auch über andere Nutzungsmöglichkeiten der Plantage nach, wie z.B. als Standort für ein produzierendes Unternehmen im Bereich der Textilindustrie.

11 SWOT ist die Abkürzung für ein Analyseraster. Bezogen auf Unternehmen werden die unternehmensinternen Strengths und Weaknesses sowie die unternehmens-externen Oppurtunities und Threats analysiert.

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Um sich Anregungen zu holen, diskutiert der Plantagenbesitzer mit einem seiner Arbeiter und dem Besitzer der Nachbarplantage, der vor dem gleichen Problem der Plantagenwirtschaft steht. Diskutieren Sie die Notwendigkeit und die Möglichkeiten, die Plantagenwirtschaft zu verändern. Gibt es sinnvollere Nutzungsalternativen des Landes, die weniger Risiko und mehr Rentabilität versprechen?

Rollenanweisungen Diskussionsthema 1: Gutachten •





Teilnehmer 1: Sie sind der Personalchef eines einheimischen Unternehmens. Sie kennen sich besonders in den sozialen Strukturen und in der Bildungssituation des Landes aus und können daher eine personalpolitische Prognose für den Aufbau der Elektroindustrie abgeben. Sie müssen die gegebenen Voraussetzungen im Land hinsichtlich qualifizierter und engagierter Mitarbeiter beurteilen und ggf. Maßnahmen der Personalentwicklung und Bildungsförderung vorschlagen. Teilnehmer 2 Sie sind Leiter eines Unternehmens im Produktionssektor. Sie kennen sich aufgrund der Erfahrungen im eigenen Betrieb bestens mit den ökonomischen und infrastrukturellen Gegebenheiten des Landes aus. Beurteilen Sie den möglichen Aufbau moderner Elektroindustrie vom wirtschaftlichen Standpunkt aus, indem Sie die örtlichen Voraussetzungen präsentieren. Wo müsste Ihrer Meinung nach das Förderprogramm ansetzen? Teilnehmer 3 Sie sind ein Berater der Regierung und sollen eine Prognose darüber abgeben, ob die Annahme des Kredites und die geplanten Fördermaßnahmen in das politische und wirtschaftspolitische Programm des Landes passen. Stellen Sie dazu die jetzige Situation dar und beurteilen Sie die zukünftigen Entwicklungen danach, ob die Kreditaufnahme und die Förderung der Elektroindustrie eine Kontinuität in der Politik des Landes darstellen würden oder einen Reformprozess einleiten?

Diskussionsthema 2: Standortanalyse12 •

Teilnehmer 1 Sie sind der Initiator der Gründung eines neuen Betriebs für die Herstellung von modernen Maschinenanlagen. Als Eigner wollen Sie sich v.a. mit der Beschaffung der Rohstoffe und den politischen Gegeben-

12 Den Teilnehmern wird eine Liste wesentlicher Standortfaktoren (Beschaffung, Fertigung, Absatz etc.) zur Verfügung gestellt.

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heiten im Land auseinandersetzen, die einen wesentlichen Einfluss auf die Standortwahl haben. Beurteilen Sie das Standortpotenzial Ihres Landes im Hinblick auf die oben genannten Faktoren. Teilnehmer 2 Sie sind der Investitionspartner des Initiators, den als Finanzwissenschaftler v.a. die ökonomische Seite der Unternehmung interessiert. Sie sorgen sich besonders um einen Standort, der eine gute Infrastruktur aufweist und hohe Absatzzahlen begünstigt. Stellen Sie dazu die wirtschaftliche und infrastrukturelle Situation des Landes dar und beurteilen Sie diese im Hinblick auf die Standortwahl des neuen Betriebes. Teilnehmer 3 Sie sind Ingenieur und wollen als Führungskraft für die Fertigung in den neuen Betrieb eintreten. Da Sie für den problemlosen Ablauf der Fertigung verantwortlich sind, ist es Ihr Anliegen, fähige Mitarbeiter zur Verfügung zu haben, die bereits über einige Qualifikationen verfügen. Präsentieren Sie die Standortfaktoren, die sich auf den personalpolitischen Sektor des Betriebes und die Fertigung beziehen.

Diskussionsthema 3: SWOT-Analyse •

Teilnehmer 1: Sie sind Unternehmer und verfolgen mit dem Bau der Ferienanlage vor allem ökonomische Interessen. Sie erhoffen sich eine rentable Investition und würden gerne mit einer amerikanischen Firma ein Joint Venture gründen, um die Touristenzahlen und den Erfolg der Anlage im Ausland zu steigern. Amerikaner sollen auch an der Geschäftsführung beteiligt werden, um einen westlichen Standard zu garantieren.



Teilnehmer 2 Sie wollen als Unternehmer eine Ferienanlage bauen, die aber ohne die Bildung eines Joint Ventures mit einem amerikanischen Unternehmen errichtet werden soll. Sie hegen vor allem Bedenken bezüglich kultureller Konflikte, die bei einer Zusammenarbeit mit Firmen aus den USA entstehen könnten. Dennoch sehen Sie große Chancen, mit dem Tourismus einen zukunftsträchtigen Wirtschaftssektor zu betreten, der einen wesentlichen Beitrag zur sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung der Region leisten kann.



Teilnehmer 3: Als Bürgermeister des Ortes, an dem die Ferienanlage errichtet werden soll, sorgen Sie sich vor allem um die Folgen der Unternehmung für die Bevölkerung. Ihr Ziel ist es, den Lebensstandard der Einwoh-

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ner zu steigern und Beschäftigung zu schaffen, um die gegenwärtige Situation der Gegend und der Menschen zu verbessern. Auch ökologische Ziele und insbesondere die Wasserversorgung der Bevölkerung liegen Ihnen am Herzen.

Diskussionsthema 4: Plantage •

Teilnehmer 1 Sie sind Arbeiter auf der Plantage und können mit Ihrem Verdienst kaum Ihre Familie ernähren, obwohl Sie jeden Tag schwere körperliche Arbeit leisten. Ihre Hoffnung besteht in der Errichtung einer Industrieanlage auf den Feldern der Plantage. In dem neuen Betrieb erhoffen Sie sich bessere Arbeitsbedingungen und mehr Lohn, so dass Sie und Ihre Familie ein besseres Leben führen können.



Teilnehmer 2 Sie sind Plantagenbesitzer und wollen auf dem Grundstück der Plantage einen Betrieb gründen, der mehr Rentabilität und weniger Abhängigkeit von den europäischen Märkten verspricht als der Anbau von frühen Obstsorten. Sie überlegen, in die Textilindustrie einzusteigen und auf dem guten Boden eine industrielle Näherei zu errichten. Sie holen sich die Meinung der anderen beiden Diskussionsteilnehmer ein, um die Chancen und Risiken der Unternehmung besser abschätzen zu können.



Teilnehmer 3 Sie sind ein benachbarter Plantagenbesitzer und wollen an der Plantagenwirtschaft von Frühgemüse und Obst festhalten. Da Sie eine soziale Ader besitzen, sind Sie der Meinung, Sie müssten die Bedingungen der Arbeiter verbessern und mehr für die Versorgungssituation des Landes tun. Was raten Sie also dem Nachbarn, der in die Textilindustrie einsteigen will?

3.4.3 Rollenspiele13 Die folgenden Ausführungen enthalten Beschreibungen der einzelnen im Training eingesetzten Rollenspiele. Neben einer Schilderung der Ausgangssituation werden in jedem dargestellten Rollenspiel auch Verhaltensanweisungen mit Wahlmöglichkeiten für die einzelnen spielbaren Rollen beschrieben. Allen Rollenspielen ist gemein, dass die vier Strategien Konfrontation, Anpassung, Aushandlung und Vermeidung als Wahr13 Basierend auf den von uns empirisch ermittelten Kategorien aus den Interviews wurden die Rollenspiele von Frau Irmgard Sollinger entwickelt.

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nehmungs-, Interpretations- und Handlungsalternativen zur Verfügung stehen. Nachfolgend findet sich eine kurze Übersicht über die entwickelten und eingesetzten Rollenspiele: Tabelle 6. Die Rollenspiele Kulturelles Thema

Inhalt

1 Indirekte Kommunikation

jordanischer Mitarbeiter hat durch abweichende Kartongrößen Schaden verursacht

2 Korruption

deutsche Firmenleiter entscheiden, ob deutscher oder jordanischer Mitarbeiter (mit Beziehungen) Leitungsfunktion übernehmen soll

3 Unpünktlichkeit

ägyptischer Kontaktmann für Organisation von Dreharbeiten kommt zu spät

4 Wichtigkeit von persönlichen Beziehungen

Kauf von Software & langfristigem Support

5 Unzuverlässigkeit der Vertragspartner

Bau einer Krabbenfabrik, Einhaltung von Deadlines

Trainerhandreichungen Für die Rollenspiele »Indirekte Kommunikation«, »Korruption« und »Unpünktlichkeit« sind die folgenden Trainerhandreichungen zu beachten: 1. Sagen Sie den TN zuerst, dass alle mindestens bei einem Rollenspiel mitmachen müssen. 2. Erläutern Sie die Regel, dass in den Beschreibungen vier alternative Handlungsmöglichkeiten angeboten werden, die auch in Kombination (als Mix) auftreten können: Konfrontation, Vermeidung, Adaption und Aushandlung. 3. Erläutern Sie, dass es nicht darum geht, eine Alternative bis zum evtl. bitteren Ende beizubehalten, sondern ganz im Gegenteil, dass Sie die TN erleben lassen wollen, wie sie mit dem Jonglieren mit verschiedenen Handlungsalternativen anpassungsfähiger sind und bei der Gegenseite leichter Einverständnis erzielen können. Also: Mehr Handlungsflexibilität.

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4. Erläutern Sie die zweite Regel, dass eine Lösung im Spiel gefunden werden muss. Die Spieler können nicht ohne Lösung auseinander gehen oder das Problem vertagen. Es muss, wie in der Realität auch, eine Einigung erzielt werden. Dazu sollen die vier Handlungsalternativen erprobt werden. Bei »fortgeschrittenen« Teilnehmern können Sie zusätzlich vorgeben, dass alle vier Handlungsstrategien benutzt werden müssen. 5. Sie können auch andere Vorgaben ausprobieren: a) den Teilnehmern freistellen, welche Strategie sie einsetzen möchten, b) eine bestimmte Strategie vorgeben, mit der angefangen werden muss, c) nur eine einzige Strategie zur Verfügung stellen, d) die persönlich schwierigste Strategie öfter trainieren. 6. Geben Sie den Zeitrahmen für das ganze Spiel an, a) z.B. in 15-40 Min. muss eine Lösung gefunden werden, b) oder open end, bis sich die Spieler einigen. 7. Lassen Sie die Teilnehmer sich freiwillig in der jeweils erforderlichen Anzahl melden. 8. Geben Sie den Rollenspielern ihre Rollenbeschreibungen. Jeder bekommt nur seine eigene Beschreibung. Er soll dann im Spiel ohne weitere Information auf sein Gegenüber treffen. Dazu schicken Sie die Spieler hinaus und bringen sie in getrennte Räume, wo sie sich in ihre Rolle einlesen können. Sie sollen sich ruhig weiter in die Person hineindenken. Geben Sie nur wenig Zeit: 3-5 Min. 9. Erläutern Sie mündlich den verbliebenen Beobachtern, um welche Situation es bei der Szene geht. Dabei können Sie mehr oder weniger ausführlich werden. 10. Die Aufgabe der Beobachter ist, die Handlungsstrategien zu identifizieren und zu bewerten und die Spieler auf bestimmte Parameter hin zu beobachten (Stress, Mut, Flexibilität, Eingehen auf die andere Kultur, Festhalten an der eigenen usw.). 11. Sie können auch die Aufgaben der Beobachter splitten: einer schaut vor allem auf eskalierende und ein anderer auf integrierende Momente. Oder ein Blatt mit den vier Strategien vorbereiten lassen und Strichlisten führen. 12. Geben Sie nach dem Spiel eine 15 Min. stille Reflexionsphase, in der alle (Spieler und Beobachter) ihre Gedanken notieren können. 13. Sehr wichtig ist in der Auswertungsphase, alle zu Wort kommen zu lassen: a) Spieler: Was haben sie empfunden? Welche Strategien nutzten ihnen? Wo empfanden Sie Grenzen? Wo neue Erkenntnisse? Wo persönliche Widerstände?

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b) Beobachter: Wie war die Entwicklung der Handlung aus der externen Sicht? Welche Strategien wurden eingesetzt? Wie war die Wirkung? 14. Wenn sich ein offenes und tiefes freies Gespräch einstellt, das auch individuelle Persönlichkeitsaspekte einschließt, ist das ein unschätzbar wertvolles Geschenk.

3.4.3.1 Rollenspiel »Indirekte Kommunikation« Rollenspiel 1: Indirekte Kommunikation (Jordanien) Personen: Deutscher Vorgesetzter und jordanischer Mitarbeiter a) Der deutsche Vorgesetzte Heinz Wöhrle Ihre Person: Sie sind eine erfahrene Führungskraft in einem Unternehmen der Kosmetikbranche in Deutschland und deshalb mit der Aufgabe betraut worden, den Vertrieb im jordanischen Werk neu aufzubauen. Organisation und Durchsetzungskraft waren schon immer Ihre Stärken. Wenn Sie etwas für richtig halten, dann lassen Sie sich nicht so schnell beirren und verteidigen Ihr Vorgehen auch mal gegenüber einem Vorgesetzten. So viel Selbstvertrauen haben Sie allemal. Allerdings sind Sie es gewohnt, penibel zu planen, um Fehler zu vermeiden. Ihnen wurde schon einige Male zu Recht vorgeworfen, dass Sie zu schnell aus der Haut fahren. Sie haben sich vorgenommen, das in Zukunft zu vermeiden. Ihre Situation: Sie sind seit etwa einem halben Jahr Vertriebsleiter im jordanischen Werk Ihres Unternehmens. Ihr jordanischer Mitarbeiter, der Auslieferungsleiter Larid Assudi ist Ihnen bisher eher positiv aufgefallen. Sie hielten ihn für einen ruhigen und tüchtigen Mitarbeiter. Doch nun ist ein schwerwiegender Fehler geschehen, weswegen Sie ihn für eine sofortige Besprechung haben holen lassen. Es geht um Folgendes: Sie haben gerade die Testauslieferung von 1.000 Stück eines neuen Produkts hinter sich gebracht. Ihre Firma operiert zur Kostenoptimierung mit normierten Schachtelgrößen. Doch offensichtlich sind die Waren nicht in den für sie bestimmten Kartons, sondern in Kartons der übernächsten Größe ausgeliefert worden. Außerdem stellen Sie fest, dass bei den Einzelhändlern komplette Unklarheit über die Preisgestaltung herrscht, was Sie sich nicht erklären können. Sie wollen sich deshalb Larid Assudi nun »zur Brust nehmen«. Sie vertrauen ihm nicht mehr und wollen herausfinden, warum der Fehler passiert ist. Sie sind besonders sauer, weil Sie erst kürzlich bei einer

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Besprechung zur Auslieferung des Testprodukts das Verpackungssystem Ihres Unternehmens besprochen hatten. Hat Herr Assudi nicht richtig zugehört, ist er überfordert? Oder kann man dem jordanischen Auslieferungsleiter unterstellen, dass er die Vorgaben seines deutschen Vorgesetzten ganz bewusst ignoriert hat? Sie selbst mussten sich vor Ihrem Vorgesetzten in der Düsseldorfer Zentrale, der schon von Gerüchten gehört hatte, verantworten, und der hatte Sie am Telefon ganz schön zur Schnecke gemacht. Sie haben sofort nach Larid Assudi geschickt. Nun beginnt das Rollenspiel! Das Ziel dieses Rollenspiels ist es, dass Sie zusammen mit Ihrem Spielpartner eine Lösung Ihres gemeinsamen Konflikts finden. So wäre es auch im wirklichen Leben! Sie können also nicht aufgeben oder vertagen; das Spiel endet erst, wenn Sie Ihr Problem gelöst haben. Hier schlagen wir Ihnen vier verschiedene Lösungsstrategien vor. Bitte probieren Sie sie aus. Sie können die vier Strategien kombinieren. Spielalternative 1: Konfrontation Dieser Vorfall bringt das Fass zum Überlaufen. Sie haben den Eindruck, dass es nur schadet, wenn man sich der arabischen Mentalität anpasst und immer nur um den heißen Brei herumredet. Hier müssen deutliche Worte fallen. Wo käme man denn sonst in Zukunft hin? Sie sind stinksauer. Spielalternative 2: Anpassung Sie holen tief Luft. Wenn Sie sich jetzt noch mehr aufregen, geht der Schuss wohl doch nur nach hinten los. Sie wollten sich ohnehin besser beherrschen. Also beschließen Sie, mit dem zu beginnen, was bisher positiv lief und dann erst zu Ihren eigentlichen Punkten zu kommen. Spielalternative 3: Aushandlung Sie werden versuchen herauszufinden, was Herrn Assudi bewogen hat, so zu handeln. Außerdem nehmen Sie sich fest vor, in diesem Gespräch eine Lösung für Ihre zukünftige Zusammenarbeit zu finden. Spielalternative 4: Vermeidung Sie lassen Herrn Assudi seine Version der Dinge erzählen, schlucken Ihren Ärger hinunter, sagen ihm, um ihn nicht zu demotivieren, nicht, dass sein Verhalten falsch war, und bringen stattdessen auf positive

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Art Ihre Wunschvorstellungen zum Ausdruck. Gleichzeitig schalten Sie einen Mittelsmann ein, dem Sie die ganze Geschichte erzählen mit der Bitte, mit Ihrem Spielpartner zu sprechen und ihm Ihren Standpunkt nahe zu bringen. b) Der jordanische Mitarbeiter Larid Assudi Ihre Person: Sie sind Mitarbeiter in einem deutschen Werk der Kosmetikbranche in Jordanien und für die gesamte Auslieferung zuständig. Der Job in einer deutschen Firma bedeutet Ihnen sehr viel. Endlich mal ein sicherer Arbeitsplatz und auch sehr gut bezahlt. Damit sind Sie der Stolz der ganzen Familie! Sie haben schon die verschiedensten Arbeiten gemacht und sind immer klar gekommen. Sie sind intelligent und können auf alle Schwierigkeiten schnell reagieren. Wenn es sein muss, wird halt improvisiert! Mit Ihrer höflichen und charmanten Art sind Sie bisher noch mit jedem zurechtgekommen. Ihre Situation: Vor einiger Zeit haben Sie versucht, in einer Besprechung zur Logistik der Erstauslieferung von 1.000 Stück eines neuen Testprodukts Ihrem deutschen Chef Heinz Wöhrle deutlich zu machen, dass man in Ihrem Land der Verpackung viel Wert beimisst. Ein wertvolles Produkt gehört in eine große, repräsentative Schachtel. Ein deutsches Produkt erst recht. Sicher, die größeren Kartons kosten mehr und benötigen mehr Lade- und Lagerraum. Aber Sie kennen doch Ihre Landsleute! Da Herr Wöhrle erst seit einem halben Jahr als Vertriebsleiter in Jordanien ist, haben Sie ihm das sehr vorsichtig und höflich beschrieben. Dann kam trotzdem seine Anweisung, die vorgesehenen kleineren Kartons zu verwenden. Sie waren sehr bekümmert über die Ignoranz Ihres Vorgesetzten, wollten ihn aber nicht brüskieren und direkt auf seinen Fehler hinweisen. Deshalb haben Sie die 1.000 Stück zur Hälfte in Kartons der von Ihrem Chef gewünschten Größe und zur Hälfte probehalber in der übernächsten Größe ausliefern lassen. Sie waren sich ganz sicher, dass die Verkaufszahlen Ihnen Recht geben würden. Danach wollten Sie Herrn Wöhrle von Ihrem Experiment berichten. Das würde ihn überzeugen und er würde Sie als klugen und mitdenkenden Mitarbeiter schätzen lernen. Inzwischen haben Sie jedoch gehört, dass bei den Groß- und Einzelhändlern eine heillose Verwirrung entstanden ist. Gibt es nun eine oder zwei neue Testprodukte oder noch mehr? Manche Händler nutzen die Gunst der Stunde und verkaufen die große Packung zu einem höheren Preis als die kleine, andere stellen die große und die kleine Packung zum gleichen Preis nebeneinander ins Regal. Es scheint,

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dass diese Sache sich längst verbreitet hat und alle Leute interessiert und amüsiert. Die Reputation Ihrer deutschen Firma könnte in Mitleidenschaft gezogen werden! Jetzt macht Ihr Chef offensichtlich Sie dafür verantwortlich. Dass er Sie jetzt zu einem sofortigen Gespräch einbestellt hat, verheißt nichts Gutes. Nun beginnt das Rollenspiel! Das Ziel dieses Rollenspiels ist es, dass Sie zusammen mit Ihrem Spielpartner eine Lösung Ihres gemeinsamen Konflikts finden. So wäre es auch im wirklichen Leben! Sie können also nicht aufgeben oder vertagen; das Spiel endet erst, wenn Sie Ihr Problem gelöst haben. Hier schlagen wir Ihnen vier verschiedene Lösungsstrategien vor. Bitte probieren Sie sie aus. Sie können die vier Strategien kombinieren. Spielalternative 1: Konfrontation Jetzt ist es soweit. Sie werden sich mit Ihrem neuen Chef auseinander setzen müssen. Aber Sie werden nicht klein beigeben. Sie haben sich das genau überlegt. Sie können nur dann etwas gewinnen, wenn Sie Ihrem Chef klarmachen, dass der eigentliche Fehler auf seiner Seite lag. Außerdem müsste nur das Größensystem insgesamt geändert werden, dann wäre alles kein Problem. Spielalternative 2: Anpassung Das ist dumm gelaufen. Gleich zu Beginn der Zusammenarbeit so ein misslicher Vorfall. Wenn Sie jetzt darauf bestehen, dass Sie nur das Richtige im Sinn hatten, wird Ihr neuer Chef vollends verärgert sein. Daher geben Sie besser nicht zu, dass Sie absichtlich gegen seine Anweisung gehandelt haben, sondern erfinden eine tollkühne Ausrede. Und Sie beißen in den sauren Apfel und entschuldigen sich für die schlechte Ausführung. Und wenn Ihr Chef wieder solchen Unsinn anordnet, dann ist Ihnen das in Zukunft egal. Dann werden Sie es eben tun. Spielalternative 3: Aushandlung Leicht wird dieses Gespräch sicher nicht. Sie werden sich die Standpauke Ihres Chefs erst mal anhören müssen und dann versuchen heraus zu finden, ob er auch Ihnen zuhört. Sie haben sich aber fest vorgenommen, eine Regelung Ihrer zukünftigen Zusammenarbeit auszuhandeln. Spielalternative 4: Vermeidung Wenn Sie jetzt versuchen, über das Problem zu diskutieren, würde das Ihren Chef nur noch mehr aufregen. Daher werden Sie stattdes-

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sen lieber auf die positiven Seiten Ihrer Zusammenarbeit lenken und ihm die bisherigen guten Geschäfte und die viel versprechende Zukunft in bunten Farben schildern. Gleichzeitig schalten Sie einen Mittelsmann ein, dem Sie die ganze Geschichte erzählen mit der Bitte, mit Ihrem Spielpartner zu sprechen und ihm Ihren Standpunkt nahe zu bringen.

3.4.3.2 Rollenspiel »Korruption« Rollenspiel 2: Korruption (Jordanien) Personen: Zwei deutsche Geschäftspartner am Telefon, einer in Deutschland, der andere in Jordanien a) Der deutsche Geschäftspartner in Jordanien, Jochen Schüllner Ihre Person: Ihnen und Ihrem Partner Klaus Herwig gehört zu gleichen Teilen eine Firma für Maschinenersatzteile. Klaus Herwig leitet die Firma am Firmensitz Stuttgart. Sie selbst haben in den letzten zwei Jahren einen neuen Firmenstandort hier in Jordanien aufgebaut. Sie gehen bald nach Thailand, um dort einen dritten Standort zu etablieren. Ihre Situation: Sie haben für heute mit Ihrem Geschäftspartner Klaus Herwig in Stuttgart einen längeren Telefontermin vereinbart. Es geht um die Auswahl Ihres Nachfolgers als Geschäftsführer hier in Jordanien. Ihr Partner möchte seinen ersten Mann in Deutschland, Jan Schäfer, auf der Position sehen. Sie kennen seinen Kandidaten Schäfer sehr gut. Ein ausgewiesener Fachmann, den Sie auch für kompetent halten. Aber Sie kennen inzwischen die Verhältnisse hier vor Ort und wissen, wie wichtig persönliche Beziehungen sind. Ihr zweiter Mann hier, Mohammed Fahti, kommt aus der Stadt und hat gute Beziehungen zu Regierungs- und Behördenkreisen. Sie wissen, dass er längst nicht so fachkompetent ist wie Schäfer, aber er ist loyal der Firma gegenüber, hat in den zwei Jahren mit Ihnen viel gelernt und vor allem: Sie sind überzeugt, dass er die vielen Probleme mit der hiesigen Infrastruktur und den Behörden lösen kann. Schäfer in seiner geradlinigen deutschen Art – man könnte auch sagen, er ist manchmal ein Sturkopf – könnte da vielleicht großen Schaden anrichten. Sie müssen sogar zugeben, dass Sie die Art, wie hier Geschäfte gemacht werden, mittlerweile zu schätzen gelernt haben. Was Sie am Anfang selbst als Korruption bezeichnet haben, verstehen Sie inzwischen eher als eine Art »kulturelles Grundrauschen«. Mit anderen Worten, Sie wissen, dass man hier manchmal auf Familienbande

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Rücksicht nehmen muss und mit Bakschisch manches einfach schneller geht. Und wenn man das entspannt betrachtet, macht es das Leben vielleicht sogar etwas angenehmer als die deutsche Kleinkariertheit. Man muss nur aufpassen, dass man selbst nicht bestechlich wird und Geschenke rechtzeitig mit der gegebenen Höflichkeit erwidert, bevor man womöglich in Zugzwang gerät. Aber das Wichtigste ist: Sie haben die Erfahrung gemacht, dass es hier nun mal so läuft, und moralische Empörung gar nichts hilft. Im Gegenteil. Nun beginnt das Rollenspiel! Das Ziel dieses Rollenspiels ist es, dass Sie zusammen mit Ihrem Spielpartner eine Lösung Ihres gemeinsamen Konflikts finden. So wäre es auch im wirklichen Leben! Sie können also nicht aufgeben oder vertagen; das Spiel endet erst, wenn Sie Ihr Problem gelöst haben. Hier schlagen wir Ihnen vier verschiedene Lösungsstrategien vor. Bitte probieren Sie sie aus. Sie können die vier Strategien kombinieren. Spielalternative 1: Konfrontation Wenn Ihr Geschäftspartner Klaus Herwig mit Ihrem Vorschlag nicht einverstanden sein sollte, dann setzen Sie Ihren Kandidaten unter allen Umständen durch. Schließlich wissen Sie viel besser, was hier in Jordanien gefragt ist. Spielalternative 2: Anpassung Wenn Klaus Herwig mit Ihrem Vorschlag nicht einverstanden sein sollte, dann steht für Sie im Vordergrund, dass er wahrscheinlich den besseren Überblick über die Gesamtsituation der Firma hat. Spielalternative 3: Aushandlung Sie streben eine offene und ehrliche Auseinandersetzung über das Für und Wider an. Außerdem wollen Sie die Weichen für ähnliche Fälle in der Zukunft schaffen, denn auch in Thailand wird das Problem auf Sie zukommen. Spielalternative 4: Vermeidung Sie scheuen die direkte Auseinandersetzung, weil die oft in einem Streit eskaliert, in dem man sich gegenseitig tiefe Wunden zufügt. Lieber schildern Sie Klaus Herwig die guten Geschäfte, die Sie hier aufgebaut haben, und wie stark Ihr Mitarbeiter Mohammed Fahti daran beteiligt war. Gleichzeitig schalten Sie einen Mittelsmann ein, dem Sie die ganze Geschichte erzählen mit der Bitte, mit Ihrem Spielpartner zu sprechen und ihm Ihren Standpunkt nahe zu bringen.

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b) Der deutsche Geschäftspartner in Deutschland, Klaus Herwig Ihre Person: Sie leiten eine Firma für Maschinenersatzteile in Stuttgart, die Ihnen und Ihrem Partner Jochen Schüllner zu gleichen Teilen gehört. Jochen Schüllner hat in den letzten zwei Jahren einen Standort in Jordanien aufgebaut. Jetzt soll er nach Thailand gehen und dort einen dritten Standort etablieren. Ihre Situation: Sie erwarten heute Jochens Anruf, um die Frage zu besprechen, wer in Jordanien seinen Posten als Geschäftsführer übernehmen soll. Sie haben ihm schon früher gesagt, dass Sie gerne Jan Schäfer damit betrauen würden. Er ist hier in Stuttgart Ihr erster Mann und ein absolut kompetenter Kandidat für diesen Posten. Außerdem ist er zuverlässig und loyal. Auch Jochen kennt ihn gut. Ihnen ist es besonders wichtig, dass Jochens Aufbauarbeit ohne Reibungsverluste weitergeführt wird. Für Sie kommt nur ein brillanter Techniker als Nachfolger in Frage. Denn Jochen selbst hat Ihnen in den letzten zwei Jahren bei seinen Stuttgartaufenthalten detailliert die kniffligen Probleme vor Ort geschildert, mit denen er sich herumschlagen musste. Ihre Ersatzteile sind zwar »State of the Art« und auf dem jordanischen Markt sehr gefragt. Sie können guten Gewissens den noch immer unzerstörten Nimbus des »Made in Germany« hochhalten. Doch häufig hatte Jochen Schüllner bei seinen Kunden alte oder DIN-inkompatible Maschinen zu reparieren. In vielen Fällen musste er die Ersatzteile individuell anpassen und mitunter auch ganz neue technische Lösungen finden. Manchmal stand er vor extrem schwierigen Aufgabenstellungen. Jochen meisterte sie. Doch das kann gewiss nicht jeder. Daher brauchen Sie in Jordanien einen Geschäftsführer, der technisch top ist und sich zu helfen weiß. Sie haben schließlich hier genug zu tun. Nun beginnt das Rollenspiel! Das Ziel dieses Rollenspiels ist es, dass Sie zusammen mit Ihrem Spielpartner eine Lösung Ihres gemeinsamen Konflikts finden. So wäre es auch im wirklichen Leben! Sie können also nicht aufgeben oder vertagen; das Spiel endet erst, wenn Sie Ihr Problem gelöst haben. Hier schlagen wir Ihnen vier verschiedene Lösungsstrategien vor. Bitte probieren Sie sie aus. Sie können die vier Strategien kombinieren. Spielalternative 1: Konfrontation Wenn Ihr Geschäftspartner Jochen Schüllner mit Ihrem Vorschlag nicht einverstanden sein sollte, dann setzen Sie Ihren Kandidaten un-

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ter allen Umständen durch. Schließlich haben Sie den besseren Überblick über die Gesamtsituation der Firma. Spielalternative 2: Anpassung Wenn Jochen mit Ihrem Vorschlag nicht einverstanden sein sollte, dann steht für Sie im Vordergrund, dass er wahrscheinlich viel besser weiß, was in Jordanien gefragt ist. Spielalternative 3: Aushandlung Sie streben eine offene und ehrliche Auseinandersetzung über das Für und Wider an. Außerdem wollen Sie die Weichen für ähnliche Fälle in der Zukunft schaffen, denn auch in Thailand wird das Problem auf Sie beide zukommen. Spielalternative 4: Vermeidung Sie scheuen die direkte Auseinandersetzung, weil die oft in einem Streit eskaliert, in dem man sich gegenseitig tiefe Wunden zufügt. Lieber schildern Sie Jochen die gute Entwicklung, die die Firma inzwischen genommen hat, und wie stark Jan Schäfer daran beteiligt war. Gleichzeitig schalten Sie einen Mittelsmann ein, dem Sie die ganze Geschichte erzählen mit der Bitte, mit Ihrem Spielpartner zu sprechen und ihm Ihren Standpunkt nahe zu bringen.

3.4.3.3 Rollenspiel »Unpünktlichkeit« Rollenspiel 3: »Unpünktlichkeit« (Ägypten) Personen: Ein ägyptischer Beamter und zwei deutsche Filmproduzenten a) Zwei deutsche Filmproduzenten, Bernd Ackermann und Helge Bruder Ihre Personen: Sie sind zwei deutsche Filmproduzenten, Bernd Ackermann und Helge Bruder. Sie leben beide in München, wo auch Ihre Produktionsfirma ihren Sitz hat. Sie sind schon 18 Jahre im Geschäft, waren bisher besonders im Sektor TV-Produktionen erfolgreich und kennen alles, was im Filmgeschäft Rang und Namen hat. Sie haben schon mit vielen bekannten Darstellern und Regisseuren gearbeitet. In Ihrer Firma haben Sie nur wenige Festangestellte, z.B. eine Dame fürs Sekretariat und einen langjährigen Techniker, der sich in allem auskennt. Für jedes Filmprojekt engagieren Sie das Kamerateam, die Backstage-Mannschaft und natürlich die Schauspielerinnen

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und Schauspieler neu. Sie verstehen Ihr Geschäft. Eine minutiöse Planung ist für Sie das A und O zur Einhaltung des Kostenrahmens. Ihre Situation: Sie planen derzeit die Dreharbeiten zu einem opulenten Fernsehzweiteiler in Ägypten. Es geht um die Verfilmung einer Geschichte über die archäologischen Pioniere im 19. Jahrhundert, die die Cheopspyramide erforscht haben. Der Film soll natürlich an den echten Schauplätzen im Tal der Könige und in der Altstadt von Kairo gedreht werden. Sie sind deshalb schon mehrmals in Ägypten gewesen. Wegen der Genehmigungen und der nötigen Unterstützung durch die öffentliche Verwaltung sind Sie mit dem zuständigen Beamten des ägyptischen Tourismusministeriums Kamal Wahid in Kontakt. In einer umfangreichen E-Mail-Korrespondenz haben Sie Herrn Wahid über alle Anforderungen in Kenntnis gesetzt. Herr Wahid hat Ihrem Projekt jede Unterstützung zugesagt. Da Sie auch jetzt wieder zur Vorbereitung der Dreharbeiten und zum Casting der ägyptischen Darsteller vor Ort sind – es ist jetzt Anfang November, im Januar und Februar nächsten Jahres sollen die Dreharbeiten stattfinden – haben Sie mit Herrn Wahid einen Termin vereinbart. Sie wollen ihn persönlich kennen lernen und sicher gehen, dass alle Absprachen und Termine zugesichert werden können. Ein verschobener Drehtag bedeutet schließlich Kosten, die in die Zehntausende gehen können. Allein der Hauptdarsteller Götz George kostet pro Tag 10.000 Euro Gage! Sie haben Herrn Wahid mitgeteilt, dass folgende Punkte entscheidend und daher angesichts des Termindrucks für das heutige Treffen definitiv zu klären sind: 1. Drehgenehmigung für die Außenanlagen rund um die Pyramiden vom 15.-22. Januar. Dazu muss ausreichend Polizei zur Verfügung stehen, um die Absperrungen für die Touristen zu gewährleisten. 2. Drehgenehmigung für die Innenräume der Pyramiden vom 24.-31. Januar. Der Museumsbeauftragte des Ministeriums muss in dieser Zeit mit vor Ort sein. 3. Drehgenehmigung für den ausgesuchten Altstadtbereich in Kairo vom 3.-10. Februar. Hierbei ist besonders wichtig, dass alle öffentlichen und kommerziellen Beschilderungen für diese Zeit abmontiert werden. Es soll ja im fertigen Film keine Cola-Reklame zu sehen sein. Außerdem wollte das Ministerium für diese Zeit einen alten Feuerwehrlöschzug zur Verfügung stellen. Sie haben sich in der Hotelhalle Ihres Hotels mit Herrn Wahid verabredet. Allerdings sind Sie mit dem Taxi im berüchtigten Kairoer Ver-

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kehr stecken geblieben und haben sich um 12 Minuten verspätet. So werden Sie wenigstens nicht auf Herrn Wahid warten müssen. Doch als Sie die Hotelhalle betreten, sehen Sie, dass Herr Wahid noch gar nicht da ist. Nun beginnt das Rollenspiel! Das Ziel dieses Rollenspiels ist es, dass Sie zusammen mit Ihrem Spielpartner eine Lösung Ihres gemeinsamen Konflikts finden. So wäre es auch im wirklichen Leben! Sie können also nicht aufgeben oder vertagen; das Spiel endet erst, wenn Sie Ihr Problem gelöst haben. Hier schlagen wir Ihnen vier verschiedene Lösungsstrategien vor. Bitte probieren Sie sie aus. Sie können die vier Strategien kombinieren. Spielalternative 1: Konfrontation Sie sind verärgert. Als Auftraggeber sind Sie es nicht gewohnt zu warten. Schließlich bringen Sie einiges Geld ins Land. Spielalternative 2: Anpassung Sie haben es ja geahnt. Sie murmeln Ihren Lieblingsspruch für solche Fälle »Le temps en Afrique est elastique« (die Zeit in Afrika ist dehnbar) lassen sich in einen Sessel fallen und winken den Kellner heran. Spielalternative 3: Aushandlung Es ist doch immer gleich. Je später Herr Wahid kommt, desto toller werden seine Entschuldigungen sein. Sie beschließen, dem ein für alle mal ein Ende zu bereiten und mit Herr Wahid zu sprechen, um zu einem praktikablen Modus zu finden. Spielalternative 4: Vermeidung Wenn Sie sich jetzt aufregen, verärgern Sie nur Ihren ägyptischen Partner, auf den Sie ja letzten Endes angewiesen sind. Ändern werden Sie doch nichts, Ägypten ist nun einmal so. Sie beschließen, das Thema mit Humor zu nehmen und stattdessen Herrn Wahid auf positive Weise zu motivieren. Gleichzeitig schalten Sie einen Mittelsmann ein, dem Sie die ganze Geschichte erzählen mit der Bitte, mit Ihrem Spielpartner zu sprechen und ihm Ihren Standpunkt nahe zu bringen. b) Der ägyptische Beamte Kamal Wahid Ihre Person: Sie sind Beamter im ägyptischen Tourismusministerium. In dieser Eigenschaft haben Sie wieder einmal ein Projekt zu betreuen, wie es in Ägypten häufig vorkommt: die Dreharbeiten zu

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einem Film. Der Film wird von den archäologischen Pionieren im 19. Jahrhundert handeln, die die Cheopspyramide erforscht haben. Natürlich soll er an den echten Schauplätzen im Tal der Könige und in der Altstadt von Kairo gedreht werden. Was das wieder für Umstände macht! Sie haben ja auch noch anderes zu tun! Nur gut, dass Sie ein weit verzweigtes Netzwerk haben! Aber Ihr Chef unterstützt Film- und Fernsehaufnahmen prinzipiell, da er sie als Werbung für Ihr Land einstuft. Die Münchner Produzenten Bernd Ackermann und Helge Bruder haben Ihnen in vielen E-Mails alle Wünsche detailliert zukommen lassen. Im Auftrag Ihres Ministers haben Sie den Produzenten natürlich jede Unterstützung zugesagt. Also müssen Sie viele Genehmigungen von den zuständigen Stellen besorgen und Absprachen mit allen möglichen Beteiligten treffen. Und das sollte alles schon heute fertig sein! Denn die beiden Deutschen sind gerade in Kairo und haben für heute Nachmittag einen ersten persönlichen Termin in ihrem Hotel mit Ihnen vereinbart. Ihre Situation: (Spielanweisung: Sie lassen zu Beginn des Rollenspiels die beiden Deutschen mindestens 5 Minuten real warten, ohne dass diese wüssten, was das zu bedeuten hat. Als Spielzeit ist das sehr lange. Es entspricht etwa einer Stunde in der Wirklichkeit.) Sie sind unterwegs zu dem Treffen mit den beiden deutschen Filmproduzenten, Herrn Ackermann und Herrn Bruder. Sie sind in Eile, denn Sie sind schon fast eine Stunde zu spät, und Sie wissen ja, wie die Deutschen sind. Sie hatten noch eine wichtige Besprechung, die Sie nicht einfach abbrechen konnten. Das tut Ihnen natürlich leid. Zu den einzelnen Punkten haben Sie inzwischen Folgendes klären können. 1. Drehgenehmigung für die Außenanlagen rund um die Pyramiden vom 15.-22. Januar. Es muss ausreichend Polizei zur Verfügung stehen, um die Absperrungen für die Touristen zu gewährleisten. Die Genehmigung liegt vor. Der zuständige Polizeichef wollte aber noch keine definitive Zusage geben. Er kann das erst im Januar entscheiden, wenn er weiß, wie viele Beamte er für diese Aufgabe zur Verfügung hat. 2. Drehgenehmigung für die Innenräume der Pyramiden vom 24.-31. Januar. Der Museumsbeauftragte des Ministeriums für Tourismus muss in dieser Zeit mit vor Ort sein. Es hat sich inzwischen herausgestellt, dass der Beauftragte des Ministeriums just in dieser Woche im Januar zu einer Tagung nach Jordanien reist. Sein Stellvertreter könnte das übernehmen, aber das muss der Minister noch genehmigen. Der hat sich leider noch nicht geäußert.

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3. Drehgenehmigung für den ausgesuchten Altstadtbereich in Kairo vom 3.-10. Februar. Hierbei ist besonders wichtig, dass alle öffentlichen und kommerziellen Beschilderungen für diese Zeit abmontiert werden. Es soll ja im fertigen Film keine Cola-Reklame zu sehen sein. Außerdem wollte das Ministerium für diese Zeit einen alten Feuerwehrlöschzug zur Verfügung stellen. Der Punkt mit den Schildern ist so eine Sache. Nach Ihrer Erfahrung wird man da wohl vor Ort improvisieren müssen. Vor allem bei den Geschäftsleuten brächte eine schriftliche Zusage gar nichts. Das muss man einfach in den letzten Tagen vor den Dreharbeiten klären. Was den Löschzug angeht, so werden Sie sich nächste Woche darum kümmern. Garantiert! Schließlich ist Ihr Bruder der Chef der Feuerwehr. Bessere Beziehungen könnte man gar nicht haben. Sie betreten die Hotelhalle, in der Sie die beiden Deutschen, deren Köpfe rot verbrannt leuchten, gleich sehen. Offensichtlich warten sie schon lange auf Sie. Nun beginnt das Rollenspiel! Das Ziel dieses Rollenspiels ist es, dass Sie zusammen mit Ihrem Spielpartner eine Lösung Ihres gemeinsamen Konflikts finden. So wäre es auch im wirklichen Leben! Sie können also nicht aufgeben oder vertagen; das Spiel endet erst, wenn Sie Ihr Problem gelöst haben. Hier schlagen wir Ihnen vier verschiedene Lösungsstrategien vor. Bitte probieren Sie sie aus. Sie können die vier Strategien kombinieren. Spielalternative 1: Konfrontation Die beiden sollen nur nicht denken, dass sie sich hier in Ägypten aufführen können wie bei sich zu Hause. Filme über die Pyramiden werden hier schließlich jeden Tag gedreht. Spielalternative 2: Anpassung Sie wissen, dass die Deutschen die Uhrzeit meinen, die sie sagen. Also denken Sie sich eine gute Geschichte aus, warum Sie nicht pünktlich kommen konnten. Spielalternative 3: Aushandlung Sie werden länger mit den beiden zusammen arbeiten müssen. Am besten, Sie treffen Vereinbarungen, wie man miteinander zurechtkommen kann.

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Spielalternative 4: Vermeidung Es hat ja doch keinen Sinn, über den Pünktlichkeitsfimmel der Deutschen zu streiten. Sie versuchen, das Thema zu umschiffen und stellen lieber die Vorzüge Ägyptens für das Filmprojekt in den Vordergrund. Gleichzeitig schalten Sie einen Mittelsmann ein, dem Sie die ganze Geschichte erzählen mit der Bitte, mit Ihrem Spielpartner zu sprechen und ihm Ihren Standpunkt nahe zu bringen.

3.4.3.4 Rollenspiel »Persönliche Beziehungen« Rollenspiel 4 Thema: »Persönliche Beziehungen« (Marokko) Zwei Teile Spielidee: Das Rollenspiel soll in zwei Phasen durchlaufen werden. Die Idee ist, Haltungen aus dem persönlichen Bereich, die deutschen Teilnehmern vertraut sind, auf den geschäftlichen Bereich zu übertragen und diesen Transfer emotional zu durchlaufen. Im ersten Teil des Rollenspiels hält ein strebsamer junger Mann aus armen Verhältnissen um die Hand einer jungen Frau aus wohlhabendem Haus an. In einem Gespräch versucht der Vater der jungen Frau herauszufinden, ob der Kandidat es nur auf sein Geld abgesehen hat, oder ob er ein treuer, zuverlässiger Gatte sein wird, der auch die Schwiegereltern ehrt. Für den jungen Mann ist die Heirat natürlich überaus attraktiv. Er wirft sein Können, seinen Ehrgeiz, etwas zu leisten, seine Zuverlässigkeit und seine Liebe in die Waagschale. Im zweiten Teil des Rollenspiels treffen die beiden wieder aufeinander (Oder zwei andere, die das erste Rollenspiel gesehen haben). Die Geschichte wird analog aufs Business übertragen. Der ältere erfolgreiche Geschäftsmann ist nun der Inhaber einer gut gehenden Handelsgesellschaft, der eine neue Software für sein ganzes Unternehmen kaufen will. Der junge Mann ist der für die Verkaufsverhandlungen verantwortliche deutsche Manager. Auch hier wird nicht nur ein lukratives Geschäft abgeschlossen, sondern eine weit reichende Bindung eingegangen, in der Zuverlässigkeit und Aufrichtigkeit eine große Rolle spielen. Beide sollen die Verhandlung so führen, als ginge es nicht um den Kauf eines Produktes, sondern um die Tatsache, zu einer Heirat seinen Segen zu geben bzw. zu erhalten. Hier wurden die vier Spielalternativen weggelassen, da die Teilnehmer vor allem das Zulassen persönlicher Faktoren im Geschäftsleben erleben sollen.

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1.Teil Personen: • Ein älterer marokkanischer Herr • Ein junger marokkanischer Mann a) Der ältere marokkanische Herr, Said Al Bakhri Ihre Person: Sie sind der Vater einer hübschen jungen Frau, Fatima. Sie sind ein erfolgreicher Teppichhändler in Marrakesh, sehr wohlhabend und werden Fatima einmal ein beträchtliches Erbe hinterlassen können. Sie sind ein würdevoller älterer Herr. Ihre natürliche Autorität hat Sie bisher erfolgreich und stolz durch Ihr Leben gehen lassen. Ihre Situation: Sie lieben Ihre Tochter über alles und haben ein inniges Verhältnis zu ihr. Sie hat Ihnen vor einiger Zeit eröffnet, dass sie einen jungen Mann (Masud Tafiq) liebt und ihn heiraten möchte. Masud ist Ihnen flüchtig bekannt und durchaus sympathisch. Der Schritt, diesem jungen Mann Ihre Tochter zur Frau zu geben, ist dennoch nicht gerade leicht. Sie möchten mehr über sein Wesen erfahren und entschließen sich deshalb zu einem Gespräch mit Masud. In diesem Gespräch beabsichtigen Sie, sehr formal über die Lebenssituation von Masud zu sprechen. Wie lange er noch studieren wird? Was seine beruflichen Pläne sind? Sie werden natürlich auch seine Familie ansprechen. Masuds Vater, ein einfacher Arbeiter, seine Mutter, die nie eine Schule besucht hat und seine beiden Brüder. Der jüngere ist schon mit einer geistigen Behinderung zur Welt gekommen und natürlich eine Belastung für die ganze Familie. Der Ältere ist in die Fußstapfen des Vaters getreten und arbeitet als Bauarbeiter. Masud selbst ist ehrgeizig und hat es bis zum Universitätsstudium Betriebswirtschaftslehre geschafft. Er ist im 5. Semester. Die entscheidende Frage für Sie ist: Hat der junge Mann sich den Respekt gegenüber seinen Eltern und die fürsorgliche Liebe für seine Familie erhalten, oder will er mit allem Ehrgeiz raus aus diesem Leben und den einfachen Verhältnissen, aus denen er stammt. Ist ihm seine Familie womöglich sogar peinlich? Vielleicht werden Sie ihn hier etwas provozieren. Dies wird Ihnen zeigen, ob Masud auch in schweren Zeiten treu an der Seite Ihrer Tochter Fatima stehen wird und ob Sie ihm vertrauen können. b) Der junge marokkanische Mann, Masud Tafiq Ihre Person: Sie sind sehr ehrgeizig. Als einziger aus Ihrer Familie haben Sie es an die Universität geschafft. Sie studieren im 5. Semes-

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ter Betriebswirtschaftslehre und wissen, dass Sie damit einen Beruf anstreben, der für Sie der richtige ist. Ihr Vater ist ein einfacher Arbeiter. Ihre Mutter hat nie eine Schule besucht. Sie kommt aus einem kleinen Dorf in den Bergen. Dort sind die Mädchen damals alle nicht zur Schule gegangen. Ihr jüngerer Bruder ist mit einer geistigen Behinderung zur Welt gekommen und war deshalb immer eine Belastung für die ganze Familie. Der ältere Bruder ist in die Fußstapfen des Vaters getreten und arbeitet als Bauarbeiter. Sie jedoch wollen sich, Ihrer Frau und Ihren Kindern einmal ein anderes Leben bieten können. Ihre Situation: Seit geraumer Zeit kennen und lieben Sie eine junge Frau, Fatima, die Tochter des wohlhabenden und einflussreichen Teppichhändlers Said Al Bakhri in Ihrer Heimatstadt Marrakesh. Sie wissen, dass Sie von Fatima wiedergeliebt werden. Inzwischen hat Fatima ihren Vater ins Vertrauen gezogen und ihm gesagt, sie wünsche sich nichts sehnlicher, als mit Ihnen verheiratet zu sein. Nun ist es soweit: Said al Bakhri bittet Sie heute zum Gespräch zu sich ins Haus der Familie. Sie sind schon oft unerkannt an der öden Ziegelmauer, die Haus, Garten, Familie und vor allem Ihre Fatima nach außen abschirmt, entlang gegangen. Natürlich kennen Sie Said al Bakhri, wer kennt ihn nicht! Doch persönlich haben Sie noch nie mit ihm gesprochen. Sie bewundern ihn als erfolgreichen Geschäftsmann. Diese Heirat würde Sie mit einem Mal in das Leben katapultieren, das Sie sich erträumen. Doch was würde aus Ihrem Beruf? Gleichzeitig lieben Sie Fatima aufrichtig und wollen ihr in guten und in schlechten Zeiten, was Gott verhüten möge, ein zuverlässiger Ehemann sein. Leicht fällt Ihnen dieser Gang nicht, denn Said al Bakhri ist ein Mann mit großer Autorität, der als strenger und gleichzeitig fürsorglicher Vater gilt. 2. Teil Personen • Ein älterer marokkanischer Herr • Ein junger deutscher Manager a) Der ältere marokkanische Herr, Said Al Bakhri Ihre Person: Sie sind Inhaber einer marokkanischen Handelsgesellschaft, die Sie aufgebaut haben und die inzwischen mit vielen Niederlassungen in ganz Marokko tätig ist. Sie sind ein dynamischer und allem Neuen aufgeschlossener älterer Herr. Computer haben Sie schon früh eingesetzt. Nun möchten Sie, bevor Sie in einigen Jahren

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den Betrieb in jüngere Hände übergeben, die Computeranlage auf den aktuellen Stand bringen. Ihre Situation: Von einer deutschen Firma in Esslingen wollen Sie eine spezielle Software für Logistik und Vertrieb kaufen. Das Programm heißt LIST für »Logistic Intelligence Solutions Technology«. Ihr Verhandlungspartner ist ein junger deutscher Manager, Jörg Buschmann. Sie haben bisher nur per E-Mail mit ihm kommuniziert. Herr Buschmann ist nun Ihrem Vorschlag gefolgt und zu Ihnen nach Marrakesh geflogen. Sie haben zuerst in Ihrer Firma miteinander gesprochen. Für den Abend haben Sie ihn zu sich in Ihr Haus eingeladen. Für Sie ist der entscheidende Faktor beim Kauf einer Software nach der Funktionstüchtigkeit und der Kompatibilität zu Ihren betrieblichen Abläufen die Unterstützung bei der Implementierung des Programms, die Schulung der Mitarbeiter und vor allem der langfristige Support des laufenden Programms. In diesen Punkten muss man seinem Partner vertrauen können. Dass das Programm LIST den Anforderungen Ihrer Firma entspricht, ist hinreichend überprüft worden, und deshalb nicht mehr Thema des Gespräches. Was noch nicht abschließend vereinbart wurde, ist der Preis für die einzelnen Komponenten des Auftrages. Buschmanns Angebot ist: • Lieferung des Programms inklusive Server: 100.000 Dollar • Unbefristete Abtretung der Rechte an der internen Nutzung: 50.000 Dollar • Schulung der Mitarbeiter durch Jörg Buschmann und einen Kollegen: 20.000 Dollar • Support im laufenden Betrieb: • a) Pauschale fürs erste Jahr 50.000 Dollar • b) Danach 3-Tages-Honorar 2.000 Dollar Ihnen geht es darum, den Preis etwas herunter zu drücken. Vor allem beim Kaufpreis für das Programm wollen Sie etwas runter. Bei Schulung und Support soll ja durchaus noch Anreiz für eine gute Leistung bestehen bleiben. Aber die Pauschale für das erste Jahr Support ist Ihnen ein Dorn im Auge. Sie wollen die Möglichkeit haben, Unterstützung zu bekommen, wenn sie nötig ist. Aber pauschal wollen Sie nicht zu viel veranschlagen. Gleichzeitig wollen Sie herausfinden, wie vertrauenswürdig Buschmann und seine Firma in Esslingen wirklich sind. Zwar halten Sie sich eine gute Menschenkenntnis zugute, doch bei Ausländern, die ohne

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weiteres das Land wieder verlassen können, muss man doppelt vorsichtig sein. Sie beschließen daher, den Deutschen auch nach persönlichen Dingen zu fragen. Ob er sich in Marokko wohl fühlt? Ob er schon öfter im arabischen Kulturraum war, hier vielleicht sogar Freunde hat? Zeigt er Respekt vor Ihrem Land oder sogar Sympathie? Vielleicht kann man sogar vorsichtig politische Themen ansprechen, soweit Sie das in einem ersten Gespräch einem Ausländer gegenüber riskieren können. Dann werden Sie das Gespräch auf familiäre Themen und auf seine Haltung seinem eigenen Land gegenüber lenken, um Buschmanns Loyalität einschätzen zu können. b) Der junge deutsche Manager, Jörg Buschmann Ihre Person: Sie sind ein junger deutscher Manager in einem mittelständischen Softwarehaus in Esslingen. Sie sind seit zwei Jahren in Ihrer Firma angestellt und fühlen sich dort wohl. Sie wollen rasch weiterkommen und übernehmen gern anspruchsvolle Aufgaben. Seit einiger Zeit hat die Geschäftsführung Ihnen die Verhandlungen über den Verkauf der in Ihrem Haus entwickelten Software LIST (Logistic Intelligence Solutions Technology) nach Marokko übertragen. Ihr Geschäftspartner ist Herr Said Al Bakhri, der Inhaber einer marokkanischen Handelsgesellschaft, der für sein Unternehmen die Software LIST für den Kompletteinsatz in Logistik und Vertrieb kaufen will. Ihre Situation: Mit Ihrem Gesprächspartner haben Sie bisher nur per E-Mail kommuniziert. Da das Programm LIST den Anforderungen der Handelsfirma entspricht, was von beiden Seiten hinreichend überprüft worden ist, hat Herr Al Bakhri Ihnen vorgeschlagen, die weiteren Verhandlungen mündlich zu führen. Seit heute morgen sind Sie in Marrakesh. Herr Al Bakhri hat Sie am Flughafen abholen und zu seiner Firma bringen lassen. Er hat Ihnen die Firma gezeigt und einige Freunde vorgestellt. Dann hat er Sie für den Abend zu sich nach Hause eingeladen. Sie sitzen also im prächtigen Besucherraum des Hauses mit Herrn Al Bakhri auf dick gepolsterten Sesseln. Für Sie ist der Verkauf der Software nach Marokko ein wichtiger Meilenstein in Ihrer Firmengeschichte. Bisher waren Sie ausschließlich auf dem deutschen Markt tätig. Schon länger beabsichtigte Ihre Firma den Schritt auf den internationalen Markt, da LIST besonders anpassungsfähig an die verschiedensten Bedürfnisse ist. Damit, dass der erste ausländische Kunde sich nun gerade in Marokko meldete, hatten Sie eigentlich nicht gerechnet. Ihr Ziel war eher China oder Osteuropa. Aber warum nicht. Seit die Verhandlungen laufen, wurde

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Ihrer Firmenleitung immer klarer, welches Potenzial im arabischen Markt steckt bei gleichzeitig geringer Konkurrenz. Daher haben Sie von der Firmenleitung die Anweisung, den Auftrag unter allen vertretbaren Umständen nach Hause zu bringen. Man hat inzwischen schon viel Geld in die Akquise dieses Kunden gesteckt. Das Geschäft soll der Testfall für ein größeres Engagement im gesamten arabischen Raum sein. Was noch nicht abschließend vereinbart wurde, ist der Preis für die einzelnen Komponenten des Auftrages. Ihr Angebot ist: • Lieferung des Programms inklusive Server: 100.000 Dollar • Unbefristete Abtretung der Rechte an der internen Nutzung: 50.000 Dollar • Schulung der Mitarbeiter durch Jörg Buschmann und einen Kollegen: 20.000 Dollar • Support im laufenden Betrieb: • a) Pauschale fürs erste Jahr 50.000 Dollar • b) Danach 3-Tages-Honorar 2.000 Dollar Neben dem eigentlichen Verkauf sollen Sie dem arabischen Kunden auch auf den Zahn fühlen. Ist er solvent und liquide? Steht seine Firma gesund da? Sind seine Kennzahlen in Ordnung? Wie viel Basiskapital ist vorhanden? Bei ausländischen Kunden muss man doppelt vorsichtig sein.

3.4.3.5 Rollenspiel »Unzuverlässige Vertragspartner« Rollenspiel 5: »Unzuverlässige Vertragspartner« (Marokko) Personen: Ein arabischer und ein deutscher Verhandlungspartner, dazu jeweils die »innere Stimme« der Verhandlungspartner Spielidee: Diese Art, das Rollenspiel zu spielen, ist der Versuch, gleichzeitig zur Handlungsebene die Reflexionsebene erlebbar zu machen. Dazu wird das Rollenspiel verlangsamt und durch Reflexionsbausteine unterbrochen. Konkret sieht das so aus: Die beiden Verhandlungspartner sitzen einander gegenüber. Nennen wir sie das »Ego«. Jedes »Ego« hat neben sich, ein wenig zurückgesetzt, einen persönlichen zweiten Mitspieler sitzen, die »Innere Stimme«, die seine Gedanken kennt und ausspricht. Sie schaltet sich immer wieder ins Gespräch ein. Die »Innere Stimme« hat die Aufgabe, die Überlegungen des Spielers für das Publikum hörbar zu machen und die strategischen Gedanken auszusprechen, die hinter dem eigentlichen Gespräch verborgen sein könnten. Dazu kann sie sich auf ihre eigenen Vermutungen stützen oder

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sich mit ihrem »Ego« besprechen. Sie kann auch mit ihm die richtige Strategie diskutieren. Während die »Innere Stimme« spricht, müssen die anderen schweigen. Dazu gibt die »Innere Stimme« den anderen ein Signal, sagt z.B. vernehmlich »Halt« oder »Stopp«, bevor sie spricht, und »Weiter«, wenn sie geendet hat. Die »Innere Stimme« kann nur mit ihrem eigenen »Ego« kommunizieren, nicht mit den anderen. Spielvarianten a) Die »Innere Stimme« kann vom Gegenüber nicht gehört werden. (Ohren zuhalten oder Ohropax). Das ist die normale Situation: man weiß nicht, was der andere denkt. Die Zuhörer können »vermutliche Beweggründe« erleben. b) Die »Innere Stimme« kann vom Gegenüber gehört (jedoch nicht angesprochen) werden. So erfährt der Spieler während des Rollenspiels etwas von den Beweggründen seines Verhandlungspartners. Er kann daraufhin seine Verhandlungsstrategie anpassen. Die spannende Frage ist: Kann der Spieler dadurch konstruktiver agieren? Die Spielleiter können das Rollenspiel mehrmals durchlaufen lassen. So sind folgende Spieldurchläufe und Varianten denkbar: 1. ein ganz normaler Durchlauf: die Zuschauer machen sich ihre eigenen Vorstellungen von den Beweggründen der Akteure. 2. Variante a): die Zuschauer vergleichen ihre eigene Theoriebildung mit der der »Inneren Stimme«. 3. Variante b): die Zuschauer erleben in einer Experimentalsituation, wie die Kenntnis der Beweggründe des anderen das eigene Verhalten beeinflusst. 4. nochmals ein normaler Durchlauf: die Zuschauer erhalten eine Antwort auf die Frage, wie die Verhandlung nach der »interkulturellen Intervention« aussehen könnte. Diese Spieltechnik kann natürlich auch bei den anderen Rollenspielen zur Anwendung kommen. a) Der deutsche Verhandlungspartner, Walter Bechtner Ihre Person: Sie arbeiten als selbständiger Bauleiter mit Sitz in Heidelberg für Bauvorhaben in der Industrie. Ihre Kunden sind mittlere und große Unternehmen in Deutschland, die Ihr Spezial-Know-How in diesem Segment schätzen. Meist handelt es sich um den Bau von sehr spezifischen Produktionsanlagen, meist in Deutschland, aber auch im Ausland. Mit Ihrer Ausbildung in einem Bauunternehmen bringen Sie die besten Voraussetzungen für Ihren Beruf mit. Das Wichtigste an Ihrer Arbeit ist jedoch das Projektmanagement: Dass

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Sie die richtigen Baufirmen beauftragen und die Kosten und Termine im Blick haben. Hin und wieder können Sie auch aus Ihrem Erfahrungsschatz den einen oder anderen Tipp auf der baulichen oder architektonischen Ebene geben. Da Sie dafür verantwortlich sind, die Vorgaben des Auftraggebers durchzusetzen, haben Sie sich eine sehr direkte, knappe und bestimmende Art zugelegt. Privat spiegelt sich das in gewissem Maße wider: Sie lieben schnelle Sportarten wie Motorradfahren und Segeln und das Spielen im Casino. Ihre Situation: Sie bearbeiten gerade den Auftrag einer norddeutschen Fischverarbeitungsfirma, die in Marokko Atlantikkrabben verarbeiten lassen möchte. Projektiert ist der Bau einer neuen Fertigungshalle, was besondere Anforderungen stellt. Denn in der Fabrik muss ein staubfreies und lebensmittelhygienisches Arbeiten möglich sein. Dazu sind mehrere Schleusen geplant, die millimetergenau gefertigt sein müssen. Darüber hinaus muss eine spezielle Betonmischung benutzt werden, um eine energiesparende Klimatisierung der Räume zu erreichen. In der Hitze, die hier üblicherweise herrscht, ein entscheidender Kostenfaktor. Der vorgesehene marokkanische Bauunternehmer, Moneim Shakir, »Shakir Buildings Ltd.« ist zu Ihnen nach Heidelberg gekommen, um die Endverhandlungen zu führen. Ihr Ziel ist natürlich die Minimierung der Kosten, aber auch – und das ist ganz wichtig – herauszufinden, wie zuverlässig Ihr Gegenüber ist. Schließlich haben Sie schon einige Fabriken gebaut, und wissen also, wovon Sie reden. Die zu verhandelnden Punkte des Vertrages sind: 1. Umfang: das marokkanische Bauunternehmen bietet eine komplette Bauleistung mit Partnerunternehmen. Über die komplette Baumaßnahme soll ein Vertrag geschlossen werden. a) Rohbau und Infrastruktur (eigene Leistung des Bauunternehmens) b) Installationen (3 Partnerfirmen) c) Stahlkonstruktionen (Tochterfirma des Bauunternehmens, leitet der Bruder des Bauunternehmers) 2. Fristen: für Rohbau, Infrastrukturmaßnahmen, Innenausbau a) der Rohbau muss in 5 Monaten stehen b. Infrastruktur und Innenausbau müssen in 9 Monaten fertig sein 3. Kosten: Laut Berechnung des Architekten sind zu veranschlagen a) 7 Mio. Dollar für Rohbau, Anfahrtsstrasse und Kanalisation b) 3 Mio. Dollar für Trockenbau, Elektro-, Wasser- und Gasinstallation

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c) 2 Mio. Dollar für spezielle Stahlbaukonstruktionen um den Maschinenpark aus Deutschland einpassen zu können 4. Garantien und Haftungen: Fristen und Qualität sind Gegenstand der Verhandlung. Nun beginnt das Rollenspiel! Das Ziel dieses Rollenspiels ist es, dass Sie zusammen mit Ihrem Spielpartner eine Lösung Ihres gemeinsamen Konflikts finden. So wäre es auch im wirklichen Leben! Sie können also nicht aufgeben oder vertagen; das Spiel endet erst, wenn Sie Ihr Problem gelöst haben. Hier schlagen wir Ihnen vier verschiedene Lösungsstrategien vor. Bitte probieren Sie sie aus. Sie können die vier Strategien kombinieren. Spielalternative 1: Konfrontation Sie gehen direkt auf Ihr Ziel, den Preisnachlass, los. An den Antworten Ihres Gegenübers werden Sie auch seine Vertrauenswürdigkeit ablesen können. Spielalternative 2: Anpassung Sie wissen, dass man in arabischen Ländern nicht mit der Tür ins Haus fällt. Sie sprechen also erst, sozusagen zum Anwärmen, von Allgemeinem. Außerdem versuchen Sie, über die Hintertür etwas über seine Vertrauenswürdigkeit zu erfahren. Spielalternative 3: Aushandlung Sie sprechen ruhig von Ihren Wünschen, gehen hin und wieder auf Persönliches ein, verlieren aber Ihr Ziel nicht aus dem Auge, in diesem Gespräch neben der Kostensenkung auch eine Basis für Ihre zukünftige Zusammenarbeit zu schmieden. Spielalternative 4: Vermeidung Sie sprechen indirekt die Kosten und Ihre Wunschvorstellungen an, lassen das Ergebnis jedoch offen. Gleichzeitig schalten Sie einen Mittelsmann ein, den Sie nach der Zuverlässigkeit und Vertrauenswürdigkeit Herrn Shakirs fragen. b) Der marokkanische Verhandlungspartner, Moneim Shakir Ihre Person: Sie sind seit ca. 10 Jahren Bauunternehmer, Inhaber von »Shakir Buildings Ltd.« in Rabat, und führen komplette Bauabwicklungen durch. Dass Sie bisher so erfolgreich waren, führen Sie auf den Umstand zurück, dass Sie nicht nur Ihre Materie ausgezeich-

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net beherrschen, sondern seit langer Zeit mit den gleichen Partnerfirmen und Handwerkern zusammen arbeiten, deren Stärken und Schwächen und deren finanzielle Lage Sie genau kennen. Ihre Tochterfirma »Shakir Steel Enterprises« leitet Ihr Bruder Hassan. Bisher konnten Sie und Ihre Familie gut von Ihrem Unternehmen leben. Den Ärmeren in Ihrer weit verzweigten Verwandtschaft haben Sie regelmäßig Geld gegeben. Sie gaben es gern und mit Freude, denn Sie waren dankbar dafür, dass Sie es geschafft hatten. Das Einzige, was man Ihnen hätte vorwerfen können, war Ihre Liebe zum Spiel im Casino. Doch seit die internationale Wirtschaft lahmt, spüren Sie in Marokko das Nachlassen der Aufträge. Dabei fühlen Sie sich auch für Ihre Partnerfirmen verantwortlich. Während Sie selbst noch über genügend Reserven verfügen, haben viele der kleineren Firmen schlichtweg kein Geld mehr, um die Durststrecke noch lange überstehen zu können. Ihre Situation: Erfreulicherweise sind Sie jetzt wieder an einem Auftrag dran. Ein deutscher Bauleiter, Walter Bechtner, verhandelt mit Ihnen über den Bau einer Krabbenverarbeitungsanlage. Projektiert ist der Bau einer neuen Fertigungshalle, was besondere Anforderungen stellt. Denn in der Fabrik muss ein staubfreies und lebensmittelhygienisches Arbeiten möglich sein. Dazu sind mehrere Schleusen geplant, die millimetergenau gefertigt sein müssen. Darüber hinaus muss eine spezielle Betonmischung benutzt werden, um eine energiesparende Klimatisierung der Räume zu erreichen. In der Hitze, die hier üblicherweise herrscht, ein entscheidender Kostenfaktor. Ihr Ziel ist es, den Auftrag zu bekommen, auch wenn Sie wissen, dass dieses Projekt in so kurzer Zeit, wie vom Bauleiter gewünscht, kaum zu schaffen sein wird. Aber wenn der Vertrag erst mal geschlossen ist und die Arbeiten begonnen haben, kann man immer noch weitersehen. Das ist ja schließlich nichts Neues. Da Ihnen der Auftrag so wichtig ist, sind Sie selbst zu den Endverhandlungen zu Ihrem Vertragspartner nach Heidelberg geflogen. Die zu verhandelnden Punkte des Vertrages sind: 1. Umfang: Ihr Bauunternehmen bietet die komplette Bauleistung mit Partnerunternehmen an. Über die komplette Baumaßnahme soll ein Vertrag geschlossen werden. a) Rohbau und Infrastruktur (Ihre Firma »Shakir Buildings Ltd.«) b) Installationen (3 Partnerfirmen) c) Stahlkonstruktionen (Ihre Tochterfirma »Shakir Steel Enterprises«, leitet Ihr Bruder)

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2. Fristen: für Rohbau, Infrastrukturmaßnahmen, Innenausbau a) der Rohbau muss in 5 Monaten stehen b) Infrastruktur und Innenausbau müssen in 9 Monaten fertig sein 3. Kosten: Laut Berechnung des Architekten sind zu veranschlagen a) 7 Mio. Dollar für Rohbau, Anfahrtsstrasse und Kanalisation b) 3 Mio. Dollar für Trockenbau, Elektro-, Wasser- und Gasinstallation c) 2 Mio. Dollar für spezielle Stahlbaukonstruktionen, um den Maschinenpark aus Deutschland einpassen zu können 4. Garantien und Haftungen: Fristen und Qualität sind Gegenstand der Verhandlung. Nun beginnt das Rollenspiel! Das Ziel dieses Rollenspiels ist es, dass Sie zusammen mit Ihrem Spielpartner eine Lösung Ihres gemeinsamen Konflikts finden. So wäre es auch im wirklichen Leben! Sie können also nicht aufgeben oder vertagen; das Spiel endet erst, wenn Sie Ihr Problem gelöst haben. Hier schlagen wir Ihnen vier verschiedene Lösungsstrategien vor. Bitte probieren Sie sie aus. Sie können die vier Strategien kombinieren. Spielalternative 1: Konfrontation Sie haben, als Sie Herrn Bechtner gegenüberstehen, den Eindruck, dass es besser ist, ihm die Wahrheit zu sagen und einen späteren Fertigstellungstermin auszuhandeln. Spielalternative 2: Anpassung Sie wissen, dass die Deutschen gern mit der Tür ins Haus fallen und sind darauf vorbereitet, dass Herr Bechtner sofort alle kritischen Punkte ansprechen wird. Sie verzichten auf den Smalltalk, der Ihnen zu Beginn die nötige Sicherheit verleihen würde und passen sich dem Stil Ihres Gegenübers an. Spielalternative 3: Aushandlung Sie gehen zuerst einmal auf Persönliches ein, fragen dann aber ziemlich bald Herrn Bechtner nach seinen Verhandlungspositionen. In diesem Gespräch möchten Sie nicht nur den Auftrag erhalten, sondern auch gleich eine gute Basis für Ihre Zusammenarbeit schmieden. Spielalternative 4: Vermeidung Sie geben Ihre Schwachstellen nicht zu erkennen. Gleichzeitig haben Sie vor, wenn der Fall eintritt und die Bauleistungen hinter dem Vertrag herhinken, einen Mittelsmann einzuschalten, dem Sie Ihre Lage

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schildern mit der Bitte, Ihrem Geschäftspartner schonend die wirkliche Lage beizubringen.

3 . 5 Z i e l g r u p p e n u n d E va l u a t i o n d e s T r a i n i n g s 3.5.1 Evaluierungsrahmen und -ablauf Es wurden drei Trainingsdurchläufe durchgeführt, wovon zwei extern evaluiert wurden.14 Bei den Teilnehmern handelte es sich um leitende Angestellte des mittleren Managements aus unterschiedlichen Unternehmen, überwiegend männlich und zwischen 30 und 40 J. alt. Folgende Tabelle enthält Angaben aus dem zweiten Trainingsdurchlauf zum einen zu den Positionen, die die Teilnehmer innehatten und zum anderen zu den Ländern, zu denen sie Geschäftskontakte hatten: Tabelle 7: Angaben zu den Trainingsteilnehmern (Auszug) Position

Geschäftskontakte in

Area Sales Manager

Iran, VAE, Saudi Arabien, Ägypten

Direktor

Iran, Saudi Arabien, Türkei, Syrien, Pakistan

Bereichsleiter

VAE

Area Sales Manager

Alle Länder des Mittleren Ostens

Key Account Manager

Afrika, Indien, Mittlerer Osten

Area Sales Manager

Golfländer

Global Business Dev. Manager

Saudi Arabien, Iran, VAE

Regional Direktor

Bahrain, Iran, Israel, Jordanien, Kuwait, Marokko, Libanon, Ägypten, Mittlerer Osten, Afrika

Assistent Sales Manager

Arabische Länder (gesamt)

14 Die projektexterne Evaluation wurde von Frau Semira Soraya-Kandan entwickelt und durchgeführt. Dieses Kapitel bezieht sich im Wesentlichen auf ihren internen Evaluationsbericht. Die Evaluation war in der Hauptsache formativ. Intensive Beratungsgespräche während der Entwicklung und Durchführung des Trainings wurden durchgeführt.

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Die Datenerhebungsphase gestaltete sich wie folgt:15 1. Brainstormartiges Abfragen von Vorerfahrungen in arabischen Geschäftskontexten und Erwartungen an das Seminar. Die Vorerfahrungen wurden im Seminar durch die Leiter erfragt. Erwartungen des Seminars wurden erhoben mittels Pinnwand und Metaplankarten, Überschrift: »Das Seminar war erfolgreich, wenn (ich) …«; 2. Kontrastieren von individuellen Mind-maps zu »Arbeiten mit Arabern« zu Beginn und Ende des Seminars (Metaplantechnik); 3. Seminarbewertungen: Die Seminarbewertungen erfolgen mittels eines Fragebogens, der im Seminar von den Teilnehmern ausgefüllt wurde; 4. Follow-up-Transfergespräche nach dem Seminar.16 Die Nachbefragung der Seminarteilnehmer erfolgte im Abstand von zwei bis fünf Monaten nach Ende des jeweiligen Trainings. Der Leitfaden für die Transfer-Evaluationsgespräche stellt eine Kombination aus offenem Teil und vorbereiteten Fragen dar (Leitfrageninterviews). Nachfolgende Ergebnisdarstellung bezieht sich auf die Interviewauswertung (Follow-up-Transfergespräche).

3.5.2 Zusammenfassende Ergebnisse Zielgruppe Die hier vorgestellte Evaluation weist darauf hin, dass das Training für diejenigen am besten geeignet scheint, die gar keine oder nur relativ wenig Erfahrung mit arabischen Partnern haben. Für sie stellt das Seminar eine ideale Mischung und Vorbereitung dar.

Trainingsinhalte Das Länderwissen wurde sehr positiv aufgenommen, einige äußerten hier eine Präferenz für eine schriftliche Form, andere hingegen wollten diesen Teil des Seminars gerne vertiefen. Auch die Rollenspiele und die Kontrastierung von Verhaltensmustern wurden mehrheitlich als nützlich befunden.

15 Nachfolgende Aufzählung ist dem internen Evaluationsbericht von Frau Semira Soraya-Kandan entnommen. 16 Eine Einschränkung der Aussagekraft der Evaluationsergebnisse resultiert daraus, dass keine Tonaufnahmen der Interviews mit den Teilnehmern am Training erstellt und somit auch keine Transkripte der Interpretation zugrunde gelegt wurden, sondern lediglich Mitschriften als Protokollgrundlagen genommen wurden

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Zielerreichung und Transfererfahrungen Die Mehrheit der Teilnehmer berichtete von positiven Transfererfahrungen (siehe unten die vier Protokollbeispiele der Nachbefragung). Wenn man von den Zielformulierungen des Trainingskonzeptes ausgeht, ist festzustellen, dass bei der Mehrheit der Teilnehmer neue Verhaltensweisen ausprobiert wurden mit positiver Resonanz. Die Wirkung reicht von der Verbesserung einer Atmosphäre mit den Geschäftspartnern bis zu einer größeren subjektiven Sicherheit im Umgang mit arabischen Partnern. Neue Deutungsrahmen wurden herangezogen und als hilfreich für das eigene Verständnis bezeichnet. Zum Kulturwissen wurden besonders die Do’s and Dont’s sowie die Redewendungen im Arabischen (»Door and heart openers«) hervorgehoben.

3.5.3 Implikationen und Perspektiven »Das von der Projektstelle entwickelte interkulturelle Training »Geschäftserfolg in arabischen Ländern« basiert auf einem Ansatz, der die Situativität der Handlung in den Mittelpunkt stellt, und der sich damit deutlich von einem Ansatz wie der des Cultural Assimilators oder anderer Ansätze, die auf Modellen so genannter ›Kulturstandards‹ basieren, absetzt« (Soraya-Kandan, 2006). Mehrere Aspekte kennzeichnen das Training: • •



Neuheit des Ansatzes (Veränderung von Stereotypen). Das zugrunde liegende Verständnis von interkultureller Kompetenz (Erweiterung und Umsetzung von Optionen der Wahrnehmung, Interpretation und des Handelns). Die Methodik (Konferenzplanspiel und Rollenspiele).

Ein Alleinstellungsmerkmal stellt die Tatsache dar, dass das Training auf empirisch erhobenem Material basiert, das dem Training einen nicht zu unterschätzenden Realitätsbezug verleiht. Auszüge aus den Interviews sind in Anlage 3 beigefügt.

IV. Die arabisch-islamische Welt im Überblick

4.1

Einführung

Ziel dieses Kapitels ist es, den arabisch-islamischen Raum vorzustellen. Das eher überblickartige Hintergrundwissen über die arabisch-islamische Welt1, was nachfolgend vermittelt wird, ist Bestandteil des Trainings und es beleuchtet nicht nur Gemeinsamkeiten, sondern auch wesentliche Unterschiede in und zwischen den einzelnen arabischen Ländern. Das geschieht im Sinne des Trainingskonzeptes, das darauf abzielt, der starren Stereotypisierung entgegenzuwirken und die Wahrnehmungs-, Interpretations- und Handlungsspielräume der Fach- und Führungskräfte im Umgang mit arabischen Partnern zu erweitern.2 Der vorliegende Text befasst sich zunächst mit Grundbegriffen der arabisch-islamischen Welt. So bildet die Frage »Wer sind die Araber?« den Anfang. Erläuterungen zur geographischen Aufteilung des Nahen Ostens, der arabischen Sprache und des Islam folgen darauf. Die begrifflichen und konzeptionellen Erörterungen bilden die Basis zum Verständnis der Gemeinsamkeiten und Unterschiede in und zwischen den arabischen Ländern sowie der Alleinstellungsmerkmale einiger Länder, wobei diese Aspekte insbesondere im Rahmen von wirtschaftlichen Beziehungen diskutiert werden. Die dabei vorgestellten Kategorisierungen und Analysekriterien sind eher heuristisch zu verstehen. Das heißt: Sie stellen vorläufige Annahmen dar und ihre Verwendung kann lediglich durch den daraus resultierenden Erkenntnisgewinn im Rahmen eines Trainings gerechtfertigt werden. Mit den heuristischen »Instrumen1 2

Für eine ausführliche Darstellung mit einzelnen Länder- und Themenbeiträgen vgl. Ende/Steinbach, 2005. Die Ausführungen bleiben an vielen Stellen holzschnittartig. Eine detaillierte Darstellung der vor allem in den Abschnitten 4.6, 4.7 und 4.8 erwähnten Punkte hätte den Rahmen dieser Publikation gesprengt.

126 | INTERKULTURELLE KOMPETENZ

ten« wird also weder in theoretischer noch in empirischer Hinsicht Anspruch auf Begründbarkeit erhoben. Der letzte Abschnitt befasst sich mit Begrüßungs- und Interaktionsritualen. Darin werden konkrete Kommunikationsbeispiele und Empfehlungen – und nicht nur Begriffe und Konzepte – vorgestellt.3 Auf eine Darstellung der Geschichte der arabischen Länder wird hier verzichtet, da sie bereits in einer anderen Veröffentlichung ausführlich vorliegt.4 In der Anlage finden sich zum einen 22 Datenblätter mit zentralen Informationen zu den einzelnen arabischen Ländern. Zum anderen ist eine Liste arabischer Schlüsselbegriffe zu finden, deren situative Anwendung im Training eingeübt wird. Die Begriffe bzw. Sätze dienen erstens dazu, die Ausführungen zur arabischen Sprache mit Beispielen zu unterlegen. Die zweite Funktion der Liste lässt sich an der Bezeichnung Schlüsselbegriffe bzw. Schlüsselsätze erläutern: Es handelt sich um geläufige Formulierungen, die den guten Willen vermitteln, dass man sich auf Sprache und Kultur, und damit auf die üblichen Rituale des Gastlandes einlassen will. Damit sind die Schlüsselbegriffe bzw. -sätze als »door openers« und »heart openers« zu verstehen. Einige Hinweise zu einem »Dauerthema« in interkulturellen Trainings können in dieser Einführung nicht ausbleiben. Gemeint ist der stets explizite Wunsch vieler Trainingsteilnehmer aus Unternehmen nach Rezeptwissen. Gerade für ein Training, das sich das Ziel der Veränderung von Stereotypen setzt, ist es wichtig, mit diesem ernst zu nehmenden Wunsch vernünftig umzugehen. An dieser Stelle sei kurz skizziert, wie das Trainerteam mit diesem Wunsch umgegangen ist. In den erläuternden Bemerkungen zur Methodik des Trainings wird versucht, die Grenzen des legitimen Wunsches nach Rezeptwissen aufzuzeigen. Dazu werden kulturelle Überschneidungssituationen in einem Kontinuum5 nach ihrem Ambiguitätsgrad – gemessen an der Anzahl von möglichen Interpretations- bzw. adäquaten Handlungsempfehlungen – unterschieden. Für Situationen mit geringer Ambiguität lassen sich Handlungsoptionen angeben, die in der Regel den jeweiligen Situationen adäquat sind. Beispiel: An der häufig in Trainings gestellten Frage, ob Deutsche in arabischen Ländern einer arabischen Frau die Hand schütteln dürften, lässt sich das Kontinuum verdeutlichen. Die Begegnung mit einer vollständig verschleierten arabischen Frau in Saudi Arabien stellt in der 3 4 5

Checklisten und konkrete Handlungsempfehlungen, gleichsam als Anleitungen für »Doing Business in Arab Countries« finden sich z.B. in Brake et al., 1995, Nydell, 2002, Al-Sabt, 1996, Heine, 2001. Vgl. Jammal, 2003. Diese Idee ist durch eine Anregung von Frau Semira Soraya-Kandan entstanden.

DIE ARABISCH-ISLAMISCHE W ELT IM ÜBERBLICK | 127

Tat eine eher eindeutige kulturelle Überschneidungssituation dar. In solch einer Situation lässt sich die adäquate Handlungsempfehlung leicht angeben. In einer mehrdeutigen Situation hingegen sind mehrere adäquate Interpretations- bzw. Handlungsalternativen möglich, je nach dem, welche Annahmen über die Situation (Randbedingungen) getroffen werden. Auf die Frage, ob man einer nicht verschleierten Frau in Ägypten die Hand schütteln darf, sind mindestens zwei Antworten möglich, je nach dem, welche Annahmen über die Religiosität der Frau und über den Ort der Begegnung getroffen werden (in einem der zahlreichen internationalen Hotels in Kairo oder z.B. im südlichen Teil des Landes). Je komplexer (siehe oben) kulturelle Überschneidungssituationen sind, desto größer ist die Anzahl der möglichen Annahmen bzw. der adäquaten Interpretations- und Handlungsoptionen. Mithin ist es für solche Situationen kaum sinnvoll, nur Rezepte vermitteln zu wollen. Sinnvoller ist es, die möglichen Annahmen und die jeweils adäquaten Interpretationsund Handlungsoptionen herauszuarbeiten.

4.2

W e r s i n d d i e Ar a b e r ? 6

Würde man in Deutschland eine Umfrage durchführen und die Gesprächspartner fragen, wer – nach ihrer Meinung – ein Araber oder eine Araberin sei und wer nicht, würde man folgende Antworten erhalten: • • •

die Sprache ist das kennzeichnende Merkmal: Araber ist, wer Arabisch als Muttersprache hat und sie aktiv spricht; die Religion ist das kennzeichnende Merkmal, und da heißt es: Araber ist, wer Muslim ist; Schließlich kommt es vor, dass beide Merkmale zusammen genommen werden. Auf die Frage, wer Araber sei, wird mit dem Hinweis sowohl auf die Sprache als auch auf die Religion geantwortet.

Man kann aber auch versuchen, diese Frage zu beantworten, indem man schlicht von den Definitionen relevanter internationaler Institutionen ausgeht, die allen voran von der UNO und auch von der arabischen Liga getroffen wurden. Die UNO erkennt 18 Länder als arabisch an, die Arabische Liga nimmt vier weitere hinzu.7 Es sind (in alphabetischer Reihenfolge):

6 7

Wie G. Krämer berichtet, lesen wir erstmals von »Arabern« in einer assyrischen Inschrift des 9. Jahrhunderts v.C. (Krämer, 2005a, S. 12). Das Hauptmotiv der vier Länder Komoren, Somalia, Mauretanien und Dschibuti zum Beitritt war wohl eher finanzieller Natur.

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Tabelle 8: Die arabischen Länder laut UNO und arabischer Liga Definition der UNO

Definition der Arabischen Liga

1. Ägypten 2. Algerien 3. Bahrain 4. Irak 5. Jemen 6. Jordanien 7. Katar 8. Kuwait 9. Libanon 10. Libyen 11. Marokko 12. Oman 13. Palästina 14. Saudi Arabien 15. Sudan 16. Syrien 17. Tunesien 18. Vereinigte Arabische Emirate

19. Mauretanien 20. Dschibuti 21. Komoren 22. Somalia

In den Berichten zur menschlichen Entwicklung der UNDP werden nach dieser Einteilung ca. 300 Mio. Menschen als »arabisch« angegeben.8 In Anbetracht dieser Unterschiede und der Schwierigkeiten für eine trennscharfe Unterscheidung zwischen Arabern und Nicht-Arabern ist es hilfreich, folgende Sachverhalte festzuhalten, die aufgrund zweier Kategorien, der Sprache und der Religion, die Wahrnehmung von Arabern in Deutschland maßgeblich beeinflussen: 1. In den sowohl von der UNO als auch von der Arabischen Liga als arabisch bezeichneten Ländern leben viele Menschen, die nicht Muslime sind (z.B. die Kopten in Ägypten oder die Maronitischen Christen im Libanon). Somit: nicht alle Araber sind Muslime.9 2. Allerdings sind auch nicht alle Muslime Araber. Lediglich ca. 10 % aller Muslime auf der Welt sind Araber und die größte islamische Gemeinde in einem mehrheitlich islamischen Land findet sich in dem 8 9

Vgl. UNDP HDR, 2005. In Anbetracht des Erstarkens der Religion in Staat und Gesellschaft in vielen arabischen Ländern sprechen einige Autoren von einer Islamisierung der Araber (vgl. z.B. Diner, 2005).

DIE ARABISCH-ISLAMISCHE W ELT IM ÜBERBLICK | 129

3. 4.

5. 6.

7.

8.

9.

nicht arabischen Land Indonesien (88 %, ca. 195 Mio.). Pakistan und Bangladesch sind mehrheitlich muslimische Länder mit jeweils 150 Mio. bzw. 130 Mio. Muslimen. Aus diesen genannten Gründen ergibt sich, dass das Religionskriterium zur Beantwortung der Frage, wer Araber ist, problematisch ist.10 Zweifelsohne stellt die Sprache ein zentrales einigendes Element dar (siehe weiter unten). Aber auch hier gilt: Es leben viele Menschen in der arabischen Welt, die andere Muttersprachen als Arabisch haben (z.B. die Armenier im Libanon, die Kurden im Irak, oder die Berber in Algerien). Insofern ist das Sprachkriterium auch nicht einwandfrei. Aus diesem Grunde wird meistens das Sprachkriterium um ein subjektives Kriterium ergänzt.11 Da heißt es dann: Araber ist, wer die arabische Sprache von Hause aus spricht und eine wie auch immer geartete arabische Identität akzeptiert (siehe weiter unten: Panarabismus, Umma). Aber auch das Kriterium der Identität ist insofern nicht einwandfrei, als es auf eine subjektive Einstellung verweist, deren empirische Überprüfung nicht leicht sein dürfte. Letztlich wird man sich also damit zufrieden geben, dass die drei genannten Kriterien Religion, Sprache und Identität kaum zur trennscharfen Unterscheidung zwischen Arabern und NichtArabern ausreichen. Gleichwohl: Es lassen sich Gemeinsamkeiten zwischen den 18 arabischen Ländern sehr wohl identifizieren (siehe Abschnitt 5), ohne dass damit der Anspruch auf eine trennscharfe Unterscheidung zwischen Arabern und Nicht-Arabern erhoben wird. Im Folgenden werden einige weitere Kriterien für die begriffliche Schärfung des Araberbildes beschrieben. Dazu zählt die geographische Aufteilung der als arabisch geltenden Staaten, die arabische Sprache, die Religion des Islam und die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den einzelnen erwähnten Ländern und Geschäftswelten.

10 Manche Autoren (so z.B. Dan Diner auf einem Vortrag am 27.09.2006 in Heidelberg) sprechen von einer Islamisierung der Araber, da politische Gruppierungen, die den Islam in den Vordergrund stellen, immer mehr in einigen arabischen Ländern an Boden gewinnen. 11 Vgl. Flores, 2002.

130 | INTERKULTURELLE KOMPETENZ

4.3

Pragmatische Gruppierung der arabischen Staaten

Es ist für die Orientierung hilfreich, Gruppierungen der arabischen Länder aufgrund von Ähnlichkeiten historischer, geographischer und ökonomischer Art vorzunehmen. Eine in der Literatur häufig anzutreffende pragmatische Gruppierung, die überwiegend auf der räumlichen Nähe der einzelnen Länder zueinander beruht, lautet: •

• • •

Die »Arabische Halbinsel«: Bahrain, Jemen, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate Der »Fruchtbare Halbmond12«: Irak, Jordanien, Libanon, Syrien (und die palästinensischen Gebiete) Die »Nil-Region und Afrika«: Ägypten, Libyen, Sudan (Dschibuti, Komoren, Mauretanien, Somalia) Der »Maghreb«: Algerien, Marokko, Tunesien

Einen Überblick über die geographische Ausdehnung der von der UNO und der Arabischen Liga als arabisch definierten Staaten vermittelt Abbildung 1.

4.4

Die arabische Sprache

Das Heilige Buch der Muslime – der Koran – wurde auf Arabisch offenbart und ist nur in der arabischen Fassung verbindlich. Gebetet wird von allen Muslimen überall auf der Welt in Arabisch, auch da wo Arabisch nicht die erste Sprache ist, wie z.B. in Indonesien oder Malaysia. Das Hocharabische (fusha) ist die Schriftsprache bzw. die Sprache der Medien. Sie wird in der schriftlichen Kommunikation, in Radio und Fernsehen sowie in Zeitungen verwendet. Diese Hochsprache findet sich in allen 18 Ländern, wobei die alltägliche Kommunikation in lokal unterschiedlichen Dialekten erfolgt.

12 Der Name ist darauf zurückzuführen, dass die besiedelten Gebiete halbkreis- bzw. halbmondförmig im Westen, Norden und Nordosten um die syrische Wüste schließen und im Gegensatz zur Halbinsel fruchtbar sind.

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Abbildung 1: Landkarte mit den arabischen Staaten

Das Hocharabische in der klassischen Form des Korans ist eine mehr konnotative als denotative Sprache. Mit »konnotativ« ist gemeint, dass Begriffe stets zusätzliche Bedeutungskomponenten haben, die meistens eine gefühlsmäßige Wertung beinhalten.13 Es wundert daher nicht, dass viele Autoren die besondere Eignung der klassischen arabischen Sprache für Poesie betonen. Im Laufe der Zeit hat sich ein Standardhocharabisch gebildet, das im Unterschied zum Hocharabischen des Korans einfach, weniger poetisch und von den Einflüssen der Dialekte durchtränkt ist. Dieses Standardhocharabisch ist die heutige Einheitssprache der arabischen Welt, und weniger das Hocharabische des Korans. Die Dialekte auf der arabischen Halbinsel ähneln sich, so auch die Dialekte in Syrien, Libanon und den palästinensischen Gebieten. Von allen lokalen Dialekten ist der ägyptische Dialekt am weitesten verbreitet, was vor allem auf die überwältigende Präsenz ägyptischer Filme und Lieder in allen arabischen Ländern zurück zu führen ist. Hingegen ist der Dialekt in den Maghreb-Staaten, so z.B. in Algerien, für andere Araber

13 Die Semiotik geht von der grundlegenden Unterscheidung zwischen der denotativen und der konnotativen Zeichenbedeutung aus. Denotate »umfassen Bedeutungen, die von allen Zeichenbenutzern geteilt werden« (Lüsebrink, 2005, S. 101). Genau das unterscheidet sie von Konnotaten. Nach Barthes konstituieren Konnotate Mythen (ebd.).

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schwer zu verstehen, da er eine dialektale Mischung aus Arabisch und Französisch (in vielen Fällen kommt noch das Berberische hinzu) ist. Aus unterschiedlichen Gründen kam und kommt der mündlichen Überlieferung und Lyrik sowohl in der vorislamischen Zeit als auch heute noch eine zentrale Bedeutung zu. Literatur, Lyrik, Rhetorik und gepflegter bzw. phantasievoller sprachlicher Ausdruck sind heute noch hochgeschätzt. Manche Autoren sprechen sogar von der Sprachverliebtheit oder gar vom Sprachfetischismus14 vieler Araber (siehe Abschnitt 7: »Begrüßungs- und Interaktionsrituale«).

4.5

Die Religion

Die monotheistische Religion des Islam ist nach dem Christentum mit ca. 1,2 Milliarden Glaubensanhängern die zweitgrößte Religion der Welt. Seine Anhänger sind Muslime.15 In jüngerer Zeit wurde von einigen Muslimen versucht, das Wort »Islam« etymologisch aus dem Wort Salam (»Friede«), lexikalisch (unter derselben Wurzel eingeordnet) abzuleiten. Da sich eine solche semantische Begriffsdeutung weder aus Koran noch aus der Koranexegese erschließen lässt, bleibt diese symbolische Konnotation von Islam fraglich.

4.5.1 Die Quellen des Islam und Muhammad Die Quellen, auf die sich der Islam beruft, sind: • •

Koran (114 Suren16) und Sunna (Prophetentradition). Diese liegt nicht – wie im Falle des Koran – in Form eines Buches vor, sondern in mehreren Sammlungen. Sie ist ein Corpus einzelner Berichte (ar. Hadith), in denen »die von der göttlichen Offenbarung inspirierte prophetische Rede und Praxis festgehalten ist«.17 Hadith lässt sich nach folgenden Überlieferungskate-

14 Flores, 2002. 15 Deutlich seltener und veraltet ist die Bezeichnung »Mohammedaner«. Diese Bezeichnung wird von vielen Muslimen abgelehnt, da sie den Eindruck erweckt, Muhammad stünde vor Gott im Zentrum des islamischen Glaubens. Im Persischen ist Muhammadi jedoch durchaus gebräuchlich. In älterer Literatur finden sich für Muslime die Bezeichnungen Muselman (vom türkischen Musulman, das aus der persischen Pluralform Musliman gebildet wurde). 16 Suren bestehen aus Versen (arabisch Ayat). 17 Krämer, 2005b, S. 472. Genauer zum Begriff Hadith: »Eine auf Handlungen, Ansprüche oder Lehren des Propheten wiedergebende Tradition heißt Hadith«. Ein Hadith muss vor allem im sunnitischen Islam (siehe unten) aus Isnad (eine zum Propheten zurückreichende Gewährsmännerkette) und dem Matn (der berichteten Sunna des Propheten) abgeleitet sein (Radtke in

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gorien einteilen: a) »die Aussprüche Muhammads, seine Anweisungen, die Verordnungen, die er erlassen hat, seine Wertungen und Stellungnahmen zu verschiedenen Fragen;« b) »sein Verhalten, seine Handlungsweise, seine Art, die religiösen Pflichten zu erfüllen, seine praktische Haltung bei der Anwendung bestimmter Richtlinien;« c) »seine Haltung gegenüber dem, was seine Gemeinde tat, soweit er es geduldet, gebilligt oder gar empfohlen hat, und umgekehrt soweit er es getadelt, missbilligt oder gar verboten hat«.18 Generell war der Vordere Orient in der Spätantike ein Raum intensiv rivalisierender religiöser Überzeugungen und Missionstätigkeit. Überliefert aus vorislamischer Zeit ist die Dichtung, die vor allem neben dem Lobgesang die Satire und das Schmählied umfasste. Bei einigen Dichtern stand die Trias Wein-Weib- Gesang im Mittelpunkt. Der Religionsstifter Muhammad wurde um 570 als Sohn eines Händlers in Mekka (heutiges Saudi Arabien) und als Angehöriger des Stammes Quraish geboren. Die Gesellschaften in Zentral- und Westarabien waren tribal – nach Stämmen, Clans und Familien – gegliedert. »Die größte praktische Bedeutung hatte dabei der Clan«.19 Wie heute noch in weiten Teilen auf der arabischen Halbinsel spielte damals die Genealogie insofern eine zentrale Rolle, als die Autorität in der Regel an »bestimmte Abstammungslinien gebunden« war (ebd.). Aufgrund des Fehlens einer Obrigkeit bzw. einer Rechtssprechungsinstanz war jeder auf den Schutz einer Solidargemeinschaft angewiesen. Das überlieferte, ungeschriebene Recht beruhte auf dem »Grundsatz von Schädigung und Entschädigung (Vergeltung, Blutrache und Blutgeld)« (ebd.). Nach der Überlieferung soll Muhammad der Erzengel Gabriel erschienen sein. Im Verlauf von 23 Jahren soll ihm der Koran Vers für Vers (Ayat) in arabischer Sprache offenbart worden sein. Im damaligen Arabien konkurrierten mehrere Religionen, so u.a. das Christentum und das Judentum. Muhammads Bestrebungen, die islamische Gemeinde in Mekka zu vergrößern, stießen auf heftigen Widerstand, so dass er im Jahre 622 mit seinen Gefolgsleuten nach Medina ging. Dieser Auszug von Mekka nach Medina, die Hidschra (Auswanderung), markiert den Beginn der islamischen Zeitrechung (siehe unten). Muhammads Bestrebungen, den Islam zu verbreiten und Andersgläubige zu »bekehren«, führten in vielen Fällen zu kriegerischen Handlungen. Nach kurzer ErEnde/Steinbach, 2005, S. 64). Die Sunniten berufen sich auf sechs kanonische Hadith-Sammlungen, wohingegen die Zwölfer-Schiiten (siehe unten) sich auf vier Grundlagenwerke berufen, in denen sowohl Sprüche Muhammads als auch Sprüche der Imame zu finden sind. 18 Khoury, 1988, S. 43. 19 Krämer, 2005a, S. 12f.

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krankung starb Muhammad im Jahre 632 in Medina. Für die Muslime ist Muhammad das Siegel der Propheten (Koran 33, 40).20

4.5.2 Hauptrichtungen im Islam An der Frage nach den Kriterien, die die Nachfolge Muhammads regeln, spalteten sich die Muslime in Sunniten, Schiiten und Kharijiten.21 Die Kharijiten wandten sich gegen das genealogische Prinzip und wollten allein die religiös-moralische Qualifikation der Kalifatsanwärter zum alleinigen Kriterium erklären. Für die Sunniten hingegen war die Zugehörigkeit zum Stamm der Quraish das entscheidende Kalifat-Kriterium. Die Schiiten schließlich sahen das Kalifat als erblich an. Die Sunniten bilden mit etwa 90 % die zahlenmäßig größte Gruppierung unter Muslimen. Es gibt vier sunnitische Rechtsschulen: Hanafiten, Malikiten, Hanbaliten und Schafiiten.22 Der Wahhabismus23 ist eine äußerst strenge Auslegung der hanbalitischen Rechtsschule der Sunniten. Der Wahhabismus ist die Staatsreligion in Saudi Arabien, welches die Verbreitung dieser Strömung in anderen Ländern heute finanziell fördert. Die Schiiten sind die zweite große Richtung (ca. 10 % aller Muslime auf der Welt). Deren Hauptrichtung sind die so genannten Imamiten oder Zwölferschia, die vor allem im Iran, Irak, Bahrain und in dem Libanon weit verbreitet sind. »Ausgangspunkt der Entstehung der schiitischen Konfession im Islam ist der Streit in der frühislamischen Gemeinde nach dem Tode Muhammads – der selbst keine ihn überlebenden Söhne hatte – um die Leitung der Gemeinde«.24 Die Imamatslehre ist durch eine festgeschriebene Abfolge von Imamen gekennzeichnet, deren Anfang Ali ibn abi Talib bildet (siehe unten: Ausbreitung des Islam). Der 12-er Imam ist nach dieser Lehre ein erwarteter Imam (auch Mahdi genannt).25

20 Khoury, 2005, S. 17. 21 Aus den Kharijiten gingen später die Ibaditen hervor, die nun in Oman und in Nordafrika zu finden sind. 22 Vgl. Jammal, 2003. 23 Der Begriff ist auf Muhammad ibn Abd al-Wahhab zurückzuführen, einen Gelehrten im 18. Jahrhundert, der eine militant-puristische, auf Glaubensrituale fixierte Ideologie vertrat und mit der heute noch herrschenden SaudFamilie eng zusammenarbeitete (Peters in Ende/Steinbach, 2005, S. 95f. sowie Steinberg in Ende/Steinbach, 2005, S. 537). 24 Ende, 2005, S. 71. Neben der Schia spalteten sich auch die Kharijiten, die das genealogische Prinzip ablehnten und die religiös-moralische Qualifikation der Kalifatsanwärter zum alleinigen Auswahlkriterium erklären wollten (Krämer, 2005a, S. 51). 25 Aus den Schiiten gingen später die Drusen und Alawiten hervor. Jene sind im Libanon, in Syrien und in Palästina zu finden. Alawiten hingegen sind am

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Die mystische innere Dimension des Islam ist der im 12./13. Jahrhundert aus dem Sunni-Islam entstandene Sufismus.26

4.5.3 Glaubengrundsätze und Säulen des Islam Es gibt im Islam sechs Glaubensgrundsätze: a) b) c) d) e)

Glaube an Gott, an seine Engel, an seine Bücher (Koran, Tora, Evangelien), an seine Gesandten (Adam, Abraham, Jesus, Muhammad), an den Tag des jüngsten Gerichts und an das Leben nach dem Tode und schließlich, f) an die göttliche Vorsehung. Der Islam versteht sich als vehement monotheistisch und lehnt die dogmatischen Konstruktionen, wie Trinität oder Inkarnation Gottes ab, wie sie beispielsweise im Christentum vorzufinden sind. Die fünf Säulen, die zu erfüllen jeder Muslim verpflichtet ist, sind: 1. Das Glaubensbekenntnis (Shahada): »Ich bezeuge, dass es keinen Gott gibt außer Gott und dass Muhammad sein Gesandter ist«; 2. Das Gebet (Salat): Zu festgelegten Zeiten, zu denen der Muezzin ruft (in der Morgendämmerung, mittags, nachmittags, abends und nach Einbruch der Nacht). Davor ist das Waschen erforderlich. Das Freitagsgebet ist für alle männlichen Muslime Pflicht; 3. Die Entrichtung einer Steuer – oft »Armensteuer« genannt – (Zakat): Nach islamischem Recht sind Prozentsätze von den Erträgen an die Staatskasse zu entrichten.27 Die Erträge werden für Bedürftige, Kranke, für die Missionierung, für die Befreiung Gefangener, für den Dschihad28 oder zum Aufbau religiöser Schulen verwendet. Neben stärksten in Syrien vertreten. Das dortige Baath-Regime rekrutiert sich aus Alawiten. 26 Der Begriff »Sufi« wird unter anderem von dem wollenen Gewand (arab. Suf, Wolle) abgeleitet, das manche Asketen im 11. und 12. Jahrhundert trugen (Krämer, 2005a, S. 165; vgl. auch Schimmel, 2000). 27 Es gibt unterschiedliche Interpretationen hinsichtlich Zielgruppen und Umfang der Zakat (Reissner in Ende/Steinbach, 2005, S. 158f.). 28 Der Dschihad bezeichnet – laut Koran (vgl. u.a. Sure 25, Vers 52 sowie Sure 47, Vers 4) – das »Bemühen auf dem Wege Gottes« oder »um Gottes Willen« (al-dschihad fi sabil allah). Dieses Bemühen bezieht sich im Koran zum einen auf den eigenen Glauben (großer Dschihad) und zum anderen auf den Kampf im Sinne einer kriegerischen Auseinandersetzung (kleiner

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der rechtlichen Pflicht zur Zakat besteht die religiöse Pflicht zur Vergabe von Almosen (Sadaqa). Der Verpflichtungscharakter dieser ist schwächer als bei der Zakat; 4. Das Fasten (Saum): Im Monat Ramadan (9. Monat) wird von Beginn der Morgendämmerung, wenn man einen weißen von einem schwarzen Faden unterscheiden kann (Koran 2; 187), bis vollendetem Sonnenuntergang gefastet, nichts gegessen, nichts geraucht etc.; 5. Die Pilgerfahrt (Haddsch): Einmal in seinem Leben soll der Muslim die Pilgerfahrt nach Mekka antreten, die im letzten Mondmonat29 stattfindet.

4.5.4 Die Heiligen Stätten und Institutionen Den Heiligen Stätten im Islam wird – wie bei anderen Religionen auch – eine besondere Bedeutung zugemessen. Nachfolgend werden die drei wichtigsten Stätten kurz erläutert: • • •

Mekka, Geburtsort Muhammads mit der Kaaba30 als zentralem Heiligtum des Islam, das die Gebetsrichtung (Qibla) bestimmt; Medina, nördlich von Mekka gelegen, ist der Ort, an dem der Islam erste politische Wirkungskraft entfaltete; Jerusalem, das nach muslimischer Überlieferung die erste QiblaRichtung und der Ort, den die Muslime als geographische Position der im Koran (Sure 17, »Die nächtliche Reise«) erwähnten al-AqsaMoschee definiert haben.

Der Islam verfügt über keine institutionell-klerikale Organisation des Religionssystems, was aber nicht heißt, dass es keine Ämter und Ministerien für religiöse Angelegenheiten gibt. Im Gegenteil: In den meisten arabischen Ländern finden sich solche Ämter und weit verbreitet ist die staatliche Institution der frommen Stiftungen, Waqf. In Tunesien jedoch wurden alle islamischen Stiftungen abgeschafft. Um den Dialog mit den Muslimen in europäischen Ländern zu institutionalisieren fordern viele Politiker – z.B. in Deutschland – die Gründung von Interessenvertretungen der Muslime, ähnlich der katholischen Bischofskonferenz, der protestantischen Synode und dem jüdischen KonDschihad). Muhammad und seine Kämpfer werden dort als diejenigen bezeichnet, die sich »auf dem Wege Gottes mühen«, und zwar indem sie kämpfen. Allerdings diente in der islamischen Geschichte der kleine Dschihad nicht der gewaltsamen Bekehrung zum Islam, sondern in erster Linie der Ausweitung des islamischen Herrschaftsgebietes (vgl. Khoury, 2005). 29 Siehe unten. 30 Die Kaaba diente als Wallfahrtsort schon vor Muhammads Zeit.

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sistorium. Das war ein Hauptanliegen der Bundesregierung auf der jüngsten Islamkonferenz in Deutschland.

Zeitrechnung Die islamische Zeitrechnung beginnt mit dem 1. Muharram (16. Juli 622), dem Datum der Hidschra, der Auswanderung Muhammads aus Mekka. Die Umrechnungsformel lautet: C ≅ (32H/33) + 622 oder H ≅ 33(C-622)/32, dabei meint H die islamische und C die christliche Zeitrechnung. Im muslimischen Jahr gibt es zwei kanonische Feste: das Opferfest und das Fest des Fastenbrechens (der Fastenmonat endet mit Id al-fitr), wobei ersteres höhere rituelle Bedeutung hat. Die Feste dauern in der Regel drei bis vier Tage.

4.5.5 Ausbreitung und Besonderheiten des Islam Die Ausbreitung des Islam fand zunächst unter Muhammad statt. Bei seinem Tode im Jahre 632 kontrollierten die Muslime ein großes Gebiet, das sich von Mekka bis an das syrische Grenzland erstreckte; darüber hinaus standen der Jemen, Hadramaut, Oman und die Küste des persischen Golfs unter muslimischem Einfluss. Die Epoche der ersten vier Kalifen Abu Bakr, Umar, Uthman und Ali dauerte bis zum Jahre 661. Bei Abu Bakrs Tod im Jahre 634 stand die gesamte arabische Halbinsel unter muslimischer Oberhoheit. Zu dem Erfolg trug neben militärischer Gewalt ohne Zweifel auch kluge Geschenk-, Heirats- und Bündnispolitik bei. Uthman war der erste Khalif, unter dem der Koran niedergeschrieben wurde, wogegen sich im Übrigen Widerstand regte. Des Weiteren wehrten sich viele Stämme gegen die Verteilungspolitik der Beute. Wie schon bereits bei der Suche nach dem ersten Kalif bestand eine Gruppe, die sich später Schia nannte, darauf, Alis Söhne zu Kalifen zu erklären. Dies misslang und nach Ali wurde sein Sohn Husain im Jahre 680 in der Nähe von Kufa (im heutigen Irak) ermordet. In der Epoche der Umayyaden (661-750) verschob sich das Machtzentrum nach Damaskus. Das Reich umfasste ganz Persien, Ägypten und den nordafrikanischen Raum bis hin nach Spanien, Italien und den indischen Subkontinent. Unter den Abbasiden (750-1258) verschob sich das Machtzentrum nach Bagdad. Im Jahre 751 erreichte der Islam das chinesische Einfluss-

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gebiet. Der Kalif Maamun (813-833) gründete in Bagdad eine Akademie und ließ mit Hilfe christlicher Gelehrter wichtige wissenschaftliche Werke des hellenistischen Erbes ins Arabische übersetzen.

Drei Besonderheiten Eine erste Besonderheit des Islams kann darin gesehen werden, dass er als Fortsetzung, Abschluss und Krone der monotheistischen Religionen dargelegt wird. Alle in der Bibel erwähnten Propheten kommen auch im Koran vor. Im Koran wird jedoch die Dreifaltigkeit des Christentums geleugnet, was zumindest den Verdacht nahe legt, dass der Islam »monotheistischer« ist als das Christentum.31 Eine zweite Besonderheit lautet: »Richtschnur der islamischen Lebensführung ist ein ausführlicher Kanon von Geboten … ähnlich wie das Judentum ist der Islam eine Gesetzesreligion«.32 In der Tat schreibt der Koran viele Alltagshandlungen vor, so dass man mit guten Gründen von einer allgegenwärtigen Sakralität sprechen kann. Gleiches gilt für streng gläubige Christen wohl kaum.33 Drittens: Sowohl im Koran als auch im Hadith ist eine ausgeprägte Verwebung von Religion und Staat bzw. Staatsführung festzustellen (arabisch din wa dawla, Religion und Staat).

4.6

Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Al l e i n s t e l l u n g s m e r k m a l e vo n L ä n d e r n i m arabisch-islamischen Kulturraum

4.6.1 Religion und Säkularität Neben der Geschichte stellt die Religion als wesentliches Element des kulturellen Gedächtnisses34 eine zentrale Gemeinsamkeit zwischen den arabischen Ländern dar. Auch in einem Land wie dem Libanon, in dem die Christen über 30 % der Bevölkerung darstellen35 und der Islam 31 Jesus ist laut Koran ein Prophet und nicht der Sohn Gottes. 32 Flores, 2002, S. 119f. 33 Vgl. hierzu ausführlich: Diner, 2005, der in der Omnipräsenz des Sakralen einen Hauptgrund für einen vermeintlichen Stillstand in der islamischen Welt sieht. 34 Zum Begriff des kulturellen Gedächtnisses vgl. Assmann, 2000. Zur islamischen Geschichte vgl.: Jammal, 2003; Watt/Welch, 1980; Hitti, 2002; Und vor allem: Krämer, 2005a. 35 Die genaue Zahl ist nicht bekannt. »Seit 1932 fand keine Volkszählung mehr statt, um Forderungen nach Anpassung des seit Mitte des 19. Jahrhunderts praktizierten Systems eines politisch-administrativen Konfessionalismus (ta´ifiya) an das veränderte Verhältnis von christlichen zu muslimi-

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eben nicht Staatsreligion ist, bildet die islamische Tradition bzw. Geschichte einen integralen Bestandteil der jeweiligen Landesgeschichte. Im Vergleich mit den Gesellschaften Westeuropas spielt das Sakrale im Leben der meisten Menschen in den arabisch-islamischen Ländern eine wichtige Rolle. Zuweilen auf einer Volksreligion basierend ist das Sakrale stets präsent und prägt das Denken, Fühlen und Handeln der Menschen (siehe Abschnitt 4.8). Das zu sagen impliziert nun nicht, die Mehrheit der Menschen in arabischen Ländern sei gläubiger als in Westeuropa. Das ist ein leider weit verbreiteter Irrtum, der auf einer Verwechselung zwischen Glauben und religiöser Autorität beruht. Er wird dadurch schwieriger erkennbar, weil die Religion von vielen Machthabern und sonstigen politischen Gruppierungen in den arabischen Ländern als Mittel missbraucht wird. Auch wird die immer noch in Staat und Gesellschaft stark präsente religiöse Autorität in vielen arabischen Ländern von den Medien hierzulande irrtümlicherweise als Indikator für eine omnipräsente Gläubigkeit dargestellt. Vorsicht ist geboten bei Aussagen über die Religiosität der Menschen in den arabischen Ländern, weil die arabischen Gesellschaften teilweise stark segregiert sind und weil es innerhalb einer Gesellschaft erhebliche Unterschiede gibt, so vor allem in der Religiosität. Die Behauptung von der Allgegenwart der Sakralität ist also trennscharf von Aussagen über die Gläubigkeit der Menschen zu unterscheiden. Das Sakrale – vom lat. sacer »heilig« – meint die Umhüllung von Sachverhalten, Handlungen, Werten etc. mit einer eben heiligen Hülle, was sie unantastbar und folglich änderungsresistent macht. Dieses »Heilige« muss nicht unbedingt religiös, sondern kann auch spirituell, nationalistisch bzw. ideologisch sein. So sind Phänomene wie a) die Jungfräulichkeit von Frauen, b) die Mutter, c) die umma oder auch die vorgeschriebenen, von religiösen Bezügen angereicherten d) Begrüßungsformen (siehe Abschnitt 4.8)36 sakral umhüllt. Neben der Änderungsresistenz trägt die sakrale Umhüllung zur Stabilisierung und Normierung von Erwartungen und somit zur Sicherheit bzw. Stabilität in der sozialen Interaktion bei.37

schen Gemeinschaften nicht erfüllen zu müssen« (Havemann in Ende/ Steinbach, 2005, S. 526). Wichtigster Streitpunkt war und ist noch die Forderung der Christen (insbesondere der Maroniten), die Auslandslibanesen mit einzubeziehen, was die Muslime ablehnen (ebd.). 36 Eine Erläuterung der ersten drei Phänomene würde den Rahmen dieser Einführung sprengen und muss folglich hier entfallen. 37 Das, was hier mit »sakral« gemeint ist, kommt dem sehr nahe, was Anthony Giddens die »formelhaften Wahrheiten« nennt: »Formelhafte Wahrheiten lassen zentrale Aspekte der Tradition »unantastbar« erscheinen und verleihen der Gegenwart durch ihren Bezug auf das Vergangene Integrität« (Giddens , 1996, S. 189).

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Das Phänomen der sakralen Umhüllung lässt sich am Beispiel der Taqia verdeutlichen. Unter den Kharijiten führte Nagda Al-Hanafi im siebten Jahrhundert das Taqia-Prinzip ein. Es besagte, dass Gläubige gegenüber den Feinden ihren wahren Glauben leugnen dürfen, um ihr Leben nicht zu riskieren. Dieses Prinzip wurde später von den Schiiten übernommen. Im heutigen Persien findet sich ein ähnliches Prinzip mit der Bezeichnung Taro´f. Es ist ein Höflichkeitsprinzip, das dem Gesichtswahren dient, das Konflikte zu vermeiden hilft und das schließlich Zuversicht erzeugt. Aus einer externen und wenig kulturell sensiblen Perspektive betrachtet, mögen Tar´of-Aussagen allesamt Lügen sein. Wer aber das Tar´of-Prinzip anzweifelt, der wird mit dem Verweis auf das religiöse TaqiaPrinzip verwiesen, womit Legitimation und gleichzeitig Änderungsresistenz des Tar´of-Prinzips hervorgebracht werden. Es ist somit sakral umhüllt. Weder das Sakrale noch die Gläubigkeit der Menschen sagen allerdings etwas über das schillernde Phänomen des Dschihadismus aus. Langsam und erst im Lichte der Ergebnisse der letzten Wahlen in Ägypten, Irak und in den Palästinensischen Autonomiegebieten scheint sich die Einsicht in den hiesigen Medien durchzusetzen, dass man nicht einfach jeden als (potenziellen) Terroristen abstempeln sollte, der gläubig ist und der das gesellschaftliche Leben nach der Maßgabe religiöser Gebote gestalten will.38 Fest steht, dass dadurch Bedeutungskonglomerate wie Islam, Fundamentalismus und Terrorismus eine Stereotypenentwicklung besonders fördern und nähren.

4.6.2 Scharia39 und Rechtspraxis Die islamische Rechtsreferenz, die Scharia, umfasst nicht nur gesetzliche Vorschriften im herkömmlichen Sinne, sondern sie schließt auch den Bereich der Hygiene, Fragen der Höflichkeit, allgemeine ethische Vorschriften und Fragen des religiösen Rituals ein.40 Im Koran finden sich sogar Vorschriften zur Begrüßung (24. Sure), was wiederum den Charakter des Islam als Gesetzesreligion unterstreicht (siehe unten).41 38 Die Unschärfe der Begriffe in den Medien sorgt für zusätzliche Verwirrung: Es ist noch nicht lange her, da wurde die Partei des jetzigen türkischen Ministerpräsidenten Erdogan als islamistisch oder fundamentalistisch bezeichnet. Streng genommen kennzeichnet den Fundamentalismus die Widersetzung gegenüber Versuchen, die Religion zu modernisieren, wohingegen der Begriff islamistisch die enge Verknüpfung zwischen Religion und Politik unterstreicht. 39 Streng genommen lässt sich Scharia aus mindestens zwei Gründen nicht mit »Recht« übersetzen: a) Sanktionen im Recht sind ausschließlich diesseitig; b) Das Recht gilt territorial, und nicht personal (vgl. Rohe, 2001). 40 Watt/Welch, 1980, Bd. 1, S. 233. 41 Bouchara, 2002, S. 60.

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Der Koran stellt eine Quelle der Scharia dar, wobei festzuhalten gilt, dass das legislative Material darin einen geringen Umfang hat.42 Obendrein fehlen konkrete Aussagen zu vielen Bereichen des Rechts – wie z.B. zum Staatsrecht – gänzlich. Die zweite Quelle für die Scharia ist die Hadith-Sammlung (siehe oben). Unterschiedliche Rechtsschulen sind bis ins 10. Jahrhundert hinein entstanden. Ihnen war die Bestrebung gemeinsam, eine objektive Grundlage zur Lösung von Streitigkeiten zu schaffen. Das Ergebnis sollte eine islamische Jurisprudenz (Fiqh) sein.43 In der Geschichte des Islam hat sich die Scharia als flexibel in der Anwendung erwiesen. Ob die Scharia heute in islamisch geprägten Ländern flexibel angewendet wird oder nicht beschreibt Rohe wie folgt: »Das Maß an Flexibilität hängt entscheidend davon ab, welche Rechtsquellen und Rechtsfindungsmethoden als unveränderlich anerkannt werden« (Rohe, 2001, S. 29). Hinzu kommt, dass in der Scharia je nach Art der Sanktionen zwischen diesseitigen und jenseitigen Bewertungen von Handlungen unterschieden wird. Neben den diesseitsbezogenen Bewertungen »wagib« (geboten), »mubah« (erlaubt) und »haram« (verboten) finden sich die jenseitsbezogenen Bewertungen »mustahhab« (erwünscht, empfohlen) und »makruh« (verhasst, missbilligt).44 Es kommt also auch hier darauf an, welche Bewertungen als unveränderlich und unausweichlich ausgegeben werden und welche nicht. Die Scharia wird in den Verfassungen mancher Länder als alleinige (Saudi Arabien) oder als maßgebliche Quelle (Jordanien) der Rechtsprechung angegeben.45 In den Verfassungen einiger Länder finden sich »weiche« Formulierungen zum Stellenwert der Scharia und in den Verfassungen anderer Länder (wie z.B. Libanons) findet sich kein Hinweis auf die Scharia. In einigen Ländern fand eine Kehrtwendung statt, wie z.B. in Syrien. Dort wurde im Jahre 1970 auf Druck der Islamisten die Verfassung geändert: De jure gilt die Scharia seitdem als alleinige Quelle des Rechts. In anderen Ländern – wie z.B. in Tunesien – hat sich eine Abwendung von der Scharia durchgesetzt. Auch die Anwendung der Scharia in der arabischen Welt variiert grundsätzlich von Land zu Land. Beispiel: in Saudi Arabien dominiert die Scharia fast alle Bereiche des Rechts.46 Der Islam ist Staatsreligion und so genannte Religionswächter erzwingen die Einhaltung religiöser Vor42 43 44 45

Vgl. Elwan, 1999. Ebert in Ende/Steinbach, 2005, S. 199ff. Rohe, 2001, S. 22f. Es muss bei diesen Ausführungen mit bedacht werden, dass die Scharia kein klar abgegrenztes Rechtsgebilde darstellt. 46 Vgl. Ende/Steinbach, 2005.

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schriften. Das Gewohnheitsrecht in den Stämmen wird durch die dominante Scharia in Schach gehalten. Gleichzeitig verschafft die Religion eine gewisse Identifikation der Stammesmitglieder mit dem islamischen Staatsgebilde.47 Hingegen: Bis auf das Personenstands-, Familien- und Waqf-Recht (das Recht zu den frommen Stiftungen) herrscht in Syrien das europäische Zivilrecht. Interessanterweise werden im Bereich des Personenstandsrechts alle Syrer als Muslime behandelt (obwohl es mehr als 10 % Christen gibt). In familienrechtlichen Angelegenheiten verfügen die Hauptreligionsgruppen über unterschiedliche Gerichte (Muslime unterliegen den Scharia-Gerichten, während z.B. die Christen ihre RuhiGerichte haben). Der Einfluss der Scharia auf das Eherecht in Marokko wurde im Jahre 2004 stark reduziert. Nun gelten – jedenfalls de jure – folgende Grundsätze: Gleichstellung von Mann und Frau, Antragsrecht beider Partner auf Scheidung, gleichmäßige Aufteilung der in der Ehe erworbenen Güter auf beide Ehepartner bei der Scheidung etc. Abgesehen davon, dass der Einfluss der Scharia zwischen den Ländern variiert und dass die Scharia mit »weltlichen« Rechtssystemen interferiert, existiert in einigen Ländern mit ausgeprägten Stammesstrukturen (z.B. Jemen und Jordanien) auch noch das traditionelle Stammesrecht. Blutrache in etwa, die in beiden Ländern zu finden ist, beruht auf Stammesrecht. Gleiches gilt für die Rache für verletzte Ehre. Wenn man plakativ einige Länder benennen will, die eher tendenziell Scharia-treu bzw. weniger Scharia-treu sind, so könnte man auf der einen Seite als eher bzw. stark Scharia-treu die Länder angeben: Saudi Arabien und Kuwait. Auf der anderen Seite (weniger oder gar nicht Scharia-treu) wären z.B. die Länder zu nennen: Libanon, Tunesien, Marokko und Syrien. Aufgrund der Tatsache, dass der Libanon mehr als 30 % an Christen beherbergt, die neben anderen Ämtern das Amt des Präsidenten besetzen, und aufgrund von geschichtlichen Faktoren ist die Scharia in der Rechtsprechung Libanons nicht präsent.

4.6.3 Traditionelle Werte Die traditionellen Werte Stolz, Ehre, Ansehen, Gastfreundschaft, Gesichtswahrung und Vertrauen48 haben in allen arabischen Ländern – die man mit gewissem Recht als »honour and shame societies« bezeichnen kann – eine hohe Priorität. Diese Werte sind in solchen Ländern besonders dominant, in denen die Stammesstrukturen stark ausgeprägt sind.

47 Deshalb ist es für die Mitglieder der Herrscherfamilie von immenser Wichtigkeit, dass der Staat stets als islamischer Staat und dass der Herrscher als ein »wahrhaft« Gläubiger angesehen wird. 48 Gemeint ist vor allem die affektive Seite des Vertrauens (vgl. McKnight et al., 1998).

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Norris und Inglehart (2002) ordnen die genannten Werte dem Bereich des Eros zu. Auf den Ergebnissen der World Values Survey basierend gelangen sie zu der Feststellung: »The cultural gulf separating Islam from the West involves Eros far more than Demos« (S.1). Demnach unterscheiden sich arabisch-islamische Gesellschaften von den Gesellschaften Westeuropas weniger in ihrem Demokratieverständnis bzw. in ihrer Wertschätzung der Demokratie. Vielmehr bestehen wesentliche Unterschiede in der Dominanz der o.g. traditionellen Werte. Diese These von Inglehart und Norris ist leider etwas ungenau und man müsste sie etwas modifizieren. Eroswerte sind in den Gesellschaften Westeuropas nicht unbedingt weniger wichtig, sondern eher entsakralisert. Mit anderen Worten: Werte und Normen im Bereich der Sexualität – vor allem in Bezug auf Frauen – sind in den arabischen Gesellschaften sakral umhüllt. Unterschiede zu den Gesellschaften Westeuropas sind nicht nur in dieser sakralen Umhüllung, sondern auch darin zu finden, wie mit Tabubrüchen in diesem Bereich umgegangen wird. In den meisten arabischen Ländern ziehen Tabubrüche im Bereich der Sexualität ernsthafte Konsequenzen nach sich. Dabei ist allerdings stets zu betonen, dass die Dominanz der Erosbezogenen Werte sowohl zwischen als auch innerhalb der einzelnen Länder in der Regel variiert. Ob die weitere These Ingleharts, wonach eine verbesserte ökonomische Performanz mit einer tendenziellen Abwendung von traditionellen Werten einhergeht, in Bezug auf die arabischen Länder zutrifft, muss offen bleiben. Jedenfalls weisen diejenigen Länder (auch außerhalb der arabischen Halbinsel) mit relativ besserer ökonomischer Performanz – wie z.B. Ägypten und Jordanien – keine stärkere Abwendung von traditionellen Werten als Syrien auf. Weitere Beispiele aus der Arabischen Halbinsel würden ebenfalls zu einigen Zweifeln an Ingleharts These führen.

4.6.4 Familien, Clans und Stämme49 Die Zugehörigkeit zur Familie, zum Clan oder zum Stamm ist insofern wichtig, als sie die soziale Identität definiert und somit das Verhalten der Akteure wesentlich beeinflusst.50 In manchen Ländern beherrscht ein einziger Stamm oder Clan den gesamten Staatsapparat. In Kuwait herrscht 49 Clans sind erweiterte Familien, die ihre Abstammung auf einen Patriarchen zurückführen. Stämme bestehen üblicherweise aus verschiedenen Clans, die einen gemeinsamen Urahn beanspruchen. Gewiss sind die Begriffe Stamm und Clan in der Forschung nicht unumstritten. Vergleiche hierzu vor allem Ember u.a., 2002 und Kraus, 2005. 50 Vgl. Rosen, 1984; Rosen, 2000; Kraus, 2005.

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die Familie Al-Sabbah, in Saudi Arabien die Familie Al-Saud und in Syrien beherrscht der Alawiten-Clan (ca. 12 % der Bevölkerung) den gesamten Staatsapparat, wobei es im Falle Syriens zu differenzieren gilt. Dort finden sich Alawiten auch unter den Regimegegnern und zahlreiche Sunniten in staatstragenden Positionen. Die Interessen von Regime treuen Clanmitgliedern werden allerdings den Interessen der Allgemeinheit (Gesellschaft und Staat) vorgezogen. Ist der politische Einfluss von Familien, Clans, oder Stämmen hoch, so sind deren Angehörigen bzw. Mitglieder (diejenigen also, die die »In-Group« bilden) – soweit sie Regime treu sind – quasi automatisch privilegiert in der Gesellschaft, so vor allem in der Ressourcenverteilung. Dies gilt z.B. in Syrien in hohem Maße. Im vom Proporz geprägten Libanon ist der politische Einfluss der Clans hoch, jedoch reicht der Einfluss eines einzelnen Clans nicht aus, um alleine die Politik des Landes zu lenken, und das vor allem deshalb, weil sie sich in der konfessionellen Zugehörigkeit unterscheiden und verfeindet sind. Die Stämme Jordaniens (Beduinen) sind die größte Stütze des Königshauses. Der König sichert sich die Loyalität der Stämme zum einen durch die Verwandtschaftsbeziehungen und zum anderen durch die Einbindung der Stämme in den Staatsdienst (vor allem im militärischen Bereich). Im Jemen haben die Stämme in vielen Teilen des Landes viel mehr Macht als der Staat. Alle Versuche, sie staatlich einzubinden, sind bislang mehr oder minder gescheitert. Eine Identifikation mit Gesellschaft und Staat wird von einer dominanten Stammeszugehörigkeit in den Hintergrund gedrängt.

4.6.5 Arabische Identität, Gemeinsamkeiten und Alleinstellungsmerkmale Die islamisch geprägte gemeinsame Geschichte verweist auf das subjektive Gefühl der arabischen Identität, was mit dem sakral umhüllten Begriff der Umma51 eng zusammenhängt. Bezug nehmend auf eine glorreiche Vergangenheit52 identifizieren sich viele Araber mit der arabisch51 Umma stellte ursprünglich ein religiöses Gebilde dar, das die zahlreichen Stämme Arabiens sowie die Muslime insgesamt vereinigte und die Mitglieder durch eine spirituelle Bruderschaft verband. Heute wird der Begriff teilweise unterschiedlich gebraucht. Religiöse Fanatiker sehen darin die Religion als einigendes Element, Nationalisten hingegen berufen sich dabei auf die gemeinsame Geschichte, aus der sie einen Antikolonialismus schöpfen (vgl. Jammal, 2003). Beiden ist gemeinsam, dass umma gegen Veränderungsversuche sakral immunisiert wird. 52 Man muss sich daran erinnern, dass sich der Islam ab dem siebten Jahrhundert innerhalb von 130 Jahren über Persien (642), Spanien (711), Italien (652 und 667), den indischen Subkontinent (711) bis hin zum chinesischen Einflussgebiet (751) ausbreitete (vgl. Jammal, 2003; Watt/Welch, 1980).

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islamischen Großnation (= Umma). Es ist nicht immer klar erkennbar, was in dieser Identifikation mehr dominiert, die Religion, ein gesamtarabischer Nationalismus (Panarabismus) oder die einigende Selbstwahrnehmung als Opfer von Eingriffen seitens eines unklar definierten Westens.53 In der Formulierung Al Umma Al-Arabiyya (die arabische Umma) wird auf die arabische Großnation Bezug genommen. Hingegen meint der Begriff Al Umma Al-Islamiyya die muslimische Großnation, die alle Muslime auf der Welt umfasst. In den letzten Jahren zeigt sich aber auch eine »gesamt-muslimische Solidarität, die ein Aspekt der Globalisierung ist«. Es handelt sich um »eine wachsende Solidarität immer da, wo Muslime den Eindruck haben, an einem bestimmten Ort würden Muslime wegen ihrer Religion unterdrückt oder verfolgt«.54

4.6.5.1 Der Nahostkonflikt als einigendes Element Als Stachel und Demütigung wird die Schaffung des Staates Israel und die Unterstützung Israels durch die USA bei vielen Menschen in der arabischen Welt empfunden. Die tagtäglichen Bilder von Steine werfenden Jugendlichen, leidenden Frauen und älteren Menschen auf der einen und von haushoch überlegenen Soldaten der israelischen Armee in den Satellitensendern (Al-Jazeera, Al-Arabiya) auf der anderen Seite wirken wie Öl auf loderndes Feuer in den Gemütern vieler Araber. Das Gefühl der Demütigung geht oft einher mit der Vorstellung, dass die ehemaligen Kolonialmächte und in jüngster Zeit die USA die Ursache der arabischen Misere darstellen, die vor allem in der politischen und wirtschaftlichen Abhängigkeit der arabischen Länder vom »Westen« besteht. Die Vergangenheit wird in dieser Sicht zu einem bedeutungsschwangeren Symbol der Stärke der Umma verklärt.55 Die aktuellen Ereignisse im Irak und im Libanon führen weiterhin dazu, dass viele Araber eine Ohnmacht erleben, was das Gefühl der Demütigung wiederum verstärkt. Vor allem die Massaker der israelischen Streitkräfte an der Zivilbevölkerung im Zuge des von den USA zumindest geduldeten israelischen Feldzuges gegen Libanon bzw. gegen die Hizbullah hat in der jüngsten Vergangenheit zum einen die Ressentiments gegen die USA verstärkt. Zum anderen aber wuchs damit eine Solidarität zwischen denjenigen, die sich dadurch be53 Die frühere Kolonialisierung vieler Länder durch die Großmächte England und Frankreich hinterlässt weiterhin Spuren. Hinzu kommt das Unterlegenheitsgefühl gegenüber einem unklar definierten »Westen«, in dem jedenfalls die USA die Hauptrolle spielen. 54 Vgl. Wild, 2002 und Roy, 2004. Siehe weiter unten unter »Missverständnisse und Korrekturversuche«. 55 Vgl. Jammal, 2003.

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sonders gedemütigt fühlen. Die täglichen Meldungen über die bürgerkriegsähnlichen Ereignisse im Irak verstärken das ohnehin vorhandene Misstrauen gegenüber der Politik der US-Administration.

4.6.5.2 Entwicklungsdefizite als Gemeinsamkeiten Nach dem jüngsten Bericht über die Entwicklung in den arabischen Ländern (Arab Human Development Report) werden drei Defizite als Gemeinsamkeiten zwischen den 18 arabischen Ländern aufgeführt. Die drei Defizite sind in den Bereichen zu finden: Freiheit bzw. »Good Governance«, Bildung und Gleichstellung von Frauen.56 Für erhebliche Defizite in Bezug auf Freiheit und »good governance« ließen sich zahlreiche Beispiele aufführen, so z.B.: Erst im Jahre 2005 wurden Gegenkandidaten bei der Wahl des Präsidenten in Ägypten zugelassen, was sich auch noch als Farce herausstellte, da vor allem die dritte Wahlrunde von den regimetreuen Kräften manipuliert wurde. Dort, wie auch in Syrien, Saudi Arabien, Kuwait etc. wird die Freiheit auf vielfältige Weise stark eingeschränkt: Unangemessen hartes Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Demonstranten, illegale Praktiken gegen Oppositionelle, Folter, Zensur etc.57 Die Zahlen zur Analphabetenrate in den 22 Ländern sind auch ernüchternd: Sie erreichen Werte über 40 % insgesamt und über 50 % bei Frauen in den sechs Ländern Ägypten, Jemen, Komoren, Marokko, Mauretanien und Sudan. Es lassen sich ebenfalls zahlreiche Beispiele für die Diskriminierung von Frauen anführen, so z.B. im Erbrecht.58

4.6.5.3 Gemeinsamkeiten zwischen Subregionen Nach den Indikatoren des Human Development Reports lassen sich Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen Subregionen identifizieren, auch wenn eine durchgängige Argumentationsstringenz kaum aufrechterhalten werden kann. So unterscheidet sich der Jemen in vielen Indikatoren von den anderen sechs Staaten auf der Arabischen Halbinsel. Die sechs Länder des »Golf Cooperation Council GCC« (im Einzelnen Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi Arabien, VAE) in der Subregion der Arabischen Halbinsel sind durch folgende Hauptmerkmale gekennzeichnet: a) Ein relativ hohes BIP bedingt durch das Öl (bis auf den Jemen liegt das BIP pro Einwohner deutlich über 10.000 US $), b) Eine hohe Migration (fast 80 % der Bevölkerung in den VAE sind Ausländer und die Ge56 Vgl. Arab Human Development Report, 2004. 57 Was aber nicht heißt, dass es keine Unterschiede zwischen den Ländern gibt. Siehe weiter unten. 58 Vgl. Elwan, 1999.

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schäftspartner dort sind meistens nicht nur Araber – seien es Einheimische oder Araber aus anderen arabischen Ländern, wie Ägypten, Libanon etc. – sondern Inder), c) Monarchische Herrschaftssysteme, d) Bedingt durch die Öleinnahmen herrschen Rentierstrukturen (da die Ölförderung relativ billig ist und damit die hohen Einnahmen aus dem Öl eine Art Rente59 darstellen) und schließlich e) Stammesstrukturen. Letzteres Merkmal trifft allerdings auch auf den Jemen zu. Die Tabellen im Anhang verdeutlichen Gemeinsamkeiten (und Unterschiede) innerhalb (zwischen) der (den) einzelnen Subregionen und Ländern. Ordnet man die 22 Länder gemäß Unterteilung der UNDP nach dem Rang des »Human Development Index«,60 so ergibt sich folgende Liste: Tabelle 9: HDI-Rang der arabischen Staaten laut UNDP HDI-Rang

Land

40

Katar

41

VAE

43

Bahrain

44

Kuwait

58

Libyen

71

Oman

77

Saudi Arabien

81

Libanon

89

Tunesien

90

Jordanien

102

Palästinensische Gebiete

59 Einkünfte, denen keine direkte Leistung des Begünstigten gegenübersteht, werden Rente genannt (vgl. Flores, 2002). 60 Der HDI wird aus vier Variablen gebildet: Lebenserwartung bei Geburt, Alphabetisierungsrate Erwachsener, Bruttoeinschulungsrate und Bruttosozialprodukt pro Einwohner als lokale Kaufkraft (vgl. UNDP, 2005). Ein niedriger Rankwert bedeutet hohen Entwicklungsstand (in Bezug auf die vier Indikatoren) und umgekehrt. Der HDI-Rang variiert zwischen 1 und 177. Die ersten fünf Plätze belegen Norwegen, Schweden, Australien, Kanada und Holland. Sierra Leone belegt Platz 177.

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103

Algerien

106

Syrien

119

Ägypten

124

Marokko

132

Komoren

141

Sudan

150

Dschibuti

151

Jemen

152

Mauretanien

k.A.

Irak

k.A.

Somalia

Aus dieser Liste ist erkennbar, dass vier der sechs GCC-Staaten (es sind Katar, VAE, Bahrain und Kuwait) ähnliche Werte auf der Spitze der Tabelle erreichen, wohingegen die sechs Länder mit den höchsten Analphabetenraten (Ägypten, Jemen, Komoren, Marokko, Mauretanien und Sudan) eher die letzten Plätze einnehmen.

4.6.5.4 Alleinstellungsmerkmale Einige Alleinstellungsmerkmale einzelner Länder können kursorisch aufgeführt werden, gleichsam als Gedächtnisstütze. Damit wird weder Anspruch auf Begründbarkeit noch auf Vollständigkeit erhoben: • • • • • • •

Ägypten: Film und Musik, zahlenmäßig größtes Land; Jordanien: mehr als die Hälfte sind Palästinenser, Stammesgesellschaft (Beduinen); Saudi Arabien: wahhabitische Religionsgemeinde, extrem repressiv gegenüber Frauen; VAE: Boom, Wirtschaft steht im Vordergrund, Inder als Geschäftspartner; Libanon: größte christliche Gemeinde (prozentual zur Bevölkerungszahl), mehrsprachig, stark westlich orientiert; Syrien: noch sozialistisch geprägt, jedoch auf dem Weg zur Marktwirtschaft (Umbruch!); Sudan: größtes Land (Fläche), stärkste Präsenz von Polytheisten.

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4.6.6 Missverständnisse und Korrekturversuche a) Häufig wird in den Diskussionen kaum zwischen dem Islam als Religion und einer islamischen Kultur bzw. Tradition unterschieden. Während jene sich auf Koran, Sunna bzw. Hadith sowie auf Meinungen der Rechtsgelehrten beziehen mag, besteht die islamische Kultur aus zahlreichen Elementen wie z.B. Literatur, Musik, Kulinarischem, Architektur, gesellschaftlichen Werten und Normen etc. b) Obendrein ist häufig eine falsche Fragestellung zu hören – insbesondere immer dann, wenn Muslime in den Schlagzeilen stehen, »was sagt der Islam zu …?«. Eine bessere Frage (weil ergiebiger) wäre: Was sagen Muslime in … darüber, was der Koran zu … sagt? Mit anderen Worten: Es macht wenig Sinn, zu fragen, was der Koran sagt, da das stets interpretationsbedürftig ist. Die Frage müsste eher darauf abzielen, heraus zu bekommen, welche Interpretationen in einem bestimmten Land zu einem bestimmten Thema vorhanden sind und welche von ihnen die dominante ist. Es ist in der Tat nahezu unmöglich, »feste Aussagen über den Wertekanon des Islam zu treffen. Sprechen kann man nur von Wertvorstellungen, die Musliminnen und Muslime mit Bezug auf den Islam (so wie sie ihn jeweils verstehen) formulieren«.61 c) In den Diskussionen über »den Islam« hierzulande wird weiterhin kulturalisiert: Verhaltensweisen von Muslimen werden allein im historischen Rekurs auf Koran, Hadith oder auf die islamische (Kultur-)Geschichte deterministisch erklärt. Beratungsresistente Überkulturalisten mögen die einfachen Erklärungen bzw. sie scheuen die vorhandene Komplexität. d) Weit verbreitet ist die Auffassung, der Islam sei eine politische Religion, der es an einer Reformation, analog derjenigen, die das Christentum erfahren hat, mangele. Zum einen: Der Koran enthält in der Tat zahlreiche Suren, die zweifelsohne belegen, dass die Religion vom staatlichen Handeln nicht zu trennen ist (ar. Din wa dawla). Zum anderen: Es mag nun nicht abwegig sein, die geschichtliche Entwicklung der zwei Religionen zu vergleichen. Wenig sinnvoll ist es jedoch, von dem Entwicklungsverlauf der einen apodiktisch auf den Entwicklungsverlauf der anderen zu schließen. e) Die zahlreichen und unterschiedlichen Versuche in den arabischen Ländern, die Moderne zu bewältigen, sind von der Vorstellung gekennzeichnet, genuin eigene Bewältigungswege62 oder -strategien 61 Krämer, 2005b, S. 471. 62 Wie Beck schreibt, gilt es nach den »mehreren Modernen« zu fragen (Beck, 1996, S. 39). Jedenfalls handelt es sich bei diesen Bemühungen um Versu-

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zu finden. Diese Vorstellung mag zwar diffus sein. Jedenfalls drückt sich darin aber der Wunsch nach Anerkennung aus und sie ist gerade im Lichte der nicht gänzlich unberechtigten Selbstwahrnehmung vieler Menschen im Nahen Osten als Opfer der Machenschaften der ehemaligen Kolonialmächte – wozu auch der ungelöste Konflikt mit Israel gehört – zu respektieren. Man kann leider feststellen, dass es spätestens seit dem 11. Sept. 2001 zur Frontenbildung gekommen ist im Sinne von WIR, die Aufgeklärten auf der einen und den ANDEREN im Sinne von den Rückständigen auf der anderen Seite. Hierzulande macht es sich daran bemerkbar, dass viele meinen, sie müssten gegen den »Untergang des Abendlandes« vorgehen. Als Kern dieses Abendlandes postulieren sie einen Wertekanon, der mit Vorliebe und u.E. irrtümlicherweise ausschließlich auf die christliche Religion zurückgeführt wird. Dieser Wertekanon wird durch die Reaktionen von Menschen in islamisch geprägten Ländern z.B. auf die Karikaturen in Dänemark oder auf die jüngsten Papstäußerungen als gefährdet angesehen. Da heißt es dann, die Reaktionen seien Angriffe auf unser »Heiligstes«, eben auf Meinungsfreiheit und Demokratie. Die Vermeidung belehrender Arroganz ist in der Begegnung mit Muslimen und erst recht in der Begegnung mit Islamisten besonders wichtig. Diese zeigen in der Regel eine Haltung gegenüber »westlichen« Gesellschaften, die durch eine Mischung aus Verachtung, Verlangen nach Anerkennung und Unterlegenheitsgefühl gekennzeichnet ist. f) Gewiss finden sich in einigen arabischen Ländern ReformismusVersuche, die darauf abzielen, den Koran neu zu interpretieren und damit den Nachweis der Kompatibilität des Islam mit modernen Entwicklungen zu erbringen.63 Hierfür sind Marokko und Tunesien gute Beispiele. Auch haben die jedenfalls teilweise freien Wahlen in Palästina64 und im Irak in der jüngsten Vergangenheit zum Sieg der Islamisten geführt. Die Islamisten postulieren ein islamisches System, das anderen Systemen (so z.B. dem diffus verstandenen »westlichen System«) überlegen sei. Sie verkünden eine bessere Bewältigung der Moderne durch die in ihren Augen »richtige« Auslegung bzw. »richti-

che, geeignete Wege in eine posttraditionale Gesellschaft (vgl. Giddens, 1996) zu finden, in der bestimmte Traditionen zentrale Rollen einnehmen. 63 Vgl. z.B. Reissner, 2003, S. 13ff. 64 Die Analysten sind sich nicht so ganz darüber einig, wie es – entgegen allen Erwartungen – zum Sieg der Hamas kam. Eine Erklärung lautet, die Fatah habe zwar eine Mehrheit bei der Wahl der Parteien bekommen (so etwas wie die erste Stimme), bei der Wahl der Kandidaten hingegen (was im hiesigen Wahlsystem der zweiten Stimme entspricht) hätten die HamasFunktionäre die Mehrheit erhalten, da man die als korrupt geltenden FatahFunktionäre bestrafen wollte.

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ge« Praxis des Islam.65 Ein Erstarken der Islamisten ist seit den siebziger Jahren ebenfalls in Ägypten, im Libanon und in Syrien zu beobachten. Auch der Dschihad-Islam, der im Wesentlichen agtitativ und aggressiv gegenüber »dem Westen« ist, lässt sich unter die Versuche subsumieren, die Moderne zu bewältigen, die ja als von außen oktroyiert gesehen wird. Allzu oft ist es schwierig, Islamisten von Dschihadisten trennscharf zu unterscheiden. Denn: Ob Gewaltbereitschaft, was ja Dschihadisten kennzeichnet, vorliegt oder nicht, lässt sich oft nicht leicht feststellen. Vermutlich sind die Übergänge zwischen Dschihadisten und repressiv orientierten Islamisten fließend. g) Die in der Literatur66 zu findende Dreiteilung der Bewältigungsstrategien der Moderne in islamischen Ländern (Reformismus, Islamismus und Dschihad-Islam) ist zwar aufschlussreich, jedoch ist sie aus mehreren Gründen unzureichend. Erstens reicht sie nicht aus, um die Phänomene in ihrer Bandbreite zu erfassen. Sie berücksichtigt z.B. nicht, dass es auch säkulare67 Modernisierungsbestrebungen gibt, die die Religion in die Privatsphäre zu verbannen versuchen. Die Versuche der Baathisten im Irak bis zum Zweiten Golfkrieg und in Syrien bis ca. 1970 stellen solche Bestrebungen dar. Die Dreiteilung berücksichtigt auch nicht, dass es unterschiedliche Islamistenideologien gibt. Nur für wenige stellt die Islamisierungsdevise eine Formel zur Rückkehr zum Gottesstaat dar. Es geht den Apologeten selten darum, die islamisch geprägten Länder traditioneller bzw. nach dem Muster des islamischen Staates aus der ersten Zeit des Islam zu gestalten. Vielmehr geht es ihnen darum, all das an der Moderne umzugestalten, was man für unvereinbar mit der jeweils dominanten Islamauslegung hält: Eben all das zu islamisieren, was man an der Moderne für unislamisch hält. Sind diese Bestrebungen wirksam, so zeigt sich an den Bewältigungsstrategien, wie stark der Islamisierungseinfluss ist. Mit anderen Worten: Wenn man genauer hinschaut, dann stellt man fest, welche Länder was an der Moderne für unvereinbar mit dem dominanten Islam-Verständnis erachten. Und schließlich: Es gibt unter den Islamisten unterschiedliche Schattierungen und in letzter Zeit setzt sich – vor allem in Ägypten – eine opportunistische Ideologie der Islamisten durch, was z.B. dazu führt, dass sie eine Frauenquote im Parlament fordern! Zweitens verzerrt die Dreiteilung die Realität, da sie suggeriert, man würde die Strategien getrennt nebeneinander finden, was so nicht der Fall ist. Vielmehr finden wir komplexe Misch65 Reissner, 2002, S. 14f. 66 Vgl. Reissner, 2003. 67 Bei der Verwendung des Begriffes der Säkularisierung sollte man allerdings vorsichtig sein (Wieland, 2004, S. 23ff.).

152 | INTERKULTURELLE KOMPETENZ

formen und teilweise herrschen in unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen unterschiedliche Strategien, was auf den Beobachter kurios wirken mag. So findet sich z.B. in Syrien eine Verwebung von planwirtschaftlichen, reformistischen und islamistischen Elementen. Im Jahre 1970 gab der damalige syrische Präsident Hafiz al-Assad dem Druck der Muslimbrüder nach und änderte die Verfassung. Von nun an war die Scharia nicht eine Quelle, sondern die einzige Quelle. In einzelnen Bereichen des Rechts jedoch blieben de facto unterschiedliche Quellen maßgebend (siehe oben). Drittens: Bei der Suche nach genuin eigenen Wegen sind seit den 70er Jahren neben den islamistischen auch pragmatische Bestrebungen immer stärker präsent, die primär darauf abzielen, eine globalisierte islamische Moderne zu etablieren.68 Häufig bleiben diese Bestrebungen auf bestimmte Bereiche des gesellschaftlichen bzw. politischen Lebens beschränkt. In anderen Bereichen finden sich dann andere Bewältigungsstrategien. Solche Bestrebungen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie a) jedenfalls den technologischen und ökonomischen Fortschritt einschließen, jedoch b) von jeweils dominanten Islamauslegungen implizit geleitet sind und c) keine ideologische Programmatik aufweisen. h) Gudrun Krämer schreibt: »Die Sprache des Islam ist nicht umsonst so reich an Wegmetaphern«.69 In Bezug auf die Strategien zur Bewältigung der Moderne trifft dieser Satz vollkommen zu. i) Zu der globalisierten islamischen Moderne: Was in den ökonomisch aufstrebenden Golfstaaten, vor allem in Dubai und teilweise in den anderen Emiraten der VAE sowie in Katar oder Bahrain zu beobachten ist, lässt sich als pragmatische Versuche klassifizieren, islamische Wege in die Moderne zu finden. Sie sind ex negativo als Versuche zu kennzeichnen, die keine Programmatik aufweisen. Es sind »Muddling-through« Strategien. Dahinter mag die Einsicht stecken, dass die Programmatik – ob islamistisch oder reformistisch – eher Widerstand hervorruft. Und vielleicht ist den Machthabern in diesen aufstrebenden Ländern bewusst, dass die jeweils noch dominanten – sprich institutionalisierten UND gelebten – Islamauslegungen von der pragmatischen Modernisierung nicht unberührt bleiben. Genau da wird es in Bezug auf den kulturellen Wandel aufschlussreich. Es geht eben nicht darum, sich vorzunehmen, den Koran neu zu interpretieren. 68 Im Gegensatz zu Roy wird die globalisierte islamische Moderne hier nicht mit den unterschiedlichen Dschihadismus-Formen gleichgesetzt (Roy, 2004, S. 19). Nicht nur Islamisten, sondern auch Pragmatiker bevorzugen ein islamisches Bankensystem. Ein solches wurde aufgebaut, das eben alle Elemente ausschließt, die mit der jeweils dominanten Auslegung der Religion unvereinbar sind (vor allem das Verbot des Zinswuchers). 69 Krämer, 2005a, S. 302.

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Vielmehr geht es darum, welche Islamauslegung entsteht, sozusagen unbemerkt von den Akteuren, wenn die pragmatische Modernisierung weiterverfolgt wird. Natürlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass es am Ende hie und da zu noch rigideren Koranauslegungen und Umsetzungen kommen kann, die wiederum mehr Radikalisierung und eventuell sogar erhöhte Gewaltbereitschaft bedeuten.70 j) Zusammenfassend wird somit hier folgende Typologie der Bewältigungsstrategien vorgeschlagen: a) Dshihadisten (siehe oben); b) Islamisten. Dabei handelt es sich um Gruppierungen, die keineswegs einheitliche Vorstellungen aufweisen; c) Reformisten (siehe oben); d) Säkularisten (Trennung zwischen Staat und Religion); e) Pragmatische Modernisierer (siehe oben). Im Gegensatz zu (moderaten) Islamisten findet sich bei den pragmatischen Modernisierern keine auf den Islam bezogene Programmatik bzw. Ideologie. k) All das darf nun nicht darüber hinweg täuschen, dass die heftigsten Auseinandersetzungen um die Bewältigung der Moderne nicht zwischen »westlichen« und islamisch-geprägten Ländern, sondern innerhalb dieser Länder ausgefochten werden. Es sind unterschiedliche Kräfte am Werke. Zwischen den zwei Extremen »Rückkehr zum Gottesstaat« auf der einen und »Modernisierung ohne Religion« auf der anderen Seite finden sich unterschiedliche, von Ideologien beladene Bewältigungsstrategien. Der »eigentliche« Kampf, wenn davon überhaupt die Rede sein soll, findet in den islamisch geprägten Ländern zwischen den diversen Kräften statt, die sich in Ihren Ideologien über die Bewältigung der Moderne unterscheiden. l) Bei allem Gerede über die Islamisierung darf nicht die Machtfrage aus den Augen verloren werden. Die Regime in den arabischen Ländern befinden sich – um es mit dem syrischen Oppositionellen Michel Kilo zu sagen – in einer ständigen stabilen Krise.71 Der junge syrische Präsident Bashar al-Assad z.B. muss innenpolitisch stets lavieren zwischen den Alt-Baathisten, die keine Veränderungen wollen, den Muslimbrüdern, deren Aufstand in der Stadt Hama im Jahre 1982 von Bashars Vater Hafez al-Assad brutal nieder geschlagen wurde, den Säkularisten, die auf Demokratie, Menschenrechte und Rechtstaatlichkeit pochen sowie schließlich den islamischen Reformisten. Hinzu kommen natürlich die Querelen zwischen den einzelnen ethnischen Gruppen, allen voran zwischen Kurden und Arabern. Außenpolitisch verwendet Bashar al-Assad zum einen den Konflikt mit den USA und 70 Die Hegelsche Rede von der »List der Vernunft« könnte hier angebracht sein. 71 Wieland, 2004, S. 92. Bei der Endfassung des vorliegenden Textes wurde aus Syrien gemeldet, Michel Kilo sei dort verhaftet worden.

154 | INTERKULTURELLE KOMPETENZ

zum anderen mit Israel zur Stärkung des Zusammenhalts in der Bevölkerung und letztlich zur Festigung seiner Macht. Da ist ihm geradezu jedes Mittel recht, so auch das Heraufbeschwören einer islamistischen Gefahr. Saddam Hussein hat bereits nach dem Ersten Golfkrieg vielfach die Religion instrumentalisiert, um seine Macht zu erhalten. In Ägypten kann man geradezu tagtäglich beobachten, wie das Regime bestimmte Sachverhalte sakral umhüllt, um sich am Leben zu erhalten. m) Im Zuge der Globalisierung verbreitet sich unter den muslimischen Migranten in westeuropäischen Ländern das Phänomen der imaginierten Identität.72 Identität stiftend ist nicht mehr ausschließlich eine geographisch fixierbare Zugehörigkeit, und auch nicht allein der gemeinsam praktizierte religiöse Ritus, sondern eine imaginierte Zugehörigkeit zu anderen Muslimen, die überall auf der Welt zu finden sind und um ihren eigenen Weg in die Moderne ringen. Der Begriff Umma (siehe oben) bezieht sich nun auf die Gemeinschaft aller Muslime im Kampf um den eigenen Weg in die Moderne. Bei Migranten kommt hinzu, dass sie sich in einer nicht muslimischen Umgebung befinden, was ihre Bewältigungsbemühungen verkompliziert.

4.7 Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen d e u t s c h e r u n d a r a b i s c h e r G e s c h ä f t sw e l t 4.7.1 Wirtschaftliche Bedeutung der arabischen Länder Im Vergleich mit 2003 nahmen im Jahre 2004 sowohl die Einfuhren als auch die Ausfuhren zwischen Deutschland und den 22 arabischen Ländern um mehr als 10 % zu. Für viele dieser Länder gehört Deutschland zu den drei größten Handelspartnern (z.B. Jordanien, Libanon, Syrien und Ägypten). Nachfolgende Abbildung verdeutlicht das Ausmaß der Aus- und Einfuhren, worin deutlich wird, dass die tendenziell steigenden Ausfuhren die eher rückläufigen Einfuhren bei weitem übersteigen und dass ein Aufwärtstrend zu verzeichnen ist.

72 Vgl. hierzu Roy, 2004; Yom, 2002.

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Abbildung 2: Handel Deutschlands mit den 22 arabischen Staaten (Eigene Darstellung basierend auf GHORFA-Daten 2006)

Volumen in Mio. Euro

Handel zwischen Deutschland und den 22 arabischen Ländern 20000 15000 Einfuhr

10000

Ausfuhr

5000 0 2000

2001

2002

2003

2004

2005

Jahr

Bei den Gesamtdirektinvestitionen in der Nahostregion ist ein positiver Trend bei den deutschen Direktinvestitionen in den 10 arabischen Ländern, die im Bericht der Bundesbank aufgeführt werden, zu verzeichnen: Abbildung 3: Direktinvestitionen Deutschlands in 10 arabischen Staaten (Eigene Darstellung basierend auf Daten der Deutschen Bundesbank 2004) Direktinvestitionen in 10 arabischen Ländern 2000 1800

in Mio. Euro

1600 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 1999

2000

2001

2002 Jahre

2003

2004

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Nachfolgende Graphik verdeutlicht die wirtschaftliche Bedeutung von vier arabischen Ländern für das Land Baden-Württemberg: Abbildung 4: Handel zwischen Baden-Württemberg und vier arabischen Staaten (Eigene Darstellung basierend auf GHORFA-Daten, 2005)

+3,73%

544,6

473,8

Mio. Euro

400

564,9

-13,25%

500

411

600

H andelsvolum en zw ischen B aW ü und einzelnen arabischen Ländern

2003 2004

300 +0,63%

205,7

0

Ägypten

Saudi-Arabien

VAE

73,3

+ 52,69%

48

100

204,4

200

Libyen

Soweit mag erkennbar geworden sein, dass die arabischen Länder wichtige Geschäftspartner mit noch lange nicht ausgeschöpften Marktpotenzialen sind – wenn auch die Märkte aufgrund der brisanten Konflikte in der Nahostregion starken Schwankungen unterliegen. Nicht zu vergessen sind die Aussichten auf intensivere Geschäftsbeziehungen zu einigen Ländern, so z.B. zu Libyen und vielleicht in absehbarer Zeit zu dem Irak.

4.7.2 In der Geschäftswelt relevante Gemeinsamkeiten und Unterschiede Eine wesentliche Gemeinsamkeit zwischen den Gesellschaften in den arabischen Ländern besteht darin, dass bestimmte informelle Institutionen73 – Familie, Stamm bzw. Clan – den Wirkungsbereich moderner Insti73 »Institution »ist ein Sammelbegriff für komplexe, sachlich und funktional zusammengehörige normative Arrangements« (Okruch, 1999, S. 57). Institutionen sind »[…] auf Dauer gestellte Regel-Komplexe, die das Handeln von Individuen so steuern, dass regelmäßige Interaktionsmuster entstehen und eine soziale Ordnung konstituieren. Institutionen sind selektive Implementationen von kulturell anerkannten Werten in Form von verbindlichen Handlungsregeln für bestimmte Handlungskontexte« (Fuchs, 1999, S. 162). Nach Göbel sind Institutionen sets von Regeln bzw. Normen, die auf Ideen oder Idealen basieren. Die Regeln bzw. Normen sind entweder absichtlich oder unabsichtlich entstanden und sie werden befolgt weil sie mit Sanktionen versehen sind, oder weil man sich darauf geeinigt hat (Aushandlung)

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tutionen, wie z.B. Unternehmen oder auch politische Institutionen überlagern und teilweise vollständig verdrängen. Damit einhergehend ist eine Wertemixtur, die teilweise für den Besucher aus Europa grotesk erscheinen mag: Abbildung 5: Stadtbild aus Beirut/Libanon

Dieses Bild aus Beirut zeigt in eindrucksvoller Weise, wie unterschiedliche Orientierungssysteme nebeneinander wirken: Zum einen die mondäne und eher »moderne« Lebensweise und zum anderen das Traditionelle, was in der fast vollständigen Verschleierung der Frau links im Bild zum Ausdruck kommt. Abgesehen von dem Nebeneinander finden sich kulturelle Vermischungsprozesse zwischen unterschiedlichen Orientierungssystemen und die Ergebnisse solcher Prozesse sind ebenfalls augenfällig.74 Institutionelle Überlagerungen finden z.B. dort statt, wo Familien- oder Stammesmitglieder bei Ausschreibungen begünstigt und damit die Spielregeln der modernen Institution »Unternehmen« (u.a. marktwirtschaftlicher Wettbewerb) mit der Vergabe von Aufträgen nach personenneutralen Effizienz- und Effektivitätskriterien ausgehebelt werden. Dass der Scheich von Kuwait u.U. ein Familienmitglied zum Premierminister er-

oder weil Glaube, Sitte, Tradition etc. die Befolgung gebietet (vgl. Göbel, 2002, S. 1ff.). 74 Vgl. hierzu Balme, 1999.

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nennt, ist ein solches Beispiel für die institutionelle Überlagerung zugunsten der informellen Institution Familie.75 Zur Bedeutung der Familie im unternehmerischen Kontext: In vielen Familienunternehmen finden sich komplexe Machtstrukturen, die für den europäischen Geschäftspartner oft undurchsichtig sind. So kommt es häufig vor, dass der Sohn – der nicht selten an einer ausländischen Hochschule studiert hat – die Firma leitet, der Vater wiederum in bestimmten Konfliktfällen eingreift und der Familienrat im Hintergrund über die Geschicke des Unternehmens entscheidet. In solchen Fällen sind gute Beziehungen zu allen Entscheidungsträgern sicherlich von Vorteil. Man kann die Bedeutung von Familie, Clan, Stamm etc. verallgemeinernd wie folgt ausdrücken: Menschen in eher traditionellen Konstellationen in arabischen Ländern befinden sich stets in informellen Beziehungsnetzen. Damit einhergehend ist ein Misstrauen gegenüber formellen Institutionen festzustellen. Über diese korrelative Beziehung lässt sich sagen, dass a) der kausale Status unklar ist und dass sie b) negativ ist: Je größer das Misstrauen gegenüber den formalen Institutionen ist, desto größer ist die Bedeutung von informellen Netzwerken. Des weiteren: c) Die Identität einer Person definiert sich maßgeblich durch die Beziehungsnetze, in denen sie verwoben ist.76 Und schließlich: d) Es lässt sich auch feststellen, dass das Weben von Beziehungsnetzen im Rahmen von Aushandlungsprozessen stattfindet, die stets von Obligationen begleitet sind (ebd.). Die Obligationen entstehen durch Verwandtschaft, durch Geschenke77, Beleihungen, gute Gesten etc. Ist Person A mit Person B verwandt, so sind beide verpflichtet, reziprok einander beizustehen. Obligationen zu schaffen bei fehlender Verwandtschaftsbeziehung ist z.B. durch Großzügigkeiten möglich. Mit jemandem eine Beziehung auszuhandeln, heißt also maßgeblich, Obligationen zu schaffen, die eine Bindung darstellen und somit das Beziehungsnetz herstellen. Allerdings ist die Tragweite der Obligationen nicht klar definiert. Mit anderen Worten: Es steht nirgends geschrieben, wie bindend eine Obligation ist. Landesspezifisch – und oft Regionen spezifisch bleiben die Regeln, nach denen die Aushandlungsprozesse vonstatten gehen und die damit die Tragweite bestimmter Obligationen definieren. Allgemein lässt sich sagen: Jede Aushandlungsaktion beeinflusst die Balance der Obligationen.78 Das Wissen über die handlungswirksamen Orientierungen und über die relevanten Beziehungsnetze in den arabischen Ländern kann gewiss

75 Auf die Bedeutung der Familie wurde oben kurz hingedeutet. 76 Vgl. Rosen, 1984; Rosen, 2000. 77 Die Kultur des Schenkens wird in vielen arabischen Ländern viel stärker gepflegt als z.B. in Deutschland der Fall ist. 78 Rosen, 1984, S. 184.

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sehr hilfreich sein. Gleichwohl ist vor unreflektierter Verallgemeinerung zu warnen. Zwar existieren Gemeinsamkeiten in der Geschäftswelt, jedoch sind sie stets situativ zu überprüfen und anzupassen. Dazu sagte ein deutscher Manager in Marokko: »Ich habe mein ganzes Leben in der arabischen Welt verbracht … Ich habe aber hier in Marokko nach einem halben Jahr festgestellt, dass Marokko im Vergleich mit dem Nahen Osten weder arabisch noch muslimisch ist … Man hat hier ganz andere Gewohnheiten und Verhaltensweisen, so dass ich sehr lange gebraucht habe, um sie in ihrer Komplexität auch zu begreifen. Mit Marokkanern muss man ganz anders umgehen als mit anderen Arabern«.79 Während man – pauschal gesprochen – in Saudi Arabien auf hierarchische und vertikale Beziehungen zu Mitgliedern der Herrscherfamilie angewiesen bleibt und dort die kulturellen Orientierungsmuster stärker von religiösen und traditionellen Werten geprägt sind, haben wir es z.B. im Libanon mit Konstellationen zu tun, in denen die modernen Werte zwar relativ dominant sind, jedoch das politische Geschehen von den konfessionellen Clans determiniert wird. Anders wiederum ist es in Marokko, wo der Aberglaube gerade bei weniger gebildeten Menschen viel stärker in der Wertemixtur zu finden ist, als z.B. in den VAE. In den VAE begegnen uns ohnehin komplexere Strukturen, bedingt durch die Tatsache, dass nicht nur die Einheimischen, sondern sowohl Araber als auch Inder und Pakistani Verhandlungspartner sind. Je moderner eine Geschäftskultur ist, desto dominanter werden die uns vertrauten Mittel und Wege der Geschäftsbeziehungen, wie z.B. die logisch-analytischen Argumente und die insgesamt sachlich nüchterne Darstellung. Werden die modernen Muster von traditionellen Mustern stark überlagert, so gewinnen Rhetorik, Erzählung, Gesten des guten Willens etc. an Bedeutung. Je vielfältiger die handlungswirksamen kulturellen Muster sind, umso ambivalenter werden Aussagen und Verhalten der Akteure. Darauf muss man sich dann einstellen können. Mit eher traditionellen Geschäftspartnern spielen Ehre, Stolz und Würde eine viel wichtigere Rolle als in mehr modernen Arrangements, wie z.B. im modernen Sektor der Elektroindustrie in Ägypten. Nachfolgend soll anhand des thematischen Beispiels »Begrüßungsund Interaktionsrituale« erläutert werden, worin für die Geschäftswelt relevante Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen und in den arabischen Ländern bestehen. Es wird dabei auf den Stellenwert von Sakralität und Sprache in der Interaktion mit arabischen Geschäftspartnern eingegangen.

79 Vgl. Jammal, 2005.

160 | INTERKULTURELLE KOMPETENZ

4.8

Begrüßungs- und Interaktionsrituale

Vor allem an Begrüßungsritualen80 lässt sich leicht nachweisen, wie stark das Sakrale die Interaktion in der arabischen Welt beeinflusst. Wie bereits erwähnt wurde, schreibt der Koran den Austausch von Begrüßungsformeln vor: »Grüßt einander, wünscht Euch den Segen des Himmels, wenn Ihr ein Haus betretet« (Sure 24, Vers 62). Das sakral geprägte Verhalten gilt auch für die Erwiderung des Grußes: »Wenn ihr freundlich begrüßt werdet, so erwidert mit noch freundlicherem Gruß, oder wenigstens auf dieselbe Weise …« (ebd.). Auf den Gruß »As Salamu Alaikum« (Friede sei mit Euch), wird normalerweise geantwortet mit »Wa Alaikum Al salam wa rahmat Ullahi wa barakatuhu« (Friede sei (auch) mit dir und Gottes Gnade und Segen).81 Auf die Frage nach der Befindlichkeit, antwortet man in der Regel mit »Al hamdu lillah« (Gott sei gedankt). Auch auf die Abmachung von Verabredungen wird in der Regel mit einer religiösen Formulierung reagiert: »Insha allah« (so Gott will).82 Diese Liste von Beispielen für religiöse Formulierungen ließe sich ziemlich lange fortsetzen. Koran- und Hadith-Bewanderte Muslime haben für viele Situationen »passende« Koran- und Hadith-zitate bereit, was letztlich zeigt, dass religiöse Inhalte und Glaubensaussagen das alltägliche Leben miteinander maßgeblich mitgestalten. Meistens wird man in eher traditionell-religiösen Ländern wie Saudi Arabien, Kuwait und Jemen in der Regel mit religiösen Begrüßungsritua-

80 Der Begriff »Ritual« (lat. Ritus) hatte höchstwahrscheinlich ursprünglich einen religiösen Bezug. Rituale können definiert werden als standardisierte und überlieferte Handlungen, die eine Signalfunktion erfüllen sollen. Das Signal eines Rituals ist in vielen Fällen darauf gerichtet, zum einen durch routinierte Handlungen unsichere Situationen zu meistern und zum anderen Status- und Imagebedürfnisse zu befriedigen. Letzteres kann auch in negativen Signalen an einen Adressaten bestehen, so z.B. zur Ausgrenzung oder Degradierung (vgl. Ritter et al., 1992). Neuere Forschungsarbeiten zeigen eine unbefriedigende Trennschärfe in der Bestimmung des Begriffs des Rituals. Vgl. hierzu z.B. Belliger und Krieger, 2003. Giddens versteht »Ritual« als »ein praktisches Instrument zum Erhalt des Vergangenen … Im Ritual gelangt auf enge und anschauliche Weise die ständige Rekonstruktion der Vergangenheit zu praktischer Darstellung« (Giddens, 1996, S. 125). Im Rekurs auf Max Gluckman unterscheidet Giddens zwischen Ritualismus und Ritualisierung sozialer Beziehungen: »Beim »Ritualismus« sind die rituellen Handlungen mit »mythischen Begriffen« verknüpft – also mit dem, was ich formelhafte Wahrheiten nenne. Zu einer »Ritualisierung sozialer Beziehungen« kommt es dort, wo soziale Interaktion eine standardisierte Form annimmt, mit deren Hilfe die Rollen definiert werden, die die Menschen bei zeremoniellen Anlässen einnehmen« (ebd., S. 187f.). 81 Dieser Segen findet sich bereits im Alten Testament. 82 Dieser Ausdruck ist in der Regel performativ zu verstehen. Siehe weiter unten.

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len als z.B. im Libanon, in Syrien und in den modernen Betrieben Ägyptens konfrontiert. Wiederkehrende Koranzitate der Geschäftspartner sind dann kaum anzutreffen. Um die Besonderheiten der arabischen Begrüßungen hervorzuheben, sei kurz auf die Begrüßungen im (süd-)deutschen Raum eingegangen. Was bereits für die arabischen Begrüßungen gesagt wurde, gilt jedenfalls nicht für die Begrüßungen in der Früh- und Spätantike. War aber die Antike in dieser Hinsicht eher anthropozentrisch, so vollzog sich im Mittelalter eine theozentrische Wende. Der noch erhaltene und häufigste Gruß im süddeutschen Raum dürfte das »Grüß Gott« sein, das vermutlich über ein Jahrtausend entboten wird. Ursprünglich handelte es sich dabei nicht um einen Imperativ (der andere möge Gott grüßen), sondern um eine Kurzform, die »Gott grüße dich« oder »Grüß dich Gott« lautet »und einen Optativ ausdrückt.83 Ähnlich verhält es sich mit dem »Guten Morgen«. Ursprünglich meinte es »Gott gebe dir einen guten Morgen«. Fuhrmann schreibt: »Bei beiden Grüßen – bei »Grüß Gott« und bei »Guten Morgen«, »Guten Tag« – war Gott als Subjekt des Kurzsatzes mitgedacht« (ebd., S. 37). Gemäß dem theozentrischen Verständnis im Mittelalter vermag »der Mensch nicht aus sich heraus gesund und heil zu sein und zu bleiben: Gott muss es fügen, und so läuft der Grußwunsch über Gott, der um Erfüllung angegangen wird« (ebd., S. 38). Fuhrmann kommt zu der Schlussfolgerung: »Unsere Gegenwart erscheint bei diesem Verstande als weitgehend profanisiertes oder trivialisiertes Mittelalter; eine Sinnentleerung ist eingetreten. Wir verwenden manchen Gruß … ohne die an Gott gerichtete Bitte mitzudenken« (ebd., Hervorhebung durch die Autoren). Diese von uns kursiv gedruckte Stelle verdeutlicht den Unterschied zwischen den Begrüßungsformeln. In eher traditionellen Ländern bzw. Kontexten im arabischen Raum bleibt der Bezug zu Gott stets präsent und diese Präsenz wird durch Zitate aus Koran, Hadith und teilweise Tradition weiter betont. Inwieweit Gott in Begrüßungen präsent ist und mitbedacht wird, darin können Unterschiede zwischen deutschen und arabischen Begrüßungen ausgemacht werden. Außer dem religiös geprägten Begrüßungsritual und anderen religiösen Formulierungen stellt das Wiederholen und Erwidern von Begrüßungswörtern ein weiteres Begrüßungsritual dar. Betritt man die Wohnung oder das Büro eines arabischen Geschäftspartners, so kann es durchaus sein, dass man hört, wie der Gastgeber das Wort »Ahlan« (oder »Ahlan wa sahlan«), was so viel bedeutet wie willkommen, häufig und hintereinander wiederholt. Manchmal wird das Wort nochmals während des Gesprächs wiederholt. Mit der Wiederholung »Ahlan Ahlan Ah-

83 »Optativ« in der Grammatik ist eine Wunschform (Fuhrmann, 2003, S. 36f.).

162 | INTERKULTURELLE KOMPETENZ

lan …« wird dem Gast die Hochachtung des Gastgebers signalisiert und dass man froh über den Besuch sei. Image und Status des Besuchers werden damit hervorgehoben. Dieses Ritual kann von nicht wenigen arabischen Geschäftspartnern übernommen werden, wenn sie Englisch sprechen. Da wird das Wort »welcome« häufig wiederholt, meistens zum Erstaunen der deutschen Gäste. Interessanterweise sind Ägypter unter den Arabern einzigartig in Höflichkeitsritualen. Da heißt der Busfahrer »captain« und der Ingenieur »bash muhandis« (in etwa »Oberingenieur«). Hier ist auch die wiederholte Begrüßung weit verbreitet. Zu den zentralen Gesprächsritualen in arabischen Ländern gehört auch die Unterbrechung des Gesprächspartners. Unterbrechungen gelten als Zeichen von Interesse und aktiver Teilnahme. Dass ein arabischer Gesprächspartner keine Gegenfragen stellt, aber stets den Redefluss des Anderen unterbricht, führt oft zu Irritationen seitens der deutschen Besucher in arabischen Ländern. Dabei will der arabische Gesprächspartner mit den Unterbrechungen und oft mit Wiederholungen von Begriffen und Sätzen, die der deutsche Partner gerade gesagt hatte, nichts anderes signalisieren als Interesse und Wertschätzung des Gegenübers. In deutschen Konversationen hingegen ist es üblich, den Sprecher so lange reden zu lassen, bis er von alleine aufhört. Unterbrechungen werden als Zeichen von Unhöflichkeit interpretiert. Es gibt zwei Themenbereiche, die den Werten wie Ehre, Stolz, Ansehen etc. in der Interaktion eine besondere Brisanz verleihen: Die Religion insgesamt und die Sexualität mit Bezug auf die weiblichen Familienmitglieder. Eine öffentliche Verletzung des Stolzes, der Ehre etc. einer Person in Bezug auf diese zwei Themenbereiche hat in der Regel verheerende Folgen.84 Insofern ist es richtig, von einer Verwebung zwischen Interaktionsritualen auf der einen und Sakralität – und nicht Religion – auf der anderen Seite zu sprechen. Denn: Die Religion allein macht die Sakralität noch nicht aus. Ehre, Stolz, Ansehen, das Muttersein und nicht zuletzt die Sexualität bestimmen die Interaktion und sie weisen eine Unantastbarkeit und Wahrheit auf, was hier eben als Sakralität bezeichnet wird.

84 Der brutale Mörder des niederländischen Filmemachers Van Gogh gab genau dies als Grund an: Van Gogh habe die Religion beschmutzt. Ein weiteres Beispiel liefert die aktuelle Krise zum Abdruck von Karikaturen Muhammads in vielen Zeitungen Europas. Als Beispiel für die Tragweite einer wahrgenommenen öffentlichen Verletzung der Ehre in Bezug auf die Sexualität von weiblichen Familienmitgliedern lassen sich die so genannten »Ehrenmorde«, z.B. in Jordanien anführen. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass die Anzahl der Ehrenmorde in den arabisch-islamischen Ländern deutlich geringer ist als die Anzahl der Ehrenmorde in Lateinamerika (allen voran in Kolumbien).

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Abschließend sei auf ein Phänomen hingewiesen, das vielen Menschen aus europäischen Ländern im Umgang mit arabischen Partnern Verständnisschwierigkeiten bereitet: es ist das Phänomen der für Nicht-Araber nicht als solche erkennbaren performativen Sätze. Sagt jemand in unserem Zusammenhang, ich sei sein Freund, so kann ich in der Regel kaum umhin, diese Aussage in der Dualität wahr/falsch zu bewerten. Im hiesigen Kulturkreis unterliegen nur Fragen oder Befehle nicht der Dualität von wahr/falsch – zumindest nicht im Sinne von ihrer Korrespondenz mit einer Realität. Aussagen jedoch wie »ich bin verabredet« oder »wir sind Freunde« unterliegen der Dualität von wahr/falsch. Anders jedoch ist es in bestimmten Kontexten in arabischen Ländern. Da wird die Dualität von wahr/falsch nicht nur bei Fragen und Befehlen, sondern auch bei anderen Sätzen außer Kraft gesetzt. Rosen schreibt dazu: »… in Morocco to say »we are friends« is not a description about our relationship subject to assessment as true or false; rather, such an utterance is itself the performance of an act, in this case the act of signalling that a negotiation over the applicability of this concept is in order«.85 Wie man sieht, kehrt hier das Thema der Aushandlung zurück, das oben kurz diskutiert wurde. Performative Sätze senden das Signal, man sei bereit, in eine Aushandlung einzutreten, die im Falle des eben genannten Satzes zum Ergebnis haben kann, dass der Andere zum Freund wird. Sagt der arabische Geschäftspartner »wir haben uns vertraglich geeinigt« und meint er diesen Satz performativ, so sendet er damit das Signal, er sei bereit in eine Aushandlung einzutreten, die zum Ergebnis haben kann, dass man sich vertraglich einigt. Das Entscheidende an dieser Bereitschaft besteht in den Obligationen. Der Andere verpflichtet sich damit, dies und jenes zu tun, um das angesprochene Ergebnis zu erzielen. Und in der Regel bleibt es nicht bei der »puren« Obligation (was man in diesem Falle auch »Commitment« nennen kann). Normalerweise geht damit ein Entgegenkommen einher, das materiell oder symbolisch sein kann, was eben die Balance der Obligationen neu definiert und den anderen dazu auffordert, die Balance der Obligationen herzustellen.

85 Rosen, 1984, S. 184.

164 | INTERKULTURELLE KOMPETENZ

Zusammenfassung Die Signale in arabischen Begrüßungs- und insgesamt Interaktionsritualen enthalten häufig sakrale Elemente und sie sind auf die Statusund Imagebedürfnisse gerichtet. Hingegen liegt der Schwerpunkt in deutschen Begrüßungsritualen auf der Wahrung eines respektvollen Abstandes zum Partner.86 Insgesamt ist festzustellen, dass der hohe Stellenwert der traditionellen Werte Ehre, Stolz, Ansehen etc. sich in den Interaktionsritualen widerspiegelt. Das Weben und Pflegen von Beziehungsnetzen kennzeichnet die traditionellen Konstellationen in den arabischen Ländern. Die Beziehungsnetze werden stets anhand von Obligationen ausgehandelt. Allerdings: Weder die arabische Welt noch den Islam darf man sich als Monolith vorstellen. Zwar wurden oben einige Gemeinsamkeiten konstatiert. Eine wichtige Gemeinsamkeit besteht in dem relativ hohen Stellenwert solcher Werte wie Stolz, Ehre, Ansehen, Vertrauen etc. Jedoch darf nicht übersehen werden, dass große Unterschiede jedenfalls zwischen den Subregionen und teilweise zwischen den einzelnen Ländern in einer Subregion bestehen. Es besteht eine ausgeprägte Vielfältigkeit in Religion, sozialer Struktur etc., die in interkulturellen Weiterbildungsmaßnahmen berücksichtigt werden muss. Ein interkulturelles Training zur Veränderung von Stereotypen kann letztlich nur funktionieren, wenn die erwähnten als Monolith empfundenen sozialen Konstrukte der empirischen Realität gegenüber gestellt werden.

86 Vgl. Bouchara, 2002.

An ha ng

An l a g e 1 : Daten zu Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur der 22 arabischen Staaten Nachfolgend werden die 22 Länder einzeln vorgestellt, wobei ale Angaben, soweit nicht anders vermerkt, folgenden Quellen entnommen sind: UNDP Human Development Report, 2005; Statistisches Bundesamt (www.destatis.de). Land Hauptstadt Größere Städte Fläche Bevölkerung Bevölkerungsdichte (Einwohner pro km2) Jährliches Bevölkerungswachstum Zusammensetzung der Bevölkerung (Religion) Zusammensetzung der Bevölkerung (Ethnien/Minderheiten) Sprachen Regierungsform

166 | INTERKULTURELLE KOMPETENZ

Staatsoberhaupt (seit …) Machtaufteilung (Mehrheit/Minderheit) Analphabetenquote insgesamt Analphabetenquote von Frauen Bildungsindex* Rang HDI »Human Development Index«** Währung GDP pro Einwohner – real BIP pro Einwohner – real Importe Exporte Haupteinfuhrgüter Handel mit Deutschland

*

Einfuhr: Ausfuhr:

Der »Education Index« hat den Maximalwert von 1 und er wird aus den zwei Variablen gebildet: Lebenserwartung bei Geburt und Bruttoeinschulungsrate (vgl. UNDP, 2005). ** Der Human Development Index (HDI) wird aus vier Variablen gebildet: Lebenserwartung bei Geburt, Alphabetisierungsrate Erwachsener, Bruttoeinschulungsrate und Bruttosozialprodukt pro Einwohner als lokale Kaufkraft (vgl. UNDP, 2005).

ANHANG | 167

Ägypten Hauptstadt

Kairo (ca. 16 Mio. Einwohner)

Größere Städte

Alexandria (3.820.000), Giseh (2.445.000), Schubra Al Cheima (992.000)

Fläche

1.002.000 km2

Bevölkerung

73,4 Mio.

Bevölkerungsdichte

73 Einwohner pro km2 (lediglich 4 % der Fläche wird bewohnt!)

Jährliches Bevölkerungswachstum

1,8 %

Zusammensetzung der Bevölkerung (Religion)

90 % sunnitische Muslime, 10 % Christen (Kopten)

Zusammensetzung der Bevölkerung (Ethnien/Minderheiten)

Die Mehrheit bilden Araber. Es leben im Süden Nubier. In der libyschen Wüste sind einige Berber zu finden.

Sprachen

Arabisch ist erste Sprache, Englisch ist die Sprache der Geschäftswelt

Regierungsform

Präsidialrepublik

Staatsoberhaupt (seit …)

Hosni Mubarak (seit 1981)

Machtaufteilung (Mehrheit/Minderheit)

Die Regierungspartei National Demokratische Partei Mubaraks hält alle Ämter in der Hand.

Analphabetenquote insgesamt

44,4 %

Analphabetenquote von Frauen

56,4 %

Bildungsindex

0,62

Rang HDI »Human Development Index«

119

Währung (Sept. 2005)

Pfund (1 Euro = 7,5 Pfund)

GDP pro Einwohner – real (2003)

3.950 US $

BIP pro Einwohner – real (2002)

1.250 US $

Importe (2003)

21.681 Mio. US $

Exporte (2003)

7 Milliarden US $

Hauptausfuhrgüter

Roh- und Erdölprodukte, Baumwolle, Textilien

Handel mit Deutschland (aus: Ghorfa, 2005)

Einfuhr: 660,0 Mio. US $; Ausfuhr:1.699,7 Mio. US $

168 | INTERKULTURELLE KOMPETENZ

Algerien Hauptstadt

Algier (ca. 3,1 Mio. Einwohner)

Größere Städte

Oran (772.000), Constantine (508.000), Annaba (384.000)

Fläche

2.381.741 km2

Bevölkerung

31,9 Mio.

Bevölkerungsdichte

14 Einwohner pro km2

Jährliches Bevölkerungswachstum

1,5 %

Zusammensetzung der Bevölkerung (Religion)

Ca. 99 % sind sunnitische Muslime

Zusammensetzung der Bevölkerung (Ethnien/Minderheiten)

Ca. 20 % Berber

Sprachen

Arabisch ist erste Sprache. Im April 2002 hat das Parlament mit einer Verfassungsänderung die berberische Sprache (Mazirisch oder Tamazight) zur zweiten Landessprache erhoben. Französisch ist die Sprache der Geschäftswelt; Der Dialekt ist für Araber außerhalb der Maghreb-Region unverständlich.

Regierungsform

Präsidiale Republik

Staatsoberhaupt (seit …)

Bouteflika (seit 1999), wurde 2004 mit einer deutlichen Mehrheit (ca. 85 %) für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt.

Machtaufteilung (Mehrheit/Minderheit)

Starke Opposition, teilweise islamistische Parteien.

Analphabetenquote insgesamt

32,1 %

Analphabetenquote von Frauen

40,4 %

Bildungsindex

0,71

Rang HDI »Human Development Index«

103

Währung (Sept. 2005)

Dinar (1 Euro = 95 Dinar)

GDP pro Einwohner – real (2002)

6.107 US $

BIP pro Einwohner – real (2002)

1.665 US $

Importe (2003)

14.789 Mio. US $

Exporte (2003)

24.697 Mio. US $

Hauptausfuhrgüter

Erdöl und Erdgas (97 %)

Handel mit Deutschland (aus: Ghorfa, 2005)

Einfuhr: 1.611,5 Mio. US $; Ausfuhr: 1.079,6 Mio. US $

ANHANG | 169

Bahrain Hauptstadt

Manama (ca. 200.000 Einwohner)

Größere Städte

Al Muharraq (98.000), Arrifa (95.000), Al Gharbi (95.000)

Fläche

694 km2 (insgesamt 33 Inseln)

Bevölkerung

700.000

Bevölkerungsdichte

31 Einwohner pro km2

Jährliches Bevölkerungswachstum

1,5 %

Zusammensetzung der Bevölkerung (Religion)

70 % Schiiten, 30 % Sunniten.

Zusammensetzung der Bevölkerung (Ethnien/Minderheiten)

Ca. 30 % ausländische Arbeiter (Asien etc.).

Sprachen

Arabisch ist erste Sprache. Englisch ist verbreitete Geschäftssprache.

Regierungsform

Königreich

Staatsoberhaupt (seit …)

König Scheich Hamad bin Isa Al Khalifa (seit 14.02.2002)

Machtaufteilung (Mehrheit/Minderheit)

Die Macht hat die sunnitische Minderheit. Die Beteiligung der Schiiten an der Macht ist brisant. Gleichwohl: Bahrain wird eine beachtliche Demokratisierung bescheinigt.

Analphabetenquote insgesamt

11,5 %

Analphabetenquote von Frauen

15,8 %

Bildungsindex

0,86

Rang HDI »Human Development Index«

43

Währung (Sept. 2005)

Bahrain Dinar (1 Euro = 0,4626 BHD)

GDP pro Einwohner – real (2003)

14.479 US $

BIP pro Einwohner – real (2002)

10.889 US $

Importe (2003)

5.116 Mio. US $

Exporte (2003)

6.364 Mio. US $

Hauptausfuhrgüter

Öl und Aluminiumprodukte

Handel mit Deutschland (aus: Ghorfa, 2005)

Einfuhr: 36,2 Mio. US $; Ausfuhr: 336,4 Mio. US $

170 | INTERKULTURELLE KOMPETENZ

Dschibuti Hauptstadt

Dschibuti (ca. 600.000 Einwohner)

Größere Städte

Ali Sabieh (41.000), Tadjoura (23.000), Obock (18.000)

Fläche

23.200 km2

Bevölkerung

800.000 Einwohner

Bevölkerungsdichte

34,5 Einwohner pro km2

Jährliches Bevölkerungswachstum

1,6 %

Zusammensetzung der Bevölkerung (Religion)

Der überwiegende Teil der Bevölkerung ist dem Islam zugewandt (94 %), davon sind die meisten Menschen Sunniten. Eine Minderheit stellen die Christen dar (6 %).

Zusammensetzung der Bevölkerung (Ethnien/Minderheiten)

40 % Afar (oder Danakil) im Norden und Westen, 60 % Issa im Süden (ca. 50.000 somalische Flüchtlinge).

Sprachen

Arabisch, Französisch

Regierungsform

Präsidial Republik

Staatsoberhaupt (seit …)

Ismail Omar Guelleh (seit 1999)

Machtaufteilung (Mehrheit/Minderheit)

Regierungskoalition: Union pour la Majorité Présidentielle (UMP), darin insbesondere: Präsidentenpartei Rassemblement Populaire pour le Progrès (RPP)

Analphabetenquote insgesamt

34,5 %

Analphabetenquote von Frauen

k.A.

Bildungsindex

0,52

Rang HDI »Human Development Index«

150

Währung (Sept. 2005)

Dschibuti Franc (1 EUR = 219,3 DJF)

GDP pro Einwohner – real (2003)

2.086 US $

BIP pro Einwohner – real (2002)

734 US $

Importe (2003)

669 Mio. US $

Exporte (2003)

155 Mio. US $

Hauptausfuhrgüter

Nahrungsmittel, Viehzuchtprodukte, Kaffee

Handel mit Deutschland (aus: Ghorfa, 2005)

Einfuhr: 100.000 US $; Ausfuhr: 6,3 Mio. US $

ANHANG | 171

Irak Hauptstadt

Bagdad (ca. 5 Mio. Einwohner)

Größere Städte

Mosul (664.000), Irbil (490.000), Karkuk (420.000), Al Basra (400.000)

Fläche

437.072 km2

Bevölkerung

25,9 Mio. Einwohner

Bevölkerungsdichte

59 Einwohner pro km2

Jährliches Bevölkerungswachstum

k.A.

Zusammensetzung der Bevölkerung (Religion)

61 % Schiiten, 36 % Sunniten, 3 % Christen.

Zusammensetzung der Bevölkerung (Ethnien/Minderheiten)

Ca.70 % Araber, 17 % Kurden, 13 % Turkmenen.

Sprachen

Arabisch, Kurdisch, Englisch ist Handelssprache

Regierungsform

Präsidial Republik

Staatsoberhaupt (seit …)

Ministerpräsident ist der Schiit Ibrahim al-Dschafari, Präsident der Kurde Dschalal Talabani und Parlamentspräsident der Sunnit Hadschim al-Hasani.

Machtaufteilung (Mehrheit/Minderheit)

Die Machtaufteilung zwischen arabischen Schiiten und Sunniten sowie den Kurden ist äußerst brisant.

Analphabetenquote insgesamt

k.A.

Analphabetenquote von Frauen

k.A.

Bildungsindex

k.A.

Rang HDI »Human Development Index«

k.A.

Währung (Sept. 2005)

Irakischer Dinar (1 EUR = 1.821 IQD)

GDP pro Einwohner – real (2003)

k.A.

BIP pro Einwohner – real (2002)

k.A.

Importe (2003)

4.993 Mio. US $

Exporte (2003)

9.812 Mio. US $

Hauptausfuhrgüter

Erdöl

Handel mit Deutschland (aus: Ghorfa, 2005)

Einfuhr: 1,8 Mio. US $; Ausfuhr: 2.768 Mio. US $

172 | INTERKULTURELLE KOMPETENZ

Jemen Hauptstadt

Sanaa (ca. 1,9 Mio. Einwohner)

Größere Städte

Hodeida (617.888), Taiz (615.467), Aden (550.744)

Fläche

Die Grenze zu Saudi-Arabien ist zwar im Jahre 2000 endgültig festgelegt worden. Da sie noch nicht vollständig demarkiert ist, schwanken die Flächenangaben zwischen 478.000 und 533.000 km2.

Bevölkerung

20,7 Mio. Einwohner

Bevölkerungsdichte

Zwischen 43 und 39 Einwohner pro km 2

Jährliches Bevölkerungswachstum

3,1 %

Zusammensetzung der Bevölkerung (Religion)

53 % schiitische Zaiditen, 47 % Sunniten.

Zusammensetzung der Bevölkerung (Ethnien/Minderheiten)

Mehrheitlich Araber.

Sprachen

Arabisch, Englisch ist Geschäftssprache, jedoch nicht weit verbreitet

Regierungsform

Parlamentarisch kontrolliertes Präsidialsystem.

Staatsoberhaupt (seit …)

Ali Abdallah Saleh (von 1978 bis 1990 nordjemenitischer Staatspräsident, nach Wiedervereinigung 1990 Staatspräsident der vereinigten Republik Jemen)

Machtaufteilung (Mehrheit/Minderheit)

Opposition vorhanden, freie Presse

Analphabetenquote insgesamt

51 %

Analphabetenquote von Frauen

71,5 %

Bildungsindex

0,51

Rang HDI »Human Development Index«

151

Währung (Sept. 2005)

Yemeni Rial YER (1 EUR = 246 YER)

GDP pro Einwohner – real (2003)

889 US $

BIP pro Einwohner – real (2002)

330 US $

Importe (2003)

4.069 Mio. US $

Exporte (2003)

4.964 Mio. US $

Hauptausfuhrgüter

Erdöl (eher bescheidene Vorräte)

Handel mit Deutschland (aus: Ghorfa, 2005)

Einfuhr: 5,2 Mio. US $; Ausfuhr: 133 Mio. US $

ANHANG | 173

Jordanien Hauptstadt

Amman (ca. 2,1 Mio. Einwohner)

Größere Städte

Zarqa (475.000), Irbid (300.000), Ar Rusayfah (262.000)

Fläche

89.342 km2.

Bevölkerung

5.611.202 Einwohner

Bevölkerungsdichte

63 Einwohner pro km2

Jährliches Bevölkerungswachstum

2,6 %

Zusammensetzung der Bevölkerung (Religion)

88 % sind Sunniten, 11 % sind Christen, 1,8 % Alawiten und 0,2 % Schiiten.

Zusammensetzung der Bevölkerung (Ethnien/Minderheiten)

Die Jordanier sind zu 94 % Araber, gefolgt von je 2 % Tscherkessen, 2 % Kurden und 2 % Armenier. Etwa 60 % sind ursprünglich Palästinenser.

Sprachen

Arabisch, Englisch ist weit verbreitet in den Städten.

Regierungsform

Konstitutionelle Monarchie

Staatsoberhaupt (seit …)

König Abdallah II Bin Hussein (seit 1999)

Machtaufteilung (Mehrheit/Minderheit)

Opposition vorhanden, auch Islamisten sind im Unterhaus vertreten

Analphabetenquote insgesamt

9,1 %

Analphabetenquote von Frauen

14,1 %

Bildungsindex

0,86

Rang HDI »Human Development Index«

90

Währung (Sept. 2005)

Jordanian Dinar (JD), 1 Euro = 0,86426 JD

GDP pro Einwohner – real (2003)

4.320 US $

BIP pro Einwohner – real (2003)

1.660 US $

Importe (2003)

7,01 Milliarden. US $

Exporte (2003)

3,319 Milliarden US $

Hauptausfuhrgüter

Bekleidung, chemische Erzeugnisse, Phosphat

Handel mit Deutschland (aus: Ghorfa, 2005)

Einfuhr: 23,3 Mio. US $; Ausfuhr: 554,3 Mio. US $

174 | INTERKULTURELLE KOMPETENZ

Katar Hauptstadt

Doha (ca. 450.000 Einwohner)

Größere Städte

Ar Rayyan (260.000), Um Salal (28.000), Al Wakrah (25.000)

Fläche

11.437 km2

Bevölkerung

Ca. 800.000 Einwohner

Bevölkerungsdichte

Ca. 70 Einwohner pro km2

Jährliches Bevölkerungswachstum

Ca. 2,7 %

Zusammensetzung der Bevölkerung (Religion)

Katarer sind mehrheitlich sunnitischwahhabitisch.

Zusammensetzung der Bevölkerung (Ethnien/Minderheiten)

15 % sind Katarer, der Rest besteht überwiegend aus Asiaten sowie aus Gastarbeitern aus anderen arabischen Ländern.

Sprachen

Offizielle Landessprache ist Arabisch, Englisch als Geschäftssprache ist weit verbreitet.

Regierungsform

Konstitutionelle Monarchie

Staatsoberhaupt (seit …)

Emir Scheich Hamad bin Khalifa II (seit 1995)

Machtaufteilung (Mehrheit/Minderheit)

Autokratisch mit Beratender Versammlung (»Majlis al-Shura«)

Analphabetenquote insgesamt

15,8 %

Analphabetenquote von Frauen

17,7 %

Bildungsindex

0,87

Rang HDI »Human Development Index«

40

Währung (Sept. 2005)

Katar Riyal QR (1 Euro = 4,75 QR)

GDP pro Einwohner – real (2003)

19.844 US $

BIP pro Einwohner – real (2002)

33.000 US $

Importe (2003)

5,9 Mrd. US $.

Exporte (2003)

12,6 Mrd. US $

Hauptausfuhrgüter

Erdöl, Erdgas

Handel mit Deutschland (aus: Ghorfa, 2005)

Einfuhr: 22,7 Mio. US $; Ausfuhr: 637,7 Mio. US $

ANHANG | 175

Komoren Hauptstadt

Moroni (ca. 50.000 Einwohner)

Größere Städte

Mutsamudu (23.594), Fomboni (14.966), Domoni (14.509) und Tsémbehou (11.552).

Fläche

1.861 km2.

Bevölkerung

800.000 Einwohner

Bevölkerungsdichte

425 Einwohner pro km2

Jährliches Bevölkerungswachstum

2,9 %

Zusammensetzung der Bevölkerung (Religion)

Sunnitischer Islam schafiitischer Rechtsschule (95 %). Indische Minderheit (Ismailiten).

Zusammensetzung der Bevölkerung (Ethnien/Minderheiten)

Die Bewohner der Komoren sind eine Mischbevölkerung aus Arabern, Madagassen, Bantu (Nachkommen afrikanischer Sklaven), Indern und IndoMelanesiern.

Sprachen

Nationalsprache Shikomorisch (suahelischer Dialekt), weitere Amtssprachen: Französisch und Arabisch.

Regierungsform

Republik, Präsidialregime

Staatsoberhaupt (seit …)

Assoumani-Azali (seit 2002)

Machtaufteilung (Mehrheit/Minderheit)

Opposition vorhanden und im Parlament vertreten.

Analphabetenquote insgesamt

43,8 %

Analphabetenquote von Frauen

50,9 %

Bildungsindex

0,53

Rang HDI »Human Development Index«

132

Währung (Sept. 2005)

Komorischer Franc, an den Euro gebunden, (1 EUR = 482,696 KF)

GDP pro Einwohner – real (2003)

1.714 US $

BIP pro Einwohner – real (2003)

329 US $

Importe (2003)

89 Mio. US $

Exporte (2003)

28 Mio. US $

Hauptausfuhrgüter

Vanille, Gewürznelken und ParfümGrundstoff

Handel mit Deutschland (aus: Ghorfa, 2005)

Einfuhr: 2,8 Mio. US $; Ausfuhr: 0,8 Mio. US $

176 | INTERKULTURELLE KOMPETENZ

Kuwait Hauptstadt

Kuwait City (mit 60.064 Einwohnern nur die elftgrößte Stadt des Landes)

Größere Städte

Al-Jahra (ca. 140.000), As-Salimiyah (ca. 117.000), Hawalli (ca. 85.000).

Fläche

17.818 km2

Bevölkerung

Ca. 2.600.000 Einwohner

Bevölkerungsdichte

146 Einwohner pro km2

Jährliches Bevölkerungswachstum

2,4 %

Zusammensetzung der Bevölkerung (Religion)

ca. 65 % Sunniten, 35 % Schiiten.

Zusammensetzung der Bevölkerung (Ethnien/Minderheiten)

Ca. 62 % Ausländer (ca. 1,6 Mio.) aus arabischen Ländern sowie aus dem indischen Subkontinent

Sprachen

Arabisch, Englisch ist weit verbreitet

Regierungsform

Erbliches Fürstentum (Emirat), Monarchie mit parlamentarischer Beteiligung.

Staatsoberhaupt (seit …)

Scheich Jaber Al-Ahmad Al-Jaber AlSabah, Emir des Staates Kuwait (seit 1977)

Machtaufteilung (Mehrheit/Minderheit)

Seit Mai 05 haben Frauen sowohl das passive als auch das aktive Wahlrecht. Es gibt keine Opposition in Kuwait. Es gibt auch keine Parteien.

Analphabetenquote insgesamt

17,1 %

Analphabetenquote von Frauen

19 %

Bildungsindex

0,80

Rang HDI »Human Development Index«

44

Währung (Sept. 2005)

Kuwait Dinar (1 KD = 3,442 US $)

GDP pro Einwohner – real (2003)

18.047 US $

BIP pro Einwohner – real (2002)

11.598 US $

Importe (2003)

10.936 Mio. US $

Exporte (2003)

19.032 Mio. US $

Hauptausfuhrgüter

Erdöl, Erdölprodukte, Kunstdünger

Handel mit Deutschland (aus: Ghorfa, 2005)

Einfuhr: 23,1 Mio. US $; Ausfuhr: 1.218,8 Mio. US $

ANHANG | 177

Libanon Hauptstadt

Beirut (ca. 1,5 Mio. Einwohner)

Größere Städte

Triploi (200.000), Zahle (200.000), Sidon (100.000), Tyrus (70.000)

Fläche

10.452 km2

Bevölkerung

3.700.000 Einwohner

Bevölkerungsdichte

355 Einwohner pro km 2

Jährliches Bevölkerungswachstum

1%

Zusammensetzung der Bevölkerung (Religion)

Mehrheitlich muslimisch (Schiiten in der mehrheit), Christen ca. 35 %.

Zusammensetzung der Bevölkerung (Ethnien/Minderheiten)

Mehrheitlich Araber (ca. 95 %), ca. 4 % sind Armenier, einige Kurden. Es leben ca. 400.000 palästinensische Flüchtlinge im Land.

Sprachen

Arabisch, Englisch und Französisch sind weit verbreitet

Regierungsform

Parlamentarische Demokratie

Staatsoberhaupt (seit …)

Emile lahud (seit 1998)

Machtaufteilung (Mehrheit/Minderheit)

Labiler Proporz: Präsident Christ (Maronit), Ministerpräsident Sunnit und Parlamentspräsident Schiit. Alle anderen Ämter nach Proporz.

Analphabetenquote insgesamt

13,5 %

Analphabetenquote von Frauen

19 %

Bildungsindex

0,84

Rang HDI »Human Development Index«

81

Währung (Sept. 2005)

Libanesisches Pfund (1 Euro = 1.964 LBP)

GDP pro Einwohner – real (2003)

5.074 US $

BIP pro Einwohner – real (2002)

2.868 US $

Importe (2003)

7.701 Mio. US $

Exporte (2003)

1.524 Mio. US $

Hauptausfuhrgüter

Nahrungsmittel, Tabak, Textilien, Chemikalien

Handel mit Deutschland (aus: Ghorfa, 2005)

Einfuhr: 17,2 Mio. US $; Ausfuhr: 455,8 Mio. US $

178 | INTERKULTURELLE KOMPETENZ

Libyen Hauptstadt

Tripolis (1.776.000 Einwohner)

Größere Städte

Benghazi (446.250), Az- Zawiyah (220.075), Al- Khums (149.642)

Fläche

1.760.000 km2

Bevölkerung

5.600.000 Einwohner

Bevölkerungsdichte

3,2 Einwohner pro km2

Jährliches Bevölkerungswachstum

1,8 %

Zusammensetzung der Bevölkerung (Religion)

97 % Sunniten, einige Christen und Ibaditen.

Zusammensetzung der Bevölkerung (Ethnien/Minderheiten)

90 % sind Araber, ca. 4 % sind Berber. 20 % Ausländer (Südostasiaten, Araber).

Sprachen

Arabisch, Englisch ist nicht weit verbreitet

Regierungsform

»Dschamahirija« (Volksherrschaft)

Staatsoberhaupt (seit …)

Revolutionsführer Oberst Muammar al-Gaddafi (seit 1969)

Machtaufteilung (Mehrheit/Minderheit)

Alle Macht liegt in den Händen Gaddafis

Analphabetenquote insgesamt

18,3 %

Analphabetenquote von Frauen

29,3 %

Bildungsindex

0,86

Rang HDI »Human Development Index«

58

Währung (Sept. 2005)

Libyen Dinar (1 Euro = 1,5873 LD)

GDP pro Einwohner – real (2003)

5.080,7 US $

BIP pro Einwohner – real (2002)

3.160 US $

Importe (2003)

7.121 Mio. US $

Exporte (2003)

13.243 Mio. US $

Hauptausfuhrgüter

Erdöl, Erdgas

Handel mit Deutschland (aus: Ghorfa, 2005)

Einfuhr: 3.900,6 Mio. US $; Ausfuhr: 657,7 Mio. US $

ANHANG | 179

Marokko Hauptstadt

Rabat (ca. 900.000 Einwohner)

Größere Städte

Casablanca (2.934.000), Fès (947.000), Marrakesch (824.000)

Fläche

458.730 km2 (ohne Westsahara 266.000 km2)

Bevölkerung

31.300.000 Einwohner

Bevölkerungsdichte

68 Einwohner pro km2

Jährliches Bevölkerungswachstum

1,6 %

Zusammensetzung der Bevölkerung (Religion)

Über 90 % sind Sunniten, einige Christen und Juden.

Zusammensetzung der Bevölkerung (Ethnien/Minderheiten)

Rund 20 % der Marokkaner sind arabischstämmig. Die Berber (etwa 80 % der Bevölkerung, davon knapp 60 % arabisierte Berber) sind heute mehrheitlich seßhaft.

Sprachen

Offiziell Arabisch; lokal mehrere Berbersprachen; Französisch (Geschäftssprache) ist sehr weit verbreitet

Regierungsform

Konstitutionelle Monarchie

Staatsoberhaupt (seit …)

König Mohammed VI (seit 1999)

Machtaufteilung (Mehrheit/Minderheit)

Alle Macht liegt beim König. Stammesmacht nicht unerheblich.

Analphabetenquote insgesamt

49,3 %

Analphabetenquote von Frauen

61,7 %

Bildungsindex

0,53

Rang HDI »Human Development Index«

124

Währung (Sept. 2005)

Marokkanischer Dirham (1 Euro = 11,3637 MAD)

GDP pro Einwohner – real (2003)

4.004 US $

BIP pro Einwohner – real (2002)

1.488 US $

Importe (2003)

11,6 Milliarden US $.

Exporte (2003)

8,5 Milliarden US $

Hauptausfuhrgüter

Bekleidung, Erdölprodukte, chemische Produkte

Handel mit Deutschland (aus: Ghorfa, 2005)

Einfuhr: 452,2 Mio. US $; Ausfuhr: 925,7 Mio. US $

180 | INTERKULTURELLE KOMPETENZ

Mauretanien Hauptstadt

Nouakchott (ca. 750.000 Einwohner)

Größere Städte

Nouâdhibou (ca. 90.000), Rosso (60.000), Adel Bagrou (58.000)

Fläche

1.025.520 km2

Bevölkerung

3.086.859 Einwohner

Bevölkerungsdichte

3 Einwohner pro km 2

Jährliches Bevölkerungswachstum

2,9 %

Zusammensetzung der Bevölkerung (Religion)

Fast 100 % sunnitische Muslime.

Zusammensetzung der Bevölkerung (Ethnien/Minderheiten)

Ein Drittel hellhäutige Mauren, Haratin (Schwarze, die sich zum maurischarabischen Kulturkreis rechnen) und Schwarze.

Sprachen

Offizielle Landessprache ist Arabisch, Nationalsprachen sind Pular, Soninké und Wollof. Französisch weitgehend Arbeitssprache.

Regierungsform

Nach der Verfassung: Präsidialrepublik, zur Zeit Militärregierung

Staatsoberhaupt (seit …)

Oberst Ely Ould Mohamed Vall (Militärputsch 08/05)

Machtaufteilung (Mehrheit/Minderheit)

Militärregierung

Analphabetenquote insgesamt

48,8 %

Analphabetenquote von Frauen

68,7 %

Bildungsindex

0,49

Rang HDI »Human Development Index«

152

Währung (Sept. 2005)

Ouguiya MRO (1 EUR = 350 MRO)

GDP pro Einwohner – real (2003)

1.766 US $

BIP pro Einwohner – real (2002)

503 US $

Importe (2003)

1.054 Mio. US $

Exporte (2003)

588 Mio. US $

Hauptausfuhrgüter

Eisenerz, Fisch- und Fischprodukte

Handel mit Deutschland (aus: Ghorfa, 2005)

Einfuhr: 68,8 Mio. US $; Ausfuhr: 37,9 Mio. US $

ANHANG | 181

Oman Hauptstadt

Muskat (554.000 Einwohner)

Größere Städte

Seeb (223.449), Salalah (156.530), Matrah (153.526)

Fläche

309.500 km2

Bevölkerung

2.900.000 Einwohner

Bevölkerungsdichte

9 Einwohner pro km 2

Jährliches Bevölkerungswachstum

1,9 %

Zusammensetzung der Bevölkerung (Religion)

84 % Muslime (63 % Ibaditen, 21 % Sunniten) sowie hinduistische, christliche und jüdische Minderheiten.

Zusammensetzung der Bevölkerung (Ethnien/Minderheiten)

Ca. 22 % Ausländer, überwiegend vom indischen Subkontinent.

Sprachen

Landessprache ist Arabisch, Englisch ist die Sprache der Geschäftswelt.

Regierungsform

Monarchie (seit 1991 Beratende Versammlung »Madschlis al-Schura« mit 83 gewählten Mitgliedern; seit 1997 zusätzlicher, ernannter Staatsrat »Madschlis al-Daula« mit 42 Mitgliedern)

Staatsoberhaupt (seit …)

Sultan Qabus bin Said bin Taimur Al Said (seit 1970)

Machtaufteilung (Mehrheit/Minderheit)

Zentralistisch.

Analphabetenquote insgesamt

25,6 %

Analphabetenquote von Frauen

34,6 %

Bildungsindex

0,71

Rang HDI »Human Development Index«

71

Währung (Sept. 2005)

Oman Riyal OR (1 Euro = 0,5192 OR)

GDP pro Einwohner – real (2003)

13.584 US $

BIP pro Einwohner – real (2002)

6.147 US $

Importe (2003)

6.327 Mio. US $

Exporte (2003)

10.522 Mio. US $

Hauptausfuhrgüter

Erdöl

Handel mit Deutschland (aus: Ghorfa, 2005)

Einfuhr: 13,9 Mio. US $; Ausfuhr: 408,4 Mio. US $

182 | INTERKULTURELLE KOMPETENZ

Palästinensische Gebiete Hauptstadt

-

Größere Städte

-

Fläche

6.170 km2 (Westbank 5.800, Gaza 365 km2)

Bevölkerung

3,5 Mio. Einwohner

Bevölkerungsdichte

Ca. 567 Einwohner pro km 2

Jährliches Bevölkerungswachstum

3%

Zusammensetzung der Bevölkerung (Religion)

97 % Sunniten, 3 % Christen

Zusammensetzung der Bevölkerung (Ethnien/Minderheiten)

-

Sprachen

Arabisch, Englisch sehr weit verbreitet

Regierungsform

Palästinensische Behörde

Staatsoberhaupt (seit …)

Mahmoud Abbas (seit 2003)

Machtaufteilung (Mehrheit/Minderheit)

-

Analphabetenquote insgesamt

9,8 %

Analphabetenquote von Frauen

12,6 %

Bildungsindex

0,88

Rang HDI »Human Development Index«

102

Währung (Sept. 2005)

Jordanischer Dinar, New Israeli Shekel

GDP pro Einwohner – real (2003)

-

BIP pro Einwohner – real (2002)

884 US $

Importe (2003)

-

Exporte (2003)

-

Hauptausfuhrgüter

-

Handel mit Deutschland (aus: Ghorfa, 2005)

Einfuhr: 1,0 Mio. US $; Ausfuhr: 17,1 Mio. US $

ANHANG | 183

Saudi Arabien Hauptstadt

Riyad (ca. 2,5 Mio. Einwohner)

Größere Städte

Djidda (1,6 Mio.), Mekka (1,5 Mio.), Medina (0,5 Mio.)

Fläche

2.250.000 km2

Bevölkerung

24,9 Mio. Einwohner

Bevölkerungsdichte

11 Einwohner pro km2

Jährliches Bevölkerungswachstum

2,3 %

Zusammensetzung der Bevölkerung (Religion)

Überwiegend wahhabitische Sunniten; schiitische Minderheiten hauptsächlich in der Ostprovinz.

Zusammensetzung der Bevölkerung (Ethnien/Minderheiten)

6 Mio. Ausländer (24 %), aus arabischen Ländern (v.a. Ägypten, Jordanien, Sudan) und Asien (v.a. Pakistan, Indien, Philippinen, Indonesien).

Sprachen

Arabisch. Englisch als Geschäftssprache ist weit verbreitet

Regierungsform

Absolute Monarchie auf religiöser Grundlage

Staatsoberhaupt (seit …)

König Abdullah Ibn Abd al-Asis (seit August 2005)

Machtaufteilung (Mehrheit/Minderheit)

Die Macht liegt in den Händen des Monarchen und der Saud-Familie

Analphabetenquote insgesamt

22,1 %

Analphabetenquote von Frauen

30,5 %

Bildungsindex

0,72

Rang HDI »Human Development Index«

77

Währung (Sept. 2005)

Saudi Riyal SR (1 Euro = 4,55 SR)

GDP pro Einwohner – real (2003)

13.226 US $

BIP pro Einwohner – real (2002)

7.562 US $

Importe (2003)

53.253 Mio. US $

Exporte (2003)

84.772 Mio. US $

Hauptausfuhrgüter

Erdöl, Erdgas, Rohöl, petrochemische Produkte

Handel mit Deutschland (aus: Ghorfa, 2005)

Einfuhr: 1.368,8 Mio. US $; Ausfuhr: 4.042,7 Mio. US $

184 | INTERKULTURELLE KOMPETENZ

Somalia Hauptstadt

Mogadischu (ca. 1.227.000 Einwohner)

Größere Städte

Hargeysa (480.000), Marka (322.000), Berbera (243.000)

Fläche

637.657 km2

Bevölkerung

9,319 Mio. Einwohner

Bevölkerungsdichte

Ca. 15 Einwohner pro km2

Jährliches Bevölkerungswachstum

k.A.

Zusammensetzung der Bevölkerung (Religion)

99,8 % Sunniten.

Zusammensetzung der Bevölkerung (Ethnien/Minderheiten)

Hawiye (25 %), Dir (22 %), Darod (20 %), Rahaweyn bzw. Mirifle (17 %), Digil (3 %).

Sprachen

Seit 1972 ist Somali Amtssprache in Somalia. Arabisch, Englisch und Italienisch sind Handels- und Bildungssprachen.

Regierungsform

Seit 2000 präsidiale Übergangsregierung, Mandat im August 2003 ausgelaufen, jedoch noch keine Nachfolgeregierung. Regierungssitz in Nairobi (Kenia)

Staatsoberhaupt (seit …)

Abdullahi Yusuf Ahmed (2004 vereidigt)

Machtaufteilung (Mehrheit/Minderheit)

Kriegszustände halten an.

Analphabetenquote insgesamt

k.A.

Analphabetenquote von Frauen

k.A.

Bildungsindex

k.A.

Rang HDI »Human Development Index«

k.A.

Währung (Sept. 2005)

Somali Shilling So Sh (1 Euro = 3.334 So Sh)

GDP pro Einwohner – real (2003)

k.A.

BIP pro Einwohner – real (2002)

k.A.

Importe (2003)

k.A.

Exporte (2003)

k.A.

Hauptausfuhrgüter

Bananen, Viehprodukte

Handel mit Deutschland (aus: Ghorfa, 2005)

Einfuhr: 0,4 Mio. US $; Ausfuhr: 1,0 Mio. US $

ANHANG | 185

Sudan Hauptstadt

Khartum (ca. 1.975.000 Einwohner)

Größere Städte

Omdurman (2.810.000), Bahri (1.532.000), Nyala (500.000)

Fläche

2.505.180 km2 (größter Staat Afrikas)

Bevölkerung

39.148.162 Mio. Einwohner (ca. 570 Stämme)

Bevölkerungsdichte

Ca. 16 Einwohner pro km2

Jährliches Bevölkerungswachstum

2,64 %

Zusammensetzung der Bevölkerung (Religion)

70 % Moslems, ca. 25 % Polytheisten, 5 % Christen; Stämme und Nomaden in weiten Teilen des Landes

Zusammensetzung der Bevölkerung (Ethnien/Minderheiten)

52 % Schwarzafrikaner, 39 % arabischer Abstammung, 6 % Bedscha

Sprachen

Arabisch (Mutter- oder Verkehrssprache für ca. 70 % der Bevölkerung), englisch sowie Stammessprachen (über 130 Sprachen)

Regierungsform

Militärregierung mit islamistischer Ideologie

Staatsoberhaupt (seit …)

Feldmarschall Umar Hasan Ahmad alBashir (seit 1989)

Machtaufteilung (Mehrheit/Minderheit)

Konflikte zwischen Muslimen und Christen sowie Animisten.

Analphabetenquote insgesamt

41,1 %

Analphabetenquote von Frauen

51,9 %

Bildungsindex

0,52

Rang HDI »Human Development Index«

141

Währung (Sept. 2005)

Sudanese Dinar (1 Euro = 356 Sudanese Dinar)

GDP pro Einwohner – real (2003)

1.910 US $

BIP pro Einwohner – real (2002)

330 US $

Importe (2003)

2.033 Mio. US $

Exporte (2003)

2.016 Mio. US $

Hauptausfuhrgüter

Erdöl, Sesam, Baumwolle, lebende Tiere

Handel mit Deutschland (aus: Ghorfa, 2005)

Einfuhr: 33,6 Mio. US $; Ausfuhr: 229,4 Mio. US $

186 | INTERKULTURELLE KOMPETENZ

Syrien Hauptstadt

Damaskus (ca. 1.577.000 Einwohner)

Größere Städte

Aleppo (2.140.000), Homs (736.000), Hama (350.000)

Fläche

185.180 km2

Bevölkerung

18,2 Mio. Einwohner

Bevölkerungsdichte

98 Einwohner pro km2

Jährliches Bevölkerungswachstum

2,3 %

Zusammensetzung der Bevölkerung (Religion)

70 % Sunniten, 12 % Alawiten, ca. 12 % Christen. (Ca. 480.000 palästinensische Flüchtlinge).

Zusammensetzung der Bevölkerung (Ethnien/Minderheiten)

90 % Araber, 6 % Kurden, Armenier und Tscherkessen. Ca. 480.000 palästinensische Flüchtlinge.

Sprachen

Arabisch. Englisch und Französisch nicht weit verbreitet

Regierungsform

sozialistisch-volksdemokratischer Staat; Präsidialregime; Volksversammlung mit 250 Abgeordneten

Staatsoberhaupt (seit …)

Bashar Al-Assad (seit 2000)

Machtaufteilung (Mehrheit/Minderheit)

Die Minderheit der Alawiten hat die Macht im Lande.

Analphabetenquote insgesamt

17,1 %

Analphabetenquote von Frauen

25,8 %

Bildungsindex

0,76

Rang HDI »Human Development Index«

106

Währung (Sept. 2005)

Syrisches Pfund SP (1 Euro = 68,33 SP)

GDP pro Einwohner – real (2003)

3.576 US $

BIP pro Einwohner – real (2002)

1.200 US $

Importe (2003)

8.545 Mio. US $

Exporte (2003)

6.515 Mio. US $

Hauptausfuhrgüter

Textilien, Obst und Gemüse

Handel mit Deutschland (aus: Ghorfa, 2005)

Einfuhr: 908,3 Mio. US $; Ausfuhr: 526,4 Mio. US $

ANHANG | 187

Tunesien Hauptstadt

Tunis (ca. 694.000 Einwohner)

Größere Städte

Sfax (278.000), Ariana (238.000), Ettadhamon (203.000)

Fläche

162.155 km2

Bevölkerung

9,9 Mio. Einwohner

Bevölkerungsdichte

61 Einwohner pro km2

Jährliches Bevölkerungswachstum

1%

Zusammensetzung der Bevölkerung (Religion)

Über 99 % Sunniten.

Zusammensetzung der Bevölkerung (Ethnien/Minderheiten)

Zirka 98 % der Tunesier sind Araber und arabisierte Berber, 1,2 % sind Berber.

Sprachen

Arabisch. Französisch ist sehr weit verbreitet

Regierungsform

Präsidialrepublik mit Einkammerparlament

Staatsoberhaupt (seit …)

Zine El Abidine Ben Ali (seit 1987)

Machtaufteilung (Mehrheit/Minderheit)

Zentralistische Regierung mit sehr großen Befugnissen des Präsidenten

Analphabetenquote insgesamt

26,8 %

Analphabetenquote von Frauen

36,9 %

Bildungsindex

0,74

Rang HDI »Human Development Index«

89

Währung (Sept. 2005)

Tunesischer Dinar TND (1 Euro = 1,6 TND)

GDP pro Einwohner – real (2003)

7.161 US $

BIP pro Einwohner – real (2002)

2.574 US $

Importe (2003)

10.818 Mio. US $

Exporte (2003)

7.967 Mio. US $

Hauptausfuhrgüter

Textilien, Chemische Produkte

Handel mit Deutschland (aus: Ghorfa, 2005)

Einfuhr: 825,1 Mio. US $; Ausfuhr: 1.008,0 Mio. US $

188 | INTERKULTURELLE KOMPETENZ

Vereinigte Arabische Emirate (VAE) Hauptstadt

Abu Dhabi (ca. 0,8 Mio. Einwohner), Stadt Dubai (ca. 1,2 Mio. Einwohner)

Größere Städte

Besteht aus sieben Emiraten: Abu Dhabi (1,5 Mio.), Dubai (1,2 Mio.), Schardscha (600.000), Adschman (215.000), Ras AlKhaima (190.000), Fudschaira (112.000), Umm Al-Qaiwain (60.000)

Fläche

83.600 km2

Bevölkerung

Ca. 3,1 Mio. Einwohner

Bevölkerungsdichte

36 Einwohner pro km2

Jährliches Bevölkerungswachstum

2,7 %

Zusammensetzung der Bevölkerung (Religion)

97 % Sunniten, jedoch Einheimische stellen 20 % der Bevölkerung dar.

Zusammensetzung der Bevölkerung (Ethnien/Minderheiten)

80 % Ausländer: Indien, Pakistan, Bangladesch, Sri Lanka, Libanon, Irak, Ägypten, Philippinen , Palästina sowie aus Europa, Amerika etc.

Sprachen

Arabisch. Englisch ist sehr weit verbreitet

Regierungsform

patriarchalisches Präsidialsystem mit traditionellen Konsultationsmechanismen

Staatsoberhaupt (seit …)

Präsident Sheikh Khalifa bin Zayed Al Nahyan (seit 2004), gewählt von den Herrschern der sieben Emirate, zugleich Herrscher des Emirats Abu Dhabi

Machtaufteilung (Mehrheit/Minderheit)

-

Analphabetenquote insgesamt

22,7 %

Analphabetenquote von Frauen

19,3 %

Bildungsindex

0,76

Rang HDI »Human Development Index«

41

Währung (Sept. 2005)

Dirham (1 Euro = 4,664 Dh)

GDP pro Einwohner – real (2003)

22.420 US $

BIP pro Einwohner – real (2002)

17.520 US $

Importe (2003)

48,501 Mrd. US $

Exporte (2003)

48,249 Mrd. US $

Hauptausfuhrgüter

Erdöl, Erdgas

Handel mit Deutschland (aus: (Ghorfa, 2005)

Einfuhr: 373,2 Mio. US $; Ausfuhr: 4.311,9 Mio. US $

ANHANG | 189

An l a g e 2 : Ar a b i s c h e S c h l ü s s e l b e g r i f f e ( Au s z u g ) Arabisch

Deutsch

Ahlan (oder: Ahlan wa sahlan)

Willkommen

Tafadall

Bitte, bitteschön

Shukran

Danke

Sabah El Kheir

Guten Morgen

Sabah El Nur

Guten Morgen (und Erwiderungsformel)

Bukra

Morgen

El Yaum

Heute

Maalesh

Macht nichts

Taqriban

Ungefähr

Yalla

Auf, komm, ok

Mumkin

Möglich

Yaani

In etwa, es geht

Keif al hal (ägypt. Dialekt: Issaiak)

Wie geht’s

Mashi Al hal

Es geht

Al hamdu lillah

Gotte sei Dank

Inshallh

Wenn Gott will

Maa Al salama

Auf Wiedersehen

Bikam?

Für wie viel?

Kullu tamam

Alles klar

Khalas

Fertig, es reicht

Naam (ägyptischer Dialekt: Aiwa)

Ja

Laa

Nein

Huna (oder hena)

Hier

Sadik (i)

Freund (mein)

Habib (i)

Liebling (mein)

Ya Asisi

Mein lieber

Shwayya shwayya

Langsam, immer mit der Ruhe

Taala

Komm, komm her

190 | INTERKULTURELLE KOMPETENZ

An l a g e 3 : G e s p r ä c h s p r o t o k o l l e vo n v i e r I n t e r v i ew s (Fallbeschreibungen) Interview mit Herrn Schmidt1 Herr Schmidt war ein sehr kommunikativer Interviewpartner. Bereits in unserem Termingespräch war er sehr begeistert von dem Seminar und von Prof. Jammal. In der Nachbefragung bestätigte er nochmals seine Begeisterung für das Seminar. Er kam zum Seminar »wie die Jungfrau zum Kinde« – er hatte etwas gelesen und sich spontan angemeldet – und eher mehr über Kultur und Geschichte erwartet: »Aber die Vortragsart von Herrn Jammal … hat im Endeffekt überwogen«. Besonders positiv hob er Herrn Jammals Haltung hervor: »locker, menschenbezogen, einfühlsam, nicht wie Professoren [wie ich sie kannte] Götter in weiß«. Doch für ein Folgeseminar wünschte er sich mehr über die Geschichte der Länder. Am nützlichsten empfand er: prägnante arabische Wörter im Wörterbuch, die Do’s & Dont’s (sie waren die »Highlights«), Benimmregeln (wünscht er sich noch mehr), die [Rollen]Spiele sowie Herrn Jammals »Erfahrung abtanken«. Denn trotz seines langjährigen Kontaktes gab es wichtige neue Informationen für ihn, so z.B. dass man unterschiedliche Geschenke an den Geschäftsführer und den Einkäufer gibt, um dem Status gerecht zu werden. Dies hat er bei seiner anschließenden Dubaireise berücksichtigt. Dabei fühlte er sich aufgrund des Seminars insgesamt sicherer: »Schweigen ist keine Ablehnung, sondern kann heißen »lass mich mal überlegen«, ich bin gleich wieder bei Dir … Oder es bedeutet nichts, wenn man 1 h warten gelassen wird, das ist normal … Man glaubt, dass man den anderen versteht.« Er sieht diese Veränderungen als Ergebnis des Seminars in Kombination mit seinen vielfältigen Erfahrungen in der Verhandlung »mit anderen Nationen und Expats«. Vor seinen ersten Kontakten hätte er sich dieses Seminar als Vorbereitung gewünscht, denn er erinnert sich »mit Schrecken« an seine erste Reise nach Saudi-Arabien, als er nicht wusste, dass man seinem Geschäftspartner nicht die Fußsohle entgegenzeigt: das lernt man [auf die harte Tour – das liegt nicht auf der Hand].

1

Die Namen sind aus Datenschutzgründen alle geändert.

ANHANG | 191

Interview mit Herrn Reinhard Herr Reinhard hob die Zusammensetzung der Teilnehmer hervor, welche er in diesem Fall gelungen fand. Zur Geschichte des Mittleren Ostens hätte er gern noch mehr gehört, vertiefend interessiert ihn: »wer fühlt sich wie zugehörig? wer kann mit wem?« Auch die Einführung bestimmter Vokabeln fand er hilfreich. Als unmittelbaren Effekt des Seminars nannte er, dass er sich auf seiner anschließenden Reise zu einer Konferenz nach Dubai sicherer gefühlt hätte. Er hatte akzeptiert, dass z.B. Verhandeln einfach zum Kulturkreis gehört. Auch aktuell spürt er diese Wirkung, er hatte gerade ein Telefonat mit Kuwait: »da habe ich ein Angebot gemacht und dem, was ich [sonst anbieten kann]. [Ich bin] frei und trage dem Spiel Rechnung, indem ich mehr Schritte mache als in Deutschland [Zwischenschritte], weil ich ein Stück nachgeben kann … [es geht um die] Partnerschaft, nicht nur um den Preis … Es bringt mehr Flexibilität, dass ist auch nicht nur gut für den Umgang mit Menschen aus dem Mittleren Osten.« Er schildert auch, dass er ›freier‹ war und ›weniger überrascht‹, dass sich die Atmosphäre auf der Konferenz schlagartig änderte, als der erste arabische Redner ans Pult trat und die Zuhörer mit Brüder ansprach: »Ich war eher darauf eingestellt, wie schön diese Unterschiede sind, und sie nicht als Bedrohung zu sehen.« Wie bei der Mehrheit der Teilnehmer sieht auch Herr Reinhard das Seminar als eine ideale Vorbereitung, ergänzt mit Informationen über »den Zusammenhang innerhalb der arabischen Kulturen, Dominanzen, Streitigkeiten, [was das] Wichtige ist in Verhandlungen«, also einer stärkeren Binnendifferenzierung. Als zusätzliche Anregung zur Seminaroptimierung gibt Herr Reinhard an: die eine oder andere Länge raus zu nehmen durch zusätzliche Inhalte.

Interview mit Herrn Simon Herr Simon ist der einzige Teilnehmer zum Zeitpunkt der Evaluation, für den dieses Seminar ein Vorbereitungsseminar auf seine erste Geschäftsreise in die arabischen Länder war. Er hat vorher in Osteuropa und Südamerika gearbeitet, worauf er jedoch nicht weiter Bezug nimmt. Auf die erste Frage, »Wie war das Seminar für Sie persönlich? Wie haben Sie es erlebt?«, antwortete er: zweigeteilt: ich hatte zwei Interessenkreise, Erwartungshaltungen. Das eine kaufmännisch, auf die Region bezogen, das andere war der kulturelle Kontext.« Der erste war aus seiner Sicht gut abgedeckt, und gefiel ihm auch sehr. Was den zweiten As-

192 | INTERKULTURELLE KOMPETENZ

pekt betrifft, hätte er sich mehr Detailinformationen gewünscht, z.B. zu den Rechtssystemen oder zu Vertragsverhandlungen. Er relativiert seine Kritik jedoch etwas, indem er feststellt, dass einiges bei Prof. Jammal hierzu angeklungen ist, und dass seine eigene Erwartungshaltung »halt auch typisch [ist] für Vertriebler«. Außerdem merkte er an, dass er zu dem Seminar angemeldet wurde, und so auch »eigene Erwartungen« mitbrachte. Dennoch seien seine Erwartungen zu 80-85 % erfüllt worden und es hat ihm viel Spaß gemacht. Am nützlichsten empfand er die Erkenntnis, Situationen (kulturell) unterschiedlich bewerten zu können. Als Seminareffekte nennt er ein stärkeres Bewusstsein für kulturelle Unterschiede, eine höhere Sensibilität für die Wichtigkeit familiärer Themen, und die Empfindlichkeiten bei bestimmten Themen, sowie eine gesteigerte Aufmerksamkeit gegenüber der Gefahr von Missverständnissen.

Interview mit Herrn Jakob Herr Jakob hat seit fünf Jahren Erfahrung in deutsch-arabischen Geschäftsbeziehungen. Am wertvollsten fand er den Austausch mit anderen Seminarteilnehmern. Er sah als Ergebnis des Seminars eine Bewusstseinsveränderung und ein größeres Verständnis gegenüber seinen arabischen Partnern: »Man hat andere Interpretationsmöglichkeiten kennen gelernt …[um] die unterschiedlichen Werte und Verhaltensweisen einzuordnen. Man hat gelernt, die deutsche Brille abzusetzen.« Herr Jakob nennt Beispiele neuer Interpretationsrahmen: »besseres Bewusstsein und mehr Verständnis für verschiedene aufgetretene Situationen, in denen man sich früher respektlos behandelt gefühlt hat, z.B. Unpünktlichkeit der Araber, sowie Verlassen eines Meetings aufgrund eines Anrufs eines Familienmitgliedes. … [Ich habe eine] andere Interpretation dieser Situationen und Umgang mit den unterschiedlichen Werten in der arabischen Welt gelernt«.

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Kultur und soziale Praxis Katharina Zoll Stabile Gemeinschaften Transnationale Familien in der Weltgesellschaft

Halit Öztürk Wege zur Integration Lebenswelten muslimischer Jugendlicher in Deutschland

Juni 2007, ca. 240 Seiten, kart., ca. 25,80 €, ISBN: 978-3-89942-670-0

März 2007, ca. 300 Seiten, kart., ca. 28,80 €, ISBN: 978-3-89942-669-4

Klaus Müller-Richter, Ramona Maria Uritescu (Hg.) Imaginäre Topografien Migration und Verortung

Pascal Goeke Transnationale Migrationen Post-jugoslawische Biografien in der Weltgesellschaft

April 2007, ca. 340 Seiten, kart., ca. 27,80 €, ISBN: 978-3-89942-594-9

März 2007, 350 Seiten, kart., ca. 33,80 €, ISBN: 978-3-89942-665-6

Magdalena Nowicka (Hg.) Von Polen nach Deutschland und zurück Die Arbeitsmigration und ihre Herausforderungen für Europa

Reinhard Johler, Ansgar Thiel, Josef Schmid, Rainer Treptow (Hg.) Europa und seine Fremden Die Gestaltung kultureller Vielfalt als Herausforderung

April 2007, ca. 260 Seiten, kart., ca. 25,80 €, ISBN: 978-3-89942-605-2

Martin Baumann, Jörg Stolz (Hg.) Eine Schweiz – viele Religionen Risiken und Chancen des Zusammenlebens April 2007, ca. 325 Seiten, kart., ca. 15,80 €, ISBN: 978-3-89942-524-6

März 2007, ca. 300 Seiten, kart., ca. 28,80 €, ISBN: 978-3-89942-368-6

Daniel Münster Postkoloniale Traditionen Eine Ethnografie über Dorf, Kaste und Ritual in Südindien März 2007, ca. 264 Seiten, kart., ca. 27,80 €, ISBN: 978-3-89942-538-3

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Kultur und soziale Praxis Elias Jammal, Ulrike Schwegler Interkulturelle Kompetenz im Umgang mit arabischen Geschäftspartnern Ein Trainingsprogramm

María do Mar Castro Varela Unzeitgemäße Utopien Migrantinnen zwischen Selbsterfindung und Gelehrter Hoffnung

Februar 2007, 210 Seiten, kart., 21,80 €, ISBN: 978-3-89942-644-1

Januar 2007, 304 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN: 978-3-89942-496-6

Corinne Neudorfer Meet the Akha – help the Akha? Minderheiten, Tourismus und Entwicklung in Laos

Sabine Mannitz Die verkannte Integration Eine Langzeitstudie unter Heranwachsenden aus Immigrantenfamilien

Februar 2007, ca. 280 Seiten, kart., ca. 28,80 €, ISBN: 978-3-89942-639-7

2006, 346 Seiten, kart., 30,80 €, ISBN: 978-3-89942-507-9

Holger Michael Kulturelles Erbe als identitätsstiftende Instanz? Eine ethnographisch-vergleichende Studie dörflicher Gemeinschaften an der Atlantik- und Pazifikküste Nicaraguas

Manfred Glagow Die Mkandawires auf Livingstonia Eine afrikanische Familie in Zeiten der Mission, des Kolonialismus und der Diktatur, Malawi 1875-1994

Februar 2007, 230 Seiten, kart., 27,80 €, ISBN: 978-3-89942-602-1

TRANSIT MIGRATION Forschungsgruppe (Hg.) Turbulente Ränder Neue Perspektiven auf Migration an den Grenzen Europas

2006, 210 Seiten, kart., 24,80 €, ISBN: 978-3-89942-573-4

Annette Hornbacher (Hg.) Ethik, Ethos, Ethnos Aspekte und Probleme interkultureller Ethik 2006, 432 Seiten, kart., 31,80 €, ISBN: 978-3-89942-490-4

Januar 2007, 252 Seiten, kart., 24,80 €, ISBN: 978-3-89942-480-5

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Kultur und soziale Praxis Maria Wurm Musik in der Migration Beobachtungen zur kulturellen Artikulation türkischer Jugendlicher in Deutschland

Karin Scherschel Rassismus als flexible symbolische Ressource Eine Studie über rassistische Argumentationsfiguren

2006, 248 Seiten, kart., 25,80 €, ISBN: 978-3-89942-511-6

2006, 254 Seiten, kart., 25,80 €, ISBN: 978-3-89942-290-0

Michael Craanen, Antje Gunsenheimer (Hg.) Das ›Fremde‹ und das ›Eigene‹ Forschungsberichte (1992 – 2006)

Thomas Hüsken Der Stamm der Experten Rhetorik und Praxis des Interkulturellen Managements in der deutschen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit

2006, 364 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN: 978-3-89942-598-7

2006, 306 Seiten, kart., 27,80 €, ISBN: 978-3-89942-444-7

Heidrun Schulze Migrieren – Arbeiten – Krankwerden Eine biographietheoretische Untersuchung 2006, 282 Seiten, kart., 27,80 €, ISBN: 978-3-89942-495-9

Kerstin Hein Hybride Identitäten Bastelbiografien im Spannungsverhältnis zwischen Lateinamerika und Europa 2006, 472 Seiten, kart., 31,80 €, ISBN: 978-3-89942-447-8

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