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German Pages 347 Year 2016
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 99
Interessenkonflikte im Vorstand der Aktiengesellschaft
Von
Nico Holtkamp
Duncker & Humblot · Berlin
NICO HOLTKAMP
Interessenkonflikte im Vorstand der Aktiengesellschaft
Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen
Band 99
Interessenkonflikte im Vorstand der Aktiengesellschaft Von
Nico Holtkamp
Duncker & Humblot · Berlin
Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2015 als Dissertation angenommen.
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Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn im Jahr 2015 als Dissertation angenommen. Für die Veröffentlichung konnte der Stand der Literatur und Rechtsprechung bis Mitte 2015 berücksichtigt werden. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Professor Dr. Jens Koch, der das Thema der Arbeit angeregt, ihre Entstehung stets unterstützt und mir zugleich die erforderlichen Freiheiten gelassen hat. Danken möchte ich auch Herrn Professor Dr. Matthias Lehmann für die Erstellung des Zweitgutachtens. Von ganzem Herzen bedanke ich mich schließlich bei meinen Eltern für ihre vorbehaltlose Unterstützung während meiner gesamten Ausbildung, während der Entstehung dieser Arbeit und in allen sonstigen Lebenslagen. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Stuttgart, im Juni 2016
Nico Holtkamp
Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 § 1 Problemstellung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 I. Das Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 II. Eingrenzung des Themas und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
1. Teil Aktienrechtliche Grundsätze zur Lösung vorstandsbezogener Interessenkonflikte 1. Kapitel Grundlagen und Definitionen
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§ 2 Funktion und Rechtsstellung des Vorstands und der Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 I. Funktion, Aufgaben und Pflichten des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 II. Zusammensetzung und Organisation des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 III. Bestellung, Anstellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . 34 IV. Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 § 3 Vorstandsbezogene Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 I. Aufspaltung von Eigentum und Leitungsmacht als Grundursache von Interessenkonflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 II. Definition und Konkretisierung vorstandsbezogener Interessenkonflikte . . . . . . 40 1. Voraussetzungen eines rechtlich relevanten Interessenkonflikts . . . . . . . . . . . 40 2. Das Wohl der Gesellschaft als rechtlich geschütztes Interesse . . . . . . . . . . . . 42 3. Vorstandsbezogene Konfliktkriterien im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 a) Bewertungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 b) Konfliktsituation dem Grunde nach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 aa) Beachtlichkeit von Vor- und Nachteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 bb) Rechtsgeschäftlich begründete und tatsächliche Vor- und Nachteile 47 cc) Materielle und immaterielle Vor- und Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 dd) Unmittelbare und mittelbare Vor- und Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 ee) Konfliktsituation und Entscheidungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48
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Inhaltsverzeichnis c) Ausreichende Konfliktschwere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 aa) Verhältnis des materiellen Vor- oder Nachteils zur wirtschaftlichen Lage des Vorstandsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 bb) Individualisierte und qualifizierte Betroffenheit bei immateriellen Voroder Nachteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 cc) Ausreichendes Näheverhältnis bei mittelbaren Vor- oder Nachteilen 51 d) Interessenkonflikt bei Aufgabendelegation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
2. Kapitel Positivrechtliche Regelungen vorstandsbezogener Interessenkonflikte im Aktiengesetz
55
§ 4 Allgemeine gesetzliche Vorkehrungen zur Verringerung der Gefahr eigennützigen Vorstandshandelns (Überblick) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 I. Organisationsrechtliche Vorkehrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 1. Dualistische Verwaltungsstruktur der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . 55 2. Prinzip der Gesamtgeschäftsführung und -vertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 II. Bestimmungen zur Konfliktvermeidung und Interessenharmonisierung . . . . . . . 58 1. Beschränkung der Berufsfreiheit der Vorstandsmitglieder (§ 88 AktG) . . . . . 58 2. Erfolgsabhängige Vergütung (§ 87 Abs. 1 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 III. Androhung von Sanktionen bei Missbrauch der Leitungsmacht . . . . . . . . . . . . . 61 1. Haftungsrechtliche Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2. Widerruf der Bestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 IV. Ergänzende Vorkehrungen zur Konfliktregulierung bei börsennotierten Aktiengesellschaften (§ 161 AktG i. V. m. Ziff. 4.3 DCGK) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 § 5 Gesetzliche Sonderregelungen zur Vermeidung und Regulierung vorstandsspezifischer Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 I. Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 1. Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 2. Unwirksamkeit der Bestellung/Abberufung bei Zuständigkeitsverstoß . . . . . 66 II. Abschluss und Beendigung von Anstellungsverträgen sowie Festlegung der Anstellungsbedingungen (§§ 84 Abs. 1 Satz 5, 87 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 III. Befreiung vom gesetzlichen Wettbewerbsverbot (§ 88 Abs. 1 AktG) . . . . . . . . . 70 IV. Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder (§ 89 Abs. 1 AktG) . . . . . . . . . . . . . . 71 1. Regelungsinhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2. Rechtsfolgen bei Zuständigkeitsverstoß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 V. Kreditgeschäfte mit Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 1. Kreditgeschäfte mit vorstandsnahen Angehörigen oder Strohpersonen (§ 89 Abs. 3 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
Inhaltsverzeichnis
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2. Kreditgewährung an vorstandsnahe juristische Personen oder Personenhandelsgesellschaften (§ 89 Abs. 4 Satz 1 AktG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 VI. Vertretung der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat (§ 112 AktG) . . . . . . . . . . . 77 1. Normverständnis des § 112 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2. Sachlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 a) Keine Beschränkung auf organschaftliche Angelegenheiten . . . . . . . . . . . 78 b) Vertretungsmacht und Geschäftsführungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 c) Geschäfte des täglichen Lebens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 3. Persönlicher Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 a) Amtierende Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 aa) Unmittelbar betroffene Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 bb) Nicht direkt betroffene Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 b) Erweiterung des persönlichen Geltungsbereichs des § 112 AktG . . . . . . . 94 aa) Künftige Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 bb) Ehemalige Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 (1) Rechtsgeschäfte mit Organbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 (2) Drittgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 (3) Beraterverträge, Kreditgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 cc) Angehörige eines Vorstandsmitglieds und sonstige ihm nahe stehende Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 4. Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 112 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102
3. Kapitel Handlungsoptionen der Gesellschaft zur Neutralisierung vorstandsspezifischer Interessenkonflikte
105
§ 6 Rechte und Pflichten der Vorstandsmitglieder bei vorstandsinternen Interessenkonflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 I. Rechte und Pflichten des direkt betroffenen Mitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 1. Verweigerung der Geschäftsführung in der Konfliktangelegenheit . . . . . . . . . 106 a) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 b) Besonderheiten bei Kollegialentscheidungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 2. Beachtung der allgemeinen Sorgfaltspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 3. Pflicht zur Offenlegung des Interessenkonflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 a) Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 b) Adressaten der Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 c) Zeitpunkt der Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
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Inhaltsverzeichnis d) Grenzen der Offenlegungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 aa) Geheimhaltungsinteressen des Vorstandsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . . 116 (1) Offenlegungspflicht vs. Allgemeines Persönlichkeitsrecht . . . . . . 116 (2) Offenlegungspflicht bei Selbstbezichtigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 bb) Geheimhaltungsinteressen Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 e) Fortgesetzte Transparenz- und Dokumentationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . 121 II. Pflichten der nicht direkt betroffenen Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 1. Gesamtgeschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 2. Einzelgeschäftsführung des befangenen Vorstandsmitglieds . . . . . . . . . . . . . . 123 a) Pflicht zur vorstandsinternen Überwachung (Grundsätze) . . . . . . . . . . . . . 123 b) Grenzen der vorstandsinternen Überwachung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 3. Bloße Überwachungszuständigkeit des befangenen Vorstandsmitglieds . . . . 126
§ 7 Konfliktmanagement des Aufsichtsrats bei Interessenkonflikten von Vorstandsmitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 I. Vorbeugende Eindämmung von Interessenkonflikten durch abstrakt-generelle Regelungen in der Geschäftsordnung des Vorstands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 1. Festlegung allgemeiner Geschäftsführungsgrundsätze für Konfliktlagen in mehrgliedrigen Vorständen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 a) Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 b) Gestaltung im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 2. Zustimmungsvorbehalte für katalogmäßig erfasste Konfliktgeschäfte . . . . . . 131 a) Rechtsgrundlage und Funktion des Zustimmungsvorbehalts . . . . . . . . . . . 131 b) Konfliktgeschäft als zulässiger Gegenstand des Zustimmungsvorbehalts 132 c) Gestaltung im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 d) Zustimmungsvorbehalte bei Zuständigkeit des Gesamtvorstands und bei delegierten Konfliktgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 e) Erteilung der Zustimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 II. Kontrollinstrumente bei akutem Interessenkonflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 1. Erhöhung der Überwachungsdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 2. Anordnung von Ad-hoc-Zustimmungsvorbehalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 3. Ad-hoc-Änderungen der Organisation der Geschäftsführung? . . . . . . . . . . . . 142 4. Widerruf der Bestellung eines befangenen Vorstandsmitglieds . . . . . . . . . . . 143 a) Abberufung bei sachwidriger Untätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 b) Abberufung bei Dauerkonflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146
Inhaltsverzeichnis
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4. Kapitel Auswirkungen des Interessenkonflikts auf die Geschäftsführungsbefugnis des befangenen Vorstandsmitglieds
148
§ 8 Gesetzlicher Ausschluss des befangenen Vorstandsmitglieds von der Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 I. Unmöglichkeit der Geschäftsführung (§ 275 Abs. 1 BGB) . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 II. Geschäftsführungsausschluss aufgrund organschaftlicher Treuepflicht . . . . . . . 150 III. Ableitung des Geschäftsführungsausschlusses aus § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . . 152 IV. Geschäftsführungsausschluss auf Basis modifizierter verbandsrechtlicher Stimmverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 V. (Ergänzende) systematische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 1. Gesetzlicher Geschäftsführungsausschluss vs. Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . 156 2. Gesetzlicher Geschäftsführungsausschluss vs. Prinzip der Gesamtgeschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 § 9 Stimmverbot für das befangene Vorstandsmitglied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 I. Meinungsstand zu den Rechtsgrundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 II. Stimmverbot aufgrund organschaftlicher Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 III. Ableitung des Stimmverbots aus § 242 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 IV. Analoge Anwendung verbandsrechtlich normierter Stimmverbote . . . . . . . . . . . 161 1. Voraussetzungen, Zweck und Wirkungsweise verbandsrechtlicher Stimmverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 2. Analoge Anwendung der §§ 28, 34 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 a) Rechtsgeschäfte zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied . . . . . . . . . 166 b) Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 3. Ausdehnende Analogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 a) Rechtsgeschäfte der Aktiengesellschaft mit vorstandsnahen Dritten . . . . . 168 aa) Planwidrige Regelungslücke im positiven Recht? . . . . . . . . . . . . . . . . 168 bb) Systemwidrigkeit vorstandsrechtlicher Stimmverbote im Aktienrecht 174 b) Vorstandsbeschlüsse mit Auswirkung auf die Interessen von Doppelmandatsträgern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 4. Stimmverbot analog § 181 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181
5. Kapitel Nachgelagerter Schutz der Gesellschaft vor treuwidrigem Vorstandshandeln 183 § 10 Unwirksamkeit konfliktbelasteter Rechtsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 I. Unwirksamkeit von Rechtsgeschäften bei Mehrvertretung (§ 181 Var. 2 BGB) 184 1. Anwendbarkeit des § 181 BGB auf Aktienvorstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 2. Anwendung des § 181 Var. 2 BGB auf mehrgliedrige Vorstände . . . . . . . . . . 185
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Inhaltsverzeichnis 3. Gestattung und Genehmigung der Mehrvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 a) Gestattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 aa) Allgemeine Grundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 bb) Erklärungsgegner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 b) Genehmigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 II. Unwirksamkeit treuwidriger Geschäfte wegen Missbrauchs der Vertretungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 1. Voraussetzungen eines Vertretungsmissbrauchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 a) Allgemeine Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 b) Vertretungsmissbrauch durch den Vorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 2. Voraussetzungen auf Seiten des Geschäftspartners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 a) Allgemeine Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 b) Zurechnung bei Personengesamtheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196
§ 11 Haftungsrechtliche Konsequenzen konfliktbelasteten Vorstandshandelns . . . . . . . . . 197 I. Grundsätze der aktienrechtlichen Vorstandshaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 1. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 2. Kodifizierung eines weiten Geschäftsleiterermessens in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG („Business Judgment Rule“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 II. Der Einfluss von Interessenkonflikten auf das Haftungsprivileg des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 1. Konfliktfreiheit als Tatbestandsmerkmal des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG . . . . . 202 2. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen eines relevanten Interessenkonflikts 206 3. Konfliktneutralisierung durch Offenlegung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 4. Haftung des Befangenen bei bloßer Überwachungszuständigkeit . . . . . . . . . 210 III. Haftungsrechtliche Auswirkungen des Interessenkonflikts bei Kollektiventscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 1. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 2. Individuelle vs. kollektive Betrachtungsweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 3. „Infektion“ unbefangener Vorstandsmitglieder mit dem Interessenkonflikt eines Kollegen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214
Inhaltsverzeichnis
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2. Teil Sonderkonstellationen – Interessenkonflikte bei personellen Verflechtungen und bei öffentlichen Übernahmen 1. Kapitel Vorstandsinterne Pflichtenkollisionen bei personellen Verflechtungen (Doppelmandate)
221
§ 12 Doppelmandate außerhalb von Konzernstrukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 I. Konstellationen und Zulässigkeit von Doppelmandaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 II. Konfliktpotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 1. Kombination von Vorstands- und Aufsichtsratsmandat . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 a) Reichweite beider Pflichtenkreise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 b) Konkretes Konfliktpotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 2. Kombination zweier Vorstandsmandate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 III. Bisherige Lösungskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 IV. Konfliktlösung nach dem Prinzip der Pflichtenrelativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 1. Keine Unmöglichkeit der Pflichterfüllung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 2. Leistungsverweigerungsrecht des Doppelmandatsträgers nach § 275 Abs. 3 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 a) Allgemeine Grundsätze zur Pflichtenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 aa) Abwägungsmaßstab und Prüfungsprogramm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 bb) Einzelne Abwägungsschritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 (1) Ermittlung der rechtlich relevanten Belange . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 (2) Gewichtung der relevanten Belange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 (3) Ermittlung des sachgerechten Ergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 (4) Beachtung vorrangiger gesetzlicher Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . 240 b) Auflösung konkreter Konfliktsituationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 aa) Konflikte bei Kombination von Vorstands- und Aufsichtsratsmandat 241 (1) Vorrang der Geschäftsführungs- vor der Überwachungspflicht . . . 241 (2) Geschäftsführungspflicht aus dem Vorstandsmandat vs. „Geschäftsführungspflicht“ aus dem Aufsichtsratsmandat . . . . . . . . . . 242 (3) (Weitere) Scheinkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244 bb) Konflikte bei Kombination zweier Vorstandsmandate . . . . . . . . . . . . . 247 V. Schutz der Gesellschaftsinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 1. Primärebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 2. Haftungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 a) Haftung wegen konfliktbedingter Verweigerung der Pflichterfüllung . . . . 249 b) Haftung wegen pflichtwidriger Mandatsübernahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 aa) Vorstandsdoppelmandate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250
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Inhaltsverzeichnis bb) Kombination von Vorstands- und Aufsichtsratsmandat . . . . . . . . . . . . 252
§ 13 Doppelmandate im Aktienkonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 I. Inhalt und Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 II. Pflichtenkonflikte bei Doppelmandaten im faktischen Konzern . . . . . . . . . . . . . 254 1. Konzernrechtliches Regelungsumfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 a) Grenzen der Zulässigkeit von Doppelmandaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 b) Schranken des Einflusses der herrschenden Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . 255 2. Konfliktpotentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 a) Nachteilige Veranlassung „von oben“ als konzernspezifischer Konfliktsachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 b) Nachteilige Veranlassung ohne Nachteilsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 c) Nachteilige Veranlassung mit Nachteilsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 III. Doppelmandate im Vertrags- und Eingliederungskonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 1. Konzernrechtliches Regelungsumfeld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 2. Konfliktpotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263
2. Kapitel Interessenkonflikte bei öffentlichen Übernahmen
265
§ 14 Übernahme- und aktienrechtliche Regelungen zur Neutralisierung übernahmespezifischer Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 I. Übernahmespezifische Konfliktkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 1. Konfliktsituation dem Grunde nach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 2. Ausreichende Konfliktschwere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 a) Übernahmespezifische Grundsatzentscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 b) Maßnahmen nach Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 c) Entscheidungen bei sich anbahnendem Übernahmeangebot . . . . . . . . . . . 271 II. Übernahmerechtliche Ansätze zur Konfliktbewältigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 1. Materielle Verhaltenspflichten im Zusammenhang mit Übernahmeangeboten 272 a) Verhinderungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 aa) Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 bb) Ausnahmen vom Verhinderungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 (1) Geschäftsführung nach § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 WpÜG . . . . . . . 274 (2) Suche nach einem konkurrierenden Angebot (§ 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 2 WpÜG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 (3) Abwehrmaßnahmen mit Zustimmung des Aufsichtsrats (§ 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 3 WpÜG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 b) Materielle Beschränkung der Förderung von Übernahmeangeboten . . . . . 280
Inhaltsverzeichnis
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c) Materielle Sonderpflichten im Fall des Management Buyouts? . . . . . . . . . 281 aa) Suche nach Konkurrenzangeboten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 bb) Strikte Bietergleichbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 d) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 2. Prozedurale Beschränkungen der Geschäftsführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 a) Prozedurale Beschränkungen bei Abwehrmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . 284 b) Prozedurale Beschränkungen im Falle des Management Buyouts? . . . . . . 285 c) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 3. Übernahmespezifische Konflikttransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 a) Offenlegung von Sonderinteressen in der Angebotsunterlage (§ 11 Abs. 2 Satz 3 WpÜG) und der begründeten Stellungnahme (§ 27 WpÜG) . . . . . . 288 b) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 III. Ergänzung der übernahmerechtlichen Konfliktregelungen durch das allgemeine Aktienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 1. Offenlegung des Interessenkonflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 2. Geschäftsführungsbefugnis des befangenen Vorstandsmitglieds . . . . . . . . . . . 293 3. Konfliktkontrolle durch Vorstandskollegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 a) Übernahmespezifisches Grundproblem: Vorstandsübergreifende Konfliktlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 b) Beeinflussung des Übernahmeerfolgs als Leitungsmaßnahme . . . . . . . . . . 294 4. Konfliktkontrolle und -regulierung durch den Aufsichtsrat . . . . . . . . . . . . . . 295 a) Verhinderung sachwidriger Einflussnahmen auf den Übernahmeversuch durch Zustimmungsvorbehalte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 b) Erfordernis von Zustimmungsvorbehalten bei Handlungsermächtigung durch die Hauptversammlung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 aa) Vorratsermächtigung nach § 33 Abs. 2 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 298 bb) Ad-Hoc-Ermächtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 c) Abberufung befangener Vorstandsmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 5. Rechtsfolgen pflichtwidriger Abwehr- oder Fördermaßnahmen des Vorstands 301 a) (Un-)Wirksamkeit der Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 b) Schadensersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 c) Schadensersatzpflicht gegenüber den Aktionären . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 § 15 Konfliktneutralisierung bei Abgabe der begründeten Stellungnahme nach § 27 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 I. Offenlegung von Eigeninteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 1. Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 2. Gegenstand und Detailtiefe der Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 3. Einzelfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 a) Eigene Veräußerungsabsicht: Angaben nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 WpÜG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 b) Übernahmebezogene Zusagen des Bieters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311
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Inhaltsverzeichnis c) Change-of-Control-Klauseln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 II. Mitwirkungsverbot bzw. Recht zur Enthaltung für befangene Vorstandsmitglieder? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 III. Darstellung vorstandsinterner Meinungsverschiedenheiten/ Veröffentlichung von Sondervoten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 IV. Mitwirkung des Aufsichtsrats bei der Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344
Abkürzungsverzeichnis a. A. a.a.O. abl. ABl. EU Abs. abw. AcP a. E. a. F. AG AktG ALI allg. Alt. Anm. AR Art. Aufl. BaFin BAG BauGB BayVBl. BB Bd. BegrRegE BGB BGBl. BGH BGHSt BGHZ BilMoG BT-Drucks. BVerfGE BVerwG bzw. ca. c.i.c. DB DCGK ders. d. h.
anderer Ansicht am angegebenen Ort ablehnend Amtsblatt der Europäischen Union Absatz abweichend Archiv für die civilistische Praxis am Ende alte Fassung Aktiengesellschaft; Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift) Aktiengesetz American Law Institute allgemein(e, -er, -es, -en) Alternative Anmerkung Aufsichtsrat Artikel Auflage Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesarbeitsgericht Baugesetzbuch Bayerische Verwaltungsblätter Der Betriebs-Berater Band Begründung des Regierungsentwurfs Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts Bundestags-Drucksache Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht beziehungsweise circa culpa in contrahendo Der Betrieb Deutscher Corporate Governance Kodex derselbe das heißt
18 Dig. DÖV DStR etc. f., ff. Fn. FS GbR gem. GemO BW GenG GG ggf. GmbH GmbHG GmbHR Großkomm GS GWR h. A. Hdb HGB h. L. h. M. Hs. i. d. F. i. d. R. i.E. IFRS IRZ i. S. d. IStR i. S. v. i. V. m. J. Fin. Econ. J. L. Econ. J. Pol. Econ. JuS JZ KG KGaA Komm KonTraG LG lit. Mio. MitbestG Mrd.
Abkürzungsverzeichnis Digesten Die Öffentliche Verwaltung Deutsches Steuerrecht et cetera folgende Fußnote Festschrift Gesellschaft bürgerlichen Rechts gemäß Gemeindeordnung für Baden-Württemberg Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung GmbH-Rundschau Großkommentar Gedächtnisschrift Zeitschrift für Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht herrschende Ansicht/Auffassung Handbuch Handelsgesetzbuch herrschende Lehre herrschende Meinung Halbsatz in der Fassung in der Regel im Ergebnis International Financial Reporting Standards Zeitschrift für internationale Rechnungslegung im Sinne des (der) Internationales Steuerrecht im Sinne von in Verbindung mit Journal of Financial Economics Journal of Law and Economics Journal of Political Economy Juristische Schulung Juristenzeitung Kammergericht; Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Kommentar Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich Landgericht litera Millionen Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer Milliarden
Abkürzungsverzeichnis m. w. N. Neubearb. n. F. NJW NJW-RR Nr. NVwZ NZG o. ä. OLG p. a. rd. RefE RGBl. RGZ Rn. RNotZ RPfleger S. s. sog. StGB StPO st. Rspr. TransPuG u. u. a. UMAG unstr. usw. u. U. v. Var. vgl. VorstAG vs. VwVfG WM WpHG WpÜG WuB z. B. ZCG ZGR ZHR Ziff. ZIP
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mit weiteren Nachweisen Neubearbeitung neue Fassung Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht oder ähnlich(e, -es) Oberlandesgericht per annum rund Referentenentwurf Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Randnummer Rheinische Notar-Zeitschrift Der Deutsche Rechtspfleger Satz; Seite siehe sogenannt(e, -er, -es, -en) Strafgesetzbuch Strafprozessordnung ständige Rechtsprechung Gesetz zur weiteren Reform des Aktien- und Bilanzrechts, zu Transparenz und Publizität und unter anderem; und andere Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts unstreitig und so weiter unter Umständen von (vom) Variante vergleiche Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung versus Verwaltungsverfahrensgesetz Wertpapier-Mitteilungen Gesetz über den Wertpapierhandel Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz Entscheidungssammlung zum Wirtschafts- und Bankrecht zum Beispiel Zeitschrift für Corporate Governance Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Ziffer Zeitschrift für Wirtschaftsrecht
20 ZNotP ZPO ZRP z. T. zust.
Abkürzungsverzeichnis Zeitschrift für die Notarpraxis Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtspolitik zum Teil zustimmend
Einführung § 1 Problemstellung und Gang der Untersuchung I. Das Problem „Alles Recht hat es mit Interessen zu tun.“1 Diese Feststellung Eberhard SchmidtAßmanns spiegelt sich auch im Vorstandsrecht der Aktiengesellschaft wider. Bei der Leitung des Unternehmens stehen Vorstandsmitglieder von Aktiengesellschaften regelmäßig im Spannungsfeld vielfältiger, nicht selten kollidierender Interessen. Gegenläufige Interessen können zum einen unternehmensintern auftreten, z. B. bei der Verteilung begrenzter Investitionsmittel. Ebenso können sie in Gestalt gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Forderungen externer Interessenträger wie Staat und Gewerkschaften an die Aktiengesellschaft herangetragen werden. Derartige Interessenkonflikte sind jedoch nicht Gegenstand der vorliegenden Untersuchung. Sie thematisiert vielmehr eine dritte Art von Konfliktsituationen, nämlich die, dass persönliche Interessen eines Vorstandsmitglieds mit den von ihm zu vertretenden Interessen der Gesellschaft in Widerstreit geraten. Zum Einstieg in diese Problemlage sei folgendes Fallbeispiel vorangestellt: Der Stammsitz des international agierenden Automobilzulieferers Z-AG in S, an dem die Hauptverwaltung, der Bereich Forschung und Entwicklung (F&E) sowie ein Teil der Fertigung untergebracht sind, stößt an seine räumlichen Kapazitätsgrenzen. Deshalb plant der fünfköpfige Vorstand, den Fertigungsbetrieb in die Nachbargemeinde G zu verlegen, wo die Z-AG bereits ein größeres Fertigungswerk betreibt und über ausreichende Reserveflächen für Erweiterungsbauten verfügt. Die in S frei werdenden Flächen könnten dann durch einen Umbau für die Hauptverwaltung und den F&E-Bereich nutzbar gemacht werden. Um den Auftrag für die Bauarbeiten in S und G bewirbt sich u. a. die Baufirma B, die der Ehefrau des für Bauten und Liegenschaften der Z-AG zuständigen Vorstandsmitglieds V1 gehört. Das für F&E verantwortliche Vorstandsmitglied V2 favorisiert dagegen den Plan, die Fertigung in S zu belassen und stattdessen für seinen in S unter beengten räumlichen Verhältnissen leidenden Bereich „auf der grünen Wiese“ ein komplett neues, auf die Bedürfnisse von F&E optimal zugeschnittenes Forschungs- und Entwicklungszentrum zu errichten. Dafür stünde am zehn Kilometer von S entfernten Wohnort des V2 ein geeignetes Gelände zum Verkauf. Eigentümerin ist die Immobiliengesellschaft I, an der V2 als stiller Gesellschafter beteiligt ist. Zudem verbindet V2 mit dieser Lösung insgeheim auch die Erwartung, dass er die Verdienstmedaille seiner Gemeinde verliehen bekommt, wenn es ihm gelingt, dort eine neue attraktive Ansiedlung der Z-AG herbeizuführen.
1
Schmidt-Aßmann, in: Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 11, 37.
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Einführung
Dass sich Vorstandsmitglieder bisweilen schwer damit tun, ihre eigenen Interessen denen der Gesellschaft unterzuordnen, ist nicht nur in diesem Fallbeispiel zu befürchten. Auch in der Praxis geraten Vorstandsmitglieder immer wieder in Konflikt zu den ihnen anvertrauten Gesellschaftsinteressen. Diese Fälle werden selten öffentlich. Aber wenn sie es werden, keimt stets der Verdacht auf, dass die im Spiel befindlichen Eigeninteressen das Vorstandshandeln nicht unbedingt zum Vorteil der Gesellschaft beeinflusst haben. Mal geht es um dubiose Spenden an einen Sportverein,2 mal um die Vergabe hoch dotierter Posten an die Ehefrau,3 häufig um Geschäfte mit anderen Gesellschaften, an denen das Vorstandsmitglied selbst oder ihm nahe stehende Dritte maßgeblich beteiligt sind.4 Vorstandsmitglieder sind eben nicht nur Amtsträger „ihrer“ Gesellschaft. Sie führen auch ein Privatleben mit vielfältigen verwandtschaftlichen, freundschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Beziehungen. Daraus erwachsen rechtliche und sittliche Verpflichtungen, materielle und ideelle Interessen und Bedürfnisse, die den Interessen der zu leitenden Gesellschaft im Einzelfall durchaus zuwider laufen können. Derartige Konstellationen sind häufig nicht vorhersehbar und lassen sich deshalb auch nicht immer von vornherein vermeiden. Das führt zu der Frage, wie die Aktiengesellschaft als „Geschäftsherrin“ wirksam davor geschützt werden kann, dass die in ihrem Interesse zu treffenden Entscheidungen durch gegenläufige Eigeninteressen der Vorstandsmitglieder nachteilig beeinflusst werden. Dabei steht der vorbeugende Schutz im Vordergrund. Ihm nachgeordnet sind Kondiktions- und Schadensersatzansprüche, die erst greifen, wenn das „Kind bereits in den Brunnen gefallen“ ist.
2
Ein solcher Sachverhalt lag der Entscheidung BGH NJW 2002, 1585 ff. zu Grunde. Siehe Denkler, in der Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 07. 05. 2007: „Familienförderung bei Daimler-Chrysler – Der Schrempp, seine Frau und das Büro“ (http:// www.sueddeutsche.de/wirtschaft/familienfoerderung-bei-daimler-chrysler-der-schrempp-seinefrau-und-das-buero-1.902807; abgerufen am 06. 12. 2014). 4 Zu prominenten Beispielen aus der Vergangenheit siehe „Der Spiegel“ vom 13. 06. 1994 (Heft 24/1994, S. 96 ff.: „Der segensreiche Pakt“) zu Milliardenaufträgen der damaligen Mannesmann AG an die ihrem Vorstandsvorsitzenden privat gehörende Hydac-Gruppe; ferner die Berichte „Lohnte sich“ („Der Spiegel“, 28. 11. 1988, Heft 48/1988, S. 126 ff.) über für die Krupp Stahl AG verlustreiche Recycling-Geschäfte mit der Rheinform GmbH, an der der damalige Krupp-Vorstandsvorsitzende maßgeblich beteiligt war, und „Schiefes Bild“ (Der Spiegel, 5. 11. 1984, Heft 45/1984, S. 59 ff.) über Grundstücksgeschäfte zwischen der damaligen Baugesellschaft Neue Heimat AG (NH) und einer von ihrem Vorstandsvorsitzenden privat gegründeten Gesellschaft namens Terrafinanz, die der NH einen Millionenschaden eintrugen. Als medienträchtiges jüngeres Beispiel lässt sich der Fall des Vorstandsvorsitzenden der ehemaligen KarstadtQuelle AG anführen, dem vorgeworfen wird, sich nicht gegen überzogene Mietforderungen gewehrt zu haben, die die KarstadtQuelle AG an einen Immobilienfonds bezahlen musste, an dem er und seine Ehefrau beteiligt waren. Siehe hierzu den Bericht „Staatsanwälte ermitteln gegen Middelhoff“ in der Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung (http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/arcandor-untreue-verdacht-staatsanwaelte-ermitteln-ge gen-middelhoff-1.448015; abgerufen am 13. 11. 2014). 3
§ 1 Problemstellung und Gang der Untersuchung
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II. Eingrenzung des Themas und Gang der Untersuchung Dieser letztgenannte Aspekt – der Schutz von Vorstandsentscheidungen vor sachfremden Sonderinteressen der Vorstandsmitglieder – steht im Zentrum dieser Untersuchung, die sich zu diesem Zweck in zwei Teile untergliedert. Dem ersten Teil kommt dabei die Aufgabe einer Grundsatzbetrachtung zu, die die allgemeinen Ursachen und Ausprägungen vorstandsspezifischer Interessenkonflikte in den Blick nimmt und untersucht, mit welchen Mitteln das Aktienrecht derartige Konflikte zu vermeiden bzw. zu neutralisieren versucht. Der zweite Teil widmet sich Konfliktsituationen, die aufgrund ihrer Intensität und/oder der Tatsache, dass sie in einem das allgemeine Aktienrecht ergänzenden speziellen Regelungsregime auftreten, der weiteren Betrachtung bedürfen. Im Zentrum steht hier die Frage, ob sich die im ersten Teil identifizierten Grundsätze auch in diesen Sondersituationen bewähren und inwieweit sie der Ergänzung bedürfen. Der erste Teil der Arbeit beleuchtet, nach einem knappen Überblick über die wesentlichen Funktionen und die Rechtsstellung des Aktienvorstands und seiner Mitglieder, die allgemeinen Ursachen, Voraussetzungen und Erscheinungsformen vorstandsbezogener Interessenkonflikte (1. Kapitel). Dem folgen eine Darstellung der allgemeinen, insbesondere organisationsrechtlichen Vorkehrungen, die das Aktiengesetz zur Verringerung der Gefahren eigennützigen Vorstandshandelns trifft sowie eine Analyse der konkreten aktiengesetzlichen Regelung typischer Einzelkonflikte (2. Kapitel). Das dritte Kapitel beschreibt sodann, welche Handlungsoptionen die Aktiengesellschaft hat, um sich außerhalb der gesetzlich geregelten Einzelfälle vorbeugend gegen die Gefahr treuwidrigen Amtshandelns befangener Vorstandsmitglieder zu schützen. Dabei spielt der Aufsichtsrat als zweites Verwaltungsorgan der Gesellschaft eine tragende Rolle. Gegenstand des vierten Kapitels ist die Auseinandersetzung mit der in der Literatur vertretenen Ansicht, dass befangene Vorstandsmitglieder zur Vermeidung von Interessenkonflikten kraft Gesetzes von der Geschäftsführung in der Konfliktsache ausgeschlossen sind bzw. bei einschlägigen Beschlussfassungen im Vorstand einem Stimmverbot unterliegen. Das fünfte Kapitel des ersten Teils befasst sich mit dem nachgelagerten Schutz der Gesellschaft vor treuwidrigem Vorstandshandeln, wobei das Schwergewicht auf die haftungsrechtlichen Konsequenzen gelegt wird. Nachdem die allgemeinen aktienrechtlichen Grundsätze zum Schutz der Gesellschaft vor Interessenkonflikten ihrer Vorstandsmitglieder geklärt sind, wendet sich die Untersuchung in ihrem zweiten Teil den oben angesprochenen Spezialfällen zu. Sie beginnt mit den sogenannten Doppelmandaten (1. Kapitel). Hierbei handelt es sich um Sachverhalte, in denen das Vorstandsmitglied neben seinem Vorstandsamt noch in einer anderen Gesellschaft eine Organstellung innehat, entweder als Aufsichtsratsmitglied oder abermals als Vorstandsmitglied. Anzutreffen sind solche Verflechtungen sowohl außerhalb wie aber vor allem auch innerhalb von Konzernstrukturen. Die Besonderheit dieser Konfliktlagen besteht darin, dass die Geschäftsleiterpflichten des Vorstandsmitglieds hier nicht mit einem einfachen Ei-
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Einführung
geninteresse, sondern mit einer grundsätzlich ebenfalls nicht zu seiner Disposition stehenden Rechtspflicht aus einem zweiten Mandatsverhältnis in Konflikt geraten. Es liegt also ein Fall der Pflichtenkollision vor, der sachgerecht aufzulösen ist. Das zweite Kapitel behandelt das Problem vorstandsinterner Interessenkonflikte in Situationen der öffentlichen Übernahme. Die Untersuchung wird sich hier auf Konflikte im Vorstand der Zielgesellschaft beschränken, d. h. auf Konflikte im Vorstand derjenigen Gesellschaft, für deren Anteile ein Dritter, der sogenannte Bieter, sein Erwerbsangebot abgegeben hat. Aus Sicht des Bieters stellt sich der Übernahmeversuch, wenn zumeist auch nicht in der wirtschaftlichen Bedeutung, so aber doch strukturell als weitgehend normales Erwerbsgeschäft dar. Bei ihm werden aus Anlass der Übernahmesituation deshalb auch keine Fragen aufgeworfen, die nicht zumindest im Grundsatz bereits in einem der vorhergehenden Kapitel der Untersuchung angesprochen wurden. Der Vorstand der Zielgesellschaft hingegen befindet sich in einer besonderen Lage. Durch den Übernahmeversuch, also durch einen Vorgang, der zwischen dem Bieter und den Aktionären der Zielgesellschaft und damit über den Kopf des Vorstands hinweg stattfindet, wird seine zukünftige Rechtsstellung in vielerlei Hinsicht berührt und in Frage gestellt. Gleichzeitig ist er, obwohl an sich nur Zuschauer der Transaktion, mit diversen speziellen Pflichten ausgestattet, denen er unter Beachtung der Interessen der Zielgesellschaft gerecht werden muss. Es fragt sich, wie er diesen Anforderungen gerecht werden kann und inwieweit das spezialgesetzliche Umfeld des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes zu Modifikationen der im ersten Teil der Arbeit herausgearbeiteten Grundsätze führt. Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der wesentlichen Untersuchungsergebnisse. Keinen eigenständigen Gegenstand der Arbeit bilden die häufig diskutierten Konfliktlagen, denen sich die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft im Zusammenhang mit einem sogenannten Managment Buyout ausgesetzt sehen, d. h. wenn sie selber den Erwerb des von ihnen geleiteten Unternehmens anstreben. Rechtstechnisch ist ein solcher Management Buyout sowohl als Asset Deal wie auch als Share Deal denkbar: Im ersten Fall erwerben die Vorstandsmitglieder die das Unternehmen verkörpernden Einzelgegenstände von der Aktiengesellschaft, im zweiten Fall erwerben sie von den Aktionären der Gesellschaft die Gesellschaftsanteile.5 Insgesamt treten in diesen Situationen mehrere Ausprägungen von Interessenkonflikten zu Tage: Die erste betrifft den Share Deal und gründet auf den unterschiedlichen Preisinteressen der erwerbswilligen Vorstandsmitglieder einerseits und der veräußernden Aktionäre andererseits.6 Im Gegensatz zu den in dieser Arbeit problematisierten Kollisionslagen handelt es sich dabei folglich nicht um einen Konflikt eines Vorstandsmitglieds, der durch dessen Verpflichtung auf die Interessen der Gesellschaft ausgelöst wird, sondern in erster Linie um einen Inter-
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Rhein, Interessenkonflikt beim Management Buy-out, S. 10 ff. Rhein, a. a. O., S. 14 f.
§ 1 Problemstellung und Gang der Untersuchung
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essengegensatz zwischen den Parteien eines Austauschgeschäfts.7 Als solcher bedarf er anderer Lösungsansätze als die hier diskutierten Konfliktlagen.8 Ein zweites Konfliktfeld besteht sodann in Fällen als Asset Deal strukturierter Management Buyouts, nämlich in Gestalt des Preiskonflikts zwischen den erwerbswilligen Vorstandsmitgliedern und der ihre Vermögensgegenstände veräußernden Aktiengesellschaft. Sowohl im Falle des Share Deals als auch des Asset Deals besteht schließlich die Gefahr, dass die Vorstandsmitglieder im Vorfeld der Transaktion durch ihr Eigeninteresse an einem möglichst preisgünstigen Unternehmenserwerb dazu verleitet werden, die Gesellschaft durch (kurzfristig) nachteilige Geschäftsführungsmaßnahmen zu beeinträchtigen und so den Kaufpreis zu drücken, den sie an die Gesellschaft (Asset Deal) bzw. an die veräußernden Aktionäre (Share Deal) entrichten müssen.9 Dieses Risiko – wie auch das vorgenannte divergierende Kaufpreisinteresse im Falle des Asset Deals – entspricht in seiner Struktur als Widerstreit zwischen Gesellschaftinteresse einerseits und persönlichen Vorstandsinteressen andererseits den in dieser Arbeit behandelten Konflikten. Der Umgang mit den daraus folgenden Gefahren kann im Wesentlichen somit den allgemeinen Grundsätzen unterworfen werden, die im ersten Teil der Arbeit entwickelt werden. Einer grundsätzlich eigenständigen Betrachtung dieser Situationen bedarf es im Rahmen dieser Arbeit nicht.
7 Die besondere Brisanz liegt dabei in dem Informationsvorsprung, den die erwerbswilligen Manager gegenüber den Gesellschaftern mit Blick auf den Zustand und den Wert des Unternehmens haben (Rhein, a. a. O., S. 16). 8 Ausführlich z. B. Fleischer, AG 2000, S. 309 ff.; vgl. auch Hölters, in: Hdb Unternehmenskauf, Teil I Rn. 83 f. 9 Rhein, a. a. O., S. 15, 17.
1. Teil
Aktienrechtliche Grundsätze zur Lösung vorstandsbezogener Interessenkonflikte
1. Kapitel
Grundlagen und Definitionen Im Mittelpunkt der Untersuchung steht der Vorstand einer Aktiengesellschaft als Träger von Interessenkonflikten. Die Erörterungen beginnen deshalb mit einem Überblick darüber, welche Funktion und Aufgaben der Vorstand hat und wie die Rechte und Pflichten seiner Mitglieder im Ordnungsgefüge der Aktiengesellschaft ausgestaltet sind. Diese Fragen werden im Verlauf der Untersuchung immer wieder im Blickpunkt stehen und sind deshalb in einer zusammenfassenden Übersicht vor die Klammer zu ziehen. Gleiches gilt für den Begriff des Interessenkonflikts. Im Gegensatz zu anderen Regelungsmaterien verfügt das Aktiengesetz nicht über einen ausdrücklichen Befangenheitskatalog. Auch enthält es keine positivierte generalklauselartige Aussage dazu, wann von einem rechtlich relevanten Interessenkonflikt eines Vorstandsmitglieds auszugehen ist.1 Zu ermitteln ist daher, welche Merkmale den Interessenkonflikt eines Vorstandsmitgliedes kennzeichnen und unter welchen Voraussetzungen diesem Konflikt eine Bedeutung beizumessen ist, auf die das Aktienrecht zum Schutz der Gesellschaft reagieren muss.
§ 2 Funktion und Rechtsstellung des Vorstands und der Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft I. Funktion, Aufgaben und Pflichten des Vorstands Der Vorstand ist neben dem Aufsichtsrat und der Hauptversammlung notwendiges Organ der Aktiengesellschaft.2 Die Gesellschaft handelt „durch den Vorstand“.3 Er ist ihr zentrales Geschäftsführungsorgan; maßgeblich durch ihn ist sie willens- und handlungsfähig.4 Der Vorstand handelt einmal im Innenverhältnis, also im Verhältnis zu den anderen Gesellschaftsorganen. Zum zweiten umfasst sein Handeln für die Gesellschaft auch ihre gerichtliche und außergerichtliche Vertretung im Außenverhältnis (§ 78 Abs. 1 AktG). 1 Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141, 142 („Gesetzliche Vorgaben zum Begriff des Interessenkonflikts gibt es nicht.“); J. Koch, ZGR 2014, 697, 698. 2 Hüffer/Koch, AktG § 76 Rn. 6; Vedder, in: Grigoleit AktG § 76 Rn. 3. 3 Kort, in: Hdb des Vorstandsrechts § 2 Rn. 1. 4 Kort, in: Hdb des Vorstandsrechts § 2 Rn. 1.
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1. Teil, 1. Kap.: Grundlagen und Definitionen
Zur Geschäftsführung gehören sämtliche tatsächlichen und rechtlichen Handlungen, und zwar sowohl interne wie externe Maßnahmen.5 Die Beschlussfassung des Vorstands als Vorgang der organinternen Willensbildung zählt dabei ebenso zur Geschäftsführung wie die Ausführung der beschlossenen Maßnahme, die auch in einem externen Vertretungsgeschäft mit einem Dritten bestehen kann.6 Dabei ist zu beachten, dass zwar ausnahmsweise – „im Rahmen der Vorschriften über die Aktiengesellschaft“ – die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands im Innenverhältnis, nicht aber seine Vertretungsmacht nach außen beschränkt werden kann (§ 82 AktG).7 Herausgehobener Kernbereich der Geschäftsführung ist die Leitung der Gesellschaft (§ 76 AktG), zu der der Vorstand aufgrund seiner Organstellung berechtigt und auch verpflichtet ist („Pflichtrecht“).8 Bezugspunkt des Leitungsauftrags ist nach allgemeiner Ansicht entgegen dem engen Wortlaut des Gesetzes nicht nur die Gesellschaft, sondern auch und besonders das von ihr betriebene Wirtschaftsunternehmen.9 Der Begriff der „Leitung“ i. S. d. § 76 Abs. 1 AktG umfasst die „grundlegenden Entscheidungen über Zielkonzeption, Organisation, Führungsgrundsätze, Geschäftspolitik (Finanzierung, Personalwesen, Verwaltung, Investition, Beschaffung, Entwicklung, Produktion und Vertrieb)“ sowie die Besetzung der dem Vorstand nachgeordneten Führungsebene.10 Hinzu kommen die dem Vorstand kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung obliegenden gesellschaftsorganisatorischen Aufgaben wie z. B. die Einberufung und Vorbereitung von Aufsichtsratssitzungen und Hauptversammlungen (§§ 110 Abs. 1, 121 Abs. 2, 83, 90, 118 Abs. 2, 124 Abs. 3, 119 Abs. 2, 186 Abs. 4 AktG), die Vorlage des Jahresabschlusses und des Lageberichts an den Aufsichtsrat (§ 170 AktG), die Anfechtung von Hauptversammlungsbeschlüssen (§ 245 Nr. 4 AktG) sowie die Entwicklung und Leitung eines Risikoüberwachungssystems (§ 91 Abs. 2 AktG).11 Abgerundet wird der Bereich der Leitungsaufgaben durch Maßnahmen und Geschäfte, die für die Gesellschaft von besonderer Bedeutung sind oder mit denen ein außergewöhnliches Risiko verbunden ist.12 Die Leitungsaufgabe als „herausgehobener Teil der Geschäftsführung“ be5 Hüffer/Koch, AktG § 77 Rn. 3; Weber, in: Hölters AktG § 77 Rn. 3; Spindler, in: MünchKomm AktG § 77 Rn. 6; Wiesner, in: MünchHdb AG § 22 Rn. 1. 6 Kort, in: Großkomm AktG § 77 Rn. 3; Hüffer/Koch, AktG § 77 Rn. 3; Weber, in: Hölters AktG § 77 Rn. 3. 7 Hierzu Kort, in: Hdb des Vorstandsrechts § 2 Rn. 10. 8 Fleischer, ZIP 2003, 1, 3; ders., in: Hdb des Vorstandsrechts § 1 Rn. 7; 11; Hüffer/Koch, AktG § 76 Rn. 8; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 76 Rn. 4; Seibt, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1466. 9 Ganz h.M. Siehe nur Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 1 Rn. 2. 10 Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 76 Rn. 4; Goette, in: FS 50 Jahre BGH, 2000, S. 123, 125 f.; Hüffer/Koch, AktG § 76 Rn. 9; Henze, BB 2001, 53, 57. 11 Zu diesem Katalog vgl. Hüffer/Koch, AktG § 76 Rn. 9; ähnlich Henze, BB 2001, 53, 57; Kort, in: Großkomm AktG § 76 Rn. 35. 12 Fleischer, ZIP 2003, 1, 6; Henze, BB 2000, 209, 210; Kort, in: Großkomm AktG § 76 Rn. 36; Mertens/Cahn, in Kölner Komm § 76 Rn. 5 (auf die „Erheblichkeit“ abstellend).
§ 2 Funktion und Rechtsstellung des Vorstands
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stimmt den unabdingbaren und nicht delegierbaren Kompetenzbereich des Vorstands und macht ihn damit zum eigentlichen Führungszentrum der Gesellschaft.13 In der Praxis kümmern sich die Vorstandsmitglieder regelmäßig nur um die wichtigsten in der Gesellschaft anfallenden Geschäftsvorfälle persönlich. Ein Großteil der Geschäftsführungstätigkeit ist hingegen an nachgeordnete Abteilungen delegiert (sog. „vertikale Delegation“).14 Das ist für das Funktionieren speziell größerer Unternehmen unabdingbar.15 Es ist, sofern es sich bei den delegierten Aufgaben nicht um Leitungsaufgaben handelt, auch rechtlich zulässig.16 Dabei ist zu beachten, dass die Delegation der Geschäftsführungstätigkeit zu einer modifizierten Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder führt. Diese bezieht sich in Hinblick auf die übertragenen Tätigkeiten dann nicht mehr auf die Ausführung der eigentlichen Aufgabe, sondern die Vorstandsmitglieder müssen Sorge dafür tragen, dass die beauftragten Personen für die Wahrnehmung der Aufgaben geeignet und ausreichend eingewiesen sind.17 Zudem muss der Vorstand die nachgeordneten Aufgabenträger ausreichend überwachen.18 Zu diesem Zweck muss er gegebenenfalls ein angemessenes Kontrollsystem einrichten.19 Seine Entscheidungen trifft der Vorstand „unter eigener Verantwortung“, d. h. selbständig, weisungsfrei und nach eigenem Ermessen.20 Dies bedeutet jedoch keine Beliebigkeit. Vielmehr sind die Vorstandsmitglieder verpflichtet, ihre Aufgaben mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zum „Wohl der Gesellschaft“ auszuüben (vgl. § 93 Abs. 1 und 2 AktG). Ferner dürfen sie als „treuhänderische Verwalter des ihnen anvertrauten Vermögens“21 bei ihrer Amts13
Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 1 Rn. 1. Die Delegation von Leitungsaufgaben hingegen stellt eine Pflichtverletzung des übetragenden Vorstandsmitglieds dar (Hopt, in: Großkomm AktG § 93 Rn. 55; Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 8 Rn. 27; kritisch hierzu Seibt, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1463 ff., der die Frage der Delegationsfähigkeit einer Maßnahme losgelöst vom abstrakten Leitungsbegriff zum Gegenstand einer „sorgfältigen unternehmerischen Entscheidung“ machen möchte). 14 Vgl. Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 8 Rn. 26 ff. 15 Z. B. Goette, ZHR 175 (2011), 388, 395 (Vorstand „muss und kann regelmäßig nicht alle Aufgaben allein erfüllen“). 16 Goette, a.a.O. 17 Vgl. Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 8 Rn. 30 („Auswahlsorgfalt“), Rn. 31 („Einweisungssorgfalt“); Goette, ZHR 175 (2011), 388, 395; Seibt, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1481 („cura in delegando“ bzw. „cura in instruendo“). 18 Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 8 Rn. 32 ff. („Überwachungssorgfalt“); Goette, ZHR 175 (2011), 388, 395; Seibt, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1481 f. („cura in costudiendo“). 19 Seibt, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1482. Zur Einrichtung einer Compliance-Organisation Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 8 Rn. 40 ff.; ferner Hüffer/Koch, AktG § 76 Rn. 11 ff. 20 Hüffer/Koch, AktG § 76 Rn. 25, 28. 21 Wiesner, in: MünchHdb AG § 25 Rn. 11; U. Schmidt, in: Heidel AktR § 93 AktG Rn. 8, 32; ebenso Weber, in: Hölters AktG § 76 Rn. 7; so ähnlich auch Hopt, in: Großkomm AktG § 93
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1. Teil, 1. Kap.: Grundlagen und Definitionen
führung nach allgemeiner Ansicht allein das „Wohl und Wehe“ der Gesellschaft und nicht (auch) ihren eigenen Nutzen oder den Vorteil Dritter anstreben.22 Im Konfliktfall müssen sie ihre eigenen Interessen denen der Gesellschaft unterordnen. Dogmatisch wurzeln diese Verhaltensanforderungen in der organschaftlichen Stellung der Vorstandsmitglieder und werden zusammenfassend als „organschaftliche Treuepflicht“ bezeichnet.23 Sie fällt von ihrer Intensität her strenger aus als die üblicherweise aus Treu und Glauben abgeleiteten Nebenpflichten im zivilrechtlichen Geschäftsverkehr.24 Ihren rechtfertigenden Grund finden diese strengen Treuepflichten als notwendiges Korrelat zu den weitreichenden Befugnissen und Einwirkungsmöglichkeiten, die die Vorstandsmitglieder bezüglich der ihnen anvertrauten Vermögenswerte haben, und die zum Schutz der Gesellschaft nach „rechtlicher Bindung und tatsächlicher Kontrolle“ verlangen.25 Spezielle gesetzliche Ausprägungen der Treuepflicht finden sich im Wettbewerbsverbot (§ 88 AktG),26 in der Verschwiegenheitspflicht (§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG)27 und – bereits aus dem Gesetzeswortlaut ersichtlich – beispielsweise auch in der Pflicht zu einer „gewissenhaften und getreuen Rechenschaft“ gegenüber dem Aufsichtsrat (§ 90 Abs. 4 AktG).
II. Zusammensetzung und Organisation des Vorstands Der Vorstand besteht aus einer oder mehreren natürlichen Personen. Ab einem Grundkapital von mehr als drei Millionen Euro hat er grundsätzlich, bei Bestellung eines Arbeitsdirektors nach § 33 MitbestG immer, aus mindestens zwei Mitgliedern zu bestehen, § 76 Abs. 2 AktG. Bei einem mehrgliedrigen Vorstand gilt der Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung und -vertretung (§§ 77 Abs. 1 Satz 1, 78 Abs. 2 Satz 1 AktG). Mit dem Prinzip der Gesamtgeschäftsführung korrespondiert in Rn. 12 („treuhänderische Verwalter des Vermögens der Gesellschafter“). Die Terminologie ist nicht ganz einheitlich. So wird bisweilen lediglich von einer „treuhandähnlichen“ Rechtsstellung oder von einer „Treuhänderstellung im weiteren Sinne“ gesprochen. Nachweise hierzu bei Fleischer, WM 2003, 1045. In Hinblick auf das grundsätzliche Pflichtenprogramm, das dieser Formulierung zugrunde liegt, herrscht jedoch weithin Einvernehmen. 22 BGH WM 1967, 697; WM 1977, 361, 362; WM 1983, 498; WM 1989, 1335, 1339; Hopt, in: Großkomm AktG § 93 Rn. 145; Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 9 Rn. 2. 23 Vgl. BGHZ 13, 188, 192; 20, 239, 246; ausführlich Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 9 Rn. 1 ff. 24 So Fleischer, WM 2003, 1045; Hüffer/Koch, AktG § 84 Rn. 10; Hopt, in: Großkomm AktG § 93 Rn. 145. 25 Fleischer, WM 2003, 1045, 1046. Grundlegend zu diesem allgemeinen Gedanken Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 342 f., der ausführt, dass gesteigerte Rücksichtnahmepflichten sich überall dort „aus dem Wesen der Sache“ ergeben, wo die formalen Grenzen eines Rechts seinen materiellen Gehalt nicht zutreffend wiedergeben. 26 Fleischer, AG 2005, 336, 337; Hüffer/Koch, AktG § 88 Rn. 1. 27 Hölters, in: Hölters AktG § 93 Rn. 133; Hopt, in: Großkomm AktG § 93 Rn. 187; Spindler, in: MünchKomm AktG § 93 Rn. 113.
§ 2 Funktion und Rechtsstellung des Vorstands
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Hinblick auf die vorstandsinterne Willensbildung das Einstimmigkeitsprinzip. Demnach ist eine Maßnahme nur beschlossen und zur Umsetzung frei gegeben, wenn ihr alle Vorstandsmitglieder zugestimmt haben.28 Abweichend von dem insbesondere bei größeren Vorstandsgremien schwerfälligen Einstimmigkeitsprinzip kann die Satzung oder die Geschäftsordnung des Vorstands ein Mehrheitsprinzip vorsehen.29 Dabei kommt in den Fällen einer Leitungsentscheidung als Mehrheitsreferenz nur die Mehrheit aller amtierenden (= bestellten) Vorstandsmitglieder in Betracht, weil nur so dem Umstand Rechnung getragen wird, dass der Vorstand die Leitungsaufgabe als Gesamtorgan mit allen seinen Mitgliedern wahrnehmen muss. Käme es nur auf die Mehrheit der abgegeben Stimmen an, könnten Leitungsentscheidungen auch von einem einzelnen an der Beschlussfassung teilnehmenden Mitglied wirksam getroffen werden. Das würde der ratio des § 76 AktG nicht gerecht.30 Vom Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung und -vertretung kann durch die Satzung, hinsichtlich der Geschäftsführung auch durch die Geschäftsordnung des Vorstands, abgewichen werden (§ 77 Abs. 1 Satz 2 AktG). Der Notwendigkeit eines arbeitsteiligen Wirtschaftslebens gehorchend sind die Aufgaben der Geschäftsführung in der Praxis regelmäßig auf einzelne Vorstandsmitglieder übertragen (sog. „horizontale Delegation“).31 Das trifft insbesondere bei größeren Gesellschaften zu, wo es wegen der Komplexität und Vielzahl geschäftlicher Vorgänge normalerweise unerlässlich ist, die Geschäfte auf die einzelnen Vorstandsmitglieder zu ihrer selbständigen Wahrnehmung zu verteilen.32 Üblicherweise werden die Aufgaben hierzu nach Funktionen (z. B. Forschung und Entwicklung, Produktion, Vertrieb, Finanzen, Recht und Personal), ebenso aber auch nach (Produkt-)Sparten (z. B. bei einem Kraftfahrzeugzulieferer nach Dieseleinspritztechnik, Benzineinspritzung, Bremstechnik, Elektrische Antriebe usw.) oder auch nach Regionen unterteilt, wobei auch Mischformen hiervon gängige Praxis sind.33
28 Hüffer/Koch, AktG § 77 Rn. 6; Kort, in: Großkomm AktG § 77 Rn. 7; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 77 Rn. 10; Weber, in: Hölters AktG § 77 Rn. 5. 29 Dies folgt aus der durch § 77 Abs. 1 Satz 2, 1. Hs. AktG eröffneten Möglichkeit, per Satzung oder Geschäftsordnung „Abweichendes“ zu bestimmen (Hüffer/Koch, AktG § 77 Rn. 9 f.; Kort, in: Großkomm AktG § 77 Rn. 20; Weber, in: Hölters AktG § 77 Rn. 6). 30 Hüffer/Koch, AktG § 77 Rn. 18; Kort, in: Großkomm AktG § 77 Rn. 31; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 77 Rn. 22. 31 Vgl. Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 8 Rn. 5 ff.; ferner Goette, ZHR 175 (2011), 388, 394 f. sowie Hemeling, ZHR 175 (2011), 368, 377 (jeweils für den Sonderfall des Aufbaus eines Compliance-Systems). 32 Weber, in: Hölters AktG § 77 Rn. 6. Vgl. auch Spindler, in: MünchKomm AktG § 93 Rn. 148 („bei mehrgliedrigem Vorstand […] im Interesse der Effektivität“). 33 Vgl. Hüffer/Koch, AktG § 77 Rn. 10.
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1. Teil, 1. Kap.: Grundlagen und Definitionen
Ungeachtet der individuellen Ressortverantwortung gilt das Prinzip der Gesamtverantwortung für die Geschäftsführung.34 Danach sind alle Mitglieder prinzipiell mitverantwortlich für jede tatsächliche oder rechtsgeschäftliche Amtshandlung des Vorstands („Restverantwortung“).35 Dementsprechend muss sich jedes Mitglied über die wesentlichen Vorgänge im Unternehmen auch außerhalb seines eigenen Ressorts auf dem Laufenden halten.36 Soweit einzelne Geschäftsaktivitäten eines Kollegen erkennbar nicht ordnungsgemäß verlaufen, sind die übrigen Vorstandsmitglieder zum Widerspruch berechtigt und verpflichtet.37
III. Bestellung, Anstellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder Der Aktiengesellschaft ist zwingend eine zweiteilige Verwaltungsstruktur vorgegeben. Das Verhältnis von Vorstand und Aufsichtsrat ist wesentlich dadurch bestimmt, dass der Aufsichtsrat als „Prinzipal“38 des Vorstands diesen bestellt (§ 84 Abs. 1 AktG) und seine Geschäftsführung überwacht (§ 111 Abs. 1 AktG). Mit der Bestellung als korporativem Akt werden die Organstellung und damit die Rechte und Pflichten der einzelnen Vorstandsmitglieder, die sich aus dem Organverhältnis zwischen ihnen und der Aktiengesellschaft ergeben, begründet.39 Die Bestellung ist für maximal fünf Jahre möglich, § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG. Eine wiederholte Bestellung ist zulässig (§ 84 Abs. 1 Satz 2 AktG).40 Von der Bestellung ist der Abschluss des schuldrechtlichen Anstellungsvertrags zu trennen.41 Rechtlich handelt es sich 34 Im Gegensatz zum Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung und Gesamtvertretung ist der Grundsatz der Gesamtverantwortung im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt. Nach allg. Ansicht bedeutet er, dass bei einem mehrköpfigen Vorstand jedes Mitglied die Pflicht zur Geschäftsleitung im Ganzen trägt und für die Belange der Gesellschaft umfassend verantwortlich ist (zur dogmatischen Herleitung vgl. Fleischer, NZG 2003, 449 ff.; ausführlich auch HoffmannBecking, ZGR 1998, 497, 506 ff.; vgl. auch BGHZ 133, 370, 377 ff. (für Geschäftsführer der GmbH). 35 Allg. Meinung; vgl. z. B. Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 8 Rn. 10; Hüffer/Koch, AktG § 77 Rn. 15. 36 Hüffer/Koch, AktG § 77 Rn. 15; Fleischer, NZG 2003, 449, 452; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 512 f. 37 Hüffer/Koch, AktG § 77 Rn. 15; Seibt, in: Schmidt/Lutter AktG § 77 Rn. 18; Wiesner, in: MünchHdb AG § 22 Rn. 15; Weber, in: Hölters AktG § 77 Rn. 37; Fleischer, NZG 2003, 449, 452 (bei begründeten Zweifeln „Interventionspflicht“); Goette, ZHR 175 (2011), 388, 395; Hemeling, ZHR 175 (2011), 368, 377. Deutlich auch BGHZ 15, 71, 78: „Ein Vorstandsmitglied darf seine Bedenken gegen eine Geschäfts- oder Verwaltungsmaßnahme nicht unterdrücken. Das folgt aus seiner Stellung als Organmitglied und seinem Treueverhältnis zur Gesellschaft.“ 38 Hüffer, NZG 2007, 47. 39 Hüffer/Koch, AktG § 84 Rn. 3 f.; Kort, in: Großkomm AktG § 84 Rn. 16 f.; Spindler, in: MünchKomm AktG § 84 Rn. 9; Weber, in: Hölters AktG § 84 Rn. 3. 40 Hierzu etwa Weber, in: Hölters AktG § 84 Rn. 21 ff. 41 Thüsing, in: Hdb des Vorstandsrechts § 4 Rn. 53.
§ 2 Funktion und Rechtsstellung des Vorstands
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hierbei um die Vereinbarung einer entgeltlichen Geschäftsbesorgung auf Basis eines Dienstvertrags (§ 675 i. V. m. §§ 611 ff. BGB).42 Für den Abschluss, die inhaltliche Ausgestaltung und Kündigung des Anstellungsvertrags ist ebenfalls der Aufsichtsrat zuständig (§ 84 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG). Nach § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG kann der Aufsichtsrat die Bestellung zum Vorstandsmitglied widerrufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, namentlich bei grober Pflichtverletzung, nachweislicher Unfähigkeit zu ordnungsmäßiger Geschäftsführung und Vertrauensentzug durch die Hauptversammlung (§ 84 Abs. 3 Satz 2 AktG). Durch das Erfordernis eines wichtigen Grundes wird die Leitungsautonomie des Vorstands institutionell abgesichert.43 Im Gesetz nicht geregelt, aber in Rechtsprechung und Literatur einhellig anerkannt ist das Recht eines Vorstandsmitglieds, sein Amt durch einseitige Erklärung niederzulegen.44
IV. Überwachung des Vorstands durch den Aufsichtsrat Der Aufsichtsrat ist nicht nur Bestellungsorgan für den Vorstand, er hat zudem die Aufgabe, dessen Geschäftsführung zu überwachen, § 111 Abs. 1 AktG. Aus der Neufassung des § 111 AktG im Jahre 1965 ergibt sich, dass der Begriff der Geschäftsführung hier enger zu verstehen ist als in § 77 Abs. 1 AktG, da der im AktG 1937 noch enthaltene Zusatz „in allen Zweigen der Verwaltung“45 entfallen ist. Dementsprechend werden unter Geschäftsführung i. S. d. § 111 Abs. 1 AktG heute die Leitungsmaßnahmen des Vorstands einschließlich wesentlicher Einzelmaßnah42
Thüsing, a.a.O.; Wiesner in: MünchHdb AG § 21 Rn. 1. Fleischer, in: Spindler/Stilz AktG § 84 Rn. 99; Spindler, in: MünchKomm AktG § 84 Rn. 125; Weber, in: Hölters AktG § 84 Rn. 69. 44 BGHZ 78, 82, 84; BGHZ 121, 257, 260 (jeweils zur GmbH); Hüffer/Koch, AktG § 84 Rn. 44; Spindler, in: MünchKomm AktG § 84 Rn. 204; Weber, in: Hölters AktG § 84 Rn. 86; Oltmanns, in: Heidel AktR § 84 AktG Rn. 30. Umstritten ist lediglich, ob dazu, ähnlich wie für die Abberufung durch den Aufsichtsrat, ein wichtiger Grund vorliegen muss (dafür Kort, in: Großkomm AktG § 84 Rn. 224; ebenso Thüsing, in: Hdb des Vorstandsrechts § 5 Rn. 35 f.; Spindler, in: MünchKomm AktG § 84 Rn. 204; dagegen Hüffer/Koch, AktG § 84 Rn. 45; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 84 Rn. 199; Grobys/Littger, BB 2002, 2292 f.; ebenso BGHZ 121, 258, 262 (für den GmbH-Geschäftsführer)). Für die Praxis spielt dieser Streit kaum eine Rolle, denn sollte ein wichtiger Grund für die Beteiligten streitig sein, wenden diejenigen, die einen wichtigen Grund verlangen, auf die Erklärung der Amtsniederlegung die Vorschrift des § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG entsprechend an mit der Folge, dass sie sofort und solange wirksam ist, bis rechtskräftig das Gegenteil feststeht (so Kort, in: Großkomm AktG § 84 Rn. 225; Thüsing, in: Hdb des Vorstandsrechts § 5 Rn. 35; Spindler, in: MünchKomm AktG § 84 Rn. 204). In der Realität ist das Ende der Amtszeit damit besiegelt, denn zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung wird es nicht mehr in Betracht kommen, das Vorstandsverhältnis fortzusetzen (Kort, in: Großkomm AktG § 84 Rn. 228). 45 So bis 1937 in § 246 HGB a. F. 43
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1. Teil, 1. Kap.: Grundlagen und Definitionen
men verstanden.46 Dabei kann es sich einerseits um Maßnahmen handeln, die die Vorstandsmitglieder selbst durchführen, aber auch um solche, die der Vorstand im Rahmen des Zulässigen an nachgeordnete Abteilungen delegiert hat. In letzterem Fall ist zu beachten, dass Überwachungsgegenstand grundsätzlich nur das Delegations- und Überwachungsgebaren des Vorstands ist, die Tätigkeit des nachgeordneten Aufgabenträgers hingegen lediglich mittelbarer Kontrolle unterliegt.47 Die Überwachungspflicht des Aufsichtsrats beschränkt sich nicht auf eine vergangenheitsbezogene Kontrolle, sondern hat auch eine auf die Zukunft gerichtete präventive Funktion.48 Die präventive Überwachung soll sicherstellen, dass das Unternehmen ordnungsgemäß geleitet wird und der Vorstand rechtmäßig, wirtschaftlich und zweckmäßig handelt.49 Inhaltlich besteht sie zunächst in einer ständig aufrechtzuerhaltenden Kommunikation, die Gespräche mit dem Vorstand und dessen Beratung umfasst.50 Weiter formalisiert setzt sie sich fort in regelmäßigen und anlassbezogenen Berichtspflichten des Vorstands nach § 90 Abs. 1 und 2 AktG. Ferner kann der Aufsichtsrat auch aus eigener Initiative jederzeit zusätzliche Berichte anfordern (§ 90 Abs. 3 AktG). Schließlich hat er die Möglichkeit, bestimmte Vorstandsentscheidungen einem Zustimmungsvorbehalt zu unterstellen (§ 111 Abs. 4 Satz 2 AktG). Der Bereich der präventiven Überwachung hat in den letzten Jahren eine nicht unerhebliche Aufwertung erfahren. „Eine stärkere Beteiligung des Aufsichtsrats an der Oberleitung der Gesellschaft liegt in der Tendenz sowohl der Praxis als auch der Rechtsentwicklung des letzten Jahrzehnts. Der Aufsichtsrat wird nicht mehr als reines Kontroll- sondern als mitunternehmerisches Organ verstanden, das an der Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand teilhat.“51 Maßgebliche Richtschnur
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Hüffer/Koch, AktG § 111 Rn. 3; Habersack, in: MünchKomm AktG § 111 Rn. 19 f. Spindler, in: Spindler/Stilz AktG § 111 Rn. 9; Habersack, in: MünchKomm AktG § 111 Rn. 21, 25; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 70 f.; a. A. U. H. Schneider, in: Scholz GmbHG § 52 Rn. 90, der die Überwachungspflicht auch auf nachgeordnete Mitarbeiter erstreckt sieht. Dagegen zu Recht Lutter/Krieger/Verse, a.a.O. Rn. 71 mit dem Argument, dass sich der Vorstand durch eine auch die Mitarbeiterebene erfassende Kontrolle des Aufsichtsrats „entpflichtet und entlastet“ sehen könnte und die Gefahr unklarer Verantwortlichkeiten entstünde. 48 Hüffer, NZG 2007, 47; Henze, BB 2005, 165. 49 Henze, BB 2001 53, 59. Ausführlich hierzu Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 73 – 90. 50 Henze, BB 2001 53, 59; ders., BB 2005, 165; BHGZ 114, 127, 129 f. 51 Roth, AG 2004, 1, 5 mit Hinweis auf das TransPuG vom 26. 07. 2002 (BGBl. I 2002, S. 2681), das zu einer Aufwertung des Zustimmungsvorbehalts geführt hat, sowie auf das KonTraG vom 27. 04. 1998 (BGBl. I 1998, S. 786), das die Rolle des Aufsichtsrats in der Abschlussprüfung gestärkt hat. Mit gleicher Einschätzung dieser Entwicklung Bezzenberger/ Keul, in: FS Schwark, 2009, S. 121, 122 (mit zusätzlichem Verweis auf Ziff. 5.1.1 DCGK und die Corporate Governance-Debatte, die „unweigerlich zu einer Neubestimmung der Aufgaben dieses Organs“ führe). Ebenso Hoffmann-Becking, ZGR 2011, 136, 145; Habersack, in: FS Hüffer, 2010, S. 259, 261; Lutter, DB 2009, 775, der von einem „Quantensprung“ spricht. 47
§ 3 Vorstandsbezogene Interessenkonflikte
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für das Überwachungshandeln des Aufsichtsrats ist dabei sein pflichtgemäß ausgeübtes Ermessen.52
§ 3 Vorstandsbezogene Interessenkonflikte I. Aufspaltung von Eigentum und Leitungsmacht als Grundursache von Interessenkonflikten Interessenkonflikte können im Rechtsleben überall dort auftreten, wo jemand ermächtigt ist, die Interessen eines Dritten mit Wirkung für und gegen diesen wahrzunehmen. Unabhängig davon, ob die Besorgung fremder Interessen z. B. auf einer Organstellung in einer öffentlich- oder privatrechtlichen juristischen Person beruht, vertraglich, gesetzlich oder durch eine Wahl begründet ist, auf ein privatrechtliches Arbeits- oder ein öffentlichrechtliches Dienstverhältnis zurückgeht: Stets besteht die Gefahr, dass die im Interesse des Geschäftsherrn zu treffenden Entscheidungen durch sachfremde Eigeninteressen des Prokurators nachteilig beeinflusst werden. Eine sehr anschauliche Beschreibung des Problems findet sich bei Rudolf von Jhering: „Solange das eigene Interesse am Steuerruder des Rechts sitzt, gibt es sich selber nicht preis; sowie aber das Steuerruder fremden Händen anvertraut wird, ist diese Garantie, welche das eigene Interesse gewährt, hinweggefallen, und die Gefahr heraufbeschworen, daß der Steuermann den Cours dahin richte, wohin sein Interesse, nicht das fremde es wünschenswerth macht. Die Stellung des Verwalters schliesst eine grosse Versuchung in sich.“53
Bei der Lenkung der Aktiengesellschaft rührt die Gefahr von Interessenkollisionen daher, dass – um im Bild von Jherings zu bleiben – die Aktionäre das von ihnen aufgebrachte Gesellschaftsvermögen nicht selbst betreuen und den Kurs der Gesellschaft bestimmen, sondern angestellte, vom unternehmerischen Risiko freie Vorstandsmitglieder am Steuerruder sitzen, die der Versuchung ausgesetzt sind, um eigener persönlicher Vorteile willen andere Routen einzuschlagen, als es den Interessen der Gesellschaft und der sie tragenden Anteilseigner entspricht. Begünstigt wird ein solchermaßen opportunistisches Verhalten der Vorstandsmitglieder durch ihren Informations- und Know-How-Vorsprung gegenüber den Aktionären sowie durch ihren Ermessensspielraum bei unternehmerischen Entscheidungen.54 Beides erschwert eine wirksame Kontrolle des Vorstands durch die Aktionäre. Zieht man dann noch ins Kalkül, dass sich menschliches Handeln im Allgemeinen vorrangig an
52 Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 111 Rn. 155; Henze, BB 2001, 53, 59; ausführlich hierzu Dreher, ZHR 158 (1994), 614, 618 ff. 53 Jhering, Der Zweck im Recht, S. 221 f. (Schreibweise wie im Original). 54 v. Werder, in: Hdb Corporate Governance, S. 7.
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eigennützigen Zielen orientiert55 und dieses Nützlichkeitsprinzip auch vor dem Verhalten von Vorstandsmitgliedern bei der Leitung der Gesellschaft nicht halt macht, dann wird deutlich, dass ein rechtliches Bedürfnis dafür besteht, die Interessen der Aktiengesellschaft und der in ihr verbundenen Aktionärsgesamtheit durch geeignete Mechanismen vor von Eigeninteressen der Vorstandsmitglieder geleiteten Entscheidungen zu schützen. Die mit der Trennung von Eigentum und Leitungsmacht in Publikumsgesellschaften verbundenen Interessenkollisionen und deren Regulierung sind auch Gegenstand der 1976 von Jenson und Meckling entwickelten „Principal-Agent-Theorie“.56 Sie interpretiert die auf dem Willen der Beteiligten beruhenden Beziehungen zwischen den Anteilseignern und dem Leitungsorgan einer Kapitalgesellschaft als sog. Principal-Agent-Relation, d. h. als Rechtsbeziehung zwischen den Aktionären als Prinzipale und dem Management als ihren Agenten.57 Zwar handelt es sich bei diesem Agenturvertrag nicht um ein echtes Vertragsverhältnis, weil zwischen den Aktionären und dem Vorstand die Aktiengesellschaft als juristische Person steht und der Vorstand auch nicht direkt von den Aktionären, sondern vom Aufsichtsrat eingesetzt wird. Diese formalen Umstände ändern aber nichts an dem materiellen Kern, dass die Aktionäre die „Herren der Gesellschaft“58 und die „wirtschaftlichen Eigentümer“59 des Gesellschaftsvermögens sind und sich des von ihrem Vertrauen abhängigen Vorstands (vgl. § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG) zur Führung der Geschäfte bedienen.60 Die Principal-Agent-Theorie geht davon aus, dass die Interessen der Prinzipale und der Agenten nicht deckungsgleich sind, sondern beide Seiten aus rein individuellen, ihren persönlichen Nutzen optimierenden Gründen zusammenfinden,61 die Prinzipale, um ihren Geschäftskreis zu erweitern und sich die Sachkunde eines Dritten zu sichern, der Agent, weil er für seine Tätigkeit entlohnt wird.62 Diese 55 Siehe Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 23 f. („Nützlichkeitsprinzip als individuelle Verhaltensmaxime“). 56 Jenson/Meckling, J. Fin. Econ. 1976, S. 305 ff.; darauf aufbauend Fama, J. Pol. Econ. 1980, S. 288 ff.; Fama/Jensen, J. L. Econ. 1983, S. 301 ff. 57 Vgl. Jenson/Meckling, J. Fin. Econ. 1976, S. 305, 308 („contract under which one or more persons (the principal(s)) engage another person (the agent) to perform some service on their behalf“). 58 Wiedemann, in: Großkomm AktG § 179 Rn. 67; ders., Organverantwortung und Gesellschafterklagen in der Aktiengesellschaft, S. 33: „Die Aktionäre sind Herren der Gründung, Änderung und der Auflösung der Gesellschaft“. 59 BegrRegE Kropff, S. 14; s. auch BVerGE 50, 290, 342: „gesellschaftsrechtlich vermitteltes Eigentum“. 60 Auch die Principal-Agent-Theorie setzt keine formalen Vertragsbeziehungen voraus (vgl. Fama/Jensen, J. L. Econ. 1983, S. 301, 302: „An organization is the nexus of contracts, written and unwritten […] among owners of factors of production and customers. These contracts […] specify the rights of each agent in the organization […].“). 61 Jenson/Meckling, J. Fin. Econ. 1976, S. 305, 307 („We retain the notion of maximizing behavior on the part of all individuals“); kritisch zu diesem Menschenbild Fezer, JZ 1986, 817, 822. 62 v. Werder, in: Hdb Corporate Governance, S. 7.
§ 3 Vorstandsbezogene Interessenkonflikte
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Ausrichtung der Beteiligten an ihrem jeweiligen persönlichen Nutzen ist insbesondere dann problematisch, wenn die Prinzipale mit zunehmender Größe der Gesellschaft und einem damit einhergehenden Informationsnachteil die Kontrolle über die als Treuhänder ihres Vermögens eingesetzten Agenten verlieren; da es sich ab einer gewissen Kapitalstreuung für den einzelnen Prinzipal nicht mehr rechnet, diesen Informationsnachteil in seiner Person zu beseitigen, sieht er von entsprechenden Maßnahmen erfahrungsgemäß ab.63 Dies führt dazu, dass die Agenten ihre nur schwer kalkulierbaren Handlungsfreiräume zu opportunistischem Verhalten in eigenem Interesse und auf Kosten der Gesellschafter ausnutzen, indem sie etwa unternehmenseigene Ressourcen verschwenden64 oder – oftmals bedeutsamer – Anstrengungen scheuen, die sie im Unternehmensinteresse auf sich nehmen müssten.65 Die Nachteile, die den Anteilseignern aus diesen Verhaltensweisen entstehen, werden gemeinsam mit den Kosten, die sie aufwenden, um solches Handeln des Managements zu verhindern, als sogenannten Agency-Kosten bezeichnet.66 Hauptanliegen der Principal-Agent-Theory ist es, zu ermitteln, auf welche Weise sich diese Kosten möglichst gering halten lassen.67 Neben dem disziplinierenden Einfluss von Marktmechanismen,68 setzt die Principal-Agent-Theorie hierzu insbesondere auf eine Funktionstrennung innerhalb des Managements, die die Verantwortlichkeit für die Vorbereitung und Umsetzung von Entscheidungen einerseits („decision management“) und für die Kontrolle der Entscheidungen andererseits („decision control“) in unterschiedliche Hände legt.69 Um den Schutz, der hierdurch erzielt wird, weiter zu erhöhen, wird empfohlen, individuell wirkende Anreizsys-
63 Fama/Jensen, J. L. Econ. 1983, S. 301, 322 f.; Adams, ZIP 2002, 1325, 1330 („Aktionäre verhalten sich rational apathisch“); Müller-Michaels/Ringel, AG 2011, 101, 107. 64 Ausprägungen solcher Verhaltensweisen bei Adams, AG 1990, 63, 63 f. 65 Vgl. Jenson/Meckling, J. Fin. Econ. 1976, S. 305, 313, die dieses Problem bereits für Gesellschaftergeschäftsführer sehen, die nur einen Teil ihres Anteilsbesitzes an Dritte übertragen haben („He may in fact avoid such ventures simply because it requires too much trouble or effort on his part“). 66 Jenson/Meckling, J. Fin. Econ. 1976, S. 305, 312 ff.; Fama/Jensen, J. L. Econ. 1983, S. 301, 304. 67 Fama/Jensen, J. L. Econ. 1983, S. 301, 304 f. (The interesting problem is to determine when separation of decision management, decision control, and residual risk bearing is more efficient than combining these three functions […]“); Müller-Michaels/Ringel, AG 2011, 101, 108. 68 Hierzu insbesondere Fama, J. Pol. Econ. 1980, S. 288 ff., der zum einen auf den Kapitalmarkt verweist, der es den Prinzipalen ermöglicht, sich im Falle eines nicht im Unternehmensinteresse handelnden Managements ein anderers Investment zu suchen (a.a.O., S. 291), und zum anderen vor allem die disziplinierende Wirkung des Arbeitsmarkts für Manager in den Blick nimmt, auf dem der Preis, den ein Manager für seine Tätigkeit geboten bekommt, von dem Erfolg der Unternehmens abhängt, bei denen er bereits beschäftigt war (a.a.O., S. 291 f., 295 ff.). 69 Fama/Jensen, J. L. Econ. 1983, S. 301, 322.
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teme einzuführen.70 Wie sich zeigen wird, finden sich beide dieser Ansätze auch im deutschen Aktienrecht.
II. Definition und Konkretisierung vorstandsbezogener Interessenkonflikte Mit dem Auseinanderfallen von Eigentum und Leitungsmacht ist zwar die Grundursache für die Entstehung von Interessengegensätzen zwischen Vorstandsmitgliedern und Gesellschaftern erklärt. Wann und unter welchen Voraussetzungen aber ein regelungsbedürftiger Interessenkonflikt eines Vorstandsmitglieds konkret anzunehmen ist, ist damit noch nicht beantwortet. Das Aktiengesetz selbst gibt hierüber nur unvollständig Auskunft. Im Gegensatz z. B. zum Verwaltungsverfahrens- und Prozessrecht (vgl. z. B. § 41 ZPO, § 22 StPO, § 20 Abs. 1 VwVfG) oder zum Recht öffentlich-rechtlicher Amtsträger und Organmitglieder (z. B. in §§ 18, 52 GemO BW) enthält es weder einen allgemeinen „Befangenheitskatalog“ mit deutlich definierten und eingegrenzten Kriterien noch sind die Voraussetzungen eines rechtlich relevanten Interessenkonflikts eines Vorstandsmitglieds generalklauselartig umschrieben.71 Die nachfolgenden Ausführungen wenden sich deshalb der Frage nach den Tatbestandsmerkmalen einen solchen Konflikts zu. 1. Voraussetzungen eines rechtlich relevanten Interessenkonflikts Ausgangspunkt der Überlegungen ist die Erkenntnis, dass Voraussetzung eines jeden Interessenkonflikts das Vorliegen gegenläufiger Interessen ist. Ein Konflikt verlangt nach einer Situation, in der sich das eine Interesse nur verwirklichen lässt, indem das andere Interesse zurückgesetzt wird. Im Falle identischer oder parallel gelagerter Interessen kommt ein Konflikt nicht in Betracht.72 Liegt nach diesen Grundsätzen ein Interessenkonflikt vor, so bedeutet das jedoch noch nicht, dass er auch rechtlich relevant ist. Voraussetzung hierzu ist vielmehr ein Zweifaches: Zum einen muss die Rechtsordnung zugunsten eines der Interessen Partei ergriffen haben. Nur dann, wenn die Rechtsordnung dem einen Interesse durch eine normative Entscheidung gegenüber dem anderen Interesse einen Behauptungsanspruch zuerkennt, ist auch die Grundlage für einen rechtlich relevanten Interessenkonflikt gegeben. Das bloße Interesse wird dann zur rechtlich geschützten Position, kurz: zum
70 Vgl. Fama/Jensen, J. L. Econ. 1983, S. 301, 322 (“incentive structures that reward agents both for initiating and implementing decisions and for ratifying and monitoring the decision management of other agents“). 71 Siehe bereits oben Fn. 1. 72 Vgl. etwa Lutter, in: FS Priester, 2007, S. 417, 423 („Situation […] entgegenstehender Interessen“).
§ 3 Vorstandsbezogene Interessenkonflikte
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Recht.73 Zum anderen ist erforderlich, dass auch eine hinreichende Gefahr dafür besteht, dass das privilegierte Interesse zurückgesetzt wird. Das gegenläufige Interesse muss also über eine ausreichende Durchsetzungsstärke verfügen, sodass es hinreichend wahrscheinlich ist, dass es das privilegierte Interesse schädigen wird.74 Nur in solchen Gefährdungssituationen ist die Rechtsordnung berufen, Mechanismen bereitzustellen, die das privilegierte Interesse vor Benachteiligungen schützen. Dies muss sie dann aber auch tun. Andernfalls verhielte sie sich widersprüchlich, indem sie ein Interesse aufwertete, ohne zugleich zu gewährleisten, dass sich diese Privilegierung auch realistisch durchsetzen kann.75 Ob eine privilegierte Position in rechtlich relevanter Weise gefährdet ist, hängt maßgeblich von der Intensität des ihr zuwiderlaufenden Interesses ab. Die für diese Entscheidung notwendige Bewertung wird in der Rechtsordnung auf zwei verschiedene Arten getroffen: Zum einen tut der Gesetzgeber dies selbst, indem er Konfliktsituationen, die er typischerweise für hinreichend gefährlich hält, eigenständig identifiziert. Ein klassisches Beispiel hierfür enthalten etwa die prozessrechtlichen Vorschriften über den Ausschluss vom Richteramt. Ohne weitere Wertungsmöglichkeit des Rechtsanwenders geht der Gesetzgeber hier unter bestimmten, katalogmäßig festgelegten Bedingungen von der Befangenheit der zuständigen Gerichtsperson aus und untersagt ihr deshalb, sich weiter mit der Sache zu befassen, so z. B., wenn der Richter selbst, sein Ehegatte oder sonstige einzeln bestimmte nahe Angehörige von der zu entscheidenden Sache betroffen sind.76 Ebenso existieren jedoch Vorschriften, in denen der Gesetzgeber nur den äußeren Rahmen einer ihm relevant erscheinenden Konfliktlage aufzeigt, die eigentliche Bewertung der Situation aber auf den Einzelfall verschiebt und sie damit zumindest teilweise dem Rechtsanwender überlässt. Dies geschieht regelmäßig mit Hilfe von Generalklauseln. Typische Beispiele lassen sich wiederum im Prozessrecht, aber etwa auch im Kommunalrecht finden. So liegt – neben den genannten starren Ausschlussgründen – ein rechtlich relevanter Interessenkonflikt eines Richters auch dann vor, wenn gegenüber seiner Person die konkrete „Besorgnis der Befangenheit“ besteht.77 Und ein rechtlich relevanter Interessenkonflikt eines Gemeinderatsmitglieds folgt daraus,
73 Vgl. von Jhering, Geist des römischen Rechts, 3. Teil, S. 327: „Rechte sind rechtlich geschützte Interessen.“ 74 Insoweit zwischen einem „unbeachtlichen Interessengegensatz“ und einem „aktienrechtlich bedeutsamen Interessenkonflikt“ unterscheidend Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141, 143; vgl. auch J. Koch, ZGR 2014, 697, 706 (Erfordernis des Überschreitens einer „Relevanzschwelle“). 75 Reiling, DÖV 2004, 181 („angemessene Berücksichtigung“ von Interessen als Gebot der Rechtsordnung); ähnlich Schmidt-Aßmann, in: Reform des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 25, 37. 76 Vgl. etwa für den Zivilprozess § 41 ZPO. 77 Vgl. § 42 Abs. 1 ZPO bzw. § 24 Abs. 1 StPO.
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dass ihm die konkrete Entscheidung einen „unmittelbaren Vor- oder Nachteil bringen kann“.78 2. Das Wohl der Gesellschaft als rechtlich geschütztes Interesse Beide Arten der Konflikterfassung finden sich auch im Vorstandsrecht der Aktiengesellschaft. Konkrete Beispiele für schon durch den Gesetzgeber identifizierte eigenständige Konfliktsachverhalte enthalten insbesondere die Vorschriften der §§ 84, 87 bis 89 und 112 AktG. Sie werden in § 5 ausführlich erörtert. Daneben verfügt das Aktiengesetz, wenngleich nicht ausdrücklich positiviert, mit der organschaftlichen Treuepflicht über einen generalklauselartigen Tatbestand, mit dessen Hilfe sich Konfliktsachverhalte erfassen lassen. Die organschaftliche Treuepflicht gebietet den Vorstandsmitgliedern, ihre persönlichen Interessen dem „Wohl“ der Gesellschaft unterzuordnen.79 Sie führt damit dazu, dass die persönlichen Interessen der Vorstandsmitglieder im Vergleich zu den Gesellschaftsinteressen zurückgesetzt und das Wohl der Gesellschaft privilegiert wird. Welche Interessen konkret das Wohl der Gesellschaft ausmachen, ist allerdings nicht unstreitig. So setzt die wohl h. M.80 das Wohl der Gesellschaft mit einem rechtsschöpferisch entwickelten Unternehmensinteresse gleich. Sie erhebt dazu das von der Aktiengesellschaft betriebene Unternehmen zum bestimmenden Zentrum zahlreicher weiterer Interessen und erlegt dem Vorstand die Verpflichtung auf, nicht nur die Belange der Gesellschafter (Aktionäre), sondern aller sonst noch für maßgeblich gehaltenen Bezugsgruppen („stakeholder“) dieses Unternehmens – namentlich der Arbeitnehmer und der Allgemeinheit – als eigenständige Zielgrößen zu berücksichtigen und im Wege einer „praktischen Konkordanz“81 auszugleichen. Nach dieser „interessenpluralen Zielkonzeption“ dürften die Gewinninteressen der Anteilseigner zugunsten der Arbeitnehmer- und Gemeinwohlbelange so weit vernachlässigt werden, wie nicht der dauerhafte Bestand und die dafür erforderliche (Mindest-)Rentabilität der Gesellschaft gefährdet seien.82 Demgegenüber reduziert eine beachtliche Gegenmeinung83 das Gesellschaftsinteresse nicht lediglich auf die 78
Vgl. § 18 GemO BW. Siehe oben § 2 I. a. E. 80 U. a. Hüffer/Koch, AktG § 76 Rn. 30; Kort, in: Großkomm AktG § 76 Rn. 52 ff.; Mertens/ Cahn, in: Kölner Komm AktG § 76 Rn. 9 ff.; Seibt, in: Schmidt/Lutter AktG § 76 Rn. 12; Spindler, in: MünchKomm AktG § 76 Rn. 60 ff.; etwas zurückhaltender Weber, in: Hölters AktG § 76 Rn. 19 ff., 22 („moderates Shareholder-Value-Konzept“). 81 Hüffer/Koch, AktG § 76 Rn. 33. 82 Hüffer/Koch, AktG § 76 Rn. 34 m. w. N.; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 76 Rn. 21 ff. 83 U. a. Vedder, in: Grigoleit AktG § 76 Rn. 15 f.; Mülbert, ZGR 1997, 129 ff.; ders., in: FS Röhricht, 2005, S. 421 ff.; von Werder, ZGR 1998, 69, 74; Groh, DB 2000, 2153, 2154; Paefgen, Unternehmerische Entscheidungen und Rechtsbindung der Organe in der AG, S. 38 ff.; Zöllner, AG 2003, 2, 7 ff.; Kuhner, ZGR 2004, 244, 258 ff.; ausführliche Abhandlung zu Begriff und 79
§ 3 Vorstandsbezogene Interessenkonflikte
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Bestandserhaltung des von der Gesellschaft betriebenen Unternehmens, sondern versteht es – gesellschaftsrechtlich – als das gemeinsame Interesse aller Gesellschafter an der bestmöglichen Verzinsung ihres eingesetzten Kapitals. Zur Begründung verweist sie darauf, dass die Aktiengesellschaft zuvörderst eine auf Eigentum und Vertragsfreiheit beruhende und vom Wettbewerb gesteuerte privatautonome Einrichtung der Anteilseigner sei, die nach dem Willen ihrer Träger allein zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken mit der Absicht der Gewinnerzielung und nicht (auch) als gemeinwirtschaftliche Institution zu sozialen und Gemeinwohlzwecken gegründet und unterhalten werde.84 Zwar habe der Vorstand bei der Leitung der Gesellschaft auch die Interessen der Arbeitnehmer und des Gemeinwohls zu berücksichtigen, aber nicht, weil sie als eigenständige aktienrechtliche Zielsetzungen vom Interesse der Gesellschaft mit umfasst, sondern weil – und nur soweit wie – sie ihm durch andere rechtliche Bestimmungen heteronom vorgegeben seien.85 Auch ein auf die Aktionärsinteressen fokussiertes Gesellschaftsinteresse verwehre dem Vorstand nicht, über die gesetzlichen und tariflichen Mindestanforderungen hinaus gute Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter zu schaffen, etwa um ihre Leistungsbereitschaft, Motivation und Identifikation mit dem Unternehmen zu fördern oder um im Wettbewerb um die besten Arbeitskräfte am Arbeitsmarkt das Arbeitgeberimage des Unternehmens in ein gutes Licht zu rücken. Ebenso dürfe er Gesellschaftsvermögen sozialen oder gemeinnützigen Zwecken zugute kommen lassen, aber nicht aus rein ethischer Gesinnung oder sonstigem Altruismus, sondern nur als Mittel zum Zweck der Förderung des Gewinnziels,86 alles andere sei eine treuwidrige Umverteilung des Gesellschaftsvermögens zum Schaden der Aktionäre.87 In der Praxis entstehen indes aus den dargestellten Meinungsunterschieden kaum jemals Unsicherheiten darüber, ob ein Vorstandsmitglied treuwidrig ein den Gesellschaftsinteressen zuwider laufendes Eigeninteresse verfolgt. So gut wie immer, wenn die Problematik vorstandsspezifischer Eigeninteressen aufkommt, drohen der Gesellschaft wirtschaftliche Nachteile, die weder im berechtigten Interesse der Anteilseigner, noch in dem der Arbeitnehmer, des Gemeinwohls oder sonstiger „stakeholder“ liegen. Ob es z. B. darum geht, einen Auftrag an einen guten Freund eines Vorstandsmitglieds zu vergeben oder eine vakante Führungsposition mit der Frau eines Vorstandsmitglieds zu besetzen – die Gefahr, dass die jeweilige Vorstandsentscheidung durch sachwidrige Erwägungen beeinflusst wird, die sich auf das Wohl der Gesellschaft (hier: auf die wirtschaftliche Ausgewogenheit von versproInhalt des „Unternehmensinteresses bei Krämer, Das Unternehmensinteresse als Verhaltensmaxime der Leitungsorgane einer Aktiengesellschaft im Rahmen der Organhaftung, S. 27 – 119. 84 Dezidiert Groh, DB 2000, 2153, 2158. 85 Vgl. Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 1 Rn. 31. 86 Groh, DB 2000, 2153, 2158; Zöllner, AG 2003, 2, 8. 87 Zur Strafbarkeit wegen Untreue bei Zuwendungen aus dem Gesellschaftsvermögen an Dritte ohne bezweckten wirtschaftlichen Nutzen für die Gesellschaft s. BGHSt 47, 187 = NJW 2002, 1585.
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1. Teil, 1. Kap.: Grundlagen und Definitionen
chener Leistung und erwarteter Gegenleistung) nachteilig auswirken, besteht in diesen und allen vergleichbaren Fällen nicht nur aus der Sicht der Gesellschafter (Aktionäre), sondern ebenso aus der der übrigen „stakeholder“ des Unternehmens. Zweifel an ihrer insoweit gleichgerichteten Interessenlage sind auch dann nicht angebracht, wenn sich hinter den nach der h. M. eigenständig zu berücksichtigenden Gemeinwohl- und Arbeitnehmerbelangen ein dem Gewinninteresse der Anteilseigner zuwider laufendes eigenes Sonderinteresse eines Vorstandsmitglieds verbirgt. Beispiel: Die A-AG betreibt ein Unternehmen mit 10.000 Mitarbeitern an mehreren Standorten im In- und Ausland. Der konsolidierte Umsatz liegt bei ca. 4 Mrd. und der Gewinn bei ca. 300 Mio. Euro p. a. In der Gemeinde G unterhält die A-AG einen Produktionsbetrieb mit 500 Beschäftigten. Wegen stark nachlassenden Absatzes und zu hoher Fertigungskosten soll das Werk in G aufgegeben und die Produktion mit der im ausländischen Werk W, das ebenfalls unter Beschäftigungsproblemen leidet, aber deutlich geringere Kostenstrukturen aufweist, zusammengelegt werden. Dadurch ließen sich rd. 30 Mio Euro p. a. einsparen. V, in der A-AG für die Produktion zuständiges Vorstandsmitglied, setzt sich dafür ein, die Fertigung in G mit moderneren Fertigungsanlagen und verringerter Belegschaft fortzuführen. Er rechnet zwar nicht damit, die Kostennachteile dadurch kompensieren zu können, will aber die Produktionsverlagerung verhindern, weil er die Gemeinde, für deren Gemeinderat er kandidiert, vor einem Rückgang des Gewerbesteueraufkommens bewahren möchte. Außerdem ist sein Bruder B in dem Werk in G als Fertigungsleiter beschäftigt und würde bei einer Stilllegung seinen Arbeitsplatz verlieren.
Hier könnte man auf die Idee kommen, unter Berufung auf das von der h. M. propagierte Unternehmensinteresse eine Konfliktlage des V zu verneinen, weil seine persönlichen Interessen mit dem von ihm im Rahmen des Unternehmensinteresses zu wahrenden Gemeinwohlinteresse der G an einer ungeschmälerten Gewerbesteuer und dem Interesse der Belegschaft an dem Erhalt der Arbeitsplätze einhergehen. Zwar ist eine Kollision mit dem Gewinninteresse der Anteilseigner gegeben, bei einer Gewinnschmälerung von lediglich 10 % dürfte aber die von der h. M. gezogene „Schmerzgrenze“ noch lange nicht erreicht sein, weil der Bestand und die – von der h. M nicht näher quantifizierte, deshalb wohl bei einer „schwarzen Null“ anzusiedelnde – dauerhafte Rentabilität der A-AG nicht bedroht sind. Entscheidend ist jedoch, dass die der Vorstandsentscheidung zu Grunde liegenden Abwägungen frei von sachfremden Überlegungen durchgeführt werden.88 Das aber ist in dem genannten Beispielsfall nicht gewährleistet, sondern es ist zu befürchten, dass die Gewinninteressen der Anteilseigner aufgrund des kommunalpolitischen und verwandtschaftsbedingten Sonderinteresses des V stärker zurückgesetzt werden, als es die nach h. M. zu beachtenden Gemeinwohl- und Belegschaftsinteressen eigentlich rechtfertigen würden. Das Entscheidungsverhalten des V ist demnach nicht nur aus rein kapitalorientierter Sichtweise, sondern ebenso vom Standpunkt eines interessenpluralistisch verstandenen Unternehmensinteresses aus konfliktbelastet.
88 Vgl. Dreher, JZ 1990, 896, 897: „Illoyales […] Verhalten läuft […] stets dem Unternehmensinteresse zuwider.“
§ 3 Vorstandsbezogene Interessenkonflikte
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Die Generalklausel vom Wohl der Gesellschaft liefert dem Rechtsanwender mithin ausreichende materielle Anhaltspunkte, um einen Interessenkonflikt dem Grunde nach zu identifizieren. Hat er diese Aufgabe bewältigt, ist im Anschluss daran zu ermitteln, ob das jeweilige Eigeninteresse so schwer wiegt, dass dieser Interessenkonflikt auch rechtlich relevant ist. 3. Vorstandsbezogene Konfliktkriterien im Einzelnen Die beschriebenen Konfliktkriterien – Vorliegen einer Konfliktsituation dem Grunde nach und ausreichende Konfliktschwere – bedürfen weiterer Konkretisierung. Zuvor ist jedoch der allgemeine Bewertungsmaßstab zu definieren, der bei der Feststellung eines aktienrechtlich relevanten Interessenkonflikts heranzuziehen ist. a) Bewertungsmaßstab Ob die Besorgnis der Befangenheit tatsächlich begründet ist, hängt nicht davon ab, ob sich das Vorstandsmitglied selbst für befangen hält oder ob es glaubt, den Konflikt beherrschen zu können. Maßgebend ist auch nicht etwa die subjektive Sicht eines übertrieben misstrauischen Aktionärs. Vielmehr kann man die Frage, ob Misstrauen in die loyale Amtsführung eines Vorstandsmitglieds gerechtfertigt ist oder nicht, sachgerecht nur aus der objektiven Sicht und mit der besonderen Erfahrung eines neutralen Beobachters beantworten, der mit den Verhältnissen einer Aktiengesellschaft und ihrer Vorstandsmitglieder hinreichend vertraut ist. Nur wenn aus dessen Perspektive bei verständiger und umfassender Würdigung des Sachverhalts Grund zu der Befürchtung besteht, dass ein Vorstandsmitglied im Einzelfall oder auf Dauer nicht unvoreingenommen und uneigennützig für die Ziele und Interessen der Gesellschaft eintritt, ist ein rechtlich erheblicher Interessenkonflikt zu bejahen.89 Bei dieser Einschätzung kann die „allgemeine Lebenserfahrung“ als Erkenntnisquelle dienen, soweit sich aus allgemeingültigen, durch Tatsachen belegten bzw. belegbaren Erfahrungen darauf schließen lässt, dass ein bestimmtes Verhalten in einer konkreten Situation für Vorstandsmitglieder charakteristisch, zumindest aber überwiegend wahrscheinlich ist. Dagegen reicht die bloß theoretische Möglichkeit eines die Gesellschaft schädigenden Verhaltens für die Annahme der Befangenheit nicht aus. Genauso wenig ist es umgekehrt erforderlich, dass eine solche Maßnahme mit Gewissheit droht. Unerheblich ist schließlich auch, ob das Vorstandsmitglied in concreto und wider Erwarten vielleicht doch willens und in der Lage ist, unvoreingenommen und sachgerecht zu handeln. Mit Gewissheit ließe sich das erst nachträglich beurteilen, was für einen vorbeugenden Schutz der Gesellschaft zu spät 89
In diesem Sinne auch Lutter, in: FS Priester, 2007, S. 417, 423, der den Interessenkonflikt wie folgt definiert: „Es ist diejenige Situation weiterer und einander objektiv entgegenstehender Interessen […], von der man bei objektiver Betrachtung nicht sicher sein kann, ob das betreffende Organmitglied dennoch und unbedingt allein die Interessen seiner Gesellschaft verfolgen wird.“
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1. Teil, 1. Kap.: Grundlagen und Definitionen
wäre. In jedem Fall ist entgegen bisweilen missverständlicher Äußerungen90 erforderlich, dass das Vorstandsmitglied die Tatsachen, die objektiv geeignet sind, seine Befangenheit zu begründen, auch kennt.91 Die subjektive Kenntnis objektiver Konfliktgründe, z. B. eines engen Verwandtschaftsverhältnisses, ist selbst ein Umstand, der für die Annahme eines Interessenkonflikts konstitutiv ist. b) Konfliktsituation dem Grunde nach Ein vorstandsspezifischer Interessenkonflikt setzt eine Situation voraus, die es einem Vorstandsmitglied ermöglicht, durch seine Geschäftsführung oder durch das Unterlassen einer gebotenen Geschäftsführungsmaßnahme ein persönliches Interesse auf Kosten des Gesellschaftswohls zu fördern oder zu bewahren. Dies kommt in unterschiedlichsten Konstellationen in Betracht. Im Folgenden werden die praktisch häufigsten Fragestellungen adressiert. aa) Beachtlichkeit von Vor- und Nachteilen Für das Vorliegen einer Konfliktlage ist es unerheblich, ob sich die Entscheidung, die der Vorstand zu treffen hat, zugunsten oder zulasten des Vorstandsmitglieds auswirkt. Ein rechtlich relevanter Konflikt kann sich sowohl daraus ergeben, dass das Vorstandsmitglied ein persönliches Interesse über den gegenwärtigen Stand hinaus fördern möchte, genauso aber auch dann, wenn es ihm darum geht, einen bestehenden Status Quo auf Kosten der Gesellschaft zu erhalten. Beispiel: V ist Vorstandsmitglied der X-AG. Zugleich ist er an einer kleineren Immobiliengesellschaft beteiligt, in deren Eigentum ein Bürogebäude steht, in dem auch die X-AG Büroflächen gemietet hat. Infolge einer Wachstumsphase möchte die X-AG, die weitere Räumlichkeiten benötigt, das Mietverhältnis ausweiten und tritt zum Zwecke von Verhandlungen an die Immobiliengesellschaft heran.
Ohne weiteres entsteht hierdurch bei V, der einerseits für die X-AG ein günstiges Angebot anstreben muss, andererseits aber an hohen Einkünften für seine Immobiliengesellschaft interessiert ist, ein Interessenkonflikt. Ebenso konfliktbelastet wäre V jedoch auch dann, wenn es umgekehrt darum ginge, dass die X-AG nach einer Personalabbaumaßnahme die Räumlichkeiten nicht mehr benötigt, und ihr Vorstand deshalb eine Kündigung des Mietvertrags beschließen möchte, in deren Folge der Immobiliengesellschaft und damit V selbst Einkommenseinbußen entstünden. In der grundsätzlichen rechtlichen Bewertung beider Konstellationen besteht kein Unterschied.
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Vgl. etwa Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 93 Abs. 1 Satz 2, 4 n. F. Rn. 41. So auch Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 93 Rn. 27; ferner J. Koch, ZGR 2014, 697, 704. 91
§ 3 Vorstandsbezogene Interessenkonflikte
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bb) Rechtsgeschäftlich begründete und tatsächliche Vor- und Nachteile Ein Vorstandsmitglied ist häufig deshalb konfliktbelastet, weil im Vorstand über ein Rechtsgeschäft beschlossen wird, an dem es ein eigenes Interesse verfolgt. Verweisen lässt sich auf den soeben geschilderten Beispielsfall der X-AG und ihres Vorstandsmitglieds V. Das persönliche Interesse des V bezieht sich auf den Abschluss eines Mietvertrags bzw. auf die Verhinderung einer Kündigung. Auch Vorstandsentscheidungen jedoch, die nicht auf ein konkretes Rechtsgeschäft zielen, sondern sich auf tatsächliche Weise auf die Situation des Vorstandsmitglieds auszuwirken drohen, sind geeignet, den Betreffenden für die hierzu erforderlichen Geschäftsführungsmaßnahmen befangen zu machen. Anzunehmen ist dies z. B. bei einem Vorstandsbeschluss einer Flughafen-AG, der vorsieht, in der Nähe des Wohngrundstücks eines Vorstandsmitglieds eine zusätzliche Start- und Landebahn zu bauen, durch deren Lärm- und Schmutzimmissionen die dortige Lebensqualität sowie der Grundstückswert erheblich beeinträchtigt würden. Eine uneigennützige Entscheidung des Vorstandsmitglieds ist in dieser Sache nur schwerlich zu erwarten. cc) Materielle und immaterielle Vor- und Nachteile Die Sonderinteressen eines Vorstandsmitglieds müssen nicht notwendig einen materiellen Hintergrund haben. Auch die Verfolgung ideeller Interessen kann berechtigte Zweifel an seiner Loyalität auslösen. Religiöse, weltanschauliche oder politische Einstellungen, ebenso landsmannschaftliche Herkunft, angestrebtes ehrenamtliches Fortkommen oder persönliche Eitelkeiten sind im Grundsatz geeignet, in der Person des Vorstandsmitglieds Interessen auszulösen, die einen rechtlich relevanten Konflikt mit den Zielen der Aktiengesellschaft begründen können. Wenn sich beispielsweise das Vorstandsmitglied eines Elektronikunternehmens mit Hinweis auf seine pazifistische Einstellung dagegen sträubt, einen voraussichtlich hochprofitablen Geschäftsbereich „Waffentechnik“ zu etablieren, oder wenn ein Vorstandsmitglied anstrebt, den neuen Forschungsstandort der AG in seiner Heimatgemeinde anzusiedeln, und dies zwar seinem als Gemeinderatskandidaten abgegeben Wahlversprechen, nicht aber dem Gesellschaftswohl entspricht, dann ist es nicht von vornherein abwegig, hier einen Interessenkonflikt anzunehmen. Die Schwierigkeit besteht in diesen Fällen regelmäßig darin, zu ermitteln, ob der immaterielle Vor- oder Nachteil, den das Vorstandsmitglied zu gewärtigen hat, auch schwer genug wiegt, um einen rechtlich relevanten Konflikt zu begründen. dd) Unmittelbare und mittelbare Vor- und Nachteile Ohne weiteres ist von einem Interessenkonflikt auszugehen, wenn das Vorstandsmitglied von der anstehenden Vorstandsmaßnahme unmittelbar persönlich betroffen ist. Schulbeispiel hierfür ist der Verkauf eines dem Vorstandsmitglied gehörenden Grundstücks an die Gesellschaft. Hier steht das Vorliegen kollidierender
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1. Teil, 1. Kap.: Grundlagen und Definitionen
Interessen außer Frage. Genauso können aber auch die Belange eines Dritten zu einer Konfliktlage beim Vorstandsmitglied führen. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich bei diesem Dritten um eine natürliche oder juristische Person oder auch um eine die Kriterien einer juristischen Person nicht erfüllende Organisation handelt.92 Vor- und Nachteile also, die die Ehefrau oder einen nahen Verwandten des Vorstandsmitglieds treffen, können zu seiner Befangenheit führen. Gleiches gilt – es kann wiederum auf den Fall der X-AG und ihr an der Vermietungsgesellschaft beteiligtes Vorstandsmitglied V verwiesen werden –, wenn eine Gesellschaft, an der das Vorstandsmitglied oder eine ihm nahe stehende Person beteiligt ist, von den in der AG zu treffenden Vorstandsentscheidungen betroffen wird. Auch in diesen Fällen mittelbar eintretender Vor- oder Nachteile ist ein Interessenkonflikt gegeben. Jeweils liegt die Schwierigkeit darin, Kriterien für eine ausreichende Konfliktschwere zu entwickeln. ee) Konfliktsituation und Entscheidungsprozess Ob sich ein Vorstandsmitglied dem Grunde nach in einem Interessenkonflikt befindet, ist für die jeweiligen Stadien des vorstandsinternen Entscheidungsprozesses getrennt und jeweils neu zu beurteilen. Bei der Entscheidungsfindung des Vorstands handelt es sich um einen komplexen Vorgang, an dessen Anfang in der Regel eine Situationsanalyse steht, die in eine mehr oder weniger allgemeine Zielvorgabe mündet. Es folgt die Strukturierung des eigentlichen Entscheidungsprozesses mit Festlegung von Art und Umfang des hierzu erforderlichen Ressourceneinsatzes, insbesondere also der Bestimmung der Verantwortlichkeiten, des Personal- und Sachmitteleinsatzes, der heranzuziehenden Informationsquellen, des weiteren Zeitplans, sowie Vorgaben zur Methodik und Prozesskontrolle. Auf diese Festlegungen folgt die konkrete Entscheidungsvorbereitung, an deren Ende eine Beschlussvorlage und die Entscheidung selbst stehen. Die Entscheidung ist sodann umzusetzen und die Zielerreichung fortlaufend zu kontrollieren.93 Da in jeder Teilphase Einzelentscheidungen zu treffen sind, die den weiteren Prozessfortgang bestimmen,94 ist es stets möglich, dass ein in der vorherigen Phase noch bestehender Konflikt ausgeräumt oder ein neuer Konflikt begründet wird. Beispiel: Die L-AG betreibt ein Logistikunternehmen. Nach einer Situationsanalyse steht fest, dass der Bau eines neuen Auslieferungszentrums erforderlich ist. Während des Entscheidungsprozesses kristallisieren sich zwei mögliche Standorte heraus, von denen einer in unmittelbarer Nähe eines dem Vorstandsmitglied V gehörenden Mietkomplexes liegt. Aufgrund des starken An- und Abfahrtsverkehrs, der mit dem Auslieferungszentrum einhergehen wird, ist mit einem deutlichen Absinken des Mietniveaus zu rechnen. Nach 92 Vgl. insoweit auch die bereits zitierte Konfliktdefinition Lutters, in: FS Priester, 2007, S. 417, 423: „[…] entgegenstehender Interessen in der Person eines Organmitglieds einschließlich der ihm nahestehenden Personen und Unternehmen […]“. 93 Dieser „idealtypische“ Ablauf der Entscheidungsfindung ist dargestellt bei Seibt, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1474. 94 Seibt, a.a.O.
§ 3 Vorstandsbezogene Interessenkonflikte
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umfangreicher Informationsbeschaffung und Auswertung stellt sich heraus, dass der Neubau in der Nähe des Mietkomplexes technisch undurchführbar ist. Der finale Projektbeschluss bezieht sich daher nur noch auf die den V nicht persönlich betreffende Variante. Im Vergabeverfahren für die Baudurchführung bewirbt sich für einzelne Leistungen auch die dem Bruder des V gehörende V-GmbH, die ein Handwerksunternehmen betreibt.
Während V bei der abstrakten Situationsanalyse keinem Konflikt ausgesetzt ist, entsteht dieser, sobald die für ihn nachteilige Bauplatzalternative ins Spiel kommt. Es ist daher zu befürchten, dass V diese Alternative im Entscheidungsprozess nicht unvoreingenommen prüfen und beurteilen wird. Nachdem diese Variante endgültig vom Tisch ist, steht V der weiteren Projektplanung unbefangen gegenüber. In der Umsetzungsphase entsteht ein neuer Konflikt durch die Bewerbung der V-GmbH. c) Ausreichende Konfliktschwere Um an einen Interessenkonflikt auch rechtliche Folgen zu knüpfen, ist eine hinreichende Konfliktintensität erforderlich, Die Eigeninteressen müssen ausreichend schwer wiegen, um ein pflichtwidriges Vorstandshandeln objektiv befürchten zu lassen. Für diese Bewertung gelten folgende Grundsätze: aa) Verhältnis des materiellen Vor- oder Nachteils zur wirtschaftlichen Lage des Vorstandsmitglieds Für den Fall, dass der Interessenkonflikt materiell begründet ist, ist es für die Ermittlung einer ausreichenden Konfliktschwere erforderlich, einen Vergleich zu ziehen zwischen der persönlichen wirtschaftlichen Lage des Vorstandsmitglieds und der Höhe des Vor- oder Nachteils, den es konkret zu erwarten hat. Vermögenswerte mit dem Charakter einer Quantité négligeable lösen keine besonderen Rechtsfolgen aus. Man wird davon auszugehen haben, dass ein Vorstandsmitglied in einem solchen Fall nicht in die Gefahr der Pflichtvergessenheit gerät. Einen gesetzlichen Anhaltspunkt liefert insoweit das Aktiengesetz in § 89 im Zusammenhang mit der Kreditvergabe an Vorstandsmitglieder und ihnen nahe stehenden Personen bzw. Organisationen. Die besonderen Anforderungen, mit denen die Vorschrift die Gesellschaft vor den Eigeninteressen ihrer Vorstandsmitglieder schützen will, gelten nicht für Kleinkredite unterhalb der Höhe eines Bruttomonatseinkommens des Vorstandsmitglieds (§ 89 Abs. 1 Satz 5 AktG). Es erscheint angemessen, dieser gesetzlichen Wertung grundsätzlich auch für die Beurteilung gesetzlich nicht ausdrücklich geregelter Interessenkonflikte zu folgen. In Ausnahmesituationen kann es angezeigt sein, sich von dieser Wertung zu entfernen. Ist das Vorstandsmitglied z. B. infolge eines ausschweifenden Lebenswandels notorisch knapp bei Kasse und dem Druck seiner Gläubiger in besonderer Weise ausgesetzt, wird auch schon ein niedrigerer Betrag seine Befangenheit begründen können. Ein Vorstandsmitglied hingegen, das finanziell völlig unabhängig ist, wird sich von Effekten in dieser Größenordnung eher nicht beeindrucken lassen.
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1. Teil, 1. Kap.: Grundlagen und Definitionen
bb) Individualisierte und qualifizierte Betroffenheit bei immateriellen Vor- oder Nachteilen Vergleichbare Erwägungen gelten für Konflikte zwischen dem Gesellschaftswohl und immateriellen Zielen eines Vorstandsmitglieds. Längst nicht jede ideell begründete Gefühlslage ist geeignet, Misstrauen gegenüber einer unbefangenen Amtsführung zu wecken. Solange das ideelle Ziel Ausdruck einer bloßen Abneigung oder einer einfachen Vorliebe ist, verlangt es nicht nach einer besonderen Reglementierung. Ein immaterieller Belang ist vielmehr nur dann geeignet, einen rechtlich relevanten Interessenkonflikt zu begründen, wenn es sich bei ihm um ein persönliches Bedürfnis von nicht unerheblichem Gewicht handelt. Zu fordern ist eine individualisierte und qualifizierte Betroffenheit in der persönlichen Rechtsstellung.95 Diese kann einmal daraus resultieren, dass das Vorstandsmitglied einen immateriellen Vor- oder Nachteil zu erwarten hat, der bei objektiver Betrachtung von jedermann als erheblich angesehen wird. So wird der Fall liegen, wenn der Beschluss der AG zum Bau einer neuen Start- und Landebahn dazu führen wird, dem Hausgrundstück des Vorstandsmitglieds die Lebensqualität zu entziehen. Zum anderen kann das Vorstandsmitglied seine Befangenheit aber auch selbst herstellen, indem es sich – ohne zunächst selbst betroffen zu sein – einem ideellen Ziel offen und ernsthaft verschreibt. Exponiert es sich etwa als Interessenvertreter einer dem Gesellschaftswohl entgegengesetzten Strömung, kann es sich dadurch dem begründeten Verdacht aussetzen, die von ihm privat verfolgten Interessen bei seiner Amtsausübung über die Interessen der Gesellschaft zu stellen. Beispiel: V ist im Vorstand des Energieunternehmens E-AG zuständig für die Sparte Kernenergie. Als sein Sohn, der in einem der Kernkraftwerke der E-AG ein Praktikum absolviert, bei einem auf menschliches Versagen zurückzuführenden Reaktorunfall tödlich verstrahlt wird, schließt sich V der Antiatomkraftbewegung an und tritt öffentlich für die Abschaffung aller Kernkraftwerke ein.
Allein die Tatsache, dass sein Sohn verstrahlt wurde, würde noch nicht ausreichen, um berechtigtes Misstrauen in eine weiterhin unbefangene Amtsführung des V zu wecken. Vielmehr ist zunächst davon auszugehen, dass er – ähnlich wie ein Automanager, dessen Sohn bei einem Autounfall ums Leben kommt – grundsätzlich in der Lage sein wird, diesen Schicksalsschlag rational zu verarbeiten, indem er den Unfall einem individuellen Unglück oder Fehlverhalten und nicht der abstrakten Gefährlichkeit der von seiner Gesellschaft angebotenen Erzeugnisse und Dienstleistungen zuschreibt. Erst seine öffentliche Wandlung zum überzeugten Atomkraftgegner und der dadurch sichtbar gewordene Dauerkonflikt mit den Interessen der E-AG lassen ihn für seine bisherige Vorstandsfunktion nicht länger geeignet erscheinen.
95 Wortwahl in Anlehnung an die st. Rspr. des BVerwG zum baurechtlichen Rücksichtnahmegebot (vgl. etwa BVerwG NJW 1978, 62, 64; BVerwG NVwZ 1983, 609, 610; BVerwG NVwZ 1987, 409, 410).
§ 3 Vorstandsbezogene Interessenkonflikte
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cc) Ausreichendes Näheverhältnis bei mittelbaren Vor- oder Nachteilen Vor- oder Nachteile, die zunächst in der Person eines Dritten entstehen, begründen einen rechtlich relevanten Interessenkonflikt nur, wenn sie in ausreichender Intensität auch bei dem Vorstandsmitglied selbst ankommen. Hierzu ist jeweils ein entsprechendes Näheverhältnis zwischen dem Vorstandsmitglied und dem Dritten erforderlich. Dies kann sowohl ideell-emotional als auch unter materiellen Aspekten begründet sein. Zu unterscheiden ist zwischen den Beziehungen des Vorstandsmitglieds zu natürlichen Personen einerseits und Verbindungen zu juristischen Person bzw. sonstigen Organisationen andererseits. Zwischen dem Vorstandsmitglied und einer natürlichen Person kann sich ein relevantes Näheverhältnis zunächst aus Verwandtschaft oder Schwägerschaft ergeben. Als Ausgangspunkt für die Frage, bis zu welchem Grad das der Fall ist, kommt abermals in Betracht, auf die aktienrechtlichen Vorschriften zur Kreditvergabe in § 89 AktG zurückzugreifen. Als dem Vorstandsmitglied nahe stehende Personen benennt das Aktiengesetz in § 89 Abs. 3 Ehegatten, Lebenspartner und minderjährige Kinder. Dies zwingt jedoch nicht zu der Einschränkung, dass ein Interessenkonflikt nur durch Betroffenheit dieser Personengruppe möglich ist. Denn § 89 Abs. 3 AktG betrifft eine Konstellation, in der es in Wahrheit gar nicht um die Interessen der Angehörigen des Vorstandsmitglieds und die Frage danach, wie deren Vor- und Nachteile bei ihm ankommen, geht, sondern ausschließlich um seine eigenen Interessen, zu deren Durchsetzung es seinen Ehepartner bzw. seine Kinder lediglich als Werkzeug benutzt. Jenseits dieses für die aufgeworfenen Frage mithin nicht einschlägigen Sonderfalls wird man grundsätzlich alle nahen Familienmitglieder, also neben dem Ehe- oder eingetragenen Lebenspartner und den minderjährigen Kindern auch volljährige Kinder, Adoptivkinder, Eltern, Geschwister und deren Ehepartner wie auch Geschwister des eigenen Ehepartners, als nahe stehenden Personen ansehen müssen. Zusätzliche Gründe für die Besorgnis der Befangenheit bestehen bei solchen Familienbeziehungen insbesondere dann, wenn die Kontakte des Angehörigen zur Gesellschaft auf Initiative des Vorstandsmitglieds selbst zustande gekommen sind, wenn die Angehörigen mit dem Vorstandsmitglied in Hausgemeinschaft leben, von ihm unterhalten werden oder zwischen ihnen geschäftliche Verbindungen bestehen, aus denen das Vorstandsmitglied an Vorteilen, die der Angehörige aus einem Geschäft mit der Gesellschaft zieht, mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist. Umgekehrt kann der Umstand, dass das Vorstandsmitglied zu einem Angehörigen seit vielen Jahren keinerlei Kontakt hat, ihn vielleicht nicht einmal persönlich kennt, grundsätzliche Zweifel an seiner Unbefangenheit aus objektiver Sicht auch einmal zerstreuen, so dass in einem solchen Fall besondere Maßnahmen zum Schutz der Gesellschaft gegen sachwidriges Vorstandshandeln nicht angezeigt sind. Offensichtliche Feindseligkeiten zwischen Vorstandsmitglied und Familienangehörigem hingegen schließen die Besorgnis der Befangenheit nicht zwangsläufig aus. Hier besteht zwar nicht die Gefahr der Begünstigung des Ange-
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1. Teil, 1. Kap.: Grundlagen und Definitionen
hörigen, wohl aber unter Umständen die, dass das Vorstandsmitglied ein für die Gesellschaft günstiges Geschäft mit dem verfeindeten Angehörigen aus sachwidrigen Erwägungen boykottiert. Nicht nur Verwandtschaft und Schwägerschaft vermögen zwischen dem Vorstandsmitglied und einer anderen (natürlichen) Person eine für die Annahme eines Interessenkonflikts ausreichend enge Beziehung zu knüpfen. Auch sonstige enge persönliche Verbindungen wie etwa eine nichteheliche Lebenspartnerschaft, tiefergehende Freundschaftsbeziehungen oder auch die Mitgliedschaft im selben Verein oder in derselben studentischen Verbindung können im Einzelfall geeignet sein, Misstrauen gegen eine unbefangene Amtsführung eines Vorstandsmitglieds in einer den Dritten betreffenden Angelegenheit zu rechtfertigen. Jeweils und gerade in den letztgenannten Fällen sind jedoch die konkreten Umstände besonders zu berücksichtigen. Beispiel: V ist im Vorstand des Automobilherstellers W-AG Arbeitsdirektor und zuständig für Personal- und Sozialangelegenheiten. Die W-AG gehört keinem Arbeitgeberverband an, sondern schließt mit der zuständigen Industriegewerkschaft Metall (IGM) Haustarifverträge. Verhandlungsführer auf Seiten der W-AG ist V, der seit seiner Ausbildung selbst auch zahlendes Mitglied der IGM ist. Die Verhandlungen für die IGM führt deren Vorstandsmitglied L.
Die schlichte Mitgliedschaft des V in der mehrere Millionen Mitglieder zählenden IGM begründet weder zur IGM selbst noch zu deren Vorstandsmitglied L eine Beziehung, die Anlass zu der Befürchtung geben könnte, V führe die Tarifverhandlungen nicht ausschließlich im Interesse der W-AG. Der Umstand, dass seine Wiederwahl zum Arbeitsdirektor auch von den Stimmen der IGM-dominierten Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat abhängt, ist in diesem Zusammenhang ohne Belang, denn diese Abhängigkeit bestünde auch, wenn V nicht IGM-Mitglied wäre. In einem anderen Licht ist der Fall jedoch dann zu sehen, wenn V dem L über die bloße Mitgliedschaft in der IGM hinaus zusätzlich dadurch verbunden wäre, dass er und L seit vielen Jahren eng miteinander befreundet sind, die Ehefrau des L Patin eines Sohnes von V ist und L, selbst stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der W-AG, V erst durch seine guten Kontakte innerhalb der W-AG zu seinem Amt als Arbeitsdirektor verholfen hat. Bei einer solchen Sachlage wird auch der gutgläubigste Beobachter bezweifeln, dass V tatsächlich ein geeigneter Verhandlungspartner ist, der auch in kritischen Situationen die Interessen der W-AG gegenüber L mit der erforderlichen Standfestigkeit vertritt.96 Geht es um Interessenkonflikte, die aus einer Beziehung des Vorstandsmitglieds zu einer von der Vorstandsentscheidung betroffenen gesellschaftsfremden Organi96
Sachverhalt (einschließlich der späteren Variante) in Anlehnung an einen Bericht des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ vom 10. 04. 1978 (Heft 15/78, S. 81: „Zum Abschuss frei“; ohne Verfasser) über die Wahl des engen Freundes und Vertrauten des ehemaligen IGMetall-Vorsitzenden Eugen Loderer, Karl-Heinz Briam, zum Arbeitsdirektor der Volkswagen AG.
§ 3 Vorstandsbezogene Interessenkonflikte
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sation herrühren, so handelt es sich zumeist um Fälle, in denen das Vorstandsmitglied an einer anderen Gesellschaft beteiligt ist oder eine bestimmende Funktion, namentlich als Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied ausübt.97 Soweit sich die Interessenkreise der AG und der anderen Gesellschaft überschneiden und das Vorstandsmitglied dort eine Führungsfunktion einnimmt, ist stets von einem rechtlich erheblichen Interessenkonflikt auszugehen.98 Wo die Nähebeziehung zu der anderen Gesellschaft einer reinen Kapitalbeteiligung entspringt, ist deren Höhe entscheidend. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das Vorstandsmitglied an der anderen Gesellschaft zu 100 %, 50 % oder 30 % beteiligt ist.99 Für die Frage seiner Befangenheit ist allein ausschlaggebend, ob es aus der Maßnahme der AG, die diese Gesellschaft betrifft, vermittels seiner Beteiligung einen Vor- oder Nachteil ziehen kann, der nicht mehr als Bagatelle abgetan werden kann. Als solche wird man dabei wiederum in Anlehnung an § 89 Abs. 1 Satz 5 AktG zumeist einen Betrag gelten lassen können, der die Höhe eines Bruttomonatseinkommens nicht überschreitet. Wie bereits ausgeführt, kann jedoch je nach Einzelfall eine Abweichung von dieser Größenordnung gerechtfertigt sein. d) Interessenkonflikt bei Aufgabendelegation Die Geschäftsführungstätigkeit eines Vorstandsmitglieds kann nicht nur dann von Sonderinteressen beeinflusst sein, wenn der Betreffende selbst „Hand anlegt“. Rechtlich relevante Interessenkonflikte kommen ebenso in Betracht, wenn der Befangene die Aufgabe an eine nachgeordnete Abteilung (vertikal) delegiert hat, oder wenn die eigentliche Ausführung der Aufgabe infolge einer vorstandsinternen Ressortaufteilung (horizontal) einem Vorstandskollegen übertragen ist.100 Auch in diesen Fällen kann das Sonderinteresse eines Vorstandsmitglieds die Gesellschaftsinteressen in einer Weise gefährden, die nach rechtlichen Reaktionen zur Eindämmung des Konflikts verlangt. Damit ein Konflikt in diesen Fällen dem Grunde nach in Betracht kommt, ist freilich erforderlich, dass das nicht selbst mit der Sache befasste Vorstandsmitglied Kenntnis davon hat, dass an anderer Stelle in der Gesellschaft ein Vorgang abläuft, der ihm einen persönlichen Vor- oder Nachteil bringen kann. Ist dies der Fall, so resultiert eine Gefahr für die Gesellschaft daraus auf zweierlei Weise: Zum einen ist zu befürchten, dass der Befangene mehr oder weniger subtil Einfluss auf die aktive Geschäftsführungstätigkeit des zuständigen Sachwalters nimmt, indem er sich etwa auffallend oft nach dem Stand der Sache erkundigt, 97
Vgl. insoweit die entsprechenden Fallgruppen des § 89 Abs. 4 AktG. Zu diesen Fällen personeller Verflechtungen – kurz: Doppelmandate – siehe ausführlich unten § 12 und § 13. 99 Eine solche die Bedeutung der tatsächlichen Interessenlage verkennende und damit willkürliche Abgrenzung anhand von Prozentzahlen etwa bei Baumanns, Rechtsfolgen einer Interessenkollision bei AG-Vorstandsmitgliedern, S. 71. 100 Zur Praxis und Zulässigkeit vertikaler und horizontaler Aufgabendelegation vgl. bereits oben § 2 I. und II. 98
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1. Teil, 1. Kap.: Grundlagen und Definitionen
eine „wohlwollende Prüfung“ des Sachverhalts empfiehlt oder sein persönliches Begehren sogar offen einfordert. Besonders in Fällen der vertikalen Delegation werden solche Maßnahmen regelmäßig die gewünschte Wirkung erzielen. Etwas anders gelagert, folgt eine Gefährdung der Gesellschaftsinteressen aber auch daraus, dass der Befangene seine in Bezug auf die übertragene Aufgabe bestehende Überwachungsfunktion und damit einen wichtigen Teil seiner Geschäftsführungsaufgabe konfliktbedingt nicht ordnungsgemäß erfüllt. Dadurch kann die gesellschaftsinterne wechselseitige Kontrolle empfindlich beeinträchtigt werden. Im schlimmsten Fall kommen Situationen in Betracht, in denen der Befangene zwar merkt, dass der von ihm zu überwachende Akteur – wissentlich oder unwissentlich – gesellschaftsschädlich handelt, er aber aus eigenem Interesse davon absieht, korrigierend einzugreifen. Besonderes Augenmerk ist in diesen Delegationsfällen auf die Frage zu richten, ob der dem Grunde nach identifizierte Interessenkonflikt auch ausreichend schwer wiegt, um weitere Rechtsfolgen an ihn zu knüpfen. Da der Befangene hier nur mittelbar in der Lage ist, die Gesellschaft zu schädigen, und die Geschäfte zumindest in den Fällen der vertikalen Delegation für die Gesellschaft zumeist weniger bedeutsam sind, liegt die Schwelle hier tendenziell höher, als in Fällen, in denen der Befangene mit der Sache aktiv befasst ist. Besondere Vorsicht ist aber jedenfalls immer dann geboten, wenn die Anbahnung des Geschäftskontakts auf die Initiative oder Vermittlung des nicht selbst zuständigen (aber persönlich interessierten) Vorstandsmitglieds zurückgeht. Dies gilt umso mehr, je weniger weit die Stelle, an der die eigentliche Maßnahme stattfindet, organisatorisch von dem persönlich interessierten Vorstandsmitglied entfernt ist.
2. Kapitel
Positivrechtliche Regelungen vorstandsbezogener Interessenkonflikte im Aktiengesetz § 4 Allgemeine gesetzliche Vorkehrungen zur Verringerung der Gefahr eigennützigen Vorstandshandelns (Überblick) Neben einigen speziellen Vorschriften, mit denen das Aktiengesetz bestimmte vorstandstypische Konfliktsituationen erfasst,101 sind drei allgemeine aktienrechtliche Ansätze erkennbar, die dazu dienen, Interessenkonflikte im Vorstand der Gesellschaft zu entschärfen. Dies sind einmal Vorkehrungen organisationsrechtlichstruktureller Art, sodann Regelungen, die darauf gerichtet sind, einen Gleichlauf der Interessen der Gesellschaft mit denen ihrer Vorstandsmitglieder zu erreichen oder zumindest einen Interessenwiderspruch zu verhindern, sowie sanktionsrechtliche Vorkehrungen. Speziell für börsennotierte Aktiengesellschaften enthält schließlich auch der Deutsche Corporate Governance Kodex Vorgaben zum Umgang mit vorstandsbezogenen Interessenkonflikten.
I. Organisationsrechtliche Vorkehrungen 1. Dualistische Verwaltungsstruktur der Aktiengesellschaft Das zentrale Mittel, mit dem das Aktiengesetz die Gesellschaft und ihre Eigentümer vor potentiellen Missbräuchen der Leitungsmacht durch ihre Vorstandsmitglieder zu schützen sucht, ist ein sorgsam ausbalanciertes System von checks und balances in der Organisationsverfassung. Die aufgrund von § 23 Abs. 5 AktG zwingend vorgegebene102 Zweiteilung der Verwaltung scheidet die Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand von der Auswahl und Bestellung der Vorstandsmitglieder und ihrer Überwachung durch den Aufsichtsrat. Beide Funktionen sind sowohl personell (§ 105 Abs. 1 AktG) wie auch sachlich (§ 111 Abs. 4 Satz 1 AktG) voneinander getrennt.103 Durch diese institutionalisierte Gewaltenteilung an der 101
Hierzu unten § 5. Hüffer/Koch, AktG § 23 Rn. 36. 103 BegrRegE Kropff, S. 95: „Der Vorstand leitet die Gesellschaft unter eigener Verantwortung. Der Aufsichtsrat wählt und überwacht den Vorstand. […] Die Aufteilung der Zu102
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1. Teil, 2. Kap.: Regelungen vorstandsbezogener Interessenkonflikte
Spitze der Aktiengesellschaft will das Gesetz das insbesondere für Publikumsgesellschaften typische Kontrolldefizit der Eigentümergesamtheit gegenüber dem Vorstand kompensieren und die Gefahr verringern, dass der Vorstand die Gesellschaftsinteressen vernachlässigt und seinen überlegenen Sachverstand, seinen Informationsvorsprung und seine Handlungsspielräume dazu missbraucht, seine eigenen Interessen über die der Gesellschaft zu stellen.104 Zusätzlich zu diversen vorgelagerten Kontrollinstrumenten ist der Aufsichtsrat insbesondere berechtigt, Vorstandsentscheidungen, die ihm besonders riskant erscheinen, nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG an seine Zustimmung zu binden. Der Kontrolleffekt, den der Aufsichtsrat ausüben kann, ist umso größer, je qualifizierter und je unabhängiger vom Vorstand die Aufsichtsratsmitglieder sind. Beide Aspekte versucht das Aktiengesetz auf unterschiedliche Weise zu gewährleisten: So stellt es zwar an die fachliche Qualifikation der Aufsichtsratsmitglieder keine besonderen Anforderungen, sondern setzt voraus, dass sie diejenigen Mindestkenntnisse und -fähigkeiten besitzen, die sie brauchen, um alle normalerweise anfallenden Geschäftsvorgänge auch ohne fremde Hilfe verstehen und sachgerecht beurteilen zu können.105 Soweit im Aufsichtsrat Fragen auftauchen oder Maßnahmen durchzuführen sind, die umfassende Spezialkenntnisse erfordern oder die die Mitglieder zeitlich oder technisch überfordern, hat der Aufsichtsrat aber die Befugnis, Sachverständige zur Beratung über einzelne Gegenstände hinzuzuziehen (§ 109 Abs. 1 Satz 2 AktG) oder sie mit bestimmten Prüfungsaufgaben zu beauftragen (§ 111 Abs. 2 Satz 2 AktG). Vorschriften, die eine der Überwachung abträgliche Abhängigkeit der Aufsichtsrats- von den Vorstandsmitgliedern vermeiden wollen, finden sich neben der bereits erwähnten Inkompatibilitätsregel des § 105 Abs. 1 AktG in § 100 Abs. 2 Nr. 2 und 3 AktG. Danach können gesetzliche Vertreter abhängiger Unternehmen nicht Aufsichtsratsmitglieder in der Obergesellschaft sein, und Vorstandsmitglieder voneinander unabhängiger Unternehmen können sich nicht wechselseitig als Aufsichtsratsmitglieder überwachen. Für börsennotierte Aktiengesellschaften statuiert ferner § 100 Abs. 2 Nr. 4 AktG eine sog. „Cooling-off-Periode“106 von zwei Jahren, die ein ehemaliges Vorstandsmitglied abwarten muss, bevor es ein Amt als Aufsichtsratsmitglied in der zuvor als Vorstandsmitglied geleiteten Gesellschaft übernehmen kann. Auch durch diese Karenzzeit soll eine Vermischung von Leitungs- und Überwachungsaufgaben vermieden und potentiellen Interessenkonflikten bei der Kontrolle von Vorstandsmaßnahmen, die man vielleicht noch selbst mit veranlasst hat, entgegengewirkt werden.107 Sowohl das Erfordernis ausreichender Qualifikation als auch das Kriteständigkeit ist […] geeignet, Mißbräuchen entgegenzuwirken, weil sie die Verantwortung eindeutig festlegt.“ 104 Zu diesem Kontrolldefizit bereits oben unter dem Stichwort des „Principal-AgentKonflikts“, vgl. § 3 I. 105 BGH NJW 1983, 991 („Hertie-Entscheidung“). 106 Begriff z. B. bei Velte, IRZ 2012, 261; Hüffer/Koch AktG § 100 Rn. 16. 107 Zu diesem Zweck z. B. Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit AktG § 100 Rn. 8. Die Karenzzeit gilt nicht, wenn das Aufsichtsratsmitglied aufgrund eines Aktionärsvorschlags, der ein
§ 4 Allgemeine gesetzliche Vorkehrungen (Überblick)
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rium der Unabhängigkeit erfasst das Aktiengesetz für den Bereich der börsennotierten Aktiengesellschaften außerdem noch in der Vorschrift des § 100 Abs. 5. Demgemäß muss mindestens ein unabhängiges Mitglied des Aufsichtsrats über Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügen.108 2. Prinzip der Gesamtgeschäftsführung und -vertretung Zu den organisationsrechtlichen Vorkehrungen, mit denen das Aktiengesetz den Einfluss von Sonderinteressen der Vorstandsmitglieder der Gesellschaft begrenzen will, gehört auch das vom Gesetz zur Regel erhobene Prinzip der Gesamtgeschäftsführung und -vertretung,109 das bei mehrgliedrigen Organen verhindert, dass Vorstandsmitglieder potentielle Eigeninteressen im Alleingang an ihren Kollegen vorbei zur Wirkung bringen können. Zwar ist es in der Praxis – insbesondere im Falle größerer Vorstandsgremien – die Regel, dass die Gesellschaftssatzung das Mehrheitsprinzip oder gar Einzelgeschäftsführung und -vertretung vorsieht.110 Im Falle eines (offen gelegten) Interessenkonflikts kann diese Organisation jedoch zugunsten des gesetzlichen Grundprinzips anlassbezogen geändert werden, sodass den von dem Quorum von 25 % der Stimmrechte erfüllt, gewählt wird; s. hierzu Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zu dem Entwurf eines Gesetzes zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG), BT-Drucks. 16/13433, S. 11: „Grund für die Ausnahmeregelung ist, dass eine generelle Karenzzeit nur systematische Kontrolldefizite bei Gesellschaften im Streubesitz und die faktische Kooptation der Aufsichtsratsbesetzung durch den Vorstand in diesem speziellen Punkt vermeiden soll. Sind wesentliche Eigentümer (z. B. Familienaktionäre, Stiftung) der Auffassung, dass sie auf die Kenntnisse und Fähigkeiten eines verdienten Vorstandes nicht verzichten wollen, so ist es nicht Aufgabe des Gesetzes, ihnen dieses zu verwehren.“ 108 Definitionen für Finanzsachverstand und Unabhängigkeit finden sich im Aktiengesetz nicht. Nach der Gesetzesbegründung des Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (BilMoG), durch das die Vorschrift des § 100 Abs. 5 in das Aktiengesetz aufgenommen worden ist, setzt ein ausreichender Finanzsachverstand jedoch voraus, dass das betreffende Aufsichtsratsmitglied beruflich mit Rechnungslegung und/oder Abschlussprüfung befasst ist oder war (BegrRegE BilMoG BT-Drucks. 16/10067, S. 102); im Ergebnis muss es darauf ankommen, dass es sich hierdurch Kenntnisse angeeignet hat, die es ihm ermöglichen, mit dem Finanzvorstand und den Leitern der Fachabteilungen (interne Revision, Controlling, Rechnungswesen) auf Augenhöhe zu verhandeln (so Habersack, AG 2008, 98, 103; ebenso Drygala, in: Schmidt/Lutter AktG § 100 Rn. 57). Die Unabhängigkeit dieses Finanzexperten ist insbesondere dann zu verneinen, wenn „unmittel- oder mittelbare geschäftliche, finanzielle oder persönliche Beziehungen zur Geschäftsführung [die] Besorgnis der Befangenheit begründen.“ (BegrRegE BilMoG BT-Drucks. 16/10067, S. 101). 109 Siehe oben § 2 II. 110 Für den Bereich der Geschäftsführung vgl. Kort, in: Hdb des Vorstandsrechts § 2 Rn. 86 („Gesamtgeschäftsführung […] entspricht nur selten der tatsächlichen Praxis.“); ebenso Rieger, in: FS Peltzer, 2001, S. 339, 346. Von dem gesetzlichen Regelfall abweichende, in der Praxis übliche Vertretungsvarianten beschreiben z. B. Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 78 Rn. 33 (Gesamtvertretung durch begrenzte Zahl von Vorstandsmitgliedern) und Eckert, in: Wachter AktG § 78 Rn. 15 (unechte Gesamtvertretung durch Vorstandsmitglied und Prokurist).
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1. Teil, 2. Kap.: Regelungen vorstandsbezogener Interessenkonflikte
Konflikt nicht unmittelbar betroffenen Vorstandsmitgliedern wieder die gesetzlich ursprünglich vorgesehenen Möglichkeiten zustehen, um das Geschäftsführungsgebaren ihres Kollegen zu überwachen und etwaige Treuwidrigkeiten zu unterbinden.111
II. Bestimmungen zur Konfliktvermeidung und Interessenharmonisierung 1. Beschränkung der Berufsfreiheit der Vorstandsmitglieder (§ 88 AktG) Vorstandsmitglieder verbringen ihr Leben außerhalb der Aktiengesellschaft nicht in Isolation, sondern unterliegen vielfältigen familiären, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bindungen, aus denen sich eigene Interessen entwickeln, die auf ihr Vorstandshandeln ausstrahlen und es beeinflussen können. Zu einem umfassenden Schutz der Aktiengesellschaft vor eigennütziger Amtsführung ihrer Vorstandsmitglieder wäre es deshalb zwar wirkungsvoll, als unverhältnismäßiger Eingriff in deren persönliche Freiheitsrechte aber unzulässig, ihnen jedwede außergesellschaftliche Betätigung, die zu Interessenkollisionen führen könnte, a priori zu untersagen.112 Dort jedoch, wo gesellschaftsfremde Tätigkeiten von Vorstandsmitgliedern die Gesellschaftsinteressen typischerweise in erhöhtem Maße gefährden, legt ihnen das Aktiengesetz in ihrer beruflichen und wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit Fesseln an, damit es zu derartigen Konfliktsituationen gar nicht erst kommen kann.113 Wesentlicher Ausdruck dieses Ansatzes ist § 88 AktG. Nach dessen Abs. 1 ist es Vorstandsmitgliedern untersagt, während der Dauer ihrer Amtszeit ein Handelsgewerbe zu betreiben oder Vorstandsmitglied, Geschäftsführer oder persönlich haftender Gesellschafter einer anderen Handelsgesellschaft zu sein. Damit soll sichergestellt werden, dass sie ihre Amtspflichten nicht vernachlässigen, sondern ihre ganze Arbeitskraft der Gesellschaft zur Verfügung stellen.114 Außerdem dürfen Vorstandsmitglieder nach § 88 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 AktG im Geschäftszweig der Gesellschaft keine Geschäfte für eigene oder fremde Rechnung machen. Ratio legis ist hier zu unterbinden, dass die Vorstandsmitglieder ihre Vertrauensstellung und ihr Insiderwissen dazu ausnutzen, dem eigenen Geschäftsherrn Konkurrenz zu machen.115 Vor allem dieser Aspekt rechtfertigt die amtliche Bezeichnung des § 88 AktG als „Wettbewerbsverbot“.116 Hat ein Vorstandsmitglied gegen eines der vorgenannten 111
Siehe dazu im Einzelnen unten § 7 II. 3. Lutter, in: FS Priester, 2007, S. 417. 113 Vgl. Fleischer, in: Spindler/Stilz AktG § 88 Rn. 2 (Vorbeugung „wettbewerbliche[r] Grauzone“). 114 BGH NJW 2001, 2476; Hüffer/Koch, AktG § 88 Rn. 1. 115 Hüffer/Koch, AktG § 88 Rn. 1. 116 Hüffer/Koch, AktG § 88 Rn. 1. 112
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Verbote schuldhaft verstoßen, kann die Gesellschaft von ihm wahlweise Ersatz des ihr entstandenen Schadens verlangen oder selbst in das verbotswidrig geschlossene Geschäft eintreten und die Ergebnisse an sich ziehen (§ 88 Abs. 2 AktG).117 Daneben hat die Gesellschaft gegen das Vorstandsmitglied einen Anspruch auf Unterlassung der verbotenen Wettbewerbstätigkeit.118 Flankiert werden die Regelungen des § 88 AktG durch die Geschäftschancenlehre, derzufolge Vorstandsmitglieder aufgrund ihrer gegenüber der Aktiengesellschaft bestehenden Treuepflicht sich eröffnende oder ihnen angebotene Geschäftschancen, die zum tatsächlichen Tätigkeitsfeld der Gesellschaft gehören, für diese wahrnehmen müssen und nicht für eigene Zwecke ausnutzen dürfen.119 2. Erfolgsabhängige Vergütung (§ 87 Abs. 1 AktG) Insbesondere aus Sicht der Principal-Agent-Theorie sind Anreizsysteme, die die Vorstandsmitglieder am unternehmerischen Risiko im Erfolgs- wie im Misserfolgsfall beteiligen, ein geeignetes Mittel, sie in der Verfolgung eigener, für die Gesellschaft nachteiliger Interessen zu bremsen.120 Diesen Gedanken greift das Aktiengesetz auf: Nach § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG hat der Aufsichtsrat bei der Festsetzung der Bezüge der Vorstandsmitglieder dafür zu sorgen, dass die Vergütung nicht nur in einem angemessenen Verhältnis zu den Aufgaben des Vorstandsmitglieds und der Lage der Gesellschaft, sondern auch zur individuellen Leistung des Vorstandsmitglieds steht. Hier ist das gesetzgeberische Bemühen erkennbar, mittels Zielvereinbarungen und erfolgsabhängiger, d. h. an die Zielerreichung geknüpfter, variabler Vergütungsbestandteile die Interessen der Vorstandsmitglieder mit denen
117
Einzelheiten hierzu bei Kort, in: Großkomm AktG § 88 Rn. 62 ff. Dazu reicht bereits eine objektiv pflichtwidrige Verletzung der Verbote nach § 88 Abs. 1 AktG aus; auf ein Vertretenmüssen kommt es – im Gegensatz zum Schadensersatzanspruch – nicht an (unstr.; siehe nur Fleischer, in: Spindler/Stilz AktG § 88 Rn. 33). Der Anspruch kann auch durch vorbeugende Unterlassungsklage geltend gemacht werden, wenn eine Verletzung des Wettbewerbsverbots unmittelbar bevorsteht (Spindler, in: MünchKomm AktG § 88 Rn. 29). 119 BGH DB 1967, 1170; WM 1977, 361; BGH NJW 1986, 584, 585; BGH NJW 1989, 2687; Hüffer/Koch, AktG § 88 Rn. 3; Kort, in: Großkomm AktG § 88 Rn. 190 ff; Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 9 Rn. 23 ff. Das Verhältnis von Wettbewerbsverbot zu Geschäftschancenlehre ist umstritten. Z. T. wird das Wettbewerbsverbot als Unterfall der Geschäftschancenlehre begriffen, (Goette, DStR 1998, 1137, 1139; Kübler, in: FS Werner, 1984, S. 437, 440). Andere sehen die Geschäftschancenlehre als selbständiges Rechtsinstitut, das in seinen Voraussetzungen teils weiter reicht als das Wettbewerbsverbot, teils enger ist und sich mit § 88 Abs. 1 Satz 1 Var. 2 AktG überschneidet (so Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 88 Rn. 5; Kort, in: Großkomm AktG § 88 Rn. 196; Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 9 Rn. 24; ders., NZG 2013, 361, 363). Einigkeit besteht darin, dass die Voraussetzungen und Rechtsfolgen des Wettbewerbsverbots „in vorsichtiger Analogie zur Ausformung der Geschäftschancenlehre herangezogen werden dürfen.“ (Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts, § 9 Rn. 24; ferner Hüffer/Koch, AktG § 88 Rn. 3). 120 Thüsing, in: Hdb des Vorstandsrechts § 6 Rn. 50. 118
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der Gesellschaft zu harmonisieren.121 Über die Anreizwirkung attraktiver zielorientierter Vergütungsbestandteile soll dem Einfluss allfälliger Sonderinteressen der Vorstandsmitglieder begegnet werden – wenn allerdings auch eher indirekt.122 Die wohl immer noch gebräuchlichste Form der erfolgsabhängigen Vergütung, mit der versucht wird, das Vorstandshandeln im Interesse der Gesellschaft zu steuern, sind Tantiemen in der Form der Gewinnbeteiligung.123 Insbesondere seit der zweiten Hälfte der neunziger Jahre sind in Anlehnung an angloamerikanische Vergütungspraktiken auch zunehmend Aktienoptionen zum gängigen Vergütungsbestandteil geworden.124 Dahinter steht die Erwartung, dass Vorstandsmitglieder, je stärker sie an einer Gewinn- bzw. Kurssteigerung persönlich partizipieren, dieses Ziel auch umso eher aus eigenem Antrieb verfolgen und ihre privaten Ziele, sofern sich deren Verwirklichung nachteilig auf Gewinn und/oder Aktienkurs der Gesellschaft auswirken würde, entsprechend zurückstellen.125 Ob diese Erwartung sich so erfüllt, erscheint indes zweifelhaft. Unter dem Strich ist die konfliktpräventive Wirkung erfolgsabhängiger Vergütungen wohl eher begrenzt. Sie läuft insbesondere dort ins Leere, wo sich entweder das eigene Interesse verwirklichen lässt, ohne dass sich dies überhaupt auf die Vergütung auswirkt, oder wo zwar eine Entgelteinbuße zu befürchten ist, das eigene Interesse aber ausreichend lukrativ ist, um diesen zu erwartenden Nachteil zu übertreffen. Das eine oder andere wird häufig der Fall sein. Das liegt zum einen daran, dass nicht jede Art der variablen Vergütung geeignet ist, auch tatsächlich den Einfluss des Vorstandshandelns abzubilden. In besonderem Maße gilt das für Aktienoptionen, deren Wert sich nicht nur entsprechend der Vorstandsleistung entwickelt, sondern – je nach konkreter Ausgestaltung mal mehr und mal weniger – auch allgemeine Markteffekte abbildet. Das führt dazu, dass Nachteile, die der Vorstand der Gesellschaft eingetragen hat, nicht 121
Thüsing, in: Hdb des Vorstandsrechts § 6 Rn. 1. Thüsing, in: Hdb des Vorstandsrechts § 6 Rn. 50; Adams, ZIP 2002, 1325, 1330 f. („Hypothese von der Anreizvergütung“). Im Einzelnen ist das Recht der variablen Vorstandsvergütung freilich eine Wissenschaft für sich, zu der umfangreiche Literatur existiert, die sich wiederum in unterschiedliche Spezialgebiete unterteilt. Neben Abhandlungen, die sich mit allgemeinen Rechtmäßigkeits- und Praktikabilitätserwägungen auseinandersetzen (z. B. Fonk, NZG 2011, S. 321 ff.; Hoffmann-Becking, NZG 1999, 797 ff.), stehen vertiefte Untersuchungen etwa zu spezifisch konzernrechtlichen Problemen (Waldhausen/Schüller, AG 2009, 179 ff.; Spindler, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1529; Habersack, in: FS Raiser, 2005, S. 111 ff.) oder auch für Situationen der Unternehmensübernahme (Hohaus/Weber, DStR 2008, 104 ff.). 123 Thüsing in: Hdb des Vorstandsrechts § 6 Rn. 47. Je nach genauer Zielsetzung sind grundsätzlich auch Tantiemen denkbar, die sich nicht am Gewinn, sondern an anderen Zielgrößen orientieren, wie etwa am Umsatz. In Betracht kommen ferner – besonders flexibel – Ermessenstantiemen (vgl. etwa Spindler in: MünchKomm AktG § 87 Rn. 113; Eichner/Delahaye, ZIP 2010, 2082, 2084). Zu den mit Tantiemen stets verbundenen Risiken einer Fehlsteuerung des Vorstands weiterführend bereits U. H. Schneider, ZIP 1996, 1769, 1771. 124 Thüsing, in: Hdb des Vorstandsrechts § 6 Rn. 57. Zu den unterschiedlichen Varianten, die von echten Aktienoptionen bis hin zu indexabhängigen Barzusagen reichen, vgl. etwa Marsch-Barner, in: FS Röhricht, 2005, S. 401, 411 f. 125 Thüsing, in: Hdb des Vorstandsrechts § 6 Rn. 58. 122
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ohne weiteres an die Mitglieder „durchgereicht“ werden.126 Zum anderen ist zu beachten, dass ein treuwidrig handelndes Vorstandsmitglied zwar in aller Regel den Vorteil, den ihm seine Treuwidrigkeit eingebracht hat, alleine vereinnahmt, die Ergebnisbelastung, die sein Handeln verursacht hat, aber für gewöhnlich alle Vorstandsmitglieder in Form einer Entgelteinbuße trifft.127 Noch fragwürdiger ist die konfliktvermeidende Wirkung variabler Vergütungssysteme schließlich dort, wo das Vorstandsmitglied aus ideellen Erwägungen mit den Gesellschaftsinteressen in Konflikt gerät. Je weniger seine Eigeninteressen einen wirtschaftlichen Wert haben, desto weniger wird er sie sich durch eine variable Vergütung „abkaufen“ lassen. Insgesamt können variable Vergütungsmodelle somit zwar dazu beitragen, die Interessen der Gesellschaft und ihrer Vorstandsmitglieder in Einklang zu bringen. Um jedoch zu erreichen, dass auch konkrete Treuwidrigkeiten im Einzelfall uninteressant werden und ein Vorstandsmitglied schon deshalb von der Verfolgung ablässt, sind sie in aller Regel aber nicht geeignet.
III. Androhung von Sanktionen bei Missbrauch der Leitungsmacht 1. Haftungsrechtliche Sanktionen Schließlich ist auch das aktienrechtliche Haftungssystem als Instrument zur Regulierung von Interessenkonflikten zu erwähnen. Verletzt ein Vorstandsmitglied zugunsten persönlicher Vorteile die Interessen der Gesellschaft, ist es aus § 93 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 93 Abs. 1 AktG zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet. Zwar wirkt diese Haftung unmittelbar naturgemäß erst dann, wenn treuwidriges Vorstandsverhalten bereits zu Schäden geführt hat. Allerdings trägt die Androhung dieser Schadensersatzpflicht auch schon vorbeugend dazu bei, dass Vorstandsmitglieder ihren Eigeninteressen bei der Führung ihrer Amtsgeschäfte nicht bedenkenlos nachgeben.128 Das gilt umso mehr, als das Aktiengesetz für befangene Vorstandsmitglieder grundsätzlich ein strengeres Haftungsregime vorsieht, als für solche, die konfliktfrei handeln. Der aus der Haftungsandrohung ohnehin bereits folgende disziplinierende Effekt wird durch das Aktiengesetz damit interessenkonfliktspezifisch noch erhöht.129
126 Aus diesem Grund sehen sich Aktienoptionsmodelle ganz allgemein vielfältiger Kritik ausgesetzt. Vgl. hierzu Thüsing, in: Hdb des Vorstandsrechts § 6 Rn. 58; ferner bereits Baums, in: FS Claussen, 1997, S. 3, 12 f. 127 Vgl. Baums, in: FS Claussen, 1997, S. 3, 12: „Außergewöhnliche Leistungen und Erfolge werden nicht individuell belohnt, Versagen wird nicht individuell geahndet.“ 128 Zur vorbeugenden Zielsetzung der Vorstandshaftung z. B. Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 11 Rn. 4; Hüffer/Koch, AktG § 93 Rn. 1. 129 Siehe dazu ausführlich unten § 11.
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2. Widerruf der Bestellung Das schadensrechtliche Sanktionssystem wird ergänzt durch die Möglichkeit, Vorstandsmitglieder gemäß § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG aus wichtigem Grund abzuberufen, wenn sie bei ihrer Amtsführung ihren persönlichen Interessen Präferenz vor den Interessen der Gesellschaft gegeben haben. Zumindest die vorsätzliche oder grob fahrlässige Bevorzugung eigener Interessen wird in der Regel den für eine Abberufung erforderlichen Vorwurf der groben Pflichtverletzung i. S. d. § 84 Abs. 3 Satz 2 Var. 1 AktG rechtfertigen.130 Aber auch leichtere Verstöße, wenn sie denn ruchbar werden, können ein Vorstandsmitglied das Vertrauen der Aktionäre und, bei entsprechendem Beschluss in der Hauptversammlung, sein Amt kosten (vgl. § 84 Abs. 3 Satz 2 Var. 3 AktG). So vermag auch diese Sanktion Interessenkonflikte zwar nicht zu verhindern, ist aber gleichwohl geeignet, ein auf Verbleib in seinem Amt bedachtes Vorstandsmitglied bei Entscheidungen, die seine eigenen Interessen berühren, zur Wahrung des Gesellschaftswohls anzuhalten.
IV. Ergänzende Vorkehrungen zur Konfliktregulierung bei börsennotierten Aktiengesellschaften (§ 161 AktG i. V. m. Ziff. 4.3 DCGK) Mit Bedeutung speziell für börsennotierte Aktiengesellschaften nimmt auch der Deutsche Corporate Governance Kodex vorstandsinterne Interessenkonflikte ins Visier (Ziff. 4.3 DCGK). Dies geschieht zum einen in gesetzesdarstellender Form. Insoweit gibt der Kodex in einzelnen Punkten, die einen sachlichen Bezug zu vorstandsinternen Interessenkonflikten aufweisen, lediglich die geltende Gesetzeslage wieder. Diese Ausführungen dienen allein der Information der Anleger über legislative Grundentscheidungen im Bereich der Corporate Governance.131 Eine eigenständige konfliktregulierende Wirkung kommt ihnen nicht zu.132 Darüber hinaus enthält Ziff. 4.3 aber auch drei sogenannte „Empfehlungen“, die im Text des Kodex 130 Maßgeblich ist, ob der Gesellschaft infolge der Pflichtverletzung die Beibehaltung des Vorstandsmitglieds bis zum Ablauf seiner Amtszeit noch zuzumuten ist (allg. Meinung; BGH NJW-RR 1988, 352, 353; Hüffer/Koch, AktG § 84 Rn. 34; Spindler, in: MünchKomm AktG § 84 Rn. 128). 131 Stenger, Kodex und Entsprechenserklärung, S. 77. Zur Rechtsnatur der verschiedenen Kodexbestandteile (gesetzesdarstellende Teile, Anregungen, Empfehlungen) ausführlich ders., a.a.O., S. 76 ff. 132 Ziff. 4.3.1 benennt insoweit das für Vorstandsmitglieder bestehende Wettbewerbsverbot. Ziff. 4.3.2 formuliert das Verbot der tätigkeitsbezogenen Gewährung und Annahme von Sondervorteilen. Ziff. 4.3.3 weist darauf hin, dass die Vorstandsmitglieder auf das Gesellschaftswohl verpflichtet sind („Unternehmensinteresse“) und dass sie Geschäftschancen der Gesellschaft nicht für sich selbst nutzen dürfen. Ziff. 4.3.4 Satz 2 schließlich gibt wieder, dass Geschäfte zwischen der Gesellschaft und einem Vorstandsmitglied bzw. diesem nahestehenden Personen und Unternehmen branchenüblichen Standards genügen müssen.
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jeweils durch die Verwendung des Wortes „soll“ gekennzeichnet sind.133 So soll gemäß Ziff. 4.3.4 Satz 1 „jedes Vorstandsmitglied […] Interessenkonflikte dem Aufsichtsrat gegenüber unverzüglich offen legen und die anderen Vorstandsmitglieder hierüber informieren.“ Nach Ziff. 4.3.4 Satz 3 sollen wesentliche Geschäfte zwischen dem Unternehmen und seinen Vorstandsmitgliedern bzw. ihnen nahestehenden Dritten der Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen. Schließlich sollen gemäß Ziff. 4.3.5 Vorstandsmitglieder Nebentätigkeiten außerhalb des Unternehmens, insbesondere Aufsichtsratsmandate, nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats übernehmen. Das Wesen solcher Empfehlungen liegt darin, dass es sich bei ihnen zwar nicht um verbindliche Rechtsnormen handelt;134 die Nichtbeachtung einer Empfehlung zieht keine rechtliche Sanktion nach sich. Über die Vorschrift des § 161 AktG sind der Vorstand und der Aufsichtsrat jedoch verpflichtet, auf der Internetseite der Gesellschaft jährlich zu erklären, dass den Empfehlungen des Kodex „entsprochen wurde oder wird oder welche Empfehlungen nicht angewendet wurden oder werden und warum nicht“ (sog. Entsprechenserklärung).135 Prämisse dieser Regelungstechnik ist unter anderem, dass der Kapitalmarkt positive Entsprechenserklärungen mit einem Kursanstieg honoriert und negative mit Kursabschlägen bestraft.136 Das Management der Gesellschaft soll auf diese Weise unter Druck gesetzt und zur Einhaltung der Kodexempfehlungen angehalten werden.137 Für die genannten Empfehlungen der Ziff. 4.3 DCGK ist die Befolgungsquote in der Praxis außerordentlich hoch.138 Ob daraus geschlossen werden kann, dass der Kodex einen nennenswerten Beitrag zur Regulierung vorstandbezogener Interessenkonflikte leistet, ist jedoch fraglich. So ist bis heute nicht abschließend geklärt, ob der Kapitalmarkt gute Corporate Governance tatsächlich belohnt bzw. schlechte bestraft.139 Zum anderen liegt es nahe, die hohen Befolgungsquoten darauf zurückzuführen, dass ein Handeln im Einklang mit den Empfehlungen der Ziff. 4.3 DCGK überwiegend ohnehin rechtlich verbindlich abgesichert ist, entweder unmittelbar durch das Aktienrecht oder zumindest anstellungsvertraglich. So folgt die durch Ziff. 4.3.4 Satz 1 DCGK empfohlene Offenlegung von Interessenkonflikten bereits rechtlich verbindlich aus der organschaftlichen Treuepflicht der Vorstandsmitglieder.140 Ähnliches gilt auch für die durch Ziff. 4.3.4 Satz 3 DCGK empfohlene Errichtung eines 133
Vgl. hierzu die Präambel des DCGK. Hüffer/Koch, AktG § 161 Rn. 3; Spindler, in: Schmidt/Lutter AktG § 161 Rn. 8. 135 Zum Begriff vgl. Abschnittsüberschrift vor § 150 AktG. 136 Stenger, Kodex und Entsprechenserklärung, S. 43. 137 Vgl. Stenger, a.a.O. („Markt als Überwachungs- und Sanktionsinstanz“). 138 Hierzu zuletzt von Werder/Talaulicar, DB 2010, 853, 855: Akzeptanz für Ziff. 4.3.4 Satz 1: 97,1 %, für Ziff. 4.3.4 Satz 3: 98,8 %, für Ziff. 4.3.5: 97, 1 %. 139 Vgl. die unterschiedlichen Forschungsergebnisse bei Nowak/Rott/Mahr, ZGR 2005, 252, 279 („Abgabe der Entsprechenserklärung [löst] keine erhebliche Kursbeeinflussung [aus]“) und Jahn/Rapp/Strenger/Wolff, ZCG 2011, 64 ff., wonach sich zumindest bei Unternehmen mit hohem Streubesitz die Einhaltung der Kodexempfehlungen tendenziell wertsteigernd auswirkt. 140 Vgl. hierzu unten § 6 I. 3. a). 134
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1. Teil, 2. Kap.: Regelungen vorstandsbezogener Interessenkonflikte
Zustimmungsvorbehalts des Aufsichtsrats bei wesentlichen Geschäften zwischen der Gesellschaft und ihren Vorstandsmitgliedern bzw. diesen nahestehenden Dritten. Zwar steht die Festlegung eines Zustimmungsvorbehalts nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG grundsätzlich im unternehmerischen Ermessen des Aufsichtsrats. Bei Konfliktgeschäften mit dem von Ziff. 4.3.4 Satz 3 DCGK geforderten „wesentlichen“ Inhalt wird dieser Ermessenspielraum regelmäßig jedoch sehr eng und häufig auch auf Null reduziert sein, sodass der Aufsichtsrat zum Erlass eines Zustimmungsvorbehalts verpflichtet ist.141 Für Geschäfte, die unmittelbar zwischen der Gesellschaft und dem Vorstandsmitglied geschlossen werden, ist gemäß § 112 AktG ohnehin der Aufsichtsrat zuständig.142 Und mit seiner Empfehlung in Ziff. 4.3.5, wonach Vorstandsmitglieder Nebentätigkeiten außerhalb des Unternehmens nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats übernehmen sollen, bildet der Kodex zwar keine per se bestehende gesetzliche Pflicht ab. Da der wesentliche Zweck der Empfehlung darin besteht, der Gesellschaft nach Möglichkeit die Arbeitskraft ihrer Vorstandsmitglieder zu erhalten, adressiert sie jedoch ein Interesse der Gesellschaft, das weitgehend durch die organschaftliche Treuepflicht143 bzw. als vertragliche Hauptleistungspflicht des Vorstandsmitglieds abgesichert ist.144 Hinzu kommt, dass die Pflicht zur Einbeziehung des Aufsichtsrats in solchen Situationen bei börsennotierten Aktiengesellschaften Standardinhalt der Anstellungsverträge der Vorstandsmitglieder ist. Der Aufsichtsrat wird in aller Regel bereits aus diesem Grund regelmäßig involviert.145 Die Funktion des Kodex zur Konfliktregulierung ist daher nicht überzubewerten. Indem er Interessenkonflikte des Vorstands in einem eigenen Abschnitt adressiert, dürfte er zwar mit dazu beitragen, die Sensibilität der Vorstands- und Aufsichtsratmitglieder für das Auftreten von Interessenkonflikten zu schärfen, das Erfordernis konfliktresistenter Organisationsstrukturen weiter in den Fokus zu rücken und einige in Konfliktkonstellationen wichtige Verhaltensmaßstäbe zu verdeutlichen. Anforderungen, die über das hinausgehen, was für Vorstand und Aufsichtsrat ohnehin bereits gilt, formuliert er jedoch nicht. Der mit der Entsprechenserklärung gemäß § 161 AktG angestrebte Druck des Kapitalmarkts hat daher zwar möglicherweise eine ergänzende, im Gesamtzusammenhang des Aktiengesetzes aber keine zentrale konfliktregulierende Funktion.
141
Siehe unten § § 7 II. 2. Vgl. hierzu ausführlich unten § 5 VI. 143 Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 93 Rn. 96. 144 Vgl. Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 9 Rn. 17. 145 Ringleb, in: Ringleb/Kremer/Lutter/v. Werder, DCGK Rn. 847. Vgl. auch die entsprechenden Vertragsmuster aus der Kautelarliteratur: z. B. Hoffmann-Becking, in: HoffmannBecking/Rawert, Beck’sches Formularbuch Bürgerliches, Handels- und Wirtschaftsrecht, X.13, § 1 Abs. 2 des Vertragsmusters. 142
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§ 5 Gesetzliche Sonderregelungen zur Vermeidung und Regulierung vorstandsspezifischer Interessenkonflikte Neben den dargestellten allgemeinen Vorkehrungen, die das Aktiengesetz trifft, um Interessenkollisionen zwischen der Gesellschaft und ihren Vorstandsmitgliedern zu vermeiden oder zu regulieren, greift es in verschiedenen Einzelbestimmungen eine Reihe spezifischer Sachverhalte auf, bei denen die Gefahr, dass Vorstandsmitglieder ihre Amtsführung mehr an den eigenen als an den Gesellschaftsinteressen orientieren, nach allgemeiner Erfahrung besonders ausgeprägt ist. Zumeist betreffen diese Bestimmungen die Vornahme von Rechtsgeschäften der Aktiengesellschaft mit einem Vorstandsmitglied. Darüber hinaus werden z. T. auch Rechtsstreitigkeiten zwischen beiden sowie Rechtsgeschäfte der Gesellschaft mit Dritten angesprochen, an denen ein Vorstandsmitglied ein besonderes Interesse hat. Bei der Lösung dieser typischen Konfliktsituationen sind zwei grundsätzliche Muster erkennbar: das der präventiven Konfliktvermeidung und das der Konfliktbewältigung.146 Der Konfliktvermeidung dienen die Vorschriften, die den Vorstand von der Amtsführung komplett ausschließen, während die Regelungen zur Konfliktbewältigung seine Geschäftsführungsbefugnis lediglich einschränken, indem sie sie an die Zustimmung des Aufsichtsrats binden. Sämtliche Bestimmungen setzen tatbestandlich nicht voraus, dass ein Vorstandsmitglied den Konflikt jeweils auch als solchen empfindet und sich in der konkreten Situation außerstande fühlt, seiner Pflicht zur uneigennützigen Amtsführung nachzukommen, sondern lassen die von der beschriebenen Situation typischerweise ausgehende abstrakte Gefahr einer sachfremden Entscheidung genügen. Auf der Rechtsfolgenseite machen sich die Regelungen die spezifische dualistische Verwaltungsstruktur der Aktiengesellschaft zunutze. Anders als z. B. das Vereinsrecht (§ 28 Abs. 1 i. V. m. § 34 BGB) versuchen sie, den Schutz der Gesellschaft nicht durch ein individuelles organschaftliches Stimmverbot für das unmittelbar konfliktbetroffene Mitglied zu erreichen, sondern entziehen dem Vorstandsorgan als solchem die unbeschränkte Befugnis zur Geschäftsführung und übertragen sie – ganz oder als Mitwirkungsbefugnis – dem Aufsichtsrat, bei dem das Gesetz die unbefangene Wahrnehmung der Gesellschaftsinteressen in den einschlägigen Konfliktsituationen besser aufgehoben sieht. Mit der Analyse dieser Einzelregelungen, ihrem wechselseitigen Verhältnis sowie den Rechtsfolgen, die im Falle von Verstößen gegen diese Normen eingreifen, befassen sich die nachfolgenden Ausführungen.
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Begrifflichkeiten in Anlehnung an Dreher, JZ 1990, 896, 898 ff.
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I. Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, Abs. 3 Satz 1 AktG) 1. Regelungsinhalt § 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 AktG nehmen von der Geschäftsführungskompetenz des Vorstands die Bestellung seiner Mitglieder, ihre Abberufung sowie die Bestimmung des Vorstandsvorsitzenden aus und überantworten sie der alleinigen Sachzuständigkeit des Aufsichtsrats. Parallel dazu räumt § 112 AktG dem Aufsichtsrat die zur wirksamen Vornahme der besagten Rechtsgeschäfte147 erforderliche Vertretungsmacht ein und stellt klar, dass er die Gesellschaft bei eventuellen Rechtsstreitigkeiten auch gerichtlich vertritt. Das Gesetz begnügt sich also nicht damit, lediglich das von der (Wieder-)bestellung oder der Abberufung unmittelbar betroffene Mitglied von der Mitwirkung in eigener Sache auszuschließen, sondern entzieht dem gesamten Vorstand in diesen Angelegenheiten die Sachzuständigkeit und überträgt sie auf den Aufsichtsrat. Die Regelung des § 84 beruht auf der Besorgnis, dass der Vorstand selbst nicht die erforderliche Unbefangenheit aufbringt, wenn es um die Bestellung und Abberufung seiner eigenen Mitglieder geht. Das leuchtet für die Person des jeweils unmittelbar Betroffenen ohne weiteres ein, gilt aber in einem mehrgliedrigen Vorstand auch für seine Kollegen. Sie alle sind aufgrund ihrer gemeinsamen Organfunktion aufeinander angewiesen und deshalb typischerweise in der Versuchung, sich zu einer eigennützigen Interessengemeinschaft zusammenzutun, wenn sie sich ihre Kollegen selbst aussuchen und über deren Verbleiben im Vorstand bestimmen dürften. Um der daraus entstehenden Gefahr zu begegnen, dass sachfremde Kriterien wie z. B. persönliche Verbundenheit und erwartetes Wohlverhalten Vorrang erhalten vor fachlicher und persönlicher Qualifikation, überträgt § 84 AktG die Zuständigkeit für Auswahl, Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern und -vorsitzendem dem Aufsichtsrat als insoweit neutralerem und unabhängigerem Organ.148 2. Unwirksamkeit der Bestellung/Abberufung bei Zuständigkeitsverstoß Fraglich ist, welche rechtlichen Konsequenzen es für die Bestellung/Abberufung eines Vorstandsmitglieds hat, wenn sie, entgegen §§ 84 Abs. 1, 112 AktG nicht durch den Aufsichtsrat, sondern – etwa infolge einer unzulässigen Delegation vom Auf147 Zum rechtsgeschäftlichen Charakter dieser Vorgänge Hüffer/Koch, AktG § 84 Rn. 4 und 32; Seibt, in: Schmidt/Lutter AktG § 84 Rn. 6; Fleischer, in: Spindler/Stilz AktG § 84 Rn. 5. 148 Vgl. Fonk, in: Semler/v. Schenck ArbHdb Aufsichtsrat § 10 Rn. 23: „Die Sorge, dass bei einem zu starken Gewicht des […] Vorstands in der Auswahl des neuen Kollegen Abhängigkeiten geschaffen werden, die zu Dankbarkeit und Wohlverhalten des Neuen verpflichten […] ist nicht unrealistisch […].“
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sichtsrat auf den Vorstand149 – durch den Vorstand selbst geschieht. Konkret zu klären ist insoweit, ob die Maßnahme nach § 134 BGB nichtig ist oder durch Genehmigung des an sich zuständigen Aufsichtsrats geheilt werden kann. In der Literatur wird die Problematik der Genehmigungsfähigkeit von Rechtsgeschäften der Gesellschaft mit Vorstandsmitgliedern, die an der Zuständigkeit des Aufsichtsrats vorbei durch den Vorstand getätigt werden, schwerpunktmäßig im Zusammenhang mit der Vertretungsmacht des Aufsichtsrats nach § 112 AktG behandelt.150 Geht man mit Teilen des Schrifttums davon aus, dass jeder Verstoß des Vorstands gegen § 112 AktG unweigerlich die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge hat, ist die Diskussion an dieser Stelle beendet. Auf die Frage, ob die Maßnahme aus einem sonstigen Grund nichtig sein könnte, kommt es dann nicht mehr an. Schließt man sich der Gegenmeinung an, wonach sich die fehlende Vertretungsmacht des Vorstands grundsätzlich durch Genehmigung des Aufsichtsrats gemäß §§ 177, 180 BGB überwinden lässt, bedarf es eines zusätzlichen Blicks auf das Geschäft, für dessen Vornahme der Aufsichtsrat die Vertretungsmacht hat. Der Grund dafür ist, dass die Genehmigung nach §§ 177, 180 BGB zwar den Mangel fehlender Vertretungsmacht zu heilen vermag, nicht aber verhindern kann, dass das Rechtsgeschäft aus einem anderen Grunde nichtig ist.151 Ein solcher Nichtigkeitsgrund könnte sich bei der eigenmächtigen Bestellung/Abberufung eines Vorstandsmitglieds aus dem Verstoß gegen die Geschäftsführungsbefugnis des Aufsichtsrats nach § 84 Abs. 1 AktG herleiten lassen. Dazu müsste sich § 84 AktG für den Vorstand als Verbotsgesetz i. S. v. § 134 BGB darstellen und sich aus Sinn und Zweck des Gesetzes nicht ein anderes als die Nichtigkeit ergeben. Der Verbotscharakter des § 84 Abs. 1 AktG ist zweifelhaft. Eine Vorschrift ist ein Verbotsgesetz i. S. d. § 134 BGB, wenn sie einen bestimmten Inhalt eines Rechtsgeschäfts oder die Umstände seines Zustandekommens untersagt.152 Die Bestellung/Abberufung eines Vorstandsmitglieds als solche ist aber nicht verboten. Verboten ist nur die Bestellung bzw. Abberufung durch den Vorstand, weil das Aktiengesetz die Zuständigkeit dafür ausschließlich dem Aufsichtsrat zugewiesen hat. Ob in einem solchen Fall von der Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts auszugehen ist, ist vom Schutzzweck des Gesetzes abhängig.153 Wie bereits festgestellt, bezweckt das Gesetz mit der Kompetenzzuweisung an den Aufsichtsrat in § 84 Abs. 1 AktG den Schutz der Gesellschaft vor eigennützigen Entscheidungen typischerweise befangener Vorstandsmitglieder.154 Es stellt sich daher die Frage, ob dieser Schutz der Gesellschaft effektiv nur durch eine strenge Nichtigkeitsfolge verwirklicht werden kann, oder ob nicht auch eine schwebende Unwirksamkeit der Bestellung/Abberufung ausreicht, die der Auf149 Hierzu Fleischer, in: Spindler/Stilz AktG § 84 Rn. 9; Spindler, in: MünchKomm AktG § 84 Rn. 14. 150 Hierzu mit entsprechenden Nachweisen noch ausführlich unten § 5 VI. 4. 151 Vgl. Stein, AG 1999, 28, 32. Ferner unten § 5 VI. 4. 152 Ellenberger, in: Palandt BGB § 134 Rn. 5; Larenz/Wolf, BGB AT § 40 Rn. 8. 153 Larenz/Wolf, BGB AT § 40 Rn. 11, 17 ff. 154 Siehe oben § 5 I. 1.
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1. Teil, 2. Kap.: Regelungen vorstandsbezogener Interessenkonflikte
sichtsrat – analog §§ 177, 180 BGB – durch Ablehnung seiner Genehmigung endgültig besiegeln kann. In ihren Rechtsfolgen unterscheidet sich eine gemäß § 134 BGB nichtige Bestellung/Abberufung nicht von einer genehmigungsfähigen, der die Genehmigung verweigert wird. Diese Gleichstellung entspricht jedoch nicht der Intention des Aktiengesetzes. Mit der im Gesetz verankerten dualistischen Verwaltungsstruktur der Aktiengesellschaft verfolgt es den Zweck, durch eindeutige Festlegung der Verantwortlichkeiten „Mißbräuchen entgegenzuwirken“.155 Dem dient konkret auch die Übertragung der ausschließlichen Sachkompetenz für Vorstandsbesetzungen auf den Aufsichtsrat. Darin äußert sich die Absicht des Gesetzes, den befangenen Vorstand aus diesem Prozess komplett herauszuhalten und so der Gefahr missbräuchlicher Einmischungen aus dieser Richtung von vornherein einen Riegel vorzuschieben. Mit diesem Anliegen würde sich eine Praxis, die dem Vorstand nach dem Prinzip des Verbots mit Erlaubnisvorbehalt für verbotene Eingriffe in den Kernbereich aufsichtsrätlicher Personalkompetenz eine Genehmigungsmöglichkeit in Aussicht stellt, nicht vertragen. Dadurch würden derartige Übergriffe zwar nicht geradezu herausgefordert, psychologisch aber doch begünstigt. Natürlich könnte der Aufsichtsrat seine Genehmigung ohne Begründung verweigern. Dies ändert jedoch nichts daran, dass er durch vorgreifende Vorstandsentscheidungen psychologisch unter Begründungszwang und Rechtfertigungsdruck gerät, wenn deren Genehmigungsfähigkeit nicht von vornherein unmissverständlich ausgeschlossen ist. Eine solche Entscheidungssituation will das Gesetz hier aber gerade vermeiden. Hinzu kommt, dass der Aufsichtsrat nicht nur berechtigt, sondern im Interesse der Gesellschaft auch verpflichtet ist, seine Besetzungsentscheidungen eigenverantwortlich und autark zu fällen.156 Zwar vermag auch die Nichtigkeit der Vorstandsentscheidung nicht vollständig zu verhindern, dass sich der Aufsichtsrat mit Alleingängen des Vorstands konfrontiert sieht, die er im Interesse der Rechtsklarheit nur durch eine eindeutige Stellungnahme aus der Welt schaffen kann. Der Gefahr solcher Störmanöver lässt sich jedoch ungleich wirksamer begegnen, indem man sie kompromisslos nach § 134 BGB für nichtig erklärt.157 Hätte der Gesetzgeber ihre Genehmigungsfähigkeit gewollt, dann hätte er das – wie etwa in § 89 Abs. 5 AktG für eigenmächtige Kreditgewährungen durch den Vorstand – ausdrücklich anordnen können.158
155
BegrRegE Kropff, S. 95. Vgl. Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 112 Rn. 11 („Bereich unveräußerlicher Zuständigkeiten“). 157 Im Ergebnis wie hier Kort, in: Großkomm AktG § 84 Rn. 28. 158 Für den Fall der Bestellung sind die praktischen Unterschiede zwischen beiden Ansichten freilich gering, da auf eine trotz Nichtigkeit der Bestellung erfolgende Durchführung des Vorstandsamts die Regeln über das „fehlerhafte Organverhältnis“ Anwendung finden und bis zu einem förmlichen Beendigungsbeschluss des Aufsichtsrats das Rechtsverhältnis zwischen fehlerhaft bestelltem Vorstandsmitglied und Gesellschaft wie ein ex tunc wirksames behandelt wird (vgl. hierzu etwa Spindler, in: MünchKomm AktG § 84 Rn. 237 ff.; Seibt, in: Schmidt/Lutter § 84 Rn. 21 f.; Fleischer, in: Spindler/Stilz AktG § 84 Rn. 20). 156
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II. Abschluss und Beendigung von Anstellungsverträgen sowie Festlegung der Anstellungsbedingungen (§§ 84 Abs. 1 Satz 5, 87 AktG) Einem typischen Interessenkonflikt wären die Vorstandsmitglieder ferner ausgesetzt, wenn sie für den Abschluss und die Auflösung ihrer Anstellungsverträge sowie die inhaltliche Ausgestaltung ihrer Anstellungsbedingungen, insbesondere für ihre Vergütung, zuständig wären. Das Gesetz sieht hier zu Recht die Gefahr, dass sie sich in einträchtiger (und einträglicher) Gemeinschaft auf Kosten der Gesellschaft selbst bzw. – bei mehrgliedrigen Organen – gegenseitig begünstigen könnten. Vor allem die Ausgestaltung der Vergütungsstruktur berührt die Interessen aller Vorstandsmitglieder unmittelbar und bei gemeinsamer Behandlung dieses Themas würde jeder bestrebt sein, in erster Linie seine persönliche Vorstellung von einer „gerechten“ Vergütung zur Geltung zu bringen. In einem mehrgliedrigen Vorstand wäre dieser Vorgang stets von der eigennützigen Erwartung geprägt, dass sich ein großzügiges Verhalten gegenüber den Kollegen dadurch bezahlt macht, dass es sich, wenn man selbst „an der Reihe ist“, positiv auf die eigene Vergütung auswirkt. Auch die im regelmäßigen Turnus anstehende Festlegung der individuellen Gehalts- und Bonushöhe wäre immer eine Entscheidung in eigener Sache. Deshalb hat das Gesetz die inhaltliche Ausgestaltung der Vorstandsverträge, namentlich der Bezüge und ihre individuelle Bemessung, gemäß § 84 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 87 AktG ausschließlich in die Hände des Aufsichtsrats gelegt.159 Nichts anderes gilt für alle weiteren besonderen Vergütungsbestandteile, wie etwa Sachbezüge (Dienstwagen, etc.), Karenzentschädigungen für nachvertragliche Wettbewerbsverbote, Ruhegeld und Hinterbliebenenversorgung oder Abfindungsleistungen.160 Da diese Vereinbarungen in aller Regel innerhalb der Gesellschaft weitgehend standardisiert sind, berührt ihre Ausgestaltung und Auslegung die Interessen aller Vorstandsmitglieder in gleicher Weise, so dass ihr unbefangener Umgang mit dieser Materie schlechterdings nicht zu erwarten ist. Durch § 112 AktG wird die interne Geschäftsführungsbefugnis des Aufsichtsrats für diese Angelegenheiten nach außen ergänzt, indem die Vorschrift dem Aufsichtsrat auch die Vertretungsmacht für diesen Bereich überträgt und ihm die Befugnis verleiht, die Gesellschaft in allen diesbezüglichen Rechtsstreitigkeiten gerichtlich zu vertreten. Ebenso wie bei Bestellungen und Abberufungen von Vorstandsmitgliedern stellt sich auch bei Rechtsgeschäften im Zusammenhang mit dem Anstellungsverhältnis die Frage, ob sie, wenn sie statt durch den Aufsichtsrat vom Vorstand geschlossen werden, nach § 134 BGB wegen Verstoßes gegen die Zuständigkeit des Aufsichtsrats nichtig sind oder durch ihn genehmigt werden können. Die Antwort ist hier dieselbe wie im Bereich der Vorstandsbesetzung: Die Regelung von Anstellungsbedingungen 159
Hüffer/Koch, AktG § 84 Rn. 15; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 84 Rn. 48; Fleischer, in: Spindler/Stilz AktG § 84 Rn. 33. 160 Vertragsmuster mit diesen typischen Vertragsinhalten bei Terbrack/Lohr, in: Heidel AktR Anhang zu § 84 AktG Rn. 39.
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der Vorstandsmitglieder ist ein „Königsrecht“ des Aufsichtsrats; dem Vorstand ist die Gestaltung und Durchsetzung der Anstellungsverträge vollständig entzogen. Der Gefahr, dass sich diese Grenzen verwischen, lässt sich konsequent nur dadurch begegnen, dass rechtliche Übergriffe des Vorstands mit der Sanktion der Nichtigkeit belegt werden. Es spielt dabei keine Rolle, ob der Aufsichtsrat im konkreten Fall robust genug ist, sich gegen derartige Übergriffe zu wehren und die Genehmigung zu verweigern; wie auch im Bereich der Vorstandsbesetzung entspricht es der klaren, durch das Ziel der Missbrauchsverhütung bestimmten aktienrechtlichen Kompetenzverteilung, unzulässige Vertragszusagen des Vorstands gegenüber einem Mitglied gem. § 134 BGB für nichtig zu erachten.161
III. Befreiung vom gesetzlichen Wettbewerbsverbot (§ 88 Abs. 1 AktG) Wettbewerbshandlungen von Vorstandsmitgliedern sind durch die Regelung des § 88 AktG nicht ausnahmslos verboten. Die Gesellschaft kann sich des präventiven gesetzlichen Schutzes im Einzelfall dadurch begeben, dass sie dem Vorstandsmitglied die Ausübung einer dem Wettbewerbsverbot unterliegenden Tätigkeit gestattet. Dazu bedarf es ihrer (vorherigen) Einwilligung, die sie nur für bestimmte Handelsgewerbe oder -gesellschaften oder für bestimmte Arten von Geschäften, nicht aber „blanko“ erteilen kann (§ 88 Abs. 1 Satz 3 AktG). Die Zuständigkeit dafür liegt nicht beim Vorstand selbst, sondern beim Aufsichtsrat (§ 88 Abs. 1 Satz 2 AktG). Der Aufsichtsrat hat über die Ausnahmebewilligung nach pflichtgemäßem Ermessen unter sachgerechter Abwägung der Interessen des antragstellenden Vorstandsmitglieds mit den Interessen der Gesellschaft zu beschließen.162 Die Verlagerung der Zuständigkeit weg vom Vorstand hin zum Aufsichtsrat leuchtet ohne weiteres ein, wenn der Vorstand nur aus einer Person besteht. Aber auch gegenüber einem mehrgliedrigen Vorstand sieht das Gesetz die Interessen der Gesellschaft beim Aufsichtsrat besser aufgehoben, weil es davon ausgeht, dass durch ihre gemeinsame Organtätigkeit verbundene Vorstandsmitglieder untereinander nicht unabhängig genug sind, um mit der gebotenen Unbefangenheit über den Ausnahmeantrag eines Kollegen zu entscheiden.163
161 Wie hier Hüffer/Koch, AktG § 112 Rn. 12: Nichtigkeit und keine Genehmigungsfähigkeit, „soweit Ges Geschäftserfolg wegen Befangenheit des Vorstands seiner Zuständigkeit entzieht; so etwa bei Erhöhung der Bezüge durch Vorstandsbeschluß entgegen § 84 I 1 und 5. […] Nichtigkeit tritt ein, weil dagegen verstoßen ist und erfaßt auch schon Vorstandsbeschluß, nicht erst darauf beruhende Änderung des Anstellungsvertrags.“ 162 Kort, in: Großkomm AktG § 88 Rn. 61; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 88 Rn. 18; Weber, in: Hölters AktG § 88 Rn. 13; ungenau Fleischer, AG 2005, 336, 345 (Einwilligung „im Belieben“ des Aufsichtsrats). 163 Siehe zu dieser Gefahrenlage unten § 5 VI. 3. a) bb).
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Eine unter Verstoß gegen die ausschließliche Regelungszuständigkeit des Aufsichtsrats erteilte Einwilligung durch den Vorstand mit den Stimmen der nicht betroffenen Vorstandsmitglieder ist, analog zu der Bewertung der bereits dargestellten Verstöße gegen die ausschließliche Sachzuständigkeit des Aufsichtsrats nach §§ 84, 87 AktG, nicht nur schwebend unwirksam, sondern nach § 134 BGB nichtig. Eine Heilung des Mangels durch Genehmigung des Aufsichtsrats mit der Folge, dass das Wettbewerbsverbot mit Ex-Tunc-Wirkung entfiele, kommt hier auch deshalb nicht in Betracht, weil die Gesellschaft in diesem Fall ihre aus dem ursprünglichen Verstoß gegebenenfalls entstandenen Ansprüche gegen das Vorstandsmitlglied aus § 88 Abs. 2 AktG verlöre, der Aufsichtsrat gemäß § 93 Abs. 4 Satz 2 AktG aber nicht über bereits entstandene Ersatzansprüche der Gesellschaft verfügen kann.164
IV. Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder (§ 89 Abs. 1 AktG) 1. Regelungsinhalt Kreditgeschäfte unterscheiden sich von den vorgenannten Rechtsgeschäften der Gesellschaft mit Vorstandsmitgliedern dadurch, dass sie ihrem Wesen nach „vorstandsneutral“ sind, d. h. von der Gesellschaft grundsätzlich auch mit nicht zum Vorstand gehörenden Dritten geschlossen werden können.165 Sobald Kreditempfänger jedoch ein Vorstandsmitglied ist, bedürfen sie einer besonders kritischen Betrachtung.166 Aufgrund ihres unmittelbaren Zugriffs auf die Finanzmittel der Gesellschaft könnten Vorstandsmitglieder besonders leicht in erhebliche Interessenkonflikte geraten, wenn sie sich selbst oder untereinander Kredite bewilligen dürften.167 Die Versuchung, sich dabei auf Kosten der Gesellschaft und ihrer Eigentümer durch überhöhte Kreditbeträge sowie unangemessene Zins- und Rück164 Allg. Meinung; siehe z. B. Kort, in: Großkomm AktG § 88 Rn. 55; Hüffer/Koch, AktG § 88 Rn. 5; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 88 Rn. 17; Spindler, in: MünchKomm AktG § 88 Rn. 27; Fleischer, in: Spindler/Stilz AktG § 88 Rn. 26; Weber, in: Hölters AktG § 88 Rn. 12. 165 Eine Legaldefinition des Kreditbegriffs findet sich in § 89 AktG nicht. Allgemein ist unter einem Kredit die Überlassung von Kaufkraft auf Zeit zu verstehen (Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber AktG § 89 Rn. 2). Der Begriff ist angesichts des gesetzlichen Zwecks der Missbrauchsvermeidung weit auszulegen (allg. Meinung, siehe nur Hüffer/Koch, AktG § 89 Rn. 2; Spindler, in: MünchKomm AktG § 89 Rn. 8). Er umfasst sowohl die zeitweise Überlassung von Geld- oder Sachmitteln gemäß §§ 488, 607 BGB als auch die Gewährung von Sicherheiten bei Kreditgeschäften des Vorstandsmitglieds mit Dritten, z. B. die Übernahme einer Bürgschaft, sowie unübliche Stundungen (s. hierzu im Einzelnen Kort in: Großkomm AktG § 89 Rn. 19 ff.; ferner Spindler, in: MünchKomm AktG § 89 Rn. 10 ff.). 166 Kort, in: Großkomm AktG § 89 Rn. 2; Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts, § 9 Rn. 48. 167 Zur mit Vorstandskrediten verbundenen besonderen Risikolage Fleischer, WM 2004, 1057.
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zahlungsbedingungen selbst zu begünstigen, läge auf der Hand. Zur Vermeidung solcher Missbrauchsgefahren geht das Gesetz nicht den Weg, Kreditgeschäfte der Gesellschaft mit ihren Vorstandsmitgliedern zu verbieten,168 sondern unterstellt sie in § 89 Abs. 1 AktG, als weitere Ausnahme zu § 77 AktG, der sachlichen Zuständigkeit des Aufsichtsrats, dessen Vertretungsmacht für den rechtsgeschäftlichen Abschluss und die gerichtliche Vertretung der Gesellschaft bei eventuellen Rechtsstreitigkeiten im Gefolge der Kreditgewährung sich wiederum aus § 112 AktG ergibt.169 Die aus § 89 Abs. 1 AktG folgende Regelungsbefugnis des Aufsichtsrats umfasst zum einen die Entscheidung über das Ob der Kreditvergabe. Darüber hinaus hat er in seinem Beschluss auch Art und Höhe des Kredits sowie nach § 89 Abs. 1 Satz 3 AktG die Verzinsungs- und Rückzahlungsmodalitäten festzulegen. Nicht zuletzt durch die damit verbundene erhöhte Transparenz wird Missbräuchen bei der Kreditvergabe entgegengewirkt.170 Vor dem Hintergrund der Erfahrung, dass Vorstandskredite häufig als Vergütungsbestandteile („legitimate compensation tools“)171 eingesetzt und nicht selten aus Gefälligkeitsgründen („sweetheart loans“)172 gewährt werden, flankiert § 89 Abs. 1 AktG die allgemeine Vergütungszuständigkeit des Aufsichtsrats nach § 87 AktG und begegnet damit der Gefahr, dass die Vorstandsmitglieder die Vergütungspraxis des Aufsichtsrats konterkarieren, indem sie sich auf dem Weg gegenseitiger Kreditgewährung unbemerkt Vorteile verschaffen. 2. Rechtsfolgen bei Zuständigkeitsverstoß Wird der Kredit entgegen §§ 89 Abs. 1 Satz 1, 112 AktG nicht vom Aufsichtsrat, sondern vom Vorstand gewährt, ist streitig, ob das Geschäft nach § 134 BGB nichtig oder nur schwebend unwirksam ist. Nach wohl h. M. in der Literatur ergibt sich die Nichtigkeit hier zwar nicht aus dem Verstoß gegen die sachliche Geschäftsführungsbefugnis des Aufsichtsrats, weil § 89 Abs. 1 Satz 1 AktG kein Verbotsgesetz für den Vorstand sei.173 Wohl aber folge die Nichtigkeit aus seiner fehlenden Ver-
168 Seibt, in: Schmidt/Lutter AktG § 89 Rn. 1; Spindler, in: MünchKomm AktG § 89 Rn. 1; Fleischer, WM 2004, 1057 ff. (mit rechtsvergleichendem Rundblick); BegrRegE Kropff, S. 113; siehe in diesem Zusammenhang auch zur Entstehungsgeschichte der Regelung Kort, in: Großkomm AktG § 89 Rn. 13 ff. 169 Abweichend z. B. Fleischer, WM 2004, 1057, 1066, der die Zuständigkeit des Aufsichtsrats bereits vollständig aus § 112 AktG ableitet und § 89 Abs. 1 Satz 1 AktG lediglich das Erfordernis eines ausdrücklichen Aufsichtsratsbeschlusses entnimmt; ebenso Weber, in: Hölters AktG § 89 Rn. 7; Seibt, in: Schmidt/Lutter AktG § 89 Rn. 7; Spindler, in: MünchKomm AktG § 89 Rn. 36. 170 Weber, in: Hölters AktG § 89 Rn. 1. 171 Fleischer, NZG 2006, 561, 568; ders., WM 2004, 1057, 1063 f. 172 Fleischer, NZG 2006, 561, 568; ders., WM 2004, 1057, 1063 f. 173 Kort, in: Großkomm AktG § 89 Rn. 133; Hüffer/Koch, AktG § 89 Rn. 8; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 89 Rn. 22; Spindler, in: MünchKomm AktG § 89 Rn. 51; Fleischer, in: Spindler/Stilz AktG § 89 Rn. 23; Seibt, in: Schmidt/Lutter AktG § 89 Rn. 15; Oltmanns, in:
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tretungsmacht, die nach § 112 AktG ebenfalls beim Aufsichtsrat liegt.174 Demgegenüber verweist Werner darauf, dass nach dem eindeutigen Wortlaut des § 89 Abs. 5 AktG alle Verstöße gegen die Absätze 1 bis 4 geheilt werden, wenn der Aufsichtsrat nachträglich zustimme. Dazu gehöre auch der Fall, dass das Kreditgeschäft von einem sachlich unzuständigen Vorstand ohne Vertretungsmacht abgeschlossen werde. Da hier der Verstoß gegen § 112 AktG zwangsläufig immer auch einer gegen § 89 Abs. 1 Satz 1 AktG sei, erstrecke sich die Heilbarkeit nach § 89 Abs. 5 AktG auch auf den Mangel der Vertretungsmacht.175 Anderenfalls käme man zu dem wenig plausiblen Ergebnis, dass der Verstoß gegen den formellen Mangel fehlender Vertretungsmacht „eine stärkere Sanktion, nämlich unheilbare Nichtigkeit, zur Folge hätte als der gewichtigere materielle Verstoß des Fehlens eines die Kreditgewährung billigenden Aufsichtsratsbeschlusses.“176 Gemeinsamer Ausgangspunkt beider Meinungen ist, dass ein Verstoß gegen § 89 Abs. 1 Satz 1 AktG nicht zur Nichtigkeit des Kreditgeschäfts nach § 134 BGB führt. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Dass, wie die h. M. annimmt, § 89 Abs. 1 Satz 1 AktG für den Vorstand kein Verbotsgesetz i. S. d. 134 BGB darstellt, bedarf freilich einer näheren Betrachtung. Nach § 89 Abs. 1 Satz 1 AktG ist für die Entscheidung über das Ob und Wie der Kreditgewährung an ein Vorstandsmitglied gesellschaftsintern allein der Aufsichtsrat sachlich zuständig, d. h. geschäftsführungsbefugt. Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass dem Vorstand die Besorgung eines solchen Geschäfts untersagt ist. Verboten ist zwar nicht die Kreditgewährung an ein Vorstandsmitglied als solche, und grundsätzlich gehört der Abschluss von Kreditgeschäften für die Gesellschaft auch zu den Geschäftsführungsaufgaben des Vorstands. Verboten ist aber die Verbindung beider Vorgänge in der Hand des Vorstands. Nach den oben angestellten Überlegungen zu den §§ 84, 87, 88 AktG führen dort Verstöße des Vorstands gegen die ausschließliche Sachkompetenz des Aufsichtsrats grundsätzlich zur Nichtigkeit nach § 134 BGB. Das Aktiengesetz möchte in diesen Bereichen eine absolut autarke Willensbildung des Aufsichtsrats sicherstellen. Für ein vom Vorstand entgegen § 89 Abs. 1 Satz 1 AktG hinter dem Rücken des Aufsichtsrats abgeschlossenes Kreditgeschäft mit einem Vorstandsmitglied ordnet das Gesetz in § 89 Abs. 5 AktG jedoch ausdrücklich an, dass das Geschäft vom Aufsichtsrat genehmigt werden kann, also eben nicht unheilbar nichtig sein soll. Im Gegensatz zu den Fällen der §§ 84, 87 und 88 AktG ist die Geschäftsführungsbefugnis des Aufsichtsrats bei der Kreditgewährung an ein Vorstandsmitglied gegen Übergriffe des Vorstands also nicht absolut, sondern nur nach Art eines Verbots mit Genehmigungsvorbehalts geschützt. Das Geschäft ist deshalb nicht von vornherein Heidel AktR § 89 AktG Rn. 10; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber AktG § 89 Rn. 9; a. A. Geßler, in: Geßler/Hefermehl AktG § 89 Rn. 13. 174 Kort, in: Großkomm AktG § 89 Rn. 133; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 89 Rn. 22; Spindler, in: MünchKomm AktG § 89 Rn. 50; Fleischer, in: Spindler/Stilz AktG § 89 Rn. 23; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber AktG § 89 Rn. 8. 175 Werner, ZGR 1989, 369, 394. 176 Werner, a.a.O. S. 394, 395.
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nichtig, weil sich aus dem Gesetz „ein anderes“, nämlich die Genehmigungsfähigkeit ergibt. Zwar ist es auch nicht uneingeschränkt wirksam, denn wie der gesetzliche Rückgewähranspruch aus § 89 Abs. 5 AktG zeigt, bildet es keinen tragfähigen Behaltensgrund für den gewährten Kredit. Dieser kann aber durch die nachträgliche Zustimmung des Aufsichtsrats geschaffen werden. Dieser Befund wird durch die Gesetzgebungsgeschichte untermauert: Die Genehmigungsfähigkeit von Kreditgeschäften mit Vorstandsmitgliedern, die der Vorstand für die Gesellschaft ohne Beteiligung des Aufsichtsrats geschlossen hat, ist aus dem früheren Recht übernommen. Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 AktG 1937 fiel die Kreditgewährung der Gesellschaft an Vorstandsmitglieder, so wie heute noch die Kreditgeschäfte mit Dritten nach § 89 Abs. 2 – 4 AktG, in die Zuständigkeit des Vorstands und bedurfte lediglich der ausdrücklichen Zustimmung des Aufsichtsrats. Nach § 80 Abs. 4 AktG 1937 war der Kredit sofort zurückzugewähren, „wenn nicht der Aufsichtsrat nachträglich zustimmt“. Wegen der Neuregelung in § 112 AktG sah sich der Gesetzgeber des AktG 1965 veranlasst, die Kreditgewährung an ein Vorstandsmitglied künftig nicht mehr nur an die Zustimmung des Aufsichtsrats zu binden,177 sondern ihm dafür in § 89 Abs. 1 Satz 1 AktG die volle Zuständigkeit zu geben. Allerdings hat er diesen Schritt insofern wieder relativiert, als er in Abs. 5 auch für diesen Fall, analog zur früheren Rechtslage, die Genehmigungsfähigkeit eigenmächtiger Vorstandsgeschäfte durch den Aufsichtsrat vorsieht. Damit hat er die in Abs. 1 neu begründete volle Geschäftsführungsbefugnis des Aufsichtsrats für die Kreditgewährung an ein Vorstandsmitglied letztlich doch wieder auf eine Stufe mit dem bloßen Zustimmungserfordernis nach früherem Recht gestellt und so den alten Rechtszustand „im Wesentlichen“ beibehalten.178 Ist die mangelnde Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands für die Kreditgewährung der Gesellschaft an ein Vorstandsmitglied somit durch eine nachträgliche Zustimmung des Aufsichtsrats heilbar, so kann für den Mangel der Vertretungsmacht nichts anderes gelten. Der Schutzzweck des die Vertretungszuständigkeit des Aufsichtsrats für dieses Rechtsgeschäft begründenden § 112 AktG reicht nicht weiter als der der Zuständigkeitszuweisung in § 89 Abs. 1 Satz 1 AktG. Beide Vorschriften stehen hier nicht isoliert nebeneinander, sondern tragen, insoweit gemeinsam, dem Umstand Rechnung, dass bei Kreditgeschäften regelmäßig damit gerechnet werden muss, dass der Vorstand die Interessen der Gesellschaft nicht energisch genug vertritt. Die eigentliche Gefahr geht dabei von der unbefugten Willensbildung zum Ob und Wie der Kreditgewährung aus. Ist die inhaltliche Entscheidung erst einmal getroffen, dann ist die rechtsgeschäftliche Umsetzung dieses Beschlusses nur noch Formsache. Deshalb ist in der Tat kein Sinn darin erkennbar, dass bei einer vorschriftswidrigen Kreditgewährung durch den Vorstand zwar (und ausgerechnet) der Mangel seiner Geschäftsführungsbefugnis durch eine Genehmigung des Aufsichtsrat heilbar sein soll, seine fehlende Vertre-
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BegrRegE Kropff, S. 113 f. Siehe auch BegrRegE Kropff, S. 113: „Absatz 1 entspricht im Wesentlichen dem geltenden Recht (§ 80 AktG 1937).“ 178
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tungsmacht hingegen nicht.179 Ergebnis: Eine eigenmächtige Kreditvergabe des Vorstands an eines seiner Mitglieder ist weder wegen Verstoßes gegen § 89 Abs. 1 AktG noch wegen seiner mangelnden Vertretungsbefugnis aufgrund von § 112 AktG nichtig. Sowohl der Verstoß gegen die materielle Regelungskompetenz wie auch der gegen die Vertretungsmacht des Aufsichtsrats können durch dessen Genehmigung geheilt werden.
V. Kreditgeschäfte mit Dritten 1. Kreditgeschäfte mit vorstandsnahen Angehörigen oder Strohpersonen (§ 89 Abs. 3 AktG) Kreditgeschäfte sind ihrem Wesen nach „organindifferent“, d. h. sie sind nicht nur mit Vorstandsmitgliedern, sondern auch mit Dritten denkbar. Grundsätzlich liegt die Zuständigkeit für derartige Geschäfte deshalb beim Vorstand, ohne dass der Aufsichtsrat darüber auch nur informiert werden müsste. Um der daraus erwachsenden Gefahr von Manipulationsversuchen zu begegnen, erweitert § 89 Abs. 3 AktG den Kreis der Personen, mit denen Kreditgeschäfte der Gesellschaft nur unter Mitwirkung des Aufsichtsrats zulässig sind, auf Ehegatten, Lebenspartner und minderjährige Kinder der Vorstandsmitglieder sowie auf mittelbare Stellvertreter („Strohmänner“), die auf Rechnung des Vorstandsmitglieds handeln.180 Ist ein Kredit nicht für das Vorstandsmitglied persönlich gedacht, sondern soll seinem Ehegatten, Lebenspartner oder minderjährigen Kind zufließen, also Personen, denen gegenüber es unterhaltspflichtig ist, so ändert dies an der Befangenheit des betroffenen Vorstandsmitglieds substantiell nichts. Auch für die übrigen Mitglieder in einem mehrgliedrigen Vorstandsgremium bleiben die Entscheidungsumstände die gleichen. Da sie wissen, dass ihr Kollege ein eigenes Interesse an dem Kreditgeschäft hat, sind sie in ihrer Entschlussfreiheit nicht weniger gehemmt, als wenn er den Kredit für sich persönlich beantragt hätte. Entsprechendes gilt, wenn der Kredit einer Person gewährt werden soll, die einem Vorstandsmitglied zwar nicht in der genannten Art familiär verbunden, mit ihm aber insofern wirtschaftlich identisch ist, als sie den Kredit als vorgeschobene „Strohperson“ für seine Rechnung entgegen nehmen soll. Trotz ihres Umgehungscharakters behandelt das Gesetz diese Kredite an Dritte formal jedoch anders als den Kredit an ein Vorstandsmitglied selbst. Zuständig ist hier nicht der Aufsichtsrat, sondern, wie in den „Normalfällen“ der 179 Nichtig, und zwar wegen Verstoßes gegen die ausschließliche Zuständigkeit des Aufsichtsrats nach § 84 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 87 Abs. 1 AktG, (s. dazu oben § 5 II.) ist die Kreditgewährung durch den befangenen Vorstand allerdings, soweit sie in Wahrheit eine verkappte Vergütungszusage darstellt. Dies ist z. B. anzunehmen, wenn der Kredit als zinsloses oder gar „verlorenes“ Darlehen gestaltet ist. Die Kredithöhe ist dabei unbeachtlich, denn im Gegensatz zu § 89 Abs. 5 AktG kennt § 87 AktG keine Geringfügigkeitsgrenze. 180 Fleischer, WM 2004, 1057, 1065; ähnlich Kort, in: Großkomm AktG § 89 Rn. 95, 104 („Strohperson“).
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Kreditgewährung an Dritte, der Vorstand im Rahmen seiner allgemeinen Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis. Allerdings ist seine Geschäftsführungsbefugnis durch ein Mitwirkungsrecht des Aufsichtsrats in Form eines Einwilligungsvorbehalts gesetzlich eingeschränkt.181 Der Aufsichtsrat entscheidet über die Erteilung der Einwilligung nach pflichtgemäßem Ermessen.182 Einwilligen darf er in die Kreditgewährung nur dann, wenn sie dem Interesse der Gesellschaft entspricht.183 Durch die Bindung des Kreditgeschäfts an den Einwilligungsvorbehalt des Aufsichtsrats wird, ohne die gesetzliche Zuständigkeitsordnung zwischen beiden Organen grundlegend zu verändern, sicher gestellt, dass sich das Eigeninteresse des befangenen Mitglieds gegenüber dem Interesse der Gesellschaft nicht, auch nicht durch eine mögliche Beeinflussung seiner Kollegen, durchsetzen kann.184 2. Kreditgewährung an vorstandsnahe juristische Personen oder Personenhandelsgesellschaften (§ 89 Abs. 4 Satz 1 AktG) § 89 Abs. 4 Satz 1 AktG bezieht in den Kreis der vorstandsexternen Dritten, mit denen Kreditgeschäfte der Gesellschaft nur unter Mitwirkung des Aufsichtsrats getätigt werden dürfen, auch juristische Personen ein, bei denen ein Vorstandsmitglied der Kredit gewährenden Aktiengesellschaft als gesetzlicher Vertreter oder als Aufsichtsratsmitglied fungiert. Beide Doppelmandatsfälle indizieren einen Interessenkonflikt des Mandatsinhabers. Die erste Variante beschreibt einen aktienrechtlichen Spezialfall der Mehrvertretung. Dabei kommt es auf eine persönliche Mitwirkung des Organvertreters bei dem Geschäft nicht an; die bloße Zugehörigkeit des Doppelmandatars zum Vertretungsorgan der Kredit gebenden Aktiengesellschaft, kombiniert mit seiner Vertretungs- bzw. Aufsichtsratsfunktion bei der 181
Hüffer/Koch, AktG § 89 Rn. 5. Die Einwilligung muss insbesondere auch die Verzinsung und Rückzahlung des Kredits umfassen und darf nur für bestimmte Kreditgeschäfte und nicht länger als drei Monate im Voraus gegeben werden (§ 89 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. Abs. 1 Satz 2 und 3 AktG). 183 Spindler, in: MünchKomm AktG § 89 Rn. 47. Dabei verletzt ein Kreditgeschäft zu niedrigeren als den marktüblichen Zinsen das Gesellschaftsinteresse nicht zwangsläufig, z. B. wenn dadurch eine besonders enge Bindung des mit dem Begünstigten verwandten Vorstandsmitglieds an die Gesellschaft beabsichtigt ist und erreicht werden kann (Spindler, a.a.O.). 184 Fehlt die erforderliche Einwilligung des Aufsichtsrats, ist das Kreditgeschäft gleichwohl wirksam, nicht etwa nach § 134 BGB nichtig (allg. Ansicht: Kort, in: Großkomm AktG § 89 Rn. 133; Spindler, in: MünchKomm AktG § 89 Rn. 51; Hüffer/Koch, AktG § 89 Rn. 8). § 89 Abs. 5 AktG ordnet jedoch als gesetzliche Rechtsfolge an, dass der Kredit sofort zurückgewährt werden muss, wenn nicht der Aufsichtsrat dem Geschäft nachträglich zustimmt. Dabei handelt es sich nicht um einen Bereicherungsanspruch in Gestalt einer Leistungskondiktion, sondern um den vertraglichen Anspruch auf Rückzahlung des Kredits mit gesetzlich vorverlegter Fälligkeit (Spindler, in: MünchKomm AktG § 89 Rn. 52; Hüffer/Koch, AktG § 89 Rn. 8; Kort, in: Großkomm AktG § 89 Rn. 137). Der Kreditempfänger kann sich also nicht nach § 818 Abs. 3 BGB auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Die AG muss in jedem Fall wirtschaftlich so gestellt werden, als sei der Kredit nicht gewährt worden (Kort, in: Großkomm AktG § 89 Rn. 138). 182
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Empfängergesellschaft, genügt dem Aktiengesetz nach seinem Wortlaut, um den Vorstand der Kreditgeberin insgesamt in einem Maße als befangenheitsgefährdet anzusehen, das es geboten sein lässt, zu ihrem Schutz eine Mitwirkung des Aufsichtsrats zwingend anzuordnen. Gleiches gilt bei Krediten an eine Personenhandelsgesellschaft, der ein Vorstandsmitglied als Gesellschafter angehört. Auch für diese Kreditgeschäfte ist die Zustimmung des Aufsichtsrats erforderlich, anderenfalls ist der Kredit zurückzugewähren. Zweck der Regelung ist es zum einen zu verhindern, dass ein Vorstandsmitglied sich einen persönlichen Kredit durch Zwischenschaltung einer anderen Gesellschaft verschafft (Umgehungsschutz), zum anderen soll vermieden werden, dass die Aktiengesellschaft unter dem Einfluss eines Vorstandsmitglieds einer fremden Gesellschaft Kredite zu unangemessenen Konditionen gewährt (Vermögensschutz).185
VI. Vertretung der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat (§ 112 AktG) 1. Normverständnis des § 112 AktG Nach § 112 AktG „[vertritt] Vorstandsmitgliedern gegenüber […] der Aufsichtsrat die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich“. Während die vorstehend behandelten Spezialregelungen der §§ 84, 87, 88, 89 Abs. 1 AktG anordnen, dass der Aufsichtsrat, abweichend von der nach § 76 AktG grundsätzlich dem Vorstand zustehenden Geschäftsführungskompetenz, für bestimmte Angelegenheiten geschäftsführungsbefugt ist, ermächtigt ihn § 112 AktG, als Ausnahme zu § 78 AktG, die Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern allgemein rechtsgeschäftlich und gerichtlich zu vertreten.186 Damit ist entgegen der früheren Rechtslage das Nebeneinander von Vorstands- und Aufsichtsratsbefugnis zur Vertretung der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern nunmehr zugunsten der alleinigen Vertretungsmacht des Aufsichtsrats beseitigt.187 Nach dem Normverständnis des BGH188 und der ihm folgenden h. L.189 soll § 112 AktG eine unbefangene und sachgerechte, von 185 Hüffer/Koch, AktG § 89 Rn. 7; Spindler, in: MünchKomm AktG § 89 Rn. 30; Weber, in: Hölters AktG § 89 Rn. 14. 186 Zum Normverhältnis von § 78 AktG und § 112 AktG vgl. Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 112 Rn. 9; Habersack, in: MünchKomm AktG § 112 Rn. 1; Drygala, in: Schmidt/ Lutter AktG § 112 Rn. 1 („lex specialis zu § 78 [AktG]“); Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters AktG § 112 Rn. 1. 187 Siehe BegrRegE Kropff, S. 156. 188 St. Rspr. S. BGHZ 103, 213, 216; BGHZ 130, 108, 111 f.; zuletzt BGH ZIP 2006, 2213; zur Rechtsprechung des BGH auch Goette, DStR 1998, 577. 189 Habersack, in: MünchKomm AktG § 112 Rn. 1; Hüffer/Koch, AktG § 112 Rn. 1; Hopt/ Roth, in: Großkomm AktG § 112 Rn. 4 ff.; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 112 Rn. 2; Spindler, in: Spindler/Stilz AktG § 112 Rn. 1; Drygala, in: Schmidt/Lutter AktG § 112 Rn. 1; Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters AktG § 112 Rn. 1.
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möglichen Interessenkollisionen und darauf beruhenden sachfremden Erwägungen frei bleibende Vertretung der Gesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern gewährleisten. Damit verfolgt die Vorschrift dasselbe grundsätzliche Anliegen wie die Regelungen, die dem Aufsichtsrat für Angelegenheiten mit vorstandsspezifischem Konfliktpotential schon die Geschäftsführung übertragen haben. Sie beruht auf der Besorgnis, dass der Vorstand nicht die erforderliche Unabhängigkeit aufbringt, wenn einzelne seiner Mitglieder an einem Rechtsgeschäft oder Rechtsstreit selbst beteiligt sind. Dabei kommt es nach dem Zweck der Vorschrift nicht darauf an, ob ein Vorstandsmitglied im Einzelfall tatsächlich nicht in der Lage ist, sachgerecht zu entscheiden. Ausschlaggebend ist vielmehr, dass „aufgrund der gebotenen und typisierenden Betrachtung […] regelmäßig die abstrakte Gefahr einer nicht unbefangenen Vertretung der Gesellschaft vorhanden ist“,190 wenn die Gesellschaft in derartigen Fällen vom Vorstand vertreten würde. Mit seiner Funktion, einen Missbrauch der gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretungsmacht durch einen möglicherweise in Eigeninteressen verstrickten Vorstand zu unterbinden, verwirklicht § 112 AktG als aktienrechtliche Spezialvorschrift das auch in § 181 Var. 1 BGB als Verbot des Insichgeschäfts zum Ausdruck gelangende gesetzgeberische Ziel, zu vermeiden, dass jemand, der die Geschäfte eines Dritten besorgt, als Vertreter seines Geschäftsherrn mit sich selbst Rechtsgeschäfte abschließt.191 Anders jedoch als § 181 BGB („Ein Vertreter kann […] nicht […]“) ordnet § 112 AktG nicht lediglich – negativ – ein Vertretungsverbot für den Vertreter an, sondern stellt positiv klar, dass ein anderer, nämlich der Aufsichtsrat, die Gesellschaft gegenüber dem Vorstandsmitglied vertritt. Auf diese Weise nutzt das Aktiengesetz, ähnlich wie bei der Verlagerung der Geschäftsführungsbefugnis auf den Aufsichtsrat in den Konfliktfällen der §§ 84, 87 – 89 Abs. 1 AktG, die spezifische dualistische Verwaltungsstruktur der Aktiengesellschaft, um die Interessen der Gesellschaft vor der Gefahr sachfremder Vorstandsentscheidungen zu schützen. 2. Sachlicher Anwendungsbereich a) Keine Beschränkung auf organschaftliche Angelegenheiten Nach allgemeiner Ansicht erstreckt sich die Vertretungsmacht des Aufsichtsrats nach § 112 AktG auf alle Rechtsgeschäfte und Rechtsstreitigkeiten eines Vorstandsmitglieds mit der Gesellschaft.192 Im Hinblick auf die nach § 78 AktG 190
BGHZ 130, 108, 112. Habersack, in: MünchKomm AktG § 112 Rn. 1; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 112 Rn. 2. Das materielle Verbot des Insichgeschäfts findet auf prozessualer Ebene seine Ergänzung durch das Verbot, auf der einen Seite als Partei und auf der anderen Seite als gesetzlicher Vertreter der Gegenpartei aufzutreten; so schon RGZ 66, 240, 242; heute ganz h. M. (z. B. Bork, in: Stein/Jonas ZPO, vor § 50 Rn. 17; Vollkommer, in: Zöller ZPO, vor § 50 Rn. 1). 192 Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 112 Rn. 10 (Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats „unbeschränkt und unbeschränkbar [für] alle gerichtlichen und außergerichtlichen Rechts191
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grundsätzlich beim Vorstand liegende Vertretungsmacht stellt sich die Frage, ob die Ausnahmeregelung des § 112 AktG entsprechend ihrem uneingeschränkten Wortlaut mit der h. M. tatsächlich so zu verstehen ist, dass der Aufsichtsrat die Gesellschaft gegenüber einem Vorstandsmitglied bei jedwedem Rechtsgeschäft vertritt,193 oder ob seine Vertretungsmacht in teleologischer Reduktion des Wortlauts der Vorschrift auf Rechtsgeschäfte und -streitigkeiten beschränkt ist, die in direktem Zusammenhang mit der Organstellung und Amtsführung eines Vorstandsmitglieds stehen bzw. seine Rechte und Pflichten aus dem Anstellungsverhältnis berühren, nicht aber solche Vorgänge erfasst, bei denen er der Gesellschaft wie ein beliebiger Dritter gegenüber steht (neutrale oder Drittgeschäfte). Voraussetzung für eine teleologische Reduktion ist, dass der Wortlaut einer Vorschrift im Verhältnis zu dem mit ihr verfolgten Zweck planwidrig zu weit geraten ist.194 Davon ist hier jedoch nicht auszugehen. Vielmehr hat der Gesetzgeber dem Aufsichtsrat in § 112 AktG die uneingeschränkte Vertretungsmacht für alle Rechtsgeschäfte der Gesellschaft mit Vorstandsmitgliedern ganz gezielt zugewiesen, um seine Befugnisse gegenüber dem früheren Rechtszustand zu erweitern. Unter der Geltung des § 97 AktG 1937, der Vorgängervorschrift des heutigen § 112 AktG, war der Aufsichtsrat nämlich zur Vertretung der Gesellschaft bei der Vornahme von Rechtsgeschäften mit einem Vorstandsmitglied lediglich „befugt“. Aus dieser Formulierung schloss die h. M. seinerzeit, dass die Vertretungsmacht des Aufsichtsrats keine ausschließliche sei, sondern auch der Vorstand die Gesellschaft gegenüber einem Vorstandsmitglied vertreten könne, wenn – bei einem Einpersonenvorstand – dem Vorstandsmitglied das Selbstkontrahieren gestattet sei, oder – beim mehrgliedrigen Vorstand – andere, an dem Geschäft persönlich nicht beteiligte Mitglieder in vertretungsberechtigter Zahl vorhanden seien.195 Eine ausschließliche Vertretungsmacht des Aufsichtsrats wurde nur für die Bestellung und Abberufung von Vorstandsmitgliedern sowie für die Vereinbarung und Kündigung von Anstellungsverträgen bejaht, also für organschaftliche Rechtsgeschäfte, die zwingend zu seiner Personalkompetenz gehören.196 Mit der Neuregelung des § 112 AktG wollte der Gesetzgeber die angenommene Doppelzuständigkeit definitiv beenden und den Aufsichtsrat für alle Rechtsgeschäfte mit Vorstandsmitgliedern, also auch und gerade für Drittgeschäfte, bei denen das nach früherem Recht umstritten war, zur alleinigen Vertretung der Gesellschaft ermächtigen.197 Die damit verbundene Beschneidung der Vertretungsmacht des Vorstands handlungen gegenüber den Vorstandsmitgliedern“); Habersack, in: MünchKomm AktG § 112 Rn. 1; Hüffer/Koch, AktG § 112 Rn. 5; Schmits, AG 1992, 149, 150 („unbeschränkt und ausschließlich“); Semler, in: FS Rowedder, 1994, S. 441, 444; Werner, ZGR 1989, 369, 370 f. 193 Zu den verschiedenen Arten von Rechtsgeschäften, die hier in Frage kommen, s. Semler, in: FS Rowedder, 1994, S. 441, 442. 194 Zur teleologischen Reduktion s. Larenz, Methodenlehre, S. 391 ff. 195 Schmidt/Meyer-Landrut, in: Großkomm AktG, 2. Aufl. 1961, § 97 AktG 1937, Anm. 3 m. w. N. 196 Schmidt/Meyer-Landrut, a.a.O. 197 Siehe BegrRegE Kropff, S. 156: „Die Vertretungsmacht des Aufsichtsrats wird somit im Vergleich zum geltenden Recht erweitert. Während bisher bei der Vornahme von Rechtsge-
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erfolgte also bewusst und gewollt. Für die Annahme eines planwidrig zu weit geratenen Wortlauts der Vorschrift ist somit kein Raum. b) Vertretungsmacht und Geschäftsführungsbefugnis Die Einbeziehung neutraler Drittgeschäfte in den sachlichen Anwendungsbereich des § 112 AktG wirft die Frage auf, ob und inwieweit die ihm eingeräumte Vertretungsmacht den Aufsichtsrat auch zur Geschäftsführung, d. h. zur inhaltlichen Regelung der jeweiligen Geschäfte anstelle des Vorstands, ermächtigt. Zwei Beispiele sollen das Problem verdeutlichen: 1. Der Vorstand der H-AG, die Hydraulikzylinder herstellt, beschließt, die in den Erzeugnissen verwendeten Dichtungsringe künftig fremd zu beziehen, weil die Eigenfertigung keine Kernkompetenz der H-AG darstellt, und die Dichtungen von Spezialanbietern am Markt in gleicher Qualität und zu günstigeren Preisen angeboten werden. Um das Lieferrisiko zu minimieren, will der Vorstand den Fremdbezug auf drei Zulieferunternehmen verteilen. Um den Zuschlag bewirbt sich auch das Vorstandsmitglied V1, das mit Zustimmung des Aufsichtsrats ein Unternehmen betreibt, das ebenfalls Dichtungen herstellt. 2. Zur Finanzierung seines neuen Wohnhauses benötigt ein weiteres Vorstandsmitglied der H-AG, V2, ein Baudarlehen in Höhe von 150.000 Euro, das er beim Vorstand beantragt.
In beiden Fällen wird die H-AG beim Vertragsschluss mit V1 bzw. V2 nach § 112 AktG von ihrem Aufsichtsrat vertreten. Fraglich ist, ob dem Aufsichtsrat auch im Innenverhältnis gegenüber dem Vorstand die Befugnis zukommt, die Geschäfte eigeninitiativ zu betreiben und alleinverantwortlich darüber zu entscheiden, ob der Liefervertrag überhaupt abgeschlossen, das Darlehen überhaupt gewährt wird, und wenn ja, zu welchen Bedingungen, oder ob dafür der Vorstand nach §§ 76, 77 AktG zuständig bleibt. Für den im zweiten Beispiel angesprochenen Darlehensfall ist die interne Geschäftsführungsbefugnis des Aufsichtsrats in § 89 Abs. 1 Satz 1 AktG klar geregelt. Dort – und nicht in § 112 AktG – ist explizit und präzise normiert, dass die Gewährung eines Kredits an ein Vorstandsmitglied eines Aufsichtsratsbeschlusses bedarf, in dem neben der Höhe des Kredits u. a. auch die der Zinsen sowie die Rückzahlungsmodalitäten festzulegen sind, dass also allein der Aufsichtsrat darüber zu bestimmen hat, ob dem antragstellenden Vorstandsmitglied ein Kredit gewährt wird und wie die Vertragsbedingungen gestaltet werden. Eine Vorschrift, die dem Aufsichtsrat in Parallele zu § 89 Abs. 1 AktG die originäre und umfassende Geschäftsführungsbefugnis nicht nur für die besonders konfliktären Kreditgeschäfte mit Vorstandsmitgliedern, sondern darüber hinaus für Drittgeschäfte aller Art einräumt, kennt das Aktiengesetz hingegen nicht. Dem Wortlaut des § 112 AktG („Vorstandsmitgliedern gegenüber vertritt der Aufsichtsrat die Gesellschaft…“) ist
schäften mit den Vorstandsmitgliedern der Vorstand neben dem Aufsichtsrat die Gesellschaft vertreten konnte, ist jetzt in diesem Fall allein der Aufsichtsrat zur Vertretung berechtigt.“
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eine derartige Sachkompetenz nicht zu entnehmen.198 In der Literatur wird gleichwohl – soweit ersichtlich einhellig – die Auffassung vertreten, mit dem Begriff „vertritt“ verbinde das Gesetz in § 112 AktG trotz des insoweit gleich lautenden Wortlauts der Vorschriften nicht das enge Verständnis des § 78 AktG, das die Vertretung von der Geschäftsführung unterscheidet.199 In der Vorschrift des § 112 AktG komme die Vorstellung des Gesetzes zum Ausdruck, den Vorstand bei Geschäften der Gesellschaft mit Vorstandsmitgliedern vollständig auszuschalten. Deshalb sei es zwingend, dass der Aufsichtsrat in derartigen Angelegenheiten nicht nur die Vertretungsmacht habe, sondern „vor allem die Geschäftsführungsbefugnis ausübt.“200 „Weder eine gesteigerte Überwachung noch eine Mitgeschäftsführung des Aufsichtsrats mit einem etwa weiterhin geschäftsführenden Vorstand würde das Ziel der gesetzlichen Regelung erreichen.“201 § 112 AktG wäre seines Sinnes enthoben, wenn der Vorstand als Geschäftsführungsorgan dem Aufsichtsrat im Innenverhältnis Weisungen erteilen und dessen Vertretung zu einem bloßen Formalakt degradieren könnte.202 Es sei dem Aufsichtsrat aber unbenommen, den Vorstand bei der Regelung des zugrunde liegenden Geschäfts um Mitwirkung zu ersuchen. Dies könne durch die den Aufsichtsrat nach §§ 93, 116 AktG treffenden Sorgfaltspflicht sogar geboten sein, weil der Vorstand als reguläres Geschäftsführungsorgan die Implikationen des Geschäfts im Allgemeinen besser beurteilen könne.203 Die Herleitung der umfassenden Geschäftsführungsbefugnis des Aufsichtsrats für alle Eigengeschäfte eines Vorstandsmitglieds mit der Gesellschaft aus einer extensiven Auslegung des Begriffs der Vertretung in § 112 AktG überzeugt allerdings weder in der Begründung noch im Ergebnis. Das Aktiengesetz unterscheidet in § 77 und § 78 „scharf“204 zwischen nach außen gerichteter Vertretung und interner Ge198 Vgl. OLG Hamburg DB 1983, 330, 331 (betr. eine mitbestimmte GmbH); Hopt/Roth, Großkomm AktG § 112 Rn. 13; Rittner, DB 1979, 973, 974; Werner, in: FS R. Fischer, 1979, S. 821, 825. 199 Hopt/Roth, Großkomm AktG § 112 Rn. 13; Drygala, in: Schmidt/Lutter AktG § 112 Rn. 2; Semler, in: FS Rowedder, 1994, S. 441, 443; Cahn, in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 247, 249; Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat, S. 192. 200 Semler, a.a.O. In diesem Sinne auch Cahn, in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 247, 249, wonach der Aufsichtsrat nicht lediglich für die Abgabe von Willenserklärungen, sondern „auch und sogar in erster Linie für die interne Entscheidung darüber zuständig“ sei, „ob und mit welchem Inhalt derartige Erklärungen abgegeben werden sollen“. Zum Teil sei ihm diese Zuständigkeit spezialgesetzlich zugewiesen (z. B. in §§ 84, 87 und 89 Abs. 1 AktG), im Übrigen, z. B. für die Entscheidung über Kauf- oder Mietverträge mit Vorstandsmitgliedern, folge sie aus § 112 AktG. 201 Semler, a.a.O. 202 Semler, a.a.O.; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 112 Rn. 13; Drygala, in: Schmidt/ Lutter AktG § 112 Rn. 2; Thamm, Die rechtliche Verfassung des Vorstands der AG, S. 169; Thoma, Eigengeschäfte, S. 175; Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat, S. 192. 203 Semler, in: FS Rowedder, 1994, S. 441, 452 ff.; Thamm, a.a.O., S. 169; Thoma, a.a.O., S. 176. 204 BegrRegE Kropff, S. 98.
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schäftsführungsbefugnis. Die Vertretung ist ein Teilbereich der Geschäftsführung,205 nicht umgekehrt. Die Vorschrift des § 112 AktG entzieht dem Vorstand nur diesen Teilbereich, nicht jedoch die komplette Geschäftsführung für das Geschäft, für dessen Abschluss dem Aufsichtsrat (ausnahmsweise) die Vertretungsmacht eingeräumt ist. Die Entziehung der Vertretungsmacht ist eine der verschiedenen Spielarten, mit denen das Gesetz die Gesellschaft vor der Gefahr nachteiliger Vorstandsentscheidungen zu schützen sucht. Am gravierendsten greift es in die grundsätzliche aktienrechtliche Kompetenzzuordnung ein, wo es, wie bei der Organbesetzung (§ 84 AktG), den potentiell befangenen Vorstandsmitgliedern sowohl die interne Geschäftsführungsbefugnis für die Entscheidungen wie die nach außen gerichtete Vertretungsmacht für die vorzunehmenden Rechtsgeschäfte nimmt und jeweils auf den Aufsichtsrat überträgt. Am Beispiel der Kreditgeschäfte (§ 89 AktG) wird aber deutlich, dass es auch andere, für den Vorstand weniger einschneidende Wege kennt, um den Schutz der Gesellschaft zu realisieren. So hat der Vorstand für die Kreditgewährung an eine einem Vorstandsmitglied nahe stehende Person oder Gesellschaft (§ 89 Abs. 3 u. 4 AktG) zwar die uneingeschränkte Vertretungsmacht, aber nicht die uneingeschränkte Geschäftsführungsbefugnis; im Innenverhältnis ist seine Entscheidung an den gesetzlichen Einwilligungsvorbehalt des Aufsichtsrats gebunden. Bei der Gewährung eines Bagatellkredits i. S. d. § 89 Abs. 1 Satz 5 AktG an ein Vorstandsmitglied wiederum obliegt die Vertretung der Gesellschaft beim Vertragsabschluss dem Aufsichtsrat nach § 112 AktG,206 die materielle Geschäftsführung, d. h. die Entscheidung über das Ob und Wie, verbleibt jedoch beim Vorstand. Beide Male dient die vom Gesetz gewählte Konstruktion dazu, die Gesellschaft vor der Gefahr missbräuchlicher Kreditgewährung durch befangene Vorstandsmitglieder zu schützen. In der ersten Variante ist der Vorstand bei seiner Willensbildung und Beschlussfassung intern von der Zustimmung des Aufsichtsrats abhängig, in der zweiten sind ihm trotz interner Sachzuständigkeit beim nach außen wirkenden Vollzugsgeschäft die Hände gebunden. Die Annahme, die Verlagerung der Vertretungsmacht auf den Aufsichtsrat verlöre ihren Sinn, wenn der befangene Vorstand intern für die Geschäftsführung zuständig bleibt, ist deshalb so nicht zutreffend. Indem das Gesetz dem Vorstand hier die Vertretungsmacht zum Abschluss „(konflikt-)gefahrgeneigter“ Geschäfte der Gesellschaft mit einem Vorstandsmitglied nimmt und auf den Aufsichtsrat überträgt, schafft es eine Situation, die mit der Anordnung eines gesetzlichen Zustimmungsvorbehalt nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG vergleichbar ist. Nicht anders als dort ist der Aufsichtsrat bei seiner Entscheidung, ob er dem vom Vorstand federführend betriebenen Geschäft zustimmt, durch dessen Geschäftsführung nicht präjudiziert. Die Vertretung der Gesellschaft nach § 112 AktG erschöpft sich nicht lediglich in der Erklärungshandlung, also in der technischen Abgabe der Willenserklärung. Vielmehr ist der Erklärung eine eigene Willensbildung des Aufsichtsrats vorgeschaltet, in deren Rahmen er durch Beschluss gem. § 108 AktG selbständig und allein nach eigenem Ermessen entscheidet, ob er 205 206
Habersack, in: Großkomm AktG § 78 Rn. 6. BegrRegE Kropff, S. 114.
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die Gesellschaft vertreten will oder nicht.207 Dabei hat er das Recht und die Pflicht, die vorliegende Entscheidung des Vorstands auf etwaige „Befangenheitssymptome“ zu prüfen. Ebenso wenig wie der geschäftsführende Vorstand den Aufsichtsrat im Falle eines gesetzlichen Einwilligungsvorbehalts zur Erteilung der Zustimmung anweisen kann, hat er hier das Recht, ihn zur Abgabe bzw. Annahme der für den Vertragsabschluss notwendigen Willenserklärungen anzuweisen. Etwas anderes wäre in der Tat mit dem Schutzzweck des § 112 AktG nicht vereinbar. So aber entscheidet der Aufsichtsrat in eigener Verantwortung. Hält er das Geschäft mit dem vom Vorstand beschlossenen Inhalt für unbedenklich, wird er dessen rechtsgeschäftliche Umsetzung nach § 108 Abs. 1 AktG beschließen und die Gesellschaft sodann bei den erforderlichen Willenserklärungen aktiv und passiv vertreten. Anderenfalls lässt er es bleiben. Im Hinblick auf diesen „Letztentscheid“ des Aufsichtsrats nach § 112 AktG wird sich der Vorstand bei seiner Geschäftsführung eng mit ihm abstimmen, ihn umfassend informieren und seine Meinung einholen – ganz so, wie er es ratsamerweise auch in den Fällen tut, in denen die Durchsetzung seiner Entscheidung an die interne Zustimmung des Aufsichtsrats gebunden ist. Auf diese Weise wird der Zweck des § 112 AktG, die Gesellschaft beim Abschluss eines Drittgeschäfts mit einem Vorstandsmitglied vor der Gefahr befangener Vertretung zu bewahren, vollständig erreicht, ohne dass man die nach ihrem eindeutigen Wortlaut als Vertretungsregelung angelegte Vorschrift zu einer allgemeine Geschäftsführungsermächtigung des Aufsichtsrats für Drittgeschäfte erweitern muss. Würde man dem Aufsichtsrat in dem ersten eingangs dargestellten Fallbeispiel entgegen der hier vertretenen Meinung auch die uneingeschränkte Geschäftsführungsbefugnis und damit die alleinige unternehmerische Verantwortung für das Zuliefergeschäft einräumen, dann könnte er den Vertragsschluss mit V1 nicht nur verhindern, sondern ihn auch, umgekehrt, am Vorstand vorbei, womöglich gegen dessen Mehrheit, initiativ betreiben und durchsetzen, ähnlich wie er, ohne den Vorstand zu fragen, Vorstandsmitgliedern Kredite gewähren, neue Vorstandsmitglieder bestellen oder amtierende abberufen und ihre Vertragsbedingungen gestalten kann. Das würde jedoch über das Ziel des § 112 AktG hinausschießen. Für allgemeine Drittgeschäfte zwischen Vorstandsmitgliedern und Gesellschaft kann die mit seiner Vertretungsbefugnis nach § 112 AktG korrespondierende interne Mitwirkung des Aufsichtsrats nur in einer Teilhabe an der grundsätzlich beim Vorstand verbleibenden Geschäftsführung bestehen mit dem Ziel, zu gewährleisten, dass das vom Vorstand gesteuerte und beschlossene Geschäft nicht von Sonderinteressen des als Vertragspartner vorgesehenen Vorstandsmitglieds beeinflusst ist. In der Sache kommt der Vertretung bei Drittgeschäften damit eine vorbeugende Kontroll- und Abwehrfunktion zu. Schlussendlich bewahrt das hier befürwortete Verständnis des § 112 AktG den Aufsichtsrat auch vor der Gefahr, durch Geschäftsführungsaufgaben überfordert zu werden, zu deren verantwortlicher Wahrnehmung ihm nicht nur die erforderlichen 207 Habersack, in: MünchKomm AktG § 112 Rn. 20, 26; Hüffer/Koch, AktG § 112 Rn. 7; Spindler, in: Spindler/Stilz AktG § 112 Rn. 26; Drygala, in: Schmidt/Lutter AktG § 112 Rn. 13; Wiesner, in: MünchHdb AG § 23 Rn. 7.
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fachlichen Ressourcen fehlen, sondern er als Teilzeitorgan auch zeitlich nicht in der Lage ist. Sein Metier sind die Auswahl, Bestellung und Abberufung der Vorstandsmitglieder einschließlich der Regelung aller sonstigen vorstandsbezogenen Personalfragen, bei Bedarf auch noch die Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder. Daneben hat er die Geschäftsführung des Vorstands zu überwachen und zu korrigieren, nicht aber sie eigenständig und alleinverantwortlich operativ auszuüben. Alles andere würde die vom Gesetz gezogenen Grenzen seiner Sachzuständigkeit und, daraus folgend, seiner haftungsrechtlichen Verantwortlichkeit überschreiten. c) Geschäfte des täglichen Lebens Eine in der Literatur viel diskutierte Frage ist, ob sich die Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats nach § 112 AktG auch auf sog. Geschäfte des täglichen Lebens erstreckt. Darunter versteht man den Waren- und Dienstleistungsbezug von der Gesellschaft, der zur Deckung des persönlichen Bedarfs eines Vorstandsmitglieds bestimmt ist.208 Reiht man diese Geschäfte in den Anwendungsbereich des § 112 AktG mit ein, dann kann sich für den Aufsichtsrat das Problem ergeben, insbesondere bei der Abwicklung des Waren- und Leistungsbezugs permanent mit der Abgabe und Entgegennahme einer Vielzahl von Willenserklärungen für die Gesellschaft (z. B. Einigungserklärungen nach § 929 BGB, Leistungszweckbestimmungen, Empfangsbestätigungen) belastet zu sein. Vor allem in der älteren Literatur wurde deshalb zum Teil angenommen, dass § 112 AktG bei Geschäften des täglichen Lebens mit Vorstandsmitgliedern entgegen seinem Wortlaut keine Anwendung findet. Anderenfalls werde der Anwendungsbereich dieser Vorschrift, die für solche „harmlosen“ Fälle nicht bestimmt sei, überzogen.209 Die h. M. lehnt einen solchermaßen einschränkten Anwendungsbereich des § 112 AktG dagegen ab und konzentriert sich stattdessen auf die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen dem Aufsichtsrat gestattet ist, seine grundsätzlich durch das Kollegialorgan auszuübende Vertretungsbefugnis bei Geschäften des täglichen Lebens mit Vorstandsmitgliedern auf einzelne Aufsichtsratsmitglieder oder gar auf Dritte zu übertragen.210 Dabei wird entsprechend der zweiaktigen Struktur des Vertretungsvorgangs zwischen der Willensbildung innerhalb des Aufsichtsrats und 208 Spindler, in: Spindler/Stilz AktG § 112 Rn. 22; Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters AktG § 112 Rn. 11; ähnlich Habersack, in: MünchKomm AktG § 112 Rn. 15. 209 Möhring/Schwarz/Rowedder/Haberlandt, Die Aktiengesellschaft und ihre Satzung, S. 91; Hoffmann/Preu, Der Aufsichtsrat, Rn. 228; für die GmbH (auf die § 112 AktG gem. § 52 GmbHG entsprechend anwendbar ist) so ausdrücklich Raiser, in: Hachenburg GmbHG § 52 Rn. 105; wohl auch Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 112 Rn. 22 (Nichtanwendung des § 112 AktG auf Geschäfte, die die Gesellschaft zu gleichen Bedingungen auch mit Dritten schließt). 210 Habersack, in: MünchKomm AktG § 112 Rn. 19; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 112 Rn. 53; Hüffer/Koch, AktG § 112 Rn. 5, 8; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 112 Rn. 20; Spindler, in: Spindler/Stilz AktG § 112 Rn. 22; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit AktG § 112 Rn. 7; Drygala, in: Schmidt/Lutter AktG § 112 Rn. 6.
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der anschließenden Abgabe der Erklärung nach außen unterschieden.211 Problematisch ist insoweit insbesondere die interne Willensbildung, die im Wege der Beschlussfassung nach § 108 Abs. 1 AktG entweder durch den Gesamtaufsichtsrat oder einen von ihm gebildeten Ausschuss (§ 107 Abs. 3 AktG) zu erfolgen hat und nach allgemeiner Meinung grundsätzlich nicht auf ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied oder einen Dritten delegiert werden kann.212 Lediglich bei Geschäften des täglichen Lebens soll hiervon eine Ausnahme gelten. Hier könne vom Aufsichtsrat bzw. einem Ausschuss nicht verlangt werden, über jede einzelne für die Durchführung des Geschäfts erforderliche rechtsgeschäftliche Erklärung als Kollegialorgan selbst zu entscheiden.213 Ferner oblägen ihm hier auch keine Kontrollpflichten, weil es sich bei derartigen Ausführungshandlungen nicht um die Geschäftsführung des Vorstands im eigentlichen Sinne, sondern um Geschäfte handele, die auf Seiten der Gesellschaft unterhalb der Vorstandsebene angesiedelt seien.214 Deshalb könne der Aufsichtsrat in diesen Fällen Untervollmachten erteilen, die den Bevollmächtigten berechtigten, insoweit auch als Vertreter bei der Willensbildung zu fungieren.215 Für die Delegation des zweiten Vertretungsakts – die Kundgabe des intern gebildeten Willens nach außen – gelten hingegen von vornherein großzügigere Maßstäbe: Sowohl der Aufsichtsratsvorsitzende wie auch andere Aufsichtsratsmitglieder, selbst Vorstandsmitglieder und Dritte, können hierzu ermächtigt werden.216 211
Zur zweiaktigen Struktur der Vertretung vgl. nur Hüffer/Koch, AktG § 112 Rn. 7. BGHZ 12, 327, 334; 41, 282, 285; Hüffer/Koch, AktG § 112 Rn. 8 (mit der Einschränkung allerdings, dass sich der Aufsichtsrat nur durch Aufsichtsratsmitglieder vertreten lassen kann); Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 112 Rn. 91; Spindler, in: Spindler/Stilz AktG § 112 Rn. 30; Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters AktG § 112 Rn. 13; Habersack, in: MünchKomm AktG § 112 Rn. 23; Drygala, in: Schmidt/Lutter AktG § 112 Rn. 14; Semler, in: FS Rowededer, 1994, S. 441, 450; Stein, AG 1999, 28, 34, 39; Leuering, in: FS Kollhosser, 2004, S. 361, 370); kritisch hierzu Werner, ZGR 1989, 369, 385 ff. 213 Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 112 Rn. 53, 92; Habersack, in: MünchKomm AktG § 112 Rn. 19, 23 („in engen Grenzen“); Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters AktG § 112 Rn. 11; Semler, in: FS Rowededer, 1994, S. 441, 450. 214 Vgl. Werner, ZGR 1989, 369, 388. 215 So vor allem Werner, ZGR 1989, 369, 388; ferner Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 112 Rn. 92; Hüffer/Koch, AktG § 112 Rn. 8; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 112 Rn. 38; Habersack, in: MünchKomm AktG § 112 Rn. 19 u. 23; Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters AktG § 112 Rn. 11; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 444; a. A. Leuering, in: FS Kollhosser, 2004, S. 361, 370; wohl auch Spindler, in: Spindler/Stilz AktG § 112 Rn. 32. 216 H. M.: BGHZ 12, 327, 334; OLG Düsseldorf AG 2004, 321; Stein, AG 1999, 28, 36; Leuering, in: FS Kollhosser, 2004, S. 361, 368 f. Streitig, für die hier aufgeworfene Frage im Ergebnis aber unerheblich ist lediglich, ob es sich dabei um eine Ermächtigung zur bloßen Botenschaft (in diesem Sinne Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 112 Rn. 83 ff.; ferner – für den Fall der Ermächtigung eines Vorstandsmitglieds – Habersack, in: MünchKomm AktG § 112 Rn. 27) oder zur sog. Vertretung in der Erklärung (so die h. A. in der Rechtsprechung und gesellschaftsrechtlichen Literatur, s. BGHZ 12, 327, 334; OLG Düsseldorf AG 2004, 321, 322 f.; Hüffer/Koch, AktG § 112 Rn. 8; Spindler, in: Spindler/Stilz AktG § 112 Rn. 31; Habersack, in: MünchKomm AktG § 112 Rn. 26; Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters AktG § 112 Rn. 14) handelt und ob grundsätzlich von einer stillschweigenden Ermächtigung des 212
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1. Teil, 2. Kap.: Regelungen vorstandsbezogener Interessenkonflikte
Eine sachgerechte Lösung des Problems kommt zunächst nicht daran vorbei, dass auch ein Geschäft des täglichen Lebens ein Rechtsgeschäft ist, für dessen Abschluss mit einem Vorstandsmitglied auf Seiten der Gesellschaft nach § 112 AktG der Aufsichtsrat zuständig ist. Eine Abweichung von dieser Rechtsfolge kommt mithin nur auf Grundlage einer teleologischen Reduktion der Norm in Betracht. Eine solche wäre nur gerechtfertigt, wenn eine uneingeschränkte Anwendung des § 112 AktG auf Geschäfte des täglichen Lebens zu Ergebnissen führte, die mit dem Zweck der Vorschrift unvereinbar sind.217 § 112 AktG verfolgt das Ziel einer unbefangenen Vertretung der Gesellschaft. Die Beobachtung, dass die mit Geschäften des täglichen Lebens einhergehenden Interessenkonflikte typischerweise gering sind, ist damit als Ausgangspunkt für eine teleologische Reduktion der Vorschrift durchaus tragend. Ebenso ist jedoch zu bemerken, dass auch geringwertige Geschäfte die Gefahr vorstandsinterner wechselseitiger Begünstigung im Einzelfall begründen können. Auch ein Vorstandsmitglied einer AG kann durchaus in Situationen geraten, in denen die Aussicht auf ein mit der Gesellschaft zu schließendes Bezugsgeschäft für ihn eine konfliktbegründende Bedeutung erreicht. Interessenkonflikte sind bei Geschäften des täglichen Lebens damit zwar seltener, ausgeschlossenen sind sie jedoch nicht.218 Hinzu kommt, dass § 112 AktG nicht nur eine konfliktfreie Vertretung der Gesellschaft, sondern im Interesse der Rechtssicherheit auch eindeutige Vertretungszuständigkeiten bezweckt.219 Wie bereits dargestellt, sollte die Neufassung der Norm die vormals bei Geschäften der Gesellschaft mit Vorstandsmitgliedern undurchsichtige Aufteilung der Vertretungskompetenzen zwischen Aufsichtsrat und Vorstand zugunsten einer eindeutigen Aufsichtsratszuständigkeit beseitigen. Um die Frage der Vertretungszuständigkeit von situationsspezifischen Einzelerwägungen freizuhalten, wurde dieser schematische Ansatz vom Gesetzgeber bewusst gewählt. Im Gegensatz zu anderen konfliktregulierenden Normen, wie z. B. § 89 Abs. 1 Satz 5 AktG, enthält die Vorschrift auch keine Bagatellklausel. Ein Normverständnis, nach dem Geschäfte des täglichen Lebens aus dem Anwendungsbereich des § 112 AktG ausgeschlossen sind, hätte hingegen zur Folge, dass die Frage der Vertretungszuständigkeit an einem unbestimmten Rechtsbegriff zu messen wäre und außer in eindeutigen Fällen jeweils mit Blick auf Umfang, mögliche Rechtsfolgen und interessenmäßige Hintergründe des konkreten Geschäfts zu ermitteln wäre. Mit dem Interesse des § 112 AktG an sicheren Vertretungsverhältnissen wäre dies nicht vereinbar. Die Ausklammerung von Geschäften des täglichen Lebens aus dem Aufsichtsratsvorsitzenden auszugehen ist (so KG AG 2005, 205, 206; Habersack, in: MünchKomm AktG § 112 Rn. 26; Drygala, in: Schmidt/Lutter AktG § 112 Rn. 14; Spindler, in: Spindler/Stilz AktG § 112 Rn. 31; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 444; weitergehend Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 107 Rn. 51 und § 112 Rn. 39: Bevollmächtigung zur Kundgabe von Aufsichtsratsbeschlüssen bereits kraft Amtsstellung – Aufsichtsratsvorsitzender als „geborener Erklärungsvertreter“). 217 Larenz, Methodenlehre, S. 392. 218 Mit dieser Einschätzung (sogar im Falle ausgeschiedener Vorstandsmitglieder) auch Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 443. 219 Habersack, in: MünchKomm AktG § 112 Rn. 1.
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Anwendungsbereich des § 112 AktG im Wege einer teleologischen Reduktion ist deshalb abzulehnen. Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Argument, dass andernfalls eine Überforderung des Aufsichtsrats drohe. Hierbei handelt es sich in erster Linie um eine Praktikabilitätserwägung. Diese kann schon deshalb keine teleologische Reduktion der Vorschrift rechtfertigen, weil sich nachweisen lässt, dass es möglich ist, die Anzahl der vom Aufsichtsrat zu erbringenden Mitwirkungsakte durch praktikables Vorgehen weitgehend zu reduzieren. Die praktisch bedeutsamsten Geschäfte des täglichen Lebens sind diejenigen, bei denen einem Vorstandsmitglied das Recht auf einen vergünstigten Waren- oder Dienstleistungsbezug von der Gesellschaft als vertragliche Nebenleistung zu seinem Anstellungsvertrag eingeräumt wird.220 Zwar handelt es sich bei diesen Geschäften um Vergütungsleistungen der Gesellschaft, die als Teil der Gesamtbezüge des Vorstandsmitglieds zu bewerten sind.221 Bei der dem Abschluss der entsprechenden Vereinbarungen zugrunde liegenden Willensbildung (Beschlussfassung) kann sich der Aufsichtsrat daher nicht vertreten lassen.222 Jedoch braucht der Aufsichtsrat über alle diese Leistungen nicht jeweils einzeln und immer wieder entscheiden, sondern wird sie – im Rahmen eines einheitlichen Vergütungskonzepts – regelmäßig in Ausübung seiner Vergütungskompetenz nach §§ 84 Abs. 1 Satz 5, 87 Abs. 1 AktG als Teil des Anstellungsvertrags regeln und nach § 112 AktG in Vertretung der Gesellschaft mit dem Vorstandsmitglied vereinbaren. Im Rahmen dieser Vereinbarung sind die Konditionen des Waren- und Dienstleistungsbezugs konkret festzulegen (z. B. Bezugszeitraum, Art, Menge, Unentgeltlichkeit bzw. vergünstigte Abgabepreise). Denkbar wäre es auch, lediglich einen monatlichen Geldbetrag als Obergrenze für den Bezug festzusetzen und dem Vorstandsmitglied gem. § 315 BGB die Auswahl der Waren aus dem Kreis eines bestimmten Sortiments innerhalb des gesetzten Limits selbst zu überlassen. Ist der Bezugsvertrag mit den Leistungspflichten der Gesellschaft in der beschriebenen Weise manifestiert, so muss es dem Aufsichtsrat im Folgenden gestattet sein, für die Abwicklung des Schuldverhältnisses Mitarbeiter der Gesellschaft oder Dritte als Erfüllungsgehilfen zu beauftragen und sie im Rahmen konkreter Weisungen zur Abgabe und Entgegennahme der abwicklungstechnisch bedingten Willenserklärungen mit Wirkung für und gegen den Aufsichtsrat (und damit für die 220 Neben dem regelmäßigen Bezug von Firmenerzeugnissen können als Nebenleistungen z. B. die unentgeltliche Überlassung einer Dienstwohnung, firmeneigenen Haus- und Gartenpersonals oder die unentgeltliche Nutzung eines Firmenfahrzeugs für private Zwecke vereinbart werden. 221 Zu den Gesamtbezügen der Vorstandsmitglieder gehören „Nebenleistungen jeder Art“ und damit auch günstige Konditionen beim Firmenbezug (Habersack, in: MünchKomm AktG § 87 Rn. 22). 222 Die Festsetzung der Gesamtbezüge eines Vorstandsmitglieds (einschließlich „Nebenleistungen jeder Art“ nach § 87 Abs. 1 Satz 1 AktG) sind in § 107 Abs. 3 Satz 2 AktG nicht erwähnt. Sie sind mithin ausschussfeindlich, sodass diese Aufgabe vom Aufsichtsratsplenum wahrgenommen werden muss und nicht auf einen Aufsichtsratsausschuss, ein einzelnes Aufsichtsratsmitglied, oder auf einen Dritten, etwa den Vorstand, delegiert werden kann.
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1. Teil, 2. Kap.: Regelungen vorstandsbezogener Interessenkonflikte
Gesellschaft) zu ermächtigen. Darin liegt keine unzulässige Vertretung im Willen. Denn bei den Geschäften des täglichen Lebens der hier beschriebenen Art handelt es sich nicht um eine Vielzahl untereinander nur lose verbundener, wiederkehrender einzelner Schuldverhältnisse, deren jedes jeweils eine neue Willensbildung im Aufsichtsrat und einen neuen Vertrag zwischen der Gesellschaft und dem Vorstandsmitglied erforderte, sondern um ein einheitliches Dauerschuldverhältnis mit über die vereinbarte Zeit regelmäßig wiederkehrenden einzelnen (Vergütungs-) Leistungen.223 Die Ausführung dieser Leistungen einschließlich Abgabe und Empfang der dazu nötigen Willenserklärungen kann der Aufsichtsrat delegieren; lediglich muss er durch geeignete Kontrollmaßnahmen sicherstellen, dass die von ihm zur Leistungserbringung beauftragten und bevollmächtigten Personen sich an die erteilten Weisungen halten und der Nebenleistungsvereinbarung nicht – auf Wunsch oder Druck des Vorstandsmitglieds – einen anderen Inhalt geben, als im Aufsichtsratsbeschluss festgelegt.224 Der Aufwand des Aufsichtsrats beim Abschluss, bei der Abwicklung und Kontrolle der Geschäfte hält sich damit in einem vertretbaren Rahmen. In vergleichbarer Weise lässt sich regelmäßig auch bei Geschäften des täglichen Lebens verfahren, die losgelöst von dem Organverhältnis – insbesondere also ohne Vergütungsaspekt – durchgeführt werden und damit „echte“ Drittgeschäfte sind. Bei ihnen handelt es sich i. d. R. um standardisierte Geschäftsabschlüsse zu festen und nicht verhandelbaren Preisen.225 Sofern diese Geschäfte nicht ausnahmsweise über ein erkennbares Konfliktpotential verfügen, ist dem Schutzzweck des § 112 AktG auch hier genüge getan, wenn der Aufsichtsrat die in Frage kommenden Geschäfte nach Art und Gegenstand bestimmt, ihnen durch ausdrücklichen Beschluss generell zustimmt, in dem Beschluss die für die Vornahme der Geschäfte zuständigen Mitarbeitern allgemein zum Geschäftsabschluss ermächtigt und diesen Beschluss den Betroffenen bekannt macht, verbunden mit dem Hinweis, ihn bei eventuellen Unstimmigkeiten unverzüglich einzuschalten. In den Grenzen des § 107 Abs. 3 AktG kann diese Aufgabe auch auf einen Aufsichtsratsausschuss übertragen werden.226 So lässt sich auch in diesen rechtlich unspektakulären Fällen mit angemessenem „Vertretungs“aufwand für den Aufsichtsrat der Schutz der Gesellschaft vor der Gefahr eigennützigen Vorstandshandelns sicherstellen.
223
Zum Dauerschuldverhältnis vgl. Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, § 7 Rn. 48. Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 112 Rn. 22; ebenso Semler, in: FS Rowedder, 1994, S. 41, 450. 225 Zu denken ist etwa an den Einkauf des Vorstandsmitglieds einer Lebensmittelkette in einem zu dieser Kette gehörenden öffentlichen Ladenlokal. 226 Habersack, in: MünchKomm AktG § 112 Rn. 22. 224
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3. Persönlicher Anwendungsbereich a) Amtierende Vorstandsmitglieder aa) Unmittelbar betroffene Vorstandsmitglieder Der Wortlaut des § 112 AktG ist insoweit eindeutig, als die Gesellschaft bei allen Rechtsgeschäften und Rechtsstreitigkeiten mit einem unmittelbar betroffenen amtierenden Vorstandsmitglied vom Aufsichtsrat vertreten wird. Umstritten ist in diesem Zusammenhang allerdings, ob in einem Konzern der Aufsichtsrat der Obergesellschaft auch für die Bestellung eines Vorstandsmitglieds der Obergesellschaft zum Geschäftsführer einer Tochter-GmbH zuständig ist. Das LG Berlin hat für diese Konstellation eine analoge Anwendbarkeit des § 112 AktG bejaht. Das Interesse des Vorstandsmitglieds an der Übernahme des Mandats decke sich nicht zwangsläufig mit dem Interesse der Obergesellschaft, vielmehr sei „eine Interessenkollision möglich“. Die Zuständigkeitsverlagerung auf den Aufsichtsrat ergebe sich daher als „notwendige Folge aus der Regelung des § 112 AktG, die dem Vorstand wegen einer potentiellen Interessenkollision die Entscheidungskompetenz entzieht.“227 In der Literatur sowie in der sonstigen Rechtsprechung wird diese Ansicht ganz überwiegend abgelehnt,228 weil sie den Anwendungsbereich des § 112 AktG zu weit ausdehne.229 Dies widerspreche dem gesetzlich angestrebten Ziel der Rechtssicherheit230 und sei, da die Beschlussfassung unter Mitwirkung des betroffenen Vorstandsmitglieds anderen Schranken unterliege, auch nicht vom Schutzzweck des § 112 AktG geboten.231 Der herrschenden Meinung ist im Ergebnis zuzustimmen. Als organschaftliche Vertretungsnorm ermächtigt § 112 AktG den Aufsichtsrat nur, die Gesellschaft selbst, nicht auch Dritte gegenüber den Vorstandsmitgliedern zu vertreten. Unmittelbare rechtsgeschäftliche Beziehungen zwischen der Aktiengesellschaft und ihrem Vorstandsmitglied als potentiellem Geschäftsführer der Tochter-GmbH werden bei 227 LG Berlin NJW-RR 1997, 1534, 1535; zust. Melchior, RPfleger 1997, 505, 508; Baetzgen, RNotZ 2005, 193, 223. 228 LG Nürnberg-Fürth AG 2001, 152; OLG München NZG 2012, 710; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 112 Rn. 4; Habersack, in: MünchKomm AktG § 112 Rn. 7; Hüffer/ Koch, AktG § 112 Rn. 6; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 112 Rn. 66 ff.; Hambloch-Gesinn/ Gesinn, in: Hölters AktG § 112 Rn. 8; Spindler, in: Spindler/Stilz AktG § 112 Rn. 18; Schemmann, NZG 2008, 89, 91 ff.; Cramer, NZG 2012, 765, 766 f. 229 OLG München a.a.O.; Cramer, a.a.O., S. 766. 230 Ausführlich Schemmann, a.a.O. 231 Nach überwiegender Ansicht wird der Schutz in diesen Fällen durch § 181 BGB gewährleistet, der die Teilnahme des persönlich betroffenen Vorstandsmitglieds an der Beschlussfassung ausschließe (vgl. Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 112 Rn. 4; Hopt/ Roth, in: Großkomm AktG § 112 Rn. 68; Habersack, in: MünchKomm AktG § 112 Rn. 7; Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters AktG § 112 Rn. 8; Cramer, NZG 2012, 765, 766). Eine Anwendung des § 181 BGB ablehnend Spindler, in: Spindler/Stilz AktG § 112 Rn. 18; ebenso Schemmann, NZG 2008, 89, 90 f.
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der Bestellung nach § 46 Nr. 5 GmbHG aber nicht begründet, weil deren Wirkungen nicht die als Gesellschafterin der GmbH handelnde Aktiengesellschaft, sondern die GmbH treffen. Die Voraussetzungen für eine direkte Anwendung des § 112 AktG liegen demnach nicht vor. Aber auch für eine analoge Anwendung des § 112 AktG besteht unter den gegebenen Umständen kein Bedürfnis, weil der Schutz der Obergesellschaft vor einer ihren Interessen widersprechenden Bestellung eines Vorstandsmitglieds zum Geschäftsführer der Untergesellschaft auf andere Weise gewährleistet ist. Das Vorstandsmitglied bedarf nämlich zu seiner Bestellung einer Befreiung vom gesetzlichen Wettbewerbsverbot. Für diese Entscheidung und ihre Erklärung gegenüber dem Vorstandsmitglied ist nach §§ 88 Abs. 1 Satz 2, 112 AktG unmittelbar der Aufsichtsrat zuständig. Hält er die Bestellung aus der Sicht der Obergesellschaft für interessengerecht, wird er seine Zustimmung erteilen. Damit ist ein potentieller Interessenkonflikt ausgeräumt und es spricht nichts mehr dagegen, dass die Obergesellschaft in der Gesellschafterversammlung der Tochter von ihrem Vorstand vertreten wird.232 bb) Nicht direkt betroffene Vorstandsmitglieder Während der Interessenkonflikt und die daraus resultierende Gefahr eines Missbrauchs der Vertretungsmacht bei einem unmittelbar betroffenen Vorstandsmitglied offensichtlich ist, fragt sich, warum sich der Gesetzgeber mit § 112 AktG dazu entschieden hat, bei einem Mehrpersonenvorstand neben dem direkt Betroffenen auch die übrigen Organmitglieder von der Vertretung auszuschließen, obwohl sie selbst gar nicht Partei des Rechtsgeschäfts oder Rechtsstreits sind. Als Grund für den Ausschluss der nicht direkt Beteiligten wird gemeinhin angeführt, dass wegen möglicher eigener Interessenkonflikte oder kollegialer Rücksichtnahmen auch bei ihnen typischerweise eine abstrakte Gefahr der Befangenheit vorliege, so dass eine allein an den Interessen der Gesellschaft ausgerichtete Entscheidung nicht erwartet werden könne.233 Mit dieser – auch den Kompetenzregelungen der §§ 84, 87 – 89 AktG zu Grunde liegenden – Annahme, dass allein schon die Zugehörigkeit zu einem mehrgliedrigen Vorstand die Fähigkeit aller Mitglieder lähmen könne, bei einem Rechtsgeschäft bzw. Rechtsstreit eines Kollegen mit der Gesellschaft unbefangen zu entscheiden, hat sich im Vorstandsrecht der Aktiengesellschaft eine Betrachtungsweise etabliert, die sich von der Einschätzung der Befangenheitsgefahr in anderen Kooperationsverhältnisses unterscheidet. So hat der BGH z. B. in der Beziehung 232
Auch steht der Teilnahme des persönlich betroffenen Vorstandsmitglieds an der Beschlussfassung die nach h. M. (siehe Fn. 231) anwendbare Vorschrift des § 181 BGB nicht im Wege, denn in dem Einverständnis des Aufsichtsrats mit dem Doppelmandat wird man gleichzeitig die Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens bei der Bestellung zu erblicken haben. Ist der Aufsichtsrat dagegen der Ansicht, dass die Bestellung nicht im Interesse der Obergesellschaft liegt, wird er seine nach § 88 Abs. 1 AktG notwendige Zustimmung verweigern, so dass die Bestellung unterbleiben muss. 233 Vgl. BGHZ 130, 108, 112; KG AG 2011, 758; Habersack, in: MünchKomm AktG § 112 Rn. 1; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 112 Rn. 2.
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zwischen den Geschäftsführern einer KG kein Hindernis dafür erkannt, dass der eine Geschäftsleiter die Gesellschaft bei einem Rechtsgeschäft mit dem anderen vertritt. In dem konkreten Fall hatte einer von zwei gesamtvertretungsberechtigten Geschäftsführern, der mit der Gesellschaft einen Pachtvertrag schließen wollte, sich daran aber durch § 181 BGB gehindert sah, seinen Mitgeschäftsführer nach § 125 Abs. 2 Satz 2 HGB zur Einzelvertretung ermächtigt, um alsdann den Vertrag mit diesem zu vereinbaren. Der BGH sah den Ermächtigten hier nicht in einem Interessenkonflikt, denn er „allein entscheidet ohne jede Bindung an die Wünsche und Interessen des Ermächtigenden in ausschließlich eigener Verantwortung über den Geschäftsabschluss. Ein Interessenkonflikt und eine dadurch begründete Gefahr der Benachteiligung des Geschäftsherrn sind daher auch nicht mittelbar in seiner Person gegeben, wenn ihm der andere Gesamtvertreter als Geschäftspartner der Gesellschaft gegenüber tritt.“234 Infolgedessen sei sein Ausschluss von der Vertretung der Gesellschaft vom Sinn und Zweck des § 181 BGB nicht geboten. Der Grund für die Besorgnis, dass die von einem Rechtsgeschäft bzw. Rechtsstreit mit der Gesellschaft nicht unmittelbar tangierten Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft der Angelegenheit nicht so souverän und unabhängig gegenüberstehen, wie das der BGH in seiner oben zitierten Entscheidung zu § 181 BGB für die Geschäftsführer einer KG unterstellt hat, ist im Wesentlichen ein zweifacher. Soweit es um Rechtsgeschäfte und -streitigkeiten geht, die die Organstellung eines Vorstandskollegen oder seine Rechte und Pflichten aus dem Anstellungsverhältnis berühren, haben alle Vorstandsmitglieder ein vitales eigenes Interesse an der „richtigen“ Behandlung derartiger Angelegenheiten, weil nach allgemeiner Erfahrung in vielen Fällen sicher, in anderen zumindest nicht auszuschließen ist, dass sie selbst in eine vergleichbare Situation kommen und dann von der Präzedenzwirkung einschlägiger früherer Entscheidung eingeholt werden. Diese Möglichkeit lässt das Interesse des in der Sache direkt betroffenen Mitglieds automatisch zum Interesse auch seiner Kollegen werden. Sie haben, unabhängig von der Person des jeweils Betroffenen, ein eigenes sachliches Interesse daran, wie organbezogene Personalfragen in „ihrem“ Unternehmen nach Stil und Inhalt behandelt werden. Daraus resultiert die Gefahr ihrer Befangenheit. Wären sie insoweit selbst entscheidungsbefugt, z. B. für die Wiederbestellung von Kollegen oder beim Abschluss oder der inhaltlichen Gestaltung ihrer Anstellungsverträge mit allen Leistungen und Nebenleistungen, so müsste man damit rechnen, dass sie jede Entscheidung daran ausrichteten, ob sie eines Tages auf sie selbst zurückfallen oder in irgendeiner Weise für ihre eigene Organstellung und ihre eigenen Rechte und Pflichten aus dem Anstellungsverhältnis richtungweisend sein könnte.235 Damit würde eine „Zusam234
BGH NJW 1975, 1117, 1119. Den Aspekt einer entstehenden Erwartungshaltung der Vorstandsmitglieder in Bezug auf bestimmte mit einem Kollegen geschlossene Geschäfte der Gesellschaft sieht auch Habersack, in: MünchKomm AktG § 112 Rn. 15 im Zusammenhang mit Beraterverträgen; ähnlich (im Zusammenhang mit Geschäften des täglichen Lebens) Spindler, in: Spindler/Stilz AktG § 112 Rn. 24 („Nachahmungseffekte“). 235
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menarbeit“ im Vorstand nach dem Prinzip des „do ut des“ begünstigt, bei der nicht mehr allein das Interesse der Gesellschaft, sondern die Verfolgung eigener Interessen der Vorstandsmitglieder im Vordergrund stünde.236 Ob die beschriebene Präzedenzwirkung stets und für alle Vorstandsmitglieder in gleicher Weise und mit letzter Sicherheit zu erwarten ist, spielt für die aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit gebotene typisierende Betrachtung keine Rolle. Um den Vorstand von allen organschaftlichen Entscheidungen fernzuhalten, reicht dem Gesetz aus, dass die persönliche Berührung mit einem ähnlichen Sachverhalt nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Ganz ähnlich ist die Situation bei der Geltendmachung und gerichtlichen Durchsetzung von Sanktionen gegen ein Vorstandsmitglied, etwa beim Widerruf seiner Bestellung, bei der Kündigung seines Anstellungsvertrags und/oder der Erhebung von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft wegen Verletzung seiner Amtspflichten. Hier rückt neben der Gefahr der Begünstigung noch ein anderer Aspekt ins Blickfeld, nämlich der einer möglichen Mitverantwortung für das Fehlverhalten der Kollegen.237 Richtet sich die Sanktion von vornherein gegen alle, so versteht sich ihre gemeinsame Befangenheit von selbst. Wird der Anspruch dagegen nur gegen einzelne Mitglieder erhoben, sind die eigenen Interessen der anderen gleichwohl mit angesprochen, weil ihnen gegenüber der Vorwurf im Raum steht, ihre Gesamtverantwortung, auf Grund derer sie sich auch bei Arbeitsteilung im Vorstand über die Aktivitäten ihrer Kollegen auf dem Laufenden halten und sie kritisch beobachten müssen, nicht mit der gebotenen Sorgfalt wahrgenommen und sich deshalb selbst angreifbar gemacht zu haben.238 Dass sie unter diesen Umständen bei der Aufklärung des Sachverhalts und der anschließenden Entscheidung über eine Sanktionsmaßnahme gegen ihren Kollegen nicht unbefangen agieren können, liegt auf der Hand. Deshalb ist hierfür der Aufsichtsrat nach § 84 AktG (Abberufung) bzw. § 111 Abs. 1 AktG (Entscheidung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen) intern geschäftsführungs- und nach § 112 AktG vertretungsbefugt.239 236 Im Vergleich zu dem durch den BGH entschiedenen KG-Fall wird diese Tendenz – Stichwort: Fremdgeschäftsführung – in der Aktiengesellschaft zumeist auch nicht dadurch abgemildert, dass die Vorstandsmitglieder ein unmittelbares, sie vereinendes Interesse am Wohlergehen der Gesellschaft hätten., 237 Vgl. BGH NJW 1989, 2055; BGHZ 103, 213. Die Ausführungen des BGH beziehen sich zwar jeweils auf die Befangenheit von Geschäftsführern gegenüber einem ausgeschiedenen Kollegen, treffen aber ebenso zu, wenn Sanktionen gegen amtierende Kollegen zur Debatte stehen. 238 Zur Gesamtverantwortung der Vorstandsmitglieder siehe oben § 2 II. 239 Die sachliche Befugnis des Aufsichtsrats zur Prüfung und Erhebung von Schadensersatzansprüchen gegen ein Vorstandsmitglied folgt nicht aus seiner Befugnis zur gerichtlichen Vertretung der Gesellschaft nach § 112 AktG, sondern ist „Ausfluß seines Rechts und seiner Pflicht, die Amtsführung des Vorstands zu kontrollieren“ (BGH NJW 1989, 2055, 2056); ferner BGH NJW 1997, 1926 („ARAG-Garmenbeck“): „Der Aufsichtsrat hat aufgrund seiner Aufgabe, die Tätigkeit des Vorstands zu überwachen und zu kontrollieren, die Pflicht, das Bestehen von Schadensersatzansprüchen der AG gegenüber Vorstandsmitgliedern eigenverantwortlich zu prüfen.“
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Neben ihrem sachbezogenen Eigeninteresse an allen organbezogenen und anstellungsvertraglichen Vorgängen ist die zweite typische Gefahrenquelle für unangemessene Rücksichtnahmen auf die Belange der jeweils unmittelbar betroffenen Kollegen das zwischen Vorstandsmitgliedern bestehende kollegiale Band. Bei Lichte betrachtet geht es aber auch hier weniger um die Person des Kollegen, als vielmehr um die Wahrung eigener Interessen. Kollegiale Verbundenheit unter Vorstandsmitgliedern dürfte in der Regel nicht gleichbedeutend sein mit freundschaftlicher Eintracht oder selbstlosem Mitgefühl. Das Charakteristische an dem Kollegenverhältnis unter Vorstandsmitgliedern ist vielmehr darin zu sehen, dass es, bedingt durch die gemeinsame Aufgabe, die Gesellschaft erfolgreich zu leiten, vielfältige wechselseitige Abhängigkeiten schafft, denen sich die „Kollegen“ in der Praxis kaum entziehen können. Vorstandsmitglieder sind – im Interesse der Gesellschaft, aber natürlich auch im Interesse ihres eigenen Erfolges und Wohlergehens – auf eine möglichst spannungsfreie, vertrauensvolle und durch gegenseitige Unterstützung geprägte Zusammenarbeit angewiesen. Die durch ihre gemeinsame Organfunktion bedingte Abhängigkeit voneinander macht sie – insoweit ist eine typisierende Betrachtung gerechtfertigt – in besonderer Weise anfällig für Rücksichtnahmen und Gefälligkeiten gegenüber Kollegen, von denen sie selbst Hilfe und Entgegenkommen bei der Durchsetzung eigener Ideen und Projekte, der Verteilung der Ressourcen usw. benötigen.240 Vor allem dieses Phänomen der gegenseitigen Abhängigkeit ist ursächlich für die Gefahr, dass die nicht unmittelbar betroffenen Vorstandsmitglieder bei der Entscheidung über ein neutrales Drittgeschäft eines Kollegen mit der Gesellschaft aufgrund solchermaßen taktischer Erwägungen das Verbandsinteresse aus den Augen verlieren können. Insoweit kommt es weder darauf an, ob sie, wie für organschaftliche Vorgänge typisch, an dem Inhalt des Geschäfts ein eigenes sachliches Interesse haben, noch darauf, ob sie selbst Drittgeschäfte mit der Gesellschaft planen und dafür durch ihr Entgegenkommen günstige Ausgangsbedingungen schaffen wollen. Die Gefahr der Befangenheit rührt hier vielmehr daher, dass ein Vorstandsmitglied wegen der organspezifischen Abhängigkeit von seinen Kollegen immer abwägen wird, ob es sich im Hinblick auf seine eigenen Ziele für ihn „lohnt“, das von einem anderen angestrebte Geschäft bis ins Detail zu prüfen, oder ob es es im Vertrauen auf dessen Redlichkeit und um ihn nicht zu „verärgern“, großzügig durchwinken soll, z. B. weil es selbst gerade um die Zustimmung zu einer objektiv vielleicht fragwürdigen, aus seiner Sicht aber sinnvollen Erhöhung der Ressourcen im eigenen Bereich kämpft. Die Gefahr, dass derartige Abwägungen nicht immer mit der gebotenen Objektivität und Sorgfalt ausschließlich am Interesse der Gesellschaft orientiert sind, sondern von unangemessen wohlwollender Rücksichtnahme auf die Belange des Kollegen gefärbt sein können, bildet den Grund dafür, der Unbefan240
Mit anderer Schwerpunktsetzung J. Koch, in: FS Säcker, 2011, S. 403, 417, der die Gefahr kollegialer Rücksichtnahme in der „menschliche(n) Neigung, Konflikten insbesondere dann aus dem Weg zu gehen, wenn eigene Interessen nicht unmittelbar betroffen sind“, begründet sieht. Ähnlich Habersack, in: MünchKomm AktG § 112 Rn. 12, der auf „enge persönliche Beziehungen“ aus der bisherigen Zusammenarbeit abstellt.
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genheit der nicht beteiligten Vorstandsmitglieder auch bei geplanten Drittgeschäften einzelner Kollegen zu misstrauen und deshalb sicherheitshalber alle von der Vertretung der Gesellschaft auszuschließen.241 b) Erweiterung des persönlichen Geltungsbereichs des § 112 AktG aa) Künftige Vorstandsmitglieder Da der Aufsichtsrat nach § 84 Abs. 1 AktG nicht nur für die Wiederbestellung bereits amtierender, sondern gerade auch für die Bestellung neuer Vorstandsmitglieder zuständig ist, erstreckt sich seine Vertretungsmacht nach § 112 AktG ohne weiteres auf alle der Bestellung vorwirkenden Rechtsgeschäfte mit den künftigen Mitgliedern, z. B. die Zusage von Reisespesen.242 Umstritten ist jedoch, ob §§ 84, 112 AktG auch anwendbar sind, wenn die Gesellschaft von endgültig erfolglosen Bewerbern auf Schadenersatz aus vorvertraglicher Pflichtverletzung (c.i.c.) oder der Erstattung von Vorstellungskosten in Anspruch genommen wird.243 Das zur Begründung für die Zuständigkeit des Aufsichtsrats ins Feld geführte Argument, er vertrete die Gesellschaft immer dann, wenn ein direkter Bezug zur Vorstandstätigkeit vorliege,244 vermag in diesem Zusammenhang nicht zu überzeugen. Ein direkter Bezug zur Vorstandstätigkeit liegt bei Entscheidungen gegenüber einem endgültig nicht zum Zuge gekommenen Bewerber gerade nicht vor. Auch fehlt es hier an dem die Gefahr der Befangenheit begründenden Kollegenverhältnis zu dem gescheiterten Vorstandsmitglied. Und schließlich lässt sich die Gefahr der Befangenheit auch nicht daran fest machen, dass die amtierenden Vorstandsmitglieder möglicherweise eines Tages von ihrer Entscheidung selbst eingeholt werden, so dass ihnen deshalb die nötige Distanz zu der in Frage stehenden Angelegenheit fehle.245 Denn nach allgemeiner Lebenserfahrung ist nicht damit zu rechnen, dass ein amtierendes Vorstandsmitglied in „seiner“ Gesellschaft selbst einmal in die Position eines endgültig abgelehnten externen Bewerbers gerät.
241 Sicherlich sind auch Rechtsgeschäfte der Gesellschaft mit Dritten häufig das Ergebnis von Kompromissentscheidungen, z. B. bei der Auswahl der „richtigen“ Lieferanten, bei dem sich die einzelnen Vorstandsmitglieder mit ihren Argumenten mal mehr, mal weniger durchsetzen. Aber das ist im Ringen um die bestmöglichen unternehmerischen Entscheidungen hinzunehmen, solange ausschließlich gesellschaftliche Belange und nicht auch erkennbare Sonderinteressen eines Mitglieds im Spiel sind. 242 Unstr.; BGHZ 26, 236, 238; Hüffer/Koch, AktG § 112 Rn. 2; Semler, in: FS Rowedder, 1994, S. 441, 445. 243 Bejahend Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 112 Rn. 20; wohl auch Habersack, in: MünchKomm AktG § 112 Rn. 11; ablehnend Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 112 Rn. 15; Schmits, AG 1992, 149, 150. 244 So Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 112 Rn. 20. 245 Zur Präzedenzwirkung als typische Ursache potentieller Befangenheit vgl. BGH AG 1991, 269, 270; BGH AG 1998, 35, 36; BAG AG 2002, 458, 459.
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Folglich bleibt es in diesem Fall bei der grundsätzlichen Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des Vorstands.246 bb) Ehemalige Vorstandsmitglieder In der Praxis ungleich häufiger als Streitigkeiten mit künftigen sind solche mit ehemaligen Vorstandsmitgliedern. Dementsprechend umfangreich ist die hierzu einschlägige Rechtsprechung und Literatur. Bei Unterschieden im Detail kann man den aktuellen Meinungsstand dahin umschreiben, dass nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des BGH und der ihm zustimmenden h. L. der Aufsichtsrat die Gesellschaft auch gegenüber ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern vertritt, wenn und soweit es um Rechtsstreitigkeiten oder – praktisch seltener – um die Vornahme von Rechtsgeschäften geht, die in direktem sachlichem Zusammenhang mit der früheren Organstellung stehen,247 während es beim Abschluss eines neutralen Drittgeschäfts eines Vorstandsmitglieds mit der Gesellschaft bei der Vertretung durch den Vorstand nach § 78 AktG bleiben soll.248 Dieser Differenzierung ist zuzustimmen: (1) Rechtsgeschäfte mit Organbezug Nach dem Wortlaut des § 112 AktG ist die Erstreckung seines Anwendungsbereichs auf ehemalige Vorstandsmitglieder durchaus zweifelhaft. Vorstandsmitglied
246 Str. Wie hier auch Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 112 Rn. 15; Schmits, AG 1992, 149, 150. A. A. z.B. Habersack, in: MünchKomm AktG § 112 Rn. 11; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 112 Rn. 20. 247 BGH WM 1981, 759 (Widerruf der Bestellung, fristlose Kündigung des Anstellungsverhältnisses); BGH WM 1986, 1114 (Fristlose Kündigung des Anstellungsvertrags, Zahlung von Gehalt und Tantiemen); BGHZ 103, 213 = WM 1988, 413 und BGH NJW 1989, 2055 (Schadensersatzforderung aus Amtspflichtverletzung); BGH WM 1990, 630 (Klage auf Zahlung einer Pension); BGH WM 1991, 941 (Klage auf Zahlung von Ruhegehalt); weitere Nachweise aus der Rspr. bei Behr/Kindl, DStR 1999, 119, 120 ff.; aus der Literatur – mit teilweise unterschiedlichen Schwerpunkten in der Begründung: Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 112 Rn. 31; Hüffer/Koch, AktG § 112 Rn. 5 (Zuständigkeit des AR für Streitigkeiten, die in früherer Vorstandstätigkeit ihren Ursprung haben); Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 112 Rn. 16; Habersack, in: MünchKomm AktG § 112 Rn. 13; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit AktG § 112 Rn. 4; Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters AktG § 112 Rn. 7; Spindler, in: Spindler/Stilz AktG § 112 Rn. 10 ff.; Drygala, in: Schmidt/Lutter AktG § 112 Rn. 8; Lutter/ Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 442; Semler, in: FS Rowedder, 1994, S. 441, 447; Werner, ZGR 1989, 369, 379 f.; Schmits, AG 1992, 149, 153; a. A. Behr/Kindl, DStR 1999, 119, 125 ff. 248 Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 112 Rn. 32; Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters AktG § 112 Rn. 7; Habersack, in: MünchKomm AktG § 112 Rn. 15; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit AktG § 112 Rn. 4; Werner, ZGR 1989, 369, 382; Semler, in: FS Rowedder, 1994, S. 441, 447 f.; Schmits, AG 1992, 149, 153; Stein AG 1999, 28, 40; Kleindiek, WuB II A. § 112 AktG 1.88; auch in diesem Fall für Vertretung durch den Aufsichtsrat aber z. B. Lutter/Krieger/ Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 442.
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ist, wer Mitglied des Vorstands ist.249 Auf ausgeschiedene Mitglieder trifft das nicht zu. Bezieht man sie in den Anwendungsbereich der § 112 AktG mit ein, erweitert sich der Kreis der dort angesprochenen Personen um eine zusätzliche Gruppe, denn es geht nun nicht mehr um die Frage, ob die Vorstandsmitglieder die Gesellschaft vertreten dürfen, wenn ihre eigenen Angelegenheiten betroffen sind, sondern um ihre Vertretungsbefugnis gegenüber Dritten. Bei der Ausdehnung des Anwendungsbereichs der Vorschrift handelt es sich deshalb nicht um eine erweiterte Auslegung des Wortlauts „Vorstandsmitglieder“, sondern um eine analoge Anwendung der Bestimmung.250 Nach dem Zweck des § 112 AktG, eine unbefangene Vertretung der Gesellschaft sicherzustellen, ist einer analogen Anwendung auf ehemalige Vorstandsmitglieder mit der von der h. M. vorgenommenen Differenzierung nach Ansprüchen aus dem Organ- und Anstellungsverhältnis einerseits und solchen aus neutralen Drittgeschäften andererseits im Ergebnis zuzustimmen. Ausschlaggebend für die Annahme, dass amtierende Vorstandsmitglieder bei Entscheidungen über Angelegenheiten ehemaliger Kollegen, die ihren Ursprung in deren Organverhältnis haben, befangen sein könnten, ist allerdings nicht der Gesichtspunkt der kollegialen Verbundenheit. Die organspezifische gegenseitige Abhängigkeit, die Aktienvorstände typischerweise anfällig macht für eine unangemessene Rücksichtnahme auf die besonderen Belange ihrer Kollegen, besteht gegenüber ausgeschiedenen Organmitgliedern nicht mehr. Ursächlich für die Besorgnis der Befangenheit ist hier vielmehr, dass an Entscheidungen, die die Rechte und Pflichten eines ehemaligen Vorstandsmitglieds als Amtsträger oder als Partei des ehemaligen Anstellungsverhältnisses berühren, auch alle amtierenden Mitglieder generell ein sachliches Eigeninteresse haben. Die Interessenlage ist insoweit ähnlich, wie wenn aktive Kollegen betroffen sind. Hier wie dort besteht die Gefahr, dass der unbefangene Blick der Vorstandsmitglieder auf die Interessen der Gesellschaft getrübt wird durch die Aussicht, eines Tages in eine vergleichbare Situation geraten und dann von der Präzedenzwirkung ihrer eigenen Entscheidung eingeholt werden zu können. Diese Möglichkeit macht das Interesse des ehemaligen Mitglieds an einer wohlwollenden Entscheidung automatisch zum Interesse auch der aktiven Mitglieder, unabhängig von ihrer persönlichen Verbundenheit mit dem Ausgeschiedenen und unabhängig auch davon, ob sein Ausscheiden aus dem Vorstand endgültig ist oder nicht.251 Ergänzend folgt das Erfordernis einer analogen Anwendung des § 112 AktG aus dem Zweck der bereits beschriebenen Vorschriften der §§ 84, 87 – 89 AktG, die dem Aufsichtsrat die sachliche Alleinverantwortung für alle vorstandsspezifischen Personalgrundsatzfragen und personellen Einzelentscheidungen zuweisen. Die Intention dieser Vorschriften, eine missbräuchliche „Selbstbedienung“ des Vorstands bei der Bestimmung seiner Mitglieder und bei der inhaltlichen Ge249
Behr/Kindl, DStR 1999, 119, 122. So zutreffend Behr/Kindl, a.a.O. 251 Auf diesen Umstand hob noch die frühere Rspr. des BGH ab; vgl. BGHZ 26, 236, 238; BGH NJW 1981, 2748, 2749; BGH NJW 1987, 254, 255. Im Jahre 1988 rückte der BGH dann von dieser Unterscheidung ab; s. BHGZ 103, 213, 218, ferner BGH NJW 1989, 2055, 2056. 250
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staltung seiner Anstellungsbedingungen zu unterbinden, drohte unterlaufen zu werden, würde man die Verantwortung für Personalentscheidungen gegenüber ausgeschiedenen Mitgliedern in die Hände des amtierenden Vorstands legen. Wäre dieser für Rechtsgeschäfte bzw. Rechtsstreitigkeiten, die z. B. die Abberufung eines vormaligen Mitglieds, Schadensersatzansprüche, Gehalts- oder Pensionsforderungen oder ein Wettbewerbsverbot betreffen, intern regelungsbefugt und nach außen vertretungsberechtigt, könnte er die vom Aufsichtsrat hierzu noch zur aktiven Zeit des ausgeschiedenen Mitglieds getroffenen oder vorgesehenen Festlegungen nach seinen eigenen personalpolitischen Vorstellungen modifizieren oder gar revidieren. Dies hätte zur Folge, dass dem ehemaligen Mitglied etwas gewährt oder erlassen werden könnte, was der Aufsichtsrat im Rahmen des von ihm entwickelten und zu verantwortenden Vergütungs- und Personalkonzepts so nicht vorgesehen hatte. Der logisch nächste Schritt läge dann darin, dass der amtierende Vorstand den Aufsichtsrat drängt, auch seine eigenen Anstellungsbedingungen im Lichte der gegenüber dem früheren Vorstandsmitglied getroffenen Regelungen anzupassen. Insgesamt könnte so eine Entwicklung eintreten, die die vom Gesetz beabsichtigte Alleinverantwortung des Aufsichtsrats für alle vorstandsbezogenen Personalangelegenheiten schleichend aushöhlt. Durch die analoge Erstreckung der materiellrechtlichen Personalkompetenz und dementsprechend auch der Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats auf einschlägige Angelegenheiten auch der ausgeschiedenen Vorstandsmitglieder wird diese Gefahr gebannt und der gesetzliche Wille zur Missbrauchsabwehr umgesetzt. Mit denselben Erwägungen ist der von der h. M. befürworteten analogen Anwendung des § 112 AktG auf die gerichtliche Vertretung der Gesellschaft in einem Rechtsstreit mit den Hinterbliebenen eines ausgeschiedenen Vorstandsmitglieds um die Höhe des vertraglichen Pensionsanspruchs zuzustimmen252 Nach §§ 85 Abs. 1 Satz 5, 87 Abs. 1 Satz 4 AktG ist für die vertragliche Gestaltung von Ruhegehalt, Hinterbliebenenbezügen und Leistungen verwandter Art ausschließlich der Aufsichtsrat zuständig. Für den Vorstand sind alle diese Fragen „out of area“, sowohl für amtierende wie auch für ehemalige Mitglieder, weil die Gefahr besteht, dass ihm die für einen unbefangenen Umgang mit dieser Materie notwendige Distanz fehlt. Das gilt nicht nur für die vertragliche Regelung dieser Leistungen, sondern auch für spätere streitige Auseinandersetzungen vor Gericht. Daran ändert sich nichts, wenn der in dem ursprünglichen Organverhältnis wurzelnde streitige Anspruch auf einen Hinterbliebenen des ehemaligen Vorstandsmitglieds übergeht. In diesem Fall sind die Vorschriften der §§ 87 Abs. 1 Satz 4, 112 AktG auf den Rechtsstreit mit dem Hinterbliebenen entsprechend anzuwenden. Könnte der amtierende Vorstand die 252 Vgl. BGHZ 103, 212, 218; LG München I AG 1996, 38; Habersack, in: MünchKomm AktG § 112 Rn. 16; Hüffer/Koch, AktG § 112 Rn. 3; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 112 Rn. 38; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 112 Rn. 17; Drygala, in: Schmidt/Lutter AktG § 112 Rn. 10; Spindler, in: Spindler/Stilz AktG § 112 Rn. 17; Bürgers/Israel, in: Bürgers/ Körber AktG § 112 Rn. 2; a. A. OLG München AG 1996, 328; Behr/Kindl, DStR 1999, 119, 125.
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Gesellschaft hierbei vertreten, bestünde die Gefahr, dass seine Mitglieder ihr Prozessverhalten einschließlich der Bereitschaft zum Abschluss eines Vergleichs nicht an den Interessen der Gesellschaft an der Abwehr unberechtigter Ansprüche, sondern daran ausrichten, welche Auswirkungen ihre Prozessführung auf ihre eigenen Ruhegehaltsansprüche bzw. auf die Hinterbliebenenbezüge ihrer Angehörigen haben könnte. Zudem wäre nicht ausgeschlossen, dass sie – bewusst oder unbewusst – die ruhegehaltspolitischen Festlegungen und Pläne des Aufsichtsrats konterkarieren. Um dieser Gefahr wirkungsvoll zu begegnen, setzt sich die in §§ 85 Abs. 1 Satz 5, 87 Abs. 1 Satz 4 und 112 AktG verankerte ausschließliche Regelungsbefugnis und Vertretungsmacht des Aufsichtsrats gegenüber den Vorstandsmitgliedern auch gegenüber deren Hinterbliebenen fort.253 (2) Drittgeschäfte Geschäfte, bei denen das ausgeschiedene Vorstandsmitglied der Gesellschaft wie ein beliebiger Dritter gegenübersteht, sind im Allgemeinen nicht geeignet, Interessenkonflikte bei den amtierenden Mitgliedern auszulösen. Für besondere Rücksichtnahmen gegenüber dem ehemaligen Mitglied besteht, anders als gegenüber aktiven Kollegen, mangels einer vorstandsinternen Abhängigkeit kein Anlass. Bei einem neutralen Drittgeschäft fehlt es aber auch an einem mit amtsspezifischen Personal- oder Vertragsentscheidungen vergleichbaren Bezugspunkt für ein charakteristisches sachbezogenes Eigeninteresse der amtierenden Vorstandsmitglieder. Dass aktive Mitglieder nach ihrem Ausscheiden in eine ähnliche Lage geraten und dann von eigenen Präzedenzentscheidungen profitieren können bzw. durch sie beeinträchtigt werden, ist keine für den Abschluss derartiger Geschäfte typische Entscheidungssituation, sondern wäre letztlich dem Zufall geschuldet. Folglich lässt sich auch kein unverkennbares Eigeninteresse der amtierenden Vorstandsmitglieder an dem „Ob“ und „Wie“ des Geschäfts mit einem ehemaligen Mitglied feststellen. Eine typische Gefahr der Befangenheit, die die analoge Anwendung des § 112 AktG rechtfertigen könnte, ist hier nicht auszumachen.254
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Die notwendige Kontinuität in der Zuständigkeit betont auch der BGH: Die Einbeziehung der von den Hinterbliebenen geltend gemachten Ansprüche, die aus dem Vorstandsverhältnis hergeleitet werden, in die alleinige Zuständigkeit des Aufsichtsrats gewährleiste, „dass über alle aus dem Anstellungsverhältnis resultierenden Ansprüche einheitlich durch den Aufsichtsrat entschieden werde.“ (BGHZ 103, 212, 218). 254 So auch BAG AG 2002, 458, 459, das die Möglichkeit, eines Tages in eine vergleichbare Situation zu geraten wie das ausgeschiedene Vorstandsmitglied und eine dementsprechende abstrakte Gefahr der Befangenheit seiner Kollegen verneint, „wenn Fragen streitig sind, die in keinem Zusammenhang zur … Organstellung … stehen“. Dem Aufsichtsrat ist aber unbenommen, sich für Geschäfte mit früheren Vorstandsmitgliedern gem. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG generell ein Vetorecht vorzubehalten, um das potentielle Risiko sachlich ungerechtfertigter Gefälligkeiten aufgrund nachwirkender Beziehungen des früheren Mitglieds zu alten „Seilschaften“ in der Gesellschaft zu verringern (zu den Voraussetzungen solcher generell festgelegter konfliktbedingter Zustimmungsvorbehalte vgl. unten § 7 I. 2.).
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(3) Beraterverträge, Kreditgeschäfte Anders ist im Falle eines Beratungsvertrags mit einem ausgeschiedenen Vorstandsmitglied zu entscheiden, wenn dieser zwar im Gewande eines neutralen Drittgeschäfts daher kommt, den Umständen und seinem Inhalt nach – z. B. in Gestalt eines unangemessen hohen Honorars – aber in Wahrheit die finanzielle Versorgung des Ausgeschiedenen bezweckt, also eine nachträgliche Vergütungsvereinbarung i. S. d. §§ 85 Abs. 1 Satz, 87 Abs. 1 Satz 4 AktG darstellt. Beim Abschluss eines derartigen Vertrags steht das ehemalige Vorstandsmitglied der Gesellschaft gerade nicht wie ein neutraler Dritter gegenüber, denn als solcher wäre es gar nicht in den Genuss dieser Regelung gekommen. Deshalb liegen hier Geschäftsführung und Vertretung gem. §§ 85 Abs. 1 Satz 5, 87 Abs. 1, 112 AktG analog beim Aufsichtsrat.255 Ob dabei ein enger zeitlicher Zusammenhang mit dem früheren Vorstandsmandat besteht, ist unbeachtlich, entscheidend sind vielmehr der sachliche Zusammenhang und der Versorgungszweck des Vertrags.256 Nach denselben Kriterien ist bei der Kreditvergabe an ein ausgeschiedenes Vorstandsmitglied zu differenzieren. Hat der Kredit seinen Ursprung in dem früheren Vorstandsamt und wird in sachlichem Zusammenhang mit dem Ausscheiden, z. B. als „Übergangsdarlehen“, gewährt, so ist für diese nachwirkende Nebenleistung gem. §§ 85 Abs. 1, 89 Abs. 1 Satz 1, 112 AktG analog der Aufsichtsrat zuständig. Steht das Geschäft dagegen in keinerlei Beziehung zu der früheren Vorstandstätigkeit des Kreditempfängers, z. B. weil er inzwischen „normaler“ Geschäftspartner der Gesellschaft ist und in diesem Rahmen – wie andere Lieferanten in vergleichbarer Lage – einen Lieferantenkredit erhalten soll, bleibt es bei der Zuständigkeit des amtierenden Vorstands.257 cc) Angehörige eines Vorstandsmitglieds und sonstige ihm nahe stehende Dritte Im Grundsatz ist unstreitig, dass § 112 AktG als Ausnahme vom Vertretungsmonopol des Vorstands nicht der allgemeine Rechtsgrundsatz entnommen werden kann, dass der Aufsichtsrat immer dann, wenn Interessen der Aktiengesellschaft 255 Vgl. z. B. Hüffer/Koch, AktG § 112 Rn. 5: „Beraterverträge mit ehemaligen Vorstandsmitgliedern sind bei einer (aus Rechtssicherheitsgründen gebotenen) typisierenden Betrachtungsweise nicht neutral, sondern mandatsbedingt […].“ 256 Hüffer/Koch, AktG § 112 Rn. 5; Habersack, in: MünchKomm AktG § 112 Rn. 15; Spindler, in: Spindler/Stilz AktG § 112 Rn. 13; Drygala, in: Schmidt/Lutter AktG § 112 Rn. 8); wohl auch BGH WM 1993, 1631. Enger Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 112 Rn. 35 (Zuständigkeit des Aufsichtsrats grundsätzlich gegeben bei zeitlichem Zusammenhang mit dem Ausscheiden); Semler, in: FS Rowedder, 1994, S. 441, 448; wohl auch Vetter, in: MarschBarner/Schäfer Hdb AG § 26 Rn. 52. 257 Anders die h. M. im Bereich der Kommentierung zu § 89 AktG, die ohne weitere Differenzierung stets von einer Zuständigkeit des Vorstands ausgeht (vgl. z. B. Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 89 Rn. 4; Spindler, in: MünchKomm AktG § 89 Rn. 24; Fleischer, in: Spindler/Stilz AktG § 89 Rn. 16).
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wegen kollidierender Interessen des Vorstands oder einzelner seiner Mitglieder potentiell gefährdet sind, zur Vertretung der Gesellschaft berufen ist. Durch eine in ihren Voraussetzungen derart konturenlose Ermächtigung des Aufsichtsrats würde der aktienrechtliche Grundsatz der Leitungsmacht des Vorstands aus den Angeln gehoben. Die durch § 82 Abs. 1 AktG bezweckte Sicherheit des Rechtsverkehrs stünde auf dem Spiel, wenn die Vertretungszuständigkeit des Leitungsorgans der Gesellschaft an den generalklauselartigen Tatbestand der abstrakten Gefährdung von Gesellschaftsinteressen gekoppelt wäre.258 Deshalb scheidet eine analoge Anwendung des § 112 AktG auf den Fall, dass die Aktiengesellschaft Geschäfte mit Dritten abschließt, aus, auch wenn ein Vorstandsmitglied an einem solchen Geschäft ein eigenes persönliches oder wirtschaftliches Interesse hat, z. B. weil es sich bei dem Dritten um einen Angehörigen oder um eine sonstige, ihm nahe stehende (natürliche oder juristische) Person handelt.259 Selbst wenn ein Vorstandsmitglied beim Abschluss des Rechtsgeschäfts als Vertreter des Dritten auftritt, kommt § 112 AktG nicht zum Zug; die Mehrfachvertretung i. S. d. § 181 Var. 2 BGB ist durch § 112 AktG nicht ausgeschlossen.260 Ihren sichtbaren Ausdruck haben diese Schranken des persönlichen Anwendungsbereichs des § 112 AktG bei der Kreditgewährung an Dritte in § 89 Abs. 2 – 4 AktG gefunden.261 Für alle dort genannten Kreditgeschäfte ist der Vorstand zuständig. Der Gefahr, dass er aus Eigeninteressen seine Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht zum Abschluss von für die Gesellschaft nachteiligen Geschäften missbraucht, begegnet das Gesetz hier nicht mit der Rechtsfolge des vollständigen Entzugs der Organzuständigkeit zugunsten des Aufsichtsrats, sondern in der Weise, dass es das Kreditgeschäft lediglich einem gesetzlichen Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats unterstellt und die Rückabwicklung anordnet, wenn der Vorstand im Alleingang handelt. 4. Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 112 AktG a) Meinungsstand Die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 112 AktG sind nicht abschließend geklärt. Zwar geht der BGH für die Fälle der gerichtlichen Vertretung davon aus, dass der Aufsichtsrat eine vom Vorstand entgegen § 112 AktG begonnene Prozessführung genehmigen kann, indem er in das Verfahren eintritt und es für die Gesellschaft 258
Werner, ZGR 1989, 369, 373; Thoma, Eigengeschäfte, S. 179. Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 112 Rn. 38 u. 65; Habersack, in: MünchKomm AktG § 112 Rn. 8; Werner, ZGR 1989, 369, 374 f.; Thoma, Eigengeschäfte, S. 179; zur Behandlung der Fälle sog. wirtschaftlicher Identität zwischen einem Vorstandsmitglied und dem in Aussicht genommenem Vertragspartner der AG siehe unten § 7 II. 2. 260 Habersack, in: MünchKomm AktG § 112 Rn. 8; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 112 Rn. 42; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 443; Drygala, in: Schmidt/Lutter AktG § 112 Rn. 10; Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters AktG § 112 Rn. 4; Werner, ZGR 1989, 369, 372 f.; Thoma, Eigengeschäfte, S. 180. 261 Siehe dazu ausführlich oben § 5 V. 259
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fortsetzt.262 Höchstrichterlich bislang noch nicht entschieden und dementsprechend umstritten ist jedoch die Frage, ob auch ein Rechtsgeschäft, das der Vorstand der Aktiengesellschaft unter Verstoß gegen § 112 AktG mit einem seiner Mitglieder abschließt, nach § 134 BGB nichtig ist oder vom Aufsichtsrat nach §§ 177, 180 BGB genehmigt werden kann. Gegen die Genehmigungsfähigkeit solcher Rechtsgeschäfte wird vorgebracht, dass es sich bei § 112 AktG um eine zwingende Kompetenzzuweisung zugunsten des Aufsichtsrats handele, die für den Vorstand ein Verbotsgesetz i. S. d. § 134 BGB darstelle. Hiervon könne weder durch die Satzung abgewichen werden, noch stehe es im Gutdünken des Aufsichtsrats, ob er im Einzelfall vom Gesetz abweichen wolle.263 Ließe man die nachträgliche Genehmigung zu, so würde der Aufsichtsrat zu einem reinen Zustimmungsorgan herabgestuft, das das Handeln des Vorstands nur noch ablehnen oder billigen könne. Damit nehme der Vorstand die dem Aufsichtsrat vorbehaltene Entscheidung unzulässigerweise vorweg, denn dieser könne nicht mehr frei und ergebnisoffen agieren, weil er davor zurückscheue, den Vorstand möglicherweise zu desavouieren.264 Das aber sei mit dem Schutzzweck des § 112 AktG nicht vereinbar. Die Gegenmeinung sieht in dem Verstoß gegen § 112 AktG dagegen den klassischen Fall des falsus procurator und wendet darauf die Vorschriften der §§ 177 ff. BGB an.265 Gegen die Wertung des § 112 AktG als Verbot i. S. d. § 134 BGB spreche, dass die Vorschrift eine Regelung der Vertretungsmacht darstelle und Rechtsgeschäfte, die ein Vertreter ohne Vertretungsmacht vornehme, nicht als solche verboten, sondern mangels Rechtsmacht nur schwebend unwirksam seien.266 Die gesetzliche Anordnung der Genehmigungsbedürftigkeit sei eine Spezialregelung gerade für diese Fälle und lasse deshalb der Anwendung des § 134 BGB keinen Raum.267 Auch verlange der Zweck des § 112 nicht, Rechtsgeschäfte der Gesellschaft mit Vorstandsmitgliedern, die nicht auf einem vorherigen Beschluss des Aufsichtsrats beruhen, ohne Genehmigungsmöglichkeit als nichtig anzusehen, sondern solle lediglich die Unverbindlichkeit kom262 St. Rspr. Vgl. etwa BGH WM 1990, 630, 631; 1998, 308; 1999, 2026; 2009, 702; zust. die h. M. in der Literatur, s. nur Hüffer/Koch, AktG § 112 Rn. 13. 263 OLG Hamburg WM 1986, 972, 974; OLG Stuttgart AG 1993, 85, 86; LG Koblenz ZNotP 2002, 322; Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl AktG § 82 Rn. 20; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 112 Rn. 109; Drygala, in: Schmidt/Lutter AktG § 112 Rn. 19; Semler, in: FS Rowedder, 1994, S. 441, 455; Thoma, Eigengeschäfte, S. 182; Fischer, in: GS Gruson, 2009, S. 151, 161; Schmits, AG 1992, 149, 155, der jedoch (ebenso wie Hopt/Roth, a.a.O.) für Rechtsgeschäfte mit ausgeschiedenen Vorstandsmitgliedern Genehmigungsfähigkeit annimmt; offen gelassen vom BGH WM 1993, 1630, 1632 und OLG Karlsruhe WM 1996, 161, 164 f. 264 So Semler, in: FS Rowedder, 1994, S. 441, 456; ihm folgend Stein, AG 1999, 28, 38. 265 OLG Celle BB 2002, 1438; OLG München ZIP 2008, 220, 222; Habersack, in: MünchKomm AktG § 112 Rn. 32; Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters AktG § 112 Rn. 21; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber AktG § 112 Rn. 10; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 112 Rn. 10; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 445; Hübner, Interessenkonflikt und Vertretungsmacht, S. 249 f.; Werner, ZGR 1989, 369, 392 ff.; Schmitt, in: FS Hopt, 2010, S. 1313, 1316 ff.; Baetzgen, RNotZ 2005, 193, 214 f. 266 Hübner, a.a.O. 267 Schmitt, in: FS Hopt, 2010, S. 1313, 1318.
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petenzüberschreitenden Handelns des Vorstands für die Aktiengesellschaft sicherstellen.268 Diesem Anliegen könnten die allgemeinen Vorschriften der §§ 177 BGB hinreichend Rechnung tragen, die es dem Aufsichtsrat ohne Präjudiz durch den Vorstand frei stellen, nachträglich über eine Genehmigung zu entscheiden.269 b) Stellungnahme Selbst wenn man in der Vorschrift des § 112 AktG ein Verbotsgesetz i. S. d. § 134 BGB sieht, führte ein Verstoß nur dann zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts, wenn sich aus dem Gesetz nicht „ein anderes“ ergibt. Ob bei Rechtsgeschäften der Gesellschaft mit ihren Vorstandsmitgliedern, die entgegen § 112 AktG nicht durch den Aufsichtsrat, sondern durch den Vorstand geschlossen wurden, „ein anderes“ aus der Genehmigungsfähigkeit des Rechtsgeschäfts nach §§ 177 ff. BGB folgt, ist durch Auslegung zu ermitteln; die §§ 177 ff. BGB sind grundsätzlich auch auf Fälle fehlender organschaftlicher Vertretungsmacht anwendbar.270 Da weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetztgebungsmaterialien zu § 112 AktG insoweit aussagekräftig sind,271 liegt die Lösung in einer systematischen und teleologischen Auslegung der Vorschrift. Entgegenzutreten ist dabei zunächst der Aussage, dass die Genehmigung eines vorschriftswidrig durch den Vorstand geschlossenen Geschäfts am zwingenden Charakter des § 112 AktG scheitere. Es trifft zwar zu, dass der Aufsichtsrat die ihm durch § 112 AktG zugewiesene Vertretungsbefugnis nicht auf den Vorstand zurückdelegieren kann.272 Damit ist jedoch nicht gesagt, dass ein Verstoß gegen § 112 AktG nicht genehmigungsfähig ist.273 Die Disposition des Aufsichtsrats über § 112 AktG einerseits und die Genehmigung eines ohne Vertretungsmacht durch den Vorstand vorgenommenen Rechtsgeschäfts andererseits sind zwei unterschiedliche Sachverhalte.274 So ist der Mangel der Vertretungsmacht zwar der Auslöser für das Genehmigungserfordernis, Gegenstand der Genehmigung ist jedoch das ohne Vertretungsmacht getätigte Geschäft.275 Dieses macht sich der Aufsichtsrat namens der Gesellschaft inhaltlich zu eigen und erklärt sich gegenüber dem am Rechtsgeschäft beteiligten Vorstandsmitglied dazu bereit, es als von Anfang an wirksam zu ak268 OLG München ZIP 2008, 220, 222; Schmitt, a.a.O.; Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters AktG § 112 Rn. 22. 269 So grds. auch Hüffer/Koch, AktG § 112 Rn. 12 (AG kann sich „schützen […] indem sie Genehmigung versagt.“). 270 Vgl. etwa Ellenberger, in: Palandt BGB § 177 Rn. 1; Schramm, in: MünchKomm BGB § 177 Rn. 4. 271 Mit identischer Einschätzung zum Wortlaut Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 112 Rn. 10; ferner Mertens, in: FS Lutter, 2000, S. 523, 531 f. 272 Darauf abstellend insbesondere OLG Stuttgart, AG 1993, 85, 86. 273 So auch Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 112 Rn. 10. 274 Vergleichbare Differenzierung auch bei Werner, ZGR 1989, 369, 393. 275 Bayreuther, in: MünchKomm BGB § 184 Rn. 10.
§ 5 Gesetzliche Sonderregelungen
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zeptieren. Die darauf eintretende rückwirkende Gültigkeit des Geschäfts folgt sodann unmittelbar aus § 184 Abs. 1 BGB als gesetzliche Fiktion.276 Als weitere Argumente für eine Genehmigungsfähigkeit lassen sich bereits vorangehend gewonnene Erkenntnisse ins Feld führen: Entscheidend ist insoweit, dass § 112 AktG dem Aufsichtsrat in Ausnahme zu § 78 AktG zwar das Recht zuweist, die Gesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern rechtsgeschäftlich zu vertreten, nicht hingegen trifft die Vorschrift eine Aussage zur Aufteilung der materiellen Sachzuständigkeiten in der Gesellschaft. Diese liegen für den Aufsichtsrat in seiner gegenüber den Vorstandsmitgliedern wahrzunehmenden Personalkompetenz (§§ 84, 87 – 89 AktG) sowie in seiner Kontrollaufgabe gemäß § 111 AktG, während in unternehmerisch-geschäftsführenden Belangen der Vorstand zuständig ist und es – mit Ausnahme seines Rechts zur Vertretung der Gesellschaft – auch dann bleibt, wenn das betreffende Geschäft mit einem Vorstandsmitglied geschlossen werden soll. Es handelt sich damit bei § 112 AktG – wie bereits festgestellt – um eine reine Vertretungsnorm, sodass ein Verstoß dagegen einen grundsätzlich gewöhnlichen Fall eines Vertreterhandelns ohne Vertretungsmacht nach sich zieht. Die Folge daraus ist aber eben nicht die Nichtigkeit des geschlossenen Rechtsgeschäfts, sondern seine schwebende Unwirksamkeit und Genehmigungsfähigkeit. Durch ein solches Normverständnis wird der Zweck des § 112 AktG, eine unbefangene Vertretung der Gesellschaft zu gewährleisten, ausreichend gewahrt, indem der Aufsichtsrat in die Lage versetzt wird, über die Wirksamkeit des Geschäfts abschließend zu bestimmen.277 Als Kontrollorgan, dessen zentrale Funktion es ist, das Handeln des Vorstands zu überwachen und ggf. zu korrigieren, ist der Aufsichtsrat zu diesen Entscheidungen auch in der Lage. Von einer unsachgemäßen Präjudizwirkung des Vorstandshandelns ist insoweit nicht auszugehen. Einschränkend zu beachten ist lediglich Folgendes: Eine gem. §§ 177, 180 BGB erklärte Genehmigung kann zwar Verstöße gegen § 112 AktG heilen, nicht jedoch auch solche gegen die materielle Sachzuständigkeit des Aufsichtsrats. Soweit also das Rechtsgeschäft nicht nur an einem Verstoß gegen § 112 AktG, sondern zugleich auch an einem gegen die materielle Sachkompetenz des Aufsichtsrats leidet, kommt es für seine Wirksamkeit darauf an, ob auch dieser Verstoß vom Aufsichtsrat konsentiert werden kann. Dies ist z. B. nach § 89 Abs. 5 AktG bei der Kreditgewährung an ein Vorstandsmitglied unter Verstoß gegen § 89 Abs. 1 AktG der Fall. Erteilt der Aufsichtsrat hier die die Genehmigung nach § 89 Abs. 5 AktG, heilt diese zugleich auch den Mangel der Vertretungsmacht des Vorstands. Soweit sich der Vorstand neben § 112 AktG dagegen auch über aktienrechtliche Spezialvorschriften hinwegsetzt, die dem Aufsichtsrat die alleinige und uneingeschränkte Geschäftsfüh276
Zur Fiktionswirkung des § 184 Abs. 1 BGB z. B. Bayreuther, in: MünchKomm BGB § 184 Rn. 12; Bub, in: BeckOK BGB § 184 Rn. 8. 277 Im Falle eines vorteilhaften Geschäfts ist die Gesellschaft – anders als bei einer Nichtigkeit des Geschäfts – dann nicht auf dessen Neuvornahme angewiesen und wäre somit nicht dem Risiko ausgesetzt, dass der Vertragspartner inzwischen die Lust am Geschäft verloren hat (Werner, ZGR 1989, 369, 392).
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1. Teil, 2. Kap.: Regelungen vorstandsbezogener Interessenkonflikte
rungsbefugnis für die Vornahme von Rechtsgeschäften der Gesellschaft mit Vorstandsmitgliedern zuweisen und die insoweit keine separate aktienrechtliche Genehmigungsmöglichkeit vorsehen, namentlich die Vorschriften der §§ 84, 87, 88 AktG, hilft allein eine Genehmigungsmöglichkeit nach §§ 177, 180 BGB jedoch nichts. In einem solchen Fall sind rechtsgeschäftliche Alleingänge des Vorstands schon wegen ihres Verstoßes gegen diese materiellen Zuständigkeitsregelungen nach § 134 BGB nichtig.278
278
Siehe oben § 5 I. 2., II., III. Im Ergebnis wie hier Hüffer/Koch, AktG § 112 Rn. 12 a. E.
3. Kapitel
Handlungsoptionen der Gesellschaft zur Neutralisierung vorstandsspezifischer Interessenkonflikte Abgesehen von den im zweiten Kapitel beschriebenen Sonderregelungen beschränkt das Aktiengesetz die Geschäftsführungs- und Vertretungskompetenz der Vorstandsmitglieder beim Auftreten von Interessenkonflikten grundsätzlich nicht. Insbesondere für Rechtsgeschäfte der Gesellschaft mit Dritten ist der Vorstand, mit Ausnahme der Kreditgewährung, selbst dann uneingeschränkt zuständig, wenn das Geschäft im besonderen Interesse eines Vorstandsmitglieds liegt. Das Gleiche gilt für Vorstandsentscheidungen, die einem Mitglied zwar keinen unmittelbaren rechtlichen, wohl aber einen tatsächlich Vor- oder Nachteil verschaffen. Beispiele für beide Fallgruppen sind in der Einführung279 und in den allgemeinen Erläuterungen vorstandsspezifischer Interessenkonflikte280 aufgeführt. Damit rückt die Frage in den Vordergrund, welche konkreten Handlungsoptionen der Gesellschaft außerhalb der gesetzlich geregelten Ausnahmefälle zur Verfügung stehen, um sich dagegen zu schützen, dass Sonderinteressen eines Vorstandsmitglieds seine Amtsführung zu ihrem Nachteil beeinflussen. Im Verlauf der bisherigen Untersuchung wurde bereits deutlich, dass das Aktiengesetz dem Aufsichtsrat bei der Abwehr derartiger Gefahren eine tragende Rolle zugedacht und ihn dazu auch mit einem geeigneten Instrumentarium ausgestattet hat. Welche Möglichkeiten, Rechte und Pflichten er dabei im Einzelnen hat, steht im Zentrum der folgenden Erörterungen. Da die Art und Intensität seiner Überwachung und Regulierung sich auch danach richten, wie die übrigen Beteiligten, also das befangene Vorstandsmitglied selbst und seine Kollegen, sich im Konfliktfall verhalten (müssen), werden deren Rechte und Pflichten vorab beleuchtet.
279 280
Siehe § 1 I. Siehe § 3 II. 3.
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1. Teil, 3. Kap.: Handlungsoptionen der Gesellschaft
§ 6 Rechte und Pflichten der Vorstandsmitglieder bei vorstandsinternen Interessenkonflikten I. Rechte und Pflichten des direkt betroffenen Mitglieds 1. Verweigerung der Geschäftsführung in der Konfliktangelegenheit a) Grundsätze Der Aufsichtsrat müsste sich keine Gedanken machen, wie er dem Sonderinteresse eines Vorstandsmitglieds am besten begegnet, wenn dieses von sich aus davon Abstand nähme, in der Konfliktsache weiter mitzuwirken. In der Praxis wird das befangene Mitglied oft den Wunsch haben, sich wegen seines Interessenkonflikts an der betreffenden Maßnahme zumindest nicht federführend beteiligen zu müssen. Das ist durchaus verständlich, denn es wird ihm nicht immer leicht fallen, sich mit der gebotenen Intensität für eine seinen eigenen Interessen zuwider laufende Vorstandsentscheidung einzusetzen. Gleichwohl ist fraglich, ob ein Vorstandsmitglied mit Hinweis auf eine Interessenkollision die Geschäftsführung punktuell verweigern kann.281 Als Rechtsgrundlage für ein solches Verhalten ist die Vorschrift des § 275 Abs. 3 BGB in Betracht zu nehmen. Danach kann der Schuldner die Leistung verweigern, wenn sie ihm bei Abwägung eines ihr entgegenstehenden Hindernisses mit dem Erfüllungsinteresse des Gläubigers nicht zugemutet werden kann. Diese Regelung stellt sich nicht als singuläres Leistungsverweigerungsrecht des Schuldrechts dar, sondern versteht sich für den Bereich persönlich zu erbringender Leistungen als positivrechtlicher Ausfluss allgemeiner, die gesamte Rechtsordnung übergreifender Gedanken zur rechtlichen Auflösung von Konfliktsituationen, die aus dem Zusammenstoß nicht kompatibler Interessen resultieren. Leistungen sind nicht unbeschränkt geschuldet, sondern nur bis an die Grenze des rechtlich Zumutbaren.282 Diese Grenze ist im Privatrecht in allgemeiner Form in den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB niedergelegt.283 Für den Fall persönlich zu erbringender Leistungen enthält § 275 Abs. 3 BGB eine spezielle, den allgemeinen Tatbestand des § 242 BGB verdrängende Sonderregelung.284 281
Bejahend Krieger, in: Krieger/Schneider Handbuch Managerhaftung, § 3 Rn. 32; für befangene Mitglieder mehrköpfiger Vorstandsgremien auch J. Koch, ZGR 2014, 697, 712; ferner – für die Prarallelproblematik im Aufsichtsrat – Hüffer/Koch, AktG § 108 Rn. 13; Lutter/ Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 902; Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141, 143 ff.; a. A. Habersack, in: MünchKomm AktG § 108 Rn. 52, 71. 282 Caspers, in: Staudinger BGB, Neubearb. 2014, § 275 Rn. 10. 283 Sog. Schranken- oder allgemeine Billigkeitsfunktion des § 242 BGB (vgl. hierzu Looschelder/Olzen, in: Staudinger BGB, Neubearb. 2015, § 242 Rn. 201 ff.; Krebs, in: DaunerLieb/Langen AnwK BGB § 242 Rn. 6; ebenfalls Larenz, SchuldR AT § 10 II. c). 284 Looschelders/Olzen, in: Staudinger BGB, Neubearb. 2015, § 242 Rn. 272 („lex specialis“) sowie Rn. 378 (§ 275 Abs. 2 und 3 als „Teilkodifikation dessen, was vor dem In-
§ 6 Rechte und Pflichten der Vorstandsmitglieder
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Die in § 275 Abs. 3 BGB enthaltenen Grundsätze einer (nur) relativen Leistungspflicht gelten auch für die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft.285 Etwas anderes folgt insbesondere nicht aus den organschaftlichen Treubindungen, denen sich die Vorstandsmitglieder gegenüber der Gesellschaft unterworfen haben. Zwar verlangen diese in Verbindung mit der aus § 76 Abs. 1 AktG folgenden Leitungspflicht eine grundsätzlich unbedingte, aktive Verfolgung der Gesellschaftsinteressen. Trotz ihrer besonderen Strenge sind jedoch auch diese Bindungen gegenüber den Eigeninteressen der Vorstandsmitglieder nicht vollständig abwägungsfest.286 Wie jedes privatrechtliche Rechtsverhältnis wird auch die Organbeziehung zwischen Vorstandsmitglied und Aktiengesellschaft durch den allgemeinen Grundsatz überformt, dass die Rechte des einen dort begrenzt sind, wo sie die Interessen des anderen übermäßig beeinträchtigen.287 Dieses Rechtsprinzip wird durch die organschaftliche Treuepflicht nicht beseitigt, sondern, verglichen mit gewöhnlichen Austauschverhältnissen, lediglich insoweit modifiziert, als die Grenze dessen, was die Vorstandsmitglieder aufzuwenden haben, zum Vorteil der Gesellschaft verschoben ist. Wo diese Grenze genau verläuft, ist jeweils im Einzelfall durch Abwägung zu ermitteln. Wie bei jeder Abwägung sind hierzu alle auf beiden Seiten konkret betroffenen Belange zu ermitteln und unter Beachtung etwaiger zwingender gesetzlicher Vorgaben zu gewichten.288 Als Leistungshindernis i. S. d. § 275 Abs. 3 BGB kommen grundsätzlich alle durch die persönliche Leistungspflicht des Schuldners berührten Belange in Frage. Während der Schuldner im Rahmen des § 275 Abs. 2 BGB seiner Leistungspflicht vorwiegend wirtschaftliche Interessen entgegenhalten kann, sind im Anwendungsbereich des § 275 Abs. 3 BGB insbesondere auch die immateriellen Interessen des
krafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes allgemein als Ausprägung von Treu und Glauben angesehen worden ist.“); Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Langen AnwK BGB § 275 Rn. 58 und 61 („bereichsspezifische Konkretisierung des § 242“). 285 Vgl. Schneider, NZG 2009, 1413, 1414 f.; Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Langen AnwK BGB § 275 Rn. 62. Vgl. zum Anwendungsbereich des § 275 BGB ferner allg. Grüneberg, in: Palandt BGB § 275 Rn. 3 (Geltung des § 275 BGB grundsätzlich „für alle gesetzlichen und vertraglichen Schuldverhältnisse.“); ebenso H. P. Westermann, in: Erman BGB § 275 Rn. 2; Stadler, in: Jauernig BGB § 275 Rn. 2. 286 Mit Erwägungen zu den Grenzen der organschaftlichen Treuepflicht etwa Hölters, in: Hölters AktG § 93 Rn. 116. 287 Zu diesem Grundsatz vgl. etwa für den Bereich privatautonomer Rechtsverhältnisse Paulus/Zenker, JuS 2001, 1, 2, mit Beispielen für rechtliche Beschränkungen zum „Schutz des Gegenübers“; ferner Roth/Schubert, in: MünchKomm BGB § 242 Rn. 464 f. (Erfordernis einer „angemessene[n] Befriedigung aller kollidierenden […] Sicherungsinteressen“). Für dingliche Rechtsverhältnisse beispielhaft insbesondere § 903 BGB, der das Eigentumsrecht gewährt, „soweit nicht […] Rechte Dritter entgegenstehen.“ 288 Ausführlich zu den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Abwägung der Interessen der Gesellschaft mit Sonderinteressen in der Person des Vorstandsmitglieds siehe noch unten im Zusammenhang mit der Problematik vorstandsrechtlicher Doppelmandate (§ 12 IV. 2.).
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1. Teil, 3. Kap.: Handlungsoptionen der Gesellschaft
Schuldners von Bedeutung.289 Um im Spannungsverhältnis von Leistungstreue und Unzumutbarkeit die Bindung an die eingegangene Verpflichtung nicht aufzuweichen, wird dem Schuldner ein Leistungsverweigerungsrecht allerdings nicht bei jeder Leistungserschwerung, sondern nur zugestanden, wenn ihm die Erbringung der Leistung Nachteile eintrüge, die unter Berücksichtigung seines Leistungsversprechens jegliches zumutbare Maß übersteigen und das Beharren des Gläubigers auf seinem Erfüllungsanspruch als rechtsmissbräuchlich erscheinen lassen würde.290 Diesen Anforderungen entsprechend ist ein Leistungsverweigerungsrecht aus § 275 Abs. 3 BGB grundsätzlich nur bei Gefährdung bereits abstrakt besonders hochwertiger Rechtsgüter wie Leben, Gesundheit oder Freiheit des Schuldners oder eines nahen Angehörigen denkbar.291 Ferner können nach überwiegender Ansicht im Einzelfall auch Gewissenskonflikte sowie Gründe der religiösen Überzeugung und Weltanschauung geeignet sein, eine Leistungsverweigerung nach § 275 Abs. 3 BGB zu rechtfertigen.292 Aus diesen hohen Anforderungen wird ersichtlich, dass im Bereich des Vorstandsrechts eine Leistungsverweigerung durch ein befangenes Vorstandsmitglied theoretisch zwar nicht völlig ausgeschlossen ist, zumindest in der Praxis aber kaum eine Bedeutung haben wird. Tatsächlich ist es so, dass vorstandsspezifische Interessenkonflikte die Rechtspflicht des Betroffenen zu loyaler Geschäftsführung in aller Regel unberührt lassen.293 Ist bereits in normalen Austauschverhältnissen nicht jedes konkurrierende Interesse, sondern nur ein hochwertiges Rechtsgut geeignet, eine Einschränkung der Leistungspflicht zu begründen, so gilt dies erst recht für die Pflichten von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft, die eine durch ihre organschaftlichen Treubindungen ausgestaltete Interessenwahrungsfunktion ausüben. Zumeist wird daher schon von vornherein eine am konkreten Fall orientierte Abwägung der Belange des Vorstandsmitglieds mit den Gesellschaftsinteressen 289 Allg. Ansicht; s. nur Ernst, in: MüchKomm BGB § 275 Rn. 115; Caspers, in: Staudinger BGB, Neubearb. 2014, § 275 Rn. 98, 109 ff. 290 Ernst, in: MünchKomm BGB § 275 Rn. 116: Leistungserbringung muss „in hohem Maße“ belastend sein; Looschelders, JuS 2010, 849, 854 (Unzumutbarkeit nur „in Ausnahmefällen“). 291 Caspers, in: Staudinger BGB, Neubearb. 2014, § 275 Rn. 109, 112; vgl. auch BegrRegE BT-Drucks. 14/6040, S. 130; weitere Einzelfälle bei Ernst, in: MünchKomm BGB § 275 Rn. 118. 292 Schmidt-Kessel, in: Prütting/Wegen/Weinreich BGB § 275 Rn. 29; speziell zum Gewissenskonflikt Caspers, in: Staudinger BGB, Neubearb. 2014, § 275 Rn. 110; ferner Ernst, in: MünchKomm BGB § 275 Rn. 118; Stadler, in: Jauernig BGB § 275 Rn. 30; wohl auch DaunerLieb, in: Dauner-Lieb/Langen AnwK BGB § 275 Rn. 62; anders noch die Regierungsbegründung, wonach die Unzumutbarkeit der Leistung aus Gewissensgründen nicht nach § 275 Abs. 3, sondern nach § 313 oder § 242 BGB zu beurteilen sei (BegrRegE BT-Drucks. 14/6040, S. 130). 293 Anderes gilt dann, wenn ein Vorstandsmitglied seine treuhänderische Verpflichtung gegenüber der zu leitenden Gesellschaft nur durch gleichzeitige Verletzung einer einem anderen gegenüber bestehenden Rechtspflicht erfüllen kann. Hierzu noch unter § 6 I. 3. d) bb) sowie ausführlich im Zusammenhang mit vorstandsrechtlichen Doppelmandaten unter § 12 IV.
§ 6 Rechte und Pflichten der Vorstandsmitglieder
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entbehrlich sein. Dies trifft insbesondere bei Vorliegen rein wirtschaftlicher Interessen der Vorstandsmitglieder zu. Die Beziehung zwischen Vorstandsmitglied und Gesellschaft ist ein ökonomisches Interessenwahrungsverhältnis. Wenn auf beiden Seiten dieser Beziehung ausschließlich wirtschaftliche – und damit abstrakt gleichwertige – Interessen betroffen sind, führt die Interessenwahrungspflicht des Vorstandsmitglieds regelmäßig zu einem Abwägungsvorteil der Gesellschaft. Dies gilt selbst dann, wenn eine im Interesse der Gesellschaft zu ergreifende Maßnahme zu einer Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz des Vorstandsmitglieds führt. Es kann sich seiner Verantwortung in einem solchen Fall nicht einseitig entziehen. So darf ein Vorstandsmitglied die Mitwirkung z. B. nicht verweigern, wenn darüber zu entscheiden ist, ob und zu welchen (rechtlich zulässigen) Bedingungen die Gesellschaft mit seiner Ehefrau einen Mietvertrag schließt. Weder droht ihm oder seiner Ehefrau hierdurch Gefahr für Leib und Leben, noch wird einer von beiden durch die zu treffende Vorstandsentscheidung anderweitig in gegenüber den Interessen der Gesellschaft vorgehenden hochwertigen Rechtsgütern geschädigt. Das Vorstandsmitglied hat in einem solchen Fall daher zumindest darauf hinzuwirken, dass das Geschäft dem sog. Drittvergleichsgrundsatz gerecht wird, d. h. den Bedingungen entspricht, zu denen es auch mit beliebigen fremden Partnern geschlossen würde.294 Darauf muss es sich, auch wenn ihm der Vertragspartner der Gesellschaft persönlich nahe steht, ohne weiteres einlassen. Das mag im Einzelfall eine gewisse Standfestigkeit gegenüber Geschäftspartnern erfordern, die von ihm möglicherweise einen im normalen Geschäftsleben nicht üblichen „Verwandtschafts- oder Freundschaftsbonus“ erhoffen. Unzumutbar ist ein solches Handeln aber nicht, sondern entspricht lediglich dem bei Amtsantritt übernommenen Pflichtenprogramm. Das Vorstandsmitglied hat sich der Aktiengesellschaft gegenüber zur treuhänderischen Wahrung und Förderung ihrer Interessen verpflichtet, wissend, dass es bei inhaltlichen Konflikten eigene oder Drittinteressen regelmäßig hintan stellen muss. Deshalb kann es sich, wenn es dann tatsächlich zu entsprechenden Kollisionen kommt, nicht zurückziehen. Vielmehr gebietet ihm seine Treuepflicht, die Geschäftsführungsaufgabe trotz des Konflikts loyal und ausschließlich zum Wohl der Gesellschaft zu erfüllen.295
294 Zum Erfordernis des Drittvergleichs vgl. Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 9 Rn. 22; ders., in: Spindler/Stilz § 93 Rn. 135; Hopt, in: Großkomm AktG § 93 Rn. 159; Hölters, in: Hölters AktG § 93 Rn. 123. 295 Zu diesem Verständnis der Treuepflicht noch ausführlich unten, § 8 II. Abw. – und in sich inkonsistent – etwa Krieger, in: Krieger/Schneider, Handbuch Managerhaftung § 3 Rn. 32, der zunächst zu Recht feststellt, dass das Vorstandsmitglied ungeachtet auftretender Interessenkollisionen bei der Ausübung seines Amtes verpflichtet bleibt, allein die Interessen der Gesellschaft zu wahren, ihm sodann aber gestattet, sich bei der Abstimmung der Stimme zu enthalten und auch von sonstigen – also auch von im Interesse der Gesellschaft liegenden – Einflussnahmen auf die Entscheidung abzusehen.
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1. Teil, 3. Kap.: Handlungsoptionen der Gesellschaft
b) Besonderheiten bei Kollegialentscheidungen? Fraglich ist, ob sich an dieser grundsätzlichen Unbedingtheit der Geschäftsführungspflicht dann etwas ändert, wenn in einem mehrgliedrigen Vorstand an der Vorbereitung der durch den Konflikt betroffenen Maßnahme und der entsprechenden Beschlussfassung neben dem Befangenen noch andere Vorstandsmitglieder beteiligt sind. Für diesen Fall wird ein Rückzugsrecht des Befangenen bisweilen damit begründet, dass durch seine Nichtbeteiligung gerade die Voraussetzungen für ein unbefangenes Organhandeln geschaffen würden.296 Hintergrund ist, dass nach h. M. der Interessenkonflikt, sobald ihn der Befangene seinen organschaftlichen Pflichtbindungen folgend gegenüber seinen Vorstandskollegen offengelegt hat,297 diese Kollegen „infiziert“, sie also auch befangen macht. Dies wiederum hat nach h. M. zur Folge, dass nicht nur dem eigentlichen Befangenen, sondern auch seinen Vorstandskollegen die haftungsrechtlich bedeutsame Berufung auf das ihnen gem. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG eigentlich zustehende weite Geschäftsleiterermessen (sog. Business Judgment Rule) verwehrt ist; dieses grundsätzlich weite Ermessen, das das unternehmerische Handeln der Vorstandsmitglieder unterstützen soll, wird nur bei Vorliegen eines formal unbedenklichen Entscheidungsumfeldes gewährt und steht Vorstandsmitgliedern, die sich in einem Interessenkonflikt befinden, nicht zu.298 Diese „Infizierung“ und damit auch der Ausschluss der Business Judgment Rule wird nach h. M. insbesondere dadurch aufgehoben, dass sich der Befangene von der Geschäftsführung in der Konfliktangelegenheit zurückzieht.299 Da die Gesellschaft grundsätzlich ein Interesse an einem unbefangen handelnden (Rest-)Vorstand hat, ließe sich daher argumentieren, dass ihr Bedürfnis an einer Mitwirkung des Befangenen herabgesetzt und diesem die Verweigerung seiner Leistung daher gestattet ist. Im Ergebnis ist diese Argumentation abzulehnen. Dies liegt daran, dass bei genauerer Betrachtung die ihr zugrunde liegende Prämisse, wonach eine Infektion der an sich unbefangenen Vorstandsmitglieder durch den Rückzug des Befangenen von der Geschäftsführung vermieden wird, nicht trägt. Die Zurückhaltung des direkt Betroffenen ist kein geeignetes Mittel, um eine unbefangene Vorstandsentscheidung in der Konfliktangelegenheit zu ermöglichen. Von einer solchen Neutralisierungswirkung geht weder das Aktiengesetz aus, noch wäre sie mit Blick auf die tatsächliche Befangenheitssituation im Vorstandsgremium überzeugend. Dass das Aktiengesetz einem Rückzug (allein) des Konfliktträgers keine maßgebliche kon296
712. 297
Vgl. Hüffer/Koch, AktG § 108 Rn. 13 (für den Aufsichtsrat); J. Koch, ZGR 2014, 697,
Hierzu sogleich unten § 6 I. 3. Siehe zu den haftungsrechtlichen Auswirkungen vorstandsinterner Interessenkonflikte auf die Business Judgment Rule ausführlich unten § 11. Speziell zu der von der h. M. (zu Recht) angenommenen Infektionswirkung eines Interessenkonflikts vgl. unten, § 11 III. 3. 299 Vgl. hierzu J. Koch, ZGR 2014, 697, 709 f., 713; Hüffer/Koch, AktG § 93 Rn. 26; Spindler, in: MünchKomm AktG § 93 Rn. 64; Bürgers/Israel, in: Bürgers/Körber AktG § 93 Rn. 14. 298
§ 6 Rechte und Pflichten der Vorstandsmitglieder
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fliktreduzierende Bedeutung für das Handeln der übrigen Vorstandsmitglieder beimisst, lässt sich aus denjenigen Regelungen ablesen, mit denen der Gesetzgeber einzelne Konfliktsituationen im Aktiengesetz tatbestandlich-kasuistisch erfasst hat. Zunächst gilt das für die Vorschriften der §§ 84, 87, 88 AktG, die das Organ- und Anstellungsverhältnis der Vorstandsmitglieder betreffen, sowie für die Regelungen zu Kreditgeschäften der Gesellschaft mit Vorstandsmitgliedern oder ihnen nahe stehenden Dritten (§ 89 AktG). Das Gesetz wählt hier jeweils den Weg, die Konfliktsituation entweder durch eine vollständige Zuständigkeitsverlagerung auf den Aufsichtsrat (§§ 84, 87, 88, 89 Abs. 1 AktG) oder durch ein dem Aufsichtsrat eingeräumtes Vetorecht zu entschärfen (§ 89 Abs. 2 – 4 AktG). Den Weg der Zuständigkeitsverlagerung wählt das Gesetz ferner auch in der zentralen Konfliktnorm des § 112 AktG. In keinem dieser beispielhaft normierten Konfliktfälle entscheidet sich das Aktiengesetz jedoch dazu, den Sachverhalt dadurch zu entschärfen, dass es die Befugnisse (nur) des konkret betroffenen Konfliktträgers einschränkt. Das Aktiengesetz hält die Befangenheit eines Vorstandsmitglieds folglich für ein Problem des Gesamtorgans, unabhängig davon, ob der direkt Betroffene in der Angelegenheit mitwirkt oder nicht. Wie die Untersuchung insbesondere zur Auslegung des §112 AktG gezeigt hat, ist das auch richtig so und wird der tatsächlichen organinternen Interessen- und Gefährdungslage gerecht. Zwar ist nicht zu bestreiten, dass eine Zurückhaltung des Befangenen bei der Entscheidungsvorbereitung und Abstimmung geeignet ist, gewisse manipulative Einwirkungen auf die an sich unbefangenen Vorstandsmitglieder zu verhindern.300 Allerdings reicht allein das Vermeiden direkter, mit Mitteln der Geschäftsführungstätigkeit des Befangenen erreichter Einflussnahmen nicht aus, um im weiteren Verlauf von einer unbefangenen Entscheidungssituation auszugehen. Auf die konkrete Maßnahme bezogene Manipulationen und ggf. auch durch die Mitwirkung des Befangenen ausgeübter psychischer Druck auf die Vorstandskollegen mögen zwar Aspekte sein, die deren Unbefangenheit beeinträchtigen können. Der wesentliche Grund, der zu ihrer (Mit-)Befangenheit führt, ist aber ihre Kenntnis von der Interessenlage selbst und ihr Wissen, dass sie durch ihre Entscheidung zugunsten oder zuungunsten ihres Kollegen die Weichen für ihre künftige Beziehung zu diesem und – ganz wesentlich – für ihr künftiges organspezifisches Zusammenwirken mit ihm entweder in die eine oder andere Richtung stellen.301 An dieser aus der wechselseitigen organinternen Abhängigkeit resultierenden Motivlage ändert auch der Rückzug des Befangenen von der Mitwirkung in der Konfliktangelegenheit nichts. Die beeinflussende Kraft, die sein Sonderinteresse auf die Geschäftsführung seiner Kollegen ausübt, wirkt nicht nur dann, wenn er selbst in der Angelegenheit aktiv ist, sondern ganz generell. Realistisch 300
Deshalb ist auch durchaus nachvollziehbar, dass der Ausschluss eines Befangenen von der Beratung und Abstimmung „national und international gängige Gremienpraxis“ ist (vgl. J. Koch, ZGR 2014, 697, 714). 301 Zu den aus dem Sonderinteresse eines Vorstandskollegen resultierenden organinternen Befindlichkeiten vgl. die entsprechenden Ausführungen im Zusammenhang mit § 112 AktG (§ 5 VI. 3. a) bb)).
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1. Teil, 3. Kap.: Handlungsoptionen der Gesellschaft
betrachtet lässt sich auch nicht etwa davon ausgehen, dass dem nicht aktiv mitwirkenden Befangenen verborgen bliebe, welcher seiner Kollegen sich in der Konfliktangelegenheit wie positioniert und entscheidet. Da der Rückzug des Befangenen von der Geschäftsführung folglich nicht geeignet ist, die Infektionswirkung seines Konflikts für die übrigen Vorstandsmitglieder aufzuheben,302 kann dieser Effekt auch nicht herangezogen werden, um seine in grundsätzlich unbedingter Pflichterfüllung liegenden Vorstandspflichten zu verdrängen. 2. Beachtung der allgemeinen Sorgfaltspflicht Keine Besonderheiten gelten für die Bindung des befangenen Vorstandsmitglieds an die Sorgfaltspflicht gem. § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG. So bedeutet der Umstand, dass der Befangene seine Eigeninteressen zurückstellen muss, nicht, dass er sich deshalb stets gegen Maßnahmen der Gesellschaft entscheiden müsste, die seinen eigenen Interessen zugute kommen. Wie jedes andere Vorstandsmitglied ist auch der befangene Amtsträger dazu verpflichtet, seine Aufgaben wie ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter zu erüllen (§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG).303 Hält ein befangenes Vorstandsmitglied eine im Vorstand diskutierte Maßnahme aus wohl erwogenen sachlichen Gründen für erforderlich, so ist es verpflichtet, sich für das Projekt einzusetzen. Dass dieses Verhalten auch seinem persönlichen Interesse entgegenkommt, ist dabei unerheblich.304 Würde der Betreffende seine Sachargumente unterdrücken und die Maßnahme wider bessere Einsicht nur deshalb unterbinden, um sich nicht dem – sachlich unberechtigten – Vorwurf des Eigennutzes auszusetzen, liefe er Gefahr, sich nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG schadensersatzpflichtig zu machen. Diese Erwägungen gelten selbstverständlich auch in der umgekehrten Situation. So muss der Befangene eine Maßnahme, die er für sachlich verfehlt hält, auch dann unterbinden, wenn dies seinen Eigeninteressen dienlich ist. Sein Eigeninteresse ist in einem solchen Fall unbeachtlich, weil es für seine Entscheidung nicht ursächlich ist, sondern durch sie nur mittelbar gefördert wird. Erst recht muss er einer Maßnahme entgegentreten, die nicht nur wirtschaftlich fragwürdig ist, sondern mit rechtlich unzulässigen Mitteln durchgesetzt werden soll. Ein rechtswidriges Verhalten kann die Gesellschaft von ihren Vorstandsmitgliedern in keinem Fall verlangen, unabhängig davon, ob die Maßnahme mit den eigenen In-
302 Zu den Voraussetzungen einer haftungsrecthlich wirksamen Konfliktneutralisierung s. u., § 11 II. 3. und § 11 III. 3. 303 Zur allgemeinen Sorgfaltspflicht im Einzelnen Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 7. 304 Vgl. Hölters, in: Hölters AktG § 93 Rn. 38: „Unerheblich sind Eigeninteressen, wenn sie nur mittelbar durch die für das Wohl der Gesellschaft bestmögliche Entscheidung gefördert werden.“
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teressen des Vorstandsmitglieds kollidiert oder nicht.305 Einem solchen Anliegen muss das Vorstandsmitglied – auch wenn es seinen Privatinteressen dient – mit einem ausdrücklichen Widerspruch entgegentreten.306 Sollte es damit bei den anderen Vorstandsmitgliedern kein Gehör finden und die Maßnahme dennoch weiter verfolgt werden, ist es verpflichtet, den Aufsichtsrat einzuschalten.307 3. Pflicht zur Offenlegung des Interessenkonflikts a) Grundsätze Nach einer bekannten Aussage Louis D. Brandeis’ ist Sonnenlicht das beste Desinfektionsmittel, elektrisches Licht der beste Polizist.308 Diesen Ansatz verfolgt auch Ziff. 4.3.4 des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK), wonach jedes Vorstandsmitglied Interessenkonflikte dem Aufsichtsrat unverzüglich offenlegen und die anderen Vorstandsmitglieder hierüber informieren soll. Hinter dieser Forderung verbirgt sich die Erkenntnis, dass die Offenlegung von Interessenkonflikten zwar noch nicht deren „volle Therapie […] oder gar deren Beseitigung [ist]“, sie aber erheblich entschärft, „weil der potentiell Benachteiligte sich ja darauf einrichten und reagieren kann“.309 Zu Recht geht deshalb die ganz überwiegende Ansicht davon aus, dass diese Forderung nach Transparenz nicht nur in Form der genannten Kodexempfehlung besteht, sondern sich unmittelbar in der organschaftlichen Treuepflicht verorten lässt, mithin eine echte Rechtspflicht der Vorstandsmitglieder darstellt.310 Jede andere Auffassung311 wäre mit der Rechtsstellung der Vorstandsmitglieder als fremdnützige Geschäftsleiter nicht zu vereinbaren und würde das Vertrauen in die treuhänderische Vorstandstätigkeit erschüttern. Die weitreichenden Eingriffsbefugnisse, die die Vorstandsmitglieder gegenüber fremden Vermögenswerten haben, verlangen nach größtmöglicher Offenheit in Bezug auf eigene widerstreitende In-
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Die Pflicht zur Legalität stellt einen Unterfall der allgemeinen Sorgfaltspflicht dar. Einzelheiten bei Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 7 Rn. 4 ff.; ausführlich auch Thole, ZHR 173 (2009), 504, 509 ff. 306 Fleischer, BB 2004, 2645, 2649. 307 Fleischer, a.a.O. 308 Brandeis, Other People’s Money, S. 92: „Sunlight is said to be the best of all desinfectants, electric light the most efficient policeman.“ 309 Peltzer, Deutsche Corporate Governance Rn. 181. 310 Hopt, in: Großkomm AktG § 93 Rn. 185; ders., ZGR 2004, 1, 25; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 93 Rn. 110; Spindler, in: MünchKomm AktG § 93 Rn. 108; Fleischer, in: Spindler/Stilz AktG § 93 Rn. 124; ders., NZG 2006, 561, 568.; U. Schmidt, in: Heidel AktR § 93 AktG Rn. 44 f.; Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141, 148; Lutter, in: FS Priester 2007, 417, 420. 311 Z. B. Baumanns, Rechtsfolgen einer Interessenkollision bei AG-Vorstandsmitgliedern, S. 42 ff.
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teressen.312 Das unstreitige Postulat der Zurückstellung eigener Interessen bliebe auf halber Strecke stehen, wenn diese geheim gehalten werden dürften und es allein der Willensstärke des Betroffenen überlassen wäre, ob sie Eingang in die Entscheidung des Vorstands finden oder nicht. Jedes Sonderinteresse, das die in § 3 dieser Untersuchung herausgearbeiteten Kriterien erfüllt, ist somit grundsätzlich zu offenbaren. Dabei kommt es, wie dort bereits ausgeführt, nicht darauf an, ob der Betroffene gewillt ist und sich zutraut, den Konflikt allein zu beherrschen. Unerheblich ist zudem, ob der Betroffene an der konkreten Maßnahme aktiv beteiligt ist, oder ob er mit dem Konfliktsachverhalt, dessen ausreichende Bedeutung vorausgesetzt, lediglich im Rahmen seiner Überwachungsfunktion befasst ist. Entscheidend ist allein, dass objektiv ein rechtlich relevanter Interessenkonflikt tatsächlich vorliegt.313 Zu einer solch objektiven Beurteilung ist auch der Betroffene grundsätzlich in der Lage. Im Geschäftsleben – vor allem von Aktienvorständen – besteht spätestens seit der Einführung des DCGK und der Diskussion über die rechtlichen Anforderungen sowie Sinn und Nutzen eines Compliance-Managements314 durchaus ein Gespür dafür, wo die Grenze zwischen Fremd- und Eigennützigkeit verläuft. Sollte ein Vorstandsmitglied bei der Einschätzung seiner Situation ausnahmsweise einmal unsicher sein, so lassen sich diese Zweifel in aller Regel mit Hilfe der folgenden „Drei-Fragen-Probe“ ausräumen, die die bisher ausgearbeiteten Konfliktkriterien zum Zwecke der Alltagstauglichkeit vereinfacht abbildet und den Betroffenen zur Selbstreflexion anhält. Falls er auch nur eine der folgenden Fragen für sich mit „Ja“ beantwortet, ist von einem offenlegungspflichtigen Konflikt auszugehen:315 1. Kann mich mein Eigeninteresse in der Freiheit meiner Entscheidungen für die Gesellschaft in irgendeiner Form beeinflussen? 2. Könnten Kollegen oder unbeteiligte Dritte die Vorstellung entwickeln, dass mein Eigeninteresse meine Urteilsfähigkeit oder mein Tun irgendwie beeinflusst?
312 Zur Einwirkungsmacht der Vorstandsmitglieder auf fremde Vermögenswerte als Geltungsgrund der organschaftlichen Treubindungen vgl. Fleischer in: Spindler/Stilz AktG § 93 Rn. 116 m. w. N.; Hüffer/Koch, AktG § 84 Rn. 10. 313 Streitig ist, ob nicht nur aktuelle, sondern auch lediglich potentielle Konflikte offen zu legen sind (dafür Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 93 Rn. 110; dagegen zu Recht J. Koch, ZGR 2014, 697, 723: Die Offenlegung habe die Funktion, zu verhindern, dass eine einzelne Vorstandsentscheidung durch ein befangenes Mitglied sachwidrig beeinflusst werde. Zur Erfüllung dieser Präventivwirkung genüge es, im Vorfeld der Entscheidung tatsächlich entstandene Konflikte offen zu legen. Dagegen sei es hier „wenig sinnvoll, den ohnehin schon uferlosen Konfliktbegriff konjunktivisch im Bereich der Möglichkeiten fortzudenken und damit die Zahl offenzulegender Konfliktsituationen zu potenzieren.“). Gegen eine Offenlegungspflicht bei nur potentiellen Interessenkonflikten auch Ringleb, in: Ringleb/Kremer/ Lutter/v. Werder, DCGK Rn. 835; Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141, 148. 314 Überblick zum Thema Corporate Compliance etwa bei Hölters, in: Hölters AktG § 93 Rn. 91 ff. 315 Siehe hierzu Code of Conduct der Henkel AG & Co KGaA (Stand 2009), Annex S. 6, dem die folgenden Fragen nahezu wörtlich entnommen sind.
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3. Hätte ich Bedenken dagegen, dass über mein Eigeninteresse öffentlich in den Medien berichtet wird oder es auf andere Weise Aufsichtsräten, Anteilseignern, Kunden oder Lieferanten zur Kenntnis gelangt? Kann der Betroffene auch mit der „Drei-Fragen-Probe“ keine letzte subjektive Gewissheit gewinnen, so geht die Unsicherheit zu seinen Lasten, d. h. er muss den Sachverhalt vorsichtshalber offenlegen, um der Gesellschaft ihrerseits einen angemessenen Umgang mit der Situation zu ermöglichen. Anders könnte sich der Betroffene mit dem Hinweis auf angebliche subjektive Zweifel an seiner Befangenheit leicht seiner Offenlegungspflicht entziehen. b) Adressaten der Offenlegung Zweck der Offenlegungspflicht ist es, zu verhindern, dass das befangene Vorstandsmitglied sein Sonderinteresse zum Nachteil der Gesellschaft ausüben kann. Adressat für die Offenlegung des Interessenkonflikts ist daher in erster Linie der Aufsichtsrat. Dies folgt aus seiner nach § 111 Abs. 1 AktG gegenüber dem Vorstand bestehenden Überwachungspflicht.316 Eine der zentralen Aufgaben des Aufsichtsrats besteht darin, die Gesellschaft vor sachwidrigen, eigennützigen Vorstandsentscheidungen zu schützen. Dazu ist er nur im Stande, wenn ihm der Konflikt rechtzeitig und vollständig offenbart wird.317 Das befangene Mitglied hat außerdem seine Vorstandskollegen über seine Eigeninteressen zu informieren, damit diese ihrer Pflicht gerecht werden können, die durch sie auszuübende vorstandsinterne Überwachung zu intensivieren. Die aus der Gesamtverantwortung aller Vorstandsmitglieder erwachsende Pflicht zur gegenseitigen Überwachung wird durch die Pflicht zur gegenseitigen Unterrichtung ergänzt.318 c) Zeitpunkt der Offenlegung Interessenkonflikte sind unverzüglich offen zu legen.319 Dies folgt direkt aus der organschaftlichen Treuepflicht, die den bestmöglichen Schutz der Gesellschaft vor Eigeninteressen ihrer Vorstandsmitglieder verlangt und schuldhafte zeitliche Verzögerungen deshalb nicht dulden kann.
316 I. E. ebenso Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141, 148 (allerdings abstellend auf die Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats aus § 112 AktG). 317 Allgemein zur Information des Aufsichtsrats durch den Vorstand als Voraussetzung für eine ordnungsgemäße Überwachung vgl. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 191 ff. 318 Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 8 Rn. 3; Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141, 148; Wicke, NJW 2007, 3755, 3756. 319 So auch Ziff. 4.3.4 DCGK.
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d) Grenzen der Offenlegungspflicht Was den Inhalt des zu offenbarenden Sachverhalts betrifft, ist die Formulierung in Ziff. 4.3.4 DCGK („seinen Interessenkonflikt“) dahin zu konkretisieren, dass nicht nur das Bestehen eines Konflikts als solches anzuzeigen ist, sondern Aufsichtsrat und Vorstandskollegen auch über Wesen und Inhalt des Konflikts in Kenntnis zu setzen sind. Nur so können sie sich angemessen auf die Situation einstellen und geeignete Maßnahmen zu ihrer Entschärfung ergreifen. Die Pflicht zur Offenlegung vorhandener Interessenkonflikte ist indes nicht grenzenlos. Zum einen müssen Konflikte, die für den Aufsichtsrat und die anderen Vorstandsmitglieder offensichtlich sind, nicht nochmals ausdrücklich offen gelegt werden. Zum anderen kann die Offenlegungspflicht durch schutzwürdige Interessen des Betroffenen selbst oder Dritter an der Geheimhaltung der Information eingeschränkt sein.320 Der dogmatische Ansatz für diese Einschränkung liegt abermals in dem allgemeinen Rechtsgedanken, wonach Pflichten nicht unbeschränkt, sondern nur bis zur Grenze des Zumutbaren zu erfüllen sind.321 aa) Geheimhaltungsinteressen des Vorstandsmitglieds (1) Offenlegungspflicht vs. Allgemeines Persönlichkeitsrecht Im Hinblick auf die Belange des Vorstandsmitglieds ist zu beachten, dass die Pflicht zur Offenbarung des Sonderinteresses einen Eingriff in seine persönliche Rechtsstellung bedeutet und nur soweit gerechtfertigt ist, wie sie erforderlich und angemessen ist, um die Gesellschaftsinteressen zu schützen. Die wesentliche Schranke der Offenlegungspflicht bildet das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Vorstandsmitglieds nach Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 GG.322 Dessen Inhalt strahlt auch in das Privatrecht aus.323 Demzufolge ist das Bedürfnis des befangenen Vorstandsmitglieds an der Geheimhaltung seines Sonderinteresses gegen das Interesse der Gesellschaft an seiner Offenlegung abzuwägen. Einen konkretisierenden Anhaltspunkt für diese Abwägung liefert die vom Bundesverfassungsgericht entwickelte sog. Sphärentheorie, wonach Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht verschiedenen, unterschiedlich schutzbedürftigen Sphären zuzuordnen sind.324 Zu 320
Zur Reichweite der Offenlegungspflicht bei Interessenkonflikten ausführlich Hopt, ZGR 2004, 1, 26 ff. 321 Ein direkter Rückgriff auf die zur Einschränkung der Geschäftsführungspflicht eines befangenen Vorstandsmitglieds herangezogene Vorschrift des § 275 Abs. 3 BGB bietet sich für eine Begrenzung der Offenlegungspflicht hingegen nicht an. § 275 Abs. 3 BGB regelt die Einschränkung von Leistungs-, nicht aber von sonstigen Verhaltenspflichten des Schuldners (vgl. Grüneberg, in: Palandt BGB § 275 Rn. 3). Die allgemeinen Abwägungsgrundsätze sind hier wie dort freilich vergleichbar. 322 Zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht vgl. beispielsweise Jarass, in: Jarass/Pieroth GG Art. 2 Rn. 36 ff. 323 Jarass, a.a.O. Rn. 57; Dreier, in: Dreier GG Art. 2 I Rn. 97. 324 BVerfGE 27, 1, 6 ff.; BVerfGE 32, 373, 378 ff.; BVerfGE 33, 367, 376 ff.
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unterscheiden sind mit jeweils steigender Schutzintensität Eingriffe in die Sozial-, Privat- und Intimsphäre.325 Dabei genießt die Intimsphäre als Kernbereich des Persönlichkeitsrechts absoluten Schutz und ist keiner Abwägung mit anderen Rechtsgütern zugänglich.326 Diese Einteilung lässt sich als gedankliches Grobraster auch für die Beurteilung privatrechtlicher Offenlegungspflichten heranziehen.327 Bei der Interessenabwägung zwischen Vorstandsmitglied und Aktiengesellschaft ist allerdings zu berücksichtigen, dass ersteres sich freiwillig dazu verpflichtet hat, die Interessen der Gesellschaft zu fördern und zu schützen und etwaige kollidierende Eigeninteressen zu unterdrücken. Kraft seiner Organfunktion besitzt es außerdem faktisch wie rechtlich eine außerordentliche Machtfülle und vielfältige Einwirkungsmöglichkeiten auf das Vermögen und die wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft. Von der verantwortungsvollen und uneingeschränkt loyalen Amtsführung des Vorstands hängt die Existenz, das „Wohl und Wehe“ der Gesellschaft, ab. Dies zusammen rechtfertigt es, ihr Interesse an der Offenlegung etwaiger Konfliktsituationen tendenziell höher zu bewerten als das des Organmitglieds an ihrer Geheimhaltung. Nur in Ausnahmesituationen kann die Abwägung deshalb zu einer Einschränkung der Offenbarungspflicht führen. Jedenfalls dann, wenn eine Interessenkollision tatsächlich bis in die Intimsphäre eines Vorstandsmitglieds hineinreichen sollte, wird man es aber als ausreichend anzusehen haben, wenn dargelegt wird, dass ein Konflikt vorliegt und wie er sich sachlich auf seine Amtsführung auswirkt, ohne jedoch die Hintergründe im Einzelnen preiszugeben. Einem Vorstandsmitglied beispielsweise, das zwar vordergründig ein traditionelles Familienleben führt, daneben aber seiner eigentlichen Orientierung entsprechend heimlich eine gleichgeschlechtliche Beziehung pflegt und wegen der Betroffenheit dieses Partners in Konflikt gerät, ist zuzubilligen, die persönlichen Hintergründe seiner Befangenheit zu verschweigen und als Begründung z. B. lediglich auf ein gutes Freundschaftsverhältnis hinzuweisen. Analog dazu wird man im Grundsatz auch die in der Praxis bisweilen auftretenden Fälle328 zu lösen haben, in denen ein Vorstandsmitglied einer börsennotierten Aktiengesellschaft aufgrund einer schweren Erkrankung nicht mehr in der Lage ist, seine Amtspflichten weiter auszuüben, und die Gesellschaft verpflichtet ist, diesen Umstand gem. § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG ad hoc zu veröffentlichen.329 In einer 325
Vgl. die (allerdings kritische) Darstellung bei Dreier, a.a.O. Rn. 70, 92 f. Dreier, a.a.O. Rn. 92. 327 Dies ändert freilich nichts daran, dass jeder einzelne Fall unter Würdigung seiner jeweiligen Besonderheiten eigens zu bewerten und zu entscheiden ist (vgl. z. B. Dreier, a.a.O. Rn. 93 („lediglich gewisse Groborientierung“). 328 Vgl. dazu etwa Pfitzer/Streib, BB 1995, 1947, 1951; Fleischer, in: FS U. H. Schneider, 2011, S. 333, 344. 329 Ob eine solche Pflicht zur Ad-Hoc-Mitteilung gegeben ist, hängt zunächst vor allem davon ab, ob es sich bei der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Vorstandsmitglieds um einen Umstand handelt, der im Falle seines öffentlichen Bekanntwerdens geeignet ist, den Aktienkurs der Gesellschaft erheblich zu beeinflussen (sog. Insiderinformation, vgl. § 13 326
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solchen Situation ist die Gesellschaft, will sie ihrer wertpapierhandelsrechtlichen Publizitätspflicht nachkommen, darauf angewiesen, dass das betreffende Vorstandsmitglied ihr den entsprechenden Zustand anzeigt. Dabei kann es sich jedoch darauf beschränken, den Umstand der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit an sich sowie deren (voraussichtliche) Dauer darzulegen, ohne die Einzelheiten der Diagnose und einer ggf. möglichen Therapie zu offenbaren. Die Gesellschaft kann damit ihren Transparenzpflichten hinreichend nachkommen, ohne dass die Persönlichkeitsinteressen des Vorstandsmitglieds unverhältnismäßig beeinträchtigt würden.330 Aus gleich gelagerten Erwägungen gilt eine derart eingeschränkte Informationspflicht grundsätzlich auch für sonstige Fälle, in denen die Offenlegung einer schweren Erkrankung erforderlich ist, um sonstige Gesellschaftsinteressen zu wahren;331 stets ist in diesen Situationen auf die besondere Betroffenheit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Vorstandsmitglieds gesondert Rücksicht zu nehmen.332 Problematisch und letztlich nicht vollständig befriedigend zu lösen sind Fälle, in denen die Intimsphäre des Vorstandsmitglieds betroffen ist, und mit der Bekanntgabe allein des Vorliegens der Konflitktlage aus dem Zusammenhang heraus zwangsläufig auch die sensiblen Hintergründe des Konflikts zutage treten. Hier kann vom Betroffenen überhaupt keine Offenlegung verlangt werden. Er muss mit der Situation vielmehr alleine zurechtkommen und penibel darauf achten, dass trotz des Konflikts die Interessen der Gesellschaft vollständig die Oberhand behalten. Gelingt ihm das, hat er keine Pflicht verletzt. Gelingt es ihm nicht und erleidet die Gesellschaft hieraus einen Schaden, so haftet er dafür nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG auf Schadensersatz.
Abs. 1 Satz 1 WpHG). Je nachdem, welche Bedeutung das betreffende Vorstandsmitglied für die Gesellschaft hat, und für wie wichtig der Markt dessen Verbleib im Vorstand hält, kann dies durchaus der Fall sein (vgl. z. B. BaFin Emittentenleitfaden, 4. Auflage, S. 53, 57 („überraschende Veränderungen in Schlüsselpositionen des Unternehmens“); s. auch Bayer, in: FS Hommelhoff, 2012, S. 87, 94 f.). 330 Die Literatur geht in Abwägung des Kapitalmarktinteresses mit dem durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützten Geheimhaltungsinteresse des Vorstandsmitglieds in diesen Fällen davon aus, dass eine Ad-Hoc-Publizitätspflicht über den krankheitsbedingten Ausfall zwar „nicht von vornherein unverhältnismäßig“ ist (Fleischer, in: FS U. H. Schneider, 2011, S. 333, 351). Die genauere Schilderung einer schweren Erkrankung habe jedoch aus Gründen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts „in der Öffentlichkeit nichts zu suchen“ (Fleischer, a.a.O., mit Verweis auf BVerfGE 119, 1, 35; i.E. ebenso Bayer, a.a.O., S. 96). 331 Auf die Offenlegung einer zur Arbeitsunfähigkeit führenden Krankheit ist die Gesellschaft z. B. auch angewiesen, um ihre interne Organisation auf den bevorstehenden Ausfall des Vorstandsmitglieds auszurichten, z. B. also auch, um einen Nachfolger zu engagieren (vgl. hierzu ausführlich Bayer, a.a.O., S. 90 ff.). 332 Vgl. hierzu auch die weitergehenden Vorschläge Bayers, a.a.O., S. 91, der über eine inhaltliche Reduzierung der Offenlegungspflicht hinausgehend eine – organisationsrechtlich nicht unproblematische – Abstufung bezüglich der Offenlegungsadressaten vorschlägt (1. Stufe: Information (nur) des Aufsichtsratsvorsitzenden; 2. Stufe: Information des Vorstands und des Aufsichtsrats jeweils als Gesamtorgan).
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Aus dem Recht, Eigeninteressen zu verschweigen, folgt nicht das Recht, sie auch zum Nachteil der Gesellschaft durchzusetzen. (2) Offenlegungspflicht bei Selbstbezichtigung Für die Praxis nicht ohne Bedeutung ist die Frage, inwieweit eine Offenlegungspflicht besteht, wenn sich das Vorstandsmitglied hierdurch einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat bezichtigen müsste. Als Beispiel lässt sich an den Fall denken, dass der Vorstand ein Compliance-Programm einführen möchte, das für den Vertrieb zuständige Vorstandsmitglied aber weiß und duldet, dass in seinem Bereich „schwarze Kassen“ geführt werden, aus denen zum Zwecke der „Verkaufsförderung“ Kundenmitarbeiter bestochen werden. Ein weiteres Beispiel betrifft den Interessenkonflikt, in dem sich ein Vorstandsmitglied befindet, dessen Verantwortungsbereich vom Verdacht eines Kartellverstoßes erfasst ist. Für die mit dem Verdacht konfrontierte Gesellschaft wird es häufig von Interesse sein, von den Vorzügen der europäischen oder deutschen Kronzeugenregelung333 profitierend, ein drohendes Bußgeld erlassen oder reduziert zu bekommen. Hierzu ist allerdings Voraussetzung, dass sie die zuständige Kartellbehörde mit möglichst detaillierten Informationen bei der Aufdeckung des Kartells aktiv unterstützt. Dazu bedarf es in aller Regel der Mitwirkung des verantwortlichen Vorstandsmitglieds, das seinerseits jedoch daran interessiert ist, seine Verantwortung möglichst zu verschweigen, um dem ihm gemäß § 81 Abs. 4 Satz 1 GWB i. V. m. §§ 9, 130 OWiG persönlich drohenden Bußgeld sowie zu erwartenden Regressansprüchen seiner Gesellschaft nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG aus dem Weg zu gehen. Eine Beschränkung seiner Offenlegungspflichten könnte sich jeweils aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare“ ergeben, der einen Sonderfall des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bildet und besagt, dass niemand dazu verpflichtet werden darf, an seiner eigenen straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Überführung mitzuwirken.334 Ferner würde das betreffende Mitglied, das aus der organschaftlichen Legalitätspflicht heraus gehalten ist, gesetzliche Vorschriften einzuhalten, gegenüber dem Aufsichtsrat und seinen Kollegen einen nicht unerheblichen Verstoß gegen seine Amtspflichten einräumen müssen, der je nach Sachlage Schadensersatzansprüche sowie den Widerruf seiner Bestellung nach § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG zur Folge haben kann.335
333 Vgl. die „Mitteilung der Kommission über den Erlass und die Ermäßigung von Geldbußen in Kartellsachen“ vom 8. Dezember 2006, ABl. EU 2006, C 298/17 sowie für Deutschland die „Bekanntmachung Nr. 9/2006 über den Erlass und die Reduktion von Geldbußen in Kartellsachen – Bonusregelung“ des Bundeskartellamts vom 7. März 2006. 334 Zu diesem Grundsatz und seiner dogmatischen Einordnung in das allgemeine Persönlichkeitsrecht vgl. Di Fabio, in: Maunz/Dürig GG Art. 2 Rn. 187 f. 335 Zur Legalitätspflicht vgl. z. B. Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 7 Rn. 4 ff.; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit AktG § 93 Rn. 9 ff.; explizit zur Schadensersatzpflicht für Gesetzesverstöße Thole, ZHR 173 (2009), 504, 525 ff.
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Bei richtiger Würdigung kann sich aber aus keiner der beiden Erwägungen eine Einschränkung der Offenlegungspflicht ergeben. Das folgt zum einen daraus, dass der Nemo-tenetur-Grundsatz schon gar nicht einschlägig ist. Zwar entfaltet das allgemeine Persönlichkeitsrecht Wirkung auch zwischen Privaten. Das gilt aber nicht für den Unterfall des „nemo tenetur“, denn dieser setzt eine öffentlich-rechtliche Auskunftspflicht voraus.336 Auch der Umstand, dass das Vorstandsmitglied durch die Darlegung seines Interessenkonflikts eine Verletzung seiner privatrechtlich eingegangenen Vorstandspflichten preisgeben müsste, beseitigt seine Offenbarungspflicht nicht.337 Die Selbstbelastungsfreiheit ist ein Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe, nicht gegen die Erfüllung privatrechtlicher Auskunftspflichten.338 Die Pflicht, seine eigenen Interessen denen der Gesellschaft unterzuordnen und Eigeninteressen unverzüglich offen zu legen, hat das Vorstandsmitglied mit der Annahme seiner Bestellung freiwillig übernommen. Würde man es von der Offenlegung entbinden, würden Vorstandsmitglieder, die mittels Pflichtverstößen zum Entstehen eines Interessenkonflikts beitragen, gegenüber denjenigen, die „unverschuldet“ in eine Konfliktlage geraten, privilegiert. Die Offenlegungspflicht bleibt also bestehen – auch wenn ihr in der Praxis kaum Folge geleistet werden dürfte.339 bb) Geheimhaltungsinteressen Dritter Die Offenlegungspflicht kann ferner durch die Geheimhaltungsinteressen Dritter eingeschränkt sein. Sofern das Vorstandsmitglied dem Dritten gegenüber zur Verschwiegenheit nicht unmittelbar rechtlich verpflichtet ist, haben in diesen Fällen letztlich vergleichbare Grundsätze zu gelten, wie sie soeben für das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied beschrieben wurden. Das Geheimhaltungsinteresse des Dritten wirkt aufgrund der (rein) sittlichen Verpflichtung, aus der sich das Vorstandsmitglied zur Diskretion angehalten fühlt, wie ein eigenes Geheimhaltungsinteresse des Vorstandsmitglieds, sodass sich regelmäßig das Offenlegungsinteresse der Gesellschaft durchsetzen wird. Eine Zuspitzung erfahren die Drittinteressen allerdings dann, wenn sie das Vorstandsmitglied als echte Rechtspflicht treffen. Dies kommt zum einen bei für den Dritten persönlichkeitsrelevanten Sachverhalten in Betracht. Das Vorstandsmitglied ist in diesen Fällen seinerseits an das mittelbar zwischen ihm und dem Dritten wirkende allgemeine Persönlichkeitsrecht des Dritten gebunden. Anders als im Verhältnis des Vorstandsmitglieds zur 336
Hopt, ZGR 2004, 1, 27 f. Ebenso Hopt, ZGR 2004, 1, 27. 338 Der BGH hat bereits 1964 ausgeführt, dass es keinen übergeordneten Rechtssatz gibt, der es verbietet, von einem Schuldner Auskünfte zu verlangen, wenn er sich dadurch einer strafbaren Handlung bezichtigen müsste (vgl. BGHZ 41, 318, 323). 339 In der Praxis – und d. h. in diesem Zusammenhang in aller Regel in einem Haftungsprozess gegen das Vorstandsmitglied – wird es auf die Frage einer verletzten Offenbarungspflicht ohnehin selten ankommen, weil im Zentrum die eigentliche Pflichtverletzung, also der Bestechungsvorwurf etc., stehen wird. 337
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Gesellschaft werden die dadurch geschützten Geheimhaltungsinteressen des Dritten mangels einer diesem gegenüber dem Vorstandsmitglied obliegenden besonderen Loyalitätspflicht zumeist auch nicht von vornherein einen Abschlag erfahren. Ferner ist denkbar, dass das Vorstandsmitglied zur Geheimniswahrung gegenüber dem Dritten durch ausdrückliche gesetzliche oder vertragliche Regelungen ganz unmittelbar verpflichtet ist. In allen diesen Fällen ist das Geheimhaltungsinteresse des Dritten der Disposition des Vorstandsmitglieds grundsätzlich entzogen; im Verhältnis zu seiner vorstandsrechtlichen Offenlegungspflicht liegt eine echte Pflichtenkollision vor. Für die Auflösung einer solchen Konfliktlage gilt im Grundsatz nichts anderes als für die Auflösung eines bloßen Interessenkonflikts. Auch Pflichtenkollisionen sind – wie sich noch zeigen wird – im Wege einer Abwägung aufzulösen, wenn auch mit dem Unterschied, dass das Ergebnis dieser Abwägung zumeist weniger offensichtlich präjudiziert ist, als bei einer Abwägung der Gesellschaftsbelange mit einfachen Interessen eines Vorstandsmitglieds. Als Ergebnis dieser Abwägung setzt sich – je nach Wertigkeit der betroffenen Rechtsgüter und der Gefährdungslage im konkreten Einzelfall – entweder der eine oder der andere Pflichtenkreis durch. Nach welchen Grundsätzen dies genau geschieht, wird im weiteren Verlauf dieser Untersuchung noch vertieft werden.340 e) Fortgesetzte Transparenz- und Dokumentationspflicht Die Offenlegungspflicht eines befangenen Vorstandsmitglieds endet nicht damit, dass es den Interessenkonflikt unverzüglich dem Aufsichtsrat und den übrigen Vorstandsmitgliedern offenbart. Auch in der Folgezeit ist von ihm Transparenz zu fordern, und zwar so lange, wie der Konflikt andauert. Dabei genügt es nicht, lediglich den Anfragen aus dem Aufsichtsrat und der übrigen Vorstandsmitglieder nachzukommen. Vielmehr muss der Betroffene den Aufsichtsrat und seine Kollegen unaufgefordert über die weitere Entwicklung auf dem Laufenden halten und sie situationsabhängig darüber informieren, wie er mit dem Konflikt umgeht, ob neues Konfliktpotential hinzugekommen ist und wie er dieses einschätzt. Zu verlangen ist ferner, dass er dort, wo er unter dem Einfluss des widerstreitenden Interesses geschäftsführend tätig wird, seinen Entscheidungsprozess sowie die Erwägungen, auf die er seine Entscheidung stützt, sorgfältig dokumentiert und damit eventuell gewünschte Überprüfungen durch den Aufsichtsrat und seine Kollegen erleichtert.341 Kontrollen zu ermöglichen und zu unterstützen sowie Rechenschaft darüber abzulegen, dass und wie man in der Lage ist, den gesellschaftsrechtlichen Treubindungen zu genügen, ist bereits eine allgemeine Anforderung, die die Treuepflicht an die
340 Siehe hierzu ausführlich im Zusammenhang mit personellen Verflechtungen des Vorstandsmitglieds – Stichwort: Doppelmandat – unten § 12 IV. 2. 341 Hopt, ZGR 2004, 1, 31.
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Vorstandsmitglieder stellt.342 Im Falle eines Interessenkonflikts sind diese Pflichten umso gewissenhafter zu erfüllen.
II. Pflichten der nicht direkt betroffenen Vorstandsmitglieder 1. Gesamtgeschäftsführung Befindet sich ein Vorstandsmitglied in einem Interessenkonflikt, muss es ihn nicht nur dem Aufsichtsrat, sondern auch seinen Vorstandskollegen offenbaren. Die mit dem Konflikt verbundene besondere Gefährdung der Gesellschaftsinteressen wirkt sich auch auf deren Pflichtenstellung aus. Die erhöhten Anforderungen, die sich an sie stellen, unterscheiden sich, je nach dem ob sich der Konflikt auf eine Maßnahme auszuwirken droht, die der Gesamtgeschäftsführung unterliegt, ob der Betroffene in der fraglichen Angelegenheit einzelgeschäftsführungsbefugt ist oder ob er infolge der vorstandsinternen Aufgabenverteilung lediglich über eine Überwachungskompetenz verfügt. Im Falle der Gesamtgeschäftsführung müssen die vom Konflikt nicht direkt betroffenen Vorstandsmitglieder mit ihrer Teilnahme am Entscheidungsprozess dazu beitragen, dass das Sonderinteresse ihres Kollegen nicht zur Geltung kommt. Aufgrund ihrer allgemeinen Sorgfaltspflicht müssen sie sich bei ihrer Willensbildung die mit der Interessenkollision verbundene Gefahrenlage für die Gesellschaft in besonderer Weise bewusst machen und sich gegen eine mögliche unsachgemäße Beeinflussung durch den befangenen Kollegen abschirmen. Zu diesem Zweck haben sie dessen Beiträge besonders kritisch zu würdigen und auf Tendenzen zu überprüfen, die Ausdruck seines Eigeninteresses sein könnten. Die so gefilterten und gewogenen Erkenntnisse müssen sie mit aus neutraler Quelle gewonnenen Informationen und ihren eigenen Erfahrungen abgleichen. Damit ist nicht gesagt, dass sie sich letztlich nicht so entscheiden dürfen, wie es der befangene Kollege favorisiert. Erscheint ihnen die von ihm bevorzugte Alternative auch bei ausschließlich sachorientierter Beurteilung für die Gesellschaft die beste zu sein, sind sie nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, ihr zu folgen. Ist das jedoch nicht der Fall, müssen die neutralen Mitglieder so entscheiden, wie es dem Wohl der Gesellschaft entspricht: Gilt für die Abstimmung das Mehrheitsprinzip, sind sie gehalten, eine Mehrheit zu organisieren, durch die verhindert wird, dass sich das Individualinteresse des Befangenen zum Nachteil der Gesellschaft durchsetzt. Ist die Entscheidung hingegen einstimmig zu treffen, kann der Befangene seinen Willen ohnehin nicht gegen die anderen Mitglieder durchsetzen. Probleme können hier nur noch daraus resultieren, dass er im Falle des Einstimmigkeitserfordernisses allein durch seine Stimme verhindern kann, dass ein Beschluss gefasst wird, der seinen eigenen Interessen ent342 Siehe hierzu Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 9 Rn. 12; Hopt, in: Großkomm AktG § 93 Rn. 186; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 93 Rn. 111; U. Schmidt, in: Heidel AktR § 93 AktG Rn. 44 f.
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gegensteht. In einem solchen Fall sind die unbefangenen Mitglieder, wenn es ihnen nicht gelingt, ihren Kollegen von der Sach- oder Rechtswidrigkeit seines Verhaltens zu überzeugen, verpflichtet, den Aufsichtsrat einzuschalten, damit dieser mit seinen Mitteln die Interessen der Gesellschaft gegenüber dem befangene Mitglied behauptet. 2. Einzelgeschäftsführung des befangenen Vorstandsmitglieds a) Pflicht zur vorstandsinternen Überwachung (Grundsätze) Ist das befangene Vorstandsmitglied in der Konfliktangelegenheit einzelgeschäftsführungsbefugt, besteht für die anderen grundsätzlich keine Möglichkeit, durch direkte Einflussnahme auf den Entscheidungsprozess eine eigennützige Geschäftsführung zu unterbinden. Jedoch sind sie bei arbeitsteiliger Vorstandsorganisation verpflichtet, die Geschäfte und Maßnahmen des befangenen Kollegen aufmerksam zu überwachen und bei Zweifeln an seinem pflichtgemäßen Vorgehen zu reagieren.343 Obwohl die Pflicht zur organinternen Kontrolle im Grundsatz unstreitig ist, steht sie in der Diskussion häufig im Schatten der Kontrollfunktion des Aufsichtsrats.344 Die Pflicht zur vorstandsinternen Kontrolle folgt aus dem Grundsatz der Gesamtverantwortung aller Vorstandsmitglieder und bezieht sich sowohl auf die Recht- wie auch auf die Zweckmäßigkeit der Geschäftsführung.345 Im Normalfall genügen ihr die Vorstandsmitglieder bereits dadurch, dass sie in den turnusmäßigen Vorstandssitzungen regelmäßig zu erstattende Ressortberichte ihrer Kollegen auf ihre Plausibilität prüfen und die sich daraus stellenden Fragen besprechen.346 Wenn jedoch ein Vorstandsmitglied einen Interessenkonflikt offengelegt hat, ist von einer gesteigerten Überwachungspflicht auszugehen.347 Dann ist zum einen die Frequenz
343 Umfassende Darstellungen zur vorstandsinternen Überwachungspflicht u. a. bei Fleischer, NZG 2003, 491, 451 ff.; ders., in: Hdb des Vorstandsrechts § 8 Rn. 5 ff.; Wettich, Vorstandsorganisation in der Aktiengesellschaft, S. 239 ff.; ferner Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 77 Rn. 26 ff.; Spindler, in: MünchKomm AktG § 93 Rn. 148 f., 152 ff.; Hölters, in: Hölters AktG § 93 Rn. 80 ff.; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 512 f. 344 So bereits Martens, in: FS Fleck, 1988, S. 191, 199. 345 Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 77 Rn. 92; Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 8 Rn. 16. 346 Spindler, in: MünchKomm AktG § 93 Rn. 136 f.; Fleischer, a.a.O. Rn. 22; Wettich, Vorstandsorganisation in der Aktiengesellschaft, S. 247; Habersack, WM 2005, 2360, 2362. Weitergehend Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 93 Rn. 92, die grundsätzlich eine Pflicht zur aktiven Informationsbeschaffung annehmen; ähnlich Hüffer/Koch, AktG § 93 Rn. 22. 347 Nach allgemeiner Ansicht hängt die Intensität der erforderlichen Überwachung von der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens, von der Bedeutung der konkreten Aufgabe sowie von Besonderheiten in der Person des zu überwachenden Vorstandsmitglieds ab (vgl. Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts, § 8 Rn. 17, 20; ähnlich Spindler, in: MünchKomm AktG § 93 Rn. 152; Habersack, WM 2005, 2360, 2362). Auch die Rechtsprechung bejaht eine einzel-
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1. Teil, 3. Kap.: Handlungsoptionen der Gesellschaft
der Sitzungen und der zu erstattenden Berichte des Befangenen zu erhöhen.348 Zum andern müssen sich die neutralen Mitglieder auch außerhalb der Sitzungen um Informationen bemühen. Allein die vorgelegten Berichte sind jetzt keine ausreichende Grundlage für die Überwachung mehr. Vielmehr haben die unbefangenen Vorstandsmitglieder selbst in verstärktem Maße mittels eigener Kontrollen dafür zu sorgen, dass ihr befangener Kollege seinen Eigeninteressen nicht zum Nachteil der Gesellschaft zum Durchbruch verhilft.349 So kann es angezeigt sein, für die erteilten Auskünfte Belege zu verlangen, ferner Sachanfragen an das befangene Vorstandsmitglied auch spontan außerhalb turnusmäßiger Vorstandssitzungen oder auch – vor allem im Falle (vertikal) delegierter Aufgaben – an Mitarbeiter seines Ressorts zu richten.350 Dieser Kontrollaufwand hat umso intensiver zu ein, je stärker der Interessenkonflikt und je bedeutsamer das von dem Konflikt betroffene Geschäft für die Gesellschaft ist. In besonders gravierenden Fällen wird man letztlich sogar verlangen müssen, dass sachdienliche Informationen auch von außen, d. h. durch Befragen von (potentiellen) Geschäftspartnern eingeholt werden,351 sofern dies ohne unverhältnismäßige (Reputations-)Einbußen für die Gesellschaft möglich ist. Sollten sich aus diesen Kontrollen konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass das befangene Vorstandsmitglied die ihm obliegenden Geschäfte nicht im Sinne der Gesellschaft führt, verdichtet sich die Überwachungs- zu einer Eingriffspflicht.352 Sie lässt sich in der Praxis zumeist schon dadurch erfüllen, dass der befangene Kollege darauf angesprochen und aufgefordert wird, sich rechtmäßig zu verhalten.353 Bleibt das ohne Erfolg, so ist es in der Regel unumgänglich, den Aufsichtsrat einzuschalten.354 fallabhängige Intensität der Kontrollpflichten (vgl. z. B. BGH ZIP 2001, 422, 424; BGH NJW 1994, 2149, 2150 f.). 348 Wettich, Vorstandsorganisation in der Aktiengesellschaft, S. 251. 349 Wettich, Vorstandsorganisation in der Aktiengesellschaft, S. 251. 350 Fleischer, NZG 2003, 449, 454. 351 In diese Richtung Fleischer, NZG 2003, 449, 454, nach dem es „grundsätzlich ohne Belang [ist], woher die Informationen stammen, die auf Missstände in einem anderen Ressort hindeuten“. Zurückhaltender Habersack, WM 2005, 2360, 2362 f., wonach auch in Krisenzeiten die Zusammenarbeit im Vorstand von Vertrauen und nicht von Misstrauen geprägt sein dürfe und müsse. 352 Fleischer, NZG 2003, 449, 456; Wettich, Vorstandsorganisation in der Aktiengesellschaft, S. 257. Deutlich BGHZ 15, 71, 78: „Ein Vorstandsmitglied darf seine Bedenken gegen eine Geschäfts- oder Verwaltungsmaßnahme nicht unterdrücken. Das folgt aus seiner Stellung als Organmitglied und seinem Treueverhältnis zur Gesellschaft.“ und BGHZ 133, 370, 378 (für den Geschäftsführer der GmbH): „Doch verbleiben dem nicht betroffenen Geschäftsführer in jeden Fall kraft seiner Allzuständigkeit gewisse Überwachungspflichten, die ihn zum Eingreifen veranlassen müssen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Erfüllung der der Gesellschaft obliegenden Aufgaben durch den zuständigen Geschäftsführer nicht mehr gewährleistet ist.“ 353 Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 512 f.; Wettich, Vorstandsorganisation in der Aktiengesellschaft, S. 257 f. 354 Fleischer, NZG 2003, 449, 456 f.; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 77 Rn. 26, 28; Wettich, Vorstandsorganisation in der Aktiengesellschaft, S. 262.
§ 6 Rechte und Pflichten der Vorstandsmitglieder
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b) Grenzen der vorstandsinternen Überwachung Problematisch ist die im Schrifttum vertretene Ansicht, die Überwachungspflicht der neutralen Vorstandsmitglieder umfasse auch das Recht und die Pflicht, das Konfliktgeschäft zurück in die Entscheidungskompetenz des Gesamtvorstands zu holen und eine Kollegialentscheidung herbeizuführen.355 Der Grundsatz der Gesamtverantwortung setze sich hier gegen das per Geschäftsordnung festgelegte Ressortprinzip durch, die Entscheidungsautonomie des zur Einzelgeschäftsführung befugten Vorstandsmitglieds werde außer Kraft gesetzt, und der Vorstand treffe als Kollegialorgan eine abschließende Entscheidung, die auch dem befangenen Mitglied gegenüber bindend sei.356 Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. Das gilt zunächst einmal dort, wo die Geschäftsordnung des Vorstands durch den Aufsichtsrat erlassen wurde. Dieser ist für das Aufstellen einer Geschäftsordnung sowie für die vorstandsinterne Aufgabenverteilung primär zuständig (§ 77 Abs. 2 Satz 1 AktG). Hat er von seiner Zuständigkeit Gebrauch gemacht, ist der Vorstand von vornherein außen vor.357 Die Erlasskompetenz des Aufsichtsrats würde beeinträchtigt, würde man dem Vorstand hier gestatten, von den durch den Aufsichtsrat festgelegten Grundsätzen abzuweichen. Das gilt auch für Modifikationen im Einzelfall.358 Solche kann allenfalls als „Normverantwortlicher“ der Aufsichtsrat selbst vornehmen. Selbst dann aber, wenn sich der Vorstand seine Geschäftsordnung infolge eines Regelungsverzichts des Aufsichtsrats selbst gegeben hat, ist es nicht zulässig, dass die Vorstandsmehrheit einem einzelnen Mitglied anlassbezogen die ihm durch die Geschäftsordnung eingeräumten Kompetenzen entzieht. Nach § 77 Abs. 2 Satz 3 AktG kann die Geschäftsordnung und damit die interne Aufgabenverteilung durch die Vorstandsmitglieder nur durch einstimmigen Beschluss festgelegt werden. Dies ist Ausdruck des im Vorstand herrschenden Kollegialprinzips.359 Daraus ergibt sich, dass die Vorstandsmitglieder untereinander gleichberechtigt sind360 und die Vorstandsmehrheit gegenüber einem einzelnen Kollegen weder Organisations- noch Disziplinargewalt hat. Einseitige Eingriffe in die organschaftliche Stellung eines Vorstandsmitglieds sind dem Aufsichtsrat vorbehalten. Dies gilt als allgemeiner Grundsatz der Vorstandsarbeit und damit nicht nur für generelle Änderungen der Geschäftsordnung, sondern auch für ad hoc zu treffende Reglementierungen. Dagegen lässt sich auch 355
Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 77 Rn. 26, 28; Wettich, Vorstandsorganisation in der Aktiengesellschaft, S. 257; Martens, in: FS Fleck 1988, S. 191, 196; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 512 f.; Schiessl, ZGR 1992, 64, 68; Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199, 2203. 356 Martens, in: FS Fleck 1988, S. 191, 196; Turiaux/Knigge, DB 2004, 2199, 2203; Wettich, Vorstandsorganisation in der Aktiengesellschaft, S. 258. 357 Weber, in: Hölters AktG § 77 Rn. 46; Hüffer/Koch, AktG § 77 Rn. 19; Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 501. 358 So ausdrücklich Spindler, in: MünchKomm AktG § 77 Rn. 54. 359 Fleischer, in: Spindler/Stilz AktG § 77 Rn. 66; Hüffer/Koch, AktG § 77 Rn. 19. 360 Zur Gleichberechtigung aller Vorstandsmitglieder ausführlich Hoffmann-Becking, ZGR 1998, 497, 514 ff.; Wicke, NJW 2007, 3755, 3757.
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nicht anführen, dass die Vorstandsmitglieder für das Handeln ihrer Kollegen jeweils mitverantwortlich sind. Der Grundsatz der Gesamtverantwortung suspendiert das Kollegialprinzip nicht, und zwar – zumindest in der Aktiengesellschaft – auch nicht unter der Prämisse, dass sich ein einzelnes Vorstandsmitglied unkooperativ und damit womöglich unkollegial verhält. Ob ein Verhalten unkollegial ist oder nicht, ist jeweils Ansichtssache. Dies zu entscheiden ist in der Aktiengesellschaft Sache des Aufsichtsrats.361 Die Vorstandsmehrheit hingegen hat nicht das Recht, die Geschäftsführungsbefugnis eines befangenen Kollegen einseitig zu beschränken. Sollte sie an dessen Integrität zweifeln, muss sie den Aufsichtsrat informieren, damit dieser gegebenenfalls weitere Maßnahmen treffen kann.362 3. Bloße Überwachungszuständigkeit des befangenen Vorstandsmitglieds Auch wenn der Befangene infolge der vorstandsinternen (horizontalen) Zuständigkeitsverteilung für die sein Sonderinteresse betreffende Maßnahme nicht selbst zuständig ist, der Interessenkonflikt somit nur seine vorstandsinterne Überwachungszuständigkeit beeinträchtigt, müssen die neutralen Vorstandsmitglieder sich auf diese Situation einstellen. Das gilt zum einen für das Vorstandsmitglied, in dessen Bereich das Konfliktgeschäft fällt. Der Betreffende muss sich hier in besonderer Weise den Konflikt des Kollegen bewusst machen. Er muss dessen Überwachungsbeiträge – seien sie redlich oder nicht – würdigen und sie auf persönlich motivierte Tendenzen überprüfen. Daneben sind aber auch die gemeinsam mit dem Konfliktträger zur Überwachung berufenen Vorstandsmitglieder besonders gefordert, indem sie ihre Kontrolltätigkeit verstärken müssen. Dies dient einmal dazu, die herabgesetzte Kontrollfähigkeit des Befangenen zu kompensieren. Ferner können sie auf diese Weise ihren unmittelbar zuständigen Kollegen dabei unterstützen, etwaige
361 Deshalb hilft auch nicht die Forderung, ein befürwortetes Interventionsrecht der übrigen Vorstandsmitglieder „mit Augenmaß“ auszuüben (so z. B. Weber, in: Hölters AktG § 77 Rn. 37). 362 Zu weitgehend erscheint daher auch der von ihm selbst als „nicht unbedenklich“ eingeschätzte Vorschlag J. Kochs, den Vorstand ohne Beteiligung des befangenen Mitglieds frei darüber befinden zu lassen, ob das betroffene Organmitglied an der Beschlussvorbereitung beteiligt werden soll (J. Koch, in: FS Säcker, 2011, S. 403, 416; ders., ZGR 2014, 697,720 f.). Zu der Frage, ob die diesem Vorschlag als Rechtsgrundlage zugrundeliegende Modifikation der verbandsrechtlichen Stimmverbotsregelungen ggf. zu einem kraft Gesetzes wirkenden Geschäftsführungsausschluss des Befangenen führen kann, siehe unten § 8 IV. Als Ausweg aus dieser verhältnismäßig strikten Handhabung des Kollegialprinzips kommt allerdings in Betracht, in der Geschäftsordnung präzise gefasste Öffnungsklauseln vorzusehen, welche es zulassen, durch Mehrheitsentscheidung des Vorstands die durch die Geschäftsordnung an sich vorgesehen Kompetenzverteilung für bestimmte Einzelfälle zu modifizieren. Als solche Einzelfälle sind insbesondere auch katalogmäßig definierte Situationen des Interessenkonflikts denkbar (vgl. in diesem Zusammenhang auch den Gestaltungsvorschlag für eine Geschäftsordnung unter § 7 I. 1. b).
§ 7 Konfliktmanagement des Aufsichtsrats
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persönlich motivierte Einflussnahmen des Konfliktträgers als solche zu erkennen und aus seiner Geschäftsführung herauszuhalten.
§ 7 Konfliktmanagement des Aufsichtsrats bei Interessenkonflikten von Vorstandsmitgliedern Im Zentrum des aktienrechtlichen Konfliktlösungsmodells steht der Aufsichtsrat. Als zweites Verwaltungsorgan der Aktiengesellschaft ist er mit Befugnissen ausgestattet, die ihm nicht nur die Überwachung von Vorstandsentscheidungen, sondern in bestimmtem Rahmen auch deren Korrektur erlauben. Dabei ist zu beachten, dass sich die Überwachungsaufgabe des Aufsichtsrats nicht auf jedwede Geschäftsführungsmaßnahme erstreckt, sondern nur auf Vorgänge, die für die Lage und Entwicklung der Gesellschaft von besonderer Bedeutung sind.363 Eine darüber hinaus gehende intensive Kontrolle aller Vorgänge wäre dem nebenamtlich tätigen Aufsichtsrat gar nicht möglich und ließe ihn zudem entgegen der gesetzlichen Kompetenzabgrenzung zum „heimlichen“ Leitungsorgan werden.364 Soweit es um die Überwachung von Vorstandsentscheidungen geht, bei denen sich eines der Mitglieder erkennbar in einem Interessenkonflikt befindet, sind jedoch Bedenken gegen eine verstärkte Aufsichtsratskontrolle grundsätzlich nicht angebracht. Die gegen Interessenkonflikte ihrer Vorstandsmitglieder strukturell anfällige Gesellschaft vor der Gefahr zu bewahren, durch pflichtwidrig eigennütziges Vorstandshandeln einen Nachteil zu erleiden, gehört gerade zum Kern seiner Aufsichtsfunktion. Dabei liegt es in seinem pflichtgemäßen Ermessen, mit welchen der ihm gesetzlich zur Verfügung stehenden Mitteln er seiner Aufgabe, „Mißbräuchen entgegenzuwirken“,365 jeweils gerecht wird.366 Zum einen kann er seine Primärzuständigkeit zum Erlass der Geschäftsordnung des Vorstands dazu zu nutzen, bereits im Vorfeld eines Konflikts ein möglichst konfliktresistentes Geschäftsführungsregime zu schaffen, das dessen spätere Beherrschung im konkreten Fall erleichtert. Zum andern kann er seine Kontroll- und Mitwirkungskompetenzen einsetzen, um einen akuten, ihm pflichtgemäß offenbarten Interessenkonflikt angemessen und wirksam zu neutralisieren.
363
Hüffer/Koch, AktG § 111 Rn. 2; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 65, 67. 364 Habersack, in: MünchKomm AktG § 111 Rn. 19 f.; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 65; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 111 Rn. 160. 365 BegrRegE Kropff, S. 95. 366 Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 111 Rn. 155.
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I. Vorbeugende Eindämmung von Interessenkonflikten durch abstrakt-generelle Regelungen in der Geschäftsordnung des Vorstands Üblicherweise regelt die Geschäftsordnung des Vorstands die vorstandsinterne Zusammenarbeit (Sitzungsmodalitäten, Informationswesen, Ausschussbildung) und die Zusammenarbeit von Vorstand und Aufsichtsrat.367 Sie ist damit kein spezifisches Instrument zur Eindämmung vorstandsinterner Interessenkonflikte. Gleichwohl bietet sie dem Aufsichtsrat ein geeignetes Mittel, um die Organisation der Geschäftsführung so zu gestalten, dass sich Interessenkonflikte der Vorstandsmitglieder nicht zum Schaden für die Gesellschaft entwickeln können.368 Seine rechtliche Befugnis dazu ergibt sich aus § 77 Abs. 2 Satz 1 AktG, unabhängig davon, ob sich der Vorstand schon selbst eine Geschäftsordnung gegeben hat.369 Dabei stehen ihm im Wesentlichen zwei Regelungsansätze zur Verfügung, die auch kumulativ verfolgt werden können: Dies sind zum einen Regelungen, die für den Fall eines festgestellten Interessenkonflikts die vorstandsinternen Zuständigkeiten modifizieren und die Mehrheitserfordernisse verschärfen, um dem Befangenen die Durchsetzung seines Eigeninteresses möglichst zu erschweren. Naturgemäß kommt eine solche Herangehensweise nur bei mehrgliedrigen Vorständen in Betracht. Zum anderen hat der Aufsichtsrat – unabhängig von der Größe des Vorstands – die Möglichkeit, in die Geschäftsordnung einen Katalog von Konflikttatbeständen aufzunehmen, bei deren Vorliegen das betreffende Konfliktgeschäft nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden darf. 1. Festlegung allgemeiner Geschäftsführungsgrundsätze für Konfliktlagen in mehrgliedrigen Vorständen a) Vorüberlegungen Bei mehrgliedrigen Vorständen wird die Gefahr, dass ein befangenes Vorstandsmitglied seine Eigeninteressen zum Nachteil der Gesellschaft durchsetzen kann, maßgeblich dadurch bestimmt, wie Zusammenarbeit und Willensbildung im Vorstand organisiert sind. Je unbeschränkter die Geschäftsführungsbefugnisse des Befangenen sind, desto leichter kann er seine Eigeninteressen verfolgen. Zur Verdeutlichung diene der Fall, dass ein Vorstandsmitglied dem Unternehmen seiner Frau den Auftrag zur Bewirtschaftung der Betriebskantine verschaffen möchte: Wenn für den Vorstand hier der gesetzliche Grundsatz der gemeinschaftlichen Geschäftsführung und Vertretung einschließlich einstimmiger Beschlussfassung gilt (§§ 77 Abs. 1 367
Hüffer/Koch, AktG § 77 Rn. 21; Vedder, in: Grigoleit AktG § 77 Rn. 19. Siehe Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 111 Rn. 69, wonach bei der Ausgestaltung der Geschäftsordnung „besonderer Wert“ darauf zu legen ist, dass die Vorstandsmitglieder „interessenunabhängig“ sind. 369 Hüffer, NZG 2007, 47, 51; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 77 Rn. 60 ff. 368
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Satz 1, 78 Abs. 2 Satz 1 AktG), kann das Vorstandsmitglied sein Vorhaben nur verwirklichen, wenn ihm alle Vorstandskollegen zustimmen. Bereits eine Gegenstimme oder Enthaltung brächte den Plan zu Fall. Ähnlich schwierig wäre die Durchsetzung seines Eigeninteresses im Falle des Mehrheitsprinzips. Das befangene Vorstandsmitglied wird eine Mehrheitsentscheidung hier in der Regel nur mit überzeugenden sachlichen Gründen erreichen. Ein Alleingang ist für ihn jedenfalls ausgeschlossen. Ist die Geschäftsführung dagegen, wie in größeren Unternehmen üblich, arbeitsteilig organisiert und wäre der Betreffende, z. B. als Personalvorstand, für das Kantinenwesen zuständig und im Rahmen seiner Ressortverantwortung allein geschäftsführungs- und vertretungsberechtigt, so könnte er das Geschäft eigenmächtig abschließen.370 Anders als in diesem Beispielsfall ist die Sachlage, wenn es darum geht, zu verhindern, dass ein Vorstandsmitglied eine im Interesse der Gesellschaft gebotene, für ihn persönlich jedoch nachteilige Vorstandsentscheidung blockiert. Hier ist bei gemeinschaftlicher Geschäftsführung das Mehrheitsprinzip besser geeignet, um die Gesellschaft vor einem eigennützigen Einfluss zu schützen: Mit seiner (Gegen-) Stimme oder Stimmenthaltung könnte der Befangene gegen die Mehrheit seiner Kollegen nichts ausrichten. Gälte hingegen das gesetzliche Einstimmigkeitsprinzip, könnte er die ihm unliebsame Maßnahme mit seinem Vetorecht stoppen. Fasst man diese Beobachtungen zusammen, so lassen sich von Eigeninteresse getriebene Vorstandsentscheidungen am besten vermeiden, wenn die Aufgabenerledigung nach dem gesetzlichen Grundprinzip der Gesamtgeschäftsführung organisiert ist und Beschlüsse mit der Mehrheit der amtierenden Mitglieder gefasst werden müssen. Des Prinzips der Einstimmigkeit bedarf es nicht, um für die Gesellschaft nachteilige Anträge des befangenen Mitglieds abzuwehren. Und wenn es darum geht, Entscheidungen gegen seinen Willen durchzusetzen, ist es sogar hinderlich, weil es ihm ermöglicht, sie mit seiner Stimmenthaltung zu blockieren. b) Gestaltung im Einzelfall Setzt man diese Erkenntnisse in vorbeugende Abwehrmaßnahmen in der Geschäftsordnung um, so ist ihrer Rechtsnatur als abstrakt-generellem Organisationswerk371 Rechnung zu tragen. Dazu empfiehlt sich folgendes inhaltliches Vorgehen: 1. (Deklaratorischer) Hinweis auf die Pflicht der Vorstandsmitglieder, alle Maßnahmen, die im Zusammenhang mit ihrer Amtsausübung von einem Interessenkonflikt beeinflusst sind, dem Aufsichtsrat anzuzeigen. Zusätzlich klarstellender Hinweis, dass rechtlich relevante Interessenkonflikte auch in Hinblick auf 370
Voraussetzung ist, dass es sich bei der Auftragsvergabe nicht um eine ohnehin nur gemeinschaftlich zu treffende Leitungsentscheidung i. S. d. § 76 Abs. 1 AktG handelt. 371 Vgl. Isenberg, Die Geschäftsordnung für die Organe der Aktiengesellschaft, S. 38 und 39 ff.
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1. Teil, 3. Kap.: Handlungsoptionen der Gesellschaft
Maßnahmen bestehen können, für die infolge vorstandsinterner (horizontaler) Delegation oder infolge (vertikaler) Delegation an nachgeordnete Abteilungen nur eine Überwachungszuständigkeit besteht. 2. Erstellung eines möglichst umfassenden Beispielskatalogs mit typischen, nach abstrakt-generellen Merkmalen beschriebenen Konflikttatbeständen für Vorstandsmitglieder, verbunden mit dem Hinweis, dass dieser Konfliktkatalog nicht abschließend ist (sein kann) und die Offenlegungspflicht auch für sonstige Interessenkollisionen gilt, die in vergleichbarer Weise geeignet sind, objektiv berechtigte Zweifel an der Unbefangenheit der Vorstandsmitglieder auszulösen. 3. Anordnung, dass nach förmlicher Feststellung des Interessenkonflikts durch den Aufsichtsrat alle davon betroffenen Geschäftsführungsmaßnahmen in die Zuständigkeit des Gesamtvorstands fallen und diesbezügliche Beschlüsse mit der Mehrheit der amtierenden Vorstandsmitglieder zu fassen sind. Dies gilt auch für Sachverhalte, deren Erledigung der Befangene an nachgeordnete Abteilungen (vertikal) delegiert hat. Unverändert bleibt die Organisationsordnung lediglich bei Konfliktmaßnahmen, für die infolge horizontaler Delegation ausschließlich unbefangene Vorstandsmitglieder direkt zuständig sind.372 Auf diese Weise wird – die pflichtgemäße Offenlegung des Konflikts vorausgesetzt373 – ein Alleingang des betroffenen Mitglieds unterbunden und unter der weiteren Voraussetzung, dass sich die nicht betroffenen Vorstandsmitglieder nicht mit ihrem befangenem Kollegen gemein machen, weitgehend sicher gestellt, dass sich ein Interessenkonflikt nicht zum Nachteil der Gesellschaft auswirken kann. Indem der Aufsichtsrat den vom Betroffenen offen gelegten Interessenkonflikt gemäß Ziff. 3 förmlich feststellt und erst daraufhin die für den Konfliktfall ausnahmsweise angeordneten Rechtsfolgen eintreten, ist für die notwendige Klarheit unter allen Beteiligten gesorgt. Dieses Vorgehen bietet zudem den Vorteil, dass zweifelhafte oder – von wem und aus welchen Gründen auch immer – unberechtigt vorgebrachte Befangenheitsanträge bzw. -vorwürfe abgewehrt werden können und es bei der grundsätzlich geltenden Geschäftsverteilung und Willensbildung im Vorstand bleibt. Dadurch, dass auch solche Konfliktmaßnahmen, die an nachgeordnete Abteilungen delegiert sind, in die Zuständigkeit des Gesamtvorstands gezogen werden, ist gewährleistet, dass der Befangene die ihm untergebenen Hierarchiestufen nicht zugunsten seines sachfremden Interesses instrumentalisiert. Fraglich ist, ob sich der gesamte Aufsichtsrat mit der Prüfung des offen gelegten Konflikts befassen muss, oder ob der Einsatz der in der Geschäftsordnung für den Konfliktfall geregelten Rechtsfolgen aus Praktikabilitätsgründen auch von einem 372 Ebenso kommt in Betracht, dass die Geschäftsordnung die Anordnung der Zuständigkeit des Gesamtvorstands statt einer Entscheidung des Aufsichtsrats einer Mehrheitsentscheidung des Gesamtvorstands überlässt. Vgl. bereits Fn. 362. 373 Gegen verschwiegene Konflikte kann die Gesellschaft ohnedies nicht vorbeugend geschützt werden. Zur Wirksamkeit pflichtwidriger Vorstandsentscheidungen siehe unten § 10 II.
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Ausschuss, beispielsweise dem Personalausschuss, beschlossen werden kann. Nach § 107 Abs. 3 Satz 3 AktG können grundsätzlich auch beschließende Aufsichtsratsausschüsse gebildet werden. Der Vorbehaltskatalog dieser Vorschrift ist für die hier in Frage stehende Aufgabe nicht einschlägig. Danach unterliegt zwar der Erlass einer Geschäftsordnung für den Vorstand dem Plenarvorbehalt.374 Soweit jedoch lediglich über das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für eine vom Plenum bereits generell festgelegte Organisationsmaßnahme in einem konkreten Einzelfall zu beschließen ist, bedarf es der Mitwirkung des gesamten Aufsichtsrats nicht. 2. Zustimmungsvorbehalte für katalogmäßig erfasste Konfliktgeschäfte a) Rechtsgrundlage und Funktion des Zustimmungsvorbehalts Will der Aufsichtsrat die Gesellschaft vor den nachteiligen Folgen eigennütziger Entscheidungen eines befangenen Einpersonen-Vorstands schützen oder sich in mehrgliedrigen Vorständen nicht allein auf die Standhaftigkeit der neutralen Mitglieder verlassen, so bietet sich als weitere organisatorische Vorkehrung an, in die Geschäftsordnung einen Katalog mit im einzelnen definierten „Konfliktgeschäften“ aufzunehmen und diese Maßnahmen an die Zustimmung des Aufsichtsrats zu binden. Nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG hat der Aufsichtsrat durch (Plenar-)Beschluss375 anzuordnen, dass bestimmte Arten von Geschäften nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden dürfen.376 Die Regelung soll dem Aufsichtsrat die präventive Überwachung der Geschäftsführung erleichtern.377 Genau genommen geht sie über die reine Überwachung hinaus, indem sie dem Aufsichtsrat die Möglichkeit verschafft, wenn auch nicht in Form eines Initiativ- oder gar Weisungsrechts, so doch durch ein selbst errichtetes Vetorecht ausnahmsweise an der Geschäftsführung
374 Vgl. Hambloch-Gesinn/Gesinn, in: Hölters AktG § 107 Rn. 155; Habersack, in: MünchKomm AktG § 107 Rn. 37. 375 Vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG § 107 Rn. 143; Hüffer/Koch, AktG § 111 Rn. 38. Ist die Zustimmungsbedürftigkeit aber erst einmal eingeführt, kann die Entscheidung über einzelne zustimmungsbedürftige Geschäfte an einen Ausschuss delegiert werden (so Habersack, a.a.O., ebenfalls Hüffer/Koch, AktG § 111 Rn. 46; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 115; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 107 Rn. 392). 376 Daneben kann auch die Hauptversammlung Geschäfte des Vorstands bestimmen, die der Zustimmung des Aufsichtsrats bedürfen, indem sie einen entsprechenden Katalog in die Satzung der Gesellschaft aufnimmt. Soweit die Satzung keine Zustimmungsvorbehalte nennt, muss der Aufsichtsrat tätig werden, um die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen (Hüffer/Koch, AktG § 111 Rn. 38). An die Zustimmungsvorbehalte in der Satzung ist der Aufsichtsrat gebunden, kann sie jedoch ergänzen (Hüffer/Koch, a.a.O.; Schick, in: Wachter AktG § 111 Rn. 14). 377 Hüffer/Koch, AktG § 111 Rn. 33; Habersack, in: FS Hüffer, 2010, S. 259, 260.
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1. Teil, 3. Kap.: Handlungsoptionen der Gesellschaft
teilzuhaben.378 Vor Erteilung der Zustimmung darf der Vorstand das unter den Vorbehalt fallende Geschäft nicht durchführen.379 Tut er es trotzdem, bleibt es im Außenverhältnis zwar wirksam, weil durch den Zustimmungsmangel nur die Geschäftsführung, nicht aber die Vertretungsmacht beschränkt wird.380 Jedoch handelt der Vorstand pflichtwidrig und haftet für einen daraus entstehenden Schaden nach § 93 Abs. 2 AktG.381 b) Konfliktgeschäft als zulässiger Gegenstand des Zustimmungsvorbehalts Nach allgemeiner Ansicht sind unter dem Begriff „Geschäfte“ in § 111 Abs. 4 S. 2 AktG nicht nur Rechtsgeschäfte, sondern auch unternehmensinterne und tatsächliche Maßnahmen zu verstehen.382 Für welche Geschäfte er einen Zustimmungsvorbehalt beschließt, liegt grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen des Aufsichtsrats.383 Eine Grenze bildet § 76 Abs. 1 AktG: Die weisungsfreie Leitung der Gesellschaft durch den Vorstand muss gewahrt bleiben. Deshalb kommen Zustimmungsvorbehalte nur für Geschäfte in Betracht, die nach Gegenstand, Umfang oder Risiko über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen.384 Legt man diesen Maßstab an, so kann der Aufsichtsrat ohne Ermessensverstoß grundsätzlich alle Geschäfte und Maßnahmen, bei denen sich ein Vorstandsmitglied in einem rechtlich relevanten Interessenkonflikt befindet, unabhängig von ihrem Inhalt, an seine Zustimmung binden. Denn ein außergewöhnliches Risiko kann sich nicht nur aus einem für die Existenz der Gesellschaft besonders bedeutsamen Geschäft oder einem ungewöhnlich komplexen oder schwierigen Geschäftsinhalt er378
Habersack, in: MünchKomm AktG § 111 Rn. 96; Hüffer/Koch, AktG § 111 Rn. 33. Von einem Instrument, mit dem der Aufsichtsrat die unternehmerische Tätigkeit des Vorstands „im Sinne einer präventiven Kontrolle begleitend mitgestaltet“ spricht auch BGHZ 135, 244, 254 f. 379 Habersack, in: MünchKomm AktG § 111 Rn. 123; Hüffer/Koch, AktG § 111 Rn. 46, 49; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 123 f. 380 Hüffer, NZG 2007, 47, 51; Hüffer/Koch, AktG § 111 Rn. 49; Habersack, in: MünchKomm AktG § 111 Rn. 129. Anders als § 89 Abs. 5 AktG es für die Kreditgewährung ohne Zustimmung des Aufsichtsrats an nahe Verwandte bestimmt, erfolgt grundsätzlich auch keine Rückabwicklung des Geschäfts. Ausnahmen können sich unter dem Gesichtspunkt des Missbrauchs der Vertretungsmacht ergeben (dazu Fleischer, in: Spindler/Stilz AktG § 82 Rn. 12 ff. und unten § 10 II.). 381 Habersack, in: FS Hüffer, 2010, S. 259; Habersack, in: MünchKomm AktG § 111 Rn. 129; Hüffer/Koch, AktG § 111 Rn. 49. 382 Hüffer/Koch, AktG § 111 Rn. 41; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 118, 120; Altmeppen, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 23, 29; Habersack, in: FS Hüffer, 2010, S. 259, 264. 383 BGHZ 124, 127; ebenso Habersack, in: MünchKomm AktG § 111 Rn. 102, 115; ders., in: FS Hüffer, 2010, S. 259, 265; Hüffer/Koch, AktG § 111 Rn. 36; Schick, in: Wachter AktG § 111 Rn. 14; Fonk, ZGR 2006, 841, 851. 384 Hüffer, NZG 2007, 47, 53.
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geben, sondern auch aus den äußeren Begleitumständen eines Geschäfts.385 Im Fall des Interessenkonflikts eines Vorstandsmitglieds sind erhebliche Zweifel an seiner Sachorientierung begründet, es ist zu befürchten, dass sein Eigeninteresse sein Handeln zum Nachteil für die Gesellschaft beeinflusst. Es handelt sich hier geradezu um einen „Klassiker“ für die Gefährdung von Gesellschaftsinteressen. Dass sich dieses Risiko zu einem konkreten Schaden für die Gesellschaft auswirkt, muss der Aufsichtsrat nicht erst abwarten, sondern kraft Amtes verhindern.386 Dies verletzt das Recht des Vorstands zur eigenverantwortlichen Leitung nach § 76 Abs. 1 AktG nicht, denn „die gesetzlich allgemein vorgesehene Eigenverantwortlichkeit gilt nur, wenn der Vorstand frei von persönlichen Interessen handeln kann und handelt.“387 c) Gestaltung im Einzelfall Bei der Erstellung eines Katalogs typischer Konfliktgeschäfte hat der Aufsichtsrat darauf zu achten, dass die ins Auge gefassten Geschäfte hinreichend klar definiert sind. Die Formulierung „für bestimmte Arten von Geschäften“ in § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG schließt z. B. einen pauschalen Zustimmungsvorbehalt für „alle Geschäfte mit Konfliktpotential“ aus. Vielmehr ist erforderlich, die dem Vorbehalt unterworfenen Geschäfte nach abstrakten Merkmalen zu bestimmen und dabei klar erkennbar zu machen, welche Geschäfte erfasst werden.388 Dazu die folgenden beiden Formulierungsbeispiele: 1. Geschäfte aller Art (z. B. Kauf-, Miet-, Werk- oder Dienstverträge) mit einem Unternehmen, an/bei dem ein Vorstandsmitglied, sein (Ehe-)Partner oder ein naher Familienangehöriger (z. B. Kind, Elternteil, Geschwister, Verschwägerter) beteiligt oder in leitender Funktion (einschließlich der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat, Verwaltungsrat o. ä.) tätig ist, dürfen nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung des Aufsichtsrats getätigt werden. Dies gilt nicht bei reinen Kapitalbeteiligungen von weniger als 10 %. 2. Stellenbesetzungen in der ersten und zweiten Führungsebene unterhalb des Vorstands mit nahen Familienangehörigen eines Vorstandsmitglieds (z. B. …) bedürfen der vorherigen schriftlichen Zustimmung des Aufsichtsrats. Entsprechendes gilt für sonstige Stellenbesetzungen mit nahen Familienangehörigen 385 Als zu eng abzulehnen sind deshalb Ansichten, die verlangen, die Maßnahme müsse geeignet sein, die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage des Unternehmens grundlegend zu verändern (so aber z. B. Ziff. 3.3 DCGK; wohl auch Habersack, in: FS Hüffer, 2010, S. 259, 264; Fonk, ZGR 2006, 841, 846 ff.). 386 So auch Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 111 Rn. 635: „Geschäfte der Gesellschaft mit Angehörigen und sonstigen dem Vorstand nahestehenden Personen in den Zustimmungskatalog einzubeziehen [ist] angezeigt“. 387 Semler, in: FS Ulmer, 2003, S. 627, 638. 388 Habersack, in: MünchKomm AktG § 111 Rn. 106; Spindler, in: Spindler/Stilz AktG § 111 Rn. 65; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats Rn. 118.
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eines Vorstandsmitglieds, wenn dadurch zu ihm ein unmittelbares Vorgesetztenverhältnis begründet wird. Je umfassender und konkreter ein solcher Katalog ist, desto wirksamer ist auch seine Vorwarnfunktion für alle Vorstandsmitglieder, sich der Protegierung nahe stehender Personen und Organisationen bei der Anbahnung von Geschäften mit der Gesellschaft zu enthalten bzw. auf sonstige Weise Maßnahmen im eigenen Interesse zu treffen. d) Zustimmungsvorbehalte bei Zuständigkeit des Gesamtvorstands und bei delegierten Konfliktgeschäften Zustimmungsvorbehalte sind nicht nur zulässig für Geschäfte, für die ein befangenes Vorstandsmitglied aktiv und alleine zuständig ist, sondern auch für solche, die entweder bereits aufgrund der allgemein in der Gesellschaft geltenden Zuständigkeitsregelungen oder auch infolge des soeben vorgestellten Geschäftsordnungskonzepts in die Zuständigkeit des Gesamtvorstands fallen. Selbst wenn das Konfliktgeschäft im Einflussbereich des Befangenen an nachgeordnete Abteilungen delegiert ist und die Geschäftsordnung nicht die Verantwortlichkeit des Gesamtvorstands anordnet, kann der Aufsichtsrat diese Maßnahme per Katalogregelung an seine Zustimmung binden: Oft wird über Geschäfte der Gesellschaft mit nahen Angehörigen oder sonstigen Personen, Unternehmen oder Organisationen, die einem Vorstandsmitglied besonders verbunden sind, gar nicht auf Vorstandsebene entschieden.389 Verhandlung und Abschluss von Kauf-, Miet- oder Werkverträgen sind vor allem in größeren Unternehmen bis zu bestimmten Betragsgrenzen an nachgeordnete Einkaufs- oder sonst zuständige Abteilungen delegiert und werden von deren Leitern im Rahmen der ihnen erteilten Prokura oder Handlungsvollmacht wahrgenommen. Personaleinstellungen nimmt die Personalabteilung vor.390 Gleichwohl ist die Gefahr der Beeinflussung dieser Entscheidungen durch Vorstandsmitglieder gegeben, wenn es sich bei den potentiellen Geschäftspartnern z. B. um Familienangehörige, Trauzeugen, Verbindungsbrüder o. ä. handelt. Die Formen der Einflussnahme können hier sehr subtil, angesichts verbreiteter Hierarchiegläubigkeit aber dennoch ungemein wirkungsvoll sein. Und selbst wenn das mit dem potentiellen Geschäftspartner in besonderer Weise verbundene Vorstandsmitglied sich zurückhält, wird diese Beziehung den unmittelbar beteiligten Mitarbeitern häufig bekannt sein oder durch „beiläufiges“ Einfließenlassen der anderen Seite in die Verhandlungen bekannt werden, sodass die Gefahr besteht, dass sie in vorauseilendem Gehorsam gegenüber dem Vorstandsmitglied – insbesondere, wenn sie zu seinem eigenen Ressort gehören – Entscheidungen treffen, die sie unter normalen Umständen nicht getroffen hätten. Auch so können Nachteile entstehen, vor denen die Gesellschaft geschützt werden muss. Die Überwachungspflicht des Aufsichtsrats ein389 390
Vgl. Lutter, in: FS Priester, 2007, S. 417, 418 (dort insbesondere Fn. 5). Lutter, a.a.O.
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schließlich seiner Befugnis, zur Gefahrenabwehr einen entsprechenden Zustimmungsvorbehalt vorzusehen, erstreckt sich in einem solchen Fall deshalb auch auf delegierte Geschäfte. Dies widerspricht nicht dem Zweck des Zustimmungsvorbehalts als auf die Vorstandsarbeit bezogene Kontrollmaßnahme. Ziel einer solchen – zugegeben weit reichenden – Reglementierung ist nämlich nicht, die nachgeordneten Mitarbeiterebenen zu disziplinieren. Dies wäre in der Tat mit der Aufgabe des Aufsichtsrats nicht zu vereinbaren. Überwachungsgegenstand ist vielmehr das Delegations- und Kontrollgebaren des befangenen Vorstandsmitglieds, das genauso wie von ihm „eigenhändig“ vorgenommene Geschäftsmaßnahmen zu seiner Geschäftsführung gehört. Auch insoweit gilt es zu verhindern, dass ein befangenes Vorstandsmitglied nachteiligen Einfluss auf die Gesellschaftsinteressen ausübt. Durch diesen weitgehenden Ansatz ist auch keine Überforderung des Aufsichtsrats zu erwarten. Dem wird schon dadurch entgegengewirkt, dass die Bedeutung vertikal delegierter Maßnahmen im Vergleich zu originären Vorstandsaufgaben geringer ist und ein rechtlich relevanter Interessenkonflikt damit – je tiefer die Maßnahme in der Gesamtorganisation angesiedelt ist – umso unwahrscheinlicher wird. e) Erteilung der Zustimmung Der Vorstand darf die dem Zustimmungsvorbehalt unterliegende Maßnahme erst durchführen, nachdem der Aufsichtsrat bzw. der von ihm eingesetzte Ausschuss die Zustimmung erteilt hat.391 Fraglich ist, wie frei der Aufsichtsrat in seiner Entscheidung ist. Nach allgemeiner Ansicht ist der Beschluss über die Erteilung oder Verweigerung der Zustimmung grundsätzlich eine unternehmerische Entscheidung, bei der der Aufsichtsrat über ein unternehmerisches Ermessen verfügt.392 Für die Zustimmung zu einem Konfliktgeschäft wird man allerdings wie folgt differenzieren müssen: Ist ein Geschäft nur unter Zustimmungsvorbehalt gestellt worden, um zu verhindern, dass sich das Eigeninteresse eines Vorstandsmitglieds zum Nachteil der Gesellschaft durchsetzt, dann ist die Prüfung auch auf diesen Aspekt zu beschränken. Kommt der Aufsichtsrat also z. B. in dem Fall, dass die Kantinenbewirtschaftung dem von der Ehefrau eines Vorstandsmitglieds geführten Cateringunternehmen übertragen werden soll, zu dem Ergebnis, dass die Interessen der Gesellschaft gewahrt sind, weil eine unsachgemäße Einflussnahme des befangenen Vorstandsmitglieds nicht zu erkennen ist, das Geschäft in jeder Hinsicht marktüblichen Bedingungen entspricht und ein günstigeres Angebot nicht in Sicht ist, dann hat er die Zustimmung zu erteilen, auch wenn er etwa den Nutzen einer Fremdvergabe an sich anders einschätzt als der Vorstand. Der Aufsichtsrat hat sich somit allein der Frage zu 391 Habersack, in: MünchKomm AktG § 111 Rn. 123; Hüffer/Koch, AktG § 111 Rn. 46; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats Rn. 118; Spindler, in: Spindler/ Stilz § 111 Rn. 75. 392 Habersack, in: MünchKomm AktG § 111 Rn. 127; Spindler, in: Spindler/Stilz § 111 Rn. 72.
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widmen, ob die Maßnahme auch unabhängig von der Befangenheit des Vorstandsmitglieds so getroffen worden wäre. Diese Einschränkung trägt dem Umstand Rechnung, dass Zustimmungsvorbehalte grundsätzlich nicht dazu dienen dürfen, dass sich der Aufsichtsrat in das operative Alltagsgeschäft einmischen und dort das Geschäftsleiterermessen des Vorstands durch eigene Ermessensentscheidungen überspielen kann. Steht das Geschäft dagegen wegen seiner besonderen Bedeutung unter einem weiteren, eigenständigen Zustimmungsvorbehalt, z. B. weil der Aufsichtsrat Fremdvergaben auf Betreiben der Arbeitnehmervertreter aus Gründen der Beschäftigungssicherung generell an seine Zustimmung gebunden oder das Geschäft schon wegen seines Umsatzvolumens als zustimmungspflichtige Maßnahme deklariert hat, so kann er seinem eigenen unternehmerischen Ermessen freien Raum geben und die Zustimmung verweigern, obwohl der Vorstand diesen Schritt ohne Ermessensfehler als wirtschaftlich und zweckmäßig beurteilt hat.
II. Kontrollinstrumente bei akutem Interessenkonflikt 1. Erhöhung der Überwachungsdichte Unabhängig von den allgemeinen Vorkehrungen, die der Aufsichtsrat für den Fall eines Interessenkonflikts bereits im Vorhinein durch konflikteindämmende Regelungen in der Geschäftsordnung treffen kann, verfügt er auch nach Bekanntwerden eines akuten Konflikts über eine Reihe von Instrumenten, die er für eine effiziente Gefahrenabwehr einsetzen kann und, abhängig von der jeweiligen Situation, auch muss. Eine erste Maßnahme besteht darin, die Überwachung der Geschäftsführung, insbesondere des befangenen Vorstandsmitglieds, mit Blick auf das konfliktbelastete Geschäft zu erhöhen. Die Überwachungspflichten des Aufsichtsrats sind nicht in jeder Situation gleich ausgeprägt, sondern richten sich nach der konkreten Lage des Unternehmens, so dass der Aufsichtsrat bei gewöhnlichem Geschäftsbetrieb die Leine länger lassen kann, in Gefahrensituationen die Kontrolldichte jedoch erhöhen muss.393 Die Pflicht zur Erhöhung der Überwachungsintensität wird zwar in der Regel allein für wirtschaftliche Krisensituationen diskutiert, sie ist jedoch in Fällen, in denen sich ein Vorstandsmitglied wegen eines Interessenkonflikts als interner Risikofaktor für die Gesellschaft herausstellt, genauso angesagt. Auch hier sind die Interessen der Gesellschaft in besonderem Maße gefährdet, weshalb der Auf-
393 Hüffer/Koch, AktG § 111 Rn. 15; Habersack, in: MünchKomm AktG § 111 Rn. 45 f.; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 111 Rn. 86 ff.; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 92 ff.; Semler, Leitung und Überwachung der Aktiengesellschaft, Rn. 231 ff. Ablehnend Claussen, AG 1984, 20, 21, der eine „strikte Überwachung […] zu allen Zeiten“ fordert, dabei jedoch übersieht, dass dem Aufsichtsrat für seine Überwachungstätigkeit ein Ermessenspielraum zukommt.
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sichtsrat, wenn er davon Kenntnis erlangt, erhöhte Wachsamkeit zu ihrem Schutz an den Tag legen muss. Zu diesem Zweck hat er die Möglichkeit, über die allgemeinen Berichtspflichten des Vorstands aus § 90 Abs. 1 AktG hinaus zusätzliche Berichte anzufordern. § 90 Abs. 3 AktG spricht dem Aufsichtsrat das Recht zu, „jederzeit“ einen Bericht „über die Angelegenheiten der Gesellschaft“ zu verlangen. Die Vorschrift ist weit auszulegen,394 so dass sich der Aufsichtsrat regelmäßig und umfassend darüber informieren kann, wie sich das befangene Vorstandsmitglied in Bezug auf den kritischen Vorgang verhält und wie ernst tatsächlich die Gefahr ist, dass sich sein Eigeninteresse zum Nachteil der Gesellschaft auswirkt. Insoweit ist jedes Vorstandsmitglied dem Aufsichtsrat gegenüber zu unbedingter Offenheit verpflichtet.395 Auf den ersten Blick ist ein solches Berichtsverlangen kein allzu scharfes Schwert. Gleichwohl ist seine Wirkung nicht zu unterschätzen. Zum einen dient es dem Aufsichtsrat dazu, sich eine fundierte Informationsbasis für sein weiteres Vorgehen zu verschaffen. Zum andern kann er durch gezielte Nachfragen und Meinungsäußerungen das Problembewusstsein der neutralen Vorstandsmitglieder schärfen und sie zu erhöhter Aufmerksamkeit veranlassen. Und schließlich hat das Anfordern regelmäßiger Berichte auch für das befangene Vorstandsmitglied Signalwirkung, zeigt es ihm doch, dass der Aufsichtsrat ihn unter verschärfter Beobachtung hat und nicht gewillt ist, seine Eigeninteressen durchgehen zu lassen. 2. Anordnung von Ad-hoc-Zustimmungsvorbehalten Hat der Aufsichtsrat es unterlassen, konfliktbelastete Geschäfte und Maßnahmen abstrakt in einem Katalog zu beschreiben und generell an seine Zustimmung zu binden, so stellt sich die Frage, ob er einen Zustimmungsvorbehalt nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG auch ad hoc verfügen kann, wenn ihm ein Vorstandsmitglied einen konkreten Interessenkonflikt offenbart. Vor der gleichen Frage steht der Aufsichtsrat, wenn er zwar einen Katalog zustimmmungspflichtiger Geschäfte erstellt hat, der nunmehr auftretende Konflikt darin aber bislang nicht erwähnt ist. Nach ihrer Auslegung durch die h. M. lässt die Vorschrift derartige Ad-hocVorbehalte zu.396 Ebenso wie im Fall katalogmäßiger Zustimmungsvorbehalte sind 394 Spindler, in: MünchKomm AktG § 90 Rn. 34; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 90 Rn. 48; Kort, in: Großkomm AktG § 90 Rn. 88; Manger, NZG 2010, 1255, 1257. 395 BGHZ 20, 239, 250. Die Grenze des Informationsrechts liegt in seinem Missbrauch. Der Aufsichtsrat darf mit seinem Informationsverlangen nicht eigene Interessen zu Lasten der Gesellschaft verfolgen (Hüffer/Koch, AktG § 90 Rn. 12a) oder Berichte in einem solchen Umfang verlangen, dass er dadurch die Vorstandstätigkeit lahm legt (Spindler, in: MünchKomm AktG § 90 Rn. 34) oder sich eine ihm nicht zustehende Vorgesetztenrolle anmaßt (Mertens/ Cahn, in: Kölner Komm AktG § 90 Rn. 8). 396 BGHZ 124, 111, 127; Hüffer/Koch, AktG § 111 Rn. 39; Habersack, in: MünchKomm AktG § 111 Rn. 115; Schick, in: Wachter AktG § 111 Rn. 14; Götz, ZGR 1990, 633, 637 ff.; Lieder, DB 2004, 2251, 2253 f.; Schön, JZ 1994, 684, 685 f.; Lutter, in: FS Vieregge, 1995,
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sie bei Vorliegen eines vorstandsinternen Interessenkonflikts auch nicht auf Geschäfte von grundlegender Bedeutung beschränkt.397 Der Interessenkonflikt an sich genügt bereits, damit der Aufsichtsrat im Einzelfall einen Ad-hoc-Vorbehalt anordnen kann, um so eine von Eigeninteressen eines Vorstandsmitglieds beeinflusste Entscheidung durch sein Veto zu verhindern und dadurch Schaden von der Gesellschaft abzuwenden. Ob er hiervon Gebrauch macht, liegt grundsätzlich in seinem pflichtgemäßen Ermessen.398 Sein Ermessen kann sich allerdings „zu einer Pflicht verdichten, wenn er eine gesetzeswidrige Geschäftsführungsmaßnahme des Vorstands nur noch durch Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts unterbinden kann.“399 Ob ausreichender Anlass zu einer solchen Maßnahme besteht, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Solange der Aufsichtsrat die Gewissheit haben kann, dass sich schon aufgrund seiner intensivierten Überwachung und der Mehrheitsverhältnisse im Vorstand das Eigeninteresse des befangenen Mitglieds nicht durchsetzen wird, ist er zur Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts nicht verpflichtet. Muss er jedoch bei fortgesetzter sorgfältiger Analyse der Situation zu dem Ergebnis kommen, dass er den Vorstand nicht „im Griff“ hat und der Gesellschaft ein Nachteil droht, muss er das Konfliktgeschäft an seine Zustimmung binden. Anderenfalls läuft er Gefahr, sich gemäß §§ 116, 93 AktG selbst schadensersatzpflichtig zu machen. Sofern nicht ohnehin bereits katalogmäßig erfasst,400 lassen sich mit der Anordnung eines Ad-hoc-Zustimmungsvorbehalts auch diejenigen Konfliktkonstellationen beherrschen, für die in Rechtsprechung und Literatur teilweise die Lösung über eine analoge Anwendung des § 112 AktG gesucht wird. Speziell geht es dabei S. 603, 612 f.; Hoffmann-Becking, in: MünchHdb AG § 29 Rn. 43; a. A. Kort, in: Großkomm AktG vor § 76 Rn. 12, wonach Ad-hoc-Vorbehalte dadurch, dass der Aufsichtsrat zum Erlass eines Katalogs zustimmungsbedürftiger Maßnahmen nach Erlass des Transparenz- und Publizitätsgesetzes (TransPuG) im Jahr 2002 verpflichtet ist, überflüssig und somit unzulässig geworden seien. Diese Begründung ist nicht stichhaltig, weil der Aufsichtsrat nicht alle Situationen antizipieren und katalogmäßig erfassen kann, in denen ein Zustimmungsvorbehalt zweckmäßig oder gar erforderlich ist (so auch Fonk, ZGR 2006, 841, 851 f.; ebenso Lieder, DB 2004, 2251, 2253). 397 Für diese Einschränkung wohl, wenngleich ohne den Sonderfall eines Interessenkonflikts zu berücksichtigen, Hoffmann-Becking, in: MünchHdb AG § 29 Rn. 43 („besonders bedeutsames Geschäft“); ähnlich Schön, JZ 1994, 684, 685 f.; Lutter, in: FS Vieregge, S. 1995, 603, 612 f. Dagegen Habersack, in: MünchKomm AktG § 111 Rn. 115; Hüffer/Koch, AktG § 111 AktG Rn. 39; ferner Lieder, DB 2004, 2251, 2253. 398 Habersack, in: MünchKomm AktG § 111 Rn. 115; Lieder, DB 2004, 2251, 2253. 399 BGHZ 124, 111, 127; Habersack, in: MünchKomm AktG § 111 Rn. 115 (mit identischer Wortwahl wie der BGH); Schick, in: Wachter AktG § 111 Rn. 14; ähnlich Hüffer/Koch, AktG § 111 Rn. 37 („wenn schlechthin und eindeutig unvertretbares Vorstandshandeln zu befürchten ist“); Götz, ZGR 1990, 633, 637 f. („bei Bedenken des Aufsichtsrats hinsichtlich der gebotenen Sorgfalt des Vorstands“); Schön, JZ 1994, 684, 685 f. („wenn Maßnahmen des Vorstands von erheblicher Bedeutung für das Unternehmen anstehen, deren nachträgliche Kontrolle nicht ausreichen würde, um die Gesellschaft vor schwerwiegenden Nachteilen zu bewahren“); Lutter, in: FS Vieregge, 1995, S. 603, 612 f. („in existenzbedrohenden Situationen“). 400 Vgl. Formulierungsvorschlag oben unter § 7 I. 2. c).
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um den Sachverhalt, dass zwischen dem in Aussicht genommenen Vertragspartner der Gesellschaft und einem Vorstandsmitglied eine sog. wirtschaftliche Identität besteht.401 In einem vom Landgericht Koblenz entschiedenen Fall402 wollte der vom Verbot des § 181 BGB befreite Alleinvorstand ein Grundstück der Aktiengesellschaft an eine andere Gesellschaft, deren Alleingesellschafter er war, veräußern. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass das Veräußerungsgeschäft wegen Verstoßes gegen § 112 AktG nach § 134 BGB nichtig sei. § 112 AktG wolle eine abstrakte Gefährdung der Gesellschaftsinteressen vermeiden. Für die im Hinblick auf den Gesetzeszweck gebotene typisierende Betrachtungsweise könne es „keinen Unterschied machen, ob die Gesellschaft mit dem Vorstandsmitglied selbst oder einer juristischen Person kontrahiert, die von dem Vorstandsmitglied völlig beherrscht und mit ihm wirtschaftlich identisch ist.“ Deshalb „liegt die Vertretungskompetenz beim Aufsichtsrat, wenn zwischen dem Dritten und dem Vorstand wirtschaftliche Identität besteht, insbesondere, wenn es sich bei dem Dritten um eine Einmann-Gesellschaft eines Vorstandsmitglieds handelt.“403 Obwohl sich der Vorstand beim Abschluss eines Rechtsgeschäfts zwischen der Gesellschaft und einem Dritten, der mit einem Vorstandsmitglied (nur wirtschaftlich) identisch ist, in einer Befangenheitssituation befindet, die sich von der bei einem unmittelbar mit dem Vorstandsmitglied selbst zu schließenden Geschäft substanziell nicht unterscheidet, ist zweifelhaft, ob es tatsächlich der Konzeption des Aktiengesetzes entspricht, derartige Konflikte durch die Vertretung der Gesellschaft durch den Aufsichtsrat analog § 112 AktG zu lösen. Eine Analogie setzt eine planwidrige Regelungslücke im positiven Recht voraus.404 Für die Feststellung einer solchen Lücke ist nicht entscheidend, ob man eine bestimmte, im Gesetz nicht enthaltene Regelung de lege ferenda für rechtspolitisch wünschenswert hält, sondern ob die Nichtanwendung der aus der potentiellen Analogie resultierenden Rechtsfolge auf 401
Zum Teil wird nicht einmal wirtschaftliche Identität verlangt, sondern eine „maßgebliche Beteiligung“ des Vorstandsmitglieds an dem Vertragspartner für ausreichend erachtet, um die Vertretungsbefugnis des Aufsichtsrats nach § 112 AktG zu bejahen (so etwa Rupietta, NZG 2007, 801, 802 ff.; Spindler, in: Spindler/Stilz AktG § 112 Rn. 8); gegen eine solche Ausweitung zu Recht Werner, ZGR 1989, 369, 374, Fußn. 16; Hüffer/Koch, AktG § 112 Rn. 4; Thoma, Eigengeschäfte, S. 180; offen gelassen in BGH NJW 2013, 1742. 402 ZNotP 2002, 322. 403 LG Koblenz a.a.O.; ebenso die h. M. in der Literatur: Habersack, in: MünchKomm AktG § 112 Rn. 9; Hüffer/Koch, AktG § 112 Rn. 4; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 112 Rn. 18; Spindler, in: Spindler/Stilz AktG § 112 Rn. 8; Drygala, in: Schmidt/Lutter AktG § 112 Rn. 11; Werner, ZGR 1989, 369, 373 f.; Thoma, Eigengeschäfte, S 179; Baumanns, Rechtsfolgen einer Interessenkollision bei AG-Vorstandsmitgliedern, S. 68 ff.; Borsdorff, Interessenkonflikte bei Organmitgliedern, S. 46; Baetzgen, RNotZ 2005, 193, 216; a. A. Hopt/ Roth, in: Großkomm AktG § 112 Rn. 43; Fischer, ZNotP 2002, 297, 300 f.; einschränkend ders., in: GS Gruson, 2009, 151, 155: Für „praktische Zwecke“ sei der Streit müßig, denn „nachdem das Landgericht Koblenz, das Landgericht Köln sowie diesen folgend die herrschende Meinung in der Literatur § 112 AktG auf Fälle „wirtschaftlicher Identität“ anwenden, hat der Rechtsanwender in der Praxis diese herrschende Meinung zu beachten.“ 404 Larenz, Methodenlehre, S. 370 ff.; ferner BGHZ 149, 165, 174; 155, 380, 389.
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den in Frage stehenden Sachverhalt zu einem im Verhältnis zur eigentlichen Gesetzeskonzeption wertungswidersprüchlichen Ergebnis führt.405 Was den Sachverhalt des Rechtsgeschäfts zwischen der Aktiengesellschaft und dem mit einem Vorstandsmitglied wirtschaftlich identischen Dritten angeht, lässt sich eine planwidrige Regelungslücke aber nicht ausmachen. Dem Aktiengesetz ist die Konstellation, dass ein Vertragspartner der Gesellschaft mit einem Vorstandsmitglied zwar nicht formaljuristisch, wohl aber wirtschaftlich identisch ist, durchaus geläufig. So unterscheidet es bei der Kreditgewährung in § 89 AktG ausdrücklich danach, ob das Geschäft mit dem Vorstandsmitglied selbst oder mit einem vorgeschobenen „Strohmann“406 geschlossen wird. Wird der Kredit nicht nach § 89 Abs. 1 AktG dem Organmitglied in persona gewährt, sondern „an einen Dritten, der für Rechnung […] eines Vorstandsmitglieds […] handelt“, in Bezug auf das Geschäft also mit dem Vorstandsmitglied wirtschaftlich identisch ist, so ist für den Abschluss des Rechtsgeschäfts unstreitig der Vorstand zuständig. Seitens des Aufsichtsrats ist lediglich die Einwilligung zu dem Kreditgeschäft erforderlich (§ 89 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 AktG), die auch nachträglich als Genehmigung erteilt werden kann (§ 89 Abs. 5 AktG). Wenn aber die Vertretungsbefugnis des Vorstands selbst bei einer für das Gesellschaftsvermögen naturgemäß besonders risikoträchtigen Kreditgewährung an ein „wirtschaftliches Alter Ego“ des Vorstandsmitglieds nicht nach § 112 AktG auf den Aufsichtsrat übergeht, dann muss das erst recht für Geschäfte gelten, die ihrer Art nach zum normalen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft gehören. Näher als eine Analogie zu §§ 89 Abs. 1, 112 AktG läge daher die Parallele zu § 89 Abs. 3 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 AktG. Ein gesetzliches Vetorecht des Aufsichtsrats würde weniger einschneidend in die Kompetenzen des Vorstands eingreifen als der vollständige Entzug seiner Vertretungsmacht, das Interesse der Gesellschaft an einem inhaltlich unbedenklichen Geschäft mit dem wirtschaftlich identischen Dritten aber ähnlich effektiv schützen. Doch auch insoweit fehlt es an der erforderlichen planwidrigen Regelungslücke. Wie im bisherigen Verlauf dieser Untersuchung bereits gezeigt, versucht das Aktienrecht auf unterschiedliche Art und Weise zu vermeiden, dass die Interessen der Gesellschaft und ihrer Vorstandsmitglieder divergieren und absehbare Konflikte sich auf die Amtsführung des Vorstands gesellschaftsschädigend auswirken. Soweit es dazu ausnahmsweise die Geschäftsführungs- und Vertretungskompetenz des Vorstands direkt auf den Aufsichtsrat verlagert (z. B. §§ 84, 88, 89 Abs. 1, 112 AktG) oder seine Geschäftsführungsbefugnis durch einen gesetzlichen Zustimmungsvorbehalt des Aufsichtsrats beschränkt (z. B. § 89 Abs. 2 und 3 AktG407), handelt es sich um typisierte Sondersituationen, deren tatbestandliche Voraussetzungen im Interesse des Rechtsverkehrs an eindeu405 Larenz, Methodenlehre, S. 372 („Frage, die nach der zugrundeliegenden Regelungsabsicht einer Regelung bedarf.“). 406 Vgl. zum Begriff etwa Kort, in: Großkomm AktG § 89 Rn. 95, 104 („Strohperson“). 407 Weitere Beispiele finden sich in § 172 AktG (Billigung des vom Vorstand aufgestellten Jahresabschlusses) und § 204 Abs. 1 Satz 2 AktG (Zustimmung zur Entscheidung des Vorstands über die Verwendung eines genehmigten Kapitals).
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tigen Organzuständigkeiten mit formalrechtlicher Strenge definiert sind. Analogien zu diesen gesetzlichen Modifikationen der grundsätzlichen Organisationsverfassung der Aktiengesellschaft ist daher mit Zurückhaltung zu begegnen. Dass sich das Phänomen vorstandsspezifischer Interessenkonflikte bei Geschäften mit Dritten – sowohl sachlich, was die Art der Geschäfte, als auch persönlich, was den Kreis der in Frage kommenden Dritten betrifft – nicht in den ausdrücklich kodifizierten Sondersachverhalten erschöpft, war zweifellos auch dem Gesetzgeber bekannt. Im Zuge der Aktienrechtsreform 1965 hat er sich mit dem Problem vorstandsbezogener Sonderinteressen ausführlich befasst und in diesem Zusammenhang die Befugnisse des Vorstands durch verschiedene Neuregelungen (z. B. § 112, § 89 Abs. 4 AktG) zugunsten des Aufsichtsrats eingeschränkt.408 Hätte er das in § 89 Abs. 3 AktG speziell für Kreditgeschäfte mit Strohleuten normierte gesetzliche Vetorecht des Aufsichtsrats verallgemeinern und auf alle Geschäfte der Aktiengesellschaft mit nahe stehenden oder zumindest wirtschaftlich identischen Dritten eines Vorstandsmitglieds erstrecken wollen, so hätte es nahe gelegen, das aktiengesetzliche Organisationsrecht auch in diesem Punkt ausdrücklich zu ergänzen. Dass er von einer solchen Ergänzung abgesehen, sie nicht einmal in Erwägung gezogen hat, spricht nicht etwa für ein planwidriges Versäumnis, durch das eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke zurückgeblieben wäre. Vielmehr ist darin die gesetzgeberische Wertung zu erkennen, dass sich die Aktiengesellschaft als juristische Person des Privatrechts in einer von Selbstbestimmung und Eigenverantwortung getragenen Wirtschaftsordnung um die Abwehr von Risiken, die durch Interessenkonflikte ihrer Vorstandsmitglieder – also durch Umstände in ihrer eigenen Verantwortungssphäre – hervorgerufen werden, durch ihr eigens dazu installiertes Überwachungsorgan Aufsichtsrat grundsätzlich selbst kümmern muss. Der Aufsichtsrat hat im Rahmen seiner allgemeinen Überwachungsfunktion nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG das Recht und – je nach Intensität und Ausmaß ihrer Gefährlichkeit für das Gesellschaftsvermögen – im Einzelfall auch die Pflicht, den Abschluss neutraler Geschäfte mit vorstandsnahen Dritten von seiner Zustimmung abhängig zu machen. Nicht hoheitliche Anordnung, sondern der privatautonome Entschluss des Aufsichtsrats bestimmt darüber, ob und wie die Gesellschaft dem Sonderinteresse eines Vorstandsmitglieds im geschäftlichen Umgang mit Dritten jenseits des gesetzlichen Ausnahmetatbestands der Kreditgewährung begegnet. Macht der Aufsichtsrat von seinem Vetorecht keinen Gebrauch, weil das befangene Vorstandsmitglied seinen Interessenkonflikt pflichtwidrig nicht offenbart hat, so ist das von ihm allein oder unter seiner Beteiligung abgeschlossene Rechtsgeschäft gem. § 78 Abs. 1 AktG daher grundsätzlich voll wirksam, auch wenn es für die Gesellschaft nachteilig ist. Etwas anderes gilt nur in dem Fall, dass das Geschäft wegen Missbrauchs der Vertretungsmacht nach § 138 BGB nichtig ist, z. B. weil das Vorstandsmitglied sein Sonderinteresse gegenüber seinen Vorstandskollegen und dem Aufsichtsrat mit Wissen des Dritten absichtlich verschleiert hat, um diesen bzw. sich selbst auf Kosten 408 Siehe hierzu die BegrRegE Kropff, S. 114 (Kreditgeschäfte) und S. 156 (Neuregelung des § 112 AktG).
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der Gesellschaft unbehelligt bereichern zu können („Kollusion“). Liegen die Voraussetzungen für eine Nichtigkeit nicht vor, braucht sich die Gesellschaft an dem nachteiligen Geschäftsabschluss gem. § 242 BGB ferner dann nicht festhalten zu lassen, wenn die interne Pflichtwidrigkeit für den Geschäftspartner der Aktiengesellschaft evident war,409 was bei wirtschaftlicher Identität zwischen ihm und dem Vorstandsmitglied stets gegeben sein wird. Im Übrigen bleibt ihr der nachwirkende Rechtsschutz in Form von Schadensersatzansprüchen gegen die treuwidrig handelnden Vorstands- und ihre Aufsichtspflichten vernachlässigenden Aufsichtsratsmitglieder. 3. Ad-hoc-Änderungen der Organisation der Geschäftsführung? Mit einem Zustimmungsvorbehalt kann der Aufsichtsrat verhindern, dass der Vorstand eine Entscheidung zum Nachteil der Gesellschaft durchsetzt. Nicht verhindern kann er damit, dass ein befangenes Mitglied eine im Interesse der Gesellschaft gebotene Entscheidung aus Eigeninteresse blockiert. Dazu bedarf es, wenn der Betroffene hinsichtlich der in Frage stehenden Maßnahme zur Einzelgeschäftsführung befugt ist oder die Beschlussfassung des Vorstands dem Einstimmigkeitsprinzip unterliegt, ihrer Rückführung in die Gesamtgeschäftsführung des Vorstands und der Beschlussfassung nach Maßgabe des Mehrheitsprinzips. Vor diesem Hintergrund ist zu prüfen, ob der Aufsichtsrat diese Rechtsfolgen bei Bekanntwerden eines akuten Interessenkonflikts ebenfalls ad hoc anordnen kann, wenn eine entsprechende allgemeine Regelung in der Geschäftsordnung des Vorstands fehlt. Angesichts der durch §§ 76 Abs. 1, 111 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 AktG normierten Aufgabenverteilung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat bedarf ein solcher direkter Einzeleingriff des Kontrollorgans in die Geschäftsführung des Vorstands einer gesetzlichen Legitimation. Eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für einzelfallbezogene Änderungen der Geschäftsverteilung und Abstimmungsregelungen außerhalb der Geschäftsordnung durch den Aufsichtsrat enthält das Aktiengesetz nicht.410 Es wäre auch mit den normativen Festlegungen der Zuständigkeit und Weisungsfreiheit des Vorstands nicht vereinbar, wenn der Aufsichtsrat in jedem Einzelfall beliebig darüber bestimmen könnte, ob eine Maßnahme entgegen den Regeln der Geschäftsordnung von einem einzelnen oder von allen Vorstandsmitgliedern wahrzunehmen ist und welche Beschlussmehrheiten erforderlich sind. Allerdings stehen hier nicht willkürliche Eingriffe des Aufsichtsrats in unabdingbare Rechte des Vorstands zur Diskussion. Zu entscheiden ist vielmehr die Frage, ob der Aufsichtsrat kraft seiner Überwachungsaufgabe berechtigt, womöglich sogar verpflichtet ist, zum Schutz der Gesellschaft vor einem akuten Interessenkonflikt eines 409
Siehe dazu unten § 10 II. § 77 Abs. 2 Satz 1 AktG gestattet dem Aufsichtsrat zwar die Errichtung und Änderung einer Geschäftsordnung für den Vorstand. Zugeschnitten ist die Norm aber nur auf die Einführung und Änderung abstrakt-genereller Regelungen. Ad-hoc-Maßnahmen umfasst sie ihrem Wortlaut nach nicht. 410
§ 7 Konfliktmanagement des Aufsichtsrats
143
Vorstandsmitglieds ad hoc eine Einzelfallregelung zu treffen, die inhaltlich – hätte er sie vorausschauend in Form einer abstrakt-generellen Geschäftsordnungsregelung getroffen – keinerlei Bedenken ausgesetzt wäre. Bei der Entscheidung dieser Frage ist zu berücksichtigen, dass die dem Aufsichtsrat zur Verfügung stehenden Kontrollinstrumente im Gesetz nicht abschließend aufgezählt sind. Vielmehr überlässt es „das Aktiengesetz […] weitgehend der Ausfüllung, was unter der Überwachung der Geschäftsführung im Einzelnen zu verstehen ist, wie diese durchzuführen ist und welche Gesichtspunkte dabei maßgebend sind.“411 Die konkrete Ausgestaltung der Überwachung liegt im Ermessen des Aufsichtsrats.412 Genauso wie es dem Aufsichtsrat im Rahmen seines ordnungsgemäß ausgeübten Ermessens gestattet ist, die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands über den eigentlichen Gesetzeswortlaut hinaus ad hoc durch einen Zustimmungsvorbehalt einzuschränken, so darf er auch ad hoc die vorstandsinternen Zuständigkeiten den anlässlich des konkreten Falls sichtbar gewordenen Erfordernissen anpassen. Zumindest gilt das für die Maßnahme, eine konfliktbelastete Entscheidung aus der alleinigen bzw. bestimmenden Verantwortlichkeit des befangenen Vorstandsmitglieds zu lösen und dem Gesamtgremium zuzuführen. Damit greift der Aufsichtsrat weder grundlegend in die Geschäftsführungszuständigkeit des Vorstands noch disziplinierend in die Befugnisse des befangenen Mitglieds ein. Er nimmt auch keinen direkten Einfluss auf den Inhalt der Entscheidung, sondern regelt nur das vorstandsinterne Zusammenwirken anlässlich eines konkret eingetretenen Konfliktfalls neu. Um zu verhindern, dass die Gesellschaft durch eigennütziges Handeln eines einzelnen befangenen Mitglieds Schaden nehmen kann, ist er dazu kraft seines Amtes berechtigt und – je nach Gefährdungslage – auch verpflichtet. 4. Widerruf der Bestellung eines befangenen Vorstandsmitglieds Mit dem bislang beschriebenen Instrumentarium lassen sich die meisten Konfliktsituationen wirksam lösen. Für bestimmte Konstellationen ist es jedoch weniger bis gar nicht geeignet. Zu denken ist hier insbesondere an den Fall, dass ein befangener Einpersonenvorstand aufgrund seines Interessenkonflikts eine für die Gesellschaft erforderliche Maßnahme nicht trifft, also aus sachwidrigen Gründen untätig bleibt. Ähnlichen Schwierigkeiten begegnet man, wenn sich ein Vorstandsmitglied bei seiner Geschäftsführung in einem Dauerkonflikt mit den Interessen der Gesellschaft befindet. a) Abberufung bei sachwidriger Untätigkeit Beispiel: V ist alleiniges Vorstandsmitglied der X-AG. Diese hat ein Bürogebäude gemietet, das im Eigentum des Immobilienfonds I-GbR steht. V ist an der I-GbR und deren Miet411 412
Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 111 Rn. 82. Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 111 Rn. 155.
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1. Teil, 3. Kap.: Handlungsoptionen der Gesellschaft
einnahmen nennenswert beteiligt. Infolge eines Überangebots an gewerblichen Mietflächen ist das Mietniveau inzwischen deutlich gesunken. Im Interesse der X-AG wäre es deshalb geboten, den Mietvertrag zu kündigen, um entweder eine Mietreduzierung für die gegenwärtige Bürofläche zu erreichen oder in ein günstigeres Objekt umzuziehen. Mit Rücksicht auf seine Fondsbeteiligung bleibt V untätig.413
An dem gewählten Beispiel wird deutlich, dass einem untätigen Einzelvorstand mit Organisationsmaßnahmen und Abstimmungsregeln nicht beizukommen ist. Ebenso läuft die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts hier ins Leere. Ein Zustimmungsvorbehalt kann eine sachwidrige Entscheidung verhindern, nicht aber eine sachgerechte herbeiführen. Um diesem Dilemma zu entkommen, vertritt Lange die Ansicht, dass der Aufsichtsrat auch ein unternehmerisches Unterlassen des Vorstands an seine Zustimmung binden könne;414 es sei mit der Intention des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG „unvereinbar, Entscheidungsprozesse über grundsätzliche Fragen, die mit der Vorstandsentscheidung enden, dass eine bestimmte Maßnahme nicht vorgenommen wird, von einem Votum des Aufsichtsrats auszuschließen.“415 Die h. M. in der Literatur hat dem jedoch zu Recht entgegengehalten, dass ein Zustimmungserfordernis für ein Unterlassen einen unzulässigen Eingriff in die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands bedeuten würde.416 Der Aufsichtsrat erhielte auf diese Weise nicht nur ein Veto-, sondern ein direktes Weisungsrecht für Geschäftsführungsmaßnahmen, was mit der gesetzlichen Kompetenzverteilung zwischen beiden Organen unvereinbar ist. Wenn V sich dauerhaft weigert, die gebotenen Maßnahmen in Angriff zu nehmen, bleibt dem Aufsichtsrat daher keine andere Wahl, als ihn gemäß § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG abzuberufen und durch ein unbefangenes Vorstandsmitglied zu ersetzen. Hierzu bedarf es gemäß § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG eines wichtigen Grundes, der nur gegeben ist, wenn es der Gesellschaft nicht zugemutet werden kann, die Organstellung eines Vorstandsmitglieds bis zum Ende seiner Amtszeit beizubehalten.417 413 Beispiel in loser Anlehnung an die bereits in der Einleitung zu dieser Untersuchung herangezogenen Medienberichte über die Ermittlungen gegen den Vorstandsvorsitzenden der frühren KarstadtQuelle AG, Thomas Middelhoff, in denen es um die Frage geht, ob Middelhoff zulasten von KarstadtQuelle deutlich über den marktüblichen Tarifen liegende Mieten an einen Immobilienfonds zahlte, an dem er selbst beteiligt war. Vgl. hierzu den Bericht von Lerch in der Online-Ausgabe des Tagesspiegel vom 07. 07. 2010 „Insolvenzverwalter verklagt Middelhoff“ (www.tagesspiegel.de/Wirtschaft/Insolvenzverwalter-verklagt-Middelhoff/1878070.html; abgerufen am 13. 11. 2014). 414 Lange, DStR 2003, 376, 377. 415 Lange, DStR 2003, 376, 377. 416 Dietrich, DStR 2003, 1577, 1578; Habersack, in: MünchKomm AktG § 111 Rn. 112; Hopt, in: Großkomm AktG 111 Rn. 647; Hüffer/Koch, AktG § 111 Rn. 37; Grigoleit/Tomasic, in: Grigoleit AktG § 111 Rn. 43; Breuer/Fraune, in: Heidel AktR § 111 AktG Rn. 28; Lieder, DB 2004, 2251, 2254; zustimmend OLG Stuttgart AG 2013, 599, 603. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat sich mit dieser Frage, soweit ersichtlich, noch nicht befasst. 417 Unstreitig. Siehe BGH NJW-RR 1998, 352, 353; OLG Stuttgart AG 2003, 211, 212; OLG Karlsruhe NZG 2000, 264, 265; Hüffer/Koch, AktG § 84 Rn. 34; Spindler, in: MünchKomm AktG § 84 Rn. 128.
§ 7 Konfliktmanagement des Aufsichtsrats
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Umstritten ist, ob zur Feststellung der Unzumutbarkeit die Interessen der Gesellschaft und des Vorstandsmitglieds gegeneinander abgewogen werden müssen,418 oder ob nur auf die Interessen der Gesellschaft abzuheben ist.419 Für den Beispielsfall ist der Streit im Ergebnis ohne Bedeutung, denn das pflichtwidrige Unterlassen einer im Interesse der Gesellschaft gebotenen Geschäftsführungsmaßnahme zur Durchsetzung eigener Interessen erfüllt den Tatbestand der groben Pflichtverletzung i. S. d. § 84 Abs. 3 Satz 2 AktG. Das Interesse der X-AG am raschen Austausch des V zur Wiedererlangung ihrer faktisch verloren gegangenen unbedingten Handlungsfähigkeit wiegt in jedem Fall schwerer als das Interesse des V, Vorstand zu bleiben und es so in der Hand zu haben, weiterhin auf Kosten der X-AG von den überhöhten Mieteinnahmen der I-GbR profitieren zu können. Der korporationsrechtliche Widerruf der Bestellung führt nicht automatisch zur Beendigung des schuldrechtlichen Anstellungsvertrags. Dieser muss gesondert gekündigt werden,420 andernfalls gerät die Gesellschaft in die Gefahr, zur Entrichtung von Annahmeverzugslohn nach § 84 Abs. 3 Satz 5 AktG i. V. m. § 615 Satz 1 BGB verpflichtet zu sein. Es ist deshalb zu prüfen, inwieweit der Sachverhalt, der die Abberufung des V rechtfertigt, zugleich herangezogen werden kann, um auch die anstellungsvertragliche Bindung zu lösen. Die Kündigung des Anstellungsvertrags richtet sich nach § 626 Abs. 1 BGB,421 der wie § 84 Abs. 3 Satz 1 AktG einen wichtigen Grund voraussetzt. Inhaltlich ist jedoch die erforderliche Abwägung in beiden Bereichen unterschiedlich determiniert.422 Während beim Widerruf der Bestellung das Interesse der Gesellschaft an einer ordnungsgemäßen Amtsführung im Mittelpunkt steht, spielen bei der Kündigung des Anstellungsvertrags in erster Linie die gegensätzlichen wirtschaftlichen Interessen eine Rolle, nämlich die Frage, ob es eher der Gesellschaft zuzumuten ist, die Vorstandsvergütung bis zum regulären Ablauf der Amtszeit weiter zu entrichten, als dem Vorstandsmitglied, auf die Fort-
418 So die wohl h. M.: KG AG 2007, 745, 746; Hüffer/Koch, AktG § 84 Rn. 34; Kort, in: Großkomm AktG § 84 Rn. 10; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 84 Rn. 121; Weber, in: Hölters AktG § 84 Rn. 71; Tschöpe/Wortmann, NZG 2009, 161, 162; Janzen, NZG 2003, 468, 470; Grumann/Gillmann, DB 2003, 770, 771. 419 So die vordringende Gegenmeinung; z. B. Thüsing, in: Hdb des Vorstandsrechts § 5 Rn. 9; Seibt, in: Schmidt/Lutter AktG § 84 Rn. 49; Oltmanns, in: Heidel AktR, § 84 AktG Rn. 20; Vedder, in: Grigoleit AktG § 84 Rn. 32; Eckert, in: Wachter AktG § 84 Rn. 41; Krieger, Personalentscheidungen des Aufsichtsrats, S. 132. 420 Wobei im Widerruf der Bestellung häufig konkludent die Kündigung des Anstellungsvertrags enthalten sein wird (Thüsing, in: Hdb des Vorstandsrechts § 5 Rn. 51; Spindler, in: MünchKomm AktG § 84 Rn. 159; so auch BGHZ 12, 337, 340). 421 Wegen des Verweises in § 84 Abs. 3 S. 5 AktG auf die „allgemeinen Vorschriften“ ganz allg. Meinung; siehe Oltmanns, in: Heidel AktR § 84 AktG Rn. 33; Hüffer/Koch, AktG § 84 Rn. 48; Spindler, in: MünchKomm AktG § 84 Rn. 160; Pusch, in: Hümmerich/Boecken/Düwell AnwK ArbR § 84 AktG Rn. 44; Henssler, in: MünchKomm BGB § 626 Rn. 29. 422 Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 84 Rn. 150; Kort, in: Großkomm AktG § 84 Rn. 482; Tschöpe/Wortmann, NZG 2009, 161.
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1. Teil, 3. Kap.: Handlungsoptionen der Gesellschaft
zahlung seiner Bezüge zu verzichten.423 Da für die Weigerung des V, bei der I-GbR einen Mietnachlass zu erwirken, kein sachgerechter Grund ersichtlich ist und sein Verhalten daher allein zum Ziel hat, die I-GbR auch weiterhin in den Genuss überhöhter Mietzahlungen kommen zu lassen, spricht viel dafür, dass V mit seinem Verhalten einen wichtigen Grund für die Kündigung seines Anstellungsvertrags gesetzt hat. In der Praxis ist zur Beantwortung dieser Frage allerdings eine umfassende, einzelfallbezogene Interessenabwägung erforderlich.424 b) Abberufung bei Dauerkonflikt Beispiel: V ist im Vorstand des Energieunternehmens E-AG für die Sparte Kernenergie zuständig. Als sein Sohn, der in einem der Kernkraftwerke der E-AG ein Praktikum absolviert, bei einem Reaktorunfall tödlich verstrahlt wird, verliert V den Glauben an die Atomenergie und tritt innerhalb und außerhalb des Unternehmens für einen möglichst raschen Rückzug aus dieser Energieart ein.
Im Gegensatz zum vorherigen Beispielsfall bezieht sich der Interessenkonflikt des V hier nicht auf eine einzelne Vorstandsmaßnahme, sondern ergreift die gesamte Leitungsaufgabe intensiv und dauerhaft. V wird künftig keine wesentliche Entscheidung für die E-AG mehr treffen können, ohne durch seine erklärte Gegnerschaft zu deren Geschäftsmodell beeinträchtigt zu sein. Mit den der Gesellschaft zur Verfügung stehenden Mitteln zur Eindämmung vorstandsbezogener Interessenkonflikte lässt sich ein solcher Dauerkonflikt nicht angemessen beherrschen. Erforderlich wäre eine permanent erhöhte Überwachungstätigkeit durch den Aufsichtsrat mittels ständig zu erneuernden Einzelmaßnahmen. Dies ist faktisch nicht möglich und der Gesellschaft nicht zuzumuten. In der Position als verantwortliches Vorstandsmitglied für die Kernenergie ist V nicht mehr tragbar. Um den Konflikt aus der Welt zu schaffen, bleibt deshalb – sofern V nicht schon einvernehmlich aus dem Amt scheidet – nichts anderes, als seine Bestellung zu widerrufen.425 423 Hüffer/Koch, AktG § 84 Rn. 50 f.; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 84 Rn. 150; Weber, in: Hölters AktG § 84 Rn. 96; Spindler, in: MünchKomm AktG § 84 Rn. 177. 424 Streitig ist, ob der außerordentlichen Kündigung des Anstellungsvertrags eine Abmahnung vorausgehen muss (grundsätzlich bejahend z. B. J. Koch, ZIP 2005, 1621 ff. mit Verweis auf § 314 Abs 2 BGB, der ein Abmahnungserfordernis generell, also auch bzgl. Vorstandsmitgliedern aufstelle). Mit a. A. insbesondere die Rspr. (vgl. BGH NJW 2000, 1638 f.; BGH NZG 2002, 46, 47; BGH NZG 2007, 674). 425 Für solche Fälle so z. B. auch Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141, 149. Unter normalen Umständen wird der Abberufung kein schutzwürdiges Interesse des V am Erhalt seiner Amtstellung entgegenstehen. Zum einen fallen die amtsbezogenen Interessen eines Vorstandsmitglieds beim Widerruf seiner Bestellung gegenüber den Interessen der Gesellschaft generell weniger ins Gewicht (Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 84 Rn. 121; Hüffer/ Koch, AktG § 84 Rn. 34; Grumann/Gillmann, DB 2003, 770, 771). Zum anderen ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass V den mit einer Abberufung häufig einhergehenden Imageschaden und die daraus resultierenden Nachteile für sein weiteres Fortkommen kaum zu befürchten hat (diesen Aspekt betont z. B. Weber, in: Hölters AktG § 84 Rn. 71; ebenso Janzen, NZG 2003, 468, 470 und Tschöpe/Wortmann, NZG 2009, 161, 162). Sein Interessenkonflikt ist
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Abermals ist fraglich, ob der Sachverhalt auch einen wichtigen Grund für die Kündigung des Anstellungsvertrags des V nach § 626 BGB abgibt, mit der Folge, dass V neben seinem Vorstandsamt auch seinen Vergütungsanspruch verlöre. Insoweit ließe es die Art und Weise, wie es zu dem Interessenkonflikt gekommen ist, zunächst unbillig erscheinen, wenn V zu allem persönlichen, in der Sphäre der E-AG entstandenen Leid obendrein noch ohne Vergütungsanspruch „vor die Tür“ gesetzt würde. Andererseits hat der Vergütungsanspruch nicht die Funktion eines Schadensersatzes oder Schmerzensgeldes, sondern ist die Gegenleistung für die ordnungsgemäße Erfüllung der Geschäftsführungspflicht. Man wird also zusätzliche Gesichtspunkte wie die bisherigen Verdienste des V für die E-AG, die restliche Laufzeit seiner regulären Amtsdauer, sein Alter und seine Vermittlungsfähigkeit in eine angemessene Position außerhalb der E-AG ebenso berücksichtigen müssen, wie die Frage, ob und wie lange die E-AG finanziell in der Lage ist, neben einem neu zu bestellenden Vorstandsmitglied auch V weiter zu bezahlen.426 Die endgültige Beurteilung der Situation hängt somit von Umständen ab, über die der Sachverhalt nicht hinreichend Auskunft gibt. Eine abschließende Entscheidung darüber unterbleibt daher auch in diesem Fallbeispiel.
menschlich gut nachvollziehbar, seine Motive sind weder ehrenrührig noch lassen sie negative Rückschlüsse auf seine generelle charakterliche und fachliche Eignung für ein Vorstandsamt zu. 426 Insgesamt werden die Art und die Gewichtung der zu berücksichtigenden Interessen häufig ähnlich sein, wie bei der Abwägung im Rahmen einer außerordentlichen Kündigung eines Arbeitsverhältnisses (Thüsing, in: Hdb des Vorstandsrechts § 5 Rn. 56).
4. Kapitel
Auswirkungen des Interessenkonflikts auf die Geschäftsführungsbefugnis des befangenen Vorstandsmitglieds Die Ausführungen im vorigen Kapitel gehen davon aus, dass das befangene Vorstandsmitglied, abgesehen von den Fällen, in denen das Gesetz die Geschäftsführungsbefugnis und Vertretungsmacht des Gesamtvorstands auf den Aufsichtsrat überträgt oder durch dessen Vetorecht beschränkt, grundsätzlich auch im Interessenkonflikt zur eigenverantwortlichen Leitung der Gesellschaft berechtigt und verpflichtet bleibt. Nur auf der Grundlage dieses Verständnisses stellt sich für das Vorstandsmitglied die Frage, ob es sich durch die Einrede des Leistungsverweigerungsrechts nach § 275 Abs. 3 BGB von seiner Verpflichtung lösen kann, und für den Aufsichtsrat das Problem, wie er am besten der Gefahr entgegentritt, dass der Befangene seine Leitungsbefugnis dazu missbraucht, sein Sonderinteresse zum Nachteil der Gesellschaft durchzusetzen. Demgegenüber vertritt ein Teil der aktienrechtlichen Literatur die Auffassung, dass ein befangenes Vorstandsmitglied zur Vermeidung von Interessenkonflikten bereits kraft Gesetzes von der persönlichen Mitwirkung an einer seine eigenen Interessen berührenden Geschäftsführungsmaßnahme ausgeschlossen sei oder doch zumindest einem direkten oder analogen Stimmverbot unterliege, wenn im Vorstand über eine solche Maßnahme Beschluss gefasst wird. Eine ausdrückliche Regelung derartiger ex lege wirkender Rechtsfolgen enthält das Aktiengesetz nicht. Die folgenden Ausführungen widmen sich deshalb der Frage, ob sich für einen individuellen Geschäftsführungs- oder Stimmrechtsausschluss des befangenen Vorstandsmitglieds belastbare Rechtsgrundlagen finden lassen.
§ 8 Gesetzlicher Ausschluss des befangenen Vorstandsmitglieds von der Geschäftsführung I. Unmöglichkeit der Geschäftsführung (§ 275 Abs. 1 BGB) Namentlich Lutter vertritt die Ansicht, ein Vorstandsmitglied sei von der Mitwirkung an einer Geschäftsführungsmaßnahme ex lege ausgeschlossen, sobald sich
§ 8 Gesetzlicher Geschäftsführungsausschluss
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für ihn in Bezug auf diese Maßnahme eine Interessenkollision abzeichnet.427 Die Vorstandsmitglieder seien auf das alleinige Wohl ihrer Gesellschaft verpflichtet. Ein ausschließliches Handeln im Interesse der Gesellschaft sei im Interessenkonflikt aber nicht mehr möglich. Kein Vorstandsmitglied könne in einer solchen Situation seine Interessen völlig ausblenden. Als Konsequenz sei das Vorstandsmitglied, soweit der Konflikt reicht, von der Geschäftsführung „von Rechts wegen“ ausgeschlossen, denn Unmögliches könne auch von Organmitgliedern nicht verlangt werden.428 Auf der anderen Seite könne auch die Gesellschaft nicht sicher sein, dass nicht Eigeninteressen im Handeln des Vorstandsmitglieds wirksam werden. Das könne nur bedeuten, dass es in dieser Situation für die Gesellschaft nicht handeln dürfe, denn die Interessen der Gesellschaft stünden im Zentrum und dürften nicht gefährdet werden.429 Als Rechtsgrundlage für den von Lutter vertretenen Geschäftsführungsausschluss kommt die Vorschrift des § 275 Abs. 1 BGB in Betracht. Danach ist der Anspruch auf die Leistung ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist.430 § 275 BGB gilt für alle Leistungspflichten, gleich, ob sie auf vertraglicher oder gesetzlicher Grundlage beruhen.431 Die Vorschrift ist grundsätzlich auch auf Ansprüche außerhalb rein schuldrechtlicher Beziehungen anwendbar.432 Unmöglichkeit i. S. d. § 275 Abs. 1 BGB liegt aber nur dann vor, wenn die Leistung unter keinen Umständen erbracht werden kann.433 Davon kann bei einem vorstandsspezifischen Interessenkonflikt nicht die Rede sein. Ein solcher Konflikt macht es dem Vorstandsmitglied vielleicht persönlich schwerer, aber weder tatsächlich noch rechtlich unmöglich, seine Geschäftsführungsaufgabe zu erfüllen. Anders verhielte es sich nur, wenn es zu den Leistungspflichten eines Vorstandsmitglieds gehörte, keine eigenen Interessen zu haben. Das ist jedoch nicht der Fall. Von einem Vorstandsmitglied wird nicht verlangt, dass es keine eigenen Interessen hat, sondern dass es sie bei seiner Amtsführung nicht zur Wirkung kommen lässt, falls sie sich mit denen der Gesellschaft kreuzen. Unerheblich ist ferner, dass, wie Lutter meint, niemand in der Lage ist, im Falle seiner Befangenheit „nur an die Interessen [der] Gesellschaft [zu] denken“.434 Es kommt für die Möglichkeit oder Unmöglichkeit der Leistungserbringung nicht darauf an, was ein Vorstandsmitglied denkt, entscheidend ist, ob es in der Lage ist, sein Handeln trotz entgegenstehender Eigeninteressen allein am Wohl der Gesellschaft auszurichten. Diese Aufgabe ist 427
Lutter, in: FS Priester, 2007, S. 417 ff. Lutter, a.a.O., S. 420. 429 Lutter, a.a.O., S. 419; zustimmend Bunz, NZG 2011, 1294, 1296. 430 „Impossibilium nulla est obligatio“; so schon Dig. 50, 17, 185 (Celsus). 431 Ernst, in: MünchKomm BGB § 275 Rn. 12; Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Langen AnwK BGB § 275 Rn. 3. 432 Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Langen AnwK BGB § 275 Rn. 3. 433 Ernst, in: MünchKomm BGB § 275 Rn. 32. 434 Lutter, a.a.O., S. 419. 428
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1. Teil, 4. Kap.: Geschäftsführungsbefugnis des befangenen Vorstandsmitglieds
nicht unlösbar. Sie zu erfüllen ist eine Frage charakterlicher Stärke und Disziplin, also des Wollens, nicht des rechtlichen oder tatsächlichen Könnens. So ist es z. B. dem Vorstandsmitglied, dessen Ehefrau, bester Freund o. ä. Geschäftsräume an die Gesellschaft vermieten will, sehr wohl möglich, für die Gesellschaft einen Vertrag zu marktübliche Bedingungen zu verhandeln und zu schließen. Ebenso ist es ist ihm möglich, bei der Besetzung einer Führungsposition z. B. seinem Bruder eine Absage zu erteilen, weil ein anderer Kandidat besser geeignet ist. Und es ist ihm, um ein letztes Beispiel zu nennen, auch nicht unmöglich zu beschließen, dass die Gesellschaft in einem Industriegebiet in der Nähe seines Wohngrundstücks eine emittierende Anlage errichtet, mag das auch nachteilige Auswirkungen auf den Wert des Grundstücks und seine Wohnqualität haben.
II. Geschäftsführungsausschluss aufgrund organschaftlicher Treuepflicht Das von Lutter neben der vermeintlichen Unmöglichkeit der Leistungserbringung ins Feld geführte Argument, dass ein Vorstandsmitglied im Interessenkonflikt nicht für die Gesellschaft handeln dürfe, weil deren Interessen nicht gefährdet werden dürften, rückt als mögliche Rechtsgrundlage für ein Geschäftsführungsverbot die organschaftliche Treuepflicht ins Licht. Vorstandsmitglieder haben mit ihrer Zustimmung zur Organbestellung und der Eingehung des Anstellungsvertrags die Verpflichtung übernommen, ihre Amtsgeschäfte ausschließlich im Interesse der zu leitenden Gesellschaft zu führen. Aufgrund dieser Treubindung sind sie grundsätzlich gehalten, alles Notwendige zu tun, um die Erfüllung der übernommenen Verpflichtung sicher zu stellen. Dies umfasst insbesondere die Pflicht, gesellschaftsfremde Sonderinteressen bei der Ausübung der Geschäftsführung nicht zur Geltung kommen zu lassen.435 Die Frage ist jedoch, ob diese Pflicht in letzter Konsequenz bedeutet, dass einem befangenen Vorstandsmitglied die Geschäftsführung in der konfliktbelasteten Angelegenheit automatisch untersagt ist. So wird zwar die Gefahr sachwidriger Amtsführung zweifellos gebannt, wenn man ein Vorstandsmitglied von vornherein von der Geschäftsführung vollständig fern hält. Sinn und Zweck der organschaftlichen Treuepflicht ist aber nicht, dass das Vorstandsmitglied beim Auftreten einer Interessenkollision seine Mitwirkung in der betreffenden Angelegenheit einstellt, sondern dass es seine – auch im Konfliktfall rechtlich und tatsächlich mögliche – Geschäftsführungsleistung trotz dieses Konflikts loyal und uneigennützig, so wie es das Wohl der Gesellschaft verlangt, erbringt. Bei der organschaftlichen Treuepflicht handelt es sich zwar um einen vielgestaltigen Tatbestand, dem trotz Konkretisierungsbemühungen in Rechtsprechung und Literatur nach wie vor „Entwicklungsdefizite“ bescheinigt werden.436 Über seine we435 436
haft“).
Siehe oben § 2 I. Fleischer, in: Spindler/Stilz AktG § 93 Rn. 113 („Gesamtregelung eher bruchstück-
§ 8 Gesetzlicher Geschäftsführungsausschluss
151
sentlichen Ausprägungen, wie sie durch Gerichte und Rechtslehre in der Vergangenheit entwickelt wurden, besteht jedoch weitgehend Einvernehmen. Neben den ausdrücklich normierten Teilaspekten der Verschwiegenheitspflicht gemäß § 93 Abs. 1 Satz 3 AktG und dem Wettbewerbsverbots gemäß § 88 AktG liegen diese insbesondere in den für die Vorstandsmitglieder geltenden Verboten, Geschäftschancen, die der Gesellschaft zugewiesen sind, für sich selbst zu nutzen,437 ihre Organstellung zur sachwidrigen Aneignung von Gesellschaftsressourcen zu missbrauchen438 und Vorteile anzunehmen, die ihnen von Dritten im Zusammenhang mit ihrer Geschäftsführung angeboten werden.439 Darüber hinaus folgt aus den organschaftlichen Treubindungen die Verpflichtung der Vorstandsmitglieder, auf die Belange der Gesellschaft angemessen Rücksicht zu nehmen, sofern sie ihr gegenüber – etwa bei Gehaltsverhandlungen – (zulässigerweise) eigene Interessen verfolgen440 und der Gesellschaft durch Gewährung ausreichender Transparenz die Kontrolle darüber zu ermöglichen, dass sie ihrer Treuepflicht genügen.441 Die organschaftliche Treuepflicht nimmt damit im Verhältnis zu der Hauptpflicht der Vorstandsmitglieder – konkret: zu ihrer Pflicht zur Geschäftsführung – eine Ergänzungsfunktion wahr. Sie fungiert insoweit als Pflicht zur Leistungstreue.442 Als solche setzt die organschaftliche Treuepflicht eine bestehende Hauptleistungspflicht zur Geschäftsführung gerade voraus und flankiert diese im Interesse der Gesellschaft durch weitere Verhaltensgebote und -verbote, beseitigt sie aber nicht. Anderenfalls wäre die Gesellschaft zwar vor der Gefahr eigennützigen Handelns geschützt, aber nur um den Preis, dass sie ihren Anspruch auf ein pflichtgemäßes Handeln in der Konfliktangelegenheit verlöre. Auf diese Weise wäre ihr Erfüllungsinteresse an einer möglichen ordnungsgemäßen Leistung dem Sonderinteresse des von der Verantwortung befreiten Vorstandsmitglieds nicht mehr über-, sondern untergeordnet. Eine autonome, den jeweiligen Umständen des Einzelfalls gerecht werdende Abwägung des geschäftlichen Nutzens mit dem kalkulierbaren Risiko einer – vom Aufsichtsrat überwachten und ggf. durch Anordnung eines Vetorechts gem. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG regulierten – weiteren Mitwirkung des Befangenen wäre ihr abgeschnitten. 437
BGH WM 1983, 498; BGH WM 1985, 1443; Hopt, in: Großkomm AktG § 93 Rn. 166 ff.; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 93 Rn. 105 f.; Spindler, in: MünchKomm AktG § 93 Rn. 108 (allerdings formuliert als „Gebot, unternehmerische Chancen für die Gesellschaft wahrzunehmen“); Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter AktG § 93 Rn. 16; ausführlich auch Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 9 Rn. 23 ff. 438 Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 93 Rn. 100 ff.; Spindler, in: MünchKomm AktG § 93 Rn. 109; Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 9 Rn. 41. 439 Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 93 Rn. 100; Spindler, in: MünchKomm AktG § 93 Rn. 111; Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 9 Rn. 42 f. 440 Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 93 Rn. 107 ff.; Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 9 Rn. 18 ff.; U. Schmidt, in: Heidel AktR § 93 AktG Rn. 39. 441 Hopt, in: Großkomm AktG § 93 Rn. 185 f.; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 93 Rn. 110 f.; U. Schmidt, in: Heidel AktR § 93 AktG Rn. 45; Thoma, Eigengeschäfte des Vorstands, S. 218. 442 Zu Begriff und Inhalt der Leistungstreue s. Grüneberg, in: Palandt BGB § 242 Rn. 27 ff.; Krebs, in: Dauner-Lieb/Langen AnwK BGB § 242 Rn. 43 ff.
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1. Teil, 4. Kap.: Geschäftsführungsbefugnis des befangenen Vorstandsmitglieds
Dessen Dienste sind für die Gesellschaft ja aber nicht zwangsläufig wertlos. Unter bestimmten Umständen können sie sogar von besonderem Nutzen sein, etwa wenn das Vorstandsmitglied über eine für die anstehende Entscheidung wichtige, besondere Sachkunde443 verfügt, oder weil es der Gesellschaft gerade durch seine persönlichen Beziehungen zu einem Dritten eine besonders lukrative Geschäftschance eröffnen kann. In solchen Fällen wäre es paradox, das Vorstandsmitglied gänzlich und automatisch auszuschalten, anstatt seine Expertise unter der kontrollierenden Teilhabe des Aufsichtsrats an der Geschäftsführung zu nutzen. Der Ausschluss – und damit die Befreiung – des befangenen Vorstandsmitglieds von der Geschäftsführung als automatische Rechtsfolge eines Interessenkonflikts ist folglich mit dem Zweck der organschaftlichen Treuepflicht, den Erfüllungsanspruch der Gesellschaft auch unter erschwerten Bedingungen zu wahren und abzusichern, nicht vereinbar.
III. Ableitung des Geschäftsführungsausschlusses aus § 242 BGB Rechtsfolgen für befangene Organmitglieder aus § 242 BGB hat in der Vergangenheit insbesondere Redding befürwortet.444 Für befangene Aufsichtsratsmitglieder leitet er aus § 242 BGB einen Ausschluss des Stimmrechts in der Konfliktangelegenheit ab, wenn „1. die Stimmrechtsausübung gesellschaftsfremden Interessen dienen kann und 2. das AR-Mitglied [sic] diesen Interessen in solchem Ausmaß verbunden ist, daß von ihm eine Entscheidung gegen diese Interessen nicht erwartet werden kann.“445 Aufgrund der Allgemeinheit des rechtlichen Anknüpfungspunkts ist dieser Ansatz nicht nur für die Begründung eines Stimmrechtsausschlusses, sondern auch für die eines generellen Geschäftsführungsausschlusses beachtlich. Konkret stützt sich Redding auf den Gedanken der unzulässigen Rechtsausübung. Es sei „seit langem anerkannt, daß die Ausübung von Rechten unzulässig sein kann, wenn sie gegen Treu und Glauben verstößt.“446 Der Rückgriff auf § 242 BGB ist nicht schon deshalb ausgeschlossen, weil die organschaftliche Treuepflicht als Rechtsgrundlage für einen Geschäftsführungsausschluss zu verneinen war. Entgegen bisweilen missverständlicher Äußerungen447 gehen die allgemeinen Treubindungen des § 242 BGB in der organschaftlichen Treuepflicht nicht auf, sondern beide Regime existieren mit gewissen Überschneidungen nebeneinander. § 242 BGB beruht auf dem Gedanken, dass „jedem Recht 443
So auch J. Koch, ZGR 2014, 697, 721 f. Redding, NJW 1956, 48 ff. 445 Redding, NJW 1956, 48, 50. 446 Redding, NJW 1956, 48, 50. 447 Vgl. etwa Hopt, in: Großkomm AktG § 93 Rn. 9, wonach die Treuepflicht der Organmitglieder „über das von § 242 BGB Bestimmte hinausgeht“. Mit begrifflicher Kritik Möllers, in: Hdb Corporate Governance, S. 428. 444
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sozialethische Schranken immanent sind.“448 Dieser allgemeine Grundsatz wird durch die organschaftliche Treuepflicht weder voll umfasst noch beseitigt, sondern überwölbt als allgemeine Bindung an Treu und Glauben auch die Beziehung zwischen der Aktiengesellschaft und ihren Vorstandsmitgliedern. Lediglich sind die Abwägungen, die im Rahmen des § 242 BGB vorzunehmen sind, unter besonderer Berücksichtigung der durch die organschaftliche Treuepflicht gewichteten Interessen durchzuführen. Die Ableitung einer allgemeinen Geschäftsführungsbeschränkung aus § 242 BGB verdient dennoch keine Gefolgschaft. Zweifel an der Klassifizierung der Geschäftsführung eines befangenen Vorstandsmitglieds als unzulässige Rechtsausübung rühren zunächst aus einem gewissen Spannungsverhältnis dieser Argumentation zur organschaftlichen Treuepflicht. Die organschaftliche Treuepflicht verlangt von den Vorstandsmitgliedern eine sachgerechte Geschäftsführung trotz Vorliegens eigener Interessen. Ein Tätigwerden für die Gesellschaft im Interessenkonflikt kann daher nicht per se unzulässig sein. Allerdings bejaht Redding eine unzulässige Rechtsausübung auch nur, wenn die Sonderinteressen des Befangenen ein solches Ausmaß erreicht haben, dass eine Entscheidung gegen diese Interessen „nicht erwartet werden kann.“ Die grundsätzliche Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung soll demnach also erst ab einer gewissen Konfliktschwere erlöschen. Unter Zugrundelegung dieser Einschränkung lässt sich argumentieren, dass § 242 BGB lediglich als auf besonders erhebliche Konfliktsituationen beschränkte Begrenzung der grundsätzlich auch im Interessenkonflikt bestehenden Geschäftsführungspflicht wirkt und die organschaftliche Treuepflicht damit einen ausreichenden Anwendungsbereich behält. Gleichwohl überzeugt der Anknüpfungspunkt der unzulässigen Rechtsausübung für die Herleitung einer allgemeinen konfliktbedingten Geschäftsführungsbeschränkung nicht. Für das Vorliegen einer unzulässigen Rechtsausübung ist ein Verhalten erforderlich, das gegen Treu und Glauben verstößt. Ob ein solches gegeben ist, ist in einer umfassenden Interessenabwägung zu ermitteln.449 Nach üblicher Formel ist eine Rechtsausübung nach § 242 BGB dann unzulässig, wenn sie „im Einzelfall zu einem grob unbilligen, mit der Gerechtigkeit nicht mehr zu vereinbarenden Ergebnis führen würde.“450 Eine solche Situation ist allein im Vorliegen eines (auch schweren) Interessenkonflikts nicht begründet. Auch im Interessenkonflikt ist ein Handeln im Interesse der Gesellschaft möglich. Aus der bloßen Existenz eines solchen Konflikts kann daher nicht geschlossen werden, dass die weitere Geschäftsführung des befangenen Vorstandsmitglieds zu einem „grob unbilligen Ergebnis“ führen wird. Zwar liegt im Falle eines schweren Interessenkon448
Vgl. Grüneberg, in: Palandt BGB § 242 Rn. 1. Mansel, in: Jauernig BGB § 242 Rn. 35; Roth/Schubert, in: MünchKomm BGB § 242 Rn. 406. 450 Mansel, in: Jauernig BGB § 242 Rn. 37; ähnlich Looschelders/Olzen, in: Staudinger BGB, Neubearb. 2015, § 242 Rn. 219; Grüneberg, in: Palandt BGB § 242 Rn. 40; BGHZ 29, 6, 10; 48, 396, 398. 449
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flikts fraglos eine Gefährdung der Gesellschaftsinteressen vor. Die Figur der unzulässigen Rechtsausübung ist aber kein Gefährdungstatbestand, sondern führt dazu, dass die Wirkungen oder Folgen eines Rechts untersagt werden,451 wenn dessen Durchsetzung konkret unbillige Konsequenzen nach sich zöge, es also untragbar wäre, das aus der Rechtsausübung „folgende Resultat zu akzeptieren.“452 Die bloße Gefahr treuwidrigen Verhaltens erfüllt diese Anforderungen nicht.453
IV. Geschäftsführungsausschluss auf Basis modifizierter verbandsrechtlicher Stimmverbote Als Grundlage für einen Geschäftsführungsausschluss eines befangenen Vorstandsmitglieds kommt schließlich eine erst neuerdings in die Diskussion eingebrachte Weiterentwicklung der verbandsrechtlichen Stimmverbotsvorschriften in Betracht. Ausgangspunkt für diesen Ansatz ist, dass Stimmverbote im Vorstandsrecht der Aktiengesellschaft zwar nicht direkt geregelt sind, nach h. M. aber in den eng umgrenzten tatbestandlichen Varianten der vereinsrechtlichen Regelung des § 34 BGB entsprechend Anwendung finden.454 Diese eingeschränkte Anwendung der Stimmverbotsregelungen hat jüngst J. Koch mit neuen Erwägungen in Frage gestellt. Einhergehend mit Modifikationen auf der Rechtsfolgenseite befürwortet er eine analoge Anwendung des § 34 BGB auch auf solche vorstandsbezogenen Interessenkonflikte, die von dem engen Wortlaut der Vorschrift nicht direkt umfasst sind.455 Hintergrund dafür ist die Beobachtung, dass insbesondere mit der Einführung der Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG ein „entgrenzter“ Begriff des Interessenkonflikts Eingang in das Aktiengesetz erhalten hat, indem nach h. M. das Nichtvorliegen eines (tatbestandlich nicht weiter spezifizierten) Interessenkonflikts Voraussetzung dafür ist, dass sich ein Vorstandsmitglied auf den ihm zur Unterstützung seiner unternehmerischen Entscheidungen grundsätzlich eingeräumten weiten Ermessensspielraum stützen kann.456 Dabei ist die Bedeutung dieses entgrenzten Konfliktbegriffs nach der Konzeption der Business Judgment Rule nicht auf den eigentlichen Konfliktträger beschränkt, sondern insoweit ausgedehnt, als der 451 Roth/Schubert, in: MünchKomm BGB § 242 Rn. 218; Grüneberg, in: Palandt BGB § 242 Rn. 41 („rechtshindernde oder rechtsvernichtende Einwendung“). 452 Vgl. Looschelders/Olzen, in: Staudinger BGB, Neubearb. 2015, § 242 Rn. 219. 453 So auch Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat, S. 70. Ebenfalls ablehnend Engfer, Der Ausschluss des organschaftlichen Stimmrechts bei Interessenkollision, S. 88 ff. Vgl. auch Looschelders/Olzen, in: Staudinger BGB, Neubearb. 2015, § 242 Rn. 226, wonach die Rechtsfolgen des Rechtsmissbrauchs dann nicht eintreten, „wenn […] das Ergebnis letztlich mit der Rechtsordnung übereinstimmt.“ So auch Roth/Schubert, in: MünchKomm BGB § 242 Rn. 220. 454 Siehe zum Meinungsstand über die Rechtsgrundlagen vorstandsrechtlicher Stimmverbots unten § 9 I. 455 J. Koch, ZGR 2014, 697, 710 ff. 456 J. Koch, ZGR 2014, 697, 699, 701 ff.
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Interessenkonflikt des eigentlich Befangenen mit pflichtgemäßer Offenlegung seines Sonderinteresses auch dessen an sich unbefangene Vorstandskollegen „infiziert“, sodass auch diesen die Berufung auf ein weites Geschäftsleiterermessen in der konkreten Angelegenheit versagt ist.457 Diese Infektionswirkung des Interessenkonflikts besteht nach h. M. jedoch dann nicht, wenn der eigentliche Konfliktträger an der konkreten Maßnahme nicht mitwirkt.458 Diese letzte Beobachtung ist es, die die Verbindung zu den verbandsrechtlichen Stimmverbotsregelungen herstellt: Damit die an sich nicht befangenen Vorstandsmitglieder trotz des Konflikts ihres Kollegen weiterhin durch die Business Judgment Rule geschützt bleiben, müsse – so die Prämisse – die Möglichkeit bestehen, den eigentlichen Befangenen von der weiteren Mitwirkung in der Konfliktangelegenheit auszuschließen. Die rechtliche Grundlage dafür sei in einer entsprechenden Ausweitung und Anpassung der Stimmverbotsregelung des § 34 BGB zu finden, die dahingehend zu interpretieren sei, dass sie bei Vorliegen eines ausreichend gewichtigen, tatbestandlich aber nicht notwendig weitergehend spezifizierten Interessenkonflikts die Rechtsgrundlage für einen Mitwirkungsausschluss des Konfliktträgers für die konkrete Maßnahme bildet.459 Dem kann nach hier vertretener Auffassung nicht gefolgt werden. Dies beruht zum einen darauf, dass die Prämisse der h. M., wonach eine Nichtbeteiligung des Konfliktträgers an der betreffenden Maßnahme die Infektionswirkung seines Interessenkonflikts beseitige, nicht trägt. Insoweit ist auf die Ausführungen im Zusammenhang mit der Frage zu verweisen, ob einem befangenen Vorstandsmitglied im Falle einer Kollegialentscheidung ein konfliktbedingtes Leistungsverweigerungsrecht zusteht.460 Genausowenig, wie sich durch eine (freiwillige) Leistungsverweigerung des Befangenen eine insgesamt unbefangene Entscheidung des Vorstandsgremiums erreichen lässt, ist dies durch einen gesetzlichen Geschäftsführungsausschluss möglich. Der Befangene ist vielmehr durch seine Geschäftsführungspflicht in Verbindung mit seinen organschaftlichen Treubindungen gehalten, trotz seines Interessenkonflikts aktiv auf eine Verwirklichung der Gesellschaftsinteressen hinzuarbeiten. Daneben kommt ein Geschäftsführungsausschluss durch eine Ausweitung des analog angewendeten § 34 BGB auch deshalb nicht in Betracht, weil nach hier vertretener Ansicht für eine analoge Anwendung der verbands457 Siehe zu dieser – zu Recht angenommenen – Infektionswirkung noch ausführlicher unten, § 11 III. 3. 458 Vgl. Nachweise in Fn. 299. 459 J. Koch, ZGR 2014, 697, 710, 719 ff., dessen Vorschlag konkret darauf gerichtet ist, auf Grundlage des auf diese Weise modifizierten § 34 BGB dem (Rest-)Vorstand den Ausschluss des Befangenen durch Mehrheitsentscheidung zu ermöglichen. Da nach hier vertretener Ansicht (siehe oben, § 6 II. 2. b) und insbesondere auch Fn. 362) Kompetenzbeschneidungen zum Nachteil eines Vorstandsmitglieds durch Mehrheitsbeschluss seiner Kollegen nicht gestattet sind (Kollegialprinzip), beschränkt sich die folgende Untersuchung auf die – inhaltlich im Grundsatz gleiche – Frage, ob die befürwortete ausdehnende Anwendung des § 34 BGB als Rechtsgrundlage für einen kraft Gesetzes wirkenden Geschäftsführungsausschluss dienen kann. 460 Siehe oben § 6 I. 1. b).
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rechtlichen Stimmverbotsregelungen im Vorstandsrecht der Aktiengesellschaft von vornherein kein Raum ist. Dies wird im Folgenden noch Gegenstand ausführlicher Darlegungen sein.461
V. (Ergänzende) systematische Erwägungen 1. Gesetzlicher Geschäftsführungsausschluss vs. Rechtssicherheit Das Ergebnis, dass es keine Rechtsgrundlage für einen konfliktbedingten gesetzlichen Geschäftsführungsausschluss einzelner Vorstandsmitglieder gibt, fndet Bestätigung auch durch ergänzende aktienrechtssystematische Beobachtungen. So ist zunächst festzustellen, dass ein automatischer Geschäftsführungsausschluss mit dem Bedürfnis des Rechtsverkehrs nach klaren gesellschaftsinternen Zuständigkeiten nur schwer zu vereinbaren wäre. Das gilt zum einen aus Sicht der betroffenen Vorstandsmitglieder. Wer wie diese zu einer eigenverantwortlichen Amtsführung berechtigt und verpflichtet ist, ist darauf angewiesen, dass die wesentlichen Grenzen seiner Befugnisse sichtbar, eindeutig und unmissverständlich gezogen sind. Diesen Anforderungen genügt der im Einzelnen unbestimmte Tatbestand des Interessenkonflikts nicht.462 Ein Musterbeispiel für eine den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs nach Klarheit und Präzision gerecht werdende Beschreibung persönlicher Ausschlusskriterien für die Ausübung eines Vorstandsamts bietet das Gesetz in § 76 Abs. 3 Satz 2 AktG. Einen vergleichbaren Negativkatalog für den Ausschluss eines befangenen Vorstandsmitglieds von der Geschäftsführung enthält das Gesetz gerade nicht. Umso weniger kann deshalb ein so amorpher Begriff wie der des Interessenkonflikts als negatives Tatbestandsmerkmal der Geschäftsführungsbefugnis in das Gesetz hineininterpretiert werden. Die Vorstandsmitglieder wären einer ihrem eigenverantwortlichen Handeln abträglichen Rechtsunsicherheit ausgeliefert, wenn sie sich in einer hinsichtlich ihrer rechtlichen Relevanz zweifelhaften Konfliktsituation vor die Alternative gestellt sähen, entweder die Geschäftsführung zu unterlassen und damit einen Pflichtenverstoß zu riskieren oder aber an der anstehenden Entscheidung mitzuwirken und sich abermals dem Vorwurf pflichtwidrigen Verhaltens auszusetzen, diesmal wegen Überschreitung ihrer Befugnisse. Als weitere Konsequenz würde ein konfliktbedingter gesetzlicher Geschäftsführungsausschluss auch zu einem Absinken des Vertrauens der Geschäftspartner der Aktiengesellschaft in die Rechtsbeständigkeit ihrer Vorstandshandlungen führen. 461
Siehe unten § 9. Bedenken gegen die Anknüpfung starrer Rechtsfolgen an die „uferlos weite Generalklausel“ des Interessenkonflikts auch bei Dreher, JZ 1990, 896, 901; siehe ferner Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat, S. 71 ff., der konkrete Verbotsfolgen der organschaftlichen Treuepflicht wegen der tatbestandlichen Pauschalität der organschaftlichen Treubindungen und des Interessenkonflikts ablehnt. 462
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Angesichts der Vielfalt potentieller Sonderinteressen von Vorstandsmitgliedern wäre stets mit dem Vorliegen von Konflikten zu rechnen. Die Möglichkeiten der Aktiengesellschaft, sich von unliebsamen Rechtsgeschäften zu lösen, wären damit nicht unerheblich vergrößert, könnte sie sich doch bereits mit dem verhältnismäßig formalen Argument, der Geschäftspartner hätte von dem Eigeninteresse des Vorstandsmitglieds und daher von dessen fehlender Handlungsberechtigung gewusst, auf einen rechtlich relevanten Missbrauch der Vertretungsmacht berufen.463 Eine am verdächtigen Inhalt des Geschäfts anknüpfende Argumentation, wie sie bisher zumeist erforderlich ist,464 bliebe der Gesellschaft erspart, sodass insbesondere auch solche Rechtsgeschäfte leichter angreifbar wären, die für die Gesellschaft nicht von vornherein erheblich nachteilig waren, sondern von denen sie sich möglicherweise nur deshalb lösen möchte, weil sie sich schlechter entwickelt haben, als ursprünglich erkennbar. Der Nachweis, dass der Vertretungsmissbrauch für den Geschäftspartner evident war und dieser sich daher nicht auf die Wirksamkeit des Geschäfts verlassen konnte, würde nicht unerheblich erleichtert. 2. Gesetzlicher Geschäftsführungsausschluss vs. Prinzip der Gesamtgeschäftsführung Dass der partielle Ausschluss eines Vorstandsmitglieds von der Geschäftsführung als starre Rechtsfolge seines Interessenkonflikts der Systematik des Aktiengesetzes fremd ist, zeigt sich ferner an der Unverträglichkeit dieser Rechtsfolge mit dem aktienrechtlichen Prinzip der Gesamtgeschäftsführung. Besteht der Vorstand aus mehreren Personen, so sind nach § 77 Abs. 1 AktG sämtliche Vorstandsmitglieder nur gemeinschaftlich zur Geschäftsführung befugt. Da ein befangenes Vorstandsmitglied seine Organmitgliedschaft als solche durch ein punktuelles Geschäftsführungsverbot nicht verlöre, bliebe die Gesamtzahl der Vorstandsmitglieder bei dessen Eingreifen unverändert. Der Entfall der Geschäftsführungsbefugnis hätte daher zur Folge, dass die vom Gesetz vorgesehene gemeinschaftliche Geschäftsführung „sämtlicher“ – also nicht nur der teilnehmenden – Vorstandsmitglieder unmöglich ist. Damit wäre die Gesellschaft in der von dem Konflikt betroffenen Angelegenheit grundsätzlich handlungsunfähig. Zwar würde diese Konsequenz in der Praxis wegen des dort zumeist geltenden Mehrheitsprinzips nur selten eintreten. Das Grundproblem wird dadurch jedoch nicht beseitigt, denn Maßstab für die Frage, ob ein konfliktbedingtes Geschäftsführungsverbot mit dem Aktiengesetz harmoniert, sind nicht praktische Usancen, sondern ist der gesetzliche Regelfall.465 Hinzu kommt, 463 Überwiegend wird bereits ein objektiver Pflichtverstoß des Vorstandsmitglieds als ausreichend für die Begründung eines Vertretungsmissbrauchs angesehen (vgl. unten § 10 II. 1. a)). 464 Vgl. zur inhaltlichen Nachteiligkeit des Rechtsgeschäfts als Evidenzkriterium Leptien, in: Soergel BGB § 177 Rn. 19. 465 Vgl. Behr, AG 1984, 281, 285 (zur Problematik, die sich im Zusammenhang mit Stimmverboten im Aufsichtsrat daraus ergibt, dass das Gesetz im Grundfall des § 95 Abs. 1
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dass auch bei Geltung des Mehrheitsprinzips zumindest Leitungsentscheidungen stets unter Mitwirkung aller Vorstandsmitglieder getroffen werden müssen,466 so dass die Handlungsunfähigkeit hier in jedem Fall einträte – ebenso wie bei Gesellschaften, deren Vorstand nur aus einer Person besteht. Das Gesetz hält für dieses Problem keine Lösung bereit. Zwar verfügt es mit den §§ 85 und 105 Abs. 2 AktG über Regelungen, deren grundsätzliches Ziel darin liegt, die Handlungsfähigkeit des Vorstands in bestimmten Situationen zu erhalten. Auf den Fall eines lediglich partiellen Geschäftsführungsverbots für einzelne Vorstandsmitglieder sind diese Vorschriften jedoch nicht anwendbar. § 85 AktG ermöglicht eine gerichtliche Ersatzbestellung, wenn ein „erforderliches Vorstandsmitglied fehlt“. Das „Fehlen“ eines Vorstandsmitglieds ist im Sinne dieser Regelung nur dann gegeben, wenn „ein Vorstandsmitglied endgültig aus dem Vorstand ausgeschieden oder eine neue Vorstandsstelle noch nicht besetzt ist“.467 Da ein nur teilweiser Ausschluss des Befangenen von der Geschäftsführung seine Organmitgliedschaft aber nicht beseitig, führt er nicht zu einer solchen Situation. Entsprechend wäre auch die Rechtsfolge einer gerichtlichen Bestellung nicht weiterführend, weil sie in diesem Fall keine Lücke im Vorstandsgremium schließen, sondern dem Vorstand zusätzlich zu dem befangenen ein weiteres Mitglied hinzufügen würde. Die durch den Grundsatz der Gesamtgeschäftsführung geforderte Mitwirkung aller Vorstandsmitglieder ließe sich dadurch wegen des Verbleibens des Befangenen im Vorstand nicht erreichen. Ebenso wenig bietet § 105 Abs. 2 AktG eine Lösung. Die Vorschrift sieht zwar vor, dass der Aufsichtsrat eines seiner Mitglieder nicht nur dann vorübergehend als Stellvertreter eines Vorstandsmitgliedes bestellen kann, wenn dieses „fehlt“, sondern bereits, wenn es „verhindert“ ist. Eine solche Notbestellung hätte zur Folge, dass die organschaftlichen Rechte und Pflichten des verhinderten Mitglieds suspendiert werden,468 sodass in der Tat eine vorübergehende Auswechslung des Befangenen stattfände und keine Erweiterung des Vorstands. Eine „Verhinderung“ liegt jedoch nur dann vor, wenn ein Vorstandsmitglied sein Amt als solches nicht ausüben kann.469 Dazu genügt es nicht, dass es lediglich zur Bewältigung einzelner zu seiner Amtsführung gehörender Aufgaben tatsächlich oder rechtlich nicht in der Lage ist.470 Die Vorschrift dient dazu, vorübergehende Lücken im Vorstand zu schließen, um dem Aufsichtsrat genügend Zeit zu geben, ohne Satz 1 AktG einen dreiköpfigen Aufsichtsrat vorsieht und für die Beschlussfähigkeit des Gremiums zugleich zwingend die Mitwirkung dreier seiner Mitglieder verlangt). 466 Siehe oben § 2 II. 467 Vgl. BegrRegE Kropff, S. 108; ferner die genannten Beispielsfälle bei Hüffer/Koch, AktG § 85 Rn. 2 („Tod, Widerruf der Bestellung, Amtsniederlegung, ferner, wenn mitbestimmte AG entgegen § 76 II 3 nur ein Vorstandsmitglied hat“). 468 Simons, in: Hölters AktG § 105 Rn. 22. 469 Hüffer/Koch, AktG § 105 Rn. 7. 470 Habersack, in: MünchKomm AktG § 105 Rn. 25 (insbesondere kein „Fehlen“ des Vorstandsmitglieds bei Hinderung „an der Mitwirkung eines Beschlusses aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen“); Simons in: Hölters AktG § 105 Rn. 14.
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Überstürzung ein neues Vorstandsmitglied auszuwählen.471 Dieser Schutzzweck ist bei einer nur punktuellen rechtlichen Verhinderung, wie sie durch ein partielles Geschäftsführungsverbot ausgelöst würde, nicht einschlägig.
§ 9 Stimmverbot für das befangene Vorstandsmitglied I. Meinungsstand zu den Rechtsgrundlagen Ein gegenüber einem umfassenden Geschäftsführungsverbot weniger weit reichender Ansatz zur Konfliktvermeidung wird unter der Überschrift des „Stimmverbots“ bzw. des „Stimmrechtsausschlusses“ diskutiert und beschränkt sich darauf, dem befangenen Vorstandsmitglied die Mitwirkung an der finalen Beschlussfassung in der Vorstandssitzung zu untersagen. Da das Aktiengesetz einen Stimmrechtsausschluss im Bereich der vorstandsinternen Willensbildung nicht ausdrücklich vorsieht, weichen die hierfür gegebenen Begründungen im Einzelnen voneinander ab. Teilweise wird vorgebracht, ein Stimmverbot lasse sich unmittelbar aus der organschaftlichen Treubindung der Vorstandsmitglieder und damit direkt aus dem Aktienrecht selbst ableiten.472 Die organschaftlichen Treuepflichten forderten von den Vorstandsmitgliedern, ihre eigenen Interessen denen der Gesellschaft unterzuordnen. Deshalb müssten sie sich der Stimme enthalten, wenn der Gegenstand des Beschlusses entweder in ihre persönliche oder in die Interessensphäre eines ihnen nahe stehenden Dritten eingreife, so dass eine freie Entscheidung nicht mehr erwartet werden kann.473 Zum Teil wurde in der Vergangenheit ein Stimmverbot für befangene Organmitglieder auch aus den allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB abgeleitet.474 Die überwiegende Meinung im Schrifttum hat demgegenüber ihren Ausgangspunkt in der Beobachtung, dass im deutschen Verbandsrecht Stimmverbote bereits in verschiedenen Vorschriften ausdrücklich normiert sind, die vom Gesetzgeber als besonders konfliktgeneigt identifizierte Situationen erfassen und verhindern, dass verbandsfremde Sonderinteressen Einfluss auf die Verbandsentscheidung nehmen können. Diese Mechanismen sollen auch im Vorstandsrecht der Aktiengesellschaft Platz greifen. Die meisten Vertreter stützen sich hierzu auf eine Analogie zu den §§ 28, 34 BGB, wonach ein Vorstandsmitglied eines Vereins nicht stimmberechtigt ist, wenn die Beschlussfassung die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen ihm und dem Verein be471
BegrRegE Kropff, S. 146. Engfer, Der Ausschluss des organschaftlichen Stimmrechts bei Interessenkollision, S. 108 ff. (Treuepflicht als eine ein Stimmverbot auslösende Ergänzung der Sorgfaltspflicht); ferner Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141, 149. 473 Engfer, Der Ausschluss des organschaftlichen Stimmrechts bei Interessenkollision, S. 111 f., 113. 474 Redding, NJW 1956, 48 ff. (für Aufsichtsratsmitglieder); siehe hierzu bereits oben § 8 II. 472
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trifft.475 Hübner greift zur Begründung des vorstandsrechtlichen Stimmverbots auf eine Analogie zu § 181 BGB zurück.476 Zwar liege in der Stimmabgabe kein Vertretungssachverhalt. Da Organmitglieder aufgrund ihrer besonderen Treubindung jedoch verpflichtet seien, ihre Stimme fremdnützig im Interesse des Verbandes auszuüben, gestalteten sie durch ihre Stimmabgabe fremde Interessen, so dass ihre Rechtstellung mit der eines Stellvertreters vergleichbar sei.477 Das so abgeleitete Stimmverbot soll neben die analog §§ 28, 34 BGB bestehenden Verbotstatbestände treten.478 Seinen konkreten Anwendungsbereich sieht Hübner daher insbesondere bei Rechtsgeschäften der Gesellschaft mit den Vorstandsmitgliedern nahestehenden Dritten, die durch die Analogien zu den verbandsrechtlichen Stimmverboten nicht erfasst werden.479
II. Stimmverbot aufgrund organschaftlicher Treuepflicht Die organschaftliche Treuepflicht eines Vorstandsmitglieds eignet sich zur Begründung eines Stimmverbots ebenso wenig wie für die seines vollständigen Ausschlusses von der Geschäftsführung in der Konfliktsache. Die Geschäftsführung umfasst nicht nur die Vorbereitung und Ausführung von Vorstandsbeschlüssen, sondern als wesentlichen Bestandteil auch die Beschlussfassung selbst.480 Deshalb setzen sich die Einwände, die schon gegen die Herleitung des Geschäftsführungsverbots aus der Treuepflicht ins Feld geführt wurden,481 gegen einen entsprechend begründeten Stimmrechtsausschluss fort. Die organschaftliche Treuepflicht in ihrer Ausprägung als Pflicht zur Leistungstreue erfasst die Geschäftsführung als Ganzes. Sie ist nicht teilbar, dergestalt, dass sie von einem befangenen Vorstandsmitglied nur in der Phase der Entscheidungsvorbereitung verlangt, aktiv zum Wohl der Gesellschaft mitzuwirken, ihm bei der finalen Beschlussfassung hingegen genau das Ge475 So insbesondere Giesen, Organhandeln und Interessenkonflikt, S. 110 ff.; Kort, in: Großkomm AktG § 77 Rn. 14; Hüffer/Koch, AktG § 77 Rn. 8; Wiesner, in: MünchHdb AG § 22 Rn. 7; Weber, in: Hölters AktG § 77 Rn. 25; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 77 AktG Rn. 38; Fleischer, in: Spindler/Stilz AktG § 77 Rn. 25; Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141, 149. 476 Hübner, Interessenkonflikt und Vertretungsmacht, S. 265 ff. 477 Hübner, a.a.O., S. 274 ff., 276 f. („vertretungsähnliches Verhältnis“). 478 Hübner, a.a.O., S. 284 f. und 288 f. 479 Hübner, a.a.O., S. 288. Seine Erwägung, das Stimmverbot auch auf Organbeschlüsse anzuwenden, die das Organmitglied in seiner Rechtsstellung als solches betreffen (a.a.O., S. 288), lässt Hübner wieder fallen, weil Organmitglieder bezüglich ihrer organinternen Rechtsstellung eigene Interessen grundsätzlich wahrnehmen dürften und daher kein rechtlich missbilligter Konflikt vorliege (a.a.O., S. 288 f.). In der Aktiengesellschaft hätte eine solche Ausprägung des Stimmverbots schon wegen der Personalkompetenz des Aufsichtsrats keinen Raum. 480 Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 77 Rn. 4; Spindler, in: MünchKomm AktG § 77 Rn. 6; Kort, in Hdb. des Vorstandsrechts § 2 Rn. 84; Schneider, NZG 2009, 1413. 481 Siehe oben § 8 II.
§ 9 Stimmverbot
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genteil aufgibt, nämlich die Stimmabgabe zu unterlassen. Auch in der Beschlussphase gebietet sie ihm, sich trotz eigener Interessen aktiv für die Gesellschaft einzusetzen und einen ihren Interessen entsprechenden Beschluss herbeizuführen.
III. Ableitung des Stimmverbots aus § 242 BGB Auch für den Ansatz, Stimmrechtsausschlüsse aus § 242 BGB abzuleiten, kann auf die Ausführungen zum Geschäftsführungsausschluss verwiesen werden.482 Insoweit gilt auch hier, dass der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nicht dem präventiven Interessenschutz dient, sondern Rechtshandlungen die Wirksamkeit verweigert, die die Interessen der Gegenseite in unredlicher Weise schädigen. Eine bloße Interessengefährdung hingegen, wie sie durch das Stimmrecht eines befangenen Vorstandsmitglieds begründet wird, reicht nicht aus, um dessen Stimmabgabe ohne Blick auf Inhalt und Ergebnis als unzulässige Rechtsausübung zu qualifizieren.
IV. Analoge Anwendung verbandsrechtlich normierter Stimmverbote 1. Voraussetzungen, Zweck und Wirkungsweise verbandsrechtlicher Stimmverbote Das deutsche Verbandsrecht normiert „starre Begrenzungsmittel“483 der Stimmrechtsmacht – kurz: Stimmverbote – an unterschiedlichen Stellen. Je nach Adressat lassen sie sich unterteilen in mitgliedschaftliche und organschaftliche Tatbestände.484 Erstere wirken in den Mitgliederversammlungen der Verbände und ordnen dort in bestimmten Fällen persönlicher Betroffenheit den Ausschluss einzelner Mitglieder von der Beschlussfassung an. Die organschaftlichen Stimmverbote hingegen richten sich an die fremdnützig tätigen Mitglieder der gesellschaftsrechtlichen Geschäftsführungs- und Kontrollorgane und wirken dort in vergleichbarer Weise.485 Mitgliedschaftliche Stimmverbote sind sowohl im Aktienrecht als auch für die sonstigen privatrechtlichen Personenverbände ausdrücklich normiert. So ist ein Aktionär gemäß §§ 136 Abs. 1, 142 Abs. 1 AktG von der Stimmabgabe in der Hauptversammlung ausgeschlossen, wenn der Beschluss seine Entlastung, seine Befreiung von einer Verbindlichkeit oder die Geltendmachung eines gegen ihn gerichteten 482
Siehe oben § 8 III. Begriff zurückgehend auf Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 101 ff.; konkret zu den mitgliedschaftlichen Stimmverboten S. 146 ff. 484 Mit dieser Unterteilung z. B. Hübner, Interessenkonflikt und Vertretungsmacht, S. 274 ff.; ebenso Engfer, Der Ausschluss des organschaftlichen Stimmrechts bei Interessenkollision, S. 10 ff. 485 Vgl. zum Aspekt der Fremdnützigkeit Engfer, a.a.O., S. 10. 483
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1. Teil, 4. Kap.: Geschäftsführungsbefugnis des befangenen Vorstandsmitglieds
Anspruchs der Gesellschaft zum Gegenstand hat. Eine identische Regelung enthält § 43 Abs. 6 GenG für die Mitglieder der Genossenschaft. Im Grundsatz vergleichbare Bestimmungen finden sich ferner in § 34 BGB für die Mitgliederversammlung des Vereins und in § 47 Abs. 4 GmbHG für die Gesellschafterversammlung der GmbH. Die beiden letzgenannten Vorschriften gehen über den aktien- und genossenschaftsrechtlichen Standard noch hinaus, indem sie einen Stimmrechtsausschluss auch dann vorsehen, wenn über den Abschluss eines Rechtsgeschäfts zwischen dem Verein bzw. der GmbH einerseits und dem Vereinsmitglied bzw. dem Gesellschafter andererseits Beschluss gefasst wird.486 Ein organschaftliches Stimmverbot ist im deutschen Verbandsrecht hingegen nur für den Vereinsvorstand normiert: Gemäß § 28 BGB findet das in § 34 BGB für die Mitgliederversammlung geregelte Stimmverbot auf die Beschlussfassung des Vereinsvorstands entsprechende Anwendung, wenn dieser aus mehreren Personen besteht. Das Stimmverbot wird im Verbandsrecht mit jeweils unterschiedlicher Terminologie angeordnet. Nach § 136 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 142 Abs. 1 AktG „kann [der Aktionär] das Stimmrecht [nicht] ausüben“ bzw. „nicht mitstimmen“, gemäß § 34 BGB ist das Vereinsmitglied „nicht stimmberechtigt“, nach § 47 Abs. 4 GmbHG „hat [der Gesellschafter] kein Stimmrecht“. Gemeint ist jeweils das Gleiche.487 Je nachdem, welcher Ansicht man folgt, hat das Stimmverbot – ohne Unterschied in der Sache – zur Konsequenz, dass die verbotswidrig abgegebene Stimme nach § 134 BGB nichtig488 oder wegen von vornherein fehlenden Stimmrechts unwirksam ist489. Für das mitgliedschaftliche und das organschaftliche Stimmrecht gilt das gleichermaßen.490 Eine gleichwohl abgegeben Stimme darf bei der Feststellung des Abstimmungsergebnisses nicht mitgezählt werden und hat damit die gleiche Wirkung wie eine gar nicht abgegebene Stimme491 Wird sie bei der Auszählung der Stimmen dennoch berücksichtigt und war sie erforderlich, um die für den Beschluss notwendige Mehrheit zu erreichen, führt dies – je nach Regelungsumfeld – entweder zur 486 Im Vergleich zu §§ 136 Abs. 1 AktG, 43 Abs. 6 GenG und 47 Abs. 4 GmbHG normiert § 34 BGB für die Mitglieder des Vereins kein Stimmverbot bei Beschlussfassungen über die Entlastung. Dass auch im Vereinsrecht in diesem Falle ein Stimmverbot greift, ist jedoch unstreitig (vgl. Weick, in: Staudinger BGB § 34 Rn. 7, 15; Ellenberger, in: Palandt BGB § 34 Rn. 2; Reuter, in: MünchKomm BGB § 34 Rn. 16; Zöllner, Die Schranken mitgliedsrechtlicher Stimmrechtsmacht, S. 196; Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat, S. 89). 487 Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 176. 488 Drescher, in: MünchKomm GmbHG § 47 Rn. 215; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff GmbHG § 47 Rn. 48; Schindler, in: BeckOK GmbHG § 47 Rn. 150; Römermann, in: Michalski GmbHG § 47 Rn. 308; Weick, in: Staudinger BGB § 34 Rn. 18; Spindler, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 136 Rn. 33; Hüffer/Koch, AktG § 136 Rn. 24; Rieckers, in: Spindler/ Stilz AktG § 136 Rn. 42. 489 Insbesondere Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 364; K. Schmidt, in: Scholz GmbHG § 47 Rn. 175. 490 Engfer, Der Ausschluss des organschaftlichen Stimmrechts bei Interessenkollision, S. 164. 491 Wolff, in: MünchHdb GmbH § 38 Rn. 70; Schindler, in: BeckOK GmbHG § 47 Rn. 150.
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Anfechtbarkeit492 oder zur Nichtigkeit493 des Beschlusses. Das Recht zur Anwesenheit in der entsprechenden Versammlung des Beschlussorgans sowie zur Beteiligung an der Aussprache wird durch ein Stimmverbot grundsätzlich nicht beschnitten.494 Anerkannter Zweck der verbandsrechtlichen Stimmverbote ist die „Richtigkeitsgewähr“ der Verbandswillensbildung.495 Traut der Gesetzgeber dem Stimmberechtigten grundsätzlich zu, kraft eigenen Willens die ihm durch Gesetz, Vertrag und Treubindung gezogenen Grenzen einzuhalten und auf diese Weise zu sachgerechten Verbandsbeschlüssen beizutragen, so stößt dieses Zutrauen an Grenzen, wenn der Betroffene in einer besonderen persönlichen Beziehung zu dem Beschlussgegenstand steht.496 Solche Sachverhalte hat der Gesetzgeber mit den Tatbeständen der gesetzlichen Stimmverbote zu erfassen versucht, und wenn auch die tatbestandlichen Formulierungen im einzelnen voneinander abweichen, so lassen sich im Wesentlichen zwei Konstellationen erkennen, unter denen das Gesetz eine sachgerechte Stimmabgabe nicht mehr für sicher hält. Das ist zum einen der Fall, wenn der Betroffene über Rechtsgeschäfte abstimmen müsste, die zwischen dem Verband und ihm selbst vorgenommen werden sollen.497 Zum anderen soll niemand 492 Anfechtbarkeit insbesondere bei Hauptversammlungsbeschluss der Aktiengesellschaft (vgl. BGH NZG 2006, 191, 192 f.; Zöllner, in: Kölner Komm AktG § 136 Rn. 58; Schröer, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 136 Rn. 53; Rieckers, in: Spindler/Stilz AktG § 136 Rn. 42; Hüffer/Koch, AktG § 136 Rn. 24; Holzborn, in: Bürgers/Körber AktG § 136 Rn. 21); ebenso bei vom Versammlungsleiter festgestellten Beschlüssen der Gesellschafterversammlung der GmbH (vgl. BGHZ 97, 28, 30; 104, 66, 69; Römermann, in: Michalski GmbHG § 47 Rn. 311; Drescher, in: MünchKomm GmbHG § 47 Rn. 316; Schindler, in: BeckOK GmbHG § 47 Rn. 151) und bei Beschlüssen der Generalversammlung der Genossenschaft (z. B. Fandrich, in: Pöhlmann GenG § 51 Rn. 12, 14). 493 So bei Aufsichtsratsbeschlüssen (Hüffer/Koch, AktG § 108 Rn. 27; Habersack, in: MünchKomm AktG § 108 Rn. 73 ff.) sowei bei Beschlüssen der Mitgliederversammlung des Vereins (H. P. Westermann, in: Erman BGB § 34 Rn. 6; grds. auch Weick, in: Staudinger BGB § 34 Rn. 18; Hadding, in: Soergel BGB § 34 Rn. 9). 494 BGH WM 1985, 567; Spindler, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 136 Rn. 33 (jeweils für Hauptversammlung der AG). Drescher, in: MünchKomm GmbHG § 47 Rn. 215; Roth, in: Roth/Altmeppen GmbHG § 47 Rn. 87 (jeweils für Gesellschafterversammlung der GmbH); Weick, in: Staudinger BGB § 34 Rn. 18; Heidel/Lachner, in: Heidel/Hüßtege AnwK BGB § 34 Rn. 5 (jeweils für Mitgliederversammlung des Vereins); Habersack, in: MünchKomm AktG § 108 Rn. 33 (für Aufsichtsrat). 495 K. Schmidt, in: Scholz GmbHG § 47 Rn. 100; Römermann, in: Michalski GmbHG § 47 Rn. 87; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff GmbHG § 47 Rn. 28; Hüffer/Schürnbrand, in: Großkomm GmbHG § 47 Rn. 131; Zöllner, in: Baumbach/Hueck GmbHG § 47 Rn. 76 („Gesetz will […] verbandsfremde Sonderinteressen von der Einwirkung auf Verbandsentscheidung fernhalten.“); ebenso Reuter, in: MünchKomm BGB § 34 Rn. 1; Schröer, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 136 Rn. 1; Rieckers, in: Spindler/Stilz AktG § 136 Rn. 1; Spindler, in: Schmidt/Lutter AktG § 136 Rn. 1. 496 K. Schmidt, in: Scholz GmbHG § 47 Rn. 100. 497 K. Schmidt, in: Scholz GmbHG § 47 Rn. 100, 102, 109 ff.; Römermann, in: Michalski GmbHG § 47 Rn. 87; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff GmbHG § 47 Rn. 28; Koppensteiner/ Gruber, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff GmbHG § 47 Rn. 51; Schindler, in: BeckOK GmbHG
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1. Teil, 4. Kap.: Geschäftsführungsbefugnis des befangenen Vorstandsmitglieds
Richter in eigener Sache sein und Prozesse gegen sich selbst führen können.498 Weitgehend einig ist man sich darin, dass sich aus den normierten, tatbestandlich begrenzten gesellschafts- und vereinsrechtlichen Stimmrechtsausschlüssen kein allgemeiner Grundsatz des Stimmverbots bei Interessenkonflikten ableiten lässt.499 Lediglich vereinzelt wird mit Verweis auf den Normzweck des Stimmrechtsausschlusses eine Verallgemeinerungsfähigkeit der normierten Fallgruppen vertreten.500 Praktische Unterschiede zwischen dem kasuistischen Vorgehen der h. M. und einer erweiterten Anwendung der Stimmverbote bestehen insbesondere bei Beschlüssen über Rechtsgeschäfte, die der Verband mit dem Stimmberechtigten nahe stehenden Dritten anstrebt.501 Von den Stimmverbotsvorschriften sind diese nicht ausdrücklich erfasst, sodass die h. M. hier nur in einigen formal besonderen Konstellationen ein
§ 47 Rn. 105; Reuter, in: MünchKomm BGB § 34 Rn. 3. Der Umstand, dass die Stimmverbotsnormen des Aktien- und Genossenschaftsrechts diesen Aspekt nicht enthalten, ändert als „Konzessionen an die Bedürfnisse der (faktischen) Konzernleitung (AG) bzw. des Mitgliedergeschäfts (Genossenschaft)“ nichts daran, dass es sich hierbei um einen „tragenden Gedanken der Stimmverbote“ handelt (Reuter, in: MünchKomm BGB § 34 Rn. 3). 498 BGHZ 97, 28, 33; K. Schmidt, in: Scholz GmbHG § 47 Rn. 100, 102, 132 ff.; Römermann, in: Michalski GmbHG § 47 Rn. 75, 79; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff GmbHG § 47 Rn. 28; Koppensteiner/Gruber, in: Rowedder/Schmidt-Leithoff GmbHG § 47 Rn. 51; Reuter, in: MünchKomm BGB § 34; Grundmann, in: Großkomm AktG § 136 Rn. 40; Schröer, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 136 Rn. 1; Rn. 3; Spindler, in: Schmidt/Lutter AktG § 136 Rn. 1; Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat, S. 123 ff. Zu beiden Fallgruppen grundlegend K. Schmidt, in: Scholz GmbHG, 6. Aufl. 1983, § 47 Rn. 89. Kritisch hierzu insbesondere Hüffer/Schürnbrand, in: Großkomm GmbHG § 47 Rn. 133, die den Fallgruppen zwar eine gewisse Nützlichkeit zuerkennen, jedoch von einer rein deskriptiven Bedeutung ausgehen und sie nicht für geeignet halten, die aus dem Wortlaut der Stimmverbotsnormen resultierenden Anwendungsprobleme abschließend zu lösen. 499 BGH NJW 1971, 1265, 1266 f.; BGH NJW 1977, 850; BGH NJW 1986, 2051, 2052 (zum Parallelfall der Analogie zu § 47 Abs. 4 GmbHG); BGH WM 2012, 895 (kein Stimmverbot analog § 47 Abs. 4 GmbHG in einer den Ehegatten eines Gesellschafters betreffenden Angelegenheit); K. Schmidt, in: Scholz GmbHG § 47 Rn. 101; Römermann, in: Michalski GmbHG § 47 Rn. 81; Bayer, in: Lutter/Hommelhoff GmbHG § 47 Rn. 32 („starre Schranke“); Schindler, in: BeckOK GmbHG § 47 Rn. 106; Zöllner, in: Baumbach/Hueck GmbHG § 47 Rn. 76; Ellenberger, in: Palandt BGB § 34 Rn. 3; Grundmann, in: Großkomm AktG § 136 Rn. 40; Schröer, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 136 Rn. 21; Rieckers, in: Spindler/ Stilz AktG § 136 Rn. 15; Spindler, in: Schmidt/Lutter AktG § 136 Rn. 29; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 77 Rn. 14; Hüffer/Koch, AktG § 77 Rn. 8; Kort, in: Großkomm AktG § 76 Rn. 184; Zöllner, Die Schranken mitgliedsrechtlicher Stimmrechtsmacht, S. 263; Thoma, Eigengeschäfte, S. 187 f.; Hoffmann-Becking ZHR 150 (1986), 570, 580; Aschenbeck, NZG 2000, 1015, 1022; Petersen/Schulze De la Cruz, NZG 2012, 453, 547; a. A. Roth, in: Roth/ Altmeppen GmbHG § 47 Rn. 56, 86, der die Ausweitung auf kasuistisch nicht näher definierte Konfliktlagen trotz „gewisse[r] Randunschärfe“ des Begriffs des Interessenkonflikts befürwortet. 500 Insbesondere Roth, in: Roth/Altmeppen GmbHG § 47 Rn. 55 ff., 86. 501 Roth, in: Roth/Altmeppen GmbHG § 47 Rn. 86.
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Stimmverbot anerkennt.502 Unterschiede können sich auch bei Grundsatzbeschlüssen des Verbands ergeben, wenn diese zwar Eigeninteressen des Stimmberechtigten betreffen, aber noch keine rechtsgeschäftliche oder prozessuale Umsetzungsmaßnahme zum Gegenstand haben. Darüber hinaus sind die praktischen Abweichungen beider Ansichten nur gering; trotz Betonung der kasuistischen Struktur legt auch die h. M. die Stimmverbotstatbestände grundsätzlich weit aus.503 2. Analoge Anwendung der §§ 28, 34 BGB Ziel einer Analogie ist es, durch eine einheitliche Behandlung wertungsmäßig vergleichbarer Sachverhalte eine planwidrige Regelungslücke im positiven Recht zu schließen.504 Erste Voraussetzung für eine Analogie ist somit der Nachweis einer planwidrigen Gesetzeslücke. Ob eine derartige Lücke vorhanden ist, ist vom Standpunkt des Gesetzes und der ihm zugrunde liegenden Regelungsabsicht aus zu beurteilen. Maßgebend ist also nicht, ob eine bestimmte Regelung rechtspolitisch wünschenswert erscheint, sondern erstens, ob der Gesetzgeber den in Frage stehenden Sachverhalt, festgemacht an seinem eigenen konkreten Regelungsplan, versehentlich nicht erfasst hat 505 und zweitens, ob er ihn, wenn er ihn denn erfasst hätte, nach den gleichen Grundsätzen beurteilt und mit der gleichen Rechtsfolge bedacht hätte wie den für die Analogie herangezogenen ausdrücklich geregelten Fall. Für die analoge Anwendung der §§ 28, 34 BGB auf Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft stellt sich also die Frage, ob der Gesetzgeber die im Vereinsrecht geregelten Konfliktsachverhalte im Aktienrecht tatsächlich übersehen bzw. verkannt hat und wenn ja, ob er sie ebenfalls durch Anordnung eines persönlichen Stimmverbots für das befangene Vorstandsmitglied gelöst hätte. Einen Stimmrechtsausschluss für Vereinsvorstände sieht das Gesetz in §§ 28, 34 BGB bei Beschlussfassungen sowohl über (einseitige und zweiseitige) Rechtsgeschäfte als auch über die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits zwischen dem Vorstandsmitglied und dem Verein vor. Für beide Fallgruppen ist deshalb zu prüfen, ob das Aktienrecht insoweit eine planwidrige Regelungslücke aufweist.
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So ist insbesondere in Treuhandverhältnissen nicht nur auf den Treugeber sondern alternativ auch auf die Person des Treuhänders abzustellen (BGHZ 56, 47, 53; K. Schmidt, in: Scholz GmbHG § 47 Rn. 155, 158; Faerber/Garbe, GWR 2012, 219). 503 Vgl. die entsprechende Einschätzung von Roth, in: Roth/Altmeppen GmbHG § 47 Rn. 86. 504 Siehe Larenz, Methodenlehre, S. 370 ff.; ferner BGHZ 105, 140, 143; 110, 183,193; 120, 239, 252; 149, 165, 174; 155, 380, 389. 505 BGHZ 155, 380, 389: „unbeabsichtigtes Abweichen des Gesetzgebers von seinem dem konkreten Gesetzgebungsverfahren zugrunde liegenden Regelungsplan“.
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1. Teil, 4. Kap.: Geschäftsführungsbefugnis des befangenen Vorstandsmitglieds
a) Rechtsgeschäfte zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied Rechtsgeschäfte zwischen der Aktiengesellschaft und einem Vorstandsmitglied betreffen zumeist dessen Organ- und Anstellungsverhältnis. Die wesentlichen Maßnahmen liegen hier in der Bestellung und Abberufung des Vorstandsmitglieds, im Abschluss, der Änderung oder der Beendigung seines Anstellungsvertrags sowie in Entscheidungen über eine Kreditgewährung oder die Befreiung vom Wettbewerbsverbot. Für alle diese Rechtsgeschäfte ist aufgrund seiner Personalkompetenz für Vorstandsmitglieder umfassend und ausschließlich der Aufsichtsrat zuständig. Diesbezügliche Entscheidungen und Erklärungen des Vorstands wären, ob mit oder ohne Beteiligung des in seinen eigenen Interessen betroffenen Mitglieds, entweder nach § 134 BGB nichtig oder würden die Gesellschaft nur binden, wenn der Aufsichtsrat sie genehmigt.506 Darum bedarf es eines Stimmverbots als „Richtigkeitsgewähr“ für die getroffenen Entscheidungen nicht. Ähnliches gilt für Drittgeschäfte zwischen der Gesellschaft und einem Vorstandsmitglied. Nach hier vertretenem Verständnis des § 112 AktG bleibt der Vorstand in diesen – unternehmerischen – Angelegenheiten zwar intern regelungsbefugt,507 dem Aufsichtsrat obliegt aber die Vertretung der Gesellschaft nach außen gegenüber dem Vorstandsmitglied. Da der Vorstand in der Sache einen eigenen Willen bilden und am Ende einen Beschluss fassen muss, bestünde für ein Stimmverbot des betroffenen Vorstandsmitglieds zwar theoretisch ein Anwendungsbereich. Es fehlt jedoch an einem entsprechenden rechtlichen Bedürfnis. Denn aufgrund seiner Vertretungsbefugnis gem. § 112 AktG hat der Aufsichtsrat die Möglichkeit, die Umsetzung des vom Vorstand beschlossenen Drittgeschäfts durch Nichtvornahme des Geschäfts zu blockieren. Dieses faktische Letztentscheidungsrecht hat Ausstrahlungswirkung auf den gesamten Prozess der vorstandsinternen Willensbildung und wird regelmäßig zu einer engen Abstimmung zwischen Vorstand und Aufsichtsrat bereits im Vorfeld des Vorstandsbeschlusses führen. Eigennützige Bestrebungen werden sich daher regelmäßig schon im Ansatz unterbinden lassen. Wenn das ausnahmsweise nicht der Fall sein sollte, ist die Gesellschaft durch die Möglichkeit des Aufsichtsrats, die Umsetzung des Geschäfts zu unterlassen, umfassend geschützt. Auf ein Stimmverbot zum Schutz ihrer Interessen ist sie nicht angewiesen, eine ausfüllungsbedürftige Regelungslücke liegt demnach nicht vor. b) Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits Die Frage nach einem Stimmverbot bei Beschlussfassung über die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits spielt bei praxisnaher Betrachtung im Vorstand der Aktiengesellschaft von vornherein nur eine geringe Rolle. Rechtsstreitigkeiten werden nur selten mit amtierenden Vorstandsmitgliedern geführt. Der Betroffene hat 506 Zum diesbezüglichen Streit über die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen § 112 AktG siehe oben § 5 VI. 4. 507 Siehe oben § 5 VI. 2. b).
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seine Amtsstellung – sei es einvernehmlich, sei es infolge Abberufung – regelmäßig bereits verloren, wenn in der Gesellschaft über gegen ihn erwogene prozessuale Maßnahmen Beschluss gefasst wird.508 Sollten dennoch einmal prozessuale oder einen Prozess vorbereitende Maßnahmen der Gesellschaft gegenüber einem (noch amtierenden) Vorstandsmitglied relevant werden, ist die Situation vergleichbar mit der vorangehenden Fallgruppe eines zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied zu schließenden Rechtsgeschäfts. Soweit es sich um einen organspezifischen oder anstellungsvertraglichen Streitgegenstand handelt, ist umfassend der Aufsichtsrat zuständig, ohne dass für eine eigene Beschlussfassung des Vorstands und damit für ein Stimmverbot des befangenen Mitglieds Raum bleibt. Geht es hingegen um die Frage, ob und welche Ansprüche aus einem Drittgeschäft mit einem Vorstandsmitglied geltend gemacht werden sollen, liegt zwar die Entscheidungsbefugnis nach der hier vertretenen Auslegung des § 112 AktG insoweit beim Vorstand, weshalb hier auch eine eigene Willensbildung stattfindet. Die Vertretung der Gesellschaft bei der gerichtlichen und außergerichtlichen Durchsetzung der Ansprüche ist jedoch gemäß § 112 AktG wiederum ausschließlich dem Aufsichtsrat vorbehalten, sodass sachwidrigen Prozesshandlungen des Vorstands zugunsten eines als Prozessgegner agierenden Mitglieds ausgeschlossen sind. 3. Ausdehnende Analogie Da der Aktienvorstand für Sachverhalte, die dem vereinsrechtlichen Stimmverbot gem. §§ 34, 28 BGB zugrunde liegen, entweder gar nicht zuständig ist oder zu ihrer Regelung der Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf, schränken die Befürworter des analogen Stimmverbots ihr Ergebnis z. T. mit der Anmerkung ein, ihm komme „keine große praktische Bedeutung“ zu.509 Diese Feststellung ist insofern missverständlich, als sie den Eindruck erweckt, die rechtlichen Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des vereinsrechtlichen Stimmverbots auf Vorstandsmitglieder der Aktiengesellschaft lägen zwar vor, die Analogie sei nur praktisch ohne Bedeutung. In Wahrheit fehlt es hier aber schon an der für einen Analogieschluss methodisch notwendigen sachlichen Regelungslücke. Einer genaueren Betrachtung bedürfen dagegen die Bestrebungen, verbandsrechtliche Stimmverbote im Wege einer doppelten Analogie510 nicht nur persönlich auf Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft, sondern gleichzeitig auch noch inhaltlich auf Konfliktsachverhalte auszudehnen, die weder im Aktiengesetz noch in den normierten Stimmverbotsvorschriften selbst explizit erfasst sind. Im Fokus 508 Wegen § 84 Abs. 3 Satz 4 AktG gilt das selbst dann, wenn es gerade die Wirksamkeit seiner Abberufung ist, die in Streit steht. 509 Fleischer, in: Spindler/Stilz AktG § 77 Rn. 25; Hüffer/Koch, AktG § 77 Rn. 8; Kort, in: Großkomm AktG § 77 Rn. 14; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 77 Rn. 38; Diekmann/ Fleischmann, AG 2013, 141, 149; Borsdorff, Interessenkonflikte bei Organmitgliedern, S. 66, 67; Thoma, Eigengeschäfte, S. 187. 510 Vgl. zur doppelten Analogie Regenfus, JA 2009, 579 ff.
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1. Teil, 4. Kap.: Geschäftsführungsbefugnis des befangenen Vorstandsmitglieds
stehen dabei vor allem zwei Fallkonstellationen. Das sind zum einen Vorstandsbeschlüsse, die sich auf Rechtsgeschäfte beziehen, die die Aktiengesellschaft mit einem Dritten anstrebt, der in einem besonderen Näheverhältnis zu einem Vorstandsmitglied steht.511 Ein zweiter häufig diskutierter Sonderfall betrifft Beschlussfassungen im Vorstand über Maßnahmen, die einen Vorstandskollegen in seiner Eigenschaft als Vorstands- oder Aufsichtsratsmitglied einer weiteren Gesellschaft berühren. Damit wird das Stimmverbot exakt für die Fallgruppen herangezogen, die einer direkten oder analogen Anwendung des § 112 AktG nicht zugänglich sind. Da der Weg, in diesen Fällen das Vorstandsorgan als solches auszuschalten, überwiegend und zu Recht auf Ablehnung stößt,512 soll, so scheint es, mittels eines analogen Stimmverbots wenigstens das befangene Mitglied „aus dem Rennen genommen“ werden. Im Folgenden wird untersucht, ob die Anwendung eines analogen Stimmverbots auf die beiden genannten Fallgruppen im Gesetz eine Grundlage findet. a) Rechtsgeschäfte der Aktiengesellschaft mit vorstandsnahen Dritten aa) Planwidrige Regelungslücke im positiven Recht? Mit Ausnahme der Kreditgewährung an bestimmte Personen und Organisationen regelt das Aktiengesetz nicht ausdrücklich, wie Interessenkonflikte bei Geschäften der Aktiengesellschaft mit vorstandsnahen Dritten zu behandeln sind. Ob dies ein Versäumnis des Gesetzgebers darstellt, das gemäß seinem eigenen Regelungsplan für die Lösung derartiger Probleme durch einen Stimmrechtsausschluss des befangenen Vorstandsmitglieds zu korrigieren ist, oder ob ihm eine ausdrückliche Regelung womöglich sogar entbehrlich erschien, weil er ein solches Stimmverbot ohnehin für selbstverständlich hielt, ist zunächst anhand der Gesetzgebungsgeschichte zu prüfen.513 Die Durchsicht der wesentlichen Vorgängerversionen des heutigen Aktiengesetzes ergibt, dass vorstandsrechtliche Stimmverbote hier nicht enthalten waren. Genau wie das derzeitige Aktiengesetz sieht weder das Aktienrecht des Handelsgesetzbuchs 1897 noch das Aktiengesetz 1937 eine solche Regelung vor.514 Analysiert man darüber hinaus die jüngeren Gesetzgebungsmaterialien, so wird die Frage vorstandsrechtlicher Stimmverbote hier nicht diskutiert, weder im Zusammenhang mit dem Aktiengesetz 1937515 noch mit der Aktienrechtsreform des 511
So Roth, in: Roth/Altmeppen GmbHG § 47 Rn. 86. Siehe oben § 5 VI. 3. a) aa) sowie § 5 VI. 3. b) cc). 513 Larenz, Methodenlehre, S. 358 (Ermittlung des Regelungsplans „im Wege der historischen und teleologischen Auslegung“). 514 Vgl. Handelsgesetzbuch von 1897, RGBl. 1897, S. 219 ff.; erläuternd hierzu Pahlow, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. I S. 415 ff. Ferner Aktiengesetz 1937, RGBl. 1937, 107 ff.; hierzu Bayer/Engelke, in: Aktienrecht im Wandel, Bd. I, S. 619 ff. 515 Vgl. Amtliche Begründung bei Klausing, AktG 1937, S. 3 ff. (Einleitung), S. 56 f. (Vorbemerkung zur Verfassung der Aktiengesellschaft), S. 57 ff. (Vorstand – §§ 70 – 85 AktG 512
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Jahres 1965516. Insbesondere kann diesen Materialien nicht entnommen werden, dass der Gesetzgeber implizit von einem Stimmrechtsausschluss des befangenen Vorstandsmitglieds ausgegangen ist. Vor dem Hintergrund, dass es sich hierbei um einen einschneidenden Eingriff in die Rechtstellung des Vorstandsmitglieds handelt und ein Stimmverbot, wie bereits ausgeführt, der Pflicht des Vorstandsmitglieds zur Leistungstreue widerspricht,517 wäre zumindest mit einer entsprechenden Andeutung in der Gesetzesbegründung zu rechnen gewesen. An anderen Stellen, wo er Rechtsfolgen sieht oder für möglich hält, die im Gesetz nicht ausdrücklich genannt sind, hat er solche Hinweise zahlreich gegeben.518 Auch und gerade für ein derart eingriffsintensives Instrument wie ein vorstandsrechtliches Stimmverbot wäre daher zumindest ein solches Signal zu erwarten gewesen. Auch die Annahme, ein Stimmverbot entspreche dem vom Gesetzgeber bei Erlass des heutigen Aktiengesetzes intendierten Umgang mit der Befangenheit von Vorstandsmitgliedern, er habe lediglich versäumt, dies im Gesetz auch ausdrücklich zu regeln, findet in den Gesetzesmaterialien keine Stütze. Dem aktienrechtlichen Gesetzgeber ist das Phänomen vorstandsinterner Sonderinteressen seit jeher bekannt. Dem Gesellschaftsrecht ist ein gegenüber dem sonstigen Zivilrecht verstärktes Abstellen auf die Interessenlage und auf Interessenkonflikte „eigentümlich“.519 Die Bewältigung von Interessenkonflikten bildet das Grundanliegen des aktiengesetzlichen Organisationsrechts.520 Dieses Organisationsrecht hat der Gesetzgeber im Zuge der Aktienrechtsreform 1965 überarbeitet und die Befugnisse des Vorstands
1937), sowie S. 98 ff. und S. 105 (mitgliedschaftliche Stimmverbote gemäß § 114 Abs. 5 AktG 1937 sowie § 118 Abs. 1 AktG 1937). 516 Vgl. Begründung des Regierungsentwurfs und Bericht des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestags bei Kropff, AktG 1965, S. 13 ff. (Allgemeines), S. 95 f. (Vorbemerkung zur Verfassung der Aktiengesellschaft), S. 96 ff. (Vorstand – §§ 76 – 94 AktG) , sowie S. 200 f. und S. 206 ff. 105 (mitgliedschaftliche Stimmverbote gemäß § 136 Abs. 1 AktG sowie § 142 Abs. 1 AktG). 517 Siehe oben § 9 II. i. V. m. § 8 II. 518 Vgl. z. B. Hinweis auf die Möglichkeit, per Satzungsregelung eine vom Vorstand erlassene Geschäftsordnung von der Zustimmung des Aufsichtsrats abhängig zu machen (BegrRegE Kropff, S. 100: „Diese Möglichkeit ist zwar im Entwurf nicht ausdrücklich vorgesehen […] ergibt sich aber daraus, daß […]“). Ähnlich etwa auch für das nicht ausdrücklich geregelte Fortbestehen der Verschwiegenheitspflicht nach Ausscheiden aus dem Vorstandsamt (BegrRegE Kropff, S. 123: „[Eine ausdrückliche Bestimmung] erübrigt sich, weil schon das geltende Recht so ausgelegt wird, dass die Schweigepflicht das Amt überdauert […]“. Ferner für bestimmte Sonderkonstellationen im Zusammenhang mit dem mitgliedschaftlichen Stimmverbot des § 136 Abs. 1 AktG (BegrRegE Kropff, S. 201: „[Diese Konstellation] regelt der Entwurf nicht ausdrücklich […] gesetzliche Regelung erscheint nicht notwendig […] Entscheidung […] kann auch künftig der Rechtsprechung überlassen werden.“ 519 Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht, S. 17. 520 Vgl. allg. zum Zweck der Aufteilung der gesellschaftsinternen Kompetenzen BegrRegE Kropff, S. 95: „Die Aufteilung der Zuständigkeit ist […] geeignet, Mißbräuchen entgegenzuwirken, weil sie die Verantwortung eindeutig festlegt.“
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dabei zugunsten von Aufsichtsrat521 und Hauptversammlung522 herabgesetzt. In diesem Zusammenhang hat er auch die Problematik vorstandsbezogener Sonderinteressen in den Blick genommen. Dies wird zum einen in der Neuregelung des § 112 AktG ersichtlich. Mit der Überarbeitung dieser Vorschrift hat sich der Gesetzgeber dem zentralsten der vorstandsbezogenen Interessenkonflikte zugewandt und festgelegt, dass die Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern gerichtlich und außergerichtlich allein vom Aufsichtsrat vertreten wird. Das vormals bei Insichkonstellationen zwischen Gesellschaft und Vorstandsmitglied bestehende kompetenzielle Nebeneinander von Vorstand und Aufsichtsrat wurde damit zugunsten einer Alleinzuständigkeit des Aufsichtsrats beseitigt.523 Darüber hinaus hat der Gesetzgeber vorstandsbezogene Konfliktsachverhalte vor allem im Zusammenhang mit den bereits besprochenen Fällen der Kreditgewährung neu geregelt und festgelegt, dass Kredite der Gesellschaft von der Zustimmung des Aufsichtsrats abhängig sind, wenn der Kreditempfänger in einem besonderen Näheverhältnis zu einem Vorstandsmitglied steht (§ 89 Abs. 3 und 4 AktG). Im Vergleich zur Regelungssituation des Aktiengesetzes 1937 hat der Gesetzgeber außer Kredite an nahe Angehörige und Strohleute nun auch solche an Personenverbände, die einem Vorstandsmitglied nahe stehen, der Zustimmung des Aufsichtsrats unterworfen.524 Bei der Neuregelung der §§ 112 und 89 AktG wurde weder eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs dieser Vorschriften auf sonstige Geschäfte mit vorstandsnahen Dritten erwogen, noch stand als Lösungsalternative für derartige Konfliktfälle der im Vergleich mit den normierten Vertretungs- und Eingriffsbefugnissen des Aufsichtsrats systematisch ganz andersartige Stimmrechtsausschluss des befangenen Vorstandsmitglieds zur Diskussion. Dabei war dem Gesetzgeber dieses Instrument zur Bekämpfung von Interessenkonflikten im Verbandsrecht gut bekannt. Explizit hat er solche Stimmverbote auch geregelt, nämlich im Bereich der mitgliedschaftlichen Willensbildung in Gestalt der §§ 136 Abs. 1 und 142 Abs. 1 AktG. Im Grundsatz waren solche Stimmverbote bereits im Aktiengesetz 1937 enthalten. Mit der Überarbeitung des Aktienrechts im Jahr 1965 hat der Gesetzgeber diese Tatbestände ausgeweitet, mit dem Ziel, erkannte Umgehungskonstellationen abzudecken.525 Zusammengefasst wurden im Zuge der Aktienrechtsreform 1965 also sowohl Regelungen zur Bekämpfung vorstandsspezifischer Interessenkonflikte verschärft als auch die aktienrechtlichen Stimmverbotsvorschriften inhaltlich ausgedehnt. Sowohl mit dem 521 Zu nennen sind vor allem erweiterte Informationsrechte des Aufsichtsrats und ein entsprechend erweiterter Beratungsauftrag (vgl. BegrRegE Kropff, S. 96). 522 Die Regierungsbegründung stellt insbesondere das Recht zur Entscheidung über die Gewinnverwendung sowie erweiterte Zuständigkeiten in einzelnen Fragen der Geschäftsführung in den Vordergrund (vgl. BegrRegE Kropff, S. 95 f.). 523 Siehe dazu oben § 5 VI. 2. a). 524 BegrRegE Kropff, S. 114. 525 In ihrer im Jahre 1965 eingeführten Fassung beziehen sich beide Stimmverbotsregelungen infolgedessen auch auf Fälle, in denen ein Nicht-Aktionär, bei dem die Voraussetzungen eines Stimmrechtsausschlusses vorliegen, für einen anderen das Stimmrecht ausübt (vgl. BegrRegE Kropff, S. 200 f. und S. 207).
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Thema des Interessenkonflikts im Vorstand als auch mit dem Instrument des Stimmverbots hat sich der Gesetzgeber im Zuge seiner umfassenden Reform des Jahres 1965 somit auseinandergesetzt. In beiden Regelungsbereichen lag das Ergebnis dieser Überarbeitung in einer intensivierten Bekämpfung von Interessenkonflikten, bei der jedoch eine Zusammenführung des Problems „vorstandsspezifisches Sonderinteresse“ mit dem Lösungsansatz „Stimmverbot“ unterblieb. Dass dies ein unreflektiertes Versäumnis war, lässt sich angesichts der dargestellten gesetzgeberischen Aktivitäten in beiden Regelungskomplexen nicht feststellen. Da die Gesetzgebungsgeschichte Rückschlüsse auf einen Plan des Gesetzgebers, befangene Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft mit einem Stimmverbot zu belegen, eher verbietet als zulässt, ist die endgültige Antwort in einer systematischen Auslegung des Gesetzes zu suchen. Dabei ist nicht nur auf die bewusst getroffenen Entscheidungen des Gesetzgebers abzuheben, sondern es sind auch „objektive Rechtszwecke und allgemeine Rechtsprinzipien [zu berücksichtigen], die in das Gesetz Eingang gefunden haben“.526 Eine bewusst getroffene, einschlägige Entscheidung des Aktiengesetzgebers besteht darin, der Aktiengesellschaft, abweichend vom Vereinsrecht des BGB, zur Vermeidung von Missbräuchen bei der Verwaltung eine duale Organisationsstruktur zu geben und die Existenz des Aufsichtsrats als zweitem Verwaltungsorgan dazu zu nutzen, Interessenkonflikte der Vorstandsmitglieder bei ihrer Amtsführung nicht zur Geltung kommen zu lassen. Wie in den vorausgegangenen Kapiteln gesehen, steht das Aktiengesetz Sonderinteressen der Vorstandsmitglieder nicht gleichgültig gegenüber, sondern trifft in verschiedenen Konstellationen Vorkehrungen, um ihren Einfluss zu begrenzen. Dies ließ sich zunächst für Regelungsgegenstände beobachten, die das Organ- und Anstellungsverhältnis der Vorstandsmitglieder betreffen (§§ 84, 87, 88 AktG). Zum Zwecke unbefangener Wahrnehmung hat das Gesetz diese vollständig dem Aufsichtsrat überantwortet. Auch beim Abschluss von Kreditgeschäften mit Vorstandsmitgliedern und bestimmten vorstandsnahen Dritten nimmt das Gesetz den Aufsichtsrat in die Pflicht, indem es diesen entweder umfassend (§ 89 Abs. 1 AktG) oder durch Zuweisung eines gesetzlichen Vetorechts zumindest teilweise (§ 89 Abs. 2 – 4 AktG) für zuständig erklärt. Und schließlich gewährleistet das Aktiengesetz auch, dass die Gesellschaft rechtsgeschäftlich und prozessual gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern unbefangen vertreten wird, indem es die Zuständigkeit dafür dem Aufsichtsrat zuweist (§ 112 AktG). Zwar handelt es sich in diesen Fällen jeweils nur um einzelne, durch das Aktiengesetz speziell herausgegriffene Konfliktkonstellationen. Bei der Suche nach einem übergreifenden Plan, mit dem das Gesetz dem Problem vorstandsspezifischer Sonderinteressen begegnet, sind diese punktuellen Regelungen jedoch von besonderer Aussagekraft. Die von ihnen erfassten Konfliktsituationen unterscheiden sich von sonstigen Interessenkonflikten, denen ein Vorstandsmitglied bei seiner Geschäftsführung unterliegen kann, lediglich durch ihre tatbestandlichen Anknüpfungspunkte, die ent526
Larenz, Methodenlehre, S. 359.
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1. Teil, 4. Kap.: Geschäftsführungsbefugnis des befangenen Vorstandsmitglieds
weder in einem organspezifischen oder anstellungsvertraglichen Rechtsgeschäft, in einer bestimmten Art des Kredits oder in der Konstellation des Insichgeschäfts liegen. Materiell jedoch ist die in diesen Situationen typischerweise vorliegende Befangenheit keine grundsätzlich andere als in sonstigen Konfliktfällen, die diese Merkmale nicht aufweisen. Ob ein Vorstandsmitglied z. B. an dem Abschluss eines Anstellungsvertrags deshalb ein eigenes Interesse hat, weil er mit ihm selbst oder mit seiner Lebenspartnerin geschlossen werden soll, ist für seine Befangenheit nicht erheblich. Der Mechanismus, mit dem diese Sondervorschriften die Befangenheit eines Vorstandsmitglieds neutralisieren, hat daher auch Aussagekraft dafür, wie mit allen übrigen im Vorstand der Gesellschaft auftretenden Sonderinteressen umzugehen ist. Ein Plan des Aktiengesetzes, dem Interessenkonflikt eines Vorstandsmitglieds (auch) mit einem Stimmverbot zu begegnen, lässt sich aus diesen Vorschriften nicht erschließen. Im Gegenteil: Es zeigt sich, dass dem Gesetz ein direkter Eingriff in die individuelle Rechtsstellung eines befangenen Vorstandsmitglieds fremd ist. Das Aktiengesetz knüpft in den von ihm geregelten Kollisionsfällen an die Organzuständigkeit des Vorstands an, indem es sie entweder vollständig auf den Aufsichtsrat verlagert oder dessen kontrollierende Mitwirkung in Form eines Zustimmungsvorbehalts anordnet. Damit behandelt das Gesetz alle Vorstandsmitglieder gleich, das Recht und die Pflicht des Einzelnen zur Geschäftsführung laufen mit der Zuständigkeit des Organs synchron. Ist in den Fällen der §§ 84, 87, 88, 89 Abs. 1 und 112 AktG der Vorstand für eine Angelegenheit unzuständig, so sind insoweit alle Vorstandsmitglieder ohne Rücksicht auf ihre jeweilige individuelle Betroffenheit von der Geschäftsführung ausgeschlossen. Bleibt dagegen der Vorstand zuständig, obwohl sich eines seiner Mitglieder in einem Interessenkonflikt befindet, wie etwa bei der Kreditgewährung an Dritte nach § 89 Abs. 3 und 4 AktG, so ordnet das Gesetz auch für das das betroffene Mitglied persönlich keine Ausnahme an, sondern schränkt durch die zwingende Zustimmung des Aufsichtsrats die Autonomie des Organs insgesamt ein. Eine aktienrechtliche ratio legis, aus der sich eine individuelle Beschränkung der Befugnisse eines befangenen Vorstandsmitgliedes ableiten ließe, existiert nicht. Das korrespondiert auch mit der Beobachtung im Zusammenhang mit dem Normzweck des § 112 AktG, wonach der Interessenkonflikt eines Vorstandsmitglieds stets die Gefahr mit sich bringt, die Unbefangenheit auch der anderen Vorstandsmitglieder zu beeinträchtigen. Als dem Kollegialprinzip unterworfenes Verwaltungsorgan bildet der Vorstand eine durch wechselseitige Abhängigkeiten und dadurch erzeugtem hohen Konsensdruck geprägte Interesseneinheit seiner Mitglieder, sodass die Effektivität individueller Ansätze zur Konfliktbewältigung begrenzt ist.527 Im Hinblick auf die kollegiale Verbundenheit aller Mitglieder betrachtet 527
Vgl. insoweit auch die Gesetzesbegründung (für den Sonderfall einer ein einzelnes Vorstandsmitglied betreffenden Sonderprüfung): „[Ein] Interessenwiderstreit ist […] bei einem Mitglied des Vorstands […] schon dann möglich, wenn ein anderes Mitglied des Vorstands […] betroffen ist.“ (BegrRegE Kropff, S. 207). Für die Situation der Sonderprüfung gilt diese Beobachtung wegen der Gesamtverantwortung der Vorstandsmitglieder in besonderer Weise. Wie
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das Gesetz deshalb den Interessenkonflikt eines einzelnen Vorstandsmitglieds grundsätzlich als ein Problem des Organs an sich und setzt mit seinen Konfliktlösungen folgerichtig an den Organzuständigkeiten an. Von daher zielt der Ansatz eines individuellen Stimmverbots von vornherein in die falsche Richtung. Als integraler, systematisch „stimmiger“ Bestandteil des aktiengesetzlichen Regelungsplans zur Lösung vorstandsbezogener Interessenkonflikte, der im Wege der Rechtsfortbildung notwendig zu schaffen wäre, lässt sich ein vorstandsrechtliches Stimmverbot nicht plausibel darstellen. Sehr viel näher liegt der Umkehrschluss, dass der Gesetzgeber das Instrument des Stimmverbots auf Aktienvorstände gerade nicht angewendet wissen wollte, sondern es der Aktiengesellschaft als privatrechtlicher Wirtschaftsorganisation bewusst überlassen hat, sich, abgesehen von einigen typisierten Sondersituationen, gegen allfällige Interessenkonflikte ihrer Vorstandsmitglieder flexibel und situationsangemessen selbst zu schützen. Mit den aus dem Prinzip der Gesamtverantwortung resultierenden organinternen Kontrollpflichten, insbesondere und vor allem aber mit der obligatorischen Institution des Aufsichtsrats und den diesem zur Kontrolle und Verhinderung sachfremder Eigenmächtigkeiten des Vorstands zu Gebote stehenden Eingriffsmöglichkeiten, namentlich dem Vetorecht aus § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG, hat er der Gesellschaft auch dazu wirksame Abwehrmittel zur Verfügung gestellt,528 so dass bezüglich der nicht ausdrücklich erfassten Konflikte keine ausfüllungsbedürftige Gesetzeslücke entstanden ist, die nun durch ein individuelles Stimmverbot geschlossen werden müsste. Die Richtigkeitsgewähr für konfliktbelastete Vorstandsentscheidungen übernimmt in einer Aktiengesellschaft neben den nicht befangenen Vorstandsmitgliedern ganz wesentlich der Aufsichtsrat, indem er derartige Entscheidungen überwacht und, falls erforderlich, von seiner Zustimmung abhängig macht. Daneben bedarf es eines Stimmverbots für das unmittelbar befangene Vorstandsmitglied nicht. Allein dieses Ergebnis liegt auf der Linie des gesetzlichen Regelungsplans. Danach ist die Aktiengesellschaft Interessenkonflikten eines Vorstandsmitglieds in keinem Fall wehrlos ausgeliefert. Sie muss sich jenseits der unmittelbar vom Gesetz geregelten Sonderfälle nur selbst um die Abwehr kümmern. Da dies in ihrem eigenen Interesse liegt, ist das von ihr auch zu erwarten. Freilich können die anderen Vorstandsmitglieder und der Aufsichtsrat ihre Kontrollfunktion nur erfüllen, wenn ihnen das Sonderinteresse des befangenen Vorstandsmitglieds auch bekannt ist. Verschweigt das Vorstandsmitglied treuwidrig seinen Interessenkonflikt529 und nimmt ungehindert an der Beschlussfassung teil, so ist der in Ausführung des Beschlusses getätigte Geschäftsabschluss mit dem ihm nahe stehenden Dritten gleichwohl wirksam, weil eine solche Pflichtwidrigkeit im Innenverhältnis die Vertretungsmacht des Vorstands nach außen grundsätzlich nicht berührt (§ 82 Abs. 1 bereits gesehen, ist der Gedanke einer vorstandsinternen Ausstrahlungswirkung eines Interessenkonflikts aber verallgemeinerungsfähig (siehe oben § 5 VI. 3. a) bb)). 528 Dazu ausführlich § 6 II. und § 7. 529 Zur Pflicht eines Vorstandsmitglieds, einen Interessenkonflikt offen zu legen, siehe § 6 I. 3.
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AktG).530 Diese „Restlücke“ im vorbeugenden Interessenschutz vermag aber auch ein analoges Stimmverbot nicht zu schließen. Seine Missachtung bei der internen Beschlussfassung des Vorstands hätte allenfalls die Nichtigkeit des Beschlusses531, nicht aber die des beschlossenen Rechtsgeschäfts mit dem Dritten zur Konsequenz. Trotz eines Stimmverbots verbliebe also das Risiko pflichtwidriger Geschäftsführung des befangenen Mitglieds grundsätzlich bei der Gesellschaft und könnte auf den außen stehenden Dritten nur nach den Regeln zum Missbrauch der Vertretungsmacht verlagert werden. bb) Systemwidrigkeit vorstandsrechtlicher Stimmverbote im Aktienrecht Zur Rechtfertigung der Analogie greifen die Befürworter des Stimmverbots gelegentlich auf einen Erst-Recht-Schluss zurück: Da die Pflichtbindung der Vorstandsmitglieder gegenüber der AG strenger sei als die Pflichten, denen die eigentlichen Stimmverbotsadressaten ihrem Verband gegenüber unterliegen, müssten a fortiori auch im Vorstandsrecht der Aktiengesellschaft Stimmrechtsausschlüsse gelten. Diese Argumentation findet sich vor allem bei denjenigen, die eine Analogie aus den mitgliedschaftlichen Stimmverboten des Verbandsrechts ableiten,532 der Tendenz nach aber auch in den Stellungnahmen, die an die für den Vereinsvorstand geltenden Regelungen der §§ 28, 34 BGB anknüpfen.533 Der Erst-Recht-Schluss übersieht die besondere Rolle, die das Gesetz dem Aufsichtsrat zuweist, um die Aktiengesellschaft vor sachwidrigen Entscheidungen eines durch Sonderinteressen fehlgeleiteten Vorstands zu bewahren. Es trifft zwar zu, dass die Pflichtenstellung eines Aktienvorstands strenger ist als die der vom Gesetz ausdrücklich genannten Stimmverbotsadressaten gegenüber ihrem jeweiligen Verband. Daraus folgt aber nicht, dass die Aktiengesellschaft vor Interessenkonflikten ihrer Vorstandsmitglieder 530 Von den Rechtswirkungen eines für sie unvorteilhaften Geschäfts wird die Gesellschaft nur nach den Grundsätzen zum Missbrauch der Vertretungsmacht frei. Siehe im Einzelnen dazu § 10 II. 531 Siehe § 9 IV. 1. 532 Z. B. Herzfelder, Stimmrecht und Interessenkollision, S. 68 f.: „Wenn es das Gesetz schon für nötig gehalten hat, die Gesamtheit der Körperschaftsmitglieder gegen die eigenen Mitglieder der Körperschaft, die doch i. d. R. unmittelbar an dem Wohlergehen der Körperschaft interessiert sind, zu schützen, um wieviel mehr erscheint es dann angebracht, die Körperschaftsmitglieder vor einer selbstsüchtigen Willensentscheidung solcher Organmitglieder sicherzustellen, deren Interesse durchaus nicht mit dem der Körperschaft zu kongruieren braucht […].“. Zustimmend Hübner, Interessenkonflikt und Vertretungsmacht, S. 284 f.; tendenziell auch – wenngleich zweifelnd – Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat, S. 63 (Erst-Recht-Schluss mag „in Geschäftsführungsorganen […] vom Grundgedanken her zutreffend sein“). 533 Vgl. Giesen, Organhandeln und Interessenkonflikt, S. 110, der ein vorstandsrechtliches Stimmverbot analog §§ 28, 34 BGB rechtfertigt, weil der Vorstand der Aktiengesellschaft „mindestens in gleichem Maße wie jener des Vereins uneigennützig die Belange der Körperschaft und ihrer Mitglieder zu fördern hat.“
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mit dem gleichen Instrument geschützt werden muss wie die Verbände vor ihren Mitgliedern bzw. der Verein vor seinen Vorstandsmitgliedern. Mit der Institutionalisierung des Aufsichtsrats und seiner Verpflichtung zur Richtigkeitsgewähr für Vorstandsentscheidungen, an denen ein befangenes Mitglied mitwirkt, beschreitet das Aktiengesetz vielmehr einen Weg sui generis, der in seiner Ausrichtung auf das Vorstandsorgan die Interessen der Gesellschaft vor Fehlentscheidungen erheblich effektiver schützt, als es ein individuelles Stimmverbot (nur) für das unmittelbar betroffene Vorstandsmitglied zu tun vermag. Ein solches Stimmverbot kann nur insoweit Wirkung entfalten, als es überhaupt zu einer echten, d. h. ergebnisoffenen Abstimmung kommt. In einem durch das Kollegialprinzip geprägten Geschäftsführungsorgan ist das eher selten der Fall. Hier kommt der Entscheidungsvorbereitung für die Willensbildung des Vorstands eine sehr viel größere Bedeutung zu als der abschließenden Beschlussfassung. Deshalb hätte ein individuelles Stimmverbot schon seiner Natur nach nur eine begrenzte Wirkung. Es schlösse das befangene Vorstandsmitglied ja nur von der Teilnahme an der Abstimmung, nicht jedoch von der Mitwirkung an der Entscheidungsfindung aus. Gerade in dieser Phase aber ist sein Einfluss am größten, denn hier hat es die Möglichkeit, in seinem Sinne auf die allgemeinen Rahmenbedingungen der Entscheidung sowie auf die Meinung seiner Kollegen einzuwirken und so entscheidende Weichen zu stellen. Deren Meinungsbildung erfolgt üblicherweise nämlich nicht erst bei der finalen Abstimmung, sondern bereits im Prozess der Beschlussvorbereitung und Beratung.534 Dieser Prozess endet für gewöhnlich mit einer Beschlussvorlage, deren Inhalt in aller Regel noch einmal mit allen Vorstandsmitgliedern und ihren Fachbereichen abgestimmt wird, bevor sie auf die Tagesordnung der Vorstandssitzung gelangt. Die Beschlussfassung ist dann meist nur noch Formsache, denn das „Decision Shaping (…) präjudiziert zwingend das Decision Taking“.535 Wenn also die von dem Konflikt nicht unmittelbar betroffenen Vorstandsmitglieder den eigennützigen Argumenten des befangenen Kollegen schon im Verlauf der Entscheidungsvorbereitung nichts entgegenzusetzen hatten, dann werden sie diese Haltung bei der Abstimmung über die Beschlussvorlage kaum ändern, egal ob der Betroffene mitstimmt oder nicht. Der geringe praktische Nutzen eines Stimmverbots zeigt sich schließlich auch daran, dass der Interessenkonflikt in den meisten Fällen mit der Beschlussfassung nicht erledigt ist. Mit dem förmlichen Beschluss ist zwar der Willensbildungsprozess im Vorstand abgeschlossen. Danach muss der Beschluss aber auch umgesetzt und die Zielerreichung kontrolliert werden.536 Hierbei könnte das nach wie vor befangene Mitglied, insbesondere wenn die Umsetzung in sein Ressort fällt, ungehindert durch das 534 Anschauliche Darstellung des Ablaufs eines unternehmerischen Entscheidungsprozesses bei Seibt, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1474, wonach bis zur eigentlichen Entscheidung bereits drei vorbereitende Phasen durchlaufen werden, nämlich die Phasen der Situationsanalyse, der Strukturierung des Entscheidungsprozesses und der konkreten Entscheidungsvorbereitung. 535 Seibt, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1475. 536 Vgl. Seibt, in: FS K. Schmidt, 2009, S. 1463, 1474.
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1. Teil, 4. Kap.: Geschäftsführungsbefugnis des befangenen Vorstandsmitglieds
Stimmverbot versuchen, die Umsetzung eines seinen Interessen zuwiderlaufenden Beschlusses zu hintertreiben, sie z. B. zu verzögern oder die für ihn nachteiligen Auswirkungen abzumildern. Verglichen mit der Einschaltung des vom Vorstand unabhängigen Aufsichtsrats und dessen Befugnis, die Geschäftsführung des gesamten Vorstandsorgans gem. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG an seine Zustimmung zu binden, ist ein individuelles Stimmverbot also sehr viel weniger geeignet, die Aktiengesellschaft vor einer durch sachfremde Interessen geprägten Entscheidung eines befangenen Vorstandsmitglieds und seiner ihm möglicherweise gewogenen Kollegen zu bewahren. Deshalb mögen Stimmverbote in ihren angestammten Anwendungsbereichen, wo vergleichbare Schutzmechanismen nicht existieren, zur Abwehr von Sonderinteressen sachgerecht sein, im Vorstandsrecht der Aktiengesellschaft bilden sie dagegen einen im Wesentlichen ineffektiven und zudem systemwidrigen Fremdkörper, der der analogen Anwendung mittels eines Erst-Recht-Schlusses nicht zugänglich ist. Dass Stimmverbote dem Vorstandsrecht der Aktiengesellschaft wesensfremd sind, zeigt nicht zuletzt ihre Unvereinbarkeit mit dem aktienrechtlichen Organisationsprinzip der Gesamtgeschäftsführung. Ähnlich wie ein Geschäftsführungsausschluss537 würde auch ein Stimmverbot die Handlungsunfähigkeit des Vorstands zur Folge haben, wenn dieser gemäß der Grundregel des § 77 Abs. 1 Satz 1 AktG organisiert ist. Im Falle der Gesamtgeschäftsführung bildet der Vorstand seinen Willen durch einen einstimmigen Beschluss. Dabei ist nicht nur die Willensübereinstimmung der an der Abstimmung jeweils teilnehmenden Vorstandsmitglieder erforderlich, sondern gem. § 77 Abs. 1 Satz 1 AktG müssen „sämtliche“ Mitglieder zustimmen.538 In dieser Anforderung unterscheidet sich der Vorstand der Aktiengesellschaft von den Verbandsgremien, in denen Stimmverbote kraft ausdrücklicher Anordnung gelten. Das Gesetz lässt dort im Regelfall die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen zur Beschlussfassung genügen.539 Das Problem der Handlungsunfähigkeit würde sich nicht stellen, wenn ein befangenes Vorstandsmitglied nicht nur von der Ausübung seines Stimmrechts ausgeschlossen wäre, sondern seine Stimme zugleich auch bei der Berechnung des erforderlichen Mindestquorums außer Betracht bliebe. Als Ansatzpunkt für eine solche Herabsetzung des Mindestquorums könnte beispielsweise – wie von Matthießen für die Paralleproblematik beim Aufsichtsrat vorgeschlagen – eine Analogie zum Personengesellschaftsrecht dienen.540 Dort gilt grundsätzlich das Einstimmigkeitsprinzip für die Abstimmungen der Gesellschafter. Damit die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft auch dann noch ge537
Siehe dazu § 8 V. 2. Kort, in: Hdb des Vorstandsrechts § 2 Rn. 89; Hüffer/Koch, AktG § 77 Rn. 2; Fleischer, in: Spindler/Stilz AktG § 77 Rn. 8 („strenges Einstimmigkeitsprinzip“). 539 Vgl. § 133 Abs. 1 AktG (für die Hauptversammlung der AG); § 47 Abs. 1 GmbHG (für die Gesellschafterversammlung der GmbH); § 43 Abs. 2 Satz 1 GenG (für die Generalversammlung der Genossenschaft); § 32 Abs. 1 Satz 3 BGB (für die Mitgliederversammlung des Vereins sowie i. V. m. § 28 BGB auch für den Vereinsvorstand). 540 Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat, S. 76. 538
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währleistet ist, wenn es um Maßnahmen zum Nachteil eines Gesellschafters geht, sieht das Gesetz in besonders schwerwiegenden Konfliktfällen eine Beschlussfassung ohne den vom Beschlussgegenstand Betroffenen vor.541 Diese Regelungen führen nicht nur dazu, dass der betroffene Gesellschafter von der Beschlussfassung ausgeschlossen ist, sondern sie bewirken zugleich, dass seine Beteiligung für einen wirksamen Beschluss nicht erforderlich ist.542 Alternativ dazu könnte man auch eine den Wortlaut des § 77 Abs. 1 Satz 1 AktG einschränkende Lesart erwägen, wonach unter „sämtlichen Vorstandsmitgliedern“ lediglich die Gesamtheit der unbefangenen und nicht der amtierenden Vorstandsmitglieder zu verstehen ist. Beide Überlegungen sind jedoch nicht weiter zu verfolgen. Denn wenn ein Rechtsinstitut (hier: verbandsrechtliches Stimmverbot), für dessen analoge Erweiterung augenscheinlich kein Bedürfnis besteht, dann auch noch in konkreten Anwendungsfällen nur zu retten ist, indem man sich durch neue Analogieschlüsse oder die wortlautwidrige Auslegung gesetzlicher Grundregeln immer weiter vom Gesetz entfernt, dann erhärtet das nur den Befund, dass es nicht Bestandteil eines mit der Systematik des Aktienrechts harmonierenden gesetzgeberischen Regelungsplans ist und für die ihm zugedachte Verwendung de lege lata nicht in Frage kommt. Vergleichbares gilt schließlich für Erwägungen, mittels derer die Handlungsfähigkeit eines Einpersonen-Vorstands „gerettet“ werden soll, wenn dieser eigentlich einem grundsätzlich befürworteten Stimmverbot unterläge. Um dem Dilemma der Handlungsunfähigkeit zu entgehen, wird für diese Fälle die Ansicht vertreten, dass Stimmverbote beim Einpersonen-Vorstand nicht anzuwenden seien.543 Sofern das Stimmverbot durch Analogie zu den mitgliedschaftlichen Ausschlusstatbeständen begründet wird, handelt es sich hierbei um eine Rückausnahme. Autoren, die sich auf eine Übertragung des organschaftliche Stimmverbots des Vereinsvorstands gemäß §§ 28, 34 BGB stützen, können sich unmittelbar auf den Wortlaut des § 28 BGB berufen, der von vornherein nur für mehrköpfige Vereinsvorstände auf das in § 34 BGB enthaltene Stimmverbot verweist. Die Ausnahme für befangene Einpersonen-Vorstände führt zu dem paradoxen Ergebnis, dass das Stimmverbot als Instrument des Interessenschutzes gerade dann fallen gelassen wird, wenn der Einfluss des Befangenen aufgrund seiner Alleinherrschaft am größten ist. Damit erweist es sich ein weiteres Mal als inkonsistente, beliebig erscheinende Verlegenheitslösung, aber nicht als Bestandteil eines in sich schlüssigen und widerspruchsfreien gesetzlichen Regelungsplans. Das mögliche Argument, ein auf den Mehrpersonen-Vorstand beschränktes Stimmverbot sei besser als gar keines und der Verzicht auf das Stimmverbot bei einem Einmann-Vorstand sei als praktische Notwendigkeit hinzunehmen, ist nicht akzeptabel. Dieses Argument mag für den Verein durchgehen, der im Gegensatz zur Aktiengesellschaft nicht über ein obligatorisches Aufsichtsorgan verfügt, das die Amtsführung des Vorstands zu überwachen hat und ver541
Siehe die Aufzählung bei Matthießen, a.a.O. Matthießen, a.a.O. 543 So z. B. bei Kort, in: Großkomm AktG § 76 Rn. 187; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 77 Rn. 42; in diese Richtung auch Fleischer, in: Spindler/Stilz AktG § 76 Rn. 109. 542
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pflichtet ist, bei erkennbaren Interessenkonflikten kontrollierend und regulierend auf seine Entscheidungen einzuwirken. Hier ist zu akzeptieren, dass der Gesetzgeber nach einem unmittelbar gesetzlich wirkenden Regelungsmechanismus gesucht und diesen, mangels Alternativen, (nur) für den mehrköpfigen Vorstand in Form des dem Mitgliedschaftssrecht entlehnten Stimmverbots normiert hat. Im Aktienrecht hingegen ist der Schutz des Gesellschaftsinteresses vor sachfremden Vorstandsentscheidungen unabhängig von der Zahl der Vorstandsmitglieder durch das gesetzliche Überwachungsregime des Aufsichtsrats gewährleistet. Deshalb bedarf es der unter dem Aspekt der Schutzbedürftigkeit der Gesellschaft widersinnigen Ausnahme des befangenen Einpersonen-Vorstands vom analogen Stimmverbot nicht. Sachgerecht ist allein die Lösung, dass überhaupt kein Stimmverbot gilt, weil die Gesellschaft es zu ihrem Schutz nicht braucht. b) Vorstandsbeschlüsse mit Auswirkung auf die Interessen von Doppelmandatsträgern Ein häufig diskutierter Sonderfall von Stimmverboten begegnet einem im Zusammenhang mit sogenannten Doppelmandaten von Vorstandsmitgliedern, d. h. in Situationen, in denen ein Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft zugleich Mitglied des Geschäftsführungsorgans oder Aufsichtsrats in einer weiteren Gesellschaft ist.544 Ist die Aktiengesellschaft – wie in der Praxis zumeist – an dieser weiteren Gesellschaft beteiligt, gibt es verschiedenen Situationen, in denen sie Entscheidungen zu treffen hat, die auf die persönlichen Interessen des Doppelmandatsträgers einwirken. Namentlich gilt das für die Frage der (Wieder-)Bestellung des Doppelmandatsträgers als Organmitglied der Tochtergesellschaft, für seine Abberufung aus wichtigem Grund sowie für die Entscheidung darüber, ob er für seine Amtsführung in der Tochtergesellschaft entlastet werden soll. Diese Sachverhalte werden im Vorstand der Muttergesellschaft regelmäßig vorberaten. Im Anschluss daran fasst der Vorstand darüber Beschluss, wie die Muttergesellschaft ihr Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung der Tochtergesellschaft ausüben wird bzw. ob sie versuchen soll, die Maßnahme mittels ihres faktischen Einflusses auf den Aufsichtsrat der Tochtergesellschaft durchzusetzen.545 Der Doppelmandatsträger sieht sich bei dieser Beschlussfassung der Schwierigkeit ausgesetzt, eine Entscheidung im Interesse der Muttergesellschaft treffen zu müssen, die ihn in seiner Rechtsstellung als Organmitglied der Tochtergesellschaft zugleich persönlich betrifft. Um einen unsachgemäßen Einfluss des Doppelmandatsträgers auf die Willensbildung des Vorstands zu vermeiden, wird daher viel544
Ausführlich zu den verschiedenen Konstellationen von Vorstandsdoppelmandaten und der Lösung der hier auftretenden Konfliktsituationen siehe unten § 12 und § 13. 545 Streyl, Zur konzernrechtlichen Problematik von Vorstands-Doppelmandaten, S. 202 (Verpflichtung des Vorstands zur Beschlussfassung in diesen Angelegenheiten als Teil seiner Konzernleitungspflicht); Semler, in: FS Stiefel, 1987, S. 721, 744 ff.; Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570, 576.
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fach ein Stimmrechtsausschluss befürwortet. Zwar entspricht es auch im Falle von Doppelmandaten der ganz h. M., dass sich ein Stimmverbot nicht aus dem allgemeinen Tatbestand des Interessenkonflikts ableiten lässt.546 Für die abgegrenzten Fälle der Bestellung, der Abberufung aus wichtigem Grund sowie der Entlastung wird ein Stimmverbot hingegen vermehrt befürwortet. Verhältnismäßig breit ist die Anhängerschaft eines Stimmrechtausschluss dabei vor allem, soweit der Gedanke des Richtens in eigener Sache betroffen ist, d. h. also für Beschlüsse über eine mögliche Entlastung des Doppelmandatsträgers in der Tochtergesellschaft und über eine eventuelle Abberufung aus wichtigem Grund.547 Daneben wird ein Stimmverbot bisweilen auch für Beschlussfassungen über die Bestellung eines Vorstandsmitglieds als Organmitglied der Tochtergesellschaft angenommen,548 wenngleich demgegenüber häufig auf einen allgemeinen Grundsatz verwiesen wird, wonach Organmitglieder bei ihrer Bestellung in ein anderes Organ mitstimmen dürften.549 Für alle diese Varianten des Stimmverbots wird als Rechtsgrundlage überwiegend eine ausdehnende Analogie zu den §§ 28, 34 BGB herangezogen.550 Speziell für die Entscheidung über eine Abberufung bzw. Entlastung
546 Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 77 Rn. 39; Kort, in: Großkomm AktG § 76 Rn. 184; Hüffer/Koch, AktG § 77 Rn. 8; Spindler, in: MünchKomm AktG § 77 Rn. 21; Fleischer, in: Spindler/Stilz AktG § 76 Rn. 26; Wiesner, in: MünchHdb AG, § 20 Rn. 11; Weber, in: Hölters AktG § 77 Rn. 25; Petersen/Schulze De la Cruz, NZG 2012, 453, 457; Fischer, NZG 1999, 192, 193; Streyl, Zur konzernrechtlichen Problematik von Vorstands-Doppelmandaten, S. 184 ff.; mit weitergehenden Stimmverboten hingegen Semler, in: FS Stiefel, 1987, S. 721, 744 ff., 757 ff., der über die Fallgruppen des § 136 AktG (Entlastung) und § 34 BGB (Rechtsgeschäft) hinaus zusätzliche Verbotstatbestände aus dem allgemeinen Konzernrecht ableitet; bereits aus § 34 BGB heraus ein Stimmverbot bei Beschlussfassung über konzernleitende Maßnahmen zum Nachteil der Tochtergesellschaft erwägend Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570, 581 f.; ähnlich Seibt, in: Schmidt/Lutter AktG § 76 Rn. 18. 547 Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 77 Rn. 41; Kort, in: Großkomm AktG § 76 Rn. 187; Spindler, in: MünchKomm AktG § 77 Rn. 22 („durchaus in Betracht zu ziehen“); Wiesner, in: MünchHdb AG, § 20 Rn. 11; Semler, in: FS Stiefel, 1987, S. 721, 745, 747; grundsätzlich wohl auch Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570, 581 (de lege lata jedoch mit Zweifeln an der Begründbarkeit); Fleischer, in: Spindler/Stilz AktG § 76 Rn. 109 („erwägenswert“). Ablehnend hingegen Petersen/Schulze De la Cruz, NZG 2012, 453, 457; Streyl, Zur konzernrechtlichen Problematik von Vorstands-Doppelmandaten, S. 203 ff., 214; Anders, Vorstandsdoppelmandate, S. 114 ff., 122. 548 Giesen, Organhandeln und Interessenkonflikt, S. 119 f. 549 So z. B. Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 77 Rn. 40; Kort, in: Großkomm AktG § 76 Rn. 186; im Ergebnis ebenso Semler, in: FS Stiefel, 1987, S. 721, 744 f., 747, der in der Entscheidung des Vorstands der Obergesellschaft über die Besetzung des Vorstands bzw. des Aufsichtsrats der Tochtergesellschaft materiell „eine Frage der Geschäftsverteilung“ sieht. 550 Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 77 Rn. 41.; Spindler, in: MünchKomm AktG § 77 Rn. 21; Wiesner, in: MünchHdb AG, § 20 Rn. 11; Giesen, Organhandeln und Interessenkonflikt, S. 119 f.; Semler, in: FS Stiefel, 1987, S. 721, 757 ff.; Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570, 580 f.
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des Trägers eines Vorstandsdoppelmandats wird bisweilen auch § 136 Abs. 1 AktG analog als sachnäheres Stimmverbot bevorzugt.551 Trotz des verhältnismäßig breiten Kreises an Befürwortern sind solche Analogien abzulehnen. Für ihre Begründung fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke. Offensichtlich ist dies in dem Fall, dass die AG und die Tochtergesellschaft dem MitbestG unterliegen und der AG-Vorstand über die mittels der mitgliedschaftlichen Beteiligungsrechte der AG durchzusetzende Bestellung, Abberufung oder Entlastung des Doppelmandatsträgers beschließt. Gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 MitbestG kann die AG ihre mitgliedschaftlichen Beteiligungsrechte in diesen Fällen nur „aufgrund von Beschlüssen des Aufsichtsrats“ ausüben. Macht die AG in der Gesellschafterversammlung der Tochtergesellschaft von ihrem Stimmrecht ohne die erforderliche Zustimmung des Aufsichtsrats Gebrauch, ist die Stimmabgabe gemäß § 177 BGB schwebend unwirksam.552 Die Beschlussfassung des Vorstands unterliegt also einer engen Aufsichtsratskontrolle. Die Gefahr einer sachwidrigen Einflussnahme des Doppelmandatsträgers auf die Interessen der Obergesellschaft ist damit effektiv gebannt.553 Auch außerhalb des Anwendungsbereichs des MitbestG ist die Gesellschaft vor Alleingängen des Vorstands, die nicht in ihrem Interesse liegen, durch die Interventionsrechte und -pflichten des Aufsichtsrats ausreichend geschützt. Dies gilt zunächst für die Bestellung von Vorstandsmitgliedern für ein Vorstandsamt in einer weiteren Gesellschaft. Gemäß § 88 Abs. 1 AktG bedarf die Nominierung der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats. In allen übrigen Fällen, in denen die Entscheidung des Vorstands die Sonderinteressen des Doppelmandatars berührt, hat der Aufsichtsrat seine Kontrollaufgaben nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen wahrzunehmen bis hin zu dem Beschluss, dass einschlägige Vorstandsentscheidungen gemäß § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG seiner Zustimmung bedürfen.554 Die Schutzwirkung eines solchen Zustimmungsvorbehalts steht dabei in der Praxis derjenigen des gesetzlichen Zustimmungserfordernisses des § 32 Abs. 1 MitbestG nicht nach. Zwar ist zuzugeben, dass das Fehlen einer Zustimmung nach § 32 Abs. 1 MitbestG zur schwebenden Unwirksamkeit der Stimmabgabe der Aktiengesellschaft in der Gesellschafterversammlung der Tochtergesellschaft führt, während ein Verstoß des Vorstands gegen einen Zustimmungsvorbehalt i. S. v. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG auf die Wirksamkeit des Vorstandshandelns im Außenverhältnis grundsätzlich keine Auswirkung hat. Dass sich ein Vorstand über ein Veto seines Aufsichtsrats hinwegsetzt, ist im tatsächlichen Rechtsleben zum einen jedoch eine rein theoreti-
551 Kort, in: Großkomm AktG § 76 Rn. 187; Fleischer, in: Spindler/Stilz AktG § 76 Rn. 109; Semler, in: FS Stiefel, 1987, S. 721, 745, 747; hierzu auch Aschenbeck, NZG 2000, 1022 ff. 552 Gach, in: MünchKomm AktG § 32 MitbestG Rn. 13; Heither/von Morgen, in: Hümmerich/Boecken/Düwell AnwK ArbR, § 32 MitbestG Rn. 7 f. 553 Petersen/Schulze De la Cruz, NZG 2012, 453, 456 f. 554 Für Zustimmungsvorbehalte in diesen Fällen auch Petersen/Schulze De la Cruz, NZG 2012, 453, 458.
§ 9 Stimmverbot
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sche Möglichkeit.555 Einer Analogie zu den verbandsrechtlich normierten Stimmrechtsausschlüssen bedarf es daher nicht.556 Zum anderen würde auch der Verstoß gegen ein Stimmverbot die Wirksamkeit des Vorstandshandelns im Außenverhältnis grundsätzlich nicht beeinträchtigen. 4. Stimmverbot analog § 181 BGB Zum Abschluss der Untersuchung analoger Stimmverbote für befangene Aktienvorstände ist noch auf den von Hübner vertretenen Ansatz der Analogie zu § 181 BGB einzugehen. Hübners Begründung basiert auf der Beobachtung, dass Organmitglieder aufgrund ihrer besonderen Treubindung bei der organinternen Stimmabgabe fremdnützig Rechtsmacht ausüben. Ihre Rechtsstellung entspreche im Moment der Stimmabgabe daher wertungsmäßig derjenigen eines Stellvertreters.557 Auch wenn es sich bei der Stimmabgabe nicht um einen Vertretungssachverhalt handele, sei deshalb § 181 BGB anwendbar; der Situation entsprechend wirke die Vorschrift in diesen Fällen als Stimmverbot.558 Hierzu ist zunächst zu bemerken, dass die von Hübner festgestellte Vergleichbarkeit der Rechtsstellung eines Organmitglieds mit der eines „normalen“ Stellvertreters zumindest für Aktienvorstände nicht zutrifft. Wie mehrfach ausgeführt, ist die treuerechtliche Pflichtenstellung eines Vorstandsmitglieds insofern eine besondere, als sie ihm gebietet, sich auch im Interessenkonflikt zum Wohl der Gesellschaft aktiv einzusetzen. Der Mechanismus des § 181 BGB verlangt dagegen schlichtes Unterlassen, also Passivität. Verfügt der Vertreter bei einem Insichgeschäft über ein Eigeninteresse oder vertritt er im Falle der Mehrvertretung verschiedene fremde Interessen, muss er nicht etwa ausschließlich das fremde (beim Insichgeschäft) bzw. nur eines der fremden Interessen (bei Mehrvertretung) verfolgen, sondern § 181 BGB verbietet ein Handeln ganz. Eine etwaige vorrangige interne Gewichtung der betroffenen Interessen, wie sie die organschaftliche Treuepflicht des Vorstandsmitglieds trifft, wird durch diese Rechtsfolge nicht berücksichtigt. § 181 BGB steht zu der Pflichtenstellung eines Vorstandsmitglieds damit grundsätzlich in einem Spannungsverhältnis. Schon deshalb ist der aus dem Vergleich der Treubindung von Vorstandsmitgliedern und (sonstigen) Stellvertretern gewonnene Analogieschluss dogmatisch angreifbar.
555
Petersen/Schulze De la Cruz, NZG 2012, 453, 458. Ebenso Petersen/Schulze De la Cruz, NZG 2012, 453, 457 f. Im Ergebnis auch Streyl, Zur konzernrechtlichen Problematik von Vorstands-Doppelmandaten, S. 214; Anders, Vorstandsdoppelmandate, S. 122; für ein Stimmverbot in diesen Konstellationen auch Hüffer/ Koch, AktG § 77 Rn. 8. 557 Hübner, Interessenkonflikt und Vertretungsmacht, S. 274 ff., 276 f. („vertretungsähnliches Verhältnis“). 558 Hübner, a.a.O., S. 276 f. 556
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1. Teil, 4. Kap.: Geschäftsführungsbefugnis des befangenen Vorstandsmitglieds
Letztlich scheitert ein vorstandsrechtliches Stimmverbot analog § 181 BGB aber aus denselben Gründen wie eine Analogie zu den verbandsrechtlich normierten Stimmrechtsausschlüssen. Vorstandsrechtliche Stimmverbote sind nicht Teil des aktiengesetzlichen Regelungsplans. Für eine Analogie zu § 181 BGB ist dieser Befund kein anderer als für die vorangehend diskutierten Rechtsgrundlagen. Im Bereich der vorstandsinternen Willensbildung besteht keine durch Stimmverbote auszufüllende Schutzlücke. Wie den Vertretern aller sonstigen Stimmverbotsanalogien ist auch Hübner entgegenzuhalten, dass er seine Argumentation weitgehend auf die Konfliktlage und Pflichtenstellung des befangenen Vorstandsmitglieds beschränkt. Die Besonderheiten der vorstandsinternen Willensbildung, die Systematik des aktienrechtlichen Umgangs mit vorstandsbezogenen Konfliktsituationen, die Schutzbedürftigkeit der Aktiengesellschaft und insbesondere ihre Möglichkeiten zum Selbstschutz unter Federführung des Aufsichtsrats lässt Hübner hingegen außer Acht. Sämtliche Überlegungen, die in Hinblick auf diese Fragen bereits dazu geführt haben, dass eine entsprechende Anwendung der verbandsrechtlich normierten Stimmverbote abzulehnen ist, richten sich auch gegen eine Analogie aus § 181 BGB.
5. Kapitel
Nachgelagerter Schutz der Gesellschaft vor treuwidrigem Vorstandshandeln § 10 Unwirksamkeit konfliktbelasteter Rechtsgeschäfte Nicht immer werden die Eigeninteressen eines Vorstandsmitglieds seinen Kollegen sowie dem Aufsichtsrat so rechtzeitig bekannt, dass ihr nachteiliger Einfluss auf die Geschäftsführung durch geeignete Maßnahmen verhindert werden kann. Denkbar ist ferner, dass die Kontrollmaßnahmen des Aufsichtsrats, z. B. ein von ihm erlassener Zustimmungsvorbehalt, nicht beachtet werden. Das führt zu dem Problem der haftungsrechtlichen Konsequenzen treuwidrigen Vorstandshandelns. Ihm vorgeschaltet ist aber zunächst die Frage nach der rechtlichen Wirksamkeit von Entscheidungen, die ein Vorstandsmitglied treuwidrig getroffen hat. Dabei geht es im Folgenden nicht darum, inwieweit ein Treuepflichtverstoß die Wirksamkeit der vorstandsinternen Willensbildung – maßgeblich also der gefassten Vorstandsbeschlüsse – beeinflussen kann. Im Gegensatz zum Recht der Hauptversammlung spielen im Bereich des Vorstandsrechts Beschlussmängelfragen nur eine untergeordnete Rolle.559 Im Mittelpunkt der Betrachtung steht vielmehr das Schicksal der rechtsgeschäftlichen Verpflichtungen, die die Gesellschaft im Außenverhältnis durch treuwidriges Vorstandshandeln eingegangen ist. Wären diese Geschäfte jeweils unangreifbar gültig, könnte die Gesellschaft die erlittenen Nachteile nur noch über einen Schadenersatzanspruch gegen die Vorstandsmitglieder ausgleichen. Könnte sie sich jedoch auf die Unwirksamkeit eines solchen Geschäfts berufen, hätte sie unter Umständen zusätzlich die Möglichkeit, ihre Einbußen auch auf kondiktionsrechtlichem Weg rückgängig zu machen. Insbesondere bei Geschäften mit 559 Die für fehlerhafte Hauptversammlungsbeschlüsse geltenden Klagerechte der §§ 241 ff. AktG sind auf Vorstandsbeschlüsse nicht anwendbar (OLG Frankfurt AG 2003, 276, 277). Die Aktionäre haben grundsätzlich keine Möglichkeit, gegen mangelhafte Vorstandsbeschlüsse vorzugehen. Gleiches gilt für den Aufsichtsrat (Fleischer, in: Spindler/Stilz AktG § 77 Rn. 28). Lediglich Vorstandsmitgliedern steht dieser Weg mit Hilfe einer gegen die Gesellschaft gerichteten allgemeinen Feststellungsklage offen (vgl. etwa Spindler, in: MünchKomm AktG § 77 Rn. 28; Fleischer, a.a.O.). In der Praxis kommt es allerdings so gut wie nicht vor, dass Vorstandsbeschlüsse, die sich nachträglich als treuwidrig herausstellen, gerichtlich angegriffen werden. Regelmäßig werden sie – schneller und flexibler – im Wege einer erneuten Beschlussfassung und gegebenenfalls auf Druck des mittlerweile informierten Aufsichtsrats beseitigt (vgl. Spindler, a.a.O.: Ersuchen des klagewilligen Vorstandsmitglieds um Beschlussberichtigung als Klagevoraussetzung).
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1. Teil, 5. Kap.: Nachgelagerter Schutz der Gesellschaft
Dritten kann das hilfreich sein, weil auf diese Weise ein Zugriff auch auf deren Vermögen eröffnet ist. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Verlässlichkeit steht der Gesellschaft dieser Weg allerdings nur in engen Grenzen zur Verfügung. Der Rechtsverkehr muss grundsätzlich darauf vertrauen können, dass das, was die AG im Außenverhältnis tut, auch Bestand hat.560 Die Unwirksamkeit eines Rechtsgeschäfts, das ein befangenes Vorstandsmitglied im Namen der Gesellschaft geschlossen hat, kommt vor allem unter zwei Aspekten in Betracht. Das sind zum einen die Fälle der Mehrvertretung gemäß § 181 Var. 2 BGB, zum anderen die Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht.
I. Unwirksamkeit von Rechtsgeschäften bei Mehrvertretung (§ 181 Var. 2 BGB) 1. Anwendbarkeit des § 181 BGB auf Aktienvorstände Gemäß § 181 BGB kann „ein Vertreter, […] soweit nicht ein anderes ihm gestattet ist, im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten ein Rechtsgeschäft nicht vornehmen […].“ Diese Grundsätze gelten auch für den Vorstand der Aktiengesellschaft.561 Die Aktiengesellschaft nimmt als Privatrechtssubjekt am allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Rechtsverkehr teil, sodass für sie auch die allgemeinen Regeln des BGB von Bedeutung sind. Der Tatbestand des § 181 BGB erfasst sowohl die Situation des Selbstkontrahierens („im Namen des Vertretenen mit sich im eigenen Namen“) als auch der Mehrvertretung („im Namen des Vertretenen mit sich als Vertreter eines Dritten“). Da Rechtsgeschäfte zwischen der Aktiengesellschaft und einem Vorstandsmitglied bereits durch § 112 AktG spezialgesetzlich abschließend geregelt sind, behält § 181 BGB allein für den Fall der Mehrvertretung einen eigenständigen Anwendungsbereich.562 Liegt eine Mehrvertretung vor, ist das Rechtsgeschäft schwebend unwirksam und es obliegt – vorbehaltlich einer allgemeinen satzungsrechtlichen Erlaubnis – grundsätzlich dem Aufsichtsrat zu entscheiden, ob er ihm durch Gestattung oder Genehmigung zur Wirksamkeit verhelfen oder es bei der Unwirksamkeit belassen möchte.563
560
529.
Weber, in: Hölters AktG § 82 Rn. 1; Hüffer/Koch, AktG § 82 Rn. 1; Schwarz, NZG 2001,
561 Ganz h. M., z. B. BGH NJW 1971, 1355; Kort, in: Hdb des Vorstandsrechts § 2 Rn. 40; Schramm, in: MünchKomm BGB § 181 Rn. 37; Schilken, in: Staudinger BGB § 181 Rn. 19; Baetzgen, RNotZ 2005 193, 201. 562 Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 78 Rn. 71; Habersack, in: Großkomm AktG § 78 Rn. 15; ders., in: MünchKomm AktG § 78 Rn. 117 f.; Hüffer/Koch, AktG § 78 Rn. 6; Seibt, in: Schmidt/Lutter AktG § 78 Rn. 8; Weber, in: Hölters AktG § 78 Rn. 9; Fleischer, in: Spindler/Stilz AktG § 78 Rn. 12; Giesen, Organhandeln und Interessenkonflikt, S. 85; Hübner, Interessenkonflikt und Vertretungsmacht, S. 250; Werner, ZGR 1989, 369, 372 f. 563 Hierzu siehe unten § 10 I. 3.
§ 10 Unwirksamkeit konfliktbelasteter Rechtsgeschäfte
185
2. Anwendung des § 181 Var. 2 BGB auf mehrgliedrige Vorstände Der Tatbestand des § 181 Var. 2 BGB wirft keine besonderen Fragen auf, wenn ein Alleinvorstand der Aktiengesellschaft gegenüber zugleich als Vertreter eines Dritten agiert. § 181 Var. 2 BGB ist dann ohne weiteres einschlägig. Bei mehrgliedrigen Vorstandsgremien bedarf die Anwendbarkeit der Vorschrift jedoch näherer Betrachtung. Ein Insichgeschäft liegt nur vor, wenn die sich gegenüber stehenden Geschäftsbeteiligten personenidentisch sind. Auch bei einem mehrgliedrigen Vorstandsgremium ist das noch unproblematisch, wenn ein Vorstandsmitglied mit Einzelvertretungsberechtigung ein Geschäft für die Gesellschaft und zugleich mit sich selbst als Stellvertreter eines Dritten schließt. Sind die Mitglieder eines mehrköpfigen Gremiums jedoch nach dem gesetzlichen Grundmodell des § 78 Abs. 2 Satz 1 AktG nur gemeinschaftlich zur Vertretung befugt, ist die Personenidentität mit ihrem auch auf Seiten des Dritten handelnden Vorstandsmitglied hingegen nicht ganz so eindeutig. Noch weniger ist sie es, wenn das für den Dritten agierende Vorstandsmitglied bei der Vertretung der Gesellschaft gar nicht beteiligt ist. Seinem Wortlaut nach („Ein Vertreter kann […] nicht […]“) ist § 181 BGB auf die Vertretung des Geschäftsherrn durch eine einzelne Person zugeschnitten. Die Vertretung durch ein Kollegialorgan wird nicht unmittelbar angesprochen. Gleichwohl ist § 181 Var. 2 BGB auch auf einen mehrgliedrigen Aktienvorstand anzuwenden, sofern dessen Mitglieder (lediglich) zur Gesamtvertretung befugt sind, und das für den Dritten auftretende Vorstandsmitglied damit auch an der Vertretung auf Seiten der Gesellschaft zwingend teilnehmen muss.564 Das auf beiden Seiten tätige Vorstandsmitglied leistet hier einen unverzichtbaren Beitrag zur Abgabe jeder der beiden Willenserklärungen, sodass eine Anwendung des § 181 BGB sachgerecht ist.565 Wird das Geschäft seitens der Gesellschaft allerdings von anderen, zur gemeinschaftlichen oder zur Einzelvertretung berechtigten Vorstandskollegen durchgeführt, ohne dass das als Vertreter auf der anderen Seite agierende Mitglied im Vorstand der Aktiengesellschaft mitwirken muss, ist § 181 BGB nach überwiegender Ansicht nicht anwendbar, weil es an der von der Vorschrift vorausgesetzten typischen Konstellation fehle, dass unterschiedliche Geschäftsinteressen beim Vertragsabschluss in einer Person zusammenfallen.566 Eine formale Entscheidungszuständigkeit des Aufsichtsrats über die Wirksamkeit des Geschäfts wäre damit in solchen Konstellationen nicht gegeben und das Geschäft ohne weiteres wirksam. Mit Blick auf die Wertungen, die sich den positivierten Ansätzen des Aktiengesetzes zur Bewältigung vorstandsinterner Interessenkonflikte entnehmen lassen, erscheint diese Ansicht 564 Vgl. bereits RGZ 89, 367, 373. Ebenso BGH NJW 1992, 618; Ellenberger, in: Palandt BGB § 181 Rn. 3; Schilken, in: Staudinger BGB § 181 Rn. 16; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 78 Rn. 71; Spindler, in: MünchKomm AktG § 78 Rn. 120; Seibt, in: Schmidt/ Lutter AktG § 78 Rn. 8; Hübner, Interessenkonflikt und Vertretungsmacht, S. 235. 565 Vgl. RGZ 89, 367, 373. 566 OLG Saarbrücken AG 2001, 483; Spindler, in: MünchKomm AktG § 78 Rn. 120; Seibt, in: Schmidt/Lutter AktG § 78 Rn. 8; Weber, in: Hölters AktG § 78 Rn. 9; Schramm, in: MünchKomm BGB § 181 Rn. 22; Baetzgen, RNotZ 2005, 193, 203 f.
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1. Teil, 5. Kap.: Nachgelagerter Schutz der Gesellschaft
jedoch problematisch. Wie gesehen, liegt diesen Vorschriften die Annahme zugrunde, dass bereits der Interessenkonflikt eines einzelnen Vorstandsmitglieds auch die übrigen Organvertreter in ihrer Entscheidungsfindung generell so beeinflussen kann, dass eine unbefangene, sachgerechte Vertretung der Gesellschaft nicht mehr gewährleistet ist. Auf dieser Wertung, die dem besonderen Abhängigkeitsverhältnis unter Aktienvorständen Rechnung trägt, basieren insbesondere auch die tatbestandlich mit § 181 Var. 2 BGB verwandten Vorschriften der §§ 112 und – in ihrer Variante der doppelten Vertretungsfunktion des Vorstandsmitglieds – 89 Abs. 4 AktG. Damit § 181 Var. 2 BGB auch in einem typisch aktienrechtlich determinierten Entscheidungsumfeld sachgerecht wirken kann, sind die dort herrschenden Besonderheiten bei seiner Anwendung zu berücksichtigen. Eine konsistente Anwendung des § 181 Var. 2 BGB auf Aktienvorstände gebietet es deshalb, die bei der Entscheidungsfindung und Willensbildung dort typischerweise wirkenden persönlichen Interdependenzen bei der Auslegung der Vorschrift einzubeziehen. § 181 BGB will, ebenso wie § 112 AktG, die abstrakte Gefahr einer Interessenkollision ausschließen. Dazu knüpft die Vorschrift an die formale Konstellation an, dass auf beiden Seiten des Rechtsgeschäfts ein und dieselbe Person steht.567 Eine Sichtweise, die bei einem mehrgliedrigen Aktienvorstand zur Bejahung der Personengleichheit verlangt, dass sich das für den Dritten als Vertreter tätige Vorstandsmitglied auch auf Seiten der Gesellschaft persönlich an der Vertretungshandlung beteiligt, ließe außer Acht, dass es aus aktienrechtlicher Sicht einer solchen „eigenhändigen“ Mitwirkung gar nicht bedarf, um maßgeblichen Einfluss auf den Geschäftsinhalt nehmen zu können. Ob das konfliktbetroffene Organmitglied selbst bei der Vertretung mitwirkt, kann somit auch für die Anwendung des § 181 Var. 2 BGB nicht von Belang sein. Der Hinweis, das Kriterium der Personenidentität dürfe nicht zugunsten einer „bloßen Interesseneinheit“ aufgegeben werden,568 ist zwar grundsätzlich berechtigt. Wie sich gezeigt hat, ist ein Aktienvorstand aber keine bloße Einheit willensautarker und unabhängig voneinander agierender Einzelvertreter. Allein schon das Wissen um das Sonderinteresse eines Kollegen begründet nach den in seinen positiv-rechtlichen Regelungen vorstandsspezifischer Interessenkonflikte zum Ausdruck gebrachten Vorstellungen des Aktiengesetzes nämlich regelmäßig die abstrakte Gefahr, dass auch die übrigen Mitglieder nicht unbefangen sind und ihrer Entscheidung die von ihm gewünschte Richtung geben.569 Deshalb reicht die bloße Zugehörigkeit des befangenen Kollegen zum Vorstand aus, um den Schutzbereich des § 181 BGB nach dem Zweck dieser Vorschrift zu eröffnen. Gestützt wird diese, die Besonderheiten eines Aktienvorstands mit ins Kalkül ziehende, Auslegung des § 181 BGB zusätzlich durch den Umstand, dass ein Organvertreter, der als Vertreter eines Dritten dessen Interessen gegenüber seinen Organkollegen verficht, auf deren interne Entscheidungsfindung durchaus massiv Einfluss nimmt und zwar nicht wie ein beliebiger 567 BGHZ 51, 209, 215; 56, 97, 101; Ellenberger, in: Palandt BGB § 181 Rn. 2: Schramm, in: MünchKomm BGB § 181 Rn. 2 f. 568 Baetzgen, RNotZ 2005, 193, 203. 569 Siehe oben § 5 VI. 3. a) bb).
§ 10 Unwirksamkeit konfliktbelasteter Rechtsgeschäfte
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Dritter, der die Interessen eines Geschäftspartners der Gesellschaft vertritt, sondern als Kollege der anderen Vorstandsmitglieder, von dem diese organspezifisch abhängig sind. So gesehen ist er auch auf Seiten der Aktiengesellschaft direkt an der Entscheidung beteiligt, so dass auch unter diesem Aspekt von einer die Anwendbarkeit des § 181 Var. 2 BGB ausschließenden klaren Rollentrennung nicht die Rede sein kann. Folgt man der hier vertretenen Auffassung, so erledigt sich zugleich auch die Streitfrage, ob lediglich zur Gesamtvertretung befugte Vorstandsmitglieder das Verbot der Mehrvertretung umgehen können, indem sie eines von ihnen gemäß § 78 Abs. 4 Satz 1 AktG zur Einzelvertretung ermächtigen, um so das Geschäft mit dem als Vertreter des Dritten handelnden Kollegen durchführen zu können. Eine solche Ermächtigung liefe ins Leere, weil der Ermächtigende aufgrund seiner formalen Stellung als Organvertreter auch auf Seiten der Aktiengesellschaft an dem Geschäft beteiligt bleibt.570 3. Gestattung und Genehmigung der Mehrvertretung Liegen die Voraussetzungen eines Insichgeschäfts nach § 181 BGB vor, so bedeutet das noch nicht, dass es endgültig unwirksam ist. Gemäß § 181 BGB kann die Gesellschaft als Geschäftsherrin dem handelnden Vorstandsmitglied ein Auftreten auf beiden Seiten des Geschäfts gestatten. Ferner kommt in Betracht, dass die Gesellschaft das zunächst unter Verstoß gegen § 181 BGB geschlossenen Geschäft nachträglich mit Ex-Tunc-Wirkung genehmigt.571 a) Gestattung aa) Allgemeine Grundsätze Die Gestattung ist ein einseitig empfangsbedürftiges Rechtsgeschäft, durch das der Geschäftsherr auf den Schutz des § 181 BGB verzichtet.572 Für die Aktiengesellschaft ist insoweit unstreitig, dass eine solche Befreiung bereits in der Satzung 570
Vor allem die Rechtsprechung nimmt an, dass die Gesamtvertretungsbefugnis des so ermächtigten Vorstandsmitglieds zur Einzelvertretungsmacht für das betreffende Geschäft erstarkt. Die Gesellschaft werde deshalb nach außen allein durch das ermächtigte Mitglied vertreten, dadurch werde die Personenidentität aufgehoben (BGH NJW 1975, 1117, 1118; BGH WM 1986, 315, 316). Nach einer im Schrifttum verbreiteten Gegenansicht versetzt die Ermächtigung den Ermächtigten hingegen lediglich in die Lage, die Vertretungsbefugnisse der übrigen Gesamtvertreter auszuüben, am Grundsatz der Gesamtvertretung und damit der Personengleichheit auf beiden Seiten ändere sich jedoch nichts (Habersack, in: Großkomm AktG § 78 Rn. 50; Hüffer/Koch, AktG § 78 Rn. 6; Schwarz, NZG 2001, 529, 535; gegen die Zulässigkeit der Ermächtigung zur Einzelvertretung in diesem Fall auch Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 78 Rn. 72; Hübner, Interessenkonflikt und Vertretungsmacht, S. 235 ff.). 571 Allg. Meinung: BGH NJW 1976, 104, 105; BGH NJW-RR 1994, 291, 292 f.; BGH NJW 1995, 727, 728; Mansel, in: Jauernig BGB § 181 Rn. 14 („§§ 177 – 180 [BGB] sind anwendbar“); Schramm, in: MünchKomm BGB § 181 Rn. 41. 572 Schramm, in: MünchKomm BGB § 181 Rn. 45.
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1. Teil, 5. Kap.: Nachgelagerter Schutz der Gesellschaft
geregelt werden kann.573 Einigkeit besteht ferner dahingehend, dass die Vorstandsmitglieder sich wegen § 112 AktG weder selbst noch – in einem mehrgliedrigen Vorstand – gegenseitig von den Beschränkungen des § 181 BGB befreien können, auch nicht, wenn sie einzelvertretungsberechtigt sind.574 Auseinander gehen die Meinungen allerdings, wenn es darum geht, inwieweit der Aufsichtsrat ein Insichgeschäfts gestatten kann. Zwar besteht Konsens darüber, dass er als Bestellungsorgan des Vorstands hierzu grundsätzlich befugt ist.575 Umstritten ist jedoch, ob er durch die Satzung hierzu ermächtigt sein muss. Zum Teil wird dies in analoger Anwendung des § 78 Abs. 3 Satz 2 AktG so angenommen, weil das Gesetz hier zum Ausdruck bringe, dass Abweichungen von gesetzlichen Vertretungsregeln, die den Schutz der Gesellschaft bezwecken, zwar auch durch den Aufsichtsrat, aber eben nur aufgrund einer Satzungsermächtigung durchbrochen werden dürfen.576 Andere halten eine satzungsrechtliche Grundlage nicht für erforderlich, weil der Aufsichtsrat für Willenserklärungen gegenüber Vorstandsmitgliedern nach § 112 AktG umfassend zuständig sei.577 Eine Mittelmeinung differenziert danach, ob es sich um eine generelle oder eine auf den Einzelfall beschränkte Gestattung handelt. Für erstere sei eine satzungsmäßige Ermächtigung notwendig, für letztere nicht.578 Dieser differenzierenden Auffassung ist zuzustimmen. Zunächst kann der Hinweis auf eine angeblich aus § 112 AktG folgende Gestattungsbefugnis des Aufsichtsrats nicht überzeugen. Die Vorschrift verleiht dem Aufsichtsrat für die Vornahme von Rechtsgeschäften der Gesellschaft gegenüber den Vorstandsmitgliedern zwar die Vertretungsmacht, nicht aber eine unbeschränkte materielle Regelungsbefugnis. Vielmehr setzt § 112 AktG eine solche materielle Befugnis voraus. Inhaltliche Restriktionen, die sich aus dem Gesetz – hier konkret aus § 78 Abs. 3 AktG – ergeben, muss der Aufsichtsrat deshalb trotz seiner gegenüber dem Vorstand bestehenden Zuständigkeit einhalten. Der in § 78 Abs. 3 AktG formulierte Satzungsvorbehalt wird folglich, soweit er besteht, durch § 112 AktG nicht aufgehoben. Abzulehnen ist es aber auch, dem Aufsichtsrat mit Verweis auf diesen Satzungsvorbehalt nicht nur generelle, sondern auch Einzelfallgestattungen zu verbieten. Die Entscheidung über die Vornahme eines einzelnen Insichgeschäfts ist mit der von § 78 Abs. 3 Satz 2 AktG erfassten Situation, in der es um die generelle Umgestaltung der verbandsinternen Vertretungsbefugnisse geht, nicht vergleichbar. Im Gegensatz zu der Sachlage des § 78 Abs. 3 Satz 2 AktG geht es hier nicht um eine Organisations-, sondern um eine punktuelle Kontroll573
Schilken, in: Staudinger BGB § 181 Rn. 53; Schramm, in: MünchKomm BGB § 181 Rn. 50. Ebenso Hüffer/Koch, AktG § 78 Rn. 7. 574 Hübner, Interessenkonflikt und Vertretungsmacht, S. 251; Baetzgen, RNotZ 2005, 193, 217. 575 Vgl. Kort, in: Hdb des Vorstandsrechts § 2 Rn. 41. 576 Hüffer/Koch, AktG § 78 Rn. 7; Weber, in: Hölters AktG § 78 Rn. 9; Kort, in: Hdb des Vorstandsrechts § 2 Rn. 41. 577 Habersack, in: Großkomm AktG § 78 Rn. 17; Wiesner, in: MünchHdb AG § 23 Rn. 22; Hefermehl, in: Geßler/Hefermehl AktG § 78 Rn. 91; wohl auch Hübner, Interessenkonflikt und Vertretungsmacht, S. 251. 578 Spindler, in: MünchKomm AktG § 78 Rn. 124.
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maßnahme. In der Sache steht der Inhalt des konkreten Geschäfts zur Debatte, nicht die abstrakte Gefährlichkeit der formalen Vertretungskonstellation. Maßstab für die Bewältigung dieser Situation kann deshalb nicht § 78 Abs. 3 Satz 2 AktG analog, sondern nur § 111 Abs. 1 AktG und das pflichtgemäß ausgeübte Ermessen des Aufsichtsrats sein. Der Aufsichtsrat befindet sich hier auf einem seiner klassischen Betätigungsfelder, indem er kontrolliert und sicherstellt, dass der Vorstand trotz eines schwierigen Entscheidungsumfelds wirtschaftlich angemessen handelt. Kommt der Aufsichtsrat im Rahmen seiner Überwachungsfunktion nach sorgfältig vorgenommener Einzelfallprüfung zu dem Ergebnis, dass die Interessen der Gesellschaft durch das Selbstkontrahieren eines Vorstandsmitglieds nicht gefährdet sind, so muss ihm die vorherige Gestattung des Insichgeschäfts trotz fehlender Ermächtigung in der Satzung ebenso möglich sein wie die nachträgliche Genehmigung. Dass das Kontrollhandeln des Aufsichtsrats auch die nach außen wirkenden Vertretungsverhältnisse der Gesellschaft beeinflusst, mag zwar auf den ersten Blick Bedenken hervorrufen, weil Kontrollmaßnahmen des Aufsichtsrats auf das Außenverhältnis der Gesellschaft grundsätzlich keine Auswirkungen haben.579 Dieser zum Zwecke des Verkehrsschutzes geltende Grundsatz ist beim Insichgeschäft jedoch eingeschränkt. Deutlich wird das in dem gegenüber der hier diskutierten Konstellation umgekehrten Fall, dass ein Vorstandsmitglied ein ihm durch die Satzung gestattetes Insichgeschäft vornimmt, obwohl der Aufsichtsrat ihm seine aufgrund konkreter Bedenken nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG vorbehaltene Zustimmung verweigert hat. Indem das Vorstandsmitglied sich über den Zustimmungsvorbehalt hinwegsetzt, missbraucht es seine Vertretungsmacht. Zwar lässt ein solcher Verstoß gegen interne Beschränkungen die Wirksamkeit des Geschäfts aus Gründen des Verkehrsschutzes grundsätzlich unberührt. Dies gilt jedoch nicht im Falle der Mehrvertretung durch ein Vorstandsmitglied, weil dieses sich seiner internen Beschränkungen bewusst ist und diese Kenntnis auch in seiner Funktion als dem Geschäftspartner zuzurechnender Vertreter hat,580 sodass sich der Geschäftspartner auf eine Wirksamkeit des Geschäfts unter Verkehrsschutzaspekten in dieser Situation nicht berufen kann. Die generellen in der Satzung festgelegten Vertretungsregelungen stehen deshalb einer punktuellen Entscheidung des Aufsichtsrats über die Vornahme einzelner Insichgeschäfte nicht entgegen.
579
So z. B. für den Fall des Zustimmungsvorbehalts bereits oben § 7 I. 2. a). „Auch für die Anwendung der Grundsätze über den Missbrauch der Vertretungsmacht kommt es auf die Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis des Vertreters des Geschäftsgegners an.“ (Schramm, in: MünchKomm BGB § 166 Rn. 44). Zu den Grundsätzen des Missbrauchs der Vertretungsmacht bei geschäftlichem Kontakt der AG mit ihren Vorstandsmitgliedern siehe unten § 10 II. 580
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bb) Erklärungsgegner Erklärungsgegner der Gestattung ist grundsätzlich der Vertreter.581 Die Gestattung ist eine einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung. Nach § 112 AktG gibt der Aufsichtsrat diese gegenüber dem Vorstand ab.582 Im Falle der Mehrvertretung kann die Gestattung allerdings auch dem jeweils anderen Vertretenen gegenüber erklärt werden.583 Es fragt sich, ob auch dafür der Aufsichtsrat zuständig ist. Ausdrückliche Stellungnahmen in der Literatur finden sich dazu nicht. Gemäß § 78 Abs. 1 AktG ist an sich der Vorstand zur Vertretung der Gesellschaft im Außenverhältnis zuständig. Aufgrund seiner internen Zuständigkeit, über die Gestattung zu befinden, liegt es allerdings nahe, den Aufsichtsrat nicht nur zur eigentlichen materiellen Entscheidung über die Gestattung, sondern auch zu deren Erklärung im Außenverhältnis für zuständig zu erachten. Die Lösung hierzu liegt in einer analogen Anwendung des § 112 AktG. Nach allgemeiner Ansicht steht dem Aufsichtsrat entsprechend § 112 AktG ein Vertretungsrecht gegenüber Dritten zu, soweit der betreffende Geschäftsabschluss in unmittelbarem sachlichem Zusammenhang mit der Ausübung seiner Personal- und Kontrollbefugnisse steht.584 Diese Voraussetzung liegt für die im Außenverhältnis erklärte Gestattung der Mehrvertretung vor. Der Aufsichtsrat entscheidet über die Gestattung der Mehrvertretung in Ausübung seiner Kontrolltätigkeit. Für die gegenüber dem außenstehenden Geschäftspartner erklärte Gestattung ist es daher sachgerecht, die Vertretungskompetenz des Aufsichtsrats auf das Außenverhältnis zu erstrecken. Der Aufsichtsrat erhält dadurch keine zusätzlichen sachlichen Kompetenzen, sondern – im Interesse der Kommunikationserleichterung – lediglich die Möglichkeit, seine Erklärung auch im Außenverhältnis zu dem Dritten wirksam abzugeben.585 b) Genehmigung Die soeben für die Gestattung niedergelegten Grundsätze gelten entsprechend für die Genehmigung des ohne Gestattung vorgenommenen und daher schwebend unwirksamen Geschäfts. Wie in der Gestattung liegt auch in der Genehmigung eine – 581
Schramm, in: MünchKomm BGB § 181 Rn. 45. Spindler, in: MünchKomm AktG § 78 Rn. 128; Baetzgen, RNotZ 2005, 193, 217. 583 Schramm, in: MünchKomm BGB § 181 Rn. 45. 584 Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 112 Rn. 12; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 112 Rn. 60; Drygala, in: Schmidt/Lutter AktG § 112 Rn. 3; Semler, in: FS Rowedder, 1994, S. 441, 455; Werner, ZGR 1989, 369, 383. 585 Eine solche Vertretungsbefugnis für im Zusammenhang mit der Überwachungstätigkeit erforderliche Hilfsgeschäfte entspricht der ganz h. M. So wird die Möglichkeit einer analogen Anwendung des § 112 AktG für Vertretungshandeln des Aufsichtsrats gegenüber Dritten z. B. bejaht in Fällen, in denen der Aufsichtsrat zum Zwecke seiner Kontrolltätigkeit nach § 111 Abs. 2 S. 2 AktG einen Sachverständigen beauftragt (vgl. Spindler, in: Spindler/Stilz AktG § 112 Rn. 3; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtrats, Rn. 509, 656 ff.; Hoffmann-Becking, ZGR 2011, 136, 140; i.E. Fleischer/Wedemann, GmbHR 2010, 449, 455). 582
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wenn auch rückwirkende – Erweiterung der Vertretungsmacht. Ihre Funktion besteht darin, den ursprünglichen Vertretungsmangel zu heilen.586 In der Sache stellt sich die Genehmigung als nachträgliche Kontrolle des Vorstandshandelns dar. Auch sie fällt daher nach § 111 Abs. 1 AktG in die Zuständigkeit des Aufsichtsrats und wird von diesem gemäß § 112 AktG gegenüber dem Vorstand bzw. gegenüber dem Geschäftspartner der Gesellschaft erklärt.
II. Unwirksamkeit treuwidriger Geschäfte wegen Missbrauchs der Vertretungsmacht Rechtsgeschäfte, die ein Vorstandsmitglied im Rahmen seiner Vertretungsbefugnis schließt, binden die Gesellschaft grundsätzlich auch dann, wenn das Vertretungshandeln im Innenverhältnis unzulässig war.587 Liegt kein Fall des § 181 Var. 2 BGB vor, so kann sich die Gesellschaft auf die Unwirksamkeit eines durch ihren Vorstand geschlossenen Geschäfts daher nur noch ausnahmsweise berufen. Maßgeblich hierfür sind die Grundsätze des sogenannten Missbrauchs der Vertretungsmacht. Danach ist eine Bindungswirkung zum einen dann nicht gegeben, wenn der Vorstand seine Vertretungsmacht missbraucht und dabei mit dem Geschäftspartner zum Nachteil der Gesellschaft arglistig zusammengewirkt hat (Kollusion). Das Rechtsgeschäft ist dann nach § 138 BGB nichtig.588 Eine zwingende Bindung an ein Rechtsgeschäft besteht ferner dann nicht, wenn ein Vertretungsmissbrauch durch den Vorstand gegeben ist und dies dem Geschäftspartner der Gesellschaft bekannt oder für ihn evident war.589 Nach überwiegender Ansicht hat die Gesellschaft in diesen Fällen gemäß § 242 BGB ein Wahlrecht, ob sie das Geschäft gelten lassen möchte oder nicht.590 586
Schilken, in: Staudinger BGB § 177 Rn. 9. Hüffer/Koch, AktG § 82 Rn. 3; Spindler, in: MünchKomm AktG § 82 Rn. 7; Weber, in: Hölters AktG § 82 Rn. 1. 588 BGH NJW 1968, 1379; BGH NJW 1989, 26, 27; BGH NZG 2004, 139, 140; Habersack, in: Großkomm AktG § 82 Rn. 13; Spindler, in: MünchKomm AktG § 82 Rn. 64; Hüffer/Koch, AktG § 82 Rn. 6; ausführlich Fleischer, NZG 2005, 529, 530. 589 Im Grundsatz unstr.; vgl. BGH NJW 1994, 2082, 2083; BGH NJW 1995, 250, 251; BGH NZG 2004, 139, 140; Habersack, in: Großkomm AktG § 82 Rn. 13; Spindler, in: MünchKomm AktG § 82 Rn. 64; Hüffer/Koch, AktG § 82 Rn. 7; Fleischer, NZG 2005, 529, 530. Im Verhältnis zum Evidenzerfordernis z. T. herabgesetzte Anforderungen im Schrifttum konnten sich nicht durchsetzen (vgl. z. B. Heckelmann, JZ 1970, 62, 65, der einfache Fahrlässigkeit ausreichen lassen will). 590 Fleischer, in: Spindler/Stilz AktG § 82 Rn. 6; Hüffer/Koch, AktG § 82 Rn. 7a; Mertens/ Cahn, in: Kölner Komm AktG § 82 Rn. 49; Kort, in: Hdb des Vorstandsrechts § 2 Rn. 44; Spindler, in: MünchKomm AktG § 82 Rn. 65; a. A. z. B. OLG Zweibrücken NZG 2001, 763; Habersack, in: Großkomm AktG § 82 Rn. 14; Seibt, in: Schmidt/Lutter AktG § 82 Rn. 7 (jeweils für Anwendung der §§ 177 ff. BGB, die regelmäßig zu gleichen Ergebnissen wie die h. M. führt). Die h. M. ist gleichwohl vorzugswürdig, weil bei einem Missbrauch der Vertretungs587
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1. Voraussetzungen eines Vertretungsmissbrauchs a) Allgemeine Anforderungen Ein Missbrauch der Vertretungsmacht liegt vor, wenn der Vertreter zwar im Rahmen seiner extern wirkenden Vertretungsbefugnisse (also des rechtlichen Könnens) handelt, seine im Verhältnis zum Geschäftsherrn bestehenden internen Beschränkungen (das rechtliche Dürfen) dabei jedoch überschreitet.591 Die im Außenverhältnis wirkenden Vertretungsgrenzen ergeben sich für den Vorstand der Aktiengesellschaft aus § 82 Abs. 1 AktG: Die Vertretungsbefugnis „kann nicht beschränkt werden“. Im Innenverhältnis sind diese umfassenden Vertretungsbefugnisse eingegrenzt durch die allgemeinen Vorstandspflichten, d. h. namentlich die Pflicht zur sorgfältigen Unternehmensleitung.592 Streitig ist, welche Qualität der Verstoß gegen diese internen Pflichtbindungen haben muss, um einen relevanten Vertretungsmissbrauch zu begründen. Überwiegend wird hierzu jeder objektive Verstoß des Vorstands gegen seine Geschäftsführungspflichten für ausreichend erachtet,593 andere hingegen verlangen eine bewusste Pflichtwidrigkeit.594 Letzteren ist zuzustimmen. Das ergibt sich aus den allgemeinen Grundsätzen der rechtlichen Risikoverteilung. Ein Risiko ist grundsätzlich demjenigen aufzubürden, aus dessen Sphäre es stammt, ein Schaden von demjenigen zu tragen, der ihn erlitten hat.595 Das Risiko einer nachlässigen Amtsführung ist mit jedem Vertretungssachverhalt verbunden. Fahrlässige Pflichtwidrigkeiten ihrer Vorstandsmitglieder sind daher allein der Gesellschaft zuzurechnen, die sich dieser Personen im Interesse ihrer eigenen Handlungsfähigkeit bedient. Die Gesellschaft trägt für deren Auswahl und Überwachung die Verantwortung. Wenn ihr aus einer fehlerhaften Amtsführung ihrer
macht letztere eben gerade nicht fehlt, sondern existente Vertretungsmacht missbräuchlich genutzt wird (so zu Recht Mertens/Cahn, a. a. O; Hüffer, a.a.O.). 591 Schramm, in: MünchKomm BGB § 164 Rn. 106; Stoffels, in: Heidel/Hüßtege AnwK BGB § 164 Rn. 84; Valenthin, in: BeckOK BGB § 167 Rn. 45. 592 Zur allgemeinen Sorgfaltspflicht umfassend Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts, § 7 Rn. 27. 593 BGH NJW 1996, 589, 590; BGH NJW 1999, 2883, 2883 f.; BGH NJW 2006, 2776; Fleischer, in: Spindler/Stilz AktG § 82 Rn. 14; Habersack, in: Großkomm AktG § 82 Rn. 12; Hüffer/Koch, AktG § 82 Rn. 7; Spindler, in: MünchKomm AktG § 82 Rn. 63; Seibt, in: Schmidt/Lutter AktG § 82 Rn. 6. 594 Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 82 Rn. 47; Leptien, in: Soergel BGB § 177 Rn. 17; Canaris, Handelsrecht § 14 Rn. 37; Vedder, JZ 2008, 1077, 1078 f.; John, in: FS: Mühl, 1981, S. 349, 358. 595 Vgl. allg. Sprau, in: Palandt BGB § 823 Rn. 46 („kein allgemeines Gebot, andere vor Selbstgefährdung zu bewahren“); vgl. in diesem Zusammenhang z. B. auch Larenz, SchuldR AT § 27 II. a) (Unterscheidung zwischen „natürlichem“ und „rechtlich ersatzfähigem Schaden“); ferner Larenz/Canaris, SchuldR BT II, § 75 I, 2. a) (Auferlegung einer Haftung bedarf eines „besonderen Grund[es]“; Grundsatz des „casum sentit dominus“).
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Vorstandsmitglieder Nachteile entstehen, muss sie diese deshalb selbst tragen,596 ebenso, wie sie auch die Vorteile, die ihr ein besonders geschickter Vertreter einbringt, für sich behalten darf.597 Dieser Zurechnungszusammenhang ist wertungsmäßig erst dann gelockert, wenn die Benachteiligung der Gesellschaft auf einem eigenen Willensentschluss des Vorstandsmitglieds beruht. Das Risiko, vorsätzlich übervorteilt zu werden, ist keines, welches mit dem Institut der Stellvertretung typischerweise verbunden ist.598 Die daraus entstehenden Risiken lassen sich deshalb auch nicht mehr ausschließlich der Gesellschaft zurechnen, sondern stammen in erster Linie aus der privaten Sphäre des treuwidrigen Vorstandsmitglieds. Je nach Einzelfall und Schutzbedürftigkeit können sie sich daher auch zum Nachteil des Geschäftspartners der Gesellschaft auswirken. Ließe man dagegen jedes objektive Versäumnis eines Vorstandsmitglieds genügen, stünde derjenige, der mit einer auf Vertretung angewiesenen Aktiengesellschaft kontrahiert, regelmäßig schlechter, als wenn er das Geschäft mit einem für sich selbst handelnden Geschäftspartner einginge, der für eigene Nachlässigkeiten unstreitig allein einstehen muss.599 Bei jedem mit einer Aktiengesellschaft günstig ausgehandelten Geschäft müsste der Geschäftspartner befürchten, dass die Gesellschaft versucht, den Vertrag mit dem Argument des Vertretungsmissbrauchs zu Fall zu bringen.600 Zwar führt nach h. M. letztlich nur eine evidente Pflichtwidrigkeit zu einem Lösungsrecht.601 Da eine nichtvorsätzliche Pflichtverletzung allerdings relativ leicht zu behaupten ist, läge die Argumentationslast gleichwohl unangemessen schnell beim Geschäftspartner, der stets in der Lage sein müsste, plausibel zu machen, warum er von einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang auf Seiten der Gesellschaft ausgehen durfte und ein pflichtwidriges Verhalten objektiv nicht ersichtlich war. Angesichts der eigentlichen Risikoverteilung ist das nicht sachgerecht. Vielmehr es ist zunächst der Gesellschaft aufzubürden, nachzuweisen, dass sich bei ihr ein Risiko verwirklicht hat, das aufgrund Vorsatzes ihres Vorstands nicht ihr (ausschließlich) eigenes ist. Erst dann stellt sich die Frage, ob sich dieses Risiko aufgrund der Einzelfallumstände dem Geschäftspartner der Gesellschaft zuweisen lässt. b) Vertretungsmissbrauch durch den Vorstand Originär steht das Recht, die Aktiengesellschaft zu vertreten, nicht den einzelnen Vorstandsmitgliedern oder etwaigen bevollmächtigten Repräsentanten der Gesell596 Vgl. John, in: FS Mühl, 1981, S. 349, 358 („Betriebsunfall“); ebenso Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 82 Rn. 47; Vedder, JZ 2008, 1077, 1079; Canaris, Handelsrecht § 14 Rn. 37 („Irrtum“). 597 Vedder, JZ 2008, 1077, 1079. 598 Vedder, JZ 2008, 1077, 1079. 599 Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 82 Rn. 47. 600 Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 82 Rn. 47. 601 Bisweilen wird der Streit daher als nur wenig relevant bezeichnet (vgl. Valenthin, in: BeckOK BGB § 167 Rn. 50).
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schaft, sondern dem Vorstand als Organ zu. Gemäß § 78 Abs. 1 Satz 1 AktG vertritt „der Vorstand“ die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. Die Rechtsmacht seiner einzelnen Mitglieder bzw. sonstigen Repräsentanten, die Gesellschaft allein oder mit anderen Personen gemeinschaftlich zu vertreten, ist nur eine vom Vorstand als Organ abgeleitete. Für die Frage des Missbrauchs der Vertretungsmacht ist somit entscheidend, dass nicht nur ein missbräuchliches Verhalten eines oder mehrerer Vorstandsmitglieder oder sonstiger Repräsentanten der Gesellschaft vorliegt, sondern dass dieses auch dem Vorstand insgesamt und damit der Gesellschaft anzulasten ist. Ein Missbrauch der Vertretungsmacht durch den Vorstand ist damit zwar ohne weiteres gegeben, wenn das für die Gesellschaft nachteilige Rechtsgeschäft durch ein einzelvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied geschlossen wird, bei dem der Missbrauchsvorsatz selbst vorliegt. Dieses übt die Vertretungsmacht des Vorstands allein aus, sodass sein Handeln als missbräuchliches Handeln des Vorstands im Ganzen zu bewerten ist. Gleiches gilt ohne weiteres auch dann, wenn im Falle der Gesamtvertretung alle an dem Rechtsgeschäft beteiligten Vorstandsmitglieder vorsätzlich zum Nachteil der Gesellschaft handeln. Fraglich ist jedoch, wie die Situation zu bewerten ist, wenn keiner oder zumindest nicht alle der im Außenverhältnis für die Gesellschaft auftretenden Repräsentanten Missbrauchsvorsatz haben. Ein rechtlich relevanter Vertretungsmissbrauch durch den Vorstand kommt hier nur unter Zurechnungsgesichtspunkten in Betracht. Erforderlich ist dafür zunächst, dass Sachverhaltskenntnisse, die für den Abschluss des konkreten Geschäfts einen Missbrauchsvorsatz begründen, grundsätzlich (irgendwo) im Bereich der Gesellschaft vorliegen. Diese Kenntnisse müssen dem Vorstand als Organ zuzurechnen sein, sodass dieser wertungsmäßig über einen eigenen Missbrauchsvorsatz verfügt. Hierfür sind dieselben Grundsätze anzuwenden, wie sie üblicherweise herangezogen werden, um der Gesellschaft als juristischer Person bestimmte Kenntnisse im Interesse des Rechtsverkehrs zuzurechnen. Entgegen früherer Ansichten602 kommt es dafür nicht darauf an, ob der Kenntnisträger – für den konkreten Fall: der Träger der den Missbrauchsvorsatz begründenden Informationen – eine bestimmte formale Rechtsstellung innerhalb der Gesellschaft innehat, sondern entscheidend ist, ob ein Sachverhalt gegeben ist, der bei ordnungsgemäßer gesellschaftsinterner Kommunikation dem konkret handelnden Funktionsträger hätte bekannt sein müssen.603 Dies ist jeweils im Wege wertender Einzelfallbetrachtung zu entscheiden. Abzuwägen sind dabei jeweils die Bedürfnisse der juristischen Person selbst mit denen ihres Geschäftspartners, der nicht deshalb besser oder schlechter stehen darf, weil er mit einer Personengesamtheit statt mit einer natürlichen Person kontrahiert.604 Inwieweit die Information gesellschaftsintern hätte kommuniziert werden müssen, ist dabei von unterschiedlichen Faktoren abhängig. Zum einen kommt es auf die Art und die Be602
Sogenannte Organtheorie; vgl. etwa Beuthien, in: FS Zöllner, 1998, S. 87, 102. BGH NJW 1996, 1339, 1340 f.; Kort, in: Hdb des Vorstandsrechts § 2 Rn. 102 ff.; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck GmbHG § 35 Rn. 150. 604 BGH NJW 1996, 1339, 1340. 603
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deutung der Information selbst an. Zum anderen sind die Person des Kenntnisträgers einerseits sowie auch die Person des konkret für die Gesellschaft agierenden Funktionsträgers andererseits sowie deren jeweilige Stellung zueinander bedeutsam. Zur Verdeutlichung folgendes Beispiel: Das Automobilunternehmen A-AG hat den Auftrag für ein Standard-Zulieferteil ausgeschrieben. Beworben haben sich fünf Anbieter, darunter auch die Z-GmbH. Die Z-GmbH gehört zu 90 % dem Schwager S des im Vorstand der A-AG für Forschung und Entwicklung zuständigen V. S ist zugleich Geschäftsführer der Z-GmbH. V hält die restlichen 10 % der GmbH-Anteile. Obwohl einer der Wettbewerber preislich günstiger ist, schlägt V im Vorstand die Auftragsvergabe an die Z-GmbH vor, weil deren Produkt angeblich weniger störungsanfällig ist (was – wie V weiß – nicht stimmt). Seine familiären und wirtschaftlichen Beziehungen zu S bzw. der Z-GmbH verschweigt er; sie sind seinen Vorstandskollegen auch nicht aus anderen Quellen bekannt. Die Vorstandskollegen des V vertrauen seinen technischen Aussagen und beschließen mit ihm gemeinsam, den Auftrag an die Z-GmbH zu vergeben. Beim Vertragsschluss wird die Z-GmbH von S und die A-AG von ihrem Einkaufsvorstand E, der einzelvertretungsberechtigt ist, vertreten.
Obwohl V selbst beim Vertragsschluss nicht mitgewirkt hat, ist nach eben dargstellten Grundsätzen auch in diesem Fall von einem Missbrauch der Vertretungsmacht auszugehen. Bei einer ordnungsgemäßen internen Kommunikation hätte V seinen Vorstandskollegen und damit auch dem einzelvertretungsberechtigten E seine Beziehungen zur Z-GmbH, seine wahren Kenntnisse über die Qualitätsbeschaffenheit der konkurrierenden Zulieferteile und seine persönlichen Geschäftsabsichten offenlegen müssen. Dazu ist er aus seinen allgemeinen Vorstandspflichten heraus verpflichtet. Das Handeln des E ist daher so zu beurteilen, als seien E diese Umstände bekannt. Die Ausübung der Einzelvertretungsberechtigung durch E und damit die Vertretung der A-AG durch ihren Vorstand sind deshalb trotz Gutgläubigkeit des E missbräuchlich. Der Fall wäre nicht anders zu beurteilen, wenn die A-AG nicht durch ihr Vorstandsmitglied E, sondern durch einen mit Handlungsvollmacht ausgestatteten Vertriebsmitarbeiter vertreten worden wäre. Die Zurechnungskette hätte sich auch auf diesen erstreckt. Der Ausgangsfall lässt sich weiter dahin abwandeln, dass V gänzlich unbefangen ist. Stattdessen hat der im Bereich des V arbeitende Entwicklungsingenieur I Kenntnis von den Qualitätsproblemen der Z-GmbH, von dem konkret avisierten Geschäftsabschluss weiß I jedoch nichts. Da I zur Weitergabe dieser Information an den das Geschäft schließenden E ohne Kenntnis von dem Geschäft keinen Anlass hatte und hierzu auch aus sonstigen Erwägungen heraus nicht verpflichtet ist, ist diese Kenntnis E und damit dem Vorstand der A-AG nicht zuzurechnen, sodass ein Vertretungsmissbrauch nicht gegeben ist. Auf Vorstandsebene stellt sich der Abschluss des Geschäfts vielmehr als bloße Fahrlässigkeit dar, weil die Produktmängel in der Entscheidungsvorbereitung nicht als solche erkannt und berücksichtigt wurden, und der Vorstand deshalb auf inhaltlich fehlerhafter Grundlage entschied. Anders läge es wiederum, wenn I von dem geplanten Geschäft wusste, das Geschäft mit der Z-GmbH jedoch trotzdem durch E geschlossen wurde, weil I zu einer Mitteilung der Qualitätsmängel an E aus Bequemlichkeit keine Lust hatte. Hier wäre I verpflichtet gewesen, dem Vorstand die
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Qualitätsprobleme der Z-GmbH zu offenbaren. Dem Vorstand wäre daher wertungsmäßig die Kenntnis des I zuzurechnen. 2. Voraussetzungen auf Seiten des Geschäftspartners a) Allgemeine Anforderungen Außer in den Fällen der Kollusion und des dem Geschäftspartner positiv bekannten Vertretungsmissbrauchs kann die Gesellschaft sich von einem durch ihren Vorstand treuwidrig geschlossenen Geschäft lösen, wenn das missbräuchliche Verhalten für den Geschäftspartner evident war. Auch hier ist sein Vertrauen in die Wirksamkeit des Geschäfts nicht schutzwürdig.605 Die abweichende Meinung,606 wonach nur positive Kenntnis dem Geschäftspartner schade, wird von der überwiegenden Ansicht zu Recht abgelehnt. Es enspricht üblicher zivilrechtlicher Dogmatik, Vertrauensschutz nicht nur bei positiver Kenntnis, sondern auch bei vorwerfbarer Unkenntnis zu versagen.607 Nicht zuletzt dient dies der Vorbeugung von Beweisproblemen. Schutzbehauptungen sowie Fehlanreize, offensichtliche Kenntnisnahmemöglichkeiten zu vermeiden, werden so verhindert.608 Ein evidenter Missbrauch der Vertretungsmacht ist anzunehmen, wenn der Repräsentant der Gesellschaft von seiner Vertretungsmacht „in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch gemacht hat, so daß beim Vertragspartner begründete Zweifel entstehen mußten, ob nicht ein Treueverstoß vorliege“.609 Die Notwendigkeit einer Rückfrage muss sich geradezu aufgedrängt haben.610 b) Zurechnung bei Personengesamtheiten Handelt es sich bei dem Geschäftspartner der Gesellschaft nicht um eine natürliche Person, sondern um eine Personengesamtheit, stellen sich auch hier Zurechnungsfragen. Damit dem Geschäftspartner das Vertrauen in die Wirksamkeit des Geschäfts entzogen werden kann, muss ihm im Falle der Kollusion das Wissen der konkret agierenden natürlichen Person zuzurechnen sein, sodass sich deren Handeln wertungsmäßig als eigene Sittenwidrigkeit des Geschäftspartners darstellt. Entsprechendes gilt, wenn es um die Frage der Kenntnis des Vertretungsmissbrauchs bzw. die Kenntnis der eine Evidenz des Missbrauchs begründenden Umstände geht. 605
Vedder, JZ 2008, 1077, 1080. Etwa P. Bydlinski, in: FS F. Bydlinski, 2002, S. 38 f. 607 Vedder, JZ 2008, 1077, 1080 f. mit Verweis auf § 122 Abs. 2, § 123 Abs. 2, §§ 169, 173, 179 Abs. 3 BGB. 608 Vedder, JZ 2008, 1077, 1081. 609 BGH NJW 1995, 250, 251 („massive Verdachtsmomente voraussetzende objektive Evidenz des Missbrauchs“); Fleischer, NZG 2005, 529, 530; Habersack, in: Großkomm AktG § 82 Rn. 13; Spindler, in: MünchKomm AktG § 82 Rn. 64. 610 Fleischer, NZG 2005, 529, 530. 606
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Es gelten insoweit die bereits dargestellten allgemeinen Grundsätze der Wissenszurechnung. Entscheidend ist daher abermals, ob bei ordnungsgemäßer gesellschaftsinterner Kommunikation die entsprechenden Kenntnisse dem für den Geschäftspartner konkret handelnden Funktionsträger hätten bekannt sein müssen. Zur Illustration lässt sich auf den soeben für die Zurechnungsfragen innerhalb der Aktiengesellschaft gebildeten Grundfall verweisen. Ist S hier als Geschäftsführer der Z-GmbH in die Täuschungshandlungen des V eingeweiht, ist dies der Z-GmbH zuzurechnen. Wenn nicht bereits ein Fall der Kollusion vorliegt, hat die Z-GmbH damit zumindest positive Kenntnis davon, dass der Vorstand der A-AG seine Vertretungsmacht missbraucht. Wandelt man das Beispiel dahingehend ab, dass S von dem Täuschungsmanöver des V im Vorstand der A-AG nichts wusste, so kann man hingegen auch nicht von einem „evidenten“ Missbrauch der Vertretungsmacht aus Sicht der Z-GmbH ausgehen. Ein solcher wäre allenfalls zu bejahen, wenn das Angebot der Z-GmbH im Vergleich zu den marktüblichen Preisen für das Zulieferteil so ungünstig gewesen wäre, dass der Zuschlag zu ihren Gunsten unter keinen Umständen plausibel sein konnte. In Betracht käme allenfalls noch, der Z-GmbH die Kenntnisse des V zuzurechnen. Dazu müsste zwischen V und der Z-GmbH eine Nähebeziehung von solchem Gewicht bestehen, dass im Rahmen einer ordnungsgemäßen gesellschaftsinternen Kommunikation V verpflichtet wäre, seine Kenntnisse über das Zustandekommen der Vorstandsentscheidung der A-AG und damit seine Täuschungshandlung gegenüber der Geschäftsführung der Z-GmbH zu offenbaren. Dies allerdings lässt sich aus seiner rein kapitalmäßigen Beteiligung in Höhe von 10 % nicht ableiten.611 Da aus familiären Beziehungen keine gesellschaftsinternen Kommunikationspflichten folgen, resultiert auch aus dem Umstand, dass V und S verschwägert sind, nichts anderes. Der Vertrag der A-AG mit der Z-GmbH wäre damit wirksam und die A-AG hat auch keine Möglichkeit, sich einseitig von ihm zu lösen. De facto bleibt ihr nur ein Schadensersatzanspruch gegen V.
§ 11 Haftungsrechtliche Konsequenzen konfliktbelasteten Vorstandshandelns Außer in den Sonderkonstellationen des Insichgeschäfts bzw. des Missbrauchs der Vertretungsmacht sind die Geschäfte, die die Vorstandsmitglieder unter Verletzung ihrer Treuepflicht zum Nachteil der Gesellschaft abschließen, grundsätzlich wirksam. Für die Gesellschaft ist es damit ausgeschlossen, die Einbußen, die ihr entstanden sind, kondiktionsrechtlich rückabzuwickeln. Darüber hinaus können der 611 Wissen von Gesellschaftern wird der GmbH grundsätzlich nicht zugerechnet (Stephan/ Tieves, in: MünchKomm GmbHG § 35 Rn. 223; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck GmbHG § 35 Rn. 151; Ellers, GmbHR 2004, 934, 938: Zurechnung des Gesellschafterwissens nur bei weisungsmäßiger Einflussnahme der Gesellschafterversammlung auf die Geschäftsführung).
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Gesellschaft Schäden nicht nur aus in ihrem Namen treuwidrig geschlossenen Rechtsgeschäften, sondern auch durch sonstiges von Eigeninteressen beeinflusstes Vorstandshandeln entstehen – etwa durch sachwidrige Strategieentscheidungen oder auch durch treuwidrig motivierte Untätigkeit. Möchte sie sich gleichwohl schadlos stellen, ist sie somit darauf angewiesen, haftungsrechtlich gegen ihre Vorstandsmitglieder vorzugehen. Das Aktiengesetz stellt ihr in § 93 Abs. 2 Satz 1 die dazu erforderliche Haftungsgrundlage zur Verfügung. Wegen der besonderen Gefahren, die ein konfliktbelastetes Vorstandshandeln für die Gesellschaft mit sich bringt, sind dabei die Voraussetzungen, die an eine Haftung zu stellen sind, im Vergleich zu der gegenüber unbefangenen Vorstandsmitgliedern geltenden Rechtslage nach überwiegender Ansicht herabgesetzt. Im Detail jedoch ist hier Vieles streitig.
I. Grundsätze der aktienrechtlichen Vorstandshaftung 1. Ausgangslage Die Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden, § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG. Tun sie das nicht, so handeln sie pflichtwidrig und haften der Aktiengesellschaft aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG für den daraus entstandenen Schaden. Um einen solchen Anspruch geltend zu machen, kann sich die Gesellschaft nach der Beweislastregel des § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG darauf beschränken nachzuweisen, dass ihr das Vorstandsmitglied durch seine Geschäftsführung einen Vermögensnachteil zugefügt hat. Es liegt dann am Vorstandsmitglied, sich zu entlasten, indem es beweist, dass sein Handeln nicht pflichtwidrig bzw. nicht schuldhaft war.612 Sowohl der Haftungsmaßstab als auch die Beweislastverteilung sorgen damit aus Sicht des Vorstandsmitglieds für eine verhältnismäßig strenge Haftungssituation;613 angesichts seiner fremdnützigen Aufgabenstellung und seiner eigenverantwortlichen Rechtsstellung ist das auch richtig so.614 Schon immer ist allerdings anerkannt, dass dieser formal strenge haftungsrechtliche Rahmen in seinen inhaltlichen Anforderungen zurückhaltend auszugestalten ist, soweit Vorstandsmitglieder nicht lediglich gesetzesvollziehend, sondern – ihrer Hauptaufgabe entsprechend – unternehmerisch tätig
612 Ganz h. M.: Hopt, in: Großkomm AktG § 93 Rn. 285; Hüffer/Koch, AktG § 93 Rn. 53; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 93 Rn. 140; Spindler, in: MünchKomm AktG § 93 Rn. 181; Goette, ZGR 1995, 648, 672. 613 Spindler, in: MünchKomm AktG § 93 Rn. 2 („materiell-rechtlich schneidiger Anspruch“). 614 Vgl. Spindler, in: MünchKomm AktG § 93 Rn. 6, wonach „der starken Machtstellung der Vorstandsmitglieder […] eine hohe Verantwortlichkeit als Gegengewicht entsprechen muss“.
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werden.615 Unternehmerische Entscheidungen zeichnen sich dadurch aus, dass die Vorstandsmitglieder die Wahl zwischen mehreren rechtlich zulässigen Handlungsalternativen haben. Sie verfügen mithin über ein unternehmerisches Ermessen, d. h. sie dürfen und müssen eine Vielzahl unterschiedlicher sachlicher Erwägungen in ihre Entscheidung einbeziehen und miteinander abwägen.616 Ihre Situation wird zudem dadurch erschwert, dass unternehmerische Entscheidungen zukunftsbezogen und somit auf Grundlage unsicherer Tatsachen zu treffen sind.617 Zumeist sind sie deshalb das Ergebnis einer komplexen Risikoabwägung.618 Stellt sich im Anschluss an einen unternehmerischen Misserfolg die Frage, inwieweit ein an der Maßnahme beteiligtes Vorstandsmitglied haftet, und würden die soeben geschilderten formal-strengen Haftungsgrundsätze ohne weiteres auch für unternehmerische Entscheidungen gelten, so wären die Anstrengungen, die das Vorstandsmitglied unternehmen müsste, um sein pflichtgemäßes Handeln zu belegen, ganz erheblich. Während die Gesellschaft sich im Haftungsprozess darauf beschränken könnte nachzuweisen, dass das Vorstandsmitglied an der verlustreichen unternehmerischen Maßnahme beteiligt war, läge es am Vorstandsmitglied, darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass es den Sachverhalt richtig erfasst hat und seine unternehmerischen Erwägungen angemessen waren. Das Gericht sähe sich vor der kaum lösbaren Aufgabe, einen komplexen unternehmerischen Entscheidungsprozess zu rekonstruieren, der zeitlich bereits länger zurückliegt.619 Zudem wäre das Vorstandsmitglied von Anfang an in der Defensive aufgrund des psychologischen Phänomens, dass der Mensch – und damit auch der entscheidende Richter – im Angesicht eines Schadens dazu neigt, dem Handelnden sorgfaltswidriges Verhalten zu unterstellen.620 Weder aus Sicht der Aktiengesellschaft noch aus volkswirtschaftlichen Erwägungen ist eine solche haftungsrechtliche Risikoverteilung wünschenswert. Sie würde dazu führen, dass die 615 So führte beispielsweise schon die Amtliche Begründung zu § 84 AktG 1937 aus, dass durch eine zu strenge Haftung „den Vorständen […] nicht jeder Mut zur Tat genommen werden“ dürfe (vgl. Klausing, AktG 1937 S. 71). 616 J. Koch, ZGR 2006, 769, 784; Fleischer, in: FS Wiedemann, 2002, S. 827, 830 f.; S. H. Schneider, DB 2005, 707, 709 f.; Mutter, Unternehmerische Entscheidungen und Haftung des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft, S. 23. 617 Spindler, in: MünchKomm AktG § 93 Rn. 41; S. H. Schneider, DB 2005, 707, 710; ähnlich BegrRegE UMAG BT-Drucks. 15/5092, S. 11; J. Koch, ZGR 2006, S. 769, 787 f., der den Prognosecharakter jedoch lediglich als typisches Merkmal, nicht aber als zwingende Voraussetzung einer unternehmerischen Entscheidung ansieht. 618 Fleischer, in: FS Wiedemann, 2002, S. 827, 831 (mit vielschichtigen Beispielen denkbarer Abwägungsposten); pointiert zum Erfordernis eines unternehmerischen Riskos Semler, in: FS Ulmer, 2003, S. 627, 627 f. („Eine Entscheidung, die kein Risko beinhaltet, ist keine unternehmerische Entscheidung.“). 619 Das wird nur noch selten zufriedenstellend möglich sein; vgl. J. Koch, ZGR 2006, 769, 782; Schäfer, ZIP 2005, 1253; Fleischer, ZIP 2004, 685, 686; Paefgen, AG 2004, 245, 247. 620 J. Koch, ZGR 2006, 769, 782 (Gefahr von „Rückschaufehlern“); Schäfer, ZIP 2005, 1253 f.; S. H. Schneider, DB 2005, 707, 708; Fleischer, ZIP 2004, 685, 686, mit Hinweis auf die psychologische Entscheidungsforschung, die dieses Phänomen unter dem Begriff „hindsight bias“ diskutiert.
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Vorstandsmitglieder in vielen Fällen Risiken scheuten, die für einen erfolgreichen Wettbewerb eigentlich eingegangen werden müssten.621 2. Kodifizierung eines weiten Geschäftsleiterermessens in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG („Business Judgment Rule“) Diese Erkenntnisse hat der BGH im Jahr 1997 in seiner vielbeachteten ARAG/ Garmenbeck-Entscheidung wieder in Erinnerung gerufen, indem er ausführte, dass den Vorstandsmitgliedern ein haftungsrechtlich „weiter Handlungsspielraum zugebilligt werden muss, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar ist“.622 Die Literatur hat die Erwägungen des BGH fast unisono begrüßt,623 was der Gesetzgeber schließlich zum Anlass genommen hat, mit dem Gesetz zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG), welches am 1. November 2005 in Kraft trat, einen entsprechenden Freiraum nunmehr auch zu kodifizieren. Nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG liegt danach eine „Pflichtverletzung […] nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.“ Der Gesetzgeber entzieht damit den Inhalt fehlgeschlagener unternehmerischer Entscheidungen einer detaillierten richterlichen Kontrolle. Stattdessen legt er den Schwerpunkt darauf, zu überprüfen, ob die Entscheidung unter angemessenen äußeren Umständen getroffen wurde. In diesem Fall ist zu vermuten,624 dass die Entscheidung auch inhaltlich ordnungsgemäß ist. Den Umfang der materiellen Überprüfung reduziert der Gesetzgeber für diese Fälle auf eine bloße Evidenzkontrolle.625 Nur dann, wenn die 621 J. Koch, in: FS Säcker, 2011, S. 403; ders., ZGR 2006, 769, 782; Fleischer, ZIP 2004, 685 f.; Paefgen, AG 2004, 245, 247; Ulmer, DB 2004, 859, 860. 622 BGH NJW 1997, 1926, 1927. 623 Z. B. Schaefer/Missling, NZG 1998, 441, 444; Fleischer, in: FS Wiedemann, 2002, S. 827, 837 („große Überzeugungskraft“). Grundsätzliche Zustimmung zu den Ansätzen des BGH auch bei Kindler, ZHR 162 (1998), 101, 106 f. Entsprechend auch der Gesetzesentwurf von Ulmer, ZHR 163 (1999), 290, 299 sowie der spätere Formulierungsvorschlag von Paefgen, AG 2004, 245, 261. Einen Haftungsfreiraum ablehnend lediglich Lohse, Unternehmerisches Ermessen, S. 47 ff., der um die präventive Wirkung der Organhaftung fürchtet. 624 Von einer gesetzlichen Vermutung ausgehend etwa Hüffer/Koch, AktG § 93 Rn. 12, 14; ebenso Paefgen, NZG 2009, 891, 892. Mit hiervon abweichendem dogmatischem Verständnis dagegen Spindler, in: MünchKomm AktG § 93 Rn. 39 („gesetzliche Konkretisierung der dem Vorstand abverlangten objektiven Pflichten“). Wiederum anders Fleischer, in: Spindler/Stilz AktG § 93 Rn. 65 („Tatbestandsauschlussgrund“). Für die praktische Problemlösung spielen diese dogmatischen Differenzierungen allenfalls untergeordnet eine Rolle (vgl. Spindler, a.a.O.: „keine besonderen Konsequenzen“; ebenso Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 93 Rn. 15, die sich aus diesem Grunde schon gleich gar nicht festlegen). 625 Hüffer, in: FS Raiser, 2005, S. 163, 180, zur – insoweit identischen – Rechtslage vor dem UMAG. Ebenso – bereits zur aktuellen Gesetzeslage – Winnen, Die Innenhaftung des Vorstands nach dem UMAG, S. 241 ff. In diese Richtung auch Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 326 (Überprüfung der Maßnahme auf „Rationalität“).
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Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht gegeben sind, kommen die sachlichen Beiträge des Vorstandsmitglieds auch im Detail auf den richterlichen Prüfstand.626 Orientiert hat sich der Gesetzgeber bei diesem Regelungsmodus maßgeblich an den entsprechenden richterrechtlich ausgestalteten Regelungen aus dem US-amerikanischen Rechtskreis, wo die Idee eines haftungsrechtlich „sicheren Hafens“ unter dem Titel der „Business Judgment Rule“ eine lange Tradition und eine fortgeschrittene dogmatische Reife hat.627 Für das deutsche Recht lässt sich das noch nicht konstatieren. Die Entwicklung ist hier noch im Fluss, was auch damit zusammenhängt, dass der Gesetzgeber lediglich die ihrerseits US-rechtlich inspirierten Grundsätze der ARAG/Garmenbeck-Entscheidung wiedergegeben und die weitere Konkretisierung des „sicheren Hafens“ der Rechtsprechung und der Literatur überlassen hat.628
II. Der Einfluss von Interessenkonflikten auf das Haftungsprivileg des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG Einen Schwerpunkt der nach der Kodifizierung entbrannten Auslegungsdiskussionen bildet die Frage, inwieweit ein Interessenkonflikt eines Vorstandsmitglieds zur Folge haben kann, dass ihm – und in bestimmten Konstellationen auch seinen an sich unbefangenen Vorstandskollegen – das Privileg der Business Judgment Rule versagt bleibt, und seine bzw. ihre Haftung damit schärfer ausgestaltet ist. Hintergrund dieser Debatte ist, dass § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG die Erwartung formuliert, dass sich die Vorstandsmitglieder ausschließlich am Wohl der Gesellschaft orientieren.629 Wird ihre Entscheidung jedoch durch sachfremde eigene Interessen beeinflusst, so besteht die Befürchtung, dass dieser Grundvoraussetzung der Business Judgment Rule der Boden entzogen ist.630
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Nach allgemeiner Ansicht steht nicht schon deshalb, weil die Voraussetzungen des § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG nicht vorliegen, bereits eine Pflichtverletzung des Vorstandsmitglieds fest, sondern das Vorstandsmitglied behält die Möglichkeit, innerhalb der allgemeinen Haftungsregeln des § 93 Abs. 2 AktG zu beweisen, dass sein Handeln sorgfaltsgemäß i. S. v. § 93 Abs. 1 Satz. 1 AktG ist (J. Koch, in: FS Säcker, 2011, S. 403, 407 und 415; Blasche, AG 2010, 692, 693 f.; Lutter, in: FS Canaris, 2007, S. 245, 247 u. 250 f.; ders., ZIP 2007, 841, 845 f.). 627 Den Begriff der „Business Judgement Rule“ hebt die Gesetzesbegründung eigens hervor (vgl. BT-Drucks. 15/5092, S. 11). Zur Geschichte der US-amerikanischen Ausprägung der Businnes Judgment Rule vgl. insbesondere Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 62 ff. Zu ihrer Funktion als Grundlage der deutschen Gesetzgebung vgl. Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 93 Abs. 1 Satz. 2, 4 n. F. Rn. 5 ff. 628 Vgl. J. Koch, ZGR 2006, 769, 783, der von einer deutungsoffenen „Merkpostengesetzgebung“ spricht. 629 Brömmelmeyer, WM 2005, 2065, 2068. 630 Brömmelmeyer, a.a.O.
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Diese Beobachtung zieht mehrere Unterthemen nach sich. Das erste wird unmittelbar durch den Gesetzeswortlaut selbst provoziert. Über das Kriterium „Freiheit von Eigeninteressen“ sagt das Gesetz nämlich nichts. Daher wird von manchen bezweifelt, dass es sich hierbei tatsächlich um ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal der Business Judgment Rule handelt.631 Sodann bestehen Unstimmigkeiten darüber, ob das Vorliegen eines relevanten Sonderinteresses objektiv festzustellen oder die subjektive Sichtweise des betroffenen Vorstandsmitglieds maßgebend ist.632 Ferner ist unklar, ob es Umstände gibt, unter denen einem befangenen Vorstandsmitglied das Haftungsprivileg des sicheren Hafens erhalten bleibt. Diskutiert wird das vor allem für den Fall, dass der Befangene seinen Konflikt offengelegt hat.633 1. Konfliktfreiheit als Tatbestandsmerkmal des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG Im Gegensatz zur herrschenden Meinung634 wird vereinzelt angenommen, dass das Merkmal „Freiheit von Interessenkonflikten“ keine eigenständige Bedeutung für die Anwendung der Business Judgment Rule hat.635 Das Kriterium sei lediglich in die Prüfung mit einzubeziehen, ob das Vorstandsmitglied annehmen durfte, zum Wohl der Gesellschaft zu handeln.636 Die praktischen Unterschiede dieses Ansatzes zur herrschenden Meinung sind schnell erkennbar: Nach herrschender Meinung führt grundsätzlich jeder Interessenkonflikt zu einem Ausschluss der Privilegierung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG. Dies hat zur Folge, dass ein befangenes Vorstandsmitglied, das an einer für die Gesellschaft nachteiligen Entscheidung mitgewirkt hat, stets nachweisen muss, dass es trotz des Interessenkonflikts pflichtgemäß gehandelt hat. Insbesondere muss es darlegen und beweisen, dass die Erwägungen, von denen es sich bei der Entscheidung hat leiten lassen, trotz des Interessenkonflikts sachgerecht waren. Nach der Gegenansicht ist der sichere Hafen des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG auch für befangene Vorstandsmitglieder grundsätzlich geöffnet. Dem Kriterium des 631
So z. B. Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter AktG § 93 Rn. 15; Weiss/Buchner, WM 2005, 162, 164. 632 Subjektiv: Hüffer/Koch, AktG § 93 Rn. 25; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 93 Rn. 27. Objektiv: Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 93 Abs. 1 Satz 2, 4 n. F. Rn. 41; Spindler, in: MünchKomm AktG § 93 Rn. 63; Lutter, in: FS Canaris, 2007, S. 245, 247. 633 Vgl. BegrRegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11. Zur Diskussion z. B. Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 256 f.; Gehb/Heckelmann, ZRP 2005, 145, 147 f.; Hauschka, GmbHR 2007, 11, 16; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1257; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 313 ff., 317 ff.; J. Koch, in: FS Säcker, 2011, S. 403, 414 ff. 634 Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 93 Abs. 1 Satz 2, 4 n. F. Rn. 38 ff.; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 93 Rn. 27; Lutter, in: FS Canaris, 2007, S. 245, 250; J. Koch, in: FS Säcker, 2011, S. 403, 406 f. 635 Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter AktG § 93 Rn. 15; Schäfer, ZGR 2014, 731, 743 ff. 636 Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter AktG § 93 Rn. 15.
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Interessenkonflikts kommt keine eigenständige Bedeutung zu. Entscheidend ist allein – neben dem verfahrensmäßigen Erfordernis einer angemessenen Informationsgrundlage –, ob die getroffene Entscheidung inhaltlich evident dem Gesellschaftswohl zuwiderläuft oder nicht.637 Die Wahrscheinlichkeit, dass dies bei einem Interessenkonflikt der Fall ist, wird im Vergleich zu den Entscheidungen eines unbefangenen Vorstandsmitglieds zwar erhöht sein. Für die Vertreter dieser Ansicht hat diese Beobachtung jedoch nur indizielle Bedeutung.638 Ausgangspunkt für die Auseinandersetzung mit diesem Streitstand ist der Gesetzestext. Das Merkmal „Freiheit von Eigeninteressen“ kommt dort nicht zum Ausdruck. Diese Beobachtung ist jedoch nicht überzubewerten: Der Gesetzgeber erließ die Regelung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zu einer Zeit, zu der im Anschluss an die ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des BGH die dogmatischen Grundlagen einer deutschen Business Judgment Rule noch ungeklärt und in der Entwicklung waren.639 Angesichts der beginnenden gesetzgeberischen Aktivitäten wurde deshalb auch diskutiert, ob eine Kodifizierung zu diesem frühen Zeitpunkt überhaupt schon sinnvoll sei.640 Als der Gesetzgeber sich dennoch dafür entschied, war er sich darüber im Klaren, eine (zwangsläufig) unausgereifte, noch fortzuentwickelnde Norm zu erlassen. Das bedeutet zwar nicht, dass der Gesetzeswortlaut zu Auslegungszwecken gar nicht taugt. Sein Stellenwert ist im Vergleich zu den sonstigen Auslegungsmethoden jedoch geringer.641 Zieht man zur weiteren Untersuchung die Gesetzesbegründung heran, so ergibt sich auch hieraus kein klares Bild. Die Terminologie des Gesetzgebers ist uneinheitlich. Während manche seiner Formulierungen eher dafür sprechen, die „Freiheit von Eigeninteressen“ dem Kriterium des Gesellschaftswohls unterzuordnen, lassen andere wiederum eine eigenständige tatbestandliche Bedeutung des Interessenkonflikts vermuten. So spricht für ersteres die Aussage, dass ein Handeln zum „Wohl der Gesellschaft“ – quasi als Negativvoraussetzung – die „Freiheit von Interessenkonflikten“ bereits impliziere.642 Die Freiheit von Interessenkonflikten wird dadurch bereits tatbestandlich unmittelbar dem Merkmal des Gesellschaftswohls zugeordnet. Dagegen spricht für die herrschende Meinung, dass der Gesetzgeber weiter vorne in der Gesetzesbegründung explizit von „fünf“ Merkmalen ausgeht, die die Privile637 Vgl. Schäfer, ZGR 2014, 731, 744 („der Konflikt bleibt für die Haftung irrelevant, solange er sich noch nicht […] ausgewirkt […] hat.“). 638 Vgl. Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter AktG § 93 Rn. 15. Nicht gefolgt werden kann deshalb der Ansichts Winnens, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 249 f., wonach es „keinerlei praktische Auswirkungen“ habe, ob es sich bei dem Merkmal „Freiheit von Eigeninteressen“ um ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal handelt, oder ob es lediglich implizit bei der Frage des Handelns zum Wohl der Gesellschaft geprüft wird. 639 So J. Koch, ZGR 2006, 769, 783; ders., in: FS Säcker, 2011, S. 404, 406. 640 Zu dieser Diskussion vgl. Fleischer, ZIP 2004, 685, 687. 641 J. Koch, ZGR 2006, 769, 783; ders., in: FS Säcker, 2011, S. 404, 406. 642 BegrRegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11.
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gierung des § 92 Abs. 1 Satz 2 AktG voraussetzt und dabei das „Handeln ohne Sonderinteressen“ und das „Handeln zum Wohl der Gesellschaft“ separat nebeneinander aufzählt.643 Letztlich überwiegen die Argumente für die herrschende Meinung. Betrachtet man die verschiedenen Erwägungen des Gesetzgebers aus systematischer Sicht, zeigt sich, dass eine tatbestandliche Verquickung der Merkmale „Freiheit von Eigeninteressen“ und „Wohl der Gesellschaft“ nicht überzeugen kann. Das Wohl der Gesellschaft ist ein materielles Kriterium. Es haftet der unternehmerischen Entscheidung selbst an. Ob eine unternehmerische Entscheidung dem Wohl der Gesellschaft dient, lässt sich aus ihr selbst heraus ersehen. Die Freiheit von Eigeninteressen ist hingegen ein formales Merkmal. Es beschreibt einen Aspekt des Entscheidungsprozesses, genauer: die Situation des Entscheidungsträgers. Dass sich ein hier bestehendes persönliches Defizit auch nachteilig auf die unternehmerische Entscheidung auswirkt, ist zwar wahrscheinlich. Sicher ist es jedoch nicht.644 Damit ist das Merkmal „Freiheit von Eigeninteressen“ strukturell vergleichbar mit der ebenfalls formellen Voraussetzung des „Handelns auf Grundlage angemessener Information“. Bei letzterem handelt es sich unstreitig um ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG.645 Vergleichbar sind beide Kriterien zudem auch in den Folgen, wenn eines von ihnen nicht vorliegen sollte: Genau wie die fehlende Unbefangenheit werden auch informatorische Defizite, denen ein Vorstandsmitglied unterliegt, häufig dazu führen, dass eine unternehmerische Entscheidung nicht dem Wohl des Unternehmens dient. Dass dies gleichwohl gelingt, ist hier aber genauso wenig ausgeschlossen wir dort. Diesen Parallelen in Struktur und Wirkungsweise würde man nicht gerecht, wenn das Kriterium „Freiheit von Eigeninteressen“ mit dem Merkmal des Gesellschaftswohls vermengt wird. Systematisch stimmig ist es allein, beide formalen Aspekte – „Freiheit von Eigeninteressen“ und „Entscheidung auf Grundlage angemessener Information“ – gleich zu behandeln, nämlich als eigenständige Tatbestandsmerkmale. Für ein solches Verständnis spricht überdies auch der rechtsvergleichende Blick auf die US-amerikanische Business Judgment Rule. Der Gesetzgeber hat in seiner Begründung explizit auf deren Grundsätze Bezug genommen.646 Rechtsvergleichende Erkenntnisse können deshalb „in Zweifelsfällen […] behutsam in die Aus-
643 BegrRegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11 (wenngleich der Gesetzgeber auch hier von „teils implizite[n]“ Merkmalen spricht). 644 So zu Recht Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter AktG § 93 Rn. 15, die dieses Argument jedoch nicht zur systematischen Auslegung des § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG heranziehen, sondern es vielmehr normativ verwenden und daraus den (unzutreffenden) Schluss ziehen, es könne sich bei der „Freiheit von Eigeninteressen“ lediglich um einen untergeordneten Aspekt des Gesellschaftswohls handeln. 645 So vor allem auch Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter AktG § 93 Rn. 10. 646 BegrRegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11 (Vorbildfunktion des „angelsächsischen Rechtskreis[es]“).
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legung einbezogen werden.“647 Betrachtet man insoweit die US-rechtlichen Gepflogenheiten, so wird hier zwischen dem Kriterium des Interessenkonflikts („Interestedness“ bzw. „Lack of Independence“) und dem des Gesellschaftswohls („Best Interest of the Corporation“) deutlich unterschieden.648 Es handelt sich um eigenständige Kategorien, wobei, wenn es um die Anwendung der Business Judgment Rule geht, der Nachweis der einen den Nachweis der anderen entbehrlich macht.649 Schließlich spricht auch eine teleologische Auseinandersetzung mit der Regelung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG für die herrschende Meinung. Wie bereits dargestellt, soll der haftungsrechtliche Freiraum der Business Judgment Rule die unternehmerische Entscheidungsfreude der Vorstandsmitglieder fördern. Ihnen soll nicht durch eine übermäßig strenge Haftung „jeder Mut zur Tat“ genommen werden.650 Dies setzt voraus, dass die Umstände, unter denen sie die unternehmerische Entscheidung treffen, formal unbedenklich sind. Nur dann ist es gerechtfertigt, die inhaltliche Kontrolle der Maßnahme zu begrenzen. Ein Interessenkonflikt jedoch beseitigt grundsätzlich das Vertrauen in die Richtigkeit der unternehmerischen Erwägungen, die die Vorstandsmitglieder anstellen.651 In einem solchen Fall muss dann aber auch die richterliche Kontrolle wieder uneingeschränkt gewährleistet sein. Die Gesellschaftsinteressen sind einer besonderen Gefährdung ausgesetzt. Auf diese muss das Recht angemessen reagieren. Ließe man das Merkmal des Interessenkonflikts in das Kriterium des Gesellschaftswohls einfließen, wäre das nicht gewährleistet, denn ob ein Vorstandsmitglied seine unternehmerische Entscheidung am Wohl der Gesellschaft ausgerichtet hat, unterliegt einem groben Prüfungsmaßstab. Wie bereits erwähnt, führen insoweit nur evidente Verstöße dazu, die Voraussetzungen der Business Judgment Rule zu verneinen. Danach käme dem Interessenkonflikt nur dann Bedeutung zu, wenn er eine unternehmerische Entscheidung des befangenen Vorstandsmitglieds nach sich zöge, die unter keinen Blickwinkel mehr rational nachvollziehbar ist. Befangene Vorstandsmitglieder könnten so ihre Eigeninteressen relativ gefahrlos in den internen Entscheidungsprozess einfließen lassen, solange sie nur die Grenzen zur unternehmerischen Willkür nicht überschreiten. Zwar würden sie hierdurch ihre Treuepflichten verletzen. In der sachlichen Gemengelage, die einer 647
J. Koch, ZGR 2006, 769, 783. Eine zusammenfassende Formulierung der in den USA richterrechtlich geltenden Grundsätze der Business Judgement Rule findet sich in den Principles of Corporate Governance des American Law Institute (ALI). § 4.01 (c) ALI Principles lautet: „A director or officer who makes a business judgment in good faith fulfills the duty under this Section [duty of care] if the director or officer: (1) is not interested in the subject of the business judgment; (2) is informed with respect to the business judgment to the extent the director or officer reasonably believes to be approppriate under the circumstances; and (3) rationally believes that the business judgment is in the best interest of the corporation.“ (abgedruckt bei Paefgen, AG 2004, 245, 247). 649 Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Akteingesellschaft, S. 86, mit umfangreichen Nachweisen zur US-amerikanischen Rechtsprechung. 650 Vgl. Fn. 615. 651 J. Koch, in: FS Säcker, 2011, S. 404, 407; Brömmelmeyer, WM 2005, 2065, 2068; Fleischer, in: FS Wiedemann, 2002, S. 827, 842; Lutter, in: FS Canaris, 2007, S. 245, 247. 648
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unternehmerischen Entscheidung in der Regel zu Grunde liegt, ist das jedoch nur schwer zu erkennen und nachzuweisen. Solche unübersichtlichen Situationen lassen sich vermeiden, wenn man den Interessenkonflikt als klare formale Grenze der Business Judgment Rule versteht, und es auf diese Weise ermöglicht, das unternehmerische Handeln des Befangenen einer detaillierten Prüfung zu unterziehen. Ziel der Business Judgment Rule ist es, dort einen haftungsrechtlich sicheren Hafen für unternehmerische Entscheidungen zu schaffen, wo diese unter formal ordnungsgemäßen Umständen getroffen wurden. Einen Freiraum für den moderaten Einfluss sachfremder Eigeninteressen will sie jedoch nicht zur Verfügung stellen. 2. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen eines relevanten Interessenkonflikts Streitig ist, ob das Vorliegen eines Interessenkonflikts im Bereich des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG nach subjektiven652 Maßstäben oder aber objektiv653 zu bestimmen ist. Richtig ist eine vermittelnde Sichtweise.654 Danach kommt es für einen relevanten Interessenkonflikt darauf an, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung Umstände vorlagen, die vom Standpunkt eines neutralen und mit den Verhältnissen in einer Aktiengesellschaft vertrauten Betrachters geeignet sind, Zweifel an der unbefangenen Amtsführung eines Vorstandsmitglieds zu begründen.655 Unbeachtlich ist deshalb, ob das Vorstandsmitglied glaubt, diese Umstände beherrschen, d. h. ihren Einfluss auf seine Entscheidung unterdrücken zu können. Seine eigene Sicht ist aber insoweit von Bedeutung, als es die Umstände, die zur Annahme eines Interessenkonflikts führen, selbst kennen muss.656 Sind ihm potentielle Eigeninteressen gar nicht bewusst, besteht auch aus Sicht eines neutralen Betrachters nicht die Gefahr, dass sie sein Handeln zum Nachteil der Gesellschaft beeinflussen. Lagen objektive Anhaltspunkte für die Annahme eines Interessenkonflikts vor, so muss allerdings das Vorstandsmitglied darlegen und beweisen, dass es sie nicht gekannt hat und sich deshalb nicht in einer Konfliktsituation befand.657
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Hüffer/Koch, AktG § 93 Rn. 25; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1257. So z. B. Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 93 Abs. 1 Satz 2, 4 n. F. Rn. 41; Lutter, in: FS Canaris, 2007, S. 245, 247. 654 Wie hier Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 271 f. 655 Siehe bereits oben, § 3 II. 3. a). 656 Ebenso J. Koch, ZGR 2014, 697, 704; ferner oben § 3 II. 3. a). 657 So Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 93 Rn. 27. Dies erscheint als sachgerechter Kompromiss, mit dem sich sowohl der Gefahr von Schutzbehauptungen wie auch der Befürchtung begegnen lässt, dass das Geschäftsleiterermessen aufgrund eines dem Betreffenden unbekannten Sachverhalts eingeschränkt wird (zu letzteren Bedenken Mertens/Cahn, a.a.O.). 653
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3. Konfliktneutralisierung durch Offenlegung? Es fragt sich, ob ein befangenes Vorstandsmitglied die geschilderte haftungsverschärfende Wirkung des Interessenkonflikts dadurch beseitigen kann, dass es den Konflikt, so wie es die organschaftliche Treuepflicht von ihm verlangt, offenlegt. Der Ausgangspunkt der Diskussion ist dabei eine Anmerkung in der Gesetzesbegründung, wonach es in Betracht kommt, dass ein Interessenkonflikt das Privileg der Business Judgment Rule ausnahmsweise dann unangetastet lässt, wenn das Organmitglied ihn offengelegt hat „und unter diesen Umständen, die Annahme gleichwohl zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, vernünftig und nachvollziehbar erscheint.“658 In der Literatur ist dieser Passus auf Kritik gestoßen.659 Die Offenlegung schaffe lediglich Transparenz, sie beseitige aber nicht den Konflikt.660 Ließe man sie ausreichen, um dem Vorstand den sicheren Hafen der Business Judgment Rule zu belassen, würde man die Bedeutung des Gesellschaftswohls als maßgebliches Haftungskriterium verkennen.661 Außerdem werde dem befangenen Vorstandsmitglied die Möglichkeit einer Schutzbehauptung eröffnet.662 Diesen Argumenten ist insoweit zuzustimmen, als sie darauf hinweisen, dass sich ein befangenes Vorstandsmitglied allein durch die Offenlegung seines Interessenkonflikts das Privileg der Business Judgment Rule in aller Regel nicht erhalten kann. Das jedoch sieht auch der Gesetzgeber nicht vor. Vielmehr fordert er zusätzlich, dass es infolge der Offenlegung nachvollziehbar sein muss, dass das Vorstandsmitglied trotz seines Interessenkonflikts das Gesellschaftswohl wahrt. Ordnet man diese Aussage methodisch ein, so handelt es sich um einen gesetzgeberischen Hinweis auf eine mögliche teleologische Reduktion des Tatbestandsmerkmals „Freiheit von Eigeninteressen“. Als solcher Hinweis ist die Bemerkung des Gesetzgebers stimmig und passt sich in die bereits geschilderte Zwecksetzung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG ein. Die Business Judgment Rule möchte einen haftungsrechtlich sicheren Hafen schaffen, um dadurch die Tatkraft und die Entscheidungsfreude der Vorstandsmitglieder zu sichern. Das ist, eine angemessene Informationsbasis für die Entscheidung vorausgesetzt, nur dann nicht gewollt, wenn aufgrund eines Interessenkonflikts typischerweise zu befürchten ist, dass das befangene Vorstandsmitglied anstelle des Gesellschaftswohls seine eigenen Interessen verfolgt. Ist der Interessenkonflikt jedoch offengelegt und in ein die Interessen der Gesellschaft wirksam schützendes Handlungskorsett eingeschnürt, das diese Typizität aufhebt, ist es weder sinnvoll 658
BegrRegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11. Vgl. hierzu Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 256 f.; Gehb/ Heckelmann, ZRP 2005, 145, 147 f.; Hauschka, GmbHR 2007, 11, 16; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1257. 660 Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 256. 661 Gehb/Heckelmann, ZRP 2005, 145, 148; ebenso Hauschka, GmbHR 2007, 11, 16 (Offenlegung könne die „positive richterliche Feststellung des ,Handelns zum Wohle der Gesellschaft‘ nicht entbehrlich machen“). 662 Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 256; Schäfer, ZIP 2005, 1253, 1257. 659
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noch gerechtfertigt, ihn weiter zum Anlass zu nehmen, den Haftungsfreiraum zu begrenzen. Das gilt zum einen aus Sicht der Aktiengesellschaft, denn diese ist an zupackenden und im positiven Sinne furchtlosen Vorstandsmitgliedern interessiert und kann nicht wollen, dass deren Entschlusskraft aufgrund eines de facto zwar vorliegenden, durch geeignete Abwehrmaßnahmen aber entschärften und damit ungefährlichen Interessenkonflikts geschmälert wird. Es gilt aber auch aus Sicht der Vorstandsmitglieder. Denn wenn sie infolge eines Interessenkonflikts haftungsrechtlich schlechter gestellt werden, dann müssen sie sich, um ihre unternehmerische Handlungsfähigkeit wieder zu erlangen, auch auf Umstände berufen können, die gewährleisten, dass sich der Konflikt nicht entfalten kann. Somit stellt sich weniger die Frage, ob es Umstände geben kann, unter denen die Business Judgment Rule trotz eines Interessenkonflikts anwendbar bleibt, sondern vielmehr ist zu klären, wie diese Umstände beschaffen sein müssen. Das ist nicht zu verwechseln mit einer nachträglichen Kausalitätsbetrachtung. Es geht nicht darum, zu überprüfen, ob das Vorstandsmitglied tatsächlich seine Eigeninteressen zum Nachteil der Gesellschaft verfolgt hat. Ließe sich ein solcher Ursachenzusammenhang feststellen, hätte das befangene Vorstandsmitglied treuwidrig gehandelt und würde regelmäßig haften. Entscheidend ist vielmehr, ob Umstände vorliegen, die nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit ausschließen, dass das Vorstandsmitglied trotz seines Interessenkonflikts gesellschaftsfremde Sonderinteressen durchsetzen kann. Nur dies entspricht der Struktur des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG, der dort einen Haftungsfreiraum gewährt, wo die Gefahr einer unsachgemäßen Vorstandsentscheidung aufgrund unbedenklicher äußerer Umstände typischerweise nicht besteht. Einen solchen Sachverhalt muss das Vorstandsmitglied im Haftungsprozess zur Überzeugung des Gerichts darlegen und beweisen.663 Mit einem Durchschlagen eines Interessenkonflikts auf die Gesellschaftsinteressen ist regelmäßig nicht zu rechnen, wenn alle gesellschaftsintern zur Konfliktbewältigung Verpflichteten, also der Befangene selbst, die nicht direkt betroffenen Vorstandsmitglieder sowie der Aufsichtsrat, von den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln pflichtgemäß Gebrauch gemacht haben. Die von dem Interessenkonflikt typischerweise ausgehende Gefahr wird durch eine sachgerechte Anwendung der aktienrechtlichen Instrumente zur Konfliktbewältigung regelmäßig aufgehoben. Entscheidend ist somit zunächst, dass sich das befangene Vorstandsmitglied dem Aufsichtrat und, in einem mehrgliedrigen Gremium, seinen Kollegen offenbart und sich deren Kontrollmaßnahmen vorbehaltlos fügt. Volle Transparenz und vertrauensvolles Zusammenwirken mit den Vorstandskollegen und dem Aufsichtsrat in jeder Phase der Entscheidungsfindung bis zur finalen Abstimmung über eine Maßnahme sind die Grundvoraussetzung dafür, dass der Weg des befangenen Vorstandsmitglieds in den sicheren Hafen der unternehmerischen Entscheidungsautonomie wieder frei ist. Zumindest dann, wenn der Aufsichtsrat die Entscheidung 663 Der genannten Kritik in der Literatur, dem Vorstandsmitglied würde damit die Möglichkeit einer Schutzbehauptung gegeben, ist schon aufgrund dieser – aus § 93 Abs. 2 AktG folgenden – Beweislastverteilung zu widersprechen.
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zusätzlich an einen Zustimmungsvorbehalt gebunden hat und die Zustimmung nach sorgfältiger Prüfung erteilt, ist von einer Konfliktneutralisierung auszugehen.664 Haben die nicht befangenen Vorstandsmitglieder oder der Aufsichtsrat hingegen auf die Offenlegung der Sonderinteressen nicht oder nur mit erkennbar unzureichenden oder ungeeigneten Maßnahmen reagiert oder hat sich der Befangene diesen Maßnahmen nicht gefügt, so ist der Konflikt nicht neutralisiert. Es liegen dann keine Umstände vor, aufgrund derer „die Annahme, gleichwohl zum Wohle der Gesellschaft zu handeln, vernünftig und nachvollziehbar erscheint“; das Haftungsprivileg der Business Judgment Rule bleibt dem befangenen Vorstandsmitglied verwehrt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Zustimmung des Aufsichtsrats keine völlig freie Entscheidung ist, sondern das Ergebnis eines sorgfältigen Überwachungsprozesses, der darauf gerichtet ist, den Interessenkonflikt eines Vorstandsmitglieds „unschädlich“ zu machen und damit ursprünglich berechtigte Zweifel an seiner loyalen Amtsführung zum Wohl der Gesellschaft zu zerstreuen. Die rechtliche Relevanz eines Interessenkonflikts ist kein unabänderliches Phänomen. Sie liegt vor, wenn und solange aus Sicht eines neutralen Beobachters Umstände erkennbar sind, die berechtigte Zweifel an der unbefangenen Amtsführung eines Vorstandsmitglieds auslösen können. Diese Umstände können sich durch teilweisen Entfall oder Hinzutreten neuer Umstände im Laufe des Entscheidungsprozesses verändern, sodass die zunächst bestehende Befürchtung, dass sie sich zum Nachteil der Gesellschaft auf das Vorstandshandeln auswirken, bei erneuter Überprüfung zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr gerechtfertigt ist. Wenn nun der Aufsichtsrat als vom Gesetz berufenes Kontrollorgan des Vorstands nach sorgfältiger Prüfung zu dem Schluss gelangt, dass seine Überwachung die Eigeninteressen eines Vorstandsmitglieds nicht hat zur Entfaltung kommen lassen, und er deshalb den Vollzug der Entscheidung für unbedenklich erklärt, dann sind von der Warte eines neutralen, objektiven Betrachters anfängliche Zweifel an einer ausschließlich auf das Wohl der Gesellschaft gerichteten Amtsführung ausgeräumt. Die Situation ist damit so zu bewerten, als hätten Eigeninteressen von Anfang an nicht bestanden. Mit dieser Vorgeschichte und Zielsetzung ist die Zustimmung des Aufsichtsrats zu einer zunächst konfliktbeladen erscheinenden Maßnahme also durchaus geeignet, das Tatbestandsmerkmal „Freiheit von Interessenkonflikten“ zu erfüllen. Kommt der Aufsichtsrat infolge seiner Beobachtungen zu der Einschätzung, dass sich das Sonderinteresse in der Maßnahme nicht niederschlagen wird, und gibt er dies durch seine Zustimmung zu der Maßnahme zu verstehen, so ist der Weg für die Anwendung der Business Judgment Rule frei. Dies gilt allerdings nur so lange, wie an der Integrität des Aufsichtsrats nicht seinerseits begründete Zweifel bestehen.
664 I. E. ähnlich J. Koch, in: FS Säcker, 2011, S. 404, 419 (Anwendbarkeit der Business Judgment Rule bei Einbeziehung des Aufsichtsrats in die Entscheidung „sachgerecht“).
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4. Haftung des Befangenen bei bloßer Überwachungszuständigkeit Scheinbar selbstverständlich ging die bisherige Untersuchung davon aus, dass Vorstandsmitglieder nur dann schadensrechtlich belangt werden können, wenn sie an der nachteiligen Maßnahme aktiv beteiligt waren. Dem ist nicht so: Auch für Maßnahmen, die durch die verbandsinterne Geschäftsverteilung an ein anderes Vorstandsmitglied delegiert sind, oder für Geschäfte, die vom Vorstand an nachgeordnete Abteilungen übertragen wurden, kommt eine Haftung unter grundsätzlich gleichen wie den bisher dargestellten Voraussetzungen in Betracht. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass der Betreffende nicht deshalb haftet, weil er die eigentliche Sachaufgabe pflichtwidrig durchgeführt oder unterlassen hat, sondern weil er seine zur allgemeinen Geschäftsführung gehörende Pflicht verletzt hat, die Arbeit seiner Vorstandskollegen sowie die Aktivitäten der nachgeordneten Entscheidungsträger zu überwachen.665 Dabei ist zu beachten, dass dem Vorstandsmitglied auch für diese Überwachungsaufgabe grundsätzlich ein unternehmerisches Ermessen zusteht: Die Vorstandsmitglieder sind „gehalten, geeignete und zumutbare Vorkehrungen zur Überwachung von nachgeordneten Unternehmensangehörigen und Vorstandskollegen zu treffen.“666 Diese Beobachtungen haben zur Folge, dass sich die vorangehend behandelten Fragen nach den haftungsrechtlichen Auswirkungen eines Interessenkonflikts in Fällen, in denen der Befangene lediglich für die Überwachung des eigentlichen Entscheidungsträger zuständig ist, genauso stellen, wie wenn er die Aufgabe selbst hätte erledigen müssen. Identisch sind auch die Antworten. Genau wie dort führt auch hier ein Interessenkonflikt bei dem Befangenen zu einer Verdrängung der Business Judgment Rule. Und genau wie dort kommt auch hier eine Konfliktneutralisierung in Betracht, wenn der Aufsichtsrat durch seine im Vorfeld vorbehaltene Zustimmung zu erkennen gibt, dass er die angestrebte Maßnahme für unbedenklich hält.
III. Haftungsrechtliche Auswirkungen des Interessenkonflikts bei Kollektiventscheidungen Hüfig werden unternehmerische Entscheidungen im Vorstand der Aktiengesellschaft als Kollektiventscheidungen, d. h. unter Mitwirkung mehrerer oder gar aller Vorstandsmitglieder getroffen. Hierbei ist es umstritten, ob ein Interessenkonflikt, dem ein einzelnes beteiligtes Vorstandsmitglied unterliegt, geeignet ist, nicht nur ihm selbst das Privileg der Business Judgment Rule zu entreißen, sondern ob das darüber hinaus auch für die unbefangenen Vorstandskollegen gilt. Nicht gemeint sind damit Sachverhalte, in denen der Konflikt des einen Vorstandsmitglieds, aus welchen Gründen auch immer, zugleich auch einen Interessenkonflikt bei einem anderen Vorstandsmitglied begründet. In einer solchen Situation liegen zwei Interessen665 666
Zu diesen Überwachungspflichten siehe oben § 2 I. und II. Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 8 Rn. 1.
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konflikte vor, wobei jeder für sich bereits nach den oben dargestellten Grundsätzen zu einem Entzug der Business Judgment Rule beim jeweiligen Konfliktträger führt. Vielmehr geht es darum, ob die haftungsrechtlichen Folgen, die der Interessenkonflikt für das befangene Vorstandsmitglied hat, gleichsam automatisch auch die unbefangenen Kollegen treffen, mithin auch ihr Business Judgment umfassender gerichtlicher Kontrolle unterworfen wird. 1. Meinungsstand Sichtet man den derzeitigen Meinungsstand zu der beschriebenen Problematik, so sind im Wesentlichen zwei Richtungen zu erkennen, die sich zwar nicht immer in ihren Ergebnissen, jedoch im Kern ihrer Argumentation unterscheiden. So wird für die Frage einer Infektionswirkung z. T. darauf abgehoben, ob der in Teilen des Vorstands vorhandene Interessenkonflikt entscheidenden Einfluss auf die abschließende Kollegialentscheidung nehmen konnte.667 Ist dies zu bejahen, so wird keinem der beteiligten Vorstandsmitglieder, also auch nicht den unbefangenen, der sichere Hafen des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG gewährt. Eng am Vorbild der USrechtlichen Business Judgment Rule wird für diese Prüfung entscheidend darauf abgestellt, inwieweit die befangenen Vorstandsmitglieder die Mehrheitsverhältnisse bei dem Beschluss über die unternehmerische Entscheidung bestimmt haben.668 Die Gegenmeinung richtet ihr Augenmerk nicht auf die abschließende Kollegialentscheidung, sondern allein darauf, inwieweit der bei einem oder mehreren Vorstandsmitgliedern vorhandene Interessenkonflikt geeignet war, das individuelle Business Judgment der übrigen – unbefangenen – Vorstandsmitglieder zu beeinträchtigen. Das Privileg des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG verlieren die von dem Konflikt nicht unmittelbar betroffenen Vorstandsmitglieder demnach nur dann, wenn von ihnen persönlich eine unbeeinflusste Entscheidung nicht mehr zu erwarten war.669 667 Winnen, Die Innenhaftung des Vorstands nach dem UMAG, S. 273 ff.; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 317 ff. (vgl. insbesondere S. 322: „Dabei stellt sich […] die Frage, unter welchen Umständen sich die Befangenheit Einzelner zugleich auch maßgeblich auf die Entscheidung des gesamten Kollektivs auswirkt […].“). Ebenso Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 93 Abs. 1 Satz 2, 4 n. F. Rn. 41, die darauf hinweisen, dass auf diese Weise „verschiedene Überprüfungsmaßstäbe für dieselbe Entscheidung“ vermieden würden. Mit dieser Präferenz schon während des Gesetzgebungsverfahrens auch Paefgen, AG 2004, 245, 253, der anmerkt, „[…] dass es bei dem Loyalitätsprinzip als Funktionsvoraussetzung der Business Judgment Rule nicht um die Zuweisung subjektiver Schuldvorwürfe an einzelne Organmitglieder geht“. 668 Vgl. hierzu die Ausführungen zum US-rechtlichen Kontext bei Paefgen, AG 2004, 245, 253. 669 Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 93 Rn. 29; wohl auch Spindler, in: MünchKomm AktG § 93 Rn. 64; J. Koch, in: FS Säcker, 2011, S. 404, 409, dem zufolge die Business Judgment Rule den „individuelle[n] Prozess der Entscheidungsfindung“ schützt. Ebenso von einem individuellen Bezugspunkt der Business Judgment Rule ausgehend Lutter, in: FS Canaris, 2007, S. 245, 247, der den sicheren Hafen dann nicht zuerkennt, „[…] wenn der Betreffende im Interessenkonflikt gehandelt hat“, im Folgenden dann aber gleichwohl ganz
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Die Frage, wie sich der Interessenkonflikt auf die abschließende Kollegialentscheidung ausgewirkt hat, ist für die Frage der Haftungsprivilegierung dagegen nicht von Bedeutung. Die beiden unterschiedlichen Meinungsströme lassen sich somit schlagwortartig als „kollektive Betrachtungsweise“ bzw. als „individuelle Betrachtungsweise“ bezeichnen. Beide Ansichten differenzieren sodann danach, ob der Interessenkonflikt von den befangenen Vorstandsmitgliedern offengelegt wurde, oder ob er für die unbefangenen Vorstandsmitglieder verborgen blieb.670 Von den Vertretern des kollektiven Ansatzes lehnt beispielsweise Winnen für den Fall des offengelegten Interessenkonflikts eine Infektionswirkung ab, solange die Kollektiventscheidung von einer unbefangenen Mehrheit getragen wurde. Beim verschleierten Interessenkonflikt geht er dagegen davon aus, dass es hier stets zu einer Infektion der unbefangenen Vorstandsmitglieder kommt. Grund für diese Differenzierung ist, dass die unbefangenen Vorstandsmitglieder nach der Offenlegung die Möglichkeit haben, sich auf den Konflikt einzustellen, während ein verschleierter Konflikt sich ungefiltert auf die Entscheidung auswirken kann.671 Schlimm dagegen verneint eine Infektionswirkung auch bei verschleiertem Interessenkonflikt, sofern auch hier nur eine unbefangene Mehrheit die Endentscheidung stützt.672 Auch die Anhänger der individuellen Betrachtungsweise bewerten die Folgen einer Offenlegung bzw. einer Verschleierung des Konflikts uneinheitlich. So macht es für Lutter im Ergebnis keinen Unterschied, ob der Konflikt offen liegt oder verdeckt ist. Die Unbefangenen verlieren ihm nach ihr Haftungsprivileg in beiden Fällen.673 Blasche hingegen nimmt eine Infektion grundsätzlich nur im Falle des verschleierten Konflikts an.674 J. Koch wiederum lehnt
weitreichende Infektionswirkungen eines fremden Interessenkonflikts annimmt (vgl. a.a.O. S. 248 ff.; textliche Hervorhebung durch den Verfasser). Grundsätzlich mit individuellem Ansatz wohl auch Blasche, AG 2010, 692 ff. 670 Für die kollektiven Ansatz vgl. beispielsweise Winnen, Die Innenhaftung des Vorstands nach dem UMAG, S. 273 ff.; Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 317, 322. Für den individuellen Ansatz z. B. Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 93 Rn. 29; J. Koch, in: FS Säcker, 2011, S. 404, 407 f., 409; Lutter, in: FS Canaris, 2007, S. 245, 248 ff.; Blasche, AG 2010, 692, 694 ff. 671 Winnen, Die Innenhaftung des Vorstands nach dem UMAG, S. 273 f. (verschleierter Konflikt), 275 ff. (offengelegter Konflikt). 672 Schlimm, Das Geschäftsleiterermessen des Vorstands einer Aktiengesellschaft, S. 322 f. („… soll es – nach hier vertretener Ansicht – auch nicht mehr darauf ankommen, ob die befangene Minderheit ihren Interessenkonflikt zumindest offen gelegt hat oder nicht.“). 673 Lutter, in: FS Canaris, 2007, S. 245, 248 ff. 674 Blasche, AG 2010, 692, 695 („[…] Anwendbarkeit der Business Judgment Rule im Falle des nicht offengelegten Interessenkonflikts zu verneinen“) bzw. für den Fall des offengelegten Interessenkonflikt a.a.O. S. 698 („Anwendung der Business Judgment Rule […] grundsätzlich möglich.“). So wohl auch Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 93 Rn. 29 (für den verschleierten Konflikt jedoch nicht ganz eindeutig).
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eine Infektionswirkung des verdeckten Interessenkonflikts ab, während er sie für den offengelegten Konflikt grundsätzlich bejaht.675 2. Individuelle vs. kollektive Betrachtungsweise Ausgangspunkt der Untersuchung ist zunächst der Wortlaut des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG. Da dieser sich mit dem Thema des Interessenkonflikts nicht ausdrücklich auseinandersetzt, ist darüber hinaus auch die Gesetzesbegründung heranzuziehen. Hier wie dort ergeben sich Indizien, die dagegen sprechen, die Anwendung der Buiness Judgment Rule für die unbefangenen Vorstandsmitglieder davon abhängig zu machen, welchen Einfluss der Interessenkonflikt des Kollegen auf die abschließende Kollektiventscheidung hatte. Nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG ist maßgeblich, ob „das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte […] zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.“ Zentraler Bezugspunkt der Vorschrift ist damit ersichtlich der Einzelne und sein individueller Entscheidungsprozess. Weder adressiert die Regelung den Vorstand als Organ, noch stellt sie auf den Inhalt der Kollektiventscheidung ab.676 Für diese am Wortlaut der Norm orientierte Sichtweise spricht auch die Gesetzesbegründung.677 So heißt es dort, dass „der Geschäftsleiter“ – und nicht etwa der Vorstand als Gesamtorgan – unbefangen und unabhängig sein müsse. Als entscheidend wird somit betrachtet, dass das „Handeln“ des Geschäftsleiters keinem Interessenkonflikt unterliegt, den Inhalt der Kollektiventscheidung nimmt die Gesetzesbegründung dagegen nicht in den Blick.678 Für eine individuelle Anwendung der Business Judgment Rule lässt sich zudem die Gesetzgebungsgeschichte ins Feld führen.679 Zu verweisen ist insoweit auf den Referentenentwurf zu § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG. Voraussetzung für eine privilegierte Haftung im Bereich der unternehmerischen Entscheidung war demnach, dass „das Vorstandsmitglied […] ohne grobe Fahrlässigkeit annehmen durfte […] zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.“680 Ob ein Vorstandsmitglied pflichtwidrig gehandelt hatte oder nicht, wurde damit von einer Verschuldenskategorie abhängig gemacht.681 Mit einer solchen Regelung wäre es nicht vereinbar gewesen, die Haftungsintensität der unbefangenen Vorstandsmitglieder danach zu bestimmen, ob sie im Verhältnis zu den befangenen Vorstandskollegen in der Über- oder Unterzahl waren, bzw. – wie 675 J. Koch, ZGR 2014, 697, 713 ff.; eine Infektionswirkung des verdeckten Interessenkonflikts ablehnend auch Schäfer, ZGR 2014, 731, 746. 676 J. Koch, in: FS Säcker, 2011, S. 404, 407 f.; Bunz, NZG 2011, 1294, 1295. 677 Vgl. BegrRegE UMAG, BT-Drucks. 15/5092, S. 11. 678 Zu Recht J. Koch, in: FS Säcker, 2011, S. 404, 408. 679 Zur Entstehungsgeschichte des UMAG vgl. die ausführliche Darstellung bei Winnen, Die Innenhaftung des Vorstandes nach dem UMAG, S. 33 ff. 680 RefE UMAG, NZG 2004, Beil. 4, S. 5. 681 J. Koch, in: FS Säcker, 2011, S. 404, 410.
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insbesondere Winnen in enger Anlehnung an das US-Recht befürwortet – auch die Unbefangenen stets dann verschärft haften zu lassen, wenn der Interessenkonflikt von den Konfliktträgern nicht offengelegt wurde. Vielmehr wäre es in jedem Fall erforderlich gewesen, für jedes Vorstandsmitglied individuell zu prüfen, ob sein persönlicher Entscheidungsbeitrag pflichtwidrig war oder nicht. Der Referentenentwurf zeigt somit deutlich, dass es das Ziel des Gesetzgebers war, die Business Judgment Rule in Gestalt einer individuellen Haftungsvorschrift in das deutsche Recht zu implementieren. Dass die Formulierung des Referentenentwurfs schließlich nicht Gesetz wurde, bedeutet nicht, dass der Gesetzgeber von diesem Ziel zugunsten eines kollektiven Ansatzes abgewichen wäre. Vielmehr wurde er damit nur der umfangreichen Kritik gerecht, die zum einen rechtsdogmatischer Natur war,682 zum anderen sich daran entzündete, dass es sich bei der groben Fahrlässigkeit um eine für Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft unangemessen milde Haftungskategorie handele.683 Gegen ein kollektives Verständnis der Business Judgment Rule spricht schließlich auch die systematische Einordnung des Geschäftsleiterermessens im Aktiengesetz: Der sichere Hafen der Business Judgment Rule wird vom Gesetz rechtskonstruktiv dadurch geschaffen, dass bei Vorliegen aller Tatbestandsvoraussetzungen eine Pflichtverletzung verneint wird. Hierbei handelt es sich – genau wie bei dem soeben bereits besprochenen Verschuldensmerkmal der groben Fahrlässigkeit – um eine individuelle Kategorie. Die Pflichten, die das Aktiengesetz für den Bereich des unternehmerischen Handelns aufstellt, richten sich an die einzelnen Vorstandsmitglieder, nicht an den Vorstand als Kollegialorgan. Das einzelne Vorstandsmitglied ist es, das gemäß § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG die Sorgfalt eines „ordentlichen und gewissenhaften Geschäftleiters“ anwenden muss, nicht das Kollektiv. Dann kann aber auch die Verletzung bzw. die Einhaltung dieser Sorgfaltspflicht nur für jedes Vorstandsmitglied einzeln festgestellt werden. Im Aktienrecht gilt der „Grundsatz individueller Verantwortlichkeit“; eine „vorstandsinterne Sippenhaft“ kommt nicht in Betracht.684 3. „Infektion“ unbefangener Vorstandsmitglieder mit dem Interessenkonflikt eines Kollegen? Mit diesem Votum für die individuelle Betrachtungsweise ist die Ausgangsfrage, ob sich das in Anspruch genommene Vorstandsmitglied auf das Haftungsprivileg des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG berufen kann, wenn es sich nicht selbst, sondern nur einer seiner Kollegen sich in einem Interessenkonflikt befunden hat, noch nicht ent682 Die Formulierung des Referentenentwurfs – so der Vorwurf – vermische die zivilrechtlichen Kategorien der Pflichtverletzung und des Verschuldens miteinander (vgl. z. B. Fleischer, ZIP 2004, 685, 689). 683 J. Koch, in: FS Säcker, 2011, S. 404, 410 mit Verweis auf die entsprechende Kritik Ulmers, DB 2004, 859, 861 ff. 684 Fleischer, BB 2004, 2645, 2648.
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schieden. Für die Vertreter der individuellen Sichtweise stellt sich die Frage unter dem Aspekt, ob der fremde Konflikt das Handeln des unbefangenen Mitglieds derart beeinflussen – „infizieren“ – konnte, dass diesem das Privileg der Business Judgment Rule entzogen werden muss. Für die Beantwortung dieser Frage ist auf den Sinn und Zweck der Regelung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG abzustellen. Dieser besteht darin, Vorstandsmitglieder, die häufig komplexe unternehmerische Entscheidungen unter unsicheren Annahmen treffen müssen, davor zu bewahren, im Falle eines Misserfolgs wegen unrichtiger Zukunftsprognosen und Fehleinschätzungen auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden, wenn sie nur ihre Entscheidung auf der Basis angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft getroffen haben und ihr Vorgehen sich nicht als gänzlich unvernünftig erweist. Diese vordergründig zugunsten der Vorstandsmitglieder eingeführte Privilegierung gegenüber dem strengen Haftungsmaßstab des § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG dient letztlich dem Interesse der Gesellschaft. Sie kann sich im Wettbewerb mit anderen nur behaupten, wenn ihre unternehmerische Leitung nicht von bürokratischer Absicherungsmentalität bestimmt ist, sondern in den Händen von Geschäftsleitern liegt, die bereit sind, auch im Falle nicht eindeutig vorhersagbarer Entwicklungen unternehmerische Risiken einzugehen, um Geschäftschancen für die Gesellschaft zu realisieren. Der haftungsrechtlich privilegierte unternehmerische Freiraum findet allerdings dort seine Grenze, wo sich ein Vorstandsmitglied im Interessenkonflikt befindet und deshalb die Gefahr besteht, dass es nicht mehr nur das Wohl der Gesellschaft verfolgt, sondern „sein eigenes Spiel spielt“. Diese Risikoquelle für falsche Entscheidungen liegt allein im Verantwortungsbereich des befangenen Vorstandsmitglieds. Deshalb ist es sachgerecht, das durch die Business Judgment Rule grundsätzlich auf die Gesellschaft verlagerte Risiko unternehmerischer Fehlentscheidungen in einem solchen Fall auf das Vorstandsmitglied zurück zu übertragen. Geht die Gefahr für Fehlentscheidungen eines Vorstandsmitglieds dagegen von Dritten aus, die versuchen zur Durchsetzung ihrer Interessen Einfluss auf seine Entscheidung zu nehmen, dann trägt dieses Risiko grundsätzlich die Gesellschaft. Solange sich das Vorstandsmitglied nicht in einem seine eigene Befangenheit begründenden Näheverhältnis zu dem Dritten befindet, gilt die Vermutung, dass sein Urteilsvermögen und seine Bereitschaft, uneingeschränkt für die Interessen der Gesellschaft einzustehen, durch kollidierende Interessen Dritter nicht beeinträchtigt sind, sodass auch kein Grund besteht, ihm das Privileg der Business Judgment Rule zu nehmen. Ein Vorstandsmitglied ist bei seinen Entscheidungen regelmäßig mit den unterschiedlichsten gesellschaftsfremden Interessen konfrontiert, sei es von Kunden, Lieferanten, Mitarbeitern oder der Öffentlichkeit. Alle diese Interessen hat es zu prüfen, zu wägen und alsdann zu berücksichtigen oder zu verwerfen. Das ist Teil seiner unternehmerischen Aufgabe für die Gesellschaft. Die Gefahr, offen oder verdeckt durch die jeweiligen Interessenträger manipuliert zu werden, besteht überall. Ist Träger des gesellschaftsfremden Interesses jedoch ein Vorstandskollege, ist die Situation eine besondere. Wie bereits ausgeführt, sind die Beziehungen von
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Vorstandsmitgliedern untereinander von einer spezifischen Qualität. Aufgrund ihrer gemeinsamen Organfunktion sind Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft in ihren Entscheidungen in besonderer Weise voneinander abhängig.685 Deshalb lässt sich ihre für die Anwendung der Business Judgment Rule vorausgesetzte persönliche Unbefangenheit in der Entscheidungsfindung bei einem offen gelegten Interessenkonflikt eines Kollegen nicht mehr feststellen. Vielmehr besteht umgekehrt die typische Gefahr, dass auch die von dem Konflikt selbst nicht direkt betroffenen Mitglieder dem Interesse ihres Kollegen größeres Gewicht einräumen, als es dem Gesellschaftsinteresse gut tut. Dieses Risiko trägt die Gesellschaft grundsätzlich nicht. Dass das Gesetz sie vor diesem Phänomen schützen möchte, zeigt sich deutlich insbesondere in der Vorschrift des § 112 AktG, die bei persönlicher Betroffenheit eines Vorstandsmitglieds das gesamte Vorstandsorgan zugunsten des Aufsichtsrats aus dem Spiel nimmt. Im Bereich der Vorstandshaftung setzt sich diese Wertung fort, sodass der offene Interessenkonflikt eines Vorstandsmitglieds zu einem Verlust des weiten Geschäftsleiterermessens auch bei seinen Kollegen führt.686 Gleichwohl wäre es nach dem Zweck der Regelung nicht sachgerecht, ihnen das Haftungsprivileg des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG ausnahmslos zu versagen, nur weil ihnen der Konflikt des Kollegen bekannt ist. Wie für ihren unmittelbar berührten Kollegen selbst, ist auch für die übrigen Vorstandsmitglieder die Business Judgment Rule dann anwendbar, wenn die zunächst begründete Gefahr einer sachfremden Entscheidung durch bestimmte Umstände, die ein im Interesse der Gesellschaft liegendes Vorstandshandeln gewährleisten, neutralisiert wird. Insoweit gilt für die infizierten Kollegen des befangenen Vorstandsmitglieds nichts grundlegend Anderes als für dieses selbst: Auch bei ihnen verliert der Interessenkonflikt seine Gefährlichkeit, wenn alle gesellschaftsintern mit der Entscheidung befassten Handlungs- und Kontrollinstanzen – d. h. neben den infizierten Vorstandsmitgliedern der eigentliche Konfliktträger und insbesondere der Aufsichtsrat – die im konkreten Fall gebotenen Maßnahmen zur Neutralisierung des Konflikts ergriffen haben. Für die infizierten Vorstandsmitglieder bedeutet dies, dass sie ihre Kontrollmöglichkeiten gegenüber dem eigentlichen Befangenen sachgerecht nutzen und im Zweifel den Aufsichtsrat hinzuziehen müssen. Von dem eigentlich Befangenen ist zu fordern, dass er den Konflikt offenlegt, fortgesetzt transparent hält, sich der Kontrolle durch seine Kollegen und den Aufsichtsrat voll unterwirft und im Übrigen seine Geschäftsführungspflichten erfüllt. Wie bereits ausgeführt, ist dagegen ein Rückzug bzw. ein Ausschluss des Befangenen von der Geschäftsführung für eine Neutralisierung des Interessenkonflikts in Bezug auf seine Vorstandskollegen weder hinreichend noch erforderlich.687 685
Siehe oben § 5 VI. 3. a) bb). I. E. so auch J. Koch, ZGR 2014, 697, 713 ff. 687 Siehe oben, § 6 I. 1. b). Neben den bereits genannten Argumenten spricht dafür nicht zuletzt auch, dass im Zweifel von einem offen pflichtgemäßen Handeln des Konfliktträgers, mit dem dieser ersichtlich zum Ausdruck bringt, eine besondere Berücksichtigung seines Sonderinteresses nicht anzustreben, ein stärkerer neutralisierender Effekt auf die Befangenheitslage seiner Kollegen ausgehen wird, als von seiner bloßen Nichtteilnahme. 686
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Schließlich muss sodann vor allem der Aufsichtsrat sein Kontrollinstrumentarium sachgerecht anwenden. Zumindest dann, wenn der Aufsichtsrat ordnungsgemäß von seinem Recht zur Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts Gebrauch gemacht und der Vorstand im Einklang mit diesem gehandelt hat, ist von einer Neutralisierung des Interessenkonflikts auszugehen, und zwar sowohl in der Person des eigentlichen Konfliktträgers als auch bei seinen zunächst infizierten Kollegen. Bei einem verdeckten Konflikt besteht die Gefahr einer unangemessenen Rücksichtnahme der ahnungslosen Mitglieder auf die Belange ihres Kollegen von vornherein nicht. Riskant ist die Situation für die Gesellschaft lediglich insoweit, als das konfliktbetroffene Mitglied verleitet sein könnte, die anderen zu manipulieren, ohne dass diese es merken und sich entsprechend wehren können. Bleibt den unbefangenen Mitgliedern das Sonderinteresse ihres Kollegen verborgen, so kann es für ihre persönliche haftungsrechtliche Verantwortlichkeit jedoch keinen Unterschied machen, ob der Kollege mit sachfremden Argumenten auf ihre Entscheidungsfindung einwirkt, weil er sein Privatinteresse durchsetzen möchte, oder ob er dies ohne jeden eigennützigen Hintergedanken tut, z. B. weil er den Sachverhalt infolge fehlender Information oder mangelnder Expertise falsch einschätzt. Es würde das Ziel der Business Judgment Rule, eigenverantwortliches unternehmerisches handeln loyaler Vorstandsmitglieder zu begünstigen, konterkarieren, wenn ihnen das Haftungsprivileg allein schon versagt bliebe, weil einer ihrer Kollegen einem Interessenkonflikt ausgesetzt ist, der für sie selbst gar nicht erkennbar ist.688 Solange der fremde Konflikt für die selbst unbelasteten Vorstandsmitglieder nicht zutage tritt, dürfen sie, einen ansonsten ordentlichen und unbefangenen Entscheidungsprozess vorausgesetzt, „vernünftigerweise annehmen […], auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Gesellschaft zu handeln“ (§ 93 Abs. 1 Satz 2 AktG), so dass ihnen nach Wortlaut und Zweck der Vorschrift das Privileg der Haftungsbefreiung zukommt. Für die Integrität ihres befangenen, illoyalen Kollegen muss in erster Linie die Gesellschaft das Risiko tragen.
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J. Koch, in: FS Säcker, 2011, S. 404, 411; ferner Bunz, NZG 2011, 1294, 1295.
2. Teil
Sonderkonstellationen – Interessenkonflikte bei personellen Verflechtungen und bei öffentlichen Übernahmen
1. Kapitel
Vorstandsinterne Pflichtenkollisionen bei personellen Verflechtungen (Doppelmandate) Die bisher dargestellten Problemkonstellationen betrafen vorwiegend Konflikte zwischen den Interessen der Gesellschaft und den privaten Interessen ihrer Vorstandsmitglieder. Die AG sah sich den wirtschaftlichen oder ideellen Eigeninteressen ihrer Vorstandsmitglieder gegenüber, und in den meisten dieser Fälle stand weitgehend außer Frage, dass sich das Gesellschaftsinteresse am Ende uneingeschränkt durchzusetzen hat. Dass das Wohl der Gesellschaft nicht stets und in jeder Hinsicht gegenüber anderen Interessen unantastbar ist, wurde dagegen nur an wenigen Stellen ersichtlich, beispielsweise bei der Feststellung, dass ein Vorstandsmitglied in seltenen – weitgehend theoretischen – Sonderkonstellationen auch einmal berechtigt sein kann, die Erfüllung seiner Geschäftsführungspflichten aufgrund eigener Interessen zu verweigern, oder dass die Pflicht zur Offenlegung eines Interessenkonflikts dann eingeschränkt ist, wenn die konfliktbegründenden Umstände in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Vorstandsmitglieds oder einer gesetzlichen oder vertraglichen Schweigepflicht fallen. Insbesondere in den Fällen einer Schweigepflicht lag der Grund für die Einschränkung der Gesellschaftsinteressen darin, dass das Vorstandsmitglied nicht lediglich Träger eines dem Gesellschaftswohl entgegenstehenden persönlichen Interesses, sondern zugleich einer entgegenstehenden Rechtspflicht war. Es lag damit nicht nur eine Interessen-, sondern eine Pflichtenkollision vor, die sich je nach Konstellation nur dadurch sachgerecht auflösen lässt, dass das Gesellschaftsinteresse partiell zurückgesetzt wird.1 Im Allgemeinen sind echte Pflichtenkonflikte für die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft eher selten. Zahlreicher und deshalb auch Thema der folgenden Ausführungen sind sie dagegen im Falle sogenannter personeller Verflechtungen, also in Konstellationen, in denen ein Vorstandsmitglied neben seinem Amt in der AG zusätzlich noch als Organ einer weiteren Gesellschaft verpflichtet ist. Besonders häufig trifft man auf solche sogenannten Doppelmandate naturgemäß in Konzernen. In unterschiedlichen Ausgestaltungen dienen sie hier dazu, das Zusammenwirken der verschiedenen Konzerngesellschaften zu erleichtern und so die durch die Konzernbildung angestrebten Synergieeffekte möglichst effektiv zu nutzen.2 Daneben sind aber auch außerhalb verbundener Unternehmen Doppelmandate 1
Vgl. hierzu oben § 6 I. 3. d) bb). Zu den möglichen betriebswirtschaftlichen Vorteilen der Konzernbildung im Überblick Altmeppen, ZHR 171 (2007), 320, 334 f.; ausführlich Bühner/Spindler, DB 1986, 601 ff. Die 2
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2. Teil, 1. Kap.: Vorstandsinterne Pflichtenkollisionen bei Doppelmandaten
nicht außergewöhnlich. Vorstandsmitglieder einer AG sind in der Regel Fachleute mit herausragender Expertise, einer guten Vernetzung sowie erheblichem wirtschaftspolitischem und gesellschaftlichem Einfluss. Diese Qualitäten sind selten, und oft gibt es deshalb im Wirtschaftsleben mehrere Akteure, die von ihnen profitieren möchten. Wer Vorstandsmitglied in der einen Gesellschaft ist, ist deshalb häufig zugleich noch im Aufsichtsrat einer anderen Gesellschaft tätig. Und wenngleich dies außerhalb von Konzernverbindungen in der Praxis nur selten vorkommen dürfte, so ist es dennoch nicht ausgeschlossen, dass ein und dieselbe Person gleichzeitig mehrere Vorstandsmandate ausübt. Im Idealfall dienen solche personellen Verflechtungen jeweils beiden beteiligten Gesellschaften, bzw. die Interessenkreise beider Gesellschaften kommen sich zumindest nicht in die Quere. Nicht immer jedoch ist das der Fall. In den angesprochenen Konzernverhältnissen wird das besonders oft deutlich. Klassisches Beispiel hierfür ist die Entscheidung der Konzerleitung, Finanzmittel aus Gründen des Konzerninteresses bei der einen Tochter abzuziehen, um sie einer anderen Tochter zur Verfügung zu stellen.3 Daneben können aber auch außerhalb von Konzernverbindungen Doppelmandate dazu führen, dass sich der Mandatsträger in einer Situation wiederfindet, in der die Gesellschaften, denen er verpflichtet ist, gegensätzliche Ziele verfolgen. In allen diesen Fällen gerät der Doppelmandatsträger leicht zwischen zwei Stühle und entsprechend gefährdet erscheinen auch die Interessen der beteiligten Gesellschaften. Jeweils stellt sich die Frage, wie er sich bei solchen Pflichtenkonflikten zu verhalten hat und welche Regeln das Gesetz bereithält, um zu gewährleisten, dass die Interessen der betroffenen Gesellschaften trotz der personellen Verflechtung adäquat geschützt werden. Im Zentrum der Untersuchung stehen zunächst Doppelmandate außerhalb konzernrechtlicher Verbindungen. Im Anschluss daran ist zu prüfen, inwieweit sich die gefundenen Grundsätze auch im spezialgesetzlichen Rahmen des Konzernrechts anwenden lassen.
§ 12 Doppelmandate außerhalb von Konzernstrukturen I. Konstellationen und Zulässigkeit von Doppelmandaten Personelle Verflechtungen sind außerhalb von Konzernen in erster Linie in der Kombination eines Vorstands- und eines Aufsichtsratsmandats anzutreffen. Das Aktiengesetz lässt dies, wie sich bereits aus § 89 Abs. 4 ergibt, grundsätzlich zu.4 Das gilt selbst dann, wenn die Ämterverflechtung Gesellschaften betrifft, die miteinander positiven Beiträge, die Doppelmandate hierzu leisten können beschreibt Anders, Vorstandsdoppelmandate, S. 63 ff. 3 Dieses und weitere Beispiele bei Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht § 308 Rn. 45; siehe auch Fonk, NZG 2010, 368, 369. 4 Kort, in: Großkomm AktG § 88 Rn. 49.
§ 12 Doppelmandate außerhalb von Konzernstrukturen
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in dauernden Geschäftsbeziehungen oder gar im Wettbewerb stehen.5 Auch die durch das BilMoG eingeführte Regelung des § 100 Abs. 5 AktG änderte daran nichts Grundlegendes.6 Danach muss dem Aufsichtsrat einer kapitalmarktorientierten AG zwar mindestens ein unabhängiges Mitglied angehören, das über Sachverstand auf den Gebieten Rechnungslegung oder Abschlussprüfung verfügt. Im Falle einer gleichzeitigen Vorstandstätigkeit bei einem dauerhaften Geschäftspartner bzw. einem Wettbewerber der Gesellschaft ist richtigerweise nicht davon auszugehen, dass dieses Unabhängigkeitskriterium erfüllt ist.7 Unabhängigkeit muss nach diesen Regelungen aber eben nicht durchgehend und bei allen, sondern nur bei einem der Aufsichtsratsmitglieder vorhanden sein,8 sodass die gesetzlichen Vorbehalte gegen eine solche Ämterverflechtung nach wie vor verhältnismäßig gering sind. Eine Kombination eines Vorstands- mit einem Aufsichtsratsmandat verstößt außerhalb von Konzernen auch nicht gegen die für Aufsichtsratskandidaten geltenden Inkompatibilitätsregeln des § 100 Abs. 2 AktG.9 In der Praxis deutlich seltener kommt es dagegen vor, dass eine Person in zwei unverbundenen Unternehmen jeweils ein Vorstandsmandat wahrnimmt.10 Gleichwohl ist auch das rechtlich nicht ausgeschlossen.11 Erforderlich ist lediglich, dass die Aufsichtsräte beider Gesellschaften damit einverstanden sind und gemäß § 88 Abs. 1 Satz 2 AktG ihre Einwilligung erklären.12 5
Kort, a.a.O. Zwar wurde bereits in den achtziger und neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts sowie im Gesetzgebungsverfahren zum „Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich“ (TansPuG) erwogen, derartige Verflechtungen zumindest zwischen Konkurrenzunternehmen zu untersagen (früh bereits unter dem Begriff der „speziellen Inkompatibilität“ Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 236 ff.; ders., in: FS Beusch, 1993, S. 509, 515 ff.; ähnlich Säcker, in: FS Rebmann, 1989, S. 781, 794; befürwortend auch Reichert/Schlitt, AG 1995, 241, 244 ff.). In die endgültige Fassung des Gesetzes wurde dieser Gedanke jedoch nicht übernommen (vgl. hierzu Semler/Stengel, NZG 2003, 1 mit Verweis auf BT-Drucks. 13/367). 6 BGBl. I 2009, S. 1102. 7 Drygala, in: Schmidt/Lutter AktG § 100 Rn. 52; wohl auch Staake, ZIP 2010, 1013, 1015; kulanter insoweit Simons, in: Hölters AktG § 100 Rn. 9b; zu den Anforderungen an die Unabhängigkeit ausführlich Hüffer, ZIP 2006, 637 ff. 8 Simons, in: Hölters AktG § 100 Rn. 8. 9 Eine gewisse Einschränkung der Ämterverflechtung folgt lediglich für börsennotierte Aktiengesellschaften noch aus der Kodexempfehlung des Ziff. 5.4.2 Satz 3 DCGK, wonach Aufsichtsratsmitglieder keine Organfunktion bei „wesentlichen Wettbewerbern des Unternehmens ausüben [sollen]“. Entsprechend der allgemeinen Wirkungsweise einer KodexEmpfehlung hat diese Regelung aber nicht zur Folge, dass eine entsprechende Gremienbesetzung unzulässig ist. Lediglich ist sie in der Entsprechenserklärung gem. § 161 AktG offenzulegen (vgl. hierzu allgemein oben § 4 IV.). 10 Mit dieser Einschätzung auch Hopt, in: Großkomm AktG § 93 Rn. 149 („seltener aber doch auch“). 11 Ganz h. M.; vgl. nur BGH NZG 2009, 744, 745; Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570, 574; Seibt, in: Schmidt/Lutter AktG § 76 Rn. 18; Fleischer, in: Spindler/Stilz AktG § 76 Rn. 93; Hüffer/Koch, AktG § 76 Rn. 54. 12 Hüffer/Koch, AktG § 88 Rn. 4.
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2. Teil, 1. Kap.: Vorstandsinterne Pflichtenkollisionen bei Doppelmandaten
II. Konfliktpotential 1. Kombination von Vorstands- und Aufsichtsratsmandat Nimmt eine Gesellschaft ein Vorstandsmitglied einer anderen Gesellschaft in ihren Aufsichtsrat auf, so macht sie sich dadurch zunächst dessen Know-How zu Nutze. Zugleich dient eine solche Mandatsverflechtung häufig auch der Pflege der wechselseitigen unternehmerischen Beziehungen beider Gesellschaften.13 Gerade letzteres war in der Vergangenheit oft einer der entscheidenden Beweggründe bei der Besetzung des Aufsichtsrats. Hausbanken, Lieferanten, Kunden und Wettbewerber verfügten somit auf der Anteilseignerseite im Aufsichtsrat über eine signifikante Präsenz, und Pflichtenkollisionen waren ein häufiges Phänomen.14 Diese Praxis hat sich im Zuge der Corporate-Governance-Diskussion zwar merklich abgeschwächt.15 Selbst dann aber, wenn ein Aufsichtsrat im Geiste guter Corporate Governance nur mit unabhängigen Mitgliedern besetzt ist, lässt sich nicht ausschließen, dass diese in der von ihnen zu überwachenden Gesellschaft unter bestimmten Umständen mit Geschäftsvorfällen in Kontakt kommen, die zugleich auch Bedeutung für das von ihnen als Vorstandsmitglied zu leitende Unternehmen haben, z. B. wenn sich für die zu leitende Gesellschaft bisher nicht vorhandene Chancen zum Wettbewerb mit der zu überwachenden Gesellschaft auftun. Genauso ist es denkbar, dass die zu leitende Gesellschaft – etwa durch eine Akquisition – ihr Geschäftsmodell erweitert, dadurch zum Lieferanten oder zum Kunden der zu überwachenden Gesellschaft wird und nun in direkten Geschäftsverbindungen mit ihr steht. a) Reichweite beider Pflichtenkreise Nicht jede Maßnahme, die im Vorstand der zu leitenden Gesellschaft ansteht und die sich auf das zu überwachende Unternehmen auswirkt, hat jedoch zur Folge, dass für das verflochtene Vorstandsmitglied eine Pflichtenkollision entsteht. Eine Pflichtenkollision liegt nur dann vor, wenn zwei Handlungsgebote derart zusammentreffen, dass nur das eine oder das andere erfüllt werden kann, d. h. der Normadressat muss zur Erfüllung der einen Pflicht notwendigerweise die andere verletzen.16 Um festzustellen, ob sich die Vorstandspflichten im konkreten Fall auch mit den Verpflichtungen aus dem Aufsichtsratsamt überschneiden und nicht nur ein „normaler“ Interessenkonflikt gegeben ist, ist es erforderlich, die beiden Pflich13
Ulmer, NJW 1980, 1603, 1604; Decher, ZIP 1990, 277. Ulmer, NJW 1980, 1603, 1604; Decher, ZIP 1990, 277. 15 Ziff. 5.4.2 DCGK empfiehlt, dass der Aufsichtsrat über ausreichend unabhängige Mitglieder verfügen soll, wobei von Unabhängigkeit dann auszugehen ist, wenn das Aufsichtsratsmitglied in keiner einen Interessenkonflikt begründenden Beziehung zur Gesellschaft steht. Ferner sollen Aufsichtsratmitglieder keine Organfunktion bei wesentlichen Wettbewerbern des Unternehmens ausüben. 16 Caspers, in: Staudinger BGB, Neubearb. 2014, § 275 Rn. 47, 109; Poelzig/Thole, ZGR 2010, 836, 840; für das Strafrecht z. B. Rönnau, JuS 2013, 113. 14
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tenkreise in ihrer Reichweite jeweils genau zu bestimmen. Dabei ist beiden Pflichtenkreisen gemeinsam, dass sie von den Amtsträgern uneingeschränkte Loyalität bei der Amtsausführung verlangen.17 Sie haben alles zu unterlassen, was sich nachteilig auf das Unternehmen auswirken kann und müssen mit dem Gesellschaftsinteresse kollidierende Interessen zurückstellen.18 Unterschiede zwischen den Pflichtenkreisen ergeben sich jedoch außerhalb der konkreten Organtätigkeit. § 88 AktG unterwirft das Vorstandsmitglied im Verhältnis zu der von ihm zu leitenden Gesellschaft einem Wettbewerbsverbot. Daraus lässt sich ableiten, dass das Vorstandsmitglied auch in Situationen außerhalb seiner eigentlichen Amtstätigkeit die Interessen „seiner“ Gesellschaft wahren muss. Zudem ist anerkannt, dass Vorstandsmitglieder auch außerhalb ihrer unmittelbaren Geschäftsführungsaufgaben aktiven Förderpflichten zugunsten der Gesellschaft unterliegen.19 Musterbeispiel für dieses Pflichtenverständnis ist die allgemein anerkannte Geschäftschancenlehre, wonach Vorstandsmitglieder nicht nur Wettbewerb unterlassen müssen, sondern darüber hinaus verpflichtet sind, Geschäftschancen, die sich außerhalb ihrer Amtstätigkeit offenbaren, an die Gesellschaft weiterzuleiten.20 Für Aufsichtsratsmitglieder hingegen ist Vergleichbares nicht der Fall. Sie sind außerhalb ihrer eigentlichen Amtstätigkeit nicht Garanten für das Wohl der zu beaufsichtigenden Gesellschaft, haben also weder eine Pflicht, sich auch jenseits ihrer unmittelbaren Aufsichtsratstätigkeit aktiv für deren Belange einzusetzen, noch ist ihnen grundsätzlich untersagt, außerhalb der Gesellschaft eigene bzw. Drittinteressen zu verfolgen, auch wenn ihr dies Nachteile zufügen könnte.21 Zwar ist von ihnen auch außerhalb ihrer Amtsführung ein Mindestmaß an Treue zu ihrer Gesellschaft zu erwarten.22 Die von ihnen zu verlangende Loyalität beschränkt sich aber auf die Forderung, ihr Mandat nicht für persönliche oder Drittinteressen zu missbrauchen und die Interessen der zu überwachenden Gesellschaft nicht willkürlich zu beschädigen.23 Etwas anderes gilt lediglich dort, wo nach außen wirkende Rück17 Ebenso wie Vorstandsmitglieder unterliegen auch Aufsichtsratsmitglieder der organschaftlichen Treuepflicht (vgl. Möllers, in: Hdb Corporate Governance, S. 427). 18 Möllers, in: Hdb Corporate Governance, S. 431; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 116 Rn. 24 (für den Aufsichtsrat). 19 Möllers, in: Hdb Corporate Governance, S. 437; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 93 Rn. 105. 20 Hierzu ausführlich Hopt, in: Großkomm AktG § 93 Rn. 166 ff. 21 Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 116 Rn. 31; Habersack, in: MünchKomm AktG § 116 Rn. 47 f.; Hüffer/Koch, AktG § 116 Rn. 4 (kein „unbedingter Vorrang“); MarschBarner, in: Semler/v. Schenck ArbHdb Aufsichtsrat § 13 Rn. 98; Ulmer, NJW 1980, 1603, 1606; Merkt, ZHR 159 (1995), 423, 432 ff. Abw. Werner, ZHR 145 (1981), 252, 258 ff., 261 ff., der danach unterscheidet, ob eine außerhalb des Aufsichtsratsamts ausgeübte Tätigkeit (zulässige) Auswirkungen auf die Mandatsgesellschaft hat, oder ob sie mit (unzulässigen) Einwirkungen auf die zu überwachende Gesellschaft einhergeht. 22 Armbrüster, ZIP 1997, 1269, 1271. 23 Möllers, in: Hdb Corporate Governance, S. 437; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 116 Rn. 26; („allgemeine Rücksichtspflicht“); Ulmer, NJW 1980, 1603, 1606; Lange, WM 2002, 1737, 1738.
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2. Teil, 1. Kap.: Vorstandsinterne Pflichtenkollisionen bei Doppelmandaten
sichtnahmepflichten für sie gesetzlich ausdrücklich festgelegt sind. Das wichtigste Beispiel hierfür ist die gemäß § 93 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. § 116 Satz 1 AktG bzw. gemäß § 116 Satz 2 AktG auch für Aufsichtsratsmitglieder geltende Pflicht zur Verschwiegenheit. b) Konkretes Konfliktpotential Aus den so abgesteckten Pflichtenkreisen ist das Konfliktpotential für ein Vorstandsmitglied mit gleichzeitiger Aufsichtsratstätigkeit wie folgt einzuschätzen: Beabsichtigt die von ihm zu leitende Gesellschaft eine Maßnahme, die zu einer Beeinträchtigung der von ihm zu überwachenden Gesellschaft führt, ist ein Pflichtenkonflikt grundsätzlich nicht gegeben. Das Vorstandsmitglied, das bei einem Kunden der von ihm zu leitenden Gesellschaft im Aufsichtsrat sitzt, kann sich im Vorstand z. B. ohne weiteres dafür einsetzen, dass die Herstellung eines Zulieferprodukts eingestellt wird, auch wenn dieses Produkt für den Kunden besonders wichtig ist.24 Es befindet sich hierbei zwar in einem Interessen-, nicht aber in einem Pflichtenkonflikt, weil seine Aufsichtsratsfunktion beim Kunden von ihm nicht verlangt, sich im Vorstand der zu leitenden Gesellschaft gegen die Kündigung des Liefervertrags auszusprechen. Ebenso kann sich der Betreffende daran machen, bei der von ihm zu beaufsichtigenden Gesellschaft eine wichtige Führungskraft abzuwerben.25 Umgekehrt kann er den Abschluss eines Aufhebungsvertrags mit einer eigenen Führungskraft verweigern, auch wenn die von ihm zu überwachende Gesellschaft diese Person gerne verpflichten würde.26 Und auch im Bereich der eigentlichen Geschäftstätigkeit steht es ihm schließlich frei, der zu überwachenden Gesellschaft Wettbewerb zu machen.27 Als Aufsichtsratsmitglied der zu überwachenden Gesellschaft ist er verpflichtet, deren Vorstand zu bestellen, seine Geschäftsführung zu kontrollieren und gegebenenfalls zu korrigieren, nicht aber, sein eigenes Vorstandsamt dazu zu nutzen, für die Interessen der zu beaufsichtigenden und gegen die der zu leitenden Gesellschaft zu agieren. In allen genannten Fällen unterliegt der Doppelmandatsträger aus seinem Aufsichtsratsmandat keinen Rechtspflichten, die seinen Vorstandspflichten unmittelbar entgegenstehen. Ihre rechtliche Behandlung richtet sich daher nach den allgemeinen Regeln, die auch sonst für Interessenkonflikte gelten. Kollidierenden Rechtspflichten sieht sich der Doppelmandatsträger hingegen ausgesetzt, wenn sich beide Gesellschaften in direktem geschäftlichem Kontakt miteinander befinden und ihre Leitungsorgane die Konditionen der jeweiligen Geschäfte miteinander zu verhandeln haben. Hier kreuzen sich die jeweils wahrzunehmenden Leitungs- bzw. Kontrollpflichten, weil es im Interesse der einen Ge24 25 26 27
Vgl. Ulmer, NJW 1980, 1603, 1606. Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 116 Rn. 31. Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 116 Rn. 31. Ulmer, NJW 1980, 1603, 1606; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 116 Rn. 31.
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sellschaft liegt, einen möglichst hohen Preis zu erzielen, die andere aber an einem möglichst kostengünstigen Abschluss interessiert ist. Hierbei handelt es sich um einen fundamentalen Zielkonflikt, der sich auch nicht dadurch relativieren lässt, dass im Interesse eines erfolgreichen Geschäftsabschlusses jede Seite notwendig auch an das jeweilige Gegenüber denken muss.28 Der Doppelmandatar ist in diesem Fall vielmehr Träger direkt entgegengesetzter Pflichten: Als Vorstandsmitglied ist er dazu gehalten, sich bis an die Grenze dessen, was die wechselseitige Geschäftsbeziehung vertragen kann, an einen für die zu leitende Gesellschaft vorteilhaften Geschäftsabschluss „heranzuverhandeln“. Als Aufsichtsratsmitglied dagegen ist er verpflichtet, den Vorstand der zu überwachenden Gesellschaft zu einem identischen Geschäftsgebaren mit umgekehrtem Vorzeichen anzuhalten. Betrachtet man vor diesem Hintergrund wieder die Reichweite der beiden betroffenen Pflichtenkreise, so erscheint aus Sicht des Vorstandsamtes zunächst fraglich, ob hier wirklich ein Pflichtenkonflikt vorliegt. Wie eingangs gesehen, darf der Doppelmandatsträger in seiner Funktion als Vorstandsmitglied die von ihm als Aufsichtsratsmitglied zu überwachende andere Gesellschaft ja durchaus benachteiligen. Er ist dazu sogar verpflichtet, wenn dies im Interesse der zu leitenden Gesellschaft liegt. Im Fall des direkten geschäftlichen Kontakts griffe diese Betrachtung allerdings zu kurz. Sie ließe außer Acht, dass das Vorstandsmitglied durch ein möglichst gewinnorientiertes Verhandeln zwar zunächst seine im Vorstand geschuldeten Amtspflichten erfüllt, zugleich aber mit der auf diese Weise erreichten Maximalforderung eine Situation herbeiführt, die es als pflichtbewusstes Aufsichtsratsmitglied in der anderen Gesellschaft wieder korrigieren muss, indem es den dortigen Vorstand zu Nachverhandlungen veranlasst. Tut es dies, so liegt darin aber wiederum eine Verletzung seiner Vorstandspflichten gegenüber der zu leitenden Gesellschaft, deren bisheriger Verhandlungserfolg sabotiert würde. Seine Treuepflicht als Vorstandsmitglied, die ihm gebietet, im Aufsichtsrat der zu überwachenden Gesellschaft Aktivitäten zu unterlassen, die die Interessen der zu leitenden Gesellschaft stören, ist also in jedem Fall betroffen, so dass auch bereits das Vorstandshandeln in der Verhandlungssituation als konfliktbelastet anzusehen ist. In einen Konflikt widerstreitender Rechtspflichten gerät der Doppelmandatar ferner, wo das Gesetz die Aufsichtsratspflichten ausdrücklich auf den Außenbereich ausgedehnt hat, maßgeblich also im Bereich der bereits angesprochenen Pflicht zur Verschwiegenheit.29 Sind ihm aus seiner Aufsichtsratstätigkeit also beispielsweise die Anstellungsbedingungen einer Führungskraft bekannt, an deren Abwerbung die zu leitende Gesellschaft interessiert ist, oder kennt er Details der Preispolitik, die das von ihm zu überwachende Wettbewerbsunternehmen verfolgt, so überschneiden sich die Pflichtenkreise aus beiden Amtstätigkeiten auch hier. Für die Verschwiegenheitspflicht ist es gerade wesenseigen, dass sie ihre Wirkung über die eigentliche Aufsichtsratstätigkeit hinaus entfaltet. Damit steht sie in den beschriebenen Fällen 28 29
In diese Richtung Ulmer, NJW 1980, 1603, 1607. Vgl. hierzu mit verschiedenen Konstellationen Hopt, in: Großkomm AktG § 93 Rn. 150.
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der vorstandsrechtlichen Treue- und Förderpflicht entgegen, die verlangt, dass das Vorstandsmitglied alle sich ihm bietenden Informationen nutzt, um eine optimale Geschäftsführungsentscheidung zu treffen. Aus Sicht der zu leitenden Gesellschaft muss das Vorstandsmitglied daher die im Rahmen seiner Überwachungstätigkeit bei der anderen Gesellschaft erworbenen Informationen in seine Amtsführung einbringen, aus Sicht der zu überwachenden Gesellschaft hingegen verschweigen. Ein letzter Konfliktbereich kann schließlich dort entstehen, wo der Aufsichtsrat ausnahmsweise mit der Geschäftsführung im Außenverhältnis betraut ist. Das ist z. B. der Fall, wenn es darum geht, offene Stellen im Vorstand der zu überwachenden Gesellschaft zu besetzen. Gemäß § 84 Abs. 1 AktG ist der Aufsichtsrat für die Bestellung und Anstellung von Vorstandsmitgliedern umfassend zuständig. Für den Doppelmandatsträger führt dies dann zu kollidierenden Rechtspflichten, wenn sich herausstellt, dass eine Führungskraft der von ihm als Vorstandsmitglied zu leitenden Gesellschaft ein guter Vorstandskandidat für die Gesellschaft wäre, in der er zugleich als Aufsichtsratsmitglied tätig ist. Während er aus Sicht der zu überwachenden Gesellschaft aktive Abwerbungsaktivitäten entfalten müsste, ist ihm dies aus Sicht seines Vorstandsmandats bei der anderen Gesellschaft untersagt. 2. Kombination zweier Vorstandsmandate Die Konfliktpotentiale, die sich zwischen einem Vorstands- und einem Aufsichtsratmandat ergeben – Zielkonflikte bei direktem geschäftlichem Kontakt der Gesellschaften, Konflikte aus der organschaftlichen Verschwiegenheitspflicht sowie Konflikte bei der Abwerbung qualifizierten Personals – existieren in vergleichbarer Weise auch bei einer Kombination zweier Vorstandsmandate. Darüber hinaus sind sie hier noch um zwei weitere Ausprägungen zu ergänzen, die sich daraus ergeben, dass der Träger zweier Vorstandsmandate gegenüber beiden Gesellschaften über die gesetzlich ausdrücklich geregelten Fälle hinaus verpflichtet ist, auch außerhalb seiner eigentlichen Amtstätigkeit ihre Geschäfte zu fördern und Schaden von ihnen abzuwenden. Problematisch wird dies, wenn die betreffenden Gesellschaften im Wettbewerb miteinander stehen und das Vorstandmitglied außerhalb seiner Amtsführung Informationen über Geschäftschancen erlangt hat, die für beide Gesellschaften lukrativ erscheinen. Aufgrund seiner umfassenden Förderpflichten verlangt grundsätzlich jede der Gesellschaften, dass diese Geschäftschancen an sie und nicht an die andere weitergeleitet werden.30 Zum anderen ist zusätzliches Konfliktpotential im Bereich vorstandsinterner Entscheidungen angelegt, sofern eine Entscheidung Wettbewerbshandlungen gegenüber der jeweils anderen Gesellschaft betrifft. Dabei ist wie folgt zu unter30 Dass die Verpflichtungen aus der Geschäftschancenlehre auch bei Angeboten im Privatbereich bestehen, hat der BGH in seiner sog. Druckmittelzylinder-Entscheidung betont (BGH WM 1985, 1443, 1444).
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scheiden: Ein Pflichtenkonflikt ist zu verneinen, soweit lediglich eine strategische Entscheidung getroffen werden soll, die zur Folge haben wird, dass zwischen beiden Gesellschaften in Zukunft ein allgemeines Wettbewerbsverhältnis entsteht. Vorstandmitgliedern ist es nach § 88 Abs. 1 Satz 1 AktG lediglich untersagt, Wettbewerbsgeschäfte „zu betreiben“. Für nur vorbereitende Maßnahmen gilt das Verbot grundsätzlich nicht,31 sodass bei einer solchen Maßnahme nur ein einfacher Interessenkonflikt vorläge. Allerdings ist von einem Pflichtenkonflikt auszugehen, sobald im Vorstand über die Durchführung einzelner konkreter Wettbewerbsmaßnahmen entschieden wird. Streng genommen liegt zwar auch hierin nur eine Vorbereitungshandlung zum anvisierten Geschäft. Die Bindungswirkung, die ein entsprechender Vorstandsbeschluss für die Vorstandsmitglieder hat, und die dafür sorgt, dass der Beschluss, so wie er gefasst wurde, auch umgesetzt wird, ließe es jedoch sachfremd erscheinen, die Beschlussfassung in Hinblick auf die bestehenden Loyalitätspflichten anders zu beurteilen, als die eigentliche Wettbewerbshandlung selbst.32
III. Bisherige Lösungskonzepte Für die Lösung der beschriebenen Pflichtenkollisionen lassen sich im Wesentlichen zwei Grundströmungen erkennen. Das ist zum einen das Prinzip einer ungeschmälerten Doppelverpflichtung. Als prominenteste Ausprägung dieser Ansicht wird das sogenannte Schaffgotsch-Urteil des BGH herangezogen. Danach kann die Pflichterfüllung gegenüber der einen Gesellschaft eine Pflichtverletzung gegenüber der anderen Gesellschaft grundsätzlich nicht rechtfertigen.33 Die Spaltung einer Person mit kollidierenden Pflichten in solche Verhaltensweisen, die nur dem einen, nicht aber zugleich dem anderen Verantwortungsbereich zugeordnet werden können, sei dann nicht möglich, wenn tatsächlich beide Bereiche betroffen sind.34 Wenn das Doppelorgan die eine Gesellschaft im Interesse der anderen benachteilige, so sei das gegenüber der benachteiligten Gesellschaft pflichtwidrig und von ihm zu verantworten. In seinem Leitsatz spricht der BGH zwar von der Möglichkeit einer „rechtliche[n] oder kaufmännische[n] Rechtfertigung“ der schädigenden Maßnahme.35 Konkrete Ausführungen zu den Voraussetzungen einer solchen Rechtfertigung 31
Allg. Meinung (vgl. Kort in: Großkomm AktG § 88 Rn. 37; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 88 Rn. 14; Goette, in: Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn HGB § 112 Rn. 20; OLG Frankfurt AG 2000, 518, 519). 32 Zur Bindungswirkung von Vorstandsbeschlüssen vgl. Kort, in: Hdb des Vorstandsrechts § 2 Rn. 100; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 77 Rn. 50. 33 BGH NJW 1980, 1629, 1630. Dass diese zunächst aus Sicht der Aufsichtsratshaftung entwickelte strenge Pflichtenbindung in gleicher Weise für verflochtene Vorstandsmitglieder gilt, hat der BGH jüngst klargestellt (BGH NZG 2009, 744, 745). 34 BGH NJW 1980, 1629, 1630. 35 BHG NJW 1980, 1629.
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2. Teil, 1. Kap.: Vorstandsinterne Pflichtenkollisionen bei Doppelmandaten
macht er jedoch nicht. Auf diese für Doppelmandatsträger erkanntermaßen36 prekäre Pflichtenlage reagiert die Literatur mit verschiedenen Vorschlägen.37 So wird zum Teil erwogen, den Doppelmandatsträger bei Beschlussfassungen, die beide Gesellschaften betreffen, einem Stimmverbot zu unterwerfen.38 Vorgeschlagen wird ferner eine Pflicht zur Stimmenthaltung.39 Vor allem für dauerhafte Konfliktlagen wird diskutiert, inwieweit eine Mandatsniederlegung zur Lösung der Situation beitragen kann.40 Schließlich wird diskutiert, ein Doppelmandat bereits von vornherein zu untersagen, wenn ersichtlich ist, dass es für den Mandatsträger zu einer dauerhaften und umfassenden Konfliktsituation führen wird.41 Die entgegengesetzte Ansicht lehnt eine strikte Doppelverpflichtung ab.42 Sobald der Doppelmandatsträger nicht handeln könne, ohne zwingend eine seiner beiden Verpflichtungen zu verletzen, versage dieser Ansatz, indem er die Pflichtenkollision zementiere, anstatt sie aufzulösen. Die Rechtsordnung müsse aber daran interessiert sein, den „Gordischen Knoten“ zu zerschlagen.43 Der Doppelverpflichtete sei deshalb berechtigt, die Interessen aus beiden Mandaten nach pflichtgemäßem Ermessen zu berücksichtigen und bei widerstreitender Interessenlage einem der Pflichtenkreise den Vorrang einzuräumen.44
36 Z. B. Streyl, Zur konzernrechtlichen Problematik von Vorstands-Doppelmandaten, S. 173 („Schädigungsverbot trägt nur in Grenzen zur Bewältigung von Interessenkonflikten bei“); ähnlich Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 240 („nur sehr beschränkt lösungsfähig“); Fonk, NZG 2010, 368, 369 („schlichte Überforderung“). 37 Überblickartige Darstellungen der Lösungsvorschläge bei Passarge, NZG 2007, 441, 442 f.; Aschenbeck, NZG 2000, 1015, 1021 ff. 38 Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570, 579 ff.; Austmann, ZGR 2009, 277, 288. 39 Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 77 Rn. 43 (Pflicht zur Enthaltung wenn „unüberbrückbarer Konflikt“ besteht und „jede Parteinahme auf der einen Seite auf eine Schädigung der anderen hinausliefe“). 40 Z. B. Anders, Vorstandsdoppelmandate, S. 124 m. w. N.; Austmann, ZGR 2009, 277, 288; Kort, ZIP 2008, 717, 719. 41 Dies befürwortet unter dem Stichwort der „speziellen Inkompatibilität“ vor allem für Doppelmandate in Wettbewerbsunternehmen Lutter, ZHR 145 (1981), 224, 236 ff. 42 Vgl. namentlich Decher, Personelle Verflechtungen im Aktienkonzern, S. 127 ff. 43 Decher, Personelle Verflechtungen im Aktienkonzern, S. 135. 44 Decher, Personelle Verflechtungen im Aktienkonzern, S. 147. Für eine Abwägung kollidierender Pflichten im Vorstandsrecht insbesondere auch Poelzig/Thole, ZGR 2010, 836 ff. 837 („Das Recht muss den entstandenen Konflikt auflösen“), S. H. Schneider, NZG 2009, 1413 ff., Kort, in: Großkomm AktG § 76 Rn. 185 (Handeln des „doppelte[n] Vorstandsmitglied [s] im Sinne praktischer Konkordanz“); i.E. wohl auch Diekmann/Fleischmann, AG 2013, 141, 143 (Organmitglied könne „einer Interessensphäre den Vorrang einräumen, indem es den Interessenkonflikt organisatorisch ausschaltet.“). Mit Sympathie für eine Abwägungslösung bereits auch schon Scheffler, in: FS Goerdeler, 1987, S. 469, 485.
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IV. Konfliktlösung nach dem Prinzip der Pflichtenrelativität 1. Keine Unmöglichkeit der Pflichterfüllung Die Frage nach einem rechtlichen Ansatz zur Bewältigung vorstandsspezifischer Pflichtenkollisionen stellte sich nicht, wenn das Aufeinandertreffen sich widersprechender Pflichten jeweils die Unmöglichkeit der Pflichterfüllung bewirkte. Nach dem Grundsatz des „impossibilium nulla est obligatio“ entfiele in diesem Fall die Erfüllungspflicht und damit auch die Pflichtenkollision. Das ist jedoch nicht der Fall. Beispiel: V ist Vertriebsvorstand des Automobilzulieferers Z-AG (Z) und zugleich Mitglied im Aufsichtsrat eines langjährigen Kunden der Z, des Fahrzeugherstellers F-AG (F). Die F hat den Auftrag für die Lieferung eines besonders sicherheitskritischen Bauteils für ein neues Fahrzeugmodell ausgeschrieben. Im Vorstand der Z wird über die Konditionen eines Angebots und die taktische Marschroute für die Verhandlungen mit der F beraten und entschieden. Die Federführung hierfür liegt bei V.
Bei der Entscheidungsfindung im Vorstand der Z befindet sich der der F als Aufsichtsratsmitglied verbundene V zwar in einem Interessen-, aber nicht in einem Pflichtenkonflikt, weil ihm seine Pflicht aus dem Aufsichtsratsmandat nicht gebietet, im Vorstand der Z Entscheidungen herbeizuführen, die sich auf das operative Geschäftsergebnis und das Vermögen der F besonders günstig und für die Z nachteilig auswirken. In einen Pflichtenkonflikt gerät er jedoch, sobald der Vorstand der F den Aufsichtsrat über das Ergebnis der Ausschreibung informiert und mit ihm darüber berät, welches der verschiedenen Angebote weiterverfolgt werden soll. Spricht sich der Vorstand aus wohl abgewogenen Gründen für das Angebot eines Wettbewerbers aus, weil dieses die Sicherheitsanforderungen besser erfüllt oder weil aus geschäftsstrategischen Gründen die Abhängigkeit von der Z verringert und langfristig ein weiterer Zulieferer aufgebaut werden soll, dann darf sich Vals den Interessen der F verpflichtetes Aufsichtsratsmitglied diesen unternehmerisch sinnvollen Argumenten nicht verschließen, sondern muss den Vorstand in seiner Geschäftspolitik unterstützen. Gegenüber der Z hingegen ist er verpflichtet, alle (legalen) Anstrengungen zu unternehmen, um den Vorstand der F zur Annahme des Angebots der Z zu bewegen und sich dabei auch im Aufsichtsrat der F aktiv dafür einzusetzen, unliebsame Wettbewerber der Z aus dem Felde zu schlagen. Beides zusammen ist nicht möglich. Erfüllt er seine Vorstandspflicht, verletzt er damit zwangsläufig seine Pflicht aus dem Aufsichtsratsamt und umgekehrt. Gleichwohl liegt kein Fall der Unmöglichkeit vor, der entsprechend § 275 Abs. 1 BGB zur Folge hätte, dass V von seinen Pflichten gegenüber Z und/oder F automatisch befreit wäre. Im Verhältnis zu Z ist V allein zu einer auf das Zustandekommen des Liefervertrags mit F gerichteten Geschäftsführung verpflichtet. Die ihn als Aufsichtsratsmitglied treffende konträre Pflicht, dem Vorstand der F zum Aufbau eines weiteren Zulieferers zu- und von der Auftragserteilung an Z deshalb abzuraten, wirkt rechtlich nur relativ im Verhältnis zur F, beeinträchtigt sein Leistungsvermögen gegenüber der Z mithin nicht. Entsprechendes gilt, wenn Ursache des Pflichtenkonflikts ein Vorstandsdoppelmandat ist. Die Pflicht aus dem einen Vorstandsmandat macht es dessen Inhaber nicht un-
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möglich, die aus dem anderen zu erfüllen. Die Erbringung der Geschäftsführungsleistung ist auch hier keine Frage des Könnens, sondern des Wollens. Solange der Doppelmandatar sich nicht festgelegt hat, sind beide Leistungen möglich – zwar nicht kumulativ, wohl aber alternativ. 2. Leistungsverweigerungsrecht des Doppelmandatsträgers nach § 275 Abs. 3 BGB Dogmatisch richtiger Aufhänger für die vom BGH im Schaffgotsch-Urteil zwar angeschnittene, im konkreten Fall aber nicht weiter verfolgte Rechtfertigung der schädigenden Handlung des zwischen zwei nicht kompatiblen Handlungsgeboten „eingeklemmten“ Doppelmandatars ist § 275 Abs. 3 BGB: Kann der Schuldner einer persönlich zu erbringenden Leistung seine Leistungspflicht gegenüber dem Gläubiger nur um den Preis der Verletzung einer Rechtspflicht gegenüber einem Dritten erfüllen, wird diese Pflichtenkollision unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit dahin gelöst, dass er die Leistung verweigern darf, wenn die andere Pflicht höherwertig ist.45 Die diesem Grundgedanken der Pflichtenrelativität folgende Vorschrift des § 275 Abs. 3 BGB ist auch heranzuziehen, wenn es um die Frage geht, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Vorstandsmitglied bei einer Pflichtenkollision, die im Zusammenhang mit der Ausübung eines weiteren Vorstands- oder eines Aufsichtsratsmandats in einer anderen Gesellschaft auftritt, von seiner Geschäftsführungspflicht zugunsten der Erfüllung der Pflichten aus dem anderen Mandat frei wird.46 a) Allgemeine Grundsätze zur Pflichtenabwägung aa) Abwägungsmaßstab und Prüfungsprogramm Pflichtenkollisionen sind nach der relativen Wertigkeit der Pflichten aufzulösen. Dabei hat die Ermittlung des überwiegenden Interesses zunächst – abstrakt – vom Wert der durch die jeweiligen Pflichten geschützten Rechtsgüter auszugehen.47 Für die Problematik von Doppelmandaten führt diese Betrachtung zu keinem abschließenden Ergebnis, denn auf jeder Seite steht mit dem Wohl der betreffenden Gesellschaft ein Rechtsgut mit abstrakt identischem Wert. Ein bereits unabhängig vom Einzelfall zu bestimmender Wertunterschied ist insbesondere auch nicht für die nach h. M. das Gesellschaftswohl ausmachenden Unterinteressen – neben dem gemeinsamen Gewinninteresse der Aktionäre namentlich die Interessen der Arbeit45 Caspers, in: Staudinger BGB, Neubearb. 2014, § 275 BGB Rn. 47, 109; schon früher Löwisch, AcP 165 (1965), S. 421, 447 ff. 46 So insbesondere Schneider, NZG 2009, 1413, 1415; ebenso Dauner-Lieb, in: DaunerLieb/Langen AnwK BGB § 275 Rn. 62; zur Anwendbarkeit des § 275 Abs. 3 BGB auf Vorstandspflichten siehe bereits oben § 6 I. 1. a). 47 Poelzig/Thole, ZGR 2010, 836, 859.
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nehmer und der Allgemeinheit – gegeben. Nach herkömmlicher Meinung sind diese vom Vorstand im Wesentlichen gleichberechtigt zu berücksichtigen und im Sinne „praktischer Konkordanz“ miteinander in Ausgleich zu bringen.48 Für die Gewichtung der widerstreitenden Handlungspflichten kommt es aber nicht nur auf den abstrakten Rang der durch sie geschützten Rechtsgüter an. Lässt sich kein abstrakter Vorrang ermitteln, können auch sonstige objektive Umstände, die die Schutzwürdigkeit der beteiligten Rechtsgüter in der konkreten Konfliktsituation beeinflussen, den Ausschlag dafür geben, dass dem Doppelmandatsträger die Pflichterfüllung in der einen Gesellschaft zumutbar ist, in der anderen hingegen nicht.49 Dabei ist zu beachten, dass diese Abwägung als Entscheidung über die Reichweite der gegenüber den betroffenen Gesellschaften bestehenden Treuepflicht keine Frage des unternehmerischen Ermessens, sondern eine Rechtsfrage ist.50 Um vor diesem Hintergrund eine möglichst treffsichere Erzielung „richtiger“ Ergebnisse zu gewährleisten und angesichts der Erkenntnis, dass im Bereich des § 275 Abs. 3 BGB „rechtssichere Maßstäbe für die Abwägung […] bisher noch nicht ersichtlich [sind]“,51 bietet es sich an, auf an anderer Stelle in der Rechtsordnung entwickelte, bewährte Strukturierungsparameter zurückzugreifen.52 Eine ausgereifte Abwägungsdogmatik hat sich namentlich im öffentlichen Planungsrecht herausgebildet, wo die Ermittlung und Gewichtung einer Vielzahl von Interessen gleichsam zum Rechtsalltag gehört. Zwar sind die Verhältnisse dort – öffentlich-rechtliche Planungstätigkeit – und hier – Gewichtung organschaftlicher Pflichtenkreise als Rechtsfrage – nicht ohne weiteres vergleichbar.53 Die grundsätzliche Herangehensweise und Schrittfolge, mit der konfligierende Belange erfasst und gewichtet werden können, um am Schluss ein sachgerechtes Abwägungsergebnis zu erzielen, ist jedoch keinen rechtsgebietsbezogenen Spezifika unterworfen. Als in ihren Grundzügen inhaltlich neutrale Strukturierungstechnik lässt sie sich daher auch zur Systematisierung der hier in Rede stehenden vorstandsrechtlichen Abwägungen heranziehen. Für eine ordnungsgemäße Abwägung doppelmandatsbedingter Pflichtenkollisionen ist somit zu verlangen, dass (1.) der Pflichtenkonflikt überhaupt bemerkt und
48
Siehe oben § 3 II. 2. Schneider, NZG 2009, 1413, 1415; Poelzig/Thole, ZGR 2010, 836, 861. 50 Unternehmerisches Ermessen steht dem Doppelmandatsträger innerhalb jedes von ihm übernommenen Pflichtenkreises zur Entscheidung der sich dort stellenden unternehmerischen Fragen zu (vgl. oben § 2 I.). Die Frage jedoch, wie weit dieser Pflichtenkreis reicht, ist ihm heteronom vorgegeben und steht nicht zu seiner Ermessens-Disposition. Vgl. auch Hölters, in: Hölters AktG § 93 Rn. 114: „Bei Vorstandspflichten, die sich aus der Treuepflicht ergeben, besteht kein unternehmerischer Ermessensspielraum“. 51 Dauner-Lieb, in: Dauner-Lieb/Langen AnwK BGB § 275 Rn. 60. 52 Zur – vorbehaltlich vergleichbarer Verhältnisse – allgemeinen methodischen Statthaftigkeit einer rechtsgebietsübergreifenden Übertragung von Rechtsfiguren vgl. etwa Hüffer, in: FS Raiser, 2005, S. 169, 174. 53 Die Vergleichbarkeit der Verhältnisse ist grundsätzlich Voraussetzung für die Übertragung von Rechtsfiguren in andere Normbereiche (vgl. Hüffer, in: FS Raiser, 2005, S. 169, 174). 49
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somit eine Abwägung durchgeführt wird,54 (2.) alle im konkreten Fall relevanten Belange der betroffenen Gesellschaften ermittelt und in die Abwägung eingestellt werden, (3.) die relevanten Belange sachgerecht gewichtet und auf dieser Basis sodann (4.) dem „richtigen“ Pflichtenkreis der Vorrang eingeräumt wird.55 Als letzter Punkt ist schließlich (5.) zu beachten, dass zwingende rechtliche Vorgaben vorrangig vor jeder Abwägung kollidierender Pflichtenkreise zu respektieren sind.56 Anders als im Verwaltungsrecht, dem dieses Prüfungsschema im Grundsatz entstammt, ist zu beachten, dass im Bereich des Zivil- und Vorstandsrechts Versäumnisse bei den Schritten (1.) – (3.) keine direkten Rechtsfolgen nach sich ziehen, sondern es für ein pflichtgemäßes Handeln des betroffenen Vorstandsmitglieds genügt, dass es sich am Ende – und sei es auch aus Zufall – für eine Bevorzugung des „richtigen“ Pflichtenkreises entscheidet; im Gegensatz zu Abwägungsentscheidungen im Verwaltungsrecht verlangen das Zivil- und Aktienrecht von den Vorstandsmitgliedern nicht die Beachtung eines vorgegebenen formalen Abwägungsvorgangs.57 Liegt hingegen ein Abwägungsfehler vor, der dazu führt, dass das im Konflikt befindliche Vorstandsmitglied den „falschen“ Pflichtenkreis bevorzugt (Ziff. (4.) des Prüfungsschemas), ist dies auch im Vorstandsrecht beachtlich und führt dazu, dass das Vorstandsmitglied im Verhältnis der zu Unrecht benachteiligten Gesellschaft gem. § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG pflichtwidrig handelt. Gleiches gilt, letztlich selbstverständlich, für Verstöße im Bereich der oben genannten Ziff. (5.) gegen vorrangige gesetzliche Vorgaben.58 Das Ergebnis der Abwägung liegt sodann im vorstandsrechtlichen Bereich nicht in einem eine Vielzahl von Belangen mal mehr und mal weniger berücksichtigenden, die unterschiedlichen Interessen ausgleichenden Plan,59 sondern in der – als Ergebnis einer Rechtsfrage zu treffenden – (eindimensionalen) Entscheidung, ein Tätigwerden in der Konfliktangelegenheit entweder zum Nachteil der einen oder der anderen Gesellschaft zu unterlassen. Dies folgt bereits direkt aus § 275 Abs. 3 BGB, der als Rechtsfolge schlicht das Recht vorsieht, „die Leistung [zu] verweigern“.
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Zur Fesstellung sich überschneidender Pflichtenkreise vgl. oben § 12 II. Vgl. zu diesem Prüfungsschema z. B. Dimberger, in: BeckOK BauGB § 1 Rn. 136. 56 Speziell für den Fall vorstandsrechtlicher Pflichtenkollisionen so auch Poelzig/Thole, ZGR 2010, 836, 861. 57 Vgl. z. B. für die Beachtlichkeit von Verfahrensfehlern im öffentlichen Planungsrecht § 214 Abs. 1 BauGB. 58 Zur Legalitätspflicht ausführlich Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 7 Rn. 4 ff. 59 So für das öffentliche Planungsrecht etwa Wolf/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht, § 56 Rn. 4 (Planung als „Koordinierung verschiedener, auch widerstreitender Interessen“); ferner Tettinger/Erbguth/Mann, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 885 („Koordinierungs- und Integrationsfunktion“). 55
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bb) Einzelne Abwägungsschritte (1) Ermittlung der rechtlich relevanten Belange Der Kreis der zulässigerweise zu berücksichtigenden Belange wird vorgegeben durch den Inhalt der kollidierenden Pflichten. In die Abwägung sind somit grundsätzlich alle Aspekte einzustellen, die Bestandteil des „Wohls“ der betroffenen Gesellschaften sind und die der Doppelmandatsträger aufgrund seiner allgemeinen Organpflichten zu beachten hat. Wie bereits gesehen, handelt es sich dabei nach h. M. neben dem Interesse der Gesellschaften an der Erzielung eines wirtschaftlichen Gewinns zusätzlich auch um die Belange der Arbeitnehmer und der Allgemeinheit, die der Vorstand grundsätzlich bis zur Grenze der Bestandsgefährdung der jeweiligen Gesellschaft berücksichtigen darf.60 Angesichts dieser Vielzahl möglicher Interessen ist es von wesentlicher Bedeutung für eine sachgerechte Abwägungsentscheidung, zwar einerseits alle betroffenen Belange zu erfassen, gleichzeitig aber diejenigen, für deren Betroffenheit es keinen konkreten Anhaltspunkt gibt, bereits auf dieser Stufe auszusondern. (2) Gewichtung der relevanten Belange Die jeweils identifizierten betroffenen Belange sind aus objektiver Sicht zu gewichten.61 Reine Opportunitätserwägungen aus der subjektiven Sicht des Doppelmandatsträgers oder aus der – wie auch immer zu ermittelnden – Sichtweise der beteiligten Gesellschaften entziehen sich dagegen einer rechtlichen Bewertung und sind daher keine tragfähige Grundlage für die Gewichtung der identifizierten Belange.62 Sucht man nach einem Maßstab für diese Gewichtung, so liegt dieser in erster Linie in dem für die jeweils betroffenen Rechtsgüter drohenden Schaden sowie der Höhe der Schadenswahrscheinlichkeit, d. h. dem Grad und der Nähe der Gefahr, die den jeweiligen Rechtsgütern im Falle einer Leistungsverweigerung des Doppelmandatsträgers drohen würde.63 Für beide betroffenen Pflichtenkreise ist folglich die 60
Siehe oben § 3 II. 2. Die Frage der „Unzumutbarkeit“ ist im Rahmen des § 275 Abs. 3 BGB als Unterfall der allgemeinen Grundsätze von Treu und Glauben zu bestimmen, welche ihrerseits der Gewährleistung „sozialethischer Wertvorstellungen“ dienen (vgl. zu letzterem Looschelders/ Olzen, in: Staudinger BGB, Neubearb. 2015, § 242 Rn. 142). Dieser Zweck verbietet die Berücksichtigung subjektiver Ansichten ersichtlich. Vgl. auch Hubmann, AcP 155 (1956), 85, 97 f. („Ohne Zweifel kann es [bei der Feststellung der Schutzwürdigkeit der Interessen] nicht auf die Einschätzung des einzelnen ankommen, mag er vielleicht sein Interesse auch für noch so wichtig halten.“). 62 Abzulehnen ist deshalb die Auffassung S. H. Schneiders, der einen Interessenvorrang daraus ableiten will, dass es „aus Sicht (der einen Gesellschaft) um eine wichtigere Geschäftsführungsmaßnahme geht als aus Sicht der anderen Gesellschaft“ (NZG 2009, 1413, 1415). 63 Auf die Schwere des drohenden Schadens als wesentliches Gewichtungskriterium abstellend auch Poelzig/Thole ab, mit dem weiteren Hinweis dass dieses Kriterium in § 71 Abs. 1 AktG einen „genuin gesellschaftsrechtlichen Rückhalt“ findet (ZGR 2010, 836, 860); allge61
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konkrete Schutzbedürftigkeit zu ermitteln. Maßgeblicher Zeitpunkt ist hierfür der Moment, in dem die Interessen der betroffenen Gesellschaften ein Handeln des Vorstandsmitglieds verlangen; spätere Änderungen der in die Abwägung einfließenden Umstände sind nicht zu berücksichtigen.64 Die Gefahr des drohenden Schadens ist dabei sowohl unter formellen als auch materiellen Gesichtspunkten zu ermitteln. Von wesentlicher Bedeutung in formeller Sicht ist dabei die Frage, wie zentral die Stellung des Doppelmandatsträgers in der jeweiligen Gesellschaft in Bezug auf den konkret in Rede stehenden Sachverhalt ist und wie sehr die Gesellschaften auf die persönliche Mitwirkung gerade des Doppelmandatsträgers zum Zwecke einer effektiven Wahrnehmung ihrer Interessen im konkreten Fall angewiesen sind.65 So kann ein Doppelmandatsträger je nach Fall mit ganz unterschiedlichen formalen Rollen und unterschiedlichem Einflusspotential ausgestattet sein, etwa als Vorstandsmitglied in einem Ein- oder Mehrpersonenvorstand (in letzterem mit Einzel- oder Gesamtvertretungsberechtigung sowie mit oder ohne einschlägige Ressortzuständigkeit) oder auch als Aufsichtsratsmitglied. Je näher und exklusiver der Doppelmandatsträger sachlich mit der konkreten Maßnahme befasst ist, desto mehr wird die betroffene Gesellschaft normalerweise auf seine Mitwirkung angewiesen sein, und desto stärker sind ihre Interessen durch eine Leistungsverweigerung des Doppelmandatsträgers gefährdet. In materieller Hinsicht ist hingegen die Frage zu stellen, wie gewichtig das gefährdete Interesse selbst ist, in andern Worten, es ist die sachliche Bedeutung des Belangs zu ermitteln und herauszufinden, wie groß die dem Belang drohende Schädigung im Falle einer Leistungsverweigerung des Doppelmandatsträgers sein wird. Heranzuziehen sind dazu im Interesse objektiver Ergebnisse in erster Linie quantitative Erwägungen,66 wie insbesondere die Auswirkung auf Geschäftszahlen, sowie auf die – quantitativ messbare – Beschäftigungssituation und die sonstigen Belange der Arbeitnehmer sowie auf zahlenmäßig zu gewichtende Risiken für die Allgemeinheit. Nur soweit sich bestimmte Risiken nicht oder – um eine sachgerechte Bewertung zu erreichen – zumindest nicht ausschließlich zahlenmäßig erfassen lassen, ist es zulässig, behutsam auch qualitative Erwägungen in die Gewichtung der betroffenen Belange einfließen zu lassen. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn es um die Abwerbung eines besonders qualifizierten Mitarbeiters durch die eine Gesellschaft von der anderen geht; hiervon betroffene Auswirkungen werden sich zah-
mein auch Hubmann, AcP 155 (1956), 85, 112 f. („Nähe der Gefahr“) und 114 („Intensität der Verletzung“). 64 Vgl Looschelders/Olzen in: Staudinger BGB, Neubearb. 2015, § 242 Rn. 153 („Zeitpunkt der Fälligkeit“). 65 Unter anderem auf die Bedeutung einer „angemessenen Handlungsfähigkeit der Gesellschaft“ abstellend insbesondere auch S. H. Schneider, ZGR 2009, 1413, 1415. 66 So selbst für die Gewichtung der relevanten Belange im – quantitativ wohl noch schwieriger zu erfassenden – Bereich des öffentlichen Planungsrechts Dimberger, in: BeckOK BauGB § 1 Rn. 163.
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lenmäßig in der Regel nicht abschließend darstellen lassen.67 Will man die Objektivität der Abwägung nicht gefährden, können qualitative Erwägungen allerdings nur dann Berücksichtigung finden, wenn sie sich an konkreten tatsächlichen Umständen festmachen lassen. Im Beispiel der Mitarbeiterabwerbung kommt dafür etwa ein förmlicher Qualifikationsnachweis des Mitarbeiters in Verbindung mit einem objektiven besonderen Bedürfnis der Gesellschaft nach dieser Qualifikation in Betracht.68 Rein subjektive Erwägungen, wie etwa eine persönlich begründete Sympathie, können für die Abwägungsentscheidung hingegen keine Rolle spielen. An die Forderung nach einer möglichst quantitativen Gewichtung der betroffenen Belange schließt sich die Frage an, ob der anzustellende Vergleich im Wege einer absoluten oder relativen Betrachtung durchzuführen ist. Ersteres erscheint insoweit zweifelhaft, als es dazu führen würde, systematisch die Interessen einer großen Gesellschaft stärker zu gewichten als die einer kleinen. Naturgemäß wird eine Leistungsverweigerung in einer großen Gesellschaft nämlich zu einem absolut größeren Umsatznachteil, zu absolut schwerwiegenderen Arbeitnehmernachteilen und auch zu absolut erheblicheren Vor- oder Nachteilen für die Allgemeinheit führen. Andererseits ist zuzugeben, dass eine Häufung betroffener Interessenträger durchaus ein Kriterium ist, das die Bevorzugung eines Pflichtenkreises rechtfertigen kann.69 Zu differenzieren ist folglich, ob es sich bei den miteinander ins Verhältnis zu setzenden Interessen um solche handelt, die tatsächlich mehreren Interessenträgern zugeordnet sind, oder ob der Belang jeweils nur einen Interessenträger betrifft. Im ersten Fall sind die betroffenen Interessen wertungsmäßig zu addieren, sodass es die absoluten Auswirkungen der Leistungsverweigerung des Doppelmandatsträgers sind, die der Gewichtung des Belangs zugrunde zu legen sind. Im zweiten Fall wird hingegen ein Vergleich der relativ drohenden Nachteile in der Regel sachgerechter sein, denn ein bei absoluter Betrachtung identischer Nachteil wird für einen Interessenträger, der bereits auf hohem Niveau startet, wertungsmäßig weniger spürbar sein, als für einen Interessenträger, der eine niedrigere Ausgangsposition hat. Eine Berücksichtigung (auch) absoluter Werte wird damit zum einen im Bereich der Arbeitnehmerinteressen angemessen sein. Würde die Leistungsverweigerung in einer Gesellschaft zu einer Betroffenheit mehrerer Arbeitnehmer führen, so sind deren Interessen zusammenzuzählen und mit der Summe derjenigen Arbeitnehmerinteressen zu vergleichen, die potentiell in der anderen Gesellschaft betroffen wären. Dabei ist allerdings zu beachten, dass auch die Frage zu berücksichtigen ist, ob die einzelnen Arbeitnehmer in der einen Gesellschaft oder in der anderen Gesellschaft stärker betroffen sind. Dies wiederum ist aber durch Ermittlung ihrer relativen Einbußen im Vergleich zu ihren bisherigen Beschäftigungsbedingungen zu beantworten: Da die bisherigen Beschäftigungsbedingungen regelmäßig den in der 67
Zu einem solchen Fall ausführlicher noch unten § 12 IV. 2. b) aa) (2). Als konkretes Beispiel ließe sich etwa an eine für ein wichtiges geplantes Projekt thematisch einschlägige Promotion denken. 69 Vgl. allgemein Hubmann, AcP 155 (1954), 85, 107. 68
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jeweiligen Region und Branche üblichen und angemessenen Standard abbilden und dieser in den betroffenen Gesellschaften ein ganz unterschiedlicher sein kann, würde die Betrachtung absoluter Werte in diesem Punkt zu keinem sachgerechten Vergleichsergebnis führen. Als Ergebnis ist das Gewicht der betroffenen Arbeitnehmerinteressen also aus einer wertungsmäßigen Gesamtschau zu ermitteln, die sowohl die Gesamtzahl der jeweils betroffenen Arbeitnehmer als auch den relativ zu bestimmenden Grad ihrer jeweils individuellen Betroffenheit berücksichtigt.70 Insgesamt vergleichbare Erwägungen gelten der Sache nach auch für die Gewichtung der Interessen der Allgemeinheit. Auch hier ist nicht nur die relativ zu beurteilende Schwere der einzelnen Beeinträchtigungen, sondern auch (absolut) die Summe der von diesen Beeinträchtigungen betroffenen Interessenträger zu vergleichen. Führte etwa die Zuweisung einer Geschäftschance durch einen Doppelmandatsträger bei jeder der Gesellschaften zu einem identischen Mehrausstoß gesundheitsgefährdender Emissionen, so sind die Allgemeininteressen davon aufgrund der Beeinträchtigung einer größeren Zahl von Interessenträgern stärker betroffen, wenn die Geschäftschance derjenigen Gesellschaft zugewiesen wird, die in Innenstadtnähe produziert, als wenn diejenige „den Zuschlag erhält“, deren Produktion mit Distanz zur Zivilisation in einem Industriepark angesiedelt ist. Geht es hingegen um die Frage, inwieweit sich die Leistungsverweigerung des Doppelmandatsträgers auf die Ergebnisentwicklung der beiden betroffenen Gesellschaften auswirkt, überzeugt ein (auch) auf einer absoluten Betrachtung basierender Vergleich grundsätzlich nicht. Zwar ließe sich sagen, dass ein absolut höherer Gewinn in einer Gesellschaft tendenziell dazu führt, dass auch eine größere Zahl von Aktionären profitiert. Diese haben sich durch privatrechtlichen Akt aber zum Zwecke der Gewinnerzielung zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen, sodass wertungsmäßig insoweit von nur jeweils einem Interessenträger, nämlich der jeweiligen Gesellschaft als juristischer Person, ausgegangen werden kann. Nur die Gewinninteressen dieser, nicht aber die kummulierten Gewinninteressen ihrer jeweiligen Aktionäre sind bei der Gewichtung deshalb zu berücksichtigen und miteinander zu vergleichen. Das Gewinninteresse einer „großen“ Gesellschaft ist im Vergleich zu einer „kleinen“ nicht höher zu bewerten. Die durch die Leistungsverweigerung des Doppelmandatsträgers drohende Schädigung ist daher für jede Gesellschaft in Form von Verhältniszahlen zu ermitteln, die die Abweichung zu den Planzahlen darstellen, wie sie unter der Prämisse einer vollen Mitwirkung des Doppelmandatars erstellt wurden.
70 Sollten schließlich besondere Einzelfallkonstellationen vorliegen, sind diese, wie stets in Abwägungsfällen, ebenfalls beachtlich. Insbesondere bei drohenden Entlassungen können Differenzierungskriterien etwa darin liegen, ob in einer der Gesellschaften betriebliche Absicherungen für die Arbeitnehmer (etwa in Form von Abfindungsleistungen) existieren oder die Arbeitnehmer der einen Gesellschaft mit baldiger Anstellung bei einem anderen Arbeitgeber rechnen können, während dies für die der anderen Gesellschaft, deren Betrieb in einer strukturschwachen Region liegt, nicht zu erwarten ist.
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(3) Ermittlung des sachgerechten Ergebnisses Die Rechtsfolge, die sich an die Abwägung der Belange der betroffenen Gesellschaften anschließt, ist durch § 275 Abs. 3 BGB der Sache nach vorgegeben: Der Doppelmandatsträger ist berechtigt, die Geschäftsführung zum Nachteil der weniger schutzwürdigen Gesellschaft in der durch den Konflikt betroffenen Angelegenheit zu verweigern.71 Angesichts der je nach Konstellation denkbaren vielschichtigen Interessen- und damit auch Gefährdungslagen der betroffenen Gesellschaften wird die Entscheidung, welche der Gesellschaften dies ist, bisweilen schwierig zu treffen sein. Dies ist letztlich Konsequenz des von der h. M. als pluralistisches Unternehmensinteresse verstandenen Gesellschaftswohls, auf das der Doppelmandatsträger zugunsten beider Pflichtenkreise festgelegt ist.72 Von entscheidender Bedeutung aus Sicht des Doppelmandatsträgers wie auch der betroffenen Gesellschaften ist daher, inwieweit seine Entscheidung für oder gegen einen Pflichtenkreis einer richterlichen Überprüfung offensteht. Die Antwort darauf ergibt sich zum einem aus dem allgemeinen Wesen einer Interessenabwägung. So ist zwar unbestritten, dass rechtliche Interessenabwägungen weder allgemeine Billigkeitserwägungen noch reine Gefühlsreaktionen darstellen.73 Denn wie sich gezeigt hat, haben sie ihre Grundlage einerseits im Gesetz (hier konkret in § 275 Abs. 3 BGB) und andererseits in den objektiven Umständen des zugrundeliegenden Sachverhalts. Gleichwohl kann aber bei der Beurteilung der Schutzwürdigkeit von Interessen und ihrer Rangordnung der Einfluss bestimmter Eigenwertungen realistisch betrachtet nicht völlig vermieden werden.74 Ein gewisses Maß an Eigeneinschätzung ist dem Rechtsanwender im Rahmen einer ihm gestatten Interessenabwägung daher von vornherein zuzubilligen. Dies muss desto mehr gelten, je heterogener und schwieriger abgrenzbar die durch ihn abzuwägenden Interessenkreise sind. Das weite Verständnis des Gesellschaftswohls bedingt daher für die hier in Rede stehenden Fälle einen gegenüber schlichter gelagerten Abwägungskonstellationen zusätzlich erweiterten Spielraum. Hinzu kommt schließlich, 71
Die Flexibilität des § 275 Abs. 3 BBG ließe sich theoretisch allenfalls dadurch erweitern, dass man die Konfliktangelegenheit in einzelne „Leistungsabschnitte“ unterteilt und für jeden dieser Abschnitte eine separate Abwägung durchführt. Diese Option ist allerdings insoweit eingeschränkt, als sich diese Leistungsabschnitte sachlich sinnvoll voneinander trennen lassen müssen und ein „Seitenwechsel“ des Doppelmandatsträgers nur dann denkbar wäre, wenn der beendete Leistungsabschnitt inhaltlich den nächsten Abschnitt nicht beeinflusst. Insbesondere kommt nicht in Betracht, dass der Doppelmandatsträger mehr oder weniger zufällig und damit unberechenbar in ein und derselben Angelegenheit zwischen den Gesellschaften „hin- und herpendelt“. Eine solche Trennbarkeit wird sich innerhalb derselben Konfliktangelegenheit kaum einmal ergeben. 72 Die Einschätzung, wonach solche Unklarheiten nur in „absoluten Ausnahmefällen“ einträten, erscheint vor dem Hintergrund dieses Interessenpluralismus, der zudem einen wesentlichen normativen Vorrang für einzelne durch das Unternehmensinteresse repräsentierte Belange nicht kennt, zu optimistisch (so aber Poelzig/Thole, ZGR 2010, 836, 866). 73 Hubmann, AcP 155 (1956), 85, 133. 74 Vgl. Hubmann, AcP 155 (1956), 85, 133.
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dass die Frage, wie sich eine bestimmte Maßnahme des Doppelmandatsträgers in der einen und die Verweigerung seiner Leistung in der anderen Gesellschaft auf die jeweils betroffenen Rechtsgüter auswirken wird, regelmäßig nur schwer absehbar ist. Es handelt sich dabei um das typischerweise unternehmerischen Entscheidungen anhaftende, hier in die Lösung einer Rechtsfrage eingebettete Problem eines Prognoseerfordernisses. Will man diesen Umständen gerecht werden, lassen sich die Maßstäbe, mit denen die Entscheidung des Doppelmandatsträgers zur Zurückstellung eines der beiden Pflichtenkreise zu überprüfen ist, nicht zu streng festsetzen. Die Entscheidung des Doppelmandatsträgers zur Bevorzugung des einen Pflichtenkreises ist daher stets dann als rechtmäßig anzusehen, wenn sie zugunsten sachlich relevanter Belange erfolgte, hierzu objektiv nachvollziehbar und angesichts der Gewichtigkeit der Belange vertretbar ist. (4) Beachtung vorrangiger gesetzlicher Vorgaben Wie jede Abwägung unterliegt auch die Auflösung in der Person des Doppelmandatsträgers bestehender Pflichtenkonflikte absoluten Abwägungsgrenzen, die vorrangig zu beachten sind. Dort, wo ein Sachverhalt bereits durch das Gesetz abschließend bewertet und eingeordnet ist, kann eine weitere Abwägung nicht zu einer abweichenden Beurteilung führen.75 Inwieweit das Gesetz für einen Konfliktsachverhalt solche zwingenden Vorgaben macht, ist jeweils durch Auslegung und Anwendung der im konkreten Fall als vorrangig in Betracht kommenden Normen zu ermitteln. Dabei bietet die Rechtsordnung ein starkes Indiz für eine absolute Abwägungsgrenze insbesondere dort, wo ein bestimmtes Verhalten strafrechtlichen Sanktionen unterworfen ist. Zwar ist angesichts der Möglichkeit, dass auch strafrechtlich an sich sanktioniertes Verhalten gerechtfertigt sein kann, zuzugeben, dass strafrechtlich geschützten Normen nicht „ausnahmslos und a priori der Vorrang zugewiesen werden sollte.“76 Gleichwohl ist festzustellen, dass außer in extrem gelagerten (rechtfertigenden) Ausnahmesituationen ein an sich strafbares Verhalten nicht zu den Pflichten eines Vorstandsmitglieds gehört, sondern auch dann, wenn die Gesellschaft ein tatsächliches Interesse an einem solchen Handeln ihres Vorstandsmitglieds haben sollte, die Einordung dieses Verhaltens als tatbestandlich strafbar einen rechtlich relevanten Pflichtenkonflikt und damit auch ein Abwägungserfordernis ausschließen. Außerhalb strafrechtlicher Kategorien sind ferner solche Handlungsalternativen von vornherein einer Pflichtenabwägung entzogen, die die Rechtsordnung als treu- oder sittenwidrig i. S. d. §§ 242, 138 BGB missbilligt oder denen sie die Wirksamkeit gem. § 134 BGB abspricht. Neben einfachgesetzlich niedergelegten Werturteilen finden über diese zivilrechtlichen Generalklauseln
75 76
Im Ergebnis auch Poelzig/Thole, ZGR 2010, 836, 861 f. Poelzig/Thole, ZGR 2010, 836, 860.
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ferner auch als objektive Wertentscheidungen vorrangig zu berücksichtigende grundrechtliche Wertungen in die Abwägungsentscheidung Eingang.77 b) Auflösung konkreter Konfliktsituationen Anhand konkreter Konfliktkonstellationen sollen die soeben entwickelten Abwägungsgrundsätze im Folgenden verdeutlicht werden. Es liegt auf der Hand, dass die zugrunde gelegten Sachverhalte nicht die Detailtiefe erreichen, wie dies im wirklichen Rechtsleben meistens der Fall ist. Auch die nachfolgenden Ausführungen können daher nur gewisse Vorzugstendenzen aufzeigen, ohne dass sie eine eigenständige Bewertung individueller Fallkonstellationen ersetzen könnten. Aufgrund der jeweils unterschiedlich weit reichenden Überschneidungen der Pflichtenkreise und des für die Mitglieder der beiden Organe jeweils unterschiedlich ausgestalteten Pflichtenprogramms bietet es sich an, zwischen Konflikten bei einer Kombination eines Vorstands- und eines Aufsichtsratsmandats einerseits und Konflikten bei Vorliegen eines Vorstandsdoppelmandats andererseits zu unterscheiden. aa) Konflikte bei Kombination von Vorstands- und Aufsichtsratsmandat (1) Vorrang der Geschäftsführungs- vor der Überwachungspflicht Beim Aufeinandertreffen der Geschäftsführungspflichten aus einem Vorstandsund den Überwachungspflichten aus einem Aufsichtsratsmandat ist letztere grundsätzlich nachrangig. Grund dafür ist, dass die Verletzung der Geschäftsführungspflicht wegen der unmittelbaren Einwirkungsmöglichkeiten des Vorstandsmitglieds auf das ihm anvertraute Vermögen das Wohl der Gesellschaft direkt gefährdet, während die Verletzung der gegenläufigen Aufsichtsverpflichtung nur eine mittelbare Gefahr darstellt, die sich schadensbegründend erst dadurch auswirken kann, dass mit dem unzureichend überwachten Vorstand das für die Geschäftsführung originär zuständige Organ selbst fehlerhaft handelt. Die Abwägungsentscheidung lässt sich in diesen Fällen folglich zumeist schon mit Blick auf die formale Gefährdungslage treffen. Verletzt z. B. in dem eingangs78 gebildeten Zuliefererfall V seine Vorstandspflicht gegenüber Z, indem er, ausgerichtet an den Interessen der F, die Verhandlungen mit deren Vorstand nur zögerlich führt, anstatt sich nach besten Kräften für ein gutes Verhandlungsergebnis zugunsten der Z zu verwenden, so wirkt dies unmittelbar zum Nachteil der Z. Stellt V dagegen seine Vorstandspflicht über seine Aufsichtsverantwortung in der F, so sind deren Vermögensinteressen dadurch noch nicht unmittelbar gefährdet: Zum einen bedarf die für sie unvorteilhafte Auftragsvergabe an Z einer entsprechenden Entscheidung des Vorstands der F. Und 77 Zur über die einfachgesetzlichen Generalklauseln in das Privatrecht ausstrahlenden (mittelbaren) Grundrechtswirkung grundlegend BVerfG NJW 1958, 257 (Lüth). Zur Relevanz grundrechtlicher Wertung für privatrechtliche Interessenabwägungen ausführlich Roth/Schubert, in: MünchKomm BGB § 242 Rn. 56 ff. 78 Siehe oben § 12 IV. 1.
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2. Teil, 1. Kap.: Vorstandsinterne Pflichtenkollisionen bei Doppelmandaten
zum zweiten kann der – mindestens dreiköpfige (§ 95 Abs. 1 AktG) – Aufsichtsrat seiner Überwachungsfunktion auch dann gerecht werden, wenn V sich aus Sicht der F pflichtwidrig verhält. Fände der Vorstand der F wider Erwarten nicht schon von sich aus zu der Entscheidung, den Auftrag an den Wettbewerber der Z zu geben, so reichte die einfache Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder aus, ein für die F nachteiliges Geschäft mit Z durch Anordnung und Ausübung eines Vetorechts nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG zu verhindern und das weitere Vorgehen durch gezielte Beratung in die richtigen Bahnen zu lenken. Trotz der abstrakten Gleichrangigkeit der durch die konkurrierenden Vorstands- und Aufsichtsratspflichten geschützten Interessen der betroffenen Gesellschaften ist deshalb das konkrete Schutzbedürfnis der Z unter dem Strich höher zu bewerten als das der vor den Folgen einer Pflichtverletzung des V besser abgeschirmten F. Demzufolge ist der Doppelmandatar V nicht berechtigt, gegenüber der Z nach § 275 Abs. 3 BGB die Geschäftsführung zu verweigern. Ein Leistungsverweigerungsrecht steht ihm dagegen bezüglich der Wahrnehmung seiner Aufsichtspflichten gegenüber der F zu, und zwar in Form eines Rechts zur vollständigen Untätigkeit in der konkreten Angelegenheit.79 (2) Geschäftsführungspflicht aus dem Vorstandsmandat vs. „Geschäftsführungspflicht“ aus dem Aufsichtsratsmandat Die soeben verwendete formale Argumentation verliert ihre Berechtigung in Konfliktsituationen, in denen der Aufsichtsrat selbst geschäftsführend tätig wird. Das ist insbesondere der Fall, wenn er in seiner operativen Funktion als Bestellungsorgan handelt und es darum geht, die Vorstandsposten in der von ihm überwachten Gesellschaft zu besetzen. Beispiel: D ist Vorstandsmitglied der A-AG (A) und Aufsichtsratsvorsitzender der B-AG (B). Als im Vorstand der B die Position des Personalvorstands zu besetzen ist, trägt sich D mit dem Gedanken, dem Aufsichtsratsgremium der B den bei der A als Leiter Zentralbereich Personal beschäftigten P vorzuschlagen. Für das zu besetzende Vorstandsamt bei der B bringt dieser von allen in Frage kommenden Kandidaten die besten Voraussetzungen mit.
Als Aufsichtsratsvorsitzender ist D dafür verantwortlich, Vorstandspositionen bei B optimal zu besetzen.80 Deshalb muss er dem Aufsichtsrat P als Kandidaten vorschlagen und sich für dessen Bestellung stark machen. Damit verstößt er jedoch gegen seine Vorstandspflicht bei der A, die ihm gebietet, in allen Angelegenheiten, die das Interesse der Gesellschaft berühren, allein deren Wohl und nicht den eigenen 79 Die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 275 Abs. 3 BGB auf das Aufsichtsratsverhältnis ergibt sich aus ähnlichen Erwägungen wie sie auch für die Anwendung der Vorschrift auf die vorstandsrechtlichen Organpflichten gelten. Mit der Annahme der Wahl kommt zwischen dem Aufsichtsratsmitglied und der Gesellschaft ein gesellschaftsrechtliches Verpflichtungsverhältnis zustande (Hüffer/Koch, AktG § 101 Rn. 2), kraft dessen das Mitglied zu der in persona zu erbringenden Dienstleistung verpflichtet ist, die Geschäftsführung des Vorstands im Interesse der Gesellschaft zu überwachen (§ 111 Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 AktG). 80 Vgl. Weber, in: Hölters AktG § 84 Rn. 8.
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Nutzen oder den Vorteil anderer im Auge zu haben,81 und ihm daher die Abwerbung von Führungskräften für fremde Unternehmen verbietet. Betrachtet man die formale Gefährdungslage der beiden Gesellschaften, so ist festzustellen, dass eine Weigerung des D, P vorzuschlagen, das Interesse der B an einer optimalen Auswahl nicht nur mittelbar gefährden würde, sondern genauso unmittelbar wie umgekehrt ein Abwerbungsversuch das Interesse der A an einem Verbleib des P gefährdet. Ein Unterschied könnte allenfalls darin gesehen werden, dass im Falle eines unterlassenen Abwerbeversuchs das Interesse der B bei realistischer Betrachtung völlig leerliefe, während im Falle einer Ansprache des P durch D das Behaltensinteresse der A noch nicht vollständig entwertet ist, weil es für einen Wechsel des P ja noch eines weiteren Schrittes, nämlich dessen eigener Wechselzusage, bedürfte und A immer noch die Möglichkeit hätte, P „mit Geld und guten Worten“ zum Bleiben zu motivieren. Weitere Argumente für eine Bevorzugung einer der beiden Gesellschaften lassen sich aus einer isolierten Betrachtung deren beider Interessenlagen jedoch nicht ableiten. Insbesondere bietet der Sachverhalt keine Anhaltspunkte für eine besondere materielle Gefahrenlage einer der beiden Gesellschaften, auf die sich eine Entscheidung für eine Leistungsverweigerung zum Nachteil der anderen stützen ließe. Eine für die Interessenabwägung ausschlaggebende Aufwertung des Abwerbeinteresses der B folgt letztlich aber aus einer Überlegung, die mittelbar auch die Belange des P mit einbezieht: Im Wettbewerb um die besten Führungskräfte auf einem freien Arbeitsmarkt hat kein Unternehmen das Recht, die Berufsfreiheit seiner Mitarbeiter in der Weise zu beschränken, dass es sie vor der Abwerbung durch andere Arbeitgeber abschottet. Das „Bewahrungsinteresse“ des bisherigen Arbeitgebers wird hinreichend geschützt durch die Mitarbeiterpflicht zur Einhaltung gesetzlicher oder vertraglicher Kündigungsfristen sowie die Möglichkeit, einen Wechsel durch Wettbewerbsverbote zu erschweren. Werden diese Regularien seitens des wechselwilligen Mitarbeiters eingehalten und auch durch den potentiellen neuen Arbeitgeber nicht durch zum Vertragsbruch verleitende Angebote rechtswidrig unterlaufen, dann ist dessen Interesse, den Kandidaten abwerben zu können, rechtlich höher zu gewichten als das Interesse des aktuellen Beschäftigungsunternehmens, Abwerbungen zu unterbinden. Folglich ist es D zumutbar, seiner Verpflichtung als Aufsichtsratsvorsitzender nachzukommen und P für die Vorstandsposition bei B vorzuschlagen, obwohl er dies als Vorstandsmitglied der A unterlassen müsste. Im Gegenzug darf er sich gegenüber der A gem. § 275 Abs. 3 BGB weigern, die Abwerbung des P zu unterlassen. Das vorstehend Gesagte gilt erst recht, wenn sich P bei D als Aufsichtsratsvorsitzendem der B um den vakanten Vorstandsposten selbst beworben hätte oder sich von einer Personalagentur hätte vorschlagen lassen. Eine Nichtberücksichtigung des P durch D ließe sich mit dem allgemeinen Interesse der A, ihn als Mitarbeiter zu behalten, nicht rechtfertigen. Als Arbeitgeberin des P muss A dessen Anstrengungen auf dem Arbeitsmarkt zwar nicht aktiv unterstützen. Verwehrt ist es ihr jedoch, P in 81 Hopt, in: Großkomm AktG § 93 Rn. 145; Krieger/Sailer-Coceani, in: Schmidt/Lutter AktG § 93 Rn. 16; Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 93 Rn. 96 f.
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2. Teil, 1. Kap.: Vorstandsinterne Pflichtenkollisionen bei Doppelmandaten
seiner Berufsfreiheit zu beeinträchtigen, indem sie – hier mittels des D – seine Bewerbung bei einem andern Unternehmen hintertreibt.82 Der Vorrang der Interessen der B ergäbe sich in diesem Fall bereits aus dieser der A gegenüber P obliegenden Pflichtenstellung und damit in Form einer absoluten Abwägungsschranke. (3) (Weitere) Scheinkonflikte Der Vorrang absolut geschützter Rechtspositionen führt, zusätzlich zu der letzten Variante des soeben gebildeten Abwerbungsfalls, noch in weiteren Konstellationen – bisweilen recht offensichtlich, bisweilen auch etwas verdeckter – zu einer die Abwägung der betroffenen Gesellschaftsinteressen von vornherein ausschließenden vorgelagerten Entscheidung. So ließe sich der schon bekannte Zulieferfall etwa dahingehend abwandeln, dass V dem Wunsch der Z-AG an der Erlangung des Lieferauftrags dadurch Nachdruck verleiht, dass er den Vorstandsmitgliedern der F-AG für den Fall des Vertragsabschlusses eine „Provision“ in Aussicht stellt, oder ihnen durch offene oder verdeckte Andeutungen zu erkennen gibt, dass er ihre Wiederbestellung im Aufsichtsrat – je nach Verhandlungsergebnis – aktiv unterstützen oder negativ beeinflussen werde. Seine Einflussnahme könnte V in einem solchen Fall nicht mit der vorrangigen Schutzwürdigkeit der Z-AG rechtfertigen. Denn das Interesse einer Aktiengesellschaft, ihre geschäftlichen Ziele mit illegalen – konkret: sittenwidrigen oder mit Strafe bedrohten (erpresserischen) – Mitteln durchzusetzen, wird von der Rechtsordnung generell nicht als schutzwürdig anerkannt. Dabei spielt es keine Rolle, ob das unlautere Mittel z. B. im sittenwidrigen Angebot von Schmiergeldzahlungen liegt, mit dem Aufsichtsratsamt also gar nichts zu tun hat, oder ob der Doppelmandatar seine Aufsichtsratsfunktion gezielt als Drohpotential einsetzt, um sich den von seinem Wohlwollen abhängigen Vorstand in den Verhandlungen gefügig zu machen. Weder in dem einen noch in dem anderen Fall ist ein Doppelmandatsträger zum Einsatz derartiger Mittel im Interesse „seiner“, d. h. in diesem Fall der von ihm zu leitenden, Gesellschaft verpflichtet, eine inhaltlich darauf gerichtete Pflicht zur Geschäftsführung würde nach § 134 oder § 138 BGB gar nicht erst entstehen. Derartige Entscheidungssituationen fallen deshalb nicht in den Anwendungsbereich des § 275 Abs. 3 BGB, weil es von vornherein an einem echten Konfliktverhältnis zwischen zwei rechtlich geschützten Interessen bzw. zwei rechtswirksam entstandenen Pflichten fehlt. Materiell-rechtlich handelt es sich hier um Scheinkonflikte. In die Kategorie der Scheinkonflikte gehört wohl auch der vom Bundesgerichtshof in seinem Schaffgotsch-Urteil83 entschiedene Sachverhalt. Im konkreten Fall war der Beklagte sowohl Aufsichtsratsmitglied der klagenden AG als auch persönlich haftender Gesellschafter eines Bankhauses. Das Bankhaus war krisenbedingt angeschlagen. Um seine Liquidität zu stützen, bedrängte der Beklagte deshalb den Vorstand der AG gegen dessen anfänglichen Widerstand, aber letztlich 82 83
Vgl. Reichold, in: MünchHdb ArbR § 83 Rn. 14. BGH NJW 1980, 1629.
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doch mit Erfolg, aus Gefälligkeit einen Wechsel auszustellen, wobei bereits zu diesem Zeitpunkt absehbar war, dass das Geschäft zu einer Schädigung der AG führen würde. Als die Bank in die Insolvenz geriet, nahm die Klägerin den Beklagten wegen Verletzung seiner Aufsichtsratspflichten auf Schadensersatz in Anspruch. Dieser rechtfertigte sein Verhalten, indem er sich u. a. darauf berief, er habe das Wechselgeschäft ausschließlich in seiner Eigenschaft als Vertreter des Bankhauses initiiert und damit seine ihm dort obliegenden Pflichten wahrgenommen. Der BGH ließ diese Argumentation nicht gelten. Die Spaltung einer Person mit kollidierenden Pflichten in solche Verhaltensweisen, die nur dem einen, nicht aber zugleich dem anderen Verantwortungsbereich zugeordnet werden können, sei dann nicht möglich, wenn tatsächlich beide Bereiche betroffen seien. Interessenkollisionen seien, wenn ein Aufsichtsratsmitglied zwei Gesellschaften angehöre, auch grundsätzlich nicht in dem Sinne entlastend, dass die Pflichterfüllung gegenüber der einen die Pflichtverletzung gegenüber der anderen Gesellschaft rechtfertigen könnte.84 Veranlasse ein Aufsichtsratsmitglied, dessen Verantwortung es sei, geschäftsschädigendes Verhalten der Verwaltung von der Gesellschaft abzuwenden, den Vorstand zum Abschluss eines schädlichen Geschäfts mit einem Unternehmen, dem er selbst geschäftsführend angehöre, sei dieses Verhalten trotz seiner gegenläufiger Interessen und Pflichten jener Gesellschaft gegenüber pflichtwidrig und von ihm zu vertreten. Ausgehend von der Feststellung, dass der Beklagte eine „Person mit kollidierenden Pflichten“ sei,85 hätte es an sich nahe gelegen, beide Pflichtenkreise eingehend zu untersuchen und sich, daran anknüpfend, mit ihrem Rangverhältnis in der konkreten Situation auseinanderzusetzen. Der BGH geht auf den Inhalt der Pflicht des Beklagten gegenüber der Bank aber nicht näher ein, sondern verurteilt dessen Verhalten ausschließlich unter dem Blickwinkel seiner Aufsichtsfunktion bei der AG mit der Feststellung, die Pflichterfüllung gegenüber dem Bankhaus könne die Pflichtverletzung gegenüber der zu beaufsichtigenden AG grundsätzlich nicht rechtfertigen. Der BGH spricht in seinem Leitsatz zwar von der Möglichkeit einer Rechtfertigung, vermeidet es aber, zu erklären, was er darunter versteht und unter welchen Voraussetzungen eine solche in Betracht zu ziehen ist. Dass der Entscheidung im Ergebnis gleichwohl zuzustimmen ist, hat seinen Grund darin, dass auch hier bei Lichte besehen gar keine echte Pflichtenkollision vorlag. Der Beklagte war gegenüber der insolvenzbedrohten Bank nicht verpflichtet, deren Interesse an einem diskontfähigen Papier in der Weise durchzusetzen, dass er den Vorstand der Klägerin trotz dessen anfänglicher Weigerung unter bewusster – möglicherweise nicht beabsichtigter, vom Vorstand aber höchstwahrscheinlich so empfundener – Ausnutzung seiner Machtposition als Aufsichtsratsvorsitzender gezielt am Kontrollorgan Aufsichtrat vorbei fortgesetzt bedrängte, ein für die Klägerin nutzloses Wechselgeschäft einzugehen, von dem zumindest für den Beklagten erkennbar war, dass es ihr überdies zum Schaden gereichen würde. Der absehbare 84 85
BGH a.a.O., S. 1630. BGH a.a.O., S. 1630.
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Zusammenbruch des Bankhauses und die Gesamtumstände seines Vorgehens lassen den Schluss zu, dass der Beklagte den Protest des Wechsels zum Schaden der Klägerin bewusst in Kauf nahm. Damit erfüllte er den Tatbestand der sittenwidrigen Schädigung der Klägerin86 und ging so deutlich über die Grenze dessen hinaus, wozu er als Vertreter der Bank im rechtsgeschäftlichen Verkehr mit der Klägerin berechtigt und verpflichtet war. Sein Vorgehen als Aufsichtsratsvorsitzender der Klägerin war deshalb zweifellos pflichtwidrig, aber nicht, wie der BGH es sah, „trotz seiner gegenläufigen Interessen und Pflichten“87 gegenüber der Bank. Denn so, wie die Dinge lagen, stand der Verpflichtung des Beklagten aus seinem Aufsichtsratsamt, gesellschaftsschädigendes Verhalten des Vorstands der Klägerin abzuwenden, eine rechtlich wirksame Pflicht aus seinem Verhältnis zur Bank gar nicht entgegen. Die Bank besaß kein schutzwürdiges Interesse daran, dass der Beklagte den Vorstand der Klägerin unter Missbrauch seines Einflusses als Aufsichtsratsvorsitzender dazu verleitete, das Vermögen der Klägerin zu ihren (der Bank) Gunsten unangemessen zu gefährden. Für die rechtliche Betrachtung relevant war deshalb allein seine Pflichtverletzung gegenüber der Klägerin. Deswegen hat ihn der BGH zu Recht verurteilt, der Klägerin den Schaden gem. §§ 116, 93 Abs. 2 Satz 1 AktG zu ersetzen. Ein weiterer Scheinkonflikt tritt schließlich zu Tage, wenn die strafbewehrte Schweigepflicht des Doppelmandatars aus seinem Aufsichtsratsamt gem. § 116 Satz 2 AktG und seine Vorstandspflicht, alle für eine Vorstandsentscheidung erforderlichen Informationen in den Entscheidungsprozess einzubringen, aufeinander treffen. Beispiel: V, Vorstandsmitglied des Automobilherstellers A-AG (A), erfährt im Aufsichtsrat des Automobilzulieferers Z-AG (Z), dem er ebenfalls angehört, dass Z in Geheimverhandlungen mit dem Forschungsunternehmen P steht, um gemeinsam eine patentreife Neuentwicklung von P marktfähig zu machen. Um sich einen Wettbewerbsvorteil sichern zu können, wäre es für die A von großem Interesse, das Projekt selbst exklusiv mit P zu betreiben und damit zu verhindern, dass Z das neue System auch den Wettbewerbern der A anbietet.
Zwar ist es V trotz seiner Mitgliedschaft im Aufsichtsrat grundsätzlich erlaubt, der Z in seiner Eigenschaft als Vorstandsmitglied der A Wettbewerb zu machen. Und als Vorstandsmitglied hat er sogar die Pflicht, ihm zu Ohren kommenden attraktiven Geschäftschancen für A nachzugehen, um sie für sie zu nutzen. Hier hat er von der für A interessanten Neuentwicklung allerdings im Zusammenhang mit seiner Aufsichtsratstätigkeit bei Z erfahren. Gem. § 116 Satz 2 i. V. m. § 404 Abs. 1 Nr. 2 AktG ist es einem Aufsichtsratsmitglied bei Androhung einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren verboten, ein Geschäftsgeheimnis der zu beaufsichtigenden Gesellschaft, das ihm durch seiner Zugehörigkeit zum Aufsichtsrat bekannt geworden ist, unbefugt zu offenbaren. Diesen Straftatbestand des Geheimnisverrats würde V erfüllen, wenn er die vertrauliche Information über die Neuentwicklung der P und deren Verhand86 87
Bedingter Vorsatz ist insoweit ausreichend (BGHZ 147, 278). BGH, a.a.O., S. 1630.
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lungen mit Z der A zugänglich machen und ihr so die Möglichkeit eröffnen würde, sich durch ein deutlich höheres Angebot an P hinter dem Rücken der Z ein neues Geschäft zu erschließen. Der Sachverhalt enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass der Geheimnisverrat ausnahmsweise gerechtfertigt sein könnte. Namentlich reicht das Interesse der A an dem Geschäft mit P für eine solche Rechtfertigung nicht aus. Die Strafbewehrung, die § 404 Abs. 1 Nr. 2 AktG für Verstöße gegen die Verschwiegenheitspflicht vorsieht, führt dazu, dass das Interesse der B gegenüber dem im konkreten Fall gesetzlich nicht spezifisch aufgewerteten Interesse der A Vorrang genießt.88 Der bei Strafe verbotene Bruch der gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht zulasten der Z kann nach § 134 BGB nicht Gegenstand der A geschuldeten Geschäftsführungsleistung des V sein. Auch hier liegt somit von vornherein kein Anwendungsfall des § 275 Abs. 3 BGB vor. Bei einer Weitergabe der Information wäre V der Z daher gem. §§ 116, 93 Abs. 2 Satz 1 AktG ohne weiteres zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet und riskiert überdies seine Abberufung gem. § 103 Abs. 3 AktG. bb) Konflikte bei Kombination zweier Vorstandsmandate Auch beim Zusammentreffen zweier Vorstandsmandate lassen sich abstrakte Wertunterschiede zwischen den jeweils geschützten Rechtsgütern nicht ausmachen, so dass hier ebenfalls auf die konkrete Schutzbedürftigkeit der konkurrierenden Rechtsgüter im Einzelfall abzustellen ist. Auch hier ist die für den Fall einer Leistungsverweigerung durch den Doppelmandatsträger eintretende Gefährdungslage für jede der betroffenen Gesellschaften sowohl unter Beachtung seiner formalen Rechtsstellung als auch der materiellen Gewichtigkeit der betroffenen Belange zu ermitteln. Beispiel: V ist Einkaufsvorstand beim global agierenden Automobilzulieferer Z. Daneben leitet er als Mitglied eines Zweipersonenvorstands die S-AG (S), die als Nischenanbieter auf Einzelbestellung Sportwagen herstellt. Auf Vorschlag der beiden für Finanzen und Produktion zuständigen Mitglieder F und P wird im Vorstand der Z darüber beraten, die Verluste des zwar prestigeträchtigen, wegen zu geringen Liefervolumens aber unrentablen Geschäfts mit S nicht länger durch Quersubventionierungen aus anderen Bereichen auszugleichen, sondern die Lieferbeziehungen so rasch wie möglich zu beenden. Die Ergebniswirksamkeit dieser Maßnahme würde sich im Promille-Bereich bewegen. Die Mitarbeiter, die mit der Herstellung der Zulieferteile bisher beschäftigt waren, könnten zu ihren bisherigen Bedingungen in anderen Bereichen weiterbeschäftigt werden. Verglichen mit den bei Z zu erzielenden Einsparungen würden bei S, bedingt durch Produktionsausfall und den langwierigen und kostspieligen Aufbau eines neuen kompetenten Zulieferers für die benötigten Spezialteile, existenzbedrohende Ergebnisverluste im zweistelligen Prozentbereich anfallen. Wegen vorübergehend stillstehender Bänder müssten zahlreiche Mitarbeiter aus der Produktion zeitwiese in Kurzarbeit beschäftigt werden. 88 Vgl. Hefendehl, in: Spindler/Stilz AktG § 404 Rn. 53 (Informationsweitergabe aus Gründen eines Doppelmandats „regelmäßig nicht gerechtfertigt.“); ebenso Ulsenheimer, NJW 1975, 1999, 2002.
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Bei isolierter Betrachtung jedes Pflichtenkreises ist Vals Vorstandsmitglied der Z verpflichtet, die Verlustbereinigung im Interesse der Z mitzubeschließen. Als Vorstandsmitglied der S muss er hingegen seinen Einfluss im Vorstand der Z mit dem Ziel ausüben, dass die Maßnahme unterbleibt. Zwar stehen mit den Vermögensinteressen der Gesellschaften und den Interessen der betroffenen Arbeitnehmer auf beiden Seiten jeweils gleichartige und abstrakt gleichrangige Rechtsgüter. Eine Abwägung dieser Rechtsgüter im konkreten Fall ergibt jedoch, dass die auf Seiten der S betroffenen Interessen durch ein ihr gegenüber pflichtwidriges Handeln des V deutlich stärker gefährdet wären, als die Interessen der Z im umgekehrten Fall. Dies gilt sowohl aus formaler Sicht aber auch in Bezug auf die jeweilige materielle Betroffenheit der Belange. So ist zum einen Z auf die Mitwirkung des V nicht zwingend angewiesen, vielmehr kann – notfalls nach einer Änderung der Geschäftsordnung des Vorstands – das Vertragsverhältnis mit der Mehrheit der nicht befangenen Vorstandsmitglieder ohne Beteiligung des V, ja sogar gegen seinen erklärten Willen beendet werden. S hat umgekehrt keine vergleichbare Möglichkeit, ihre Interessen durchzusetzen, wenn V sich ihr gegenüber pflichtwidrig verhält und im Vorstand der Z das Ende der Beziehungen mitbeschließt. Zum anderen ist auch das konkrete Ausmaß der bei einer Pflichtverletzung jeweils drohenden materiellen Schäden bei S deutlich höher als bei Z. Das gilt sowohl für die Gewinninteressen der Gesellschaft als auch für die Betroffenheit der Arbeitnehmer. Dies zusammengenommen macht für V die Pflichterfüllung gegenüber S deutlich eher zumutbar als gegenüber der Z. Für V bedeutet das, dass er im Interesse der S im Vorstand der Z gegen die Beendigung der Lieferbeziehungen eintreten muss. Dahinter tritt seine Pflicht, sich als Vorstandsmitglied der Z für eine Vertragskündigung einzusetzen, zurück. Dafür zu sorgen, dass im Vorstand der Z trotzdem eine in ihrem (der Z) Interesse liegende Entscheidung getroffen wird, ist dann Aufgabe der übrigen Vorstandsmitglieder und ggf. des Aufsichtsrats der Z.
V. Schutz der Gesellschaftsinteressen 1. Primärebene Der Grundsatz der Pflichtenrelativität beeinflusst nur die Rechtsstellung des Doppelmandatsträgers selbst. Auf die Pflichten der nicht verflochtenen Vorstandsund Aufsichtsratsmitglieder der involvierten Gesellschaften wirkt er sich nicht aus. Allesamt sind sie nach wie vor allein auf die Interessen „ihrer“ Gesellschaft verpflichtet, die sie mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln89 gegen das Sonderinteresse des Doppelmandatars behaupten müssen. 89 Siehe dazu oben § 6 II. und § 7. Soweit der Doppelmandatar in seiner Rolle als Aufsichtsratsmitglied betroffen ist, gelten die allgemeinen Grundsätze zur Bewältigung von Interessenkonflikten im Aufsichtsrat; vgl. hierzu die umfangreich erschienene Spezialliteratur (z. B. Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 894 ff.; Marsch-
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2. Haftungsrecht Bezüglich des haftungsrechtlichen Schutzes der betroffenen Gesellschaften sind zwei Anknüpfungspunkte zu unterscheiden. Zum einen kann sich eine Haftung des Doppelmandatsträgers daraus ergeben, dass er seine Mitwirkung in der Konfliktangelegenheit verweigert. Zum anderen ist zu überprüfen, inwieweit sich eine Haftung aus dem Umstand begründen lässt, dass der Doppelmandatar den weiteren Pflichtenkreis überhaupt übernommen hat. Beide Fragen stellen sich wiederum sowohl aus vorstandsrechtlicher Sicht als auch, bei Kombination eines Vorstandsund eines Aufsichtsratsmandats, aus Sicht der zu überwachenden Gesellschaft. a) Haftung wegen konfliktbedingter Verweigerung der Pflichterfüllung Ein Doppelmandatar, der, gleichviel ob in seiner Rolle als Vorstands- oder als Aufsichtsratsmitglied, seinen Mandatspflichten nicht nachkommt, ohne dazu nach § 275 Abs. 3 BGB berechtigt zu sein, haftet der betroffenen Gesellschaft für einen dadurch entstandenen Schaden nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG (als Aufsichtsratsmitglied i. V. m. § 116 AktG). Eine Haftungsprivilegierung nach den Grundsätzen der Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG kommt ihm schon deshalb nicht zugute, weil die Bestimmung der Pflichtenrangfolge nicht in seinem unternehmerischen Ermessen liegt, sondern darüber die Rechtsordnung entscheidet. Außerdem kann er bei der Ausübung seines (vermeintlichen) Leistungsverweigerungsrechts gegenüber der Gesellschaft nicht „vernünftigerweise annehmen“, zu ihrem Wohl zu handeln, wo er doch gerade ihre Interessen zugunsten der anderen Gesellschaft zurückstellt. Zugute kommt ihm allerdings, dass von einem rechtmäßigen Handeln bereits dann auszugehen ist, wenn seine Entscheidung über die Zurücksetzung des einen und die Bevorzugung des anderen Pflichtenkreises objektiv vertretbar und sachlich angemessen ist. Dass für den Schaden ggf. auch weitere Vorstands- und/oder Aufsichtsratsmitglieder mitverantwortlich und gem. § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG selbst ersatzpflichtig sind, entlastet den Doppelmandatar nicht. Ein Fremdverschulden in Form pflichtwidrigen Verhaltens des Vorstands und/oder mangelnder Überwachung durch den Aufsichtsrat führt nicht zur Anwendung des § 254 Abs. 1 BGB. Vielmehr bilden alle für den Schaden mitverantwortlichen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder eine gesamtschuldnerische Haftungsgemeinschaft (§ 117 Abs. 2 Satz 1 AktG).90
Barner, in: Semler/v. Schenck ArbHdb Aufsichtsrat § 13 Rn. 79 ff. m. w. N.; Matthießen, Stimmrecht und Interessenkollision im Aufsichtsrat). 90 BGH NJW 1983, 1856.
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b) Haftung wegen pflichtwidriger Mandatsübernahme aa) Vorstandsdoppelmandate Hat sich der Doppelmandatar in richtiger Einschätzung der Pflichtenlage gem. § 275 Abs. 3 BGB berechtigterweise von der geringerwertigen Pflicht befreit, so befreit ihn dies nicht auch ipso iure von der Schadensersatzpflicht. Zwar ist ihm nicht vorzuwerfen, dass er in der konkreten Konfliktsituation die Erfüllung der nachrangigen Pflicht verweigert. Zur Leistung von Schadensersatz wegen Nichterfüllung kann er aber unter dem Gesichtspunkt des Übernahmeverschuldens verpflichtet sein, nämlich dann, wenn er die Kollisionslage, auf die er sein Leistungsverweigerungsrecht aktuell stützt, durch die Annahme des zweiten Mandats pflichtwidrig und schuldhaft herbeigeführt und bereits dadurch eine adäquate Ursache für den späteren Schadenseintritt gesetzt hat.91 Zwar ist gegen die Annahme eines weiteren Vorstandsamts in einer anderen Gesellschaft an sich rechtlich nichts einzuwenden. Auch die von Lutter unter dem Begriff der „speziellen Inkompatibilität“ vertretene Auffassung, dass Doppelmandate jedenfalls dann unzulässig seien, wenn sie zu dauerhaften Pflichtenkonflikten führen können,92 hat sich zu Recht nicht durchgesetzt; ein Verbot von Doppelmandaten wegen potentieller Pflichtenkonflikte jenseits der klar abgegrenzten Inkompatibilitätsregeln des Aktienrechts widerspricht dem bei Organisations- und Zuständigkeitsregelungen zu beachtenden Gebot der Rechtssicherheit und ist de lege lata nicht zu begründen.93 Haftungsrechtlich lassen sich die Erwägungen Lutters allerdings fruchtbar machen. Aufgrund ihrer organschaftlichen Treuepflicht müssen Vorstandsmitglieder Interessenkonflikte weitestmöglich vermeiden.94 Deshalb ist die Übernahme eines weiteren treuhänderisch zu verwaltenden Verantwortungsbereichs mit der Treuepflicht nicht zu vereinbaren, wenn bereits zum Zeitpunkt dieser Entscheidung ersichtlich ist, dass die mit dem weiteren Amt verbunden Pflichten mit denen gegenüber der Erstgesellschaft kollidieren können. Zweifellos ist das insbesondere beim Einrücken in den Vorstand eines Wettbewerbers der bisher schon geleiteten Gesellschaft der Fall. Jede strategische Entscheidung, die zugunsten der einen Gesellschaft zu treffen ist, wirkt in diesen Fällen nachteilig auf die andere Gesellschaft ein. Außer in diesen Wettbewerbskonstellationen ist die Übernahme eines weiteren Vorstandsamtes ferner dann pflichtwidrig, wenn die betreffenden Gesellschaften zueinander in einer dauerhaften Geschäftsbeziehung stehen, insbesondere in einem Kunden-Lieferanten-Verhältnis. Jeder Geschäftsab91
Löwisch, AcP 165, S. 421, 450. Lutter behandelt das Problem speziell für den Fall des doppelten Aufsichtsratsmandats und leitet die Unzulässigkeit konfliktauslösender Doppelmandate hier aus den §§ 116, 93 AktG und der daraus folgenden Pflicht der Aufsichtsratsmitglieder „zu ordnungsgemäßer Ausführung und Ausfüllung des Amtes“ ab. Die Situation eines dauerhaften Pflichtenkonflikts trete insbesondere ein, wenn die betroffenen Gesellschaften in „aktuellem und relevantem Wettbewerb“ stünden (ZHR 145 (1981), 224, 237 f.). 93 Nachweise zur Zulässigkeit von Vorstandsdoppelmandaten bereits oben, Fn. 11. 94 Fleischer, WM 2003, 1045, 1049. 92
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schluss zwischen ihnen wäre – von vornherein erkennbar – konfliktbelastet. Die organschaftliche Treuepflicht verbietet dem Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft, solche Situationen zu begründen. Tut es dies dennoch, so kann es sich, wenn der Konfliktfall dann eintritt und es gezwungenermaßen von seinem Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch macht, gegenüber der benachteiligten Gesellschaft, nicht mehr mit haftungsbefreiender Wirkung auf die Rechtmäßigkeit seines Handelns berufen.95 Die Rechtsordnung hilft dem Doppelmandatar zwar insoweit, als sie ihn aus der selbst verursachten Kalamität befreit, zwei nicht miteinander vereinbare Handlungsgebote erfüllen zu müssen. Sie nimmt ihm aber nicht obendrein auch noch „den wirtschaftlichen Druck, der darin liegt, daß er sich aufgrund seines eigenen Verhaltens einer Schadensersatzpflicht ausgesetzt sieht“,96 wenn er der geringerwertigen Pflicht nicht folgt. Da der Anknüpfungspunkt dieser Haftung nicht in einer als Organmitglied getroffenen unternehmerischen Entscheidung, sondern bereits in der pflichtwidrigen Mandatsübernahme liegt, kommt eine Haftungsprivilegierung gem. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG nicht in Frage. Bei der Bemessung der Anspruchshöhe ist allerdings gem. § 254 Abs. 1 BGB zu Gunsten des Doppelmandatars zu berücksichtigen, dass die geschädigte Gesellschaft, gem. § 112 AktG vertreten durch ihren Aufsichtsrat, seiner doppelten Pflichtenstellung nach § 88 Abs. 1 Satz 2 AktG zugestimmt hat. Sie trägt damit für die Entstehung der Kollisionslage, an die die Schadensersatzhaftung des Doppelmandatars anknüpft, keine geringere Verantwortung als er selbst, so dass grundsätzlich eine hälftige Schadensteilung angemessen erscheint. Eine die Anwendung des § 254 BGB ausschließende Haftungsgemeinschaft zwischen Vorstandsmitglied und Aufsichtsrat gegenüber der geschädigten Gesellschaft besteht in diesem Fall nicht. Denn anders als dort, wo der Vorstand als Ausführungs- und der Aufsichtsrat als Überwachungsorgan der Gesellschaft intern gemeinschaftlich für die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung verantwortlich sind,97 tritt der Aufsichtsrat dem zu diesem Zeitpunkt noch externen Vorstandsmitglied bei dessen Bestellung und Befreiung vom Wettbewerbsverbot (§§ 84, 88 AktG) als alleiniger Repräsentant der Gesellschaft gegenüber. Schafft er dabei eine Ausgangslage, die 95 Ob ein Vorstandsmitglied der von ihm geleiteten Gesellschaft unter dem Gesichtspunkt des Übernahmeverschuldens gem. § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG schadensersatzpflichtig ist, wenn er ihr als Aufsichtsratsvorsitzender einer anderen Gesellschaft berechtigterweise einen Mitarbeiter abgeworben hat (siehe dazu oben § 12 IV. 2. b) aa) (2), hängt davon ab, ob er mit dem Konflikt rechnen musste, als er das zweite Mandat annahm. Davon wird man, auch wenn die beteiligten Gesellschaften nicht Wettberber sind oder in ständigen Lieferbeziehungen stehen, grundsätzlich ausgehen müssen, denn der Markt für vorstandsgeeignete Kandidaten ist überschaubar. Deshalb ist es nicht ungewöhnlich, dass ein Aufsichtsratsvorsitzender bei der Suche nach einem geeigneten Bewerber auf eine Person stößt, die aus eben dem Unternehmen stammt, in dem er selbst Vorstandsmitglied ist. Gerade seine eigene Position als Organmitglied in beiden Gesellschaften zeigt ihm, dass diese sich nicht so fern stehen, als dass nicht Führungskräfte der einen grundsätzlich auch für die andere Gesellschaft in Frage kommen können. 96 Löwisch, a.a.O., S. 450. 97 Vgl. oben § 12 V. 2. a).
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2. Teil, 1. Kap.: Vorstandsinterne Pflichtenkollisionen bei Doppelmandaten
das Vorstandsmitglied bei der Erfüllung seiner Pflichten erkennbar in Konflikte bringen kann, so muss sich die Gesellschaft dieses Verhalten des Aufsichtsrats im Rahmen des § 254 Abs. 1 BGB als eigenen schadensverursachenden Beitrag anrechnen lassen.98 bb) Kombination von Vorstands- und Aufsichtsratsmandat Normalerweise lassen sich Vorstands- und Aufsichtsratsamt eines Doppelmandatsträgers konfliktfrei ausüben. Handelt es sich bei den beteiligten Gesellschaften jedoch um Konkurrenten oder stehen sie in einem Kunden-/Lieferantenverhältnis zueinander, sind Pflichtenkonflikte zu erwarten. Deshalb haftet der Doppelmandatar der zu beaufsichtigenden Gesellschaft unter dem Aspekt des Übernahmeverschuldens gem. §§ 116, 93 Abs. 2 Satz 1 AktG auf Schadensersatz, wenn er im konkreten Konfliktfall seiner Überwachungspflicht unter Berufung auf die entgegenstehende höherrangige Vorstandspflicht nach § 275 Abs. 3 BGB nicht nachkommt. In der Praxis dürfte eine solche Schadenshaftung indes bedeutungslos sein, weil der Vorstand wie auch die übrigen Aufsichtsratsmitglieder der zu überwachenden Gesellschaft das Gebaren des Doppelmandatars im Hinblick auf seine bekannte Doppelrolle besonders kritisch beobachten und nachteilige Auswirkungen für die Gesellschaft abwehren werden.
§ 13 Doppelmandate im Aktienkonzern I. Inhalt und Zweck Während Interessengegensätze zwischen zwei Gesellschaften außerhalb eines Konzerns eher zufällig entstehen, sind widerstreitende Interessen in Konzernverhältnissen institutionalisiert. Die Konzernbildung dient der Bündelung der Fähigkeiten der rechtlich jeweils selbständigen Konzerngesellschaften.99 Ziele sind u. a. die Stärkung der Marktmacht gegenüber Wettbewerbern, die Verbesserung der Konditionen bei Lieferanten und Abnehmern, die Erleichterung des Zugangs zu Kapital- und Kreditgebern, eine erhöhte Unabhängigkeit von fremden Zulieferunternehmen sowie ein insgesamt optimierter Ressourceneinsatz.100 Eine solche Hebung von Synergien zugunsten des Gesamtkonzerns erfordert gruppeninterne Umverteilungsmaßnahmen. Entwicklungspotentiale und Fachwissen der einzelnen Konzerngesellschaften müssen sinnvoll gebündelt und weiterentwickelt, Finanzmittel und sonstige Ressourcen dort eingesetzt werden, wo es für die Unterneh98
In diese Richtung (zu berücksichtigendes Mitverschulden der Gesellschaft bei mangelhafter Auswahl eines Vorstandsmitglieds) auch Thümmel, Persönliche Haftung von Managern und Aufsichtsräten, Rn. 221. 99 Altmeppen, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., §§ 291 ff. Einleitung Rn. 21. 100 Altmeppen, a.a.O.
§ 13 Doppelmandate im Aktienkonzern
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mensgruppe in ihrer Gesamtheit am effektivsten ist.101 Während die Bedeutung bestimmter Gesellschaften in der Unternehmensgruppe auf diese Weise gestärkt wird, werden andere Konzernglieder geschwächt oder stagnieren zumindest in ihrer Entwicklung. Für einen Doppelmandatsträger, der in mehreren Konzerngesellschaften tätig ist, kann sich die Situation, dass er mit Entscheidungen befasst ist, die sich für die eine Gesellschaft vorteilhaft, für die andere aber nachteilig auswirken, deshalb verhältnismäßig häufig ergeben. Die Erwartungshaltung an ihn ist dabei eine zweifache: Aus Sicht der Obergesellschaft geht es darum, dass er das Konzerninteresse und die im Vorstand der Obergesellschaft beschlossene Konzernstrategie in die untergeordnete Gesellschaft transportiert.102Als in der Obergesellschaft unmittelbar Beteiligter kann der Doppelmandatar die Konzernlinie in der Untergesellschaft erklären und die Hintergründe und Motive erläutern, die die Konzernspitze zu ihrer Entscheidung veranlasst haben.103 Schließlich kann er auch sein Mandat in der Untergesellschaft nutzen, um an der operativen Umsetzung der „von oben“ gewünschten Maßnahme mitzuwirken. Daneben richten sich Erwartungen an den Doppelmandatsträger auch aus der Untergesellschaft. Auch diese will ihre Interessen berücksichtigt und in die Entscheidungsprozesse der Obergesellschaft eingebracht wissen.104 Da eine konzernrechtliche Verbindung zwischen zwei Gesellschaften an deren grundsätzlicher rechtlicher Selbständigkeit nichts ändert, haben diese aus Richtung beider Gesellschaften kommenden Forderungen im Grundsatz auch jeweils ihre Berechtigung. Auch in Konzernsachverhalten sieht sich der Doppelmandatsträger damit im Schnittpunkt kollidierender, abstrakt gleichwertiger Pflichtenkreise. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Bedeutung der Belange der Untergesellschaft im Verhältnis zum herrschenden Unternehmen aus rechtlicher Sicht desto stärker abnimmt, je weiter die Konzernierung zwischen den Gesellschaften voranschreitet. Inwieweit das genau der Fall ist und in welcher Weise dadurch die Grundsätze zu modifizieren sind, die in § 12 für Doppelmandate in unverbundenen Unternehmen entwickelt wurden, ist im Folgenden für jede der im Gesetz angelegten unterschiedlichen Konzernierungsstufen – faktischer Konzern, Vertragskonzern, Eingliederungskonzern – separat zu ermitteln.
101 Eversberg, Doppelvorstände im Konzern, S. 70 f.; ähnlich Streyl, Zur konzernrechtlichen Problematik von Vorstandsdoppelmandaten, S. 169. 102 Hierzu z. B. Altmeppen, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 311 Rn. 97 („Vorstandsdoppelmandat „von oben nach unten“); Anders, Vorstandsdoppelmandate, S. 64. Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), S. 570, 578. 103 Anders, Vorstandsdoppelmandate, S. 64; ähnlich Eversberg, Doppelvorstände im Konzern, S. 26 ff. 104 Altmeppen, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 311 Rn. 97 („Vorstandsdoppelmandat „von unten nach oben“); Anders, Vorstandsdoppelmandate, S. 68 ff.; HoffmannBecking, ZHR 150 (1986), S. 570, 578.
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2. Teil, 1. Kap.: Vorstandsinterne Pflichtenkollisionen bei Doppelmandaten
II. Pflichtenkonflikte bei Doppelmandaten im faktischen Konzern 1. Konzernrechtliches Regelungsumfeld a) Grenzen der Zulässigkeit von Doppelmandaten Die Zulässigkeit von Doppelmandaten in Konzernen unterliegt gewissen Einschränkungen. So kann nach § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AktG nicht Mitglied des Aufsichtsrats sein, wer im Zeitpunkt der geplanten Amtsübernahme „gesetzlicher Vertreter eines von der Gesellschaft abhängigen Unternehmens ist“. Die gleichzeitige Mitgliedschaft im Aufsichtsrat der Obergesellschaft und im Vorstand einer nachgeordneten Konzerngesellschaft ist demnach unzulässig, und zwar unabhängig davon, wie tief der Konzern „gestaffelt“ ist.105 Grund dafür ist die Überlegung, dass derjenige, der in seiner Geschäftsführung von anderen abhängig ist, nicht die notwendige Unabhängigkeit und Unbefangenheit hat, um die Geschäftsführung dieses anderen pflichtgerecht zu überwachen;106 es soll ein „natürliches Organisationsgefälle“ gewahrt bleiben.107 Gleichgelagerte Befürchtungen liegen der Vorschrift des § 100 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 AktG zugrunde. Danach kann Mitglied des Aufsichtsrats nicht sein, wer „gesetzlicher Vertreter einer anderen Kapitalgesellschaft ist, deren Aufsichtsrat ein Vorstandsmitglied der Gesellschaft angehört“. Auch bei einer solchen „Überkreuzverflechtung“108 wäre eine ordnungsgemäße Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats nicht gewährleistet. Es käme dazu, dass derjenige, der zur Überwachung beauftragt ist, in einer anderen Gesellschaft der Überwachung des Überwachten unterläge.109 Zusätzlich ist die Vorschrift des § 100 Abs. 5 AktG zu beachten, wonach mindestens eines der Aufsichtsratsmitglieder unabhängig sein und über Finanzsachverstand verfügen muss.110 Neben diesen Kriterien formuliert das Aktiengesetz jedoch keine weiteren ausdrücklichen Verbote bzw. Vorbehalte für personelle Verflechtungen in Konzernen. Nach ganz überwiegender Ansicht hat es damit auch sein Bewenden.111 Zulässig ist somit insbesondere die Kombination eines Vorstandsmandats in der Obergesellschaft mit einer Aufsichtsratstätigkeit in einer nachgeordneten Gesellschaft.112 Ebenso zulässig ist die Verbindung zweier Vor105 Simons, in: Hölters AktG § 100 Rn. 23; Habersack, in: MünchKomm AktG § 100 Rn. 27. 106 Habersack, in: MünchKomm AktG § 100 Rn. 27. 107 Habersack, a.a.O. 108 Begriff z. B. bei Hüffer/Koch, AktG § 100 Rn. 14. 109 Hüffer/Koch, AktG § 100 Rn. 14; ebenso z. B. Reichert/Schlitt, AG 1995, 241, 242. 110 Hierzu bereits ausführlicher oben § 4 I. 1. 111 Z. B. Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 100 Rn. 56 („keine weiteren Inkompatibilitäten anzuerkennen“). 112 Habersack, in: MünchKomm AktG § 100 Rn. 29; Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 100 Rn. 56; Simons, in: Hölters AktG § 100 Rn. 24. Wie auch außerhalb von Konzernen folgt eine gewisse weitere Einschränkung lediglich noch für börsennotierte Aktiengesellschaften aus
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standsmandate, allerdings mit der zusätzlichen Voraussetzung, dass die Aufsichtsräte beider beteiligter Gesellschaften gemäß § 88 Abs. 1 Satz 1 AktG ihre Einwilligung dazu erklären.113 Auf diese – in der Praxis gebräuchlichsten114 – Konstellationen der personellen Verflechtung beschränken sich die folgenden Ausführungen. b) Schranken des Einflusses der herrschenden Gesellschaft Besteht zwischen Ober- und Untergesellschaft ein Beherrschungsverhältnis, ohne dass dieses vertraglich weitergehend institutionalisiert ist, gelten für dieses die Vorschriften der §§ 311 ff. AktG.115 Dies gilt unabhängig davon, ob sich das Herrschaftsverhältnis bereits zu einer einheitlichen Leitung i. S. v. § 18 AktG verdichtet hat.116 Es genügt bereits, dass das herrschende Unternehmen bestimmenden Einfluss nehmen könnte, wenn es wollte.117 Schon diese Gefahrenlage nimmt das Aktiengesetz zum Anlass, um in den §§ 311 ff. AktG Regelungen zum Schutz der abhängigen Gesellschaft, ihrer Minderheitsaktionäre und Gläubiger zu treffen.118 Im Mittelpunkt dieses Schutzsystems steht das in § 311 Abs. 1 und 2 AktG geregelte Instrument des Nachteilsausgleichs. Danach darf das herrschende Unternehmen „seinen Einfluss nicht dazu benutzen, eine abhängige Aktiengesellschaft […] zu der Kodexempfehlung des Ziff. 5.4.2 DCGK. Gem. Satz 1 der Regelung soll dem Aufsichtsrat der Gesellschaft eine nach seiner Einschätzung angemessene Zahl unabhängiger Mitglieder angehören. Bedeutung hat die Regelung für Konzerne speziell insoweit, als Unabhängigkeit nach Satz 2 der Regelung insbesondere dann nicht vorliegt, wenn das betreffende Aufsichtsratsmitglied „in einer persönlichen oder einer geschäftlichen Beziehung zu […] einem kontrollierenden Aktionär […] steht“ (kritisch hierzu Hoffmann-Becking, NZG 2014, 801, 804 ff.). Als bloße Kodex-Empfehlung hat Ziff. 5.4.2. DCGK jedoch nicht zur Folge, dass die entsprechende Gremienbesetzung unzulässig ist. Lediglich ist die Besetzung des Aufsichtsrats der Tochtergesellschaft mit Vorstandsmitgliedern der Muttergesellschaft in der Entsprechenserklärung gem. § 161 AktG offenzulegen. 113 BGHZ 180, 105, 110 f.; OLG Köln ZIP 1993, 110, 114; Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 18 Rn. 127; Hüffer/Koch, AktG § 76 Rn. 4; Kort, in: Großkomm AktG § 76 Rn 178; Spindler, in: MünchKomm AktG § 76 Rn. 49; Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht § 308 Rn. 29; Petersen/Schulze De la Cruz, NZG 2012, 453; Aschenbeck, NZG 2000, 1015, 1018; Hoffmann-Becking, ZHR 150 (1986), 570, 574; Anders, Vorstandsdoppelmandate, S. 17 f. 114 Zum Vorstandsdoppelmandat z. B. Anders, Vorstandsdoppelmandate, S. 17: („häufigste Form der personellen Verflechtung“); ähnlich Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 18 Rn. 126 („verbreitetes Mittel der Konzernsteuerung“); Hommelhoff, in: Das St. Galler Konzernrechtsgespräch, S. 107, 122 („verbreitete Beliebtheit“). Zur Kombination von Vorstandsund Aufsichtsratmandat Hommelhoff, a.a.O. („regelmäßig“). 115 Leuering/Goertz, in: Hölters AktG § 311 Rn. 1. 116 Erst dann lässt sich terminologisch korrekt von einem „faktischen Konzern“ sprechen. Im Interesse einer erleichterten Ausdrucksweise umfasst im Folgenden die Bezeichnung „faktischer Konzern“ jedoch stets auch das einfache Abhängigkeitsverhältnis nach § 17 AktG. 117 Müller, in: Spindler/Stilz AktG § 311 Rn. 5; Altmeppen, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 311 Rn. 53; Hüffer/Koch, AktG § 17 Rn. 6. 118 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht § 311 Rn. 1.
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2. Teil, 1. Kap.: Vorstandsinterne Pflichtenkollisionen bei Doppelmandaten
veranlassen, ein für sie nachteiliges Rechtsgeschäft vorzunehmen oder Maßnahmen zu ihrem Nachteil zu treffen oder zu unterlassen, es sei denn, dass die Nachteile ausgeglichen werden“. Die Gesellschaft soll auf diese Weise zum Schutze ihrer Gläubiger und außenstehenden Gesellschafter wirtschaftlich so gestellt werden, als sei sie unabhängig.119 Unterbleibt der Nachteilsausgleich, so ist die Nachteilszufügung rechtswidrig.120 Das herrschende Unternehmen (§ 317 Abs. 1 und 2 AktG) bzw. die dort für die nachteilige Veranlassung verantwortlichen Vorstandsmitglieder (§ 317 Abs. 3 AktG) haften der abhängigen Gesellschaft dann auf Schadensersatz. Daneben kann die abhängige Gesellschaft u. U. auch ihre Verwaltung, also insbesondere auch ihre Vorstandsmitglieder, in Anspruch nehmen. Diese sind aus § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG verpflichtet, bei jeder Veranlassung durch das herrschende Unternehmen zu prüfen, ob diese für die abhängige Gesellschaft nachteilig ist und wenn ja, ob die Voraussetzungen des Nachteilsausgleichs eingehalten sind.121 Ist letzteres der Fall oder ist ein Nachteil nicht ersichtlich, steht es in ihrem unternehmerischen Ermessen, ob sie sich der Veranlassung entsprechend verhalten.122 Andernfalls dürfen sie der Veranlassung keine Folge leisten.123 2. Konfliktpotentiale a) Nachteilige Veranlassung „von oben“ als konzernspezifischer Konfliktsachverhalt Unter einer Veranlassung i. S. d. § 311 Abs. 1 AktG ist jedes auf seinen gesellschaftsrechtlichen Einfluss gestützte Verhalten des herrschenden Unternehmens zu verstehen, das dazu führt, dass die Untergesellschaft eine bestimmte Maßnahme trifft.124 Die Veranlassung bedarf keiner besonderen Form. Es genügt grundsätzlich jede dem herrschenden Unternehmen zurechenbare Verlautbarung,125 aus der die 119
Müller, in: Spindler/Stilz AktG § 311 Rn. 1; Koppensteiner, in: Kölner Komm AktG § 311 Rn. 1. 120 Ein ordnungsgemäßer Nachteilsausgleich hat hingegen nach überwiegender Ansicht die Rechtfertigung der nachteiligen Einflussnahme zur Folge (Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht § 311 Rn. 5). 121 OLG Hamm NJW 1987, 1030; Altmeppen, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 311 Rn. 461 ff.; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht § 311 Rn. 78; Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 18 Rn. 105 ff.; Vetter, ZHR 171 (2007), 342, 347. 122 Altmeppen, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 311 Rn. 464; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht § 311 Rn. 78; Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 18 Rn. 106, 109; Vetter, ZHR 171 (2007), 342, 347. 123 Altmeppen, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 311 Rn. 463; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht § 311 Rn. 78; Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 18 Rn. 108; Vetter, ZHR 171 (2007), 342, 347. 124 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht § 311 Rn. 22 f. 125 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht § 311 Rn. 23.
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abhängige Gesellschaft schließen muss, dass sie sich entsprechend verhalten soll.126 Nachteilig i. S. v. § 311 Abs. 1 AktG ist die veranlasste Maßnahme, wenn die Untergesellschaft dadurch eine Minderung oder konkrete Gefährdung ihrer Vermögensoder Ertragslage erleidet.127 Praktisch relevante Fälle für solche nachteilige Einflussnahmen „von oben“ liegen etwa darin, dass die Obergesellschaft die Untergesellschaft dazu veranlasst, ihr ein günstiges Darlehen zu gewähren oder ohne adäquate Gegenleistung Sicherheiten zur Verfügung zu stellen.128 In Betracht kommt auch, dass das herrschende Unternehmen eine ihrer Tochtergesellschaften dazu drängt, ihre konzernintern verlangten Lieferpreise zu senken,129 oder dass das herrschende Unternehmen höhere Umlagezahlungen für Verwaltungsleistungen verlangt, die es im Interesse auch der Untergesellschaften zentral erbringt.130 Die denkbaren Beispiele sind zahlreich.131 Vor dem Hintergrund des durch § 311 AktG beschränkten Einflusses der Oberauf die Untergesellschaft erhebt sich die Frage, ob ein den Verwaltungsorganen beider Gesellschaften angehörendes Organmitglied bei nachteiligen Veranlassungen überhaupt in einen echten Pflichtenkonflikt geraten kann. Voraussetzung dafür ist, dass die den Doppelmandatsträger in der konkreten Entscheidungssituation treffenden Pflichten einander widersprechen. Was die Veranlassung der Untergesellschaft zu einer für sie nachteiligen Maßnahme durch die Obergesellschaft betrifft, ist zu berücksichtigen, dass § 311 AktG zwei Regelungstatbestände unterscheidet, nämlich die Veranlassung ohne und die mit Sicherstellung eines Nachteilsausgleichs durch die Obergesellschaft. b) Nachteilige Veranlassung ohne Nachteilsausgleich Plant der Vorstand der Obergesellschaft, den Vorstand der abhängigen Gesellschaft zu einer für diese nachteiligen Maßnahme anzuweisen, ohne zum Ausgleich der Nachteile fähig oder bereit zu sein, so verstoßen darauf gerichtete Handlungen 126
Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht § 311 Rn. 24. Eine solche nach außen manifeste Äußerung des herrschenden Unternehmens ist grundsätzlich entbehrlich, wenn die Maßnahme auf Ebene der Untergesellschaft durch ein Vorstandsmitglied durchgeführt wird, das auch im Vorstand des herrschenden Unternehmens tätig ist. Nach allgemeiner Erfahrung bedarf es bei einer derartigen personellen Verflechtung zwischen Mutterund Tochtergesellschaft keines besonderen Außeneinflusses mehr. Vielmehr spricht in diesen Fällen bereits der – wenn auch widerlegbare – Beweis des ersten Anscheins für das Vorliegen einer Einflussnahme, so dass die abhängige Gesellschaft grundsätzlich durch die §§ 311 ff. AktG geschützt ist (Hüffer/Koch, AktG § 311 Rn. 21 m. w. N.). 127 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht § 311 Rn. 39. 128 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht § 311 Rn. 47a. Ausführlich zur Darlehensvergabe im faktischen Konzern Altmeppen, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 311 Rn. 225 ff. 129 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht § 311 Rn. 46. 130 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht § 311 Rn. 49. 131 Siehe auch Altmeppen, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 311 Rn. 225 ff.
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2. Teil, 1. Kap.: Vorstandsinterne Pflichtenkollisionen bei Doppelmandaten
gegen § 311 Abs. 1 AktG und sind deshalb rechtswidrig. Gleiches gilt, wenn der Nachteil als solcher nicht ausgleichsfähig ist.132 Bei der Fassung eines entsprechenden Vorstandsbeschlusses ist der Doppelmandatar daher weder berechtigt noch verpflichtet, sich daran zu beteiligen, insbesondere dem Vorstandsbeschluss zuzustimmen. Er darf sich nicht einmal der Mitwirkung enthalten, vielmehr muss er versuchen, ein solches Vorgehen zu verhindern. Das hat nichts mit seinem Doppelmandat zu tun, sondern folgt ohne weiteres aus der ihn als Amtsträger der Obergesellschaft treffenden Legalitätspflicht. Falls er nicht schon den Vorstandsbeschluss verhindern kann, muss er sich in jedem Fall aktiv gegen dessen Ausführung einsetzen. Diese Verpflichtung trifft ihn nicht nur als Vorstandsmitglied der Obergesellschaft. Auch in seiner Rolle als Vorstandsmitglied der abhängigen Gesellschaft muss er einer wegen Verstoßes gegen § 311 Abs. 1 AktG rechtswidrigen nachteiligen Veranlassung entgegentreten und die Umsetzung der Maßnahme verhindern.133 Insoweit schließen sich die jeweiligen Handlungspflichten aus den beiden Vorstandsmandaten also nicht gegenseitig aus, sie verlaufen vielmehr parallel zueinander.134 Wird die Maßnahme trotz fehlenden Ausgleichs durchgeführt, haftet der Doppelmandatar der abhängigen Gesellschaft in seiner Eigenschaft als verantwortliches Vorstandsmitglied der Obergesellschaft gem. § 317 Abs. 3 AktG auf Schadensersatz. Als Vorstandsmitglied der Untergesellschaft trifft ihn die Ersatzpflicht aus § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG, weil er der rechtswidrigen Veranlassung nicht Folge leisten durfte. Hinsichtlich der Pflichten des Doppelmandatars als Mitglied des Aufsichtsrats der abhängigen Gesellschaft gilt das Gesagte entsprechend. Aufgrund seiner Überwachungspflicht muss er den dortigen Vorstand abhalten, von der Obergesellschaft veranlasste nachteilige Rechtsgeschäfte oder Maßnahmen ohne Kompensation durchzuführen.135 Erforderlichenfalls muss er darauf dringen, dass der Aufsichtsrat derartige Geschäfte ad hoc an seine Zustimmung gem. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG bindet und diese sodann verweigert. c) Nachteilige Veranlassung mit Nachteilsausgleich Das Aktiengesetz verbietet in § 311 eine der abhängigen Gesellschaft zum Nachteil gereichende Einflussnahme der Obergesellschaft nicht schlechthin. Zu132 Ein Ausgleich wird insbesondere bei sogenannten „nicht quantifizierbaren Nachteilen“ unmöglich sein. Vgl. hierzu Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht § 311 AktG Rn. 43. 133 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht § 311 AktG Rn. 78 m. w. N.; Hüffer/Koch, AktG § 311 Rn. 48; Leuring/Goertz, in: Hölters AktG § 311 Rn. 10; Streyl, Zur konzernrechtlichen Problematik von Vorstands-Doppelmandaten, S. 179; Anders, Vorstandsdoppelmandate, S. 148; Eversberg, Doppelvorstände im Konzern, S. 90 ff.; Altmeppen, ZIP 1996, 693, 694. 134 Altmeppen, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 311 Rn. 101 a. E. 135 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht § 311 Rn. 81.
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lässig sind Veranlassungen zu nachteiligen Einzelmaßnahmen, sofern deren Nachteile ausgeglichen werden oder ihr Ausgleich verbindlich zugesagt wird (§ 311 Abs. 2 AktG). Damit eröffnet das Gesetz dem herrschenden Unternehmen die Möglichkeit, das abhängige Unternehmen durch ausgleichbare Einzelmaßnahmen auch ohne den Abschluss eines Beherrschungsvertrags unter eine einheitliche Konzernleitung zu stellen.136 Allerdings werden die Leitungsaufgaben des Vorstands der abhängigen Gesellschaft aus § 76 AktG durch § 311 AktG weder durchbrochen noch eingeschränkt, so dass er trotz Nachteilsausgleichs rechtlich nicht verpflichtet ist, den Vorstellungen der herrschenden Gesellschaft zu folgen.137 Die Entscheidung darüber, ob er sich ihren Wünschen öffnet, liegt in seinem unternehmerischen Ermessen. Das bedeutet, dass er der Veranlassung nur nachgeben darf, wenn nach sorgfältiger und kaufmännisch vernünftiger Beurteilung zu erwarten ist, dass die Nachteile vollständig kompensiert werden und der Gesellschaft aus der Durchführung der Maßnahme kein Schaden erwächst.138 Nach verbreiteter Meinung in der Literatur ist ein vollständiger Nachteilsausgleich nicht nur notwendige, sondern auch hinreichende Bedingung für die Feststellung, dass der Vorstand der abhängigen Gesellschaft seine unternehmerische Leitungsverantwortung aus § 76 AktG ermessensfehlerfrei mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters i. S. d. § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG erfüllt, wenn er der Veranlassung folgt.139 § 311 AktG enthält danach nicht nur eine absolute Ermessensgrenze, sondern zugleich eine Variante stets pflichtgemäßen Organhandelns. Diese Ansicht ist nicht unproblematisch, wenn man die unternehmerische Pflicht des Vorstands aus § 76 AktG so versteht, dass er die Interessen, allen 136 Altmeppen, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 311, Rn. 20; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 AktG Rn. 8. 137 H. M.; Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 18 Rn. 104; Hüffer/Koch, AktG § 311 Rn. 48; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 AktG Rn. 78; Koppensteiner, in: Kölner Komm AktG § 311 Rn. 139; Leuering/Goertz, in: Hölters AktG § 311 Rn. 10; Müller, in: Spindler/Stilz AktG § 311 Rn. 62; Krieger, in: MünchHdb AG, § 69 Rn. 28; einschränkend Altmeppen, der einerseits betont, dass der Vorstand nicht verpflichtet ist, Anordnungen der Konzernleitung zu befolgen (so in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 311 Rn. 441, ferner in ZHR 171 (2007), 320, 334: „Das herrschende Unternehmen hat […] keinerlei Anspruch darauf, dass der Vorstand der abhängigen AG irgendwelche Maßnahmen im Konzerninteresse tätigt.“), andererseits aber ausführt, dass seine eigenverantwortliche Leitung wegen der „Schicksalsgemeinschaft“ zwischen herrschendem und abhängigem Unternehmen nur „in dem durch die einheitliche Leitung des Konzerns gezogenen Rahmen“ auszuüben sei: „Der Vorstand darf und muss bei […] seiner Leitung […] auch die Konzerninteressen berücksichtigen“ (so in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 311 Rn. 442). 138 Hüffer/Koch, AktG § 311 Rn. 48 m. w. N. 139 Ulmer, in: FS Hüffer, 2010, S. 999, 1014: „Denn wenn der Vorstand eine nach § 311 Abs. 2 AktG ausgleichsfähige Nachteilsveranlassung befolgt, […] handelt er mit der nach §§ 76, 93 Abs. 1 AktG gebotenen Sorgfalt.“ Ebenso Altmeppen, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 311 Rn. 446 f.; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbHKonzernrecht § 311 Rn. 78; Koppensteiner, in: Kölner Komm AktG § 311 Rn. 142; Leuering/ Goertz, in: Hölters AktG § 311 Rn. 11.
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voran die Gewinninteressen, seiner Gesellschaft zu fördern hat und er dieser Verantwortung nicht gerecht wird, indem er ihre Ressourcen für fremde (Konzern-) Zwecke einsetzt bzw. aufgibt und dabei lediglich durch Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Nachteilsausgleichs – defensiv bewahrend – darauf achtet, dass der Gesellschaft kein Vermögensschaden entsteht. Fremdnützige Maßnahmen und Rechtsgeschäfte sind dem Vorstand nach diesem Pflichtenverständnis zwar gestattet, allerdings nur insoweit, wie sie sich den wirtschaftlichen Interessen der Gesellschaft unterordnen, nicht dagegen, wenn sie ausschließlich dem Partikularinteresse eines Dritten dienen. Folgte man einem solchermaßen strengen Pflichtenverständnis, so hätte der Vorstand einer abhängigen Gesellschaft im Umgang mit nachteiligen Einflussnahmen i. S. d. § 311 AktG stets zu prüfen, ob die gewünschte Maßnahme geeignet ist, zur Zielerreichung der Gesellschaft einen Wertbeitrag zu leisten, der über die reine, für die Rechtmäßigkeit der Veranlassung ohnehin selbstverständliche Nachteilskompensation hinaus geht, oder ob sich die Veranlassung als eigentlich unangebrachte Einmischung in seine Entscheidungsautonomie und Störung seiner eigenen geschäftlichen Aktivitäten und Vorhaben erweist. Letzterenfalls müsste er die Veranlassung trotz des Nachteilsausgleichs zurückweisen. Gegen eine solche Einschränkung des Geschäftsleiterermessens ist zunächst ganz allgemein einzuwenden, dass sich die Geschäftsleitung zwar vorrangig darauf zu konzentrieren hat, das Gesellschaftsvermögen nicht bloß zu verwalten sondern zu vermehren, jedoch nicht jede einzelne Geschäftsführungsmaßnahme für sich genommen diesen Anspruch unmittelbar erfüllen kann und muss. Befindet sich deshalb der Vorstand mit seiner gewinnorientierten Geschäftsführung insgesamt „auf Linie“ und sieht er das Vermögen der Gesellschaft, ihre Wettbewerbsfähigkeit und die positive Entwicklung ihrer Ertragskraft durch eine einzelne Maßnahme nach umfassender und sorgfältiger Prüfung nicht beeinträchtigt, so kann er diese Maßnahme ergreifen, auch wenn sie der Gesellschaft ausnahmsweise keinen konkreten Nutzen bringt.140 Ein gegenteiliges Pflichtenverständnis wäre insbesondere mit dem Sinn und Zweck des § 311 AktG nicht vereinbar, denn es liefe darauf hinaus, die Zulässigkeit der Befolgung einer Veranlassung mit zweierlei Maß zu messen, je nachdem, ob man sie von der Warte des Veranlassenden oder der des Veranlassungsempfängers aus beurteilt. Eine solche Zweiteilung, wonach der herrschenden Gesellschaft eine Veranlassung gestattet, deren genaue Befolgung durch den Vorstand der abhängigen Gesellschaft aber grundsätzlich pflichtwidrig wäre, wird man dem Gesetz aber nicht unterstellen können. Plausibel ist deshalb allein eine Lesart des § 311 AktG im Einklang mit der herrschenden Meinung,141 derzufolge der Vorstand der abhängigen Gesellschaft einer nachteiligen Veranlassung bei Sicherstellung eines vollständigen Nachteilsausgleichs zwar nicht folgen muss, ihr aber, ohne sich dem Vorwurf einer ermessensfehlerhaften und damit pflichtwidrigen Entscheidung auszusetzen, folgen darf. Insoweit relativiert das Gesetz das Schutz140 141
Zur vorstandsrechtlichen Zielkonzeption des Aktiengesetzes ausführlich oben, § 3 II. 2. Vgl. Nachweise in Fn. 137.
§ 13 Doppelmandate im Aktienkonzern
261
bedürfnis der Untergesellschaft vor externer, fremdnütziger Einflussnahme durch das Interesse der Obergesellschaft an einer durch Einzelmaßnahmen zu bewirkenden einheitlichen Ausrichtung der Konzernstrategie. Mit dem Erfordernis des Nachteilsausgleichs sorgt es dafür, dass die Vermögensbasis und die wirtschaftliche Entwicklung der abhängigen Gesellschaft nicht geschwächt werden, wenn sie ihre eigene Souveränität partiell zulässigen Konzernbelangen unterordnet. Mit seiner großen Reichweite kompensiert der Nachteilsausgleich nicht nur den im Zeitpunkt des Nachteilseintritts konkret messbaren Vermögensabfluss, sondern erfasst darüber hinaus alle Nachteile, die aus einer gewissenhaften Ex-Ante-Prognose zum Zeitpunkt der Veranlassung ersichtlich sind.142 Auf diese Weise stellt er die Untergesellschaft, was ihr summenmäßiges Vermögen betrifft, so, als sei sie tatsächlich unabhängig. Nach § 311 AktG ist der Konflikt zwischen Befolgung und Nichtbefolgung der nachteiligen Veranlassung für den Doppelmandatar ausgeräumt, wenn die herrschende Gesellschaft den Ausgleich der Nachteile in rechtlich gebotener Weise gewährleistet. Als Organmitglied der abhängigen Gesellschaft ist er zwar verpflichtet, in ihrem Interesse darüber zu befinden, ob die Umsetzung der Maßnahme opportun ist. Unter mehreren vertretbaren Ermessensoptionen ist aber eine immer die, der nach Maßgabe des § 311 AktG ausgeglichenen nachteiligen Veranlassung nachzukommen. Somit steht seiner Pflicht, die Veranlassung im Interesse der herrschenden Gesellschaft zu unterstützen, keine gegenläufige Pflicht im Weg, sie in der abhängigen Gesellschaft zu verhindern. Folglich hat er gegenüber der Obergesellschaft auch kein Leistungsverweigerungsrecht aus § 275 Abs. 3 BGB. Dass er in seiner Rolle als Vorstandsmitglied der abhängigen Gesellschaft auch die Option hat, sich der Veranlassung trotz des Nachteilsausgleichs zu verschließen, ist kein Grund, der ihn zur Leistungsverweigerung „nach oben“ berechtigt. Diese Option ist gegenüber seiner Vorstandspflicht in der Obergesellschaft nachrangig, und zwar auch dann, wenn der von der Obergesellschaft vorgesehene Nachteilsausgleich aus Sicht der abhängigen Gesellschaft nur suboptimal ist, z. B. weil er nicht schon tatsächlich während des Geschäftsjahres erfolgen, sondern durch Begründung eines Rechtsanspruchs auf später verschoben werden soll (§ 311 Abs. 2 AktG), oder weil für die Untergesellschaft eine Kompensation in Geld aus Liquiditätsgründen vorteilhafter wäre als der in concreto etwa vorgesehene Ausgleich durch Übertragung von Immobiliarvermögen.143 Solange und soweit sich die von der herrschenden Gesellschaft geplante Veranlassung in den durch § 311 AktG gezogenen Grenzen bewegt und deshalb für den Vorstand der abhängigen Gesellschaft eine vertretbare Handlungsalternative darstellt, kann ihre Befolgung für den Doppelmandatar nicht unzumutbar i. S. d. § 275 Abs. 3 BGB sein. Seine Verantwortung für das Wohl der Unterge142
Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht § 311 Rn. 44. Der Nachteil kann nach Wahl der herrschenden Gesellschaft durch jeden gleichwertigen, nach objektiver Betrachtung zum Ausgleich geeigneten Vermögensvorteil (z. B. Sacheigentum, sonstige Rechte, Dienstleistungen) kompensiert werden (Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht § 311 Rn. 63, 71). 143
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2. Teil, 1. Kap.: Vorstandsinterne Pflichtenkollisionen bei Doppelmandaten
sellschaft berechtigt und verpflichtet ihn zwar, bei der Beratung über die Art und Weise des Nachteilsausgleichs auch ihre Interessen in die Waagschale zu werfen. Das ist gegenüber der Obergesellschaft noch nicht pflichtwidrig, damit muss sie rechnen, wenn sie das Doppelmandat zulässt. In der Regel ist es gerade der Sinn des Doppelmandats, die berechtigten Belange der Untergesellschaft in die Entscheidungsfindung der Obergesellschaft einzubringen. Findet der Doppelmandatar mit seinen Argumenten jedoch kein Gehör, so endet seine Verantwortung für die Interessen der abhängigen Gesellschaft und er muss der Veranlassung am Ende trotzdem zustimmen und ihre Umsetzung loyal unterstützen. Da er sich damit auch in der Untergesellschaft rechtmäßig verhält, kann die Maßnahme dort nur abgewendet werden, wenn er von seinen nicht verflochtenen Vorstandskollegen überstimmt wird oder der Aufsichtsrat sie durch sein Vetorecht aus § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG blockiert.
III. Doppelmandate im Vertrags- und Eingliederungskonzern 1. Konzernrechtliches Regelungsumfeld Ist das Beherrschungsverhältnis durch den Abschluss eines Beherrschungsvertrags nach § 291 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 AktG vertraglich institutionalisiert, so spricht man von einem Vertragskonzern.144 Das herrschende Unternehmen wird dadurch gemäß § 308 Abs. 1 Satz 1 AktG berechtigt, dem Vorstand der abhängigen Gesellschaft Weisungen zu deren Leitung zu erteilen. Der Vorstand der abhängigen Gesellschaft hat diese Weisungen gemäß § 308 Abs. 2 AktG zu befolgen, auch wenn sie für die abhängige Gesellschaft nachteilig sind. Die Befolgungspflicht entfällt nach der Regelung lediglich dann, wenn die Weisung „offensichtlich“ nicht den Interessen des Konzerns oder einem an ihm beteiligten Unternehmen dient. Weitere Grenzen des Weisungsrechts liegen überdies in allen sonstigen zwingenden gesetzlichen Vorschriften, ferner können sie sich aus dem Beherrschungsvertrag, sowie aus dem satzungsmäßigen Zweck der abhängigen Gesellschaft ergeben.145 Letztlich darf die Weisung nach überwiegender Ansicht auch die Lebensfähigkeit des beherrschten Unternehmens nicht gefährden.146 Im Gegenzug zu diesem Weisungsrecht ist das herrschende Unternehmen nach § 302 Abs. 1 AktG verpflichtet, jeden während der Vertragsdauer bei der abhängigen Gesellschaft entstehenden Jahresfehlbetrag auszugleichen.
144
Vgl. Hüffer/Koch, AktG § 291 Rn. 3. Hüffer/Koch, AktG § 308 Rn. 13. 146 Fleischer, in: Hdb des Vorstandsrechts § 18 Rn. 47 ff.; Emmerich, in: Emmerich/ Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht § 308 Rn. 55 ff.; Hüffer/Koch, AktG § 308 Rn. 19. 145
§ 13 Doppelmandate im Aktienkonzern
263
Noch weiter fortgeschritten ist die Konzernierung beim sogenannten Eingliederungskonzern. Auch die eingegliederte Gesellschaft verliert zwar nicht ihre Rechtspersönlichkeit, sondern besteht als juristische Person fort.147 Nach § 323 AktG steht der Hauptgesellschaft allerdings ein umfassendes Weisungsrecht zu, das über das mit einem Beherrschungsvertrag verbundene Weisungsrecht noch deutlich hinausgeht und der eingegliederten Gesellschaft den Charakter einer „rechtlich selbständigen Betriebsabteilung“ verleiht.148 Der Vorstand der eingegliederten Gesellschaft muss selbst existenzvernichtende Weisungen befolgen.149 Unzulässig sind lediglich Weisungen, die gegen die Satzung der eingegliederten Gesellschaft oder gegen zwingende gesetzliche Vorschriften verstoßen.150 Gemäß § 323 Abs. 2 AktG gelten für die eingegliederte Gesellschaft die Kapitalsicherungsvorschriften der §§ 57, 58 und 60 AktG nicht. Den dadurch gefährdeten Gläubigerinteressen trägt das Gesetz dadurch Rechnung, dass es in § 322 AktG anordnet, dass die Hauptgesellschaft für alle Verbindlichkeiten der eingegliederten Gesellschaft haftet.151 2. Konfliktpotential Soweit das Weisungsrecht der Obergesellschaft reicht, verzichtet die Untergesellschaft als eigenständiger Rechtsträger auf ihre Eigeninteressen.152 Beherrschungsvertrag und Eingliederungsbeschluss binden die Untergesellschaft jeweils als Ganzes, sodass die vormals eigenständigen Interessenkreise beider Gesellschaften entsprechend der Reichweite des Weisungsrechts der Obergesellschaft zugunsten des Konzerninteresses vereinheitlicht werden. Dies wirkt sich auch auf die Rechtsstellung des Doppelmandatsträgers aus, sodass auch er die Weisungen der Obergesellschaft befolgen muss. Im Bereich des Weisungsrechts gibt es damit keine eigenständigen Belange der Untergesellschaft mehr, deren Beachtung den Doppelmandatar in einen rechtlich erheblichen Pflichtenkonflikt bringen könnten. Seine Tätigkeit gliedert sich deshalb wie folgt: Im Vorstand der Obergesellschaft ist er verpflichtet, das Konzerninteresse zu ermitteln und dieses soweit erforderlich dadurch zu verfolgen, dass er Weisungen an die Untergesellschaft erteilt bzw. unter147 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht § 319 Rn. 3; Hüffer/Koch, AktG § 319 Rn. 2. 148 BegrRegE Kropff, S. 429, 431; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht § 319 Rn. 3; Hüffer/Koch, AktG § 319 Rn. 2. 149 Ganz h. M. Vgl. z. B. Grunewald, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 323 Rn. 3; Krieger, in: MünchHdb AG § 73 Rn. 56; Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht § 323 Rn. 2; Koppensteiner, in: Kölner Komm AktG § 323 Rn. 4; grds. auch Hüffer/Koch, AktG § 323 Rn. 3 (allerdings „nicht zweifelsfrei“). 150 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht § 323 Rn. 2. 151 Habersack, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht § 323 Rn. 1. 152 Folge des Beherrschungsvertrags ist, dass das herrschende Unternehmen im Stande ist, „eine auf das Gesamtinteresse der verbundenen Unternehmen ausgerichtete Zielkonzeption durchzusetzen.“ (Emmerich, in: Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht § 291 Rn. 14; Austmann, ZGR 2009, 277, 288; ebenso OLG Schleswig NZG 2008, 868, 869).
264
2. Teil, 1. Kap.: Vorstandsinterne Pflichtenkollisionen bei Doppelmandaten
stützt. Das gilt auch dann, wenn sie für diese nachteilig sind; lediglich ist er gehalten, hierbei legal zu handeln, d. h. die rechtlichen Grenzen des Weisungsrechts einzuhalten.153 Im Vorstand der Untergesellschaft ist er verpflichtet, diese Weisungen zu befolgen.154 Lediglich die Umsetzung rechtswidriger Weisungen darf und muss er verweigern.155 Soweit das Weisungsrecht der Obergesellschaft reicht, sind angesichts dieser Pflichtenstellung Pflichtenkonflikte des Doppelmandatsträgers im Vertragsbzw. Eingliederungskonzern ausgeschlossen.156
153
Im Ergebnis ebenso Anders, Vorstandsdoppelmandate, S. 143. Anders, Vorstandsdoppelmandate, S. 145; ungenau Kort, ZIP 2008, 717, 719 („Doppelmandatsträger darf […] in der Tochter Konzerninteressen einfließen lassen“). 155 Anders, Vorstandsdoppelmandate, S. 145. 156 Ebenso Anders, Vorstandsdoppelmandate, S. 145, 147. 154
2. Kapitel
Interessenkonflikte bei öffentlichen Übernahmen Als Versuch einer öffentlichen Übernahme bezeichnet man den Vorgang, bei dem ein Dritter, der sogenannte Bieter, ein Angebot an die Anteilseigner einer börsennotierten Aktiengesellschaft157 macht, mit dem Ziel, so viele Aktien angedient zu bekommen, dass er im Folgenden die Hauptversammlungsmehrheit dieser Gesellschaft kontrollieren kann und damit schließlich die Möglichkeit erhält, über „seine“ Vertreter im Aufsichtsrat bestimmenden Einfluss auf die Verwaltung der Gesellschaft und deren Geschäftstätigkeit auszuüben.158 Übernahmebezogene Eigeninteressen bestehen deshalb besonders im Vorstand der Zielgesellschaft, entscheidet doch Erfolg oder Misserfolg des Übernahmeversuchs darüber, ob deren Vorstandsmitglieder ihre Position behalten und wenn sie sie behalten, ob ihr persönliches Arbeitsumfeld so bleibt wie es ist oder ob sie sich in Zukunft – bei aller Eigenverantwortlichkeit – einem neuen übergeordneten Willen werden anpassen müssen. Öffentliche Übernahmen unterliegen den besonderen Regelungen des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes (WpÜG), welches die Modalitäten des Angebots, die damit verbundenen Rechte und Pflichten des Bieters, den Ablauf des sich anschließenden Übernahmeverfahrens, die Rechte und Pflichten der Verwaltung der Zielgesellschaft und schließlich auch diverse Rechtsfolgen regelt, die eintreten, wenn einer der Beteiligten gegen diese Pflichten verstößt. Mit diesen Regelungen normiert das WpÜG den Kernbereich öffentlicher Übernahmen. Es regelt sie allerdings nicht umfassend. Namentlich für die Zielgesellschaft bleibt das allgemeine Aktienrecht anwendbar und beansprucht dort, wo das WpÜG keine Sondervorschriften bereithält, nach wie vor Geltung.159 Für die Frage des Umgangs mit den auf den Übernahmeversuch bezogenen Eigeninteressen im Vorstand der Zielgesellschaft wirft dieses Normenverhältnis die Frage auf, inwieweit diese Problematik bereits durch das WpÜG selbst geregelt wird, wie die Regelungen des WpÜG und die allgemeinen aktienrechtlichen Grundsätze zur Konfliktbewältigung zusammenspielen und inwieweit dieses Zusammenspiel ein in sich stimmiges und effektives Konfliktlösungskonzept bildet. Diese Fragen stehen im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen.
157 Das WpÜG erfasst auch öffentliche Erwerbsangebote für die Anteile einer KGaA (vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 1 WpÜG). Diese bleiben im Folgenden außer Betracht. 158 Thaeter, in: Thaeter/Brandi, Öffentliche Übernahmen, Teil 2 Rn. 1 f., 5. 159 Fleischer, NZG 2002, 545, 546.
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2. Teil, 2. Kap.: Interessenkonflikte bei öffentlichen Übernahmen
§ 14 Übernahme- und aktienrechtliche Regelungen zur Neutralisierung übernahmespezifischer Interessenkonflikte I. Übernahmespezifische Konfliktkriterien 1. Konfliktsituation dem Grunde nach Wie bereits im Rahmen der allgemeinen Erörterungen im ersten Teil dieser Untersuchung festgestellt, setzt ein im Vorstand der Aktiengesellschaft rechtlich relevanter Interessenkonflikt eine Situation voraus, die es dem Vorstandsmitglied ermöglicht, durch seine Geschäftsführung oder durch das Unterlassen einer gebotenen Geschäftsführungsmaßnahme ein persönliches Interesse auf Kosten des Gesellschaftswohls zu fördern oder zu bewahren.160 Logische Grundvoraussetzung für einen relevanten Konflikt ist also, dass ein Vorstandsmitglied mit seiner Geschäftsführung überhaupt bewirken kann, dass sich eine bestimmte Angelegenheit in seinem Sinne entwickelt. Die Frage, wie sich verhindern lässt, dass es seine Geschäftsführung dazu missbraucht, eigennützig Einfluss auf den Erfolg eines Übernahmeangebots zu nehmen, bedürfte deshalb keiner Erörterung, wenn eine solche Einflussnahme bereits aufgrund des allgemeinen Ablaufs und der rechtlichen Konstruktion einer öffentlichen Übernahme faktisch ausgeschlossen wäre. Auf den ersten Blick scheint das so zu sein, weil bei Übernahmevorgängen ein Dritter den Aktionären der Zielgesellschaft ein Kauf- oder Tauschangebot auf die Übernahme ihrer Aktien unterbreitet,161 das Geschäft damit gleichsam über die Köpfe des Vorstands der Zielgesellschaft hinweg abgewickelt wird. Das Letztentscheidungsrecht über die Anteilsübertragung bleibt dem Bieter und den Aktionären überlassen, sodass der Vorstand der Zielgesellschaft, die in diesem Prozess nicht Partei, sondern Objekt ist, auf das Ergebnis unmittelbar gar nicht einwirken kann.162 Die Betonung liegt allerdings auf „nicht unmittelbar“. Tatsächlich nämlich hat der Vorstand der Zielgesellschaft zahlreiche Einflussnahmemöglichkeiten, die erhebliche Auswirkungen auf den Erfolg oder Misserfolg des Übernahmeversuchs haben können. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei einem Übernahmeversuch aus Sicht des Bieters regelmäßig um einen wirtschaftlich äußerst sensiblen Vorgang handelt, der von zahlreichen unterschiedlichen Voraussetzungen abhängt: So müssen dem Bieter von den Aktionären der Zielgesellschaft Aktien in einer zum Kontrollerwerb ausreichend großen Zahl angeboten werden.163 Auch muss der Bieter in der Lage sein, diesen Erwerb zu finanzieren. Ferner wird ein Bieter eine Übernahme nur durchführen, wenn ihr 160 161 162
näre“).
Vgl. oben § 3 II. 3. b). Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 243. Vgl. BGH AG 2000, 233, 234 („Annahme obliegt allein der Entscheidung der Aktio-
163 Aus übernahmerechtlicher Sicht ist das dann der Fall, wenn der Bieter mit Ablauf der Annahmefrist so viele Anteile angeboten bekommen hat, dass er über mindestens 30 Prozent der Stimmrechte an der Zielgesellschaft verfügt (vgl. § 29 Abs. 2 WpÜG).
§ 14 Übernahme- und aktienrechtliche Konfliktneutralisierung
267
Gesamtpreis sich im Rahmen dessen bewegen, was für ihn und sein Erwerbskonzept noch wirtschaftlich sinnvoll ist.164 Schließlich muss die Übernahme der Anteile durch den Bieter auch rechtlich zulässig sein. Auf jeden dieser Faktoren kann der Vorstand der Zielgesellschaft mehr oder weniger stark Einfluss nehmen. So kann er bereits in der Phase, in der das Übernahmeangebot zwar noch nicht vorliegt, sich aber schon abzeichnet, Maßnahmen treffen, die dazu dienen, den Kontrollerwerb für den Bieter zu verteuern. Ein klassisches Instrument hierzu ist, unter Ausnutzung eines genehmigten Kapitals eine Kapitalerhöhung durchzuführen und durch einen damit verbundenen Ausschluss des Bezugsrechts einem freundlich gesonnenen Investor ein Aktienpaket zukommen zu lassen.165 Der Bieter, dessen bisher erworbener Anteil auf diese Weise verwässert wird, ist so gezwungen, zum Zwecke des Kontrollerwerbs mehr Aktien zu erwerben, als er ursprünglich geplant hatte.166 Ferner kann der Vorstand der Zielgesellschaft auch die unternehmerischen Motive beeinträchtigen, die den Bieter zu dem Übernahmeversuch veranlasst haben, und damit den wirtschaftlichen Sinn der Übernahme torpedieren. So kann er beispielsweise bestimmte Unternehmensteile veräußern, auf die es der Bieter mit seinem Übernahmeangebot besonders abgesehen hat („Crown-Jewel-Strategie“).167 Eine weitere Abwehrmöglichkeit besteht darin, juristische Erwerbshindernisse zu schaffen, z. B. indem die Zielgesellschaft einen Wettbewerber des Bieters akquiriert, und damit eine kartellrechtliche Erwerbsschranke errichtet.168 Die Aufzählung dieser „Abwehrmaßnahmen“ ist nicht erschöpfend.169 Sie zeigt aber schon, dass der Vorstand der Zielgesellschaft den Erfolg eines Übernahmeangebots durch seine Geschäftsführung zwar nicht direkt, aber doch mittelbar deutlich erschweren und je nach konkreter Sachlage auch vereiteln kann. Umgekehrt kann der Vorstand der Zielgesellschaft den Übernahmeerfolg mithilfe fördernder Maßnahmen auch erleichtern, z. B. durch Beseitigen etwaiger kartellrechtlicher Hürden oder durch eine enge Kooperation mit dem Bieter im Rahmen der Due Diligence bei zugleich abweisendem Verhalten gegenüber konkurrierenden Übernahmeinteressenten.
164
Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 243. Klemm/Reinhardt, NZG 2010, 1006, 1010 („Gewinnung eines Ankerinvestors“); von Falkenhausen, NZG 2007, 97, 99; Arnold/Wenninger, Corporate Finance Law 2010, 79, 84 f. 166 So in der jüngsten Übernahmeauseinandersetzung zwischen der deutschen Hochtief AG und ihrem spanischen Konkurrenten ACS, als Hochtief durch eine solche Kapitalerhöhung das Emirat Katar mit einem Aktienpaket bediente und den letztlich dennoch erfolgreichen Übernahmeversuch durch ACS auf diese Weise erheblich erschwerte (siehe Berichterstattung in der Online-Ausgabe des Focus: „Qatar-Holding steigt bei Hochtief ein“: http://www.focus.de/finan zen/finanz-news/kapitalerhoehung-qatar-holding-steigt-bei-hochtief-ein_aid_579164.html; ohne Verfasser; abgerufen am 13. 11. 2014). 167 BegrRegE WpÜG BT-Drucks. 14/7034, S. 58. 168 BegrRegE WpÜG BT-Drucks. 14/7034, S. 58. 169 Ausführliche Aufzählung möglicher Abwehrmaßnahmen z. B. bei Krause/Pötzsch/ Stephan, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 33 Rn. 88 ff. 165
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2. Teil, 2. Kap.: Interessenkonflikte bei öffentlichen Übernahmen
2. Ausreichende Konfliktschwere Persönliche Sonderinteressen eines Vorstandsmitglieds lassen einen Amtsmissbrauch objektiv nur befürchten, wenn sie hinreichend intensiv und gewichtig sind.170 Das gilt auch für übernahmespezifische Eigeninteressen. Hierzu lassen sich im Wesentlichen drei Kriterien herausstellen, die in ihrem Zusammenspiel darüber entscheiden, ob objektiv die Befürchtung begründet ist, dass ein Vorstandsmitglied im Zusammenhang mit einer Übernahme aus Eigeninteresse nicht sachgerecht entscheidet. Als erstes kommt es darauf an, wie sehr sich der Übernahmeversuch bereits konkretisiert hat. Zweitens ist erheblich, wie unmittelbar die vom Vorstand anvisierte Maßnahme auf den Erfolg oder Misserfolg dieses Übernahmeversuchs abzielt. Diese beiden Kriterien sind eng miteinander verknüpft, denn je konkreter sich der Übernahmeversuch abzeichnet, umso spezifischer kann das Vorstandshandeln auch seinen Erfolg beeinflussen. Drittens schließlich sind Gewicht und Wertigkeit des mit dem Übernahmeerfolg verknüpften Eigeninteresses bedeutsam. Je konkreter der zu beeinflussende Übernahmeversuch ist, je spezifischer das Vorstandshandeln auf ihn einwirkt und je werthaltiger das mit seinem Erfolg oder Misserfolg verbundene persönliche Interesse des Vorstandsmitglieds ist, desto eher lässt sich von einem ausreichend schweren und damit rechtlich relevanten Interessenkonflikt ausgehen. Andersherum ist ein relevanter Konflikt umso unwahrscheinlicher, je weniger sich der Übernahmeversuch konkretisiert hat, je weniger zielgerichtet die Vorstandsmaßnahme auf ihn einwirkt und je weniger werthaltig die vom Ausgang des Übernahmeversuchs abhängigen Eigeninteressen des Vorstandsmitglieds sind. Anhand folgender Fallgruppen lassen sich die vorstehenden Kriterien weiter konkretisieren. a) Übernahmespezifische Grundsatzentscheidungen In der Regel nicht konfliktbelastet sind übernahmespezifische Grundsatzentscheidungen, die der Vorstand trifft, ohne dass sich ein Übernahmeangebot konkret abzeichnet. Gemeint sind damit Entscheidungen zur allgemeinen übernahmerechtlichen Positionierung der Gesellschaft, Entscheidungen also, die maßgebend dafür sind, ob die Gesellschaft künftigen Übernahmeversuchen eher offen oder eher abweisend gegenübersteht. Beispielhaft hierfür ist die Frage, ob die Gesellschaft sich dem Europäischen Verhinderungsverbot i. S. d. §§ 33a ff. WpÜG unterstellen und sich auf diese Weise ihrer Möglichkeit zur Übernahmeabwehr weitgehend begeben soll, oder ob sie stattdessen im „abwehrfreundlicheren“ Regelungsregime des § 33 WpÜG verbleiben möchte.171 Zwar trifft die eigentliche Entscheidung hierfür nicht der Vorstand, sondern die Hauptversammlung in Form eines satzungsändernden 170
Vgl. oben § 3 II. 3. c). Eine Gegenüberstellung zulässiger Abwehrmaßnahmen im Bereich des § 33 WpÜG einerseits und im Bereich des strengeren Europäischen Verhinderungsverbots andererseits findet sich z. B. bei Wolf, ZIP 2008, 300, 302. 171
§ 14 Übernahme- und aktienrechtliche Konfliktneutralisierung
269
Beschlusses (vgl. § 33a Abs. 1 Satz 1 WpÜG i. V. m. § 119 Abs. 1 Nr. 5 AktG). Gleichwohl sind in diesem Zusammenhang regelmäßig auch Entscheidungen des Vorstands erforderlich, sei es, um die Frage einer solchen Satzungsänderung auf die Tagesordnung der Hauptversammlung zu bringen,172 sei es, um zu diesem Tagesordnungspunkt den durch § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG geforderten Beschlussvorschlag für die Hauptversammlung zu formulieren. Frei von rechtlich relevanten Eigeninteressen wird der Vorstand in der Regel auch solche Maßnahmen beschließen, die dem Aufbau eines treuen Aktionärskreises dienen oder mit denen ein allgemeines Arsenal an Abwehrmitteln eingerichtet wird, sofern beides nicht aus Anlass eines sich konkret abzeichnenden Übernahmeversuchs geschieht.173 Auch hierbei können die Vorstandsmitglieder mangels eines bereits bekannten Bieters bzw. eines konkreten Angebots nicht abschätzen, ob sich eine etwaige Übernahme dermaleinst auf ihre persönlichen Rechtsverhältnisse positiv oder negativ auswirken wird. Allein ein latent ungutes Gefühl, das manch ein Vorstandsmitglied bei dem Gedanken an eine potentielle Übernahme haben mag, genügt nicht, um einen rechtlich relevanten Interessenkonflikt zu begründen. Und auch, wenn ein Vorstandsmitglied einer Übernahme grundsätzlich aufgeschlossen entgegenblickt, etwa weil sein Anstellungsvertrag für den Fall eines Kontrollwechsels eine lukrative Abfindungsregelung vorsieht,174 kann daraus ein rechtlich relevantes Eigeninteresse für die genannten Grundsatzentscheidungen i. d. R. noch nicht gefolgert werden. b) Maßnahmen nach Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots Grundlegend anders ist die Situation hingegen, wenn ein konkreter Bieter für ein Übernahmeangebot in Erscheinung tritt und seine Entscheidung zur Abgabe des Angebots gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 WpÜG veröffentlicht hat. Zu diesem Zeitpunkt haben bereits regelmäßig umfassende Gespräche zwischen dem Bieter und dem 172 Die Aufstellung der Tagesordnung obliegt dem Organ, das die Einberufung der Hauptversammlung bewirkt (Schlitt/Becker, in: Semler/Volhard/Reichert ArbHdb Hauptversammlung § 4 Rn. 154; Semler, in: MünchHdb AG § 35 Rn. 38). Dies ist i. d. R. der Vorstand der Gesellschaft (Schlitt/Becker, a.a.O.; speziell für eine Satzungsregelung i. S. v. § 33a Abs. 1 WpÜG vgl. Noack/Zetzsche, in: Schwark/Zimmer KMRK § 33a WpÜG Rn. 2: „Beschlussfassung auf Initiative des Vorstands“). 173 Als Abwehrmittel kommen etwa die Schaffung eines genehmigten Kapitals, Hauptversammlungsermächtigungen zur Ausgabe von Wandel- und Optionsanleihen, Hauptversammlungsermächtigungen zum Erwerb eigener Aktien oder auch schlicht der Entwurf eines Abwehrhandbuchs („defence manual“) in Betracht (diese und weitere vorbeugende Maßnahmen mit Darstellung der jeweils zu beachtenden aktienrechtlichen Vorgaben bei Arnold/ Wenninger, Corporate Finance Law 2010, 79, 84 ff.; ferner von Falkenhausen, NZG 2007, 97, 98 f.; Klemm/Reinhardt, NZG 2010, 1006 ff.). 174 Zur rechtlichen Konstruktion und zu den wirtschaftlichen Wirkungsweisen solcher „Change-of-Control-Klauseln“ ausführlich Nussbaum, Abfindungen und Anerkennungsprämien für Vorstandsmitglieder deutscher Aktiengesellschaften, S. 42 ff.
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2. Teil, 2. Kap.: Interessenkonflikte bei öffentlichen Übernahmen
Vorstand der Zielgesellschaft stattgefunden.175 Die wesentlichen Ziele des Bieters sind den Vorstandsmitgliedern der Zielgesellschaft bekannt. Der Übernahmeversuch ist folglich bereits weit fortgeschritten und die Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft können konkret abschätzen, wie sich Erfolg oder Misserfolg des Übernahmeversuchs auf ihre eigene Rechtsstellung auswirken werden.176 Bei lebensnaher Betrachtung muss man ab diesem Zeitpunkt zu dem Ergebnis kommen, dass keines der Vorstandsmitglieder mehr unbefangen ist. Das ist ohne weiteres anzunehmen, wenn in der Person des Vorstandsmitglieds ganz handfeste Eigeninteressen vorliegen, z. B. weil der Bieter eine Auswechslung des Managements angekündigt hat, oder, umgekehrt, dem Vorstandsmitglied im Zusammenhang mit der Transaktion wirtschaftliche Vorteile zugesagt wurden. So ist es nicht unüblich, dass der Bieter einzelnen Vorstandsmitgliedern der Zielgesellschaft für die Zeit nach der Übernahme eine im Vergleich zu ihrer bisherigen Anstellung bessere Position in Aussicht stellt.177 Ein Interesse zur Förderung des Übernahmegebots folgt ferner oftmals daraus, dass der Bieter, ein veräußerungswilliger Aktionär,178 oder auch die Zielgesellschaft selbst179 die Vorstandsmitglieder mit Anreizzahlungen auf einen erfolgreichen Abschluss der Transaktion eingeschworen hat. Von der Befangenheit sämtlicher Vorstandsmitglieder ist aber auch dann auszugehen, wenn solch konkrete persönliche Anreize nicht ersichtlich sind, etwa wenn eine Weiterbeschäftigung zu unveränderten wirtschaftlichen Bedingungen in Aussicht steht. Mit einer Übernahme bezweckt der Bieter in der Praxis stets, Einfluss auf die Geschäftstätigkeit der Zielgesellschaft zu bekommen.180 Die Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft sehen sich also einer Situation gegenüber, in der sich entscheidet, ob sie Stellung und Einfluss behalten wie bisher oder sich einer neuen Kontrollmehrheit werden anpassen müssen. Eine Übernahme führt regelmäßig zu einer erstmaligen oder zumindest zu einer neuen Qualität der Konzernierung,181 und damit zu einer neuen Dimension des externen Einflusses auf die Zielgesellschaft. Eine solch grundlegende 175
Thaeter, in: Thaeter/Brandi, Öffentliche Übernahmen, Teil 2 Rn. 741 ff. Den Zeitpunkt, zu dem der Bieter sein Übernahmeangebot förmlich nach § 10 Abs. 1 S. 1 WpÜG ankündigt, hält offenbar auch der Gesetzgeber für ein aus Sicht der Zielgesellschaft einschneidendes Ereignis. Dies äußert sich darin, dass ab diesem Moment der zeitliche Anwendungsbereich der §§ 33 ff. WpÜG eröffnet ist und der Vorstand Maßnahmen, die zur Abwehr des Übernahmeversuchs geeignet sind, nur unter den erweiterten Voraussetzungen dieser Regelungen treffen kann. 177 Hirte, in: Kölner Komm WpÜG § 33d Rn. 13; ferner Kiem, in: Baums/Thoma WpÜG § 33d Rn. 17. 178 Zu diesen Fällen einer sog. Drittvergütung vgl. Hohaus/Weber, DStR 2008, 104 ff.; Spindler, in: FS Schwark, 2009, S. 642 ff. 179 Zu nennen sind insoweit namentlich Abfindungsleistungen in Form sog. Change-ofControl-Klauseln; z. B. Korts, BB 2009, 1876 ff. 180 Kubalek, Die Stellungnahme der Zielgesellschaft, S. 46; ebenso Peltzer, ZIP 1989, 69, 75. 181 U. H. Schneider, AG 2002, 125, 126 (Konzernierung „in der Regel das Ziel des Bieters“); zur Konzernintegration der Zielgesellschaft nach erfolgreicher Übernahme ausführlich Austmann, ZGR 2009, 277 ff. 176
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Veränderung lässt keines der dortigen Vorstandsmitglieder unberührt. Vielmehr hat jedes hierzu eine persönliche Einstellung, die im fortgeschrittenen Transaktionsstadium in ihrer Intensität über eine rechtlich irrelevante bloße Befindlichkeit hinausgeht. Ein Interessenkonflikt ist deshalb in Bezug auf Entscheidungen, die nicht nur unerheblichen Einfluss auf den Übernahmeerfolg haben können, stets zu bejahen, und zwar unabhängig davon, ob die in Rede stehende Maßnahme unmittelbar darauf abzielt, den Übernahmeversuch zu beeinflussen, oder ob sie lediglich indirekt geeignet ist, den Übernahmeerfolg zu gefährden oder nicht nur unerheblich zu fördern. Bereits diese tatsächliche Wirkungsweise macht jede Vorstandsentscheidung über eine solche Maßnahme zugleich zu einer Entscheidung zugunsten oder zulasten des Übernahmeversuchs. c) Entscheidungen bei sich anbahnendem Übernahmeangebot Zwischen diesen beiden Fallgruppen verbleibt ein breites Spektrum an möglichen Konfliktfällen, für das sich nur schwer eine klare Marschroute geben lässt. Es handelt sich dabei um Situationen, in denen sich eine Übernahme durch einen konkreten Bieter für die potentielle Zielgesellschaft zwar bereits ersichtlich anbahnt, sich dessen Pläne aber noch nicht soweit konkretisiert haben, dass er eine abschließende Entscheidung zur Abgabe eines Angebots treffen kann. Je nachdem, wie weit die Pläne des Bieters bereits gediehen sind, kann der Vorstand der Zielgesellschaft auch in diesen Situationen bereits mehr oder weniger gezielt abwehrend oder fördernd reagieren. So gibt es durchaus Maßnahmen zur Übernahmeprophylaxe, die der Vorstand der Zielgesellschaft treffen kann, ohne dass er dazu wissen müsste, welche Ziele der Bieter konkret verfolgt. Zu denken ist etwa an die Unterbringung eines Aktienpakets bei einem befreundeten Investor.182 Zum anderen lassen sich auch schon in dieser Phase Maßnahmen verwirklichen, die geeignet sind, die Übernahme zu fördern, wie z. B. die Aufnahme von Gesprächen mit dem Bieter, die Gestattung einer ersten Due Diligence oder auch abweisende Maßnahmen gegenüber konkurrierenden Übernahmeinteressenten. In diesen Situationen ist anhand der genannten allgemeinen Kriterien stets eine genaue Einzelfallprüfung der Interessenlage erforderlich. Je nachdem, wie weit sich die Absichten des Bieters konkretisiert haben, wie gezielt der Vorstand der Zielgesellschaft das Vorhaben des potentiellen Bieters beeinflusst und wie stark seine eigenen Interessen sind, kann es damit auch in dieser Vorfeldphase bereits zu rechtlich relevanten Konflikten kommen. Besonders genau sind die Anforderungen an einen solchen Interessenkonflikt in Fällen eines sich anbahnenden Management Buyouts zu überprüfen.183 Die Vorstandsmitglieder, die von dem potentiellen Bieter für eine Beteiligung an der Zielgesellschaft in Betracht 182 Klemm/Reinhardt, NZG 2010, 1006, 1010; von Falkenhausen, NZG 2007, 97, 99; Arnold/Wenninger, Corporate Finance Law 2010, 79, 84 f. 183 Vor allem bei der Übernahme durch einen Finanzinvestor wird dem Management der Zielgesellschaft häufig angeboten, sich an der Zielgesellschaft zu beteiligen; hierzu z. B. Traugott/Grün, AG 2007, 761 f.; Hohaus/Weber, BB 2008, 2358, 2359.
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gezogenen werden, wissen aufgrund der Verhandlungen, die sie mit diesem über die konkreten Beteiligungsbedingungen führen, häufig schon zu einem frühen Zeitpunkt, wie die Übernahmepläne im Detail aussehen. Ferner wiegen ihre an der etwaigen Übernahme bestehenden Eigeninteressen besonders schwer. Ein Interessenkonflikt ist hier deshalb bereits sehr früh anzunehmen. Nach der ersten ernsthaften Verhandlungsrunde zwischen potentiellem Bieter und den betreffenden Vorstandsmitgliedern der Zielgesellschaft wird man nicht mehr von deren Unbefangenheit ausgehen können.
II. Übernahmerechtliche Ansätze zur Konfliktbewältigung Die im WpÜG erkennbaren Ansätze, übernahmespezifische Eigeninteressen im Vorstand der Zielgesellschaft in Schach zu halten, gehen in dreifache Richtung. Der erste Aspekt ist materiellrechtlicher Natur und betrifft die Frage, ob der Vorstand der Zielgesellschaft im Zusammenhang mit einem Übernahmeangebot besonderen Verhaltenspflichten unterliegt, die ihm eine dessen Erfolgsaussichten beeinflussende Geschäftsführung verbieten; die Gefahr dass der Vorstand aufgrund eigener Interessen sachwidrig auf einen Übernahmeversuch einwirkt, wäre erheblich reduziert, wenn ihm solche Handlungen von vornherein untersagt wären, ohne dass es im Einzelnen darauf ankommt, ob er damit eigene Interessen verfolgt oder nicht. Der zweite Ansatz befasst sich mit der Frage, inwiefern der Vorstand durch spezielle übernahmerechtliche Verfahrensregelungen (prozedural) daran gehindert ist, eigennützig auf den Übernahmeversuch einzuwirken. Drittens geht es darum, inwieweit das WpÜG auf die Befangenheit der Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft durch spezifische Transparenzerfordernisse reagiert. 1. Materielle Verhaltenspflichten im Zusammenhang mit Übernahmeangeboten a) Verhinderungsverbot aa) Rechtsgrundlage Vor Erlass des WpÜG ging man im Ergebnis nahezu unstreitig von einer in Übernahmesituationen eingeschränkten Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands der Zielgesellschaft aus. Mit unterschiedlichen – vornehmlich aktienrechtlichen – Begründungen war man sich einig, dass dem Vorstand Maßnahmen zur Abwehr von Übernahmeversuchen grundsätzlich untersagt seien.184 Abwehren dürfe er eine 184 So wurde vorgebracht, der Vorstand habe kein Recht, durch Abwehrmaßnahmen die eigene Verwaltungsführung zu perpetuieren (Mestmäcker, Verwaltung, Konzerngewalt und Recht der Aktionäre, S. 139 ff., 144 ff.). Angeführt wurde auch der aktienrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz, der dem Vorstand verbiete, bei Interessenkonflikten zwischen den
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Übernahme nur in Extremfällen, etwa wenn zu befürchten sei, dass der Bieter die Zielgesellschaft nach der Übernahme zu einem dauerhaft rechtwidrigen Verhalten missbrauche.185 Hingegen bleibe das Verbot zur Verhinderung eines Übernahmeversuchs z. B. selbst dann bestehen, wenn mit der Übernahme Umstrukturierungen bis hin zur Liquidation der Gesellschaft verbunden seien.186 Nur vereinzelt wurde vertreten, dass der Vorstand auch bei einer Entscheidung über Abwehrmaßnahmen lediglich an das weite Kriterium des Unternehmensinteresses gebunden sei,187 das ihn zur Bekämpfung des Übernahmeangebots nicht nur berechtigen, sondern unter Umständen sogar verpflichten könne.188 Die Annahme eines übernahmespezifischen Verhinderungsverbots hat durch § 33 Abs. 1 Satz 1 WpÜG nunmehr auch Eingang in das positive Recht gefunden. Danach darf der Vorstand der Zielgesellschaft nach der Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots „keine Handlungen vornehmen, durch die der Erfolg des Angebots verhindert werden könnte“.189 Die Regelung gilt unabhängig davon, ob der Vorstand mit einer Handlung die Vereitelung des Übernahmeerfolgs bezweckt; entscheidend ist allein ihre objektive Eignung zur Erfolgsvereitelung.190 Damit schützt § 33 Abs. 1 Satz 1 WpÜG das Recht der Aktionäre, in Kenntnis der Sachlage frei über ein Übernahmeangebot zu entscheiden191 und reduziert die Gefahr, dass der Vorstand der Zielgesellschaft durch seine in der Übernahmesituation
Aktionären Position zu beziehen (Mertens, in: Kölner Komm AktG, 2. Aufl. 1996, § 76 Rn. 26). Auch seien Abwehrmaßnahmen nicht mit der Aufgabe des Vorstands zur fremdnützigen Interessenwahrung vereinbar (Hopt, ZGR 1993, 534, 540 ff., 546). Ausgehend von ökonomischen Überlegungen wurde ferner geltend gemacht, dass der Vorstand sich durch Abwehrmaßnahmen der Kontrolle durch den Kapitalmarkt entziehen könne. Diese sei aber als Ergänzung zur verbandsinternen Kontrolle durch den Aufsichtsrat notwendig und anerkannt (Hopt, ZGR 1993, 534, 542 ff.; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler WpÜG § 33 Rn. 3). Die – unzutreffende – Begründung, dass den befangenen Vorstandsmitgliedern die Geschäftsführung wegen ihres Interessenkonflikts unmöglich sei (siehe dazu oben § 8 I.), wird, soweit ersichtlich, im Zusammenhang mit übernahmespezifischen Interessenkonflikten nicht bemüht. 185 Mertens, in: Kölner Komm AktG, 2. Aufl. 1996, § 76 Rn. 26 (ihm folgend Cahn, in der 3. Aufl., § 76 Rn. 26). 186 Hopt, ZGR 1993, 534, 550. 187 So schon Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 76 Rn. 15d („Richtig ist, dass es allgemeine aktienrechtliche Neutralitätspflicht nicht gibt.“); ihm folgend J. Koch, in: Hüffer/Koch AktG § 76 Rn. 40; ebenso Vedder, in: Grigoleit AktG § 76 Rn. 24; ebenso Martens, in: FS Beusch, 1993, S. 529, 546. 188 Kort, in: FS Lutter, 2000, S. 1421, 1434. 189 Der Gesetzgeber sah in dem der Regelung zugrunde liegenden Verbot erfolgsverhindernder Maßnahmen durch den Vorstand keine grundlegende rechtliche Neuerung, sondern die Bestätigung geltenden Rechts, so wie es „nach im Schrifttum verbreiteter Auffassung“ interpretiert wurde; s. BegrRegE WpÜG BT-Drucks. 14/7034, S. 57. 190 BegrRegE WpÜG BT-Drucks. 14/7034, S. 57. 191 Schwennicke, in: Geibel/Süßmann WpÜG § 33 Rn. 19; Hirte, ZGR 2002, 621, 623, 625.
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regelmäßig befangene Geschäftsführung Fakten schafft, die geeignet sind, das den Aktionären unterbreitete Kaufangebot zu Fall zu bringen.192 bb) Ausnahmen vom Verhinderungsverbot Auf den ersten Blick werden die Aktionäre durch das Verhinderungsverbot des § 33 Abs. 1 Satz 1 WpÜG vor der Gefahr eigennütziger Abwehrmaßnahmen des Vorstands umfassend geschützt. Bei genauerer Betrachtung ergeben sich an der Reichweite dieses Schutzes jedoch Zweifel. Grund dafür ist, dass der Gesetzgeber das Verhinderungsverbot durch diverse, in § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 – 3 WpÜG geregelte Ausnahmen relativiert hat.193 Inwieweit dadurch der Schutz der Zielgesellschaft und ihrer Aktionäre vor sachwidrig motivierten Abwehrmaßnahmen aufgeweicht ist, bedarf im Folgenden der näheren Betrachtung. (1) Geschäftsführung nach § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 WpÜG Gem. § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 WpÜG ist der Vorstand der Zielgesellschaft berechtigt, auch nach Veröffentlichung der Entscheidung des Bieters zur Abgabe eines Übernahmeangebots solche Handlungen vorzunehmen, „die auch ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Gesellschaft, die nicht von einem Übernahmeangebot betroffen ist, vorgenommen hätte“. Durch diese Regelung soll sichergestellt werden, dass die Zielgesellschaft während des laufenden Übernahmeversuchs in ihrer Geschäftstätigkeit nicht unangemessen behindert wird.194 Dem Vorstand soll ermöglicht werden, ungeachtet des Übernahmeangebots das Tagesgeschäft weiterzuführen195 oder bereits vor Bekanntwerden des Angebots eingeschlagene Unternehmensstrategien weiter zu verfolgen.196 Der Vorstand behält also im Interesse der Zielgesellschaft seine Geschäftsführungsbefugnis und seinen un-
192 Aus dem Zweck des § 33 Abs. 1 Satz 1 WpÜG, die Verfügungsfreiheit der Aktionäre zu schützen, folgt, dass die Abwehr rechtswidriger Übernahmeversuche stets zulässig ist, denn derartige Transaktionen dürften auch die Aktionäre durch die Annahme des Angebots nicht unterstützen. So ist der Vorstand nach § 76 AktG nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, einen Übernahmeversuch ohne Rücksicht auf den Willen der Aktionäre durch eine vorbeugende Unterlassungsklage abzuwenden, wenn der Bieter beabsichtigen würde, das Unternehmen der Zielgesellschaft dauerhaft für kriminelle Zwecke zu missbrauchen (s. Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 76 Rn. 27: Übernahme durch „Mafia-Organisation“). 193 Noch schärfer Vedder, in: Grigoleit AktG § 76 Rn. 21 („Zweck der Vorschrift […] durch […] Ausnahmen konterkariert“). 194 So ausdrücklich BegrRegE WpÜG BT-Drucks. 14/7034, S. 31. 195 „Business as usual“ (U. H. Schneider, AG 2002, 125, 128). 196 BegrRegE WpÜG BT-Drucks. 14/7034, S. 58; im Einzelnen dazu Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 33 Rn. 148 f.; Grunewald, in: Baums/Thoma WpÜG § 33 Rn. 58.; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler WpÜG § 33 Rn. 45; Winter/ Harbarth, ZIP 2002, 1, 6; Drygala, ZIP 2001, 1861, 1866.
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ternehmerischen Handlungsspielraum, grundsätzlich wie wenn kein Übernahmeangebot vorläge.197 Mit dieser Zielsetzung handelt es sich bei § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 WpÜG zwar um keine „direkte“ Ausnahme vom Verhinderungsverbot des § 33 Abs. 1 Satz 1 WpÜG, denn die Vorschrift zielt nicht darauf ab, finale Abwehrmaßnahmen zuzulassen, sondern ist in ihrer eigentlichen Zielrichtung „übernahmeneutral“. Bei genauerem Hinsehen können aber auch diese durch § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 WpÜG zugelassenen Maßnahmen geeignet sein, den Erfolg des Übernahmeversuchs zu vereiteln. Beispiel: Der Vorstand der Z-AG (Z) hat den Verkauf mehrerer für die Gesellschaft unbedeutend gewordener Patente beschlossen und hierzu auch bereits verschiedene Angebote vorliegen. In diesem Moment kündigt B gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 WpÜG – für den Vorstand der Z überraschend – ein Angebot zur Übernahme der Anteile der Z an. An dem Erwerb hat B aber nur dann ein Interesse, wenn er dadurch auch besagte Patente mit erwerben kann. Den derzeitigen Vorstand der Z möchte er austauschen.
Bewertet man diese Situation, so entsprach es vor Ankündigung des Übernahmeangebots ohne weiteres dem Interesse der Z, die für das eigene Geschäft unbedeutend gewordenen Patente meistbietend zu veräußern. Auch war ein Eigeninteresse des Vorstands an diesem Geschäft nicht vorhanden. Nach Veröffentlichung der Angebotsankündigung hat sich die Sachlage hingegen insofern gewandelt, als nunmehr die Aktionäre der Z ein Interesse daran haben, unbeeinträchtigt von Maßnahmen des Vorstands über das zu erwartende Übernahmeangebot entscheiden zu können. Ferner hat der Vorstand jetzt ein vitales Eigeninteresse daran, das PatentGeschäft möglichst rasch abzuschließen, um den Übernahmeversuch zu beenden und seine Position zu retten. § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 WpÜG bietet ihm hierzu grundsätzlich die passende rechtliche Grundlage. Angesichts des ersichtlichen Spannungsverhältnisses zwischen dieser Regelung und dem Verhinderungsverbot des § 33 Abs. 1 WpÜG erscheint jedoch fraglich, inwieweit sich der Vorstand tatsächlich in einem konkreten Fall wie dem geschilderten auf diese Regelung stützen kann. Systematisch spricht dafür zwar zunächst ihr Charakter als Ausnahmevorschrift, die gerade darauf angelegt ist, der Gesellschaft die Vollendung bereits eingeleiteter Maßnahmen unbeeinträchtigt von einem Übernahmeangebot zu ermöglichen. Jedoch bedeutet dies nicht, dass der Vorstand die eingeschlagene Maßnahme ohne jede weitere inhaltliche Prüfung weiterverfolgen darf, nur weil er sie vor der Ankündigung des Übernahmeangebots bereits begonnen hatte. Wie bei jeder unternehmerischen Entscheidung hat er vielmehr – bevor die Maßnahme endgültig umgesetzt wird – sämtliche tatsächliche Umstände und betroffene Interessen zu berücksichtigen.198 Dabei hängt die Frage der Sachge197
Hirte, in: Kölner Komm WpÜG § 33 Rn. 68. In ihrer Allgemeinheit abzulehnen ist deshalb die zu der Vorschrift des § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 WpÜG anzutreffende Aussage, der Vorstand dürfe alles, was er außerhalb einer Übernahmesituation dürfte (so etwa Steinmeyer, in: Steinmeyer WpÜG § 33 Rn. 45). 198
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mäßheit des Patentverkaufs neben den nunmehr entstandenen Veräußerungsinteressen der Aktionäre jetzt auch von den neuen Chancen und Risiken ab, die für die Z mit der potentiellen Übernahme verbunden sind. Je nachdem, wie der Vorstand nach der Angebotsankündigung die Gesamtlage einschätzt, muss er entscheiden, ob eine Veräußerung der Patente nach wie vor sachgerecht ist oder nicht. Denn zwar trifft § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 WpÜG die Aussage, dass bereits eingeschlagene Maßnahmen trotz eines angekündigten Übernahmeangebots weiterverfolgt werden dürfen. Dies entbindet den Vorstand aber nicht von seinen fortgeltenden aktienrechtlichen Verpflichtungen.199 Auch im Anwendungsbereich des § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 WpÜG gehört dazu, Geschäftsführungsmaßnahmen im Unternehmensinteresse zu treffen.200 Kommt der Vorstand auf dieser Grundlage zu dem Ergebnis, eine erfolgreiche Übernahme wäre die beste Option, so hat die Patentveräußerung zu unterbleiben, umgekehrt muss er sie durchführen. Sofern sich eine klare Entscheidung nicht treffen lässt, sind Kompromisslösungen zu erwägen. Dies könnte z. B. dadurch gelingen, dass der Vorstand dem Interessenten die Patente unter der aufschiebenden Bedingung überträgt, dass das Übernahmeangebot scheitert. Ähnlich ist die Rechtslage, wenn dem Vorstand bereits vor Ankündigung des Übernahmeangebots eine Geschäftschance angeboten wird, die der Gesellschaft die Möglichkeit gäbe, ihre bisherigen Aktivitäten strategisch sinnvoll auszubauen, sich für die Übernahme aber als Kartellhürde erweisen würde. In allen solchen Fällen muss der Vorstand – trotz des eigentlich bestehenden Verhinderungsverbots und trotz seiner stets bestehenden Befangenheit – Geschäftsführungsentscheidungen für die Gesellschaft treffen, die im Ergebnis auf eine Abwehr der Übernahme hinauslaufen können. (2) Suche nach einem konkurrierenden Angebot (§ 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 2 WpÜG) Gem. § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 2 WpÜG ist es dem Vorstand gestattet, parallel zu einem laufenden Übernahmeangebot nach einem konkurrierenden Bieter, dem sog. „Weißen Ritter“, zu suchen.201 Die Regelung soll dem Vorstand ermöglichen, „durch Hinzuholen eines weiteren Bewerbers im Interesse aller Aktionäre für möglichst attraktive Angebotskonditionen zu sorgen“.202 Als Ausnahme vom Verhinderungs199
Vgl. zur fortbestehenden aktienrechtlichen Pflichtbindung des Vorstands der Zielgesellschaft auch im Übernahmeverfahren z. B. Krause/Pötzsch/Stephan, in: Assmann/Pötzsch/ U. H. Schneider WpÜG § 33 Rn. 128 ff., 131, 133; ferner – mit Hinweis auf die entsprechende übernahmerechtliche Klarstellung in § 3 Abs. 3 WpÜG – Schiessl, in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1019, 1022. 200 Grunewald, in: Baums/Thoma WpÜG § 33 Rn. 56; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/ Oechsler WpÜG § 33 Rn. 47; Krause/Pötzsch/Stephan, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 33 Rn. 145; im Grundsatz auch bereits BegrRegE WpÜG BT-Drucks. 14/7034, S. 59. 201 Vgl. Steinmeyer, in: Steinmeyer WpÜG § 33 Rn. 24 („white knight“). 202 BegrRegE WpÜG BT-Drucks. 14/7034, S. 58; zu diesem Gesetzeszweck auch Krause/ Pötzsch/Stephan, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 33 Rn. 163; Grunewald, in:
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verbot des § 33 Abs. 1 Satz 1 WpÜG erscheint diese Vorschrift verhältnismäßig unproblematisch. Grund dafür ist, dass ein konkurrierendes Angebot die Entscheidungsfreiheit der Aktionäre grundsätzlich unberührt lässt. So mag zwar das Eintreten eines weiteren Bieters dazu führen, dass das Angebot des Erstbieters vereitelt wird.203 Dies geschieht aber nicht dadurch, dass die Übernahme als solche verhindert würde, sondern indem den Aktionären in Form des konkurrierenden Angebots eine zusätzliche Handlungsoption eröffnet wird.204 Bezieht man allerdings außer den Aktionärsinteressen auch die weiteren von einer Übernahme potentiell betroffenen Interessenträger der Zielgesellschaft in die Betrachtung mit ein, zeigt sich, dass der dem Vorstand durch § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 2 WpÜG eröffnete Handlungsspielraum doch nicht so unproblematisch ist. Diese weiteren Interessenträger – insbesondere die Arbeitnehmer der Gesellschaft – haben, anders als die Aktionäre, keine Möglichkeit, sich durch die schlichte Veräußerung oder Nichtveräußerung ihrer Anteile zu entscheiden, ob sie den künftigen, durch den jeweiligen Bieter beabsichtigten Kurs der Gesellschaft mitgehen wollen. Je nachdem, was für ein unternehmerisches Konzept ein konkurrierender Bieter für die Gesellschaft anstrebt, kann es für diese Interessenträger aber einen bedeutenden Unterschied machen, ob der Vorstand diesen weiteren Bieter mit ins Rennen holt. Deutlich wird dies z. B. in dem Fall, dass das Konzept des Erstbieters zwar eine Auswechslung des Vorstands der finanziell angeschlagenen Zielgesellschaft und einen verhältnismäßige niedrigen Angebotspreis vorsieht, durch Einbindung der Zielgesellschaft in die finanziell solide Konzernstruktur des Bieters aber zu einem weitgehenden Erhalt der Arbeitsplätze führen würde, während das konkurrierende Angebot zwar den Vorstand verschonte und einen besseren Angebotspreis vorsähe, jedoch gleichzeitig weitreichende Entlassungen nach sich zöge.205 Trotz seiner übernahmespezifischen Befangenheit hat der Vorstand darüber zu entscheiden, ob der potentielle weitere Bieter noch angesprochen wird oder nicht. Bei dieser Entscheidung unterliegt er keinen besonderen, seine Befangenheit ins Kalkül ziehenden materiellen Anforderungen, sondern lediglich
Baums/Thoma WpÜG § 33 Rn. 62; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler WpÜG § 33 Rn. 53). 203 Aus Sicht des Erstbieters ist die Suche des Vorstands der Zielgesellschaft nach einem konkurrierenden Angebot eine Abwehrmaßnahme „par exellence“ (Hirte, in: Kölner Komm WpÜG § 33 Rn. 74). 204 Fleischer/Kalss, Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, S. 127. Selbst wenn der erste Bieter sein Angebot unter dem Eindruck des Konkurrenzangebots zurückzöge, wäre ein Bieterwettbewerb für die Aktionäre letztlich nur vorteilhaft. Denen, die sich von der Gesellschaft lösen wollen und in erster Linie daran interessiert sind, ihre Aktien möglichst günstig veräußern zu können, kann es gleichgültig sein, wer nach ihrem Ausscheiden die Kontrollmehrheit hat. Und die Entscheidungsfreiheit derer, die ihre Anteile behalten wollen, wird durch eine Angebotskonkurrenz ebenso wenig behindert wie beim Vorliegen nur eines Angebots. 205 Das Hereinholen eines dem Vorstand „genehmen“ Bieters (und im Erfolgsfalle Großaktionärs) hat damit für die Zielgesellschaft je nach Fallkonstellation nicht ausschließlich befriedende Wirkung (in diese Richtung aber Hirte, in: Kölner Komm WpÜG § 33 Rn. 75).
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der allgemeinen aktienrechtlichen Loyalitätspflicht und der Bindung an das Unternehmensinteresse. (3) Abwehrmaßnahmen mit Zustimmung des Aufsichtsrats (§ 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 3 WpÜG) Die bedeutsamste und auch unmittelbarste Ausnahme von dem Verhinderungsverbot des § 33 Abs. 1 Satz 1 WpÜG enthält schließlich § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 3 WpÜG. Danach darf der Vorstand innerhalb seiner Geschäftsführungskompetenz Maßnahmen, die den Erfolg des Übernahmeangebots gefährden können, bereits dann durchführen, wenn der Aufsichtsrat zugestimmt hat.206 Erlaubt sind damit übernahmeverhindernde Handlungen nicht nur als „Nebenprodukt“ einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung i. S. d. § 33 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 WpÜG, sondern als gezielte Abwehrmaßnahmen.207 Besondere materiellrechtliche Voraussetzungen hat der Gesetzgeber für diese Maßnahmen nicht ausdrücklich definiert; unter welchen inhaltlichen Voraussetzungen sie ergriffen werden dürfen, ist daher umstritten. Während nach der einen Ansicht der Vorstand auch bei echten Abwehrmaßnahmen lediglich den allgemeinen aktienrechtlichen Bindungen des Unternehmensinteresses unterworfen ist,208 geht die Gegenansicht davon aus, dass der Vorstand solche Maßnahmen nur durchführen dürfe, wenn hierfür ein die Veräußerungsinteressen der Aktionäre verdrängendes „dringendes“ oder auch „qualifiziertes Unternehmensinteresse“ spreche. Andernfalls hätten die Veräußerungsinteressen der Aktionäre Vorrang.209 Begründet wird das damit, dass Abwehrmaßnahmen regelmäßig (auch) durch das Sonderinteresse der Vorstandsmitglieder am Erhalt ihrer Amtspositionen motiviert seien. Nach den Grundsätzen, die der BGH in der ARAG/GarmenbeckEntscheidung210 zum Geschäftsleiterermessen aufgestellt, und die der Gesetzgeber in § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG inhaltsgleich kodifiziert habe, sei deshalb der Ermessensspielraum der Vorstandsmitglieder zu modifizieren. Richtigerweise ist eine solche Aufwertung der Aktionärsinteressen abzulehnen. Dies gilt zum einen für die konkrete, an den Grundsätzen zum aktienrechtlichen
206 Vgl. auch Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (BT-Drucks. 14/ 7477, S. 50). Die Regelung wird vielfach als rechtspolitisch verfehlt kritisiert (z. B. Hüffer/ Koch, AktG § 76 Rn. 44; Hopt, ZGR 2002, 333, 360 f.; Krause, AG 2002, 133, 136 f.; Ulmer, AcP 2002, 143, 153 f.; dagegen U. H. Schneider, AG 2002, 125, 129). 207 Grunewald, in: Baums/Thoma WpÜG § 33 Rn. 65. 208 Grunewald, in: Baums/Thoma WpÜG § 33 Rn. 14, 56, 65 ff.; U. H. Schneider, AG 2002, 125, 129 f.; von Nussbaum, Die Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft S. 189 ff., 203; Lange, WM 2002, 1737, 1740 ff. 209 Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1, 10; Hirte, in: Kölner Komm WpÜG § 33 Rn. 83; Steinmeyer, in: Steinmeyer WpÜG § 33 Rn. 29 f.; Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 33 Rn. 170; in diese Richtung auch Seibt, in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1119, 1122. 210 BGHZ 135, 244 ff.
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Geschäftsleiterermessen ansetzende Argumentation. Zum anderen ist auch sonst keine rechtliche Grundlage für eine solche Position ersichtlich. Was die konkrete Begründung betrifft, so liegt ihr ein fehlerhaftes Verständnis darüber zugrunde, wie sich ein Interessenkonflikt auf das nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG grundsätzlich weite Vorstandsermessen auswirkt. Dies geschieht nach geltendem Recht nämlich dadurch, dass der gerichtliche Prüfungsmaßstab für die konfliktbelastete Maßnahme verschärft wird, sodass die Vorstandsmitglieder in diesem Fall ihre Entscheidung nicht erst dann detailliert rechtfertigen müssen, wenn sie evident sachwidrig erscheint, sondern konkret nachzuweisen haben, dass sie die Entscheidung anhand sachgerechter Kriterien getroffen und ihre Eigeninteressen außen vor gelassen haben.211 Dagegen hat ein Interessenkonflikt nicht zur Folge, dass sich die sachlichen Kriterien selbst ändern, denen eine Vorstandsentscheidung unterliegt. Darauf jedoch läuft die Forderung nach einem den Veräußerungsinteressen der Aktionäre „qualifiziert“ entgegenstehenden Unternehmensinteresse hinaus, indem aufgrund der Erwägung, dass die Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft dem Veräußerungsinteresse der Aktionäre typischerweise ablehnend gegenüberstehen, dieses im Vergleich zu den übrigen betroffenen Partikularinteressen materiell aufgewertet wird. Das ist nicht sachgerecht. Die persönlichen Befindlichkeiten der Vorstandsmitglieder lassen die materielle Wertigkeit sowohl des Veräußerungsinteresses der Aktionäre als auch der übrigen das Unternehmensinteresse bildenden Teilinteressen unberührt. Diese sind jeweils aus sich heraus zu bewerten und zu gewichten. Entsprechend dieser Wertigkeit haben sich die Vorstandsmitglieder sodann zu verhalten, und zwar unabhängig davon, mit welchem der einzelnen Interessen sie persönlich am ehesten sympathisieren.212 Sucht man nach weiteren Rechtsgrundlagen, aus denen sich eine zugunsten der Aktionärsinteressen besonders eingeschränkte Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen ableiten ließe, so könnte man zunächst erwägen, dass sich eine solche Auslegung aus der Grundaussage des § 33 Abs. 1 Satz 1 WpÜG ergibt, wonach Abwehrmaßnahmen ja eigentlich unzulässig sind. Ein solches Vorgehen würde jedoch weder systematisch noch mit Blick auf die Gesetzesentstehung überzeugen. Im Verhältnis zum Verhinderungsverbot ist § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 3 WpÜG eine Ausnahmevorschrift. Diesem Charakter liefe eine am Zweck der Regelnorm orientierte Auslegung grundsätzlich zuwider. Eine Ausnahmevorschrift ist zwar grundsätzlich eng, in erster Linie aber gleichwohl aus ihrer eigenen Zielrichtung heraus auszulegen. Für § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 3 WpÜG liegt diese aber darin, Abwehrmaßnahmen zu ermöglichen und zu erleichtern.213 § 33 WpÜG war bis kurz vor Abschluss des Gesetz211
Zu diesen Grundsätzen siehe bereits oben § 11 I. 2. So richtig von Nussbaum, Die Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft, S. 194 f. 213 von Nussbaum, Die Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft, S. 172, 109. Vgl. auch Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (BT-Drucks. 14/7477, S. 5) sowie die die entsprechende Berichterstattung in der Tagespresse (ohne Verfasser, Bei Übernahmegesetz nicht auf EU warten, FAZ vom 19. 10. 2001, S. 31; ferner ohne Verfasser, Koalition beschließt 212
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gebungsverfahrens noch so konzipiert, dass abwehrgeeignete Maßnahmen dem Vorstand grundsätzlich verboten und nur mit Zustimmung der Hauptversammlung zulässig waren.214 Durch Einfügen der Ausnahmevorschrift des § 33 Abs. 1 S. 2 Var. 3 WpÜG wurde dieses Regelungskonzept auf Vorschlag des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags „auf der Zielgeraden“ aufgegeben.215 Dabei ist aus dem verworfenen Konzept ersichtlich, dass diese Öffnung des WpÜG für Abwehrmaßnahmen nicht unbedacht geschah, sondern dem Gesetzgeber das Spannungsverhältnis zwischen den Veräußerungsinteressen der Aktionäre und den Beharrungsinteressen des Vorstands der Zielgesellschaft bei der Entscheidung über Abwehrmaßnahmen bewusst war. Für eine materielle Begrenzung des Handlungsspielraums des Vorstands hat er sich aber gleichwohl nicht entschieden; hätte er eine solche gewollt, wäre es durchaus in Betracht gekommen, die Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen ausdrücklich an die drohende Gefahr „schwerer Nachteile“ für die Interessen der Zielgesellschaft oder ähnliche Kriterien zu knüpfen. Zumindest hätte es nahegelegen, dass sich der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung für eine enge Auslegung der Norm ausgesprochen hätte. Hierzu ist jedoch nichts ersichtlich. Stattdessen hat sich der Gesetzgeber dazu entschieden – wie bei Konfliktgeschäften auch nach allgemeinem Aktienrecht üblich – Abwehrmaßnahmen des Vorstands an die obligatorische Mitwirkung des Aufsichtsrats als Kontrollinstanz zu binden.216 Auch im Bereich echter Abwehrmaßnahmen ist daher davon auszugehen, dass das nicht weiter modifizierte Unternehmensinteresse die allein maßgebliche Leitlinie für den Vorstand der Zielgesellschaft darstellt. b) Materielle Beschränkung der Förderung von Übernahmeangeboten Ebensowenig wie das WpÜG spezielle materielle Restriktionen für die Durchführung von Abwehrmaßnahmen bereithält, bestehen solche Einschränkungen für Vorstandshandlungen, die auf die Förderung von Übernahmeversuchen ausgerichtet sind. Zwar zeigt das Gesetz insbesondere mit der Vorschrift des § 33d WpÜG, dass es einer unsachgemäßen Förderung von Übernahmeversuchen ablehnend gegenübersteht. Die Vorschrift sorgt i. V. m. §134 BGB dafür, dass ungerechtfertigte Anreizversprechen des Bieters an die Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft unwirksam sind.217 Eine Aussage darüber, unter welchen sachlichen Umständen eine Förderung eines Übernahmeversuchs durch den Vorstand der Zielgesellschaft zulässig oder „Giftpillen“ gegen Übernahmen, FAZ vom 08. 11. 2001; ohne Verfasser, Bundestag gibt Vorständen Abwehrmöglichkeiten, FAZ vom 15. 11. 2001). 214 So noch § 33 Abs. 1 i. d. F. des Regierungsentwurfs (vgl. BegrRegE WpÜG BTDrucks. 14/7034, S. 16). 215 Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 33 WpÜG Rn. 29. 216 Diesen Regelungsmechanismus als Argument gegen eine eingeschränkte Handlungsmaxime des Vorstands ebenfalls heranziehend Hüffer/Koch, AktG § 76 Rn. 40 („Ggü. [aktienrechtl. Neutralitätspflicht] könnte […] bloße Zustimmung des AR nichts bewirken.“). 217 Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 33d WpÜG Rn. 15; Schwennicke, in: Geibel/Süßmann WpÜG § 33d Rn. 5.
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unzulässig ist, trifft die Norm aber nicht. Auch sonst enthält das WpÜG keine speziellen Vorschriften solchen Inhalts. Folglich ist auch für Maßnahmen, die einen Übernahmeversuch unterstützen, davon auszugehen, dass sich deren materielle Rechtmäßigkeit allein an dem allgemeinen Kriterium des Unternehmensinteresses bemisst.218 c) Materielle Sonderpflichten im Fall des Management Buyouts? Inhaltliche Modifikationen der Vorstandspflichten werden schließlich für die Sonderkonstellation des Management Buyouts erwogen, wo Mitglieder des Vorstands der Zielgesellschaft an einem Übernahmeangebot selbst beteiligt sind219 und deshalb an einem Erfolg des Übernahmeversuchs ein gesteigertes eigenes Interesse haben. Hier wird diskutiert, ob der Vorstand verpflichtet ist, neben dem Angebot, an dem er selbst beteiligt ist, Konkurrenzangebote zu suchen.220 Auch wird vorgeschlagen, ihn für den Fall, dass weitere Übernahmeangebote vorliegen, zu verpflichten, die konkurrierenden Bieter bei der Gewährung von Informationen über die Zielgesellschaft strikt gleich zu behandeln, ihnen insbesondere einen Anspruch auf Durchführung einer Due Diligence einzuräumen.221 aa) Suche nach Konkurrenzangeboten Eine spezielle Pflicht des an einem Management Buyout beteiligten Vorstands zur Suche nach Konkurrenzangeboten ist im Gesetz nicht ausdrücklich erwähnt. Insbesondere folgt eine solche nicht aus § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 2 WpÜG, wonach der Vorstand der Zielgesellschaft zwar zur Suche von konkurrierenden Angeboten berechtigt, aber nicht verpflichtet ist. Als rechtliche Grundlage für eine solche Pflicht kommt daher abermals allenfalls eine entsprechende Modifikation der grundsätzlich in der Beachtung des Unternehmensinteresses liegenden vorstandsrechtlichen Handlungsmaxime in Frage.222 Die Überlegung, den an einem Management Buyout beteiligten Vorstand auf dieser Grundlage zur Suche nach Konkurrenzangeboten zu verpflichten, wäre in ihrem methodischen Ansatz dann allerdings ähnlich gelagert, wie die im Zusammenhang mit der Zulässigkeit von Abwehrmaßnahmen diskutierte Forderung, dem Vorstand Abwehrmaßnahmen nur zu gestatten, wenn hierfür ein „qualifiziertes Unternehmensinteresse“ spricht. So wie man dort versucht, aufgrund einer typischerweise anzunehmenden Übernahmeaversion des Vorstands die Ak218 Vgl. auch Kirchner, WM 2000, 1821, 1827 (Bindung an das Unternehmensinteresse „selbstverständlich“); ebenso Schiessl, in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1019, 1023. 219 Überblick über Konstellationen und rechtliche Probleme des Management Buyouts z. B. bei Hölters, in: Hdb Unternehmenskauf, Teil I Rn. 77 ff.; ferner Holzapfel/Pöllath, Unternehmenskauf in Recht und Praxis, Rn. 596 ff. 220 In diese Richtung Schiessl, ZGR 2003, 814, 832. 221 Kiem, in: Baums/Thoma WpÜG § 33d Rn. 22. 222 So wohl auch Schiessl, ZGR 2003, 814, 832 („aufgrund […] Vorstandspflichten“).
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tionärsinteressen prinzipiell aufzuwerten und dadurch Abwehrmaßnahmen zu erschweren, würde hier aus der vermuteten Abneigung des an einem Management Buyouts beteiligten Vorstands gegen Konkurrenzangebote seine Pflicht zur Suche nach selbigen konstruiert. Dieser Versuch ist abzulehnen. Ebenso wie die Durchführung von Abwehrmaßnahmen beurteilt sich auch die Pflicht des Vorstands, Konkurrenzangebote zu suchen, am Unternehmensinteresse der Zielgesellschaft.223 Die Situation des Management Buyouts reduziert das Ermessen, das dem Vorstand im Rahmen seiner zur Ermittlung dieses Unternehmensinteresses durchzuführenden Abwägung zusteht, nicht dergestalt auf Null, dass sich eine besondere Pflicht zur Suche nach Konkurrenzangeboten ergäbe. Bei einem Übernahmeangebot für die Anteile einer Aktiengesellschaft gehört es ganz unabhängig davon, woher dieses Angebot rührt, zu den allgemeinen Vorstandspflichten, die Situation in ihrer Gesamtheit einzuschätzen und das weitere Vorgehen zu planen. Dies umfasst regelmäßig auch Überlegungen, ob ein Konkurrenzangebot den Interessen der Zielgesellschaft förderlicher wäre als das bisher vorliegende. Ist das der Fall, so ist nach einem solchen Angebot Ausschau zu halten. Erscheint es hingegen von vornherein unwahrscheinlich, ein besseres Angebot zu finden, so ist der Vorstand auch nicht verpflichtet, ins Blaue hinein und durch in der Regel kostspielige Hilfe von Investmentbanken danach zu suchen. Diese Grundsätze sind, wenn an dem bisherigen Angebot Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft beteiligt sind, keine anderen. Weiß der Vorstand z. B., dass für das Unternehmen der Zielgesellschaft zur Zeit eigentlich kein Markt besteht, und dass das bestehende Management-Buyout-Angebot letztlich nur einer bei dem Bieter bestehenden Sonderkonstellation geschuldet ist, so ist es ermessensgerecht, die Suche nach einem Konkurrenzangebot gar nicht erst einzuleiten. Besteht hingegen die nicht aussichtslose Chance, am Markt ein insgesamt für die Zielgesellschaft besseres Angebot zu finden, so hat ihr Vorstand sich auch entsprechend zu bemühen. Dass er bei einem eingeleiteten Management Buyout naturgemäß einem größeren Rechtfertigungsdruck unterliegt, wenn er das nicht tut, steht außer Frage. Seine materielle Pflichtenstellung wird durch seine gleichzeitige Positionierung auf Bieterseite aber nicht verändert.224 bb) Strikte Bietergleichbehandlung Ebensowenig ist dem Vorschlag zu folgen, die Vorstandsmitglieder allein deshalb, weil sie selbst versuchen, im Rahmen eines Management Buyouts die Zielgesellschaft zu übernehmen, dazu zu verpflichten, konkurrierenden Bietern stets dieselben Informationen zukommen zu lassen, wie demjenigen, mit dem sie zum Zwecke des Management Buyouts zusammenarbeiten. Zwar ist die Prämisse richtig, dass letzterer Informationen über die Zielgesellschaft stets auf kurzem Wege und ohne Schwierigkeiten bekommen wird, insoweit also gegenüber seinen Konkurrenten im 223 224
Siehe bereits oben § 14 II. 1. a) bb) (2). So i.E. auch Schiessl, in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1019, 1030.
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Vorteil ist.225 Daraus lässt sich aber nicht pauschal ein Anspruch der konkurrierenden Bieter auf Übermittlung identischer Informationen ableiten. Außerhalb übernahmerechtlicher Sachverhalte ist es herrschende Meinung, dass die Frage, ob und inwieweit die Gesellschaft Informationen an Dritte gibt – ihnen insbesondere Zugang zu einer Due Diligence gewährt –, Gegenstand einer unternehmerischen Entscheidung ist, die sich am Unternehmensinteresse auszurichten hat.226 Für Situationen der öffentlichen Übernahme enthält das WpÜG zumindest ausdrücklich keine von dieser Rechtslage abweichende Bestimmung. Insbesondere fordert § 3 Abs. 1 WpÜG lediglich die Gleichbehandlung der Aktionäre der Zielgesellschaft, nicht aber konkurrierender Bieter.227 Auch durch eine weitergehende Auslegung der übernahmerechtlichen Vorschriften lässt sich ein Grundsatz der informationsbezogenen Bietergleichbehandlung nicht entwickeln. Ein als Rechtsgrundlage vorgeschlagener Rückgriff auf die singuläre Verfahrensvorschrift des § 22 Abs. 3 WpÜG ist weder überzeugend noch erforderlich.228 Der Vorstand hat seine übernahmerelevanten Entscheidungen am Unternehmensinteresse auszurichten229 und auf dieser Grundlage sachgerechte – nicht aber schematische – Entscheidungen zu treffen. Dies führt dazu, dass konkurrierenden Bietern identische Informationen nicht stets, sondern nur dann zu übermitteln sind, wenn dies im Interesse der Zielgesellschaft ist, und zwar auch dann, wenn eines der Angebote als Management Buyout konstruiert ist. Ganz selbstverständlich folgt daraus, dass der Vorstand der Zielgesellschaft das Informationsverlangen eines Bieters, der mit dem Management-Buyout-Angebot konkurriert, nicht willkürlich übergehen darf, schon gar nicht, um eigene Interessen zu fördern. Ob die Weitergabe von Informationen an den konkurrierenden Bieter dann tatsächlich stattfindet, ist aber nicht allein danach zu entscheiden, welche Informationen dem Bieter des Management-Buyout-Angebots bereits gewährt wurden. Vielmehr sind auch alle sonstigen Umstände der vorliegenden Angebote für diese Frage zu berücksichtigen. Sind z. B. die neben dem Management-Buyout-Angebot 225
Kiem, in: Baums/Thoma WpÜG § 33d Rn. 21. Hopt, in: Großkomm AktG § 93 Rn. 213; Fleischer, ZIP 2002, 651, 651 f.; Müller, NJW 2000, 3452, 3453; Stoffels, ZHR 165 (2001), 362, 371 ff.; Hemeling, ZHR 169 (2005), 274, 279. A.A. Lutter, ZIP 1997, 613, 617 weil die Gesellschaft regelmäßig kein eigenes Interesse an einem Verkauf ihrer Aktien und damit auch nicht an einer diesen fördernden Informationsweitergabe habe; ebenso Ziemons, AG 1999, 492, 495. 227 Fleischer, ZIP 2002, 651, 654. 228 So aber Fleischer, ZIP 2002, 651, 654, demnach sich aus der Vorschrift des § 22 Abs. 3 WpÜG, die im Falle eines konkurrierenden Angebots den Aktionären, die das erste Angebot bereits vor Veröffentlichung des konkurrierenden Angebots angenommen hatten, den Rücktritt und damit die Annahme des konkurrierenden Angebots ermöglicht, ein „normkonzipierendes Prinzip der Bietergleichbehandlung“ ableiten lässt. In diesem Sinne auch Hopt, ZGR 2002, 333, 358 (unter Hinweis auf Rule 20.2 des englischen City Code). Kritisch zu diesen Ansätzen Drygala, WM 2004, 1457, 1463 („§ 22 WpÜG […] dazu wenig ergiebig“; „Parallele zum City Code […] problematisch, wenn nicht sogar irreführend“). 229 Krause, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 22 Rn. 99; ebenso Drygala, WM 2004, 1457, 1463; i.E. auch Austmann, ZGR 2009, 276, 285; Hemeling, ZHR 169 (2005), 274, 289 f.; von Nussbaum, Die Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft, S. 127. 226
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vorliegenden Angebote ersichtlich nicht ernst gemeint, lassen sich die konkurrierenden Bieter nicht auf Vertraulichkeitsabreden ein, sind ihre Fähigkeiten zur Finanzierung des Angebots unsicher oder droht dem Unternehmen der Zielgesellschaft nach deren Erwerberkonzepten die Zerschlagung, so sind dies Aspekte, die der Vorstand der Zielgesellschaft vor der Informationsübermittlung an diese Bieter bedenken und berücksichtigen muss.230 d) Bewertung Trotz der apodiktischen Formulierung in § 33 Abs. 1 Satz 1 WpÜG schränkt das Verhinderungsverbot die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands in Übernahmesituationen nicht in der Weise ein, dass ihm alle abwehrgeeigneten Aktivitäten schlechthin untersagt sind. Vielmehr hat der Gesetzgeber eine breite Schneise an Ausnahmen in das Verhinderungsverbot geschlagen. Obwohl sämtliche Vorstandsmitglieder bei der Entscheidung über Maßnahmen, die den Übernahmeerfolg beeinflussen können, stets befangen sind, sind ihnen erfolgsverhindernde Handlungen nach Maßgabe des § 33 Abs. 1 Satz 2 WpÜG gestattet. Die Regelung bekräftigt insoweit das im ersten Teil dieser Untersuchung gewonnene Ergebnis, dass befangene Vorstandsmitglieder weder ex lege von der Mitwirkung an konfliktbelasteten Maßnahmen ausgeschlossen sind, noch einem gesetzlichen Stimmverbot unterliegen. Auch für die Geltendmachung eines Leistungsverweigerungsrechts hinsichtlich der nach § 33 Abs. 1 Satz 2 WpÜG gestatteten Handlungen findet sich im WpÜG keine Rechtsgrundlage. Trotz ihres übernahmespezifischen Interessenkonflikts sind alle Vorstandsmitglieder im Bereich des § 33 Abs. 1 Satz 2 WpÜG zu einer ordnungsgemäßen und loyalen Geschäftsführung „im Interesse der Zielgesellschaft“ (§ 3 Abs. 3 WpÜG) berechtigt und verpflichtet. Dies gilt gleichermaßen auch umgekehrt für Handlungen, mit denen sie eine bevorstehende Übernahme fördern wollen. Auch in den Sonderkonstellationen eines Management Buyouts bestehen insoweit keine Besonderheiten. 2. Prozedurale Beschränkungen der Geschäftsführung a) Prozedurale Beschränkungen bei Abwehrmaßnahmen Das WpÜG enthält keine generelle, generalklauselartige Norm, die alle Handlungen des Vorstands, welche den Erfolg eines Übernahmeangebots fördern oder gefährden könnten, von bestimmten verfahrensmäßigen Voraussetzungen abhängig macht. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Vorstand solche Maßnahmen stets im Alleingang durchführen dürfte. Insbesondere für Abwehrmaßnahmen, die der Vor230 Zutreffend zur Gleichbehandlung im Kapitalmarktrecht Bachmann, ZHR 170 (2006), 144, 173: „Für radikale Thesen besteht […] kein Anlass, weil Gleichbehandlungspflichten nicht zu blinder Gleichstellung verdammen, sondern grundsätzlich Raum lassen für Differenzierungen, soweit diese sachlich gerechtfertigt sind.“
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stand der Zielgesellschaft ergreift, nachdem der Bieter seine Entscheidung zur Abgabe eines Übernahmeangebots gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 WpÜG öffentlich bekanntgegeben hat, sieht das WpÜG Mitwirkungsbefugnisse der anderen Organe vor. Die wichtigste formale Schranke enthält insoweit § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 3 WpÜG für Vorstandshandlungen, die gezielt darauf gerichtet sind, einen Übernahmeversuch zu verhindern. Um die Übernahmeabwehr nicht gänzlich allein dem Ermessen des Vorstands anheim zu geben, ordnet das Gesetz hier von sich aus an, dass die Maßnahme – wenn schon nicht, wie ursprünglich vorgesehen, der Billigung durch die Hauptversammlung, so doch – der Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf. Gem. § 33 Abs. 2 Satz 4 WpÜG besteht ein solches Zustimmungserfordernis des Aufsichtsrats ferner für gezielte Abwehrmaßnahmen, die der Vorstand auf Grundlage einer sogenannten „Vorratsermächtigung“ der Hauptversammlung durchführen möchte.231 Weitere prozedurale Beschränkungen für Abwehrmaßnahmen sind ferner dann gegeben, wenn die Zielgesellschaft gemäß § 33a Abs. 1 Satz 1 WpÜG in ihrer Satzung festgelegt hat, dass § 33 WpÜG für sie nicht gelten und dafür das sogenannte „Europäische Verhinderungsverbot“ nach § 33a Abs. 2 WpÜG zur Anwendung kommen soll. In diesen Fällen sind Abwehrmaßnahmen, die der Vorstand nach Ankündigung des Übernahmeangebots trifft, grundsätzlich nur zulässig, wenn die Hauptversammlung den Vorstand hierzu ermächtigt hat (§ 33a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 WpÜG), wobei diese Ermächtigung selbst – im Gegensatz zur Vorratsermächtigung nach § 33 Abs. 2 WpÜG – erst beschlossen werden darf, nachdem der Bieter sein Angebot gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 WpÜG angekündigt hat (§ 33a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 WpÜG). Auch vom Europäischen Verhinderungsverbot existieren allerdings Ausnahmen. Diese sind grundsätzlich identisch mit denen, die auch nach § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 und 2 WpÜG gelten: Handlungen innerhalb des normalen Geschäftsbetriebs, Handlungen außerhalb des normalen Geschäftsbetriebs, sofern mit ihrer Umsetzung schon vor der Ankündigung des Übernahmeangebots begonnen wurde sowie die Suche nach einem konkurrierenden Angebot kann der Vorstand auch unter dem strengeren Regelungsregime des § 33a Abs. 2 WpÜG auf eigene Faust durchführen (vgl. § 33a Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 – 4 WpÜG). b) Prozedurale Beschränkungen im Falle des Management Buyouts? Besondere prozedurale Beschränkungen werden auch für bestimmte Maßnahmen des Vorstands der Zielgesellschaft in der Situation eines Management Buyouts erwogen. Nach einer in der Literatur vertretenen Meinung sollen die Eigeninteressen der Vorstandsmitglieder hier dadurch ausgeschaltet werden, „dass ein neutraler Sachwalter die Interessen der Zielgesellschaft und ihrer Aktionäre gegenüber dem Bieter vertritt. Hier dürfte es sich anbieten, dass sämtliche Verhandlungen mit dem 231
Zur Vorratsermächtigung noch ausführlicher unter § 14 III. 4. b) aa).
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2. Teil, 2. Kap.: Interessenkonflikte bei öffentlichen Übernahmen
Bieter von einem Mitglied der Verwaltung geführt werden, das nicht an dem Management Buyout partizipiert.“232 Falls alle Vorstandsmitglieder an dem Management Buyout teilnähmen, sei bei der Person des unbefangenen Sachwalters auch an den Aufsichtsratsvorsitzenden zu denken.233 Dem unbefangenen Sachwalter „würde es auch obliegen, mögliche Konkurrenzangebote einzuholen.“234 Dieser Vorschlag findet im geltenden Recht keine Grundlage. Zunächst gehört es nicht zu den Geschäftsführungsaufgaben eines Vorstandsmitglieds, in einem Übernahmeverfahren die Aktionäre als Verhandlungsführer gegenüber dem Bieter zu vertreten. Seine aktive Verpflichtung gegenüber den Aktionären besteht darin, ihnen bei ihrer Entscheidung durch seine Mitwirkung an der begründeten Stellungnahme nach § 27 WpÜG Hilfestellung zu leisten,235 ein Mandat als ihr Verhandlungsführer besitzt er nicht. Das gilt auch beim Versuch eines Management Buyouts. Deshalb bietet es sich entgegen der oben zitierten Auffassung de lege lata gerade nicht an, dass sämtliche Verhandlungen mit dem Bieter von einem Vorstandsmitglied geführt werden, das nicht an dem Management Buyout partizipiert. Sofern im Rahmen des Management Buyouts direkte Rechtsgeschäfte zwischen der Gesellschaft selbst und einem mitbietenden Vorstandsmitglied erforderlich sein sollten, findet unmittelbar § 112 AktG Anwendung, d. h. die Gesellschaft wird durch den Aufsichtsrat vertreten. Im Übrigen richtet sich die Geschäftsführungskompetenz aller Vorstandsmitglieder, gleichviel ob sie wegen ihrer direkten Beteiligung an dem Management Buyout oder aus übernahmetypischen Gründen – etwa aus der Sorge um ihre persönliche Zukunft als Organmitglied – befangen sind, nach den allgemeinen Regeln des Aktienrechts bei vorstandsbezogenen Interessenkonflikten, d. h. die Vorstandsmitglieder unterliegen weder einem Geschäftsführungs- noch einem Stimmverbot noch sind sie berechtigt, von sich aus ihre Mitwirkung an übernahmerelevanten Entscheidungen einzustellen. Darüber dass sie ihre eigenen Interessen nicht über die der Zielgesellschaft stellen, wacht nach § 111 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 2 AktG der Aufsichtsrat. Für eine Sonderrolle des Aufsichtsratsvorsitzenden als neutraler Sachwalter ist daher kein Bedarf. Ihm eine aktive Sachwalterzuständigkeit zuzusprechen, ist zudem mit der aktienrechtlichen Kontrollfunktion des Aufsichtsrats und dem aus § 111 Abs. 4 Satz 1 AktG folgenden Geschäftsführungsverbot unvereinbar. Aus lediglich grundsätzlichen Erwägungen zu etwaigen übernahmerechtlichen Grundsätzen lässt sich eine solche, aktienrechtlichen Grundsätzen zuwiderlaufende, Funktion nicht ableiten.236 Für einen derartigen Eingriff in das aktienrechtliche Kompetenzgefüge bedürfte es im WpÜG einer ausdrücklichen Regelung. 232
Kiem, in: Baums/Thoma WpÜG § 33d Rn. 22. Kiem, a.a.O.; in diese Richtung auch Becker, ZHR 165 (2001), 280, 287. 234 Kiem, a.a.O.; ähnlich Becker, a.a.O. („Aufsichtsrat als Auktionator“). 235 Hierzu noch ausführlich unter § 14 II. 3. und § 15. 236 Etwas anderes wäre mit dem Verhältnis von Aktien- und Übernahmerecht nicht vereinbar. Die Festlegung von Kompetenzen in der Aktiengesellschaft ist die Domäne des Aktienrechts, welches in seinem ganz wesentlichen Umfang Gesellschaftsorganisationsrecht ist und dessen Ziel darin liegt, „ein annäherndes Kräftegleichgewicht zwischen den Gesellschaftsor233
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c) Bewertung Der mit den aufgeführten prozeduralen Schranken zugunsten der Zielgesellschaft geschaffene Schutz vor den Eigeninteressen ihrer Vorstandsmitglieder ist unter mehreren Gesichtspunkten lückenhaft. Dies gilt zunächst insoweit, als die Zustimmung des Aufsichtsrats – bzw. im Anwendungsbereich des Europäischen Verhinderungsverbots die Zustimmung der Hauptversammlung – lediglich für gezielte Abwehrmaßnahmen nach § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 3, § 33 Abs. 2 und § 33a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 WpÜG erforderlich ist, der Vorstand hingegen die je nach Situation gleichfalls abwehrgeeigneten Handlungen gem. § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 und 2 sowie § 33a Abs. 2 Nr. 2 – 4 WpÜG nach dem WpÜG ohne Mitwirkung des Aufsichtsrats oder der Hauptversammlung durchführen kann. Ohne besondere übernahmerechtliche Verfahrensschranken kann er ferner Maßnahmen ergreifen, um einen Übernahmeversuch zu fördern, z. B. mit dem Bieter wohlwollende Gespräche aufnehmen, ihm Geschäftsinterna zum Zwecke einer Due Diligence offenlegen oder auch Werbeaktionen zugunsten des Übernahmeversuchs durchführen.237 Für die Schranken der §§ 33, 33a WpÜG ist der Anwendungsbereich schließlich auch in zeitlicher Hinsicht begrenzt, denn die von diesen Normen erfassten abwehrgeeigneten Maßnahmen werden erst dann mit dem Aufsichtsrats- bzw. Hauptversammlungsvorbehalt belegt, wenn der Bieter sein Angebot nach § 10 Abs. 1 Satz 1 WpÜG förmlich angekündigt hat (vgl. § 33 Abs. 1 Satz 1 bzw. § 33a Abs. 2 Satz 1 WpÜG). Ein Übernahmeversuch trifft die Zielgesellschaft aber nur selten überraschend. Dafür sorgen regelmäßig die kapitalmarktrechtlichen Vorschriften zur Beteiligungspublizität, die den Bieter verpflichten, die Stufen seiner bereits vor dem eigentlichen Übernahmeangebot erworbenen Sockelbeteiligung offen zu legen (vgl. §§ 21 ff. WpHG). Zudem nimmt ein potentieller Bieter, bevor er sein Angebot vorlegt, regelmäßig mit der Verwaltung der künftigen Zielgesellschaft Kontakt auf, sodass ganen [zu gewährleisten].“ (Fleischer, in: FS Schwark, 2009, S. 137, 149). Zwar sind Ergänzungen der aktienrechtlichen Kompetenzregelungen durch Vorschriften anderer Regelungswerke nicht unüblich. Das WpÜG selbst enthält solche in gewisser Zahl, insbesondere in Form der Zuständigkeitsfestlegungen zugunsten des Aufsichtsrats und der Hauptversammlung in den §§ 33 ff. Sofern sie nicht auf ausdrücklichen Regelungen basieren, ist der Annahme von Kompetenzverschiebungen jedoch mit Zurückhaltung zu begegnen. Modifikationen schließlich, die – wie die vorgeschlagene Instrumentalisierung des Aufsichtsratsvorsitzenden – grundsätzlichen Wertungen der aktienrechtlichen Kompetenzverteilung widersprechen, sind ohne klare gesetzliche Grundlage ganz abzulehnen. 237 Für den Fall von Werbemaßnahmen, die der Vorstand der Zielgesellschaft im Zusammenhang mit einem Übernahmeangebot durchführt, besteht zwar die Beschränkung des § 28 WpÜG. Demnach kann die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bestimmte Arten angebotsbezogener Werbung untersagen. Die Regelung ist allerdings von ihrem Schutzzweck her nicht darauf zugeschnitten, die Interessen der Zielgesellschaft gegen eigennützige Vorstandsentscheidungen zu verteidigen, sondern dient allein einem geordneten Ablauf des Übernahmeverfahrens (Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler WpÜG § 28 Rn. 2; Assmann, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 28 Rn. 13 ff.). Solange letzteres durch die Werbung nicht beeinträchtigt wird, bietet § 28 WpÜG keine Grundlage für einen mäßigenden Eingriff.
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2. Teil, 2. Kap.: Interessenkonflikte bei öffentlichen Übernahmen
diese schon im Vorfeld der §§ 33, 33a WpÜG weiß, wer höchstwahrscheinlich binnen Kurzem einen Übernahmeversuch starten wird.238 Damit entstehen bereits im Vorfeld der förmlichen Angebotsankündigung übernahmespezifische Eigeninteressen, die den Vorstand zur eigennützigen Beeinflussung des Übernahmeerfolgs veranlassen können.239 3. Übernahmespezifische Konflikttransparenz a) Offenlegung von Sonderinteressen in der Angebotsunterlage (§ 11 Abs. 2 Satz 3 WpÜG) und der begründeten Stellungnahme (§ 27 WpÜG) Ähnlich wie das Aktienrecht, das auf der Grundlage der organschaftlichen Treuepflicht von den Vorstandsmitgliedern verlangt, im Zusammenhang mit ihrer Geschäftsführung stehende Interessenkonflikte gegenüber den Vorstandskollegen und dem Aufsichtsrat offenzulegen, geht auch das WpÜG davon aus, dass die Gefährlichkeit vorstandsinterner Eigeninteressen durch deren Offenlegung und Transparenz verringert werden kann. Seinen konkreten Ausdruck findet das zum einen in § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 WpÜG. Danach ist der Bieter verpflichtet, in der von ihm gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 WpÜG zu veröffentlichenden Angebotsunterlage Angaben „über Geldleistungen oder andere geldwerte Vorteile“ zu machen, die den Vorstandsmitgliedern der Zielgesellschaft „gewährt oder in Aussicht gestellt werden.“ Zum anderen sind nach überwiegender Ansicht auch in der begründeten Stellungnahme, die der Vorstand gem. § 27 WpÜG zu dem Angebot abzugebenden hat, die Eigeninteressen aufzuführen, die die Vorstandsmitglieder am Erfolg oder Misserfolg der Übernahme haben.240 Sowohl bei der Angebotsunterlage als auch bei der begründeten Stellungnahme handelt es sich um Konkretisierungen des übernahmerechtlichen Transparenzgebots gem. § 3 Abs. 2 WpÜG,241 aus dem heraus 238 Der Sinn der Kontaktaufnahme liegt maßgeblich darin, die Stimmung auf Seiten der Zielgesellschaft zu testen und herauszufinden, ob die Übernahme voraussichtlich freundlich oder feindlich vonstatten gehen wird. Daran anknüpfend wird der künftige Bieter in der Regel Informationen zum Zwecke einer Due Diligence erfragen (Thaeter, in: Thaeter/Brandi, Öffentliche Übernahmen, Teil 2 Rn. 741 ff. sowie Teil 3 Rn. 30; Schiessl, in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1019). 239 Siehe bereits oben § 14 I. 2. c). 240 H. M. So z. B. Harbarth, in: Baums/Thoma WpÜG § 27 Rn. 31; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 27 Rn. 58; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/ Oechsler WpÜG § 27 Rn. 19; Hirte, in: Kölner Komm WpÜG § 27 Rn. 22, 34; Kiesewetter/ Kreymborg, Corporate Finance Law 2013, 105, 109. A. A. etwa Brandi/Lingemann, in: Thaeter/ Brandi, Öffentliche Übernahmen, Teil 3 Rn. 145, 147 (Offenlegung von Eigeninteressen aus Aktionärssicht zwar „sinnvoll und wünschenswert“, nach § 27 WpÜG aber „nicht zwingend erforderlich“). 241 Für die Angebotsunterlage z. B. Noack/Holzborn, in: Schwark/Zimmer KMRK § 11 WpÜG Rn. 1; Wackerbarth, in: MünchKomm AktG § 11 WpÜG Rn. 11. Für die begründete Stellungnahme z. B. BegrRegE WpÜG BT-Drucks. 14/7034, S. 52; Krause/Pötzsch, in: Ass-
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sowohl der Bieter als auch die Verwaltung der Zielgesellschaft verpflichtet sind, den Aktionären der Zielgesellschaft die Informationen zur Verfügung zu stellen, die für eine informierte Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des Angebots erforderlich sind.242 Während die Angebotsunterlage den Inhalt des Angebots sowie umfangreiche ergänzende Angaben enthält (vgl. § 11 Abs. 2 WpÜG), sind Gegenstand der begründeten Stellungnahme nach der nicht abschließenden Aufzählung243 des § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 – 4 WpÜG vor allem Ausführungen zur Art und Höhe der angebotenen Gegenleistung, zu den voraussichtlichen Folgen eines erfolgreichen Angebots für die Zielgesellschaft und ihre Arbeitnehmer, zu den vom Bieter mit dem Angebot verfolgten Zielen sowie über die Absicht der Vorstandsmitglieder, soweit sie selbst Inhaber von Wertpapieren der Zielgesellschaft sind, das Angebot anzunehmen. Dabei wirkt die begründete Stellungnahme als Gegengewicht zu der Angebotsunterlage des Bieters.244 Indem die Vorstandsmitglieder ihre übernahmespezifischen Eigeninteressen in der begründeten Stellungnahme offenbaren, sollen die Aktionäre in die Lage versetzt werden abzuschätzen, inwieweit die Gefahr besteht, dass die Stellungnahme des Vorstands durch persönliche Interessen seiner Mitglieder beeinflusst ist.245 Den gleichen Zweck verfolgt die Pflicht zur Offenlegung der durch den Bieter gewährten Vorteile in der Angebotsunterlage; auch diese Informationen sollen insbesondere dazu dienen, den Aktionären eine sachgerechte Einschätzung der begründeten Stellungnahme zu ermöglichen.246 Dazu sind in der Angebotsunterlage – unabhängig von der rechtlichen Zulässigkeit der Zuwendung247 und unter individueller Aufschlüsselung248 – sämtliche aus der Sphäre des Bieters stammenden geldwerten Leistungen einschließlich ihrer Höhe249 anzugeben. Der Begriff der mann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 27 Rn. 18. Aufzählung der Einzelausprägungen des Transparenzgebots z. B. bei Wackerbarth, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 3 WpÜG Rn. 15. 242 Schwennicke, in: Geibel/Süßmann WpÜG § 3 Rn. 11. 243 Fleischer/Kalss, Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, S. 96; Kubalek, Die Stellungnahme der Zielgesellschaft, S. 127. 244 Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 27 Rn. 18. 245 Kubalek, Die Stellungnahme der Zielgesellschaft, S. 128 (Kenntnis der persönlichen Vorstandsmotive für die Aktionäre „von zentralem Interesse“). 246 Meyer, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 11 Rn. 122; Steinhardt/Nestler, in: Steinmeyer WpÜG § 11 Rn. 80. 247 Seydel, in: Kölner Komm WpÜG § 11 Rn. 76; Meyer, in: Assmann/Pötzsch/ U. H. Schneider WpÜG § 11 Rn. 123; Steinhardt/Nestler, in: Steinmeyer WpÜG § 11 Rn. 80; Geibel/Süßmann, in: Geibel/Süßmann WpÜG § 11 Rn. 42; Wackerbarth, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 11 WpÜG Rn. 58. 248 Steinhardt/Nestler, in: Steinmeyer WpÜG § 11 Rn. 81; Meyer, in: Assmann/Pötzsch/ U. H. Schneider WpÜG § 11 Rn. 124. 249 Meyer, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 11 Rn. 124; Wackerbarth, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 11 WpÜG Rn. 58. Keinesfalls genügt es, dass gestaffelt nach den jeweiligen Vorteilsgattungen lediglich das Gesamtvolumen veröffentlicht wird, das der Bieter zugunsten aller von der jeweiligen Vorteilsart erfassten Vorstandsmitglieder aufwendet. (so aber Kubalek, Die Stellungnahme der Zielgesellschaft, S. 129 f., unter Hinweis auf
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2. Teil, 2. Kap.: Interessenkonflikte bei öffentlichen Übernahmen
geldwerten Leistung ist dabei weit auszulegen und umfasst beispielsweise auch Beschäftigungszusagen für den Fall eines erfolgreichen Angebots sowie künftige Vergütungszusagen.250 Im Falle eines Management Buyouts sind die Konditionen offen zu legen, mit denen sich die Vorstandsmitglieder nach der erfolgreichen Übernahme an dieser beteiligen können.251 Im Grundsatz ähnlich sind die Anforderungen, die man an die Offenlegung von Eigeninteressen in der begründeten Stellungnahme stellen muss. Im Gegensatz zur Angebotsunterlage sind dabei die in der begründeten Stellungnahme offenzulegenden Eigeninteressen nicht auf Leistungen des Bieters beschränkt, sondern die Vorstandsmitglieder haben ihre sämtlichen Sonderinteressen im Zusammenhang mit dem Übernahmeangebot darzulegen, unabhängig davon, aus welcher Sphäre sie stammen. Offenzulegen sind damit insbesondere auch konfliktbegründende Vereinbarungen mit der Zielgesellschaft, wie etwa Abfindungsregelungen in Form von Change-of-Control-Klauseln.252 b) Bewertung Sofern die Eigeninteressen der Vorstandsmitglieder in der Angebotsunterlage sowie, im Einklang mit den vorangehenden Ausführungen, auch in der begründeten Stellungnahme des Vorstands gem. § 27 WpÜG offengelegt werden, führt dies dazu, dass die Aktionäre der Zielgesellschaft über die Frage, wie sich die persönlichen Interessen ihrer Vorstandsmitglieder zu Erfolg oder Misserfolg des Übernahmeangebots verhalten, gut informiert sind und auf diese Weise die Ausführungen des Vorstands in der begründeten Stellungnahme besser einschätzen können. Gewisse Schutzlücken offenbaren diese – speziell auf die Unterstützung der Aktionäre der Zielgesellschaft zugeschnittenen – übernahmerechtlichen Transparenzpflichten allerdings in zweierlei Hinsicht. Zum einen sind sie zeitlich eingeschränkt, indem sie die damalige Fassung des § 285 Nr. 9 lit. a HGB, wonach der Anhang zum Lagebericht bei großen Kapitalgesellschaften lediglich die Gesamtbezüge des Vorstands anzugeben hat. Spätestens seit Änderung dieser Vorschrift dahingehend, dass bei börsennotierten Aktiengesellschaften nunmehr die Bezüge jedes einzelnen Vorstandsmitglieds, aufgeteilt nach erfolgsunabhängigen und erfolgsbezogenen Komponenten offen zu legen sind (§ 285 Nr. 9 lit. a Satz 5 HGB), ist diese Ansicht nicht mehr haltbar.). 250 Steinhardt/Nestler, in: Steinmeyer WpÜG § 11 Rn. 80. 251 Unabhängig von den bestehenden Eigeninteressen der konkret beteiligten Vorstandsmitglieder waren vor Erlass des WpÜG die Informationspflichten, denen die Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft im Falle eines Management Buyouts unterliegen, Gegenstand gesonderter Diskussion. Vertreten wurde insbesondere, dass die am Management Buyout beteiligten Vorstandsmitglieder aus dem Rechtsgedanken vorvertraglicher Informationspflichten heraus gehalten sind, das zwischen ihnen und den Aktionären der Zielgesellschaft bestehende Informationsgefälle auszugleichen (so Fleischer, AG 2000, 309 ff.). Seit Erlass des WpÜG hat sich diese Diskussion erledigt. Indem der Vorstand der Zielgesellschaft nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 WpÜG kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung zu Art und Höhe der Gegenleistung Stellung nehmen muss, bestehen – eine pflichtgemäße Stellungnahme vorausgesetzt – im Falle eines Management Buyouts keine nennenswerten Informationsdefizite der Aktionäre. 252 Ausführlicher zu den inhaltlichen Anforderungen an die Offenlegung von Sonderinteressen in der begründeten Stellungnahme noch unter § 15 I. 2. und § 15 I. 3.
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Konflikttransparenz erst dann gewährleisten, wenn die Angebotsunterlage bzw. die begründete Stellungnahme veröffentlicht sind. Wie bereits gesehen, können übernahmespezifisch relevante Konfliktsituationen jedoch auch schon zu früheren Zeitpunkten eine Rolle spielen. Aus inhaltlicher Sicht schaffen diese Regelungen Transparenz nur insoweit, als die persönlichen Interessen der Vorstandsmitglieder in Bezug auf den Erfolg oder Misserfolg des Übernahmeversuchs offenzulegen sind. Dadurch wird zwar die Integrität der begründeten Stellungnahme erhöht und die Veräußerungsentscheidung der Aktionäre erleichtert. Keine ausreichende Basis stellen diese Informationen jedoch für die verbandsinterne Kontrolle des gesamten sonstigen im Zusammenhang mit dem Übernahmeversuch stehenden Vorstandshandelns dar, die insbesondere dem Aufsichtsrat obliegt. Sollen diese weiteren Vorstandsaktivitäten – entweder im Rahmen der bereits durch das WpÜG in §§ 33, 33a angeordneten Mitwirkungsbefugnisse des Aufsichtsrats oder, bei von diesen Vorschriften nicht erfassten Maßnahmen, durch sonstige Kontrollmaßnahmen – verbandsintern effektiv überwacht werden, sind hierzu spezifische, auf die jeweils anstehende Geschäftsführungsmaßnahme bezogene Konfliktschilderungen durch den Vorstand erforderlich. Hierzu gehört vor allem auch die Mitteilung an den Aufsichtsrat, dass solche Geschäftsführungsmaßnahmen überhaupt anstehen. Dieses Informationsbedürfnis wird durch die Offenlegung allein der grundsätzlichen Interessenlage der Vorstandsmitglieder im Rahmen der Angebotsunterlage und der begründeten Stellungnahme nicht befriedigt.
III. Ergänzung der übernahmerechtlichen Konfliktregelungen durch das allgemeine Aktienrecht Da das WpÜG die Einflussnahme des Vorstands der Zielgesellschaft auf den Erfolg eines Übernahmeangebots materiell nicht schlechthin verbietet, seine prozeduralen Beschränkungen erkannterweise nicht alle Maßnahmen erfassen, mit denen der Vorstand den Erfolg eines Übernahmeangebots beeinflussen kann, und auch die Transparenzbemühungen, die das WpÜG unternimmt, für die Zwecke einer effektiven Konfliktkontrolle zu kurz greifen, stellt sich die Frage, inwieweit die im ersten Teil dieser Untersuchung herausgearbeiteten aktienrechtlichen Konfliktlösungsgrundsätze einen ergänzenden Beitrag zur Vermeidung eigennützigen Vorstandshandelns leisten können. Das WpÜG steht der Anwendung der im allgemeinen Aktienrecht geltenden Grundsätze auf Übernahmesituationen prinzipiell nicht entgegen. Es führt nicht zu einer vollständigen Verdrängung des allgemeinen Aktienrechts. Soweit das WpÜG keine Sondervorschriften enthält, gelten die aktienrechtlichen Regeln nach wie vor.253 Wie im ersten Teil der Untersuchung dargestellt, beruht der aktienrechtliche Schutz der Gesellschaft vor nachteiligen Auswirkungen vorstandsbezogener Inter253
Fleischer/Kalss, Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, S. 24.
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2. Teil, 2. Kap.: Interessenkonflikte bei öffentlichen Übernahmen
essenkonflikte auf den drei Eckpfeilern Transparenz, Kontrolle und Haftungsverschärfung durch Beschränkung des Geschäftsleiterermessens. Im Folgenden wird deren Tauglichkeit zur Neutralisierung übernahmespezifischer Eigeninteressen der Vorstandsmitglieder beleuchtet. 1. Offenlegung des Interessenkonflikts Die organschaftliche Treuepflicht verlangt von den Vorstandsmitgliedern, Interessenkonflikte dem Aufsichtsrat und den Vorstandskollegen unverzüglich offen zu legen. Konflikte, die durch einen Übernahmeversuch veranlasst sind, bilden insoweit keine Ausnahme. Insbesondere wird das aus der organschaftlichen Treuepflicht folgende Offenlegungserfordernis nicht dadurch verdrängt, dass Eigeninteressen der Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft gem. § 11 Abs. 2 Satz 3 WpÜG auch in der Angebotsunterlage sowie in der begründeten Stellungnahme des Vorstands nach § 27 WpÜG offenzulegen sind. Zwar verlangt die organschaftliche Treuepflicht nicht, dass offensichtliche oder bereits offengelegte Interessenkonflikte (noch einmal) offengelgt werden. Da der Zweck und damit auch der Inhalt der aktienrechtlich geforderten Offenlegung aber ein anderer ist, als der der übernahmerechtlichen Transparenzpflichten, werden die in der Angebotsunterlage und der begründeten Stellungnahme veröffentlichten Informationen eine separate Offenbarung von Interessenkonflikten unter dem Aspekt der organschaftlichen Treuepflicht zumeist nicht entbehrlich machen. Wie bereits dargestellt, liegt der Zweck der aktienrechtlichen Offenlegungspflicht darin, dem Aufsichtsrat die Kontrolle konkreter konfliktbelasteter Geschäftsführungsmaßnahmen zu ermöglichen. Hierzu muss das befangene Vorstandsmitglied nicht nur darlegen, worin sein Eigeninteresse besteht, sondern es muss auch aufzeigen, auf welche konkrete, im Zusammenhang mit dem Übernahmeversuch zu treffende, Vorstandsentscheidung sich der Befangenheitsgrund in welcher Weise auszuwirken droht. Da die allgemeine Darstellung der persönlichen Vor- und Nachteile, die die Vorstandsmitglieder von dem Erfolg oder Misserfolg des Übernahmeversuchs hätten, und wie sie in der Angebotsunterlage und der begründeten Stellungnahme verlangt ist, dies in der Regel nicht erfüllt, hat die aktienrechtliche Offenlegungspflicht somit auch im Zusammenhang mit Interessenkonflikten im Vorstand der Zielgesellschaft bei öffentlichen Übernahmen einen eigenen Anwendungsbereich.254
254
Erst recht gilt dies, wenn eine Konfliktlage im Zusammenhang mit einer potentiellen Übernahme zeitlich bereits vor Veröffentlichung der Angebotsunterlage und der begründeten Stellungnahme entsteht, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die übernahmerechtlichen Transparenznormen zu einer Offenlegung der bestehenden Sonderinteressen noch gar nichts beitragen konnten.
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2. Geschäftsführungsbefugnis des befangenen Vorstandsmitglieds Der offen gelegte Interessenkonflikt ist auch in Übernahmesituationen nach den allgemeinen aktienrechtlichen Grundsätzen zur Konfliktbewältigung einzudämmen. Verantwortlich dafür, dass er sich auf die konfliktbelastete Entscheidung nicht auswirkt, sind das befangene Vorstandsmitglied selbst, seine Vorstandskollegen sowie der Aufsichtsrat als institutionalisiertes Kontrollorgan.255 In Hinblick auf die Pflichten und Befugnisse des einzelnen befangenen Vorstandsmitglieds gilt in Übernahmesituationen nichts Besonderes: Die Regelung des § 33 Abs. 1 Satz 2 WpÜG bestätigt nochmals, dass der übernahmespezifische Interessenkonflikt weder zu einem Mitwirkungs- noch zu einem Stimmverbot führt. Auch ein Recht des befangenen Vorstandsmitglieds, seine Beteiligung an der konfliktbelasteten Maßnahme zu verweigern bzw. sich der Stimme zu enthalten, ist nicht begründet. Das Vorstandsmitglied ist umfassend zur Mitwirkung verpflichtet. Seine Eigeninteressen muss es dabei zurückstellen. Begleitend muss es dafür Sorge tragen, dass seine Handlungsbeiträge durch eine detaillierte Dokumentation umfassend transparent sind. Schließlich muss es den Kontrollbegehren der Vorstandskollegen und des Aufsichtsrats unverzüglich und vollständig nachkommen.256 3. Konfliktkontrolle durch Vorstandskollegen Außerhalb von Übernahmesachverhalten ist die Überwachung des befangenen Vorstandsmitglieds durch die übrigen Vorstandskollegen ein effektives Kontrollinstrument.257 Die Pflicht zu einer wechselseitigen Kontrolle besteht auch in Übernahmesituationen. Zu beachten sind insoweit zwei Besonderheiten. Die eine sorgt dafür, dass die vorstandsinterne Kontrolle in Übernahmefällen erheblich geschwächt ist. Die andere gleicht diese Schwäche zumindest ansatzweise wieder aus. a) Übernahmespezifisches Grundproblem: Vorstandsübergreifende Konfliktlage Die Wirkung der vorstandsinternen Kontrolle ist in Übernahmekonstellationen typischerweise herabgesetzt, weil nicht nur einzelne, sondern alle Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft befangen sind. Das ist für die Kontrolleffektivität dann noch leidlich, wenn die jeweiligen Eigeninteressen in verschiedene Richtungen wirken, wenn also z. B. die eine Hälfte des Vorstands zu lukrativen Konditionen vom Bieter übernommen werden soll, während die andere Hälfte mit Nachteilen rechnen muss. Gravierend ist die Kontrolleinbuße dagegen dann, wenn die Eigeninteressen an dem Übernahmeversuch im Vorstand gleichgerichtet sind, so z. B., wenn der Bieter 255 256 257
Siehe oben § 6 und§ 7. Zu dieser allgemeinen Pflichtenstellung vgl. ausführlich oben § 6 I. und § 8 und § 9. Siehe oben § 6 II.
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2. Teil, 2. Kap.: Interessenkonflikte bei öffentlichen Übernahmen
zu verstehen gibt, das gesamte Management austauschen zu wollen oder wenn alle Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft einheitlich durch einträgliche Abfindungsregelungen beeinflusst sind. Hier ist realistisch kaum damit zu rechnen, dass ein Vorstandsmitglied mäßigend auf die persönlich motivierten Geschäftsführungsbeiträge seines Kollegen einwirkt. b) Beeinflussung des Übernahmeerfolgs als Leitungsmaßnahme Zumindest bei divergierenden Eigeninteressen innerhalb des Vorstands wird diese Kontrolleinbuße in gewissem Umfang dadurch kompensiert, dass es sich bei Vorstandsentscheidungen, die sich fördernd oder beeinträchtigend auf den Erfolg eines Übernahmeversuchs auswirken, in aller Regel um Leitungsentscheidungen handelt. Damit ist gewährleistet, dass bei Geltung des gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzips alle Vorstandsmitglieder zustimmen müssen, im Falle des durch die Gesellschaftssatzung fakultativ festgelegten Mehrheitsprinzips zumindest die Mehrzahl aller Vorstandsmitglieder einverstanden sein muss.258 Egoistisch motivierte Entscheidungen einzelner Mitglieder können somit nur unter erschwerten Zustimmungserfordernissen durchgesetzt werden. Die Einstufung von Maßnahmen, die geeignet sind, den Übernahmeerfolg zu beeinflussen, als Leitungsentscheidungen ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Unter einer Leitungsentscheidung sind solche Festlegungen des Vorstands zu verstehen, die für die mittel- und langfristige Entwicklung des Unternehmens, seine Finanz-, Ertrags- und Beschäftigungslage erheblich sind.259 Entscheidungen, die geeignet sind, den Erfolg eines Übernahmeversuchs zu beeinträchtigen oder zu fördern, erfüllen diese Kriterien. Ein Übernahmeversuch ist für das Unternehmen der Zielgesellschaft regelmäßig ein tiefgreifender Einschnitt. Mit einer erfolgreichen Übernahme sind weitreichende Chancen, aber auch Gefahren verbunden. In Extremfällen kann eine erfolgreiche Übernahme für das Unternehmen der Zielgesellschaft die wirtschaftliche Rettung sein, genauso aber kann sie den faktischen Marktaustritt bedeuten. Selbst wenn der Bieter das Unternehmen zunächst unverändert fortführen möchte, führt eine Übernahme dazu, dass sich die langfristigen Perspektiven der Gesellschaft ändern, sei es zum Guten oder zum Schlechten. Kurz: Der Erfolg oder der Misserfolg des Übernahmeversuchs entscheidet regelmäßig in Richtung gebender Weise über die weitere Entwicklung der Gesellschaft und ihres Unternehmens. Von ebensolcher Bedeutung ist damit auch eine Vorstandsentscheidung, die in die eine oder andere Richtung auf den Erfolg eines Übernahmeversuchs einwirkt. Dabei ist es für ihre Einschätzung als Leitungsmaßnahme nicht entscheidend, ob sie gezielt auf den Übernahmeversuch gerichtet ist oder ihn lediglich als Nebenfolge beeinflusst. Maßgeblich ist allein ihre tatsächliche Wirkung. Liegt diese darin, den Erfolg des Übernahmeversuchs zu gefährden oder nicht nur 258 259
Zur Mehrheitsreferenz bei Leitungsentscheidungen vgl. oben § 2 II. Mertens/Cahn, in: Kölner Komm AktG § 76 Rn. 5.
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unerheblich zu fördern, dann ist es Sache des Gesamtvorstands, darüber zu entscheiden, ob man diese Maßnahme mit diesem speziellen Effekt auch tatsächlich will. Auch Maßnahmen, die an sich als „business as usual“ zu qualifizieren wären, die als bloße Umsetzung einer schon beschlossenen Unternehmensstrategie eigentlich keine grundlegende eigenständige Bedeutung mehr haben, oder die als Maßnahme zur Förderung des Übernahmeerfolgs oder als Suche nach einem konkurrierenden Angebot übernahmerechtlich keinen besonderen Anforderungen unterliegen, fallen damit aufgrund ihrer übernahmespezifischen Auswirkungen in die Zuständigkeit des Gesamtvorstands. 4. Konfliktkontrolle und -regulierung durch den Aufsichtsrat Die Hauptrolle bei der Konfliktbewältigung kommt – wie stets, wenn der Vorstand durch Interessenkonflikte belastet ist – dem Aufsichtsrat zu. Der Aufsichtsrat ist nach § 111 Abs. 1 AktG das zentrale Organ zur Überwachung der Vorstandstätigkeit. Das gilt auch und gerade in Übernahmesachverhalten;260 für die Kontrolle des Vorstandshandelns durch den Aufsichtsrat besteht hier angesichts der im Vorstand bestehenden Konfliktlage ein „erhöhtes Bedürfnis“.261 Allerdings ist nicht zu übersehen, dass die Kontrollfunktion des Aufsichtsrats in einer Übernahmesituation geschwächt ist.262 Vor allem gilt das dann, wenn die Vorstandsmitglieder gegen die Übernahme ankämpfen, weil der Erwerbsinteressent angekündigt hat, sie im Falle des Transaktionserfolgs auszutauschen. In dieser Situation unterliegt der Aufsichtsrat in Teilen demselben Konflikt wie der Vorstand. Das liegt daran, dass der erste Schritt für eine Neubesetzung des Vorstands häufig darin besteht, Vertreter der Anteilseigner im Aufsichtsrat durch Vertraute des Bieters zu ersetzen, so dass auch die bisherigen Kapitalvertreter sich bei ihrer Entscheidung, ob sie einer vom Vorstand vorgeschlagenen Abwehrmaßnahme zustimmen, in dem Konflikt befinden, aufgrund der Übernahme „Einfluss und ggf. die eigene Position zu verlieren.“263 Dieser Effekt wird jedoch dadurch abgeschwächt, dass die Aufsichtsratsmitglieder wirtschaftlich in aller Regel weniger von ihrem Amt abhängen, als die Mitglieder des Vorstands.264 Sie werden deshalb eher in der Lage sein, ihre Eigeninteressen zu unterdrücken. Davon geht offenbar auch das Gesetz aus, indem es in § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 3 WpÜG Abwehrmaßnahmen des Vorstands einem spezifischen ge260
Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 111 Rn. 725 („zentrale Funktion als neutrale Instanz“). 261 Schiessl, in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1019, 1025. 262 So auch Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 111 Rn. 727. 263 BegrRegE WpÜG BT-Drucks. 14/7034, S. 57; hierzu auch J. Koch, in: FS Säcker, 2011, S. 403, 418 f. 264 Das Aufsichtsratsamt ist ausgestaltet als bloßes Nebenamt (vgl. Habersack, in: MünchKomm AktG § 100 Rn. 75; Hüffer/Koch, AktG § 116 Rn. 7; Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 894; Dreher, JZ 1990, 896, 897; Diekmann/ Fleischmann, AG 2013, 141).
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2. Teil, 2. Kap.: Interessenkonflikte bei öffentlichen Übernahmen
setzlichen Zustimmungsvorbehalt unterwirft und den Aufsichtsrat hiermit explizit zum „Schiedsrichter“ der konfligierenden Interessen macht.265 a) Verhinderung sachwidriger Einflussnahmen auf den Übernahmeversuch durch Zustimmungsvorbehalte Wie der Vorstand so ist auch der Aufsichtsrat in Übernahmesituationen allein dem Wohl der Zielgesellschaft verpflichtet (§ 3 Abs. 3 WpÜG). Wegen der allgegenwärtigen Gefahr, dass die von dem Übernahmeversuch in ihrer Stellung persönlich betroffenen Vorstandsmitglieder Entscheidungen, die den Erfolg des Angebots beeinflussen können, nicht mit der gebotenen Unbefangenheit treffen, hat der Aufsichtsrat deren Geschäftsführung besonders sorgfältig zu überwachen.266 Besonderes Augenmerk verdient in diesem Zusammenhang seine Befugnis, das Vorstandshandeln gem. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG an seine Zustimmung zu binden. Diese umfassende aktienrechtliche Mitwirkungspflicht des Aufsichtsrats ist konkurrenzrechtlich unproblematisch bei Maßnahmen, mit denen der Vorstand den Übernahmeversuch unterstützt. Das Übernahmerecht bestimmt für diese Fälle keine speziellen Überwachungspflichten des Aufsichtsrats, die zu den vorstehend dargestellten aktienrechtlichen Anforderungen in Widerspruch geraten könnten. Entsprechendes gilt für Abwehrhandlungen, die nicht in den Anwendungsbereich des WpÜG fallen, weil sie sich gegen ein zwar konkret anbahnendes, aber vom künftigen Bieter noch nicht verbindlich gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 WpÜG artikuliertes Übernahmeangebot richten. Konkurrenzrechtliche Bedenken gegen die Anwendung des § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG könnten sich allerdings in Bezug auf abwehrgeeignete Maßnahmen im Regelungsbereich des § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 und 2 WpÜG daraus ableiten, dass das WpÜG eine Zustimmung des Aufsichtsrats nur für gezielte Abwehrmaßnahmen i. S. d. dritten Variante dieser Vorschrift, nicht jedoch für Vorstandshandlungen nach Variante eins und zwei verlangt. Daraus könnte man folgern, dass letztere generell vorbehaltslos gestattet sein sollen, also auch einem aktienrechtlichem Vorbehalt nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG nicht zugänglich sind. Dieser Schluss wäre aber nur zulässig, wenn § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 3 WpÜG die Zustimmungsbefugnisse des Aufsichtsrats bei abwehrgeeignetem Vorstandshandeln abschließend regeln würde. Eine solche Funktion lässt sich der Norm jedoch nicht beimessen. Das WpÜG trifft dort bestimmte kompetenzmäßige Vorkehrungen, wo es dies aus seinen eigenen Regelungszielen heraus für erforderlich hält. Es kann damit im Verhältnis zum Aktienrecht zusätzliche Verfahrensanforderungen für das verbandsinterne Organhandeln aufstellen. Unstreitig lässt es aber die darüber hinaus bestehenden allge-
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So ausdrücklich Krause/Pötzsch/Stephan, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 33 Rn. 12; von einer im Vergleich zum Vorstand abgeschwächten Befangenheitslage im Aufsichtsrat ausgehend z. B. auch Seibt, in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1119. 266 Seibt, in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1119, 1121.
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meinen aktienrechtlichen Kompetenzregelungen unangetastet.267 Diskutiert wird dies zumeist im Zusammenhang mit der Frage, ob eine Abwehrmaßnahme, für die nach allgemeinem Aktienrecht eine Hauptversammlungsermächtigung erforderlich ist – z. B. eine Kapitalerhöhung – deshalb ohne Hauptversammlungsbeschluss durchgeführt werden darf, weil das Übernahmerecht hierfür in § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 3 WpÜG lediglich die Zustimmung des Aufsichtsrats verlangt. Das wird unisono verneint.268 Dieser Gedanke lässt sich auf die hier aufgeworfene Frage übertragen: Allein die Tatsache, dass das Übernahmerecht eine Maßnahme nicht ausdrücklich der Zustimmungspflicht des Aufsichtsrats unterwirft, bedeutet nicht, dass die Bindung an eine solche Zustimmung auch aktienrechtlich ausgeschlossen ist. Zu beachten ist aber, dass auch die Anordnung von Zustimmungsvorbehalten gegen nach § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 und Var. 2 WpÜG zulässige Geschäftsführungsmaßnahmen den allgemeinen aktienrechtlichen Beschränkungen unterliegt. Zustimmungsvorbehalte des Aufsichtsrats stehen in einem Spannungsverhältnis zu der Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands und sind deshalb auf Ausnahmefälle beschränkt. Dabei kommt es grundsätzlich auf die Bedeutung an, die eine Vorstandsentscheidung für die Gesellschaft hat, also auf ihren Inhalt bzw. ihre konkreten Auswirkungen, sowie auf die sich aus sonstigen Umständen für die Gesellschaft ergebende Gefährdungslage im Zusammenhang mit der betreffenden Maßnahme.269 Geht es um Maßnahmen des Vorstands, die objektiv geeignet sind, den Erfolg eines Übernahmeversuchs zu beeinflussen, sind beide diese Kriterien angesprochen. Zum einen ist ein Kontrollwechsel eine bedeutende Weichenstellung für die zukünftige Entwicklung der Gesellschaft. Deshalb sind Maßnahmen, die sich auf den Übernahmeerfolg auswirken können, stets von erheblicher Relevanz, gleichviel ob sie eine solche Wirkung direkt bezwecken oder nur als Nebenfolge mitbringen und auch unabhängig davon, ob sie außerhalb einer Übernahmesituation an sich unbedeutend wären und einem Zustimmungsvorbehalt deshalb nicht offen stünden. Zum zweiten befinden sich nicht nur einzelne, sondern sämtliche Vorstandsmitglieder gegenüber einem Kontrollwechsel typischerweise im „Ausnahmezustand“, so dass eine wirksame organinterne Kontrolle kaum zu erwarten ist. Sobald daher der Vorstand Maßnahmen ins Auge fasst, die objektiv geeignet sind, den Übernahmeerfolg in die eine oder andere Richtung zu beeinflussen, sind die Voraussetzungen für die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG erfüllt. 267
Grunewald, in: Baums/Thoma WpÜG § 33 Rn. 55; Krause/Pötzsch/Stephan, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 33 Rn. 128 ff.; Schwennicke, in: Geibel/Süßmann WpÜG § 33 Rn. 49; Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 33 WpÜG Rn. 180 ff. 268 Grunewald, in: Baums/Thoma WpÜG § 33 Rn. 55; Krause/Pötzsch/Stephan, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 33 Rn. 130; Schwennicke, in: Geibel/Süßmann WpÜG § 33 Rn. 49; Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 33 WpÜG Rn. 181. 269 Vgl. zu den aktienrechtlichen Voraussetzungen für Zustimmungsvorbehalte oben § 7 I. 2. sowie § 7 II. 2.
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Man muss sogar noch einen Schritt weitergehen: Liegt der Beschluss über einen Zustimmungsvorbehalt auch grundsätzlich im Ermessen des Aufsichtsrats,270 so ist der Aufsichtsrat bei Entscheidungen, die wegen ihres potentiellen Einflusses auf einen Kontrollwechsel von besonderer Tragweite für die Gesellschaft sind und überdies von einem mit allen Mitgliedern befangenen Vorstand getroffen werden, zur Anordnung eines solchen Vorbehalts nicht nur berechtigt, sondern regelmäßig verpflichtet.271 b) Erfordernis von Zustimmungsvorbehalten bei Handlungsermächtigung durch die Hauptversammlung? Ist somit kraft gesetzlicher oder obligatorischer Anordnung des Aufsichtsrats stets dessen Zustimmung erforderlich, sobald der Vorstand mit einer bestimmten Maßnahme (direkt oder indirekt) auf den Übernahmeerfolg einwirkt, stellt sich die Frage, ob das auch gilt, wenn die Hauptversammlung den Vorstand zu einem solchen Verhalten ermächtigt hat.272 Zu unterscheiden ist dabei, ob die Ermächtigung der Hauptversammlung unabhängig von einem konkreten Übernahmeangebot als sogenannte Vorratsermächtigung, oder mit Blick auf ein konkretes Übernahmeangebot ad hoc erteilt wurde. aa) Vorratsermächtigung nach § 33 Abs. 2 WpÜG Die Vorschrift des § 33 Abs. 2 WpÜG sieht Vorratsermächtigungen eigens für Maßnahmen der Übernahmeabwehr vor. Die Hauptversammlung kann dem Vorstand für die Dauer von 18 Monaten gestatten, der Art nach bestimmte Maßnahmen, die in den Zuständigkeitsbereich der Hauptversammlung fallen, gezielt zu nutzen, um 270
Hopt/Roth, in: Großkomm AktG § 111 Rn. 631. So – speziell für den Fall des Abschlusses einer die Transaktionssicherheit erhöhenden Investorenvereinbarung zwischen dem Bieter und der Zielgesellschaft – auch Seibt, in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1119, 1130 f. Zurückhaltung bei der Errichtung von Zustimmungsvorbehalten ist allerdings desto mehr angebracht, je weniger spezifisch das Vorstandshandeln einen Übernahmeversuch konkret beeinflusst. Je weiter der Sachverhalt im Vorfeld eines Übernahmeversuchs angesiedelt ist, desto weniger wird sich ein Zustimmungsvorbehalt begründen lassen (vgl. – wenngleich im Einzelfall wohl zu restriktiv – Schiessl, in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1119, 1123 f.). 272 Angesprochen sind hiermit nur direkt übernahmebezogene Ermächtigungen der Hauptversammlung. Zu unterscheiden sind diese von einfachen Ermächtigungsbeschlüssen, mit denen die Hauptversammlung dem Vorstand unabhängig von einem Übernahmeangebot ein bestimmtes Verhalten gestattet, wie z. B. bei einem einfachen genehmigten Kapital. Letzteres kann zwar – wenn die im Hauptversammlungsbeschluss genannten allgemeinen Kriterien eingehalten werden – nach § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 3 WpÜG auch zur Übernahmeabwehr eingesetzt werden (Krause/Pötzsch/Stephan, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 33 Rn. 174; Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 33 WpÜG Rn. 169; Grunewald, in: Baums/Thoma WpÜG § 33 Rn. 60; a. A. z. B. Hirte, in: Kölner Komm WpÜG § 33 Rn. 80; ebenso Bayer, ZGR 2002, 588, 613), aber nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats. 271
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Übernahmeangebote abzuwehren (§ 33 Abs. 2 Satz 1 WpÜG).273 Das Gesetz beantwortet für diese Fälle die Frage der Aufsichtsratsbeteiligung selbst: Maßnahmen, die der Vorstand auf eine solche Vorratsermächtigung stützt, bedürfen gemäß § 33 Abs. 2 Satz 4 WpÜG der Zustimmung des Aufsichtsrats. Dadurch werde, so die Begründung des Regierungsentwurfs, eine Kontrolle des Vorstandshandelns auch in der konkreten Übernahmesituation ermöglicht. Dies sei das erforderliche Korrelat dafür, dass der dem Vorstandshandeln zugrunde liegende Hauptversammlungsbeschluss nicht in Kenntnis des konkreten Angebots erlassen wurde.274 bb) Ad-Hoc-Ermächtigungen Ad-Hoc-Ermächtigungen der Hauptversammlung sind im WpÜG hingegen nicht ausdrücklich geregelt. Gleichwohl sind sie allgemein anerkannt275 und können sowohl die Abwehr wie auch die Förderung eines nunmehr konkret bekannten Übernahmeangebots vorsehen.276 Lediglich im Bereich des Europäischen Verhinderungsverbots wurde – zum Zwecke der Übernahmeabwehr – jüngst eine besondere Form der Ad-Hoc-Ermächtigung gesetzlich kodifiziert: Gemäß 33a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 WpÜG dürfen Vorstand und Aufsichtsrat nur solche abwehrgeeignete Maßnahmen durchführen, zu denen die Hauptversammlung sie nach Veröffentlichung der Entscheidung zur Abgabe eines Angebots ermächtigt hat. Ausgehend von den Erwägungen des Regierungsentwurfs, wonach der Aufsichtsrat bei Vorliegen eines Vorratsbeschlusses deshalb mitzuwirken hat, weil die Hauptversammlung bei ihrer Entscheidung die genauen Angebotskonditionen noch nicht kannte, bedarf es im Fall der Ad-Hoc-Ermächtigung der in § 33 Abs. 2 Satz 4 WpÜG vorgeschriebenen Filterfunktion des Aufsichtsrats nicht mehr. Eine denkbare (analoge) Anwendung des für die Vorratsermächtigung geregelten Zustimmungsvorbehalts ist hier daher nicht veranlasst. Das Angebot war der Hauptversammlung ja nunmehr bekannt. Eine auf die gezielte Abwehr eines konkreten Übernahmeangebots gerichtete AdHoc-Ermächtigung der Hauptversammlung ersetzt ferner auch die ansonsten erforderlich Zustimmung des Aufsichtsrats nach § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 3 WpÜG.277 Dieses gesetzliche Zustimmungserfordernis ist nur deshalb normiert worden, um die Schutzlücke zu schließen, die dadurch entstanden war, dass die ursprünglich als 273
Vgl. hierzu ausführlich Krause/Pötzsch/Stephan, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 33 Rn. 200 ff. 274 BegrRegE WpÜG BT-Drucks. 14/7034, S. 58. 275 Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 33 WpÜG Rn. 189; Hirte, in: Kölner Komm WpÜG § 33 Rn. 88; Winter/Harbarth, ZIP 2002, 1, 13; Steinmeyer, in: Steinmeyer WpÜG § 33a Rn. 10; Brandi, in: Thaeter/Brandi, Öffentliche Übernahmen, Teil 3 Rn. 400 („Ihre Möglichkeit ergibt sich zweifelsfrei aus gesetzessystematischen und -historischen Erwägungen.“). 276 Hirte, in: Kölner Komm WpÜG § 33 Rn. 90. 277 So zutreffend von Nussbaum, Die Aktiengesellschaft als Zielgesellschaft, S. 186.
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2. Teil, 2. Kap.: Interessenkonflikte bei öffentlichen Übernahmen
Voraussetzung für Abwehrmaßnahmen zwingend vorgesehene Hauptversammlungsermächtigung wieder fallen gelassen wurde.278 Soweit jedoch eine ad hoc erteilte Ermächtigung der Hauptversammlung vorliegt, ist eine zusätzliche Zustimmung des Aufsichtsrats nicht mehr erforderlich, um das Interesse der Zielgesellschaft zu wahren. Der Aufsichtsrat hat nur noch darüber zu wachen, dass der Vorstand sich bei der Umsetzung der Maßnahme an die Ermächtigung der Hauptversammlung hält. Hat er begründeten Anlass zu der Annahme, dass der Vorstand das nicht tut, kann er die beabsichtigte Maßnahme gem. § 111 Abs. 2 Satz 4 AktG ad hoc an seine Zustimmung binden. Verweigert er die Zustimmung, kann der Vorstand verlangen, dass die Hauptversammlung über die Zustimmung beschließt (§ 111 Abs. 4 Satz 3 AktG). c) Abberufung befangener Vorstandsmitglieder Die Konfliktkontrolle mit Hilfe von Zustimmungsvorbehalten stößt dort an Grenzen, wo es nicht darum geht, konfliktbelastete Entscheidungen des Vorstands zu verhindern, sondern zu erreichen, dass der Vorstand entgegen den Eigeninteressen seiner Mitglieder erforderliche Maßnahmen trifft.279 Besonders augenscheinlich wird das dann, wenn der Vorstand zum Handeln in die eine oder andere Richtung verpflichtet ist. Zwar steht es grundsätzlich in seinem pflichtgemäßen unternehmerischen Ermessen, ob und wie er sich zu einem Übernahmeversuch positioniert. Es gibt allerdings Situationen, in denen dieses Ermessen auf Null reduziert ist. Das wird man beispielsweise dann annehmen müssen, wenn das Unternehmen nicht mehr alleine überlebensfähig ist und ein seriöser Bieter dessen Weiterführung in Aussicht stellt. Der Vorstand der Zielgesellschaft ist hier in der Regel zur Kooperation mit dem Bieter verpflichtet.280 Umgekehrt ist er gehalten, Abwehrmaßnahmen zu ergreifen, wenn nach der Übernahme eine Situation droht, in der das Unternehmen der Zielgesellschaft dauerhaft für kriminelle Maßnahmen missbraucht wird.281 Bleibt der Vorstand in diesen Fällen aufgrund persönlicher Interessen passiv, so hat der Aufsichtsrat keine andere Wahl, als die illoyalen Vorstandsmitglieder abzuberufen und durch eine Neubesetzung des Gremiums mit integerem Personal sicherzustellen, dass die Gesellschaft unter Berücksichtigung ihrer Interessen durch das weitere Übernahmeverfahren gesteuert wird. Auch in Übernahmesituationen ist die Abberufung konfliktbelasteter Vorstandsmitglieder somit ein effektives – aber auch mit der rechtlich gebotenen Zurückhaltung als ultima ratio einzusetzendes – Mittel zur Konfliktbewältigung.
278 279 280 281
Siehe oben § 14 II. 1. a) bb) (3). Siehe oben § 7 II. 4. U. H. Schneider, AG 2002, 125, 130. U. H. Schneider, a.a.O.; siehe schon oben Fn. 192.
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5. Rechtsfolgen pflichtwidriger Abwehr- oder Fördermaßnahmen des Vorstands a) (Un-)Wirksamkeit der Maßnahme Was die rechtsgeschäftliche Wirksamkeit pflichtwidriger Übernahmeabwehr oder -förderung betrifft, ergeben sich gegenüber sonstigen Pflichtverstößen bei der Amtsausübung keine Besonderheiten. Rechtsgeschäfte, die der Vorstand namens der Zielgesellschaft zur Abwehr bzw. Förderung von Übernahmeversuchen mit Dritten schließt, z. B. die Veräußerung von „crown jewels“ oder das Abstoßen kartellrechtlich relevanter Geschäftsgebiete, sind grundsätzlich wirksam. Nichtigkeit kommt nach den Regeln des Missbrauchs der Vertretungsmacht nur bei kollusivem Zusammenwirken mit dem Dritten zum Schaden der Gesellschaft in Betracht.282 Außerhalb von Fällen der Kollusion kann sich die Gesellschaft von dem pflichtwidrig geschlossenen Rechtsgeschäft lösen, wenn der Vertretungsmissbrauch für den Geschäftspartner evident war. b) Schadensersatzpflicht gegenüber der Gesellschaft Unabhängig davon, ob die pflichtwidrige Abwehr- oder Fördermaßnahme rechtsgeschäftlich wirksam ist, sind die Vorstandsmitglieder der Gesellschaft nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG zum Ersatz des aus der Pflichtwidrigkeit resultierenden Schadens verpflichtet, beispielsweise – bei Unwirksamkeit des geschlossenen Rechtsgeschäfts – für etwaige Rückabwicklungskosten oder – bei seiner Wirksamkeit – für die aus ihm selbst folgenden Nachteile, etwa wenn die „crown jewels“ unter Wert veräußert wurden.283 Streitig ist in diesem Zusammenhang, ob den Vorstandsmitgliedern die Haftungserleichterung der Business Judgment Rule gem. § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG zugute kommt. Differenziert wird für diese Frage herkömmlicherweise zwischen (abwehrgeeigneten) Maßnahmen, die auch von einem ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiter einer nicht von einem Übernahmeangebot betroffenen Gesellschaft hätten ergriffen werden können (§ 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 WpÜG) und direkten Abwehrhandlungen (§ 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 3 WpÜG). Für die Suche nach einem konkurrierenden Angebot (§ 33 Abs. 1
282 Krause/Pötzsch/Stephan, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 33 Rn. 303; Schwennicke, in: Geibel/Süßmann WpÜG § 33 Rn. 81; Noack/Zetzsche, in: Schwark/Zimmer KMRK § 33 WpÜG Rn. 41; Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 33 WpÜG Rn. 234 (jeweils für rechtswidrige Abwehrmaßnahmen). 283 Krause/Pötzsch/Stephan, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 33 Rn. 309; Schwennicke, in: Geibel/Süßmann WpÜG § 33 Rn. 83; Noack/Zetzsche, in: Schwark/Zimmer KMRK § 33 WpÜG Rn. 41; Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 33 WpÜG Rn. 241 (jeweils für rechtswidrige Abwehrmaßnahmen).
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2. Teil, 2. Kap.: Interessenkonflikte bei öffentlichen Übernahmen
Satz 2 Var. 2 WpÜG) sowie für Handlungen zur Förderung eines Übernahmeangebots wird eine vertiefte Diskussion nicht geführt.284 Für abwehrgeeignete Maßnahmen i. S. v. § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 WpÜG wird die Geltung des üblichen weiten Ermessenspielraums der Vorstandsmitglieder überwiegend bejaht. Als Begründung wird im Wesentlichen vorgebracht, dass die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen sich nach dem Gesetzeswortlaut gerade daraus ergebe, dass sie auch außerhalb einer Übernahmesituation hätten ergriffen werden können, die situativen Besonderheiten des Übernahmesachverhalts also vom Gesetz ausgeblendet würden.285 Zudem seien die von § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 WpÜG gestatteten Maßnahmen auch inhaltlich nicht konfliktbelastet, weil sie als zum Tagesgeschäft gehörend oder als Umsetzung einer bereits vor dem Übernahmeangebot eingeschlagenen Unternehmensstrategie mit dem Übernahmeangebot sachlich nicht im Zusammenhang stünden.286 Nur vereinzelt wird darauf hingewiesen, dass aufgrund anzunehmender Interessenkonflikte die Voraussetzungen der Business Judgment Rule nicht gegeben seien.287 Für echte Abwehrmaßnahmen gem. § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 3 WpÜG ergibt sich hingegen ein anderes Bild. Da der Vergleichsmaßstab einer übernahmefreien Gesellschaft hier nicht herangezogen werden kann, um den Interessenkonflikt zu neutralisieren, wird für diese Handlungen vielfach eine Einschränkung des grundsätzlich weiten Vorstandsermessens befürwortet.288 Vertreter 284 So wird für die Suche nach einem konkurrierenden Angebot – wenn überhaupt – lediglich darauf verwiesen, dass der Vorstand diese „im Rahmen seines Leitungsermessens“ betreiben müsse (vgl. Krause/Pötzsch/Stephan, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 33 Rn. 168; keine Angaben zum Ermessensmaßstab in diesem Zusammenhang etwa bei Hirte, in: Kölner Komm WpÜG § 33 Rn. 74 ff.; Steinmeyer, in: Steinmeyer WpÜG § 33 Rn. 24 f.; Grunewald, in: Baums/Thoma WpÜG § 33 Rn. 62 ff.). 285 Krause/Pötzsch/Stephan, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 33 Rn. 161; Noack/Zetzsche, in: Schwark/Zimmer KMRK § 33 WpÜG Rn. 14; Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 33 WpÜG Rn. 147; Winther/Harbarth, ZIP 2002, 1, 6; Drygala, ZIP 2001, 1861, 1867; i.E. für ein grundsätzlich uneingeschränktes Geschäftsleiterermessen wohl auch Hirte, in: Kölner Komm WpÜG § 33 Rn. 69 ff. 286 Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 33 WpÜG Rn. 147; Steinmeyer, in: Steinmeyer WpÜG § 33 Rn. 22; Winther/Harbarth, ZIP 2002, 1, 7. So grundsätzlich auch Röh, in: Haarmann/Schüppen WpÜG § 33 Rn. 70, der sich einer Einschränkung der Business Judgment Rule dann aber doch annähert, indem er die Darlegungslast des Vorstands für den Nachweis ordnungsgemäßen Handelns umso weiter anheben möchte, je stärker der Eindruck besteht, dass die konkrete Maßnahme doch final gegen das Übernahmeangebot gerichtet ist. 287 Ekkenga/Hofschroer, DStR 2002, 724, 732 f.; mit dieser Tendenz auch Fleischer/Kalss, Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, S. 126; Fleischer, in: FS Wiedemann, 2002, S. 827, 842. 288 So z. B. Hirte, in: Kölner Komm WpÜG § 33 Rn. 83; Winther/Harbarth, ZIP 2002, 1, 9 f.; Röh, in: Haarmann/Schüppen WpÜG § 33 Rn. 92 f.; Steinmeyer, in: Steinmeyer WpÜG § 33 Rn. 29 f. Dabei wird häufig die eigentliche Funktionsweise der Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG insoweit modifiziert, als die Konfliktlage im Ergebnis nicht zu einem strengeren gerichtlichen Prüfungsmaßstab, sondern zu einer zugunsten der Aktionärsinteressen verschobenen materielle Handlungsmaxime führen soll (so insbesondere Winther/
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einer uneingeschränkten Anwendbarkeit der Business Judgment Rule finden sich in diesem Zusammenhang eher selten.289 Richtigerweise ist eine Anwendung des durch die Business Judgment Rule gewährten „sicheren Hafens“ weder für Maßnahmen nach § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 noch für echte Abwehrhandlungen gem. § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 3 WpÜG anzunehmen. Gleiches gilt für die weitgehend außerhalb der Diskussion stehende Suche nach Konkurrenzangeboten sowie für Maßnahmen, die einen Übernahmeversuch fördern. Da die Vorstandsmitglieder in allen diesen Fällen nicht frei von Interessenkonflikten sind, fehlt es an der für eine Anwendung der Business Judgment Rule erforderlichen Grundvoraussetzung eines unbeeinträchtigten Entscheidungsumfeldes. Es ist deshalb in jedem der genannten Fälle sachgerecht, dass die Vorstandsmitglieder ihre Geschäftsführungsentscheidung, wenn sie zu einem Nachteil für die Gesellschaft geführt hat, im Einzelnen rechtfertigen müssen und nicht nur dann, wenn diese offensichtlich unvertretbar war. Nur unter konfliktfreien Rahmenbedingungen ist eine mit der Anwendung der Business Judgment Rule verbundene Reduzierung des richterlichen Prüfungsmaßstabs gerechtfertigt. Dabei spielt es keine Rolle, ob es im Einzelfall um eine Beeinflussung des Übernahmeerfolgs durch eine direkte Abwehrmaßnahme oder durch sonstiges – auch bereits vor der Übernahmesituation eingeleitetes – Vorstandshandeln geht. Faktisch ist die Vorstandsentscheidung hier wie dort beeinträchtigt. Daher überzeugt auch das für die Anwendbarkeit der Business Judgment Rule auf die Fälle des § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 1 WpÜG herangezogene Argument nicht, dass das Gesetz die Übernahmesituation hier ausblende. Zwar stellt das Gesetz auf eine übernahmefreie Gesellschaft ab; allerdings bedient es sich dieser Formulierung lediglich, um einen Rechtmäßigkeitsmaßstab für bestimmte Vorstandshandlungen während des Übernahmeverfahrens zu beschreiben. Nicht aber ändern sich dadurch die faktischen Umstände, unter denen die konkrete Entscheidung durch den Vorstand in diesen Fällen getroffen wird. Tatsächlich befindet sich der Vorstand in einem Interessenkonflikt und allein darauf kommt es für die Frage der Anwendbarkeit der Business Judgment Rule an. c) Schadensersatzpflicht gegenüber den Aktionären Problematisch ist auch die Ersatzpflicht des Vorstands gegenüber den Aktionären.290 Die Frage stellt sich, wenn diese durch eine unzulässige Abwehrmaßnahme Harbarth, ZIP 2002, 1, 9 f.; Röh, in: Haarmann/Schüppen WpÜG § 33 Rn. 92 f.; Steinmeyer, in: Steinmeyer WpÜG § 33 Rn. 29 f.). Zur Ablehnung einer solchen materiellen Modifikation vgl. bereits oben § 14 II. 1. a) bb) (3). 289 Insbesondere aber Krause/Pötzsch/Stephan, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 33 Rn. 178; Grunewald, in: Baums/Thoma WpÜG § 33 Rn. 101. 290 Eine Ersatzpflicht für unzulässige Abwehrmaßnahmen gegenüber dem Bieter besteht nach allgemeiner Ansicht (mit Ausnahme eines nur theoretisch denkbaren Anspruchs aus § 826 BGB) nicht (vgl. Krause/Pötzsch/Stephan, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 33 Rn. 313; Schwennicke, in: Geibel/Süßmann WpÜG § 33 Rn. 88; Noack/Zetzsche, in: Schwark/
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2. Teil, 2. Kap.: Interessenkonflikte bei öffentlichen Übernahmen
einen konkreten Vermögensschaden erleiden, z. B. weil der Bieter zur Zahlung eines Aufschlages auf den Börsenkurs291 der Aktien bereit war, der ihnen durch das abwehrbedingte Scheitern der Übernahme nun entgeht. Als Anspruchsgrundlage kommt § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 33 Abs. 1 Satz 1 WpÜG in Betracht. Ob das Verhinderungsverbot als Schutzgesetz i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB herangezogen werden kann, ist umstritten. Zum Teil wird der Schutzgesetzcharakter bejaht.292 Diese Auffassung fußt auf der Annahme, dass das Verhinderungsverbot zwar durch mehrere Ausnahmen durchlöchert ist, dies aber an seinem grundsätzlichen Schutzzweck nichts ändert, der darin liegt, die Entscheidungsfreiheit der Aktionäre zu sichern.293 Dieser Schutzzweck führe dazu, dass das Verhinderungsverbot „schlicht als Pflicht des Vorstands gegenüber den Aktionären anzusehen“ sei.294 Überzeugender ist die Auffassung, die den Schutzgesetzcharakter des § 33 Abs. 1 Satz 1 WpÜG zugunsten der Aktionäre ablehnt.295 Zwar ist richtig, dass das Verhinderungsverbot den Veräußerungsinteressen der Aktionäre zu dienen bestimmt ist. Zugleich ist aber ersichtlich, dass ihm aufgrund der Ausnahmetatbestände, die das WpÜG zur Durchführung von Abwehrmaßnahmen vorsieht, keine gegenüber den übrigen vom Vorstand zu beachtenden Gesellschaftsinteressen herausgehobene Bedeutung zuerkannt wird. Vielmehr hat der Gesetzgeber das Verhinderungsverbot zu einem den übrigen Gesellschaftsinteressen gleichgeordneten Abwägungsbelang relativiert und seine Berücksichtigung damit zu einer rein objektiven Vorstandspflicht gemacht. Das Verhinderungsverbot stellt somit lediglich einen Rechtsreflex zugunsten der Aktionäre dar.296 Da der Gesetzgeber dem Vorstand die Möglichkeit von Abwehrmaßnahmen eingeräumt hat, müssen sich die Aktionäre mit der jeweiligen Entscheidung und ihren Folgen abfinden.297 Erst recht gilt dies für NachZimmer KMRK § 33 WpÜG Rn. 45; Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 33 WpÜG Rn. 248. 291 Zum Paketzuschlag etwa Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler WpÜG § 33 Rn. 3. Darunter versteht man den auf den Börsenkurs addierten Zuschlag, den ein Bieter den Aktionären im Rahmen eines Übernahmeangebots regelmäßig offeriert, um sie davon zu überzeugen, ihre Aktien ihm – dem Bieter – anzutragen. 292 Hirte, in: Kölner Komm WpÜG § 33 Rn. 159; ders., ZGR 2002, 623, 654 f.; Cahn, ZHR 167 (2003), 262. 283; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler WpÜG § 33 Rn. 37; Röh, in: Haarmann/Schüppen WpÜG § 33 Rn. 142. 293 Zu diesem Schutzzweck vgl. BegrRegE WpÜG BT-Drucks. 14/7034, S. 57. 294 Cahn, ZHR 167 (2003), 262. 283: „Sinnvollerweise kann […] kein Zweifel daran bestehen, dass die Vorschrift den Interessen der Aktionäre dieser Gesellschaft dient. […] Das Verhinderungsverbot […] ist schlicht als Pflicht des Vorstands gegenüber den Aktionären anzusehen.“ 295 So Krause/Pötzsch/Stephan, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 33 Rn. 312; Schwennicke, in: Geibel/Süßmann WpÜG § 33 Rn. 84; Steinmeyer, in: Steinmeyer WpÜG § 33 Rn. 56, 59; Noack/Zetzsche, in: Schwark/Zimmer KMRK § 33 WpÜG Rn. 44; Schlitt/Ries, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 33 WpÜG Rn. 241; Bürgers/Holzborn, ZIP 2003, 2273, 2279; Winther/Harbarth, ZIP 2002, 1, 16. 296 Winther/Harbarth, ZIP 2002, 1, 16. 297 Steinmeyer, in: Steinmeyer WpÜG § 33 Rn. 59
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teile, die einzelne Aktionäre dadurch erleiden, dass der Vorstand der Zielgesellschaft ein Übernahmeangebot rechtswidrig gefördert hat. Auch die Rechtmäßigkeit der Unterstützung eines Übernahmeangebots bemisst sich allein an dem objektivrechtlichen Maßstab des Unternehmensinteresses.298 Subjektive Rechte der Aktionäre sind daher durch solche Maßnahmen nicht betroffen.299
§ 15 Konfliktneutralisierung bei Abgabe der begründeten Stellungnahme nach § 27 WpÜG Die begründete Stellungnahme gem. § 27 WpÜG nimmt unter den vom Vorstand der Zielgesellschaft im Zusammenhang mit einem Übernahmeangebot zu treffenden Maßnahmen eine herausgehobene Stellung ein. Sie dient dazu, den Aktionären der Zielgesellschaft weitergehende Informationen zum Angebot und seinen Folgen zur Verfügung zu stellen, damit diese auf einer ausgewogenen Grundlage eine sachgemäße Anlageentscheidung treffen können.300 Die Stellungnahme muss sich dazu auf sämtliche Gesichtspunkte beziehen, die für diese Entscheidung wichtig sind.301 Dem Inhalt der begründeten Stellungnahme wird in der Praxis „erhebliche Bedeutung“ beigemessen:302 Fällt die Stellungnahme ablehnend aus, hat das zur Folge, dass der Übernahmeversuch als „feindlich“ einzustufen ist.303 Die Bereitschaft der Aktionäre, das Angebot anzunehmen, ist in einem solchen Fall erfahrungsgemäß merklich verringert.304 Andererseits kann eine positive Stellungnahme eine übernahme298
Siehe oben § 14 II. 1. b). Die Betroffenheit subjektiver Rechtspositionen der Aktionäre lehnen in einem solchen Fall auch diejenigen ab, die das Verhinderungsverbot als Schutzgesetz zugunsten der Aktionäre einstufen. Da die Befugnis, frei über das Übernahmeangebot zu entscheiden durch die Förderung eines Übernahmeangebots nicht beeinträchtigt werde, sei in diesen Fällen der Schutzbereich des Verhinderungsverbots nicht betroffen (Röh, in: Haarmann/Schüppen WpÜG § 33 Rn. 28). 300 Kubalek, Die Stellungnahme der Zielgesellschaft, S. 99, 102; Hippeli/Hofmann, NZG 2014, 850, 851 (mit Hinweis auf den Informationsvorsprung des Vorstands gegenüber den Aktionären). 301 Vgl. zum konkreten Inhalt bereits oben § 14 II. 3. a) sowie die nicht abschließende Aufzählung des § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 – 4 WpÜG. 302 Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 27 Rn. 20. Insbesondere ihre Abwehreignung wird vielfach betont (z. B. Kubalek, Die Stellungnahme der Zielgesellschaft, S. 19; Wackerbarth, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 27 WpÜG Rn. 6; Hirte, in: Kölner Komm WpÜG § 27 Rn. 13; Krause, NJW 2002, 705, 711). 303 Röh, in: Haarmann/Schüppen WpÜG § 27 Rn. 22. 304 Die begründete Stellungnahme wird als „vielleicht wichtigste Abwehrwaffe“ für die Zielgesellschaft angesehen (Hirte, in: Kölner Komm WpÜG § 27 Rn. 13; ähnlich Krause/ Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 27 Rn. 20; Hippeli/Hofmann, NZG 2014, 850, 851). 299
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2. Teil, 2. Kap.: Interessenkonflikte bei öffentlichen Übernahmen
freundliche Stimmung erzeugen und die Aktionäre motivieren, auf das Übernahmeangebot einzugehen. Aufgrund dieser Bedeutung ist es umso wichtiger, dass die begründete Stellungnahme möglichst unbeeinflusst von übernahmespezifischen Eigeninteressen der Vorstandsmitglieder abgegeben wird. Um dies zu gewährleisten, kommen verschiedene, sich gegenseitig ergänzende Ansätze in Betracht. Der Schwerpunkt liegt auch hier auf den Aspekten der Konflikttransparenz und Konfliktkontrolle.
I. Offenlegung von Eigeninteressen 1. Rechtsgrundlage Wie bereits dargerstellt,305 entspricht es nahezu allgemeiner Ansicht, dass die Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft ihre mit dem Erfolg oder Misserfolg des Übernahmeangebots verknüpften Eigeninteressen in der begründeten Stellungnahme offenlegen müssen. Gänzlich unumstritten ist dies jedoch nicht; so wird zum Teil vorgebracht, eine Offenlegungspflicht bestehe nicht, es sei lediglich zu begrüßen, wenn die Vorstandsmitglieder mit ihren Eigeninteressen in der Stellungnahme transparent umgingen.306 Dieser Ansicht ist zunächst zuzugeben, dass der Wortlaut des § 27 Abs. 1 WpÜG eine Offenlegung von Eigeninteressen nicht explizit fordert. Andererseits schließt er sie aber auch nicht aus. Bei einer am Schutzzweck der Norm orientierten Auslegung führt an der Annahme einer echten Offenlegungspflicht kein Weg vorbei.307 Das gilt unabhängig davon, ob man den Zweck der begründeten Stellungnahme vornehmlich im Schutz des Kapitalmarkts oder, verbandsrechtlich, im Schutz der Zielgesellschaft sieht oder aber – zutreffend – beide Ziele gleichgewichtig nebeneinander stellt.308 305
Siehe oben § 14 II. 3. a). Brandi/Lingemann, in: Thaeter/Brandi, Öffentliche Übernahmen, Teil 3 Rn. 147; in diese Richtung wohl auch Röh, in: Haarmann/Schüppen WpÜG § 27 Rn. 48 (Angabe von persönlichen Interessen „sinnvoll“). 307 So i.E. die ganz h. M. (Hirte, in: Kölner Komm WpÜG § 27 Rn. 34; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 27 Rn. 58; Schwennicke, in: Geibel/Süßmann WpÜG § 27 Rn. 22; Harbarth, in: Baums/Thoma WpÜG § 27 Rn. 37; Kiesewetter/Kreymborg, Corporate Finance Law 2013, 105, 109; ausführlich Kubalek, Die Stellungnahme der Zielgesellschaft, S. 128 ff.). 308 Die kapitalmarktrechtliche Schutzfunktion des § 27 WpÜG ist unstreitig, schließt seine (auch) verbandsrechtliche Einordnung aber nicht aus. Eine aktienrechtliche Stellungnahmepflicht des Vorstands wurde schon vor Inkrafttreten des WpÜG aus § 76 Abs. 1 AktG abgeleitet (z. B. Mertens, in: Kölner Komm AktG, 2. Aufl. 1996, § 76 Rn. 26; Kort, in: FS Lutter, 2000, S. 1421, 1438 f.; Martens, in: FS Beusch, 1993, S. 529, 549; Dimke/Heiser, NZG 2001, 241, 249). Dass das verbandsrechtliche Ziel des Schutzes der Zielgesellschaft von § 27 WpÜG mit erfasst ist, zeigen eine entsprechende Aussage in der Gesetzesbegründung (BegrRegE WpÜG BT-Drucks. 14/7034 S. 52: „Durch die Stellungnahme kommt der Vorstand zugleich seiner gesellschaftsrechtlichen Verpflichtung zur sachgerechten Wahrnehmung der in der Gesellschaft 306
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Legt man den Schwerpunkt auf eine Schutzfunktion zugunsten des Kapitalmarkts, so folgt eine Offenlegungspflicht aus der Überlegung, dass der Kapitalmarkt Vertrauen in das Institut des öffentlichen Übernahmeangebots nur dann fasst, wenn er weitgehend sicher sein kann, dass die Übernahme auf Basis möglichst unbeeinflusster und damit rationaler Anlegerentscheidungen abläuft. Nur dann ist ein öffentliches Übernahmeangebot ein berechenbares Kapitalmarktinstrument, und nur dann werden die Marktteilnehmer davon auch Gebrauch machen. Je stärker hingegen zu befürchten ist, dass die Aktionäre der Zielgesellschaft durch deren befangene Verwaltungsmitglieder fremdgesteuert werden, desto weniger wird ein Marktteilnehmer geneigt sein, ein Übernahmeangebot zu platzieren und desto zurückhaltender werden sich die Aktionäre der Zielgesellschaft auf dieses Angebot einlassen. Lässt es sich schon nicht vermeiden, dass die Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft in einer Übernahmesituation befangen sind, so hat der Kapitalmarkt deshalb zumindest ein Bedürfnis nach einer umfassenden Interessentransparenz. Vergleichbares gilt aus verbandsrechtlicher Sicht, wonach der Vorstand auch „aus der der Gesellschaft geschuldeten Pflicht zur ordnungsgemäßen Leitung und Geschäftsführung“309 verpflichtet ist, „die geplante Maßnahme unter Betracht der eigenen Gesellschaftsinteressen […] zu kommentieren.“310 So verstanden ist die begründete Stellungnahme ein Instrument, mit dem sich der Vorstand nicht nur im Interesse der Aktionäre sondern im Interesse aller Interessenträger der Zielgesellschaft für oder gegen eine Übernahme einsetzt. Auch dieses Ziel kann die Stellungnahme aber nur erreichen, wenn sie glaubwürdig ist. Die Aktionäre werden sich nur dann der Position des Vorstands anschließen, wenn sie das Gefühl haben, dass diese auf objektiven und sachorientierten Informationen basiert. In Übernahmesituationen ist der Vorstand der Zielgesellschaft typischerweise befangen. Dies wissen auch die Aktionäre. Ein glaubwürdiges und damit auch wirksames Gegengewicht zur Informationspolitik des Bieters kann die Stellungnahme deshalb nur sein, wenn mit dieser Befangenheit offen umgegangen wird. Diese bisher abstrakt aus den Schutzzwecken der Stellungnahmepflicht abgeleiteten Erkenntnisse haben sich auch, wenngleich nicht ausdrücklich, in der Vorschrift des § 27 WpÜG selbst niedergeschlagen, nämlich in § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4.311 Die Stellungnahme muss danach unter anderem darauf eingehen, inwiefern die Vorstandsmitglieder der Zielgesellschaft beabsichtigen, das Übernahmeangebot zusammentreffenden Interessen nach…“) sowie die Vorschrift des § 3 Abs. 3 WpÜG, wonach der Vorstand auch im Übernahmeverfahren den Interessen der Zielgesellschaft verpflichtet ist. Von einer Doppelfunktion des § 27 WpÜG daher zu Recht ausgehend Röh, in: Haarmann/ Schüppen WpÜG, § 27 Rn. 16; Harbarth, in: Baums/Thoma WpÜG § 27 Rn. 20 f.; Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler WpÜG § 27 Rn. 1; a. A. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/ U. H. Schneider WpÜG, § 27 Rn. 18 f.; Hippeli/Hofmann, NZG 2014, 850, 851. 309 Kort, in: FS Lutter, 2000, S. 1421, 1438 f. 310 Martens, in: FS Beusch, 1993, S. 529, 549. 311 Die Vorschrift insofern als „exemplarisch“ bezeichnend Kubalek, Die Stellungnahme der Zielgesellschaft, S. 129.
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anzunehmen, soweit sie selbst Inhaber von Wertpapieren der Zielgesellschaft sind. Die Vorschrift ermöglicht auf diese Weise einen Quervergleich zwischen dem Inhalt der Stellungnahme und dem geplanten persönlichen Transaktionsverhalten der Vorstandsmitglieder.312 Sie gewährt Einblick in die persönliche Interessensphäre der Vorstandsmitglieder und gibt damit zu verstehen, dass das WpÜG die Offenbarung persönlicher Details durchaus für geeignet hält, die Plausibilität der Stellungnahme zu erhöhen.313 Auch dies spricht dafür, dass transaktionsbezogene Eigeninteressen in der Stellungnahme offen zu legen sind. 2. Gegenstand und Detailtiefe der Offenlegung Die nächste Frage ist, welche Anforderungen die Vorstandsmitglieder bei der Offenlegung ihrer Eigeninteressen konkret zu beachten haben. Wesentliches Kriterium ist dabei die Funktionalität der Stellungnahme. Die offen gelegten Eigeninteressen sollen es den Aktionären der Zielgesellschaft ermöglichen, aussagekräftige Vergleiche zwischen der Stellungnahme des Vorstands einerseits und der persönlichen Interessenlage der Vorstandsmitglieder andererseits zu ziehen.314 Dies verlangt ein Zweifaches: Zunächst dürfen Eigeninteressen nicht im Überfluss offen gelegt werden. Die Offenlegung hat sich vielmehr auf solche Eigeninteressen zu beschränken, die auch tatsächlich befürchten lassen, dass die Vorstandsmitglieder die Stellungnahme aus egoistischen Motiven instrumentalisieren. In einer Übernahmesituation unterliegt jedes der Vorstandsmitglieder einer Vielzahl von Hoffnungen, Befürchtungen und persönlichen Ansichten. Wollte man diese allesamt für offenbarungspflichtig halten, verlöre die Stellungnahme erheblich an Übersichtlichkeit und der Sinn der Offenlegung wäre in sein Gegenteil verkehrt.315 In der Regel wird es sich deshalb bei den offen zu legenden Interessen nur um solche handeln, die sich außerhalb der mit einem Übernahmeangebot ganz allgemein verbundenen „Befindlichkeitsstörung“ des Vorstandsmitglieds ersichtlich manifestiert haben. Dies sind zum einen die bereits zitierten persönlichen Veräußerungsabsichten, die die Vorstandsmitglieder für ihren eigenen Wertpapierbesitz hegen (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 WpÜG).316 Zu offenbaren sind darüber hinaus auch besondere Vereinbarungen, die das Vorstandsmitglied im eigenen Interesse mit dem Bieter getroffen hat. Von 312 Mit Kritik am praktischen Nutzen freilich Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler WpÜG § 27 Rn. 18. 313 Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 27 Rn. 83. Die Regelung daher ausdrücklich begrüßend Hopt, in: FS Lutter, 2000, S. 1361, 1381 f. 314 Kubalek, Die Stellungnahme der Zielgesellschaft, S. 128. 315 Einen in der Praxis gängigen, den Zweck der begründeten Stellungnahme gefährdenden, „information overload“ beklagen allgemein z. B. Hippeli/Hofmann, NZG 2014, 850, 851 f. Ein solcher ist auch bei der Offenlegung von Eigeninteressen zu vermeiden. 316 Vor Erlass des WpÜG eine solche Offenlegungspflicht noch ablehnend Hopt, in: Großkomm AktG § 93 Rn. 130; kritisch noch im Gesetzgebungsverfahren beispielsweise auch Kort, in: FS Lutter, 2000, S. 1421, 1439 (entsprechende Offenlegungspflicht „problematisch“).
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großer praktischer Bedeutung und transparent zu machen sind schließlich auch übernahmespezifische Vereinbarungen der Vorstandsmitglieder mit der Zielgesellschaft, wie etwa Abfindungsregelungen in Form von Change-of-Control-Klauseln.317 Ist das persönliche Interesse nach alledem ausreichend gewichtig, um seine Offenlegung in der begründeten Stellungnahme zu rechtfertigen, fragt sich sodann, wie detailliert die entsprechenden Ausführungen sein müssen. Die Anforderungen dürfen hier nicht zu niedrig angesetzt werden. Nur wenn den Aktionären die Eigeninteressen der Vorstandsmitglieder hinreichend genau bekannt sind, können sie aussagekräftige Rückschlüsse daraus ziehen und abschätzen, inwiefern sich diese Interessen auf die Stellungnahme ausgewirkt haben. Hierzu ist zu verlangen, dass die Stellungnahme den jeweiligen Konfliktträger individuell benennt318 und die genaue Ursache des Konflikts sowie seinen sachlichen Zusammenhang mit der Übernahmesituation erläutert.319 Außerdem ist erforderlich, dass aus der Stellungnahme die konkrete Schwere des Konflikts erkennbar wird. Hierzu ist das Gewicht der wesentlichen Konfliktparameter – ggf. auch zahlenmäßig – aufzuzeigen. 3. Einzelfälle a) Eigene Veräußerungsabsicht: Angaben nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 WpÜG § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 WpÜG verpflichtet die persönlich an der Zielgesellschaft beteiligten Vorstandsmitglieder, ihr zum Zeitpunkt der Stellungnahme beabsichtigtes Annahmeverhalten mitzuteilen. Korrespondiert dieses mit dem Standpunkt, den der Vorstand in seiner Stellungnahme vertritt, so wird deren Glaubwürdigkeit hierdurch noch einmal unterstrichen.320 Ist das nicht der Fall, wird das die Aktionäre dazu veranlassen, sich ihre persönliche Entscheidung noch einmal genau zu überlegen und sich gegebenenfalls weitere Informationsquellen zu erschließen. Dabei ist
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Zu beidem bereits Kubalek, Die Stellungnahme der Zielgesellschaft, S. 129 ff. bzw. S. 131. Ebenso z. B. auch Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 27 Rn. 58 („geldwerte Vorteile“ bzw. „Anreizversprechen“). 318 So schon die überwiegende Ansicht für den Fall der nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 WpÜG mitzuteilenden Veräußerungsabsichten der Vorstandsmitglieder (vgl. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 27 Rn. 85; Harbarth, in: Baums/Thoma WpÜG § 27 Rn. 60; Hirte, in: Kölner Komm WpÜG § 27 Rn. 46; mit Hinweis auch auf die mittlerweile entsprechende BaFin-Praxis Kiesewetter/Kreymborg, Corporate Finance Law 2013, 105, 109 f.). 319 Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 27 Rn. 58; Steinmeyer, in: Steinmeyer WpÜG § 27 Rn. 19. 320 Die Information nach § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 WpÜG wird deshalb als „besonders wichtig“ bezeichnet, z. B. Hirte, in: Kölner Komm WpÜG § 27 Rn. 45; ebenso Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 27 Rn. 83.
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2. Teil, 2. Kap.: Interessenkonflikte bei öffentlichen Übernahmen
für jedes Vorstandsmitglied unter namentlicher Nennung321 anzugeben, in welchem prozentualen Umfang es seinen Bestand an Wertpapieren dem Bieter zu übertragen gedenkt und welcher absoluten Wertpapieranzahl dies entspricht.322 Mitzuteilen ist die Annahmeabsicht auch in Bezug auf Papiere, die die Vorstandsmitglieder nur indirekt, insbesondere über von ihnen beherrschte Gesellschaften, halten.323 Gemäß dem Zweck der Mitteilungspflicht, die persönliche Interessenlage der Vorstandsmitglieder zu erhellen, sind diese zudem verpflichtet, auch über das Annahmeverhalten ihnen nahestehender Personen zu berichten.324 Soweit Vorstandsmitglieder keine Wertpapiere der Zielgesellschaft besitzen, ist auch dies mitzuteilen, weil ansonsten die Information über die Annahmeentscheidung der übrigen Vorstandsmitglieder in ihrer Aussagekraft beeinträchtig wäre.325 Aus gleichen Erwägungen ist es ferner anzugeben, wenn ein Vorstandsmitglied das Angebot aufgrund einer entsprechenden vertraglichen Vereinbarung (sog. lock up agreement) nicht annehmen darf.326 Das kapitalmarkt- wie auch verbandsrechtliche Verlangen nach einer möglichst weitgehenden Transparenz der Vorstandsinteressen machen es schließlich auch erforderlich, im Laufe des Angebotsverfahrens geänderte Annahmeabsichten im Wege einer erneuerten Stellungnahme nachzuschieben.327 Die Stellungnahme soll den Aktionären zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung als sachliche Informations321 So Harbarth, in: Baums/Thoma WpÜG § 27 Rn. 60, weil es für die Aktionäre „von erheblichem Interesse sein kann, welche Organmitglieder die Annahme und welche die Ablehnung beabsichtigen.“ Ebenso Hirte, in: Kölner Komm WpÜG § 27 Rn. 46; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 27 Rn. 85. 322 Die Pflicht zur Angabe des prozentualen Umfangs ist unstreitig, die zur Angabe der absoluten Wertpapieranzahl wird hingegen abgelehnt (Harbarth, in: Baums/Thoma WpÜG § 27 Rn. 61; Hirte, in: Kölner Komm WpÜG § 27 Rn. 46; Krause/Pötzsch, in: Assmann/ Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 27 Rn. 85; Steinmeyer, in: Steinmeyer WpÜG § 27 Rn. 47; Röh, in: Haarmann/Schüppen WpÜG § 27 Rn. 42; Hippeli/Hofmann, NZG 2014, 850, 854). Vor dem Hintergrund, dass die Mitteilungspflicht des § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 WpÜG eine Bagatellgrenze nicht kennt, kann dem nicht gefolgt werden. Insbesondere wenn Vorstandsmitglieder lediglich über Kleinstbeteiligungen verfügen, würde eine bloße Prozentangabe den Sachverhalt eher verfälschen als erhellen. Wie hier wohl auch Kiesewetter/Kreymborg, Corporate Finance Law 2013, 105, 109 („individualisierte Aufstellung der Beteiligung“). 323 Hirte, in: Kölner Komm WpÜG § 27 Rn. 46; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/ U. H. Schneider WpÜG § 27 Rn. 84; Steinmeyer, in: Steinmeyer WpÜG § 27 Rn. 48. 324 Hirte, in: Kölner Komm WpÜG § 27 Rn. 46 mit Hinweis auf die insoweit heranzuziehenden Grundsätze des § 15a Abs. 1 Satz 2 Abs. 3 WpHG. 325 Hirte, in: Kölner Komm WpÜG § 27 Rn. 46; Steinmeyer, in: Steinmeyer WpÜG § 27 Rn. 47; Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 27 Rn. 85; Harbarth, in: Baums/Thoma WpÜG § 27 Rn. 60. 326 Hirte, in: Kölner Komm WpÜG § 27 Rn. 46; Steinmeyer, in: Steinmeyer WpÜG § 27 Rn. 47. 327 Steinmeyer, in: Steinmeyer WpÜG § 27 Rn. 51 ff., 53; Krause/Pötzsch, in: Assmann/ Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 27 Rn. 99; Röh, in: Haarmann/Schüppen WpÜG § 27 Rn. 56. Einschränkend Hirte, in: Kölner Komm WpÜG § 27 Rn. 47, der eine Aktualisierungspflicht nur bejaht, wenn die Änderung der Annahmeentscheidung „wesentlich ist“ oder aufgrund einer Änderung des Angebots erfolgt.
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grundlage dienen. Dies kann sie nur, wenn sie zu diesem Zeitpunkt auch aktuell und zutreffend ist.328 b) Übernahmebezogene Zusagen des Bieters Der Bieter muss gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 WpÜG in der Angebotsunterlage aufführen, welche „Geldleistungen oder anderen geldwerten Vorteile“ er den Vorstandsmitgliedern der Zielgesellschaft im Zusammenhang mit der Übernahme gewährt oder in Aussicht stellt.329 Diese Verpflichtung zielt darauf ab, Interessenkonflikte im Vorstand der Zielgesellschaft offen zu legen.330 Die insoweit funktionsgleiche Offenlegung von Eigeninteressen in der Stellungnahme des Vorstands nach § 27 Abs. 1 WpÜG wird sich deshalb weitgehend darauf beschränken können, die in der Angebotsunterlage aufgeführten Positionen aufzugreifen und gegebenenfalls zu kommentieren.331 Dort, wo die Angebotsunterlage in ihren Ausführungen zu kurz greift, ist der Vorstand aus seiner eigenen Pflichtenstellung heraus gehalten, die Angaben zu vervollständigen, sodass sich am Ende ein möglichst vollständiges und plastisches Bild der Interessenlage ergibt. c) Change-of-Control-Klauseln Offenzulegen sind in der begründeten Stellungnahme auch sogenannte Changeof-Control-Klauseln.332 Diese werden zwischen der Zielgesellschaft und ihren Vorstandsmitgliedern anstellungsvertraglich oder auch separat vereinbart und sehen in unterschiedlichen Ausprägungen Ausgleichszahlungen der Zielgesellschaft vor, für den Fall, dass diese von einem Dritten erfolgreich übernommen wird.333 Das Ziel einer Change-of-Control-Klausel liegt darin, Vorstandsmitglieder auch für übernahmegefährdete Gesellschaften zu gewinnen.334 Problematisch ist, dass eine Change-of-Control-Klausel im Falle eines Übernahmeangebots regelmäßig die Gefahr mit sich bringt, dass die Vorstandsmitglieder wegen der winkenden Ausgleichszahlung im eigenen Interesse auf eine erfolgreiche Übernahme hinarbeiten.335 In der Stellungnahme nach § 27 WpÜG sind Change-of-Control-Klauseln damit stets
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Steinmeyer, in: Steinmeyer WpÜG § 27 Rn. 52. Siehe bereits oben § 14 II. 3. a). 330 Seydel, in: Kölner Komm WpÜG § 11 Rn. 76; Geibel/Süßmann, in: Geibel/Süßmann WpÜG § 11 Rn. 40. 331 Hirte, in: Kölner Komm WpÜG § 27 Rn. 42. 332 Umfassend zur Zulässigkeit von Change-of-Control-Klauseln Dreher, AG 2002, 214 ff. 333 Dreher, AG 2002, 214, 215. 334 Dreher, AG 2002, 214. 335 So speziell für den Fall der begründeten Stellungnahme Kubalek, Die Stellungnahme der Zielgesellschaft, S. 131. 329
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offen zu legen.336 Im Vergleich zu den Erläuterungen zu etwaigen übernahmespezifischen Zusagen des Bieters wird die Stellungnahme für Change-of-ControlKlauseln regelmäßig ausführlichere Angaben enthalten müssen. Auf Ausführungen in der Angebotsunterlage des Bieters kann der Vorstand der Zielgesellschaft in diesem Fall nämlich keinen Bezug nehmen.337
II. Mitwirkungsverbot bzw. Recht zur Enthaltung für befangene Vorstandsmitglieder? Um übernahmebedingte Eigeninteressen der Vorstandsmitglieder aus der begründeten Stellungnahme herauszuhalten, wird vorgeschlagen, befangene Vorstandsmitglieder von der Mitwirkung an der Stellungnahme auszuschließen.338 Eine abgeschwächte Variante will ihnen die Beteiligung an der Stellungnahme zwar nicht verbieten, ihnen aber zumindest ein Recht zur Enthaltung zubilligen.339 Mangels entsprechender gesetzlicher Regelungen wird zur Begründung auf die Mitwirkungsbzw. Stimmverbote verwiesen, die für befangene Vorstandsmitglieder nach allgemeinem Aktienrecht gelten sollen. Ferner soll ein Beteiligungsverbot bzw. ein Recht zur Enthaltung aus § 27 Abs. 1 WpÜG in Zusammenschau mit § 3 Abs. 2 WpÜG abzuleiten sein.340 Beide Vorschläge scheitern bereits daran, dass in Übernahmesituationen generell sämtliche Vorstandsmitglieder befangen sind, so dass, würde man den Vorschlägen folgen, alle von der Pflicht, eine begründete Stellungnahme abzugeben, befreit wären bzw. sich befreien könnten. Wie mehrfach betont, war dem Gesetzgeber das Phänomen übernahmespezifischer Vorstandsbefangenheit bewusst. Dessen ungeachtet hat er „den Vorstand“ in § 27 WpÜG zur Abgabe der Stellungnahme verpflichtet, ohne einzelne Mitglieder je nach Art und Intensität ihrer individuellen Befangenheit von dieser Pflicht auszunehmen. Eine solche Ausnahme lässt sich auch nicht aus der als allgemeine Grundsatznorm formulierten Vorschrift des § 3 Abs. 2 WpÜG ableiten, die zwar fordert, dass die „Inhaber von Wertpapieren der Zielgesellschaft […] über genügend Zeit und ausreichend Informationen verfügen [müssen], um in Kenntnis der Sachlage über das Angebot entscheiden zu können“, der über diese 336 Kubalek, Die Stellungnahme der Zielgesellschaft, S. 131; Hirte, in: Kölner Komm WpÜG § 27 Rn. 42. 337 Die Angebotsunterlage muss nach § 11 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 WpÜG lediglich auf Vorteile eingehen, die den Vorstandsmitgliedern der Zielgesellschaft von Seiten des Bieters in Aussicht gestellt wurden. Ausführungen zu Change-of-Control-Klauseln finden sich dort deshalb nicht. 338 Vgl. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 27 Rn. 37 („interessengerechte Lösung“). 339 So Harbarth, in: Baums/Thoma WpÜG § 27 Rn. 31; wohl auch Ekkenga, in: Ehricke/ Ekkenga/Oechsler WpÜG § 27 Rn. 20; Wackerbarth, in: MünchKomm AktG, 3. Aufl. 2011 ff., § 27 WpÜG Rn. 11; Möllers, ZIP 2006, 1615, 1618. 340 Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 27 Rn. 37.
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allgemeine Formulierung hinaus eine derart konkrete Abweichungen von dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 Satz 1 WpÜG aber nicht entnommen werden kann. Dies ist schließlich auch im Ergebnis sachgerecht, denn eine Kompetenzabgrenzung innerhalb des befangenen Vorstands danach, welche Art und welchen Grad der Befangenheit eine Stellungnahme gerade noch verträgt, um ihren Zweck zu erfüllen, und wo die Schwelle zu einer rechtlich nicht mehr hinnehmbaren Befangenheit überschritten wird, ist praktisch in der Trennschärfe, wie es für eine kompetenzrechtliche Regelung zu verlangen wäre, kaum möglich. Die Gefahr, dass die Stellungnahme vom befangenen Vorstand, z. B. durch pflichtwidriges Unterdrücken oder Verfälschen entscheidungsrelevanter Informationen, zur Durchsetzung ihrer eigenen Interessen instrumentalisiert werden kann, hat der Gesetzgeber in Kauf genommen und damit dem Vorstand einen Vertrauensvorschuss gegeben. Ohne Zweifel wäre die Glaubwürdigkeit der Stellungnahme höher, ließe man sie ausschließlich von unbefangenen Vorstandsmitgliedern verfassen. Aber die gibt es nun mal nicht. Für den aktienrechtlichen Begründungsstrang der genannten Vorschläge ist auf die Ausführungen im ersten Teil der Untersuchung zu verweisen. Sie haben gezeigt, dass befangene Vorstandsmitglieder, soweit nicht ausdrücklich anders geregelt, weder von der Geschäftsführung noch von der Stimmabgabe ausgeschlossen sind und regelmäßig auch kein Recht zur Leistungsverweigerung haben.341 Vielmehr müssen sie ihrer Vorstandspflicht zur Abgabe der Stellungnahme nach Maßgabe des § 27 WpÜG auch unter verbandsrechtlichen Gesichtspunkten pflichtgemäß nachkommen, also ihre Eigeninteressen erstens transparent machen und sie zweitens bei der Erarbeitung der Stellungnahme unterdrücken.
III. Darstellung vorstandsinterner Meinungsverschiedenheiten/ Veröffentlichung von Sondervoten Der Gefahr, dass die begründete Stellungnahme zugunsten der persönlichen Interessen der befangenen Vorstandsmitglieder instrumentalisiert wird, lässt sich in gewissem Umfang dadurch begegnen, dass offen gelegt wird, zu welchen Punkten des Angebots die Meinungen vorstandsintern auseinander gehen, welche unterschiedlichen Ansichten von welchem Vorstandsmitglied insoweit vertreten werden und was die Beweggründe hierfür im Einzelnen sind. Die Ausweisung dieser Details in der Stellungnahme ist nicht nur zulässig. Da die von der Stellungnahme verfolgten Schutzzwecke nur erreicht werden können, wenn die vorstandsinternen Sonderinteressen offensichtlich sind, ist eine solche Offenlegung der abweichenden Meinungen sogar geboten.342 In Verbindung mit den in der Stellungnahme personen341 Siehe § 8 und § 9 (Mitwirkungs-/Stimmverbote), sowie § 6 I. 1. (Recht zur Verweigerung der Geschäftsführung). 342 So auch Hirte, in: Kölner Komm WpÜG § 27 Rn. 20; Harbarth, in: Baums/Thoma WpÜG § 27 Rn. 25 f.; Hopt, ZHR 166 (2002), 383, 419; ferner Fleischer/Schmolke, DB 2007, 95, 99 f. nach ausführlicher Abwägung des Transparenzgebots einerseits mit den verbands-
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2. Teil, 2. Kap.: Interessenkonflikte bei öffentlichen Übernahmen
bezogen aufgeführten Sonderinteressen ergibt sich so ein vollständiges Bild der Interessen- und Meinungslage im Vorstand der Zielgesellschaft.343 Zwischen den persönlichen Interessen der Vorstandsmitglieder und ihrer jeweiligen Rolle bei der Erstellung der begründeten Stellungnahme lassen sich auf diese Weise aussagekräftige Schlüsse ziehen.344 Der Anreiz, mit Hilfe der begründeten Stellungnahme eigene Interessen durchzusetzen, wird durch diese weitergehende Transparenz zusätzlich gehemmt. Zu beachten ist dabei allerdings, dass abweichende Voten nur insoweit zulässig sind, als sie auch Teil der begründeten Stellungnahme des Vorstands sind. Sie müssen deshalb als Textpassagen in das Dokument der Stellungnahme integriert werden. Dieses Dokument ist in seiner Gesamtheit vom Vorstand zu autorisieren, als begründete Stellungnahme i. S. v. § 27 WpÜG kenntlich zu machen und nach den Vorschriften des § 27 Abs. 3 WpÜG zu veröffentlichen. Unzulässig sind von einzelnen Vorstandsmitgliedern separat veröffentlichte Meinungen.345 Hier steht zum einen die vorstandsrechtliche Verschwiegenheitspflicht entgegen; diese bezieht sich auch auf die Vorgänge der vorstandsinternen Willensbildung und sogar auf die eigene Stimmabgabe.346 Zugleich würden die Wertigkeit und damit auch die Schutzzwecke der Stellungnahme durch separate Sondervoten einzelner Vorstandsmitglieder beeinträchtigt. Die Stellungnahme soll den Aktionären der Zielgesellschaft im Interesse des Kapitalmarkts und des Verbandes als umfassende und verlässliche Informationsquelle dienen. Diese Zwecke könnte sie nicht erreichen, wenn die Aktionäre stets noch mit weiteren Informationsbruchstücken konfrontiert würden, deren Verhältnis zur begründeten Stellungnahme sie unter Umständen gar nicht richtig einschätzen können und die ihnen – wenn überhaupt – über gesetzlich im Einzelnen gar nicht festgelegte Kanäle zugehen.347 Der Ort für eine umfassende Information der Aktionäre ist ausschließlich die begründete Stellungnahme. Aus diesem Grund sind auch keine Umstände ersichtlich, unter denen der Vorstand einzelne Mitglieder zum
rechtlichen Aspekten der Verschwiegenheitspflicht und des Kollegialitätsprinzips andererseits. Gestützt auf die letztgenannten Bedenken ablehnend Kiesewetter/Kreymborg, Corporate Finance Law 2013, 105, 113 f. 343 Dagegen spricht auch nicht die Tatsache, dass die Stellungnahme „vom Vorstand“ abzugeben ist. Dies schließt die Einfügung abweichender Einzelmeinungen nicht aus, vielmehr wird sich oftmals nur so das für den entsprechenden Vorstandsbeschluss erforderliche Stimmenquorum erreichen lassen, weil man sich auf einen einheitlichen Standpunkt nicht einigen kann (so zur Parallelproblematik bei der aktiengesetzlichen Berichtspflicht des Vorstands gegenüber dem Aufsichtsrat z. B. Spindler, in: MünchKomm AktG § 90 Rn. 7). 344 Gerade die Unterschiede in den einzelnen Beiträgen der Vorstandsmitglieder zu kennen ist für die Aktionäre wichtig (vgl. Hopt, ZHR 166 (2002), 383, 419). 345 Für deren Zulässigkeiten aber offenbar Steinmeyer, in: Steinmeyer WpÜG § 27 Rn. 21; ebenso Schwennicke, in: Geibel/Süßmann WpÜG § 27 Rn. 22 (kein „Konzentrierungsgebot“). 346 Hopt, in: Großkomm AktG § 93 Rn. 191. 347 Ähnlich Seibt, in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1119, 1138 (für die gleichgelagerte Frage im Zusammenhang mit der begründeten Stellungnahme des Aufsichtsrats).
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Zwecke separater Äußerungen von der Verschwiegenheitspflicht entbinden dürfte.348 Eine separat geäußerte Meinung, die sich so nicht in der Stellungnahme wiederfindet, würde offenbaren, dass die begründete Stellungnahme insoweit unvollständig und damit pflichtwidrig abgegeben wurde. Das Mittel aber, dies zu korrigieren, ist nicht ein separates Statement des betreffenden Vorstandsmitglieds, sondern eine neuerliche und um diesen Aspekt ergänzte begründete Stellungnahme. Separat veröffentlichte Sondervoten hingegen sind abzulehnen.349
IV. Mitwirkung des Aufsichtsrats bei der Stellungnahme Legen die Vorstandsmitglieder ihre Eigeninteressen in der begründeten Stellungnahme ordnungsgemäß offen, begründet die dadurch erzeugte Transparenz ein beachtliches Schutzniveau. Der Impetus der Vorstandsmitglieder, die Stellungnahme zur Begünstigung eigener Interessen inhaltlich zu beeinflussen, wird deutlich gebremst. Auf den Inhalt der Stellungnahme ist damit erhöhter Verlass. Andererseits bietet allein die Transparenz der Sonderinteressen noch keine Garantie dafür, dass Vorstandsmitglieder die Stellungnahme nicht doch – bewusst oder unbewusst – im eigenen Interesse instrumentalisieren. Deshalb hat sich der Gesetzgeber nicht mit dem Hinweis in der Gesetzesbegründung begnügt, dass es für den Vorstand angesichts der erheblichen Bedeutung, die seiner Stellungnahme bei öffentlichen Übernahmeangeboten zukommt, „in aller Regel angezeigt (ist), diese mit dem Aufsichtsrat vorab zu erörtern“,350 sondern in § 27 WpÜG ausdrücklich bestimmt, dass auch der Aufsichtsrat selbst eine begründete Stellungnahme abzugeben hat. Nachdem eine entsprechende aktienrechtliche Befugnis bislang nicht angenommen wurde, verfügt der Aufsichtsrat nunmehr über ein übernahmrechtliches Instrument, mit dem er den Eigeninteressen des Vorstands einen Riegel vorschieben kann.351 Seine eigenständige Stellungnahme kann als Gegengewicht wirken und bietet den Informationsempfängern die Chance, die
348 Abw. Krause/Pötzsch, in: Assmann/Pötzsch/U. H. Schneider WpÜG § 27 Rn. 38, die die Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht zulassen, um separate Voten dissentierender Vorstandsmitglieder zu ermöglichen. 349 Anders die Regierungsbegründung zum WpÜG. Dort heißt es: „In jedem Fall steht es […] dem Vorstand und seinen einzelnen Mitgliedern […] frei, ihre Auffassung zu dem Angebot öffentlich zu verlautbaren.“ (BegrRegE WpÜG BT-Drucks. 14/7034, S. 52). Dieser – nicht Gesetz gewordenen – Ansicht ist nicht zu folgen, weil ein unkoordiniertes Nebeneinander verschiedener Vorstandsmeinungen die „amtliche“ Stellungnahme nach § 27 WpÜG entwerten würde. 350 BegrRegE WpÜG, BT-Drucks. 14/7034, S. 52. 351 Die Bedeutung einer nach § 27 Abs. 2 WpÜG zulässigen (zusätzlichen) Stellungnahme des Betriebsrats bzw. der Arbeitnehmer der Zielgesellschaft hat sich in der Praxis hingegen als gering herausgestellt (vgl. Hippeli/Hofmann, NZG 2014, 850, 851).
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Plausibilität der Vorstandserklärung durch einen Vergleich beider Stellungnahmen weitergehend zu verifizieren.352 Umstritten ist das Verhältnis zwischen dem Recht des Aufsichtsrats zu einer eigenständigen Stellungnahme nach § 27 WpÜG und seiner aktienrechtlichen Befugnis zur Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts gem. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG. Hierzu wird die Ansicht vertreten, dass § 27 WpÜG die aktienrechtliche Befugnis zum Erlass eines Zustimmungsvorbehalts verdränge:353 „Da der Aufsichtsrat bei der Zustimmungserteilung im Rahmen von § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG nicht auf eine Vertretbarkeitskontrolle der Vorstandsmaßnahme beschränkt ist, er vielmehr auf der Grundlage seiner eigenen unternehmerischen Sicht zur Entscheidung befugt ist, könnte der Aufsichtsrat den Vorstand über einen Zustimmungsvorbehalt daran hindern, in der Stellungnahme die eigene Sicht des Vorstands zum Angebot zum Ausdruck zu bringen. Mit der Zielsetzung von § 27 WpÜG, wonach die Wertpapierinhaber die Sicht sowohl des Vorstands als auch des Aufsichtsrats erfahren sollen, wäre dies nicht vereinbar.“354 Dieser Ansicht ist im Ausgangspunkt zuzustimmen. Im Ergebnis geht sie jedoch zu weit. Das Recht des Aufsichtsrats zum Erlass eines Zustimmungsvorbehalts wird durch § 27 WpÜG nicht vollständig beseitigt. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass der Aufsichtsrat die Stellungnahme des Vorstands, so wie jede sonstige übernahmerelevante Vorstandsentscheidung auch, gemäß § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG dem Erfordernis seiner Zustimmung unterstellen darf und ggf. sogar muss. Im Vergleich zur eigentlichen aktienrechtlichen Rechtslage sind lediglich die Gründe beschränkt, aus denen der Aufsichtsrat seine Zustimmung verweigern darf. So ist er ohne weiteres berechtigt und verpflichtet, einer Stellungnahme die Zustimmung zu verweigern, wenn sie rechtswidrig ist. Verschweigt die Stellungnahme des Vorstands also Fakten, die sie zwingend enthalten müsste, gibt sie Fakten falsch wieder oder enthält sie Wertungen, die bei objektiver Betrachtung schlechterdings unvertretbar sind, so ist der Aufsichtsrat nicht lediglich darauf beschränkt, diese Mängel in seiner eigenen 352 In der Praxis wird die begründete Stellungnahme jedoch regelmäßig von Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam abgegeben (so mit zahlreichen Nachweisen Kubalek, Die Stellungnahme der Zielgesellschaft, S. 109 f.; ferner Kiesewetter/Kreymborg, Corporate Finance Law 2013, 105, 113; Schiessl, in: FS Hoffmann-Becking, 2013, S. 1019, 1032). Daraus lassen sich zwei Schlüsse ziehen: Entweder das Recht des Aufsichtsrats zur eigenen Stellungnahme ist weitgehend ohne praktische Bedeutung, weil beide Organe in der Übernahmesituation ohnehin häufig gleichgelagerte Interessen haben (Kubalek, Die Stellungnahme der Zielgesellschaft, S. 108) bzw. weil der Aufsichtsrat von den Informationen abhängt, die ihm der Vorstand zur Verfügung stellt (Ekkenga, in: Ehricke/Ekkenga/Oechsler WpÜG § 27 Rn. 8), oder aber es führt schon die bloße Möglichkeit des Aufsichtsrats, eine eigene Stellungnahme zu veröffentlichen, zu einer Disziplinierung im Vorstand, sodass deshalb eine aus Sicht beider Organe tragbare Lösung erarbeitet wird. Die Wahrheit dürfte hier in der Mitte liegen. 353 Harbarth, in: Baums/Thoma WpÜG § 27 Rn. 28; ebenso Röh, in: Haarmann/Schüppen WpÜG § 27 Rn. 51; zurückhaltender Hirte, in: Kölner Komm WpÜG § 27 Rn. 18 (Zustimmungsvorbehalt „dürfte unzulässig sein“). 354 Harbarth, in: Baums/Thoma WpÜG § 27 Rn. 28.
§ 15 Konfliktneutralisierung bei Stellungnahme nach § 27 WpÜG
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Stellungnahme aufzuzeigen. Dies ergibt sich zum einen aus seiner aktienrechtlichen Rechtsstellung, die ihn verpflichtet, rechtswidriges Vorstandshandeln zu verhindern.355 Es folgt aber auch aus den Schutzzwecken der Stellungnahme selbst. Die begründete Stellungnahme soll die Übernahmesituation informativ und glaubwürdig aus Sicht der Zielgesellschaft beschreiben und dadurch die Informationsbasis für die Aktionäre verbreitern. Dies gilt sowohl für die Stellungnahme des Vorstands wie für die des Aufsichtsrats. Beide müssen ihren Informationszweck eigenständig erfüllen und nicht erst in Zusammenschau mit der Stellungnahme des jeweils anderen Organs ein plausibles Bild ergeben.356 Unterschlägt und verdreht die Stellungnahme des Vorstands aber Fakten, oder trifft sie Wertungen, die objektiv betrachtet nicht haltbar sind, so trägt sie zu diesem Zweck nicht bei, sondern bewirkt das Gegenteil. Eine solche Wirkung ist zu verhindern. Enthält die Stellungnahme des Vorstands also beispielsweise entgegen § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 WpÜG keine Angaben darüber, ob die Vorstandsmitglieder das Übernahmeangebot selbst annehmen wollen, so lässt sich dem nicht dadurch abhelfen, dass der Aufsichtsrat in seiner eigenen Stellungnahme auf diesen Mangel hinweist und gar noch eigene Spekulationen hierzu anstellt. Vielmehr ist er verpflichtet, dieser rechtswidrigen Stellungnahme seine vorbehaltene Zustimmung zu verweigern. Streng zu unterscheiden sind solche Fälle rechtswidriger Stellungnahmen von Sachverhalten, in denen der Aufsichtsrat lediglich zu einer im Vergleich zum Vorstand abweichenden unternehmerischen Einschätzung des Übernahmeangebots gelangt. Hier muss er die Zustimmung zur Stellungnahme des Vorstands erteilen. Sein nach § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG an sich vorgesehenes Recht, Vorstandshandlungen auch aus unternehmerischen Erwägungen zu verhindern ist – insoweit ist den eingangs zitierten Literaturstimmen nachzugeben – durch seine Möglichkeit, eine eigene Stellungnahme abzugeben, beschränkt. Seine vom Vorstand abweichende unternehmerische Ansicht kann er nicht im Wege des Zustimmungsvorbehalts geltend machen, sondern muss ihr dadurch Gehör verschaffen, dass er sie in seiner eigenen begründeten Stellungnahme niederlegt. Daran, diese unterschiedlichen – jeweils rechtmäßigen – unternehmerischen Bewertungen der Sachlage zu kennen, haben die Aktionäre ein Interesse. Diese unterschiedlichen Stellungnahmen können sie im Wege eines wechselseitigen Quervergleichs auswerten.
355 Zu dieser Rechtsstellung Lutter/Krieger/Verse, Rechte und Pflichten des Aufsichtsrats, Rn. 74. 356 Dies schließt es freilich nicht aus, dass der Aufsichtsrat in seiner Stellungnahme, um Doppelungen zu vermeiden, auf die Ausführungen des Vorstands Bezug nehmen darf, soweit er diesen zustimmt (Kubalek, Die Stellungnahme der Zielgesellschaft, S. 110) oder die Stellungnahme – wie in der Praxis üblich – von Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam veröffentlicht wird.
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse Erster Teil
1. Als treuhänderische Verwalter des ihnen anvertrauten Gesellschaftsvermögens sind die Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft bei ihrer Amtsführung ausschließlich dem Wohl der Gesellschaft verpflichtet. Sie befinden sich in einem rechtlich relevanten Interessenkonflikt, wenn aufgrund objektiver Umstände die Besorgnis begründet ist, dass gesellschaftsfremde Sonderinteressen ihre Geschäftsführung zum Nachteil der Gesellschaft beeinflussen können. Dabei ist es unerheblich, ob das Sonderinteresse in einem zu erwartenden Vor- oder Nachteil liegt, ob dieser Vor- oder Nachteil das Vorstandsmitglied selbst oder einen ihm nahe stehenden Dritten trifft, ob er rechtsgeschäftlich oder tatsächlich begründet, materieller oder immaterieller Natur ist. 2. Im Gegensatz zu diversen anderen Regelungsbereichen in der Rechtsordnung, die Interessenkonflikten dadurch begegnen, dass sie klare Rechtsfolgen an katalogmäßig aufgezählte, eindeutig definierte Konfliktkriterien knüpfen oder Interessenkonflikte zumindest generalklauselartig adressieren, enthält das Aktiengesetz für die Regelung vorstandsspezifischer Interessenkonflikte keinen vergleichbaren systematischen Ansatz. 3. Gleichwohl sind dem Aktiengesetz Interessenkonflikte der Vorstandsmitglieder weder fremd noch gleichgültig. Mit der Einrichtung eines obligatorischen Aufsichtsrats zur Überwachung des Vorstands hat es eine organisatorische Grundentscheidung getroffen, deren Zweck darin liegt, eine missbräuchliche, gegen die Interessen der Gesellschaft gerichtete Geschäftsführung zu unterbinden. Darüber hinaus spricht es in einigen Einzelvorschriften konkrete Sachverhalte an, die für vorstandsspezifische Interessenkonflikte besonders typisch sind und regelt sie, indem es die grundsätzlich beim Vorstand liegende Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis ausnahmsweise entweder komplett auf den Aufsichtsrat überträgt oder durch ein gesetzliches Vetorecht des Aufsichtsrats gegen Entscheidungen des (zuständigen) Vorstands beschränkt. Das bedeutsamste Beispiel dieser Einzelregelungen ist die Vorschrift des § 112 AktG, die die rechtsgeschäftliche und gerichtliche Vertretung der Gesellschaft gegenüber ihren Vorstandsmitgliedern dem Aufsichtsrat überantwortet. 4. Außerhalb der hoheitlich geregelten Sondersachverhalte obliegt es der Gesellschaft als privatautonomer Wirtschaftsorganisation grundsätzlich selbst, sich vorbeugend vor dem Risiko pflichtwidriger, gegen ihre Interessen gerichteter Vorstandsentscheidungen zu schützen. Die zentrale Rolle dabei fällt dem Aufsichtsrat
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zu. Im Rahmen seiner allgemeinen Überwachungspflicht nach § 111 AktG kann und muss er auf Organisation und Geschäftsführung des Vorstands in der Weise Einfluss nehmen, dass sich das Sonderinteresse eines befangenen Mitglieds nicht zum Nachteil der Gesellschaft durchsetzen kann. Das dem Aufsichtsrat dazu zur Verfügung stehende Instrumentarium umfasst neben einer erhöhten Überwachung des Geschäftsgebarens des befangenen Vorstandsmitglieds folgende Maßnahmen: a) Anordnung der Gesamtgeschäftsführung für die Maßnahme, auf die sich der Interessenkonflikt bezieht (sofern die Maßnahme nicht ohnehin nach § 76 Abs. 1 oder § 77 Abs. 1 AktG gemeinschaftlich wahrzunehmen ist) sowie Anordnung der Beschlussfassung nach dem Mehrheitsprinzip. b) Anbindung der Durchführung einer durch Sonderinteressen belasteten Vorstandsentscheidung an einen Zustimmungsvorbehalt gem. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG. Die Maßnahmen zu a) und b) können entweder durch abstrakt-generelle Regelung in der Geschäftsordnung des Vorstands oder ad hoc im akuten Konfliktfall getroffen werden. c) Sofern sich die Folgen des Konflikts durch die Maßnahmen zu a) und b) nicht abwenden lassen: Widerruf der Bestellung des befangenen Vorstandsmitglieds gem. § 84 Abs. 3 AktG. 5. Das aktienrechtliche Instrumentarium ermöglicht dem Aufsichtsrat, auf unterschiedliche Konfliktsituationen im Interesse der Gesellschaft flexibel und angemessen zu reagieren. Wie der Aufsichtsrat seine Kontrollinstrumente im Einzelfall einsetzt, steht grundsätzlich in seinem Ermessen. Maßstab ist der wirksame Schutz der Gesellschaft vor den nachteiligen Folgen eigennützigen Vorstandshandelns bei gleichzeitig weitestmöglicher Wahrung der Geschäftsführungsbefugnisse der Vorstandsmitglieder. Durch die ihm auferlegten Überwachungspflichten wird der Aufsichtsrat auch nicht überfordert. Er soll nicht über die Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit einer Vielzahl von Alltagsgeschäften befinden, sondern in einer überschaubaren Zahl von Konfliktfällen der auch inhaltlich überschaubaren Frage nachgehen, ob sich ein von einem Vorstandsmitglied offen gelegter Interessenkonflikt zum Nachteil für die Gesellschaft auswirken kann und für diesen Fall geeignete Abwehrmaßnahmen beschließen und verfolgen. Diese Aufgabe entspricht seiner in den letzten Jahren vom Gesetzgeber gestärkten unternehmerischen Verantwortung für das Wohl der Gesellschaft. 6. Ein befangenes Vorstandsmitglied ist aufgrund seiner treuhänderischen Stellung verpflichtet, sein konfliktbegründendes Sonderinteresse dem Aufsichtsrat und seinen Vorstandskollegen unverzüglich offen zu legen. Einschränkungen der Offenlegungspflicht kommen nur ausnahmsweise aus Gründen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bzw. gegenüber Dritten bestehenden Schweigepflichten in Betracht. Im Übrigen ist ein Vorstandsmitglied infolge seiner organschaftlichen Treubindungen auch im Interessenkonflikt verpflichtet, dem Wohl der Gesellschaft aktiv und
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loyal ohne Rücksicht auf sein entgegenstehendes Sonderinteresse zu dienen. Von dieser Verpflichtung ist es de lege lata weder durch ein gesetzliches Geschäftsführungs- noch durch ein analoges Stimmverbot ausgeschlossen. Grundsätzlich steht ihm auch kein Leistungsverweigerungsrecht wegen Unzumutbarkeit der Leistung gem. § 275 Abs. 3 BGB zu. Bei seiner Amtsausübung hat es die allgemeine Sorgfaltspflicht (§ 93 Abs. 1 Satz 1 AktG) zu beachten. 7. Die Pflichten der übrigen Vorstandsmitglieder im Umgang mit dem Interessenkonflikt ihres Kollegen hängen davon ab, ob die Konfliktmaßnahme in die Gesamtgeschäftsführung des Vorstands fällt, ob der Befangene einzelgeschäftsführungsbefugt ist oder ob infolge vorstandsinterner Delegation ein anderes Vorstandsmitglied zuständig ist. Im ersten Fall sind die Kollegen des Befangenen gehalten, durch ihre aktive Beteiligung an der Geschäftsführung ein sachgerechtes Vorstandshandeln zu gewährleisten. Im zweiten Fall müssen sie das Handeln des Befangenen aufgrund ihrer Gesamtverantwortung für die Geschäftsführung kontrollieren und im dritten durch verstärkte eigene Kontrollmaßnahmen die konfliktbedingten Beeinträchtigungen der Kontrollarbeit des Befangenen kompensieren. Aufgrund des zwischen den Vorstandsmitgliedern wirkenden Kollegialprinzips sind die von dem Interessenkonflikt nicht direkt betroffenen Vorstandsmitglieder zu einseitigen, auf Mehrheitsentscheidung basierenden direkten Eingriffen in die Geschäftsführungsbefugnis des Konfliktträgers nicht berechtigt. Können sie mit ihren Mitteln die Durchsetzung des Sonderinteresses nicht unterbinden, müssen sie den Aufsichtsrat einschalten. 8. Ein vom befangenen Vorstandsmitglied allein oder unter seiner Beteiligung pflichtwidrig für die Gesellschaft geschlossenes Rechtsgeschäft mit einem Dritten ist gem. §§ 78 Abs. 1, 82 Abs. 1 AktG grundsätzlich wirksam, auch wenn es für die Gesellschaft nachteilig ist. Hat das befangene Mitglied einen pflichtwidrigen Geschäftsabschluss herbeigeführt, kann der Geschäftspartner der AG auf die Wirksamkeit des Geschäfts nach den Grundsätzen zum Missbrauch der Vertretungsmacht allerdings dann nicht vertrauen, wenn er zum Nachteil der Gesellschaft mit dem untreuen Vorstandsmitglied bewusst und gewollt zusammengewirkt hat (Kollusion). Das Geschäft ist dann gemäß § 138 BGB nichtig. Liegen die Voraussetzungen für eine Nichtigkeit nicht vor, so braucht die Gesellschaft das Rechtsgeschäft trotzdem nicht gegen sich gelten zu lassen, wenn dem Dritten die Treuwidrigkeit bekannt oder für ihn objektiv offensichtlich war (Evidenz). Ist der Missbrauchsvorsatz nicht unmittelbar bei der Person gegeben, die die Gesellschaft nach außen vertritt, liegt ein Vertretungsmissbrauch gleichwohl vor, wenn sich dieser bei einem Dritten vorhandene Vorsatz dem Vorstand der Aktiengesellschaft im konkreten Fall zurechnen lässt. Es gelten die allgemeinen Grundsätze der Wissenszurechnung. 9. Handelt das befangene Vorstandsmitglied beim Geschäftsabschluss sowohl als Organvertreter der AG wie auch als Stellvertreter ihres Geschäftspartners, so ist das Geschäft gem. § 181 Var. 2 BGB (Mehrvertretung) schwebend unwirksam. § 112 AktG verdrängt § 181 BGB nur in der Tatbestandsvariante des Selbstkontrahierens.
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Bei einem mehrgliedrigen Aktienvorstand ist der Anwendungsbereich des § 181 Var. 2 BGB nach dem Schutzzweck der Norm auch dann eröffnet, wenn das Rechtsgeschäft auf Seiten der Aktiengesellschaft von einem Kollegen des befangenen Vorstandsmitglieds geschlossen wird. Ein Verstoß gegen § 181 BGB liegt nicht vor, wenn die Gesellschaftssatzung oder, auf Grundlage einer Satzungsermächtigung, der Aufsichtsrat Insichgeschäfte generell gestattet hat. Auf den Einzelfall beschränkt kann der Aufsichtsrat auch ohne Satzungsermächtigung eine Gestattung aussprechen. Ohne Gestattung geschlossene und damit schwebend unwirksame Rechtsgeschäfte kann der Aufsichtsrat rückwirkend genehmigen. 10. Die Haftung des befangenen Vorstandsmitglieds für Schäden, die es der Gesellschaft durch eigennütziges Handeln zufügt, richtet sich nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG. Eine Haftungserleichterung nach Maßgabe der „Business Judgment Rule“ des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG kommt ihm beim Vorliegen eines Interessenkonflikts grundsätzlich nicht zugute. Eine Ausnahme erscheint aber dann gerechtfertigt, wenn der Befangene seine verbandsinternen Pflichten zur Konfliktbewältigung – Offenlegung, fortgesetzte Transparenz, Dokumentation, Zusammenarbeit mit den kontrollierenden Vorstandskollegen und dem Aufsichtsrat – erfüllt und der Aufsichtsrat der Geschäftsführungsmaßnahme nach ordnungsgemäßer Kontrolle zugestimmt hat. 11. Der Interessenkonflikt eines Vorstandsmitglieds in einem mehrgliedrigen Gremium führt nicht per se zur Versagung der Business Judgment Rule für die übrigen Mitglieder. Bei einem offengelegten Konflikt behalten sie das Haftungsprivileg unter den gleichen Bedingungen wie der unmittelbar betroffenen Kollege, d. h. wenn der anfängliche Konflikt durch eine sachgerechte Konfliktkontrolle aller Beteiligten und insbesondere durch die Mitwirkung des Aufsichtsrats neutralisiert wird. Ein Rückzug oder Ausschluss des Befangenen von der Geschäftsführung in der Konfliktangelegenheit ist hingegen – unabhängig von einer dafür ohnehin nicht vorhandenen Rechtsgrundlage – für eine Konfliktneutralisierung weder erforderlich noch hinreichend. Ein verborgener Konflikt, den die nicht beteiligten Vorstandsmitglieder weder kannten noch erkennen konnten, lässt das Haftungsprivileg ebenfalls unberührt. 2. Teil 1. Kapitel (Interessenkonflikte bei personellen Verflechtungen (Doppelmandaten))
1. Doppelmandate finden sich außerhalb von Konzernstrukturen in erster Linie in der Kombination von Vorstands- und Aufsichtsratsmandat. Die Kombination zweier Vorstandsmandate ist nur selten anzutreffen. Das Aktienrecht lässt die gleichzeitige Übernahme dieser Ämter zu. Für die Kombination zweier Vorstandsmandate ist die Zustimmung der Aufsichtsräte beider Gesellschaften nach § 88 Abs. 1 Satz 2 AktG erforderlich.
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2. Gerät ein Vorstandsmitglied wegen eines weiteren Mandats in einen Interessenkonflikt, gelten die im Ersten Teil (§§ 6 u. 7) aufgestellten Grundsätze. Unter bestimmten Umständen kann sich der Interessenkonflikt aber zu einem echten Pflichtenkonflikt auswachsen. Ein solcher ist gegeben, wenn der Doppelmandatar seine Pflicht aus dem einen Mandatsverhältnis nur unter Verletzung einer Pflicht aus dem andern Verhältnis erfüllen kann. Ob ein Pflichten- und nicht nur ein Interessenkonflikt vorliegt, bedarf einer genauen Einzelfallanalyse des Inhalts und der Reichweite der jeweiligen Pflichtenkreise. 3. Konkret kommt es zu Pflichtenkollisionen beim Aufeinandertreffen von vorstandlichen Förder- und aufsichtsrätlichen Verschwiegenheits- oder Überwachungspflichten, ferner wenn die beiden Gesellschaften in direktem geschäftlichem Kontakt stehen, und schließlich bei der Abwerbung qualifizierten Personals. Im Fall von Vorstandsdoppelmandaten besteht zusätzliches Konfliktpotential bei der Zuweisung von Geschäftschancen, die der Doppelmandatsträger im Privatbereich erlangt hat sowie bei Entscheidungen über konkrete Wettbewerbsmaßnahmen. 4. Eine Pflichtenkollision bewirkt nicht die Unmöglichkeit der Pflichterfüllung nach § 275 Abs. 1 BGB. Anknüpfungspunkt für die Auflösung des Konflikts ist § 275 Abs. 3 BGB, der auch auf Pflichtenkonflikte organschaftlicher Interessenvertreter anwendbar ist. Kann der Doppelmandatar seine Leistungspflicht in dem einen Mandatsverhältnis nur um den Preis der Verletzung einer Rechtspflicht in dem anderen Mandatsverhältnis erfüllen, wird diese Pflichtenkollision unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit dahin gelöst, dass er die Erfüllung der geringerwertigen Pflicht verweigern darf. 5. Abwägungsmaßstab ist die relative Wertigkeit der kollidierenden Pflichten. Wegen der abstrakten Gleichwertigkeit des in beiden Mandatsverhältnissen zu verfolgenden „Wohls der Gesellschaft“ sind die konkreten Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Zu berücksichtigen sind neben zwingenden gesetzlichen Vorgaben auf beiden Seiten der Grad und die Nähe der Gefahr, d. h. die Größe des jeweils drohenden Schadens sowie die Höhe der Schadenswahrscheinlichkeit. Die richtige Pflichtenabwägung ist somit eine Rechts-, keine Ermessensfrage. Aufgrund der regelmäßig gegebenen Komplexität der Abwägung ist von ihrer justiziablen Fehlerhaftigkeit jedoch erst dann auszugehen, wenn sie zu einem ersichtlich unverhältnismäßigen und objektiv unvertretbaren Ergebnis geführt hat. 6. Der Grundsatz der Pflichtenrelativität gilt lediglich für den Doppelmandatsträger, nicht aber für die übrigen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder der betroffenen Gesellschaften. Diese sind nach wie vor allein auf das Interesse „ihrer“ Gesellschaft verpflichtet und gehalten, unter Einsatz aller ihnen zustehenden Kontrollinstrumente zu verhindern, dass sich das durch ihren doppelt verpflichteten Kollegen eingebrachte Fremdinteresse durchsetzt. In Fällen schwerer und dauerhafter Konfliktlagen ist eine Abberufung des Doppelmandatsträgers bzw. eine Amtsniederlegung angezeigt.
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7. Ist im konkreten Fall die Berücksichtigung des fremden Pflichtenkreises durch den Doppelmandatar das Ergebnis einer zutreffenden Abwägung, haftet er der benachteiligten Gesellschaft für den dadurch entstehenden Schaden grundsätzlich nicht. Eine Ersatzpflicht kann sich aber aus dem Gesichtspunkt des Übernahmeverschuldens ergeben, wenn der Konflikt bereits zum Zeitpunkt der Übernahme des Zweitmandats absehbar war, was insbesondere bei einem bestehenden Wettbewerbsoder Geschäftsverhältnis zwischen den betroffenen Gesellschaften regelmäßig der Fall sein wird. Die Business Judgment Rule des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG (ggf. i. V. m. § 116 Satz 1 AktG) kommt ihm dabei nicht zu Gute. 8. In Konzernsachverhalten entstehen für den Doppelmandatar konzernspezifische Konfliktlagen, wenn die Obergesellschaft ihren beherrschenden Einfluss auf die ihr nachgeordneten Einheiten ausübt und zur Förderung des Gesamtkonzerns in deren Leitung eingreift. 9. Im faktischen Konzern sind dabei die Vorschriften der §§ 311 ff. AktG zum Nachteilsausgleich zu berücksichtigen. Eine nachteilige Veranlassung ohne Ausgleich ist rechtswidrig. Sie muss der Doppelmandatsträger in beiden Funktionen verhindern. Ein Pflichtenkonflikt ist somit nicht möglich. Nachteilige Veranlassungen mit Gewährung eines ordnungsgemäßen Nachteilsausgleichs muss der Doppelmandatsträger in der Obergesellschaft unterstützen und kann sie in der Untergesellschaft befolgen, ohne gegen seine dortigen Amtspflichten zu verstoßen. Damit ist ein Pflichtenkonflikt ebenfalls ausgeschlossen. 10. In Vertrags- bzw. Eingliederungskonzernen verfügt die Obergesellschaft über ein Weisungsrecht gegenüber der Untergesellschaft. Soweit dieses reicht, sind die Interessenkreise beider Gesellschaften vereinheitlicht. Das Problem eines Pflichtenkonflikts stellt sich nicht. 2. Kapitel (Interessenkonflikte bei öffentlichen Übernahmen)
1. Der Vorstand der Zielgesellschaft kann mit seiner Geschäftsführung entscheidenden Einfluss auf den Erfolg eines Übernahmeangebots ausüben. Da sämtliche Vorstandsmitglieder durch einen Kontrollwechsel in ihrer persönlichen Stellung betroffen sind, befinden sie sich spätestens ab der Ankündigung des Übernahmeangebots gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 WpÜG bei allen Handlungen, die geeignet sind, den Übernahmeerfolg zu verhindern oder zu fördern, stets im Interessenkonflikt. 2. Das Verhinderungsverbot des § 33 Abs. 1 Satz 1 WpÜG schränkt die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands nicht in der Weise ein, dass ihm alle potentiell erfolgsverhindernden Handlungen untersagt sind. Vielmehr sind ihm abwehrgeeignete Aktivitäten nach Maßgabe des § 33 Abs. 1 Satz 2 WpÜG gestattet. Die Regelung des § 33 Abs. 1 Satz 1 WpÜG bekräftigt insoweit das im ersten Teil dieser Untersuchung gewonnene Ergebnis, dass befangene Vorstandsmitglieder weder ex lege von der Mitwirkung an konfliktbelasteten Maßnahmen ausgeschlossen sind
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noch einem gesetzlichen Stimmverbot unterliegen. Auch für die Geltendmachung eines Leistungsverweigerungsrechts hinsichtlich der nach § 33 Abs. 1 Satz 2 WpÜG gestatteten Handlungen findet sich im WpÜG keine Rechtsgrundlage. Trotz ihres übernahmespezifischen Interessenkonflikts sind alle Vorstandsmitglieder zu einer ordnungsgemäßen und loyalen Geschäftsführung im Interesse der Zielgesellschaft berechtigt und verpflichtet. Dies gilt auch umgekehrt für Handlungen, mit denen sie eine bevorstehende Übernahme fördern. Die materielle Handlungsmaxime für alle diese Maßnahmen ist – ohne besondere inhaltliche Modifikation – das Unternehmensinteresse der Zielgesellschaft. 3. Beteiligen sich alle oder einige Vorstandsmitglieder selbst an einem Übernahmeangebot (sog. Management Buyout), folgen daraus für die Vorstandsarbeit in der Zielgesellschaft keine besonderen materiellen Pflichten oder Beschränkungen. Es gilt die übliche Bindung an das Unternehmensinteresse. Insbesondere sind die Vorstandsmitglieder weder per se verpflichtet, nach einem Konkurrenzangebot zu suchen noch sind sie generell gehalten, einen konkurrierenden Bieter strikt gleich zu behandeln, wie den Bieter des Management-Buyout-Angebots. Auch der (prozedurale) Vorschlag, sämtliche Verhandlungen mit dem Management-Buyout-Bieter von einem unbeteiligten Vorstandsmitglied bzw. dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats führen zu lassen, findet im geltenden Recht keine Grundlage. 4. Abgesehen von dem in § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 3 WpÜG vorgeschriebenen Zustimmungserfordernis des Aufsichtsrats und dem nach europäischem Verhinderungsverbot erforderlichen Ermächtigungsvorbehalt der Hauptversammlung (§ 33a Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 WpÜG) enthält das Übernahmerecht für Vorstandshandlungen, die den Übernahmeerfolg beeinflussen können, keine besonderen Verfahrensschranken. Zum Schutz der Gesellschaft vor übernahmespezifischen Interessenkonflikten im Vorstand finden die allgemeinen aktienrechtlichen Konfliktregelungen mit ihren Eckpfeilern Transparenz, Kontrolle und Haftungsverschärfung durch Einschränkung des Geschäftsleiterermessens ergänzende Anwendung. 5. Aufgrund der besonderen Bedeutung, die Erfolg und Misserfolg eines Übernahmeversuchs für die Zielgesellschaft haben und wegen der stets gegebenen Konfliktbelastung aller Vorstandsmitglieder ist der Aufsichtsrat in jedem Fall, d. h. nicht nur bei einer gezielten Übernahmeabwehr gem. § 33 Abs. 1 Satz 2 Var. 3 WpÜG, aktienrechtlich verpflichtet, Vorstandshandlungen, die abwehrend oder fördernd auf einen konkreten Übernahmeversuch einwirken, einem Zustimmungsvorbehalt zu unterstellen. Aufgrund ihrer besonderen Bedeutung sind alle diese Maßnahmen zudem aktienrechtlich als Leitungsmaßnahmen einzustufen und müssen daher durch den Gesamtvorstand beschlossen werden. 6. Rechtsgeschäfte der Gesellschaft mit Dritten, die der Vorstand pflichtwidrig eingegangen ist, um den Übernahmeversuch im eigenen Interesse zu beeinflussen, sind grundsätzlich wirksam. Nichtigkeit kommt nach den Regeln des Missbrauchs der Vertretungsmacht nur bei kollusivem Zusammenwirken mit dem Dritten in Betracht. Für Schäden, die der Gesellschaft aus pflichtwidrigen Maßnahmen zur
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Abwehr oder Förderung eines Übernahmeversuchs entstehen, haften die Vorstandsmitglieder nach § 93 Abs. 2 AktG. Die Haftungserleichterung nach § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG kommt ihnen nicht zugute. Eine Haftung der Vorstandsmitglieder gegenüber den Aktionären der Zielgesellschaft für Nachteile aus einer pflichtwidrigen Übernahmeabwehr besteht grundsätzlich nicht; das Verhinderungsverbot des § 33 Abs. 1 Satz 1 WpÜG ist zugunsten der Aktionäre kein Schutzgesetz i. S. v. § 823 Abs. 2 BGB. 7. Die begründete Stellungnahme hat als besondere Ausprägung des in § 3 Abs. 2 WpÜG verankerten Transparenzgebots die Funktion, den Aktionären der Zielgesellschaft weitergehende Informationen zum Angebot und seinen Folgen zu verschaffen und so zu einer ausgewogenen Grundlage für eine sachgemäße Anlageentscheidung beizutragen. Ihre Zweckbestimmung als glaubwürdiges Gegenstück zur Informationspolitik des Bieters kann sie nur erfüllen, wenn die Vorstandsmitglieder ihre transaktionsbezogenen Eigeninteressen in der Stellungnahme offen legen. Offenzulegen sind insbesondere die eigene Veräußerungsabsicht, wenn Vorstandsmitglieder selbst Aktionäre der Zielgesellschaft sind, ferner übernahmebezogene Zusagen des Bieters sowie etwaige Change-of-Control-Klauseln in den Anstellungsverträgen mit der Zielgesellschaft. 8. Dissenting opinions sind in der Stellungnahme nach § 27 WpÜG nicht nur zulässig, sondern geboten, um den Adressaten ein Gesamtbild der Interessen- und Meinungslage im Vorstand zu vermitteln. Der Vorschlag, befangene Vorstandsmitglieder von der Verpflichtung zur Abgabe der Stellungnahme nach § 27 WpÜG auszuschließen, ist nach geltendem Recht abzulehnen. 9. Der Impetus der Vorstandsmitglieder, die Stellungnahme zur Begünstigung eigener Interessen zu instrumentalisieren, wird zusätzlich dadurch gebremst, dass der Aufsichtsrat eine eigene begründete Stellungnahme abzugeben hat. Daneben bleibt er befugt, die Stellungnahme des Vorstands gem. § 111 Abs. 4 Satz 2 AktG an seine Zustimmung zu binden. Er darf seine Zustimmung aber nur verweigern, soweit die Stellungnahme des Vorstands rechtswidrig ist. Eine lediglich abweichende unternehmerische Ansicht des Vorstands kann der Aufsichtsrat nicht durch einen Zustimmungsvorbehalt blockieren. Mit ihr muss er sich in seiner eigenen begründeten Stellungnahme auseinander setzen.
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Stichwortverzeichnis Aktiengesellschaft – dualistische Verwaltungsstruktur 34, 55 f., 65, 67, 78, 171, 173 – Interesse/Wohl der Gesellschaft, Unternehmensinteresse siehe Unternehmensinteresse – Privatautonomie 43, 141 Aufsichtsrat – Abberufung des Vorstands – allgemein 35, 62, 66 ff., 143 ff. – siehe auch Öffentliche Übernahmen – Aufsichtsrat der Zielgesellschaft – Abschluss/Kündigung von Anstellungsverträgen mit Vorstandsmitgliedern; Festlegung Anstellungsbedingungen 34 f., 69 f., 87, 97, 145 f., 147 – Anordnung von Zustimmungsvorbehalten – allgemein 36, 56, 63 f., 131 ff., 137 ff., 173, 180 f., 209, 217 – gegen Unterlassen des Vorstands 144 – siehe auch Öffentliche Übernahmen – Aufsichtsrat der Zielgesellschaft – Ausübung pflichtgemäßen Ermessens 36 f., 64, 76, 82 f., 127, 136, 138, 143, 180, 189, 298, 316 f. – Befreiung eines Vorstandsmitglieds vom Wettbewerbsverbot 70, 180, 223, 251 – Bestellung des Vorstands 34, 66 ff. – Erlass/Änderung der Geschäftsordnung für den Vorstand 128 ff., 142 f. – Geschäftsführungsverbot 55, 142, 144, 285 f. – Kreditgewährung an Vorstandsmitglieder/ vorstandsnahe Dritte 71 ff., 82, 99, 100, 103, 111, 140 f., 170 f. – Neutralisierung vorstandsspezifischer Sonderinteressen 65, 77 f., 127 ff., 171 f. – Qualifikation der Aufsichtsratsmitglieder 56 – Überwachung der Geschäftsführung des Vorstands
– allgemein 35 ff., 55 f., 127, 136 f., 141 – siehe auch Aktiengesellschaft – duale Verwaltungsstruktur – siehe auch Öffentliche Übernahmen – Aufsichtsrat der Zielgesellschaft – Verschwiegenheitspflicht 227 f., 246 f. – Verstoß gegen die Zuständigkeit des Aufsichtsrats 66 ff., 69 f., 71, 72 ff., 100 ff. – Vertretung der AG gegenüber Vorstandsmitgliedern – amtierende Vorstandsmitglieder 89 ff. – Delegation der Vertretung 84 ff. – Drittgeschäfte 79 ff., 88, 98, 99 f., 166, 168 ff. – ehemalige Vorstandsmitglieder 95 ff. – Geschäfte des täglichen Lebens 84 ff. – Geschäftsführungsbefugnisse des Aufsichtsrats 80 ff. – Gestattung der Mehrvertretung 187 ff. – künftige Vorstandsmitglieder 94 – mehrgliedriger Vorstand 90 ff. – organschaftliche Angelegenheiten 78 f., 95 ff. – vorstandsnahe Dritte 97 f., 99 f. – „wirtschaftliche Identität“ zwischen Vorstandsmitglied und Dritten 138 ff. Deutscher Corporate Governance Kodex (DCGK) 62 ff., 113, 114 Doppelmandat – Bestellung eines Vorstandsmitglieds zum Geschäftsführer einer Untergesellschaft 89 f., 178 ff. – Eingliederungskonzern 263 – faktischer Konzern 254 ff. – Konstellationen 222 f. – nachteilige Veranlassungen 256 ff. – Nachteilsausgleich 259 ff. – Pflichtenabwägung 232 ff., 242 ff. – Pflichtenkollision 221, 224 ff., 256 ff., 263 f.
Stichwortverzeichnis – – – – – –
Pflichtenrelativität 231 Scheinkonflikte 244 ff. Stimmverbot 178 ff., 230 Überkreuzverflechtung 254 Übernahmeverschulden 250 ff. Unmöglichkeit der Geschäftsführung 231 f. – Unzumutbarkeit der Pflichterfüllung 232, 241 ff. – Vertragskonzern 262 – Zulässigkeit 222 f., 230, 254 f. Interessenkonflikte – Definition 40 ff., 206 – Interessen vorstandsnaher Dritter 51 ff. – Interessenkonflikt bei Aufgabendelegation 53 f., 134 f. – katalogmäßig erfasste Konfliktgeschäfte 131 ff. – Konfliktkriterien 45 ff. – Konfliktschwere 49 ff., 268 ff. – mehrgliedriger Vorstand – Interessenkonflikte allgemein 66, 122 ff., 128 ff. – „Konfliktinfektion“ 90 ff., 110 ff., 155, 172 f., 211 ff. – Offenlegung verdeckter Konflikte 63, 113 ff., 207 ff. – Geheimhaltungsinteresse des Vorstandsmitglieds 116 ff. – Geheimhaltungsinteresse Dritter 120 f. – siehe auch Öffentliche Übernahmen – Offenlegung von Sonderinteressen – rechtliche Relevanz 40 f. – übernahmespezifische Interessenkonflikte siehe Öffentliche Übernahmen – Übernahmespezifische Interessenkonflikte/Eigeninteressen Öffentliche Übernahmen – Abwehrmaßnahmen 266 f., 272 ff., 284 – Aufsichtsrat der Zielgesellschaft – Abberufung des Vorstands 300 – Anordnung von Zustimmungsvorbehalten 296 ff. – Mitwirkung bei begründeter Stellungnahme 315 ff.
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– Überwachung der Geschäftsführung 295 f. – Zustimmung zu Abwehrmaßnahmen 278 ff. Ausschluss des Vorstands von der Geschäftsführung 284, 293, 312 f. Beeinflussung des Übernahmeerfolgs 266 ff., 276, 277, 294 f. begründete Stellungnahme – allgemein bei Interessenkonflikt 288 ff., 305 ff. – Offenlegung vorstandsinterner Meinungsverschiedenheiten 313 ff. Beschränkung der Geschäftsführung 284, 293, 312 f. Bietergleichbehandlung 282 ff. Change-of-Control-Klauseln 290, 311 f. Interesse der Zielgesellschaft 273, 274 ff., 277, 278 ff., 281 f., 283 f. Leitungsmaßnahmen 294 f. Management Buyout 281 ff., 285 f. Offenlegung von Sonderinteressen 288 ff., 292, 306 ff. Schadensersatzpflicht des Vorstands gegenüber Aktionären 302 ff. Stimmverbot 293, 312 f. Suche nach Konkurrenzangeboten 276 ff., 281 f. Übernahmespezifische Interessenkonflikte/Eigeninteressen 265, 269, 270 ff., 275, 281, 309 ff. Verhinderungsverbot – allgemein 272 ff. – Schutzgesetzcharakter 304 f. vorstandsinterne Überwachung 293 ff.
Principal-Agent-Theorie 38 ff., 59 Unternehmensinteresse, Interesse/Wohl der Gesellschaft – allgemein 31 f., 42 ff., 178, 235, 318 – siehe auch Öffentliche Übernahmen – Interesse der Zielgesellschaft Vorstand, Vorstandsmitglieder – Ausschluss von der Geschäftsführung 148 ff. – Eigeninteresse des Vorstandsmitglieds
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Stichwortverzeichnis
– allgemein 21 f., 32, 37, 41, 45 ff., 66, 69, 71 f., 78, 89, 90 ff., 114 f., 116 ff. – zu übernahmespezifischen Eigeninteressen siehe auch Öffentliche Übernahmen – Übernahmespezifische Interessenkonflikte/Eigeninteressen Einzelvorstand 32, 143 ff., 177 f. Entscheidungsfindung 48 f., 128 f., 175 erfolgsabhängige Vergütung 59 ff. Funktion 29 ff. gegenseitige Abhängigkeit 93 f., 172, 186 f., 215 f. Gesamtverantwortung 34, 123, 125 f. Geschäftsführung des Vorstands – Delegation 31, 33, 36 – Einstimmigkeitsprinzip 33, 122 f., 128 f. – Einzelgeschäftsführung 123 – Gesamtgeschäftsführung 32, 57, 122 f., 128 f., 157, 176 f. – Mehrheitsprinzip 33, 122, 129 Haftung bei konfliktbedingter Pflichtverletzung – allgemein 61, 197 ff., 249 ff., 301 ff. – „Business Judgment Rule“ 200 ff., 249, 251, 301 ff. – haftungserleichternde Konfliktneutralisierung 207 ff., 216 f. – Kollegialentscheidungen 210 ff. Kollegialprinzip 125, 175 Leistungsverweigerungsrecht – allgemein bei Interessenkonflikt 106 ff. – bei mehrgliedrigen Vorständen 110 ff., 155 Leitungsmacht 37 f. Leitungsmaßnahmen – allgemein 30 f. – siehe auch Öffentliche Übernahmen – Leitungsmaßnahmen mehrgliedriger Vorstand 32, 57 f. Mehrvertretung 76 f., 184 ff.
– Missbrauch der Vertretungsmacht 141 f., 191 ff., 301 – Rechtsstellung allgemein 29 ff. – Sorgfaltspflicht 31, 112 f., 122 – Stimmverbot – allgemein 159 ff. – siehe auch Doppelmandat – Stimmverbot – siehe auch Öffentliche Übernahmen – Stimmverbot – Treuepflicht 32, 42, 63 f., 107 ff., 113, 150 ff., 160 f. – Unmöglichkeit der Geschäftsführung – allgemein bei Interessenkonflikt 148 ff. – siehe auch Doppelmandat – Unmöglichkeit der Geschäftsführung – unternehmerisches Ermessen 198 ff., 259 ff. – unzulässige Rechtsausübung 152 ff., 161 – Unzumutbarkeit der Pflichterfüllung – allgemein bei Interessenkonflikt 106 ff. – siehe auch Doppelmandat – Unzumutbarkeit der Pflichterfüllung – Verschwiegenheitspflicht 32, 227 f., 246 f., 314 – Vertretung der Aktiengesellschaft 29 f. – vorstandsinterne Überwachung – allgemein bei Interessenkonflikt 123 ff. – siehe auch Öffentliche Übernahmen – vorstandsinterne Überwachung – Wahrnehmung von Geschäftschancen 59, 225, 228 – Wettbewerbsverbot 32, 58 f., 228 f. – Wirksamkeit pflichtwidriger Rechtsgeschäfte 173 f., 181, 183 ff., 301 – Zusammensetzung 32 – Zusammenwirken mit dem Aufsichtsrat 32, 36, 83, 113, 121 f., 123, 124, 126, 137